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German Pages 280 [278] Year 2023
Thomas Schmitz-Justen Die Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft
Die Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft
von Thomas Schmitz-Justen
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG · Köln
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© 2023 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2023 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die Schrift auf den Stand von August 2023 gebracht. Die bevorstehenden Änderungen durch das MoPeG, die den Inhalt dieser Arbeit nur am Rande betreffen, wurden berücksichtigt. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Moritz Brinkmann, LL.M. (McGill), danken. Er hat den Anstoß zur Befassung mit dem Thema dieser Arbeit gegeben, ihre Erstellung besonders engagiert und interessiert unterstützt und mir dabei auch die notwendigen Freiräume gelassen. Dankbar bin ich ihm aber nicht nur für diese Förderung meiner Promotion, sondern auch für acht wunderbare Jahre an seinem Lehrstuhl – zunächst als Studentische Hilfskraft und anschließend als Wissenschaftlicher Mitarbeiter –, die meine Begeisterung für das Insolvenzrecht geweckt und meine fachliche sowie persönliche Entwicklung im besten Sinne geprägt haben. Herzlicher Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Alexander Scheuch für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und seine wertvollen Anregungen im Rahmen der Begutachtung. Für die Aufnahme in diese Schriftenreihe bin ich deren Herausgebern ebenso dankbar wie der Studienstiftung des deutschen Volkes für die Förderung der Promotion. Mein Dank gilt außerdem meinen Kolleginnen und Kollegen, die dafür gesorgt haben, dass ich jeden Tag gern zum Lehrstuhl gekommen bin. Besonders dankbar bin ich meiner Freundin Jenna, die mir stets ein wichtiger Rückhalt ist. Den größten Dank schulde ich zu guter Letzt meiner Familie, allen voran meinen Eltern, die mich in allen meinen Vorhaben in jeder denkbaren Weise unermüdlich unterstützen.
Bonn, im August 2023
Thomas Schmitz-Justen
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Vorwort ................................................................................................................ V Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... XV Einführung .............................................................................................. 1 ........ 1 Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes .............. 13 ........ 9 A. Die Haftsumme als Höchstbetrag der Außenhaftung ....................... 15 ........ 9 I. Divergenz von Einlage und Haftsumme ..................................... 18 ...... 11 II. Ausnahmsweise unbeschränkte Außenhaftung .......................... 19 ...... 11 B. Kreis der Haftungsgläubiger ............................................................. 23 ...... 13 C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage ....................................... I. Hintergrund der Verknüpfung – Gesellschafterhaftung und Kapitalausstattung ............................................................... 1. Grundsatz der unbeschränkten Gesellschafterhaftung ......... 2. Haftungsausschluss im Kapitalgesellschaftsrecht ................ 3. Der Kommanditist im System der Gesellschafterhaftung .... a) Die Haftung als Kompensation für ein konkretes Defizit des Gesellschaftsvermögens .............................. b) Kein bloßer Anreiz zur Einlageleistung ......................... II. Die Verknüpfung im Einzelnen .................................................. 1. Beschränkung auf das Außenverhältnis ............................... 2. Haftungsbefreiende Einlageleistung, § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ................................................................ a) Leistung einer „Einlage“ ................................................ b) Objektive Wertdeckung ................................................. 3. Wiederaufleben der Außenhaftung, § 172 Abs. 4 HGB .......
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D. Haftungstatbestände außerhalb des KG-Rechts ................................ 54 ...... 27 E. Zusammenfassung ............................................................................ 56 ...... 29 Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB ................................................ 59 ...... 31 A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB .......................................... 62 ...... 32 I. Praktische Vorteile zusammengefasster Einziehung .................. 62 ...... 32 II. Ermöglichung von Gläubigergleichbehandlung ......................... 67 ...... 34 VII
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III. Verwirklichung der Massezugehörigkeit .................................... 69 1. Haftungsrechtliche Grundlagen und Begriffe ...................... 70 2. Haftungsrechtliche Zuordnung und Kommanditistenhaftung ................................................................................. 76 a) Gegenstand der haftungsrechtlichen Zuordnung ............ 81 aa) Häsemeyers These: Das Vermögen des Kommanditisten ................................................ 82 (1) Die fehlende Konkretisierbarkeit des Haftungssubstrats ........................................ 85 (2) Bedenken gegen die Haftungspriorität .............. 88 (3) Exkurs: Kommanditistenhaftung in der Insolvenz des Kommanditisten ............... 92 bb) Die Ansprüche der Gläubiger aus § 171 Abs. 1 HGB ................................................... 98 b) Konstitutive Wirkung des § 171 Abs. 2 HGB .............. 102
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB .................................. I. Zeitlicher Anwendungsbereich ................................................. 1. Eröffnetes Insolvenzverfahren ........................................... 2. Vorläufige Sicherung im Eröffnungsverfahren .................. 3. Individueller Zugriff nach Verfahrensbeendigung ............. II. Rechtsform der Gesellschaft ..................................................... III. Gläubigeransprüche nach § 171 Abs. 1 HGB ........................... 1. Geltung bei Haftung für Masseverbindlichkeiten .............. a) Haftung für Masseverbindlichkeiten (insolvenzspezifischer Haftungsumfang) ..................... aa) Abgrenzung ........................................................... bb) Überblick über den Meinungsstand ....................... (1) Unbeschränkte Gesellschafterhaftung nur für Altverbindlichkeiten .................................. (a) Die Korrelation von Herrschaft und Haftung ............................................... (b) Die Entscheidung des IX. Zivilsenats vom 24.9.2009 ........................................... (c) Vorrang des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes ..................................... (2) Übertragung auf den Kommanditisten ............ cc) Kritische Würdigung ............................................. (1) Herrschaft und Haftung beim Kommanditisten .............................................. (a) Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis .....................................................
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(b) Fremdverwaltung ...................................... (c) Verwaltung im Gläubigerinteresse ............ (2) Die Kommanditistenhaftung als Massebestandteil ........................................ (3) Die Haftsumme als Risikobetrag des Kommanditisten ........................................ dd) Zwischenergebnis und Konsequenzen ................... ee) Ausgeschiedener Kommanditist ............................ ff) Haftung bei fehlender Eintragung .......................... gg) Annex: Haftung für nachrangige Insolvenzforderungen ............................................ b) Zentralisierte Einziehung auch von Haftungsansprüchen der Massegläubiger ....................................... 2. Keine analoge Anwendung auf Parallelsicherheiten .......... 3. Keine teleologische Reduktion bei fehlendem Verteilungskonflikt ............................................................ 4. Exkurs: Einreden des Kommanditisten .............................. a) Fälligkeit ...................................................................... b) Verjährung ................................................................... IV. Zusammenfassung .................................................................... C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB .............................................. I. Ermächtigungswirkung ............................................................. 1. Rechtliche Konstruktion ..................................................... a) Herleitung der Einziehungsbefugnis ............................ aa) Kein gesetzlicher Forderungsübergang ................. bb) Gegenwärtiges Verständnis: Gesetzliche Einziehungsermächtigung ...................................... cc) Übergang der Verfügungsbefugnis ........................ b) Fortbestand individueller Haftungsforderungen .......... c) (Zivilrechtliche) Konsequenzen ................................... aa) Erfüllung der Haftungsansprüche durch Leistung an den Insolvenzverwalter ...................... bb) Persönliche Einwendungen gegen einzelne Gläubiger ............................................................... cc) Aufrechnung mit Forderungen gegen die Gesellschaft ...................................................... (1) Aufrechnung gegen die Einlageforderung der Gesellschaft ............................................... (2) Aufrechnung gegen die Außenhaftung ............ dd) Verfügungsbefugnis bei nicht zur Tabelle angemeldeten Insolvenzforderungen .....................
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2. Verhältnis zur Einforderung der Einlage ............................ a) Kein Vorrang der Einlageschuld oder der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB ............................................... b) Bedeutung des Wahlrechts ........................................... c) Konsequenzen für die andere Verpflichtung ................ 3. Auswahl zwischen mehreren Kommanditisten .................. a) Herleitung des Ermessens ............................................ b) Pflichtgemäße Ermessensausübung ............................. 4. Grenze der Inanspruchnahme – Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung ................................................. a) Praktische Bedeutung ................................................... b) Gesetzliche Beschränkungen auf das Gläubigerinteresse ....................................................... c) Herleitung der Beschränkung ....................................... aa) Einrede des Kommanditisten nach § 242 BGB ..... bb) Keine allgemeine Begrenzung der Verwalterbefugnisse durch den Insolvenzzweck ...................... cc) Einschränkung des § 171 Abs. 2 HGB .................. dd) Einschränkung des Haftungstatbestands ................ d) Relevanter Zeitpunkt .................................................... e) Keine Übertragung auf die Beitragsverbindlichkeit ..... f) Berechnung des erforderlichen Betrags ....................... aa) Zu berücksichtigende Gesellschaftsverbindlichkeiten (Passivseite) ................................................ (1) Verringerung durch Leistungen anderer Gesellschafter .................................................. (2) Bestrittene Forderungen .................................. (3) Für den Ausfall festgestellte Forderungen ....... bb) Anzusetzende Massebestandteile (Aktivseite) ....... (1) Vorhandene Insolvenzmasse ........................... (2) Verhältnis zur Insolvenzanfechtung ................ cc) Ausgeschiedener Kommanditist ............................ dd) Erforderlichkeit in Sanierungskonstellationen ....... II. Sperrwirkung ............................................................................ 1. Rechtliche Konstruktion ..................................................... 2. Folgen für die Gläubiger .................................................... a) Klage-, Vollstreckungs- und Rückschlagsperre ........... b) Aufrechnungssperre ..................................................... c) Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters .................. 3. Folgen für den Kommanditisten ......................................... a) Leistungen an einzelne Gläubiger nach Verfahrenseröffnung .................................................... aa) Grundsatz ............................................................... X
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bb) Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung ............................................................... b) Keine Aufrechnung des Kommanditisten mit Forderungen gegen einzelne Gläubiger ....................... III. Verwaltung und Verteilung des Haftungserlöses ..................... 1. Haftungsrechtliche Zuweisung der Haftungsansprüche und des eingezogenen Betrags ........................................... 2. Analoge Anwendung der Regeln über Absonderungsrechte ........................................................... a) Tatsächliche und haftungsrechtliche Parallele zu § 166 Abs. 2 InsO ..................................... b) Zwischenfazit – anwendbare Vorschriften ................... 3. Rechtsinhaberschaft an dem Haftungserlös ....................... a) Zuführung zur allgemeinen Insolvenzmasse bei aktiven Kommanditisten ........................................ b) Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten ... aa) Dingliche Surrogation ............................................ bb) Pflicht zur gegenständlichen Separierung .............. 4. Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB ................ a) Kostentragung .............................................................. aa) Entnahme aus dem Haftungserlös bei Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten .............. (1) Entnahmerecht analog § 170 Abs. 1 S. 1 InsO ... (2) Höhe des Kostenbeitrags ................................. bb) Keine „negative Sondermasse“ .............................. b) Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters ... 5. Verteilung des Haftungserlöses .......................................... a) Anspruch auf Erlösauskehr .......................................... b) Verteilungsrangordnung .............................................. c) Verteilungsmaßstab ...................................................... d) Folgen von Verteilungsfehlern ..................................... e) Auswirkungen einer Sondermasse auf die Partizipation an weiteren Sondermassen und an der allgemeinen Insolvenzmasse ............................. aa) Ausfallprinzip und Haftungsbeschränkung bei fehlender Erforderlichkeit ................................ bb) Quotenberechnung: Doppelberücksichtigung oder Beschränkung auf die Ausfallforderung? ...... (1) Alternative Lösungsvorschläge und Abgrenzung .............................................. (2) Zugehörigkeit des Haftungsobjekts zur Insolvenzmasse als ausschlaggebendes Kriterium .... IV. Zusammenfassung ....................................................................
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314 .... 149 319 .... 152 322 .... 153 324 .... 154 327 .... 155 328 .... 156 334 .... 157 339 .... 159 340 341 345 348 350 351
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Dritter Teil: Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung .............. 400 .... 189 A. Stellung der Haftungsgläubiger ...................................................... 401 .... 189 I. Voraussetzungen für die abweichende Verwendung des Haftungserlöses .................................................................. 401 .... 189 II. Sondermasse-Haftungsgläubiger .............................................. 404 .... 190 B. Stellung des Kommanditisten ......................................................... 406 .... 191 I. Regresserlass ............................................................................ 406 .... 191 II. Planerstreckung auf den Kommanditisten ................................ 409 .... 192 Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung .... 414 .... 195 A. Verhältnis von Insolvenzanfechtung und akzessorischer Haftung bei Leistungen der Gesellschaft an einen Kommanditisten .............................................................................. I. (Fehlende) Bedeutung der akzessorischen Haftung für die Gläubigerbenachteiligung ............................................. 1. Keine unzulässige Vorteilsanrechnung .............................. 2. Erschwerung und Verzögerung der Gläubigerbefriedigung ....................................................... II. Anspruchskonkurrenz ............................................................... III. Vorteile der Insolvenzanfechtung ............................................. B. Anfechtung von Gläubigerbefriedigungen durch den Kommanditisten in der Gesellschaftsinsolvenz .............................. I. Lückenhafter Schutz der insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung .............................................................. II. Anwendung des Anfechtungsrechts ......................................... 1. Rechtliche Konstruktion ..................................................... a) Direkte Anwendung der §§ 129 ff. InsO ...................... b) Analogie zu den §§ 133, 134 InsO ............................... c) Zwischenergebnis ........................................................ 2. Anwendung des Anfechtungsrechts im Einzelnen ............. a) Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen ................... b) Anfechtungsgründe ...................................................... c) Anfechtungsfolgen ....................................................... III. Anfechtung in der Doppelinsolvenz ......................................... 1. Verhältnis der Anfechtungsmöglichkeiten ......................... a) Irrelevanz der bloßen Eröffnung des Kommanditistenverfahrens .......................................... b) Anfechtungskonkurrenz ............................................... aa) Tatbestandliche Ausschließlichkeit ....................... bb) Veränderter Inhalt des Anfechtungsanspruchs im Gesellschaftsverfahren ..................................... XII
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cc) Prozessuale Konsequenzen .................................... 470 .... 217 2. Anfechtungsvoraussetzungen ............................................. 474 .... 218 Fünfter Teil: Übertragbarkeit der Ergebnisse auf § 171 Abs. 2 HGB strukturell vergleichbare Vorschriften .......... 476 .... 221 A. § 93 InsO ........................................................................................ 477 .... 221 B. § 92 InsO ........................................................................................ 480 .... 222 C. § 334 Abs. 1 InsO ........................................................................... 482 .... 224 D. § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG .................................................................... 483 .... 225 E. Zuständigkeiten des Insolvenzverwalters nach dem Aktienund dem Genossenschaftsgesetz ..................................................... 484 .... 225 I. § 62 Abs. 2 S. 2 und § 309 Abs. 4 S. 5 Alt. 1 AktG ................. 485 .... 225 II. §§ 93 Abs. 5 S. 4, 117 Abs. 5 S. 3, 309 Abs. 4 S. 5 Alt. 2 AktG und § 34 Abs. 5 S. 3 GenG ............................ 488 .... 226 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................... 490 .... 229 A. Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes ............................... 491 .... 229 B. Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB ... I. Regelungszweck ....................................................................... II. Anwendungsbereich ................................................................. III. Rechtsfolgen ............................................................................. 1. Ermächtigungswirkung ...................................................... 2. Sperrwirkung ...................................................................... 3. Verwaltung und Verteilung des Haftungserlöses ...............
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C. Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung ................................... 511 .... 235 D. Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung ........................ 513 .... 235 I. Anfechtung von Ausschüttungen der Gesellschaft an einen Kommanditisten ......................................................... 514 .... 235 II. Anfechtung von Gläubigerbefriedigungen durch den Kommanditisten in der Gesellschaftsinsolvenz ................. 515 .... 236 E. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften ............................................................. 519 .... 237 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 239 Stichwortverzeichnis ......................................................................................... 259
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Abkürzungsverzeichnis a.A. a.E. a.F. Abs. AcP AG AktG Alt. AnfG Anh. Anm. Art. Aufl. BAG BAGE BayObLG BB BeckRS Begr. Beschl. BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BMJ bspw. BT-Drucks. bzw. ca. d.h. DB DepotG ders. dies. DiRuG Diss. DStR
andere Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis Aktiengesellschaft/Amtsgericht Aktiengesetz Alternative Anfechtungsgesetz Anhang Anmerkung Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Beck-Rechtsprechung Begründer Beschluss Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz beispielsweise Bundestagsdrucksache beziehungsweise circa das heißt Der Betrieb Depotgesetz derselbe dieselbe/n Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie Dissertation Deutsches Steuerrecht
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Abkürzungsverzeichnis
DZWIR Ed. Einl. EL. etc. EuGH EWiR f./ff. FAZ FD-InsR Fn. Frankfurt a.M. FS gem. GesR GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GWR h.L. h.M. HGB Hrsg. Hs. HypBankG i.d.R. i.H.d. i.H.v. i.R.d. i.S. i.S.d. i.V.m. IILR InsO InsR InsVV JR JuS KAGB XVI
Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Edition Einleitung Ergänzungslieferung et cetera Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fachdienst Insolvenzrecht Fußnote Frankfurt am Main Festschrift gemäß Gesellschaftsrecht Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht herrschende Lehre herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz Hypothekenbankgesetz in der Regel in Höhe der/des in Höhe von im Rahmen der/des im Sinne im Sinne der/des in Verbindung mit International Insolvency Law Review Insolvenzordnung Insolvenzrecht Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Juristische Rundschau Juristische Schulung Kapitalanlagegesetzbuch
Abkürzungsverzeichnis
KG KO KTS LG LMK M. m.w.N. MDR Mio. Mitbegr. MoPeG n.F. NJW Nr. NZG NZI OHG OLG PfandBG RefE RegE RG Rn. RNotZ S. s. sog. st. Rspr. StaRUG StGB str. SZ Teilurt. u.Ä. u.U. Urt. v. Var. VerglO VermAnlG vgl.
Kommanditgesellschaft Konkursordnung Zeitschrift für Insolvenzrecht Landgericht Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGHRechtsprechung Meinung mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Millionen Mitbegründer Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Pfandbriefgesetz Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgericht Randnummer Rheinische Notarzeitschrift Seite/Satz siehe sogenannte/r ständige Rechtsprechung Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz Strafgesetzbuch streitig/streitigen Süddeutsche Zeitung Teilurteil und Ähnliches unter Umständen Urteil vom Variante Vergleichsordnung Vermögensanlagengesetz vergleiche XVII
Abkürzungsverzeichnis
WiWo WuB z.B. ZGR ZHR ZInsO ZIP ZPO ZRI ZVR
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WirtschaftsWoche Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz Zwangsvollstreckungsrecht
Einführung Die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB zeichnet sich durch zwei 1 charakteristische Besonderheiten aus: Zwar haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft unmittelbar persönlich, jedoch ist die Haftung (bei ordnungsgemäßer Eintragung) stets auf einen zuvor festgelegten Höchstbetrag begrenzt. Noch dazu hat der Kommanditist die Möglichkeit, seine Haftung durch eine Leistung in das Gesellschaftsvermögen gänzlich auszuschließen. Diese Eigenheiten haben die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB schon immer zu einem reizvollen Untersuchungsgegenstand für die Wissenschaft gemacht.1) In der Praxis konzentriert sich die Bedeutung der Kommanditistenhaftung auf die 2 Insolvenz der Gesellschaft. Solange die Inanspruchnahme von Gesellschaft und Komplementär(en) Erfolg verspricht, werden die Gesellschaftsgläubiger regelmäßig den mit der Inanspruchnahme des Kommanditisten verbundenen zusätzlichen tatsächlichen Aufwand scheuen. Sie müssen dafür den Kommanditisten ausfindig machen, der ihnen bis zu diesem Zeitpunkt häufig wegen seines Ausschlusses von Geschäftsführung und Vertretung, §§ 164, 170 HGB, unbekannt ist2) und von dem sie wegen der nur beschränkten Haftung unter Umständen nicht einmal vollständige Befriedigung erlangen können. Darüber hinaus müssen sie im Prozess gegen den Kommanditisten neben dem Bestehen ihrer Forderung gegen die Gesellschaft ggf. zusätzliche Tatsachen darlegen und beweisen, die sich auch nicht bereits aus dem Handelsregister ergeben – zu denken ist beispielsweise an die Einlagerückgewähr nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB. Schließlich wirkt das Risiko abschreckend, dass die ursprünglich berechtigte Inanspruchnahme erfolglos bleiben könnte, weil der Kommanditist seine Haftung zwischenzeitlich durch Zahlung an die Gesellschaft oder einen anderen Gläubiger ausgeschlossen hat.3) Aus diesen Gründen wird die Haftung des Kommanditisten regelmäßig erst kurz vor oder im Insolvenzverfahren der Gesellschaft virulent.4) Die Kommanditistenhaftung in der Insolvenz ist zuletzt neuerlich in den Fokus von 3 Rechtsprechung und Literatur gerückt, obwohl die dazugehörigen gesetzlichen Re___________ 1)
2)
3) 4)
Nur beispielhaft seien hervorgehoben: K. Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten; Furrer, Die Haftung des Kommanditisten im Vergleich zur Haftung des Komplementärs; Keuk, ZHR 135 (1971), 410 ff.; zuletzt auch Bartlitz, Die Haftung des Kommanditisten auf der Grundlage kapitalgesellschaftlicher Prinzipien. Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 157. Auf die fehlende Bekanntmachung lässt sich diese Überlegung seit Streichung des § 162 Abs. 2 HGB a.F. zum 1.8.2022 durch das DiRUG, BGBl. 2021 I S. 3338, nicht mehr stützen. Zu den Gründen für die Streichung s. BT-Drucks. 19/ 27635, S. 252. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 3. Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 172; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 3; Saßenrath, BB 1990, 1209, 1212; Konietzko, Haftung des Kommanditisten, S. 2.
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Einführung
gelungen alles andere als neu sind.5) Hintergrund ist eine außergewöhnliche Insolvenzwelle bei sog. Schiffsfonds, die in aller Regel als Kommanditgesellschaften ausgestaltet sind und die sich bis Mitte der 2000er Jahre großer Beliebtheit als Anlagemodell erfreuten. Die Gesellschaften erwarben mit den Anlegergeldern, ergänzt durch eine Fremdkapitalfinanzierung, (Fracht-)Schiffe und vercharterten sie zu günstigen Konditionen an Reedereien.6) Auf dieser Grundlage wurde den Anlegern, die an der Gesellschaft regelmäßig als Kommanditisten beteiligt waren, eine Rendite von bis zu durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr in Aussicht gestellt.7) Entsprechende Ausschüttungen aus überschüssiger Liquidität der Gesellschaft waren oftmals selbst dann vorgesehen, wenn ein handelsbilanzieller Gewinn nicht erwirtschaftet wurde.8) Insgesamt investierten etwa 275.000 deutsche Anleger über 30 Milliarden Euro in derartige „schwimmende Sparbücher“.9) Allein im Jahr 2007 waren es mehr als 3,5 Milliarden Euro.10)
4 Die Finanz- und Wirtschaftskrise führte allerdings ab 2007 zu einem Rückgang des global verschifften Warenvolumens, der ein erhebliches Überangebot an Transportkapazitäten bei Containerschiffen zur Folge hatte.11) Diese Überkapazitäten wurden durch die große Beliebtheit der Schiffsfonds noch weiter verstärkt: Zahlreiche neue Fondsgründungen führten zu vielen neuen Schiffsbestellungen, die den tatsächlichen Bedarf des Markts deutlich überstiegen.12) Die Kombination dieser beiden Faktoren führte zu einem drastischen und nachhaltigen Einbruch der zuvor stetig gestiegenen Schiffs-Charterraten.13) In der Folge konnten viele Schiffe nicht einmal genug Umsatz erwirtschaften, um die Betriebskosten zu decken.14) In Erwartung einer raschen Erholung des Marktes forderten zahlreiche Fondsbetreiber die Anleger zwar auf, zusätzliche Mittel nachzuschießen.15) Der erhoffte Wiederan___________ 5) Thole, ZRI 2020, 49, 58, hat die Kommanditistenhaftung in der Insolvenz als „heißes Eisen“ bezeichnet. 6) Lux, NZG 2013, 1017; eingehend zur Konzeption der Fonds: Kandziora, Schiffsfonds in der Insolvenz, S. 22 ff.; zu den Defiziten und Risiken derartiger Fonds im Allgemeinen Cranshaw, ZInsO 2020, 565, 466 ff. 7) Schröder, Zeit v. 6.3.2014, die sogar von 18 % prognostizierter jährlicher Rendite in Einzelfällen berichtet. 8) Gittermann, FS Wehr, S. 165, 176; Priester, DStR 2013, 1786; S. Schneider, DStR 2017, 548; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189. 9) Ritzer, SZ v. 6.12.2015; Oberhuber, FAZ v. 22.9.2012. 10) Kandziora, Schiffsfonds in der Insolvenz, S. 2; Schröder, Zeit v. 6.3.2014. 11) Schalast/Walter, BB 2012, 1301; Kandziora, Schiffsfonds in der Insolvenz, S. 1. 12) Müssgens/Ritter, FAZ v. 18.7.2012, schreiben von „blinde[m] Bestellwahn“; Lux, NZG 2013, 1017; Gittermann, FS Wehr, S. 165 f.; vgl. auch Beschlussantrag: „Europäische Tonnagesteuer statt Steuersparmodell“, BT-Drucks. 17/6238, S. 1. 13) Lux, NZG 2013, 1017; Schalast/Walter, BB 2012, 1301 f. 14) Priester, DStR 2013, 1786; Lux, NZG 2013, 1017. 15) Zahlen bei v. Hiller, FAZ v. 15.8.2012; Kandziora, Schiffsfonds in der Insolvenz, S. 2.
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stieg der Charterraten blieb jedoch aus und die Insolvenz von über 600 Schiffsfonds in Deutschland war das Ergebnis.16) Die Krise der Schiffsfonds hat nicht nur eine enorme Zahl von Seefahrtmetaphern 5 beschert,17) sondern auch ein rechtliches Nachspiel gehabt. Für die Anlegerkommanditisten waren die Insolvenzen gleich in doppelter Hinsicht eine schlechte Nachricht: Ihre Beteiligung an der Gesellschaft war insolvenzbedingt wertlos und zudem mussten sie damit rechnen, durch den Insolvenzverwalter des Fonds in Anspruch genommen zu werden. Die in vielen Schiffsfonds vorgesehenen gewinnunabhängigen Ausschüttungen überschüssiger Liquidität führten nämlich gemäß § 172 Abs. 4 S. 1 HGB zum Wiederaufleben der unmittelbaren Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB.18) Aus der Perspektive der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaften, denen § 171 Abs. 2 HGB die Geltendmachung der Außenhaftung im Insolvenzfall zuweist, war die Inanspruchnahme von Kommanditisten hingegen besonders attraktiv: Die große Vielzahl parallel gelagerter Fälle bei Publikumsgesellschaften ermöglicht es, mit vergleichsweise geringem Aufwand beachtliche Summen19) zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zu generieren. So überrascht es nicht, dass die Kommanditistenhaftung in der Insolvenz auf der Tagesordnung der Gerichte gelandet ist. Die oftmals widersprüchlichen Entscheidungen haben jedoch gezeigt, dass die Abwicklung dieser Haftung große Schwierigkeiten bereitet, und ein Schlaglicht auf eine ganze Reihe ungeklärter Rechtsfragen geworfen. Es ist das zentrale Anliegen dieser Arbeit, zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen. „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Wer unter dem Eindruck die- 6 ser juristischen Binsenweisheit die Lektüre der gesetzlichen Regelung zur Inanspruchnahme von Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft angeht, dessen Erwartungen werden wohl nicht vollends erfüllt werden. Der knappe Wortlaut der gesetzlichen Regelung hierzu, § 171 Abs. 2 HGB, beantwortet weniger Fragen, ___________ 16) Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189. Müssgens/Mussler, FAZ v. 20.12.2016, und Kandziora, Schiffsfonds in der Insolvenz, S. 2, berichten unter Verweis auf Schätzungen der Deutschen Fondsresearch noch von 400 Insolvenzen. 17) Z.B.: Ritzer, SZ v. 6.12.2015: „Mit vollen Segeln in die Pleite“ und „Milliarden Euro versenkt in einem Meer aus Gier“; v. Hiller, FAZ v. 15.8.2012: „viele Schiffsfonds [fahren] jetzt auf Grund“; Müssgens/Mussler, FAZ v. 20.12.2016: „Anleger […] in schwerer Seenot“; Schröder, Zeit v. 6.3.2014: „Fast wöchentlich gehen kleine und große Schiffsfonds unter“. 18) S. etwa BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18, Rn. 27; Urt. v. 19.1.2016 – II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550, Rn. 10; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189; Lux, NZG 2013, 1017, 1019; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 294; eingehend mit Differenzierung zwischen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten (der Rückzahlung) und anschließender Risikobewertung für den Kommanditisten Kupsch, Gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten, S. 86 ff. 19) In OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, hatte der Insolvenzverwalter beispielsweise bereits vor Inanspruchnahme des beklagten Kommanditisten erfolgreich knapp 6 Mio. € von anderen Kommanditisten gefordert, in OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, waren es über 7 Mio. €.
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als er aufwirft, und lässt – wie ein Blick auf die bereits vertretenen Interpretationsvorschläge belegt – eine Vielzahl unterschiedlichster Deutungen zu. Soll die konsequente Handhabung des „Einziehungsrechts“ des Insolvenzverwalters über alle Einzelfragen hinweg dennoch gelingen, müssen sämtliche Unsicherheiten über die Funktion und die grundlegende Deutung des § 171 Abs. 2 HGB ausgeräumt sein. Die derzeitige „Verwirrung“20) über verschiedenste Aspekte der Kommanditistenhaftung in Rechtsprechung und Literatur lässt jedoch erahnen, dass diese Voraussetzungen bislang nicht gegeben sind. Vielmehr beschränkt sich der gegenwärtige Diskurs in der Regel auf die sachgerechte Lösung von Einzelfragen, ohne Verbindungen zwischen den verschiedenen Problemkreisen herzustellen.21) Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, diese Lücke zu schließen und ein dogmatisch wie praktisch taugliches Konzept zur Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz zu formulieren, das die Auflösung aktuell entflammter Streitpunkte ermöglicht und das auch für die Beantwortung bislang noch nicht zutage getretener Rechtsfragen eine Richtschnur bieten kann.
7 Von der besonderen Funktion der beschränkten akzessorischen Haftung des Kommanditisten ausgehend wird sich dabei die Erkenntnis durchsetzen, dass die Haftungsansprüche, obwohl sie vermögensrechtlich den Gläubigern zustehen, zur Insolvenzmasse der Gesellschaft gehören. Damit diese Massezugehörigkeit im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nicht ungeachtet bleibt und die Gläubiger auch an der akzessorischen Kommanditistenhaftung ausschließlich nach insolvenzrechtlichen Regeln partizipieren, ordnet § 171 Abs. 2 HGB an, dass die Verwaltung und die Verwertung der Ansprüche den Regeln des Insolvenzverfahrens unterliegen. Diese These, welche auf der Vorarbeit Häsemeyers22) aufbaut, deckt sich nicht mit der vorherrschenden Interpretation des § 171 Abs. 2 HGB und wird in mancher Hinsicht Anlass zu einer Neuausrichtung geben. Dies betrifft bereits die grundlegende rechtliche Konstruktion der von der Regelung angeordneten Rechtsfolgen und in besonderem Maße beispielsweise auch die bislang vernachlässigten Regeln für die Verteilung des Haftungserlöses. Dennoch sollte diese Arbeit nicht als umfassender Bruch mit dem status quo der Rechtsanwendung begriffen werden. Die Untersuchung wird nämlich auch zeigen, dass die Haftungsansprüche in einigen Punkten schon jetzt wie Bestandteile der Insolvenzmasse behandelt werden.23) ___________ 20) Altmeppen, NJW 2016, 1761; Peters, RNotZ 2002, 425, 426. 21) A. Schmidt, ZRI 2021, 923, bemängelt ebenfalls, bei der „vielfach kleinteilig[en] [Beschäftigung] mit Einzelfragen“ sei in der Rechtsprechung „der Blick für das Ganze verloren gegangen“. 22) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42 ff. 23) Selbst Oepen, dessen Grundverständnis zu § 171 Abs. 2 HGB der Massezugehörigkeit der Haftungsforderungen klar widerspricht, modifiziert in Einzelfragen seine Ergebnisse, explizit um die Ansprüche – oder den durch ihre Einziehung generierten Erlös – wie Insolvenzmasse der Gesellschaft zu behandeln: Oepen, Massefremde Masse, Rn. 185, 200, 204; s. dazu noch unten Rn. 379.
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Zur Erreichung der geschilderten Ziele liegt der Arbeit folgende Gliederung zu- 8 grunde: Mit einem Überblick über die gesetzliche Ausgestaltung der Haftung des Kommanditisten und der Analyse der für sie charakteristischen Verknüpfung mit der Leistung und Rückgewähr der „Einlage“ (Erster Teil) wird die Grundlage für die folgende Erforschung des § 171 Abs. 2 HGB (Zweiter Teil) geschaffen. Dabei wird insbesondere die bereits angedeutete Funktion der Vorschrift herauspräpariert (A.) und anhand der dabei gewonnenen Erkenntnisse ihr Anwendungsbereich (B.) und ihre Rechtsfolgen (C.) im Detail ausgeleuchtet. Im Anschluss widmen sich der dritte Teil der Arbeit der Stellung der Haftungsgläubiger und des Kommanditisten im Insolvenzplanverfahren sowie der vierte Teil den Berührungspunkten der Kommanditistenhaftung mit dem Recht der Insolvenzanfechtung. Es wird sich zeigen, dass die Zugehörigkeit der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zur Insolvenzmasse der Gesellschaft auch diese Bereiche beeinflusst. Nachdem im fünften Teil aufgezeigt wird, ob und in welchem Umfang die zu § 171 Abs. 2 HGB gewonnenen Erkenntnisse auf vergleichbare Vorschriften übertragen werden können, schließt die Untersuchung mit der Zusammenfassung ihrer wesentlichen Ergebnisse. Es sei noch vorweggenommen, dass die in dieser Arbeit vorzustellende These nicht 9 für sich beanspruchen kann, ausnahmslos alle Probleme zu lösen, welche sich in der Praxis im Zusammenhang mit der Abwicklung der Insolvenzen großer Schiffsfonds aufgetan haben. Dies betrifft insbesondere diejenigen Fragen, welche die Inanspruchnahme eines 10 Kommanditisten (einschließlich der Behandlung des Erlöses) nicht unmittelbar betreffen, sondern ihr nachgelagert sind. Vielfach finden diese Probleme ohnehin weniger in Unklarheiten über die Vorgaben des Gesetzes ihre Ursache als darin, dass die Umsetzung dieser Vorgaben wegen der gewaltigen Zahl von Kommanditisten erhebliche praktische Erschwernisse mit sich bringt. Kaum einmal treten diese Komplikationen so deutlich hervor, wie bei der Durchführung des Ausgleichs zwischen den in Anspruch genommenen und den „verschonten“ Kommanditisten. Der BGH hat den Vorschlag zurückgewiesen, für die Durchführung des Innenausgleichs sei der Insolvenzverwalter der Gesellschaft zuständig.24) Damit stehen – vorbehaltlich der Bestellung eines Liquidators25) – die einzelnen Kommanditisten vor der Aufgabe, von einer enorm großen Zahl von Mitkommanditisten einen je
___________ 24) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 50 ff. = NJW 2021, 928, Rn. 66 ff.; eingehend und mit a.A. zuvor Rock/Contius, ZIP 2017, 1889 ff. m.w.N. 25) Diese Möglichkeit nennt auch der BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 55 f. = NJW 2021, 928, Rn. 78. Zur Befugnis des Liquidators einer Publikumsgesellschaft zur Durchführung des Innenausgleichs s. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237, 257 ff. = NZG 2018, 539 Rn. 68 ff. m.w.N.
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nach Fallkonstellation verschwindend geringen Betrag einzufordern.26) Der damit verbundene Aufwand wird in der Regel auch die motiviertesten Kommanditisten abschrecken. Diese Komplikationen haben gar den Ruf aus der Praxis nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers laut werden lassen.27)
11 Die von der Rechtsprechung erkannte Notwendigkeit, die Insolvenzverfahren großer Schiffsfonds in angemessener Verfahrensdauer und mit vertretbarem Aufwand durchzuführen, obwohl der Gesellschaft und den Gläubigern eine solch gewaltige Zahl von Kommanditisten individuell gegenübersteht, hat in einigen Fragen zu einer Reduzierung der gerichtlichen Prüfungsdichte zulasten der Kommanditisten geführt. Daraus wird kein Geheimnis gemacht: Das OLG München erklärte etwa in einem Rechtsstreit zwischen Verwalter und Kommanditist ohne weitere Begründung, eine „eingeschränkte [gerichtliche] Betrachtung“ hinsichtlich des Einwands fehlender Erforderlichkeit der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB28) zur Gläubigerbefriedigung entspreche „den tatsächlichen Anforderungen an eine effiziente und zielorientierte Verfahrensabwicklung durch den Insolvenzverwalter, wobei den Gläubigerinteressen Vorrang vor den Interessen der Kommanditisten einzuräumen ist,“ die haftungsschädliche Ausschüttungen erhalten haben.29) Von Anleger-Vertretern ist dagegen bereits mehrfach der Vorwurf der „Entrechtung“ der Kommanditisten erhoben worden.30) Allerdings fällt die Bestandsaufnahme zur Kommanditistenhaftung in der Insolvenz ambivalent aus. Auch die Pauschalität der für längere Zeit angenommenen Nichthaftung der Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten31) kann nämlich als Versuch der Gerichte gedeutet werden, ihren Prüfungs- und Verfahrensaufwand angesichts der Vielzahl von Haftungsprozessen zu begrenzen.
12 Das Gesamtbild erweckt den Eindruck, dass das Recht der Kommanditgesellschaft mit diesen großen Insolvenzverfahren in Teilen überfordert ist. Das kann kaum ___________ 26) Rechenbeispiel: Leistet ein Kommanditist einer Publikums-KG mit insgesamt 1.000 Anlegern (jeweils mit identischem Anteil) 10.000 € nach § 171 Abs. 2 HGB an den Insolvenzverwalter, so kann er im Regresswege von den übrigen Kommanditisten jeweils Zahlung von nur 10 € verlangen. (Zum Umfang der Regresspflicht s. die Nachweise unten in Fn. 599.) Kann dieser Betrag von einem Mitkommanditisten nicht erlangt werden, so muss die ggf. erneute Inanspruchnahme der übrigen für einen noch kleineren Betrag (0,01 €) erfolgen, § 426 Abs. 1 S. 2 BGB. Praktisch ausnahmslos wird zudem nicht bloß einer, sondern mehrere Kommanditisten vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen worden sein, sodass wechselseitige Regressansprüche auszugleichen sind. 27) Entschließung der ZInsO-Praktikertagung vom 19.2.2019, ZInsO 2019, 558. 28) S. dazu unten Rn. 224 ff. 29) OLG München, Urt. v. 8.7.2019 – 21 U 3749/18, ZIP 2019, 1727. 30) Werner, ZInsO 2018, 2117, 2123; Veil, ZInsO 2018, 1892. Nach Mikolajczak/Rollin, NJW 2021, 937, „beraubt“ die in Fn. 24 zitierte Entscheidung des BGH die Kommanditisten ihres „letzten wesentlichen Einwandes gegen ihre Haftung“. 31) S. unten Rn. 128 ff.
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verwundern, führt man sich vor Augen, dass die Gesellschaftsform „KG“ ursprünglich für eine andere Art des unternehmerischen Zusammenschlusses geschaffen wurde. Wie eine jede Personengesellschaft ist auch die KG für den persönlichen Zusammenschluss einer überschaubaren Anzahl von Gesellschaftern konzipiert, während für Großprojekte mit einem anonymen und zahlenstarken Beteiligtenkreis die Wahl einer Kapitalgesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild passender erscheint.32) Es besteht mithin bei der Publikums-KG eine „Diskrepanz zwischen gesetzlichem Idealtypus und privatautonom geschaffenem Realtypus“.33) Das Phänomen der Publikumspersonengesellschaft ist seit Jahrzehnten bekannt und hat den Gesetzgeber auch dazu veranlasst, anlegerschützende Sondervorschriften für „Investmentkommanditgesellschaften“ in das KAGB aufzunehmen.34) Anleger können insbesondere von der Prospekthaftung nach § 306 f. KAGB und § 20 VermAnlG profitieren35) und können überdies in Form einer auf § 242 BGB gestützten Inhaltskontrolle der gesellschaftsvertraglichen Regelungen Schutz durch die Rechtsprechung erwarten.36) Organisationsrechtliche Sonderregeln sind dagegen bislang nicht geschaffen worden, insbesondere zum Verhältnis der Kommanditisten zu den Gläubigern. Dass Initiatoren für ihr Unternehmen dennoch diese Rechtsform wählen können und Anleger sich dennoch an einem in dieser Rechtsform betriebenen Unternehmen beteiligen können, ist Ausfluss ihrer Privatautonomie. Sie müssen dann jedoch darauf gefasst sein, dass das anwendbare Recht nicht stets optimal auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist, und die Konsequenzen ihrer inadäquaten Rechtsformwahl tragen, sofern sie nicht besondere Regelungen (z.B. zur Durchführung des Innenausgleichs) in den Gesellschaftsvertrag aufnehmen.
___________ 32) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Notz, § 177a Anhang 2 Rn. 20; MünchHdb-GesR II/Horbach, § 61 Rn. 2; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, 241 = NJW 1975, 1318, 1319: „Unternehmungen dieser Art [Publikumspersonengesellschaften] […] bringen es mit sich, daß die Kommanditisten (‚Anlagegesellschafter‘) untereinander und zu den eigentlichen Unternehmensgesellschaftern in keinerlei persönlichen oder sonstigen näheren Beziehungen stehen, wie es in der ‚normalen‘ KG regelmäßig der Fall ist“. 33) Koch, Gesellschaftsrecht, § 23 Rn. 8. 34) Vgl. auch die Nachweise unten in den Fn. 56, 57, 67, 118, 127, 132, 305. 35) S. zur Prospekthaftung bei Beteiligung an Publikumskommanditgesellschaften eingehend und m.w.N. MünchHdb-GesR II/Horbach, § 69. 36) BGH, Urt. v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, 241 f. = NJW 1975, 1318, 1319; Urt. v. 3.5.1982 – II ZR 78/81, NJW 1982, 2303 = BGHZ 84, 11, 13 f.; Urt. v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, BGHZ 102, 172, 177 f. = NJW 1988, 969, 971; zusammenfassend mit Kritik und m.w.N. auch MüKo-HGB/Grunewald, § 161 Rn. 130 ff.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes Ein Eckpfeiler für die Analyse der Kommanditistenhaftung ist die Trennung von Innen- 13 und Außenverhältnis. Mit dem Innenverhältnis sind die Rechtsverhältnisse zwischen dem Kommanditisten und der Gesellschaft angesprochen, während das Außenverhältnis die Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den Kommanditisten betrifft. Im Innenverhältnis schuldet der Kommanditist die Erbringung eines Beitrags zur Ge- 14 sellschaft. Art und Höhe der Beitragspflicht ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag. Ist die Leistung eines aktivierbaren Vermögensgegenstands an die Gesellschaft Gegenstand der Beitragspflicht, wird von einer Einlage gesprochen.37) Neben der Zahlung eines Geldbetrags ist insoweit insbesondere auch eine Sacheinlage möglich. Im Außenverhältnis haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft zunächst unmittelbar38) für die Schulden der Gesellschaft, § 171 Abs. 1 HGB. Diese Haftung ist akzessorisch zur Haftung der Gesellschaft, der Kommanditist kann deshalb einer Inanspruchnahme neben den eigenen gemäß § 128 n.F. (§ 129 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auch die Einwendungen der Gesellschaft entgegenhalten.39) Bei der Haftung des Kommanditisten handelt es sich schließlich um eine primäre: Die Gesellschaftsgläubiger können den Kommanditisten in Anspruch nehmen, auch wenn sie nicht zuvor erfolglos die Gesellschaft um Befriedigung ersucht haben.40)
A. Die Haftsumme als Höchstbetrag der Außenhaftung Die Haftung des Kommanditisten findet der Höhe nach in der Haftsumme ihre 15 Grenze, § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB. Der Terminus „Haftsumme“ findet sich bis zum Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.202441) nicht im Gesetz, das stets von der „Einlage“ des Kommanditisten spricht. Vor diesem Hintergrund wurde verbreitet auch von einer „Hafteinlage“42) oder auch von der „Einlage im haftungsrechtlichen Sinne“43) ___________ 37) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Wertenbruch, § 105 Rn. 242; MüKo-HGB/Fleischer, § 105 Rn. 275; Kupsch, Gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten, S. 28. 38) Daneben ist auch die Inanspruchnahme nach erfüllungshalber Abtretung oder Pfändung und Überweisung der Einlageforderung möglich, Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 10; Koller/Kindler/ Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 11. 39) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 25; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 20. 40) BGH, Urt. v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, NJW 1963, 1873, 1874; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 9; Grunewald/H.-F. Müller, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 31. 41) Künftig wird das Gesetz (nicht nur in § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB) zwischen „Einlage“ und „Haftsumme“ differenzieren, BGBl. 2021 I S. 3466. 42) Nur beispielhaft BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 331, 337 = ZIP 2018, 640, Rn. 17, 32; MünchHdb-GesR II/v. Falkenhausen/H. Schneider, § 17 Rn. 6 ff.; Kornblum, Haftung der Gesellschafter von Personengesellschaften, S. 207 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 11. Auflage 2020, § 3 Rn. 30 ff.; Bork/Hölzle-Hdb-InsR/Naraschewski, Kap. 24 Rn. 329 ff.; zuletzt noch Böcker, DZWIR 2021, 587, 588. 43) Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 10.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
gesprochen und so von der „Pflichteinlage“ im Innenverhältnis abgegrenzt. Dieser Terminologie ist zwar zugutezuhalten, dass sie die Nähe zum Gesetzeswortlaut zu wahren versucht. Unmissverständlich ist sie jedoch nicht: Sie suggeriert unzutreffend, der Kommanditist schulde zwei getrennte Einlagen – eine der Gesellschaft (Pflichteinlage) und eine deren Gläubigern (Hafteinlage).44) Der Begriff „Haftsumme“ macht demgegenüber deutlich, dass es sich dabei lediglich um eine abstrakte Rechengröße handelt, die den Höchstbetrag der Außenhaftung des Kommanditisten festlegt.45)
16 Bei dieser Begrenzung der Haftung handelt es sich um eine summenmäßige und keinesfalls um eine gegenständliche. Der Kommanditist haftet mit seinem ganzen Vermögen, insbesondere ist die Haftung nicht auf die im Innenverhältnis als Beitrag geschuldeten Vermögensgegenstände beschränkt.46) Die summenmäßige Natur der Haftungsbeschränkung der Haftung gibt zudem Aufschluss über ihren Inhalt. Während zunächst weitgehend Einigkeit darüber bestand, dass der Kommanditist wie ein OHG-Gesellschafter und Komplementär auf Erfüllung in natura unabhängig vom Inhalt der Forderung hafte,47) wird nun überwiegend angenommen, der Kommanditist sei den Gläubigern gegenüber stets zu einer Geldleistung verpflichtet, sog. Haftungstheorie.48) Ein anderes ist in der Tat mit der Haftungsbeschränkung auf eine Summe schwer in Einklang zu bringen.49)
17 Die Höhe der Haftsumme wird zwar teils explizit im Gesellschaftsvertrag festgelegt und ist diesem im Übrigen im Wege der Auslegung zu entnehmen.50) Maßgeblich für den Umfang der Außenhaftung ist jedoch der in das Handelsregister eingetragene Betrag, § 172 Abs. 1 HGB. (Auch hier wird der Begriff „Einlage“ zum ___________ 44) In diesem Sinne auch Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 12; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 28; kritisch zum Begriff bereits K. Schmidt, ZGR 1976, 307, 311 f. m.w.N. 45) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1560; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 28. Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 12 f., hat am Begriff „Haftsumme“ zuletzt kritisiert, dass ihm nicht ausreichend die Beschränkung gerade der Außenhaftung zu entnehmen sei, und stattdessen die Bezeichnung als „Außenhaftungsbetrag“ vorgeschlagen. Da der Begriff „Haftsumme“ inzwischen seit langer Zeit ohne entsprechendes Missverständnis verwendet wird und sich künftig auch im Gesetz findet, wird er auch in dieser Arbeit zugrunde gelegt. 46) Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 17 Rn. 18; MünchHdb-GesR II/Herchen, § 30 Rn. 9. 47) Heute noch Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 11 ff.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 35 ff.; s. zur OHG MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 25 m.w.N. 48) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 12; Koch, Gesellschaftsrecht, § 22 Rn. 4; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 17; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 27. Diese Einschränkung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Kommanditist für andere als Geldforderungen schon gar nicht hafte, so aber Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 28, 313. Im Gegenteil kann der Kommanditist auch hier auf Zahlung i.H.d. Erfüllungsinteresses in Anspruch genommen werden. 49) Koch, Gesellschaftsrecht, § 22 Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 12. 50) BGH, Urt. v. 28.3.1977 – II ZR 230/75, NJW 1977, 1820, 1821; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 8, mit Einzelheiten zur Auslegung.
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A. Die Haftsumme als Höchstbetrag der Außenhaftung
1.1.2024 durch „Haftsumme“ ersetzt.) Eine Mindesthaftsumme legt das Gesetz nicht fest.51) Der Kommanditist schuldet „die Haftsumme“ insgesamt nur einmal. Befriedigt er einen Gläubiger der Gesellschaft, können deren übrige Gläubiger ihn nur in entsprechend geminderter Höhe in Anspruch nehmen.52) Der Kommanditist trägt dann lediglich die Beweislast für die vorangegangene Gläubigerbefriedigung.53)
I.
Divergenz von Einlage und Haftsumme
Die – noch genauer zu beleuchtende – gesetzliche Verknüpfung der Haftung mit 18 der Einlageleistung und insbesondere auch der (bislang) undifferenzierte Wortlaut des Gesetzes (stets „Einlage“) erwecken den Eindruck, dass Beitragsverpflichtung und Haftsumme sich betragsmäßig decken müssen. Praktisch dürfte dies zwar die Regel darstellen, zwingend ist es jedoch keineswegs. Die Haftsumme kann einerseits hinter der Beitragspflicht zurückbleiben, beispielsweise zur gezielten Minimierung der Haftungsrisiken im Außenverhältnis.54) Mit diesem Motiv sind, Berichten aus der Praxis zufolge, einige Publikumskommanditgesellschaften in Reaktion auf die Insolvenzen bei Schiffsfonds bereits dazu übergegangen, die Haftsummen der Anlegerkommanditisten herabzusetzen.55) Andererseits kann auch der Wert des im Innenverhältnis geschuldeten Beitrags geringer sein als die Haftsumme, etwa nach einem Erlass der Einlageschuld, § 172 Abs. 3 HGB, oder bei Überbewertung einer Sacheinlage. Es entsteht dabei eine Situation, in der der Kommanditist den Gläubigern auch in Höhe des Differenzbetrags zwischen Einlage und Haftsumme haftet, während die Gesellschaft insoweit im Innenverhältnis keinerlei Ansprüche hat, sog. „überschießende Außenhaftung“.
II. Ausnahmsweise unbeschränkte Außenhaftung § 176 HGB sieht zwei Fälle vor, in denen der Kommanditist das Privileg der sum- 19 menmäßigen Haftungsbeschränkung nicht genießt und „gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter“ unbeschränkt haftet. Die Regelung betrifft zum einen bei der neugegründeten KG, die ihre Geschäfte mit Zustimmung des Kommanditisten56) vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgenommen hat, bis zur Ein___________ 51) Zur Eintragung von Kleinstbeträgen MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 25 m.w.N. 52) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 15, 55; Altmeppen, NJW 2017, 3198, 3199 f.; zur Geltung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Gläubigerbefriedigung vor Verfahrenseröffnung BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, NJW 2017, 3232, Rn. 21. 53) BGH, Urt. v. 18.11.1976 – II ZR 129/75, WM 1977, 167, 168; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 35 m.w.N. 54) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 26; Koch, Gesellschaftsrecht, § 20 Rn. 12. 55) Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1190; Wipperfürth, ZInsO 2019, 553, 556. 56) Kommanditisten geschlossener Investmentkommanditgesellschaften nach dem KAGB können dem Geschäftsbeginn vor Eintragung der Gesellschaft nach § 152 Abs. 5 KAGB nicht zustimmen, sodass hier keine Haftung nach § 176 Abs. 1 HGB möglich ist.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
tragung begründete Gesellschaftsverbindlichkeiten, § 176 Abs. 1 HGB. Zum anderen erfasst § 176 Abs. 2 HGB für einen neuen Gesellschafter, der als Kommanditist in eine bestehende KG eintritt, die zwischen seinem Eintritt und der Eintragung als Kommanditist in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten. Zur Vermeidung dieser Haftungsfolge kann in letzterer Konstellation die Beitrittsvereinbarung unter die aufschiebende Bedingung der Eintragung in das Handelsregister gestellt werden.57)
20 Grund für diese Haftungsverschärfung sind (neben der Sanktionierung fehlender Eintragung) Verkehrsschutzgesichtspunkte: Wer sich auf Geschäfte mit der Gesellschaft einlässt, soll darauf vertrauen können, dass alle Gesellschafter, von denen nicht ein anderes in der vorgeschriebenen Weise publik gemacht wurde, § 162 Abs. 1 HGB, unbeschränkt haften.58) Da ein derartiges Vertrauen auch abstrakt nicht außerhalb des rechtsgeschäftlichen Kontextes bestehen kann, gilt die Haftungsfolge des § 176 HGB nicht für deliktische sowie öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der Gesellschaft.59)
21 Die unbeschränkte Haftung des Kommanditisten betrifft einzig Verbindlichkeiten, die in den in § 176 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 HGB genannten Zeiträumen begründet wurden, während es hinsichtlich der übrigen Gesellschaftsverbindlichkeiten bei der beschränkten Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB bleibt. Obwohl die Norm also in der Praxis vielfach zu einem Nebeneinander von beschränkter und unbeschränkter Außenhaftung des Kommanditisten führt, hat das Verhältnis beider Haftungen in diesen Konstellationen bislang keine Aufmerksamkeit erhalten. Konkret stellt sich die Frage, ob die Befriedigung eines Gläubigers nach § 176 HGB auf die Haftsumme anzurechnen ist, sodass die beschränkte Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB in entsprechendem Umfang entfällt. Dem Gesetzeswortlaut sind hierzu keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Eine Anrechnung der Gläubigerbefriedigung auf die Haftsumme ist in der Tat die angemessene Lösung: Die Regelung des § 176 HGB bezweckt einzig den Schutz des dort bestimmten Gläubigerkreises. Eine Besserstellung der übrigen Gläubiger dadurch, dass sie mit weniger Gläubigern um die Haftsumme konkurrieren, trüge zum Erreichen dieses Zwecks aber nichts bei. ___________ 57) Oetker-HGB/Oetker, § 176 Rn. 48; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 176 Rn. 31 ff. Für Investmentkommanditgesellschaften ist die Wirksamkeit des Beitritts gar gesetzlich auf diesen Zeitpunkt hinausgeschoben, §§ 127 Abs. 4, 152 Abs. 4 KAGB. 58) Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 330; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 176 Rn. 1. Grundlegend zur umstrittenen teleologischen Deutung der Norm Mattheus/Schwab, ZGR 2008, 65, 73 ff. Kritisch deshalb zum (aufgegebenen) Plan den letzten Hs. des § 176 Abs. 1 S. 1 HGB i.R.d. MoPeG zu streichen Schall, ZIP 2020, 1443, 1451. 59) BGH, Urt. v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 215 f. = NJW 1982, 883, 885; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 176 Rn. 14; Grunewald/H.-F. Müller, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 49; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 339 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 176 Rn. 39, mit Einzelfragen.
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B. Kreis der Haftungsgläubiger
Möchte man nicht letzteren ein vom Gesetzeszweck nicht gedecktes Geschenk machen und den Kommanditisten über diesen Zweck hinaus belasten, muss deshalb infolge der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers nach § 176 Abs. 1 S. 1 HGB in entsprechender Höhe die Haftsumme des Kommanditisten „aufgebraucht“ werden und die Außenhaftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB insoweit entfallen.60) Die Haftung nach § 176 HGB endet analog § 137 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 2 HGB 22 n.F. (§ 160 HGB a.F.) fünf Jahre nach der Eintragung des Gesellschafters als Kommanditist in das Handelsregister.61) Für die betroffenen Verbindlichkeiten gilt anschließend die auf die Haftsumme beschränkte Haftung, § 137 Abs. 3 S. 3 HGB n.F. analog (§ 160 Abs. 3 S. 3 HGB a.F.).
B. Kreis der Haftungsgläubiger Gemäß § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist „den Gläubigern der Gesell- 23 schaft“. Im Ausgangspunkt steht die Haftsumme des Kommanditisten also allen62) Gesellschaftsgläubigern zur Verfügung. Einzig für die Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft – Verpflichtungen gegenüber Gesellschaftern aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses63) – haftet der Kommanditist nach allgemeiner Auffassung nicht.64) Eine darüberhinausgehende Beschränkung des Gläubigerkreises, basierend etwa auf dem Rechtsgrund der Forderung, wird außerhalb des insolvenzrechtlichen Kontextes65) nicht vorgenommen. Insbesondere haftet der Kommanditist auch für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten, § 173 Abs. 1 HGB. Scheidet ein Kommanditist aus der KG aus, kommt es jedoch dazu, dass der Kreis 24 der Gesellschaftsgläubiger und derjenige der Haftungsgläubiger voneinander abweichen. Für die zum Zeitpunkt des Ausscheidens begründeten Verbindlichkeiten (Altverbindlichkeiten) sieht § 137 Abs. 1 n.F. (§ 160 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2
___________ 60) Zu den Auswirkungen bei Geltendmachung der Haftung durch den Insolvenzverwalter s. unten Fn. 254. 61) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 176 Rn. 16; Hopt-HGB/M. Roth, § 176 Rn. 13; Mattheus/Schwab, ZGR 2008, 65, 106. 62) Lehnt man – anders als soeben vorgeschlagen – eine Anrechnung von Leistungen auf die unbeschränkte Haftung nach § 176 HGB auf die Haftsumme ab, kommt es auch dann zu einer Divergenz von Gesellschaftsgläubigern und Haftungsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB, wenn der Kommanditist einigen Gläubigern nach § 176 HGB haftet. 63) MüKo-BGB/C. Schäfer, § 705 Rn. 224; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 128 Rn. 3. 64) OLG Koblenz, Urt. v. 15.12.1994 – 6 U 289/91, NJW-RR 1995, 486, 487; Staub-HGB/ Thiessen, § 171 Rn. 13; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 15; Peters, RNotZ 2002, 425, 428; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 23. Zur Begründung s. noch unten Rn. 28. 65) Zum umstrittenen insolvenzspezifischen Haftungsumfang s. unten Rn. 117 ff.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
HGB eine Enthaftung nach Ablauf von fünf Jahren vor.66) Bis zu diesem Zeitpunkt besteht die persönliche Haftung des Kommanditisten grundsätzlich67) fort. Im Umkehrschluss lässt sich der Regelung entnehmen, dass der ausscheidende Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die erst nach seinem Ausscheiden begründet werden, nicht haftet. Die Nichthaftung für Neuverbindlichkeiten folgt allerdings genau genommen schon aus § 171 Abs. 1 HGB, der das gleichzeitige Bestehen von Kommanditistenstellung und Gesellschaftsverbindlichkeit erfordert.68) Für den Fall der Herabsetzung der Haftsumme wird § 137 HGB n.F. (§ 160 HGB a.F.) analog angewendet.69) Dabei kommt es, anders als beim Ausscheiden des Kommanditisten, nicht zu einer vollständigen Beschränkung des relevanten Gläubigerkreises: Einzig der Differenzbetrag zwischen ursprünglicher und verringerter Haftsumme steht nur den Altgläubigern zur Verfügung.70) Von einer eingetragenen Erhöhung der Haftsumme profitieren demgegenüber, dem Rechtsgedanken des § 173 HGB entsprechend, auch die Altgläubiger unmittelbar.71) Hier bleibt es also bei der Kongruenz von Gesellschafts- und Haftungsgläubigern.
25 Denkbar – wenn auch praktisch ohne große Bedeutung – ist außerdem die Begrenzung des Gläubigerkreises durch vertraglichen Ausschluss der Kommanditistenhaftung mit dem jeweiligen Gläubiger.72)
C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage 26 Charakteristisch für die Kommanditistenhaftung ist nicht nur die summenmäßige Beschränkung der Haftung, sondern darüber hinaus auch die in den §§ 171, 172 HGB geregelte Verknüpfung der Außenhaftung mit der Einlage. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB sieht vor, dass die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgeschlossen ist, soweit die Einlage des Kommanditisten geleistet ist. Spiegelbildlich lebt die Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auf, soweit die Einlage zurückbezahlt wird oder der Kommanditist Gewinne aus der Gesellschaft ent___________ 66) Die Nachhaftungsfrist läuft ab positiver Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden, spätestens jedoch ab Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister, BGH, Urt. v. 4.5.2021 – II ZR 38/20, BGHZ 229, 358, 365 f. = ZIP 2021, 1391, 1392 f. m.w.N. 67) Die Nachhaftung ist gemäß § 152 Abs. 6 S. 2 KAGB bei geschlossenen Investmentkommanditgesellschaften vollständig ausgeschlossen. 68) Zu § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.): MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 41; OetkerHGB/Boesche, § 128 Rn. 48. 69) BGH, Urt. v. 4.5.2021 – II ZR 38/20, BGHZ 229, 258, 362 f. = ZIP 2021, 1391, 1392; OLG Hamburg, Urt. v. 31.1.2020 – 11 U 90/19, ZIP 2020, 765, 766; Vosberg/Klawa, EWiR 2020, 423, 424; Mattheus/Schwab, ZGR 2008, 65, 107; Priester, EWiR 2021, 453, 454. 70) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 174 Rn. 4; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 26. 71) Oetker-HGB/Oetker, § 172 Rn. 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 6; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 36. 72) Zur OHG: Hopt-HGB/M. Roth, § 128 Rn. 38; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 14 Rn. 16.
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C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
nimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter „den Betrag der geleisteten Einlage“ herabgemindert ist oder es durch die Gesellschaftsleistung wird. Die Auslegung dieser Vorschriften und insbesondere des ihnen zugrundeliegenden Einlagebegriffs war Gegenstand jahrzehntelanger wissenschaftlicher Auseinandersetzung, die bis heute nicht abgeschlossen ist.73)
I.
Hintergrund der Verknüpfung – Gesellschafterhaftung und Kapitalausstattung
Eine schlüssige Interpretation der §§ 171, 172 HGB, die als Regelungseinheit zu 27 begreifen sind,74) muss am Grund für die Verknüpfung der Haftung mit der Einlage anknüpfen.
1.
Grundsatz der unbeschränkten Gesellschafterhaftung
Den Ausgangspunkt der Überlegungen markiert der Grundsatz der unbeschränkten 28 persönlichen Haftung der Gesellschafter. Die persönliche Haftung hat einerseits eine verhaltenssteuernde Funktion:75) Das Wissen, die Konsequenzen des eigenen Wirtschaftens auch mit dem Privatvermögen tragen zu müssen, soll den Entscheidungsträger dazu anhalten, unternehmerische Entscheidungen verantwortungsvoll, mit Rücksicht auf die Interessen der Gläubiger und nach sorgfältiger Abwägung von Chancen und Risiken zu treffen. So wird zugleich mittelbar eine volkswirtschaftlich sinnvolle, effiziente Kapitalallokation gefördert.76) Andererseits – und das ist für den Gegenstand dieser Arbeit von größerer Bedeutung – dient die unbeschränkte persönliche Haftung auch unmittelbar der Gläubigersicherung: Sie eröffnet den Gläubigern eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit in Form des Gesellschaftervermögens und verringert so ihr Ausfallrisiko.77) Die Gesellschafterhaftung erfüllt insoweit einen ähnlichen Zweck wie eine Personalsicherheit.78) Die Gläubigersicherungsfunktion der persönlichen Gesellschafterhaftung tritt anschaulich bei der Bestimmung des Haftungsumfangs hervor. Wie der Kommanditist haften Ge___________ 73) Hervorgehoben seien die Werke von Furrer, Haftung des Kommanditisten, S. 202 ff.; Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 414 ff.; Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037 ff.; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 22 ff.; zuletzt noch Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 18 ff.; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 119 ff. 74) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 3; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 7, § 172 Rn. 13; Henssler/Strohn-GesR/Gummert, § 172 HGB Rn. 2. 75) BGH, Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216, 227 = NJW 1974, 1191, 1193; Urt. v. 14.1.1985 – II ZR 103/84, BGHZ 93, 246, 250 = NJW 1985, 1776, 1777; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 541 f.; Oetker-HGB/Boesche, § 128 Rn. 2. 76) Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 58; Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 249, 323. 77) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Hillmann, § 128 Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 541. 78) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 541; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 99.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
sellschafter auch im Allgemeinen akzessorisch für jede Verbindlichkeit der Gesellschaft, unabhängig von ihrem Rechtsgrund.79) Mit Blick auf den Haftungszweck einleuchtend ist aber die Ausnahme für Sozialverbindlichkeiten.80) Diese stellen ein reines Gesellschaftsinternum dar, sodass der Gedanke der Gläubigersicherung nicht zum Tragen kommt und es der persönlichen Haftung der Gesellschafter nicht bedarf.81)
29 Aus diesen Gründen bildet die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter den theoretischen Grundsatz, der Haftungsbeschränkungen rechtspolitisch rechtfertigungsbedürftig macht.82) Für unternehmerische Gesellschaften ist dabei stets erforderlich, dass die Einbußen für die Gläubigersicherung, die die Einschränkung der Zugriffsmöglichkeit auf das Privatvermögen der Gesellschafter mit sich bringen, durch andere Sicherungsmechanismen kompensiert werden.
2.
Haftungsausschluss im Kapitalgesellschaftsrecht
30 Im Recht der Kapitalgesellschaften ist namentlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines gesellschaftseigenen Haftungsfonds das zentrale Element.83) In Höhe der vorgesehenen Kapitalziffer muss der Gesellschaft tatsächlich Vermögen zugeführt werden (Prinzip der Kapitalaufbringung). Es bestehen dafür beispielsweise Vorschriften zur Sicherstellung der Werthaltigkeit von Sacheinlagen sowie Vorkehrungen gegen deren Umgehungen, §§ 9, 19 Abs. 4 GmbHG, §§ 27, 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG. Die Anmeldung der Gesellschaft darf erst dann erfolgen, wenn der Gesellschaft ein gesetzlich bestimmter Anteil des Stamm- oder Grundkapitals zugeführt wurde, vgl. § 7 Abs. 2 GmbHG, §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG. Das auf diese Weise geschaffene Mindestvermögen darf der Gesellschaft in der Folge auch nicht mehr zugunsten der Gesellschafter entzogen werden (Prinzip der Kapitalerhaltung). Hier bestehen entsprechende Auszahlungsverbote und bei Ver-
___________ 79) Zu § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) vgl. statt vieler Heidel/Schall-HGB/Seeger, § 128 Rn. 7; MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 10. 80) Ganz h.M. BGH, Urt. v. 2.7.1962 – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299, 301 = NJW 1962, 1863, 1864 (für Ansprüche aus § 110 HGB a.F.); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Hillmann, § 128 Rn. 11; MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 12; Heidel/Schall-HGB/Seeger, § 128 Rn. 9. 81) Diesen Zusammenhang stellt auch Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 23, speziell für den Kommanditisten her. 82) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 540, mit dem zutreffenden Hinweis, dass rechtstatsächlich Gesellschaftsformen mit eingeschränkter Gesellschafterhaftung überwiegen. Für Zahlen vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 8.1, Jahr 2020, Tabelle 4.2. 83) Überblick zum Kapitalschutz in der AG bei: Koch-AktG, § 1 Rn. 10 ff.; Grigoleit-AktG/ Grigoleit, § 1 Rn. 26 ff.; Hölters/Weber-AktG/Solveen, § 1 Rn. 23 ff.
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C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
stoß Rückgewährpflichten gegenüber der Gesellschaft, §§ 30 f. GmbHG, §§ 57, 62 Abs. 1 AktG.84) Wesentliches Element des so gewährten Schutzes der Gläubiger ist auch deren In- 31 formation durch Aufnahme eines Hinweises auf die Haftungsbeschränkung in die Firma, vgl. § 4 GmbHG und § 4 AktG,85) Eintragung des Stamm- oder Grundkapitals in das Handelsregister, § 10 Abs. 1 GmbHG, § 39 Abs. 1 AktG, und die Pflicht zur Veröffentlichung von Jahresabschlüssen, §§ 325 ff. HGB. Die Sicherung des gesellschaftseigenen Haftungsfonds wird schließlich flankiert durch die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung, § 15a InsO.86) Wo Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft diese (den Ausschluss der persönlichen Haftung rechtfertigenden) Schutzmechanismen untergraben, ist eine Durchgriffshaftung in Erwägung zu ziehen.87)
3.
Der Kommanditist im System der Gesellschafterhaftung
Dass auch das System von Einlage und Haftung des Kommanditisten der Gläubi- 32 gersicherung dient, wird nicht stets ausdrücklich hervorgehoben.88) Es nimmt in diesem Kontext eine Stellung zwischen der vollständig nach außen gerichteten Gläubigersicherung durch unbeschränkte persönliche Gesellschafterhaftung einerseits und der durch Gewährleistung eines gesellschaftseigenen Haftungsfonds im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter realisierten Gläubigersicherung andererseits ein.
a) Die Haftung als Kompensation für ein konkretes Defizit des Gesellschaftsvermögens Der Kommanditist erhält die Möglichkeit, seine Außenhaftung durch Ausstattung 33 der Gesellschaft mit eigenem Vermögen auszuschließen. Zieht man die Parallele ___________ 84) Nach h.M. kann auch der Gläubiger nach § 62 Abs. 2 S. 1 AktG Leistung nur an die AG verlangen, vgl. statt aller Koch-AktG, § 62 Rn. 16 m. w. N; s. zu § 62 Abs. 2 S. 2 AktG noch unten Rn. 486. 85) Den Zusammenhang mit dem Wegfall der persönlichen Gesellschafterhaftung betont BGH, Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216, 227 = NJW 1974, 1191, 1193. 86) Zur Korrelation dieser Pflicht mit dem Ausschluss der persönlichen Haftung MüKo-InsO/ Drukarczyk/Schüler, § 19 Rn. 1; Uhlenbruck-InsO/Mock, Rn. 7 m.w.N. 87) BGH, Urt. v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 368 = NJW 1994, 1801 f. (Vermögensvermischung); MüKo-AktG/Heider, § 1 Rn. 70, mit Fallgruppen in den Rn. 71 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, 283; ausführlich zur Durchgriffshaftung in der AG Koch-AktG, § 1 Rn. 15 ff. 88) S. aber BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 39 = ZIP 2021, 255, Rn. 34; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 8; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 29; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 23; Schmelz, DStR 2006, 1704, 1706; Zacher, Kapitalsicherung und Haftung in der GmbH & Co. KG, S. 12; demgegenüber bestreiten Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037, 1038, und Heidel/Schall-HGB/Schall, § 172 Rn. 20, die eigenständige Gläubigersicherungsfunktion der Kommanditistenhaftung.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
zum Kapitalgesellschaftsrecht, entspricht das Entfallen der Außenhaftung durch Einlageleistung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB funktional den Regelungen zur Kapitalaufbringung, während das Wiederaufleben der Haftung in den Fällen des § 172 Abs. 4 HGB eine den Kapitalerhaltungsvorschriften im GmbH- und Aktienrecht vergleichbare Funktion erfüllt.89) Wie dort setzt auch die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten zudem Publizität sowohl der Tatsache der Beschränkung als auch des Ausmaßes der Gläubigersicherung (Haftsumme) durch Eintragung in das Handelsregister voraus, §§ 162, 174, 176 HGB. Anders als im Recht der Kapitalgesellschaften werden die Aufbringung und Erhaltung des Gesellschaftsvermögens aber nicht über die gesellschaftsvertraglichen Pflichten im Innenverhältnis hinaus sichergestellt. Die Regelungen in § 171 Abs. 1 Hs. 2 und § 172 Abs. 4 HGB überlassen es stattdessen KG und Kommanditist, inwieweit tatsächlich eine Einlage geleistet wird, und bewirken, dass betragsmäßig begrenzte unmittelbare Außenhaftung und Kapitalausstattung für den Kommanditisten in einem Alternativverhältnis stehen: Zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger soll der Zugriff auf Haftungssubstrat in Höhe der Haftsumme entweder im Gesellschaftsvermögen oder im Vermögen des Kommanditisten gewährleistet werden.
34 Die Verknüpfung der Haftung mit der Einlageleistung ist vor diesem Hintergrund Ausdruck eines entscheidenden Unterschieds zwischen der Haftung des Kommanditisten und der unbeschränkten des Komplementärs und des OHG-Gesellschafters: Durch den Beitritt als Kommanditist und die Handelsregistereintragung der Haftsumme wird dem Rechtsverkehr der Eindruck vermittelt, zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger stehe Haftungssubstrat in Höhe der Haftsumme zur Verfügung. Die Kommanditbeteiligung wird auf diese Weise zu einem bezifferbaren Anhaltspunkt für die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft90) und die Außenhaftung des Kommanditisten bildet für ein konkretes Defizit im Vermögen der Gesellschaft eine entsprechend begrenzte Kompensation. Der Beteiligung eines unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters wohnt demgegenüber keine derartig bezifferbar konkrete und publizierte Kapitalerwartung inne. Seine Haftung trägt mehr den Charakter einer allgemeinen Absicherung als einer Kompensation für einen konkreten Fehlbetrag.
b) Kein bloßer Anreiz zur Einlageleistung 35 Es trifft bei der Beschreibung des Haftungsmechanismus nicht den Punkt, die Außenhaftung zu einem bloßen Anreiz91) oder gar einem „freiwilliges Seriositätssig___________ 89) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 9, 68; Zacher, Kapitalsicherung und Haftung in der GmbH & Co. KG, S. 13, 115; Kirsch, Einlageleistung und Einlagerückgewähr, S. 22, 49; vgl. zur historischen Entwicklung der „engen funktionalen Verwandtschaft der Haftungsbeschränkungen von Kommanditisten und Aktionären“ Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 2 f. 90) Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037; Zacher, Kapitalsicherung und Haftung in der GmbH & Co. KG, S. 16 f.; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 23. 91) Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037, 1038; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 10; Anspielungen, die Haftung sei nur Mittel zum Zweck (Kapitalausstattung), sind ubiquitär.
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C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
nal“92) zur Erzwingung der Kapitalaufbringung im Innenverhältnis – als primärem Mittel der Gläubigersicherung – zu degradieren. Tatsächlich mag zwar die Leistung der Einlage und der damit verbundene Ausschluss der Haftung die Regel sein.93) Dem Gesetz lässt sich zur Frage, ob die Sicherung der Gläubiger durch den Kommanditisten vorrangig durch Verstärkung des Gesellschaftskapitals oder durch Zugriffsmöglichkeit auf das Kommanditistenvermögen gewährleistet werden soll, allerdings nicht mehr als Gleichgültigkeit entnehmen.94) Der Erlass der Einlagepflicht ist ebenso wenig gesetzlich verboten (arg. e § 172 Abs. 3 HGB) wie die Rückzahlung der Einlage,95) an die nicht einmal eine (gesetzliche) Pflicht zur Erstattung im Innenverhältnis, sondern lediglich die Haftungsfolge des § 172 Abs. 4 HGB geknüpft ist. Auch die Möglichkeit eine Einlagepflicht zu vereinbaren, die wertmäßig hinter der Haftsumme zurückbleibt, ließe sich schwer mit einem derartigen „Vorrang“ der Einlagepflicht in Einklang bringen.96) Zudem muss einem solchen „Vorrang“ entgegengehalten werden, dass die Kom- 36 manditistenhaftung bei genauerer Betrachtung als Anreiz zur Einlageleistung sogar vollkommen ungeeignet ist. Lässt man die (irrationale) psychische Belastung außer Betracht, die von der Ungewissheit einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger ausgehen kann, spricht für den Kommanditisten im Gegenteil unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einiges dagegen, seine Haftung durch Einlageleistung zum Erlöschen zu bringen. Nicht nur ersetzt nämlich die Leistung an die Gesellschaft eine ungewisse zukünftige Vermögenseinbuße (Haftung) durch eine sofortige und gewisse. Der Kommanditist kann auch nur bis zur Leistung der Einlage ohne Auswirkungen auf die Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB Ausschüttungen von der Gesellschaft erhalten – seine Außenhaftung erhöht sich nicht um den ausgeschütteten Betrag, sondern bleibt auf die Haftsumme begrenzt.97) Nach Leistung der Einlage i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB kann die Außenhaftung demgegen-
___________ 92) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 6, 18, der dort deutlich formuliert: „Primäre Pflicht des Kommanditisten ist mithin die Zahlung der Einlage an die Gesellschaft […]. Die Außenhaftung dient lediglich als Hilfsmittel, […] als freiwilliges Seriositätssignal“. 93) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 6; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 30. 94) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 29 ff.: „Unser Gesetz sorgt für Gläubigersicherung nach Maßgabe der Haftsumme […] und dabei gilt es ihm gleich, ob durch die Kommanditisteneinlage oder durch die Kommanditistenhaftung für diese Sicherung gesorgt ist.“; ders., ZGR 1976, 307, 310; Zacher, Kapitalsicherung und Haftung in der GmbH & Co. KG, S. 13, 77, und Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 116, sprechen vom „Wahlrecht“ des Kommanditisten. Im Innenverhältnis ist dieses Wahlrecht freilich durch die Beitragspflicht eingeschränkt. 95) Anders noch Art. 165 Abs. 2 ADHGB: „Die Einlage des Kommanditisten kann während des Bestehens der Gesellschaft weder ganz noch theilweise zurückbezahlt oder erlassen werden“. 96) So auch Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 127. 97) S. noch unten Rn. 52.
19
Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
über wieder aufleben, § 172 Abs. 4 HGB.98) Von einem Anreiz zur Leistung der Einlage kann deshalb nicht die Rede sein.
37 Es muss stattdessen bei der schlichten Feststellung bleiben, dass „Einlage und beschränkte Außenhaftung wechselseitig die Funktion der Gläubigersicherung haben“99).
II. Die Verknüpfung im Einzelnen 38 Auf der Basis dieses grundlegenden Verständnisses der Kommanditistenhaftung sollen nun Leitlinien für die Anwendung der §§ 171 Abs. 1 Hs. 2 und 172 Abs. 4 HGB aufgezeigt werden, wobei die für die Zwecke dieser Arbeit unbedeutenden Einzelfragen100) ausgeblendet werden.
1.
Beschränkung auf das Außenverhältnis
39 Zunächst sei das Folgende hervorgehoben: Da das Regelungsanliegen der §§ 171 ff. HGB ausschließlich die Sicherung der Gesellschaftsgläubiger, das Außenverhältnis ist, beschränkt sich die gesetzliche Verknüpfung von Einlage und Haftung auf ebendieses und lässt die Pflichten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter unberührt.101) Aufschlussreich ist diesbezüglich die Formulierung des § 172 Abs. 4 HGB, wonach die Einlage im Falle ihrer Rückzahlung „den Gläubigern gegenüber“ als nicht geleistet gilt. Hier tritt die stets betonte Trennung zwischen Innenund Außenverhältnis deutlich hervor: Die rechtlichen Folgen einer Vermögensverschiebung zwischen Kommanditist und Gesellschaft müssen für das Außenverhältnis anhand der §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB und für das Innenverhältnis vollkommen unabhängig davon nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden.102) ___________ 98) Beispiel: Ein Kommanditist ist gesellschaftsvertraglich zur Leistung einer Bareinlage i.H.v. 20.000 € verpflichtet. Dieser Betrag entspricht auch seiner Haftsumme. Leistet der Kommanditist die Einlage vollständig an die Gesellschaft und erhält anschließend eine haftungsschädliche Auszahlung i.H.v. 5.000 €, haftet er den Gesellschaftsgläubigern in diesem Umfang. Leistet er dagegen zunächst keine Einlage und erhält die 5.000 €, kann er sich weiterhin durch Leistung (nur) der Einlage an die Gesellschaft vollständig von seiner Haftung befreien. Behält die Gesellschaft wegen der rückständigen Einlage dem Kommanditisten zustehende Ausschüttungen ein, kann zwar in der Tat ein Anreiz zur Einlageleistung bestehen. Dieser geht dann aber nicht von der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB, sondern vom Zurückbehaltungsrecht der Gesellschaft aus. 99) Schmelz, DStR 2006, 1704, 1706. 100) S. dazu Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 70 ff., § 172 Rn. 94 ff.; Monografische Auseinandersetzung mit grundverschiedenen Lösungsansätzen zuletzt bei Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 139 ff., und Bartlitz, Kommanditistenhaftung, 105 ff. 101) BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278, 2279; Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550, 551; Altmeppen, NJW 2017, 3198 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt/ Grüneberg, § 172 Rn. 1. 102) Erfrischend klar Altmeppen, NJW 2017, 3198 f.
20
C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
Exemplarisch sei das anhand einer praktisch bedeutsamen Konstellation aufgezeigt: 40 Gewinnunabhängige Liquiditätsausschüttungen an Kommanditisten, wie sie z.B. in Schiffsfonds üblich waren, führen unter dem Gesichtspunkt der Einlagenrückzahlung zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB.103) Damit ist jedoch nicht gesagt, dass auch die Gesellschaft vom Kommanditisten die Rückzahlung der Ausschüttung verlangen kann, etwa weil eine neue Einlageforderung entsteht oder die ursprüngliche ebenfalls wiederauflebt.104) Im Gegenteil: Vielfach erfolgten solche Ausschüttungen sogar auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, sodass gar ein Anspruch des Kommanditisten auf die Auszahlung bestand.105) Zu Recht nimmt der Bundesgerichtshof deshalb an, eine KG könne Kommanditisten in diesen Fällen nur dann auf Erstattung der Ausschüttungen in Anspruch nehmen, wenn im Gesellschaftsvertrag oder bei Auszahlung eine entsprechende Rückforderung vereinbart ist.106) Als Vermengung von Innen- und Außenverhältnis ist jedenfalls die in größerer Regelmäßigkeit anzutreffende Formulierung problematisch, mit der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB erfolge die Rückforderung der an den Kommanditisten erfolgten Ausschüttungen.107) Schließlich hat auch die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers (Leistung „auf 41 die Haftung“) als solche keinen Einfluss auf die Verpflichtung des Gesellschafters, seinen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten. Letztere erlischt nur dann, wenn die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Leistung erbracht wird. Bloß ausnahmsweise führt die Leistung an einen Gläubiger der Gesellschaft also zum Erlöschen der Beitragspflicht, wenn die Befriedigung des Gläubigers gerade Inhalt derselben war oder wenn Gesellschaft und Kommanditist eine Leistung an Erfüllungs statt vereinbart haben, § 364 Abs. 1 BGB.108) Die Leistung auf die Haftung kann im Übrigen lediglich die Aufrechnung mit der Einlageforderung ermöglichen.109) ___________ 103) BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18, Rn. 27; Urt. v. 19.1.2016 – II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550, Rn. 10; Kupsch, Gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten, S. 88 ff., 94, 96; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189; Lux, NZG 2013, 1017, 1019; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 294. 104) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 68; a.A. OLG Köln, Urt. v. 11.8.2003 – 18 U 13/03, BeckRS 2012, 7362. 105) Lux, NZG 2013, 1017, 1018; Pöschke/Steenbreker, NZG 2016, 841, 842; Priester, DStR 2013, 1786; S. Schneider, DStR 2017, 548. 106) St. Rspr. zuletzt BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550, 552; Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278, 2279; ebenso Kupsch, Gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten, S. 93, 95; S. Schneider, DStR 2017, 548; Lux, NZG 2013, 1017, 1018 f.; Pöschke/Steenbreker, NZG 2016, 841, 843. Ist die Ausschüttung an den Kommanditisten einmal nicht vom Gesellschaftsvertrag gedeckt, kann die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen sein. 107) Vgl. nur beispielhaft OLG München, Urt. v. 8.7.2019 – 21 U 3749/18, ZIP 2019, 1727; Menkel, NZG 2021, 497; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1191; Böcker, DZWIR 2021, 587, 589. 108) Altmeppen, NJW 2017, 3198, 3200; K. Schmidt, ZGR 1976, 307, 312. 109) S. unten Rn. 203, 218 zur Aufrechnung in der Insolvenz.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
2.
Haftungsbefreiende Einlageleistung, § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB
42 § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB sieht vor, dass die beschränkte Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgeschlossen ist, „soweit die [vereinbarte110)] Einlage geleistet ist“. Der Tatbestand dieser Norm setzt die Leistung einer „Einlage“ und die objektive Werthaltigkeit des Geleisteten voraus.
a) Leistung einer „Einlage“ 43 Die Erfüllung der gesellschaftsvertraglichen Beitragspflicht ist der Regelfall der haftungsbefreienden Leistung an die Gesellschaft.111) Nicht jede Beitragsleistung kann jedoch eine Einlage i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB darstellen: Soll – was Zweck der Vorschrift gebietet – die „Einlage“ im Interesse der Gläubigersicherung einen Ausgleich für die entfallene Außenhaftung gewährleisten, ist vielmehr notwendig, dass durch die Leistung des Kommanditisten das „haftende Gesellschaftskapital“ effektiv vergrößert wird.112) Der Kommanditist muss also Vermögen derart an die Gesellschaft übertragen, dass es zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Gewiss ist diesen Anforderungen Genüge getan, wenn eine Bar- oder Sacheinlage der KG als Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird.113) Es reicht jedoch aus, dass die Gläubiger in Bezug auf das eingelegte Vermögen im „Sicherungsfall“ nicht mit dem Kommanditisten konkurrieren. Vor diesem Hintergrund ist auch die Gewährung eines Darlehens durch den Kommanditisten als haftungsbefreiende Einlageleistung i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB zu qualifizieren, wenn entweder der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO eröffnet114) oder ein Rangrücktritt vereinbart ist.115) Die Darlehensvaluta ist zwar auch in diesen Fällen fraglos bilanziell Fremdkapital, aufgrund des Nachrangs der Darlehensrückzahlungsforderung nach § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 oder Abs. 2 InsO wird sie jedoch den Gläubigern gegenüber im Insolvenzverfahren wie Eigenkapital behandelt.
___________ 110) Ab Inkrafttreten des MoPeG zum 1.1.2024. 111) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 40 ff.; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 122; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 38; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 66 f. 112) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 26 („haftendes Kapital“); MüKo-HGB/ders./Grüneberg, § 172 Rn. 51; ebenso Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 129 ff.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 70. 113) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 51 f.; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 12; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 63. 114) Vgl. § 39 Abs. 4, 5 InsO. 115) Nur für Gesellschafterkredite mit Rangrücktritt Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 132 ff.; a.A. MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 54; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 63; Peters, RNotZ 2002, 425, 430.
22
C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
Über die Tilgung einer Einlageverpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag hinaus 44 wird ein Ausschluss der Haftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ganz überwiegend (nur116)) in Fällen der „überschießenden“ Außenhaftung für möglich gehalten,117) also wenn im Innenverhältnis keine Leistungspflicht des Kommanditisten besteht, die den vollständigen Umfang der Außenhaftung deckt. Von praktischer Bedeutung sind in diesem Kontext aktuell vor allem Fälle, in denen die Einlagerückzahlung nach § 172 Abs. 4 HGB lediglich im Außenverhältnis zum Wiederaufleben der Haftung führt, z.B. bei Auszahlung des Abfindungsguthabens an einen ausgeschiedenen Kommanditisten.118) Diese extensive Anwendung des § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ist als Analogie bezeichnet worden.119) In Anbetracht der insgesamt undifferenzierten Verwendung des Begriffs „Einlage“ in den §§ 161 ff. HGB erscheint es allerdings alles andere als zwingend, den möglichen Wortsinn, der die Grenze der Auslegung markiert,120) derart eng zu verstehen. Unterschiede im Ergebnis folgen aus der methodischen Entscheidung zwischen Auslegung und Analogie nicht: Die Grenzen des (im Auslegungs- oder Analogiewege bestimmten) Anwendungsbereichs des § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB zieht der Normzweck, welcher der Ermöglichung einer haftungsbefreienden Leistung an die Gesellschaft hier fraglos nicht entgegensteht. Für den Schutz der Gläubiger ist unbedeutend, ob der Haftungsfonds der Gesellschaft gerade durch eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Einlageleistung gefüllt wird. Das versteht sich von selbst, findet aber auch eine gesetzliche Stütze im Kapitalgesellschaftsrecht, wo in § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG und § 27 Abs. 3 S. 3 AktG die Anrechnung einer verdeckten Sacheinlage auf eine Bareinlageverbindlichkeit angeordnet ist. Für die Anwendung der Haftungsbefreiung in diesen Fällen spricht zudem, dass insoweit eine mit § 172 Abs. 4 ___________ 116) Ob die allseits vorgenommene Beschränkung auf diese Fälle gerechtfertigt ist, darf bezweifelt werden. Nimmt man die Trennung von Innen- und Außenverhältnis ernst, sprechen die Interessen von KG, Kommanditist und Gläubigern zumindest nicht dagegen, beispielsweise auch einem noch zur Sacheinlage verpflichteten Kommanditisten die haftungsbefreiende Barleistung an die Gesellschaft zu ermöglichen. Die Pflicht zur Erbringung der Sacheinlage bliebe hiervon selbstverständlich unberührt. 117) BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18, Rn. 29; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 8 ff., 40; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 43; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 112 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 17; a.A. Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 141 ff. 118) Zur Einordnung als Einlagenrückzahlung nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB, s. schon RG, Urt. v. 17.9.1906 – Rev. VI 584/05, RGZ 64, 77, 81; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 172 Rn. 35. Anderes gilt gemäß § 152 Abs. 6 S. 1 KAGB in geschlossenen Investmentkommanditgesellschaften. Nach Ausscheiden haftet der Kommanditist in diesen Gesellschaften allerdings ohnehin nicht mehr für Gesellschaftsverbindlichkeiten, § 152 Abs. 6 S. 2 KAGB. 119) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 46 (die Norm ist „fortzubilden“); BeckOK-HGB/ Häublein/Beyer, § 171 Rn. 28; entsprechend zu § 172 Abs. 4 S. 1 HGB: Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 79. 120) BGH, Urt. v. 30.6.1966 – KZR 5/65, BGHZ 46, 74, 76 = NJW 1967, 343, 346; Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 143.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
S. 1 HGB einheitliche Interpretation121) gewährleistet würde. Es wäre nur schwer nachvollziehbar, sollte eine Leistung der Gesellschaft als Rückzahlung „der Einlage“ qualifiziert, die Erstattung ebendieser Leistung an die Gesellschaft aber nicht in allen Fällen als „erneute Einzahlung der Einlage“122) angesehen werden.
b) Objektive Wertdeckung 45 Soll die Regelung in § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ihrer Funktion gerecht werden, darf die Haftung nicht schon entfallen, weil der Kommanditist die so verstandene Einlage überhaupt leistet, sondern nur, soweit er dadurch auch „das Vermögen der KG als Haftungsobjekt […] verstärkt“.123) Der Gesellschaft muss also ein der Haftungsbefreiung entsprechender Wert zugeführt werden, sog. objektive Wertdeckung.124)
46 Besonders anschaulich tritt die Bedeutung dieses Erfordernis bei Sacheinlagen hervor. Im Innenverhältnis besteht hier in der KG Bewertungsfreiheit.125) Die Beitragsverpflichtung des Kommanditisten erlischt regelmäßig auch bei Überbewertung der einzubringenden Sache und ihn trifft – anders als einen Kapitalgesellschafter126) – keine Differenzhaftung gegenüber der Gesellschaft. Die Bewertung der Sacheinlage hat im Innenverhältnis folglich nur für den Kapitalanteil Bedeutung (§ 709 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB).127) Für das Erlöschen der Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ist der objektive Wert der Sacheinlage dagegen von entscheidender Bedeutung. Bei fehlender Werthaltigkeit sind die Gesellschaftsgläubiger demnach ohne Weiteres durch die Zugriffsmöglichkeit auf das Kommanditistenvermögen geschützt. An die Stelle einer ___________ 121) Einheitlichkeit fordern diesbezüglich auch Peters, RNotZ 2002, 425, 434, und Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 64, 66 ff. – letzterer freilich in umgekehrter Richtung: § 172 Abs. 4 HGB müsse dem von ihm vorgeschlagenen engen Verständnis des § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB folgen. 122) BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18, Rn. 34. 123) Koch, Gesellschaftsrecht, § 22 Rn. 14. 124) Regelmäßig auch nach Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037, 1038, als „Prinzip der objektiven Vermögensdeckung“ bezeichnet; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 3; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 36 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1565; insoweit zu den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers Hahn/Mugdan, Materialien zum HGB, S. 281. 125) Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 6; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 139; MüKo-HGB/Priester, § 120 Rn. 37. 126) Vgl. für die GmbH § 9 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Für die AG fehlt eine gesetzliche Regelung, die Differenzhaftung ist aber in Analogie zu § 9 GmbHG auch hier anerkannt, BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10, BGHZ 191, 364, 370 f. = NJW-RR 2012, 866, Rn. 16; Koch-AktG, § 27 Rn. 21 m.w.N. 127) Schon zum alten Recht: Westermann, FS Barz, S. 81, 84; vgl. auch MüKo-HGB/Priester, § 120 Rn. 96. Zum Schutz der übrigen Anleger vor einer Wertverwässerung ihrer Anteile auf diesem Wege (vgl. BT-Drucks. 17/12294, S. 251) sind Sacheinlagen in geschlossenen Investmentkommanditgesellschaften nach § 152 Abs. 7 KAGB verboten wo sie aber ohnehin selten waren, Freitag, NZG 2013, 329, 335; Gehling, BB 2011, 73, 74.
24
C. Verknüpfung der Haftung mit der Einlage
Differenzhaftung gegenüber der Gesellschaft (im Kapitalgesellschaftsrecht) tritt eine Differenzhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.128) Ob die beschränkte Außenhaftung durch Einlageleistung ausgeschlossen ist, ergibt 47 sich – ebenso wie Art und Umfang des im Innenverhältnis versprochenen Beitrags und das erneute Aufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB – nicht aus dem Handelsregister. Eintragungsfähig ist insoweit einzig die Haftsumme des Kommanditisten, vgl. § 162 Abs. 1 HGB.129) Im Streitfall trägt dieser jedoch die Beweislast für die Tatsache und die Wertdeckung der Einlageleistung.130) Abschließend muss klargestellt werden: Das Erlöschen der Haftung nach § 171 Abs. 1 48 Hs. 2 HGB hängt einzig davon ab, dass dem Gesellschaftsvermögen eine werthaltige Einlage zugeflossen ist. Es besteht aber – nicht anders als für das Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft131) – keine Garantie, dass das eingelegte Vermögen noch ungeschmälert zur Befriedigung der Gläubiger vorhanden ist und nicht etwa durch Verluste der Gesellschaft verringert oder vollständig aufgebraucht ist.
3.
Wiederaufleben der Außenhaftung, § 172 Abs. 4 HGB
Der Ausschluss der persönlichen Haftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB ist unter 49 Gläubigerschutzgesichtspunkten nur so lange gerechtfertigt, wie der Kommanditist das durch ihn gestellte haftende Gesellschaftskapital auch bei der KG belässt. Für den Fall, dass er dies nicht tut, sieht § 172 Abs. 4 HGB das Wiederaufleben seiner beschränkten Außenhaftung vor. Die Norm differenziert dabei zwischen zwei Tatbeständen: der Einlagenrückzahlung (S. 1) und bestimmten Fällen der Gewinnentnahme (S. 2). In der Gesamtschau erfassen beide Tatbestände alle Leistungen der Gesellschaft an 50 den Kommanditisten, durch die der auf den Kommanditisten entfallende Teil des gesellschaftseigenen Haftungsfonds unter den Betrag der Haftsumme gemindert wird oder bei deren Erbringung diese Schwelle bereits unterschritten ist.132) Ob___________ 128) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 150 m.w.N. 129) Vgl. auch BGH, Urt. v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82, 87 = NJW 1981, 2747, 2748; MüKo-HGB/Grunewald, § 162 Rn. 2 f. m.w.N. 130) BGH, Urt. v. 18.11.1978 – II ZR 129/75, BeckRS 1976, 31115338; Urt. v. 1.6.1987 – II ZR 259/86, BGHZ 101, 123, 127 = NJW 1987, 3184, 3185; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 119; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 86. 131) Zur Unterscheidung zwischen Grundkapital und Gesellschaftsvermögen in der AG KochAktG, § 1 Rn. 10. 132) Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 72; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 22; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 73; Peters, RNotZ 2002, 425, 434. In Investmentkommanditgesellschaften dürfen entsprechende Ausschüttungen nach den §§ 127 Abs. 2, 152 Abs. 2 KAGB nur mit Zustimmung der Kommanditisten erfolgen. Zu den (fehlenden) Auswirkungen einer ohne entsprechende Zustimmung erfolgten Ausschüttung auf die Haftung sowie zur Haftung in Investmentkommanditgesellschaften insgesamt Casper, ZHR 179 (2015), 44, 67 ff.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
wohl der Gesetzeswortlaut eine solche Haftsummenunterdeckung nur für die Gewinnentnahme fordert, § 172 Abs. 4 S. 2 HGB, gebietet der Normzweck diese Einschränkung auch für Einlagenrückzahlung nach S. 1: Verbleibt der Gesellschaft (auf den Kommanditisten entfallendes) Kapital in entsprechendem Umfang, ist für Gläubigersicherung in Höhe der Haftsumme gesorgt, sodass eine Außenhaftung des Kommanditisten nicht erforderlich ist.133) Hier muss klargestellt werden, dass im Rahmen des § 172 Abs. 4 HGB – anders als bei §§ 30, 31 GmbHG – der Vermögensstand der Gesellschaft insgesamt nicht von Relevanz ist.134) Das gesellschaftseigene Haftungskapital wird nicht im Kollektiv, sondern für jeden Kommanditisten einzeln betrachtet. Konkret bedeutet dies, dass die Haftung eines Kommanditisten auch dann wiederaufleben kann, wenn die Gesellschaft nach der Auszahlung noch über Vermögen in Höhe der Haftsummen aller Kommanditisten verfügt.
51 § 172 Abs. 4 S. 2 HGB behandelt den Fall der Gewinnentnahme. Diese Regelung wird ergänzt durch einen entsprechenden Ausschluss des Gewinnauszahlungsanspruchs im Innenverhältnis, § 169 Abs. 1 HGB n.F. (§ 169 Abs. 1 S. 2 HGB a.F.). Daneben erfasst § 172 Abs. 4 S. 1 HGB als Einlagenrückzahlung alle sonstigen Leistungen der Gesellschaft an den Kommanditisten (als solchen) aus dem haftenden Kapital.135) Die Norm fungiert als Auffangtatbestand. Entgegen ihrem missverständlichen Wortlaut („Einlage […] zurückbezahlt“) setzt sie weder eine „Zahlung“, also eine Geldleistung voraus, noch muss die Art der Leistung mit dem als gesellschaftsvertraglichem Beitrag Geleisteten übereinstimmen (z.B. Auszahlung nach Sacheinlage).136)
52 Obwohl § 172 Abs. 4 HGB die Gläubiger wie die §§ 30, 31 GmbHG vor Aushöhlung des haftenden Gesellschaftsvermögens durch Ausschüttungen an die Gesellschafter schützen soll, ist die verbreitete Bezeichnung als „Kapitalerhaltungsvorschrift“137) zumindest irreführend: Die Vorschrift hat nicht zum Gegenstand, Mittel ___________ 133) Im Ergebnis ebenso BGH, Urt. v. 12.7.1982 – II ZR 201/81, BGHZ 84, 383, 387 = NJW 1982, 2500, 2501; Beschl. v. 9.7.2007 – II ZR 95/06, NJW-RR 2007, 1676, Rn. 8; Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 105/07, NJW-RR 2008, 1065, Rn. 10; Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 76, 78; Oetker-HGB/Oetker, § 172 Rn. 16; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 201 ff. 134) Zacher, Kapitalsicherung und Haftung in der GmbH & Co. KG, S. 116; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-HGB/Strohn, Rn. 21. 135) Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 81; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 172 Rn. 22; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 72 f.; Oetker-HGB/Oetker, § 172 Rn. 18. 136) Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 81; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 172 Rn. 22; a.A. Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 68 ff. 137) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 172 Rn. 15; K. Schmidt, NJW 1982, 2501, 2502, mit klarstellenden Erläuterungen; ders., Einlage und Haftung, S. 78 ff.; Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 67, mit der Bezeichnung als „Ausschüttungssperre“ in Rn. 69; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 173; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 1 („mittelbare Bindung von Eigenkapital“).
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D. Haftungstatbestände außerhalb des KG-Rechts
bei der KG zu erhalten. Stattdessen akzeptiert das Gesetz den Vermögensabfluss und belebt lediglich die beschränkte Außenhaftung des Kommanditisten als alternative gesetzliche Gläubigersicherung wieder. Der Umfang des Wiederauflebens der Außenhaftung ist dabei in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Zum einen durch die Höhe der Auszahlung (§ 172 Abs. 4 S. 1 HGB: „soweit“) und zum anderen durch die Haftsummenunterdeckung und durch die Haftsumme selbst.138) Auch wenn dem Kommanditisten ein Vielfaches seiner Haftsumme ausgezahlt wird, lebt seine Außenhaftung nur in Höhe der Haftsumme wieder auf (und er kann sie anschließend durch Rückzahlung [nur] in Höhe der Haftsumme erneut ausschließen). Dass das Recht der KG keinen darüberhinausgehenden Schutz des Gesellschaftskapitals vorsieht, lässt sich darauf zurückführen, dass der Komplementär, dem allein die Führung der Gesellschaftsgeschäfte zugewiesen ist, § 116 n.F. (§§ 114 ff. a.F.) i.V.m. 161 Abs. 2, 164 HGB, eine „Bremsfunktion“ erfüllen soll: Da er für die Verbindlichkeiten der KG unbeschränkt persönlich haftet, wird er Auszahlungen an den Kommanditisten regelmäßig nur vornehmen, wenn das Gesellschaftsvermögen es zulässt.139) Man mag Zweifel an der Effektivität des so gewährleisteten Gläubigerschutzes he- 53 gen.140) Entsprechende Defizite sollten auch gewiss zur kritischen Prüfung der Kreditwürdigkeit einer KG durch potenzielle Geschäftspartner anregen. Keineswegs sollten sie aber dazu veranlassen, „Schutzlücken“ für die gesetzestypische KG durch analoge Anwendung der Kapitalschutzvorschriften aus dem GmbHRecht zu schließen141) und so das Haftungsregime zugunsten der Gläubiger von seiner gesetzlichen Konzipierung zu entfremden.
D. Haftungstatbestände außerhalb des KG-Rechts Die §§ 171 Abs. 1 Hs. 1 und 176 HGB regeln lediglich die spezifisch kommandit- 54 gesellschaftsrechtliche Haftung und lassen eine zusätzliche Haftung des Kommanditisten auf sonstiger Rechtsgrundlage unberührt.142) Er kann den Gläubigern eben___________ 138) BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 356 = NJW 1990, 1725, 1729; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 71; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 197 f. 139) BGH, Urt. v. 14.1.1985 – II ZR 103/84, BGHZ 93, 246, 250 = NJW 1985, 1776, 1777; Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 357 f. = NJW 1990, 1725, 1729; Huber, ZGR 1988, 1, 16 f.; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 94 ff.; zur Haftung des Kommanditisten in der GmbH & Co. KG, in der dieser mäßigende Einfluss der Komplementär-GmbH fragwürdig erscheint, s. sogleich unten. 140) Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 72 f.; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 30; Koller/ Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 1. 141) So aber Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 72 ff., der § 172 Abs. 4 HGB einen bloß minimalen Anwendungsbereich einräumt. Vgl. demgegenüber Huber, ZGR 1988, 1, 16 (auch de lege ferenda); K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 30 („Das geltende Recht schließt vollkommenen Gläubigerschutz aus“). 142) Übersicht bei Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 19 ff.
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Erster Teil: Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes
so aufgrund einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts für konkrete Gesellschaftsverbindlichkeiten haften wie in bestimmten Konstellationen nach Deliktsrecht.143)
55 Eine gerade im Insolvenzkontext bedeutsame Haftungskonstellation kann in der GmbH & Co. KG entstehen, bei der neben den Haftungsmechanismus der §§ 171, 172 HGB der Schutz des Stammkapitals der Komplementär-GmbH tritt. Gewährt die KG einem Kommanditist eine Leistung, die zugleich als mittelbare Auszahlung aus dem Stammkapital der GmbH zu werten ist, so finden die §§ 30, 31 GmbH analoge Anwendung, auch wenn der Kommanditist nicht zugleich GmbH-Gesellschafter ist (sog. Nur-Kommanditist).144) Eine solche mittelbare Auszahlung wird angenommen, wenn infolge der Leistung entweder der Wert der GmbH-Beteiligung an der KG gemindert wird oder sich dadurch die Vermögenslage der KG derart verschlechtert, dass den Haftungsverbindlichkeiten der GmbH als Komplementärin, § 126 n.F. (§ 128 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, keine werthaltigen Regressansprüche gegen die KG mehr gegenüberstehen.145) Auf der Rechtsfolgenseite ergeben sich für diese Ansprüche verglichen mit der beschränkten Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB mehrere gewichtige Unterschiede. Zum einen ist die Haftung für verbotene Auszahlungen nicht auf die Haftsumme beschränkt. Der Auszahlungsempfänger muss vielmehr den gesamten Auszahlungsbetrag erstatten, soweit dies zur Wiederauffüllung des Stammkapitals erforderlich ist.146) Zum anderen handelt es sich bei § 31 Abs. 1 GmbHG um eine Innenhaftung. Auch insoweit ist die GmbH selbst nur mittelbar betroffen: Die haftungsauslösende Leistung ist an die KG und nicht an die GmbH zu erstatten.147) Als Regelungen zum Innenverhältnis stehen die §§ 30, 31 GmbHG selbständig neben § 172 Abs. 4 HGB.148)
___________ 143) Vgl. zur Deliktshaftung des herrschenden Kommanditisten Fleischer/Hahn, NZG 2018, 1281, 1289 f.; allgemeiner: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 25, 28; OetkerHGB/Oetker, § 171 Rn. 25 f. 144) BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 355 ff. = NJW 1990, 1725, 1728 f.; Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 30/94, NJW 1995, 1960, 1961; MüKo-GmbHG/Ekkenga, § 30 Rn. 197; Scholz-GmbHG/Verse, § 30 Rn. 131; Noack/Servatius/Haas-GmbHG/Servatius, § 30 Rn. 70. 145) BGH, Urt. v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324, 328 f. = NJW 1973, 1036, 1038; Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 357 = NJW 1990, 1725, 1729; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-GmbHG/Heidinger, § 30 Rn. 160 f.; MüKo-GmbHG/Ekkenga, § 30 Rn. 194, der in letzterem Fall eine verbotswidrige Auszahlung erst mit Leistung der GmbH auf einen Haftungsanspruch annimmt, da das bloße Haftungsrisiko nicht zu passivieren sei. 146) Scholz-GmbHG/Verse, § 30 Rn. 132; MüKo-GmbHG/Ekkenga, § 31 Rn. 8. 147) BGH, Urt. v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324, 329 f. = NJW 1973, 1036, 1038; Scholz-GmbHG/Verse, § 31 Rn. 91; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt-GmbHG/Heidinger, § 31 Rn. 11; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 146. 148) BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 358 = NJW 1990, 1725, 1729; Altmeppen-GmbHG, § 30 Rn. 169; Scholz-GmbHG/Verse, § 30 Rn. 132.
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E. Zusammenfassung
E. Zusammenfassung Die §§ 171, 172 HGB regeln das Verhältnis des Kommanditisten zu den Gläubi- 56 gern (Außenverhältnis), von dem die Rechtsbeziehungen zwischen Kommanditist und Gesellschaft (Innenverhältnis) streng zu trennen sind. Gegenstand des Außenverhältnisses ist die Sicherung der Gesellschaftsgläubiger. 57 Die Interpretation der §§ 171, 172 HGB ist von diesem Zweck geleitet. Das durch diese Regelungseinheit geschaffene System gewährleistet den Schutz der Gläubiger in Höhe der in das Handelsregister eingetragenen Haftsumme, indem es ein zwingendes Alternativverhältnis zwischen unmittelbarer beschränkter Außenhaftung des Kommanditisten und Ausstattung der Gesellschaft mit eigenem Vermögen durch den Kommanditisten herstellt: Die beschränkte Haftung des Kommanditisten entfällt gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB, wenn er im Umfang der Haftsumme Vermögen in die Gesellschaft eingelegt hat, das zur Befriedigung ihrer Gläubiger zur Verfügung steht. Sie lebt wieder auf, soweit er dort nicht entsprechendes Vermögen belässt, § 172 Abs. 4 HGB. Die beschränkte Kommanditistenhaftung kompensiert die Gläubiger auf diese Weise für eine konkrete Lücke im Vermögen der KG. Die Haftung kommt regelmäßig allen Gläubigern der Gesellschaft zugute. Eine 58 bedeutsame Ausnahme stellt der ausgeschiedene Kommanditist dar, der (für die Dauer der Nachhaftungsfrist, § 137 Abs. 1 n.F. [§ 160 Abs. 1 a.F.] i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) einer Inanspruchnahme nur durch die Altgläubiger ausgesetzt ist. Die Beschränkung der durch den Kommanditisten gewährleisteten Gläubigersicherung auf die Haftsumme setzt die ordnungsgemäße Eintragung in das Handelsregister voraus, § 176 HGB.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB Für die Inanspruchnahme des Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft 59 trifft § 171 Abs. 2 HGB die zentrale Regelung: „Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter ausgeübt.“
Die Bedeutung der Außenhaftung in der Insolvenz – und damit auch des § 171 60 Abs. 2 HGB – sollte nicht unterschätzt werden: Erfolgt eine Ausschüttung an den Kommanditisten auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, bestehen im Innenverhältnis keine Rückzahlungsansprüche und auch die Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs liegen oftmals nicht vor.149) Die unmittelbare „Außen“Haftung ist dann die einzige Möglichkeit, den Kommanditisten aufgrund der Ausschüttung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger in Anspruch zu nehmen. Zwar ist diese Möglichkeit aufgrund der Haftsumme bei Betrachtung einzelner Kommanditisten (ggf. sehr) begrenzt, gerade in Publikumsgesellschaften mit zahlreichen Kommanditisten lassen sich jedoch häufig insgesamt beachtliche Summen150) für die Gläubigerbefriedigung generieren. Materiell handelt es sich bei § 171 Abs. 2 HGB um Insolvenzrecht,151) denn darin 61 findet sich aus – wie noch gezeigt wird – insolvenzrechtlichen Gründen eine besondere Regelung für den Insolvenzfall. Der Norm werden allgemein zwei wesentliche Konsequenzen beigemessen:152) Erstens sind die Gläubiger von einer eigenständigen Geltendmachung der Ansprüche und der Kommanditist von einer befreienden Leistung an die Gläubiger ausgeschlossen (Sperrwirkung). Stattdessen erfolgt zweitens die Geltendmachung nur durch und die Erfüllung durch den Kommanditisten nur an den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter (Ermächtigungswirkung). Im nachfolgenden Teil der Arbeit soll ein Verständnis dieser Regelung entwickelt werden, das auf einer haftungsrechtlichen Analyse der Kommanditistenhaftung beruht. Diese wird zeigen, dass die Haftungsansprüche und der mit ihrer Durchsetzung generierte Erlös Bestandteil der Gesellschaftsinsolvenzmasse sind – eine Erkenntnis, deren weitreichende Implikationen für die diskutierten Fragen rund um die Kommanditistenhaftung und ihre Abwicklung in der Insolvenz sich bei der folgenden Untersuchung von Tatbestand und Rechtsfolgen der Norm zeigen werden. ___________ 149) Vgl. Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189 ff. 150) Für Beispiele aus der Praxis s. oben Fn. 19. 151) BGH, Urt. v. 20.10.1975 – II ZR 214/74, NJW 1976, 751, 752; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/ Haas/Mock, § 94 Rn. 75; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 100; Bork, FS Kübler, S. 73, 81. 152) Statt aller MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 109, 116 f. m.w.N.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB I.
Praktische Vorteile zusammengefasster Einziehung
62 Die einheitliche Handhabung parallel gelagerter Sachverhalte an zentraler Stelle bringt praktische Vorteile für die Allgemeinheit und für die Beteiligten. Konkret erlaubt die zentralisierte Geltendmachung gleichartiger und gegen den gleichen Schuldner gerichteter Ansprüche es, die Einziehung in professionelle Hände zu legen und dadurch bestenfalls auch ihre Erfolgschancen zu erhöhen.153) Die Gläubiger werden zugleich von der möglicherweise aufwendigen und langwierigen Geltendmachung entlastet. So kann die Hemmschwelle für die Rechtsverfolgung gesenkt und die rationale Apathie von Gläubigern mit nur geringen Forderungen überwunden werden.154)
63 Als Ganzes betrachtet ist die zentralisierte Rechtsverfolgung effizienter und dadurch kostengünstiger und schneller. Die Bündelung der Rechtsstreitigkeiten bewirkt zudem eine erhebliche Reduzierung der Verfahrenszahl und damit eine Entlastung der Gerichte.155) Schließlich hat sie auch zur Folge, dass – zumindest dem Grunde nach – eine einheitliche Entscheidung ergeht. Zwar folgen aus dieser Einheitlichkeit weder für die Gläubiger noch für den Schuldner erhöhte Prozesschancen. Stattdessen entsteht für den Schuldner bloß ein prozessuales „Klumpenrisiko“: Er droht auf einen Schlag zur Leistung hinsichtlich einer ganzen Reihe von Ansprüchen verurteilt zu werden, während bei einzelnen Verfahren die Möglichkeit bestünde, dass er in einigen obsiegt und in anderen unterliegt.156) Im Gemeininteresse sind einheitliche Entscheidungen jedoch wünschenswert, um den von ihnen ausgehenden Rechtsfrieden zu verstärken: Widersprüchliche Entscheidungen können dazu führen, dass Gerichtsentscheidungen in der öffentlichen Wahrnehmung an Autorität einbüßen, und verringern auch die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Parteien.157)
64 Der Gesetzgeber hat die geschilderten Vorzüge kollektiver Rechtsverfolgung erkannt und das deutsche Recht in den letzten Jahren mit der Musterfeststellungsklage (§§ 606 – 614 ZPO) und dem Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) um weitere entsprechende Rechtsinstitute ergänzt.158) ___________ 153) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 28. 154) Lühmann, NJW 2020, 1706; vgl. auch die Begründung des Fraktionsentwurfs zur Einführung der Musterfeststellungsklage, BT-Drucks. 19/2507, S. 1, 13. 155) Lüke, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 247 f.; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 29. 156) Lüke, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 249. 157) Lüke, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 248; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 28 f. 158) Vgl. die Begründung zum RegE-KapMuG, BT-Drucks. 15/5091, S. 16 f.; Überblick bei Lühmann, NJW 2020, 1706 ff.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
Die Einziehung der Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB durch den Insolvenzver- 65 walter ist ein anschauliches Beispiel für die skizzierten Effizienzvorteile: Würde nicht der Insolvenzverwalter die Ansprüche geltend machen, so könnte ein jeder Gläubiger (abhängig von der Höhe seines Anspruchs und der Haftsumme) gezwungen sein, nicht nur einen, sondern gleich mehrere Kommanditisten in Anspruch zu nehmen, um vollständige Befriedigung zu erlangen. Spiegelbildlich müsste ein Kommanditist die Inanspruchnahme gleich mehrerer Gläubiger abwehren. In jeder dieser Rechtsstreitigkeiten müssen das Vorliegen des (vielfach identischen) Haftungstatbestands wie z.B. das Erlöschen der Haftung durch Einlageleistung oder das Wiederaufleben der Haftung durch Einlagerückgewähr, §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB, aufs Neue ermittelt werden. Die Regelung des § 171 Abs. 2 HGB reduziert die Zahl der potenziellen Haftungsprozesse dagegen in der Insolvenz der KG auf genau einen je Kommanditist. Das Bestehen oder Nichtbestehen des (allgemeinen) Haftungstatbestands muss lediglich einmal dargelegt und bewiesen werden. Die Einziehung durch den Insolvenzverwalter spart aber nicht nur deshalb Zeit und Ressourcen. Hinzu kommt, dass der Insolvenzverwalter der Gesellschaft – anders als etwa die Gläubiger – unmittelbar über die Informationen verfügt, die für die Inanspruchnahme erforderlich sind: Er hat bereits Zugang zu den Unterlagen über die gesellschaftsinternen Angelegenheiten und insbesondere über die Aus- und Einzahlungen an und von Kommanditisten.159) Schließlich zeigt auch folgende Überlegung die Nachteile einer individuellen Geltendmachung der Kommanditistenhaftung: Würden mehrere Gläubiger ihre Ansprüche gegen den Kommanditisten zeitgleich individuell einklagen, bestünde das Risiko, dass der Kommanditist durch Leistung an einen Gläubiger von seiner Haftung insgesamt frei wird, § 172 Abs. 4 HGB, und die übrigen Klagen in diesem Moment unbegründet würden. Die Gläubiger wären in dieser Situation zwar durch die (Kostentragungs-)Regeln bei Klageerledigung160) in gewissem Umfang geschützt. Ihr Haftungsprozess erweist sich jedoch als Zeitverschwendung – für sie selbst, für den beklagten Kommanditisten und für das Gericht. Eine möglichst effiziente Rechtsverfolgung und auch die Entlastung der Gerichte 66 sind zwar fraglos stets wünschenswert. Sie rechtfertigen für sich genommen jedoch nicht den unfreiwilligen, vollständigen Ausschluss der Haftungsgläubiger von der selbständigen Geltendmachung ihres Forderungsrechts, das über Art. 14 GG nicht zuletzt auch verfassungsrechtlichen Schutz genießt.
___________ 159) Auch bei § 166 Abs. 2 InsO hat der Informationsvorsprung des Insolvenzverwalters den Gesetzgeber dazu veranlasst, ihm die zentralisierte Verwertung sicherungszedierter Forderungen zuzuweisen, vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2019 – IX ZR 50/17, NJW-RR 2020, 109, Rn. 35; BTDrs. 12/2443, S. 178. 160) Vgl. § 91a ZPO zur übereinstimmenden Erledigungserklärung; zur einseitigen Erledigungserklärung s. MüKo-ZPO/Schulz, § 91a Rn. 76 ff.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
II. Ermöglichung von Gläubigergleichbehandlung 67 Für die von § 171 Abs. 2 HGB angeordnete Abwicklung der Kommanditistenhaftung über den Insolvenzverwalter besteht aber darüber hinaus ein besonderes Bedürfnis. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen weicht das Einzelzugriffsrecht der Gläubiger auf das Vermögen des Insolvenzschuldners nach dem Prioritätsprinzip der institutionalisierten kollektiven Befriedigung unter dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung und ein ungeordneter Wettlauf der Gläubiger wird verhindert.161) Die Gefahr eines solchen besteht allerdings auch hinsichtlich der akzessorischen Haftung des Kommanditisten. Auch hier ist der Umfang der möglichen Gläubigerbefriedigung begrenzt, nämlich durch den Betrag der Haftsumme. Würde die Haftsumme des Kommanditisten infolge einer Inanspruchnahme durch einzelne Gläubiger bereits „aufgebraucht“, gingen die übrigen Gläubiger leer aus. In dieser Situation offenbart sich eine Schwäche der begrenzten, aber unmittelbar nach außen gerichteten Gläubigersicherungskonzeption durch Kommanditistenhaftung.
68 Um dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – unbefriedigende Ergebnis zu verhindern, kann ein gesondertes Insolvenzverfahren hinsichtlich der Kommanditistenhaftung nicht durchgeführt werden. Bei der Abwicklung der persönlichen Haftung von Komplementär und OHG-Gesellschafter ist die Gleichbehandlung der Gläubiger wegen der Unbeschränktheit der Haftung nur dann gefährdet, wenn das tatsächlich vorhandene Privatvermögen nicht ausreicht, um alle Haftungsverbindlichkeiten zu decken. Insoweit kann das Gleichbehandlungsgebot daher ausreichend durch die Möglichkeit eines Gesellschafterinsolvenzverfahrens gewährleistet werden.162) Die Unzulänglichkeit der Kommanditistenhaftung zur vollständigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger beruht demgegenüber regelmäßig nicht auf der tatsächlichen Begrenzung des vorhandenen Privatvermögens, sondern auf der rechtlichen Begrenzung durch den Betrag der Haftsumme. Die Verweisung auf ein Insolvenzverfahren über das Kommanditistenvermögen ist dafür aus diesem Grund kein gangbarer Weg.163) Da die Kommanditistenhaftung darüber hinaus nur summenmäßig und nicht auch gegenständlich auf einen individualisierbaren Teil des Kommanditistenvermögens beschränkt ist, ist es zudem nicht möglich, ein Sonderinsolvenzverfahren durchzuführen, wie es beispielsweise die §§ 1975 ff. BGB hin-
___________ 161) Statt aller MüKo-InsO/Ganter/Bruns, § 1 Rn. 51 f. m.w.N. 162) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 96 ff.; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 46 f., 50. 163) In diesem Sinne auch Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 10 f.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
sichtlich des Nachlasses regeln.164) Es bleibt vor diesem Hintergrund nur die zentralisierte Abwicklung der Haftungsansprüche, wie sie § 171 Abs. 2 HGB vorsieht, um den für das Vermögen des Insolvenzschuldners geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung auch auf die Inanspruchnahme des Kommanditisten zu erstrecken.165)
III. Verwirklichung der Massezugehörigkeit Es ist aber nicht bloß eine Frage des Gerechtigkeitsempfindens, dass der Gleichbe- 69 handlungsgrundsatz – oder wie noch gezeigt wird:166) die gesamte insolvenzrechtliche Befriedigungsordnung – auch die Kommanditistenhaftung erfasst.167) Der entscheidende Grund dafür, dass die Ziele des Insolvenzverfahrens über § 171 Abs. 2 HGB auf die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB erstreckt werden müssen, ist vielmehr darin zu sehen, dass diese Ansprüche Bestandteil der haftungsrechtlich zu bestimmenden Gesellschaftsinsolvenzmasse sind.
1.
Haftungsrechtliche Grundlagen und Begriffe
Das Insolvenzverfahren dient der Verwirklichung der Haftung des Insolvenz- 70 schuldners. Zur Umsetzung dieses Ziels bedarf es der Identifikation derjenigen Gegenstände, die zur Befriedigung seiner Gläubiger verwertet werden dürfen – der Insolvenzmasse. Schon bei der Lektüre des Gesetzestextes wird deutlich, dass die bloße Inhaberschaft des Vollrechts an einem Gegenstand (z.B. Sacheigentum oder Forderungsinhaberschaft) hierfür nicht stets den Ausschlag gibt, vgl. nur § 51 Nr. 1 InsO. Die Zuordnung zum Insolvenzschuldner erfolgt also nicht dinglich/vermögensrechtlich, sondern spezifisch haftungsrechtlich. Weil nur sporadisch explizit auf eine solche haftungsrechtliche Betrachtung zurückgegriffen wird und auch das Ge___________ 164) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 50; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 17 f. Ein solches sieht Kohler, AcP 95 (1904), 339, 343 f., offenbar in § 171 Abs. 2 HGB: „[…] daß sich also im Konkurs der Kommanditgesellschaft neben derjenigen Konkursgemeinschaft, die das Vermögen der Kommanditgesellschaft beschlagnahmt, eine zweite Konkursgemeinschaft bilden muß, die gegen den Kommanditisten vorgeht“. Aus Praktikabilitätsgründen seien beide „Konkursgemeinschaften“ einheitlich abzuwickeln (Organe, Verwaltung, Kosten). 165) Hierbei handelt es sich um das vorherrschende Normzweckverständnis, vgl. etwa BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 55 = NJW 1958, 787, 788; Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 194 = NJW 1964, 2407, 2409; Ebenroth/Boujong/Joost/StrohnHGB/Strohn, § 171 Rn. 94; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 61; Heidel/ Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 100; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 55; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 125; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 31; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 34 f.; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 10 f. 166) S. unten Rn. 375 f. 167) Zur Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes allgemein Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 193 ff., der die Rechtfertigung mittels Billigkeitserwägungen als „Kapitulation vor der […] Legitimationslast“ bezeichnet, S. 207.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
setz sie nur unerwähnt voraussetzt, haben sich keine einheitliche Dogmatik168) und Terminologie etabliert. Der unregelmäßige Gebrauch hat zudem den Eindruck der willkürlichen Verwendung hervorgerufen und in der Folge gar (deutlich artikulierte) Zweifel an der Berechtigung der haftungsrechtlichen Perspektive überhaupt geweckt.169) Bei konsequenter Berücksichtigung lässt sie sich jedoch für eine konsistente Anwendung insolvenz- und einzelzwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften fruchtbar machen und erlaubt es auch, Insolvenzverfahren und Einzelzwangsvollstreckung systematisch überzeugend zu harmonisieren.
71 Kern der haftungsrechtlichen Betrachtung ist die haftungsrechtliche Zuordnung von Rechtsobjekten. In Abgrenzung zur vermögensrechtlichen Zuordnung, die Aufschluss darüber gibt, wer Inhaber eines Vermögensrechts ist (z.B. Eigentümer, Forderungsinhaber) und daher i.d.R. die Verfügungsgewalt darüber innehat, wird durch die haftungsrechtliche Zuordnung geklärt, für wessen Verbindlichkeiten ein Gegenstand haftet.170) Die Gesamtheit der Gegenstände, die einer Person haftungsrechtlich zugeordnet sind, bildet ihre Haftungsmasse (Gegenbegriff zum Vermögen). Die haftungsrechtliche Zuordnung drückt also aus, wem ein Gegenstand für die Zwecke der Haftungsrealisierung gehört. Sie zeitigt folglich immer erst dann Wirkungen, wenn die Haftungsrealisierung durch Verwertung des Gegenstands konkret ansteht, sei es im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung oder im Insolvenzverfahren. Ist ein Gegenstand haftungsrechtlich nicht dem Insolvenzschuldner zugeordnet, ist er nicht Bestandteil der Insolvenzmasse und kann ausgesondert werden, § 47 InsO.171) Mit anderen Worten entspricht im Insolvenzfall die Haftungsmasse der („Soll“-)Insolvenzmasse. In der Einzelzwangsvollstreckung kann die fehlende Zugehörigkeit zur Haftungsmasse des Vollstreckungsschuldners im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend gemacht werden.172) ___________ 168) Eckardt, KTS 2005, 15, 26: „Mangel an theoretischer Fundierung“. 169) Rauhut, Aussonderung von Geld, S. 71: „Dieser schillernde Begriff [‚haftungsrechtlich‘] hilft bekanntlich immer dann, wenn man im Insolvenzrecht ein Ergebnis braucht, für das man keine Begründung findet“, mit irreführendem Verweis auf MüKo-InsO/Ganter, 4. Aufl. 2019, § 48 Rn. 3; vgl. auch Jaeger-InsO/Hoffmann, 2. Aufl. 2023, § 47 Rn. 6. 170) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 41. 171) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.14, 11.07; Jaeger-InsO/Henckel, 1. Aufl. 2004, § 47 Rn. 5; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 47 Rn. 9; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 375; Die mit einem Aussonderungsverlangen (und einer Drittwiderspruchsklage) verbundene Aussage ist also – wie der Normtext des § 47 InsO präzise abbildet – eine negative: Es wird nicht die Zugehörigkeit zur Haftungsmasse des Aussonderungsberechtigten geltend gemacht, sondern die fehlende Zugehörigkeit zur insolvenzschuldnerischen. Das von § 47 InsO geforderte dingliche oder persönliche Recht dient dabei zugleich als das erforderliche vermögensrechtliche Vehikel und als Ausweis eines legitimen Interesses an der Geltendmachung der Massefremdheit. Letzteres bringt Eckardt, KTS 2005, 15, 22, auf den Punkt: „Einen Anspruch muss der Aussonderungsberechtigte nur haben, weil die Befugnis, die Nichtzugehörigkeit zum haftenden Vermögen geltend zu machen, kein Popularrecht darstellen kann“. 172) MüKo-ZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 1 f., 29; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 47 Rn. 1; BeckOK-ZPO/Preuß, § 771 Rn. 5.
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Vermögens- und haftungsrechtliche Zuordnung decken sich regelmäßig.173) Die 72 Bedeutung der haftungsrechtlichen Zuordnung tritt deshalb erst dann erkennbar hervor, wenn sie von der Vermögensordnung abweicht. Besonders deutlich ist eine solche Abweichung in § 51 Nr. 1 InsO für Sicherungsübertragungen angelegt:174) Der Sicherungsgeber überträgt das Vermögensrecht (z.B. Sacheigentum) auf den Sicherungsnehmer, der die unbeschränkte Verfügungsgewalt darüber erlangt. Unabhängig davon verbleibt der Gegenstand in der Haftungsmasse des Sicherungsgebers – schon ausdrücklich nach der Sicherungsvereinbarung soll er weiterhin für (bestimmte) Verbindlichkeiten desselben haften. Das erworbene Vermögensrecht berechtigt in der Insolvenz deshalb nicht zur Aussonderung, sondern lediglich zur abgesonderten Befriedigung aus dem Gegenstand. Nach der hier verwendeten Terminologie wird im Insolvenzverfahren folglich nicht das „Vermögen“ des Insolvenzschuldners verwertet, vgl. § 35 Abs. 1 InsO, sondern dessen Haftungsmasse. Ein weiteres Beispiel für das Auseinanderfallen von haftungs- und vermögensrechtlicher Zuordnung ist nach h.M. das Recht der Insolvenzanfechtung: Liegen die Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO vor, ist danach die anfechtbare Rechtshandlung vermögensrechtlich nicht unwirksam.175) Vielmehr werde durch die Rückforderung nach § 143 Abs. 1 InsO die haftungsrechtliche Unwirksamkeit, also die fortbestehende Massezugehörigkeit, geltend gemacht.176) Der Bundesgerichtshof führte hierzu aus, dass „die Zuordnung zur Haftungsmasse [des Insolvenzschuldners] sich im Allgemeinen unabhängig von der Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs durchsetzen soll“ und hat folgerichtig dem Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des Anfechtungsgegners Aussonderungskraft zugebilligt.177) In der Einzelzwangsvollstreckung stellt er dann ein Interventionsrecht i.S.d. § 771 ZPO dar.178) Bei der Erläuterung dieses „zweifellos existenten Phänomens“179) darf nicht über- 73 sehen werden, dass die Abweichung der haftungsrechtlichen von der vermögens___________ 173) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.15; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenzund Sanierungsmasse, S. 41; Eckardt, KTS 2005, 15, 21. 174) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 41; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.05 f.; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 26. 175) Bork, Insolvenzrecht, Rn. 267; grundlegend Paulus, AcP 155 (1956), 277, 286 ff.; so aber die Vertreter der kaum noch befürworteten „dinglichen Theorie“, vgl. Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 ff.; zuletzt Zenger, Insolvenzanfechtung, S. 113 ff. et passim; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 89 ff. 176) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.2, 21.15; Paulus, AcP 155 (1956), 277 ff., 300; JaegerInsO/Henckel, § 143 Rn. 23 ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 268. 177) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 358 ff. = NJW 2004, 214, 216; ebenso K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 129 Rn. 12; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 72 f.; a.A. Eckardt, KTS 2005, 15, 27 ff.; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 241 ff.; Jaeger-InsO/ders., 2. Aufl. 2023, § 47 Rn. 115. 178) MüKo-ZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 44; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 172; Jaeger-InsO/Henckel, § 143 Rn. 88. 179) Eckardt, KTS 2005, 15, 26.
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rechtlichen Zuordnung nicht nur der Ausgangspunkt für eine systematisch reibungsfreie Untersuchung von Rechtsfolgen ist, sondern zugleich bereits eine Zustandsbeschreibung, die ihrerseits einer positiven Feststellung bedarf.180) Spitzer hat dies als „erklärenden Charakter“ des „Haftungsrechts“ bezeichnet.181) Außerhalb derjenigen Fälle, die sich klar aus dem Gesetz ergeben, vgl. § 51 Nr. 1 InsO, muss stets sorgfältig und mithilfe gesetzlicher Wertungen begründet werden, warum ein Gegenstand ausnahmsweise nicht den Gläubigern seines (vermögensrechtlichen) Inhabers haften soll, sondern denjenigen eines Dritten.
74 Die haftungsrechtliche Perspektive wird ergänzt durch die Frage der haftungsrechtlichen Zuweisung. Ist mit der haftungsrechtlichen Zuordnung eines Gegenstands geklärt, zu wessen Haftungsmasse er gehört, wird mit der haftungsrechtlichen Zuweisung der maßgebliche Gläubigerkreis konkretisiert. Welchen Gläubigern haftetet ein Gegenstand? Oder genauer: Für welche Forderungen haftet ein Gegenstand?
75 Grundsätzlich steht die gesamte Haftungsmasse einer Person allen Gläubigern derselben zur Verfügung. Entsprechend wird durch den Insolvenzbeschlag die Insolvenzmasse im Ausgangspunkt der Gesamtheit der am Insolvenzverfahren partizipierenden Gläubiger haftungsrechtlich zugewiesen.182) Allerdings kann ein Gegenstand auch vorrangig oder ausschließlich der Befriedigung bestimmter Gläubiger dienen. So gibt das Gesetz einem Schuldner beispielsweise die Möglichkeit, einzelnen Gläubigern rechtsgeschäftlich einen Befriedigungsvorrang in Bezug auf bestimmte Gegenstände seiner Haftungsmasse einzuräumen. Damit ist der gesamte Bereich der Realsicherheiten angesprochen. Die prioritäre haftungsrechtliche Zuweisung einzelner Objekte kommt im Insolvenzverfahren durch ein Recht zur abgesonderten Befriedigung daran, §§ 49 ff. InsO, außerhalb schlicht durch die Befugnis zur Verwertung des Gegenstands, z.B. §§ 1228 ff. BGB, oder durch Möglichkeit einer Klage auf vorzugsweise Befriedigung, § 805 ZPO,183) zur Geltung. Eine solche haftungsrechtliche Sonderzuweisung ist freilich nicht schrankenlos ___________ 180) Eckardt, KTS 2005, 15, 26 f., der zutreffend darauf hinweist, dass für diese Feststellung allgemeine, „handfeste Kriterien“ nicht verfügbar sind. Dies tut auch Spitzer, Das persönliche Recht auf Aussonderung, S. 303, der deshalb vor zirkulärer Argumentation warnt. Vgl. auch MüKo-InsO/Ganter, § 48 Rn. 3. 181) Spitzer, Das persönliche Recht auf Aussonderung, S. 303, erklärt „das Haftungsrecht“ darum für „inhaltsleer und wertungslos“. 182) Jaeger-InsO/Hoffmann, 2. Aufl. 2023, § 35 Rn. 4; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 7; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.15; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 87. EL. 03/2021, § 35 Rn. 5; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 22. 183) Zu hinterfragen ist deshalb die Auffassung, die dem Sicherungsnehmer bei einer Sicherungsübereignung eine Drittwiderspruchsklage zugesteht. Der Vollstreckungsgegenstand gehört tatsächlich zur Haftungsmasse des Vollstreckungsschuldners. So aber BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201, 206 f. = NJW 1992, 2014, 2015; Urt. v. 13.5.1981 – VIII ZR 117/80, BGHZ 80, 296, 299 = NJW 1981, 1835; Musielak/Voit-ZPO/Lackmann, § 771 Rn. 19; Jaeger-InsO/Hoffmann, 2. Aufl. 2023, § 35 Rn. 85, § 47 Rn. 10; a.A. MüKo-ZPO/K. Schmidt/ Brinkmann, § 771 Rn. 30.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
möglich. Eine bedeutsame Grenze zieht das Recht der Insolvenzanfechtung, vgl. §§ 130 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 und 131 Abs. 1 Alt. 2 InsO. Sind einzelne Gegenstände vorrangig oder ausschließlich bestimmten Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen, handelt es sich um eine „Sondermasse“. Der Begriff darf nicht missverstanden werden: Er meint in der hier zugrunde gelegten Bedeutung – und auch in seiner Verwendung durch den Gesetzgeber in § 32 Abs. 3 S. 1 DepotG184) – nicht eine getrennte, zusätzliche Haftungsmasse, sondern lediglich einen klar umrissenen Teil einer einheitlichen Haftungsmasse, der einer besonderen gegenüber der sonstigen, allgemeinen Masse eingeschränkten Zweckbindung unterliegt.185)
2.
Haftungsrechtliche Zuordnung und Kommanditistenhaftung
Die vermögensrechtliche Einordnung der Kommanditistenhaftung muss nicht er- 76 läutert werden: Gesellschaftsvermögen und Kommanditistenvermögen sind streng zu trennen186) und Inhaber der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB sind die Gesellschaftsgläubiger.187) Die These, dass die haftungsrechtliche Bewertung der Kommanditistenhaftung einen davon abweichenden Befund liefert, bedarf demgegenüber einer genaueren Begründung. Auffällig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Geltung des Gläubiger- 77 gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich der Kommanditistenhaftung an das Inkrafttreten dieses Prinzips für die Gesellschaftsmasse geknüpft ist. Die Insuffizienz der ungedeckten Haftsumme zur vollständigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger wird schließlich kaum einmal erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Haftungsmasse der KG eintreten. Zwar kommt der Kommanditistenhaftung vor allem in Insolvenz der KG praktische Bedeutung für die Gläubigerbefriedigung zu, sodass Verteilungskonflikte um die Haftsumme auch erst in dieser Situation zu Tage treten. Dennoch darf die Tatsache, dass für die Ablösung des ___________ 184) Völlig anders aber die Verwendung in § 33 Abs. 2 DepotG: Die „Sondermasse“ meint hier die Zusammenfassung fortbestehend massefremder Gegenstände zum Zwecke des Ausgleichs zufälliger Belastungen unter den betroffenen aussonderungsberechtigten Gläubigern. Vgl. zum Aussonderungsrecht der Hinterleger bei Insolvenz des Wertpapierverwahrers K. SchmidtInsO/Thole, § 47 Rn. 53. Die uneinheitliche Verwendung des Begriffs „Sondermasse“ sollte durch den Gesetzgeber korrigiert werden. 185) In diesem Sinne: BGH, Urt. v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77, NJW 1978, 1525, 1526; UhlenbruckInsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 55; MüKo-InsO/Kebekus/Schwarzer, § 188 Rn. 26; Kübler/Prütting/ Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 87. EL. 03/2021, § 35 Rn. 13, 79. EL. 03/2019, § 188 Rn. 21; Budnik, NZI 2021, 903, 904. Anders die Verwendung in: LG Detmold, Beschl. v. 21.4.2021 – 03 T 195/20, ZIP 2021, 2347, 2348; MüKo-InsO/Hefermehl, § 207 Rn. 37; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 131; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 295 f. 186) Allgemeine M.: MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 4; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 1; Bartlitz, Kommanditistenhaftung, S. 34; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 49. 187) Zu den (fehlenden) Auswirkungen des § 171 Abs. 2 HGB auf die Forderungsinhaberschaft s. noch unten Rn. 184 ff.
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Prioritätsprinzips durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eine isolierte Betrachtung der Kommanditistenhaftung den Ausschlag gibt, sondern auch die Haftungsmasse der Gesellschaft einzubeziehen ist, bereits als erstes Indiz für die Zugehörigkeit zu ebendieser Haftungsmasse gewertet werden.
78 Entscheidend lassen aber die oben angestellten Überlegungen zur Funktion der Kommanditistenhaftung auf ihre Massezugehörigkeit schließen. Außenhaftung und Kapitalausstattung (Einlageleistung) sind im gesetzlichen Gläubigerschutzkonzept für die KG gleichberechtigte Alternativen der Gläubigersicherung durch den Kommanditisten. Die charakteristische Verknüpfung mit der Einlage zeigt, dass die beschränkte unmittelbare Außenhaftung den Gläubigern eine Kompensation bieten soll, weil und soweit der durch den Kommanditisten aufgebrachte Teil des gesellschaftseigenen Haftungsfonds hinter dem publizierten Betrag der Haftsumme zurückbleibt.188) In Anbetracht der insoweit bestehenden Funktionsgleichheit von Haftung und in die KG eingelegtem Vermögen liegt auf der Hand, dass beide Mittel der Gläubigersicherung für die Zwecke der Haftungsverwirklichung nicht fundamental unterschiedlich behandelt werden können. Anders gewendet: Soll die Haftung tatsächlich eine gleichwertige Kompensation für das Defizit im Gesellschaftsvermögen darstellen, dürfen die Gläubiger bei der Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht anders gestellt werden als bei der Inanspruchnahme der Gesellschaft.
79 In der Insolvenz sind die in das Gesellschaftsvermögen eingelegten Gegenstände zur Gewährleistung der gleichmäßigen Befriedigung den Wirkungen des Insolvenzverfahrens unterworfen. Damit das „Befriedigungspotenzial“ der Außenhaftung hier ebenfalls der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger als Haftungsreservoir zur Verfügung steht, muss die Haftung denselben Verwertungs- und Verteilungsregeln unterliegen.189) Häsemeyer hat treffend festgestellt, die Kommanditistenhaftung sei in diesem Kontext nicht verselbstständigt, sondern nur ein „Annex zur Haftung des Gesellschaftsvermögens als des eigentlichen Haftungsvermögens“.190) Damit ist nichts anderes gemeint als die haftungsrechtliche Zuordnung: Bei der Verwirklichung der KG-Haftung ist die Kommanditistenhaftung wie Gesellschaftsvermögen zu behandeln.191) Sie wird Bestandteil der haftungsrechtlich zu bestimmenden Insolvenzmasse. Vor diesem Hintergrund leuchtet die Regelung in § 171 Abs. 2 HGB unmittelbar ein, wonach die Kommanditistenhaftung im Insolvenzverfahren in gleicher Weise zu verwerten ist wie die sonstige Haftungsmasse der Gesellschaft – nämlich in den Händen des Insolvenzverwalters. ___________ 188) 189) 190) 191)
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S. eingehend oben Rn. 32 ff. Michel, KTS 1991, 67, 71 f.; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 53. Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 50. Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 49 ff. bezogen auf das Kommanditistenvermögen, s. dazu sogleich unten Rn. 82 ff.; MüKo-InsO/Vuia, § 11 Rn. 46; Smid, ZInsO 2013, 1233, 1238; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1294; Michel, KTS 1991, 67, 72.
A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
Für diese Deutung lassen sich auch die Erwägungen des historischen Gesetzgebers 80 heranziehen, der mit der Schaffung des § 171 Abs. 2 HGB die Einziehung der Haftungsansprüche dem Insolvenzverwalter zuwies, weil „der Gläubiger, der bei einem Kommanditisten Befriedigung ersucht, […] dadurch der Konkursmasse den Anspruch auf die rückständige Einlage [entzieht]“.192) Diese Formulierung ist zwar nicht präzise, denn weder erlischt durch die Leistung „auf die Haftung“ unmittelbar die Einlageverpflichtung,193) noch muss überhaupt eine solche Verpflichtung bestehen. Die Aussage illustriert jedoch, dass auch der historische Gesetzgeber die Einziehung durch den Verwalter deshalb für notwendig hielt, weil der einzelne Gläubiger mit der Durchsetzung seines Haftungsanspruchs auf einen Wert zugreifen würde, der zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger vorgesehen und deshalb als Bestandteil der Insolvenzmasse zu verwerten ist.
a) Gegenstand der haftungsrechtlichen Zuordnung Mit dieser Erkenntnis, dass „die Kommanditistenhaftung“ Bestandteil der Haf- 81 tungs- und Insolvenzmasse der KG ist, ist zwar der Grundstein für die weitere Untersuchung gelegt. Die einzelnen Konsequenzen, die daraus hergeleitet werden können, hängen jedoch maßgeblich davon ab, welchen Bezugsgegenstand diese haftungsrechtliche Zuordnung zur Gesellschaft hat. Es ist deshalb im nächsten Schritt zu klären, ob bereits das Kommanditistenvermögen (bis zur Höhe der ungedeckten Haftsumme) oder die Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger der KG haftungsrechtlich zugeordnet sind.
aa) Häsemeyers These: Das Vermögen des Kommanditisten Ludwig Häsemeyer hat die Kommanditistenhaftung bereits 1985 einer tiefgründi- 82 gen haftungsrechtlichen Betrachtung unterzogen und kommt zu dem Ergebnis, dass bereits „das Kommanditistenvermögen […] bis zur Höhe der Haftsumme“ haftungsrechtlich der Gesellschaft zugeordnet ist.194) Die haftungsrechtliche Zuordnung greife der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Vermögensverschiebung (Einlageleistung) vor, indem sie Gesellschafts- und Kommanditistenvermögen zu einer einheitlichen Masse zusammenfasse, und in der Folge seien auch die Haftung der Gesellschaft und diejenige des Kommanditisten zu einer einheitlichen zusammenzufassen. Die Kommanditistenhaftung aus § 171 Abs. 1 HGB sei lediglich als unselbständige Erweiterung der KG-Haftung zu verstehen, die den Gläubigern den
___________ 192) Hahn/Mugdan, Materialien zum HGB, S. 284; von einer „Verkürzung der Einlageforderung der Gesellschaft“ schreibt auch Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 31. 193) S. oben Rn. 41. Der Kommanditist erlangt durch Erwerb eines Regressanspruchs allerdings die Möglichkeit gegen eine Bareinlageforderung der Gesellschaft aufzurechnen. 194) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 49.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Zugriff auf denjenigen Teil der Gesellschaftshaftungsmasse ermöglichen solle, der sich im Kommanditistenvermögen befinde.195)
83 Bei der Untersuchung der Rechtsfolgen seiner These beschränkt sich Häsemeyer auf die Wirkungen innerhalb des Konkurs- und Vergleichsverfahrens über die Haftungsmasse der KG.196) Versteht man seine Überlegungen allerdings im Sinne der hier vorgeschlagenen Terminologie, gilt es darüber hinaus, die Kehrseite der haftungsrechtlichen Zuordnung – Häsemeyer selbst spricht von haftungsrechtlicher „Zuweisung“ – des Kommanditistenvermögens zur Gesellschaft zu beachten. Die Abgrenzung von Haftungsmassen gibt nämlich nicht nur Aufschluss darüber, für wessen Verbindlichkeiten ein Gegenstand haftet, sondern spiegelbildlich gleichermaßen, dass dieser Gegenstand für die Verbindlichkeiten anderer grundsätzlich nicht haftet. Ordnet man das Vermögen des Kommanditisten bis zur Höhe der ungedeckten Haftsumme haftungsrechtlich der Gesellschaft zu, so geht damit einher, die Haftungsansprüche in der Insolvenz des Kommanditisten mit Aussonderungskraft auszustatten. Sie wären auf Vermögen gerichtet, dass nicht zur Insolvenzmasse des Kommanditisten gehört, § 47 InsO.197) In der Insolvenz des Kommanditisten wäre damit für klare Verhältnisse gesorgt und der Schutz der Gesellschaftsgläubiger wäre dadurch verstärkt, dass sie nicht mit den Privatgläubigern des Kommanditisten konkurrieren müssten. Ihr Vertrauen in das Vorhandensein von Tilgungsmitteln in Höhe der Haftsumme drohte dann einzig in den Fällen enttäuscht zu werden, dass der Kommanditist nicht über Vermögen in Höhe der Haftsumme verfügt oder der vom Kommanditisten aufgebrachte gesellschaftseigene Haftungsfonds durch Geschäftsverluste bereits aufgezehrt ist.
84 Gegen die Annahme, bereits das Vermögen des Kommanditisten sei bis zur Höhe der Haftsumme Bestandteil der Haftungsmasse der Gesellschaft, bestehen jedoch gewichtige Bedenken, denen nachzugehen ist. Namentlich muss geklärt werden, ob eine solche Zuordnung überhaupt anerkannt werden kann, obwohl die Haftung nicht auf bestimmte Gegenstände im Kommanditistenvermögen konkretisiert ist, und ob das mit der Aussonderung verbundene Zugriffsrecht der Gesellschaftsgläubiger vor den Privatgläubigern des Kommanditisten hinreichend gerechtfertigt wäre.
___________ 195) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 50. 196) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 51 ff. 197) Unschädlich wäre dabei, dass die Ansprüche den Gläubigern zustehen, während das Kommanditistenvermögen zur Haftungsmasse der Gesellschaft gehört. Mit dem Aussonderungsverlangen wird lediglich geltend gemacht, dass der fragliche Gegenstand nicht zur insolvenzschuldnerischen Haftungsmasse gehört, vgl. bereits oben Fn. 171.
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(1) Die fehlende Konkretisierbarkeit des Haftungssubstrats Die haftungsrechtliche Zuordnung wurde bereits erläutert als Instrument zur ge- 85 genständlichen Abgrenzung von Haftungsmassen.198) So setzen die Normen, welche die Rechtsbehelfe zur Geltendmachung der fehlenden haftungsrechtlichen Zuordnung zum Vollstreckungs- oder Insolvenzschuldner regeln, schon (aber nicht nur199)) nach ihrem Wortlaut eine Konkretisierung auf einen bestimmten Vermögensgegenstand voraus: § 771 Abs. 1 ZPO legt fest, mit der Drittwiderspruchsklage werde ein die Veräußerung hinderndes Recht des Klägers „an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung“ behauptet. § 47 S. 1 InsO lässt eine Aussonderung zu, wenn „ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört“. Aussagekräftig ist auch die Regelung zur Ersatzaussonderung in § 48 InsO,200) der in S. 1 mit dem (Forderungs-)Recht auf die Gegenleistung ebenfalls an einen konkreten Vermögensgegenstand anknüpft und in S. 2 vorgibt, dass eine Gegenleistung nur dann aussonderungsfähig ist, wenn sie „in der Masse unterscheidbar vorhanden ist“. Eine gegenstandsunabhängige „Wertaussonderung“ sehen diese Vorschriften allesamt nicht vor. Dieser Befund scheint der haftungsrechtlichen Zuordnung des Kommanditisten- 86 vermögens zur KG „bis zur Höhe der Haftsumme“ bereits einen Riegel vorzuschieben.201) Bezieht sich die haftungsrechtliche Zuordnung nämlich stets auf individualisierbare Vermögensgegenstände, lässt sich insoweit aus der Haftung des Kommanditisten hinsichtlich seines Vermögens nichts herleiten, da sie gerade nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände konkretisiert ist, sondern lediglich einer summenmäßigen Beschränkung unterliegt. Auch Häsemeyer erkennt die fehlende gegenständliche Konkretisierung der Kommanditistenhaftung: „In dem Vermögen des Kommanditisten kann es niemals zur Konkretisierung auf bestimmte Haftungssubstrate und damit zu einer gegenständlich beschränkten Sonderhaftung kommen“.202) Dass er dies im Rahmen seiner „haftungsrechtlichen Zuweisung“ nicht als Problem ansieht, mag damit zu erklären sein, dass er ihr von vornherein keine Konsequenzen über das KG-Insolvenzverfahren hinaus beimisst. So ___________ 198) Vgl. im Kontext der Insolvenzanfechtung Jaeger-InsO/Henckel, § 143 Rn. 23 ff.; Kübler/Prütting/ Bork/Jacoby-InsO/Jacoby, 95. EL. 03/2023, § 143 Rn. 19; s. aber Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Brinkmann, 93. EL. 09/2022, Anh. § 145 Rn. 86: „die haftungsrechtliche Zuordnung [ist] ohnehin nicht auf den Gegenstand, sondern immer nur auf den in ihm verkörperten Wert gerichtet“. 199) Zur Drittwiderspruchsklage: Musielak/Voit-ZPO/Lackmann, § 771 Rn. 1 („bestimmte Gegenstände“); zur (Ersatz-)Aussonderung: MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 15; Uhlenbruck-InsO/ Brinkmann, § 48 Rn. 29; K. Schmidt-InsO/Thole, § 47 Rn. 6. 200) Die Massefremdheit des Aussonderungsobjekts setzt sich (im Wege der haftungsrechtlichen Surrogation) an dem Gegenstand der Ersatzaussonderung fort, vgl. Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 48 Rn. 1; MüKo-InsO/Ganter, § 48 Rn. 4, 11. 201) Auch Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228, verweist (allgemein für die Gesellschafterhaftung) auf die Geltung des Spezialitätsprinzips für die haftungsrechtliche Zuordnung. 202) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 49 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
beschränkt er seine Forderung, „[j]eder Gläubigerzugriff auf das Kommanditistenvermögen [sei] haftungsrechtlich dem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen selbst gleichzustellen“, ausdrücklich auf das „Verhältnis der KG zu den Gesellschaftsgläubigern“.203)
87 Man könnte nun versuchen, Einwände gegen die fehlende Individualisierbarkeit des konkreten Haftungssubstrats unter Verweis darauf beiseite zu wischen, dass insoweit auch in anderem Kontext ein großzügiger Maßstab angelegt wird. Zu denken ist beispielsweise an die Ersatzaussonderung von Bar- und Buchgeld.204) Dort soll die aussonderungsfähige Geldgegenleistung bei Einzahlungen in eine Kasse oder auf ein Geschäftskonto des Insolvenzschuldners trotz der Vermischung mit anderen Geldzeichen oder Auszahlungsansprüchen solange und soweit unterscheidbar vorhanden sein, wie der Kassen- oder Kontostand zu keinem Zeitpunkt unter den Betrag der Gegenleistung gesunken ist, also ein „Bodensatz“ in dieser Höhe verblieben ist.205) Diese Konstellation unterscheidet sich freilich vom hier in Frage stehenden Kontext (wesentlich) dadurch, dass der Aussonderungsgegenstand zumindest ursprünglich eindeutig individualisierbar vorhanden war. Überlegungen, inwieweit sich diese Gedanken dennoch übertragen lassen, erübrigen sich aber, wenn das Kommanditistenvermögen bereits aus anderen Gründen als Gegenstand der haftungsrechtlichen Zuordnung ausscheiden muss.
(2) Bedenken gegen die Haftungspriorität 88 Für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger bestünde die zentrale praktische Folge der haftungsrechtlichen Zuordnung von Kommanditistenvermögen zur Gesellschaft darin, ihnen (in Form des Aussonderungsrechts) einen gegenüber den Privatgläubigern vorrangigen Zugriff auf das Kommanditistenvermögen zuzubilligen. Ein derartiger Haftungsvorrang bedarf augenscheinlich einer Rechtfertigung, welche für die Kommanditistenhaftung aber nicht ersichtlich ist.
89 Die oben erläuterten Gründe für die haftungsrechtlichen Zuordnung der „Kommanditistenhaftung“ fußen im Wesentlichen darauf, dass die Funktion dieser Haftung die Anwendung der Regeln des Insolvenzverfahrens – insbesondere des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung – für ihre Abwicklung gebietet. Dabei lie___________ 203) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 53; dass Häsemeyer auch in anderem Kontext der haftungsrechtlichen Zuordnung keine entscheidende Bedeutung für die Frage der Aussonderung beimisst, deutet auf ein grundlegend unterschiedliches Verständnis dieser Zuordnung hin, vgl. zur Insolvenzanfechtung Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.14 ff. 204) Eingehend Rauhut, Aussonderung von Geld, S. 49 ff., 101 ff., der allerdings (entgegen der h.M. und mit weitreichenden Konsequenzen) davon ausgeht, dass § 48 InsO gerade keine gegenständliche Anknüpfung zugrunde liegt. 205) BGH, Urt. v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, BGHZ 141, 116, 118 ff. = ZIP 1999, 626, 628 (Buchgeld); MüKo-InsO/Ganter, Rn. 57, 62; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 48 Rn. 30; K. Schmidt-InsO/Thole, § 48 Rn. 23.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
gen folglich Wertungen zugrunde, die lediglich das Verhältnis der Gesellschaftsgläubiger untereinander berühren. Wenn aber die Rechtfertigung dieser These in den Interessen der Verfahrensbeteiligten wurzelt, dann kann sie auch deren Wirkungen nicht ohne zusätzlichen Rechtfertigungsaufwand darüber hinaus tragen.206) Mit Billigkeitserwägungen lässt sich die Haftungspriorität ebenfalls nicht rechtfer- 90 tigen. Die Sicherungsfunktion der Haftung würde zwar durch die Aussonderungsmöglichkeit zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erheblich verstärkt. Dem steht jedoch eine unter Umständen drastische Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der Privatgläubiger des Kommanditisten gegenüber. Dafür, dass diese aber weniger schutzbedürftig sein sollen als die Gläubiger der KG, lässt sich keine Stütze im Gesetz finden. Die Eintragung der Kommanditistenstellung und der Haftsumme in das Handelsregister kann jedenfalls kein besonders schützenswertes Vertrauen der KG-Gläubiger begründen. Diese Tatsachen geben für sich genommen schon keinen Aufschluss darüber, ob der Kommanditist überhaupt noch nach außen haften oder ob seine Haftung durch Einlageleistung oder Befriedigung eines Gläubigers vor Verfahrenseröffnung ausgeschlossen ist.207) Einen insolvenzrechtlichen Haftungsvorrang bloß auf Grundlage von Billigkeitserwägungen zu begründen, ist im Übrigen ohnehin ein fragwürdiges Unterfangen, muss er doch möglichst widerspruchsfrei in ein bestehendes Wertungsgefüge eingepasst werden, in dem auch andere, besonders schutzwürdig erscheinende Gläubigergruppen dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ohne Vorrechte unterworfen sind.208) Damit kann festgehalten werden: Die Einordnung der Kommanditistenhaftung als 91 Sicherung für die Gläubigergesamtheit und als Kompensation für ein konkretes Massedefizit ändert nichts daran, dass das Vermögen des Kommanditisten ihm nicht nur vermögensrechtlich, sondern darüber hinaus auch haftungsrechtlich voll-
___________ 206) Zur Beschränkung des § 171 Abs. 2 HGB auf das Verhältnis der Gesellschaftsgläubiger zueinander s. BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 55 = NJW 1958, 787, 788: „Der Zweck der Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB besteht somit darin, die berechtigten Gläubiger in die Lage zu versetzen, an den Vermögenswerten, die in ihren Haftungsansprüchen bestehen, gemeinsam (anteilig) zu partizipieren. In diesem Zweck beschränkt sich die Wirkung und die Tragweite dieser Vorschrift“. 207) BGH, Urt. v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82, 87 = NJW 1981, 2747, 2748; vgl. auch MüKo-HGB/Grunewald, § 162 Rn. 2 f. 208) S. aber BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 361 = NJW 2004, 214, 216, zur Aussonderungskraft des Insolvenzanfechtungsanspruchs: „Nur die Änderung der Güterzuordnung mittels Anfechtung führt zu einem billigenswerten und interessengerechten Ergebnis“. Kritisch dazu Eckardt, KTS 2005, 15, 39, der die Argumentation mit Billigkeitserwägungen hinsichtlich der Aussonderung auch grundsätzlich kritisiert.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
umfänglich zugeordnet ist.209) Es gehört zu keinem Teil zu der Haftungsmasse der Gesellschaft.
(3) Exkurs: Kommanditistenhaftung in der Insolvenz des Kommanditisten 92 Diese Erkenntnis erlaubt es bereits, die Stellung der Haftungsgläubiger und des Insolvenzverwalters der Gesellschaft in der Insolvenz des Kommanditisten bzw. in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Kommanditist zu konturieren. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Haftungsmasse des Kommanditisten führt nach § 130 Abs. 1 Nr. 3 n.F. (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB zum Ausscheiden des Kommanditisten aus der KG, seine unmittelbare Außenhaftung bleibt jedoch (für Altverbindlichkeiten) nach § 137 Abs. 1 n.F. (§ 160 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB bestehen.210) Die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB berechtigen nicht zur Aussonderung, sie sind stets Insolvenzforderungen211) und müssen zur Tabelle angemeldet werden. Diese Einordnung hängt nicht davon ab, ob die Ansprüche von den Gläubigern selbst geltend gemacht werden oder (in der Doppelinsolvenz) vom Insolvenzverwalter der KG nach § 171 Abs. 2 HGB.
93 Die individuelle Geltendmachung von Haftungsansprüchen in der Insolvenz des Kommanditisten dürfte allerdings ein vorwiegend theoretisches Phänomen sein. Sie ist für die einzelnen Gläubiger nicht nur deshalb besonders unattraktiv, weil sie gegenüber der Inanspruchnahme der KG zusätzlichen Aufwand bringt,212) sondern weil sie zugleich auch magere Befriedigungsaussichten verspricht. In Insolvenzverfahren natürlicher Personen „als Gesellschafter u.Ä.“ lag die durchschnittliche Deckungsquote für ungesicherte Insolvenzgläubiger seit 2010 nie über 2 %, 2018 waren es gerade einmal 1,3 %.213) An dieser Stelle soll deshalb nur in aller Kürze auf einen Aspekt eingegangen werden:
94 Einzig Eichel stellt – im Anschluss an Henckel – Überlegungen dazu an, welches Verhältnis die Haftungsgläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse im Kom___________ 209) So auch Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228 (für die Gesellschafterhaftung insgesamt); ebenso ohne nähere Begründung: MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 4; Oetker-HGB/ Oetker, § 171 Rn. 1; ohne Bezugnahme auf die haftungsrechtliche Bestimmung der Insolvenzmasse: Uhlenbruck-InsO/Mock, § 89 Rn. 8. 210) Der Kommanditist kann allerdings nach § 728 Abs. 1 BGB n.F. (§ 738 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB a.F.) i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB von der Gesellschaft Schuldbefreiung verlangen. Zu Reichweite und Umsetzung dieses Anspruchs s. MüKo-BGB/C. Schäfer, § 738 Rn. 80 m.w.N. 211) Ohne Auswirkungen auf die Einordnung als Insolvenzforderung ist der Rang der zugrundeliegenden Verbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren: Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 53 Rn. 2 m.w.N. 212) S. oben Rn. 2. 213) Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1.1, Jahr 2018, Tabelle 3.3.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
manditisten-Insolvenzverfahren zueinander einnehmen.214) Konkret gefragt: Entfällt auf die Gläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB in der Gesellschafterinsolvenz gemeinsam nur eine Quotenzahlung „auf die Haftsumme“ oder können sie individuelle Quotenzahlungen beanspruchen bis insgesamt die Höhe der Haftsumme erreicht ist? Eichel nimmt an, durch eine individuelle Quotenberechnung „würden […] die übrigen Gläubiger des Schuldners benachteiligt“.215) Eine genauere Begründung bleibt er schuldig. Die von Eichel behauptete Ungleichbehandlung setzt aber voraus, dass die Haftungsgläubiger richtigerweise zusammenzufassen sind – und das ist gerade zu klären! Vor dem Hintergrund, dass eine Leistung des Kommanditisten (oder dessen Insol- 95 venzverwalters) an einen Gesellschaftsgläubiger die Inanspruchnahme durch weitere Haftungsgläubiger einschränkt, soweit dadurch die Haftsumme „aufgebraucht“ wird, könnte man allenfalls erwägen, eine Parallele zur Gesamtgläubigerschaft, §§ 428 ff. BGB, zu ziehen. Hier wie dort kann die Leistung durch einen Schuldner trotz Vorliegens mehrerer Ansprüche insgesamt nur einmal beansprucht werden. In der Insolvenz des Schuldners sind Gesamtgläubiger zwar jeweils zur individuellen Anmeldung ihrer Ansprüche berechtigt. Auf sie entfällt bei der Verteilung jedoch insgesamt nur eine Quotenzahlung, wobei dem Insolvenzverwalter nach § 428 S. 1 BGB ein Wahlrecht zukommt, an welchen Gläubiger die Auszahlung erfolgt.216) Die Situation der Haftungsgläubiger erweist sich allerdings als grundlegend unterschiedlich von einer Gesamtgläubigerschaft:217) Zwar stehen sowohl den Haftungsgläubigern als auch den Gesamtgläubigern jeweils eigene Ansprüche zu,218) entscheidend ist aber, dass diese bei der Gesamtgläubigerschaft auf einem einheitlichen Leistungsinteresse beruhen und bei der Kommanditistenhaftung auf jeweils eigenständigen. Aus diesem Grund bewirkt die Leistung eines Kommanditisten an einen Haftungsgläubiger auch nicht zugleich die Erfüllung der übrigen Haftungsforderungen nach §§ 429 Abs. 3, 422 BGB, sondern bloß den (ggf. anteiligen) Forderungsausschluss von Gesetzes wegen und die Begrenzung auf die Haftsumme verbindet die Haftungsgläubiger nicht zu einer ausgleichspflichtigen Gemeinschaft, ___________ 214) Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 38 Rn. 22, mit Rechenbeispiel; in der Vorauflage: JaegerInsO/Henckel, 1. Aufl. 2004, § 38 Rn. 21. 215) Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 38 Rn. 22. 216) Bork, KTS 2008, 21, 31 ff.; MüKo-InsO/Bitter, § 43 Rn. 45; K. Schmidt-InsO/Thonfeld, § 43 Rn. 14. 217) Altmeppen, NJW 2017, 3198, 3199 f.; a.A. Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 13, 24, der die Haftungskonstruktion des § 171 Abs. 1 HGB als gesetzliche Gesamtgläubigerschaft einordnet; von „Gesamtgläubiger“ sprechen auch: Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 40; Kohler, AcP 95 (1904), 339, 342; die §§ 428 f. BGB zitiert Sander, ZInsO 2012, 1285, 1287. 218) Für die Gesamtgläubigerschaft: BGH, Urt. v. 4.3.1959 – V ZR 181/57, BGHZ 29, 363, 364 = NJW 1959, 985, 985; Staudinger-BGB/Looschelders, § 428 Rn. 3 m.w.N.; a.A. offenbar Altmeppen, NJW 2017, 3198, 3199.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
wie sie § 430 BGB vorsieht.219) In Anbetracht der Eigenständigkeit ihrer Leistungsinteressen ist es nicht sachgerecht, die Haftungsgläubiger auf eine einzige Quotenausschüttung zu verweisen. Separate Ausschüttungen an alle Haftungsgläubiger stellen sich deshalb nicht als ungerechtfertigte Doppelbefriedigung dar. Der Insolvenzverwalter des Kommanditisten muss folglich grundsätzlich jeden Gläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB mit einer eigenen Zahlung der Insolvenzquote berücksichtigen.220)
96 Sofern die Summe dieser Quotenzahlungen aber insgesamt die Haftsumme überschreiten würde, kann der Insolvenzverwalter wählen, welche Haftungsgläubiger er befriedigt, um die Haftsumme vollständig auszuschöpfen – genau wie es zuvor der Kommanditist konnte. Der von Eichel für eine Gleichbehandlung auch insoweit angeführte Verweis auf § 171 Abs. 2 HGB221) geht fehl. Dieser Regelung lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass für Verteilungskonflikte, die auf der Beschränkung der Haftung auf die Haftsumme beruhen, so lange das Prioritätsprinzip gilt, bis das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse der Gesellschaft eröffnet ist.
97 Klarzustellen ist schließlich, dass in der Insolvenz des Kommanditisten die Höhe der zugrundliegenden Gesellschaftsverbindlichkeit – sofern sie die Haftsumme übersteigt – für die Verteilung unbeachtlich ist, da die einzelnen Ansprüche der Gläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB stets in ihrer Höhe auf die (ungedeckte) Haftsumme begrenzt sind.222) Das ist schon aus praktischen Gründen zwingend, denn die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit muss dem Insolvenzverwalter des Kommanditisten nicht bekannt sein. Auch darin liegt schließlich kein Verstoß gegen das Gebot der Gläubigergleichbehandlung, da dieses Gebot hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeiten nur in der Insolvenz der Gesellschaft Geltung beansprucht.223)
bb) Die Ansprüche der Gläubiger aus § 171 Abs. 1 HGB 98 Scheidet nach dem oben Gesagten das Kommanditistenvermögen als Gegenstand der haftungsrechtlichen Zuordnung zur KG aus, sind stattdessen die Gläubigeran-
___________ 219) Altmeppen, NJW 2017, 3198, 3200, spricht stattdessen von „einer Art Rechts- und Interessengemeinschaft“. 220) In der Tabelle sollten die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB aber als solche gekennzeichnet werden, um eine Befriedigung über die Haftsumme hinaus zu vermeiden. 221) Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 38 Rn. 22. 222) Beispiel: Ein Kommanditist ist mit einer Haftsumme von 5.000 € an der KG beteiligt und hat keine haftungsbefreiende Leistung an die Gesellschaft erbracht. Gläubiger A hat gegen die KG eine Forderung i.H.v. 6.000 €, Gläubiger B eine Forderung i.H.v. 25.000 €. Gegen den Kommanditisten haben A und B jeweils nur i.H.v. 5.000 € einen Anspruch aus § 171 Abs. 1 HGB. In dessen Insolvenz erhalten sie deshalb den gleichen Ausschüttungsbetrag. Wohl auch in diesem Sinne Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 38 Rn. 22. 223) S. deshalb für den Verteilungsmaßstab in der Insolvenz der Gesellschaft unten Rn. 377 f.
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A. Regelungszweck des § 171 Abs. 2 HGB
sprüche selbst in den Blick zu nehmen.224) Das ist gerade vor dem Hintergrund plausibel, dass § 171 Abs. 2 HGB als Regelung, welche die haftungsrechtliche Zuordnung zum Ausdruck bringt, ebendiese Ansprüche zum Gegenstand hat. Die Norm räumt dem Insolvenzverwalter die ausschließliche Befugnis zur Verwertung der Haftungsansprüche ein, ebenso wie die §§ 80 ff. InsO es für Massebestandteile im Schuldnervermögen tun. Die haftungsrechtliche Zuordnung, die § 171 Abs. 2 HGB zugrunde liegt, bringt 99 zum Ausdruck, dass zwar nicht das Vermögen des Kommanditisten, aber die mit seiner unmittelbaren, beschränkten Außenhaftung verbundenen Befriedigungskapazitäten als Bestandteil der Insolvenzmasse der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehen. Häsemeyer selbst präzisiert insoweit später – freilich unter Verweis auf seine früheren Ausführungen –, „dass in der Insolvenz der KG alle aus der Haftung des Kommanditisten fließenden Mittel haftungsrechtlich als Gesellschaftsvermögen“ zu behandeln seien.225) Dieses Befriedigungsreservoir der Gesellschaftsgläubiger ist (zumindest vor dem Haftungszugriff) kein konkretes Rechtsobjekt und damit kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Zuordnung. Aus diesem Grund muss die haftungsrechtliche Zuordnung vorgelagert an demjenigen Vermögensgegenstand ansetzen, der dieses Befriedigungspotenzial verkörpert, an demjenigen Forderungsrecht, das darauf gerichtet ist, es zu realisieren – an den Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB. Diesem Verständnis stünde begrifflich die verbreitete und in aller Regel nicht nä- 100 her begründete Aussage gegenüber, § 171 Abs. 2 HGB ändere nichts daran, dass die Haftungsansprüche nicht Bestandteil der Insolvenzmasse seien.226) Regelmäßig ist damit jedoch nicht die haftungsrechtliche Zuordnung gemeint, die nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis den Ausschlag über die Massezugehörigkeit gibt, sondern lediglich die davon unabhängige Frage, ob die Regelung eine Auswirkung auf die (vermögensrechtliche) Forderungsinhaberschaft der Gläubiger hat.227) Die haftungsrechtliche Zuordnung der Haftungsansprüche zur KG erklärt jedenfalls ohne Schwierigkeiten den von § 171 Abs. 2 HGB geregelten Zuständigkeitswechsel und insbesondere auch dessen Zeitpunkt. Die Verwertung dieses Bestandteils der Gesellschafts-Haftungsmasse (durch Forderungseinziehung) zuguns___________ 224) Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228; für Ansprüche i.S.d. § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 42 ff. 225) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.41 (Hervorhebung durch den Verfasser); in diesem Sinne auch MüKo-InsO/Vuia, § 11 Rn. 46. 226) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 95; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 106; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 78; Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 31; anders noch RG, Urt. v. 30.5.1896 – Rev. I. 58/96, RGZ 37, 82, 85 („als zur Konkursmasse gehörend angesehen werden muß“); Lambsdorff, MDR 1973, 362, 364; ebenso Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 73. 227) S. dazu unten Rn. 184 ff.; ausdrücklich in letzterem Sinne BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 56 f. = NJW 1958, 787, 788.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
ten einzelner Gesellschaftsgläubiger ist unbedenklich, solange die Rechtsordnung auch eine Einzelzwangsvollstreckung in das Vermögen der KG zulässt. Mit Verfahrenseröffnung sind die Ansprüche aber als Bestandteil der Insolvenzmasse einer individuellen Verwertung entzogen.
101 Fragen zur Aussonderung der Haftungsansprüche in der Insolvenz des Haftungsgläubigers stellen sich nicht in gleicher Weise, wie sie oben hinsichtlich des Kommanditistenvermögens erörtert wurden, obwohl die Haftungsansprüche haftungsrechtlich der Gesellschaft zugeordnet sind. Wird ein Insolvenzverfahren (nur) über die Haftungsmasse eines Haftungsgläubigers eröffnet, handelt es sich zwar bei dem Anspruch aus § 171 Abs. 1 HGB um einen massefremden Gegenstand. Eine darauf gestützte Aussonderung durch die Gesellschaft ist jedoch ausgeschlossen, da der Haftungsgläubiger (genauer: dessen Insolvenzverwalter) weiterhin zur individuellen Verwertung des Anspruchs durch Einziehung berechtigt ist. Insoweit liegt es nicht anders, als beispielsweise bei einer Sicherungsübereignung: Auch hier hat der Sicherungsgeber in der Insolvenz des Sicherungseigentümers trotz Massefremdheit kein Aussonderungsrecht, solange der Sicherungszweck noch besteht.228) Wird über die Haftungsmasse der Gesellschaft ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet, endet ausweislich des § 171 Abs. 2 HGB das individuelle Verwertungsrecht des einzelnen Haftungsgläubigers. Weil aufgrund der Sperrwirkung229) dieser Vorschrift aber zugleich auch dessen Verwertungsmöglichkeit kraft Gesetzes entfällt,230) bedarf es eines Vollzugsakts im Sinne einer Aussonderung nach § 47 InsO nicht, um die Verfügbarkeit des Haftungsanspruchs für die Insolvenzmasse des Gesellschaftsverfahrens sicherzustellen.
b) Konstitutive Wirkung des § 171 Abs. 2 HGB 102 Die Bedeutung des § 171 Abs. 2 HGB erschöpft sich nicht in der bloßen Deklaration der Zugehörigkeit der Haftungsansprüche zur Insolvenzmasse. Vielmehr ist die Regelung notwendig, um ebendiese Zuordnung vermögensrechtlich umzusetzen.
103 Zwar scheint § 80 Abs. 1 InsO den Insolvenzverwalter bereits ganz allgemein mit der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über die Insolvenzmasse auszustatten und ermöglicht in der Tat regelmäßig auch die Einziehung massezugehöriger Forderungen.231) Die Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB sind von dieser Norm aber nicht erfasst – trotz ihrer Massezugehörigkeit. Darüber gibt der Wort___________ 228) Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 47 Rn. 16; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/H. Prütting, 63. EL 04/2015, § 47 Rn. 23; Nerlich/Römermann-InsO/Andres, 45. EL. 04/2022, § 51 Rn. 7. 229) S. unten Rn. 297 ff. 230) Insoweit liegt es bei der Sicherungsübereignung anders, wo der Sicherungseigentümer bis zur Rückübereignung – ungeachtet etwaiger schuldrechtlicher Verpflichtungen – über das Sicherungsgut verfügen kann. 231) K. Schmidt-InsO/Sternal, § 80 Rn. 23; MüKo-InsO/Vuia, § 80 Rn. 52.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
laut des § 80 Abs. 1 InsO Aufschluss. Danach „geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.“ Die Norm setzt also nicht nur voraus, dass der fragliche Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört (haftungsrechtliche Zuordnung zum Insolvenzschuldner), sondern darüber hinaus auch, dass der Insolvenzschuldner zur Verfügung darüber befugt ist.232) Steht dem Insolvenzschuldner nämlich hinsichtlich einzelner massezugehöriger Gegenstände kein Verfügungsrecht zu, kann ein solches auch nicht von ihm auf den Insolvenzverwalter übergehen. Das Gesetz muss in diesen Fällen dem Verwalter die Verwaltung und Verfügung über diese Gegenstände gesondert ermöglichen, vgl. z.B. §§ 92233), 143 Abs. 1 S. 1234), 166 Abs. 1235) und 2, 173 Abs. 2 S. 2 InsO. So verhält es sich auch bei den Ansprüchen nach § 171 Abs. 1 HGB. Weil deren Inhaber die Gesellschaftsgläubiger sind und nicht die KG, ist die Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Einziehung der Haftungsansprüche erforderlich, um ihm in vermögensrechtskonformer Weise den Zugriff auf diesen Bestandteil der Insolvenzmasse zu ermöglichen. Ebenso bedarf es wegen der nur haftungsrechtlichen Zuordnung zum Insolvenz- 104 schuldner einer besonderen Anordnung, um durch Ausschluss anderweitiger Verfügungsmöglichkeiten den Erhalt des Haftungserlöses für die gemeinschaftliche Befriedigung zu gewährleisten. Die §§ 81, 88, 89 Abs. 1 InsO helfen nicht weiter, da sie tatbestandlich an eine Verfügung des Insolvenzschuldners (§ 81 InsO) oder jedenfalls an das Vermögen desselben (§§ 88, 89236) InsO) anknüpfen.
B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB Vor dem Hintergrund dieses Normverständnisses kann nun der Anwendungsbe- 105 reich des § 171 Abs. 2 HGB abgesteckt werden. ___________ 232) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 40; MüKoInsO/Vuia, § 80 Rn. 43; Uhlenbruck-InsO/Mock, § 80 Rn. 77; Jaeger-InsO/Eckardt, § 166 Rn. 121. 233) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 39 ff. Zu § 93 InsO s. demgegenüber noch unten Rn. 478. 234) Die Ausgestaltung des § 143 Abs. 1 InsO unterscheidet sich von den übrigen genannten Bestimmungen: Die Norm verschafft dem Verwalter nicht unmittelbar ein Verfügungsrecht über den in Frage stehenden Bestandteil der Insolvenzmasse, sondern ordnet (durch Gewährung eines Anspruchs) lediglich die vermögensrechtlichen Rückübertragung und damit die erneute Einräumung eines Verfügungsrechts durch den Anfechtungsgegner an. 235) Jaeger-InsO/Eckardt, § 166 Rn. 121 f., der zutreffend darauf hinweist, dass § 166 Abs. 1 InsO im Übrigen die Befugnis zur lastenfreien Veräußerung verschafft; vgl. auch MüKo-InsO/Kern, § 166 Rn. 46. 236) Der Wortlaut des § 89 Abs. 1 InsO scheint eine Anwendung auf Massegegenstände außerhalb des Schuldnervermögens nicht auszuschließen – insbesondere im Vergleich mit § 88 Abs. 1 InsO. Nach herrschender Lesart sind diese Gegenstände jedoch nicht vom Vollstreckungsverbot erfasst, vgl. MüKo-InsO/Breuer/Flöther, § 89 Rn. 21 m.w.N.; zum Verhältnis von § 89 InsO und Gesellschafterhaftung s. Uhlenbruck-InsO/Mock, § 89 Rn. 8.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
I.
Zeitlicher Anwendungsbereich
106 Das Gesetz begrenzt den Anwendungsbereich in zeitlicher Hinsicht auf die „Dauer des Verfahrens“.
1.
Eröffnetes Insolvenzverfahren
107 Direkt entfaltet § 171 Abs. 2 HGB folglich erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Haftungsmasse der Gesellschaft Wirkung. Dies entspricht auch dem bereits erläuterten Normzweck: Weil die Regelung lediglich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Massebestandteile außerhalb des KG-Vermögens erstrecken soll, kann sie nicht früher eingreifen als ebendiese Verfahrenswirkungen. Erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis über das Insolvenzschuldnervermögen, § 80 InsO, und erst ab diesem Zeitpunkt greifen das Verfügungsverbot des § 81 InsO sowie das Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO. § 171 Abs. 2 HGB beansprucht konsequenterweise ebenfalls erst ab diesem Zeitpunkt Geltung. Hat ein Kommanditist noch vor Verfahrenseröffnung einzelne Gläubiger befriedigt, lässt die Regelung die (vermögensrechtliche) Wirksamkeit dieser Leistungen unberührt – vorbehaltlich der sogleich folgenden Überlegungen zum Eröffnungsverfahren. Ein rückwirkender Schutz der Gläubigergleichbehandlung lässt sich in diesen Fällen nur im Wege der Insolvenzanfechtung gewährleisten, §§ 129 ff. InsO.237)
108 § 171 Abs. 2 HGB findet unabhängig davon Anwendung, ob das Insolvenzverfahren als Regelverfahren unter Bestellung eines Insolvenzverwalters oder als Eigenverwaltungsverfahren, §§ 270 ff. InsO, eröffnet wird.238) In letzterem Fall weist § 171 Abs. 2 HGB zur Vermeidung von Interessenkonflikten239) dem Sachwalter die Geltendmachung der Gläubigeransprüche zu. Kommt es dagegen mangels Masse nicht zur Eröffnung oder zur Einstellung des Insolvenzverfahrens, §§ 26, 207 InsO, bleiben die Haftungsgläubiger zur selbständigen Geltendmachung der Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB befugt.240) Das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip bleibt – wie hinsichtlich des KG-Vermögens – auch in Bezug auf diesen Bestandteil der KG-Haftungsmasse in Kraft.
___________ 237) 238) 239) 240)
52
S. dazu ausführlich unten Rn. 431 ff. Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 161; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 111. Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas, § 88 Rn. 118. MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 111; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 162; OetkerHGB/Oetker, § 171 Rn. 56. Allerdings sind vor dem Hintergrund der Haftung des (nicht ausgeschiedenen) Kommanditisten für alle Masseverbindlichkeiten die Mittel, die voraussichtlich nach § 171 Abs. 2 HGB eingezogen werden können, bei der Prüfung der Masseunzulänglichkeit zu berücksichtigen, s. noch unten Rn. 117 ff., 156.
B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
2.
Vorläufige Sicherung im Eröffnungsverfahren
Die Stellung eines Insolvenzantrags hat für sich genommen keine Folgen für die 109 (potenzielle) spätere Insolvenzmasse. Sie veranlasst zunächst nur die Prüfung der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht im sog. Eröffnungsverfahren. Da zwischen Antragstellung und Ergehen des Eröffnungsbeschlusses vielfach mehrere Monate verstreichen,241) besteht allerdings die Gefahr, dass sich einzelne Gläubiger noch vor Eröffnung eine Sicherung oder Befriedigung aus der Haftungsmasse des späteren Insolvenzschuldners verschaffen.242) Aus diesem Grund muss das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 1 InsO bereits zuvor die erforderlichen Maßnahmen treffen, um „nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten“. Beispielsweise kann das Gericht nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 InsO Verfügungen des Schuldners verbieten sowie die Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen und auf diese Weise die Wirkungen der §§ 81, 89 InsO in das Eröffnungsverfahren vorverlagern.243) Die Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO dienen also der Erhaltung der poten- 110 ziellen Insolvenzmasse für den Fall der Verfahrenseröffnung. Vor dem Hintergrund, dass die Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB Bestandteil ebendieser Insolvenzmasse werden, leuchtet nicht ein, warum sie im Eröffnungsverfahren keiner vorläufigen Sicherung zugänglich sein sollen.244) Im Gegenteil: Weil für die Haftungsansprüche gegen den Kommanditisten im Insolvenzfall die gleichen Verwertungsregeln wie für das Vermögen der KG gelten sollen, muss das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren auch in Bezug auf die Kommanditistenhaftung Leistungen (durch die Kommanditisten) und Vollstreckungen (durch die Gläubiger) verhindern können – genau wie für das KG-Vermögen. Dagegen lässt sich nicht einwenden, das Bedürfnis für eine Einbeziehung der Kommanditistenhaftung in die Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren fehle, weil der Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum eingetretene Beeinträchtigungen im Wege der Insolvenzanfechtung beseitigen könne.245) Hinsichtlich des Insolvenzschuldnervermögens hat der Gesetzgeber im Eröffnungsverfahren besondere Sicherungsmöglichkeiten für
___________ 241) Das Hinauszögern der Eröffnung trotz Entscheidungsreife ermöglicht insbesondere die vollständige Ausschöpfung des Insolvenzgelds nach §§ 165 ff. SGB III. Eingehend dazu Richter, Verschleppte Eröffnung von Insolvenzverfahren, S. 45 ff., der diese Praxis insgesamt für rechtswidrig hält, ebenda, S. 173 ff. 242) MüKo-InsO/Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 11 ff.; Uhlenbruck-InsO/Vallender, § 21 Rn. 1; Richter, Verschleppte Eröffnung von Insolvenzverfahren, S. 11 f. 243) Begründung zum RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 116; MüKo-InsO/Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 55, 71; Uhlenbruck-InsO/Vallender, § 21 Rn. 26a. 244) So aber offenbar MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 111. 245) Zur Anfechtung von Leistungen des Kommanditisten vor Verfahrenseröffnung s. unten Rn. 431 ff.
53
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
notwendig gehalten, obwohl auch (oder besser: gerade) hier die Möglichkeit späterer Insolvenzanfechtung besteht.
111 Konstruktiv ließe sich eine Sicherung des status quo hinsichtlich der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB auf verschiedenen Wegen erreichen: Zum einen könnte man für den Fall, dass das Gericht Anordnungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, Nr. 3 InsO trifft und einen „starken“ vorläufigen Verwalter bestellt, § 22 Abs. 1 InsO, für eine analoge Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB plädieren.246) In einem solchen Fall werden die Regelungen zur Verfügung über und Verwertung des Schuldnervermögens, §§ 80, 81, 89 InsO, in das Eröffnungsverfahren vorverlagert, sodass man auch die Wirkungen des § 171 Abs. 2 HGB, der diese Regeln auf die Kommanditistenhaftung überträgt, im Analogiewege vorverlagern könnte. Es entstünde ein Automatismus, der in Anbetracht des erarbeiteten Verständnisses der Kommanditistenhaftung angemessen erscheint: Können die Gesellschaftsgläubiger ihre Ansprüche im Eröffnungsverfahren nicht mehr individuell gegen die Gesellschaft durchsetzen, können sie automatisch auch nicht mehr individuell gegen den Kommanditisten vorgehen.
112 Der Bundesgerichtshof hat allerdings betont, dass die Reichweite vorläufiger Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der betroffenen Gläubiger unmissverständlich aus der gerichtlichen Anordnung selbst hervorgehen muss.247) Diesem Gebot der Rechtsklarheit wäre gewiss nicht optimal Rechnung getragen, wenn man den Anwendungsbereich der Sicherungsanordnungen des Gerichts, die sich auf das Gesellschaftsvermögen beschränken, durch analoge Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB auf die Kommanditistenhaftung erweitern würde. Diese Überlegung spricht stattdessen dafür, eine gesonderte, ausdrückliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bezüglich der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zu verlangen. Auf diese Weise verbleibt dem Insolvenzgericht auch mehr Flexibilität bei der Festlegung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen. Dass die Haftungsansprüche nicht Vermögen des Schuldners sind, vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO, ist unschädlich, wie schon aus § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO folgt, der auch für sicherungsübereignete Sachen und sicherungszedierte Forderungen ausdrücklich entsprechende Maßnahmen zulässt. Zur Sicherung des Haftungsreservoirs Kommanditistenhaftung im Eröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht also nach § 21 Abs. 1 S. 1 InsO248) dem Kommanditis___________ 246) Entsprechend für § 93 BGB: Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 6; a.A. Runkel/J. Schmidt, ZInsO 2007, 578, 579; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 13; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 93 Rn. 15. 247) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269, 274 = ZIP 2010, 141, Rn. 22; Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 367 = NJW 2002, 3326, 3329 f. 248) Der von Oepen, Massefremde Masse, Rn. 188, vorgeschlagenen Analogie zu § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO bedarf es nicht, da die zulässigen Maßnahmen in § 21 Abs. 2 InsO nicht abschließend aufgezählt sind („insbesondere“). Kritisch dazu aus anderen Gründen Runkel/J. Schmidt, ZInsO 2007, 578, 579. Passender erschiene ohnehin die Anwendung des § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO, wonach die Sicherung auf die Haftungsansprüche beschränkt wäre.
54
B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
ten hinsichtlich der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB ein Leistungsverbot auferlegen oder einen Zustimmungsvorbehalt anordnen und Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger gegen den Kommanditisten untersagen. Für die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters (z.B. Einziehung) kann in diesem Fall auf die Maßgaben des § 22 InsO zurückgegriffen werden.
3.
Individueller Zugriff nach Verfahrensbeendigung
Wird das Insolvenzverfahren (z.B. wegen Massearmut nach § 207 InsO) eingestellt 113 oder im Anschluss an die Schlussverteilung aufgehoben, § 200 InsO, weicht die gleichmäßige Befriedigung nach den Regeln der Insolvenzordnung wieder dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip, vgl. § 201 (i.V.m. § 215 Abs. 2 S. 2) InsO. Folglich bedarf es auch in Bezug auf die beschränkte Kommanditistenhaftung nicht mehr der Geltung ebendieser insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Nach Einstellung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht es den Haftungsgläubigern frei, ihre Haftungsansprüche (wieder) selbständig gegen den Kommanditisten durchzusetzen, § 171 Abs. 2 HGB ist nicht mehr anwendbar.249)
II. Rechtsform der Gesellschaft § 171 Abs. 2 HGB findet regelmäßig in der Insolvenz einer Kommanditgesell- 114 schaft Anwendung. Die Rechtsform der insolventen Gesellschaft ist allerdings nicht entscheidend, sondern dass mindestens ein Gesellschafter der insolventen Gesellschaft als Kommanditist beschränkt auf die Haftsumme haftet.250) Neben der KG kann dies namentlich wegen der Nachhaftung ehemaliger Kommanditisten bei Veränderung der Rechtsform durch Umwandlung oder Ausscheiden aller Kommanditisten der Fall sein, §§ 45, 125 S. 1, 224251) UmwG, § 137 n.F. (§ 160 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB. Weil in diesen Fällen der Haftungsmechanismus der §§ 171, 172 HGB für die Altverbindlichkeiten bestehen bleibt, ändert sich auch nichts an der Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche und es bedarf zur Gewährleistung der Gläubigergleichbehandlung – wie in der Insolvenz der KG – der zentralisierten Verwertung. Da § 171 Abs. 2 HGB lediglich von Insolvenz „der Ge___________ 249) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 162; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 56; für den Fall der Verfahrenseinstellung: MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 111; Röhricht/ v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 64; für die Verfahrensaufhebung: BayObLG, Beschl. v. 8.4.2020 – 1 VA 132/19, ZIP 2020, 978, 980; zur Verjährung der Haftungsansprüche s. unten Rn. 177 f. 250) Allgemeine M.: BGH, Urt. v. 2.7.1990 – II ZR 139/89, BGHZ 112, 31, 35 f. = NJW 1990, 3145 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, Rn. 103; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 131 ff.; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 112, 114; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 11. 251) § 224 UmwG regelt seinem Wortlaut nach nur die Haftung nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.), also diejenige von OHG-Gesellschaftern und Komplementären. Nach allgemeiner M. findet die Regelung jedoch auch auf Kommanditisten Anwendung, stellvertretend Semler/ Stengel/Leonard-UmwG/Schlitt, § 224 Rn. 8, 16.
55
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
sellschaft“ spricht, können die genannten Sachverhalte im Wege der Auslegung erfasst werden.252)
III. Gläubigeransprüche nach § 171 Abs. 1 HGB 115 Nach § 171 Abs. 2 HGB kann der Insolvenzverwalter nur die Gläubigeransprüche nach § 171 Abs. 1 HGB, also die Ansprüche aus der beschränkten akzessorischen Haftung des Kommanditisten geltend machen. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Regelung („das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht“) und ihrer systematischen Stellung als zweiter Absatz des § 171 HGB. Andere Ansprüche (der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger) gegen den Kommanditisten sind dagegen nicht von der Norm erfasst, ihre Einziehung durch den Insolvenzverwalter kann nur auf anderer Grundlage erfolgen. So berechtigt schon § 80 Abs. 1 InsO ihn zur Geltendmachung des gesellschaftseigenen Anspruchs auf Leistung des gesellschaftsvertraglichen Beitrags.253) Ansprüche im Rahmen der unbeschränkten Kommanditistenhaftung aus § 176 HGB sind demgegenüber nach § 93 InsO einzuziehen.254) Ob der als Kommanditist Haftende weiterhin Gesellschafter ist oder bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, hat für die Anwendbarkeit des § 171 Abs. 2 HGB keine Bedeutung. Auch die Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten ist Aufgabe des Insolvenzverwalters.255)
1.
Geltung bei Haftung für Masseverbindlichkeiten
116 Man kann daran zweifeln, ob die zentralisierte Einziehung der Haftungsansprüche auch dann gerechtfertigt ist, wenn die zugrundeliegende Gesellschaftsverbindlichkeit eine Masseverbindlichkeit ist. Diesen Zweifeln muss jedoch nur nachgegangen werden, sofern Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB überhaupt für Masseverbindlichkeiten haften. ___________ 252) Unklar MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 114, die „mindestens“ eine analoge Anwendung fordern; für eine Analogie: Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 164 f., der aber bei Nachhaftung von Kommanditisten in der Insolvenz sonstiger Personengesellschaften stattdessen § 93 InsO für anwendbar hält. 253) Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 57; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 159, 182; Röhricht/ v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 71; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 106. 254) Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 90; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 11; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 115; StaubHGB/Thiessen, § 171 Rn. 158; kritisch Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 79; zur Nichtanwendbarkeit des § 171 Abs. 2 HGB (vor Einführung des § 93 InsO): BGH, Urt. v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 214 = NJW 1982, 883, 885. Leistungen des Kommanditisten auf die unbeschränkte Haftung sind auch im Insolvenzfall auf die Haftsumme anzurechnen, vgl. allgemein oben Rn. 21. Konkret erlischt die beschränkte Außenhaftung bei Inanspruchnahme nach § 176 HGB i.V.m. § 93 InsO in dem Umfang, in dem der (unbeschränkte) Haftungsgläubiger bei Haftung nur aus § 171 Abs. 1 HGB an der Verteilung des Erlöses teilgenommen hätte. 255) Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 14; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 132; StaubHGB/Thiessen, § 171 Rn. 200.
56
B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
a) Haftung für Masseverbindlichkeiten (insolvenzspezifischer Haftungsumfang) In der Regel werden die Gesellschaftsverbindlichkeiten, die eine Haftung des 117 Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB auslösen, (nicht nachrangige) Insolvenzforderungen sein. Verbreitet wird allerdings davon ausgegangen, dass sich hinter dieser Aussage zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Gesellschaftsverbindlichkeit nicht bloß eine statistische Beobachtung verbirgt, sondern eine rechtliche Voraussetzung für die Haftung. So entsprach es lange Zeit nahezu allgemeiner Auffassung in der obergerichtlichen 118 Rechtsprechung und Literatur, dass der Kommanditist in der Insolvenz der Gesellschaft nicht für Masseverbindlichkeiten hafte.256) Diese Annahme ist durchaus bemerkenswert: Die akzessorische Kommanditistenhaftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB erstreckt sich auf alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft (mit Ausnahme von Sozialverbindlichkeiten) und bei den Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz der KG handelt es sich um solche Gesellschaftsverbindlichkeiten. Schuldner der Masseverbindlichkeiten ist nämlich stets der Insolvenzschuldner selbst und nicht etwa „die Insolvenzmasse“, der es schon an der erforderlichen Rechtssubjektsqualität fehlt.257) Vor diesem Hintergrund ist der Ausschluss der Massegläubiger von der Partizipation an der Kommanditistenhaftung rechtfertigungsbedürftig.258) Über die vertretenen Lösungsansätze wird nach einer kurzen Abgrenzung ein Überblick verschafft und dabei insbesondere die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundes___________ 256) OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.7.2020 – 1 U 75/19, NZI 2020, 955, Rn. 47; Urt. v. 7.2.2020 – 4 U 167/18, ZIP 2020, 1363, 1363 f.; OLG München, Urt. v. 29.1.2020 – 7 U 4620/19, ZInsO 2020, 426, 429; Urt. v. 12.3.2019 – 18 U 2812/18, ZInsO 2019, 1225, 1227; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 138; OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2019 – 8 U 64/18, BeckRS 2019, 2689, Rn. 23; OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 – 11 U 106/17, ZIP 2019, 70, 71; OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 6/18, ZInsO 2020, 201, 202; OLG Köln, Urt. v. 29.11.2018 – 18 U 149/17, ZInsO 2018, 2824, 2825; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 94; Röhricht/v. Westphalen/ Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 74; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 13; Henssler/Strohn-GesR/ Gummert, § 172 HGB Rn. 73; Thole, ZGR 2019, 301, 303 f.; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 92 f.; Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1301; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 299; a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 12.05, 31.41; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109, der aber nicht klar zwischen echter (unmittelbarer) und indirekter Haftung für Masseverbindlichkeiten differenziert; Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1654 ff., dessen Argumentation sich aber weit überwiegend auf die Sondermassekosten beschränkt; sehr knapp Thole, ZRI 2020, 325, 326; ders., WuB 2021, 226, 227, bezeichnet die ausnahmslose Haftung für Masseverbindlichkeiten als „auszulotende Alternative“; offengelassen in OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.5.2019 – 5 U 85/18, BeckRS 2019, 53083, Rn. 138 ff. 257) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 14; MüKo-InsO/Hefermehl, § 53 Rn. 30; Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 53 Rn. 10; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Wimmer, § 25 Rn. 6; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 93. 258) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 195; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 115. Fragwürdig ist deshalb das Vorgehen von Marotzke, ZInsO 2008, 57 ff.; ders., DB 2013, 681 f., der den Fokus darauf legt, Argumente für die Haftung zu entkräften.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
gerichtshofs nachvollzogen. Es wird sich bei der folgenden kritischen Würdigung zeigen, dass eine Rechtfertigung der Nichthaftung des Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten bislang nicht überzeugend gelungen ist und dass im Gegenteil gute Gründe für eine solche Haftung sprechen.
aa) Abgrenzung 119 Masseverbindlichkeiten sind aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen, § 53 InsO. Dazu zählen die Kosten des Insolvenzverfahrens, § 54 InsO, sowie insbesondere die in § 55 InsO aufgeführten sonstigen Masseverbindlichkeiten.259) Nur das, was nach vollständiger Befriedigung dieser Massegläubiger verbleibt, steht für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung. Weil die Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB auf den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag beschränkt ist260) und dieser Betrag auch von der bei der Gesellschaft vorhandenen Insolvenzmasse abhängt, droht dem Kommanditisten (bis zur Haftsumme) eine umso höhere Inanspruchnahme, je mehr von der sonstigen Insolvenzmasse durch Tilgung von Masseverbindlichkeiten aufgezehrt wird. Auf diese mittelbare Weise können Vorhandensein und Umfang von Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten fraglos den Umfang der Inanspruchnahme des Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter erhöhen.261)
120 Strikt von diesem praktischen Zusammenhang von Kommanditistenhaftung und Masseverbindlichkeiten zu trennen ist aber die Frage, die Gegenstand des folgenden Abschnitts ist, nämlich, ob Kommanditisten unmittelbar für Masseverbindlichkeiten haften, ob die Massegläubiger also zugleich Inhaber von Ansprüchen nach § 171 Abs. 1 HGB sind.262)
121 Daneben bestehen für das Verhältnis von § 171 Abs. 2 HGB und Masseverbindlichkeiten noch eine ganze Reihe rechtlicher Streitfragen: Lehnt man die unmittelbare Haftung für Masseverbindlichkeiten generell ab oder besteht eine solche Haftung im Einzelfall nicht, muss geklärt werden, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter den (für sonstige Haftungsansprüche) nach § 171 Abs. 2 HGB eingezogenen ___________ 259) Zu Masseverbindlichkeiten außerhalb der in den §§ 54, 55 InsO genannten s. K. SchmidtInsO/Thole, § 55 Rn. 49. 260) Eingehend dazu unten Rn. 224 ff. 261) LG Stuttgart, Urt. v. 22.6.2022 – 27 O 45/22, NZG 2022, 1306, Rn. 33; zum unbeschränkt haftenden Gesellschafter Marotzke, ZInsO 2008, 57, 58; ders., DB 2013, 621, 622; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 91; a.A. offenbar MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 28, ohne Begründung; ebenso Zimmer, ZInsO 2011, 1081, in seinem einleitenden Beispiel. Auf einen ähnlichen Zusammenhang, der allerdings noch weniger mit einer unmittelbaren Haftung zu tun hat, weist Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1653, hin: Ein Ausschüttungsbetrag nach § 199 S. 2 InsO vermindert sich ebenfalls abhängig vom Umfang der Masseverbindlichkeiten. 262) Wenig überzeugend nutzt das LG Stuttgart, Urt. v. 22.6.2022 – 27 O 45/22, NZG 2022, 1306, Rn. 33, die mittelbare Haftung für Verfahrenskosten als Argument für eine auch unmittelbare Haftung.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Betrag auch zur Tilgung von Masseverbindlichkeiten verwenden darf („indirekte“ Haftung für Masseverbindlichkeiten263)) und – verneint man auch dies – welche Konsequenzen die zweckwidrige Verwendung des eingezogenen Betrags zur Tilgung von Masseverbindlichkeiten hat. Schließlich muss geklärt werden, aus welchen Mitteln diejenigen Masseverbindlichkeiten beglichen werden, die im Rahmen der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB entstehen, sog. Sondermassekosten. Diesen Fragen widmen sich spätere Abschnitte der Arbeit.264)
bb) Überblick über den Meinungsstand Sofern die fehlende (unmittelbare) Haftung des Kommanditisten für Massever- 122 bindlichkeiten begründet wird, wird stets eine Parallele zum unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafter gezogen.265) Aus diesem Grund ist es unerlässlich, am dazu vertretenen Meinungsbild anzusetzen.
(1) Unbeschränkte Gesellschafterhaftung nur für Altverbindlichkeiten Die OHG-Gesellschafter sowie Komplementäre einer KG sollen nach § 126 HGB 123 n.F. (§ 128 HGB a.F.) nur dann für Masseverbindlichkeiten haften, wenn es sich um sog. Altverbindlichkeiten handelt. Zur Begründung dieses Befunds wurden bereits verschiedene Wege eingeschlagen.
(a) Die Korrelation von Herrschaft und Haftung Möchte man bestimmte Gesellschaftsverbindlichkeiten von der akzessorischen Ge- 124 sellschafterhaftung ausschließen, liegt es nahe, am Tatbestand dieser Haftung anzusetzen. Diesen Ansatz wählte Karsten Schmidt, der die Vorarbeit Sievekings266) in ihrer Begründung geschärft und methodisch neu fundiert hat: Für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Verbindlichkeiten sei eine teleologische Reduktion des § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) geboten, weil die Grundlage der Gesellschafterhaftung nicht mehr fortbestehe.267) Insoweit sei jeder Gesell___________ 263) Begriff bei Thole, ZRI 2020, 49, 52. 264) Zur indirekten Haftung für Masseverbindlichkeiten S. 159 f., zur Berücksichtigung zweckwidrig verwendeter Kommanditistenleistungen im Rahmen der Erforderlichkeit S. 135 f.; zu Sondermassekosten S. 170 ff. 265) Abweichende Betrachtung lediglich bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.15 f., 31.41; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109, die jeweils die Haftung des Kommanditisten für (alle) Masseverbindlichkeiten bejahen. 266) Sieveking, Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S. 37 ff., der die Mithaftung der Gesellschafter nur en passant behandelt. 267) Noch zur KO: K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 113 ff.; zur InsO: MüKo-HGB/K. Schmidt/ Drescher, § 128 Rn. 94; Wenig konsequent ist aber die dort geäußerte Ansicht, die Gesellschafter haften bei späterer Einstellung des Verfahrens dennoch für die in der Zwischenzeit begründeten Verbindlichkeiten analog § 130 HGB a.F. (§ 127 HGB n.F.). In diesen Fällen fehlt es an einer privatautonomen (Beitritts-)Entscheidung, die regelmäßig die Haftung des Eintretenden für Altverbindlichkeiten rechtfertigt.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
schafter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie ein ausgeschiedener Gesellschafter zu behandeln. Im Insolvenzverfahren weiche nämlich die Selbstverwaltung durch die Gesellschafter der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter, auf welche die Gesellschafter keine Einflussmöglichkeiten haben und die auch nicht den Gesellschafter-, sondern den Gläubigerinteressen verpflichtet sei. Dadurch werde der akzessorischen Haftung die Grundlage entzogen. „Nur wo die Gesellschafter auch das Schicksal des Unternehmens steuern können und nur wo auch die Erträge den Gesellschaftern zufließen, rechtfertigt sich der strenge Grundsatz der persönlichen Gesellschafterhaftung.“268) Hiernach bedarf es für die verschiedenen Arten von Masseverbindlichkeiten jeweils einer eigenständigen Bewertung, ob in diesem Sinne eine Alt- oder eine Neuverbindlichkeit vorliegt. So müsse die akzessorische Haftung etwa für vom Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ausscheiden, während beispielsweise für Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, die nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO Masseverbindlichkeiten sind, die Haftung (fort-)bestehe, weil diese Verbindlichkeiten noch vor Verfahrenseröffnung durch Handeln der Gesellschafter begründet wurden.269) Die These Karsten Schmidts hat in der Literatur großen Anklang gefunden270) und ist plakativ als „Keine Haftung ohne Herrschaft“ zusammengefasst worden.271)
(b) Die Entscheidung des IX. Zivilsenats vom 24.9.2009 125 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wählte in seinem Teilurteil vom 24.9.2009 eine andere Begründung. In seiner Entscheidung setzte er sich ausführ___________ 268) K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 116; in MüKo-HGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 81, stellt Schmidt klar, dass eine Haftung auch für Verfahrenskosten nicht bestehe, obwohl diese bereits auf der vor Verfahrenseröffnung eingetretenen materiellen Insolvenz der Gesellschaft beruhen. 269) Eingehend zu den einzelnen Arten von Masseverbindlichkeiten Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 121 ff. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verbindlichkeiten aus beiderseits nicht (vollständig) erfüllten gegenseitigen Verträgen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen und durch die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters neu begründet werden/wiederaufleben, wurde inzwischen aufgegeben, BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785; zur alten Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 11.2.1988 – IX ZR 36/87, BGHZ 103, 250, 252, 254 = NJW 1988, 1790, 1791; zum Ganzen Marotzke, DB 2013, 681, 683 f. 270) HK-InsO/J. Schmidt, § 93 Rn. 17 ff.; Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 32; Gottwald/Haas-InsRHdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 49; Oetker-HGB/Boesche, § 128 Rn. 70; Röhricht/v. Westphalen/ Haas-HGB/Mock, § 128 Rn. 18a; MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 7 f.; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 120 ff.; Könen, GesellschafterExithaftung, S. 325 ff.; Prütting, ZIP 1997, 1725, 1732; in der Rechtsprechung: OLG Brandenburg, Urt. v. 23.5.2007 – 7 U 173/06, NZI 2008, 41; Gundlach/Frenzel, NJW 2010, 72, stellen auf den „Gleichlauf zwischen Verantwortung und Haftung“ ab. 271) HK-InsO/J. Schmidt, § 93 Rn. 18; Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 32; Zimmer, ZInsO 2011, 1081, 1083; Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 325; instruktiv zum Verhältnis von Herrschaft und Haftung in der Personengesellschaft Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 543 ff., 546 ff.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
lich mit der Haftung des OHG-Gesellschafters nach § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) für Verfahrenskosten, § 54 InsO, sowie vom Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, auseinander und lehnte eine solche im Ergebnis ebenfalls ab.272) Die Haftung des Gesellschafters für diese Verbindlichkeiten scheide allerdings nicht erst aufgrund einer teleologischen Reduktion der gesellschaftsrechtlichen Haftungsnorm, sondern „schon aus insolvenzrechtlichen Gründen“ aus, betonte der – für das Insolvenzrecht zuständige – IX. Zivilsenat.273) In der Folge differenzierte er zwischen den beiden im Verfahren in Frage stehenden Arten von Masseverbindlichkeiten. Für die vom Verwalter begründeten Verbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ar- 126 gumentierte der Senat, die Beschränkung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die Insolvenzmasse nehme dem Insolvenzverwalters die Möglichkeit, darüber hinaus Verpflichtungen auszulösen.274) Ebenso wenig wie der Insolvenzschuldner mit seinem insolvenzfreien Vermögen für die vom Verwalter begründeten Verbindlichkeiten einzustehen habe, müsse dies der Gesellschafter. Insoweit unterscheide sich die Ermächtigung des Insolvenzverwalters wesentlich von „der vertraglich ermöglichten unbeschränkten Verpflichtungsbefugnis der [geschäftsführenden] Gesellschafter“.275) Der Senat stellte weiter fest, dass sich diese Erwägungen nicht auf die Verfahrenskosten, § 54 InsO, übertragen lassen, eine persönliche Haftung der Gesellschafter aber dennoch ausscheiden müsse, weil die Kosten „darauf angelegt“ seien, nur der Insolvenzmasse zur Last zu fallen.276) Dies ergebe sich daraus, dass das Verfahren nicht eröffnet werden dürfe oder eingestellt werden müsse, wenn die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten genüge, §§ 26 Abs. 1 S. 1, 207 Abs. 1 S. 1 InsO.
(c) Vorrang des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes Einen weiteren Begründungsansatz hat schließlich Marotzke entwickelt, der eben- 127 falls zwischen den verschiedenen Arten von Masseverbindlichkeiten differenziert.277) Dabei stellt er nicht entscheidend auf die insolvenzbedingten Veränderun___________ 272) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 11 ff.; das OLG Brandenburg, Urt. v. 25.3.2007 – 7 U 173/06, NZI 2008, 41, hatte in der Vorinstanz noch ebendiesen Ansatz befürwortet. 273) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 11; zustimmend MüKo-InsO/ Hefermehl, § 53 Rn. 40; Berger, EWiR 2009, 775 f.; Ries, NZI 2009, 844 f.; zuvor bereits Kesseler, NZI 2008, 42 f.; kritisch K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163, 172 f.; Thomale, ZGR 2021, 643, 645 f. 274) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 12 ff. 275) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 14. 276) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 19 ff. 277) Marotzke, DB 2013, 681 ff. (nur Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO); vergleichbare Argumentation zuvor bereits bei Sieveking, Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S. 40 f.; Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 547; ders., NZI 2008, 42 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
gen für die potenziell haftungspflichtigen Gesellschafter ab, sondern primär auf die Schutzbedürftigkeit der Forderungsgläubiger: Während außerhalb der Insolvenz die Gesellschaftsgläubiger Geschäfte mit der Personengesellschaft in dem Vertrauen (und sogar dem Wissen) eingehen, dass hinter der Gesellschaft persönlich haftende Gesellschafter stehen, bestehe ein solches Vertrauen für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten nicht. Für diejenigen, die mit dem Insolvenzverwalter kontrahieren, sei vielmehr – auch wegen der wahrscheinlichen Simultaninsolvenz der Gesellschafter – entscheidend, dass sie als Massegläubiger Vorrang nach § 53 InsO genießen und der Insolvenzverwalter ihnen nach § 61 InsO haftet, falls die Masse für ihre Befriedigung nicht genügt.278) Der insolvenzrechtliche Schutz der Massegläubiger nach den §§ 53, 61 InsO verdränge in diesen Fällen den gesellschaftsrechtlichen Schutz nach § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.).279) Weil Marotzke ein schützenswertes Gläubigervertrauen in die persönliche Mithaftung der Gesellschafter vor allem in den Fällen annimmt, in denen diese die Zügel noch in der Hand halten, ergeben sich auf der Ergebnisseite nur wenige Differenzen zum Ansatz Karsten Schmidts, obwohl beide verschiedene Perspektiven einnehmen.280)
(2) Übertragung auf den Kommanditisten 128 Die zur Haftung des unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters für Masseverbindlichkeiten vertretenen Ansätze zeichnen sich folglich alle durch eine differenzierte Bewertung aus. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wurde die Entscheidung des IX. Senats vom 24.9.2009 dagegen nicht nur unisono auf den Kommanditisten übertragen, sondern zumeist auch pauschal auf alle Masseverbindlichkeiten ausgeweitet.281) Sofern die Gerichte hierzu eine Begründung anführten, erschöpfte sich diese ausnahmslos in der Wiedergabe der Entscheidungsgrün___________ 278) Diese Argumentation hat ihre Stärken evident im Bereich der rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten, wie auch Marotzke erkennt, DB 2013, 681, 683. Sie birgt darüber hinaus die Gefahr eines Zirkelschlusses: Das fehlende schützenswerte Vertrauen der Gläubiger kann nicht damit begründet werden, dass ihnen beim Kontrahieren mit dem Verwalter bewusst sei, dass die Gesellschafter keine akzessorische Haftung trifft. Diese Erkenntnis gilt es schließlich erst zu belegen. 279) Ähnlich Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 331. 280) Unterschiedlich bewerten beide beispielsweise in Eigenverwaltung begründete Verbindlichkeiten, s. einerseits Marotzke, DB 2013, 681, 683, und andererseits MüKo-HGB/K. Schmidt, Anh. § 158 Rn. 47. 281) OLG München, Urt. v. 29.1.2020 – 7 U 4620/19, ZInsO 2020, 426, 429; Urt. v. 12.3.2019 – 18 U 2812/18, ZInsO 2019, 1225, 1227; OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2019 – 8 U 64/18, BeckRS 2019, 2689, Rn. 23; OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 – 11 U 106/17, ZIP 2019, 70, 71; OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 6/18, ZInsO 2020, 201, 202; OLG Köln, Urt. v. 29.11.2018 – 18 U 149/17, ZInsO 2018, 2824, 2825; beschränkt auf bestimmte Masseverbindlichkeiten: OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.7.2020 – 1 U 75/19, NZI 2020, 955, Rn. 47; Urt. v. 7.2.2020 – 4 U 167/18, ZIP 2020, 1363, 1363 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 138.
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de der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs und der Feststellung, für eine abweichende Behandlung des Kommanditisten sei kein Grund ersichtlich.282) Auch in der Literatur fand sich zumeist die generalisierende Feststellung, der Kommanditist hafte nicht für Masseverbindlichkeiten.283) Nur vereinzelte Stimmen haben sich dafür ausgesprochen, die Grenzen der beschränkten Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB abweichend von derjenigen nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) zu ziehen und (nur) den Kommanditisten einer Haftung für alle Masseverbindlichkeiten zu unterwerfen.284) Der Bundesgerichtshof nahm in Urteilen vom 15.12.2020 (II. Senat)285) und vom 129 28.1.2021 (IX. Senat)286) grundlegend zu der Thematik Stellung und erteilte der pauschalen Haftungsfreistellung für Masseverbindlichkeiten eine Absage. Den Anfang machte der II. Zivilsenat, indem er sich der herrschenden Literaturauffassung anschloss und eine teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB in der Insolvenz der Gesellschaft befürwortete, die jedenfalls vor Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten nicht erfasse.287) Zwischen der Kommanditistenhaftung und der unbeschränkten persönlichen Gesellschafterhaftung bestehe kein Unterschied, der eine weitergehende Haftung des Kommanditisten im Insolvenzfall rechtfertige. Genau in diesem Punkt vermochte sich der IX. Zivilsenat wenig später ausdrücklich nicht festzulegen.288) Zwar gab der Senat, der dem II. Senat zuvor die Verträglichkeit dessen Entscheidung mit dem Urteil vom 24.9.2009 bescheinigt hatte,289) seine ___________ 282) OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.7.2020 – 1 U 75/19, NZI 2020, 955, Rn. 47; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 138; OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174. 283) Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 74; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/ Strohn, § 171 Rn. 94; Henssler/Strohn-GesR/Gummert, § 172 HGB Rn. 73; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1193; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 299; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 92 f.; Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1301; nur für Verbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und Verfahrenskosten: Spiekermann, NZI 2020, 644 f.; Dimassi, EWiR 2020, 533, 534; tiefergehende Auseinandersetzung demgegenüber bei Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 195 ff.; differenzierend auch Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 37 f. 284) Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.41; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109; Thomale, ZGR 2021, 643, 648 ff.; Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1654 ff.; Thole, ZRI 2020, 325, 326, schreibt von „guten Gründen“, ohne diese zu nennen; zurückhaltend H.-F. Müller, EWiR 2020, 593, 594. 285) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 36 ff. = ZIP 2021, 255, Rn. 28 ff. 286) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 15 ff. 287) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 36 ff. = ZIP 2021, 255, Rn. 28 ff.; anschließend ebenso Urt. v. 22.6.2021 – II ZR 102/19, ZInsO 2021, 2090, Rn. 14. Mit Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 20, betonte der Senat, er habe „die Frage der Kommanditistenhaftung für die Kosten des Insolvenzverfahrens und für nach Insolvenzeröffnung begründete Masseverbindlichkeiten“ bislang nicht entschieden. Daran anknüpfend LG Stuttgart, Urt. v. 22.6.2022 – 27 O 45/22, NZG 2022, 1306, Rn. 33. 288) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 28. 289) Vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 47 = ZIP 2021, 255, Rn. 53.
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dortige insolvenzspezifische Argumentation explizit auf.290) Nicht die Reichweite der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters sei ausschlaggebend, sondern die gesellschaftsrechtlichen Haftungsbestimmungen. Inwieweit eine teleologische Reduktion aber auch für die beschränkte Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB vorzunehmen sei, könne dahinstehen, da die im Verfahren streitige Verbindlichkeit als Altverbindlichkeit zu qualifizieren sei, für die eine Haftung in jedem Fall bestehe.291) Beide Senate hoben in ihren Entscheidungen deutlich hervor, dass jedenfalls mit der bloßen insolvenzrechtlichen Qualifizierung als Masseverbindlichkeit keinerlei Aussage über die Haftung oder Nichthaftung der Gesellschafter getroffen sei.292)
130 Ermutigt durch die Rückendeckung des Bundesgerichtshofs mehren sich auch in der Literatur die Stimmen, die die Grenzen der Haftung des Kommanditisten anhand des Zeitpunkts der Verfahrenseröffnung ziehen möchten.293)
cc) Kritische Würdigung 131 Die Haftung des Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten als solche abzulehnen, ist erkennbar keine sachgerechte Lösung. Zwar wäre auf diese Weise Rechtssicherheit durch eine trennscharfe Bestimmung der Haftungsgrenzen sichergestellt. Die Einordnung einer Forderung als Masseverbindlichkeit bewirkt aber keine qualitative Veränderung der Forderung, sondern verhilft ihrem Inhaber lediglich zur vorrangigen und verbesserten Durchsetzung im Insolvenzverfahren, vgl. §§ 53, 90 InsO.294) Zudem beruht diese Einordnung auf keinem einheitlichen Wertungsprinzip.295) Der pauschale Ausschluss der Massegläubiger von der Partizipation an der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB trüge vor diesem Hintergrund den Charakter des Zufälligen. ___________ 290) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 15 ff., 25; ebenso in der Folge Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZR 154/20, ZInsO 2021, 1459, Rn. 14. 291) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 28: „Damit kommt es nicht darauf an, inwieweit die Gründe für eine Beschränkung der gesellschaftsrechtlichen Haftung auf einen Kommanditisten zu übertragen sind“; Thole, WuB 2021, 226, 227, vermutet hinter dieser Zurückhaltung die „Sorge […], im Teich des […] II. Zivilsenats zu fischen“. 292) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 35, 40 = ZIP 2021, 255, Rn. 24, 36; Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 27; anschließend auch Urt. v. 3.8.2021 – II ZR 194/20, NJW-RR 2021, 1199, Rn. 10; Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 17. 293) J. Schmidt/Glasmacher, NZI 2021, 443, 444; Gehrlein, NZI 2021, 501; ders., GmbHR 2021, 692, Rn. 36 ff.; Jarchow/Hölken, ZInsO 2021, 1937, 1940, 1943; Böcker, DZWIR 2021, 587, 590 ff. 294) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 14; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 53 Rn. 8; Thole, WuB 2021, 226. 295) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 40 = ZIP 2021, 255, Rn. 36; K. Schmidt-InsO/Thole, § 55 Rn. 2; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 55 Rn. 4; Gehrlein, GmbHR 2021, 692, Rn. 39.
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Stattdessen darf die persönliche Haftung des Kommanditisten nur ausgeschlossen 132 sein, falls die Funktion und Legitimation der Haftungsanordnung für bestimmte Gesellschaftsverbindlichkeiten ausnahmsweise nicht zum Tragen kommen. Von entscheidender Bedeutung wird dabei sein, welche Folgerungen sich aus den funktionalen Besonderheiten der beschränkten Kommanditistenhaftung gegenüber der unbeschränkten Gesellschafterhaftung ergeben.
(1) Herrschaft und Haftung beim Kommanditisten Der Vorschlag, § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) wegen des mit der Eröffnung 133 des Insolvenzverfahrens verbundenen Herrschaftsverlusts für Neuverbindlichkeiten teleologisch zu reduzieren, ist methodisch und der Sache nach überzeugend. In der Tat lässt sich nicht bestreiten, dass die Gesellschafterhaftung jedenfalls ihre verhaltenssteuernde Funktion ab dem Moment einbüßt, ab dem der Gesellschafter die Geschicke der Gesellschaft nicht mehr durch sein Verhalten beeinflussen kann, und die Gesellschafter sich unter diesen Umständen vor allem auch nicht in die unbeschränkte persönliche Haftung begeben hätten. Weil im Ergebnis eine Gleichstellung des Gesellschafters in der Insolvenz mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter erzeugt werden soll,296) könnte man auch eine analoge Anwendung des § 137 HGB n.F. (§ 160 HGB a.F.) erwägen.297) Immerhin möchte auch der II. Zivilsenat für die Beurteilung, ob eine Alt- oder Neuverbindlichkeit vorliegt, „die für die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 160 HGB [a.F.] entwickelten Abgrenzungskriterien heran[ziehen]“.298) Allerdings regelt § 137 HGB n.F. (§ 160 HGB a.F.) nur die Grenzen der Haftung für Altverbindlichkeiten. Die Nichthaftung für die nach dem Ausscheiden begründeten Neuverbindlichkeiten – mag sie auch mit der Beschränkung der Enthaftung auf Altverbindlichkeiten impliziert sein – ergibt sich dagegen schon daraus, dass § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) das Entstehen der Mithaftung vom zeitlichen Zusammenfallen von Gesellschafterstellung und Gesellschaftsverbindlichkeit abhängig macht. Die Argumentation Marotzkes steht zu dieser teleologischen Reduktion richtiger- 134 weise nicht in Widerspruch, sondern ergänzt die Rechtfertigung der haftungsbeschränkenden Rechtsfortbildung in notwendiger Weise. Während mit der Betrachtung der Korrelation von Herrschaft und Haftung die (fehlende) Legitimation der Anordnung unbeschränkter Haftung gegenüber den Gesellschaftern in den Blick genommen ist, gelingt es mit dem Verweis auf die Existenz spezifisch insolvenz___________ 296) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 37 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 29 f., 37, 42 f.; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 116; kritisch dazu Thomale, ZGR 2021, 643, 671 ff. 297) So deuten Thomale, ZGR 2021, 643, 644, Böcker, DZWIR 2021, 587, 593, und Hopt-HGB/ M. Roth, § 171 Rn. 11, die Entscheidung des II. Senats. 298) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 43 = ZIP 2021, 255, Rn. 42; Urt. v. 22.6.2021 – II ZR 102/19, ZInsO 2021, 2090, Rn. 14; Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 17.
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rechtlicher Sicherungsmechanismen – namentlich des Vorrangs nach § 53 InsO und der Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 60, 61 InsO – und die dadurch verminderte praktische Notwendigkeit für gesellschaftsrechtliche Sicherung, die Einschränkung der Haftung auch gegenüber den davon gleichsam betroffenen Gesellschaftsgläubigern zu rechtfertigen.299)
135 Die Übertragung der teleologischen Reduktion im Insolvenzfall auf § 171 Abs. 1 HGB stößt jedoch scheinbar auf Schwierigkeiten.
(a) Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis 136 Der Kommanditist hat nämlich – anders als OHG-Gesellschafter und Komplementär – auch vor der Insolvenz keine Herrschaft über die Geschäfte der Gesellschaft.300) Er ist nach der (dispositiven) gesetzlichen Regel von der Geschäftsführung ausgeschlossen, § 164 Hs. 1 HGB, und kann die Gesellschaft nicht nach außen vertreten, § 170 Abs. 1 HGB. Mit dem durch die Verfahrenseröffnung bedingten Verlust von Herrschaft in diesem Sinne lässt sich eine Haftungsbeschränkung zugunsten des Kommanditisten deshalb nicht begründen. Die gesetzliche Ausgangslage wird im Gegenteil immer wieder zum Anlass genommen, eine Haftungserweiterung zu diskutieren, wenn gesellschaftsvertragliche Regelungen es dem Kommanditisten erlauben, aus dem engen Korsett seiner gesetzlichen Rolle in der KG auszubrechen und eine aktivere Rolle bei Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft einzunehmen.301)
137 Es wird dem Ansatz Karsten Schmidts allerdings nicht gerecht, ihn auf den Schlachtruf „Keine Haftung ohne Herrschaft!“ zu reduzieren. Die akzessorische Gesellschafterhaftung ist gegenüber den Haftenden nämlich nicht einzig durch das Bestehen von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis legitimiert. Auch die Befugnisse des unbeschränkt haftenden Gesellschafters gegenüber Dritten können schließlich im Einzelfall gesellschaftsvertraglich eingeschränkt werden, ohne dass dies die Haftungsfolge berührte.302) Neben der geringen oder fehlenden Möglichkeit, auf die Gesellschaftsgeschäfte Einfluss zu nehmen, nennt Karsten Schmidt ___________ 299) Beide Aspekte würdigt bereits (in Bezug auf die Haftung des Insolvenzschuldners) Sieveking, Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S. 37 ff., 40 f. 300) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 198; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109; ähnlich Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1656. 301) Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037, 1048 ff.; Kornblum, Haftung der Gesellschafter von Personengesellschaften, S. 261 ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 166 ff.; Konietzko, Haftung des Kommanditisten, S. 167 ff.; zuletzt Fleischer/Hahn, NZG 2018, 1281 ff. m.w.N.; s. auch BGH, Urt. v. 17.3.1966 – II ZR 282/63, BGHZ 45, 204, 205 ff. = NJW 1996, 1309 f. 302) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 83; den Verlust der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis hält auch BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 38 = ZIP 2021, 255, Rn. 30, nicht für ausschlaggebend.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
zwei weitere Auswirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung, auf die er das Entfallen der persönlichen Haftung nach § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) stützt: Zum Ersten die Verwaltung durch den Insolvenzverwalter als gesellschaftsfremde Person und zum Zweiten die Führung der Gesellschaft im Interesse nicht der Gesellschafter, sondern der Gesellschaftsgläubiger.303) Diese beiden Aspekte gelten für den Kommanditisten jedoch in gleicher Weise wie für den Komplementär.
(b) Fremdverwaltung Wird das Insolvenzverfahren als Regelverfahren eröffnet, so tritt (spätestens) mit 138 Verfahrenseröffnung der gerichtlich bestellte und von der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft unabhängige Insolvenzverwalter an die Stelle der geschäftsführungsbefugten Gesellschafter und führt die Gesellschaftsgeschäfte fort, §§ 27 Abs. 1 S. 1, 56, 80 InsO. Heitsch sieht diesen Wechsel von der Selbst- zur Fremdverwaltung für die Fortgel- 139 tung der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB als unbeachtlich an:304) Er führt aus, der Kommanditist habe auch außerhalb der Insolvenz für die Verbindlichkeiten einzustehen, die ein anderer begründet, nämlich der geschäftsführende Gesellschafter. An dessen fachliche Qualifikationen stelle das HGB305) keinerlei Anforderungen. Erst recht dürfe die Haftung dann nicht ausgeschlossen sein, wenn ein Insolvenzverwalter für die Gesellschaft handele, dessen Befähigung feststehe, weil er den Anforderungen des § 56 Abs. 1 S. 1 InsO („geschäftskundig“) genügt, und der obendrein nach § 58 Abs. 1 S. 1 InsO unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts stehe sowie nach § 60 InsO einer strengen Haftung unterworfen sei. Das überzeugt nicht: Die Bestellung des Insolvenzverwalters ohne Mitwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter wird nicht deshalb für eine teleologische Reduktion der Haftungsanordnung ins Feld geführt, weil Zweifel an dessen fachlicher Eignung zur adäquaten Führung der Gesellschaftsgeschäfte bestehen. Diese darf tatsächlich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht allgemein in Frage stehen.306) Stattdessen kommt es auf etwas anderes an: Für die Entscheidung des Kommanditisten, der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags beizutreten, wird regelmäßig die Person des geschäftsführungsberechtigten Komplementärs ebenso von Bedeutung sein wie das Wissen, dass Änderungen der Geschäftsführungsregelungen als Änderungen des Gesellschaftsvertrags seiner Zustimmung bedürfen. Auf die Auswahl ___________ 303) K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 114 f.; angelehnt an Sieveking, Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S. 40. 304) Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1656. 305) Vgl. aber für Investmentkommanditgesellschaften die §§ 128 Abs. 2 S. 1, 153 Abs. 2 S. 1 KAGB und für die Kapitalgesellschaft & Co. KG (mittelbar) die (nicht fachkompetenzbezogenen) Ausschlussgründe in § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG und § 76 Abs. 3 S. 2 AktG. 306) Eingehend zu den aus § 56 Abs. 1 S. 1 InsO folgenden Anforderungen an den Insolvenzverwalter K. Schmidt-InsO/Ries, § 56 Rn. 15 ff.; Uhlenbruck-InsO/Zipperer, § 56 Rn. 14 ff.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
der Person des Insolvenzverwalters können dagegen die Gesellschaftsgläubiger, §§ 56a, 57 InsO, nicht aber die Gesellschafter Einfluss nehmen. Letztere können lediglich unverbindliche Vorschläge unterbreiten, vgl. § 56 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 InsO, haben darüber hinaus aber kein Mitsprache- oder gar Ablehnungsrecht. Die (faktische) Befugnis des Insolvenzverwalters, Verpflichtungen nach § 171 Abs. 1 HGB hervorzurufen, könnte deshalb – anders als diejenige des Komplementärs außerhalb der Insolvenz – nicht auf eine privatautonome Entscheidung des Kommanditisten zurückgeführt werden, sich der Mitverpflichtung für das Handeln gerade dieser Person zu unterwerfen.307) In gleicher Weise gilt dies für die Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters.308)
140 Wird das Insolvenzverfahren unter Anordnung von Eigenverwaltung eröffnet, trägt der Aspekt der Verwaltung durch eine gesellschaftsfremde Person hingegen nicht. Zwar wird dem geschäftsführenden Gesellschafter mit dem Sachwalter auch hier ein Außenstehender beigeordnet. Die Aufgaben des Sachwalters beschränken sich aber auf die Überwachung der Geschäftsführung durch den eigenverwaltenden Insolvenzschuldner, § 274 Abs. 2 S. 1 InsO. Die Verwaltungstätigkeit des Schuldners soll vielfach nur mit Zustimmung des Sachwalters erfolgen, so etwa die Begründung bestimmter Verbindlichkeiten und die Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO, und die Gesellschaftsgeschäfte müssen ggf. über ihn abgewickelt werden, §§ 275, 279 S. 2 InsO. Gegen den Willen des geschäftsführenden Gesellschafters kann der Sachwalter aber keine Gesellschaftsverbindlichkeiten und damit auch keine akzessorische Mithaftung des Kommanditisten begründen – und nur hierauf kommt es für die Abgrenzung zur objektiven Fremdverwaltung an.309) Für das Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO kann ergänzend darauf verwiesen werden, dass der Insolvenzschuldner – in der Insolvenz der KG also letztlich der (geschäftsführungsberechtigte und gegenüber dem Kommanditisten legitimierte) Komplementär – sogar erheblich auf die Auswahl des vorläufigen Sachwalters Einfluss nehmen kann, § 270d Abs. 2 S. 2, 3 InsO.
(c) Verwaltung im Gläubigerinteresse 141 In den Fällen der Eigenverwaltung verbleibt also von den drei Punkten, die für den Wegfall der Legitimation der Haftung angeführt werden, nur der dritte, der dort aber in gleicher Weise wie für das Regelverfahren gilt: Die Verwaltung der Gesellschaftsangelegenheiten ist einer fundamental geänderten Zweckrichtung unterworfen. Während sie außerhalb des Insolvenzverfahrens der Erreichung des Gesell___________ 307) In diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 39 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 35; mit ähnlicher Gedankenführung lehnt Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 326, eine Haftungsbeschränkung im gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren ab. 308) Jarchow/Hölken, ZInsO 2021, 1937, 1941. 309) Nichts anderes gilt bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt, vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 29.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
schaftszwecks – in einer Handelsgesellschaft der Erwirtschaftung größtmöglicher Erträge zugunsten aller Gesellschafter – verpflichtet ist, steht ihre Fortführung in der Eigenverwaltung in erster Linie im Dienst der optimalen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger.310) Man kann dies als subjektive Fremdverwaltung bezeichnen. Die geänderte Interessenlage spiegelt sich auch in den organisationsrechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung wider: Die Gesellschafter verlieren nach § 276a Abs. 1 S. 1 InsO selbst in der Eigenverwaltung ihre Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung, stattdessen ist für bedeutende Rechtshandlungen die Zustimmung des Gläubigerausschusses erforderlich, § 276 S. 1 InsO. Im Regelverfahren obliegt die Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters ebenfalls dem Gläubigerausschuss, § 69 InsO. Es muss als der eigentliche Kern der These Karstens Schmidts angesehen werden, durch die teleologische Reduktion eine Durchbrechung des Gleichlaufs nicht von Herrschaft und Haftung, sondern von Eigennutz und Haftung zu verhindern.311) Auch wenn sie die äußere Kontrolle über die Gesellschaftsgeschäfte behalten, sollen die Gesellschafter nicht als solche312) haften, wenn sie dabei letztlich nur als Treuhänder der Gläubiger, als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“313) agieren. Die Fokussierung auf diesen Aspekt ist auch in der Sache richtig, weil die Bestellung eines Fremdverwalters ebenso wie der Ausschluss der Einflussnahme durch den Insolvenzschuldner und seine Gesellschafter den geänderten Verwaltungsauftrag letztlich nur äußerlich/organisationsrechtlich umsetzt. Dass der Gleichlauf zwischen Haftung und Eigennutz auch für die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB durchbrochen würde, kann nicht bestritten werden. Die stringente Eingrenzung der Haftung anhand der geänderten Interessenwahrung 142 würde eine in hohem Maße differenzierte Betrachtung erfordern. Beispielsweise dient das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse einer KG auch dann primär den Gläubigerinteressen, wenn der Versuch unternommen wird, die insolvente Gesellschaft zu sanieren. Zwar profitieren von einer erfolgreichen Sanierung fraglos auch die Gesellschafter, zuvörderst ist die insolvenzrechtliche Sanierung jedoch ___________ 310) Erfrischend klar die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 276a InsO, BT-Drucks. 17/5712, S. 42: „Die Führung der Geschäfte ist in dieser Situation an den Interessen der Gläubiger auszurichten“. 311) Keine klare Akzentuierung gegenüber der Bedeutung der Selbstverwaltung bei K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105, 115 f.; ebenso Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 120. 312) Stattdessen ist es sachgerecht, lediglich den Handelnden – bei der KG regelmäßig den Komplementär oder (bei der GmbH & Co. KG) dessen Geschäftsführer – in gleicher Weise haften zu lassen, wie den Insolvenzverwalter im Regelverfahren, §§ 60 ff. i.V.m. § 276a Abs. 2 InsO. Vgl. vor Einführung des § 276a Abs. 2 InsO (nur zu juristischen Personen): BGH, Urt. v. 26.4.2018 – IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290, 294 ff. = NJW 2018, 2125 ff. 313) Uhlenbruck-InsO/Zipperer, § 270 Rn. 12; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 85 Rn. 81, § 88 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Mittel zur Erreichung einer möglichst umfassenden Gläubigerbefriedigung.314) Denkt man diesen Ansatz darüber hinaus konsequent fort, darf man eine teleologische Reduktion auch nicht erst im eröffneten Insolvenzverfahren in Betracht ziehen:
143 Den Geschäftsleitern juristischer Personen erlegt das Gesetz jedenfalls mit Eintritt der materiellen Insolvenz ein an den Interessen den Gesellschaftsgläubiger ausgerichtetes Pflichtenprogramm auf.315) Sie haben einen Insolvenzantrag zu stellen, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO, und die (nunmehr der Gläubigerbefriedigung gewidmeten) Aktiva der Gesellschaft grundsätzlich nicht mehr anzurühren, § 15b InsO. Demgegenüber gibt es derartige Regelungen im Recht der Personengesellschaften nicht allgemein. Auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erweist sich die Fortführung des Unternehmens hier wegen der unbeschränkten persönlichen Gesellschafterhaftung nicht als Spekulation auf Kosten (Risiko) der Gläubiger.316) Einzig für den Fall, dass keine natürliche Person unbeschränkt persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, gelten Antragspflicht und Zahlungsverbot, §§ 15a Abs. 1 S. 3, 15b Abs. 5 InsO. Bei diesen Gesellschaften könnte eine teleologische Reduktion bereits mit Eintritt der materiellen Insolvenz erwogen werden, weil die Gesellschaft bereits ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Gesellschafterinteresse zu führen ist. Dieser „Sonderfall“ entpuppt sich für den Kommanditisten als praktischer Regelfall, denn anders als bei der OHG machen derartige Gesellschaften rechtstatsächlich den Großteil der Kommanditgesellschaften aus, namentlich in Form der GmbH & Co. KG.317) Man kann sogar noch weiter gehen: Auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit einer GmbH & Co. KG kann nämlich eine vergleichbare Verschiebung der maßgeblichen Interessen zumindest dann angenommen werden, wenn sich das Ermessen des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH zu einer Pflicht zur Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens verstärkt hat, §§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 43 Abs. 1 S. 1 StaRUG.318)
144 Es ginge allerdings zu weit, die Gesellschafter ohne Weiteres derart umfassend von ihrer akzessorischen Haftung zu entlasten. Denn: Dass die Geschäftsführung die ___________ 314) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 122; MüKoInsO/Ganter/Bruns, § 1 Rn. 85; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 4 f. 315) Bitter, ZIP 2021, 321, 322 m.w.N. 316) Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.04. 317) Zahlen bei MüKo-HGB/Grunewald, § 161 Rn. 13 m.w.N. 318) Trotz der Streichung der §§ 2, 3 RegE-StaRUG, vgl. BT-Drucks. 19/24181, S. 14, die ausdrücklich eine haftungsbewehrte Pflicht der Geschäftsleitung zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen bei drohender Zahlungsunfähigkeit vorgesehen hatten, ist eine solche Pflicht auch nach geltendem Recht nicht ausgeschlossen. Art. 19 lit. a) und Erwägungsgrund 71 der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU) 2019/1023 sind insoweit im Wege richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen. Eingehend zum shift of fiduciary duties im Kontext des StaRUG Brinkmann, KTS 2021, 303 ff.; P. Scholz, ZIP 2021, 219 ff.; Eckert/ Holze/Ippen, NZI 2021, 153 ff.; Bitter, ZIP 2021, 321, 322; Thole, BB 2021, 1347, 1348 f., der eine derartige Ermessensreduzierung für einen theoretischen Fall hält.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Interessen der Gläubiger wahren muss, bedeutet noch nicht, dass dies auch der gelebten Praxis entspricht. Zumindest der Eintritt der Überschuldung wird in der Mehrheit der Fälle (zunächst) nicht bemerkt oder ignoriert, obwohl die Missachtung insolvenzrechtlicher Verpflichtungen sowohl privatrechtlich (z.B. § 15b InsO, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO) als auch strafrechtlich (z.B. § 15a Abs. 4 bis 6 InsO, § 283 StGB) scharf sanktioniert ist.319) Wenn die Geschäfte der Gesellschaft dann aber trotz materieller Insolvenz unverändert fortgeführt werden, besteht kein Grund, den Gesellschaftern eine Haftungsprivilegierung zu verschaffen, weil der Gleichlauf von Haftung und Eigennutz trotz entgegenstehender Pflichten faktisch aufrechterhalten wird. Die vorstehenden Überlegungen illustrieren, dass die konsequente und zugleich 145 praxistaugliche Eingrenzung der Kommanditistenhaftung anhand des (rechtlich oder faktisch) gestörten Gleichlaufs von Eigennutz und Haftung komplex ist.320) Zumindest macht es sich der IX. Senat zu einfach, wenn er die im Eröffnungsverfahren mit Zustimmung eines „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten (Masse-)Verbindlichkeiten schon deshalb von der teleologischen Reduktion ausnimmt, weil „die Gesellschafter Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen können“321). Gleiches gilt für den II. Senat, der eine Haftung „jedenfalls […] für Verbindlichkeiten […], die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind“, annimmt.322) Stattdessen müsste zusätzlich untersucht werden, inwieweit die Gesellschafter bei der Forderungsbegründung bzw. vor Verfahrenseröffnung bereits zur Wahrung der Gläubigerinteressen, als „Amts___________ 319) Zur Diskrepanz von insolvenzrechtlichem Pflichtenprogramm und Rechtswirklichkeit in anderem Kontext sowie zu möglichen Ursachen Piroth, Umsatzsteuerliche Organschaft in Krise und Insolvenz, Rn. 320 f.; vgl. auch Bitter/Hommerich/Reiß, ZIP 2012, 1201, 1206; Haarmeyer, ZInsO 2009, 1273; Kirchstein, ZInsO 2006, 966, 967, zufolge liegt der Eintritt der materiellen Insolvenz durchschnittlich über zehn Monate vor Antragstellung. 320) Vor „erheblichen Unsicherheiten“ warnt (zur Haftung nach § 128 HGB a.F. [§ 126 HGB n.F.]) auch Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 87. Abgrenzungsüberlegungen nach Fallgruppen bei HK-InsO/J. Schmidt, § 93 Rn. 21 ff. Zu vergleichbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führt der Vorschlag von Dimassi, EWiR 2020, 533, 534, wonach zu prüfen sein soll, ob sich das Handeln eines vorläufigen Verwalters „als dem Insolvenzverfahren vorweggenommene Verwertungshandlung oder als Rechtsgeschäft im gewöhnlichen Geschäftsgang des Schuldners darstellt“. 321) BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 29; dem zustimmend MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 121; kritisch insoweit auch J. Schmidt/Glasmacher, NZI 2021, 443, 444, die anzweifeln, ob tatsächlich eine „freie Entscheidung des Schuldners“ gegeben ist. 322) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 40 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 37 und Leitsatz; Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 17; auch MüKo-HGB/ K. Schmidt, 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 81, erklärt den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für maßgeblich. Gerade für durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten würde sich die Annahme einer Haftung aber erkennbar in Widerspruch zur sonstigen Begründung der (haftungsausschließenden) teleologischen Reduktion setzen.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
walter in eigenen Angelegenheiten“ handelten.323) Konsequenterweise zieht Madaus deshalb eine Haftungsbeschränkung in der vorläufigen Eigenverwaltung in Erwägung, für die § 276a Abs. 3 InsO deutlich macht, dass die Gläubigerinteressen bereits in den Vordergrund rücken müssen.324) Die vom II. Zivilsenat vorgeschlagene haftungsrelevante Zäsur „jedenfalls“325) mit Verfahrenseröffnung kann zwar eine klare Abgrenzung und damit hohe Praxistauglichkeit für sich beanspruchen, sie muss sich dabei aber den Vorwurf dogmatischer Inkonsequenz gefallen lassen.
146 Unabhängig von der konkreten Grenzziehung kann eines nach dem Vorstehenden festgehalten werden: Die Unterschiede zwischen Komplementär und Kommanditist in Bezug auf ihre organisationsrechtliche Stellung in der Gesellschaft stehen einer Übertragung der zu § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) erwogenen teleologischen Reduktion auf § 171 Abs. 1 HGB nicht prinzipiell entgegen.326) Auch hier kommt es zu einer Störung des Gleichlaufs von Eigennutz und Haftung.
(2) Die Kommanditistenhaftung als Massebestandteil 147 Weitergehende Überlegungen zur Ausdifferenzierung der Grenzen einer so begründeten Haftungseinschränkung erübrigen sich aber, weil die – von der Gesellschafterhaftung nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) verschiedene – Funktion der Kommanditistenhaftung es verbietet, einzelne Gruppen von Gesellschaftsgläubigern von der Teilhabe an diesem Haftungsreservoir auszuschließen. Aus der Tatsache, dass die Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB Bestandteil der Haftungs- und Insolvenzmasse der Gesellschaft sind, folgt zwar unmittelbar nichts für die Frage des maßgeblichen Gläubigerkreises, weil die Frage, wem der Kommanditist haftet, der Zuordnung und Abwicklung einmal begründeter Ansprüche logisch vorgelagert ist. Jedoch lassen dieselben Gründe, die für die haftungsrechtliche Zuordnung maßgeblich waren, keinen anderen Schluss zu, als dass auch den Gläubigern nach Verfahrenseröffnung begründeter Gesellschaftsverbindlichkeiten und damit auch allen Massegläubigern Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB zustehen.
___________ 323) Angedeutet in BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 37 = ZIP 2021, 255, Rn. 29; Urt. v. 22.6.2021 – II ZR 101/19, NJW-RR 2021, 1269, Rn. 14; Urt. v. 3.8.2021 – II ZR 194/20, NJW-RR 2021, 1199, Rn. 10. 324) Madaus, EWiR 2021, 177, 178. Böcker, DZWIR 2021, 587, 592, schlägt gar vor, § 276a Abs. 3 InsO teleologisch zu reduzieren, nur um eine Haftung des Kommanditisten zu ermöglichen. 325) In BGH, Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 20, lässt der Senat offen, ob eine Haftung darüber hinaus auch für Verfahrenskosten oder nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten besteht. Welcher Anwendungsbereich dann noch für die teleologische Reduktion der Haftung verbliebe, die auch der II. Senat befürwortet, erscheint fraglich. 326) In diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 39 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 33, 35; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 37 f.; a.A. Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 198; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Die Kommanditistenhaftung als Ganzes dient dazu, die Haftungsmasse der Gesell- 148 schaft um den mangels Einlageleistung oder wegen Einlagerückgewähr bestehenden Fehlbetrag zu ergänzen. Ist die Kommanditistenhaftung in diesem Sinne aber nur ein unselbständiger „Annex zur Haftung des Gesellschaftsvermögens“327), leuchtet ein, dass sie grundsätzlich demselben Gläubigerkreis zur Befriedigung zur Verfügung stehen muss. Die Richtigkeit dieses Befunds unterstreicht folgende Überlegung: Das Gesetz ermöglicht den Kommanditisten in der KG „flexible Investitionsentscheidungen“ im Innenverhältnis, weil der Mechanismus der §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB gewährleisten soll, dass die Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Kommanditist für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger neutral bleiben.328) Mit diesem System wäre es ersichtlich nicht vereinbar, wenn die – für die Gläubiger zufällige – Tatsache der Einlagenleistung oder -rückgewähr wesentliche Auswirkungen auf die Befriedigungschancen bestimmter Gläubiger hätte. Hat der Kommanditist eine Einlage an die Gesellschaft geleistet, so ist der eingelegte Vermögensgegenstand Bestandteil des Gesellschaftsvermögens geworden und als solcher ohne Frage und ausnahmslos dem Zugriff der Massegläubiger unterworfen. Nichts anderes darf dann für das Haftungsreservoir Kommanditistenhaftung gelten.329) Nicht nur die insolvenzrechtliche Einordnung als Masseverbindlichkeit ist also für 149 die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB unbedeutend. Auch auf die Abgrenzung zwischen vor und nach Verfahrenseröffnung begründeten Verbindlichkeiten kommt es nicht an, weil der Kommanditist grundsätzlich330) für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet.
(3) Die Haftsumme als Risikobetrag des Kommanditisten Darin liegt auch keine unangemessene oder unvorhersehbare Belastung des Kom- 150 manditisten. ___________ 327) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 50. 328) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 51; weniger deutlich BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 39 = ZIP 2021, 255, Rn. 34. 329) In diesem Sinne Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 12.05, 31.41; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109, befürwortet ebenfalls eine ausnahmslose Haftung für Masseverbindlichkeiten aufgrund der Verbindung von Einlage und Haftung. Er geht bei der Charakterisierung der Verknüpfung sogar einen Schritt weiter und sieht § 171 Abs. 1 HGB als Ausdruck einer Art „gesetzliche[n] Gläubigerbeitritt[s]“ zur Beitragsforderung der Gesellschaft, ebenda, Rn. 13. 330) Einzige Ausnahme sind neben einem ausgeschiedenen Kommanditisten (s. unten Rn. 159 f.) erneut die Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft. Die zusätzlich bestehende Möglichkeit, die Kommanditistenhaftung mit einzelnen Gesellschaftsgläubigern rechtsgeschäftlich auszuschließen, ist keine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz, sondern stellt letztlich nur einen besonderen Fall einer auch im Übrigen zulässigen Vollstreckungsvereinbarung dar, vgl. dazu im Allgemeinen MüKo-ZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 766 Rn. 36 m.w.N.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
151 Sofern die Gesellschafterhaftung speziell für die Verfahrenskosten nach § 54 InsO befürwortet wird, fehlt selten der Hinweis darauf, die Gesellschafter seien für die schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft verantwortlich, weshalb sie auch für die Kosten der dadurch notwendig gewordenen gemeinschaftlichen Vollstreckung geradestehen müssen.331) Diese Überlegung ist im Ansatz durchaus nachvollziehbar, wenngleich dadurch die akzessorische Haftung in die Nähe einer pönalen und schadensersatzähnliche Haftung gerückt wird. Für den Kommanditisten erweist sie sich indes als nicht zielführend. Er ist grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen, § 164 HGB, sodass ihm zumindest nicht in gleicher Weise vorgeworfen werden kann, die Gesellschaft in die Insolvenz gesteuert zu haben.332) Allerdings lässt sich für den Kommanditisten ein vergleichbarer Gedanke fruchtbar machen: Der Kommanditist hat sich mit der Gesellschaft an einem Unternehmen beteiligt und ist dadurch auch ein kalkulierbares unternehmerisches Risiko eingegangen.
152 An dieser Stelle lohnt es sich, die funktionalen Unterschiede zwischen Beitragspflicht im Innenverhältnis und Haftsumme im Außenverhältnis zu beleuchten. Durch die Haftsumme begrenzt der Kommanditist das Risiko seiner Investition mit Wirkung nach außen. Sie ist der für die Gläubiger sichtbare Betrag, bis zu dessen Höhe er signalisiert, durch Ausstattung der Gesellschaft mit eigenem Haftungskapital oder durch unmittelbare Außenhaftung zur Gläubigersicherung beizutragen. Dagegen ist die gesellschaftsvertragliche Beitragspflicht ein reines Gesellschaftsinternum. Im Regelfall der Vermögenseinlage ist sie der Beitrag des Kommanditisten zur Finanzierung der Gesellschaft, der im Umfang von der Haftsumme abweichen kann. Es steht dem Kommanditisten etwa frei, (auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen) mehr Vermögen in die Gesellschaft einzulegen und damit auch ein höheres Verlustrisiko auf sich zu nehmen. Die Beschränkung des Verlustrisikos auf das Innenverhältnis erlaubt es, die zusätzliche Risikoübernahme flexibel anzupassen oder sogar vollständig zurückzunehmen. Insoweit gelten nur die allgemeinen Grenzen, z.B. §§ 129 ff. InsO, § 826 BGB. Demgegenüber ist der Kommanditist an die nach außen maßgebliche Risikoübernahme in Form der Haftsumme gebunden und kann diese nur für künftige Gesellschaftsverbindlichkeiten sowie für die bereits bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur mit der fünfjährigen Enthaftungsperiode revidieren, § 174 HGB sowie § 137 Abs. 3 HGB n.F. (§ 160 Abs. 3 HGB a.F.) analog.333) ___________ 331) Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 44; Sieveking, Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S. 70 f.; in anderem Kontext Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 198; angedeutet von Böcker, DZWIR 2021, 587, 593; a.A. BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 28. 332) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 198. 333) Diese Unterschiede betont in anderem Kontext auch v. Olshausen, ZGR 2001, 175, 180 f.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Die Insolvenz markiert den Fehlschlag des Gesellschaftsunternehmens. In diesem 153 Moment realisiert sich zugleich endgültig das Investitionsrisiko der Gesellschafter. Weil die Haftsumme den nach außen verbindlichen (Mindest-)Umfang der Risikotragung des Kommanditisten beziffert, erscheint es als Selbstverständlichkeit, dass er bei Fehlschlag des Unternehmens mit diesem Betrag am Misserfolg teilhat. Ebenso selbstverständlich ist, dass der Risikobetrag gerade für die Tilgung der Kosten einer aufgrund dieses Misserfolgs notwendigen Abwicklung und der mit dieser Abwicklung einhergehenden334) neuen Verbindlichkeiten verfügbar sein muss.335) Es würde eine unbillige Risikoverlagerung auf die Gesellschaftsgläubiger bedeuten, wenn Befriedigungsdefizite in der Insolvenz einer KG auch entstehen könnten, bevor die Haftsummen aller Kommanditisten restlos für die Gläubigerbefriedigung aufgebraucht sind.336) Es besteht auch kein Anlass, den Kommanditisten als schutzbedürftig anzusehen: Er hat die Möglichkeit genutzt, sein Investitionsrisiko (durch Festlegung der Haftsumme) kalkulierbar337) zu begrenzen, und ihn trifft genau das Risiko, das er bereitwillig auf sich genommen hat.338) In Bezug auf die Haftung für Verfahrenskosten, § 54 InsO, sei schließlich folgen- 154 der Gedanke ergänzend angeführt: Für die Kosten der berechtigten prozessualen Rechtsdurchsetzung und Vollstreckung einzelner Gläubiger gegen die Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens haftet ein Kommanditist fraglos akzessorisch, §§ 91, 788 ZPO i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB. Gleiches gilt für die Kosten einer gesellschaftsrechtlichen Liquidation.339) Es wäre eine sachlich evident ungerechtfertigte Besserstellung, sollte er von der (Mit-)Tragung dieser Kosten gerade in dem Fall verschont bleiben, in dem das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, derart fehl___________ 334) Hinsichtlich pflichtwidrig begründeter Verbindlichkeiten ist der Schutz des haftenden Kommanditisten nach § 60 InsO gewährleistet. Zur Beteiligtenstellung des Kommanditisten s. BGH, Urt. v. 16.9.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2010, 2164, Rn. 15. 335) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109; vgl. insoweit ohne Stellungnahme BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 38 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 32. 336) Ähnlich H.-F. Müller, EWiR 2020, 593, 594 und auch LG Stuttgart, Urt. v. 22.6.2022 – 27 O 45/22, NZG 2022, 1306, Rn. 33. S. auch schon die allgemeine Begründung zum Diskussionsentwurf (BMJ): Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, S. A39. Unmittelbar würde das Risiko zwar auf den Komplementär verlagert. Weil die KG-Insolvenz aber praktisch häufig dessen Insolvenz nach sich zieht, trifft es letztlich die Gläubiger. Eingehend zum Gedanken der Risikoumverteilung durch Haftungsbeschränkung Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 952 ff. 337) Zu diesem Aspekt der Haftungsbeschränkung im Rahmen einer umfassenden ökonomischen Analyse Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, S. 1034 f. 338) Vorbehalte gegen Rückschlüsse auf den Haftungsumfang aus der summenmäßigen Haftungsbeschränkung: BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 40 = ZIP 2021, 255, Rn. 35. 339) D.h. für die im Rahmen der Liquidation begründeten Verbindlichkeiten, vgl. MüKo-HGB/ K. Schmidt, § 156 Rn. 33; s. beispielsweise zur Vergütung der Liquidatoren MüKo-HGB/ K. Schmidt, § 146 Rn. 10 f.; s. zur alten Rechtslage auch § 156 HGB a.F. sowie zu den Gründen für das Entfallen dieser Vorschrift die Begründung zum RegE-MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 247.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
schlägt, dass die Verwertung des gesamten Gesellschaftsvermögens zugunsten aller Gesellschaftsgläubiger zugleich notwendig wird.340)
dd) Zwischenergebnis und Konsequenzen 155 Nach alledem kann festgehalten werden: Die beschränkte Haftung des Kommanditisten besteht in der Insolvenz der Gesellschaft grundsätzlich341) ohne Einschränkungen auch für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten und damit für alle Masseverbindlichkeiten nach §§ 54, 55 InsO. Eine teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB ist insoweit nicht geboten.
156 Aus diesem Grund können die nach § 171 Abs. 2 HGB einzuziehenden Mittel im Rahmen der Masseplanung nach den §§ 26, 207, 208 InsO angesetzt werden. Zwar stellt § 26 Abs. 1 S. 1 InsO dem Wortlaut nach nur auf das „Vermögen des Schuldners“ ab, wie in den §§ 207, 208 InsO kommt es jedoch auf die voraussichtlich zur Deckung der Verfahrenskosten (für § 208 InsO: Masseverbindlichkeiten) verfügbare342) künftige Insolvenzmasse an.343) Wie für sonstige zur Masse einzuziehende Forderungen, etwa auch Insolvenzanfechtungsansprüche, müssen das Insolvenzgericht (§§ 26, 207 InsO) und der Insolvenzverwalter (§ 208 InsO) also prüfen, in welcher Höhe die Inanspruchnahme von Kommanditisten möglich und erfolgsversprechend ist.344) Die Tatsache, dass der Kommanditist durch Leistung an den Insolvenzverwalter die Gläubigerforderungen im Wege der cessio legis erwirbt,345) steht dem Ansatz der zu erwartenden Haftungsleistungen nicht entgegen. Weil die übergegangene Forderung bis zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger, denen der Kommanditist haftet, undurchsetzbar wird,346) verliert sie mit Übergang auf den Kommanditisten den Rang der Masseverbindlichkeit.347) ___________ 340) Jeweils zur unbeschränkten Gesellschafterhaftung: ähnlich Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 173 f.; a.A. Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 121 f. 341) Anders regelmäßig bei Haftung eines ausgeschiedenen Kommanditisten, s. sogleich S. 80 f. 342) Die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse berechtigt für sich genommen noch nicht zur Berücksichtigung im Rahmen der §§ 26, 207, 208 InsO: So können mit Absonderungsrechten belastete Massegegenstände richtigerweise nur in Höhe des Kostenbeitrags nach §§ 170 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 171 InsO und des zu erwartenden Erlösüberschusses berücksichtigt werden, vgl. Uhlenbruck-InsO/Vallender, § 26 Rn. 13; MüKo-InsO/Haarmeyer/Schildt, § 26 Rn. 21; Gottwald/ Haas-InsR-Hdb/Gundlach, § 15 Rn. 6. 343) Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Gundlach, § 15 Rn. 6; MüKo-InsO/Haarmeyer/Schildt, § 26 Rn. 20; K. Schmidt-InsO/Keller, § 26 Rn. 10; Jaeger-InsO/Schilken, 1. Aufl. 2004, § 26 Rn. 12 mit Erläuterung des abweichenden Gesetzeswortlauts. 344) Vgl. Jaeger-InsO/Schilken, 1. Aufl. 2004, § 26 Rn. 13; K. Schmidt-InsO/Keller, § 26 Rn. 15; Uhlenbruck-InsO/Vallender, § 26 Rn. 14; MüKo-InsO/Haarmeyer/Schildt, § 26 Rn. 22. 345) H.M. vgl. Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 92 m.w.N. 346) S. noch unten Rn. 407. 347) Für die fortbestehende Einordnung als Masseverbindlichkeit: Marotzke, DB 2013, 621, 623; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 199.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Haftung des Kommanditisten für (alle) Masse- 157 verbindlichkeiten auch scheinbar kuriose Folgen hat. Kesseler hat (zu § 128 HGB a.F. [§ 126 HGB n.F.]) auf die erfolglose Inanspruchnahme des Gesellschafters durch den Insolvenzverwalter hingewiesen:348) In diesem Fall bleibt dem Gesellschafter die Tragung der Verfahrenskosten (hinsichtlich des Haftungsprozesses) nach § 91 ZPO zunächst erspart. Im Wege der akzessorischen Haftung muss er jedoch dafür aufkommen.349) Dieses Ergebnis ist aber nicht unsachgemäß, macht man sich klar, dass der Kommanditist eben nicht als obsiegender Prozessbeteiligter für die Verfahrenskosten haftet, sondern als Gesellschafter für eine neu entstandene Gesellschaftsverbindlichkeit, die nur zufällig im Zusammenhang mit einem Prozess gegen ihn selbst entstanden ist. Nicht anders verhält es sich im Übrigen außerhalb der Insolvenz, sollte der Kommanditist erfolglos gerichtlich durch die Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Sofern man der Rechtsprechung folgt und entgegen der hier vertretenen Ansicht 158 eine Beschränkung der Haftung befürwortet, kann zumindest festgehalten werden, dass die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB keineswegs davon abhängt, ob der Gesellschaftsgläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse der Gesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend machen kann.350) Zur Vermeidung von Missverständnissen – man denke an die pauschale Formulierung der Haftungsbegrenzung in der obergerichtlichen Rechtsprechung – sollte deshalb von einer Beschränkung der Haftung auf vor Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten/Altverbindlichkeiten oder einem Ausschluss der Haftung für Neuverbindlichkeiten in der Insolvenz gesprochen werden, ohne dabei an die insolvenzrechtliche Qualifizierung anzuknüpfen. Es erscheint dann allerdings sehr fragwürdig, ob der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung tatsächlich stets die Grenze der Haftung markieren sollte.
ee) Ausgeschiedener Kommanditist Bei Anwendung der soeben gefundenen Ergebnisse ist es nicht prinzipiell ausge- 159 schlossen, dass auch ein ausgeschiedener Kommanditist für Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 171 Abs. 1 HGB haftet, die im Gesellschaftsinsolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten sind. Wird das Insolvenzverfahren nach Ausscheiden eines Kommanditisten eröffnet, gelten für die Haftung des Ausgeschiedenen vielmehr die allgemeinen Grundsätze.351) Für Gesellschaftsverbindlichkeiten, die zur Zeit ___________ 348) Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 550. 349) War die Klage des Insolvenzverwalters von vornherein aussichtslos, kommt lediglich eine Schadensersatzhaftung nach § 60 InsO in Betracht. 350) Ebenso Thole, WuB 2021, 226. 351) Vgl. Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 14; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 200; Heidel/SchallHGB/Schall, § 171 Rn. 122; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 132.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
seines Ausscheidens begründet sind, haftet er nach Maßgabe der Enthaftungsregelung in § 137 Abs. 1 n.F. (§ 160 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, für die nach seinem Ausscheiden begründeten Neuverbindlichkeiten dagegen nicht.
160 Eine Altverbindlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die „Rechtsgrundlage“ der Forderung (durch Abschluss eines Vertrags oder Erfüllung des Tatbestands eines gesetzlichen Schuldverhältnisses) vor dem Ausscheiden gelegt wurde, ohne dass es auf die Entstehung des Forderungsrechts selbst oder dessen Durchsetzbarkeit ankommt.352) Für Verfahrenskosten, § 54 InsO, vom Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sowie Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse, § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, ist eine unmittelbare Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten danach regelmäßig ausgeschlossen,353) weil diese Verbindlichkeiten nicht vor Verfahrenseröffnung begründet werden können. Ist der Kommanditist vor Antragstellung aus der Gesellschaft ausgeschieden, gilt Entsprechendes für Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO. Für Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO bleiben dagegen die Zeitpunkte des Ausscheidens und der Forderungsbegründung maßgeblich.
ff) Haftung bei fehlender Eintragung 161 Zuletzt bleibt noch die Frage, wie die Grenzen der unbeschränkten Kommanditistenhaftung nach § 176 HGB in der Insolvenz abzustecken sind.
162 Während der (nicht ausgeschiedene) Kommanditist nach § 171 Abs. 1 HGB uneingeschränkt auch für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten einzustehen hat, sprechen die oben genannten Gründe dafür, die Haftung des unbeschränkt haftenden Gesellschafters in der Insolvenz durch teleologische Reduktion des § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) auf Altverbindlichkeiten zu beschränken. Nimmt man das Gesetz beim Wort und lässt den Kommanditisten bei fehlender Eintragung „gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter“ haften – und damit nur für Altverbindlichkeiten –, dann stünde er insoweit bei der unbeschränkten Haftung nach § 176 HGB besser, als im Rahmen der beschränkten Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB. Eine solche Besserstellung des Kommanditisten (zulasten der ___________ 352) BGH, Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 258/67, BGHZ 55, 267, 269 f. = NJW 1971, 1268; Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 43 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 43; Oetker-HGB/Boesche, § 128 Rn. 53; Heidel/Schall-HGB/Seeger, § 128 Rn. 44; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/ Hillmann, § 128 Rn. 46 ff. Altforderungen liegen danach z.B. vor, wenn aus einem bestehenden Vertrag eine neue Gewährleistungsverbindlichkeit entsteht oder eine Vereinbarung durch Bedingungseintritt wirksam wird. 353) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 44 ff. = ZIP 2021, 255, Rn. 44 ff. (Altverbindlichkeit im Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei vollständigem Vorliegen des Besteuerungsgrunds vor Ausscheiden). Zur Frage inwieweit den nach § 171 Abs. 2 HGB vom ausgeschiedenen Kommanditisten eingezogenen Mitteln ein Beitrag zu den Kosten des Insolvenzverfahrens oder zumindest zu den Kosten der Einziehung entnommen werden kann s. unten Rn. 324 ff., 350 ff.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Neugläubiger) widerspräche dem Zweck des § 176 HGB aber ersichtlich, ungeachtet dessen, ob man diesen in erster Linie im Schutz des Vertrauens des Rechtsverkehrs sieht oder in der Sanktionierung der fehlenden Eintragung.354) Weil § 176 HGB dem Kommanditisten aber zugleich keine strengere Haftung auferlegen möchte als dem Komplementär,355) erscheint es sachgerecht, die Haftung für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten auch bei fehlender Eintragung als „RestHaftung“ nach § 171 Abs. 1 HGB auf die vereinbarte Haftsumme zu beschränken.
gg) Annex: Haftung für nachrangige Insolvenzforderungen Hinsichtlich der Insolvenzforderungen, die gemäß § 39 InsO nachrangig zu befrie- 163 digen sind, ist ebenfalls vereinzelt bestritten worden, dass sie von der beschränkten Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB erfasst sind.356) Nach den zuvor hinsichtlich der Masseverbindlichkeiten gewonnenen Erkenntnissen steht außer Frage, dass diese Ansicht keine Zustimmung verdient.357) Eine Begründung bleiben die insoweit für eine Haftungseinschränkung plädierenden Stimmen ohnehin schuldig,358) was umso mehr vor dem Hintergrund überrascht, dass die in Rechtsprechung und Literatur befürwortete teleologische Reduktion insoweit nicht bemüht werden kann. Bei den nachrangigen Insolvenzverbindlichkeiten handelt es sich nämlich ausnahmslos um Altverbindlichkeiten.359) Praktisch bedeutet die Haftung des Kommanditisten für nachrangige Verbindlich- 164 keiten, dass das Insolvenzgericht die nachrangigen Gläubiger gemäß § 174 Abs. 3 S. 1 InsO zur Anmeldung ihrer Forderungen auffordern sollte, wenn sich abzeich___________ 354) S. oben Rn. 20. 355) Vgl. eingehend die Begründung zum RegE-MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 258 f.; s. auch Oetker-HGB/Oetker, § 176 Rn. 24; Staub-HGB/Thiessen, § 176 Rn. 93. 356) LG Offenburg, Urt. v. 16.1.2018 – 2 O 26/18, ZInsO 2018, 1055, 1056 f.; AG Völklingen, Urt. v. 5.2.2020 – 5 C 98/19, ZInsO 2020, 430, 432; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1193; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 299. 357) Im Ergebnis ebenso: BGH, Urt. v. 10.11.2020 – II ZR 132/19, ZInsO 2021, 102, Rn. 30; Beschl. v. 13.10.2020 – II ZR 40/20, ZInsO 2021, 914, Rn. 17 f.; OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1033; OLG Hamm, Urt. v. 2.9.2019 – 8 U 3/19, ZInsO 2019, 2648, 2652; OLG Schleswig, Urt. v. 7.9.2016 – 9 U 9/16, BeckRS 2016, 127964, Rn. 24; Heitsch, ZInsO 2020, 915, 916; Schur, EWiR 2020, 503, 504; inzwischen auch Jarchow/Hölken, ZInsO 2021, 1937 f. mit fragwürdiger Begründung. 358) Einzig das LG Offenburg, Urt. v. 16.1.2018 – 2 O 26/18, ZInsO 2018, 1055, 1056, bietet einen Zirkelschluss an: Die Haftung für nachrangige Verbindlichkeiten scheide aus, da ansonsten die Beschränkung der Kommanditistenhaftung auf den zur Befriedigung seiner Haftungsgläubiger erforderlichen Betrag umgangen zu werden drohe. Zu diesen Gläubigern gehören, so das Gericht, nachrangige Gläubiger aber nicht. 359) Zwar können die Ansprüche nach § 39 InsO auch erst nach Verfahrenseröffnung entstehen. Entscheidend für die vorgeschlagene haftungsrelevante Abgrenzung ist aber nicht, ob das Forderungsrecht bei Verfahrenseröffnung bereits besteht, sondern dass dessen „Rechtsgrundlage“ in diesem Zeitpunkt gelegt ist, BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 43 f. = ZIP 2021, 255, Rn. 42 f.; s. auch oben Fn. 352.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
net, dass die vorhandene Masse (unter Berücksichtigung der zu erwartenden Haftungserlöse nach § 171 Abs. 2 HGB) zur Befriedigung der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger genügen wird, und die Inanspruchnahme von Kommanditisten auch darüber hinaus möglich ist.
b) Zentralisierte Einziehung auch von Haftungsansprüchen der Massegläubiger 165 Nach seinem Wortlaut differenziert das Gesetz in § 171 Abs. 2 HGB hinsichtlich der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht danach, welchen insolvenzrechtlichen Rang die der Haftung zugrundeliegende Gesellschaftsverbindlichkeit hat. Der Zweck der Vorschrift, die Kommanditistenhaftung als Bestandteil der Gesellschaftsinsolvenzmasse zu behandeln, könnte allerdings mit Blick auf die insolvenzrechtliche Stellung der Massegläubiger daran zweifeln lassen, ob die zentralisierte Einziehung durch den Verwalter auch für deren Haftungsforderungen geboten ist.
166 Massegläubiger haben im Insolvenzverfahren Aussicht auf vollständige Befriedigung, sofern nicht die Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter angezeigt wurde, vgl. §§ 208, 209 InsO. Ein Wettlauf der Gläubiger mit Nachteilen für langsamere, weniger durchsetzungsstarke Gläubiger droht deshalb innerhalb der Gruppe der Massegläubiger nicht. Aus diesem Grund können Massegläubiger, anders als Insolvenzgläubiger (§§ 87, 89 InsO), auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Individualklagen erheben und grundsätzlich auch die (Einzel-)Zwangsvollstreckung betreiben, vgl. nur §§ 90, 210 InsO.360) Weil der Befriedigungsvorrang der Massegläubiger, wie noch erläutert wird,361) auch in Bezug auf die beschränkte Kommanditistenhaftung gilt, fehlt es insoweit scheinbar an einem Bedürfnis für die zentralisierte Einziehung durch den Insolvenzverwalter. Vor diesem Hintergrund möchte Oepen die „Massegläubiger-Haftungsgläubiger“ bei zulänglicher Gesamtmasse von der Wirkung des § 171 Abs. 2 HGB ausnehmen362) und auch zu § 93 InsO wird eine solche Ausnahme befürwortet.363)
167 Obwohl der Normzweck die Einziehung von Haftungsansprüchen der Massegläubiger in der Tat nur eingeschränkt deckt, sprechen praktische Gesichtspunkte dafür, § 171 Abs. 2 HGB ausnahmslos auch für diese Ansprüche anzuwenden.364) ___________ 360) Uhlenbruck-InsO/Mock, § 87 Rn. 9, § 89 Rn. 13; HK-InsO/Kayser, § 87 Rn. 3; K. SchmidtInsO/Keller, § 89 Rn. 12. 361) S. unten Rn. 374 ff. 362) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 200 ff. (einheitlich für alle Einziehungsvorbehalte). 363) MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 20, und Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 59, gehen offenbar von der ausnahmslosen Nichtanwendung des § 93 InsO bei Haftung für Masseverbindlichkeiten aus. 364) In Ergebnis ebenso: BGH, Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 31; missverständlich Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 92.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
Ließe man die eigenständige Inanspruchnahme von Kommanditisten durch Massegläubiger am Insolvenzverwalter vorbei zu, würde dies die Arbeit des Insolvenzverwalters nämlich potenziell erheblich beeinträchtigen: Er wäre weder über die Befriedigung der Massegläubiger, noch über die fortschreitende Ausschöpfung der Kommanditistenhaftung informiert, wodurch ihm ein planvolles Vorgehen – auch zur Vermeidung eigener Haftung, § 61 InsO – unnötig erschwert würde. Insoweit besteht auch ein wichtiger Unterschied zur Durchsetzung von Masseverbindlichkeiten bezüglich der sonstigen Insolvenzmasse: Etwaige Klagen der Massegläubiger sind ebenso gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu richten wie Vollstreckungsmaßnahmen,365) sodass dieser stets in die Befriedigung der Massegläubiger eingebunden und darüber informiert ist. Die Möglichkeit zur individuellen Einziehung brächte im Übrigen für die Massegläubiger selbst praktische Schwierigkeiten mit sich: Auch sie hätten bei einem unkoordinierten, individuellen Vorgehen keine Möglichkeit zu erkennen, welche Kommanditisten bereits durch andere Massegläubiger oder den Insolvenzverwalter haftungserschöpfend in Anspruch genommen wurden. Aus diesen Gründen muss die Einziehung der Haftungsverbindlichkeiten von Massegläubigern stets – und nicht bloß nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit – in den Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB fallen.
2.
Keine analoge Anwendung auf Parallelsicherheiten
Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters aus § 171 Abs. 2 HGB betrifft 168 lediglich die Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB. § 93 InsO erfasst daneben die Ansprüche gegen den Kommanditisten nach § 176 HGB. Ansprüche einzelner Gläubiger der insolventen KG gegen Kommanditisten aus einem anderen Rechtsgrund sind weder von der einen noch von der anderen Vorschrift unmittelbar erfasst. Die Gläubiger sind aus diesem Grund an der eigenständigen Geltendmachung dieser Ansprüche auch während des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens grundsätzlich nicht gehindert. Für die Einziehung der unbeschränkten Gesellschafterhaftung nach § 93 InsO wurde allerdings eine ausnahmsweise Erweiterung der Verwalterbefugnisse im Analogiewege für den Fall diskutiert, dass der Gesellschafter einzelnen Gläubigern darüber hinaus aufgrund einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet.366) Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof lehnten in Entscheidungen in den Jahren 2001 und 2002 die (analoge) Anwendung des § 93 InsO auf eine parallele Haftung für Gesellschaftsverbind___________ 365) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Pape/Schaltke, 43. EL. 02/2011, § 53 Rn. 34; HambK-InsR/ Jarchow, § 53 InsO Rn. 19; MüKo-InsO/Vuia, § 80 Rn. 96h. Je nach Art der Masseverbindlichkeit kommt zwar auch die Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners mit seinem insolvenzfreien Vermögen in Betracht. Auch sofern man ein insolvenzfreies Vermögen in der Insolvenz einer Gesellschaft für möglich hält, vgl. MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 118 ff. m.w.N., wird diese Möglichkeit praktisch kaum genutzt. Zu den Gründen s. Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Pape/Schaltke, 43. EL. 02/2011, § 53 Rn. 39 ff. 366) Zur Üblichkeit derartiger Parallelbürgschaften Marotzke, ZInsO 2008, 57.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
lichkeiten übereinstimmend mit der Begründung ab, der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich der Vorschrift bewusst auf die Haftung als Gesellschafter beschränkt,367) und setzten damit den bisherigen Schlusspunkt der Diskussion.
169 Zu § 171 Abs. 2 HGB wird eine entsprechende Analogie mit gutem Grund nicht erwogen,368) denn unabhängig von der Frage der planwidrigen Regelungslücke lassen sich die für eine analoge Anwendung des § 93 InsO angeführten Gesichtspunkte nicht auf diese Regelung übertragen.
170 Sieht man den Zweck des § 93 InsO in der Absicherung von Gläubigergleichbehandlung, so wird dessen analoge Anwendung auf Ansprüche aus Gesellschafterbürgschaften teilweise für notwendig gehalten, um zu verhindern, dass der von der Gesellschaftsinsolvenz ausgelöste Wettlauf um das Gesellschaftervermögen lediglich mit veränderter personeller Besetzung stattfindet – nämlich zwischen den Bürgschaftsgläubigern und dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft.369) Im Rahmen des § 171 Abs. 2 HGB ist die Gleichbehandlung der Haftungsgläubiger allerdings gefährdet, weil die Haftung rechtlich auf den Betrag der Haftsumme gedeckelt ist, und nicht (notwendigerweise), weil das vorhandene Gesamtvermögen des Kommanditisten nicht zur Befriedigung im geschuldeten Umfang genügt. Weil die Beschränkung auf die Haftsumme ausschließlich für die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB gilt und Leistungen auf eine Bürgschaftsverpflichtung des Kommanditisten somit nicht auf die ungedeckte Haftsumme angerechnet werden,370) ist die Gläubigergleichbehandlung insoweit grundsätzlich nicht betroffen. Auch der von Brinkmann für eine (eingeschränkte) analoge Anwendung des § 93 InsO angeführte Gedanke, die Sanierungsbereitschaft und -fähigkeit derjenigen Gesellschafter, die auf sonstiger Rechtsgrundlage in Anspruch genommen werden, werde potenziell erheblich ___________ 367) Jeweils zur Haftung nach §§ 69, 34 AO: BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245, 248 ff. = NJW 2002, 2718 f. (keine Analogie); BFH, Beschl. v. 2.11.2001 – VIII B 155/01, BFHE 197, 1, 2 ff. = NZI 2002, 173, 174 (keine „erweiternde Auslegung“). Der BFH erkennt „überdies gute Gründe dafür, Gläubiger, denen ein Gesellschafter etwas aus einem von seiner Gesellschafterstellung unabhängigen Rechtsgrund schuldet, gegenüber anderen Gläubigern in der Insolvenz der Gesellschaft zu privilegieren“. Ebenso eine planwidrige Gesetzesunvollständigkeit ablehnend MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 InsO Rn. 21; Bunke, KTS 2002, 471, 479 ff.; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1082; a.A. Bork, NZI 2002, 362, 363 f.; Kesseler, ZInsO 2002, 549, 553 f., der sogar eine direkte Anwendung des § 93 InsO befürwortet. 368) Ablehnend BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245, 249 = NJW 2002, 2718, 2719; Haas/H. Müller, NZI 2002, 366, 367; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1082; Bunke, KTS 2002, 471, 481. 369) Bork, NZI 2002, 362, 364 f.; Kesseler, ZInsO 2002, 549, 554 ff.; kritisch auch Marotzke, ZInsO 2008, 57; a.A. Bunke, KTS 2002, 471, 483. Auch BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245, 251 = NJW 2002, 2718, 2719, BFH, Beschl. v. 2.11.2001 – VIII B 155/01, BFHE 197, 1, 4 f. = NZI 2002, 173, 174, MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 InsO Rn. 21, und K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1082, sehen eine Gefährdung des Normzwecks des § 93 InsO durch zur Umgehung vereinbarte Parallelsicherheiten, lehnen seine Anwendung aber dennoch – mangels planwidriger Gesetzesunvollständigkeit – ab. 370) Kesseler, ZInsO 2002, 549, 552.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
reduziert,371) trägt in Bezug auf § 171 Abs. 2 HGB nicht in gleicher Weise – zumal er auf einer von § 171 Abs. 2 HGB abweichenden Deutung des § 93 InsO372) beruht. Die Gesellschafter, die schon anfänglich durch Beteiligung als Kommanditist ihr Verlustrisiko begrenzen wollten (insbesondere Anlegerkommanditisten) werden in aller Regel nämlich ohnehin spätestens im Insolvenzfall kaum mehr bereit sein, zusätzliche Mittel für die Sanierung des Unternehmens zur Verfügung zu stellen.373) Zuletzt spricht auch die besondere Funktion des § 171 Abs. 2 HGB, der wie gesehen Ausdruck der haftungsrechtlichen Zuordnung der Haftungsansprüche zur Gesellschaft ist, gegen die analoge Anwendung auf Parallelverpflichtungen der Kommanditisten. Das Gesetz liefert keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass z.B. für die Bürgschaftsverpflichtung eine vergleichbare Zuordnung besteht. Danach bleibt es also bei dem Recht der Gläubiger, eine parallele Haftung für Gesellschaftsschulden individuell beim Kommanditisten einzufordern.374)
3.
Keine teleologische Reduktion bei fehlendem Verteilungskonflikt
§ 171 Abs. 2 HGB soll der Zugehörigkeit der Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB 171 zur Haftungsmasse der Gesellschaft Rechnung tragen, indem Verteilungskonflikte durch Einbeziehung in das Gesellschaftsinsolvenzverfahren auch insoweit nach insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln gelöst werden. Vor allem beim ausgeschiedenen Kommanditisten kann es jedoch im Einzelfall zu Situationen kommen, in denen Verteilungskonflikte hinsichtlich der beschränkten Außenhaftung gar nicht bestehen. Denkbar ist zum einen, dass der Ausgeschiedene nur einem einzigen Altgläubiger haftet, und zum anderen, dass die Gesamthöhe der Altverbindlichkeiten die ungedeckte Haftsumme nicht übersteigt. Weil der Wortlaut des § 171 Abs. 2 HGB in diesen Fällen keine Ausnahme von der Einziehungsbefugnis des Insol-
___________ 371) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 126 f., der vorschlägt, die analoge Anwendung auf die Sperrwirkung des § 93 InsO zu beschränken. 372) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 38 f., 103 ff. 373) Zur Entwicklung der Bereitschaft von Schiffsfonds-Kommanditisten, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen s. Müssgens/Mussler, FAZ v. 20.12.2016. 374) Es liegt in dieser Situation beim Kommanditisten, seine doppelte Inanspruchnahme wegen der gesicherten Forderung zu verhindern: Leistet er zunächst auf die Bürgschaftsverpflichtung an den Gläubiger, kann er sich in der Folge gegenüber dem Insolvenzverwalter, der nach § 171 Abs. 2 gegen ihn vorgeht, auf den Übergang der Gläubigerforderung nach § 774 Abs. 1 BGB und das Entfallen seiner Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB für die übergegangene (Teil-)Forderung berufen. Leistet er dagegen zunächst an den Insolvenzverwalter, geht der Anspruch des Gläubigers gegen die KG im Umfang des auf ihn entfallenden Anteils der Haftungsleistung auf den Kommanditisten über, § 774 Abs. 1 BGB analog. Insoweit kann der Gläubiger in der Folge auch nicht mehr aus der Bürgschaft gegen den Kommanditisten vorgehen (teilweiser Übergang der Bürgschaftsforderung nach § 401 BGB und Erlöschen durch Konfusion).
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
venzverwalters vorsieht und insoweit offenbar über den Normzweck hinausschießt, muss man über eine teleologische Reduktion nachdenken.375)
172 Das Bedürfnis für eine solche lässt sich jedenfalls nicht mit der (gewiss zutreffenden) Bemerkung beiseite wischen, es handle sich hierbei um seltene Konstellationen,376) denn auch seltene Fälle müssen einer sachgerechten Lösung zugeführt werden. Man mag stattdessen versucht sein, gegen die Beschränkung des § 171 Abs. 2 HGB die Parallele zum Insolvenzverfahren insgesamt zu bemühen, das auch bei Existenz lediglich eines einzigen Gläubigers für zulässig gehalten wird.377) Dies allerdings unter anderem, weil das Insolvenzverfahren auch den Schutz der schuldnerischen Haftungsmasse vor Verfügungen des Schuldners zulasten des einzigen Gläubigers ermöglicht.378) Für § 171 Abs. 2 HGB trifft dieser Gesichtspunkt dagegen nicht zu, denn der Kommanditist ist auch bei Eingreifen des § 171 Abs. 2 HGB nicht gehindert, zulasten der Befriedigungschancen des Haftungsgläubigers über sein Privatvermögen zu disponieren. Vuia verweist außerdem auf die durch das Insolvenzverfahren eröffnete Möglichkeit der Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO379) und auch dieser Gedanke lässt sich nicht auf § 171 Abs. 2 HGB übertragen. Die Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen eines Kommanditisten ist schon wegen der Eröffnung des Gesellschaftsverfahrens möglich, ohne dass die Geltung des § 171 Abs. 2 HGB dafür von Bedeutung wäre.380)
173 Die anderen Gründe, aus denen eine solche teleologische Reduktion des § 171 Abs. 2 HGB überwiegend abgelehnt wird,381) überzeugen aber: Es würde zu erheblichen Unsicherheiten für die Beteiligten führen, wollte man die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters vom Bestehen einer bestimmten Gläubigerzahl (mindestens 2) oder einer bestimmten Gesamthöhe der Haftungsforderungen (mindestens i.H.d. ungedeckten Haftsumme) abhängig machen. Das Vorliegen ebendieser Ausnahmevoraussetzungen wird nämlich vielfach nicht mit Sicherheit feststehen382) – zumindest zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, ab dem § 171 Abs. 2 HGB Wirkung entfaltet. Auch nach Ablauf der Frist zur Anmeldung von Insol___________ 375) Eine solche befürworten Unger, KTS 1960, 33, 37; Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 88; ebenso ohne Bezeichnung als teleologische Reduktion und nur hinsichtlich der Sperrwirkung: Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 171. 376) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 132. 377) LG Koblenz, Beschl. v. 27.11.2003 – 2 T 856/03, NZI 2004, 157; MüKo-InsO/Vuia, § 14 Rn. 20; Späth, ZInsO 2003, 910; zur KO bereits: RG, Urt. v. 11.1.1884 – Rev. III 217/83, RGZ 11, 40, 41 f. 378) Zur KO: RG, Urt. v. 11.1.1884 – Rev. III 217/83, RGZ 11, 40, 41 f. 379) MüKo-InsO/Vuia, § 14 Rn. 20. 380) S. dazu unten Rn. 431 ff. 381) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 81 ff.; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 135 ff.; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 261; Ebenroth/Boujong/Joost/StrohnHGB/Strohn, § 171 Rn. 108; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 386. 382) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 136.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
venzforderungen, §§ 28 Abs. 1, 177 Abs. 1 S. 1 InsO, und sogar nach Ende des Prüfungstermins383) kann sich ein dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern bislang unbekannter Gläubiger zu erkennen geben.384) Der individuell gegen den Kommanditisten vorgehende, anscheinend einzige Haftungsgläubiger müsste deshalb stets damit rechnen, dass sich seine Klage als (von Anfang an) unzulässig und unbegründet erweist.385) Auch der entgegengesetzte Fall, dass sich während der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB herausstellt, dass tatsächlich nur eine einzige Altforderung gegen den ausgeschiedenen Kommanditisten besteht und die angenommene Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters darum fehlt, ist ohne Weiteres denkbar. Leven bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „Die […] Nachteile, die mit dieser Ungewißheit verbunden wären, wiegen wesentlich schwerer als die Gefahr, daß der Verwalter einmal ohne inneren Grund mit der Aufgabe belastet wird, im Interesse nur eines Gesellschaftsgläubigers gegen den Kommanditisten vorzugehen“.386) Zudem drohte auch der Prüfungsumfang des Gerichts im Prozess gegen den Kommanditisten aufgebläht zu werden, da die Prozessführungsbefugnis des Klägers vom Bestehen oder Nichtbestehen weiterer (potenzieller) Drittansprüche abhinge.387) Belässt man dem Insolvenzverwalter das Einziehungsrecht dagegen unabhängig von der Zahl der Haftungsgläubiger und dem Umfang ihrer Ansprüche ist bei der Inanspruchnahme des Kommanditisten für klare Verhältnisse gesorgt.
4.
Exkurs: Einreden des Kommanditisten
Aus der akzessorischen Natur der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB folgt, dass die 174 Inanspruchnahme des Kommanditisten nur dann möglich ist, wenn der Gläubiger auch gegen die Gesellschaft vorgehen könnte: Der Kommanditist kann sich nach § 128 Abs. 1 n.F. (§ 129 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auf Einreden und Einwendungen der Gesellschaft berufen.388) Insbesondere kann er die Leistung unter Verweis auf die fehlende Fälligkeit oder die Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit verweigern. Hieran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn der Kommanditist nicht durch einen Gläubiger, sondern nach § 171 Abs. 2 HGB durch den In___________ 383) BGH, Beschl. v. 20.11.2014 – IX ZB 56/13, NZI 2015, 132, Rn. 10; Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11, ZIP 2012, 537, Rn. 10; vgl. auch zusammenfassend Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 177 Rn. 7 ff. zur Zulässigkeit der Forderungsanmeldung im Fortgang des Insolvenzverfahrens. 384) Noch unklarer kann das Bestehen nachrangiger Insolvenzforderungen sein, für die der Kommanditist ebenfalls haftet, s.o. S. 81 f., weil diese grundsätzlich nicht angemeldet werden können. 385) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 85. 386) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 86; zur Mehrbelastung des Insolvenzverwalters tritt freilich der Eingriff in das Recht des individuellen Gläubigers. 387) In diesem Sinne K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 136. 388) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 9; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 51.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
solvenzverwalter der Gesellschaft in Anspruch genommen wird.389) Im Einzelnen können aber insolvenzrechtliche Besonderheiten bestehen.
a) Fälligkeit 175 Die Gläubiger nehmen in der Insolvenz der Gesellschaft unabhängig von der Fälligkeit ihrer Forderungen am Insolvenzverfahren teil: Gemäß § 41 Abs. 1 InsO gelten alle Insolvenzforderungen390) als fällig. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Fälligkeitsfiktion auch gegenüber dem haftenden Kommanditisten Geltung beansprucht. Belässt man es bei der schlichten Anwendung des § 128 Abs. 1 n.F. (§ 129 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB ist die Antwort klar: Gegenüber der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft ist die fehlende Fälligkeit nach § 41 InsO unbeachtlich, sodass sich auch der Kommanditisten nicht darauf berufen kann.391) Vor dem Hintergrund der Ratio des § 41 InsO, die Durchführung des Insolvenzverfahrens durch sofortige Einbindung aller Gläubiger zu beschleunigen, besteht jedoch Einigkeit, dass die Regelung auf das Verhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und seinen Gläubigern beschränkt ist und grundsätzlich nicht gegenüber Dritten gilt.392) Entsprechend kann sich z.B. ein Bürge in der Insolvenz des Hauptschuldners trotz des § 41 InsO auf die fehlende Fälligkeit der Hauptforderung berufen.393) Nichtsdestotrotz plädiert die Mehrheit der Stimmen hinsichtlich persönlich haftender Gesellschafter für eine Berücksichtigung des § 41 InsO.394) Und das zu Recht, denn der Kommanditist ist kein außenstehender Dritter.395) Das äußert sich auch darin, dass für den Kommanditisten kein mit dem Bürgen vergleichbarer Schutz besteht.396) So kann die Gesellschaft auch außer___________ 389) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 97; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 166. 390) Zur Beschränkung des Normanwendungsbereichs auf Insolvenzforderungen: MüKo-InsO/ Bitter, § 41 Rn. 4 f.; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 41 Rn. 2. 391) Nicht überzeugend ist dagegen der Verweis auf die Bindung des Kommanditisten an die rechtskräftige Feststellung der Forderung, die auch ihre Fälligkeit einschließe: Weil die Fälligkeit der Forderung nach § 41 Abs. 1 InsO irrelevant ist, kann der Feststellung zur Tabelle insoweit keine Aussage entnommen werden. So aber MüKo-InsO/Bitter, § 41 Rn. 35. 392) BGH, Urt. v. 8.2.2000 – XI ZR 313/98, NJW 2000, 1408, 1409; HK-InsO/Keller, § 41 Rn. 13; MüKo-InsO/Bitter, § 41 Rn. 32; zum Zweck des § 41 InsO: Uhlenbruck-InsO/Knof, § 41 Rn. 1. 393) BGH, Urt. v. 8.2.2000 – XI ZR 313/98, NJW 2000, 1408, 1409; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.2.2013 – 1 U 168/12, NJW-RR 2013, 1270, 1271; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 41 Rn. 18; MüKo-InsO/Bitter, § 41 Rn. 32. 394) OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.11.2018 – 5 U 65/18, ZInsO 2019, 42, 48; OLG München, Beschl. v. 28.3.2019 – 14 U 3954/18, ZInsO 2019, 1277; Beschl. v. 8.5.2018 – 7 U 3756/17, BeckRS 2018, 13786, Rn. 13 f.; MüKo-InsO/Bitter, § 41 Rn. 35; K. Schmidt-InsO/Thonfeld, § 41 Rn. 13; Runge, NZI 2014, 492, 494; a.A. BeckOK-InsR/Jungmann, § 41 InsO Rn. 21; ebenso offenbar Uhlenbruck-InsO/Knof, § 41 Rn. 17; offengelassen von OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2274; OLG München, Urt. v. 26.4.2018 – 23 U 1542/17, ZInsO 2018, 1517, 1521. 395) OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.11.2018 – 5 U 65/18, ZInsO 2019, 42, 48; OLG München, Beschl. v. 8.5.2018 – 7 U 3756/17, BeckRS 2018, 13786, Rn. 13. 396) Jacoby, EWiR 2018, 275, 276.
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B. Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB
halb der Insolvenz jederzeit mit dem Gläubiger mit Wirkung zulasten des Kommanditisten eine Vorverlegung der Fälligkeit vereinbaren, während im Bürgschaftsrecht das Verbot der Fremddisposition nach §§ 767 Abs. 1 S. 3, 768 Abs. 2 BGB einer Vereinbarung zuungunsten des Bürgen entgegensteht. Im Unterschied zur Bürgenhaftung wird die Kommanditistenhaftung zudem innerhalb des Insolvenzverfahrens abgewickelt, sodass es dabei bleibt, dass die Wirkungen des § 41 InsO auf das Insolvenzverfahren beschränkt sind. An dieser Stelle kann schließlich auf die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche rekurriert werden, durch die sich die Haftung des Kommanditisten wie gesehen von derjenigen eines Bürgen unterscheidet.397) Erlaubt die Insolvenzordnung die Partizipation an der Verteilung der Insolvenzmasse unabhängig von der Fälligkeit des Forderungsrechts, so muss dies auch für die Verwertung der Kommanditistenhaftung gelten. Dem Beschleunigungszweck des § 41 InsO wäre nur sehr unvollständig Rechnung getragen, wenn nicht die gesamte Insolvenzmasse zugunsten der als fällig fingierten Forderungen verwertet werden könnte. Mit der Geltung des § 41 InsO gegenüber Kommanditisten geht einher, dass auch die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB auf die nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinste Forderungshöhe beschränkt ist.398) Selbst wenn man dem Kommanditisten aber ungeachtet der Fälligkeitsfiktion nach 176 § 41 Abs. 1 InsO die Möglichkeit zusprechen möchte, sich auf die fehlende Fälligkeit zu berufen, wird er dies in der Praxis kaum einmal mit Erfolg tun: Der Bundesgerichtshof nimmt eine Bindung des Kommanditisten an die rechtskräftigen Feststellungen zur Insolvenztabelle an399) und die obergerichtliche Rechtsprechung sieht bislang übereinstimmend auch die Fälligkeit der Forderung von dieser Feststellung erfasst.400)
b) Verjährung Die Einrede der Verjährung kann dem Kommanditisten in zweierlei Hinsicht ge- 177 gen eine Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB zustehen. Erstens kann er sich nach § 128 Abs. 1 n.F. (§ 129 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auf die Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit berufen. Und zweitens kann auch die Haf___________ 397) Für „nicht vergleichbar“ halten die Kommanditistenhaftung einerseits und die Bürgenhaftung andererseits auch das OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2274, und das OLG München, Urt. v. 26.4.2018 – 23 U 1542/17, ZInsO 2018, 1517, 1521; Beschl. v. 4.6.2018 – 23 U 1542/17, BeckRS 2018, 13784, Rn. 8. 398) Keineswegs überzeugend ist der Ansatz des OLG Koblenz, Urt. v. 1.4.2014 – 3 U 752/13, NZI 2014, 509, 512, das von der Anwendbarkeit des § 41 Abs. 1 InsO (unausgesprochen) ausgeht, eine Abzinsung nach § 41 Abs. 2 InsO aber ablehnt, kritisch dazu auch MüKo-InsO/ Bitter, § 41 Rn. 35 in Fn. 124. Beide Absätze des § 41 InsO sind als Regelungseinheit konzipiert und können nur als solche Anwendung finden. 399) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 332 ff. = ZIP 2018, 640, Rn. 21 ff. 400) OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.7.2020 – 1 U 75/19, NZI 2020, 955, Rn. 40; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2274; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.4.2018 – 11 U 104/17, ZInsO 2018, 1855, 1859 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
tungsforderung nach § 171 Abs. 1 HGB verjährt sein. Zwar unterliegt letztere wegen der Akzessorietät der Haftung grundsätzlich keiner eigenständigen Verjährung,401) bis zum Inkrafttreten des MoPeG findet in der Insolvenz der Gesellschaft aber eine Sonderregelung Anwendung: Gemäß § 159 Abs. 1, 2 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB a.F. verjähren die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB fünf Jahre, nachdem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wurde. Weil die Gesellschaft nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB a.F. auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird, beginnt die Sonderverjährungsfrist mit Eintragung402) der Verfahrenseröffnung. Nach § 151 Abs. 1, 2 HGB n.F. ist künftig jedoch die Eintragung des Erlöschens der Gesellschaft das fristauslösende Ereignis, sodass die Sonderverjährung im laufenden Insolvenzverfahren bedeutungslos sein wird.
178 Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, warum die Verjährung bei der Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB schon nach der aktuellen Rechtslage kaum eine Rolle spielt. Nach § 159 Abs. 4 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB a.F. wirkt die Hemmung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft gleichermaßen auch gegenüber dem Kommanditisten. Diese Regelung enthält nicht lediglich eine Klarstellung, dass die Hemmung dem Gesellschafter die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeit abschneidet (insoweit bereits § 129 Abs. 1 HGB a.F.), sondern erstreckt die Verjährungshemmung zudem auf die Sonderverjährung nach § 159 Abs. 1 HGB a.F.403) Die Anmeldung einer Gläubigerforderung zur Insolvenztabelle im Gesellschaftsverfahren hemmt folglich nach § 204 Nr. 10 BGB i.V.m. §§ 159 Abs. 4, 161 Abs. 2 HGB a.F. die Verjährung des dazugehörigen Haftungsanspruchs.404) Lediglich für Forderungen gegen die Gesellschaft, die (zunächst) nicht zur Tabelle angemeldet werden (können), insbesondere Masseverbindlichkeiten und nachrangige Insolvenzforderungen, kann deshalb die eigenständige Verjährung von Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB in der Gesellschaftsinsolvenz praktisch relevant werden. ___________ 401) Allgemein zur Gesellschafterhaftung: Oetker-HGB/Boesche, § 129 Rn. 4; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-HGB/Hillmann, § 129 Rn. 4; MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 129 Rn. 7; anders Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 51, der eine eigenständige Verjährung mit identischer Verjährungsfrist (aber eigenständiger Hemmung!) annimmt. 402) Das Insolvenzgericht trägt die eröffnungsbedingte Gesellschaftsauflösung von Amts wegen in das Handelsregister ein, § 143 Abs. 1 S. 3 HGB a.F. Zwar ordnet § 159 Abs. 3 HGB a.F. an, dass die Verjährungsfrist erst mit Fälligkeit der Forderung beginnt, falls diese nach Eintragung der Auflösung eintritt. Weil diese Norm den Gläubiger davor schützen soll, dass die Verjährung seiner Forderung läuft bevor er diese überhaupt geltend machen kann, und die Fälligkeitsfiktion nach § 41 Abs. 1 InsO auch gegenüber dem Kommanditisten wirkt, muss diese Regelung auch im Rahmen des § 159 Abs. 3 HGB a.F. berücksichtigt werden. 403) MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 159 Rn. 26, 34; Oetker-HGB/Boesche, § 159 Rn. 13; Heidel/Schall-HGB/Eberl, § 159 Rn. 10. 404) So laut Kunz/Weiß, ZIP 2018, 1676, 1677, in zwei unveröffentlichten Entscheidungen des LG Koblenz (8 O 155/16) und des LG Köln (32 O 335/16).
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
IV. Zusammenfassung § 171 Abs. 2 HGB findet Anwendung, wenn ein aktiver oder ausgeschiedener Ge- 179 sellschafter einer Gesellschaft, über deren Haftungsmasse das Insolvenzverfahren eröffnet ist, mindestens einem Gesellschaftsgläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB haftet. Das Insolvenzgericht kann die Wirkungen der Regelung durch Sicherungsanordnungen in das Eröffnungsverfahren vorverlagern. Die beschränkte Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB besteht für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten und ist nicht abhängig vom Rang des Gläubigers im Gesellschaftsinsolvenzverfahren. Der Kommanditist haftet uneingeschränkt auch für (ggf. bis zu seinem Ausscheiden begründete) Masse- und nachrangige Verbindlichkeiten. Für weitere Verbindlichkeiten des Kommanditisten – auch für eine zusätzliche Haftung für Gesellschaftsschulden – gilt § 171 Abs. 2 HGB weder direkt noch analog.
C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB § 171 Abs. 2 HGB soll gewährleisten, dass die Verwertung der Kommanditisten- 180 haftung in der Insolvenz der Gesellschaft insolvenzrechtlichen Regeln unterliegt, weil die Haftungsansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB Bestandteil der Haftungsmasse der Gesellschaft sind. Für das Vermögen der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft gilt ab Verfahrenseröffnung: Einerseits ist der individuelle Zugriff der Gläubiger ausgeschlossen und auch der Gesellschaft ist die Befriedigung einzelner Gläubiger versagt, §§ 81, 87 ff. InsO. Andererseits erhält der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis über das massezugehörige Vermögen mit dem Auftrag der Verwertung und Verteilung an die Gläubigergesamtheit, §§ 80, 159, 187 ff. InsO. Es ist gewiss kein Zufall, dass § 171 Abs. 2 HGB in Form von Sperr- und Ermächtigungswirkung ganz ähnliche zentrale Konsequenzen für die Ansprüche aus der akzessorischen Kommanditistenhaftung beigemessen werden. Die widersprüchliche und insgesamt „alles andere[…] als befriedigende[…] Recht- 181 sprechung der Instanzgerichte und auch […] des BGH“405) und der kontroverse Diskurs in der wissenschaftlichen Literatur haben gezeigt: Die Unsicherheiten im Hinblick auf die praktische Handhabung der Einziehung von Gläubigerforderungen nach § 171 Abs. 2 HGB betreffen in besonderem Maße die Rechtsfolgen der Vorschrift. Dieser Befund findet seine Ursache fraglos auch in ihrem spärlichen Wortlaut.406) Dort heißt es lediglich, dass für die Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das Gläubigerrecht nach § 171 Abs. 1 HGB durch den Insolvenzverwalter (oder den Sachwalter) „ausgeübt“ werde. Zur dog___________ 405) A. Schmidt, ZRI 2021, 923. 406) Kritisch zum Wortlaut auch: Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 80 ff.; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 31: „undeutliche Fassung“; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 40, mit einer Sammlung älterer Zitate.
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matischen Ausgestaltung dieser „Ausübungszuständigkeit“407), den Auswirkungen auf Gläubiger und Kommanditisten und den Folgen der Einziehung enthält der Wortlaut der Norm keine konkreten Angaben. Schon die anerkannte Sperrwirkung lässt sich dieser Formulierung – anders als den §§ 92, 93 InsO („nur“) – nicht mit Gewissheit entnehmen. Aus diesem Grund sollen im folgenden Abschnitt die rechtliche Konstruktion von Ermächtigungs- und Sperrwirkung untersucht und die Konsequenzen der getroffenen Einordnung beleuchtet werden. Schließlich sollen Regeln für die Verwaltung und insbesondere die Verteilung der von Kommanditisten eingezogenen Mittel herausgearbeitet werden.
I.
Ermächtigungswirkung
182 Die einzige Rechtsfolge, die § 171 Abs. 2 HGB seinem Wortlaut nach klar anordnet, ist es, dem Insolvenzverwalter die Inanspruchnahme des Kommanditisten aufgrund der beschränkten akzessorischen Gesellschafterhaftung nach Abs. 1 zu ermöglichen.
1.
Rechtliche Konstruktion
a) Herleitung der Einziehungsbefugnis 183 Die rechtliche Konstruktion dieser Ermächtigungswirkung war Gegenstand kontroverser Diskussion. Einer früher vertretenen Deutung zufolge hat § 171 Abs. 2 HGB einen gesetzlichen Übergang der Gläubigerforderungen zur Folge, wobei sowohl ein Übergang auf den Insolvenzschuldner408) als auch auf den Verwalter409) vertreten wurde. Inzwischen herrscht dagegen Einigkeit, dass die Ermächtigungswirkung die Forderungsinhaberschaft der Haftungsgläubiger unberührt lässt und den Insolvenzverwalter lediglich mit einer treuhänderischen gesetzlichen Einzie-
___________ 407) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 23; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 49. 408) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 36 ff., 62 ff.; Berges, KTS 1957, 49, 56; vgl. auch Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 91: „Rechte der KG im Hinblick auf die Haftung“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Ein Übergang auf „die Masse“ scheidet dagegen schon aus, weil es sich dabei nicht um ein Rechtssubjekt handelt. 409) Mit der wünschenswerten Klarheit wurde dies i.d.R. nicht ausgesprochen. RG, Urt. v. 12.2.1902 – I 333/01, RGZ 51, 33, 37: „selbständiges Recht“; BGH, Urt. v. 9.12.1971 – II ZR 33/68, BGHZ 58, 72, 75 = NJW 1972, 480, 481: „Zahlungsanspruch des Konkursverwalters (§ 171 Abs. 2 HGB)“; OLG Celle, Beschl. v. 1.2.1952 – 8 UH 107/51, NJW 1952, 427: „Anspruch des Konkursverwalters nach § 171 Abs. 2 HGB“; ähnlich OLG Stuttgart, Urt. v. 26.10.1955 – 1 U 76/55, NJW 1955, 1928, 1929.
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hungs- und Prozessführungsbefugnis ausstattet.410) Auch diese Deutung erfasst jedoch die von § 171 Abs. 2 HGB angeordnete Kompetenzverschiebung auf den Insolvenzverwalter nur unvollständig.
aa) Kein gesetzlicher Forderungsübergang Die insbesondere von Leven411) befürwortete cessio legis auf den Insolvenzschuld- 184 ner hätte gewiss ihre Vorzüge: Haftungsrechtliche und vermögensrechtliche Zuordnung würden auf diese Weise zur Deckung gebracht. Leven erkennt insoweit gar ein „den Konkurs allgemein beherrschende[s] Ordnungsprinzip“, nach dem „der Gemeinschuldner als einheitliches (zentrales) Subjekt der Haftungsmasse dient“.412) Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters ergäbe sich dann in einem zweiten Schritt aus § 80 Abs. 1 InsO, zugleich wäre auch die Sperrwirkung logische Konsequenz des Wechsels der Forderungsinhaberschaft. Der Wortlaut des § 171 Abs. 2 HGB und die Gesetzessystematik sprechen allerdings gegen einen Wechsel der Person des Gläubigers. Dort heißt es, das Recht der Gläubiger werde „durch den Insolvenzverwalter oder 185 den Sachwalter ausgeübt“. Ordnet das Gesetz eine cessio legis an, findet sich dagegen regelmäßig die Formulierung, das Forderungsrecht „gehe auf“ eine andere Person „über“.413) Beispielhaft seien dafür die Formulierungen in den §§ 268 Abs. 3 S. 1, 426, Abs. 2 S. 1, 774 Abs. 1 S. 1, 1143 Abs. 1 S. 1 BGB, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG und § 6 Abs. 1 EntgFG angeführt. Der Gesetzeswortlaut bietet also keine Stütze für die Annahme eines Forderungsübergangs.414)
___________ 410) BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, Rn. 9; Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 194 = NJW 1964, 2407, 2409: „übertragenen Einziehungsrechts“; Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 56 = NJW 1958, 787, 788; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.11.2018 – 5 U 65/18, ZInsO 2019, 42, 44; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 61; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 96; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 54 ff.; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 94; Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 44; Lichtenberg, Gegenseitigkeit bei Konkursaufrechnung durch Kommanditisten, S. 54 f.; Thole, ZGR 2019, 301, 302 f.; ders., ZRI 2020, 49, 50; Heitsch, ZInsO 2019, 1649 f.; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1192; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1288; lediglich eine cessio legis ablehnend: OLG Nürnberg, Beschl. v. 7.1.2019 – 1 AR 2663/18, ZInsO 2019, 973; OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.9.2018 – 11 SV 58/18, ZIP 2019, 292. 411) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 36 ff., 62 ff. 412) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 59 f. 413) Vgl. MüKo-BGB/Kieninger, § 412 Rn. 2, die eine „erkennbar[e]“ Anordnung des Forderungsübergangs verlangen. 414) In diesem Sinne auch Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 53; Lichtenberg, Gegenseitigkeit bei Konkursaufrechnung durch Kommanditisten, S. 54; Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 43 f.
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186 Ein Forderungsübergang auf den Insolvenzverwalter wäre zudem ein Fremdkörper im Insolvenzrecht, das sich ansonsten damit begnügt, dem Insolvenzverwalter die für die Erledigung seiner Aufgaben notwendigen Befugnisse zur Verfügung über fremde Rechte zu verschaffen, ohne ihm dafür auch ebendiese Vermögensrechte selbst zuzuweisen.415) Die Forderungsinhaberschaft des Insolvenzverwalters würde zudem bei seiner Entlassung oder seinem Tod zu Komplikationen führen.416) Brinkmann weist (i.R.d. § 92 InsO) darüber hinaus darauf hin, dass eine cessio legis auf den Insolvenzschuldner in funktionaler Hinsicht inadäquate Folgen erzeugen würde.417) Sowohl die Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB als auch ihre „Überleitung“ auf den Insolvenzverwalter bestehen im Interesse der Gesellschafts-/ Haftungsgläubiger. Würde nun die Gesellschaft nach § 171 Abs. 2 HGB Inhaberin der Haftungsforderungen und ergäbe sich das Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters in der Folge aus der allgemeinen Kompetenzzuweisung in § 80 Abs. 1 InsO, verbliebe den Haftungsgläubigern keinerlei Recht in Bezug auf die Forderungen. Dann wäre aber nur schwer nachzuvollziehen, warum der Verwalter bei deren Verwertung noch allein den Interessen der jeweiligen Gläubiger verpflichtet sein sollte und nicht – wie für das sonstige insolvenzbefangene Schuldnervermögen – den Interessen aller Verfahrensbeteiligten.
187 § 171 Abs. 2 HGB regelt somit keinen gesetzlichen Forderungsübergang. bb) Gegenwärtiges Verständnis: Gesetzliche Einziehungsermächtigung 188 Diese Lösung, die in Form des Verlusts der Gläubigerstellung zudem ohne Notwendigkeit den maximalen Eingriff in die Gläubigerrechte bedeuten würde, lehnt auch die inzwischen allgemeine Meinung überzeugenderweise ab und setzt ihr ein mit Blick auf Art. 14 GG wesentlich milderes Mittel418) entgegen: Einheitlich wird angenommen, § 171 Abs. 2 HGB regele lediglich eine gesetzliche treuhänderische Einziehungsbefugnis sowie Prozessstandschaft des Insolvenzverwalters.419)
___________ 415) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 51; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 52; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 48 f. Auch soweit der Verwalter schuldnerfremde Rechte verwerten soll, sieht das Gesetz an keiner Stelle einen Rechtsübergang vor. Weder auf ihn noch auf den Insolvenzschuldner, vgl. etwa §§ 166 Abs. 1, 2 InsO („darf verwerten“). 416) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 50 f.; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 51. 417) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 50 f. 418) Noch weniger eingriffsintensiv wären gewiss „Vertretungslösungen“, die jedoch zu keinem Zeitpunkt vermehrt Zuspruch erhalten haben, s. lediglich Wieland, Handelsrecht, S. 760 f. („Stellung eines gesetzlichen Vertreters“); unklar Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 430 („Vertreter oder Treuhänder der Gläubiger“). 419) S.o. Nachweise in Fn. 410.
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Dass die Norm den Insolvenzverwalter zur eigenständigen Geltendmachung be- 189 fugt, ist nicht zweifelhaft. Der Wortlaut des Gesetzes spricht auch nicht gegen diese Einordnung der Kompetenzverlagerung. Sie greift jedoch zu kurz und steht dadurch in Widerspruch zu den auch innerhalb der herrschenden Meinung klar erkennbaren Bestrebungen, dem Insolvenzverwalter möglichst flexible Verwertungsmöglichkeiten hinsichtlich der Kommanditistenhaftung zu eröffnen: Dass beispielsweise der Insolvenzverwalter befugt sein soll, im eigenen Namen und mit Wirkung für die Gläubiger einen Vergleich mit dem Kommanditisten über die Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB zu schließen,420) muss ein wenig verwundern. Schließlich folgt aus einer Einziehungsermächtigung ansonsten nicht die Möglichkeit, dem Schuldner die Forderung (teilweise und im Vergleichswege) zu erlassen.421) Dies bleibt grundsätzlich dem weiterhin verfügungsberechtigten Gläubiger vorbehalten. Gleiches gilt für die angenommene422) Befugnis des Verwalters, den Inhalt der Haftungsverbindlichkeiten durch Vereinbarung von Erfüllungssurrogaten zu modifizieren sowie erst recht für die vereinzelt befürwortete423) Abtretungsbefugnis des Insolvenzverwalters.424) Auch für das Bündel von Einschränkungen, dass unter der Sperrwirkung des § 171 Abs. 2 HGB zusammengefasst wird, bietet eine Einziehungsermächtigung des Verwalters nicht ohne Weiteres eine Erklärung, denn eine solche lässt regelmäßig das Einziehungs- und das Verfügungsrecht des Gläubigers grundsätzlich unberührt.425) Es ist nicht ausgeschlossen, aus § 171 Abs. 2 HGB auf Basis jeweils neu anzustel- 190 lender teleologischer Erwägungen neben der Einziehungsermächtigung eine beliebige Zahl zusätzlicher Einzelkompetenzverschiebungen herauszulesen. Die Norm würde dann neben der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis auch eine Vergleichs-/Erlassbefugnis, eine Befugnis zur Disposition über den Schuldinhalt, ggf. eine Abtretungsbefugnis sowie eine weitere, die Sperrwirkung auslösende Zuständigkeitsverschiebung regeln. Die Einordnung der Rechtsfolgen bliebe jedoch auf diesem Wege – also nach der herrschenden Deutung – unbefriedigendes Stückwerk.
___________ 420) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 114; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 12; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 110; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 88; Staub-HGB/Thiessen, § 171, Rn. 180; Wieland, Handelsrecht, S. 761. 421) Heitsch, ZInsO 2003, 692, 695; vgl. auch Staudinger-BGB/Busche, Einl. §§ 398 ff. Rn. 128; BeckOK-BGB/Rohe, § 398 Rn. 92. 422) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 110. 423) Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 62; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 114. Aufgrund der fortbestehenden Akzessorietät ist eine Abtretung jedoch ausgeschlossen, s. noch unten Rn. 193. 424) BGH, Urt. v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, NJW 2014, 1963, Rn. 18; MüKo-BGB/Kieninger, § 398, Rn. 50; Staudinger-BGB/Busche, Einl. §§ 398 ff. Rn. 128. 425) BGH, Beschl. v. 26.4.2018 – IX ZB 49/17, NJW-RR2018, 817, Rn. 28; MüKo-BGB/Bayreuther, § 185, Rn. 36; Staudinger-BGB/Busche, Einl. §§ 398 ff. Rn. 118.
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cc) Übergang der Verfügungsbefugnis 191 Dieser Makel lässt sich beheben, fügt man die von der herrschenden Meinung erkannten Puzzleteile zu einem Ganzen zusammen und begreift die dem Verwalter zugewiesenen Einzelkompetenzen als Ausflüsse einer größeren Kompetenzverschiebung, namentlich des Übergangs der umfassenden Verfügungsbefugnis über die Haftungsansprüche auf den Insolvenzverwalter.426)
192 Erst dieses Verständnis wird auch der Funktion des § 171 Abs. 2 HGB vollständig gerecht. § 80 InsO verschafft dem Insolvenzverwalter für das massezugehörige Vermögen des Insolvenzschuldners die umfassende Verfügungsbefugnis. Nimmt man nun die haftungsrechtliche Zuordnung der beschränkten akzessorischen Kommanditistenhaftung zur insolvenzschuldnerischen Gesellschaft und den daraus folgenden Zweck des § 171 Abs. 2 HGB ernst, die Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB denjenigen (insolvenzrechtlichen) Regeln zu unterwerfen, die auch für die sonstige Insolvenzmasse gelten, dann liegt auf der Hand, dass der Insolvenzverwalter in Bezug auf die Haftungsansprüche die gleiche Stellung einnehmen muss.427)
193 Dass die Ermächtigungswirkung als bloße gesetzliche Einziehungsermächtigung gedeutet wird, ist nachvollziehbar, wirft man einen Blick auf die Verwertungsoptionen des Insolvenzverwalters: Während es ihm nach den §§ 80, 166 Abs. 2 InsO freisteht, sonstige massezugehörige bzw. sicherungszedierte Forderungen entweder durch Einziehung oder durch Forderungsverkauf zu verwerten,428) hat er hinsichtlich der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB keinen derartigen Spielraum. Das beruht jedoch auf der Eigenart der Haftungsansprüche und kann nicht etwa als Indiz einer gegenüber § 80 InsO eingeschränkten Kompetenzzuweisung gewertet werden. Wie eine Bürgschaftsforderung ist die Kommanditistenhaftung aufgrund ihrer Akzesso-
___________ 426) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Fn. 312: „gesetzliche Forderungszuständigkeit bzw. Verfügungsermächtigung“, Rn. 110: „Verfügungsbefugnis“, Rn. 114: „gesetzliche Gesamtverfügungsbefugnis“; a.A. Oepen, Massefremde Masse, Rn. 85; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 389; entsprechend zu § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenzund Sanierungsmasse, S. 53 ff.; zu §§ 92, 93 InsO: Krüger, NZI 2002, 367, 370 f. 427) Ob man den Übergang der Verfügungsbefugnis unmittelbar § 171 Abs. 2 HGB entnimmt oder die Norm lediglich als Verweis auf die §§ 80 InsO begreift, wie dies Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 54, 57, zu § 92 InsO tut, ist im Ergebnis ohne Auswirkungen. 428) MüKo-InsO/Vuia, § 80 Rn. 52; K. Schmidt-InsO/Sternal, § 80 Rn. 23; Jaeger-InsO/Eckardt, § 166 Rn. 374 f.; vgl. auch den Wortlaut des § 166 Abs. 2 HGB: „einziehen oder in anderer Weise verwerten“.
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rietät nicht selbständig abtretbar, sondern „haftet“ analog § 401 BGB an der Forderung gegen die Gesellschaft.429) Deutet man § 171 Abs. 2 HGB in dem hier vorgeschlagenen Sinne als Anordnung 194 des umfassenden Übergangs der Verfügungsbefugnis über die Haftungsansprüche, bietet dies nicht nur – wie noch gezeigt wird430) – zugleich eine Erklärung für die Sperrwirkung der Vorschrift. Mit dieser Einordnung lassen sich auch die „weiteren“ Befugnisse, die dem Insolvenzverwalter im Rahmen der Ermächtigungswirkung zugewiesen werden, zwanglos begründen. Dies zeigt das Beispiel der Vergleichsbefugnis: Die Verfügungsberechtigung über ein Recht umfasst nämlich selbstverständlich auch die Möglichkeit, dieses Recht (ganz oder teilweise) aufzuheben. Für die Vereinbarung eines Vergleichsvertrags unter Teilerlass einer Haftungsforderung besteht dann keinerlei Hindernis. Die von Thiessen geforderte Grenze der Vergleichsbefugnis für vergleichsweise Vereinbarungen, die „ohne jeden Vorteil für die Masse“ sind,431) kann ohne Schwierigkeiten und systematisch überzeugend unter Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zu evident insolvenzzweckwidrigem Verhalten des Insolvenzverwalters gezogen werden.432)
b) Fortbestand individueller Haftungsforderungen Die zweite Frage, die zur Konstruktion des § 171 Abs. 2 HGB der Klärung bedarf, 195 ist, ob die Bündelung der (Verfügungsbefugnis über die) Haftungsansprüche in der Hand des Insolvenzverwalters dazu führt, dass diese einzelnen Ansprüche mit Verfahrenseröffnung ihre Selbständigkeit verlieren und zu einem einheitlichen Haftungsanspruch zusammengefasst werden. Einige Autoren sahen im Wortlaut des § 171 Abs. 2 HGB Anlass zu einer solchen 196 Einschätzung, in dem es nämlich heißt, der Insolvenzverwalter übe das den Gläu-
___________ 429) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 180; ebenso zu § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.): StaubHGB/Habersack, § 128 Rn. 22; MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 17; a.A. Röhricht/ v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 62. Auch Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 104, 114, hält die Ansprüche für die Dauer des Insolvenzverfahrens für abtretbar. Diese These führt zu erheblichen Problemen für den Fall der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, in dem die Akzessorietät Schall zufolge grundsätzlich wieder aufleben soll, Rn. 104. Zur Bürgschaft s. MüKo-BGB/Kieninger, § 401 Rn. 5. 430) S. unten Rn. 298. 431) Staub-HGB/Thiessen, § 171, Rn. 180; ähnlich Wieland, Handelsrecht, S. 761, Fn. 15. 432) Im Ergebnis ebenso: Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 88; vgl. für § 93 InsO: BAG, Urt. v. 28.11.2007 – 6 AZR 377/07, BAGE 125, 92, 98 = ZIP 2008, 846, Rn. 20; Krüger, NZI 2002, 367, 370; zur Insolvenzzweckwidrigkeit allgemein Uhlenbruck-InsO/Mock, § 80 Rn. 84 ff. Zudem liegt es nahe, für Vergleiche über einen „erheblichen Streitwert“ analog § 160 Abs. 1, 2 Nr. 3 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses zu verlangen – ohne dass diese allerdings für die Wirksamkeit des Vergleichs von Bedeutung wäre, § 164 InsO analog.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
bigern zustehende Recht – im Singular – aus.433) Auch der Bundesgerichtshof sah in § 171 Abs. 2 HGB die Anordnung einer Art gesetzlicher – durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens auflösend bedingter434) – Novation zu einem einheitlichen „Haftsummenanspruch“ der Gläubigergesamtheit: Der Insolvenzverwalter habe „nicht den auf dem Rechtsverhältnis des jeweiligen Gläubigers zur KG beruhenden Anspruch weiterzuverfolgen, sondern den der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger zustehenden Anspruch auf Zahlung der offenstehenden Haftsumme geltend zu machen“.435) Diese Überlegungen haben sich nicht durchgesetzt. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur gehen inzwischen (meist ohne explizite Stellungnahme) einhellig vom Fortbestand selbständiger Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB aus.436)
197 Der Bündelung der Einzelansprüche zu einem „Haftsummenanspruch“ scheint allerdings noch die heutige Praxis zu entsprechen, im Prozess gegen den Kommanditisten bei Vorlage einer Tabelle mit die Haftsumme übersteigenden Gesellschaftsverbindlichkeiten keine (weitere) Individualisierung der konkret geltend gemachten Haftungsansprüche zu verlangen.437) In diesen Fällen fehlt es ansonsten nämlich scheinbar an der von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geforderten bestimmten Angabe der geltend gemachten Forderung.438) Der Bundesgerichtshof hielt die explizite Individualisierung durch den klagenden Insolvenzverwalter jedoch nicht deshalb für entbehrlich, weil er die Haftung als von einzelnen Gläubigeransprüchen verselb___________ 433) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 41 ff.; wohl auch Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 82, 92, sowie K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 125 Fn. 9; auch Michel, KTS 1991, 67, 70, spricht von der „Vergemeinschaftung der Ansprüche auf Leistung der Haftsumme“. 434) Vgl. dazu auch Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 82. 435) BGH, Urt. v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 216 = NJW 1982, 883, 885; anders zuvor noch Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 193 f. = NJW 1964, 2407: „der Ansprüche, die der Konkursverwalter […] wahrnimmt“; zuletzt noch OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2019 – 8 U 59/18, NZI 2019, 345, 346: Streitgegenstand sei „nicht die einzelne Gläubigerforderung, sondern die insgesamt bestehende Außenhaftung“. 436) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 26: „Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger“; Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227, 230 f. = NJW 2016, 1592, Rn. 10; Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, Rn. 9; Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 174 = NJW 2009, 225, Rn. 11; nur beispielhaft aus der Literatur: Oepen, Massefremde Masse, Rn. 65 ff.; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 75, 78; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 61; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 59; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 31: „Ausübung der Einzelgläubigerrechte“; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1292; Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 430. 437) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 330 f. = ZIP 2018, 640, Rn. 15 ff.; Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 25; OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 74/17, NZG 2019, 304, Rn. 8; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 127; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 114; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 76; Veil, ZInsO 2018, 969, 970; Böcker, DZWIR 2021, 587, 589. 438) Mit ähnlichen prozessualen Bedenken Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 42.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
ständigt ansah, sondern einzig, weil die Verteilungsmaßstäbe (gleichmäßige Befriedigung) bereits durch das Gesetz vorgegeben seien.439) In der Folge – so offenbar die Annahme des Bundesgerichtshofs – lasse sich auch die Individualisierung der geltend gemachten Forderungen dem Gesetz entnehmen.440) Die Annahme einer Forderungsverschmelzung erweist sich überdies mit Blick auf die fortbestehende Gläubigerstellung der Haftungsgläubiger als unnötig kompliziert. Die „Gläubigergesamtheit“ ist kein Rechtssubjekt, dem ein einheitlicher „Haftsummenanspruch“ zustehen könnte,441) sodass man einen jeden Haftungsgläubiger als Inhaber eines Forderungsbruchteils oder Gesamthandanteils ansehen müsste. Dieser Anteil wäre ständigen Veränderungen unterworfen, weil die Begründung weiterer Verbindlichkeiten durch den Insolvenzverwalter stets auch zum Hinzutreten weiterer an der Haftsumme zu beteiligender Gläubiger führen würde.442) Es ist deshalb kein Zufall, dass vor allem Leven die Forderungsverschmelzung befürwortet, für den sich derlei Fragen erübrigen, weil er § 171 Abs. 2 HGB als cessio legis auf den Insolvenzschuldner deutet.443) Gegen die Forderungsverschmelzung lassen sich zuletzt auch die neueren Regelungen in den §§ 92, 93 InsO anführen, bei deren Schaffung der Gesetzgeber das Regelungskonzept des § 171 Abs. 2 HGB übernehmen wollte444) und die schon nach ihrem Wortlaut keine inhaltliche Modifikation der jeweiligen Forderungen vorsehen.
c)
(Zivilrechtliche) Konsequenzen
Die aus § 171 Abs. 2 HGB folgende umfassende Verfügungsbefugnis über die An- 198 sprüche nach § 171 Abs. 1 HGB ist bei der Untersuchung der Konsequenzen des § 171 Abs. 2 HGB ebenso zu berücksichtigen wie die unveränderte Stellung der Haftungsgläubiger als Forderungsinhaber. Weil die Haftungsansprüche inhaltlich unverändert fortbestehen, ist der Verwalter (und auch der Kommanditist) im Rahmen der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB grundsätzlich so zu stellen, als würden die Gläubiger selbst ihre Forderungen geltend machen.
___________ 439) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 331 = ZIP 2018, 640, Rn. 17 f. 440) Dass der Verwalter zur anteiligen Geltendmachung aller Haftungsforderungen gegenüber dem Kommanditisten verpflichtet ist, entspricht freilich nicht der h.M., vgl. Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 59 m.w.N. Die eingeschränkten Individualisierungsanforderungen sind dann problematisch, mögen sie auch rechtspraktischen Zwängen Rechnung tragen. 441) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 43 f. 442) Die bloße Anmeldung weiterer bereits existierender Forderungen wäre dagegen nach dem unten bei Rn. 209 f. Folgenden ohne Auswirkungen. 443) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 41 ff. 444) BT-Drs. 12/2443, S. 139 f.; vgl. auch K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 1; MüKo-InsO/ Gehrlein, § 93 Rn. 2; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 92 Rn. 1.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
aa) Erfüllung der Haftungsansprüche durch Leistung an den Insolvenzverwalter 199 Mit dem Erwerb der Verfügungsbefugnis über die Gläubigeransprüche aus § 171 Abs. 1 HGB wird der Insolvenzverwalter zugleich empfangszuständig für die Haftungsleistungen des Kommanditisten.445) Daraus folgt: Zahlt ein Kommanditist nach § 171 Abs. 2 HGB an den Insolvenzverwalter, führt bereits diese Leistung (und nicht erst die nachfolgende Ausschüttung an die Gläubiger) unmittelbar zur Erfüllung von Haftungsansprüchen i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB.446) Dabei ist es dem Kommanditisten mit Blick auf den Normzweck des § 171 Abs. 2 HGB nicht möglich, die Zahlung an den Insolvenzverwalter derart mit einer Tilgungsbestimmung, § 366 Abs. 1 BGB, zu verbinden, dass seine Leistung nur die Tilgung der Ansprüche bestimmter Gläubiger bewirkt.447) Stattdessen treten an die Stelle der von § 366 Abs. 2 BGB geregelten gesetzlichen Tilgungsreihenfolge die insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln.448) Hervorzuheben ist noch, dass die Erfüllung – wie grundsätzlich auch sonst bei einer Haftungsleistung eines Kommanditisten – nicht den Gläubigeranspruch gegen die Gesellschaft betrifft, sondern nur die Haftungsforderung nach § 171 Abs. 1 HGB.449)
bb) Persönliche Einwendungen gegen einzelne Gläubiger 200 Außerhalb der Insolvenz kann ein Kommanditist der Inanspruchnahme durch einzelne Gläubiger neben den Einwendungen, die der Gesellschaft gegen die zugrundeliegende Gesellschaftsverbindlichkeit zustehen, § 128 n.F. (§ 129 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, auch solche Einwendungen entgegenhalten, die er persönlich gegen den jeweiligen Gläubiger hat.450) Im Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB soll nach h.M. etwas anderes gelten, weil der Kommanditist nun eben nicht mehr einem einzelnen Gläubiger gegenüberstehe, sondern der durch den Insolvenzverwalter repräsentierten Gläubigergesamtheit.451) Aus diesem Grund könne ___________ 445) S. noch unten Rn. 298. 446) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 26; Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227, 230 f. = NJW 2016, 1592, Rn. 10; Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZR 217/11, NJW-RR 2012, 1391, Rn. 6; Beschl. v. 18.10.2011 – II ZR 37/10, BeckRS 2011, 29866, Rn. 9; Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, Rn. 9; OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 110. 447) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 28. 448) Eingehend unten Rn. 374 ff. 449) Ungenau formuliert in OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174; zum Schicksal der Gesellschaftsverbindlichkeit s. unten Rn. 271. 450) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 20; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 5; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1291 f. 451) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 167; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 123; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 92; mit einem Wegfall der Akzessorietät begründet dagegen Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 113, den Einwendungsabschnitt.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
der Kommanditist nur solche Einwendungen geltend machen, die ihm gegenüber allen Gläubigern zugleich zustehen.452) Die Begründung der h.M. vermag nicht zu überzeugen. Ihr ist erkennbar noch die 201 überkommene Vorstellung immanent, dass die einzelnen Haftungsansprüche mit Verfahrenseröffnung ihre Selbständigkeit verlieren. Legt man aber den heute akzeptierten Fortbestand individueller Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zugrunde, so geht es nicht an, dem Insolvenzverwalter die Inanspruchnahme für Gläubigeransprüche zu gestatten, die der jeweilige Gläubiger selbst nicht einfordern könnte. Auf die Spitze getrieben wäre der Kommanditist selbst dann zur umfassenden Leistung an den Insolvenzverwalter verpflichtet, wenn er jedem einzelnen Gläubiger eine jeweils individuelle persönliche Einwendung entgegenhalten könnte. Gedanken des Schuldnerschutzes, die bei der Untersuchung der Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB nicht vergessen werden sollten,453) sprechen ebenfalls gegen den Einwendungsabschnitt. Kann ein Schuldner nach § 404 BGB sogar einem neuen Gläubiger die gegen den bisherigen Gläubiger bestehenden Einwendungen entgegensetzen, so muss dies erst recht der Fall sein, wenn lediglich die Verfügungsbefugnis über die Ansprüche auf einen Dritten übergeht. Der Kommanditist kann somit auch dem Insolvenzverwalter uneingeschränkt Einwendungen gegen einzelne Gläubigeransprüche entgegensetzen. Dies wird ihm im Ergebnis freilich wenig nützen, solange nicht dadurch die Gesamtsumme der durchsetzbaren Forderungen unterhalb den Betrag der Haftsumme sinkt.454)
cc) Aufrechnung mit Forderungen gegen die Gesellschaft Der Kommanditist soll eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach 202 § 171 Abs. 2 HGB dadurch verhindern können, dass er mit einer Forderung, die ihm gegen die Gesellschaft zusteht, aufrechnet.455) ___________ 452) BGH, Urt. v. 14.1.1991 – II ZR 112/90, BGHZ 113, 216, 221 = NJW 1991, 922, 923; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 97; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 167; MüKoHGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 123; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 76; a.A. Sander, ZInsO 2012, 1285, 1291 f.; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 393; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 92. Für die unbeschränkte Gesellschafterhaftung gilt diese Beschränkung nach h.M. nicht: BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, Rn. 11; Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 57; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 142; BerlK-InsR/Blersch/v. Olshausen, 32. EL. 11/2008, § 93 InsO Rn. 8. 453) S. noch unten Rn. 311 ff. 454) In diesem Sinne auch BerlK-InsR/Blersch/v. Olshausen, 32. EL. 11/2008, § 93 InsO Fn. 66; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1292. 455) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 124; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 172; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 111, 118; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 8; Müßigbrodt, Haftungsbefreiende Aufrechnung des Kommanditisten, S. 29 ff.; differenzierend Lichtenberg, Gegenseitigkeit bei Konkursaufrechnung durch Kommanditisten, S. 64 ff.; wohl auch Sander, ZInsO 2012, 1285, 1290.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
(1) Aufrechnung gegen die Einlageforderung der Gesellschaft 203 Das Bestehen einer Aufrechnungsmöglichkeit ist selbstverständlich, soweit es um die Aufrechnung mit einem (vor Verfahrenseröffnung entstandenen) Zahlungsanspruch des Kommanditisten gegen eine gesellschaftsvertragliche Bareinlageforderung geht. Es handelt sich um gegenseitige, gleichartige Ansprüche, § 387 BGB, deren Aufrechenbarkeit durch die Verfahrenseröffnung nicht berührt wird, §§ 94 f. InsO. Die Aufrechnung führt dann als Einlageleistung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB zum Entfallen der Außenhaftung. Zu bedenken ist allerdings, dass die Aufrechnung zwar zum vollständigen Erlöschen der Einlageforderung als Hauptforderung führt, § 389 BGB, § 94 InsO, die Außenhaftung jedoch nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB nur insoweit ausgeschlossen ist, wie das an die Gesellschaft Geleistete objektiv werthaltig ist.456) Vor diesem Hintergrund wird dem Kommanditisten die Aufrechnung in der Gesellschaftsinsolvenz regelmäßig nur wenig nützen, da sein Anspruch gegen die Gesellschaft in seinem objektiven Wert insolvenzbedingt wenigstens erheblich gemindert ist. Die (zum Nennwert mögliche457)) Aufrechnung mit einem wegen Befriedigung eines Gläubigers erlangten Anspruch aus § 716 BGB n.F. i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB (§ 110 HGB a.F.) ist dagegen auch nicht in gekürztem Umfang als haftungsbefreiende Einlageleistung i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB anzusehen,458) da diese Gläubigerbefriedigung sonst doppelt zur Haftungsreduzierung führen würde.459)
___________ 456) Für die Aufrechnung außerhalb der Insolvenz: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 48; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 64; vgl. auch Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 7; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 48; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 118, mit a.A. zum Erfordernis der Werthaltigkeit in Rn. 62 ff. An dieser Stelle zeigt sich erneut die Notwendigkeit begrifflicher Unterscheidung zwischen gesellschaftsvertraglich vereinbarter Einlage und einer „Einlage“ i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB. 457) Zuletzt BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, NJW 2017, 3232, Rn. 30; einschränkend zuvor v. Olshausen, ZGR 2001, 175, 177 ff. 458) Vgl. (zur Aufrechnung gegen die Inanspruchnahme aus § 171 Abs. 2 HGB) Sander, ZInsO 2012, 1285, 1290; anders muss man wohl Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 172, 144, verstehen, der diesen Anspruch für stets „vollwertig“ hält – die objektive Werthaltigkeit ist schließlich nur für den Umfang des Erlöschens der Außenhaftung von Bedeutung. Die Unterscheidung zwischen Erlöschen der Einlagepflicht im Innenverhältnis durch Aufrechnung und Einlageleistung i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB vollzieht Niemeyer, DB 2018, 368, 369, nicht konsequent. 459) Beispiel: Ein Kommanditist (Haftsumme und [offene] Bareinlagepflicht: 1.000 €) befriedigt i.H.v. 400 € einen Gesellschaftsgläubiger. Dadurch wird seine Haftung gegenüber den übrigen Gläubigern auf 600 € begrenzt. Zusätzlich erwirbt er in dieser Höhe einen Regressanspruch aus § 716 BGB n.F. i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB (§ 110 HGB a.F.). Mit diesem Anspruch kann der Kommanditist gegen die gesellschaftsvertragliche Beitragspflicht aufrechnen und sie i.H.v. 400 € zum Erlöschen bringen. Wäre diese Aufrechnung zugleich als haftungsbefreiende Einlageleistung i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB anzusehen, würde die Außenhaftung des Kommanditisten um weitere 400 € auf 200 € reduziert, obwohl er insgesamt nur 400 € zur Gläubigersicherung beigetragen hat.
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(2) Aufrechnung gegen die Außenhaftung Besteht eine Einlageverpflichtung nicht (mehr), fällt die Identifikation der Auf- 204 rechnungslage schwer: Da § 171 Abs. 2 HGB die Forderungsinhaberschaft der Gläubiger unberührt lässt, fehlt es nämlich zwischen den Haftungsansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB und der Forderung des Kommanditisten gegen die Gesellschaft auch nach Verfahrenseröffnung an der notwendigen Gegenseitigkeit.460) In Anerkennung dieser Tatsache wird für eine analoge461) oder „entsprechende“462) Anwendung des § 387 BGB oder für eine „echte Ausnahme vom Gegenseitigkeitsprinzip“463) oder eine teleologische Reduktion des § 387 BGB464) geworben und eine Aufrechnung unmittelbar gegen die Außenhaftung zugelassen. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Aufrechnung des Kommanditisten erstmals 205 1972 anerkannt und zur Begründung auf die Möglichkeit des Kommanditisten verwiesen, selbst dann mit haftungsbefreiender Wirkung an die Gesellschaft zu leisten, wenn eine Beitragspflicht im Innenverhältnis nicht mehr besteht.465) Außerhalb der Insolvenz leuchtet diese Überlegung ein: Ließe man eine Aufrechnung des Kommanditisten nicht zu, wäre dieser gezwungen, seinen Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft zunächst einzuziehen und anschließend den erhaltenen Betrag (bis zur Höhe der ungedeckten Haftsumme) postwendend an die Gesellschaft zurückzuzahlen, um seine Außenhaftung zum Erlöschen zu bringen. Ein derartiges Hin-und-Her-Zahlen ist ersichtlich zwecklos. Bestehe diese Aufrechnungsmöglichkeit
___________ 460) Lichtenberg, Gegenseitigkeit bei Konkursaufrechnung durch Kommanditisten, S. 51, 55; MüKoHGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 124; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1289 f.; Heidel/ Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 111; selbstverständlich gilt dies nicht nach Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 101, der eine cessio legis befürwortet. 461) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 52, 111; BeckOK-HGB/Häublein/ Beyer, § 171 Rn. 28.1. 462) BGH, Urt. v. 9.12.1971 – II ZR 33/68, BGHZ 58, 72, 76 = NJW 1972, 480, 482; Hopt-HGB/ M. Roth, § 171 Rn. 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 77; BerlK-InsR/ Blersch/v. Olshausen, 32. EL. 11/2008, § 93 InsO Rn. 9; zustimmend K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 161. 463) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 111. 464) Lichtenberg, Gegenseitigkeit bei Konkursaufrechnung durch Kommanditisten, S. 62 f., der eine solche im Ergebnis aber ablehnt; insgesamt ablehnend wohl auch Sander, ZInsO 2012, 1285, 1290. 465) BGH, Urt. v. 9.12.1971 – II ZR 33/68, BGHZ 58, 72, 76 = NJW 1972, 480, 482; in der Folge auch Urt. v. 7.7.1980 – II ZR 233/79, NJW 1981, 232, 233; mit der gleichen Begründung Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 172; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 77; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 13; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 124; noch zurückhaltend K. Schmidt., ZGR 1976, 307, 314.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
bereits außerhalb der Insolvenz, bleibe es auch nach Verfahrenseröffnung dabei, §§ 94 f. InsO.466)
206 Dieser neu geschaffenen Aufrechnungsmöglichkeit des Kommanditisten wird im Ergebnis für den Insolvenzfall erheblich die Schärfe genommen: Weil es für „geradezu unbillig“467) gehalten wird, dass sich der Kommanditist im Wege der Aufrechnung gegen die Haftungsforderungen durch Einsatz seiner wirtschaftlich nahezu wertlosen Forderung gegen die Gesellschaft zu deren Nennwert von seiner Außenhaftung befreit, wird angenommen, die Aufrechnung führe nur in Höhe des tatsächlichen Forderungswerts zum Erlöschen der Außenhaftung.468) Mag dieses Ergebnis auch sachgerecht sein, fällt seine methodische Begründung schwer. Lässt man eine Aufrechnung unmittelbar gegen die Haftungsforderungen zu, sieht § 389 BGB keinen Spielraum für Korrekturen vor. Die §§ 94 f. InsO dienen zudem gerade dazu, in der Insolvenz die Sicherung des Gesellschaftsgläubigers durch Aufrechnungsmöglichkeit zum Nennwert aufrechtzuhalten. Auch auf § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB kann wegen der unmittelbaren Einwirkung auf die Haftungsansprüche nicht zurückgegriffen werden.
207 Zur Auflösung dieser Schwierigkeiten erscheint ein Weg gangbar, der bislang nicht in Erwägung gezogen wurde: Die „Aufrechnungserklärung“ des Kommanditisten ist nicht als Aufrechnung im Sinne der §§ 387 ff. BGB zu verstehen, sondern als Forderungserlass. Zwar müsste so anstelle einer Ausnahme vom Gegenseitigkeitserfordernis die ausnahmsweise Zulässigkeit eines einseitigen Erlasses begründet werden, vgl. § 397 BGB. Diese Hürde kann jedoch unter Rückgriff auf die Erwägungen genommen werden, welche für die Begründung der „Aufrechnungs“Möglichkeit durch die herrschende Meinung maßgeblich sind: Ihr (unbestrittener) Ausgangspunkt ist, dass der Kommanditist auch dann eine Geldleistung an die Gesellschaft erbringen darf, um sich von seiner Außenhaftung zu befreien, wenn eine entsprechende Pflicht nicht besteht. Die Gesellschaft hat demnach keine Möglichkeit, eine rein monetäre Leistung des Kommanditisten unter Verweis auf den fehlenden Schuldgrund abzulehnen. Akzeptiert man diese Grundannahme, dann kann ___________ 466) BGH, Urt. v. 9.12.1971 – II ZR 33/68, BGHZ 58, 72, 76 = NJW 1972, 480, 482 (nur für den aktiven Kommanditisten); Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 172. Problematisch ist die Aufrechnung durch den ausgeschiedenen Kommanditisten, da die aufrechnungsbedingte Verschonung der Masse auch den Neugläubigern zugutekommt, während der Haftungserlös nur den Altgläubigern zusteht. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 7.7.1980 – II ZR 233/79, NJW 1981, 232, 233 (Aufrechnung jedenfalls mit vor dem Ausscheiden erworbener Forderung). K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 161 f., lässt die Aufrechnung durch den Ausgeschiedenen zu, verpflichtet den Insolvenzverwalter in diesem Fall jedoch, den daraus folgenden Massevorteil allein den Altgläubigern zukommen zu lassen. 467) Sander, ZInsO 2012, 1285, 1290. 468) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 159 f.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 172; Hopt-HGB/ M. Roth, § 171 Rn. 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 77; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 111, der jedoch in Rn. 52 die Aufrechnung zum Nennwert betont.
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es aber keinen Unterschied machen, ob der Kommanditist der Gesellschaft eine Zahlung aufdrängt oder eine Zahlungsverpflichtung erlässt.469) Der Vorteil dieser Deutung der „Aufrechnung“ als Erlass ist, dass der Umfang des 208 Erlöschens der Außenhaftung keine konstruktiven Probleme bereitet: Die Einbringung einer Forderung durch ausnahmsweise einseitigen Erlass kann selbstverständlich nur insoweit als Einlage i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB gewertet werden, wie dadurch tatsächlich eine Entlastung und damit eine effektive Mehrung des haftenden Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gläubiger bewirkt wird.470) Mit anderen Worten erlischt die Außenhaftung nur insoweit, wie die Forderung des Kommanditisten tatsächlich werthaltig war. Dieser Ansatz ist auch unter systematischen Gesichtspunkten vorzugswürdig. Eine (ohne korrespondierende Innenverpflichtung erbrachte) Zahlung des Kommanditisten an die Gesellschaft – wegen deren Möglichkeit die Aufrechnung gegenüber der Gesellschaft für zulässig gehalten wird – wäre genau wie die Einbringung einer Forderung durch Erlass eine Leistung an die Gesellschaft, welche die Außenhaftung nur mittelbar nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB beeinflusst. Demgegenüber würde die Aufrechnung des Kommanditisten gegenüber der Inanspruchnahme aus § 171 Abs. 2 HGB als Erfüllungssurrogat unmittelbar auf die Haftungsansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB einwirken und damit über einen gänzlich anderen rechtlichen Mechanismus.
dd) Verfügungsbefugnis bei nicht zur Tabelle angemeldeten Insolvenzforderungen Die Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB kann der In- 209 solvenzverwalter nicht auf die Haftung für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten stützen, deren Forderungsgläubiger nicht am Insolvenzverfahren teilnimmt, insbesondere nicht auf Insolvenzforderungen, die nicht zur Tabelle angemeldet sind.471) Zwar ist die Anmeldung keine Voraussetzung für den materiellen Fortbestand der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB. Weil aber das nach § 171 Abs. 2 HGB durch den Verwalter Eingezogene nur zur Befriedigung der Haftungsgläubiger verwendet werden darf472) und an Gläubiger, die nicht am Insolvenzverfahren partizipieren, keine Ausschüttungen erfolgen dürfen, besteht kein Grund dem Insolvenzverwalter ___________ 469) In diesem Sinne wohl (allgemein zur Einbringung von Forderungen) BeckOK-HGB/Häublein/ Beyer, § 171 Rn. 28.1., die im Insolvenzfall jedoch nur eine Aufrechnung in Erwägung ziehen. 470) Zur Bewertung bei Forderungseinbringung Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 142 f. Dass der Kommanditist eine Einlage i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB leisten kann, indem er eine eigene Forderung einbringt, ist allgemein anerkannt, vgl. nur Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 101, 127. 471) BGH, Urt. v. 19.5.1958 – II ZR 83/57, NJW 1958, 1139; OLG Hamm, Urt. v. 11.6.2018 – I-8 U 124/17, ZIP 2018, 1648, 1650: „sämtliche angemeldeten Insolvenzforderungen“ (Hervorhebung durch den Verfasser); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 96; OetkerHGB/Oetker, § 171 Rn. 59. 472) S. unten Rn. 324 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
die Geltendmachung auch dieser Forderung zu erlauben.473) Daraus folgt, dass Kommanditisten aufgrund ihrer Haftung für nachrangige Insolvenzforderungen solange nicht in Anspruch genommen werden können, wie das Gericht nicht nach § 174 Abs. 3 S. 1 InsO zu deren Anmeldung aufgefordert hat.
210 Mit dieser Einschränkung muss der von § 171 Abs. 2 HGB angeordnete Übergang der Verfügungsbefugnis jedoch alle Haftungsansprüche – unabhängig von der Partizipation des jeweiligen Gläubigers am Gesellschaftsinsolvenzverfahren – erfassen. Dies ist nicht nur notwendig, weil aus diesem Übergang zugleich die Sperrwirkung folgt, die ausnahmslos für alle Haftungsgläubiger gelten muss,474) sondern auch um mittelbare Beeinträchtigungen der Dispositionsbefugnis des Verwalters über die sonstigen (auf zur Tabelle angemeldeten Ansprüchen beruhenden) Haftungsforderungen zu verhindern. Insbesondere würde sich ein Kommanditist kaum auf einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter einlassen, würde der Gesamtumfang seiner Haftung durch diesen nicht endgültig geklärt, weil ein Gläubiger, der nicht am Insolvenzverfahren teilgenommen hat, den Kommanditisten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens für eine etwaige Resthaftung in Anspruch nehmen könnte.
2.
Verhältnis zur Einforderung der Einlage
211 Die Einziehung einer offenen gesellschaftsvertraglichen Einlageforderung obliegt in der Insolvenz der Gesellschaft ebenfalls dem Insolvenzverwalter. Das folgt nicht aus § 171 Abs. 2 HGB, sondern bereits aus § 80 Abs. 1 InsO, weil es sich um eine Forderung der Insolvenzschuldnerin handelt. Weil also im Regelinsolvenzverfahren die Befugnis zur Einziehung der Einlage und der beschränkten akzessorischen Kommanditistenhaftung in der Person des Insolvenzverwalters zusammenfallen,475) ist zu klären, ob der Verwalter zwischen beiden Alternativen der Inanspruchnahme frei wählen kann, oder ob er vorrangig zur Geltendmachung des einen oder anderen Rechts verpflichtet ist. Es steht schließlich außer Frage, dass der Kommanditist nicht zur Erfüllung beider Ansprüche zugleich verpflichtet ist,476) denn Einlageleistung und akzessorische Außenhaftung sind nach dem System der §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB alternative Mittel der Gläubigersicherung. ___________ 473) BGH, Urt. v. 19.5.1958 – II ZR 83/57, NJW 1958, 1139; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.4.2018 – 11 U 104/17, ZInsO 2018, 1855, 1859; in diese Richtung auch UhlenbruckInsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 391. Die Nichtberücksichtigung nicht angemeldeter Forderungen bei der Verteilung der Insolvenzmasse ergibt sich als erst-recht-Schluss aus § 189 Abs. 3 InsO; a.A. Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33. 474) S. noch unten Rn. 298, 303. 475) Wird Eigenverwaltung angeordnet, gilt das nicht: § 171 Abs. 2 HGB weist dem Sachwalter die Einziehung der Außenhaftung zu, während die Einlage nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO weiterhin von den Vertretern der Gesellschaft eingezogen wird. 476) Michel, KTS 1991, 67, 73; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 44; zum rechtlichen Mechanismus, der dieses Alternativverhältnis umsetzt, s. unten Rn. 217 f.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Während die herrschende Meinung dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zubilligt,477) spricht sich Karsten Schmidt für den „Vorrang der Einlageschuld“ aus478) und Kohler meint, „die Gläubiger [gehen] dem Anspruch der Kommanditgesellschaft [vor]“.479)
a) Kein Vorrang der Einlageschuld oder der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB Den Vorrang der Einlageschuld begründet Karsten Schmidt damit, dass bereits 212 durch diese die „gleichmäßige Verteilung des vom Kommanditisten zu zahlenden Betrags“ erreicht werden könne, sodass dem Zweck des § 171 Abs. 2 HGB mit der Sperrwirkung Genüge getan sei.480) Diese Annahme lässt sich freilich ohne jede Mühe umkehren, was Kohler auch tut:481) Wenn sich schon durch die Einziehung der Außenhaftung nach § 171 Abs. 2 HGB die gleichmäßige Partizipation am Beitrag des Kommanditisten zur Gläubigerbefriedigung gewährleisten lässt, wofür bedarf es dann noch der Beitragspflicht und deren Einziehung? Mit einer derartigen Begründung lässt sich der Vorrang der einen oder der anderen Pflicht in der Insolvenz wohl nur dann vertreten, wenn man die Einlage gegenüber der Außenhaftung ganz allgemein als das primäre Mittel der Gläubigersicherung ansieht oder umgekehrt. Die Unrichtigkeit derartiger Annahmen wurde jedoch bereits festgestellt und wird nicht zuletzt von Karsten Schmidt selbst betont.482) Weitere Argumente gegen eine freie Wahlmöglichkeit des Insolvenzverwalters sind nicht zu finden. Dem Vorschlag, jedenfalls die Pflicht zur Leistung einer Sacheinlage solle stets 213 gegenüber der für Zwecke der Gläubigerbefriedigung unkomplizierteren Geldleistung auf die Außenhaftung zurücktreten,483) wird zurecht die Möglichkeit der Sa___________ 477) OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.11.2018 – 5 U 65/18, ZInsO 2019, 42, 45; Heidel/SchallHGB/Schall, § 171 Rn. 115 ff.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 184 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 98; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 390; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 64; Michel, KTS 1991, 67, 73 f.; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1292 f.; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 46; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293; Unger, KTS 1960, 33, 37. 478) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 127 ff.; MüKo-HGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2019, §§ 171, 172 Rn. 101, der zur Sacheinlage aber trotzdem differenziert; ebenso Schlitt, NZG 1998, 755, 761. 479) Kohler, AcP 95 (1904), 339, 342; s. auch OLG Celle, Beschl. v. 1.2.1952 – 8 UH 107/51, NJW 1952, 427: „Vereinbarungen im Innenverhältnis sind […] dem Konkursverwalter gegenüber unwirksam“. 480) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 128. 481) Kohler, AcP 95 (1904), 339, 342. 482) S. oben Rn. 35; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 29 ff.; ebenso Potsch, Kommanditistenhaftung, S. 127; a.A. Wiedemann, FS Bärmann, S. 1037, 1038; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 10; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 6, 18. 483) In diesem Sinne wird das OLG Celle, Beschl. v. 1.2.1952 – 8 UH 107/51, NJW 1952, 427, verstanden; differenzierend für die Sacheinlage auch K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 129 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
nierung im Insolvenzverfahren entgegengehalten,484) im Rahmen derer sich die als Einlage geschuldete Sache als nützlich erweisen kann. Überhaupt handelt es sich dabei um eine Zweckmäßigkeitserwägung, der ohne Schwierigkeiten im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung des Wahlrechts Rechnung getragen werden kann.
b) Bedeutung des Wahlrechts 214 Ist im Gesellschaftsvertrag eine Bareinlagepflicht vereinbart – in Publikumsgesellschaften wird das nahezu ausnahmslos der Fall sein –, kommt der Entscheidung des Verwalters keine besondere Bedeutung zu, weil er mit beiden Ansprüchen eine identische Leistung verlangen kann und das Geleistete zur Befriedigung derselben Gläubiger (nämlich aller am Insolvenzverfahren beteiligten Gesellschaftsgläubiger485)) verfügbar ist. Es empfiehlt sich dann der Einfachheit halber, das auf den größeren Betrag gerichtete Recht geltend zu machen.486) Praktische Relevanz erlangt die Ausübung des Wahlrechts somit nur, wenn der Leistungsgegenstand von Innenverpflichtung und Außenhaftung unterschiedlich ist (z.B. bei einer Sacheinlage).
215 Bemerkenswerterweise wird dies auch von denjenigen Autoren proklamiert, die eine Haftung für Neuverbindlichkeiten in der Insolvenz ablehnen.487) Das ist nicht konsequent, denn nach dieser (derzeit herrschenden) Auffassung steht eine an den Insolvenzverwalter geleistete Einlage als „normaler“ Massebestandteil zur Befriedigung aller (Masse-)Gläubiger zur Verfügung, während das nach § 171 Abs. 2 HGB Eingeforderte nur den Haftungsgläubigern zusteht und damit grundsätzlich nicht zur Tilgung von Neuverbindlichkeiten verwendet werden darf. Für die Gläubiger kann die Wahl zwischen Einlage und Haftung dann durchaus einen Unterschied machen. Aus Verwaltersicht wäre die Wahl der Einlage hiernach regelmäßig empfehlenswert, weil so die zahlreichen Unsicherheiten rund um § 171 Abs. 2 HGB vermieden werden können und sein Haftungsrisiko nach § 61 InsO entsprechend reduziert würde.488) Während die geleistete Einlage unbestritten ohne Besonderheiten in die Insolvenzmasse fällt, müsste der Verwalter bei Geltendmachung der Außenhaftung befürchten, infolge einer falschen rechtlichen Einschätzung Fehler ___________ 484) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 116. 485) Dies gilt nach den zuvor gewonnenen Erkenntnissen nicht in Bezug auf die Haftung ausgeschiedener Kommanditisten, s. oben Rn. 159 f. Allerdings schulden diese nach ihrem Ausscheiden ohnehin keinen gesellschaftsvertraglichen Beitrag mehr, vgl. bspw. Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 15, sodass sich die Frage zur Konkurrenz beider Rechte erübrigt. 486) Gar eine entsprechende Verpflichtung sieht Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 100 ff. 487) S. etwa K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 127 ff.; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 58; StaubHGB/Thiessen, § 171 Rn. 185, erkennt zwar die Auswirkungen auf die Massegläubiger, jedoch nicht, dass davon reflexartig auch die Insolvenzgläubiger betroffen sind. 488) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 184.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
bei der Verwaltung des Haftungserlöses (z.B. [Nicht-]Separierung) oder bei der Berechnung seiner Vergütung zu machen. Schuldet der Kommanditist die Leistung einer Sacheinlage und wählt der Insol- 216 venzverwalter die Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB, soll der Kommanditist an diese Wahl gebunden sein.489) Der Kommanditist dürfe der insolventen Gesellschaft keine ungewollte Sache aufdrängen.490) Diese Annahme ist aus Sicht der Gläubiger und des Insolvenzverwalters vorteilhaft. Sie leuchtet gerade dann ein, wenn die Befriedigung der Gläubiger (aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung, § 157 S. 1 InsO) durch Liquidation des insolvenzschuldnerischen Unternehmens erfolgen soll, denn dann besteht an der Sachleistung eines Kommanditisten regelmäßig kein Interesse. Mit Blick auf die Privatautonomie des Kommanditisten ist die Bindung an die Verwalterwahl in diesen Fällen hingegen problematisch und abzulehnen, denn ihm wird so die Möglichkeit genommen, sich auf die Art und Weise von seiner Haftung zu befreien, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag gestattet ist. Es ist denkbar, dass der Kommanditist seine Entscheidung, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, auch deshalb getroffen hat, weil er davon ausging, seine Einlage durch Einbringung einer bestimmten Sache leisten und sich dadurch von der beschränkten Außenhaftung befreien zu können. Die Verringerung der Möglichkeiten des Kommanditisten zur Haftungsbefreiung bedeutete insoweit eine Haftungsverschärfung, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht eintreten soll.491) Der Schutz der Gläubiger gebietet auch keine Bindung an die Wahl des Verwalters: Die Außenhaftung erlischt nur in dem Umfang, in dem eine geleistete (Sach-)Einlage objektiv werthaltig ist, in dem sie also letztlich – ggf. nach einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter – die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeiten ermöglicht.
c)
Konsequenzen für die andere Verpflichtung
Die Verknüpfung von Einlage und Haftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB besteht 217 auch in der Insolvenz, sodass die akzessorische Außenhaftung in Höhe des objektiven Wertes der an den Insolvenzverwalter geleisteten Einlage erlischt.492) Erreicht dieser Wert nicht die Haftsumme, muss ergänzend die Resthaftung nach § 171 Abs. 2 HGB geltend gemacht werden. ___________ 489) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 99; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 186; Michel, KTS 1991, 67, 74; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 129, der bei Sacheinlagen u.U. Ausnahmen vom „Vorrang der Einlageschuld“ macht. 490) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 99; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 129. 491) MüKo-HGB/K. Schmidt, 4. Aufl. 2019, §§ 171, 172 Rn. 101; vgl. auch Heidel/Schall-HGB/ Schall, § 171 Rn. 116. 492) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 118; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 188.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
218 Eine Leistung auf die Haftung hat demgegenüber keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Pflicht, die Einlage zu erbringen.493) Ein effektiver Schutz vor einer doppelten Leistungspflicht muss insoweit – ganz genauso wie außerhalb der Insolvenz – dadurch gewährleistet werden, dass man den Kommanditisten mit Blick auf seine Regressansprüche mit einer insolvenzfesten Aufrechnungsmöglichkeit (bei Bareinlagepflicht) oder einem insolvenzfesten Zurückbehaltungsrecht (bei Sacheinlagepflicht) ausstattet.
3.
Auswahl zwischen mehreren Kommanditisten
219 Die Wahl zwischen der Einforderung einer geschuldeten Einlage nach § 80 InsO und der Geltendmachung der beschränkten akzessorischen Haftung ist nicht die einzige Entscheidung, die der Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit § 171 Abs. 2 HGB treffen muss. Haften – was bei Publikumsgesellschaften fast ausnahmslos der Fall sein wird – mehrere Kommanditisten den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB, so muss er außerdem auswählen, welchen Kommanditisten er in welchem Umfang in Anspruch nehmen möchte.494)
a) Herleitung des Ermessens 220 Die Herleitung dieses Verwalterermessens bereitet keine Schwierigkeiten. Es folgt aus der gesamtschuldnerischen Natur der Haftung, die auch durch die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundene Abwicklung der Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 2 HGB nicht berührt wird. Die Einziehung der Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter erfolgt schließlich allein im Interesse der Gläubigergesamtheit und soll deren gemeinschaftliche Befriedigung auch hinsichtlich der Kommanditistenhaftung gewährleisten, nicht etwa die gleichmäßige Haftung der Kommanditisten. Ebenso, wie es den Haftungsgläubigern vor Verfahrenseröffnung nach § 421 BGB freisteht, „die Leistung nach seinem Belieben von jedem Schuldner [Kommanditisten] ganz oder zum Teil“ zu fordern, hat der Insolvenzverwalter deshalb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Auswahlermessen. Zur gleichmäßigen Verteilung der Haftungslast auf alle Kommanditisten ist er nicht verpflichtet.
___________ 493) S. oben Rn. 41; a.A. offenbar Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 100. 494) BGH, Urt. v. 11.12.1989 – II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344 = NJW 1990, 1109, 1111; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.5.2019 – 5 U 85/18, BeckRS 2019, 53083, Rn. 132; Hopt-HGB/ M. Roth, § 171 Rn. 12; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 76; Heidel/ Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 105; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 192; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 98; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 80; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 120 f.; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1195.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Menkel spricht sich für Verfahren mit einer großen Zahl von Kommanditisten trotz 221 der weiterhin gesamtschuldnerischen Haftung gegen ein derartiges Ermessen im Insolvenzfall aus und formuliert gar eine „pars conditio omnium debitorum“.495) Zur Begründung verweist er auf die tatsächliche Undurchführbarkeit des Innenausgleichs zwischen den Kommanditisten. Während die Inanspruchnahme mehrerer hundert anderer Gesellschafter durch einen Kommanditisten „lebensfremd“ sei, könne der Verwalter alle Kommanditisten quotal (zuzüglich eines „Sicherungszuschlags“) in Anspruch nehmen.496) Richtig ist, dass die Auswahlfreiheit eines Gläubigers nach § 421 S. 1 BGB nicht grenzenlos ist. Die Verschonung einzelner Gesamtschuldner zulasten eines oder mehrerer anderer ist jedoch erst dann unzulässig, wenn sie als arglistige Schädigung gegen das Schikaneverbot oder den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.497) Die im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Freistellungs- und Regresspflichten muss der Gläubiger demgegenüber grundsätzlich nicht berücksichtigen.498) Für die Haftung der Kommanditisten gilt auch in der Insolvenz einer Publikumsgesellschaft nichts anderes: Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme einzelner Gesamtschuldner betreffen genau das Risiko, vor dem das unbeschränkte Forderungsrecht gegenüber jedem Gesamtschuldner den Gläubiger – in Abgrenzung zur Teilschuld nach § 420 BGB – bewahren soll.499) Die Undurchführbarkeit des Innenausgleichs fällt deshalb in den ausschließlichen Risikobereich der gesamtschuldnerisch haftenden Kommanditisten, zumal diese auch die Möglichkeit hatten, Problemen des Innenausgleichs durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen vorzubeugen. Überdies liefe es dem von § 171 Abs. 2 HGB verfolgten Zweck, die Haftungsgläubiger zu schützen und eine optimale gemeinschaftliche Befriedigung zu ermöglichen, ersichtlich zuwider, sollte diese Regelung zu einer derart erheblichen Verschlechterung der Durchsetzungsmöglichkeiten führen. Schließlich ist auch sehr zweifelhaft, inwiefern der Insolvenzverwalter besser in der Lage sein soll, alle Gesellschafter quotal zu belangen als ein Kommanditist. Man mag auf seinen Informationsvorsprung verweisen, der aber durch Informationsrechte des Kommanditisten500) aufgeholt werden kann. Abgesehen davon stünde der Insolvenzverwalter in gleicher Weise wie der regresssuchende Kommanditist vor der Aufgabe, hunderte ggf. geringfügige ___________ 495) Menkel, NZG 2021, 497 ff., 500; auch Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 121, schreibt von einem „Gleichbehandlungsgrundsatz […] der Kommanditisten“, der jedoch nicht zu berücksichtigen sei. 496) Menkel, NZG 2021, 497, 499. 497) MüKo-BGB/Heinemeyer, § 421 Rn. 75; Staudinger-BGB/Looschelders, § 421 Rn. 124, 126; Menkel, NZG 2021, 497, 498; BGH, Urt. v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1, 7 = NJW-RR 2008, 51, Rn. 15: „nur in krassen Ausnahmefällen“. 498) Staudinger-BGB/Looschelders, § 421 Rn. 125; so auch Menkel, NZG 2021, 497, 499. 499) Jeweils nur für den Fall der Insolvenz eines Gesamtschuldners: Staudinger-BGB/Looschelders, § 421 Rn. 2; MüKo-BGB/Heinemeyer, § 421 Rn. 2. 500) Vgl. Thole, ZIP 2016, S078 ff.; s. auch BGH, Beschl. v. 15.10.2020 – IX AR (VZ) 2/19, NJW-RR 2021, 48 ff.; dazu Korch, EWiR 2021, 79 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Ansprüche geltend zu machen. Menkels Vorschlag überzeugt aus diesen Gründen nicht.
b) Pflichtgemäße Ermessensausübung 222 Bei der Ausübung seines Ermessens ist der Insolvenzverwalter allerdings nicht völlig frei.501) Ganz allgemein muss er sich bei der Verwertung der Insolvenzmasse in erster Linie an den Interessen der Gläubiger orientieren und deshalb von mehreren Optionen diejenige wählen, die „in vertretbarer Zeit […] den besten Erlös verspricht“.502) Wählt der Insolvenzverwalter schuldhaft nicht die wirtschaftlichste Verwertungsoption und erzielt dadurch einen suboptimalen Verwertungserlös oder verursacht Mehrkosten, so haftet er den Betroffenen nach § 60 InsO für die daraus folgende Schmälerung der Ausschüttungen aus der Insolvenzmasse. Verzögert er den Fortgang des Verfahrens, droht in Extremfällen die Entlassung durch das Insolvenzgericht, § 59 Abs. 1 InsO.503) Für die Ausübung seines „Kommanditistenauswahlermessens“ muss sich der Insolvenzverwalter – angesichts der Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche und der Kompetenzzuweisung nach § 171 Abs. 2 HGB im Gläubigerinteresse – in gleicher Weise an Fragen der Wirtschaftlichkeit orientieren.504) In aller Regel wird es dabei am effizientesten sein, Kommanditisten mit möglichst hohen ausstehenden Haftsummen in Anspruch zu nehmen, weil auf diese Weise die Zahl der Prozesse minimiert werden kann.505)
223 Dass diese „Einschränkung“ des Auswahlermessens des Insolvenzverwalters nicht auf der Ebene der gesamtschuldnerischen Haftung erfolgt, sondern aus seiner Pflichtenbindung als Verwalter fremden Vermögens folgt, muss bei den Folgen einer pflichtwidrigen Ermessensausübung beachtet werden. Geht der Verwalter bei der Auswahl der Kommanditisten nach unwirtschaftlichen Kriterien vor, so kann dies zwar eine Haftung nach § 60 InsO auslösen,506) Auswirkungen auf seine Rechte gegenüber den Kommanditisten hat es jedoch grundsätzlich nicht. Kein Kommanditist kann die Leistung mit der Begründung verweigern, die Inanspruchnahme anderer Kommanditisten könne günstiger oder schneller erfolgen. ___________ 501) BGH, Urt. v. 11.12.1989 – II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344 = NJW 1990, 1109, 1111: „pflichtgemäß auszuübenden […] Ermessen“. 502) Uhlenbruck-InsO/Zipperer, § 159 Rn. 3; vgl. auch HK-InsO/Ries, § 159 Rn. 8 f.; MüKo-InsO/ Janssen, § 159 Rn. 5, 9. 503) K. Schmidt-InsO/Ries, § 59 Rn. 8; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 73. EL. 09/2017, § 58 Rn. 7. 504) Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 76; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 192: „möglichst schnell“. 505) Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1195; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 122; zum Fortbestehen des Auswahlermessens im Zusammenhang mit ausgeschiedenen Kommanditisten vgl. noch unten Rn. 389. 506) Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 122.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
4.
Grenze der Inanspruchnahme – Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung
Bemüht sich der Insolvenzverwalter nach dem Vorstehenden, einzelne Kommandi- 224 tisten so umfassend wie möglich in Anspruch zu nehmen, muss er beachten, dass der Umfang der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB in mehrfacher Hinsicht Beschränkungen unterworfen ist. Schon aus der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter die beschränkte Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB geltend macht, ergibt sich selbstverständlich die erste Grenze: Auch ihm gegenüber gibt die ins Handelsregister eingetragene Haftsumme den Höchstbetrag der „Außen“-Haftung an. Das Reichsgericht setzte der Inanspruchnahme des Kommanditisten eine weitere 225 Schranke, die heute allgemein anerkannt ist: Sie dürfe nur soweit erfolgen, wie es zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.507) Diese Begrenzung lässt sich in zwei Aspekte zerlegen:508) Zum einen müssen überhaupt Gläubigerforderungen in Höhe der Haftsumme bestehen, für die der Kommanditist haftet (Passivseite). Andererseits darf der Insolvenzverwalter nur dann nach § 171 Abs. 2 HGB gegen den Kommanditisten vorgehen, wenn und soweit die zu diesem Zweck verfügbare Insolvenzmasse (Aktivseite) nicht zur Tilgung dieser maßgeblichen Verbindlichkeiten genügt. Soweit, gemessen an diesen Voraussetzungen, eine Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht erforderlich ist, kann der Insolvenzverwalter nach allgemeiner Ansicht nicht nach § 171 Abs. 2 HGB gegen ihn vorgehen. Die Sperrwirkung soll hiervon allerdings unberührt bleiben. Die Gläubiger seien weiterhin für die Dauer des Insolvenzverfahrens von der Geltendmachung der Haftungsansprüche ausgeschlossen.509) Auf diese Weise wird die primäre Außenhaftung des Kommanditisten im Insolvenzfall der Sache nach nicht nur zu einer Innenhaftung, sondern zugleich zu einer subsidiären Haftung auf den Ausfall. Im Gesetzeswortlaut ist die Beschränkung der Inanspruchnahme auf den zur Gläu- 226 bigerbefriedigung erforderlichen Betrag an keiner Stelle angelegt. Entsprechend ist auch insoweit vieles umstritten. Sind auf der Passivseite auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungen und für den Ausfall festgestellte Forderungen anzu-
___________ 507) RG, Urt. v. 12.2.1902 – I 333/01, RGZ 51, 33, 38; vgl. heute nur BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, ZIP 2011, 906, Rn. 18; OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1031; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2270; Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1300 f.; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1194; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 118; Thole, ZRI 2020, 49, 51 f.; Gehrlein, GmbHR 2021, 692, Rn. 34 f.; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 93; a.A. nur Thomale, ZGR 2021, 643, 660 f. 508) Thole, ZRI 2020, 49, 52 ff. 509) Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 387; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 93.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
setzen?510) In welcher Form finden die bereits von anderen Kommanditisten erhaltenen Mittel Berücksichtigung?511) Gilt die Einschränkung der Verwalterbefugnisse nur für die Einziehung der akzessorischen Kommanditistenhaftung oder ist die Einziehung rückständiger Beitragspflichten in gleicher Weise begrenzt?512) Eine konsequente Beantwortung all dieser Streitfragen ist nur dann möglich, wenn man zuvor das dogmatische Fundament der Beschränkung bei fehlender Erforderlichkeit herauspräpariert.
a) Praktische Bedeutung 227 Die durchschnittliche Insolvenzquote für Insolvenzgläubiger betrug zuletzt 3,8 %, für Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse von Personengesellschaften waren es immerhin 6,0 %, bei der GmbH & Co. KG 5,3 %.513) In Anbetracht dieser geringen durchschnittlichen Befriedigungsaussichten im Insolvenzverfahren erscheint es ausgeschlossen, dass die vorhandene Insolvenzmasse in größerer Regelmäßigkeit die vollständige Gläubigerbefriedigung möglich macht. Deshalb verwundert es zunächst nicht wenig, dass der Einwand der fehlenden Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung in der Rechtsprechung der vergangenen Jahre enorme Aufmerksamkeit erfahren514) und sich zu einer beliebten Verteidigungsstrategie für Kommanditisten entwickelt hat.515) ___________ 510) Zu beiden Fragen hat der Bundesgerichtshof inzwischen Stellung bezogen. Vgl. für bestrittenen Forderungen: BGH, Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, Rn. 12 ff.; zu für den Ausfall festgestellten Forderungen: BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 17; Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 16; s. jeweils auch unten m.w.N. Rn. 272 ff., 279 ff. 511) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 20 ff.; Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 23 ff.; zuvor mit gegensätzlichen Ansichten OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 139, und OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1032; eingehend Thole, ZRI 2020, 49, 53 ff.; s. noch unten Rn. 269 ff., 284. 512) Für eine entsprechende Beschränkung wohl MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 105; unklar BGH, Urt. v. 9.2.1981 – II ZR 38/80, NJW 1981, 2251, 2252: „[…] der Konkursverwalter […] die rückständigen Einlagen jedenfalls insoweit einfordern kann, als sie zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 513) Für im Jahr 2011 eröffnete und bis Ende 2018 abgeschlossene Insolvenzverfahren; Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1.1, Jahr 2018, Tabelle 1.1. 514) Nur auszugsweise: BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZR 154/20, ZInsO 2021, 1459, Rn. 10 ff.; Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, Rn. 7 ff.; Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 24 ff.; Beschl. v. 15.9.2020 – II ZR 183/19, BeckRS 2020, 34807, Rn. 9 f.; Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 21 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.7.2020 – 1 U 75/19, ZIP 2021, 1121, 1122 f.; OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1031; OLG Hamm, Beschl. v. 8.4.2019 – I-8 U 91/18, ZInsO 2019, 1493, 1496; LG München II, Urt. v. 13.12.2018 – 11 O 4254/16, ZInsO 2019, 402, 403 f.; in der Literatur Thole, ZRI 2020, 49, 51 ff.; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1194; Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1300 f. 515) Mikolajczak/Rollin, NJW 2021, 937; dagegen noch K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 134: „Dieser Fall dürfte kaum praktische Bedeutung haben“.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Auf den ersten Blick liegt die Vermutung nahe, dass die Gesellschaft in den Fällen, 228 in denen die Inanspruchnahme eines Kommanditisten zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich ist, liquide Mittel derart erworben hat, dass der Insolvenzgrund entfallen ist und die Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO beantragt werden könnte. Kann die Gesellschaft alle ihre Gläubiger jetzt und in Zukunft (§ 41 InsO) befriedigen, ist ausgeschlossen, dass die Überschuldung oder die (drohende) Zahlungsunfähigkeit fortbesteht. Praktisch dürfte dies jedoch kaum einmal tatsächlich der Fall sein. Stattdessen offenbart sich die praktische Bedeutung des Einwands fehlender Erforderlichkeit, wenn man die in der gebräuchlichen Formulierung enthaltene Einschränkung beachtet: Der Kommanditist muss nicht an den Insolvenzverwalter leisten, soweit seine Inanspruchnahme nicht zur Tilgung derjenigen Gesellschaftsschulden erforderlich ist, für die er haftet.516) Hat bereits zuvor ein anderer Gesellschafter auf seine akzessorische Haftung (an den Insolvenzverwalter) geleistet, kommt es nämlich regelmäßig zu einer Abweichung zwischen dem Kreis der Gesellschaftsgläubiger und demjenigen der Haftungsgläubiger: Die Leistungen einzelner Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB tragen auf der einen Seite nichts zur Verringerung der Gesellschaftsschulden – und damit zur Beseitigung des Insolvenzgrunds – bei, da im Umfang der Leistung Regressverbindlichkeiten der Gesellschaft ausgelöst werden.517) Andererseits können sie jedoch mit Blick auf den mit der Haftungsleistung einhergehenden gesetzlichen Übergang der Gesellschaftsverbindlichkeit zu einer erheblichen Reduzierung des Haftungsumfangs der übrigen Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB führen.518) Dringt der Kommanditist mit dem Einwand fehlender Erforderlichkeit durch, so 229 wird dies also regelmäßig nicht daran liegen, dass die Gesellschaft selbst über ausreichendes Vermögen verfügt, sondern daran, dass andere Gesellschafter bereits zuvor in ausreichendem Umfang in Anspruch genommen wurden. Dazu passt, dass diese Beschränkung in einer Zeit in den Fokus gerückt ist, in der Insolvenzen großer Publikumsgesellschaften mit teils 7.000 Anlegerkommanditisten519) die Gerichtspraxis dominieren. ___________ 516) Mit vergleichbarer Formulierung beispielsweise: BGH, Beschl. v. 29.4.2021 – IX ZR 154/20, ZInsO 2021, 1459, Rn. 10; Beschl. v. 9.3.2021 – II ZR 40/20, BeckRS 2021, 7029, Rn. 3; Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, Rn. 7; Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 24; OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1031. 517) Ähnlich Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 2441, 2445, die auch darauf hinweisen, dass die Stellung eines Antrags nach § 212 InsO bei Schiffsfonds auch deshalb unwahrscheinlich ist, weil mit der notwendig gewordenen Veräußerung des Fondsschiffs die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens entfallen ist. Auch Oepen, Massefremde Masse, Rn. 209, betont (allgemein für die Gesellschafterhaftung), die Haftungsforderungen seien bei der Prüfung des Insolvenzgrunds außer Betracht zu lassen. 518) S. noch unten Rn. 271. 519) Von einer insolventen Fondsgesellschaft dieser Größe berichten Zerfaß/Fehr, WiWo v. 5.9.2012; Schröder, Zeit v. 6.3.2014, schreibt über „einige Hundert“ bis „mehrere Tausend“ Anleger pro Fonds.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
b) Gesetzliche Beschränkungen auf das Gläubigerinteresse 230 Die Beschränkung eines Forderungsrechts bei fehlender Erforderlichkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal der Kommanditistenhaftung in der Insolvenz. Der „zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderliche“ Betrag wird auch an anderer Stelle für bedeutsam gehalten520) und findet verschiedentlich sogar – anders als in § 171 Abs. 2 HGB – ausdrückliche Erwähnung im Gesetz. Besonders das GmbHGesetz und das Aktiengesetz sowie die Insolvenzordnung knüpfen im Kontext der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften unterschiedliche Konsequenzen an den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag.
231 Die prominentesten Beispiele finden sich in § 31 GmbHG. Nach § 31 Abs. 2 GmbHG muss der Empfänger einer nach § 30 GmbHG verbotenen Auszahlung aus dem Stammkapital der Gesellschaft, der hinsichtlich der kapitalschutzrechtlichen Zulässigkeit der Gesellschaftsleistung gutgläubig war, den ausgezahlten Betrag nur insoweit an die Gesellschaft zurückzahlen, wie es zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. Die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter nach § 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG ist gleichermaßen begrenzt. Die Rechtsfolge dieser Regelungen wird in einer – freilich nicht unumkehrbaren, sondern vom Fortbestand fehlender Erforderlichkeit abhängigen521) – Begrenzung des materiellen Forderungsrechts der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG gesehen.522) Auch in den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften finden sich Anknüpfungen an den in diesem Sinne erforderlichen Betrag. Haben Aktionäre aktienrechtswidrige Gesellschaftsleistungen von der AG erhalten, so sind sie nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich zur Rückgewähr an die Gesellschaft verpflichtet. Anstelle der Gesellschaft können auch deren Gläubiger im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft Leistung an die Gesellschaft523) verlangen, dies allerdings nur „soweit sie von dieser [der Gesellschaft] keine Befriedigung erlangen können“, § 62 Abs. 2 S. 1 AktG. Die gleiche Formulierung findet sich auch in den §§ 93 Abs. 5 S. 1, 117 Abs. 5 S. 1 und 309 Abs. 4 AktG sowie in § 34 Abs. 5 S. 1 GenG.524)
232 § 9b Abs. 1 S. 1 GmbHG stellt ebenfalls auf die Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung ab. Hier verbindet das GmbHG damit jedoch lediglich den Verlust der ___________ 520) Für die Abwicklung der AG vgl. beispielsweise Grigoleit-AktG/Servatius, § 268 Rn. 14 m.w.N.; für die Liquidation einer Fondsgesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 137/16, NJW-RR 2018, 677, Rn. 41. 521) MüKo-GmbHG/Ekkenga, § 31 Rn. 51, 57; Noack/Servatius/Haas-GmbHG/Servatius, § 31 Rn. 19; Lutter/Hommelhoff-GmbHG/Hommelhoff, § 31 GmbHG Rn. 19 f., und Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-GmbHG/Heidinger, § 31 Rn. 56, bezeichnen den Anspruch als „schwebend unwirksam“; Scholz-GmbHG/Verse, § 31 Rn. 44 („temporär“), 51. 522) Scholz-GmbHG/Verse, § 31 Rn. 44, 51; Altmeppen-GmbHG, § 31 Rn. 22; Lutter/HommelhoffGmbHG/Hommelhoff, § 31 GmbHG Rn. 19. 523) Zu dieser Einordnung MüKo-AktG/Bayer, § 62 Rn. 85, 88 ff.; Koch-AktG, § 62 Rn. 17. 524) S. zu diesen Vorschriften noch unten Rn. 484 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Dispositionsbefugnis der Beteiligten über einen Anspruch: Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ansprüche aus der Gründerhaftung nach § 9a GmbHG oder ein Vergleich darüber zwischen der Gesellschaft und den ersatzpflichtigen Personen entfaltet danach grundsätzlich525) keine rechtliche Wirkung, soweit der Ersatz zur Gesellschaftsgläubigerbefriedigung erforderlich ist. Anders gewendet: (Nur) soweit die Geltendmachung der Gründerhaftungsansprüche in diesem Sinne entbehrlich ist, sind die Gesellschaft und Schuldner befugt, darüber zu verfügen. Die von § 9b Abs. 1 S. 1 GmbHG ausgelöste Unwirksamkeit soll eine endgültige sein und auch bei Entfallen der Erforderlichkeit fortbestehen.526) Über die Verweisung in § 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG findet § 9b (Abs. 1 S. 1) GmbHG auch auf die Haftung des Geschäftsführers Anwendung, der unter Verstoß gegen § 30 GmbHG Ausschüttungen vorgenommen oder entgegen § 33 GmbHG namens der Gesellschaft eigene Anteile erworben hat. Wieder andere Folgen knüpfen § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG und § 15b Abs. 2 S. 3 InsO 233 an die Erforderlichkeit von Ansprüchen zur Gläubigerbefriedigung. Nach diesen Vorschriften kann sich der nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 1 InsO Ersatzpflichtige nicht durch den Verweis auf einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter oder des Aufsichtsrats exkulpieren – „soweit [die Erstattung oder] der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft [juristischen Person] erforderlich ist“.527) Schließlich ist der zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Betrag auch im Rah- 234 men der Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB von Bedeutung. Eine ausdrückliche Erwähnung im Gesetz findet sich hier nicht, jedoch besteht Einigkeit, dass sich schon aus dem Haftungsgrund ergebe, dass der Schadensersatzanspruch gegen den Gesellschafter auf die (durch den existenzvernichtenden Eingriff verursachte) Unterdeckung beschränkt ist.528) Obwohl der Anspruch der Gesellschaft selbst zusteht, gehe es der Sache nach nämlich allein um den Schutz der Gesell-
___________ 525) Ausgenommen sind nach § 9b Abs. 1 S. 2 GmbHG Vergleiche zur Abwendung des Insolvenzverfahrens eines zahlungsunfähigen Haftungsschuldners und Einschränkungen im Rahmen eines Insolvenzplans. Die Regelung weist große funktionale Ähnlichkeit zu § 172 Abs. 3 HGB auf. 526) Altmeppen-GmbHG, § 9b Rn. 3; MüKo-GmbHG/Herrler, § 9b Rn. 24; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt-GmbHG/Tebben/Kämper, § 9b Rn. 13; Lutter/Hommelhoff-GmbHG/Bayer, § 9b GmbHG Rn. 3. 527) Im Grundsatz, das lässt sich diesen Normen im Umkehrschluss entnehmen, entfaltet ein derartiger Beschluss dagegen sehr wohl Exkulpationswirkung. A.A. (zu § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG) Scholz-GmbHG/Verse, § 43 Rn. 388 m.w.N.; (zu § 15b Abs. 4 S. 3 InsO) Bitter, ZIP 2021, 321, 331; BeckOK-InsR/Wolfer, § 15b InsO Rn. 36. 528) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, 268 f. = NJW 2007, 2689, Rn. 55 f.; MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 628 f.; Scholz-GmbHG/Bitter, § 13 Rn. 169; Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt-GmbHG/Lieder, § 13 Rn. 464; Lutter/Hommelhoff-GmbHG/Bayer, § 13 Rn. 29, 41; Weller, ZIP 2007, 1681, 1686.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
schaftsgläubiger, weshalb nur in Höhe des zu ihrer Befriedigung erforderlichen Betrags ein Schaden entstanden sein könne.529)
235 Konzeptionell haben die genannten Regelungen und Rechtsinstitute, die an die Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung anknüpfen, einen gemeinsamen Nenner: Sie haben allesamt Ansprüche der Gesellschaft530) gegen Dritte (Gesellschafter oder Geschäftsleiter) zum Gegenstand, durch die abstrakt die Interessen der Gesellschaftsgläubiger in der Krise der Gesellschaft gewahrt werden sollen. Die Vorschriften eint, dass sie diese Ansprüche insoweit einschränken oder wenigstens für einschränkbar erachten, wie an ihrer Geltendmachung bloß ein abstraktes und (mangels tatsächlich vorhandenen Befriedigungsdefizits) nicht zugleich ein konkretes Gläubigerinteresse besteht. Gleiches gilt für die Einschränkung der Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB.
c)
Herleitung der Beschränkung
236 Obwohl diese Beschränkung nahezu unbestritten ist,531) bleibt ihre Herleitung in Rechtsprechung und Literatur meist unklar.
237 Ist die umfassende Inanspruchnahme des Kommanditisten schon deshalb nicht erforderlich, weil auf der Passivseite keine die ungedeckte Haftsumme erreichenden Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen, folgt die Begrenzung der Verwalterbefugnisse zwanglos aus dem gleichsam begrenzten Umfang der Haftungsansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB. Es besteht insoweit schon kein „den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehendes Recht“, das der Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB geltend machen könnte.
238 Interessanter und auch häufiger532) sind die Fälle, in denen zwar entsprechende Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen, bei der Gesellschaft aber bereits so viel Insolvenzmasse vorhanden ist, dass eine die Haftsumme erschöpfende Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht zur Deckung erforderlich ist. Methodisch kann die Einschränkung potenziell über verschiedene Stellschrauben umgesetzt werden: Überwiegend wird der Einwand fehlender Erforderlichkeit als Sonderfall der dolo agit-Einrede aus § 242 BGB begriffen, wonach er lediglich die Durchsetzbarkeit der Haftungsansprüche beträfe. Man könnte stattdessen auch annehmen, die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters entfalle bei fehlender Erforderlichkeit. Überzeugenderweise ist in der Insolvenz der Gesellschaft allerdings bereits die be___________ 529) So klar MüKo-GmbHG/Liebscher, Anh. § 13 Rn. 628. 530) Im Falle der §§ 93 Abs. 5 S. 1, 117 Abs. 5 S. 1 und 309 Abs. 4 AktG sowie § 34 Abs. 5 S. 1 GenG besteht ein eigenes Forderungsrecht, das mit einem Gesellschaftsanspruch verknüpft ist, s. noch unten Rn. 488. 531) S. die Nachweise oben in Fn. 507. 532) Thole, ZGR 2019, 301, 305.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
schränkte akzessorische Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB ausgeschlossen, soweit sie zur Befriedigung der Haftungsgläubiger entbehrlich ist.
aa) Einrede des Kommanditisten nach § 242 BGB Zumeist wird der Einwand fehlender Erforderlichkeit als Einrede des Kommanditis- 239 ten begriffen: Ist die Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht zur Gläubigerbefriedigung erforderlich, so sei die Geltendmachung der Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter treuwidrig und der Kommanditist könne die Leistung nach § 242 BGB verweigern.533) Dieser Ansatz ist in der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung zu finden534) und auch der Bundesgerichtshof tendiert wohl zu diesem Verständnis.535) Zugleich entspricht es auch dem Meinungsstand zu § 93 InsO.536) Die Begründung des Treuwidrigkeitsvorwurfs liegt scheinbar auf der Hand. Könnte 240 der Insolvenzverwalter mehr verlangen, als er zur Gläubigerbefriedigung benötigt, wäre das Ergebnis ein Überschuss nach der Schlussverteilung, den er nach § 199 S. 2 InsO an die Gesellschafter ausschütten müsste.537) Mit der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB forderte der Insolvenzverwalter in derartigen Fällen also etwas, was er letztlich ohnehin wieder an den Kommanditisten zurückzahlen müsste. Der Einwand fehlender Erforderlichkeit ist nach diesem Verständnis also nichts anderes als ein Sonderfall der Arglisteinrede, dolo agit qui petit quod statim redditurus est.538) ___________ 533) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 193; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 115 f.; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 387; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/ Mock, § 94 Rn. 63, Fn. 201; Menkel, NZG 2021, 497, 498; Schur, EWiR 2020, 503, 504; (in der Herleitung) beschränkt auf den ausgeschiedenen Kommanditisten: K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 134 f., sowie Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 91. 534) Ohne nähere Erläuterung OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1031. 535) BGH, Urt. v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319, 326 = NJW 1963, 1873, 1875, zur Haftung gegenüber bevorrechtigten Konkursgläubigern. 536) OLG Hamm, Urt. v. 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233, 1240; Kübler/Prütting/Bork/ Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 74; MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 25; Gottwald/ Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 63; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 43 Rn. 20; MüKo-BGB/ Schubert, § 242 Rn. 569; Nerlich/Römermann-InsO/Kruth, 36. EL. 06/2018, § 93 Rn. 6; K. Schmidt/ Bitter, ZIP 2000, 1077, 1082 f.; K. Fuchs, ZIP 2000, 1089, 109; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 134, 163; s. auch bereits die Begründung zum RegE-InsO: BT-Drucks. 12/2443, S. 140. 537) Keine Ergebnisunterschiede folgen daraus, dass man entsprechend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 134, Fn. 20, auf die Quotenausschüttungen auf potenzielle Regressforderungen des Kommanditisten abstellt. 538) So klar: Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 193; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 115 f.; Menkel, NZG 2021, 497, 498; zum Ausgeschiedenen Kommanditisten: K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 135; zur Arglisteinrede im Allgemeinen: StaudingerBGB/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 279 ff.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
241 Bei genauerer Betrachtung muss für die Annahme der Arglisteinrede jedoch zwei Bedenken nachgegangen werden.
242 Zum einen ist zu klären, welche zeitlichen Grenzen für die Annahme der Arglisteinrede bestehen („statim“). Die Ausschüttung an die Gesellschafter nach § 199 S. 2 InsO erfolgt nicht vor Abschluss der Schlussverteilung,539) also am Ende des Insolvenzverfahrens. Die Inanspruchnahme der Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB ist hingegen ab Verfahrenseröffnung möglich. Zwischen der Geltendmachung der Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter und der potenziellen Ausschüttung kann vor diesem Hintergrund sehr viel Zeit vergehen.540) Schließt diese zeitliche Verzögerung zwischen Einziehung der Haftung nach § 171 Abs. 2 HGB und der Verpflichtung zur Rückausschüttung nach § 199 S. 2 InsO den Vorwurf treuwidrigen Handelns aus?541) Klarheit schafft ein Blick auf die mit der dolo agit-Einrede verbundenen Wertungen. Die Einrede ist ein Sonderfall des Vorwurfs missbräuchlicher Rechtsausübung.542) Trotz Rechtspflicht kann der Schuldner die Leistung verweigern, weil der Anspruchsteller – wegen der Rückleistungspflicht – objektiv kein Interesse an der Leistung hat.543) Aus dieser Herleitung folgt aber, dass es nicht in erster Linie auf eine zeitlich unmittelbare Rückgabepflicht ankommt, sondern nur darauf, ob die Rückgabepflicht das Interesse am Erhalt der Leistung ausschließt: Das Leistungsverlangen ist nicht missbräuchlich, wenn der Anspruchsteller den Leistungsgegenstand zwar nach kurzer Zeit zurückgeben muss, zwischenzeitlich aber Verwendung dafür hat. Dagegen ist die Geltendmachung eines Anspruchs auch dann treuwidrig, wenn der Anspruchsteller zwar erst nach längerer Zeit zur Rückgewähr des Geleisteten verpflichtet sein wird, in der Zwischenzeit aber keinerlei rechtlich schützenswerte Verwendung für die Leistung haben kann. An der Erzielung eines Überschusses hat der Insolvenzverwalter in der Tat kein schützenswertes544) Interesse. Die Tatsache, dass dem haftenden Kommandi___________ 539) Uhlenbruck-InsO/Wegener, § 199 Rn. 7; K. Schmidt-InsO/Jungmann, § 199 Rn. 8; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.66. 540) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 74, schreibt von „deutlich später zu realisierende[n] Erstattungsansprüche[n]“ der Gesellschafter. 541) Zur Frage, ob der Inhaber eines vom Nichtberechtigten erworbenen Anwartschaftsrechts die Herausgabe auch dem Eigentümer gegenüber verweigern darf, wird beispielsweise vertreten, eine dazu berechtigende dolo agit-Einrede bestehe nur dann, wenn der (zum Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht führende) Eintritt der aufschiebenden Bedingung „nahe bevorsteht“, vgl. MüKo-BGB/Baldus, § 986 Rn. 20. 542) Staudinger-BGB/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 279; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rn. 57 ff., 87 f. 543) MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 560; Staudinger-BGB/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 280, 282; Erman-BGB/Böttcher, § 242 Rn. 111. 544) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 93. Ein höherer Einziehungsbetrag nach § 171 Abs. 2 HGB führt zwar zu einer höheren Verwaltervergütung. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Verwalters, im eigenen Vergütungsinteresse „künstlich“ Masse anzuhäufen.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
tisten erst mit (potenziell erheblicher) zeitlicher Verzögerung durchsetzbare Rückzahlungsansprüche zustehen, § 199 S. 2 InsO, schließt somit nicht aus, dass sich das Vorgehen des Insolvenzverwalters nach § 171 Abs. 2 HGB als missbräuchlich und damit als treuwidrig i.S.d. § 242 BGB erweist. Zentrale Voraussetzung der dolo agit-Einrede ist dann lediglich, dass bei Inan- 243 spruchnahme des Kommanditisten bereits feststeht, dass der Insolvenzverwalter zur Rückausschüttung an den leistenden Kommanditisten nach § 199 S. 2 InsO verpflichtet sein wird. Es bedarf deshalb zum einen im Einzelfall einer genaueren Überprüfung, ob die Erzielung eines Überschusses aufgrund der Leistung des Kommanditisten (unter Berücksichtigung bestehender Prognoseunsicherheiten in Bezug auf die verfügbare Aktivmasse [Prozessrisiken etc.] und die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten) mit Sicherheit feststeht.545) Zum anderen wird es zumeist höchst problematisch sein, inwieweit gerade dem in Anspruch genommenen Kommanditisten der Anspruch aus § 199 S. 2 InsO zusteht. Nach dieser Regelung schüttet der Insolvenzverwalter den Überschuss nach den „bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens“ geltenden Verteilungsregeln aus. Selbst wenn dabei vorrangig die aufgrund der akzessorischen Gesellschafterhaftung in Anspruch genommenen (§ 93 InsO, § 171 Abs. 2 HGB) Gesellschafter zu berücksichtigen sind,546) wird regelmäßig nur ein Bruchteil des Überschusses nach § 199 S. 2 InsO an den oder die zuletzt leistenden Kommanditisten zurückzuzahlen sein, dessen oder deren Haftungsleistung nicht mehr (vollständig) zur Gläubigerbefriedigung erforderlich war – gerade bei Gesellschaften mit zahlreichen haftenden Gesellschaftern. Denn in gleichem „Rang“ wären an dem Überschuss diejenigen zu beteiligen, deren (vorherige) Inanspruchnahme zur Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten noch erforderlich war.547) Weil der Insolvenzverwalter also in der wohl überwiegenden Zahl der Fälle die erhaltene Leistung größtenteils an Dritte erstatten muss, fehlt es am charakteristischen „Hin-und-Her-Leisten“. Der dolo agit-Einrede ist dann mit Ausnahme eines Forderungsbruchteils die Grundlage entzogen: Der ___________ 545) Zu § 93 InsO ist anerkannt, dass ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 BGB nur in Fällen „offensichtlicher“ Überdeckung besteht, s. z.B. Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 74; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 34, 37; Gottwald/HaasInsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 63; MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 569. Für § 171 Abs. 2 HGB wird dies nur selten formuliert, s. aber Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 117 f.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 193 („absehbar“). 546) Zur unbeschränkten Gesellschafterhaftung: OLG Hamm, Urt. v. 30.3.2007 – 30 U 13/06, ZIP 2007, 1233, 1240; K. Fuchs, ZIP 2000, 1089, 1095 f.; MüKo-InsO/Kebekus/Schwarzer, § 199 Rn. 2; a.A. Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 2441, 2447 f. 547) Beispiel: Die insolvente KG hat Verbindlichkeiten i.H.v. 400.000 € und eigenes Vermögen i.H.v. 100.000 €. Der Insolvenzverwalter nimmt 10 Kommanditisten i.H. ihrer Haftsumme von je 29.000 € nach § 171 Abs. 2 HGB in Anspruch. Leistet nun ein weiterer Kommanditist in selber Höhe, verbleibt nach der Schlussverteilung ein Überschuss i.H.v. 19.000 €, der gleichmäßig an die elf in Anspruch genommenen Kommanditisten verteilt wird. Auf den zuletzt leistenden Kommanditisten entfällt lediglich eine Rückzahlung i.H.v. etwa 1.727 €.
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Insolvenzverwalter ist eben nicht zur umfassenden Rückgewähr an den Forderungsschuldner verpflichtet. Es kann nicht bezweifelt werden, dass ein Verwalterinteresse an der Anhäufung überschüssiger Masse ganz unabhängig davon nicht besteht, an wen der Überschuss letzten Endes auszuschütten ist. Anders als in dolo agit-Konstellationen kommt jedoch seitens des Schuldners – wegen des fehlenden Rückforderungsrechts – kein schutzwürdiges Interesse an der Verweigerung der Leistung hinzu.548) Das gilt umso mehr, soweit der „überflüssig“ nach § 171 Abs. 2 HGB in Anspruch genommene Kommanditist ansonsten aus anderen Gründen, namentlich zum Zwecke des Innenausgleichs, zur unmittelbaren Zahlung an die übrigen in Anspruch genommenen Gesellschafter verpflichtet wäre.549) Derartiges ist einzelfallabhängig, verdeutlicht aber, dass der Treuwidrigkeitsvorwurf bei fehlender Erforderlichkeit oftmals nicht begründet ist.
244 Stützt man den Einwand fehlender Erforderlichkeit trotz dieser grundlegenden Bedenken auf § 242 BGB, ließe dies Flexibilität für Ausnahmen. So wäre in der Doppelinsolvenz eine über den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag hinausgehende Forderungsanmeldung durch den Insolvenzverwalter (der KG) im Kommanditisten-Insolvenzverfahren nicht treuwidrig, soweit nicht auch die zu erwartende Quotenzahlung diesen Betrag übersteigt.550)
245 Auf § 242 BGB käme es letztlich ohnehin nicht an, ließe die fehlende Erforderlichkeit zur Befriedigung der Gläubiger, denen der Kommanditist haftet, bereits die materiellen Befugnisse des Insolvenzverwalters entfallen.
bb) Keine allgemeine Begrenzung der Verwalterbefugnisse durch den Insolvenzzweck 246 Das Reichsgericht erläuterte, dass die Einziehung der Haftungsansprüche durch den Verwalter „nur so weit zu geschehen [habe], als es für den Zweck des Konkurses, die Befriedigung der Gläubiger, erforderlich ist, während eine darüber hinausgehende Ansammlung von Kapital für die Gläubiger ohne Interesse sein und deshalb nicht mehr zu dem Bereiche der Aufgabe gehören würde, die dem Konkursverwalter in § 171 Abs. 2 […] zugewiesen ist“.551) Aus diesen Ausführungen könnte man versucht sein, eine allgemeine Aussage zu extrahieren: Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es, das Insolvenzverfahren durchzuführen. Die Befugnisse des ___________ 548) Zur Bedeutung der Schutzwürdigkeit des Leistenden für die dolo agit-Einrede s. StaudingerBGB/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 280. Denkbar wäre höchstens, die Gesellschafter im Rahmen einer wertenden Betrachtung als Interessengemeinschaft gegenüber dem Insolvenzverwalter zusammenzufassen. 549) Zum Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern s. MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 18 m.w.N. 550) K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1083; a.A. MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 26 ff., sowie Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 93 Rn. 26. 551) RG, Urt. v. 12.2.1902 – Rev. I 333/01, RGZ 51, 33, 38.
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Insolvenzverwalters können deshalb nicht weiter reichen als der Zweck des Insolvenzverfahrens – die Befriedigung der Gläubiger des Insolvenzschuldners – und wären deshalb stets auf Maßnahmen begrenzt, die dem Verfahrenszweck förderlich sind. Der Einwand fehlender Erforderlichkeit bei der Inanspruchnahme des Kommanditisten wäre dann keine kommanditistenspezifische Einschränkung, sondern bloß Symptom einer globaleren Grenze der Verwalterkompetenzen. In ihrer Allgemeinheit scheint sich diese Begründung bereits nicht mit den ihm 247 Rahmen der sog. Insolvenzzweckwidrigkeit geltenden Maßstäben zu vertragen. Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters sollen nämlich erst unwirksam sein, wenn sie dem Insolvenzzweck evident und für den anderen Teil erkennbar zuwiderlaufen,552) und nicht schon dann, wenn sie diesem nicht förderlich sind. Bei der Einordnung im vorliegenden Kontext muss jedoch die besondere Schutzrichtung dieses Rechtsinstituts beachtet werden: Die „Anlehnung an die Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht“553) zeigt, dass die restriktiven Unwirksamkeitsgrenzen dem Schutz der Vertragspartner des Insolvenzverwalters dienen, die auf dessen Handlungsmacht vertraut haben.554) Geht es dagegen um die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter, liegen die Interessen genau umgekehrt: Hier wäre es für die Betroffenen gerade günstig, wäre die Handlungsmacht des Verwalters eingeschränkt.555) Für die Kompetenzgrenzen des Insolvenzverwalters bei der Geltendmachung von Rechten ergeben sich somit aus den Regeln zu insolvenzzweckwidrigem Verwalterhandeln keine zwingenden Folgerungen. Eine derart allgemein gefasste Einschränkung der Verwalterbefugnisse auf die zur 248 Gläubigerbefriedigung notwendigen Maßnahmen kommt jedoch aus anderen Gründen nicht in Frage. Sie würde auf einer unzutreffenden Prämisse hinsichtlich der Verwalteraufgaben beruhen. Wenngleich es fraglos der primäre Auftrag des Insolvenzverwalters ist, die optimale, gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten,556) darf nicht vergessen werden, dass er darüber hinaus auch die Interessen weiterer Personen, insbesondere des Insolvenzschuldners, zu wahren hat.557) Dies ergibt sich auch daraus, dass die Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO gegenüber „allen Beteilig___________ 552) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 361 = NJW 2002, 2783, 2785; Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 80/13, NJW-RR 2014, 935 Rn. 14; Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, NJW-RR 2008, 1074, Rn. 7; K. Schmidt-InsO/Sternal, § 80 Rn. 34; MüKo-InsO/Vuia, § 80 Rn. 60; Uhlenbruck-InsO/Mock, § 80 Rn. 85, hält die objektive Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit nicht für notwendig; eingehend zur Insolvenzzweckwidrigkeit insgesamt Pape, ZInsO 2016, 2149 ff. 553) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 354 = NJW 2002, 2783; Uhlenbruck-InsO/Mock, § 80 Rn. 84. 554) Pape, ZInsO 2016, 2149, 2152. 555) Ob sie auch hieran ein schutzwürdiges Interesse haben, ist eine andere Frage. 556) Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Pechartscheck, § 22 Rn. 1 f.; Braun-InsO/Kroth, § 80 Rn. 25, 27. 557) Vgl. Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 60 Rn. 9 f., 47; Braun-InsO/Blümle, § 56 Rn. 38: „weder ausschließlich im Interesse des Schuldners, noch ausschließlich im Interesse der Gläubiger tätig“; ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 15.06.
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ten“ besteht. Im Konfliktfall gebührt zwar bei der Auswahl einer Handlungsoption im Rahmen der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse regelmäßig den Interessen der Gläubiger der Vorrang. Wo es aber für die Gläubiger unterschiedslos ist, kann und muss der Verwalter im Interesse des Insolvenzschuldners handeln,558) weil und soweit dieser es (wegen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis) nicht selbst kann.559) Stellt sich beispielsweise im Laufe des Insolvenzverfahrens heraus, dass dem Schuldner eine Forderung gegen einen Dritten zusteht, durch deren Einziehung im Insolvenzverfahren sogar ein Überschuss erzielt werden kann, so wird nicht bestritten, dass § 80 Abs. 1 InsO die vollständige Einziehung der Forderung ermöglicht. Unterlässt er die Einziehung und kommt es deshalb zur Verjährung der Forderung, haftet er dem Insolvenzschuldner nach § 60 Abs. 1 InsO.560) Auch § 199 InsO lässt sich mit Selbstverständlichkeit entnehmen, dass die Erwirtschaftung eines Überschusses durch den Insolvenzverwalter nicht per se unzulässig ist.
249 Weil die Befugnisse des Insolvenzverwalters also nicht stets auf das zur Gläubigerbefriedigung Erforderliche begrenzt sind, lässt sich die Beschränkung der Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB bei fehlender Erforderlichkeit nicht als Ausprägung einer derartigen allgemeinen Kompetenzgrenze begreifen.
cc) Einschränkung des § 171 Abs. 2 HGB 250 Handelt es sich demnach bei dem Einwand fehlender Erforderlichkeit um eine Beschränkung, die spezifisch für die Inanspruchnahme des Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter gilt, liegt es nahe, darin eine Modifikation des § 171 Abs. 2 HGB zu sehen. Der Insolvenzverwalter könnte dann eine Haftungsleistung, die nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, nicht verlangen, weil insoweit seine in § 171 Abs. 2 HGB geregelte Verfügungsbefugnis entfällt.561)
251 Einer Auslegung des § 171 Abs. 2 HGB in diesem Sinne steht dessen Wortlaut entgegen, der die Grenze der Auslegung bildet562) und der keinen Ansatzpunkt für mögliche ___________ 558) HK-InsO/Lohmann, § 60 Rn. 17: „rechtlich geschütztes Interesse daran […], […] einen Überschuss ausgezahlt zu erhalten“. 559) Mit umgekehrter Akzentuierung Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 76. EL. 05/2018, § 60 Rn. 24a. 560) Vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 127/14, NJW 2015, 3299, Rn. 11; MüKo-InsO/ Schoppmeyer, § 60 Rn. 65; vgl. Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 60 Rn. 47, und HK-InsO/Lohmann, § 60 Rn. 17, für den Fall, dass ein Überschuss nicht erzielt wird, weil der Verwalter die Möglichkeit zur Erzielung eines höheren Verkaufserlöses verstreichen lässt. 561) OLG Stuttgart, Urt. v. 26.10.1955 – 1 U 76/55, NJW 1955, 1928: „nicht mehr in den Bereich der dem Verwalter durch § 171 Abs. 2 HGB zugewiesenen Aufgabe“; Thole, ZGR 2019, 301, 304 f.; ders., ZRI 2020, 49, 51 f.: „versteht sich in erster Linie als eine ausnahmsweise Begrenzung der mit § 171 Abs. 2 HGB dem Verwalter eingeräumten (prozessualen) Prozessführungsbefugnis und der (materiellen) Einziehungsermächtigung“; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 93. 562) BGH, Urt. v. 30.6.1966 – KZR 5/65, BGHZ 46, 74, 76 = JZ 1967, 217; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 143.
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Ausnahmen von der Einziehungsbefugnis bietet. Methodisch könnte die Einschränkung fehlender Erforderlichkeit deshalb nur über eine eingeschränkte teleologische Reduktion des § 171 Abs. 2 HGB erreicht werden. Diese wäre insofern eingeschränkt, als lediglich die Ermächtigungswirkung entfallen soll. Die Gläubiger müssen dagegen weiterhin an der individuellen Einforderung der Kommanditistenhaftung gehindert sein, insoweit besteht für die Anwendung des § 171 Abs. 2 HGB weiterhin Bedarf.563) Voraussetzung für eine teleologische Reduktion ist, dass die in Frage stehende 252 Vorschrift (auch bei der restriktivsten denkbaren Auslegung) einen ihren Regelungszweck überschießenden Anwendungsbereich hat.564) Die Funktion des § 171 Abs. 2 HGB besteht aber nicht darin, die Gläubigerbefriedigung überhaupt zu ermöglichen oder zu intensivieren. Das ist Aufgabe der akzessorischen Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB selbst. § 171 Abs. 2 HGB betrifft hingegen die Art und Weise der Gläubigerbefriedigung, die – wie gesehen – wegen der Zugehörigkeit zur Gesellschaftshaftungsmasse nach den Regeln des Insolvenzverfahrens unter Achtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen muss. Für eine rechtsfortbildende Modifikation hinsichtlich des Haftungsumfangs ist § 171 Abs. 2 HGB vor diesem Hintergrund nicht der funktionell passende Ansatzpunkt.565)
dd) Einschränkung des Haftungstatbestands Stattdessen ist es vielmehr konsequent, den Einwand fehlender Erforderlichkeit im 253 Insolvenzfall bereits auf der Ebene der Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB zu berücksichtigen. Diese Möglichkeit der methodischen Fundierung wurde speziell für die beschränkte Kommanditistenhaftung bislang offenbar nicht erwogen.566) Vereinzelt wurden zur unbeschränkten persönlichen Gesellschafterhaftung bereits 254 Ausfallhaftungskonzepte entwickelt. Karsten Schmidt legte im Rahmen der Einfüh___________ 563) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 93. 564) Eingehend Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff. 565) Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 214, weisen zwar darauf hin, dass eine teleologische Reduktion auch mit Blick auf den Zweck anderer Vorschriften geboten sein kann. Hierbei beschreiben sie jedoch Fälle, in denen die zu reduzierende Norm den Zweck der anderen Norm vereiteln würde. Sofern möglich, sollte es vorzugswürdig sein, teleologisch bedingte Einschränkungen an der Norm vorzunehmen, deren Zweck sie gebietet. 566) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 96, ließe sich allerdings in diesem Sinne verstehen („Der Anspruch ist nur insoweit begründet […]“). Mit gleicher Formulierung OLG München, Urt. v. 8.7.2019 – 21 U 3749/18, ZIP 2019, 1727, 1728. Auch C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, gehen davon aus, „die Haftung [finde] ihre Grenze“. Böcker, DZWIR 2021, 587, 588, zählt die Erforderlichkeit zu den „Voraussetzungen der Haftung“. Unklar Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 112, 115 ff., der zunächst von einer „Beschränkung des Haftungsumfangs“ schreibt, dem Kommanditisten anschließend aber lediglich die dolo agitEinrede zuspricht. Thole, ZGR 2019, 301, 305; ders., ZRI 2020, 49, 51, formuliert klar ablehnend, die Einschränkung der Einziehungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters bei fehlender Erforderlichkeit sei „nicht als eine Korrektur der materiellen Haftungsvoraussetzungen“ zu verstehen.
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rung des § 93 InsO (und Abschaffung des § 212 KO567)) ein derartiges Konzept für den Insolvenzfall vor. Mit Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens erfahre die Haftung der Gesellschafter eine inhaltliche Veränderung. Sie sei von den individuellen Gesellschaftsverbindlichkeiten entkoppelt und knüpfe stattdessen an die „Unterdeckung der Masse, begrenzt auf die der Haftung nach § 128 HGB [a.F.] unterliegenden Verbindlichkeiten“ als Schuldgrund an.568) Dadurch entstehe eine Ausfallinnenhaftung, die – abgesehen von der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Gesellschafter – dem Vorbild des § 735 BGB a.F. (§ 737 BGB n.F.) entspricht.569) Auch Könen hat zuletzt die allgemein angenommenen Haftungsgrundsätze mit seiner vorgeschlagenen Interpretation des § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) als „GesellschafterExithaftung“ in Frage gestellt, die als „in das […] Liquidationsstadium verlagerte Ausfallhaftung“ der Sache nach weder eine Außenhaftung noch eine primäre Vollhaftung ist.570) Durchgesetzt haben sich diese Vorschläge bislang nicht.571)
255 Zur Begründung der hier in Frage stehenden Haftungsbeschränkung bedarf es solch revolutionärer Eingriffe in das vorherrschende Verständnis der Gesellschafterhaftung nicht. § 171 Abs. 1 HGB lässt zwar ebenfalls keine Einschränkungen des Haftungsumfangs im Wege der Auslegung zu. Es bleibt also nur die Rechtsfortbildung. Eine auf die Dauer des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens begrenzte teleologische Reduktion der beschränkten Kommanditistenhaftung auf den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag lässt sich aber durchaus schlüssig begründen. Soweit in der Insolvenz der Gesellschaft nämlich bereits anderweitig ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, um die Gläubiger vollständig zu befriedigen, denen der Kommanditist dem Grunde nach aus § 171 Abs. 1 HGB haftet, besteht unter keinem Gesichtspunkt mehr ein Bedürfnis für dessen beschränkte akzessorische Haftung.
256 Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem damit verbundenen Verlust jeglicher Einwirkungsmöglichkeit auf die Führung der Gesellschaftsgeschäfte572) büßt die Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB jede verhaltenssteuernde Wirkung ein. Ihre ___________ 567) Nach dieser Vorschrift erhielten Gesellschaftsgläubiger in der Doppelinsolvenz auf ihre (individuell anzumeldenden) Forderung gegen persönlich haftende Gesellschafter nur eine Quotenzahlung auf den Ausfall im Gesellschaftsinsolvenzverfahren. 568) K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163, 185 f.; K. Schmidt-InsO/ders., § 93 Rn. 35 ff.; vgl. auch K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 f., 1085. 569) K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 35: „rechtsähnlich § 735 BGB“. 570) Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 357 ff., insbesondere S. 382 ff., der selbst von einer in das „Innenverhältnis verlagerte[n] materielle[n] Außenhaftung“ schreibt. 571) BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, Rn. 9, bezeichnet die von K. Schmidt vorgeschlagene Loslösung von einzelnen Gläubigeransprüchen als „verfehlt“; kritisch zu diesem Konzept auch Thole, ZRI 2020, 49, 50 f.; für eine Vollhaftung argumentiert auch Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 161 ff. 572) Jeweils ohne genauere Erläuterung, welche Möglichkeit zur Einflussnahme dem Kommanditisten zuvor offenstanden BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 39 f. = NJW 2021, 928, Rn. 35, sowie Gehrlein, GmbHR 2021, 692, Rn. 38.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Funktion beschränkt sich deshalb im Insolvenzfall auf die Sicherung der Gesellschaftsgläubiger.573) Außerhalb des Insolvenzverfahrens macht die Außenhaftung dafür nicht bloß zusätzliches Vermögen für die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeiten verfügbar. Gestaltet sich die Inanspruchnahme der Gesellschaft einmal (aus welchen Gründen auch immer) schwierig, verschafft sie den Gläubigern als primäre Haftung auch einen weiteren Schuldner, an den sie sich unmittelbar halten können.574) Ist demgegenüber das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse der Gesellschaft eröffnet, entfällt die Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger auf die Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB, während das Insolvenzrecht in Form des amtlich bestellten Insolvenzverwalters die geordnete Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger gewährleistet.575) Durch die beschriebenen Funktionseinbußen mit Verfahrenseröffnung verbleibt von der akzessorischen Außenhaftung im Insolvenzfall eine Quasi-Innenhaftung, die einzig der Schuldendeckung dient. Warum sollte dann aber die Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB weiter reichen, als ihre 257 verbliebene Funktion es gebietet? Eine teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB ist geboten. In der Insolvenz der Gesellschaft fungiert die beschränkte Kommanditistenhaftung dadurch lediglich als Masseergänzungshaftung. Die damit vorgeschlagene Anspruchsreduktion auf den Ausfall lässt – anders als das von Karsten Schmidt vorgeschlagene Konzept – die Einzelverbindlichkeitsbezogenheit der Kommanditistenhaftung unberührt, lediglich diese Haftung für einzelne Gesellschaftsverbindlichkeiten ist im Insolvenzfall eine Ausfallhaftung. Im Gegensatz zu der von Könen vorgeschlagenen „Gesellschafter-Exithaftung“ beschränkt sie sich auf den Insolvenzfall. Die Berechtigung der teleologischen Reduktion wird zusätzlich gestützt, zieht man 258 die Parallele zu den oben aufgeführten gesetzlichen Anknüpfungen an den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag: Ähnlich wie es beispielsweise § 31 Abs. 2, 3 GmbHG für Ansprüche auf Erstattung verbotener Auszahlungen aus dem Stammkapital vorsieht, werden mit den Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB Rechte, die zur Sicherung der Gläubiger bestehen, eingeschränkt, insoweit in der Gesellschaftsinsolvenz ein konkretes Sicherungsinteresse der Gläubiger fehlt.576) Die hier ___________ 573) Zur Funktion der Haftung s. eingehend oben Rn. 32 ff. 574) Gewiss wird meist allerdings die Inanspruchnahme der Gesellschaft für die Gläubiger der einfachere Weg sein. 575) Ähnlich Marotzke, DB 2013, 621, 624, zu § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.): „Das Hinzutreten dieses insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzmechanismus lässt es gerechtfertigt erscheinen, den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz des § 128 HGB [a.F.] in der bezeichneten Weise (nur noch Ausfallhaftung, Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter) zurücktreten zu lassen“ (Hervorhebungen im Original). 576) Wegen dieser grundsätzlichen Ähnlichkeit könnte man anstelle der hier vorgeschlagenen teleologischen Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB auch eine Rechtsfolgenanalogie zu § 31 Abs. 2 GmbHG oder eine Gesamtanalogie zu den §§ 9b Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 2, 3 GmbHG, § 93 Abs. 5 S. 1, 117 Abs. 5 S. 1, 309 Abs. 4 S. 3 AktG, § 34 Abs. 5 S. 1 GenG, § 15b Abs. 2 S. 3 InsO erwägen. Unterschiede ergäben sich aus dieser alternativen Herleitung nicht.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
vorgeschlagene Lösung erzeugt schließlich auch keine Reibung mit den für die Herleitung der Arglisteinrede bemühten Argumenten: Der dort angebrachte Verweis darauf, dass es nicht Aufgabe des Verwalters sei, durch die Inanspruchnahme von Kommanditisten einen Überschusses zu erzielen, ist Ausdruck des berechtigten Unbehagens, dass ein im Befriedigungsinteresse bestehendes Recht funktionsüberschießend geltend gemacht wird. Dem Ursprung dieses Unbehagens ist allerdings sinnvollerweise dadurch Rechnung zu tragen, dass man an ebendiesem im Befriedigungsinteresse bestehenden Recht ansetzt und es funktionsentsprechend zurückschneidet.
259 Dass die Sperrwirkung des § 171 Abs. 2 HGB bei fehlender Erforderlichkeit „fortbesteht“, ergibt sich nach dem Vorstehenden von selbst. Es fehlt bereits an einem Anspruch aus § 171 Abs. 1 HGB, den ein Gläubiger über den erforderlichen Betrag hinaus individuell geltend machen könnte. Genau genommen bedarf es in diesen Fällen also zur Begründung der Sperrwirkung für den über den erforderlichen Betrag hinausgehenden Forderungsteil keines Rückgriffs auf § 171 Abs. 2 HGB.
260 Versteht man die Begrenzung der Kommanditistenhaftung in der Insolvenz in dem hier vorgeschlagenen Sinne als teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB, kommt es – unabhängig von deren Berechtigung im Allgemeinen – auf eine Einrede des Kommanditisten nach § 242 BGB nicht mehr an.577) Im Einzelnen ergeben sich zwischen beiden Möglichkeiten der Herleitung unterschiedliche Ergebnisse. Wegen der Begrenzung des materiellen Forderungsrechts ist beispielsweise im Falle der Doppelinsolvenz eine Anmeldung der Haftungsansprüche im KommanditistenInsolvenzverfahren nur bis zur Höhe des erforderlichen Betrags möglich und für die Quotenberechnung maßgeblich.578) Dies ist auch sachgerecht: Wäre der Insolvenzverwalter der Gesellschaft nach § 171 Abs. 2 HGB zur uneingeschränkten Anmeldung der Haftungsverbindlichkeiten berechtigt, würden die Privatgläubiger des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ungerechtfertigt benachteiligt. Das materielle Interesse letzterer an der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nämlich auf den Ausfall beschränkt, weil ihre Befriedigung im Übrigen gesichert ist.
d) Relevanter Zeitpunkt 261 Die Voraussetzungen der teleologischen Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB liegen mit Verlagerung der Haftungsabwicklung in das Innenverhältnis vor. Die Beschrän___________ 577) Könen, Gesellschafter-Exithaftung, S. 369. 578) Zu § 93 InsO: K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 39; ebenso bei abweichender Begründung: MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 26 ff.; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 93 Rn. 26; Jaeger-InsO/ H.-F. Müller, § 93 Rn. 67 ff, die sich der Sache nach für eine Fortgeltung des § 212 Abs. 2, 3 KO aussprechen (Anmeldung der vollen Forderung, Quotenzahlung auf den Ausfall); zum Verhältnis zum Grundsatz der Doppelberücksichtigung nach § 43 InsO vgl. Uhlenbruck-InsO/ Knof, § 43 Rn. 19 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
kung der Haftung auf den erforderlichen Betrag gilt somit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder, falls das Insolvenzgericht die Wirkungen des § 171 Abs. 2 HGB durch Sicherungsanordnung in das Eröffnungsverfahren vorverlagert hat,579) ab dem Zeitpunkt der Anordnung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Haftungsumfang ab diesem Zeitpunkt ein für alle Mal festgeschrieben wäre. Sowohl der Bestand der Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die der Kommanditist haftet, als auch die zur Tilgung verfügbare Masse sind weiterhin variabel. Der zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Betrag erfährt im laufenden Verfahren regelmäßig Veränderungen und der Haftungsumfang wird aus diesem Grund laufend entsprechend aktualisiert. So führt etwa die Begründung oder die Anmeldung weiterer Gesellschaftsverbindlichkeiten sowie das Untergehen von Bestandteilen der Aktivmasse zur Erweiterung des Haftungsvolumens580) und die erfolgreiche Inanspruchnahme anderer Gesellschafter zu einer (weiteren) Haftungsreduzierung. Die Unstetigkeit des Gesamtbetrags, in Höhe dessen die Inanspruchnahme des 262 Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter Erfolg verspricht, schafft Unsicherheit. Weil es in prozessualer Hinsicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt,581) muss der Insolvenzverwalter befürchten, dass sich seine Haftungsklage durch nachträgliche Verringerung des Haftungsumfangs teilweise erledigt oder sie im entgegengesetzten Fall das Haftungsvolumen nicht mehr ausschöpft. Diese Gefahr besteht ganz unabhängig von der methodischen Herleitung der Erforderlichkeitsbeschränkung582) und ist in anderem Kontext auch im Gesetz angelegt, vgl. § 31 Abs. 2, 3 S. 1 GmbHG. Der Verwalter sollte folglich mit Gewissheit erwartbare Leistungen anderer Gesellschafter bei der Erhebung der Klage einkalkulieren oder mehrere Kommanditisten gemeinsam (als Streitgenossen/Gesamtschuldner) in einem Prozess verklagen. Im Falle einer Verringerung des Haftungsumfangs nach Klageerhebung kann er durch Erklärung der (Teil-)Erledigung583) ___________ 579) S. dazu oben Rn. 109 ff. 580) Dies gilt naturgemäß nicht, lehnt man eine Haftung des Kommanditisten für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten ab. Vgl. entsprechend zu § 93 InsO: K. Schmidt/ Bitter, ZIP 2000, 1077, 1087. 581) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 139; Thole, ZRI 2020, 49, 52. Speziell für die Verringerung des Forderungsbestands durch Leistungen anderer Kommanditisten: BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 25; Menkel, NZG 2021, 497, 498; zur Erforderlichkeit bei Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens s. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 137/16, NJW-RR 2018, 677, Rn. 43. Allgemein zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt vgl. auch §§ 296a, 767 ZPO. 582) Auch die auf dem nachträglichen Entstehen einer Einrede nach § 242 BGB beruhende Undurchsetzbarkeit ließe die Klage beispielsweise nachträglich unbegründet werden, vgl. Menkel, NZG 2021, 497, 498, der allerdings dolo agit-Einrede und Erfüllungseinwand des Kommanditisten vermengt. 583) Im Allgemeinen zur Zulässigkeit von Teilerledigungserklärungen und zu Einzelheiten der Kostenentscheidung Musielak/Voit-ZPO/Flockenhaus, § 91a Rn. 50 ff.
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reagieren.584) Einer Erweiterung des Haftungsumfangs im Prozessverlauf kann er durch privilegierte Klageänderung, § 264 Nr. 2 Alt. 1 ZPO, oder nachträgliche objektive Klagehäufung entsprechend § 263 Alt. 2 ZPO585) begegnen. Schöpft die Klage die ungedeckte Haftsumme nicht aus, besteht wegen der Ungewissheit des „endgültigen“ Haftungsumfangs auch das von § 256 ZPO vorausgesetzte Interesse an einer Feststellung des Bestehens der Haftung dem Grunde nach.
263 Seitens der Kommanditisten kann die laufende Aktualisierung des Haftungsumfangs Anreize schaffen, die Entscheidung in einem rechtshängigen Prozess in der Hoffnung hinauszuzögern, dass sich die Klage des Insolvenzverwalters durch Zahlungen anderer Gesellschafter erledigt.586) Die Nützlichkeit derartiger Verzögerungsstrategien in der Praxis hängt ersichtlich auch davon ab, ob ein praktisch funktionsfähiger Mechanismus für den Innenausgleich zwischen den in Anspruch genommenen und den von einer Inanspruchnahme verschont gebliebenen Kommanditisten besteht.587) Wird die Leistung eines Kommanditisten nach Abschluss des Haftungsprozesses für die Gläubigerbefriedigung (teilweise) entbehrlich, kann er dies im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen.
___________ 584) So geschehen in OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 6/18, ZInsO 2020, 201, 202, sowie in OLG Köln, Urt. v. 29.11.2018 – 18 U 149/17, ZInsO 2018, 2824. Teils wird ein erledigendes Ereignis abgelehnt, wenn der Grund der Erledigung dem alleinigen Verantwortungsbereich des Klägers entstammt, vgl. etwa OLG Schleswig, Urt. v. 3.9.1985 – 6 U 32/85, NJW-RR 1986, 38, 39. Man könnte danach erwägen, ein erledigendes Ereignis abzulehnen, wenn ein Insolvenzverwalter gegen eine Vielzahl von Kommanditisten in einem Gesamtumfang vorgeht, der nicht zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist, und durch Leistungen einzelner Kommanditisten die Klage gegen einen anderen (teilweise) unbegründet wird. Immerhin war für den Insolvenzverwalter absehbar, dass nicht alle Kommanditisten zugleich in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet sein würden. Dies trüge allerdings zum einen den mit den individuellen Inanspruchnahmen verbundenen Prozess- und Solvenzrisiken nur unzureichend Rechnung – es ist im Interesse einer beschleunigten Abwicklung der Gesellschaftsinsolvenz kaum zumutbar, den Insolvenzverwalter zur nacheinandergeschalteten Inanspruchnahme der Kommanditisten zu zwingen. Zum anderen hat sich das beschriebene subjektiv geprägte Verständnis des Erledigungsereignisses nicht durchgesetzt, vgl. (zum Ganzen) MüKo-ZPO/Schulz, § 91a Rn. 5, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 13.5.1993 – I ZR 113/91, NJW-RR 1993, 1319, 1320 m.w.N. War die spätere (Teil-)Erledigung schon bei Klageerhebung konkret absehbar (z.B. Bestehen eines Vollstreckungstitels gegen einen offensichtlich solventen anderen Kommanditisten), kann diesem Umstand i.R.d. gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung Rechnung getragen werden. 585) Zur entsprechenden Anwendung der Regeln über die Klageänderung auf die nachträgliche Anspruchshäufung MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 263 Rn. 21. Die Ergänzung der Klage um zusätzliche Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB wird i.d.R. wegen des engen Sachzusammenhangs als sachdienlich i.S.d. § 263 Alt. 2 ZPO anzusehen sein. 586) Menkel, NZG 2021, 497, 498; Thole, ZRI 2020, 49, 52 f. 587) Hieran zweifelt offenbar Thole, ZRI 2020, 49, 53, der den Innenausgleich als „schwache[n] Trost“ bezeichnet; s. auch BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 55 = NJW 2021, 928, Rn. 78: „ohne eine hierzu berufene Person nicht gewährleistet, zumindest aber in unzumutbarer Weise erschwert“.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
e)
Keine Übertragung auf die Beitragsverbindlichkeit
Rechtsprechung und Literatur588) tendieren dazu, auch die Einziehung rückständi- 264 ger Beiträge auf den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag zu begrenzen. Weil die Einschränkung der Inanspruchnahme von Kommanditisten bei fehlender Erforderlichkeit als teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB zu verstehen ist und damit aus Gründen besteht, die spezifisch für die akzessorische Kommanditistenhaftung gelten, kommt eine Übertragung auf die Beitragspflicht allerdings nicht ohne Weiteres in Frage. Eine vergleichbare Beschränkung hinsichtlich der Beitragspflicht des Kommanditisten müsste vielmehr eigenständig begründet werden.
f)
Berechnung des erforderlichen Betrags
Während die Einschränkung der Inanspruchnahme des Kommanditisten bei feh- 265 lender Erforderlichkeit als solche allgemein anerkannt ist, bestehen im Rahmen der Berechnung des erforderlichen Betrags zahlreiche Streitpunkte. Das Grundgerüst bildet – wenig kontrovers – die Gegenüberstellung von Aktiv- und Passivseite. Subtrahiert man den Gesamtbetrag der vorhandenen Insolvenzmasse (Aktivseite) von der Summe der Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die der Kommanditist haftet und die an der Verteilung der Insolvenzmasse partizipieren,589) (Passivseite) so erhält man den Betrag, der zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. Auf diesen Betrag ist die Haftung des Kommanditisten in der Gesellschaftsinsol- 266 venz begrenzt, soweit er die ungedeckte Haftsumme nicht übersteigt. Ist das Ergebnis nicht größer als Null, können die Haftungsgläubiger bereits ohne Inanspruchnahme des Kommanditisten vollständig befriedigt werden und die Haftung des Kommanditisten entfällt. Unklarheiten bei der Berechnung des erforderlichen Betrags bestehen sowohl zu 267 der Frage, welche Verbindlichkeiten auf der Passivseite zu berücksichtigen sind, als auch hinsichtlich der auf der Aktivseite maßgeblichen Massebestandteile.
___________ 588) BGH, Urt. v. 9.2.1981 – II ZR 38/80, NJW 1981, 2251, 2252: „jedenfalls insoweit […], als sie zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind“ (Hervorhebung durch den Verfasser); deutlicher zur Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 137/16, NJW-RR 2018, 677, Rn. 41; Urt. v. 14.11.1977 – II ZR 183/75, NJW 1978, 424; OLG München, Urt. v. 21.10.2015 – 7 U 1115/15, ZIP 2015, 2222, 2223; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 105; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 8 f.; Koller/Kindler/Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 4a; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293. 589) Vgl. oben Rn. 209.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
aa) Zu berücksichtigende Gesellschaftsverbindlichkeiten (Passivseite) 268 Auf der Passivseite sind unabhängig von ihrer insolvenzrechtlichen Qualifizierung alle Gesellschaftsverbindlichkeiten einzubeziehen, deren Gläubiger der Insolvenzverwalter bei der Verteilung des Haftungserlöses nach § 171 Abs. 2 HGB zu berücksichtigen hat. Masseverbindlichkeiten sind ebenso anzusetzen wie Insolvenzforderungen jeden Rangs. Mit anderen Worten decken sich die zu berücksichtigenden Forderungen mit denjenigen, auf welche die Inanspruchnahme des Kommanditisten auch unmittelbar gestützt werden könnte. Auf welche Gesellschaftsverbindlichkeiten sich der Insolvenzverwalter für die Begründung der Haftung beruft, ist deshalb nur für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von Bedeutung. Während der klagende Verwalter alle Voraussetzungen des § 171 Abs. 1 HGB – einschließlich des Bestehens der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeit – nachweisen muss, trägt der Kommanditist die Beweislast dafür, dass seine Inanspruchnahme nicht zur Befriedigung der partizipierenden Gläubiger erforderlich ist,590) und damit z.B. dafür, dass auf der Passivseite angeführte Verbindlichkeiten nicht berücksichtigt werden dürfen. Deshalb kann ein Anspruch gegen die Gesellschaft, der zwar (ohne Widerspruch591)) zur Tabelle angemeldet aber noch nicht festgestellt ist, grundsätzlich vollständig auf der Passivseite angesetzt werden.592)
(1) Verringerung durch Leistungen anderer Gesellschafter 269 Für sich genommen scheint die Passivseite auf den ersten Blick für eine Einschränkung der Kommanditistenhaftung kaum von praktischer Bedeutung zu sein. Nur in Ausnahmefällen wird die Gesamtsumme der Gläubigerforderungen die Haftsumme nicht übersteigen. Bedenkt man allerdings die rechtlichen Folgen vorheriger Leistungen anderer Kommanditisten, zeigt sich Gegenteiliges.
270 Überwiegend wird die Berücksichtigung von Leistungen anderer Gesellschafter als Problem der Aktivseite eingeordnet.593) Sind diese Tilgungsmittel auch dann vollumfänglich auf der Aktivseite zu berücksichtigen, wenn der Insolvenzverwalter sie zwischenzeitlich zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwendet hat, für die der in ___________ 590) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 339 = ZIP 2018, 640, Rn. 39; Thole, ZRI 2020, 49, 56 f.; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 226; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/ Strohn, § 171 Rn. 96. 591) S. dazu noch unten Rn. 272 ff. 592) Für die Berücksichtigung angemeldeter Ansprüche wohl Thole, ZRI 2020, 49, 57; a.A. anscheinend OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 74/17, NZG 2019, 304, Rn. 11. 593) OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1032; Beschl. v. 28.3.2019 – 14 U 3954/18, ZInsO 2019, 1277, 1282; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, ZIP 2020, 136, 138 f.; Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2276; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.5.2019 – 5 U 85/18, BeckRS 2019, 53083, Rn. 143; Urt. v. 27.11.2018 – 5 U 65/18, ZInsO 2019, 42, 50; OLG Köln, Beschl. v. 11.6.2018 – 18 U 149/17, BeckRS 2018, 13782, Rn. 17; Thole, ZRI 2020, 49, 53 ff.
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Anspruch genommene Kommanditist nicht haftet?594) Im Kern geht es darum, wer das Risiko zweckwidriger Verwendung des Haftungserlöses tragen soll: die Gesellschafter oder die Gläubiger.595) Richtigerweise haben die Haftungsleistungen anderer Gesellschafter aber bereits Auswirkungen auf den Umfang der Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die ein Kommanditist haftet. Der Bundesgerichtshof führt in diesem Kontext die Erfüllungswirkung von Leis- 271 tungen an den Insolvenzverwalter an.596) Die Leistung eines Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB führe zum anteiligen Erlöschen der Forderungen entsprechend § 362 Abs. 1 BGB. Entsprechend § 422 Abs. 1 S. 1 BGB entfalte dies auch zugunsten der übrigen gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafter Wirkung. Daran ist nichts auszusetzen, allerdings beschränkt sich die Erfüllungswirkung auf die Haftungsverbindlichkeiten nach § 171 Abs. 1 HGB. Für die Erforderlichkeitsprüfung ist jedoch das Schicksal der Gesellschaftsverbindlichkeiten maßgeblich. Vergleichbar der Situation bei Leistung eines Bürgen auf seine Bürgschaftsverpflichtung, werden diese Forderungen durch die Leistung des Kommanditisten aber nicht erfüllt,597) sondern gehen in analoger Anwendung des § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Leistenden über.598) Für die übergegangene Forderung gegen die Gesellschaft haften die übrigen Gesellschafter allerdings nur pro rata.599) Wichtiger noch: Die übergegangene Forderung verliert bis zur vollständigen Befriedigung aller Haftungsgläubiger ihre Durchsetzbarkeit.600) Auf diesem Wege kann die auf der Passivseite maßgebliche Forderungssumme ganz erheblich verringert werden. Ob der Insolvenzverwalter die eingezogenen Mittel anschließend tatsächlich zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt hat, für die der zahlende Kommanditist haftet, ist für die Entlastung der übrigen Kommanditisten nicht mehr von Bedeutung.
___________ 594) Die Bedeutung dieser Frage schwindet erkennbar, wenn man – wie hier vorgeschlagen – auch nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten nicht von der Haftung des Kommanditisten ausnimmt. 595) Explizit auch OLG München, Beschl. v. 28.3.2019 – 14 U 3954/18, ZInsO 2019, 1277, 1282. 596) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 26; Urt. v. 10.11.2020 – II ZR 132/19, ZInsO 2021, 102, Rn. 24; Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 25; Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, NJW 2021, 928, Rn. 20. 597) Ungenau OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174. 598) H.M. vgl. Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 92 m.w.N. 599) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 94; entsprechend für den Regress bei Haftung nach § 128 HGB: Staub-HGB/Habersack, § 128 Rn. 48 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt/Drescher, § 128 Rn. 35. Altmeppen, NJW 2016, 1761 ff., hebt hervor, ein Innenausgleich sei ohnehin vollständig ausgeschlossen, wenn die Haftung des potenziell Regresspflichtigen Kommanditisten durch die Haftungsleistung nicht reduziert wird, weil die verbleibende Forderung des Gläubigers seine Haftsumme weiterhin übersteigt. 600) S. unten Rn. 407.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
(2) Bestrittene Forderungen 272 Der wohl größte Streitpunkt auf der Passivseite ist – abgesehen von der Haftung für Neuverbindlichkeiten in der Insolvenz – die Einbeziehung von Forderungen, deren Anmeldung zur Tabelle der Insolvenzverwalter widersprochen hat.
273 Klar ist: Hat der Gläubiger infolge des Widerspruchs erfolgreich die gerichtliche Feststellung seiner Forderung betrieben, §§ 179 Abs. 1, 180 ff. InsO, dann muss die Forderung auf der Passivseite berücksichtigt werden. Ihr Bestehen steht mit Wirkung gegenüber dem Verwalter fest, § 183 Abs. 1 InsO, und auch der Kommanditist ist nach der Rechtsprechung i.d.R. an die Feststellung gebunden.601) Der Insolvenzverwalter muss bei der Verteilung der Insolvenzmasse alle Forderungen berücksichtigen, die zur Tabelle festgestellt sind, unabhängig davon, wie diese Feststellung zustande gekommen ist. Zur Befriedigung all dieser Forderungen darf er deshalb selbstverständlich auch den Kommanditisten in Anspruch nehmen. Hat der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch zurückgenommen, gelten für die betroffenen Forderungen ebenfalls keine Besonderheiten. Ist dagegen mit der Beseitigung des Widerspruchs im konkreten Fall602) nicht mehr zu rechnen, dann findet die Forderung keine Berücksichtigung mehr, selbst wenn die Forderung tatsächlich besteht. Dann fehlt es nämlich schon an einer Gesellschaftsverbindlichkeit, die im Insolvenzverfahren geltend gemacht wird.603)
274 Im Kern beschränkt sich der Streit also auf die Fälle, in denen unklar ist, ob der Gläubiger die gerichtliche Feststellung betreiben wird, oder in denen die gerichtliche Entscheidung noch aussteht. Hier befindet sich der Verwalter anscheinend in einer Zwickmühle: Er hält die Forderungsanmeldung – ausweislich seines Widerspruchs – für unberechtigt. Wegen der Möglichkeit, dass der Gläubiger mit einem Feststellungsbegehren Erfolg hat, muss er jedoch damit rechnen, auch für die Tilgung dieser Verbindlichkeit Mittel beitreiben zu müssen. Vielfach wird es in dieser Situation für unzulässig gehalten, dass der Verwalter einerseits das Bestehen der Gesellschaftsverbindlichkeit (gegenüber dem Gläubiger) bestreitet und andererseits einen Gesellschafter aufgrund akzessorischer Haftung für ebendiese Verbindlich-
___________ 601) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 332 ff. = ZIP 2018, 640, Rn. 21 ff. Etwas anderes soll danach gelten, wenn die KG als Insolvenzschuldnerin der Anmeldung widerspricht. Steiner/Lüdicke, NZI 2019, 320, 322 ff., befürworten zudem eine Ausnahme für ausgeschiedene Kommanditisten. 602) In der Entscheidung des OLG Hamburg, Urt. v. 18.7.2018 – 11 U 150/16, ZIP 2018, 1940, 1941, sprach etwa der erhebliche seit der Erhebung des Widerspruchs verstrichene Zeitraum dagegen. Der BGH, Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, führt in Rn. 14 weitere Beispiele an. 603) S. dazu oben Rn. 209. Der BGH möchte diese Konstellation offenbar über den Einwand widersprüchlichen Verhaltens lösen, BGH, Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, Rn. 13.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
keit zur Kasse bittet.604) Ein solches „Rosinenpicken“ zulasten des Kommanditisten sei als widersprüchliches Verhalten und damit als treuwidrig i.S.d. § 242 BGB einzuordnen. Diesem Einwand wird wiederum entgegengehalten, der Verwalter müsse für den Fall vorsorgen können, dass die Forderung letztlich doch zur Tabelle festgestellt werde.605) Zudem werde ein Widerspruch aus unterschiedlichen Gründen erhoben, die nicht stets Ausdruck ernstlicher Zweifel am Bestehen der Forderung seien, etwa wegen (behebbarer) Mängel bei der Anmeldung606) oder nur „vorläufig“ bis zum (außergerichtlichen) Nachweis der Forderung.607) Der Bundesgerichtshof nimmt zwar an, dass der Verwalter sich grundsätzlich durch die Erhebung der Haftungsklage zu seinem vorherigen Widerspruch in Widerspruch setze. „Wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung noch durch eine Feststellungsklage beseitigt wird“, sei der Insolvenzverwalter aber dennoch „berechtigt, den Kommanditisten vorsorglich auch zur Bildung angemessener Rückstellungen für von ihm bestrittene Forderungen in Anspruch zu nehmen“.608) Diese Aussage ist nicht unbedenklich. Kommanditisten haften akzessorisch für tat- 275 sächlich bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft.609) Ist das Bestehen einer Gesellschaftsverbindlichkeit ungewiss, mag es zwar aus Gesellschaftssicht vernünftig sein, Rücklagen zu bilden und der Insolvenzverwalter kann hierzu gar verpflichtet sein, § 189 Abs. 2 InsO. Eine Inanspruchnahme des Kommanditisten setzt jedoch stets den Nachweis der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeit oder dessen rechtskräftige Feststellung gegenüber der Gesellschaft voraus. Genau daran fehlt es jedoch regelmäßig bei bestrittenen Forderungen (noch) – ganz gleich, von welcher Seite der Widerspruch erfolgt ist und ob ein Verwalterwiderspruch „endgültig“ aufgrund der Überzeugung vom Nichtbestehen der Forderung erhoben wurde oder nur „vorläufig“, weil die unklare Sachlage keine abschließende Einschätzung erlaubt. Bei Inanspruchnahme für bestrittene Forderungen wäre es für den beklagten Kommanditisten deshalb oftmals ratsam, das Bestehen der Forderung zu bestreiten. Daran wäre er auch unter Zugrundelegung der aktuellen Rechtsprechung610) nicht gehindert, da erst die Feststellung und nicht bereits die ___________ 604) OLG Hamburg, Urt. v. 18.7.2018 – 11 U 150/16, ZIP 2018, 1940, 1941; OLG Schleswig, Urt. v. 7.9.2016 – 9 U 9/16, BeckRS 2016, 127964, Rn. 25; Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 114; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1194; wohl auch AG Dortmund, Urt. v. 24.8.2017 – 406 C 4562/17, NZI 2018, 41, 42; im Ergebnis ebenso: OLG Celle, Urt. v. 12.12.2018 – 9 U 74/17, ZInsO 2019, 104, 105; Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1301. 605) OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2019 – 8 U 59/18, NZI 2019, 345, 347; Urt. v. 11.6.2018 – I-8 U 124/17, ZIP 2018, 1648, 1650; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.4.2018 – 11 U 104/17, ZInsO 2018, 1855, 1859; Thole, ZGR 2019, 301, 318; ders., ZRI 2020, 49, 57. 606) OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.4.2018 – 11 U 104/17, ZInsO 2018, 1855, 1859. 607) Undritz/Hentschel, EWiR 2021, 239, 240. 608) BGH, Urt. v. 9.2.2021 – II ZR 28/20, ZIP 2021, 473, Rn. 13; ebenso (in wörtlicher Übernahme der Entscheidung) Gehrlein, GmbHR 2021, 692, Rn. 26 ff. 609) Dies bekräftigt im vorliegenden Kontext auch Bauer, ZInsO 2019, 1299, 1301. 610) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 332 ff. = ZIP 2018, 640, Rn. 21 ff.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Anmeldung zur Tabelle Rechtskraftwirkung nach § 201 Abs. 2 InsO i.V.m. §§ 128 Abs. 1 n.F. (129 Abs. 1 a.F.), 161 Abs. 2 HGB erzeugt.
276 Es besteht kein sachlicher Grund, die Ungewissheit über das Bestehen der Forderung zulasten des Kommanditisten gänzlich auszublenden, weil der Verwalter die Relevanz der bestrittenen Gesellschaftsverbindlichkeit dadurch in die nachgelagerte Frage des Haftungsausschlusses bei fehlender Erforderlichkeit zurückdrängt, dass er sich für die Begründung der Haftung unmittelbar lediglich auf bereits festgestellte Forderungen beruft. Vielmehr lässt sich insoweit gegen die Berücksichtigung bestrittener Forderungen anführen, dass bis zur Beseitigung des Widerspruchs feststeht, dass auf diese (behaupteten) Ansprüche keine Ausschüttungen aus dem Haftungserlös (oder aus der sonstigen Masse) erfolgen dürfen: Unter den Voraussetzungen des § 189 Abs. 2 InsO müssen zwar Mittel zurückbehalten werden, diese werden jedoch nur ausgeschüttet, wenn die Feststellungsklage des betroffenen Gläubigers erfolgreich war. Ansonsten steht der zurückbehaltene Betrag zur Befriedigung der sonstigen partizipierenden Gläubiger zur Verfügung.
277 Ein praktisches Bedürfnis, dem Verwalter die „Vorsorge“ für den Fall zu ermöglichen, dass sein Widerspruch durch gerichtliche Feststellung der Forderung beseitigt wird, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der BGH hat zwar bestrittene Forderungen bei der Prüfung der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Konkursanfechtung einbezogen.611) Dies jedoch ausdrücklich nur, weil ein Abwarten der endgültigen Klärung mit Blick auf die kurze Anfechtungsfrist (ein Jahr ab Konkurseröffnung, § 41 Abs. 1 KO) nicht möglich sei. Diese Begründung ist bei der Übertragung der Entscheidung auf die Insolvenzanfechtung übersehen worden612) – und in der Folge ebenso im Rahmen der vorliegenden Diskussion: Ein vergleichbarer endgültiger Rechtsverlust droht im Rahmen der Kommanditistenhaftung nicht. Insbesondere droht die Verjährung der Haftung für zur Tabelle angemeldete Insolvenzforderungen (nach alter wie nach neuer Rechtslage613)) nicht.614) Erweist sich ein Widerspruch zu einem späteren Zeitpunkt als unbegründet und erfolgt deshalb die Feststellung zur Tabelle, ist der Verwalter unter keinem Gesichtspunkt daran gehindert, den Kommanditisten erneut (ggf. gerichtlich) in Anspruch zu nehmen.615) ___________ 611) BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187 f. = NJW 1988, 3143, 3148. 612) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210, 218 = NJW 2014, 1737, Rn. 20, ohne jede Prüfung, ob die ursprünglichen tragenden Gründe auf die InsO übertragbar sind; vgl. zur Rechtsprechung auch A. Schmidt, ZRI 2021, 923, 925 f. 613) S. oben Rn. 177 f. 614) Der Widerspruch beseitigt die hemmende Wirkung der Anmeldung zur Tabelle (hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeit) nicht, vgl. bereits den Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB. 615) Ohne Begründung offenbar a.A. Thole, ZGR 2019, 301, 318. Wegen der Veränderung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts durch Beseitigung des Widerspruchs (anderer Streitgegenstand) steht auch die Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung einer erneuten Klage nicht entgegen, vgl. Musielak/Voit-ZPO/Musielak, § 322 Rn. 28 f., 32.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
In Wahrheit ist die Einbeziehung bestrittener Forderungen somit kein Problem wider- 278 sprüchlichen Verwalterhandelns. Stattdessen scheitert die Berücksichtigung schon daran, dass die (behaupteten) Gläubiger – nach Stand zum Beurteilungszeitpunkt – nicht an der Verteilung der Insolvenzmasse partizipieren dürfen. Ob der Widerspruch vom Insolvenzverwalter oder von einem anderen Gläubiger erhoben wurde, ist vor diesem Hintergrund nicht von Bedeutung.
(3) Für den Ausfall festgestellte Forderungen In Frage gestellt wurde auch, inwieweit für den Ausfall festgestellte Forderungen 279 i.S.d. § 52 InsO zu berücksichtigen sind. Auch diese Forderungen, für die ein Massegegenstand zur abgesonderten Befriedigung zur Verfügung steht, gehören fraglos und in vollem Umfang zu denen, für die Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB haften. Vor diesem Hintergrund wird zumeist dafür plädiert, sie seien vollständig im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung einzubeziehen, soweit nicht die Verwertung des Absonderungsguts und die Auskehr des Erlöses bereits erfolgt seien.616) Auch der Bundesgerichtshof hat diesen Standpunkt eingenommen.617) Vereinzelt wird demgegenüber angenommen, diese Ansprüche seien jedenfalls nur in Höhe des zu erwartenden Ausfalls zu berücksichtigen.618) Die (nicht ausgesprochene) Überlegung dahinter ist nachvollziehbar: Der Insolvenzverwalter soll nicht für solche Forderungen Mittel vom Kommanditisten zur Masse ziehen, deren Erfüllung bereits anderweitig sichergestellt ist. Beschränkt man die Betrachtung nicht auf die Forderung des Absonderungsberech- 280 tigten, sondern schließt auch das Absonderungsgut mit ein, erweist sich die Behandlung im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung als unkompliziert. Denn während die gesicherte Forderung auf der einen Seite zu denjenigen gehört, für die der Kommanditist haftet (Passivseite), so gehört das Absonderungsgut auf der anderen Seite zur Insolvenzmasse, die zur Tilgung bestimmter Haftungsverbindlichkeiten bereitsteht (Aktivseite). Dass der mit dem Absonderungsrecht belastete Gegenstand bevorzugt für die Befriedigung bestimmter Haftungsforderungen verwertet ___________ 616) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 36/18, ZIP 2019, 2269, 2274 f.; OLG Koblenz, Urt. v. 6.11.2018 – 3 U 365/18, ZInsO 2018, 2659, 2661; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.4.2018 – 11 U 104/17, ZInsO 2018, 1855, 1861; LG Kempten, Urt. v. 11.10.2018 – 1 HK O 1039/17, ZInsO 2018, 2662, 2663 f. (offenbar sogar ohne Berücksichtigung einer bereits erfolgten Verwertung); Thole, ZGR 2019, 301, 316 f.; ders., ZRI 2020, 49, 57. 617) BGH, Urt. v. 10.11.2020 – II ZR 132/19, ZInsO 2021, 102, Rn. 17; Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671, Rn. 17; Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 16: Dem Kommanditisten könne lediglich der Einwand zustehen, dass die Forderung durch Auskehr des Verwertungserlöses bereits erfüllt sei, § 362 Abs. 1 BGB. Mit der Bedeutung der Verteilungssperre setzt sich der BGH nicht auseinander. 618) So wohl Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1194; unklar OLG Schleswig, Urt. v. 20.6.2018 – 9 U 18/18, ZInsO 2018, 1681, 1682; OLG Köln, Beschl. v. 11.6.2018 – 18 U 149/17, BeckRS 2018, 13782, Rn. 16.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
werden muss, ist eine Frage, welche die Verteilung der Masse betrifft, nicht aber die Differenz zwischen vorhandener Insolvenzmasse und Gesamtsumme der Haftungsverbindlichkeiten.619)
281 Sowohl die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände als auch die durch sie gesicherten Forderungen fließen aus diesem Grund vollständig in die Berechnung des erforderlichen Betrags ein. So ist einerseits gewährleistet, dass die gesicherte Forderung nur dann zu einer Erhöhung der Kommanditistenhaftung führt, wenn bei Verwertung des Absonderungsguts ein Ausfall zu erwarten ist, während andererseits ein für die Tilgung sonstiger Verbindlichkeiten verfügbarer erwarteter Überschuss dem Kommanditisten stets ohne Weiteres zugutekommt. Wie für sonstige Massebestandteile müssen freilich auch die Verwertungskosten passiviert werden. Unklarheiten bezüglich des zu erwartenden Verwertungserlöses wirken sich aufgrund der Beweislastverteilung zulasten des Kommanditisten aus.
bb) Anzusetzende Massebestandteile (Aktivseite) 282 Von der so ermittelten Gesamtsumme der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten sind die zu ihrer Tilgung bereits anderweitig in der Insolvenzmasse verfügbaren Mittel in Abzug zu bringen.
(1) Vorhandene Insolvenzmasse 283 Im Ausgangspunkt ist dabei die gesamte aktuell vorhandene Insolvenzmasse einzubeziehen. Das schließt Absonderungsgut mit ein,620) aussonderungsfähige Gegenstände sind dagegen nicht anzusetzen. Offene Forderungen des Insolvenzschuldners gegen Dritte können nur in Höhe ihrer tatsächlichen Werthaltigkeit Berücksichtigung finden, da sie nur insoweit zur Befriedigung der Gläubiger beitragen.
284 Dass die offenen Ansprüche gegen andere akzessorisch haftende Gesellschafter, insbesondere gegen andere Kommanditisten aus § 171 Abs. 1 HGB, – ungeachtet ihrer Massezugehörigkeit – keine Berücksichtigung finden, bedarf wohl keiner eingehenden Erläuterung, liefe es doch ersichtlich der gesamtschuldnerischen Natur der Haftung zuwider. Ebenso unberücksichtigt bleibt – mit Ausnahme des Kostenbeitrags bei Ausgeschiedenen analog §§ 170 Abs. 1 S. 1 und 171 InsO621) – das bereits von anderen Kommanditisten Geleistete. Diese Haftungsleistungen haben bereits auf der Passivseite zugunsten des Kommanditisten Berücksichtigung gefunden. ___________ 619) Genauso sind Masseverbindlichkeiten auf der Passivseite anzusetzen, obwohl sie aus der vorhandenen Masse vorrangig zu befriedigen sind. 620) Zur Behandlung von Absonderungsgut in Fällen, in denen der Kommanditist nicht allen Gläubigern haftet, s. die Ausführungen unten zum ausgeschiedenen Kommanditisten bei Rn. 291. 621) S. unten Rn. 353 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
(2) Verhältnis zur Insolvenzanfechtung Bestandteil der Insolvenzmasse sind auch die Insolvenzanfechtungsansprüche nach 285 § 143 Abs. 1 InsO, sodass es naheliegt, sie im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung zu aktivieren. Bei genauerer Betrachtung kommt es hierauf nicht stets an, denn oftmals hat die Geltendmachung/Erfüllung von Anfechtungsansprüchen keine Auswirkungen auf die (für den erforderlichen Betrag maßgebliche) Differenz zwischen Aktiv- und Passivmasse. Dies ist namentlich bei der Anfechtung einer Sicherungsgewährung der Fall, die nur das Verteilungsverhältnis der Gläubiger zueinander beeinflusst. Bestand die anfechtbare Handlung in der Erfüllung eines bestehenden Anspruchs, so bleibt die Anfechtung regelmäßig ebenfalls ohne Auswirkung auf den erforderlichen Betrag. Die Rückforderung nach § 143 Abs. 1 InsO führt nämlich nicht nur zu einer Rückführung von Vermögen zur Insolvenzmasse, sondern zugleich nach § 144 Abs. 1 InsO zum Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners in entsprechender Höhe.622) Abseits dieser Fälle – die praktisch einen gewichtigen Anteil aller Anfechtungsansprüche ausmachen – bleiben jedoch Konstellationen, in denen das Konkurrenzverhältnis zwischen Kommanditistenhaftung und Insolvenzanfechtung geklärt werden muss. Auf dieses Verhältnis kommt es im Übrigen auch in umgekehrter Blickrichtung an: 286 Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung gehört, dass die (übrigen) Gläubiger des Insolvenzschuldners durch die fragliche Rechtshandlung benachteiligt werden, § 129 Abs. 1 InsO. An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es jedenfalls dann, wenn die Insolvenzmasse trotz der in Frage stehenden Rechtshandlung genügt, um alle Gläubiger zu befriedigen.623) Eine Insolvenzanfechtung scheidet in diesen Fällen aus. Aufgrund ihrer Massezugehörigkeit könnten in diesem Kontext die Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB zu berücksichtigen sein. Sind nun also die Anfechtungsansprüche bei der Bestimmung des Haftungsum- 287 fangs nach § 171 Abs. 1 HGB zu berücksichtigen oder ist umgekehrt die Kommanditistenhaftung bei der Prüfung der Gläubigerbenachteiligung einzubeziehen mit der Folge, dass – bei Haftung bis zur Schuldendeckung – schon gar keine Anfechtungsansprüche entstehen? Kurz gesagt: Welches der beiden ist das vorrangige Mittel zur Massegenerierung? Diese Überlegungen wurden soweit ersichtlich bis___________ 622) Bei der Anfechtung vorfälliger Erfüllungen ist ggf. die Abzinsung der wiederauflebenden Forderung nach § 41 Abs. 2 InsO zu beachten. 623) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210, 218 = NJW 2014, 1737, Rn. 20; Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187 = NJW 1988, 3143, 3148; OLG Hamburg, Urt. v. 7.12.2018 – 11 U 256/17, ZIP 2019, 185, 186; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 165; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 107. Die Ähnlichkeit dieser Konstellation mit der Einschränkung der Kommanditistenhaftung bei fehlender Erforderlichkeit in der Insolvenz ist unverkennbar und hat die (kommentarlose) Übertragung von Entscheidungen zum Anfechtungsrecht auf ebendiese angestoßen, vgl. nur beispielhaft die Verweisungen in Undritz/Hentschel, EWiR 2021, 239, 240; Thole, ZRI 2020, 49, Fn. 65, 67.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
lang weder von Kommanditisten noch von möglichen Anfechtungsgegnern zur Verteidigung im Prozess vorgebracht und auch in den umfassenden „Konkurrenz“Überlegungen der Anfechtungsliteratur624) nicht diskutiert.
288 Aufschluss über das Konkurrenzverhältnis von Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung gibt eine Gegenüberstellung der Funktion beider Rechtsinstitute. Das Insolvenzanfechtungsrecht soll verhindern, dass sich einzelne, dem späteren Insolvenzschuldner nahestehende, besonders gut informierte oder durchsetzungsstarke Gläubiger im Vorfeld des Insolvenzverfahrens Vorteile gegenüber der Gläubigergesamtheit sichern können und erstreckt deshalb den Schutz der Gläubigergleichbehandlung auf den Zeitraum vor der Verfahrenseröffnung.625) Da die Geltung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes ihrerseits notwendig ist, weil der Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht vollständig erfüllen kann, rechtfertigt sich der Eingriff in das Vermögen des Anfechtungsgegners durch die Insolvenzanfechtung also nur vor dem Hintergrund der Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens. Die akzessorische Haftung der Kommanditisten soll dagegen das Eintreten genau dieser Unzulänglichkeit für die Gläubiger verhindern oder zumindest deren Nachteile abmildern, indem sie die Haftungsmasse der Gesellschaft verstärkt. Vor diesem Hintergrund gehört die Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO zu genau den Nachteilen, welche die akzessorische Haftung von den Gläubigern abwenden soll.
289 Das Vorhandensein von Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB in einem Umfang, der gemeinsam mit der übrigen Aktivmasse zur vollständigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubigergesamtheit626) genügt, muss deshalb die Gläubigerbenachteiligung und damit die Anfechtbarkeit ausschließen.627) Umgekehrt führen Insolvenzanfechtungsansprüche unter keinen Umständen zur Entlastung der Kommanditisten im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung. Dass die Kommanditisten einer insolventen Gesellschaft die Konsequenzen der Insolvenz vor deren Gläubigern zu tragen haben – darum geht es im Kern bei der vorliegenden Konkurrenzfrage – leuchtet gewiss ein. ___________ 624) Eingehend etwa MüKo-InsO/Kirchhof/Freudenberg, vor §§ 129 bis 147 Rn. 40 ff.; speziell zum Verhältnis zum Gesellschaftsrecht Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 52 ff. 625) MüKo-InsO/Kirchhof/Freudenberg, vor §§ 129 – 147 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/ Bork, 85. EL. 09/2020, vor § 129 Rn. 1 ff.; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 1; HKInsO/Thole, § 129 Rn. 1. 626) Genau genommen entfällt die Gläubigerbenachteiligung schon dann, wenn die Kommanditistenhaftung genügt um alle Gläubiger zu befriedigen, die vor dem potenziellen Anfechtungsgegner oder gleichrangig mit ihm zu befriedigen sind. Vgl. Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 166. 627) Eine vorgelagerte, zu unterscheidende Frage ist, ob das Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB den Abfluss von Barmitteln aus der Gesellschaft gleichwertig kompensieren und dadurch die benachteiligende Wirkung einer Gesellschaftsleistung an den Kommanditisten ausschließen kann, s. unten Rn. 417 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
cc) Ausgeschiedener Kommanditist Hinsichtlich ausgeschiedener Kommanditisten (oder sonstiger Konstellationen, in 290 denen ein Kommanditist nicht allen Gläubigern haftet628)) gelten keine grundlegenden Besonderheiten. Auf der Passivseite sind naturgemäß nur die Altforderungen maßgeblich, während auf der Aktivseite nur derjenige Anteil der vorhandenen Masse anzusetzen ist, der auf die Altgläubiger entfällt. Das bedeutet in Absonderungsfällen: Gehört zu den Altgläubigern ein gesicherter 291 Gläubiger, muss das Absonderungsgut (abzüglich der Verwertungskosten) i.H.d. besicherten Altforderungen einbezogen werden. Für einen etwaigen Überschuss gilt das oben Gesagte: Nur der auf die (sonstigen) Altgläubiger entfallende Teil findet Berücksichtigung. Besteht ein Absonderungsrecht zugunsten eines Neugläubigers, so findet der Gegenstand zugunsten des Ausgeschiedenen nur insoweit Berücksichtigung auf der Aktivseite, wie ein Zufluss zur Masse zu erwarten ist und auf die Altgläubiger entfällt.629)
dd) Erforderlichkeit in Sanierungskonstellationen Die in den vorstehenden Ausführungen detaillierte Gegenüberstellung von Aktiv- 292 und Passivseite geht für die Berechnung des erforderlichen Betrags von der Verwertung der insolvenzschuldnerischen Haftungsmasse zur Schuldendeckung aus. Die Insolvenzordnung sieht neben der Verwertung allerdings weitere Wege vor, auf denen die Befriedigung der Gläubiger verfolgt werden kann, insbesondere die Sanierung des Schuldnerunternehmens. Je größer das für die Durchführung der Sanierung verfügbare Vermögen ist, desto besser sind auch die Sanierungschancen630) und damit auch die Chancen auf eine möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger. Das spräche dafür, den erforderlichen Betrag bei geplanter Sanierung unter Umständen höher anzusetzen. Der insoweit überschießende Teil der Kommanditistenhaftung wäre dann Bestandteil einer gegenüber der Insolvenzmasse vergrößerten Sanierungsmasse.631) Die Tatsache, dass diese Problematik bislang nicht diskutiert wird, lässt erahnen, 293 dass ihre praktische Bedeutung gering ist. Aus gutem Grund: Ermöglicht schon die Liquidation der insolvenzschuldnerischen Haftungsmasse unter Inanspruchnahme ___________ 628) S. oben Rn. 23 ff. 629) Der erwartete Verwertungsüberschuss kann folglich bei der Erforderlichkeitsprüfung ebenso aktiviert werden, wie die Kostenbeiträge nach §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO, denen allerdings entsprechende Kosten(-verbindlichkeiten) auf der Passivseite gegenüberstehen. 630) Bork, Insolvenzrecht, Rn. 417. 631) Begriff bei Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 103 ff. Die geschilderte Problematik begegnet nicht bei der sog. „übertragenden Sanierung“, bei der es sich im Kontext des Insolvenzverfahrens um eine Verwertungsmaßnahme handelt, so deutlich Thole, KTS 2019, 289, 293.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB die vollständige Befriedigung aller Gläubiger, gibt es für diese Gläubiger keine Veranlassung, sich auf eine ggf. langwierige und mit zusätzlichen Ungewissheiten verbundene Sanierung einzulassen, vgl. §§ 157, 251 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Für die gegenwärtige Praxis kommt noch ein weiterer, rechtstatsächlicher Grund hinzu. Die zahlreichen Insolvenzen der als Publikums-KG betriebenen Schiffsfonds, die den Einwand fehlender Erforderlichkeit in den Fokus gerückt haben, beruhten – wie schon die Branchenkonzentration der Insolvenzen indiziert – auf der eingeschränkten Rentabilität des Geschäftsmodells (im aktuellen Markt). Schon deshalb verspricht eine Sanierung dieser Unternehmen keinen Erfolg und wird kaum einmal ernsthaft in Betracht kommen.
294 Vor diesem Hintergrund sollen für die Bestimmung des Haftungsumfangs in Sanierungsfällen nur zwei Überlegungen skizziert werden, die es nahelegen, den erforderlichen Betrag stets auf Liquidationsbasis zu berechnen.
295 Die Sanierung des Unternehmens bietet neben einem Potenzial für bessere (umfangreichere) Gläubigerbefriedigung632) weitere Vorteile, wie die Erhaltung von Arbeitsplätzen und eines im Kern gesunden Marktakteurs.633) In Fällen, in denen schon durch Liquidation die vollständige Befriedigung erreicht werden kann, liegt auf der Hand, dass die Gläubigerbefriedigung gegenüber diesen weiteren Motiven für die Sanierung in den Hintergrund rückt. Die Funktion der Kommanditistenhaftung – die den Ausschlag für die teleologische Reduktion auf den erforderlichen Betrag gibt – beschränkt sich jedoch auf die Sicherung der Gläubiger und deckt diese „überschießende Zielsetzung“ nicht.
296 Hinzu kommt zweitens, dass grundsätzlich kein Kommanditist (und auch kein sonstiger Gesellschafter) verpflichtet ist, über die ursprünglich im Gesellschaftsvertrag übernommene Beitragspflicht hinaus Vermögen für den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens in die Gesellschaft nachzuschießen, § 710 BGB n.F. (§ 707 BGB a.F.) i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB. Die Kommanditisten trifft – anders als persönlich haftende Gesellschafter, § 737 BGB n.F. (§ 735 BGB a.F.) i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB – nicht einmal eine Nachschusspflicht für eingetretene Verluste, § 167 (Abs. 3 a.F.) HGB. Könnte man nun von einem Kommanditisten nach § 171 Abs. 1, 2 HGB einen höheren Beitrag zur Sanierung des Unternehmens verlangen, als zur (günstigeren) vollständigen Gläubigerbefriedigung durch Liquidation erforderlich wäre, so würde der Ausschluss der Nachschusspflicht unter dem Deckmantel der akzessorischen Haftung ausgehebelt. Der Mehrbetrag käme nämlich letztlich nur der Fortführung des Unternehmens zugute. ___________ 632) BGH, Urt. v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 85 = NJW 1997, 524, 525; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 27.01; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 413; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/ H. Prütting, 94. EL. 12/2022, § 1 Rn. 36. 633) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/H. Prütting, 94. EL. 12/2022, § 1 Rn. 36; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 413.
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Ein derartiger Eingriff in die Privatautonomie der Kommanditisten634) lässt sich selbst mit Blick auf den starken (nationalen und europäischen) politischen Willen, Sanierungen zu fördern, und die daraus folgende zunehmende Ausrichtung insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Regelungen und Praxis an diesem Ziel635) nicht rechtfertigen.636)
II. Sperrwirkung Die Ermächtigungswirkung zugunsten des Insolvenzverwalters wird komplemen- 297 tiert durch die Sperrwirkung. Der Zweck des § 171 Abs. 2 HGB macht es nicht nur notwendig, dem Insolvenzverwalter die eigenständige Verfügung über die Haftungsansprüche zu ermöglichen. Soll die Geltung der Verteilungsregeln des Insolvenzverfahrens hinsichtlich der beschränkten Kommanditistenhaftung nicht im Belieben der Gläubiger stehen, muss die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters wie für die sonstige Insolvenzmasse eine ausschließliche sein. § 171 Abs. 2 HGB entfaltet dabei in beide Richtungen Wirkung: Zum einen können die Gläubiger nicht mehr individuell Leistung vom Kommanditisten verlangen und zum anderen kann der Kommanditist seine Haftungsverbindlichkeiten nicht mehr durch Leistung an einzelne Gläubiger tilgen.
1.
Rechtliche Konstruktion
Dass die Leistung des Kommanditisten nicht mehr mit befreiender Wirkung an die 298 Gläubiger erfolgen kann, lässt sich – wie gesehen – nicht auf einen Verlust ihrer Forderungsinhaberschaft zurückführen und auch die von der herrschenden Ansicht angenommene gesetzliche Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters bietet keine Erklärung für eine Änderung der Rechtsstellung der Gläubiger.637) Aus dem hier entwickelten Verständnis ergibt sich die Sperrwirkung dagegen zwanglos: Sowohl die materiell-rechtliche Befugnis zur Annahme der geschuldeten Leistung, die Empfangszuständigkeit, als auch die Befugnis, den eigenen Anspruch prozessual geltend zu machen, die Prozessführungsbefugnis, sind nämlich an die Verfügungsbefugnis über den Anspruch und nicht etwa an die Forderungsinhaberschaft
___________ 634) Eingehend zum Zweck des § 707 BGB: MüKo-BGB/C. Schäfer, § 707 Rn. 1; StaudingerBGB/Habermeier, § 707 Rn. 1. 635) Thole, KTS 2019, 289, 293, berichtet von einem regelrechten „Sanierungs- oder Restrukturierungshype“; Wessels, IILR 2011, 298, 302: „rescue culture“. 636) Erstreckt man die Einschränkung bei fehlender Erforderlichkeit auf eine ausstehende Beitragspflicht (vgl. oben Rn. 264), tragen die beiden geschilderten Argumente dafür nicht. Hier spräche dann einiges dafür, den ganzen ausstehenden Beitrag für eine Sanierung verfügbar zu machen. 637) S. die Nachweise oben in Fn. 425.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
geknüpft.638) Geht nach § 171 Abs. 2 HGB die Verfügungsbefugnis der Gläubiger auf den Insolvenzverwalter über, so verlieren sie deshalb zugleich ihre Empfangszuständigkeit und ihre Prozessführungsbefugnis für die Haftungsansprüche.639) Auch insoweit gilt nichts anderes als für die sonstigen massezugehörigen Ansprüche (des Insolvenzschuldners), die ab Verfahrenseröffnung grundsätzlich ebenfalls nur noch durch Leistung an den Insolvenzverwalter erfüllt werden und durch den Insolvenzverwalter eingeklagt werden können.640)
2.
Folgen für die Gläubiger
299 Die Haftungsgläubiger nehmen somit in der Insolvenz der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB eine Stellung ein, die mit derjenigen des Insolvenzschuldners in Bezug auf sein massezugehöriges Vermögen vergleichbar ist. Alle Verfügungen der Haftungsgläubiger über ihre Haftungsansprüche, etwa Vereinbarungen über deren Erlass oder inhaltliche Modifikation, sind im Anwendungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB mangels Verfügungsbefugnis unwirksam.
a) Klage-, Vollstreckungs- und Rückschlagsperre 300 Zuvörderst sind die Gläubiger darüber hinaus umfassend daran gehindert, diese Ansprüche individuell gegenüber dem Kommanditisten zu realisieren. Ab Verfahrenseröffnung können sie mangels Prozessführungsbefugnis nicht mehr mit Erfolg Haftungsklage gegen den Kommanditisten erheben. Überdies ist eine auf Zahlung an den Gläubiger gerichtete Klage wegen der nunmehr fehlenden Empfangszuständigkeit auch unbegründet. Stattdessen sind die Haftungsgläubiger darauf angewiesen, den Insolvenzverwalter durch Anmeldung ihrer Forderung im Gesellschaftsinsolvenzverfahren zur Inanspruchnahme des Kommanditisten „aufzufordern“. Bereits rechtshängige Haftungsklagen erledigen sich jedoch nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern werden in analoger Anwendung des § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen und können durch den Insolvenzverwalter aufgenommen werden.641) ___________ 638) Als Beleg für die Verknüpfung von Verfügungsbefugnis und Empfangszuständigkeit wird regelmäßig auf § 362 Abs. 2 BGB sowie die §§ 1812, 1813 BGB in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung verwiesen, vgl. z.B. Larenz, Schuldrecht I, S. 222; Staudinger-BGB/Kern, § 362 Rn. 54; MüKo-BGB/Fetzer, § 362 Rn. 15. Zur Prozessführungsbefugnis s. BGH, Urt. v. 2.12.1968 – III ZR 2/68, BGHZ 51, 125, 128 = NJW 1969, 424; Musielak/Voit-ZPO/Weth, § 51 Rn. 16 m.w.N. 639) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 43, erkennt in § 93 InsO ebenfalls einen Übergang der Empfangszuständigkeit; für die Prozessführungsbefugnis ebenso zu § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 70. 640) Mit ausdrücklicher Charakterisierung als Verschiebung der Empfangszuständigkeit: BGH, Urt. v. 9.10.2014 – IX ZR 41/14, NJW 2015, 341, Rn. 30; MüKo-InsO/Vuia, § 82 Rn. 1, 3. 641) Allgemeine Ansicht, BGH, Urt. v. 28.10.1981 – II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 218 = NJW 1982, 883, 885; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 88; MüKo-HGB/K. Schmidt/ Grüneberg, § 172 Rn. 131 m.w.N.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Darüber hinaus kann der Kommanditist eine Zwangsvollstreckung, die ein Haf- 301 tungsgläubiger aus einem bereits vor Verfahrenseröffnung erlangten Titel betreibt, durch Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO abwenden. Dies sollte er auch tun, möchte er nicht zur erneuten Leistung an den Insolvenzverwalter verpflichtet sein.642) Ob der Kommanditist sich im Rahmen seiner Vollstreckungsabwehrklage auf den nachträglichen Verlust der Empfangsbefugnis der Gläubiger, unmittelbar auf den Verlust ihrer Verfügungsbefugnis643) oder auf die – wegen der drohenden Rückgewährpflicht nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bestehende – dolo agit-Einrede644) beruft, ist nicht von Bedeutung. Hat ein Haftungsgläubiger vor Verfahrenseröffnung die Zwangsvollstreckung ge- 302 gen einen Kommanditisten betrieben und dadurch beispielsweise bereits ein Pfändungspfandrecht an einem Vermögensgegenstand des Kommanditisten oder eine Forderung durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangt, ist schließlich zu klären, ob hinsichtlich der beschränkten Kommanditistenhaftung auch die in § 88 InsO geregelte Rückschlagsperre (im Wege der Analogie) greift.645) Ein scheinbar bedeutsamer Unterschied zur Situation des § 88 InsO besteht darin, dass die Sicherungsrechte nicht an zur Insolvenzmasse gehörigen Gegenständen bestehen, sondern an Kommanditistenvermögen, sodass eine potenzielle Rückschlagsperre nichts zur Sicherung der Insolvenzmasse zugunsten der Gläubiger beizutragen scheint. Allerdings würde die Befriedigung aus dem Sicherungsrecht zum Erlöschen des jeweiligen massezugehörigen Anspruchs nach § 171 Abs. 1 HGB führen,646) sodass der Bestand der Masse auf diesem mittelbaren Wege doch gefährdet ist. Soll die beschränkte Kommanditistenhaftung – wie die sonstige Insolvenzmasse – dem Zugriff einzelner Gläubiger ab Verfahrenseröffnung auch hinsichtlich bereits begonnener Vollstreckungsmaßnahmen vollständig entzogen werden, ist es deshalb unausweichlich, eine Rückschlagsperre analog § 88 InsO anzunehmen. Für diese Analo___________ 642) S. unten Rn. 312. Dem Kommanditisten eine derartige Obliegenheit zur Klageerhebung aufzuerlegen, ist unbedenklich, denn er steht dadurch nicht schlechter als jeder andere, zu dessen Gunsten sich nach Titulierung eine Einwendung ergeben hat. Zudem wird es Drittschuldnern i.R.d. § 82 InsO ganz allgemein zugemutet, den Eintritt des Leistungserfolges nach Möglichkeit aktiv zu verhindern, wenn sie nach Vornahme der Leistungshandlung von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erlangen, vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, 88 ff. = ZIP 2009, 1726, Rn. 9 ff. m.w.N. 643) Zu § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 70 f. 644) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 168. 645) Ablehnend Oepen, Massefremde Masse, Rn. 134, der nach dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 2 AnfG lediglich die Anfechtung nach § 130 InsO zulassen möchte. 646) Die Unbeachtlichkeit des zwischenzeitlich eingetretenen Verlusts der Empfangszuständigkeit in diesen Fällen folgt entweder daraus, dass wegen der bereits zuvor erfolgten Pfändung keine „Leistung“ nach Verfahrenseröffnung vorliegt, oder daraus, dass der „Leistung“ des Kommanditisten analog § 82 InsO befreiende Wirkung beizumessen ist, s. allgemein dazu unten Rn. 314 ff., insbesondere in Fn. 682.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
gie spricht nicht zuletzt auch die systematische Einordnung der Rückschlagsperre: Die Regelung wird als dinglich wirkender Spezialfall der Inkongruenzanfechtung begriffen und folglich den Insolvenzanfechtungsregeln zugeordnet.647) Auch die §§ 129 ff. InsO finden – wie noch gezeigt wird648) – Anwendung auf Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung im Hinblick auf die akzessorische Kommanditistenhaftung, sodass für § 88 InsO nichts anderes gelten kann. Der Kommanditist kann die Unwirksamkeit im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend machen.649)
303 Für die mit dem Verlust der Verfügungsbefugnis verbundene Sperrwirkung ist es ohne Belang, ob der Gläubiger mit seiner Forderung gegen die Gesellschaft am Insolvenzverfahren teilnimmt.650) Das ist sachlich notwendig, denn die mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nach § 171 Abs. 2 HGB erstrebte Übertragung der insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung wäre ansonsten vom Verhalten der Gläubiger abhängig, die sich ihr Recht zur individuellen Inanspruchnahme des Kommanditisten durch Unterlassen der Forderungsanmeldung bewahren könnten. Auch insoweit gilt nichts anderes als für den Zugriff auf andere Bestandteile der Gesellschaftshaftungsmasse.651) Die von Oepen als Argument gegen die Deutung als Übergang der Verfügungsbefugnis angeführte Einbeziehung von Gläubigern, die nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen,652) erweist sich hier gerade als Vorteil dieser These.
b) Aufrechnungssperre 304 Einhellig wird angenommen, denjenigen Gläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB, die ihrerseits dem haftenden Kommanditisten zu einer Zahlung verpflichtet sind, sei die Aufrechnung ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens versagt.653) ___________ 647) Besonders klar: Jaeger-InsO/Eckardt, § 88 Rn. 6 ff.; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/ders., § 33 Rn. 51; Uhlenbruck-InsO/Mock, § 88 Rn. 1; vgl. auch MüKo-InsO/Breuer/Flöther, § 88 Rn. 5; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.14. 648) S. eingehend unten Rn. 431 ff. 649) Zum Regelfall des § 88 InsO: Jaeger-InsO/Eckardt, § 88 Rn. 70. 650) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 171; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 96. Zum Übergang der Verfügungsbefugnis auch in diesen Fällen und den Einschränkungen hinsichtlich der Ermächtigungswirkung s. bereits oben Rn. 209 f. 651) Vgl. Uhlenbruck-InsO/Mock, § 88 Rn. 5, § 89 Rn. 11; K. Schmidt-InsO/Keller, § 88 Rn. 9, § 89 Rn. 7. 652) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 85. 653) BGH, Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 193 = NJW 1964, 2407, 2409; BFH, Urt. v. 24.7.1984 – VII R 6/81, BFHE 141, 477, 479 f. = ZIP 1984, 1245, 1246 f.; Staub-HGB/ Thiessen, § 171 Rn. 171; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 112; MüKoHGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 116; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 126; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1288. Zur Aufrechnung des Kommanditisten s. unten Rn. 319 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Da § 171 Abs. 2 HGB die Forderungsinhaberschaft der Haftungsgläubiger nicht 305 berührt, bestehen in diesen Fällen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenseitige, gleichartige Forderungen und damit – bei Fälligkeit des Haftungsanspruchs654) und Erfüllbarkeit der Kommanditistenforderung – eine Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB. Der Zweck des § 171 Abs. 2 HGB wäre allerdings ohne ein Aufrechnungsverbot gefährdet: Durch die Sperrwirkung der Regelung soll sichergestellt werden, dass sich einzelne Gläubiger durch Handlungen gegenüber dem Kommanditisten einen Vorteil gegenüber der Gesamtheit der Haftungsgläubiger verschaffen können. Könnten Gläubiger trotzdem auch nach Verfahrenseröffnung wirksam gegen eine Forderung des Kommanditisten aufrechnen, so würden sie sich für ihre Haftungsforderung vollständige Befriedigung verschaffen und dadurch zugleich die offene Haftsumme des Kommanditisten zulasten der übrigen Gläubiger mindern. Weil § 171 Abs. 2 HGB der Übergang der Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zu entnehmen ist, fällt die dogmatische Begründung eines Aufrechnungs-„Verbots“ leicht: Die Aufrechnung enthält eine Verfügung über die Gegenforderung für die es selbstverständlich der Verfügungsbefugnis bedarf.655) Ebendiese fehlt den Haftungsgläubigern jedoch ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens in gleicher Weise wie dem Insolvenzschuldner nach § 81 InsO.656) Trotz alledem muss erwogen werden, eine Ausnahme von der Sperrwirkung zu 306 machen, um den Haftungsgläubigern die Aufrechnung zu ermöglichen. Denn § 94 InsO trifft die Aussage, dass eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungslage oder „Aufrechnungsanwartschaft“657), § 95 Abs. 1 S. 1 InsO, durch die Eröffnung nicht berührt wird. In diesen Fällen ermöglicht das Gesetz dem jeweiligen Gläubiger, sich durch die Aufrechnung einen Vorteil gegenüber der Gläubigergesamtheit zu verschaffen – je nach Akzentuierung, weil er darauf vertraut habe, dass die Durchsetzung seiner Forderung wegen der bestehenden oder zu erwartenden Aufrechnungslage gesichert sein werde,658) oder weil bereits das Bestehen der Aufrechnungslage zu einer objektiven „Entkräftung“ der aufrechenbaren Forde___________ 654) Die Fiktion des § 41 InsO findet entsprechend § 95 Abs. 1 S. 2 InsO für den Bereich der Aufrechnung keine Anwendung. 655) MüKo-BGB/Schlüter, § 387 Rn. 2; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenzund Sanierungsmasse, S. 78. 656) Zur fehlenden Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners: K. Schmidt-InsO/Sternal, § 81 Rn. 5; Uhlenbruck-InsO/Mock, § 81 Rn. 5. 657) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-InsR/Piekenbrock, § 95 InsO Rn. 2. 658) MüKo-InsO/Lohmann/Reichelt, § 95 Rn. 2; instruktiv Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, S. 286: „Wer zwar schuldet, aber weiß, daß er aufrechnen kann, betrachtet sich wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner, und wer eine durch Aufrechnung tilgbare Forderung hat, fühlt sich nicht mehr als Gläubiger. Danach aber pflegt er zu handeln; er sorgt als Schuldner nicht mehr um Zinsen, Konventionalstrafen und Verzug, er fürchtet als Gläubiger nicht mehr, daß seine Forderung verjährt usw.“.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
rungen geführt habe.659) Wenn dies für Aufrechnungen gegenüber dem Insolvenzschuldner gilt, könnte man versucht sein, den Gläubigern analog §§ 94 f. InsO auch die Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem Kommanditisten zu belassen. Darin wäre zwar eine erhebliche Schwächung des mit der Sperrwirkung des § 171 Abs. 2 HGB bezweckten Schutzes der Kommanditistenhaftung zu sehen. Diese Schwächung ginge jedoch nicht über das hinaus, was nach den §§ 94 f. InsO auch hinsichtlich der sonstigen Insolvenzmasse gilt660) und ist scheinbar aus diesem Grund systematisch nicht nur vertretbar, sondern sogar geboten.
307 Für die Haftungsforderungen nach § 171 Abs. 1 HGB gilt jedoch eine Besonderheit, die ein schützenswertes Vertrauen des Gläubigers in den Fortbestand der Aufrechnungslage von vornherein ausschließt und aus diesem Grund entscheidend gegen die analoge Anwendung der §§ 94 ff. InsO zugunsten der Haftungsgläubiger spricht: Wegen der Beschränkung der Außenhaftung insgesamt auf die Haftsumme und wegen ihrer Verknüpfung mit der Leistung einer Einlage nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB geht von einer Aufrechnungslage unter Einbeziehung der Haftungsansprüche keine nennenswerte Sicherung für den Gläubiger und keine nennenswerte „Entkräftung“ der einander gegenüberstehenden Forderungen aus.661) Der Kommanditist kann einen jeden Haftungsanspruch jederzeit durch Leistung an andere Gläubiger oder an die Gesellschaft zum Erlöschen bringen. Durch die Zuweisung der Kommanditistenhaftung an die Gläubigergesamtheit im Insolvenzfall realisiert sich also nur ein Risiko für die Sicherung des Haftungsgläubigers, das außerhalb der Insolvenz in gleicher Weise bestand. Schützenswertes Vertrauen i.S.d. §§ 94 f. InsO wird vor diesem Grund nicht enttäuscht, verwehrt man ihm die Aufrechnung gegenüber dem Kommanditisten.
c)
Freigabebefugnis des Insolvenzverwalters
308 Hinsichtlich der §§ 92, 93 InsO wird vielfach angenommen, der Insolvenzverwalter sei zur Vermeidung von Unwägbarkeiten im Rahmen der Forderungsrealisie-
___________ 659) Eingehend Jaeger-InsO/Windel, § 94 Rn. 4 ff. Hinter § 94 InsO steckt insoweit das auch in den §§ 215, 389 a.E. und 770 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommende Ziel, die Aufrechnenden so zu stellen, als seien die gegenseitigen, gleichartigen Forderungen in dem Moment erloschen, in dem sie sich erstmalig aufrechenbar gegenüberstanden (vgl. für eine tatsächliche „Aufrechnung“ kraft Gesetzes z.B. die bis 1.10.2016 geltende Fassung des Art. 1290 des französischen Code Civil). 660) Nicht überzeugend ist deshalb der (zur Aufrechnung durch den Kommanditisten vorgetragene) Hinweis von Sander, ZInsO 2012, 1285, 1289, die „§§ 94 ff. legitimieren […] keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung der anderen Gläubiger“. 661) In diesem Sinne auch Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 59; Kuhn, FS Schilling, S. 69, 75; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 121.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
rung befugt, die betroffenen Ansprüche „freizugeben“.662) Es liegt daher nahe, das Bestehen einer Freigabebefugnis auch hinsichtlich der massezugehörigen Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zu eruieren. Bei der Bezeichnung als „Freigabe“ darf jedoch nicht verkannt werden, dass die 309 Freigabe der Ansprüche aus beschränkter Kommanditistenhaftung etwas grundlegend anderes wäre als die Freigabe sonstiger Massebestandteile.663) Für gewöhnlich führt die Freigabe durch den Insolvenzverwalter zum Entlassen einzelner Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners aus seiner Insolvenzmasse in das insolvenzfreie Vermögen.664) Der freigegebene Gegenstand steht in der Folge nicht mehr zur Befriedigung der am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger zur Verfügung. Die „Freigabe“ der Haftungsansprüche hätte demgegenüber die faktische Außerkraftsetzung des § 171 Abs. 2 HGB zur Folge und würde den Haftungsgläubigern die individuelle und gegenüber sonstigen Gläubigern uneingeschränkte Verwertung einzelner Massebestandteile ermöglichen. Zeichnet man die Parallele zur sonstigen Insolvenzmasse geht es also nicht um das Entlassen von Vermögen aus der insolvenzbefangenen Haftungsmasse, sondern um einen Verwalterverzicht auf die Geltung der §§ 87, 89 InsO in Bezug auf einzelne Massebestandteile665) – und damit um nicht weniger als die Geltung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Gewährleistung von Gläubigergleichbehandlung steht jedoch als Kernelement 310 des Insolvenzverfahrens nicht zur Disposition des Insolvenzverwalters. Soweit ersichtlich wird es auch an keiner Stelle für zulässig gehalten, dass der Insolvenzverwalter unter Ausnahme von § 89 InsO einzelnen Gläubigern die Vollstreckung gestattet. Vor diesem Hintergrund muss auch die „Freigabe“ der Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB ausgeschlossen sein.666) Ansonsten käme es im Übrigen zu genau dem Wettlauf der Haftungsgläubiger, den § 171 Abs. 2 HGB verhindern soll.667) Ist die Geltendmachung der Haftungsansprüche im Einzelfall mit Risiken verbun___________ 662) Zu § 92 InsO: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 47. EL. 02/2012, § 92 Rn. 33; Gottwald/ Haas-InsR-Hdb/Haas/Kolmann/Kurz, § 90 Rn. 577; HK-InsO/J. Schmidt, § 92 Rn. 37 („ausnahmsweise“); a.A. Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 65. Zu § 93 InsO: Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 53; UhlenbruckInsO/Hirte, § 93 Rn. 6, der widersprüchlicherweise an gleicher Stelle erklärt, ein Verzicht des Insolvenzverwalters auf seine Befugnisse aus § 93 InsO sei unzulässig. 663) Wenig überzeugend insoweit zu § 92 InsO Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 92 Rn. 24. 664) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 87. EL. 03/2021, § 35 Rn. 21, 30; HK-InsO/Ries, § 35 Rn. 53; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 82. 665) Bei einer „gewöhnlichen“ Freigabe entfällt das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO zwar ebenfalls, jedoch nur mit Wirkung für Neugläubiger, vgl. dazu HK-InsO/Ries, § 35 Rn. 58. 666) Im Ergebnis ebenso: RG, Urt. v. 17.12.1910 – Rev. I. 400/09, RGZ 74, 428, 430; Hopt-HGB/ M. Roth, § 171 Rn. 12; Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 106 ff. 667) Mit vergleichbarer Argumentation zu §§ 92, 93 InsO: BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 239/05, BGHZ 175, 12, 27 = ZIP 2008, 364, Rn. 43.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
den, die ein klageweises Vorgehen unwirtschaftlich erscheinen lassen, kann der Insolvenzverwalter von der Einziehung absehen oder einzelne Gläubiger zur selbständigen Einziehung der Haftungsansprüche für die Masse ermächtigen.668)
3.
Folgen für den Kommanditisten
311 Obwohl die Sperrwirkung in erster Linie die Rechtsstellung der Gläubiger betrifft, ist sie reflexartig auch für den Kommanditisten mit erheblichen Veränderungen verbunden. Überwiegend wird dem Kommanditisten in Bezug auf die Verschiebung der Empfangszuständigkeit keinerlei Schuldnerschutz zugebilligt. Diese strenge Behandlung bedarf jedoch einer kritischen Überprüfung.
a) Leistungen an einzelne Gläubiger nach Verfahrenseröffnung aa) Grundsatz 312 Weil die Haftungsgläubiger ihre Empfangszuständigkeit verlieren, haben Leistungen des Kommanditisten nach669) Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einzelne Gläubiger grundsätzlich keine Erfüllungswirkung, § 362 Abs. 1 BGB. Der Kommanditist ist zur erneuten Leistung an den Insolvenzverwalter verpflichtet und muss sich seinerseits nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB an den Leistungsempfänger halten.670) Der Insolvenzverwalter hat jedoch die Möglichkeit, die Leistung des Kommanditisten an den nicht empfangszuständigen Gläubiger zu genehmigen, § 185 Abs. 2 i.V.m. § 362 Abs. 2 BGB, und das Geleistete von letzterem nach § 816 Abs. 2 BGB herauszuverlangen.671) Dies kann insbesondere sinnvoll sein, wenn die Inanspruchnahme des Kommanditisten keinen Erfolg verspricht.672)
___________ 668) Zu weit Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 386; entsprechend ist auch eine Ermächtigung des Insolvenzschuldners für sonstige Masseforderungen möglich, vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1987 – III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 218 = NJW 1987, 2018. 669) Zur Insolvenzanfechtung von Leistungen des Kommanditisten vor Verfahrenseröffnung s. unten Rn. 431 ff. 670) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 89; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 154; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 105. Weiß der Kommanditist bei der Leistung an den Gläubiger nicht nur von der Verfahrenseröffnung, sondern (laienhaft) auch von der daraus folgenden Verschiebung der Empfangszuständigkeit, so steht einem Bereicherungsanspruch § 814 BGB entgegen. 671) Zu § 93 InsO: K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 25; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 65; entsprechend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 76 (zu § 92 InsO), kann der Gläubiger die Herausgabe jedoch im Umfang der ihm zustehenden Insolvenzquote im Wege der dolo agit-Einrede verweigern; ebenso (zu § 93 InsO) MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 13; FK-InsO/Wimmer/Amend, § 93 Rn. 34. 672) Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Frage, ob die so mögliche Verlagerung des Insolvenzrisikos auf den Leistungsempfänger der Genehmigungsmöglichkeit entgegensteht, bei MüKo-BGB/Schwab, § 816 Rn. 102.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Ebenso wenig wie der Kommanditist die gesetzlich beabsichtigte Übertragung der 313 insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung durch Zahlung unmittelbar an einzelne Gläubiger verhindern kann, ist es ihm möglich dem Insolvenzverwalter (bei Leistung nach § 171 Abs. 2 HGB) durch eine Tilgungsbestimmung zugunsten eines bestimmten Gläubigers die Hände zu binden.673) Die Tilgungsordnung ist insolvenzrechtlich determiniert und ein abweichender Wille des Kommanditisten ist unbeachtlich.
bb) Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ist der Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 InsO 314 öffentlich bekanntzumachen und darüber hinaus den Gläubigern und Schuldnern des Insolvenzschuldners sowie letzterem selbst besonders zuzustellen. Der Beschluss ist zudem nach § 31 Nr. 1 InsO betroffenen Registergerichten zu übermitteln und die Verfahrenseröffnung nach § 32 Abs. 1 InsO in das Grundbuch einzutragen. Eine besondere Zustellung des Eröffnungsbeschlusses oder eine besondere Bekanntmachung an die Gesellschafter sieht das Gesetz dagegen nicht vor. Anders als die zur Geschäftsführung befugten Komplementäre,674) welche die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses als Vertreter der KG entgegennehmen, müssen Kommanditisten nicht zwingenderweise zeitnah Kenntnis von der Insolvenzverfahrenseröffnung erlangen. Das gilt insbesondere bei am operativen Geschäft desinteressierten Anlegerkommanditisten großer Publikumsgesellschaften. Eine Ausnahme von der Sperrwirkung für Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung sieht der Wortlaut des § 171 Abs. 2 HGB ebenso wenig vor wie derjenige des § 93 InsO. Während zu § 93 InsO einhellig eine analoge Anwendung des § 82 InsO befürwortet wird675) (ebenso wie für die vergleichbar konstruierten §§ 92, 166 Abs. 2 InsO676)), lehnen die Stellungnahmen zu § 171 Abs. 2 HGB einen Schutz des in Unkenntnis
___________ 673) BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 28. 674) Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 65, zufolge „wird [der Gesellschafter] praktisch in jedem Fall Kenntnis von der Verfahrenseröffnung haben“; ebenso Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 93 Rn. 4, und FK-InsO/Wimmer/Amend, § 93 Rn. 34. 675) Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 93 Rn. 49; HK-InsO/J. Schmidt, § 93 Rn. 30; Kübler/Prütting/ Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 44; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 93 Rn. 4; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 25; BeckOK-InsR/Cymutta, § 93 InsO Rn. 29; HambKInsR/Pohlmann, § 93 InsO Rn. 59; FK-InsO/Wimmer/Amend, § 93 Rn. 34; für die Anwendung des § 407 BGB: Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 143. 676) Zu § 166 Abs. 2 InsO: BGH, Urt. v. 23.4.2009 – IX ZR 65/08, NJW 2009, 2304, Rn. 20 ff.; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 166 Rn. 34 m.w.N.; zu § 92 InsO: Kübler/Prütting/Bork/ Jacoby-InsO/Lüke, 47. EL. 02/2012, § 92 Rn. 29; Nerlich/Römermann-InsO/Kruth, 36. EL. 06/2018, § 92 Rn. 16; zur Vergleichbarkeit von § 171 Abs. 2 HGB und §§ 92, 166 Abs. 2 InsO s. noch unten Rn. 328 ff., 480 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
der Verfahrenseröffnung leistenden Kommanditisten überwiegend ab.677) Diese Ungleichbehandlung sticht ins Auge und entbehrt auch einer sachlichen Rechtfertigung.678)
315 Wird eine Forderung abgetreten, regelt § 407 BGB den Schutz des Vertrauens des Schuldners in die Person seines Gläubigers, die sich ohne sein Zutun und ohne Benachrichtigung verändert hat. Auf gesetzliche Forderungsübergänge findet die Norm ebenfalls Anwendung, § 412 BGB. Ein echter Forderungsübergang findet nach § 171 Abs. 2 HGB zwar nicht statt. Für die Schutzbedürftigkeit des Schuldners ist es jedoch ohne Unterschied, ob das Gesetz den Übergang der Forderung anordnet oder der Austausch des „richtigen“ Leistungsempfängers lediglich aus einer Verschiebung der Empfangszuständigkeit folgt.679) Dies spricht für einen entsprechenden Schutz des Kommanditisten bei Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung.
316 Zu erwägen ist allenfalls, ob der insolvenzrechtlich gebotene Schutz der Insolvenzmasse eine Einschränkung des Vertrauensschutzes des Kommanditisten rechtfertigt. § 82 InsO zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber der Massesicherung nicht allgemein Vorrang vor dem Schuldnerschutz einräumt. Obwohl dort eine Leistung unmittelbar an den Insolvenzschuldner und damit unter Gefährdung der Gläubigergesamtheit680) an der Masse vorbei erfolgt, belässt die Regelung es beim Schutz des in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung Leistenden und modifiziert im Vergleich zu § 407 BGB lediglich die Beweislastverteilung: Die Unkenntnis ist grundsätzlich vom Leistenden nachzuweisen und wird nur vor Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses vermutet, § 82 S. 1 a. E., S. 2 InsO. Die Parallelen zur hier in Frage stehenden Fallgestaltung sind nicht von der Hand zu weisen: Hier wie dort wird ein massezugehöriger Anspruch durch Leistung des (Anspruchs-)Schuldners an den Forderungsinhaber „erfüllt“, der jedoch aufgrund der Verfahrenseröffnung seine Empfangszuständigkeit verloren hat. Tragen schon außenstehende Drittschuldner im Insolvenzfall die Beweislast für ihre Unkenntnis, wird man für den ___________ 677) Zumeist ohne Begründung: Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 88 ff.; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 56; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 154, der aber in Ausnahmefällen eine Genehmigungspflicht des Verwalters annimmt; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 116; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 61; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 94; Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 386; a.A. StaubHGB/Thiessen, § 171 Rn. 171; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 107; Koller/Kindler/ Roth/Drüen-HGB/Kindler, §§ 171, 172 Rn. 8. 678) Kritisch auch Sander, ZInsO 2012, 1285, 1289. 679) MüKo-InsO/Vuia, § 82 Rn. 12, beschreibt einen „allgemeinen Grundsatz des Schuldnerschutzes, wonach [jegliche] Veränderungen in der Gläubigersphäre nicht zulasten des Schuldners gehen, sofern [er] davon im Zeitpunkt der Leistung keine Kenntnis hat“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 680) Eingehend MüKo-InsO/Vuia, § 82 Rn. 1.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Kommanditisten den gleichen Maßstab anlegen und somit § 82 InsO und nicht § 407 BGB analog anwenden müssen. Leven hält es trotz alledem nicht für angebracht, den Kommanditisten zu schüt- 317 zen.681) Dessen Mitverantwortlichkeit für die Insolvenz vermindere seine Schutzwürdigkeit, während seine Gläubiger – anders als bei einer Abtretung oder in den Fällen einer cessio legis – die Ursache für den Forderungsübergang nicht selbst gesetzt haben. Die Gesellschaftereigenschaft des (Forderungs-)Schuldners bildet tatsächlich einen Unterschied zum Fall, den § 82 InsO regelt. Gegen die Übertragung der Norm im Analogiewege spricht dieser Umstand jedoch nicht. Denn zum einen erfolgt der auf § 171 Abs. 2 HGB beruhende Wechsel der Verfügungsbefugnis und Empfangszuständigkeit im Interesse der Gläubigergesamtheit, sodass eine Verlagerung des Beitreibungsrisikos auf die Gläubiger nicht von vornherein unbillig ist. Zum anderen ist die fehlende „Verantwortlichkeit“ des Schuldners für einen Forderungsübergang keine notwendige Voraussetzung für seinen Schutz bezüglich des Gläubigerwechsels: Auch ein Hauptschuldner, der durch unberechtigtes Verweigern der Leistung die Inanspruchnahme eines Bürgen – und den daraus folgenden Forderungsübergang nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB – ausgelöst hat, wird nach §§ 407, 412 BGB geschützt, wenn er in Unkenntnis der Bürgenleistung an seinen (ehemaligen) Gläubiger zahlt. Es besteht folglich kein Anlass, dem Kommanditisten den Schutz analog § 82 InsO 318 bei Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung682) zu verwehren. Dem Insolvenzverwalter bleibt in diesen Fällen nur die Möglichkeit, das an den oder die Gläubiger Geleistete nach § 816 Abs. 2 BGB zu kondizieren.683) Hatte der Gläubiger bei Entgegennahme der Leistung von der Verfahrenseröffnung Kenntnis oder hätte er diese haben müssen, kann er sich nicht auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung berufen und der Verwalter kann zudem nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 171 Abs. 2 HGB Ersatz von ihm verlangen.684)
___________ 681) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 91 f. 682) Entscheidend ist, ob der Kommanditist den Eintritt des Leistungserfolgs bei Kenntniserlangung noch verhindern kann, z.B. durch Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage, vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85, 88 ff. = ZIP 2009, 1726, Rn. 9 ff. 683) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 107, hält § 816 Abs. 2 BGB ohne nähere Erläuterung für nur „analog“ anwendbar. 684) Entsprechend für Einziehung von Ansprüchen i.S.d. § 166 Abs. 2 InsO durch den Zessionar BGH, Urt. v. 23.4.2009 – IX ZR 65/08, NJW 2009, 2304, Rn. 18; Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, NJW-RR 2004, 340, 341. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet dagegen aus, wenn man die Forderungszuständigkeit nicht als sonstiges Recht i.S. dieser Norm ansieht, vgl. dazu MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 330. Bei positiver Kenntnis kann sich der Gläubiger (bei Inanspruchnahme nach § 816 Abs. 2 BGB) zudem nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, § 818 Abs. 3 i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB.
151
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
b) Keine Aufrechnung des Kommanditisten mit Forderungen gegen einzelne Gläubiger 319 Dass eine Aufrechnung durch einen Kommanditisten gegenüber einem einzelnen Gläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB ab der Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens gleichermaßen ausgeschlossen ist wie umgekehrt, wird nicht in Frage gestellt.685) Auch durch eine solche werde schließlich der Zweck des § 171 Abs. 2 HGB, Vorteile einzelner Haftungsgläubiger gegenüber und auf Kosten der Gläubigergesamtheit zu verhindern, zumindest teilweise vereitelt. Der Kommanditist könne nicht mehr an einzelne Gläubiger zahlen, weshalb ihm insoweit auch die Möglichkeit der Aufrechnung genommen sei.686)
320 Dieses Ergebnis hilft gewiss, das Anliegen des § 171 Abs. 2 HGB bestmöglich zu realisieren. Die zugrundeliegende Argumentation berücksichtigt allerdings einseitig die Interessen der Gläubigergesamtheit und wägt sie nicht gegen die Schutzbedürftigkeit des haftenden Kommanditisten ab. Für letztere kann neben den §§ 94 f. InsO687) in erster Linie der Rechtsgedanke des § 406 BGB angeführt werden: Auch diese Regelung soll, wie die Anknüpfung an die Kenntnis von der Abtretung anzeigt, das Vertrauen des Schuldners in das Entstehen einer Aufrechnungslage und die damit verbundenen Sicherung schützen.688) Ist dieses Vertrauen schon bei einer Abtretung schützenswert, kann für den bloßen Übergang der Verfügungsbefugnis, welcher die Aufrechnungslage unberührt lässt, nichts anderes gelten.689) Insbesondere der Verweis auf den Ausschluss von Zahlungen an den Gläubiger verliert vor diesem Hintergrund an Schlagkraft: Auch nach einer Abtretung darf der Schuldner nicht mehr an den Zedenten zahlen, eine Aufrechnung diesem gegenüber schließt dies allerdings nicht zugleich aus. Und dass der Schutz der Haftungsgläubiger den Schuldnerschutz vollständig verdrängen soll, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 171 Abs. 2 HGB weist dem Insolvenzverwalter die Verwertung der Haftungsansprüche zu, damit die Haftungsgläubiger im Verhältnis zueinander nach in___________ 685) BGH, Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 193 f. = NJW 1964, 2407, 2409; Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869, Rn. 28; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 171; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 112; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 111; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 116; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 126 f.; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 107; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1288; s. auch bereits Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 36. 686) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 127. 687) Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 111, geht von der Anwendung dieser Regelungen für Aufrechnungen des Kommanditisten aus; ebenso die h.M. für Aufrechnungen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters, vgl. MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 36; Sander, ZInsO 2012, 1285, 1288 m.w.N. 688) Staudinger-BGB/Busche, § 406 Rn. 1; MüKo-BGB/Kieninger, § 406 Rn. 1. 689) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 79.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
solvenzrechtlichen Regeln davon profitieren, ohne dass damit eine Verschlechterung für den Kommanditisten beabsichtigt ist.690) Aus ähnlichen Gründen wie für die einzelnen Haftungsgläubiger besteht jedoch 321 auch seitens des Kommanditisten kein schützenswertes Vertrauen in die von der Aufrechnungslage vermittelte Sicherung, denn auch von seinem Standpunkt aus ist der Fortbestand der Aufrechnungslage stets ungewiss. Anders als für die Haftungsgläubiger kann zwar nicht auf die Beschränkung der Haftung auf die Haftsumme und die Möglichkeit der haftungsbefreienden Einlageleistung verwiesen werden,691) da der Kommanditist es selbst in der Hand hat, ob er an die Gesellschaft oder einen anderen Gläubiger zahlt oder ob er sich durch Aufrechnung von seiner Haftung befreit. Die Aufrechnungslage kann jedoch auch ohne Mitwirkung des Kommanditisten zu Fall gebracht werden, nämlich durch Erfüllung der zugrundeliegenden Gesellschaftsverbindlichkeit692) durch die Gesellschaft selbst oder durch Leistung eines anderen Kommanditisten auf seine akzessorische Haftung für dieselbe Verbindlichkeit. Aus diesem Grund ist in der Tat auch die Aufrechnung durch den Kommanditisten nach Verfahrenseröffnung nach § 171 Abs. 2 HGB ausgeschlossen.
III. Verwaltung und Verteilung des Haftungserlöses § 171 Abs. 2 HGB regelt lediglich, dass der Insolvenzverwalter in der Gesellschafts- 322 insolvenz die Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den Kommanditisten „ausübt“. Zur Frage, wie er anschließend mit dem Haftungserlös zu verfahren hat, verschweigt sich der Gesetzeswortlaut gänzlich. Muss er dafür ein separates Konto führen? Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Eingezogene grundsätzlich an die Gläubiger ausgezahlt werden muss. Doch nach welchen Verteilungsregeln? Darf der Insolvenzverwalter auch Masseverbindlichkeiten, für die der (ausgeschiedene) Kommanditist im Einzelfall nicht unmittelbar haftet, aus dem Erlös tilgen? Welche zusätzliche Vergütung erhält der Verwalter für sein Tätigwerden nach § 171 Abs. 2 HGB und aus welchen Mitteln wird diese finanziert? Die Regeln für die Verwaltung und die Verteilung des Erlöses aus der Inanspruch- 323 nahme von Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter sind Gegenstand dieses Abschnitts.
___________ 690) A.A. Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 98: Die Interessen der Gläubiger „aber sind durch § 171 Abs. 2 HGB ausdrücklich geschützt und schließen daher eine Anwendung des § 406 BGB zugunsten des Kommanditisten aus“. 691) Vgl. oben Rn. 307. 692) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 98 f.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
1.
Haftungsrechtliche Zuweisung der Haftungsansprüche und des eingezogenen Betrags
324 Die beschränkte akzessorische Kommanditistenhaftung soll die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger fördern, aber nur derjenigen Gesellschaftsgläubiger, für die der Haftungstatbestand des § 171 Abs. 1 HGB erfüllt ist. So bezweckt die Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten einzig die Sicherung der Altgläubiger. Hieran ändert auch § 171 Abs. 2 HGB nichts, der lediglich sicherstellt, dass die berechtigten Gläubiger nach insolvenzrechtlichen Regeln an der beschränkten Kommanditistenhaftung partizipieren, ohne diesen Kreis der Berechtigten zu modifizieren. Haftet ein Kommanditist nicht allen Gesellschaftsgläubigern, unterliegen die Haftungsansprüche sowie der damit nach § 171 Abs. 2 HGB erzielte Erlös folglich trotz Massezugehörigkeit einer Zweckbindung, die enger ist als diejenige der sonstigen Insolvenzmasse.693) Durch die Festlegung des Gläubigerkreises regelt § 171 Abs. 1 HGB in diesen Fällen also eine haftungsrechtliche Sonderzuweisung dieses Bestandteils der Gesellschaftsinsolvenzmasse an die berechtigten Gläubiger. Haftungsansprüche sowie Erlös stellen eine Sondermasse dar.694) Erfasst dagegen der Kreis der Haftungsgläubiger alle am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger (jeden Rangs), deckt sich die haftungsrechtliche Zuweisung aus § 171 Abs. 1 HGB mit derjenigen der sonstigen Insolvenzmasse und die Haftungsansprüche bilden deshalb keine Sondermasse.
325 Aus einer besonderen haftungsrechtlichen Zuweisung (d.h. einer eingeschränkten Zweckbindung) der beschränkten Kommanditistenhaftung folgt ein streng zu berücksichtigender Vorrang der „Sondermassegläubiger“: Mit Ausnahme der noch zu erörternden Kostenbeteiligung695) darf der Erlös aus der Inanspruchnahme eines Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB also nicht einmal im Fall der Masseunzulänglichkeit696) zur Tilgung von Verfahrenskosten oder sonstiger Masseverbindlichkeiten verwendet werden, für die der konkrete Kommanditist nicht unmittelbar haf___________ 693) Betonung der Zweckbindung zugunsten der berechtigten Gläubiger (i.d.R. für den ausgeschiedenen Kommanditisten): BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 55 = NJW 1958, 787, 788; Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 194 = NJW 1964, 2407, 2409; Beschl. v. 18.10.2011 – II ZR 37/10, BeckRS 2011, 29866, Rn. 9; Heidel/Schall-HGB/ Schall, § 171 Rn. 122; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 205; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 132; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 88, 220; Uhlenbruck-InsO/Wegener, § 188 Rn. 26; MüKo-InsO/Kebekus/Schwarzer, § 188 Rn. 26; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296; zuletzt offengelassen in: BGH, Beschl. v. 9.3.2021 – II ZR 40/20, BeckRS 2021, 7029, Rn. 8. 694) Zu den Begriffen „haftungsrechtliche Zuweisung“ und „Sondermasse“ s. oben Rn. 74 f. 695) S. unten Rn. 351 ff. 696) Dies gilt auch dann, wenn mithilfe des Haftungserlöses die bestehende Masseunzulänglichkeit beseitigt werden könnte. Insoweit missverständlich: OLG Hamm, Urt. v. 11.6.2018 – I-8 U 124/17, ZInsO 2018, 1963, 1966; LG Traunstein, Urt. v. 16.3.2018 – 5 O 589/17, ZInsO 2018, 1057, 1059; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1195 f.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
tet.697) Dieser Vorrang steht auch nicht in Widerspruch zur Aussage des § 53 InsO. Eine haftungsrechtliche Sonderzuweisung bestimmter Massegegenstände geht dem Befriedigungsvorrang der Massegläubiger nämlich vor, wie am Beispiel absonderungsberechtigter Gläubiger zu sehen ist: Es ist unbestritten, dass Massegläubiger erst aus einem Erlösüberschuss aus der Verwertung von Absonderungsgut (vorrangig vor den Insolvenzgläubigern) befriedigt werden können.698) Die Bedeutung der Frage, welche sonstigen Folgen das Bestehen einer Sondermas- 326 se nach § 171 Abs. 1 HGB nach sich zieht und welche besonderen Regeln für deren Verwaltung und Verteilung gelten, hängt erkennbar stark davon ab, wie regelmäßig der Kreis der Haftungsgläubiger mit demjenigen der Gläubiger im Insolvenzverfahren deckungsgleich ist. Stets liegt eine Sondermasse bei der Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten vor. Geht man – wie hier vorgeschlagen – davon aus, dass der aktive Kommanditist auch für Neuverbindlichkeiten in der Insolvenz akzessorisch haftet, bleibt die Sondermasseproblematik grundsätzlich auf diesen Fall (sowie auf den Fall der Herabsetzung der Haftsumme) beschränkt. Lehnt man dagegen die Haftung für Neuverbindlichkeiten ab, weicht der Kreis der Haftungsgläubiger in der Insolvenz stets vom Kreis der Gesellschaftsgläubiger ab und es handelt sich bei Haftungserlös und Haftungsansprüchen stets um eine Sondermasse.699)
2.
Analoge Anwendung der Regeln über Absonderungsrechte
Unternimmt man einen Versuch, das Vakuum zu füllen, das der Gesetzgeber bei 327 der Schaffung des Gesetzeswortlauts auf der Rechtsfolgenseite gelassen hat, ist zu prüfen, inwieweit die Lücken unter Rückgriff auf andernorts ausdrücklich niedergelegte Wertungen des Gesetzes geschlossen werden können, mithin im Wege der Analogie. Vielversprechend ist insbesondere eine analoge Anwendung der Vorschriften über die abgesonderte Befriedigung, für das die Insolvenzordnung in den §§ 52, 167 ff., 190, 192 zu einer Reihe von Fragen Regelungen trifft, die § 171 Abs. 2 ___________ 697) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.7.2019 – 20 U 30/18, NZI 2019, 903, Rn. 45; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2019 – 8 U 59/18, NZI 2019, 345, 347; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 205; JaegerKO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33; Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 42 ff.; a.A.: OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1032; Heitsch, ZInsO 2020, 915, 916; offengelassen in: BGH, Beschl. v. 9.3.2021 – II ZR 40/20, BeckRS 2021, 7029, Rn. 8. Für eine strenge Zweckbindung bezüglich der Haftung des (summenmäßig unbeschränkt) persönlich haftenden Gesellschafters beispielhaft: Marotzke, ZInsO 2008, 57, 61 f.; Ries, NZI 2009, 844, 845; a.A. AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2007 – 67g IN 370/07, ZIP 2007, 2428, 2429; Heitsch, ZInsO 2003, 692, 693; offengelassen in BGH, Urt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 25. 698) Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 53 Rn. 3; HK-InsO/Lohmann, § 53 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/ Jacoby-InsO/Pape/Schaltke, 43. EL. 02/2011, § 53 Rn. 27. 699) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 84. Dies wird häufig übersehen: vgl. etwa Ehrlich, Haftung des Kommanditisten in Krise und Insolvenz, S. 95; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296.
155
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
HGB offen lässt. Bislang wurde eine solche Analogie einzig von Marotzke zu § 93 InsO für die §§ 170, 171 InsO und § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV vorgeschlagen.700)
a) Tatsächliche und haftungsrechtliche Parallele zu § 166 Abs. 2 InsO 328 Die Einziehung der Ansprüche aus der beschränkten akzessorischen Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 2 HGB weist in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Gemeinsamkeiten mit der Einziehung sicherungshalber abgetretener Forderungen nach § 166 Abs. 2 InsO auf. Der Eindruck der Ähnlichkeit beider Konstellationen verfestigt sich, vergleicht man sie auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten.
329 In beiden Konstellationen weist das Gesetz dem Insolvenzverwalter die Einziehung von Ansprüchen zu, deren Inhaber nicht der Insolvenzschuldner ist. Obwohl es sich also bei den Ansprüchen jeweils um Vermögen Dritter handelt, namentlich des Sicherungszessionars bzw. der Haftungsgläubiger, sind die Ansprüche jeweils haftungsrechtlich dem Insolvenzschuldner zugeordnet und deshalb Bestandteil seiner Haftungs- und Insolvenzmasse.701) Aus diesem Grund verweist das Gesetz den Sicherungszessionar trotz Forderungsinhaberschaft auf die abgesonderte Befriedigung, vgl. § 51 Nr. 1 Alt. 2 InsO.
330 Blickt man auf die haftungsrechtliche Zuweisung der einzuziehenden Forderungen muss differenziert werden: Der Erlös aus der Verwertung von Absonderungsgut unterliegt stets einer besonderen Zweckbindung. Er steht (abzüglich der Kostenbeiträge) vorrangig dem Absonderungsberechtigten zu, § 170 Abs. 1 S. 2 InsO. Das Sicherungsrecht macht aus dem Absonderungsgut (hier: der abgetretenen Forderung) also nichts anderes als eine Sondermasse. Wenngleich dies ohne Auswirkung für das deutsche Recht ist, sei zu dieser Begrifflichkeit angemerkt, dass der österreichische Gesetzgeber in § 48 Abs. 1 S. 1 der dortigen Insolvenzordnung702) den Begriff „Sondermasse“ gar im Wege der Legaldefinition mit Absonderungsgut gleichsetzt. Dass die Insolvenzordnung in den §§ 52, 165 ff., 190, 192 InsO zu einem – dem wichtigsten – Fall von Massebestandteilen, die einer gegenüber der sonstigen Insolvenzmasse eingeschränkten Zweckbindung unterliegen, recht ausführliche Regelungen trifft, ist trotz einiger Aufmerksamkeit für das Thema Sondermasse703) bislang nicht gewürdigt worden. ___________ 700) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 62 f.; a.A. (jeweils vor allem zu einzelnen Analogiekonsequenzen) Heitsch, ZInsO 2008, 793, 795; Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1255; Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241. 701) Für die Sicherungszession: Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 51 Rn. 2; Uhlenbruck-InsO/Hirte/ Praß, § 35 Rn. 26 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.41. 702) § 48 Abs. 1 S. 1 InsO-Österreich: „Gläubiger, die Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Sachen des Schuldners haben (Absonderungsgläubiger), schließen, soweit ihre Forderungen reichen, die Insolvenzgläubiger von der Zahlung aus diesen Sachen (Sondermassen) aus.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 703) Nur beispielhaft Windel, ZIP 2019, 441 ff.; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 87. EL. 03/2021, § 35 Rn. 13; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 295 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt/ Drescher, § 128 Rn. 102; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 125; andeutungsweise: Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 55.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Anders als Absonderungsgut bilden die Haftungsansprüche im Rahmen des § 171 331 Abs. 2 HGB nicht stets eine Sondermasse. Nur dann, wenn ein Kommanditist nicht allen am Verfahren beteiligten Gläubigern haftet, unterliegen die Ansprüche und der Erlös einer gegenüber der sonstigen Masse eingeschränkten Zweckbindung. Weil die §§ 52, 167 ff., 190, 192 InsO aber gerade die insolvenzrechtliche Ausgestaltung des Vorrechts des Absonderungsberechtigten gegenüber den ungesicherten Gläubigern zum Gegenstand haben, darf ihre analoge Anwendung nur in Betracht gezogen werden, soweit die Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB ebenfalls eine Sondermasse bilden. Freilich besteht selbst insoweit zwischen § 171 Abs. 2 HGB und § 166 Abs. 2 InsO 332 ein Unterschied: Während die Einziehung sicherungszedierter Forderungen einen Übererlös ergeben kann, der der allgemeinen Masse zufällt,704) ist dies bei der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten ausgeschlossen. Als akzessorische Haftungsforderungen sind die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB auf den Umfang der Altverbindlichkeiten begrenzt. Eine sicherungszedierte Forderung ist ihrem Gläubiger somit vorrangig haftungsrechtlich zugewiesen und eine Haftungsforderung nach § 171 Abs. 1 HGB ausschließlich. Dies hindert jedoch nicht daran, die für den „zweckgebundenen Teil“ der Forderungen i.S.d. § 166 Abs. 2 InsO geltenden Regeln auf § 171 Abs. 2 HGB zu übertragen. Vor dem Hintergrund der geschilderten fundamentalen Gemeinsamkeiten ist es 333 schließlich gewiss kein Zufall, dass § 166 Abs. 2 InsO auf der Rechtsfolgenseite eine dem § 171 Abs. 2 HGB vergleichbare Sperr- und Ermächtigungswirkung entnommen wird.705)
b) Zwischenfazit – anwendbare Vorschriften Die Annahme Marotzkes, es bestehe eine „rechtliche Verwandtschaft des § 93 InsO 334 mit § 166 Abs. 2 InsO“706), ist jedenfalls übertragen auf § 171 Abs. 2 HGB zustimmungswürdig, soweit Haftungsansprüche nicht allen am Verfahren beteiligten Gläubigern in gleicher Weise zustehen. Die Regelungen über die Behandlung von Absonderungsrechten sind deshalb grundsätzlich auf die Verwaltung und Verteilung einer Sondermasse i.S.d. § 171 Abs. 2 HGB anzuwenden, in erster Linie also auf die Haftungsansprüche gegen einen ausgeschiedenen Kommanditisten und den aus ihrer Einziehung stammenden Erlös.
___________ 704) Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 170 Rn. 9a. 705) Mit dieser Bezeichnung einzig: Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 166 Rn. 27; vgl. auch JaegerInsO/Eckardt, § 166 Rn. 12 f., 126; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Flöther, 91. EL. 03/2022, § 166 Rn. 20; HK-InsO/Hölzle, § 166 Rn. 51. 706) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 63.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
335 Eine analoge Anwendung kommt dabei nur in Frage, soweit die Regelungen zum Absonderungsrecht überhaupt auch im Vergleichsfall des § 166 Abs. 2 InsO gelten und (sinngemäß) auf § 171 Abs. 2 HGB übertragbar sind. Nicht anwendbar sind deshalb § 168 InsO, da eine Veräußerung mangels Abtretbarkeit der Haftungsforderungen ausscheidet,707) § 172 InsO, der nur für bewegliche Sachen gilt, sowie die §§ 173, 190 Abs. 1, 2 InsO, weil der Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB stets zur Einziehung der Haftungsansprüche berechtigt ist.708)
336 Für den Auskunftsanspruch nach § 167 Abs. 2 S. 1709) InsO gilt: Auch die Sondermassegläubiger benötigen Informationen z.B. über den Umfang der ausstehenden Haftung eines ausgeschiedenen Kommanditisten und dessen Bonität, um ihre Rechte gegenüber dem Insolvenzverwalter effektiv verfolgen zu können. Insbesondere dann, wenn die Zahl der Altgläubiger groß ist, droht die Arbeit des Verwalters jedoch durch zahlreiche Auskunftsverlangen behindert zu werden. Dieser Gefahr kann allerdings durch die zu § 167 Abs. 2 S. 1 InsO anerkannte Grenze der Zumutbarkeit710) angemessen begegnet werden, sodass § 167 Abs. 2 S. 1 InsO mit ebendieser Einschränkung analog anwendbar ist.
337 Einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus der Masse analog § 169 InsO hat ein Altgläubiger dagegen nicht. Während der zur Absonderung berechtigte Gläubiger die Entziehung seines Verwertungsrechts einzig im Interesse der Gläubigergesamtheit hinnehmen muss,711) dient die zentralisierte Einziehung bei § 171 Abs. 2 HGB gerade auch dem Schutz des einzelnen Haftungsgläubigers vor dem Zugriff schnellerer und durchsetzungsstärkerer Haftungsgläubiger. Wegen dieser unterschiedlichen Interessenlage ist den Altgläubigern das Warten auf den ihnen anteilig zustehenden Verwertungserlös in höherem Maße zuzumuten, als einem Absonderungsberechtigten. Sie müssen etwaige Verzögerungen deshalb (unbeschadet des § 60 InsO712)) entschädigungslos hinnehmen.713) ___________ 707) S. oben Rn. 193, insbesondere Fn. 429. 708) Anwendbar wäre § 173 InsO aber, wenn man die Geltung des § 171 Abs. 2 HGB für Haftungsforderungen ablehnt, bei denen die zugrundeliegende Gesellschaftsverbindlichkeit eine Masseverbindlichkeit ist. Vgl. dazu oben Rn. 165 ff. 709) Die Anwendung des § 167 Abs. 2 S. 2 InsO ist unzweckmäßig, weil es sich nicht um eine Forderung handelt, die ursprünglich dem Insolvenzschuldner zustand. 710) Jaeger-InsO/Eckardt, § 167 Rn. 39 ff.; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 167 Rn. 11; MüKo-InsO/ Kern, § 167 Rn. 28 ff. 711) Besonders klar zu § 166 Abs. 2 InsO: Jaeger-InsO/Eckardt, § 166 Rn. 18 f., § 169 Rn. 1; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 166 Rn. 5. 712) Vgl. MüKo-InsO/Kern, § 169 Rn. 2; Jaeger-InsO/Eckardt, § 169 Rn. 110; Uhlenbruck-InsO/ Brinkmann, § 169 Rn. 2. 713) Wollte man § 169 InsO analog anwenden, wäre zu beachten, dass der Insolvenzverwalter über ein Auswahlermessen verfügt (s. oben Rn. 219 ff. sowie noch unten Rn. 389), weshalb es an einer Verwertung analog § 169 S. 1 InsO nur fehlt, soweit der Insolvenzverwalter jegliche Inanspruchnahme von Kommanditisten unterlässt, von welcher der Altgläubiger profitiert.
158
C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Die Anwendbarkeit der übrigen Vorschriften zum Absonderungsrecht soll im Fol- 338 genden zu den jeweiligen Problemkreisen im Detail thematisiert werden.
3.
Rechtsinhaberschaft an dem Haftungserlös
Wie gesehen regelt § 171 Abs. 2 HGB keinen gesetzlichen Forderungsübergang, 339 sodass die Haftungsgläubiger auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Inhaber der Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB bleiben. Eine andere Frage ist jedoch, wer nach der Leistung des Kommanditisten an den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB (im Falle einer Barzahlung) Eigentümer des geleisteten Gelds wird. Hiermit ist auch verknüpft, ob der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, das Geleistete gegenständlich von der sonstigen Insolvenzmasse zu trennen, oder ob einer ggf. bestehenden besonderen Zweckbindung des Haftungserlöses auch durch bloß getrennte Abrechnung ausreichend Rechnung getragen werden kann.
a) Zuführung zur allgemeinen Insolvenzmasse bei aktiven Kommanditisten Die Frage nach der dinglichen Zuordnung und Separierung des Erlöses hat aller- 340 dings nur dann praktische Bedeutung, wenn eine gegenüber der allgemeinen Masse eingeschränkte Zweckbindung überhaupt besteht. In den Fällen, in denen die Haftungsansprüche und in der Folge auch der Haftungserlös gar keine Sondermasse bilden, weil der Kommanditist allen am Verfahren beteiligten Gläubigern haftet, gelten für den Haftungserlös keine besonderen Verteilungsregeln714) und es fehlt jedes Bedürfnis für eine wie auch immer geartete Trennung von Haftungserlös und Insolvenzmasse. Der Erlös aus der Inanspruchnahme aktiver Kommanditisten darf deshalb, wenigstens „der Einfachheit halber“715), ohne jede (auch nur rechnerische) Trennung der allgemeinen Masse zugeführt werden716) – sofern man entgegen der herrschenden Ansicht eine teleologische Reduktion des § 171 Abs. 1 HGB für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten ablehnt.
b) Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten Vor diesem Hintergrund kann die Argumentation für das Folgende auf den Fall ei- 341 ner Sondermasse nach § 171 Abs. 1 HGB beschränkt werden, in erster Linie also auf den Erlös aus der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten. ___________ 714) S. noch unten Rn. 371 ff. 715) Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431. 716) So auch Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 109; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 83 f.; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 31; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296; Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431; Ebenroth/Boujong/Joost/StrohnHGB/Strohn, § 171 Rn. 95 („Das […] Geleistete geht […] in der Insolvenzmasse auf, wenn der Kommanditist bei Insolvenzeröffnung allen Gesellschaftsgläubigern gehaftet hat.“).
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
342 Zur Rechtszuständigkeit für den Haftungserlös wurden bereits alle denkbaren Standpunkte eingenommen. Wieland hat vertreten, der Kommanditist bleibe bis zur Auskehr an die Gläubiger Eigentümer des an den Insolvenzverwalter geleisteten Geldes.717) Ebenso könnte man einen Eigentumserwerb der Gesellschaft als Trägerin der Insolvenzmasse,718) wie es regelmäßig bei Leistungen an den Insolvenzverwalter der Fall ist, oder des Insolvenzverwalters selbst719) annehmen. Denkbar wäre schließlich auch, die Gläubiger selbst unmittelbar mit Leistung an den Insolvenzverwalter als Eigentümer des Haftungserlöses anzusehen. So sieht es Kohler, der annimmt, die Haftungsgläubiger stehen in einer „Eigentumsgemeinschaft, in dem, was von dem Kommanditisten erzielt wird, in ihr Gesamteigentum gelangt“.720)
343 Die Annahme Wielands, der Kommanditist bleibe zunächst Eigentümer des an den Verwalter gezahlten Geldes, ist nicht mit der zu § 171 Abs. 2 HGB entwickelten Deutung vereinbar. Sie behandelt den Insolvenzverwalter letztlich als Hilfsperson des in Anspruch genommenen Kommanditisten. Tatsächlich steht er dem Kommanditisten aufgrund des Übergangs der Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aber wie die Haftungsgläubiger selbst gegenüber. Bereits unmittelbar mit der Zahlung des Kommanditisten kommt deshalb durch Übereignung des Geldes zur Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB.721) Unter systematischen Gesichtspunkten ebenso wenig überzeugend wäre es, dem Insolvenzverwalter selbst als Eigentümer des Haftungserlöses anzusehen, denn auch im Übrigen werden ihm bei Verwertungsmaßnahmen keine eigenen Vermögensrechte in Bezug auf den Verwertungserlös zugesprochen.722)
344 Kohlers These von der Eigentumsgemeinschaft der Gläubiger beruht dagegen auf der überholten Zusammenfassung der Gläubiger zu einer „Konkursgemeinschaft“, die als eine Gesamthandsgemeinschaft zu begreifen sei.723) Ein Eigentumserwerb der Gläubiger lässt sich allerdings durchaus in ein modernes Verständnis der Gläubigerstellung einpassen, namentlich durch Annahme einer dinglichen Surrogation. Eine solche ist im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung anerkannt724) und findet nach herrschender Ansicht analog § 1247 S. 2 BGB auch bei der Verwertung von ___________ 717) Wieland, Handelsrecht, S. 760, Fn. 12. 718) Leven, Haftung des Kommanditisten im Gesellschaftskonkurs, S. 16 ff.; wohl auch: Jaeger-KO/ Weber, §§ 209, 210 Rn. 31 ff. 719) Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 430. 720) Kohler, AcP 95 (1904), 339, 344; ebenso offenbar Unger, KTS 1960, 33, 36 f. 721) S. oben Rn. 199. 722) Nach allen zur zivilrechtlichen Stellung des Insolvenzverwalters vertretenen Theorien handelt er vermögensrechtlich mit Wirkung für die Masse, Überblick bei MüKo-InsO/Vuia, § 80 Rn. 20 ff.; für den Fall der Verwertung von Absonderungsgut: Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 170 Rn. 10; Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 77 ff. 723) Kohler, AcP 95 (1904), 339, 339. 724) Statt aller: Musielak/Voit-ZPO/Flockenhaus, § 819 Rn. 3; MüKo-ZPO/Gruber, § 819 Rn. 5.
160
C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Absonderungsgut durch den Insolvenzverwalter statt, etwa im Falle der Forderungseinziehung nach § 166 Abs. 2 InsO, weshalb dieser Erlös auch (dinglich) von der sonstigen Insolvenzmasse zu trennen sei.725) Übertragen auf den Fall des § 171 Abs. 2 HGB bedeutete dies: Bei Barzahlung des Kommanditisten erlangen die Gläubiger – und nicht die insolvenzschuldnerische Gesellschaft – Eigentum an dem geleisteten Geld,726) bei Überweisung werden sie in entsprechendem Umfang Inhaber des Auszahlungsanspruchs gegen die Bank.727) Dieser Weg muss in der Tat gewählt werden, damit der in den Fällen einer Sondermasse an den Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB bestehende Befriedigungsvorrang der Haftungsgläubiger sich am Einziehungserlös fortsetzen kann:
aa) Dingliche Surrogation Bislang wird es einhellig auch bei Bildung einer Sondermasse für entbehrlich ge- 345 halten, dass der Insolvenzverwalter den Haftungserlös gegenständlich von der sonstigen Insolvenzmasse trennt.728) Der Befriedigungsvorrang der Haftungsgläubiger könne vielmehr auch durch Ausweisung des Haftungserlöses als gesonderten Rechnungsposten sichergestellt werden. Dies hat evidente praktische Vorteile. Weil so das Privileg der Haftungsgläubiger vom konkreten Haftungsgegenstand (z.B. dem übereigneten Geld) gelöst wird, bedeutet es aber, ihnen als Folge der Einziehung durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB einen Zahlungsanspruch gegen die Masse in einem neuen, über allen Masseverbindlichkeiten stehenden729) Rang zuzubilligen. Dieser für die Haftungsgläubiger besonders günstige Ansatz ___________ 725) K. Schmidt-InsO/Sinz, § 170 Rn. 22; Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 73 ff., 77 ff.; UhlenbruckInsO/Brinkmann, § 170 Rn. 10; MüKo-InsO/Kern, § 170 Rn. 31 f., 63; nur zur dinglichen Surrogation: BGH, Urt. v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1, 4 f. = NJW 2011, 1506, Rn. 15; Berger, KTS 2007, 433, 443 f.; Eckardt, FS Schilken, S. 645, 655 f.; für eine nur haftungsrechtliche Surrogation MüKo-InsO/Ganter, vor §§ 49 – 52 Rn. 70 f. 726) Für den Vergleichsfall des § 166 Abs. 2 InsO: Harder, Insolvenzrechtliche Surrogation, Rn. 370 ff.; Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 84, der zwischen „Verwaltungssurrogation“ – der Fortgeltung der Verwalterbefugnisse in Bezug auf das Surrogat – und „Pfandrechtssurrogation“ – der Fortgeltung der Sicherungsgläubigerposition an dem Surrogat – differenziert. 727) Vgl. für die Einzelzwangsvollstreckung Harder, Insolvenzrechtliche Surrogation, Rn. 158. 728) „Rechnerische Separierung“: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.5.2019 – 5 U 85/18, BeckRS 2019, 53083, Rn. 145; OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1032; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 125; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 205 („zumindest rechnerisch getrennt“); MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 220; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 139; Smid, ZInsO 2013, 1233, 1234; Heitsch, ZInsO 2020, 915, 916; Windel, ZIP 2019, 441, 445; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1197; unklar: OLG Dresden, Urt. v. 27.6.2019 – 8 U 2001/18, ZIP 2019, 2173, 2174; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 107; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33 („getrennt von der allgemeinen Konkursmasse“); C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 295 f.; Veil, ZInsO 2018, 969 („zu einer separat zu bildenden Insolvenzmasse“); Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431. 729) Nur so ließe sich die Nichthaftung „des Erlöses“ für allgemeine Verfahrenskosten auch bei Masseunzulänglichkeit sicherstellen.
161
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
wird zwar vereinzelt auch für absonderungsberechtigte Gläubiger (und dort explizit) vorgebracht.730) Er fügt sich jedoch hier wie dort nicht in die Systematik der Insolvenzordnung ein, die selbst beim Recht auf Ersatzaussonderung nach § 48 InsO die fortbestehende gegenständliche Unterscheidbarkeit verlangt, welche auch für ein Recht auf Ersatzabsonderung analog § 48 InsO vorausgesetzt wird.731) Man wird die Haftungsgläubiger bezüglich des massezugehörigen Haftungserlöses nicht besser stellen können als einen Aussonderungsberechtigten bezüglich seines massefremden Aussonderungsgegenstands. Der Befriedigungsvorrang der Haftungsgläubiger kann deshalb nur an einem noch gegenständlich unterscheidbar vorhandenen Haftungserlös anerkannt werden.
346 Ebenso wie sich die haftungsrechtliche Zuweisung der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB an die Gläubiger in ihrer vermögensrechtlichen Stellung als Forderungsinhaber niederschlägt, bedarf auch die besondere haftungsrechtliche Zuweisung des Haftungserlöses einer vermögensrechtskonformen Ausgestaltung. Mit anderen Worten: Ein der sonstigen insolvenzrechtlichen Rangordnung vorgehendes Befriedigungsrecht an einzelnen Massegegenständen kann es nur auf Grundlage eines entsprechenden Vermögensrechts in Bezug auf diese Gegenstände geben. Bei der Verwertung der Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter bietet hierfür eine dingliche Surrogation analog § 1247 S. 2 BGB eine angemessene Grundlage.732) Diese Lösung zeichnet zugleich die Parallele zu § 166 Abs. 2 InsO konsequent fort und hat überdies mit Blick auf Art. 14 GG den Vorteil, dass sie so geringfügig wie möglich in die vermögensrechtliche Rechtsstellung der Gläubiger eingreift.
347 Die notwendige Annahme einer dinglichen Surrogation muss sich allerdings im Rahmen des § 171 Abs. 2 HGB sachenrechtlichen Bedenken stellen. Bei § 166 Abs. 2 InsO zieht der Insolvenzverwalter eine oder mehrere bestimmte Forderungen ein und der Erlös daraus steht dem jeweiligen Gläubiger zu. Die Person des Berechtigten oder der Umfang der Berechtigung sind dabei regelmäßig nicht zweifelhaft und zumindest objektiv bestimmbar. Der Erlös aus der Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten steht dagegen allen Gläubigern anteilig733) zu, denen dieser Kommanditist nach § 171 Abs. 1 HGB verpflichtet ist und die ihre zugrundeliegende Forderung gegen die Gesellschaft im Verfahren geltend machen. ___________ 730) Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, Rn. 716; ders., ZIP 2015, 60, 63 f.; ebenso wohl BeckOK-InsR/Lütcke, § 170 InsO Rn. 15; zu § 16 Abs. 1 S. 2 AnfG entspricht dies der h.M.: MüKo-AnfG/Weinland, § 16 Rn. 19 m.w.N. 731) Mit dieser Kritik im Kontext der Absonderungsrechte: MüKo-InsO/Ganter, vor §§ 49 – 52 Rn. 72; Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 83. 732) Denkbar wäre auch die analoge Anwendung des § 48 (S. 2) InsO. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die rechtmäßige Verwertung durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB erscheint jedoch unpassend, weil sie für „einen materiell rechtswidrigen Übergriff in eine fremde Rechtszuständigkeit“ konzipiert ist, vgl. Eckardt, FS Schilken, S. 645, 654. 733) S. zum Verteilungsschlüssel genauer unten Rn. 374 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Es ist alles andere als ausgeschlossen, dass sich die Zusammensetzung der verteilungsberechtigten Haftungsgläubiger nach der Einziehung durch den Verwalter verändert, insbesondere durch Forderungsanmeldungen zur Tabelle. Zum Zeitpunkt der Zahlung des Kommanditisten an den Insolvenzverwalter lässt sich aus diesem Grund oftmals noch nicht objektiv bestimmen, welche Gläubiger in welchem Umfang Ausschüttungen aus dem Haftungserlös erhalten werden. In der Folge bleiben auch die Eigentumsverhältnisse am Erlös unklar, was sich kaum mit dem auf klare Rechtszuordnung bedachten Sachenrecht verträgt. Dieser Einwand lässt sich wohl nur auflösen, indem der im Zeitpunkt der Ausschüttung des Haftungserlöses gültige Verteilungsschlüssel im Wege der Fiktion auf die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Einziehung durch den Insolvenzverwalter vorverlagert wird.734) Die bis zum Ausschüttungszeitpunkt verbleibenden Ungewissheiten über die genauen Beteiligungsverhältnisse sind hinnehmbar, da es darauf bis dahin wegen des auch für den Erlös geltenden Übergangs der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter735) unter keinem Gesichtspunkt ankommt.
bb) Pflicht zur gegenständlichen Separierung Die Erkenntnis, dass die Haftungspriorität der Sondermassegläubiger gegenständ- 348 lich auf den Haftungserlös beschränkt ist und ihre Erhaltung deshalb die gegenständliche Unterscheidbarkeit dieses Erlöses von der sonstigen Insolvenzmasse voraussetzt, zwingt – entgegen der allgemeinen Auffassung – dazu, dem Insolvenzverwalter eine Pflicht zur gegenständlichen und nicht bloß rechnerischen Separierung des Erlöses bei Sondermassen aufzuerlegen. Dass dies keinen Widerspruch zur (haftungsrechtlichen) Zugehörigkeit des Erlöses zur Insolvenzmasse bedeutet,736) lässt sich wiederum durch einen Verweis auf die entsprechende Separierungspflicht bei Absonderungsrechten belegen.737) Fraglos ist der Erlös nicht lediglich dann unterscheidbar vorhanden, wenn der In- 349 solvenzverwalter die geleisteten Barmittel räumlich getrennt verwahrt oder die Überweisung des Kommanditisten auf ein speziell zu diesem Zweck eingerichtetes Konto erfolgt. Stattdessen muss auch insoweit der zu § 48 S. 2 InsO entwickelte großzügige Maßstab einschließlich der sog. Bodensatztheorie angelegt werden.738) ___________ 734) Entsprechendes wird für den Umfang des Übergangs der Gläubigerforderungen gegen die Gesellschaft auf den Kommanditisten analog § 774 Abs. 1 BGB zu gelten haben. 735) Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 84; ders., FS Schilken, S. 645, 656, bezeichnet dies bei Absonderungsrechten treffend als „Verwaltungssurrogation“. 736) So aber zu § 92 InsO Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 63. 737) S. dazu die Nachweise in Fn. 725. 738) Entsprechend zum Verwertungserlös bei Absonderungsrechten Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 74; vgl. zur Bodensatztheorie bei der Ersatzaussonderung BGH, Urt. v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, BGHZ 141, 116, 118 ff. = ZIP 1999, 626, 628 (Buchgeld); MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 57, 62.
163
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Ist der Sondermasse-Haftungserlös nach § 171 Abs. 2 HGB hiernach allerdings nicht mehr unterscheidbar vorhanden, stehen den Haftungsgläubigern, ggf. neben Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 InsO, lediglich ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der schuldrechtlichen Erlösherausgabepflicht739) sowie ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen die Masse zu, die zwar nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, 3 InsO Masseverbindlichkeiten sind, bei später eintretender Masseunzulänglichkeit aber nur im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO berichtigt werden.
4.
Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB
350 Die Einziehung der akzessorischen Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 2 HGB verursacht ebenso Kosten wie die folgende Verwaltung und Verteilung des Haftungserlöses. Konkret können beispielsweise Kosten für die Ermittlung der Kommanditisten, Prozess- oder zumindest Transaktionskosten anfallen. Nicht zuletzt wird auch der Insolvenzverwalter eine Vergütung für die Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB beanspruchen, § 63 Abs. 1 S. 1 InsO, und das Insolvenzgericht sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses für die entsprechende Überwachung auch dieser Tätigkeit erhöhte Gerichtskosten bzw. Vergütungen in Rechnung stellen, §§ 58, 69, 73 InsO, §§ 35 ff. GKG.
a) Kostentragung 351 Für diese Kosten ist, soweit sie nicht bereits nach den §§ 91, 788 ZPO vom Kommanditisten zu tragen sind, zu klären, ob sie der „allgemeinen“ Insolvenzmasse zur Last fallen oder aus dem Haftungserlös entnommen werden können. Weil die Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB ausschließlich im Interesse der Haftungsgläubiger erfolgt und ausschließlich sie wegen der Zweckbindung des Haftungserlöses davon profitieren, wird es allgemein für billig gehalten, dass im Ergebnis die Haftungsgläubiger auch die Kosten tragen.740)
352 Weil ein aktiver Kommanditist ausnahmslos für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Verfahrenskosten haftet, zu denen nach § 54 Nr. 2 InsO auch ___________ 739) S. zur Rechtsgrundlage dieser Pflicht unten Rn. 372 f. 740) OLG München, Urt. v. 5.3.2020 – 14 U 3393/17, ZIP 2020, 1028, 1032; MüKo-HGB/ K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 125; Hopt-HGB/M. Roth, § 171 Rn. 14 („für ihre Rechnung“); Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1653; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33; Tschierschke, Ausscheiden eines Kommanditisten und Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs, S. 47; allgemeiner: Oepen, Massefremde Masse, Rn. 183; Windel, ZIP 2019, 441, 446; zu § 93 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 133; Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1254 f.; Graeber, NZI 2016, 860, 863 f.; Smid, ZInsO 2013, 1233, 1234 f.; Nerlich/ Römermann-InsO/Kruth, 36. EL. 06/2018, § 93 Rn. 6a a.E.; a.A. offenbar (zu § 93 InsO): Ries/Böhner, FD-InsR 2009, 293282, die eine Ausschüttung des vollständigen eingezogenen Betrags befürworten („1:1“); ebenso Ries, NZI 2009, 844, 845, der die Freihaltung des Haftungserlöses mit „verfassungsrechtlichen Erwägungen“ (Art. 14 GG) begründet.
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die Vergütung des Insolvenzverwalters gehört, ergibt sich die Kostentragung aus dem Haftungserlös ohne Weiteres. Der Haftungserlös fällt mangels eingeschränkter Zweckbindung in die allgemeine Insolvenzmasse, aus der (vorab, § 53 InsO) alle Verfahrenskosten zu begleichen sind.
aa) Entnahme aus dem Haftungserlös bei Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten Weniger selbstverständlich ist die Begründung eines Entnahmerechts aus dem Haf- 353 tungserlös dann, wenn ein Kommanditist nicht für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, also vor allem beim ausgeschiedenen Kommanditisten. Ordnet man die Kostenverbindlichkeiten der KG741) aus der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB nicht schon deshalb als Altverbindlichkeiten ein, weil die „Rechtsgrundlage“742) für die Durchsetzung der akzessorischen Kommanditistenhaftung schon in der Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit angelegt sei,743) handelt es sich dabei um Neuverbindlichkeiten, für die der ausgeschiedene Kommanditist nicht unmittelbar haftet. Die Kostenentnahme aus dem Haftungserlös ist in diesen Fällen folglich nicht schon deshalb möglich, weil jeder Kostengläubiger zugleich Haftungsgläubiger ist. Verneint man mit der herrschenden Meinung die Haftung für Verfahrenskosten, kommt es freilich stets zu dieser Konstellation.744)
(1) Entnahmerecht analog § 170 Abs. 1 S. 1 InsO Durch analoge Anwendung des § 170 Abs. 1 S. 1 InsO kann das Entnahmerecht 354 mit einer gesetzlichen Grundlage ausgestattet werden. Nach dieser Vorschrift hat der Insolvenzverwalter die Kosten der Feststellung und der Verwertung von Absonderungsgut aus dem Erlös zu entnehmen, bevor er den oder die Absonderungsberechtigten daraus befriedigt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass mit den Kosten der Verwertung die Absonderungsberechtigten belastet werden, die von der Verwertung auch in erster Linie profitieren, und nicht die allgemeine Insolvenz-
___________ 741) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 183, nimmt eine unmittelbare (aber gegenständlich beschränkte) Haftung der Haftungsgläubiger für die Einziehungskosten an, sodass für ihn schon keine KGVerbindlichkeit besteht. Die rechtliche Grundlage dieser Kostenhaftung bleibt unklar. 742) Vgl. zur Abgrenzung zwischen Alt- und Neuverbindlichkeiten oben bei Fn. 352. 743) Womöglich hat sich der BGH, Urt. v. 11.1.2022 – II ZR 199/20, ZRI 2022, 168, Rn. 20, ebendiese Option offengelassen, als er ausdrücklich betonte, die Frage nach der (unmittelbaren) Haftung von Kommanditisten für Verfahrenskosten sei bislang nicht entschieden. 744) Haftet der Kommanditist immerhin für alle Insolvenzforderungen, hat ein Kostenentnahmerecht aus der Sondermasse hier allerdings nur bei Masseunzulänglichkeit praktische Bedeutung: Können alle Masseverbindlichkeiten einschließlich der Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB aus der allgemeinen Masse vollständig befriedigt werden, fielen diese Kosten im Ergebnis ohnehin nur den Haftungsgläubigern zur Last.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
masse und damit die ungesicherten Gläubiger.745) Dieser Zweck ist vollständig kongruent mit der Überlegung, aufgrund derer die Deckung der Einziehungskosten aus dem Haftungserlös nach § 171 Abs. 2 HGB befürwortet wird. Eine Analogiebildung drängt sich für den ausgeschiedenen Kommanditisten geradezu auf, auch mit Blick auf die geschilderte Vergleichbarkeit mit Einziehung sicherungszedierter Forderungen im Allgemeinen.746)
(2) Höhe des Kostenbeitrags 355 Die wenigen Stellungnahmen in der Literatur gehen (mit Ausnahme von Marotzke747)) davon aus, dass die Sondermasse mit den im Einzelfall zu bestimmenden tatsächlichen Kosten der Einziehung zu belasten sei.748) Rechtliche Unklarheiten bestehen in der Folge – legt man die zu den §§ 92, 93 InsO vertretenen Positionen zugrunde749) – bei der Frage, in welchem Verhältnis die Vergütung des Insolvenzverwalters750) aus Haftungserlös und allgemeiner Insolvenzmasse zu tragen ist. Heitsch und Schaltke plädieren dafür, die Gesamtvergütung verhältnismäßig nach der Höhe von allgemeiner Masse und Sondermasse aufzuteilen.751) Anderen Autoren zufolge soll dagegen lediglich die durch die Sondermasse verursachte Mehrvergütung von die-
___________ 745) K. Schmidt-InsO/Sinz, § 170 Rn. 1; Andres/Leithaus-InsO/Leithaus, § 170 Rn. 1; UhlenbruckInsO/Brinkmann, § 170 Rn. 1 f., der zu Recht darauf hinweist, dass die ungesicherten Gläubiger die Verwertungskosten letztlich doch tragen, wenn die Verwertungskosten bereits durch Auswahl eines höherwertigen Sicherungsguts berücksichtigt werden, vgl. dazu auch RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 181; HambK-InsR/J. Schmidt, § 1 InsO Rn. 36, sieht in der Regelung auch eine Maßnahme gegen Massearmut. 746) Zu § 93 InsO: Marotzke, ZInsO 2008, 57, 62, der offenlässt, ob die Analogie auf Fälle zu beschränken ist, in denen dieser Kostenbeitrag zur Gewährleistung einer kostendeckenden Masse notwendig ist. Verweis auf § 170 InsO auch in AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2007 – 67g IN 370/07, ZIP 2007, 2428, 2429. Die Ablehnung von Heitsch, ZInsO 2008, 793, 795, und Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241, betrifft wohl hauptsächlich die Pauschalierung der Kosten analog § 171 InsO. 747) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 62. 748) Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33; zu § 93 InsO: Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241; für gewöhnlich wird dies nicht explizit klargestellt: vgl. etwa Oepen, Massefremde Masse, Rn. 183; Windel, ZIP 2019, 441, 446. 749) Dies tun auch C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 297 f. 750) Zu deren Berechnung s. sogleich unten Rn. 366 ff. Die Frage der Aufteilung der Vergütungslast stellt sich nicht, möchte man die Vergütung vollständig separat berechnen, vgl. Graeber, NZI 2016, 860, 863; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 298 f. 751) Heitsch, ZInsO 2003, 692, 693; ders., ZInsO 2008, 793, 795, Fn. 32; Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1255. Beispiel: Die Insolvenzmasse beträgt 1.000.000 €, davon stammen 300.000 € aus der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB. Die Gesamtvergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 InsVV beträgt 62.250 €. Diese Vergütung ist im Verhältnis 70:30 von allgemeiner Masse und Sondermasse zu tragen. Aus dem Haftungserlös sind danach 18.675 € (= 30 % der Gesamtvergütung) als Kostenbeitrag zu entnehmen.
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ser zu tragen sein.752) Im Kern geht es hierbei um die Frage, in welchem Verhältnis Sondermasse und allgemeine Insolvenzmasse von der Degression der Verwaltervergütung nach § 2 InsVV profitieren sollen. Beide genannten Ansätze können dabei Vorteile für sich beanspruchen: Die anteilige Kostenteilung führt zu einer prozentual gleichmäßigen Belastung von Sondermasse und allgemeiner Masse und insoweit zu einer „gerechten“ Verteilung der Kostenlast. Die zweite Methode entspricht dagegen der Grundüberlegung zur Kostentragung aus dem Haftungserlöses, indem sie sich darauf beschränkt, die durch die Sondermasse bedingten zusätzlichen Kosten von der allgemeinen Masse abzuwehren. Abseits dieser rechtlichen Frage drohen auch in tatsächlicher Hinsicht Auseinandersetzungen zwischen Insolvenzverwalter und Haftungsgläubigern über die Höhe der angefallenen „Sondermassekosten“. Derartige Streitigkeiten würden auch bei Verwertung von Absonderungsrechten 356 durch den Verwalter drohen. Der Gesetzgeber hat deshalb dafür in § 171 InsO eine Regelung zur Höhe der Kostenbeiträge getroffen, wonach die Feststellungskosten pauschal mit 4 % (Abs. 1) und die Verwertungskosten grundsätzlich pauschal mit 5 % des Verwertungserlöses (Abs. 2, zuzüglich Umsatzsteuer) anzusetzen sind. Die Pauschalierung macht die Kosten nicht nur für Sicherungsnehmer bei der Bemessung ihrer Sicherheit kalkulierbar,753) sondern bezweckt vor allem die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens durch Vermeidung von Auseinandersetzungen über die Kostenhöhe.754) Letzteres ist ohne Frage auch für die Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB wünschenswert. Vor diesem Hintergrund verdient die von Marotzke755) erwogene analoge Anwendung auch des § 171 InsO für die Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten Zuspruch. Gegen diese Lösung wurde eingewendet, die Einziehung der akzessorischen Ge- 357 sellschafterhaftung sei rechtlich derart vielgestaltig, dass die Kostenpauschalierung nicht sachgerecht sei.756) So können die zugrundeliegenden Gesellschaftsverbind___________ 752) Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241; Budnik, NZI 2021, 903, 904; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, § 3 Rn. 68 ff. Im in Fn. 751 gebildeten Beispiel betrüge die Regelvergütung ohne die Sondermasse 55.650 €. Von der Sondermasse wäre lediglich die Differenz zwischen tatsächlicher Vergütung (62.250 €) und der hypothetischen Vergütung ohne die Sondermasse (55.650 €) zu tragen, mithin 6.600 €. Weil die (für die Masse) ungünstigen ersten Vergütungsstufen des § 2 InsVV nach dieser Methode stets von der allgemeinen Masse getragen werden, führt sie zu einer geringeren Kostenlast für die Sondermasse. 753) MüKo-InsO/Kern, § 171 Rn. 1. 754) RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 181; vgl. auch K. Schmidt-InsO/Sinz, § 171 Rn. 1; MüKoInsO/Kern, § 171 Rn. 1; HK-InsO/Hölzle, § 171 Rn. 1. Eine vergleichbare Regelung zur Pauschalierung von Feststellungskosten findet sich in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Hs. 2 ZVG. 755) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 62. 756) Zu § 93 InsO: Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241. Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1251, 1255, lässt die analoge Anwendung insoweit offen, lehnt die Vergleichbarkeit mit § 166 Abs. 2 InsO jedoch in anderem Zusammenhang aus den genannten Gründen ab. Auch C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 298 f., weisen auf den „erheblichen Aufwand“ bei der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB hin.
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lichkeiten auf verschiedensten Rechtsverhältnissen beruhen und die Gesellschafter verschiedenste Einwände gegen die Inanspruchnahme erheben, weshalb gegenüber der Pauschale erhöhte tatsächliche Kosten und damit eine übermäßige Belastung der allgemeinen Masse drohen würde. Diese Bedenken schlagen aber nicht durch:
358 Es ist gewiss denkbar, dass der Kostenbeitrag analog § 171 InsO die tatsächlich anfallenden Kosten im Einzelfall nicht vollständig deckt – dies liegt schon in der Natur einer Pauschale. Selbst wenn die Kosten für die Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB aber tatsächlich nicht nur im Einzelfall, sondern typischerweise einen höheren Anteil an Haftungserlös ausmachen würden, als bei einer Einziehung nach § 166 Abs. 2 InsO, spricht dies nicht gegen die Pauschalisierung der Kostenbeiträge analog § 171 InsO. Der Gesetzgeber hat die Pauschalanteile für die Verwertung aller Formen von Absonderungsrechten an beweglichen Sachen und auch für die Einziehung sicherungszedierte Forderungen einheitlich festgelegt.757) Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Kosten für die Verwertung aller erfassten Sicherungsrechte tatsächlich exakt demselben durchschnittlichen Anteil am Erlös entsprechen.758) Diesen Unterschieden hat der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, erheblich von der Pauschale abweichende tatsächliche Verwertungskosten im Einzelfall anstelle der Pauschale anzusetzen, § 171 Abs. 2 S. 2 InsO, Rechnung getragen und sie im Übrigen offensichtlich im Interesse einer einheitlichen Bestimmung der Pauschale in Kauf genommen. Nur dann, wenn die Höhe der Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB nicht nur typischerweise, sondern typischerweise erheblich von den in § 171 InsO geregelten 9 % des Haftungserlöses abweicht, darf die Übertragung dieser Kostenbeitragshöhe deshalb an der Vergleichbarkeit beider Fälle scheitern. Für diesen Fall lässt eine Übertragung des § 171 InsO im Analogiewege allerdings auch Raum dazu, anhand der durchschnittlichen Einziehungskosten nach § 171 Abs. 2 HGB einen abweichenden prozentualen Pauschalbeitrag zu bestimmen. Diese Möglichkeit hat auch Marotzke im Blick, wenn er schreibt, dass sich der Verfahrenskostenbeitrag an den in § 171 InsO vorgesehenen 9 % „orientieren […] könnte“.759)
359 Es leuchtet allerdings schon nicht ein, warum das Risiko einer übermäßigen Belastung der allgemeinen Masse durch unzulängliche Kostenbeiträge bei der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB gegenüber § 166 Abs. 2 InsO typischerweise erhöht sein soll. Im Falle von Sicherungsglobalzessionen werden die abgetretenen Forderungen zwar regelmäßig (abhängig vom Geschäftsmodell des Unternehmens) auf ___________ 757) Ebenfalls 4 % beträgt die Pauschalierung der Kosten für die Feststellung der beweglichen Sachen, auf welche sich die Versteigerung eines Grundstücks erstreckt, nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Hs. 2 ZVG. 758) In der Begründung zum RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 89, ist (ohne Bezugnahme auf verschiedene Arten von Absonderungsrechten) die Rede von einer „Streubreite [der Verwertungskosten], die von 1 bis 2 % des Werts des Sicherungsguts bis an 50 % heranreicht“. 759) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 62.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
gleichartigen Rechtsgeschäften beruhen (z.B. Entgeltforderungen gegen Kunden). Abseits dieser Konstellation können sich aber auch die Forderungen i.S.d. § 166 Abs. 2 InsO aus einer großen Vielfalt unterschiedlicher Rechtsverhältnisse ergeben. Die Kosten der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB werden bei genauerer Betrachtung zudem häufig vergleichsweise gering ausfallen. Zur Prüfung des Bestehens der Gesellschaftsverbindlichkeiten, für welche die Inanspruchnahme eines Kommanditisten erfolgen soll, ist der Insolvenzverwalter schon aus anderem Grund verpflichtet, nämlich (bei Insolvenzforderungen) im Rahmen ihrer Anmeldung zur Tabelle, vgl. § 176 S. 1 InsO.760) Insoweit trifft ihn kein zusätzlicher Feststellungsaufwand. Hinzu kommt, dass die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle nach Auffassung des BGH nach § 128 Abs. 1 n.F. (§ 129 Abs. 1 a.F.) i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auch gegenüber Kommanditisten Rechtskraftwirkung entfaltet,761) sodass der in Anspruch genommene Kommanditist das Bestehen der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeiten regelmäßig ohnehin nicht mehr bestreiten kann. Auch im Übrigen verfügt der Insolvenzverwalter der Gesellschaft als solcher bereits über die zur Feststellung des Haftungstatbestands nach § 171 Abs. 1 HGB notwendigen Informationen (z.B. zur Höhe der Haftsumme und Einlagerückzahlungen i.S.d. § 172 Abs. 4 HGB). Vor diesem Hintergrund wird sich die Inanspruchnahme von Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft häufig als vergleichsweise kosteneffizient erweisen. Smids Suggestion, das Gesetz sehe für die Inanspruchnahme von Gesellschaftern 360 ganz bewusst keine Pauschalierung der Verfahrenskostenbeteiligung vor762) – es fehlte dann an der für den Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Gesetzesunvollständigkeit –, muss entgegengehalten werden, dass das Gesetz zur Verfahrenskostenbeteiligung insgesamt schweigt, sodass aus der Nichtregelung von deren Pauschalierung keine Schlüsse gezogen werden können. Es kann somit festgehalten werden, dass die Kosten der Einziehung nach § 171 361 Abs. 2 HGB als Verbindlichkeiten der Gesellschaft zwar auch beim ausgeschiedenen Kommanditisten aus der allgemeinen Masse zu begleichen sind. Allerdings kann der Insolvenzverwalter analog §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO einen Kostenbeitrag i.H.v. grundsätzlich 9 % aus dem Haftungserlös entnehmen.763) ___________ 760) Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 176 Rn. 22. Auch das Bestehen einer Masseverbindlichkeiten muss der Verwalter selbstverständlich prüfen, bevor er sie begleicht, vgl. MüKo-InsO/Schoppmeyer, § 60 Rn. 18; HambK-InsR/Jarchow, § 53 InsO Rn. 16. 761) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 332 ff. = ZIP 2018, 640, Rn. 21 ff. 762) Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241; auch Heitsch, ZInsO 2008, 793, 795, lehnt mit diese Analogievoraussetzung mit wenig überzeugender Begründung ab. 763) Bei Ablehnung der unmittelbaren Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB für Verfahrenskosten gilt dies für jede Inanspruchnahme von Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter und nicht bloß bei ausgeschiedenen Kommanditisten.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
bb) Keine „negative Sondermasse“ 362 Die Überzeugung, die Kosten des Verwalterhandelns seien von denjenigen zu tragen, in deren Interesse es erfolge, wird ohne Gegenstimme auch für den Fall bekräftigt, dass das Verwalterhandeln keinen Erfolg hat oder die Kosten der Inanspruchnahme den Erlös übersteigen.764) Konkret bedeutete dies für die Sondermasse-Haftungsgläubiger, dass sie sich zum Ausgleich der durch das erfolglose Verwalterhandeln nach § 171 Abs. 2 HGB entstandenen Kosten einen entsprechenden Abzug bei der Ausschüttung ihrer Insolvenzquote aus der allgemeinen Insolvenzmasse gefallen lassen müssten. Die Anwendung des § 170 Abs. 1 S. 1 InsO bietet keine Grundlage für eine solche „negative Sondermasse“. Hiernach ist nur die Entnahme von Kostenbeiträgen aus einem tatsächlich vorhandenen Erlös möglich. Auch im Übrigen ist die Bildung einer „negativen Sondermasse“ nicht gerechtfertigt.
363 In den Vorschriften zum Absonderungsrecht findet sich insoweit keine explizite Regelung, obwohl hier entsprechende Konstellationen ebenfalls denkbar sind: So kann der Insolvenzverwalter eine sicherungsweise abgetretene Forderung durch Klageerhebung gegen Forderungsschuldner geltend machen, deren Nichtbestehen sich erst im Laufe des Prozesses herausstellt. Wertungsmäßig besteht kein Unterschied zwischen diesem Fall und der fehlgeschlagenen Inanspruchnahme eines Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter, der bei letzterer eine weitergehende Haftung rechtfertigen würde. Es ist deshalb ein wenig verwunderlich, dass bislang offenbar keine vergleichbaren Überlegungen zur Belastung eines nur scheinbar absonderungsberechtigten Gläubigers angestellt wurden. Womöglich ist dies damit zu erklären, dass die Kostenentnahme nach §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO als abschließende Regelung der Kostentragungspflicht begriffen wird. Hat der Gesetzgeber sich aber entschieden, einen (scheinbar) absonderungsberechtigten Gläubiger nicht an den Kosten zu beteiligen, wenn tatsächlich kein Erlös durch den Verwalter erzielt wird, besteht kein Grund, einen (scheinbaren765)) Haftungsgläubiger anders zu behandeln.
364 Zur Rechtfertigung einer „negativen Sondermasse“ kann auch weder auf das Kostenrisiko bei Inanspruchnahme außerhalb des Insolvenzverfahrens verwiesen,766) ___________ 764) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 125; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 183; Windel, ZIP 2019, 441, 446; Smid, ZInsO 2013, 1233, 1235; zu § 93 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 133. Graeber, NZI 2016, 860, 864, argumentiert (zu den §§ 92, 93 InsO), der Verwalter erhalte insoweit keine Vergütung, sodass eine negative Sondermasse schon gar nicht entstehe. Die sonstigen Kosten der erfolglosen Inanspruchnahme (Gerichtskosten etc.) übersieht er dabei. 765) Für die „negative Sondermasse“ sind zwei Konstellationen denkbar: Entweder stellt sich heraus, dass keine Haftungsverbindlichkeiten bestehen (z.B. wegen § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB) – dann findet die Inanspruchnahme objektiv schon nicht im Interesse der nur vermeintlichen Haftungsgläubiger statt –, oder bestehende Haftungsansprüche erweisen sich als tatsächlich undurchsetzbar (z.B. wegen Vermögenslosigkeit des Kommanditisten). 766) So aber Smid, ZInsO 2013, 1233, 1234 f.
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noch eine Parallele zum Auftragsrecht gezogen werden. Anders als ein Haftungsgläubiger, der außerhalb des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens erfolglos nach § 171 Abs. 1 HGB gegen einen Kommanditisten vorgeht, oder ein Auftraggeber, der dem Beauftragten zum Ersatz seiner Aufwendungen auch dann nach § 670 BGB verpflichtet ist, wenn die Ausführung des Auftrags keinen Erfolg hat,767) haben die Haftungsgläubiger das Tätigwerden des Insolvenzverwalters und damit den vergeblichen Kostenaufwand nicht selbst veranlasst.768) Die Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB erfolgt wie die sonstige Verwertung der Insolvenzmasse von Amts wegen.769) Die Haftungsgläubiger müssen den Insolvenzverwalter nicht besonders hierzu auffordern770) und können auch nicht verhindern, dass der Insolvenzverwalter gegen einen Kommanditisten vorgeht. Die Kosten erfolgloser Inanspruchnahmen nach § 171 Abs. 2 HGB sind deshalb 365 von der allgemeinen Masse zu tragen, ohne dass eine Anrechnung auf die Ausschüttungen der (scheinbaren) Haftungsgläubiger erfolgt. Die Bedeutung dieser Problematik wird freilich dadurch gemindert, dass jedenfalls eine Vergütung des Insolvenzverwalters bei fehlgeschlagener Inanspruchnahme ohnehin nicht anfällt,771) da die Vergütung sich nach allen vorgeschlagenen Berechnungsmethoden an der Höhe des erzielten Erlöses orientiert und damit das Vorhandensein eines solchen voraussetzt. Hat der Insolvenzverwalter schuldhaft verkannt, dass die Inanspruchnahme des Kommanditisten keinen Erfolg verspricht, haftet er den geschädigten Gläubigern zudem nach § 60 InsO.772)
b) Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters Dagegen kann für den Fall, dass der Insolvenzverwalter durch die Inanspruchnah- 366 me von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB einen Haftungserlös generiert, nicht bezweifelt werden, dass er aufgrund dieser Tätigkeit eine erhöhte Vergütung beanspruchen darf.773) Gewiss beabsichtigt das Gesetz nicht, dem Insolvenzverwalter eine ehrenamtliche Inkassodienstleistung aufzubürden.774) Für die Berechnung ___________ 767) Vgl. MüKo-BGB/F. Schäfer, § 670 Rn. 1. 768) Auf die bloße Forderungsanmeldung im Gesellschaftsinsolvenzverfahren kann insoweit nicht verwiesen werden. 769) C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296. 770) Für die Absonderungsberechtigten Gläubiger gilt dies nicht in gleicher Weise, denn sie müssen dem Insolvenzverwalter immerhin mitteilen, welche Sicherungsrechte sie für sich beanspruchen, vgl. § 28 Abs. 2 InsO. 771) Eingehend Graeber, NZI 2016, 860, 864. 772) MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 125; Windel, ZIP 2019, 441, 446. 773) Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1652; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296; zu § 93 InsO: Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1254 f.; für die erfolgreiche Einziehung nach den §§ 92, 93 InsO auch Graeber, NZI 2016, 860, 864. 774) Dies befürchtet offenbar Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1653.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
der Vergütung des Verwalters für die Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB sind bereits verschiedene Konzepte vorgestellt worden.
367 Graeber hat für die Einziehung von Ansprüchen nach den §§ 92, 93 InsO vorgeschlagen, anhand der Höhe des Haftungserlöses eine eigenständige Vergütung nach den Vorgaben der InsVV zu bestimmen.775) Die durch die Einziehung der Ansprüche generierten Mittel wären danach Berechnungsgrundlage i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV für die zweite, getrennt nach § 8 InsVV durch das Insolvenzgericht festzusetzende Vergütung nach den §§ 2, 3 InsVV. Macht man sich klar, dass der Verwalter auf diese Weise doppelt von den profitablen ersten Vergütungsstufen des § 2 InsVV profitiert, ist nachvollziehbar, warum dieser Vorschlag für § 171 Abs. 2 HGB – vereinzelt gebliebene – Zustimmung aus dem Kreis der Insolvenzverwalter erhalten hat.776)
368 Die entscheidende Schwäche dieses Konzepts ist – jedenfalls bezogen auf § 171 Abs. 2 HGB –, dass es erklärtermaßen auf der Annahme beruht, bei dem Haftungserlös handele es sich nicht um einen Teil der Insolvenzmasse, sondern um eine getrennte Haftungsmasse.777) Diese Vorstellung hat sich jedoch bereits als unzutreffend erwiesen. Die Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB und in der Folge auch der durch den Insolvenzverwalter erzielte Erlös sind ein Bestandteil der Insolvenzmasse der Gesellschaft, sodass sich die Inanspruchnahme von Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB als Bestandteil der Tätigkeit als Insolvenzverwalter der Gesellschaft darstellt. Es ist eine einheitliche Insolvenzmasse zu verwalten und deshalb auch eine einheitliche Vergütung festzusetzen.778) Folglich muss der Haftungserlös als Massebestandteil grundsätzlich in den nach § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV maßgeblichen Wert der Insolvenzmasse eingehen und auf diesem Wege zur Erhöhung der Verwaltervergütung führen. Diese Lösung wird auch in der Literatur präferiert779) und zwar mehrheitlich selbst von denjenigen Autoren, die den Haftungserlös wie Graeber als getrennte Haftungsmasse einordnen.780) ___________ 775) Graeber, NZI 2016, 860, 863, mit sorgfältiger Begründung; in gleicher Weise ist das LG Detmold, Beschl. v. 21.4.2021 – 03 T 195/20, ZIP 2021, 2347 f., für eine Sondermasse nach § 93 InsO zu verstehen („Festsetzung einer gesonderten Vergütung“). 776) C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 298 f. 777) Graeber, NZI 2016, 860, 861 („handelt es sich […] nicht um Insolvenzmasse“); C. Scholz/ Hölken, ZInsO 2019, 293, 295 f. („zusätzliche Haftungsmasse, die vom Insolvenzverwalter abzutrennen […] ist“). 778) In diesem Sinne: Budnik, NZI 2021, 903, 904. 779) Budnik, NZI 2021, 903, 904; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, § 3 Rn. 68 ff.; Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1255. Uneinigkeit besteht innerhalb dieser Auffassungen nur darüber, in welchem Verhältnis diese Vergütung von allgemeiner und Sondermasse zu tragen ist. 780) Kohler, AcP 95 (1904), 339, 344 („wie wenn sie eine Vermögensmasse bildeten“ [Hervorhebung im Original]); jeweils zu § 93 InsO: Smid, ZInsO 2013, 1233, 1241 („beide Massen“); Heitsch, ZInsO 2003, 692, 693 („zwei Insolvenzmassen“).
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Bezüglich der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten bedarf es aller- 369 dings ergänzender Überlegungen: Der Haftungserlös darf nach Entnahme des Kostenbeitrags von grundsätzlich 9 % analog §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO nur zur Befriedigung der Altgläubiger und insbesondere nicht zur Deckung von Verfahrenskosten verwendet werden. Wegen dieser pauschalen Kostenbeteiligung wäre es in Fällen, in denen die Sondermasse einen großen Anteil an der Gesamtmasse ausmacht, vorstellbar, dass die Vergütung die nicht zweckgebundene Masse vollständig aufzehrt.781) Um diesem bei Absonderungsrechten gleichermaßen bestehenden Risiko zu begegnen, hat der Verordnungsgeber dafür in § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV eine an die Höhe des Kostenbeitrags geknüpfte Begrenzung der auf die Verwertung von Absonderungsgut entfallenden Mehrvergütung geregelt.782) Weil § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV aus Verordnungsgebersicht also die notwendige Folge des § 171 InsO ist, sind beide Vorschriften als Regelungseinheit zu begreifen, die nur einheitlich Anwendung finden kann. Auch insoweit muss deshalb der von Marotzke zu § 93 InsO gemachte Vorschlag783) auf die Berechnung der Verwaltervergütung für die Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten übertragen werden und § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV analog angewendet werden: Der Haftungserlös ist grundsätzlich (vollständig) in die Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV einzubeziehen. Die dadurch verursachte und im Wege einer Vergleichsrechnung784) zu bestimmende Mehrvergütung darf jedoch nicht mehr als 50 % der Feststellungskosten betragen. Weil die Feststellungskosten analog § 171 Abs. 1 S. 2 InsO pauschal mit 4 % des Haftungserlöses anzusetzen sind, beträgt die Mehrvergütung also höchstens 2 % des Verwertungserlöses. Der Bundesgerichtshof hat zuletzt auch klargestellt, dass es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV um „eine absolute Grenze“ handelt, die auch durch Zuschläge nach § 3 InsVV nicht überschritten werden darf.785) Schaltke meint, dass die Insolvenzverwalter aufgrund der nur „so minimal[en]“ 370 Vergütung zur Minimierung ihres Aufwands oftmals für die Haftungsgläubiger ungünstige Vergleiche schließen werden.786) Ihm ist insoweit Recht zu geben, dass diese Berechnungsmethode für Insolvenzverwalter keine großartige Nachricht ist: Die daraus folgende Vergütung ist unter keinen Umständen höher als bei der in der ___________ 781) Beispiel: Die Insolvenzmasse beträgt 100.000 €, wovon 90.000 € durch die Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten generiert wurden. Die Vergütung des Insolvenzverwalters beträgt bei vollständiger Berücksichtigung der Sondermasse 25.350 €. Nach Abzug der Kostenpauschale (9 % = 8.100 €) und Auskehr des verbleibenden Haftungserlöses an die Altgläubiger verbleiben allerdings nur 18.100 € in der Masse – weniger als die Vergütung. 782) Begründung des RefE-InsVV S. 3 f., abgedruckt in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO, 23. EL. 05/2005, InsVV Anhang II. 783) Marotzke, ZInsO 2008, 57, 63. 784) Rechenbeispiel (für Absonderungsgut) bei MüKo-InsO/Riedel, Anh. § 65, § 1 InsVV Rn. 21. 785) BGH, Beschl. v. 22.7.2021 – IX ZB 85/19, ZIP 2021, 1872 Rn. 20 ff. 786) Schaltke, ZInsO 2010, 1249, 1255 f.
173
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Literatur favorisierten stets vollständigen Berücksichtigung des Haftungserlöses. Im Großteil der Verfahren wird sie niedriger sein. Allerdings: Die analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 InsVV betrifft nach hier vorgeschlagener Lösung787) regelmäßig nur den Erlös aus der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten, welcher nur selten einen erheblichen Anteil an der Gesamtinsolvenzmasse ausmachen wird. Praktisch wird die Vergütung des Insolvenzverwalters deshalb zumeist nur geringfügig kleiner ausfallen. Überdies wären die von Schaltke infolge dieser Vergütungsregelung befürchteten suboptimalen Verwertungen in gleicher Weise im Bereich der Absonderungsrechte zu erwarten. Dort sind sie aber offenbar nicht in problematischem Maße aufgetreten – obwohl die negativen Auswirkungen dort von größerer praktischer Bedeutung sind, weil Absonderungsrechte nicht selten den Großteil der Insolvenzmasse ausmachen.788)
5.
Verteilung des Haftungserlöses
371 Den Regeln, nach welchen der Insolvenzverwalter (ggf. nach Abzug der Kosten analog § 170 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 171 InsO) den nach § 171 Abs. 2 HGB erzielten Haftungserlös zu verteilen hat, wurde bislang fast keine Aufmerksamkeit geschenkt.789) Es wird lediglich betont, der Insolvenzverwalter habe den Erlös zur „gleichmäßigen“ oder „anteiligen“ Befriedigung der Haftungsgläubiger zu verwenden.790) Diese Kurzformel gibt die Verteilungsregeln allerdings nur unvollständig wieder. Weil die Kommanditistenhaftung bei geboten haftungsrechtlicher Betrachtung Bestandteil der Insolvenzmasse ist, erfolgt die Verteilung des Haftungserlöses nach den gleichen Regeln, nach denen auch die übrige Insolvenzmasse ___________ 787) Bei Ablehnung der Haftung für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten ist allerdings die analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV in Bezug auf jeden Erlös nach § 171 Abs. 2 HGB konsequent. 788) Nach der Begründung des RefE-InsVV S. 3, abgedruckt in Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO, 23. EL. 05/2005, InsVV Anhang II, macht Absonderungsgut schätzungsweise 80 % der Insolvenzmasse in Unternehmen aus. Trotz dieses rechtstatsächlichen Unterschieds besteht kein Grund, die analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 InsVV in Frage zu stellen: Die Begrenzung bewirkt in jedem Fall, dass die Vergütung nicht den Kostenbeitrag aufzehrt oder übersteigt und stellt so sicher, dass es insoweit nicht zu einer Belastung der Neugläubiger mit Sondermassekosten kommt. 789) Positiv hervorzuheben sind einzig die Hinweise bei Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431, und Oepen, Massefremde Masse, Rn. 185 f. 790) BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327, 331 = ZIP 2018, 640, Rn. 17; Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 194 = NJW 1964, 2407, 2409; Heidel/SchallHGB/Schall, § 171 Rn. 100; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 31; MüKo-HGB/K. Schmidt/ Grüneberg, § 172 Rn. 125; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 138, schreibt von der Anwendung der „konkursrechtlichen Regeln“, enthält sich aber einer Stellungnahme zur Übertragung konkursrechtlicher Befriedigungsvorrechte, vgl. dort Fn. 69; C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296, fügen noch einen Verweis auf die §§ 187 ff. InsO hinzu; mit Präzisierung der „gleichmäßigen“ Befriedigung einzig Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
verteilt wird. Die Umsetzung dieser Regeln auszuleuchten, ist Ziel des folgenden Abschnitts.
a) Anspruch auf Erlösauskehr Bereits die Identifikation eines auf Auskehr des Haftungserlöses gerichteten An- 372 spruchs der Gläubiger ist nicht trivial: Die Haftungsansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB erlöschen mit Zahlung des Kommanditisten an den Insolvenzverwalter durch Erfüllung oder durch Erschöpfung der Haftsumme, § 362 Abs. 1 BGB, § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB, und die zugrundeliegenden Ansprüche gegen die Gesellschaft gehen mit Zahlung des Kommanditisten auf ebendiesen über, § 774 Abs. 1 BGB analog,791) soweit den Gläubiger eine Ausschüttung aus dem Erlös zusteht. So bleibt der Haftungsgläubiger nach Inanspruchnahme des Kommanditisten durch den Verwalter scheinbar gänzlich ohne schuldrechtlichen792) Anspruch. Diese Lücke kann durch analoge Anwendung des § 667 BGB geschlossen wer- 373 den.793) Diese Vorschrift soll immer dann (analoge) Anwendung finden, wenn die Tätigkeit einer Person einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung vergleichbar ist.794) Vielfach erklärt das Gesetz § 667 BGB in solchen Fällen sogar ausdrücklich durch Verweis für anwendbar, vgl. §§ 27 Abs. 3, 681 S. 2, 1978 Abs. 1 BGB. Beispielhaft sei die mit der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB vergleichbare Fallgestaltung bei Testamentsvollstreckung hervorgehoben. Im Rahmen seiner Verwaltung des Nachlasses nach § 2205 BGB zieht der Testamentsvollstrecker die dazu gehörigen Forderungen ein, deren Gläubiger weiterhin die Erben sind.795) Die Ansprüche erlöschen dadurch bereits nach § 362 Abs. 1 BGB und der Anspruch der Erben auf Auskehr des Erlöses folgt kraft Verweises in §§ 2218 Abs. 1 BGB aus § 667 BGB.796) In all den genannten Fällen agiert der Handelnde ebenso zur Wahrung ausschließlich fremder Vermögensinteressen wie der Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB. Auch diesem soll der Ertrag seiner Tätigkeit selbstverständlich nicht endgültig zustehen, weshalb er analog § 667 BGB zur Erlösauskehr an die ___________ 791) Str. vgl. Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 92 m.w.N. 792) Infolge der dinglichen Surrogation, s. oben Rn. 345 ff., können sachenrechtliche Herausgabeansprüche bestehen. 793) Ebenso ist es denkbar, § 170 Abs. 1 S. 2 InsO als Anspruchsgrundlage einzuordnen und den Anspruch der Haftungsgläubiger (zusätzlich) auf die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu stützen. Einordnung als Anspruch bei Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 86; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, Rn. 714; ders., ZIP 2015, 60, 63; a.A. Berger, KTS 2007, 433, 443 f. 794) MüKo-BGB/F. Schäfer, § 667 Rn. 6; Staudinger-BGB/Martinek/Omlor, § 667 Rn. 4; für die Anwendung bezüglich des Erlöses bei Verwertung von Absonderungsgut: MüKo-InsO/Ganter, vor §§ 48 – 52 Rn. 71. 795) Jauernig-BGB/Stürner, § 2205 Rn. 1; MüKo-BGB/Zimmermann, § 2205 Rn. 11. 796) Auch bei der Einziehung durch den Testamentsvollstrecker kommt es zu einer dinglichen Surrogation, § 2041 BGB, sodass sachenrechtliche Herausgabeansprüche hinzutreten können.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
Haftungsgläubiger verpflichtet ist. Mit Leistung eines Kommanditisten an den Insolvenzverwalter tritt dieser gegenständlich auf Herausgabe des konkret erzielten Erlöses797) gerichtete Anspruch an die Stelle des auf den Kommanditisten übergegangenen Anspruchs gegen die Gesellschaft.
b) Verteilungsrangordnung 374 Nimmt man nun die Rangordnung in den Blick, nach der die Haftungsgläubiger Ausschüttungen aus der Haftungserlös nach § 171 Abs. 2 HGB erhalten, scheint das Ergebnis klar zu sein: Wenn der Insolvenzverwalter schlicht zur „gleichmäßigen“ Befriedigung verpflichtet sein soll,798) müssten alle Haftungsgläubiger insoweit denselben Rang teilen. Hierzu passt auch, dass der insolvenzrechtliche Rang der Gesellschaftsverbindlichkeit nicht auf die Haftungsansprüche durchschlägt: Alle Gesellschaftsgläubiger sind mit ihren Ansprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB gegenüber dem Kommanditisten „gleichrangige“ Gläubiger – selbst in dessen Insolvenz.799) In Bezug auf ihre Haftungsverbindlichkeiten wären die Massegläubiger der Gesellschaft also mit deren nachrangigen Insolvenzgläubigern gleich zu behandeln.
375 Die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche weist jedoch durchschlagend in eine andere Richtung: Daraus, dass § 171 Abs. 2 HGB gewährleisten soll, dass die Gläubiger bei der Realisierung der Kommanditistenhaftung so gestellt werden, wie hinsichtlich der sonstigen Insolvenzmasse, ergibt es sich von selbst, dass die im Gesellschaftsverfahren geltende Rangordnung ebenfalls für die Partizipation an der Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB gilt.800) Wie hinsichtlich der sonstigen Insolvenzmasse sind also aus dem Haftungserlös die Massegläubiger vorweg, § 53 InsO, bei Masseunzulänglichkeit in der Rangfolge des § 209 InsO, und erst anschließend die Insolvenzgläubiger ggf. unter Beachtung des Nachrangs nach § 39 InsO zu befriedigen.
376 Vor diesem Hintergrund erweist sich die These, § 171 Abs. 2 HGB diene der Übertragung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung auf die Kommanditistenhaftung,801) als Verkürzung des Normzwecks. Die Einziehung durch den Insolvenz___________ 797) Vgl. MüKo-BGB/F. Schäfer, § 667 Rn. 30; Eine Umrechnung nach § 45 InsO erfolgt wie bei absonderungsberechtigten Gläubigern nicht, vgl. MüKo-InsO/Bitter, § 45 Rn. 5. 798) S.o. bei Fn. 790. 799) Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 53 Rn. 2; MüKo-InsO/Hefermehl, § 53 Rn. 42; Kübler/Prütting/Bork/ Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 90; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 163 f. 800) Dies spricht einzig Keuk, ZHR 135 (1971), 410, 431, unter Verweis auf § 61 KO aus; vgl. Heitsch, ZInsO 2020, 915, 916, der einen Vorrang von Masseverbindlichkeiten annimmt, für die der Kommanditist nicht haftet; a.A. explizit Pagenstecher/Grimm, Konkurs, S. 228. 801) S. oben Rn. 67 f.; ausdrückliche Beschränkung auf diesen Zweck auch bei Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 32.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
verwalter ermöglicht nicht nur die Gleichbehandlung der Haftungsgläubiger, sondern ist auch das notwendige Mittel, um der im Gesellschaftsinsolvenzverfahren geltenden insolvenzrechtlichen Befriedigungsrangordnung auch für diesen Bestandteil der KG-Haftungsmasse Geltung zu verschaffen.802)
c)
Verteilungsmaßstab
Aus dem Haftungserlös nach § 171 Abs. 2 HGB sind folglich nur Haftungsgläubi- 377 ger gleichen Rangs (im Gesellschaftsverfahren) gleichmäßig zu befriedigen. Genügt das von dem Kommanditisten Eingezogene nicht zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger eines Rangs, richtet sich der an den einzelnen Gläubiger auszuschüttende Betrag nach der Höhe seiner Forderung. Nach den soeben angestellten Überlegungen muss feststehen: Wie bei der Verteilung der sonstigen Insolvenzmasse kommt es für die Berechnung der Quotenausschüttungen aus dem Haftungserlös auf die Höhe der zugrundeliegenden Gesellschaftsverbindlichkeit und nicht etwa auf die Höhe der – stets auf die Haftsumme begrenzten – Haftungsforderung nach § 171 Abs. 1 HGB an. Zur Umsetzung dieser Vorgabe ist der nach § 171 Abs. 2 HGB zuständige Insolvenzverwalter der Gesellschaft auch ohne Weiteres in der Lage, denn er ist als solcher über die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit bereits informiert. Dieses Ergebnis ist auch mit Blick auf die Funktion der summenmäßigen Haf- 378 tungsbeschränkung zwingend. Wollte man stattdessen auf die Höhe der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB abstellen, führte dies je nach Höhe der Haftsumme zu einer erheblichen Besserstellung der Gläubiger mit geringeren Forderungen gegen die Gesellschaft.803) Das mag zwar je nach politischer Einstellung als Ergebnis tendenziell wünschenswert sein, eine dem Insolvenzverfahren oder der Kommanditistenhaftung immanente Legitimation lässt sich dafür aber nicht finden. Im Gegenteil: Die summenmäßige Beschränkung der Haftung insgesamt und damit auch der einzelnen Haftungsverbindlichkeiten dient einzig dazu, dem Kommanditisten eine wirksame Begrenzung seines unternehmerischen Risikos zu ermöglichen. Eine Veränderung der Verhältnisse zwischen den Gläubigern ist damit hingegen nicht bezweckt. ___________ 802) Dieser Gedanke kommt selbst dann zum Tragen, wenn man die Haftung des Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten pauschal ablehnt: Dann Bedarf es noch der Umsetzung des Forderungsnachrangs nach § 39 InsO, s. zur Haftung für nachrangige Forderungen oben Rn. 163 f. 803) Beispiel: Kommanditist K (Haftsumme: 10.000 €) haftet nur den Gläubigern A und B. A hat gegen die Gesellschaft eine Forderung i.H.v. 20.000 €, B eine i.H.v. 180.000 €. Mit Blick auf die Haftsumme des K, sind die Ansprüche von A und B gegen ihn aus § 171 Abs. 1 HGB auf jeweils 10.000 € begrenzt. Legt man für die Verteilung des Haftungserlöses nach § 171 Abs. 2 HGB die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit zugrunde, erhält A 1.000 € und B das Neunfache, 9.000 €. Legt man die Höhe der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zugrunde erhalten beide gleich viel, nämlich 5.000 €.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
379 Das von Oepen in Fortentwicklung der Ansätze Kohlers804) entworfene Verständnis des § 171 Abs. 2 HGB als eigenständiges aber organisatorisch an das Gesellschaftsverfahren angegliedertes Inkassoverfahren805) stößt unter diesem Gesichtspunkt – wie auch mit Blick auf das Rangverhältnis der Haftungsgläubiger – an seine Grenzen. Nach Oepens Deutung erfolgt die gemeinschaftliche Abwicklung der Haftungsforderungen nur anlässlich der KG-Insolvenz, weshalb sie unabhängig von diesem Insolvenzverfahren beurteilt werden muss. Wegen dieser Eigenständigkeit der Haftungsverwirklichung lässt ein bloß „institutionell integrierte[s], ansonsten aber selbständige[s] (!) gemeinschaftliche[s] Inkassoverfahren“806) dann die sachlich gebotene Berücksichtigung weder der Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit noch deren Rangs im Gesellschaftsinsolvenzverfahren zu.807) Dass Oepen die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit und auch deren Rang dennoch für maßgeblich hält, weil die Gläubiger auch „in dem Verhältnis […] von […] der Insolvenzmasse profitieren würden“,808) muss als inkonsequente Umsetzung seines eigenen Konzepts bezeichnet werden.
380 Was ferner nicht übersehen werden darf: Wer der Berechnung entgegen dem hier gefundenen Ergebnis die Höhe der Haftungsverbindlichkeit zugrunde legt, muss schon deshalb stets eine (wenigstens rechnerisch getrennte) Sondermasse bilden und ein separates Verteilungsverzeichnis809) für die Kommanditistenhaftung erstellen, da die Berechnungsgrundlage für die Quotenzahlung aus der Insolvenzmasse und aus dem Haftungserlös nach § 171 Abs. 2 HGB dann unterschiedlich ist.810) Auch unter dem Gesichtspunkt der praktischen Umsetzung ist die Berechnung der Quotenausschüttung unter Zugrundelegung der Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit also vorteilhaft.
___________ Kohler, AcP 95 (1904), 339, 343 f.; ähnlich auch Unger, KTS 1960, 33, 36 f. Oepen, Massefremde Masse, Rn. 90 f. Oepen, Massefremde Masse, Rn. 91 (Hervorhebung im Original). Konsequent Unger, KTS 1960, 33, 36 f. Auch der Ausschluss von Gläubigern, die mit ihrer Forderung gegen die Gesellschaft nicht am Insolvenzverfahren partizipieren wäre kaum zu rechtfertigen. Für deren Berücksichtigung deshalb Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 33. 808) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 185 f., 200 ff., 204. Oepen selbst fordert widersprüchlicherweise zuvor in Rn. 91, die Haftungsgläubiger seien so zu stellen, wie „bei Eröffnung regulärer Insolvenzverfahren über die Vermögen der Haftungsschuldner [!]“. Auch Kohler, AcP 95 (1904), 339, 344 f., hält eine „Sonderverteilung“ grundsätzlich nicht für erforderlich. 809) Uhlenbruck-InsO/Wegener, § 188 Rn. 26. 810) Sofern das Bilden einer Sondermasse für entbehrlich gehalten wird, wenn ein Kommanditist allen Gläubigern haftet, wird die Verteilung anhand der Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit also entweder unausgesprochen vorausgesetzt oder übersehen, vgl. etwa Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 95; ausdrücklich aber C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296.
804) 805) 806) 807)
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
d) Folgen von Verteilungsfehlern Unterläuft dem Insolvenzverwalter bei der Verteilung des Haftungserlöses nach 381 § 171 Abs. 2 HGB ein Fehler, gelten dieselben Regeln, denen Fehler bei der Verteilung der sonstigen Insolvenzmasse unterliegen. In Betracht kommt dementsprechend sowohl die (teilweise) Rückforderung gegenüber dem Empfänger811) oder die Verrechnung im Rahmen späterer Ausschüttungen, als auch die Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den benachteiligten Gläubigern nach § 60 InsO.812) Schüttet der Verwalter beispielsweise Mittel aus der Inanspruchnahme eines aus- 382 geschiedenen Kommanditisten entsprechend eines schuldhaft fehlerhaft erstellten Verteilungsverzeichnisses auch an Neugläubiger aus und befinden sich keine ausreichenden Mittel mehr in der Masse, um diesen Nachteil auszugleichen, haftet der Insolvenzverwalter den Altgläubigern nach § 60 InsO.813) Das gleiche gilt, wenn man mit der herrschenden Meinung die Haftung des aktiven Kommanditisten für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten ablehnt und der Insolvenzverwalter den Haftungserlös zur Tilgung solcher Verbindlichkeiten einsetzt. Die erneute Inanspruchnahme des Kommanditisten für dieselben Haftungsverbindlichkeiten scheidet in diesen Fällen aus, da die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB bereits mit Zahlung an den Insolvenzverwalter nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sind.
e)
Auswirkungen einer Sondermasse auf die Partizipation an weiteren Sondermassen und an der allgemeinen Insolvenzmasse
Bei Existenz einer Sondermasse ist schließlich auch die Frage nach dem Verhältnis 383 dieser Sondermasse zu weiteren bestehenden Sondermassen (z.B. mehrere Kommanditisten sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus der Gesellschaft ausgeschieden814)) sowie einer (oder mehrerer) Sondermassen zur allgemeinen, keiner besonderen Zweckbindung unterliegenden Insolvenzmasse aufgeworfen. Genauer geht es darum, ob und ggf. wie bei der Verteilung der allgemeinen Insolvenzmasse oder einer Sondermasse berücksichtigt werden muss, dass ein Gläubiger zusätzlich an der Verteilung einer (anderen) Sondermasse beteiligt wurde oder werden wird. Selbstverständlich ist: Insgesamt kann ein jeder Gläubiger nur einmal vollständige Befriedigung verlangen. Ist ein Gläubiger beispielsweise vollständig aus der Haftung eines ihm haftenden ausgeschiedenen Kommanditisten befriedigt worden, er___________ 811) MüKo-InsO/Kebekus/Schwarzer, § 187 Rn. 22; Uhlenbruck-InsO/Wegener, § 187 Rn. 20 ff.; BeckOK-InsR/Nicht, § 187 InsO Rn. 26 ff. 812) Speziell für die Kommanditistenhaftung: Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 205; allgemeiner: Uhlenbruck-InsO/Sinz, § 60 Rn. 22; Beck/Depré/Ampferl/Zimmer, Praxis der Sanierung und Insolvenz, § 47 Rn. 177 f., hebt die Haftungsrisiken allgemein für die Bildung von Sondermassen hervor. 813) Entsprechend für die Verwendung des Erlöses aus der Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands: K. Schmidt-InsO/Sinz, § 170 Rn. 22. 814) F. Fuchs, GWR 2020, 439, spricht hier von „mehrere[n] ‚Untermassen‘“.
179
Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
hält er bei weiteren Verteilungen keine Ausschüttungen. Jenseits dieser Fälle muss zwischen dem Ausfallprinzip, das in § 52 S. 2 InsO für absonderungsberechtigte Gläubiger eine Ausprägung erfahren hat, und dem Grundsatz der Doppelberücksichtigung, § 43 InsO, entschieden werden.
aa) Ausfallprinzip und Haftungsbeschränkung bei fehlender Erforderlichkeit 384 Bei genauerer Untersuchung trifft § 52 S. 2 InsO zwei separate Regelungen.815) Erstens sind Gläubiger, die ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Gegenständen der Insolvenzmasse haben, nur dann zur Teilhabe an der übrigen Insolvenzmasse berechtigt, wenn sie aus dieser zu ihren Gunsten bestehenden Sondermasse keine vollständige Befriedigung erlangen. Zweitens ist bei der Berechnung ihrer Ausschüttungen aus der Insolvenzmasse nicht die ursprüngliche Höhe ihrer Forderungen maßgeblich, sondern nur der nach Befriedigung aus der Sondermasse verbleibende Forderungsrest.
385 Der Rechtsgedanke, welcher der ersten Aussage des § 52 InsO zugrundeliegt, beansprucht hinsichtlich der Haftung eines ausgeschiedenen Kommanditisten in jedem Fall Geltung: Anders als bei Absonderungsrechten816) fällt ein nach Befriedigung der Altgläubiger verbleibender „Haftsummenüberschuss“ nicht zugunsten der übrigen Gläubiger in die Insolvenzmasse. Ist die Partizipation an der sonstigen Insolvenzmasse aber schon insoweit ausgeschlossen, wie eine Sondermasse vorhanden ist, aus der die Sondermassegläubiger nur vorrangig zu befriedigen sind, muss dies erst recht der Fall sein, wenn die Sondermasse ausschließlich zur Befriedigung der Sondermassegläubiger verfügbar ist. In analoger Anwendung des § 52 S. 2 InsO müssen Altgläubiger deshalb vorrangig aus dem Haftungserlös eines ihnen haftenden ausgeschiedenen Kommanditisten befriedigt werden.
386 Die Bedeutung dieser Erkenntnis zeigt sich im Rahmen der Bestimmung des Haftungsumfangs bei fehlender Erforderlichkeit. Nach den zuvor dazu formulierten Regeln verringert sich die Summe der auf der Passivseite maßgeblichen Verbindlichkeiten bereits mit den Zahlungen eines vorher in Anspruch genommenen Kommanditisten an den Insolvenzverwalter in dem Umfang, in dem der Erlös auf die Gläubiger entfällt, denen er haftet.817) Das hat scheinbar zur Folge, dass es in Bezug auf ausgeschiedene Kommanditisten für den Haftungsumfang auf die Reihenfolge der Einziehung ankommen kann, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.818) ___________ 815) MüKo-InsO/Ganter, § 52 Rn. 2; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 52 Rn. 2; K. Schmidt/ Bitter, ZIP 2000, 1077, 1078. 816) Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 170 Rn. 9a; Jaeger-InsO/Eckardt, § 170 Rn. 137. 817) S. oben Rn. 269 ff. Die Problematik stellt sich deshalb auch dann, wenn man die Haftungsbeschränkung bei fehlender Erforderlichkeit auf § 242 BGB stützt. 818) Zur Vereinfachung wird die Kostenentnahme aus dem Haftungserlös hierbei ausgeblendet, s. dazu oben Rn. 353 ff.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Die X-KG, über deren Haftungsmasse das Insolvenzverfahren eröffnet ist, hat einen 387 Kommanditisten, K1 (Haftsumme: 3.000 €). K2 und K3 sind zuvor als Kommanditisten (Haftsumme: jeweils 3.000 €) aus der X-KG ausgeschieden. Eigenes Vermögen hat die X-KG nicht. Die Gesellschaft hat drei Gläubiger, A, B und C, die jeweils eine Forderung i.H.v. 3.000 € haben. Weil die Forderung des C erst nach dem Ausscheiden des K2 begründet wurde, haftet letzterer nur A und B. K3 ist noch vor K2 ausgeschieden und haftet lediglich dem A. Nimmt der Insolvenzverwalter zunächst K3 nach § 171 Abs. 2 HGB i.H.d. Haftsumme in Anspruch, so kann A bereits aus diesem Erlös vollständig befriedigt werden. Geht er anschließend in gleicher Höhe gegen K2 nach § 171 Abs. 2 HGB vor, ist auch für die Befriedigung von B gesorgt. Nach der folgenden Inanspruchnahme des K1 können A, B und C also vollständig befriedigt werden. Geht der Insolvenzverwalter in umgekehrter Reihenfolge vor, scheint das Ergebnis ein anderes zu sein. Der Erlös aus der Inanspruchnahme des K1 stünde A, B und C jeweils zu einem Drittel (1.000 €) zu, der Erlös aus der Inanspruchnahme des K2 B und C hälftig (1.500 €). Schon bevor der Insolvenzverwalter schließlich gegen K3 vorgeht, wäre danach also bereits i.H.v. 2.500 € für die Befriedigung des A gesorgt. Eine Leistung des K3 auf seine Haftung wäre deshalb nur i.H.v. 500 € erforderlich. Während A auch in diesem Fall vollständig befriedigt würde, erhielte B lediglich 2.500 € und C gar nur 1.000 €. Dieses Ergebnis erscheint zufällig. Der Insolvenzverwalter würde so zwar nicht 388 vor unlösbare Aufgaben gestellt: Um die suboptimale Ausschöpfung der Haftung aller Kommanditisten und damit seine eigene Haftung nach § 60 InsO zu vermeiden, könnte er die Kommanditisten nach der Reihenfolge ihres Ausscheidens in Anspruch nehmen. Weil aber bei dieser Vorgehensweise vor der Inanspruchnahme eines Kommanditisten die Leistungen aller (vor ihm) Ausgeschiedenen (und dafür ggf. der Ausgang entsprechender Gerichtsprozesse) abgewartet werden muss, würde die Inanspruchnahme unter Umständen zahlreicher Kommanditisten nacheinandergeschaltet und es käme zu einer potenziell erheblichen Verlängerung der Verfahrensdauer. Überdies wäre es recht unglücklich, sollte der Insolvenzverwalter tatsächlich gezwungen sein, zuerst die ausgeschiedenen Kommanditisten in Anspruch zu nehmen, die im Innenverhältnis regelmäßig von den übrigen Gesellschaftern freizustellen sind. Diese praktischen Probleme erledigen sich durch die Anwendung des § 52 S. 2 InsO restlos: Soweit die sonstige Insolvenzmasse nicht neben der vollständigen Befriedigung der Neugläubiger auch für ihre Befriedigung genügt, sind Altgläubiger vorrangig aus der bestehenden Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten zu befriedigen. Die vorherigen Leistungen anderer Gesellschafter und die in der allgemeinen Insolvenzmasse vorhandenen Mittel führen bei der Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten mit anderen Worten nur zu einer Reduzierung des Haftungsumfangs, soweit daraus selbst bei Befriedigung aller Neugläubiger ein Überschuss entsteht, der nur auf die Altgläubiger ent-
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
fallen kann.819) Die Reihenfolge der Inanspruchnahme ist in der Folge nicht von Bedeutung. Finden vor der geplanten Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten Abschlagsverteilungen aus der allgemeinen Masse statt, so finden die §§ 190 Abs. 3 S. 2, 192 InsO ebenfalls analoge Anwendung.
389 Der Insolvenzverwalter ist aufgrund der Verteilungssperre des § 52 S. 2 InsO jedoch nicht unter Einschränkung seines Auswahlermessens820) angehalten, ausgeschiedene Kommanditisten vorrangig in Anspruch zu nehmen.821) Gewährleistet er die Volldeckung aller Gläubiger durch Inanspruchnahme anderer Gesellschafter, entfällt die Haftung des Ausgeschiedenen mangels Erforderlichkeit. Die Auswahlentscheidung des Insolvenzverwalters hat dann eine dem in § 52 S. 2 InsO genannten Verzicht vergleichbare Wirkung, sodass die Altgläubiger an der Verteilung der sonstigen Insolvenzmasse teilhaben können.
bb) Quotenberechnung: Doppelberücksichtigung oder Beschränkung auf die Ausfallforderung? 390 In einem zweiten Schritt ist nun zu klären, wie sich die – nicht zur vollständigen Befriedigung führende – Beteiligung an einer Sondermasse auf die Höhe von Ausschüttungen aus weiteren Sondermassen oder der allgemeinen Insolvenzmasse auswirkt. Die Insolvenzordnung bietet mit dem Grundsatz der Doppel- oder Vollberücksichtigung, § 43 InsO, wonach bei der Berechnung der Quote die ursprüngliche Forderungshöhe anzusetzen ist,822) und dem Ausfallprinzip, § 52 S. 2 InsO, das zu einer Berücksichtigung nur in Höhe des nach der Sondermasseverteilung verbleibenden Ausfalls führt,823) zwei potenzielle Lösungsmöglichkeiten.
___________ 819) Im oben geschilderten Beispiel könnte der Insolvenzverwalter K3 also unabhängig davon in Anspruch nehmen, ob zuvor bereits K1 und K2 geleistet haben. Zu einer Haftungsreduzierung des K3 käme es beispielsweise, wenn erstens die Haftsumme von K1 oder K2 4.000 € betrüge oder B lediglich eine Forderung i.H.v. 2.000 € gegen die X-KG hätte und zweitens K1 und K2 bereits vor K3 in Höhe ihrer Haftsumme an den Verwalter geleistet haben. 820) S. zu diesem Ermessen oben Rn. 219 ff. 821) Davon ausgehend für den Fall der Anwendung des § 52 S. 2 InsO (zu § 93 InsO) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 191 f. 822) Für dessen Anwendung: Oepen, Massefremde Masse, Rn. 210; Michel, KTS 1991, 67, 77 ff. (noch zum Konkursrecht); zu § 93 InsO: Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 188 ff.; Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 665 ff. 823) Von letzterem müssen C. Scholz/Hölken, ZInsO 2019, 293, 296, ausgehen, da sie annehmen, das Vorhandensein einer Sondermasse führe stets auch zu einer Besserstellung der übrigen Gläubiger durch eine Erhöhung ihrer Quotenausschüttung.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
(1) Alternative Lösungsvorschläge und Abgrenzung Weitere Optionen bringen Häsemeyer824) und Kesseler (zu unbeschränkten Gesell- 391 schafterhaftung)825) ins Spiel. Häsemeyer geht davon aus, dass die Altgläubiger grundsätzlich aus dem gesamten ihnen haftenden Vermögen (allgemeine Masse und Sondermasse) dieselbe Quote erhalten wie die Neugläubiger aus der allgemeinen Masse. Nur soweit die Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten dadurch nicht vollständig „verbraucht“ werde, verbleibe den Altgläubigern eine erhöhte Quote.826) Dadurch wird der Vorteil der Altgläubiger im Interesse einer möglichst weitgehenden Gleichbehandlung mit den übrigen Gläubigern erheblich zurückgeschnitten und in vielen Fällen vollständig beseitigt.827) Kesseler erwägt dagegen, die Quote der Altgläubiger grundsätzlich in dem Verhältnis gegenüber der Quote der Neugläubiger zu erhöhen, in dem die gesamte Insolvenzmasse (Sondermasse und allgemeine Masse) die allgemeine Masse übersteigt.828) Sofern die Altgläubiger bereits bei Verteilung nur der Sondermasse eine höhere als die so errechnete Quote erzielen, seien sie an der Verteilung der sonstigen Masse nicht mehr zu beteiligen.829) Zwar sind damit gewiss zwei weitere in sich schlüssige Ansätze formuliert, um einzelnen Gläubigern bei der Verteilung der Insolvenzmasse zustehenden Vorteilen im Verhältnis zu den sonstigen Gläubigern Rechnung zu tragen. Ihre zentrale Schwäche – gerade gegenüber der Anwendung des § 43 InsO oder des § 52 S. 2 InsO – besteht aber darin, dass sie keinerlei Stütze im Gesetz für sich be___________ 824) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 71 f.; kritisch dazu Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 673 f.; Michel, KTS 1991, 67, 78 f. 825) Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 675. 826) Mit diesem Verständnis auch Michel, KTS 1991, 67, 78; Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 672; zu der von Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, Fn. 130, festgehaltenen Berechnungsformel passt seine Beschreibung freilich nicht. 827) Die Altgläubiger erhalten nach Häsemeyers Vorschlag nur eine höhere Quote als die Neugläubiger, wenn die Summe der Altverbindlichkeiten einen kleineren Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten ausmacht als die Sondermasse an der Gesamtmasse. In Häsemeyers Ansatz schwingt gewiss auch seine andernorts ausgedrückte allgemeine (vorwiegend rechtspolitische) Zurückhaltung bezüglich der Gewährung von Befriedigungsvorteilen in der Insolvenz mit, vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.18 ff., 2.32, 2.35, 28.20. 828) Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 675, der diesen Vorschlag jedoch selbst verwirft und im Ergebnis zur Anwendung des § 43 InsO gelangt. 829) Vereinfachte Vergleichsrechnung mit gerundeten Ergebnissen: Die Insolvenzmasse einer KG beträgt insgesamt 300.000 €, davon stammen 50.000 € aus der Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten. Die Forderungen der Altgläubiger betragen insgesamt 180.000 €, die der Neugläubiger 750.000 €. Nach dem Vorschlag Häsemeyers erhielten die Altgläubiger (insgesamt) und die Neugläubiger im Ergebnis gleichermaßen eine Quote von 32 %, wovon für die Altgläubiger 28 % aus der Sondermasse und 4 % aus der übrigen Masse getragen werden. Nach Kesseler ergäben sich Quoten von 37 % (Altgläubiger) und 31 % (Neugläubiger): Die den Altgläubigern haftende Gesamtmasse ist um 20 % größer als die allgemeine Masse, weshalb die Quote der Altgläubiger ebenfalls um 20 % über derjenigen der Neugläubiger liegt. Die Anwendung des § 52 S. 2 InsO hätte Quoten von 48 % (Altgläubiger) sowie 28 % (Neugläubiger) und die Anwendung des § 43 InsO Quoten von 55 % (Altgläubiger) sowie 28 % (Neugläubiger) zur Folge.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
anspruchen können. Möchte man die Vorgaben des Gesetzgebers, wie sich Befriedigungsvorteile auf die Verteilung der Insolvenzmasse auswirken, nicht ignorieren, muss es deshalb bei der Auswahl zwischen Doppelberücksichtigung nach § 43 InsO und dem Ausfallprinzip i.S.d. § 52 S. 2 InsO bleiben.
392 Hierbei handelt es sich nicht um die Streitfrage, die bei Einführung der Insolvenzordnung (vorwiegend zu § 93 InsO) entbrannt ist. Dort wurde diskutiert, inwieweit das vormals in § 212 KO geregelte Ausfallprinzip auch ohne explizite Regelung nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung Geltung beansprucht.830) Es musste dabei zwar ebenfalls zwischen Ausfallprinzip und Grundsatz der Doppelberücksichtigung entschieden werden, jedoch in umgekehrter Richtung, ob der Gesellschaftsinsolvenzverwalter bei Doppelinsolvenz im Insolvenzverfahren des Gesellschafters die volle Forderungshöhe oder nur die im nach dem Gesellschaftsverfahren verbleibende Ausfallforderung geltend machen kann. Während die Anwendung des Ausfallprinzips i.S.d. § 212 KO die Verteilung der Insolvenzmasse des Gesellschafters betraf (Schutz dessen Privatgläubiger),831) geht es bei der im Folgenden erwogenen analogen Anwendung des § 52 S. 2 InsO (als Nachfolgeregelung des § 64 KO) um die – nach den Maßstäben des Gesetzes – gerechte Verteilung der Gesellschaftsinsolvenzmasse, mithin um den Schutz der Neugläubiger.832)
(2) Zugehörigkeit des Haftungsobjekts zur Insolvenzmasse als ausschlaggebendes Kriterium 393 Obwohl § 52 S. 2 InsO nur auf Realsicherheiten direkt anwendbar ist und § 43 InsO nur auf die Haftung zusätzlicher Personen, kommt es für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Vorschriften nicht darauf an, ob eine zusätzliche Person oder eine Sache für die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners haftet.833) Hat beispielsweise ein Gläubiger seine Forderung gegen den Insolvenzschuldner durch ein Pfandrecht an einer Sache eines Dritten gesichert, ist anerkannt, dass nicht § 52 S. 2 InsO, sondern analog § 43 InsO der Doppelberücksichtigungsgrundsatz gilt.834) ___________ 830) Hierzu (für die unbeschränkte persönliche Gesellschafterhaftung) eingehend K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1082 ff.; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 161 ff. 831) Jaeger-KO/Weber, § 212 Rn. 3; Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 670. 832) Vgl. zum Schutzzweck des § 52 InsO: Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 52 Rn. 3; MüKo-InsO/ Ganter, § 52 Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/H. Prütting, 66. EL. 11/2015, § 52 Rn. 3. 833) K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077; a.A. offenbar Kesseler, Insolvenzverfahren einer Partnerschaftsgesellschaft, Rn. 670. 834) BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 61/09, ZIP 2011, 180, Rn. 7; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 43 Rn. 15; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 52 Rn. 1; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 52 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 75. EL. 03/2018, § 43 Rn. 7; noch zu § 68 KO: BGH, Urt. v. 9.5.1960 – II ZR 95/58, NJW 1960, 1295, 1296; a.A. (für die „isolierte Sachhaftung“ eines Dritten [d.h. ohne gleichzeitige persönliche Haftung]) HK-InsO/Keller, § 43 Rn. 5.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
Entscheidend ist vielmehr das Folgende: § 52 S. 2 InsO trifft eine Regel in Bezug 394 auf eine einheitliche Haftungsmasse.835) Einem absonderungsberechtigten Gläubiger steht zwar ein Vermögensgegenstand zur Verfügung, aus dem er ohne Rücksicht auf die sonstigen am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger befriedigt wird. Dabei handelt es sich nichtsdestotrotz um einen Bestandteil der Insolvenzmasse. § 52 S. 2 InsO ist als zentrale Ausprägung eines allgemeinen Verteilungsprinzips zu begreifen, das auch in § 30 Abs. 6 S. 4 PfandBG sowie – durch Verweis auf § 52 InsO – in § 331 Abs. 1 InsO836) und § 32 Abs. 4 S. 2 DepotG niedergelegt ist: Wer im Insolvenzfall aus einem abgrenzbaren Teil einer Haftungsmasse vorrangige Befriedigung erlangen kann, der nimmt an der Verteilung der sonstigen Masse lediglich mit seiner Ausfallforderung teil. § 43 InsO setzt dagegen voraus, dass ein Gläubiger zur Befriedigung auf eine zweite Haftungsmasse zugreifen kann837) und regelt das Verhältnis beider Massen zueinander. Dies gibt der Wortlaut der Vorschrift preis, indem er voraussetzt, dass für jeden Schuldner ein eigenes Insolvenzverfahren stattfindet oder zumindest stattfinden kann („im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner“). Man mag die von § 43 InsO geforderten getrennten Insolvenzverfahren für entbehrlich halten, wenn die Verwertung massefremder Forderungen aus Praktikabilitäts- oder sonstigen Gründen organisatorisch an ein Insolvenzverfahren angegliedert ist. Sofern man nicht der Deutung Oepens838) ___________ 835) K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077: „Das Ausfallprinzip passt eben nur auf […] Sicherungsrechte am Vermögen des Insolvenzschuldners […], nicht auf die Haftung eines Drittvermögens“. Die Nichtanwendung bei massefremden Haftungsobjekten betonen auch UhlenbruckInsO/Brinkmann, § 52 Rn. 8; Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 43 Rn. 31; MüKo-InsO/Ganter, § 52 Rn. 6; K. Schmidt-InsO/Thole, § 52 Rn. 2; HK-InsO/Lohmann, § 52 Rn. 3; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 210. 836) Der Nachlass wird zwar (bei Doppelinsolvenz) wegen des gesonderten Nachlassinsolvenzverfahrens nicht zur Insolvenzmasse des Erben gezählt (Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 75. EL. 03/2018, § 331 Rn. 3 [„zwei Insolvenzmassen“]). Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei aber um einen Teil der Haftungsmasse des Erben, der zur Sicherung der gegenständlichen Haftungsbeschränkung aus § 1975 BGB einerseits und der bloß prioritären haftungsrechtlichen Zuweisung an die Nachlassgläubiger, § 325 InsO, andererseits organisatorisch getrennt abgewickelt wird. Das zeigt sich auch daran, dass ein Überschuss aus dem Nachlassinsolvenzverfahren nach § 199 S. 1 InsO in die Insolvenzmasse des Erben fällt (vgl. zur Geltung der allgemeinen Vorschriften für das Nachlassinsolvenzverfahren und zur Stellung des Erben als Insolvenzschuldner MüKo-InsO/Siegmann/Scheuing, vor §§ 315 – 331 Rn. 1, Anh. § 315 Rn. 1). Auch im Falle des § 30 Abs. 6 S. 4 PfandBG findet zwar ein gesondertes Insolvenzverfahren über die Deckungsmasse statt, § 30 Abs. 6 S. 2 PfandBG. Es handelt sich aber um Vermögen, das nach allgemeinen Maßstäben zu derjenigen Insolvenzmasse gehört, bei deren Verteilung die betroffenen Gläubiger auf ihren Ausfall beschränkt werden. 837) Dies wird lediglich zur Begründung der analogen Anwendung im Falle der „Sachmithaftung“ ausgesprochen, vgl. Uhlenbruck-InsO/Knof, § 43 Rn. 15 („haften rechtlich getrennte Vermögensmassen“); MüKo-InsO/Bitter, § 43 Rn. 19 („haften zwei verschiedene Vermögensmassen“); auch Jaeger-InsO/Eichel, 2. Aufl. 2023, § 43 Rn. 31, hebt die Massefremdheit des Haftungsobjekts als entscheidenden Gesichtspunkt hervor. 838) Vgl. oben Rn. 379. Oepen, Massefremde Masse, Rn. 210, selbst lehnt die analoge Anwendung des § 52 S. 2 InsO konsequenterweise ab.
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Zweiter Teil: Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
folgt, liegt es in Bezug auf § 171 Abs. 2 HGB aber anders. Die Verwertung der beschränkten Kommanditistenhaftung erfolgt nicht selbständig neben dem Gesellschaftsinsolvenzverfahren, sondern als Bestandteil dieses Verfahrens, weil die Haftungsansprüche Teil der Gesellschaftsinsolvenzmasse sind. Es fehlt deshalb schlicht an einer Haftung mehrerer Personen in dem Sinne, den § 43 InsO voraussetzt. Für die Behandlung von Befriedigungsvorrechten an Bestandteilen der Insolvenzmasse ist § 52 S. 2 InsO die einschlägige Regelung.
395 Oepen hat gegen die Anwendung des § 52 S. 2 InsO eingewendet, dass ein Altgläubiger der Insolvenzmasse anders als ein absonderungsberechtigter Gläubiger, der sich z.B. an einem Massegegenstand ein Pfandrecht hat einräumen lassen, nichts entzogen habe und somit die Befriedigungschancen der Neugläubiger nicht geschmälert habe.839) Auch an anderer Stelle findet sich in der Literatur die allgemeine Aussage, absonderungsberechtigte Gläubiger würden nach § 52 S. 2 InsO auf ihre Ausfallforderung beschränkt, weil sie der Masse etwas entzogen haben.840) Allerdings stehen den Altgläubigern nur dann und nur deshalb Haftungsansprüche zu, wenn und weil der haftende Kommanditist der Gesellschaft entweder nie eine Einlage zugunsten aller Gesellschaftsgläubiger zugeführt hat oder diese Einlage nicht bis zum Ablauf der Nachhaftungsfrist bei der Gesellschaft belassen hat, §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB. Darauf, ob die Entstehung des besonderen Haftungsobjekts „nur“ als gesetzliche Folge einer Masseschmälerung eintritt oder ob die Gewährung des vorrangigen Befriedigungsrechts selbst diese Schmälerung herbeigeführt hat, kann es entgegen Oepen841) nicht ankommen.
396 Hat ein Gläubiger bereits Ausschüttungen aus einer Sondermasse nach § 171 Abs. 1, 2 InsO erhalten, ist er nach alledem bei der Berechnung aller weiteren Quotenausschüttungen sowie bei der Bemessung von Rückstellungen analog § 190 Abs. 3 S. 2 InsO und Gleichstellungszahlungen nach § 192 InsO nicht mit seiner ursprünglichen Forderungshöhe, sondern in analoger Anwendung des § 52 S. 2 InsO nur mit der Höhe des (ggf. voraussichtlichen) Ausfalls zu berücksichtigen.
IV. Zusammenfassung 397 Die Tatsache, dass die Haftungsansprüche Bestandteil der Insolvenzmasse der Gesellschaft sind, führt dazu, dass ihre Behandlung im Insolvenzverfahren im Wesentlichen den gleichen Regeln unterliegt, die für die sonstige Insolvenzmasse gelten. Es ist die notwendige Folge des sparsamen Gesetzestextes in § 171 Abs. 2 HGB, dass zahlreiche Analogiebildungen die konkrete Ausgestaltung der Einziehung und ihrer Folgen prägen. ___________ 839) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 210. 840) HK-InsO/Lohmann, § 52 Rn. 3; MüKo-InsO/Ganter, § 52 Rn. 6. 841) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 210.
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C. Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB
§ 171 Abs. 2 HGB regelt keine cessio legis. Stattdessen entzieht die Vorschrift den 398 Haftungsgläubigern ihre Verfügungsbefugnis über die inhaltlich unverändert fortbestehenden Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB und weist sie dem Insolvenzverwalter ausschließlich zu. Als Folge gehen zugleich die alleinige Empfangszuständigkeit für Haftungsleistungen und die Prozessführungsbefugnis über. Kommanditisten können nur noch in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung befreiend an die Gläubiger leisten, § 82 InsO analog. Aufrechnungen mit den oder gegen die Haftungsansprüche sind zudem nach Verfahrenseröffnung für Gläubiger und Kommanditisten ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter kann wählen, ob er den Kommanditisten nach § 80 Abs. 1 InsO aufgrund einer ausstehenden Einlagepflicht oder nach § 171 Abs. 2 HGB aufgrund der Außenhaftung in Anspruch nimmt und auch gegen welchen haftenden Kommanditisten er vorgeht. Das Recht des Kommanditisten, sich durch Leistungen einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten (Sach-)Einlage von seiner Haftung zu befreien, bleibt durch die Wahl des Verwalters unberührt. Weil die Gläubiger den Kommanditisten nicht mehr individuell in Anspruch nehmen können, beschränkt sich die Funktion der Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB für die Dauer des Insolvenzverfahrens auf die Deckung der Gesellschaftsschulden. Infolgedessen ist die Haftung im Wege der teleologischen Reduktion auf den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag zurückzuschneiden. Sofern ein Kommanditist allen am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern haf- 399 tet – was für den aktiven Kommanditisten die Regel ist –, kann der Erlös aus der Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB ohne jede Besonderheit mit der sonstigen Insolvenzmasse verwaltet und verteilt werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Haftungserlös lediglich den berechtigten Haftungsgläubigern haftungsrechtlich zugewiesen und bildet eine Sondermasse. Auf die Sondermasse finden im Wesentlichen die für den Erlös aus der Verwertung von Absonderungsgut geltenden Vorschriften (im Analogiewege) Anwendung. Insbesondere gilt dies für die §§ 52 S. 2, 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO, § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, 2 InsVV und § 1247 S. 2 BGB. Bei der Verteilung des Erlöses sind der insolvenzrechtliche Rang und die Höhe der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeit maßgeblich.
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Dritter Teil: Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung Die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung 400 der Haftungsansprüche ist auch im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens von Bedeutung, weil die Bündelung dieser Mittel in der Insolvenzmasse ihre Einbeziehung in den Insolvenzplan erlaubt. Dies macht es insbesondere möglich, den Haftungserlös durch Reinvestitionen in das schuldnerische Unternehmen sanierungsförderlich einzusetzen, anstatt ihn schlicht an die Haftungsgläubiger auszuschütten. Ordnet das Insolvenzgericht nach § 233 InsO die Aussetzung der Verwertung und Verteilung der Masse an, um die potenziell für die Sanierung notwendigen Mittel zu erhalten, liegt deshalb auf der Hand, dass auch die Verteilung des Haftungserlöses nach § 171 Abs. 2 HGB an die berechtigten Gläubiger davon erfasst sein muss.842) Einer gesonderten Anordnung bedarf es hierfür wegen der Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche und des Erlöses nicht.843)
A. Stellung der Haftungsgläubiger I.
Voraussetzungen für die abweichende Verwendung des Haftungserlöses
Der Eingriff in die Rechte der Haftungsgläubiger bedarf freilich einer Regelung im 401 Plan. Rechtstechnisch bedarf es hierfür in jedem Fall der Übertragung der Gläubigerrechte an dem Erlös an die Gesellschaft, § 228 S. 1 InsO, oder, falls die Inanspruchnahme von Kommanditisten erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgen soll, der Ermächtigung der Gesellschaft zur Geltendmachung der Haftungsansprüche. Soweit im Plan eine Kürzung der Gesellschaftsverbindlichkeiten vorgenommen wird, ist damit ein entsprechender Erlass der Erlösauskehransprüche der Gläubiger gegen die Gesellschaft – nicht: der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB gegen den Kommanditisten – zu kombinieren. Soweit die (haftungsauslösenden) Ansprüche der Gläubiger gegen die Gesellschaft lediglich gestundet werden, bedarf es der Änderung des Schuldinhalts von dem gegenständlich auf den konkreten Haftungserlös gerichteten Auskehranspruch aus § 667 BGB hin zu einem (erst nach dem Stundungszeitraum fälligen) Zahlungsanspruch. Die Stundung der ursprünglichen Forderung gegen die Gesellschaft genügt insoweit nicht, denn diese geht analog § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf den leistenden Kommanditisten über.844) Diese Eingriffe betreffen im Regelfall lediglich die Haftungsgläubiger, die zu- 402 gleich Insolvenzgläubiger sind. Die Position der Massegläubiger in Bezug auf ihre ___________ 842) S. zum Zweck der Anordnung die Begründung des RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 204. Für die Anwendbarkeit im Rahmen des § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 89. 843) A.A. Oepen, Massefremde Masse, Rn. 251. 844) Zum Schicksal dieser Forderung sowie der weiteren Regressansprüche des Kommanditisten im Insolvenzplanverfahren s. unten Rn. 406 ff.
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Dritter Teil: Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung
Haftungsforderungen wird durch den Plan dagegen – ausgenommen eine freiwillige Beteiligung – nur berührt, soweit die Rechte der Massegläubiger insgesamt einer Planregelung zugänglich sind. Dies betrifft einzig den Fall der Masseunzulänglichkeit und hier lediglich die Massegläubiger i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, §§ 217, 210a Nr. 1 InsO.845)
403 Die Abstimmung über den Insolvenzplan erfolgt in Gruppen, §§ 243, 222 InsO. Eine eigene Gruppe der (in den Plan einbezogenen) Haftungsgläubiger ist dabei für den (nicht ausgeschiedenen) Kommanditisten weder gesetzlich vorgeschrieben, vgl. § 222 Abs. 1 InsO, noch bietet die Einordnung als Haftungsgläubiger grundsätzlich ein Kriterium zur sachgerechten Differenzierung, vgl. § 222 Abs. 2 InsO, denn der Kommanditist haftet allen Gläubigern gleichermaßen.
II. Sondermasse-Haftungsgläubiger 404 Ist dies einmal nicht der Fall, insbesondere also beim ausgeschiedenen Kommanditisten, besteht durchaus ein relevanter Unterschied zwischen der Rechtsstellung der Neugläubiger, die lediglich auf die Insolvenzmasse im Gesellschaftsvermögen zugreifen können, und der Altgläubiger, denen zusätzlich die Haftungsansprüche und der daraus resultierende Erlös zur Befriedigung zugewiesen sind. In diesen Fällen finden mit Blick auf die bereits festgestellte Vergleichbarkeit mit der Situation eines absonderungsberechtigten Gläubigers § 223 InsO sowie ggf. die §§ 222 Abs. 1 Nr. 1, 237 Abs. 1 S. 2, 238 InsO analoge Anwendung.
405 Eingriffe in die Stellung der Sondermasse-Haftungsgläubiger werden jedoch selten sein. Zu einer Einbeziehung absonderungsberechtigter Gläubiger in einen Insolvenzplan kommt es häufig, wenn das Absonderungsrecht an einem betriebsnotwendigen Gegenstand besteht.846) Um diesen Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens zu erhalten, wird dem Absonderungsberechtigten beispielsweise eine (die Betriebsfortführung nicht gefährdende) Ersatzsicherheit eingeräumt, das Absonderungsgut durch Leistung auf die gesicherte Forderung ausgelöst oder das Sicherungsrecht gestundet.847) Im Rahmen der Kommanditistenhaftung stehen dagegen keine Rechte an betriebsnotwendigen Gegenständen in Frage, sondern stets eine Geldleistung, die für die Erfolgsaussichten des Sanierungsvorhabens nur ausnahmsweise von essentieller Bedeutung sein wird. ___________ 845) BGH, Beschl. v. 16.2.2017 – IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78, 84 f. = NJW 2017, 2280, Rn. 21 f.; MüKo-InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 74, 80; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 217 Rn. 36; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Spahlinger, 89. EL. 08/2021, § 217 Rn. 30. 846) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Spahlinger, 78. EL. 11/2018, § 223 Rn. 2; Uhlenbruck-InsO/ Lüer/Streit, § 223 Rn. 1. 847) MüKo-InsO/Breuer, § 223 Rn. 13 ff., 23; HambK-InsR/Thies/Lieder, § 223 InsO Rn. 5; s. zur Frage inwieweit ein Sicherheitentausch überhaupt einen Eingriff in das Sicherungsrecht darstellt Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Spahlinger, 78. EL. 11/2018, § 223 Rn. 15.
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B. Stellung des Kommanditisten
B. Stellung des Kommanditisten I.
Regresserlass
Es wurde bereits festgestellt, dass die Zuordnung der Haftungsansprüche zur In- 406 solvenz- und Sanierungsmasse der Gesellschaft die Sanierung nicht „automatisch“ dadurch erleichtert, dass die Gesellschaftsbilanz durch diese Mittel aufgebessert würde (sei es auch durch Tilgung von Verbindlichkeiten).848) Bilanziell ist die Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB vielmehr ein Nullsummenspiel, da grundsätzlich jede Haftungsleistung eines Kommanditisten eine entsprechende Regressverpflichtung der Gesellschaft auslöst. Denkbar ist allerdings, dass der Insolvenzplan einen (vollständigen) Erlass dieser Regressansprüche der in Anspruch genommenen Kommanditisten gegen die Gesellschaft849) vorsieht. Tatsächlich bedarf es dazu grundsätzlich nicht einmal einer ausdrücklichen Rege- 407 lung, da § 225 Abs. 1, 2 InsO analog anzuwenden ist: Die Regressansprüche eines Kommanditisten gegen die Gesellschaft aus der Befriedigung einzelner Gläubiger sowie aus einer Leistung an den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB sind erst dann durchsetzbar, wenn alle Forderungen vollständig befriedigt werden, für die er haftet, denn nur in diesem Fall führt die Leistung auf die Regressansprüche nicht zum Wiederaufleben der akzessorischen Außenhaftung analog § 172 Abs. 4 HGB.850) Weil Kommanditisten grundsätzlich auch für jede nachrangige Insolvenzforderung haften,851) werden die Regressansprüche erst nach diesen nachrangigen Insolvenzgläubigern berücksichtigt. Wegen dieses faktischen Nachrangs – beruhe er auch auf dem gesellschaftsrechtlichen Haftungsmechanismus und nicht auf Insolvenzrecht – ergibt sich die Anwendung des § 225 Abs. 1 InsO aus einem Erst-recht-Schluss. Die Kommanditisten bilden insoweit grundsätzlich keine eigenständige Gruppe, vgl. § 222 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO, und sind im Rahmen der Planannahme nicht stimmberechtigt.852) Für den ausgeschiedenen Kommanditisten gilt dies regelmäßig nicht: Seine Haf- 408 tung kann durch Leistung der Gesellschaft auf Regressansprüche schon dann nicht ___________ 848) S. oben bei Fn. 517. 849) Ist die Inanspruchnahme einiger oder aller Kommanditisten noch nicht erfolgt, steht dies dem Erlass nicht entgegen. In diesem Fall betrifft er den bereits zuvor bestehenden Freistellungsanspruch und der Regressanspruch gelangt schon nicht zur Entstehung. Unberührt bleiben selbstverständlich etwaige Regressansprüche gegen andere Gesellschafter. 850) BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28, 47 = NJW 2021, 928, Rn. 52; Urt. v. 28.1.2021 – IX ZR 54/20, NJW 2021, 938, Rn. 33; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 150 ff.; MüKo-InsO/Bitter, § 44 Rn. 37; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 44 Rn. 7; Böcker, DZWIR 2021, 587, 595; zur Anwendung des § 172 Abs. 4 S. 1 HGB bei Leistung auf Regressansprüche Staub-HGB/Thiessen, § 172 Rn. 104. 851) S. oben Rn. 163 f. 852) Vgl. entsprechend für nachrangige Gläubiger BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 188/09, BGHZ 185, 206, 214 = ZIP 2010, 1039 Rn. 35; K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 225 Rn. 1.
191
Dritter Teil: Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung
mehr aufleben, wenn nur die Altgläubiger vollständig befriedigt worden sind. Seine Teilnahme mit diesen Ansprüchen am Gesellschaftsinsolvenzverfahren wird deshalb bereits ab diesem Zeitpunkt für möglich gehalten,853) abhängig vom Kreis der Altgläubiger also auch vor Befriedigung aller (nicht nachrangigen) Insolvenzgläubiger. Dem oben formulierten Erst-recht-Schluss und der Analogie zu § 225 Abs. 1, 2 InsO ist dann die Grundlage entzogen.
II. Planerstreckung auf den Kommanditisten 409 Schließlich bedarf der Klärung, inwieweit Regelungen im Plan über Gesellschaftsverbindlichkeiten auch auf die durch sie ausgelösten Haftungsverbindlichkeiten durchschlagen.
410 Nach § 227 Abs. 2 InsO werden persönlich haftende Gesellschafter in Ermangelung einer besonderen Bestimmung durch den Insolvenzplan in gleichem Umfang von ihren Haftungsverbindlichkeiten befreit, wie der Insolvenzschuldner von den zugrundeliegenden Verbindlichkeiten. Während die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten der InsO, die Vergleichswirkung nach § 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO und § 211 Abs. 2 KO gelte nicht für einen Kommanditisten, teilweise auf die Planerstreckung nach § 227 Abs. 2 InsO übertragen wurde,854) erfasst der dortige Begriff „persönliche Haftung der Gesellschafter“ nach inzwischen herrschendem Verständnis auch die beschränkte Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB.855)
411 In der Tat ist eine Erstreckung der Planwirkungen auf den Kommanditisten im Ergebnis notwendig: Im Anschluss an die rechtskräftige gerichtliche Planbestätigung, § 248 InsO, hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, § 258 Abs. 1 InsO, womit auch die Verfahrenswirkungen enden, § 259 InsO. In der Folge kann der Schuldner wieder frei über sein Vermögen verfügen, § 259 Abs. 1 S. 2 InsO, und die Gläubiger können grundsätzlich wieder eigenständig in sein Vermögen vollstrecken, §§ 257, 259a InsO. Wie für das Gesellschaftsvermögen ist ab diesem ___________ 853) K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 150 ff.; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 44 Rn. 7; MüKo-InsO/ Bitter, § 44 Rn. 37; im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 57 ff. = NJW 1958, 787, 788. 854) Schlitt, NZG 1998, 755, 761; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 139; Reichert-GmbH & Co. KG/Salger, § 49 Rn. 110; noch zu § 211 Abs. 2 KO und § 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO: RG, Urt. v. 31.1.1936 – II 209/35, RGZ 150, 163, 166 ff.; BGH, Urt. v. 25.5.1970 – II ZR 183/68, NJW 1970, 1921, 1922; Lambsdorff, MDR 1973, 362, 364 f.; a.A. Jaeger-KO/Weber, § 211 Rn. 4; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 61 f.; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 165 ff. 855) Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 161, 206 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 136; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 227 Rn. 19; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 89; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 102; K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 227 Rn. 5; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.45; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 684, der dies als teleologische Extension einordnet; dagegen beschränkt auf die Haftung nach § 176 HGB: Andres/Leithaus-InsO/Andres, § 227 Rn. 5.
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B. Stellung des Kommanditisten
Zeitpunkt auch hinsichtlich der Kommanditistenhaftung das Prioritätsprinzip wieder in Kraft gesetzt: Mit der Verfahrensaufhebung ist § 171 Abs. 2 HGB unanwendbar und die Gläubiger können auch die Kommanditisten selbständig in Anspruch nehmen. Könnten die Gläubiger dabei in unverminderter Höhe gegen den Kommanditisten vorgehen, würden (nur) die schnellen, durchsetzungsstarken Gläubiger eine Befriedigung über die im Plan festgelegte Forderungshöhe hinaus erhalten und die im Planverfahren zu wahrende Gleichbehandlung Angehöriger einer Gruppe, § 226 InsO, würde letztlich verfehlt. Dies zu verhindern, ist ein legitimes Anliegen. Zu dessen Erreichung ist § 227 Abs. 2 InsO allerdings der funktional unpassende Anknüpfungspunkt. Berechtigterweise ist nämlich darauf verwiesen worden, dass es nicht Zweck dieser Vorschrift ist, die Gläubigergleichbehandlung abzusichern.856) Vielmehr soll die Bereitschaft der Gesellschafter, freiwillige Beiträge zur Sanierung zu erbringen, durch die Teilhabe an den Erlasswirkungen des Plans erhöht werden.857) Auch in diesem Zusammenhang weist die Funktion der Kommanditistenhaftung 412 den Weg zu einer systematisch überzeugenderen Lösung: Die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB dient dazu, die Defizite des Gesellschaftsvermögens infolge der fehlenden oder rückabgewickelten „Einlage“-Leistung durch (entsprechend summenmäßig beschränkten) Zugriff auf das Vermögen des Kommanditisten auszugleichen und ist deshalb lediglich eine unselbständige Erweiterung der Gesellschaftshaftung. Ist die Kommanditistenhaftung in diesem Sinne Gesellschaftshaftung mit dem Vermögen des Kommanditisten, leuchtet ein, dass die Akzessorietät von Gesellschafts- und Haftungsverbindlichkeit nach § 171 Abs. 1 HGB zwingend ist. Auch im Insolvenzplanverfahren ist diese Akzessorietät anders als beim Bürgen, § 254 Abs. 2 S. 1 InsO, und beim unbeschränkt haftenden Gesellschafter858) nicht aufgehoben, sodass es einer „Erstreckung“ nach § 227 Abs. 2 InsO nicht bedarf, um die Wirkungen des Plans auch zugunsten der Kommanditisten zu begründen. Mit anderen Worten: Die Regelungen im Insolvenzplan zur Haftung der schuldnerischen Gesellschaft betreffen deren gesamte Insolvenzmasse und deshalb ohne Weiteres auch die dazu gehörige Kommanditistenhaftung. Drei Konsequenzen der Anknüpfung der Planerstreckung unmittelbar an die Ak- 413 zessorietät und nicht an § 227 Abs. 2 InsO seien noch hervorgehoben: Zum Ersten ___________ 856) Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 139; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 308 (a.E.); zu § 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO und § 211 Abs. 2 KO: Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 61 f. 857) K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 227 Rn. 1; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenzund Sanierungsmasse, S. 155; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 139. 858) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 153 f.; a.A. BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227, 238 = NJW 2016, 1592, Rn. 26; K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 227 Rn. 5; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 227 Rn. 16.
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Dritter Teil: Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung
ergibt sich daraus von selbst, dass der Insolvenzplan keineswegs zu einer Herabsetzung der Haftsumme führt,859) lediglich der Bestand der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeiten wird reduziert. Zu einer echten Besserstellung des Kommanditisten führt der Insolvenzplan also nur, wenn eine die ungedeckte Haftsumme ausschöpfende Inanspruchnahme infolgedessen nicht mehr zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Zum Zweiten folgt aus der Herleitung der Planerstreckung aus der Akzessorietät, dass der Plan keinen von der Gesellschaftshaftung abweichenden Umfang der beschränkten Kommanditistenhaftung festlegen kann, während die Erstreckung nach § 227 Abs. 2 InsO wegen des Verweises auf Abs. 1 nur gilt, wenn „im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt“ ist.860) Die Existenz haftender Kommanditisten muss stattdessen bereits zuvor bei der Bemessung der Forderungskürzung gegenüber der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft einkalkuliert werden. Und zum Dritten wirken die Planregelungen auch zugunsten eines ausgeschiedenen Kommanditisten. Eine Anwendung des § 227 Abs. 2 InsO wäre mit Blick auf dessen Normzweck nicht gerechtfertigt. Da die Planerstreckung aber gar nicht auf dieser Vorschrift beruht, betrifft sie in gleicher Weise den Ausgeschiedenen.861)
___________ 859) Im Ergebnis: MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 136; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 209. 860) Zur unbeschränkten Gesellschafterhaftung: Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 227 Rn. 20; K. SchmidtInsO/Spliedt, § 227 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Spahlinger, 71. EL. 04/2017, § 227 Rn. 8; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 685; a.A. HK-InsO/Haas, § 227 Rn. 8; MüKo-InsO/ Breuer, § 227 Rn. 12. Freilich sind die Kommanditisten nicht gehindert eine zusätzliche Haftung auf anderer Rechtsgrundlage auf sich zu nehmen. Sieht der Plan einen gegenüber der Gesellschaftshaftung weitergehenden Haftungserlass zugunsten der Kommanditisten vor, trägt die Vereinbarung den Charakter einer Vollstreckungsabrede, vgl. bereits oben Fn. 330. 861) Im Ergebnis: Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 208; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 227 Rn. 19; a.A. MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 136; MüKo-InsO/Breuer, § 227 Rn. 13.
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Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung Die Mechanismen des Insolvenzverfahrens zum Schutz der insolvenzrechtlichen 414 Befriedigungsordnung greifen, vorbehaltlich einer vorläufigen Sicherung im Eröffnungsverfahren, § 21 InsO, erst ab Verfahrenseröffnung. Bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt dem späteren Insolvenzschuldner grundsätzlich die Befugnis, frei über sein Vermögen zu verfügen. Dies birgt die Gefahr, dass besonders wachsame, durchsetzungsstarke oder dem Schuldner besonders nahestehende Gläubiger vor Verfahrenseröffnung einen bleibenden Vorteil zu Lasten der Gläubigergesamtheit erhalten. Um das zu verhindern, ermöglicht das Institut der Insolvenzanfechtung die Rückabwicklung vor Verfahrenseröffnung erfolgter gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen und sichert auf diesem Wege insbesondere die Gläubigergleichbehandlung für den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung ab.862) Die praktische Bedeutung der Insolvenzanfechtung ist im Allgemeinen erheblich.863) 415 Hinsichtlich eines Kommanditisten ergeben sich in der Gesellschaftsinsolvenz zwei zentrale Berührungspunkte, die der folgende Abschnitt beleuchtet: Zum Ersten können selbstverständlich auch Kommanditisten als Anfechtungsgegner nach den §§ 129 ff. InsO haften. Zum Zweiten ist zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Leistungen des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB an Haftungsgläubiger Insolvenzanfechtungsansprüche auslösen können, wenn in der Folge das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse der Gesellschaft eröffnet wird.
A. Verhältnis von Insolvenzanfechtung und akzessorischer Haftung bei Leistungen der Gesellschaft an einen Kommanditisten Die Prüfung und Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen gehört zu 416 den Kernaufgaben eines Insolvenzverwalters (oder Sachwalters).864) Hat eine insolvente Gesellschaft vor Verfahrenseröffnung Leistungen an ihre Gesellschafter erbracht, wird er auch diese in den Blick nehmen. Die potenziell anfechtbaren Gesellschaftsleistungen führen oftmals zum Wiederaufleben der beschränkten akzessorischen Haftung nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB, sodass dem Insolvenzverwalter die Inanspruchnahme des Kommanditisten auch nach § 171 Abs. 2 HGB möglich ist. In diesen Fällen ist die Frage aufgeworfen, ob das Wiederaufleben der gesellschaftsrechtlichen Haftung Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit hat. ___________ 862) MüKo-InsO/Kirchhof/Freudenberg, vor §§ 129 bis 147 Rn. 1 f.; FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 1; HK-InsO/Thole, § 129 Rn. 1; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Huber, § 46 Rn. 1 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.01 ff. 863) Uhlenbruck-InsO/Hirte/Borries, vor §§ 129 ff. Rn. 9 f.; Bork/Hölzle-Hdb-InsR/Zenker, Kap. 10 Rn. 1. 864) Wischemeyer/Dimassi, ZIP 2017, 593; Beck/Depré/Ampferl/Holzer, Praxis der Sanierung und Insolvenz, § 9 Rn. 41.
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Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
I.
(Fehlende) Bedeutung der akzessorischen Haftung für die Gläubigerbenachteiligung
417 Voraussetzung für die Anfechtbarkeit ist stets, dass die in Frage stehende Rechtshandlung eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger zur Folge hat. Das ist der Fall, wenn „entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch de[r] Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert“ wird.865) Entscheidend ist, dass sich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verschlechtert haben.866) Es sei im Folgenden klargestellt, dass eine Leistung der Gesellschaft an einen Kommanditisten auch insoweit gläubigerbenachteiligend ist, als sie nach § 172 Abs. 4 HGB zum Wiederaufleben der beschränkten akzessorischen Haftung führt.
418 Im Einzelfall kann eine Schlechterstellung der Gläubiger bereits daraus folgen, dass die notwendig werdende Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB und die Verwaltung und Verteilung des Erlöses erhöhte, von der Masse zu tragende867) Kosten verursacht. Eine erhöhte Verwaltervergütung fällt allerdings nicht an: Weil der Haftungserlös schlicht zur Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 InsVV gerechnet wird,868) ist es für die Höhe der Verwaltervergütung irrelevant, ob Mittel sich bereits ursprünglich in der Masse befinden oder nach § 171 Abs. 2 HGB eingezogen werden.
419 Sieht man von den Kosten ab, gibt auf den ersten Blick die Verknüpfung von Einlageleistung und -rückgewähr mit der Haftung Anlass dazu, die Gläubigerbenachteiligung abzulehnen: Zweck dieser Verknüpfung ist es schließlich gerade, Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Kommanditist für die Gläubiger unschädlich zu machen.869) Zwar wird durch eine Zahlung der Gesellschaft an den Kommanditisten das Gesellschaftsvermögen geschmälert, die Gläubiger werden jedoch in Form der Haftungsansprüche (bis zur Höhe der Haftsumme) wertentsprechend kompensiert. Weil diese Haftungsansprüche auch Bestandteil der Insol-
___________ 865) St. Rspr. s. nur: BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 233 = NJW 2008, 655, Rn. 18 m.w.N.; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Huber, § 46 Rn. 51; HK-InsO/Thole, § 129 Rn. 44; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 252. 866) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 233 f. = NJW 2008, 655, Rn. 18; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 129 Rn. 50. 867) Ausgenommen sind damit Prozess- und Vollstreckungskosten, §§ 91, 788 ZPO. 868) S. oben Rn. 366 ff. 869) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 51.
196
A. Verhältnis von Insolvenzanfechtung und akzessorischer Haftung
venzmasse der Gesellschaft sind, fehlt es unter dem Strich an einer Verringerung der Aktivmasse.870)
1.
Keine unzulässige Vorteilsanrechnung
Es erscheint bereits fraglich, ob das Wideraufleben der Haftung im Rahmen der 420 Gläubigergleichbehandlung überhaupt als ausgleichender Massevorteil Berücksichtigung finden kann. Rechtsprechung und Literatur lassen sich keine klaren Vorgaben zur Vorteilsanrechnung entnehmen:871) Weitgehend einheitlich wird noch formuliert, eine Anrechnung zeitlich oder wirtschaftlich verknüpfter Vorteile sei im Rahmen der Gläubigerbenachteiligung aufgrund der isolierten anfechtungsrechtlichen Prüfung einer jeden Rechtshandlung grundsätzlich ausgeschlossen und etwas anderes gelte nur, wenn ein Vorteil unmittelbar aus der in Frage stehende Rechtshandlung folgt.872) Demgegenüber hat der BGH ausgeführt, die Gläubigerbenachteiligung (und in der Folge die Anfechtung) könne auch bloß „einzelne, abtrennbare Wirkungen sogar einer einheitlichen Rechtshandlung“ betreffen873) und eine „Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen“ finde auch insoweit nicht statt.874) Dieser Aussage steht beispielsweise die weit überwiegend akzeptierte These entgegen, wirtschaftlich oder „masseneutrale“ Vorgänge benachteiligen die Gläubiger nicht.875) Hierunter wird etwa der Austausch gleich-
___________ 870) Bilanziell vorteilhaft für die Gläubiger ist die Leistung der Gesellschaft an den Kommanditisten demgegenüber auch dann regelmäßig nicht, wenn durch sie zugleich eine Verbindlichkeit der Gesellschaft getilgt wird. Vgl. zur grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit Brinkmann, ZRI 2022, 805, 808. Meist wird es sich dabei nämlich um einen Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis handeln, der bei der Masseverteilung ohnehin nur nachrangig zu berücksichtigen gewesen wäre, vgl. Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Holzer, 79. EL. 03/2019, § 199 Rn. 9. Aus dem gleichen Grund ist der Ansatz der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB nicht durch das Entstehen etwaiger Regressansprüche des Kommanditisten ausgeschlossen. 871) Überblick bei Brinkmann, ZRI 2022, 805 f., mit eingehender Untersuchung der Berücksichtigungsfähigkeit von Gegenleistungen im Rahmen der §§ 129 ff. InsO. 872) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 234 = NJW 2008, 655, Rn. 18; Urt. v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555, Rn. 14; Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, NJW-RR 2005, 1641, 1643; HK-InsO/Thole, § 129 Rn. 45; HambK-InsR/Rogge/ Leptien, § 129 InsO Rn. 42; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 175. 873) BGH, Urt. v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, 236 = NJW 2001, 1940, 1941; Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NJW-RR 2010, 118, Rn. 32; vgl. auch Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11, NJW-RR 2012, 809, Rn. 12 (zum AnfG); Urt. v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, NJW-RR 2016, 171 Rn. 18. 874) BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NJW-RR 2010, 118, Rn. 26 ff.; ebenso Kübler/Prütting/ Bork/Jacoby-InsO/Bartels, 80. EL. 06/2019, § 129 Rn. 324. 875) MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 108; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 129 Rn. 70; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 198; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Bartels, 80. EL. 06/2019, § 129 Rn. 267; berechtigte Kritik an einer derartigen wirtschaftlichen Betrachtung bei Brinkmann, ZRI 2022, 805, 806 f.
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Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
wertiger Sicherheiten geführt,876) der sich wohl schon in mehrere Rechtshandlungen,877) zumindest jedenfalls in eine massefreundliche (Aufhebung des bestehenden Sicherungsrechts) und eine masseschädliche Wirkung (Begründung eines neuen Sicherungsrechts) zerlegen lässt.
421 Auch angesichts dieser unübersichtlichen und widersprüchlichen Gesetzesanwendung bestehen keine Bedenken dagegen, das Wiederaufleben der Haftungsansprüche in die Bewertung der Gläubigerbenachteiligung einzubeziehen: Die Haftungsfolge des § 172 Abs. 4 HGB beruht nämlich nicht nur auf derselben Rechtshandlung wie der Abfluss aus dem Gesellschaftsvermögen, die in der Folge insgesamt für die Haftungsmasse der Gesellschaft neutral ist. Das Eintreten des in Frage stehenden Vorteils (Wiederaufleben der Haftung) ist hier sogar gerade an das Vorliegen der negativen Folge der Rechtshandlung (Abfluss von Gesellschaftsvermögen) geknüpft, sodass beide Wirkungen nicht voneinander getrennt werden können.878)
2.
Erschwerung und Verzögerung der Gläubigerbefriedigung
422 Obwohl Ausschüttungen an Kommanditisten für die Aktivmasse „bilanziell“ zumindest neutral sind, soweit die Außenhaftung dadurch nach § 172 Abs. 4 HGB auflebt, ist die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung nicht ausgeschlossen. Dafür soll es nämlich bereits genügen, dass der Zugriff auf das verwertbare Vermögen nicht unerheblich erschwert oder verzögert wird.879) Infolge einer Ausschüttung an einen Kommanditisten kann der Insolvenzverwalter nicht mehr unmittelbar über verteilungsfähiges Barvermögen verfügen, sondern muss dieses zuvor durch Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB generieren. Entscheidend ist damit, ob der „Austausch“ eines Barbetrags gegen einen entsprechenden Zahlungsanspruch die Gläubigerbefriedigung nicht unerheblich erschwert oder verzögert.
423 Im Zusammenhang mit einer nichtigen Rechtshandlung hat der BGH in einer 1999 zur KO ergangenen Entscheidung angenommen, die Gläubiger seien nicht benachteiligt und die „vermögensrechtliche Position der Masse [infolge eines Vermögensab___________ 876) BGH, Urt. v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, NJW 2003, 360, 361; Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264, 270 = NJW 2010, 444, Rn. 16; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Huber, § 46 Rn. 58; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 220. 877) Entsprechend für den Austausch des Bezugsberechtigten einer Risikolebensversicherung BGH, Urt. v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, NJW-RR 2016, 171, Rn. 19. 878) Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Bartels, 80. EL. 06/2019, § 129 Rn. 331; die Entscheidungen BGH, Urt. v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, 236 = NJW 2001, 1940, 1941, und Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, NJW-RR 2010, 118, Rn. 32, betreffen den umgekehrten Fall, dass die nachteilige Wirkung auf der für die Masse vorteilhaften Wirkung beruht. 879) BGH, Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 350 = NJW 2006, 908, Rn. 26; FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rn. 45; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 129 Rn. 50; MüKo-InsO/ Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 101; Andres/Leithaus-InsO/Leithaus, § 129 Rn. 10.
198
A. Verhältnis von Insolvenzanfechtung und akzessorischer Haftung
flusses] nicht ernsthaft geschmälert“, sofern ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch „ohne weiteres begründet und durchsetzbar“ sei.880) Nicht bereits die Zahlungsunwilligkeit des Bereicherungsschuldners, sondern erst ernsthafte Zweifel an den Erfolgsaussichten der (ggf. gerichtlichen) Rechtsverfolgung und Vollstreckung seien dabei für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung ausreichend. Nach diesem Maßstab schließt das Entstehen von Haftungsansprüchen nach § 171 Abs. 1 HGB gegen einen solventen Kommanditisten eine Benachteiligung der Gläubiger grundsätzlich aus. Diese stehen sogar besser als bei einem Bereicherungsanspruch des Insolvenzschuldners: Sie können (vor Verfahrenseröffnung) ohne vorherige Pfändung und Überweisung eines Anspruchs bei der Gesellschaft unmittelbar gegen den Kommanditisten klagen und vollstrecken. Die geschilderten Grundsätze werden allerdings nicht (durchgängig) angewendet. 424 Bei Auszahlungen aus dem Stammkapital einer GmbH soll zwar auch ein Rückzahlungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG die Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich ausschließen können.881) Der aus Leistungen an einen Treuhänder oder Beauftragten folgende Anspruch aus § 667 BGB soll dagegen nicht geeignet sein, die Gläubigerbenachteiligung auszuschließen.882) Die dafür angeführten Gründe – etwa die fehlende Vollstreckungsmöglichkeit beim Drittschuldner aus einem Titel gegen den Insolvenzschuldner883) –, treffen freilich in gleicher Weise für bereicherungsrechtliche Ansprüche zu. Selbst Zahlungen, aufgrund derer ebensolche bereicherungsrechtlichen Rückgewähransprüche in Frage standen, hat der BGH zuletzt wiederholt und ohne nähere Erläuterung für gläubigerbenachteiligend erachtet.884) Ist bereits die Übertragung eines Vermögensgegenstands an einen Treuhänder für 425 die Gläubiger nachteilig, obwohl die gegen ihn gerichteten Herausgabeansprüche in der Insolvenz des Treuhänders sogar Aussonderungskraft haben,885) kann für eine Gesellschaftsleistung an einen Kommanditisten nichts anderes gelten. Für die Haftungsansprüche besteht wegen der Einordnung als einfache Insolvenzforderungen in der Insolvenz des Kommanditisten ein deutlich höheres Insolvenzrisiko. In diesem ___________ 880) BGH, Urt. v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96, 106 = NJW 1999, 1549, 1551 f.; zustimmend Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-InsR/Gehrlein, § 129 InsO Rn. 29; ablehnend mit umgekehrter Regel-Ausnahme-Annahme MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 101b. 881) Zum AnfG: BGH, Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 350 = NJW 2006, 908, Rn. 26 ff. 882) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129, 132 = NJW 2012, 1959, Rn. 12; Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127, Rn. 17; Urt. v. 10.9.2015 – IX ZR 215/13, ZIP 2015, 2083, Rn. 10; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 286; Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Bartels, 80. EL 06/2019, § 129 Rn. 332; a.A. Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 193. 883) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129, 132 = NJW 2012, 1959, Rn. 12; Urt. v. 10.9.2015 – IX ZR 215/13, ZIP 2015, 2083, Rn. 10. 884) BGH, Urt. v. 2.12.2021 – IX ZR 111/20, ZInsO 2022, 309, Rn. 8; Urt. v. 22.7.2021 – IX ZR 26/20, NJW-RR 2021, 1350, Rn. 9. 885) Statt aller Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 47 Rn. 79, 85 m.w.N.
199
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
Sinne stellen die wenigen Stellungnahmen zur Bedeutung der unbeschränkten Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB a.F. (§ 126 HGB n.F.) für die Gläubigerbenachteiligung lediglich fest, die Gläubigerposition sei bereits dadurch verschlechtert, dass sie nunmehr mit den Privatgläubigern des Gesellschafters konkurrieren.886)
426 Das konkrete Insolvenzrisiko ist freilich eine Frage des Einzelfalls. Bei der abstrakten Vorstellung von einem „ohne weiteres begründeten und durchsetzbaren“ Anspruch, darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass stets ein Ausfallrisiko verbleibt. Bemerkenswert ist insoweit, dass soweit ersichtlich keine einzige Entscheidung ergangen ist, in welcher der Bundesgerichtshof zu dem Urteil gelangt, ein schuldrechtlicher Anspruch sei auch im konkreten Fall geeignet, einen Vermögensabfluss gleichwertig zu kompensieren. Letztlich bedeutet das verbleibende Risiko bezüglich der Realisierung der Haftungsansprüche verbunden mit der zeitlichen Verzögerung, die mit einer gerichtlichen Durchsetzung einherzugehen droht,887) stets eine nicht vernachlässigbare Gefährdung bzw. Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung gegenüber der schlichten Verteilung von Barmitteln. Leistungen der Gesellschaft an ihre Kommanditisten sind deshalb auch gläubigerbenachteiligend, soweit dadurch die Außenhaftung des Kommanditisten wiederauflebt.
II. Anspruchskonkurrenz 427 Die Subsumtion unter die Anfechtungsvoraussetzungen und unter die gesellschaftsrechtlichen Haftungsvoraussetzungen stehen folglich selbständig nebeneinander. Die Einordnung als Einlagerückgewähr sowie deren Haftungsfolge ist für die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung ohne Bedeutung. Sind daneben die weiteren Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO erfüllt,888) kann der Insolvenzverwalter ungeachtet des Wiederauflebens der beschränkten Kommanditistenhaftung auch aus § 143 Abs. 1 InsO gegen den Kommanditisten vorgehen. Ebenso kann eine Leistung an den Kommanditisten, die nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar ist, zwar zugleich als Einlagerückgewähr i.S.d. § 172 Abs. 4 HGB zum Wiederaufleben der Haftung führen, tatbestandlich zwingend ist dies aber nicht.
428 Löst eine Gesellschaftsleistung an einen Kommanditisten sowohl einen Anfechtungsanspruch nach § 143 Abs. 1 InsO als auch Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB aus, kann der Insolvenzverwalter selbstverständlich nicht doppelt Leistung vom Kommanditisten verlangen. Vielmehr stehen beide Haftungsinstitute in einem ___________ 886) Jaeger-InsO/Henckel, § 138 Rn. 23; Jaeger-KO/Weber, §§ 209, 210 Rn. 24; MüKo-InsO/Kayser/ Freudenberg, § 129 Rn. 110a. Von der Haftung nach § 171 Abs. 1 (i.V.m. § 172 Abs. 4) HGB unterscheidet sich diejenige nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) in relevanter Weise dadurch, dass sie auch ohne die Auszahlung der Gesellschaft bestand. 887) Für die Verfahrensdauer s. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.1, Jahr 2021, Tabellen 2.2, 3, 5.2, 6.2, 8.2. 888) Praktisch wird dies nicht oft der Fall sein, vgl. Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189 ff.
200
A. Verhältnis von Insolvenzanfechtung und akzessorischer Haftung
Alternativverhältnis. So muss die anfechtungsweise Rückabwicklung der Leistung zugleich als (erneute) haftungsausschließende Einlageleistung i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB angesehen werden. In dem Umfang, in dem der Kommanditist umgekehrt durch Leistung an den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB die verteilbare Insolvenzmasse erhöht, wird nachträglich die Gläubigerbenachteiligung beseitigt889) und der Anfechtungsanspruch ist auf den Restbetrag begrenzt.
III. Vorteile der Insolvenzanfechtung Im Zweifelsfall wird sich der Insolvenzverwalter für die Geltendmachung von An- 429 fechtungsansprüchen entscheiden, denn die Rückforderung nach den §§ 129 ff. InsO bietet gegenüber der Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB zwei potenziell entscheidende Vorzüge. Während die Haftung infolge der „Einlagenrückgewähr“ höchstens im Umfang der 430 Haftsumme wiederauflebt, selbst wenn die Ausschüttungen ein Vielfaches dieses Betrags erreichen, besteht eine vergleichbare Beschränkung für die Insolvenzanfechtung nicht. Nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO ist grundsätzlich das gesamte anfechtbar aus der Haftungsmasse Weggegebene zurückzugewähren.890) Auch eine denkbare Rückgewährpflicht im Innenverhältnis kann zwar den gesamten Ausschüttungsbetrag umfassen. Eine solche Pflicht besteht aber gar nicht, wenn die Leistung an den Kommanditisten – wie bei Schiffsfonds für die gewinnunabhängigen Ausschüttungen üblich891) – gesellschaftsvertraglich vorgesehen war.892) Die Insolvenzanfechtung ist dann die einzige Möglichkeit, vom Kommanditisten Zahlung in Höhe des vollen Betrags zu verlangen, den die Gesellschaft an ihn ausgeschüttet hat. Der zweite Vorteil der Insolvenzanfechtung betrifft die Anspruchsdurchsetzung bei Insolvenz des Kommanditisten. Während Haftungsansprüche dort ebenso wie denkbare Erstattungsansprüche im Innenverhältnis einfache Insolvenzforderungen sind, hat der Anfechtungsanspruch, § 143 Abs. 1 InsO, nach h.M. Aussonderungskraft.893) ___________ 889) Entsprechend für die Rückführung des anfechtbar Erlangten: BGH, Urt. v. 25.1.2018 – IX ZR 299/16, ZIP 2018, 385, Rn. 10 ff.; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 178; UhlenbruckInsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 257. 890) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Jacoby, 95. EL 03/2023, § 143 Rn. 20; FK-InsO/Dauernheim, § 143 Rn. 3; Graf-Schlicker-InsO/Huber, § 143 Rn. 19. 891) Pöschke/Steenbreker, NZG 2016, 841, 842; Priester, DStR 2013, 1786; S. Schneider, DStR 2017, 548; Lux, NZG 2013, 1017, 1018. 892) Zur Rückzahlungsverpflichtung im Innenverhältnis bei gewinnunabhängigen Ausschüttungen: BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550, Rn. 7 ff.; Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, NJW 2013, 2278, Rn. 8 ff.; Kupsch, Gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten, S. 93, 95; Lux, NZG 2013, 1017, 1018 f.; s. auch oben Rn. 40. 893) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 358 ff. = NJW 2004, 214, 216; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 129 Rn. 12; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 72 f.; a.A. Eckardt, KTS 2005, 15, 27 ff.; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 241 ff.; Jaeger-InsO/ders., 2. Aufl. 2023, § 47 Rn. 115.
201
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
B. Anfechtung von Gläubigerbefriedigungen durch den Kommanditisten in der Gesellschaftsinsolvenz 431 § 171 Abs. 2 HGB verhindert ab Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens, dass ein Kommanditist mit befreiender Wirkung Haftungsleistungen an einzelne Gläubiger erbringt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Gläubiger zwar nicht gehindert, den Kommanditisten in Anspruch zu nehmen. Es besteht aber Einigkeit, dass der Insolvenzverwalter der Gesellschaft – bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen – grundsätzlich auch vorinsolvenzliche Leistungen eines Kommanditisten an seine Haftungsgläubiger anfechten kann, insbesondere wenn der Kommanditist selbst nicht insolvent ist.894) Dabei handelt es sich auch nicht um eine bloß theoretische Fragestellung, denn die Gläubiger ziehen die unmittelbare Inanspruchnahme von Kommanditisten typischerweise gerade im anfechtungsrechtlich relevanten Zeitraum kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft in Betracht.895)
I.
Lückenhafter Schutz der insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung
432 Die Ansprüche der Gläubiger aus § 171 Abs. 1 HGB sind Bestandteil der Haftungs- und Insolvenzmasse der Gesellschaft, sodass sie im Gesellschaftsinsolvenzverfahren insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln unterworfen werden müssen. Durch § 171 Abs. 2 HGB ist dieses Anliegen jedoch nur für die Zeit ab Verfahrenseröffnung verwirklicht. Für die sonstige Insolvenzmasse wird die in gleicher Weise von den §§ 80, 81, 89 InsO gelassene „Schutzlücke“ durch die §§ 129 ff. InsO geschlossen, die es erlauben, vor Verfahrenseröffnung erlangte Befriedigungsvorteile rückabzuwickeln und auf diesem Weg die Geltung der insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln auf den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung zu erstrecken. Wäre nicht auch die Verwertung der Haftungsansprüche vor Verfahrenseröffnung (insbesondere die Einziehung durch die Gläubiger) unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO anfechtbar, würde § 171 Abs. 2 HGB der Geltung insolvenzrechtlicher Regeln für diese Ansprüche deshalb abweichend von der sonstigen Insolvenzmasse „eine willkürliche Grenze ziehen“896).
433 Für vorinsolvenzliche Haftungsleistungen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters hat auch der BGH unter Verweis auf die ansonsten nur unvollständig verwirklichbare Gläubigergleichbehandlung ein Anfechtungsrecht des Gesellschaftsinsolvenz___________ 894) Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 60; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 178; Röhricht/v. Westphalen/ Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 75; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 104; MüKo-HGB/K. Schmidt/Grüneberg, § 172 Rn. 111, 116; Bork, FS Kübler, S. 73 ff.; bereits zur Konkursanfechtung: Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 54, 57; K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 138 f. 895) Saßenrath, BB 1990, 1209, 1212; Konietzko, Haftung des Kommanditisten, S. 2. 896) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 54.
202
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
verwalters angenommen.897) Es ist nicht unbestritten, dass § 93 InsO tatsächlich die Gleichbehandlung der Gläubiger gewährleisten soll.898) Für die Kommanditistenhaftung steht diese Funktion jedoch nicht in Frage, sodass die Annahme des BGH zumindest für diesen Fall im Ergebnis Zustimmung verdient.899)
II. Anwendung des Anfechtungsrechts Bei aller prinzipiellen Übereinstimmung, die für die Geltung der Anfechtungsre- 434 geln existiert, bleiben das dogmatische Fundament und die Einzelheiten der Anwendung der §§ 129 ff. InsO klärungsbedürftig.
1.
Rechtliche Konstruktion
Für die Herleitung eines Anfechtungsanspruchs wird zumeist auf eine Analogie 435 verwiesen. Die Konstruktion des Bundesgerichtshofs für die Anfechtung vorinsolvenzlicher Leistungen eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters bleibt unklar. Der BGH nennt die „entsprechende Anwendung“ mal der §§ 93, 129 ff. InsO, zumeist jedoch nur des § 93 InsO als Rechtsgrundlage.900) Seine Begründung – Erstreckung der Gläubigergleichbehandlung auf den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung901) – lässt darauf schließen, dass es sich in der Sache zumindest auch um eine analoge Anwendung der §§ 129 ff. InsO handelt. Diese Konstruktion wird oftmals auch in der Literatur genannt.902) Andererseits schreibt der BGH von der Wahrnehmung von „Anfechtungsrechte[n] in der Person des Gesellschafters“ und auch von der „Übertragung des Anfechtungsrechts auf den Verwalter des Gesellschaftsvermögens“,903) was auf die (analoge) Anwendung des § 93 InsO deutet. ___________ 897) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 173 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 8 ff.; zustimmend insoweit: MüKo-InsO/Gehrlein, § 93 Rn. 30; HambK-InsR/Pohlmann, § 93 InsO Rn. 61; Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313 ff.; Runkel/J. Schmidt, EWiR 2009, 273, 274; Preuß, JR 2009, 505, 506; a.A. offenbar MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 77. 898) Ablehnend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 96 ff., 136 f.; dagegen jedoch die h.L. K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 1; MüKo-InsO/ Gehrlein, § 93 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 3. 899) Bork, FS Kübler, S. 73, 81, verweist wegen des stärkeren Bedürfnisses für Gläubigergleichbehandlung i.R.d. § 171 Abs. 2 HGB auf einen Erst-recht-Schluss. 900) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 173, 175 = NJW 2009, 225, Rn. 8 ff.; von der „analoge[n] Anwendung des § 93 InsO“ geht auch BGH, Urt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, NJW 2010, 69, Rn. 15, aus; zustimmend zur analogen Anwendung des § 93 InsO: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 55; Graf-SchlickerInsO/Hofmann, § 93 Rn. 13; HambK-InsR/Pohlmann, § 93 InsO Rn. 61; Runkel/J. Schmidt, EWiR 2009, 273, 274; Jeitner, NZI 2009, 673; für die Analogie zu den §§ 93 und 129 ff. InsO: Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2316 ff., 2322 f. 901) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 = NJW 2009, 225, Rn. 12. 902) Zur unbeschränkten Gesellschafterhaftung: Braun-InsO/Kroth, § 93 Rn. 39; Uhlenbruck-InsO/ Hirte, § 93 Rn. 4; entsprechend zur KO: K. Schmidt, Einlage und Haftung, S. 138 f. 903) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 176 f. = NJW 2009, 225, Rn. 14, 16.
203
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
a) Direkte Anwendung der §§ 129 ff. InsO 436 Die Rechtfertigung des Anfechtungsrechts durch einen Analogieschluss setzt in jedem Fall eine planwidrige Gesetzesunvollständigkeit voraus, die allerdings bei vorinsolvenzlichen Haftungsleistungen eines Kommanditisten grundsätzlich nicht besteht. Diese Zahlungen können nämlich auch im Gesellschaftsverfahren bereits bei direkter Anwendung der §§ 129 ff. InsO angemessen anfechtungsrechtlich erfasst werden. Diese Herleitung eines Anfechtungsanspruchs haben bislang einzig Bork/ Vogelsang explizit als Option genannt.904)
437 Anfechtbar können grundsätzlich nicht nur Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners, sondern auch Dritter – z.B. eines Kommanditisten – sein.905) Erbringt ein Dritter eine Leistung aus seinem Vermögen, fehlt es allerdings regelmäßig an der Gläubigerbenachteiligung.906) Unter Verweis darauf lehnen auch Bork/Vogelsang die direkte Anwendung des Anfechtungsrechts auf vorinsolvenzliche Gesellschafterleistungen ab.907) Leistet ein Kommanditist vor Verfahrenseröffnung an einen Haftungsgläubiger, liegt es jedoch anders:908) Obwohl das an den einzelnen Gläubiger Geleistete aus dem Vermögen und auch aus der Haftungsmasse des Kommanditisten stammt, ist die Gesamtheit der Haftungsgläubiger regelmäßig benachteiligt. In der Höhe der Zahlung des Kommanditisten wird nämlich seine Haftsumme ausgeschöpft und dadurch die „Gesamthöhe“ der verbleibenden massezugehörigen Haftungsansprüche reduziert. In der Folge kann (wenn überhaupt) nur ein entsprechend geringerer Betrag nach § 171 Abs. 2 HGB vom Kommanditisten eingezogen werden und die übrigen Haftungsgläubiger erhalten entsprechend geringere Ausschüttungen. Die Leistung des Kommanditisten führt also zwar nicht zur Minderung des Vermögens der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft, wohl aber ihrer Haftungsmasse – und nur darauf kommt es für die Befriedigungschancen ihrer Gläubiger und damit für die Gläubigerbenachteiligung an. Dass die Anfechtung vorinsolvenzlicher Gesellschafterleistungen demnach auf einer Minderung der Haftungsmasse der Gesellschaft gründet, macht bereits deutlich, dass es sich keineswegs um ein vom Kommanditisten abgeleitetes Anfechtungsrecht handelt,909) sondern vielmehr um originär der Gesellschaft zustehende Anfechtungsansprüche. ___________ 904) Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2319 f. (zu § 128 HGB a.F. [§ 126 HGB n.F.]). 905) Begründung RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 157; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/ Brinkmann, 93. EL. 09/2022, Anh. § 145 Rn. 1; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 35; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 136; HK-InsO/Thole, § 129 Rn. 40; Pape/Reichelt/ Schultz/Voigt-Saulus-InsR/Schultz, § 32 Rn. 17. 906) Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 129 Rn. 181; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 77; Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2314. 907) Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2314 (zu § 128 HGB a.F. [§ 126 HGB n.F.]), s. aber auch ebenda, 2319 f. 908) Allgemein für die akzessorische Gesellschafterhaftung: Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228. 909) So aber wohl BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 176 f. = NJW 2009, 225, Rn. 14, 16; ebenso Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2316 ff., 2323.
204
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
b) Analogie zu den §§ 133, 134 InsO Schwierigkeiten bereitet die direkte Anwendung des Anfechtungsrechts jedoch im 438 Rahmen des § 133 InsO, wo das Gesetz eine Rechtshandlung und Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners verlangt. Schuldner ist aber nur die Gesellschaft und nicht auch der Kommanditist. Die von Häsemeyer vorgeschlagene Zurechnung nach § 166 BGB910) vermag dieses Hindernis nur unvollständig auszuräumen, denn die Vorschrift beschränkt sich auf die Zurechnung subjektiver Elemente. Eine Rechtshandlung des Schuldners lässt sich damit also nicht konstruieren. Anders als bei mittelbaren Zuwendungen kann als Rechtshandlung des Schuldners auch nicht an eine Mitwirkung der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft (z.B. eine Anweisung) angeknüpft werden,911) denn der Kommanditist leistet vollkommen selbständig an den Gläubiger. Mit Blick auf die Regelung des § 133 InsO besteht dann tatsächlich eine planwid- 439 rige Gesetzesunvollständigkeit: Der Schutz der Haftungsansprüche als Massebestandteil darf nicht gerade dann fehlen, wenn der Kommanditist die Gläubigergesamtheit vorsätzlich und mit dem Wissen des Begünstigten schädigt.912) Wegen der Möglichkeit des Kommanditisten, eigenständig Haftungsgläubiger zu befriedigen, besteht zudem die für einen Analogieschluss notwendige vergleichbare Interessenlage:913) Die Anfechtbarkeit vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligungen nach § 133 InsO kann grundsätzlich auf Rechtshandlungen des Schuldners914) beschränkt werden, weil nur dieser in der Lage ist, eigenverantwortlich und umfassend Entscheidungen über die Verteilung seiner Haftungsmasse zu treffen und dabei auch einzelne Gläubiger gegenüber gleichrangigen anderen zu bevorzugen. Über diese Möglichkeit verfügt jedoch in gewissem Umfang auch ein akzessorisch haftender Kommanditist. Übersteigt die Summe der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeiten seine Haftsumme, kann er selbständig entscheiden, durch Leistung an welche Haftungsgläubiger er seine Haftsumme ausschöpft, und kann damit zugleich zulasten der übrigen Gläubiger über einen Teil der Gesellschaftshaftungsmasse – die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB – disponieren. Diese Befugnis rechtfertigt es, vorinsolvenzliche Haftungsleistungen des Kommanditisten einer Rechts___________ 910) Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 57. 911) Dazu BGH, Urt. v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, NJW 2014, 465, Rn. 8; Uhlenbruck-InsO/ Borries/Hirte, § 133 Rn. 13. 912) Von der Anwendung des § 133 InsO ausgehend auch: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/ Strohn, § 171 Rn. 104; Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 57 (entsprechend zur KO); Bork/ Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2318, 2322 (zu § 128 HGB a.F. [§ 126 HGB n.F.]). 913) Mit dieser Begründung rechtfertigt auch Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 57, die Zurechnung des Benachteiligungsvorsatzes nach § 166 BGB. 914) Zur Gleichstellung zurechenbaren Dritthandelns: Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 133 Rn. 12; K. Schmidt-InsO/Ganter/Weinland, § 133 Rn. 17; Graf-Schlicker-InsO/Huber, § 133 Rn. 5.
205
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
handlung der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft durch analoge Anwendung des § 133 InsO gleichzustellen.915)
440 Ebenso bedarf es der analogen Anwendung des § 134 InsO. Auch diese Vorschrift verlangt eine Leistung gerade des Insolvenzschuldners, an der es beispielsweise fehlen kann, wenn ein Kommanditist aufgrund eines wirksamen Schenkungsversprechens der Gesellschaft in Anspruch genommen wird. Sieht man mit der h.M. bereits das schuldrechtliche Schenkungsversprechen als „unentgeltliche Leistung“ (der Gesellschaft) an,916) kommt bereits hierfür die Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht. Andernfalls und, wenn zwar die Vereinbarung des Schenkungsvertrags, nicht aber die darauf gestützte Inanspruchnahme des Kommanditisten außerhalb des Anfechtungszeitraums liegt, kommt es entscheidend darauf an, dass auch eine Haftungsleistung des Kommanditisten von § 134 InsO erfasst werden kann. Henckel fordert schon ganz allgemein, der Anwendungsbereich des § 134 InsO sei mit Blick auf seinen Zweck (wohl im Analogiewege) dahingehend zu erweitern, dass für eine „Leistung des Schuldners“ eine (unentgeltliche) Minderung der schuldnerischen Haftungsmasse genügt, auch wenn der Schuldner nicht selbst gehandelt hat.917) Dementsprechend sollen nach überzeugender, aber nicht herrschender Ansicht sowohl die Gläubigeraufrechnung mit einem auf unentgeltliche Leistung gerichteten Anspruch gegen den Schuldner als auch im Vollstreckungswege erlangte Befriedigungen unentgeltlicher Forderungen analog § 134 InsO anfechtbar sein.918) Für die Leistung eines Kommanditisten auf die zur unentgeltlichen Pflicht der Gesellschaft akzessorische Haftung aus § 171 Abs. 1 HGB gilt nichts anderes: Der Erwerb des Gläubigers ist nicht schützenswerter, wenn er das unentgeltlich Versprochene (oder zumindest den versprochenen Vermögenswert) nicht von der Gesellschaft selbst erlangt, sondern aufgrund der akzessorischen Haftung von ihrem Kommanditisten. Zudem wird die Freigiebigkeit der Gesellschaft zulasten der Gläubigergesamtheit nicht dadurch billigenswert, dass die daraus folgende Verkürzung der Gesellschaftshaftungsmasse nicht im Vermögen der Gesellschaft, sondern durch Reduzierung oder Verlust der Haftungsansprüche realisiert wird – sofern man auch dies überhaupt als relevant für den Zweck des § 134 InsO ansieht919). ___________ 915) Dem entspricht es, wenn Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 104, annimmt, der Kommanditist sei „als weiterer Schuldner iSd §§ 130 ff. InsO anzusehen“. 916) MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 134 Rn. 6; HambK-InsR/Rogge/Leptien, § 134 InsO Rn. 3; entsprechend zu § 32 KO: BGH, Urt. v. 15.4.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298, 299 = KTS 1964, 182, 183; kritisch Jaeger-InsO/Henckel, § 134 Rn. 37 ff. 917) Jaeger-InsO/Henckel, § 134 Rn. 39. 918) Ohne expliziten Verweis auf eine Analogie: Jaeger-InsO/Henckel, § 134 Rn. 38 f.; nur zur Zwangsvollstreckung: Braun-InsO/de Bra, § 134 Rn. 7; HK-InsO/Thole, § 134 Rn. 6; dagegen die h.M.: Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 134 Rn. 15; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 134 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Bork, 92. EL. 06/2022, § 134 Rn. 35 f. 919) Zum Zweck des § 134 InsO: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Bork, 92. EL. 06/2022, § 134 Rn. 2.
206
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
c)
Zwischenergebnis
Die Anfechtbarkeit vorinsolvenzlicher Leistungen eines Kommanditisten an einen 441 Haftungsgläubiger ergibt sich nach alledem grundsätzlich bereits aus der direkten Anwendung der §§ 129 ff. InsO. Lediglich die §§ 133, 134 InsO müssen analog angewendet werden, da sie eine Rechtshandlung bzw. eine Leistung des Insolvenzschuldners voraussetzen.
2.
Anwendung des Anfechtungsrechts im Einzelnen
Zur konkreten Anwendung des Anfechtungsrechts finden sich in Rechtsprechung 442 und Literatur nur wenige Hinweise.920) Die zentralen Aspekte sollen im Folgenden auf Grundlage der hier vorgeschlagenen direkten Anwendung der §§ 129 ff. InsO erläutert werden.
a) Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen Als anfechtbare Rechtshandlung kommt die Leistung eines Kommanditisten auf 443 einen Haftungsanspruch vor Verfahrenseröffnung ebenso in Betracht wie Zwangsvollstreckungshandlungen beim Kommanditisten. Weil eine etwaige Aufrechnungslage zwischen Kommanditist und Gläubiger im Insolvenzverfahren keinen Schutz genießt,921) kann in diesem Verhältnis neben der Begründung der Aufrechnungslage ausnahmsweise922) auch die Aufrechnungserklärung selbst anfechtbar sein.923) Für die Feststellung der Gläubigerbenachteiligung kommt es darauf an, ob sich die 444 Befriedigungschancen der Haftungsgläubiger verschlechtert haben. Ein Nachteil für die Gesellschaftsgläubiger, denen der Kommanditist nicht haftet, ist stets ausgeschlossen, da sie von einer Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 HGB nicht profitiert hätten. Der Verlust der Kostenbeteiligung analog §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO stellt dabei keine berücksichtigungsfähige Minderung der Aktivmasse dar.924) Diese soll lediglich Nachteile für die Masse ausgleichen, die aber nicht entstehen, wenn die Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB – wegen der vorinsolvenzlichen Befriedigung – entfällt. Es fehlt stets an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn der Leistungsempfänger der einzige Haftungsgläubiger des Kommanditisten ist. Eine etwaige Benachteiligung eines Privatgläubigers des Kom___________ 920) Positiv hervorzuheben sind die Ausführungen von Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2318, 2321 f. 921) S. oben Rn. 304 ff., 319 ff. 922) Zur grundsätzlichen Unanfechtbarkeit von Aufrechnungserklärungen s. MüKo-InsO/Kayser/ Freudenberg, § 129 Rn. 148 m.w.N. 923) Zur KO: Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 59. 924) Für die Verwertung von Absonderungsgut: BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, NJWRR 2004, 340, 342; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 Rn. 109a; Andres/Leithaus-InsO/ Leithaus, § 129 Rn. 10.
207
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
manditisten ist demgegenüber in diesem Kontext irrelevant: Die Insolvenzanfechtung im Gesellschaftsverfahren dient nur dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Der Schutz der Privatgläubiger muss dagegen in einem Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse des Kommanditisten gewährleistet werden.
445 Die Benachteiligung der Haftungsgläubiger ist überdies nicht beschränkt auf die Haftung des leistenden Kommanditisten zu prüfen, sondern hinsichtlich des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens insgesamt. Konkret bedeutet dies, dass bei der Prüfung, ob trotz der potenziell anfechtbaren Gläubigerbefriedigung alle Haftungsgläubiger vollständig befriedigt werden können,925) die gesamte zu ihrer Befriedigung verfügbare Gesellschaftshaftungsmasse zu berücksichtigen ist. Neben ggf. verbleibenden Haftungsansprüchen gegen den leistenden Kommanditisten gehören dazu auch das (auf die Haftungsgläubiger entfallende) Vermögen der Gesellschaft und die Haftungsansprüche gegen weitere Kommanditisten.
b) Anfechtungsgründe 446 Die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände müssen grundsätzlich bezogen auf die Gesellschaft und deren Insolvenzverfahren geprüft werden, da originär diesem Verfahren zuzuordnende Anfechtungsansprüche in Frage stehen.
447 So kommt es für die Berechnung der Anfechtungsfrist nach den §§ 130 ff. InsO auf die Antragstellung oder Verfahrenseröffnung im Gesellschaftsinsolvenzverfahren an – unabhängig davon, ob ein Insolvenzverfahren auch über die Haftungsmasse des Kommanditisten eröffnet ist.926) Entsprechend muss der befriedigte Gläubiger, soweit erforderlich, Kenntnis von der Antragstellung oder der Eröffnung des Gesellschaftsverfahrens sowie der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft haben. Einzig im Rahmen der analogen Anwendung der §§ 133, 134 InsO genügt für eine Rechtshandlung bzw. Leistung des Schuldners die eigenverantwortliche Zahlung durch den Kommanditisten.
448 Weil die Gläubiger einen Anspruch aus § 171 Abs. 1 HGB gegen den Kommanditisten auf Zahlung haben, sind dessen Haftungsleistungen grundsätzlich als kongruente Deckung unter den Voraussetzungen des § 130 und nicht nach § 131 InsO anfechtbar. Etwas anderes gilt beispielsweise bei Befriedigungen oder Sicherungen, die innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums (vor Antragstellung im Gesellschaftsverfahren) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden.927) Den im Rahmen des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO928) erforderlichen Benachteiligungsvorsatz muss der leis___________ 925) 926) 927) 928)
208
Zum Fehlen der Gläubigerbenachteiligung in diesem Fall s. die Nachweise oben in Fn. 623. Für das Verhältnis zur Anfechtung im Kommanditistenverfahren s. unten Rn. 457 ff. Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228. Die Modifikationen nach § 133 Abs. 2, 3 S. 1 InsO finden Anwendung, wenn die Leistung des Kommanditisten – wie in aller Regel – eine kongruente Deckung ist.
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
tende Kommanditist haben.929) Inhaltlich muss dieser Vorsatz darauf gerichtet sein, die Haftungsgläubiger des jeweiligen Kommanditisten zu benachteiligen. In Kauf genommene Nachteile für die Privatgläubiger sind – entsprechend dem zur objektiven Gläubigerbenachteiligung Festgestellten – im Rahmen des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens unbeachtlich. Ob eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO vorliegt, ist anhand der für Zwei-Personen-Verhältnisse geltenden Maßstäbe im Verhältnis zwischen Gläubiger und Gesellschaft zu bewerten.930) Es genügt also eine Leistung auf die Haftung für eine unentgeltliche Verbindlichkeit der Gesellschaft.
c)
Anfechtungsfolgen
Als zentrale Anfechtungsfolge ordnet § 143 Abs. 1 S. 1 InsO an, dass dasjenige, 449 „[w]as […] aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, […] zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden“ muss. Die Formulierung der Vorschrift zeigt, dass der Anfechtungsanspruch auf den Ausgleich der durch die anfechtbare – und deshalb haftungsrechtlich unwirksame931) – Rechtshandlung verursachten Masseminderung gerichtet ist und nicht auf die Abschöpfung einer Bereicherung beim Anfechtungsgegner.932) Die vorinsolvenzliche Beeinträchtigung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung soll dadurch unschädlich gemacht werden, dass die Masse in den Zustand versetzt wird, in dem sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung gewesen wäre.933) Das von einem Kommanditisten an einen Gläubiger geleistete Geld stammt aus 450 dem Vermögen und auch aus der Haftungsmasse des Kommanditisten, denn die haftungsrechtliche Zuordnung, deren Verwirklichung auch § 171 Abs. 2 HGB dient, betrifft nur die Ansprüche der Gläubiger aus § 171 Abs. 1 HGB. Daraus folgt scheinbar, dass die „Rückgewährpflicht“ des § 143 Abs. 1 S. 1 InsO nicht auf die Herausgabe des vom Kommanditisten Geleisteten gerichtet sein kann. Stattdessen besteht die gläubigerbenachteiligende und nach § 143 Abs. 1 InsO auszugleichen___________ 929) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-HGB/Strohn, § 171 Rn. 104; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 Rn. 228; für den unbeschränkt haftenden Gesellschafter auch Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2318, 2321 f.; ähnlich Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42, 57. Selbstverständlich genügt dementsprechend die Kenntnis des Gläubigers von diesem Kommanditistenvorsatz. 930) Entsprechend für die Anfechtung in Anweisungskonstellationen: Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Brinkmann, 93. EL. 09/2022, Anh. § 145 Rn. 29; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 134 Rn. 58a. 931) Jaeger-InsO/Henckel, § 143 Rn. 23 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.02, 21.15; Paulus, AcP 155 (1956), 277 ff., 300; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 268. 932) BGH, Urt. v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61, 63 = NJW 1978, 1326 (zum wortlautgleichen § 37 Abs. 1 KO); HambK-InsR/Rogge/Leptien, § 143 InsO Rn. 14; K. SchmidtInsO/Büteröwe, § 143 Rn. 7a, 7d. 933) BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325, Rn. 31; HK-InsO/Thole, § 143 Rn. 1; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 23; Jaeger-InsO/Henckel, § 143 Rn. 36; HambK-InsR/ Rogge/Leptien, § 143 InsO Rn. 14.
209
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
de Minderung der Aktivmasse der Gesellschaft in der Reduzierung oder dem Verlust der Haftungsansprüche durch Ausschöpfung der Haftsumme.
451 Die „Rückgewähr“, d.h. die Wiederherstellung dieser Ansprüche ist dem Gläubiger aber grundsätzlich934) nicht möglich. Insbesondere existiert kein rechtlicher Mechanismus, aufgrund dessen eine Rückzahlung an den Kommanditisten zum Wiederaufleben der Forderungen aus § 171 Abs. 1 HGB führt. Bei Betrachtung nur des Verhältnisses zwischen Haftungsgläubiger und Kommanditist bliebe eine Rückzahlung als rechtsgrundlose Leistung insoweit ohne Auswirkung. Auch unter Einbeziehung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens ist kein Anknüpfungspunkt für das Wiederaufleben der Haftungsforderungen ersichtlich. Insbesondere greift § 144 Abs. 1 InsO in diesen Fällen nicht. Zwar können nach dieser Vorschrift durchaus auch Forderungen aufleben, die nicht gegen den Insolvenzschuldner, sondern gegen einen Dritten gerichtet sind.935) § 144 Abs. 1 HGB verlangt jedoch als Voraussetzung für das Wiederaufleben der Forderung die Rückgewähr des Erlangten. Aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich, dass damit die Erfüllung des Anspruchs aus § 143 Abs. 1 InsO gemeint ist, also die „Wiederherstellung“ der Masse.936) Daraus folgt: Mit der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO lässt sich die Rückgewähr in die Masse (durch Wiederaufleben der Forderungen) nicht begründen, weil das Eintreten dieser Rechtsfolge davon abhängig gemacht ist, dass die Rückgewähr zuvor bereits (auf anderem Wege) erfolgt ist.
452 Es besteht auch kein Anlass, dieses Ergebnis – z.B. durch extensivere Interpretation des § 144 Abs. 1 InsO („Gewährt […] das Erlangte zurück“) – zu korrigieren, denn eine Rückzahlung an den Kommanditisten wäre auch keine sachgerechte Anfechtungsfolge. Nachdem eine solche erfolgt wäre, müsste sich die erneute Inanspruchnahme des Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft nach § 171 Abs. 2 HGB anschließen. Dies wäre als Abwicklung „übers Eck“ nicht nur praktisch umständlicher als eine Zahlung unmittelbar in die Gesellschaftsmasse, sondern würde auch dazu führen, dass die Gesellschaft nicht nur das Insolvenzrisiko des vorinsolvenzlich befriedigten Gläubigers, sondern auch das des Kommanditisten trägt. Eine Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich, denn die Rückabwicklung beruht auf Gründen, die einzig das Verhältnis zwischen Gesellschaft
___________ 934) Anders bei doppelter Anfechtbarkeit in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Kommanditist, s. unten Rn. 469. 935) Uhlenbruck-InsO/Hirte/Borries, § 144 Rn. 4; HK-InsO/Thole, § 144 Rn. 3; Kübler/Prütting/ Bork/Jacoby-InsO/Jacoby, 96. EL 06/2023, § 144 Rn. 11, 16; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.10.2022 – IX ZR 130/21, NJW 2023, 214; Urt. v. 8.1.2015 – IX ZR 300/13, NJW-RR 2015, 565, Rn. 17. 936) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Jacoby, 96. EL 06/2023, § 144 Rn. 8; K. Schmidt-InsO/ Büteröwe, § 144 Rn. 4; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-InsR/Gehrlein, § 144 Rn. 4 („an die Masse zurückgewährt“).
210
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
und Haftungsgläubiger betreffen, und das Geleistete ist wirksam aus dem Vermögen und der Haftungsmasse des Kommanditisten ausgeschieden.937) Ist die Rückgewähr zur Masse dem Haftungsgläubiger als Anfechtungsgegner 453 demnach nicht in natura möglich, richtet sich der Inhalt des Anfechtungsanspruchs aufgrund des Verweises in § 143 Abs. 1 S. 2 InsO nach der Haftung des bösgläubigen Bereicherungsschuldners.938) Unter anderem erstreckt die Anfechtungshaftung sich nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auf dasjenige, was „auf Grund des erlangten Rechts“ erworben wurde, mithin auf Surrogate für das aus der Gesellschaftsmasse Ausgeschiedene. Und ein solches Surrogat existiert bei vorinsolvenzlichen Gläubigerbefriedigungen durch einen Kommanditisten: An die Stelle des durch Erfüllung erloschenen Haftungsanspruchs tritt im Vermögen des Gläubigers der Haftungserlös. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft kann deshalb nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB die Herausgabe des Erlöses von dem befriedigten Gläubiger verlangen. Ist der Anfechtungsanspruch also grundsätzlich nicht auf Wertersatz, sondern ge- 454 genständlich auf den konkret erlangten Erlös gerichtet ist, besteht kein Hindernis, dem Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des Gläubigers Aussonderungskraft beizumessen.939) Der Erstreckung des Anfechtungsanspruchs nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auf Surrogate ist insoweit eine haftungsrechtliche Surrogation zu entnehmen, wie sie in § 48 S. 2 InsO auch bei Einziehung sonstiger massefremder Forderungen vor Verfahrenseröffnung vorausgesetzt wird.940) Fehlt es dagegen an der gegenständlichen Unterscheidbarkeit, richtet sich der Anspruch nach § 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz und die Aussonderung ist ausgeschlossen. Hat der Gläubiger die Befriedigung nicht durch Zahlung des Kommanditisten, 455 sondern durch Aufrechnung mit oder gegen die Haftungsforderung erlangt, wird diese mit Verfahrenseröffnung unwirksam, sofern die Aufrechnungslage anfecht-
___________ 937) Letzteres gilt selbstverständlich nur, wenn nicht über die Haftungsmasse des Kommanditisten ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet und die Haftungsleistung auch in diesem Verfahren anfechtbar ist. 938) Besonders klar zur subsidiären Bestimmung des Anspruchsinhalts nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO: MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 143 Rn. 99. 939) Allgemein für die auf Surrogatsherausgabe gerichtete Anfechtung: Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Jacoby, 95. EL. 03/2023, § 143 Rn. 19; Bartels, Insolvenzanfechtung und Leistungen Dritter, S. 229 f.; a.A. offenbar Jaeger-InsO/Hoffmann, 2. Aufl. 2023, § 47 Rn. 115. 940) Zur Einordnung der Forderungseinziehung als „Veräußerung“ i.S.d. § 48 InsO: BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959, Rn. 24; Uhlenbruck-InsO/Brinkmann, § 48 Rn. 7. Die direkte Anwendung des 48 S. 2 InsO scheitert an der fehlenden (hypothetischen) Aussonderungsmöglichkeit bezüglich der Haftungsansprüche, s. dazu oben Rn. 101. Denkbar wäre allenfalls die analoge Anwendung dieser Vorschrift.
211
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
bar begründet wurde, vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO,941) oder für die Aufrechnungserklärung selbst die Anfechtungsvoraussetzungen, z.B. nach §§ 129, 131 InsO, vorliegen.
456 Mit Erfüllung des Anfechtungsanspruchs lebt nach § 144 Abs. 1 InsO die anfechtbar getilgte Forderung des Gläubigers grundsätzlich wieder auf. Zahlt der Anfechtungsgegner den vom Kommanditisten anfechtbar erlangten Geldbetrag in die Gesellschaftsinsolvenzmasse, ist das Wiederaufleben der Haftungsforderung aus § 171 Abs. 1 HGB aber unpassend. In diesem Fall wird die Leistung des Kommanditisten nicht nur „rückabgewickelt“, sondern letztlich die Situation hergestellt, die bei Inanspruchnahme des Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB bestehen würde. Dann wären jedoch die Ansprüche gegen den Kommanditisten durch Erfüllung oder durch Ausschöpfung der Haftsumme erloschen. Die Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO ist deshalb für den hier behandelten Fall im Wege der teleologischen Extension942) dahingehend zu modifizieren, dass der Anfechtungsgegner und auch alle übrigen Beteiligten umfassend in die rechtliche Position versetzt werden, die infolge einer Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB bestehen würde.943) Lehnt man mit der h.M. die Anwendung des § 144 Abs. 2 InsO auf die Anfechtung von Deckungsgeschäften ab,944) ist auch bei Anfechtung vorinsolvenzlicher Gläubigerbefriedigungen durch einen Kommanditisten die auf diese Vorschrift gestützte Rückforderung einer an die Gesellschaft erbrachten Gegenleistung durch den Anfechtungsgegner ausgeschlossen.
III. Anfechtung in der Doppelinsolvenz 457 Komplexe Fragen wirft schließlich die Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Kommanditist auf.945) Aufgrund der summenmäßigen Beschränkung der Haftung ist die Insolvenz des Kommanditisten zwar nicht in gleicher Regelmäßigkeit Konsequenz der Gesellschaftsinsolvenz wie beim unbeschränkt haftenden Gesellschafter. Kommt es dennoch zur Doppelinsolvenz, muss aber geklärt werden, wie sich ___________ 941) Zur Anwendung des § 96 InsO auf Aufrechnungen vor Verfahrenseröffnung: BGH, Urt. v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158, 161 ff. = NJW 2007, 78, Rn. 9 ff.; MüKo-InsO/ Kirchhof/Piekenbrock, § 143 Rn. 75; HambK-InsR/Jacoby, § 96 InsO Rn. 25. 942) Zur Erweiterung der Rechtsfolgen einer Vorschrift durch teleologische Extension: Reimer, Methodenlehre, Rn. 623 ff.; Meier/Jocham, JuS 2015, 490, 495. 943) Zur dinglichen Berechtigung hinsichtlich des Haftungserlöses s. oben Rn. 339 ff., zu den schuldrechtlichen Erlösauskehransprüchen gegen die Gesellschaft Rn. 372 f. und zur str. cessio legis analog § 774 Abs. 1 BGB hinsichtlich der haftungsauslösenden Gesellschaftsverbindlichkeit s. Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 92 m.w.N. Auch die geschilderten Verteilungsregeln gelten für den Anfechtungserlös entsprechend. 944) Jaeger-InsO/Henckel, § 144 Rn. 4 ff.; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 144 Rn. 23; K. SchmidtInsO/Büteröwe, § 144 Rn. 1; a.A. zuletzt Brinkmann, ZRI 2022, 805, 811 f. 945) Zur Stellung der Haftungsgläubiger im Kommanditisten-Insolvenzverfahren s. oben Rn. 92 ff.
212
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
die geschilderte Anfechtungsbefugnis des Gesellschaftsverwalters wegen vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen eines Kommanditisten zu den auf dieselbe Gläubigerbefriedigung gestützten Anfechtungsmöglichkeiten des Kommanditisten-Insolvenzverwalters verhält.
1.
Verhältnis der Anfechtungsmöglichkeiten
a) Irrelevanz der bloßen Eröffnung des Kommanditistenverfahrens Der Bundesgerichtshof hat für den Fall der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und 458 unbeschränkt haftendem Gesellschafter angenommen, einzig der Insolvenzverwalter des Gesellschafters könne vorinsolvenzliche Haftungsleistungen anfechten.946) Demgegenüber sei die Anfechtung durch den Verwalter der Gesellschaft ab Eröffnung des Gesellschafterverfahrens stets ausgeschlossen. Der IX. Senat argumentierte, das Anfechtungsrecht des Gesellschaftsverwalters lasse sich zur „Ausschaltung des ‚schnelleren Zugriffs‘“ durch den Haftungsgläubiger nur rechtfertigen, wenn eine Anfechtung ansonsten „gänzlich ausgeschlossen“ sei. Nach Eröffnung des Gesellschafterverfahrens könne der Gläubigerzugriff aber durch die Anfechtung in ebendiesem Verfahren rückabgewickelt werden.947) Die ausnahmslose Beschränkung des Anfechtungsrechts in der Doppelinsolvenz 459 auf das Gesellschafterverfahren überzeugt allerdings nicht. Der Ausgangspunkt für die sachgerechte Grenzziehung der „Anfechtungszuständigkeiten“ zwischen den Insolvenzverwaltern der Gesellschaft und des Kommanditisten liegt in der Erkenntnis, dass die Anfechtung im Gesellschaftsverfahren einem anderen Zweck dient als die Anfechtung im Kommanditistenverfahren. Zwar geht es in beiden Fällen um den vorgelagerten Schutz der insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln, jedoch hinsichtlich unterschiedlicher Haftungsmassen und unterschiedlicher Gläubigergruppen. Während die Insolvenzanfechtung im Gesellschaftsverfahren die korrekte Verteilung der Gesellschaftshaftungsmasse an die Gesellschaftsgläubiger absichert, leistet die Anfechtung im Kommanditistenverfahren dasselbe für die Verteilung der Kommanditistenhaftungsmasse an die Gesamtheit seiner Gläubiger. Nach der Vorstellung des BGH können insolvenzrechtlich missbilligte Befriedigungs- 460 vorteile hinsichtlich der Gesellschafterhaftung in der Doppelinsolvenz in jedem Fall en passant durch die Anfechtung im Gesellschafterverfahren rückabgewickelt werden. Das Geleistete sei in die Masse des Gesellschafters zurückzugewähren und der Ver___________ 946) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 13 ff.; zustimmend: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-InsR/Piekenbrock, § 93 InsO Rn. 16; MüKo-InsO/ Gehrlein, § 93 Rn. 30; Braun-InsO/Kroth, § 93 Rn. 39; Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2323; Jeitner, NZI 2009, 673, 674. 947) Zustimmend Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2323; ähnlich zu § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 72.
213
Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
walter der Gesellschaft könne in der Folge nach § 93 InsO die Haftungsforderungen im Gesellschafterverfahren zur Tabelle anmelden.948) Diese Annahme ist jedoch (für den unbeschränkt haftenden Gesellschafter wie für den Kommanditisten) unzutreffend: Weil die Subsumtion unter die Anfechtungsvoraussetzungen im Kommanditistenverfahren an andere äußere und innere Tatsachen anknüpft, sind ohne Schwierigkeiten Fälle denkbar, in denen die Zahlung eines Kommanditisten an einen Haftungsgläubiger die Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO im Kommanditistenverfahren nicht erfüllt, im Gesellschaftsverfahren aber wohl. Beispielsweise kann die Zahlung wegen der früheren Antragstellung im Gesellschaftsverfahren dort innerhalb und im später beantragten Kommanditistenverfahren außerhalb des Anfechtungszeitraums liegen.949) Ebenso kann der befriedigte Gläubiger zum Leistungszeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht aber des Kommanditisten gekannt haben (z.B. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO). Das Insolvenzrecht akzeptiert in diesen Konstellationen die Leistung des Kommanditisten mit Blick auf die Verteilung seiner eigenen Haftungsmasse. Hinsichtlich der Verteilung der Gesellschaftsmasse handelt es sich dagegen um eine insolvenzrechtlich (wegen Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen) nicht hinzunehmende Beeinträchtigung der Masseverteilung.950)
461 Weil die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Haftungsmasse des Kommanditisten also nicht stets die Absicherung der Gleichbehandlung im Gesellschaftsverfahren gewährleistet, vermag diese Verfahrenseröffnung für sich genommen auch nicht den Verlust der Anfechtungsmöglichkeit im Gesellschaftsverfahren zu rechtfertigen. Vielmehr muss es bei der uneingeschränkten und selbständigen Anfechtungsbefugnis in beiden Insolvenzverfahren jedenfalls dann bleiben, wenn nicht die Befriedigung des Haftungsgläubigers sowohl im Gesellschafts- als auch im Kommanditistenverfahren anfechtbar ist.
b) Anfechtungskonkurrenz 462 Liegen die Anfechtungsvoraussetzungen hingegen in beiden Insolvenzverfahren vor, besteht tatsächlich ein klärungsbedürftiges „Konkurrenzverhältnis“.951) Dessen ___________ 948) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 16. 949) So (bei einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter) in BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 = NJW 2009, 225. 950) Zur Vermeidung der Unanfechtbarkeit in derartigen Fällen ist die Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten im Kommanditistenverfahren kein gangbarer Weg. (So aber BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 18 ff.) Dadurch würde die Anfechtung im Kommanditistenverfahren mit der mittelbaren Gewährleistung der Gläubigergleichbehandlung im Gesellschaftsverfahren zu einem Zweck funktionalisiert, dem sie nicht zu dienen bestimmt ist. Hierfür besteht kein Bedürfnis. 951) Preuß, JR 2009, 505, 506 f., führt wenig überzeugend die bloße Existenz dieses Konflikts als Rechtfertigung für die pauschale ausschließliche Anfechtungszuständigkeit des Gesellschafterverwalters an. Dadurch würde das Problem im Übrigen nur auf die nachgelagerte Frage der Verwendung des Anfechtungserlöses verlagert.
214
B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
Auflösung kann nur überzeugend gelingen, wenn sichergestellt ist, dass erstens der befriedigte Gläubiger nicht doppelt zur anfechtungsweisen „Rück“-Zahlung – in die Gesellschafts- und in die Kommanditistenmasse – verpflichtet ist952) und dass zweitens das an den Gläubiger Geleistete schlussendlich in diejenige Masse fließt, der es haftungsrechtlich zusteht.953) Im Hinblick auf letzteres muss sich im Ergebnis die Insolvenzmasse des Komman- 463 ditisten durchsetzen.954) Hinter dem grundsätzlich auf Herausgabe des Haftungserlös gerichteten Anfechtungsanspruch der Gesellschaft steht die Erkenntnis, dass dieser Erlös im Wege der haftungsrechtlichen Surrogation an die Stelle des Anspruchs aus § 171 Abs. 1 HGB tritt. Diese Surrogation zugunsten der Gesellschaft setzt aber voraus, dass das Geleistete zunächst wirksam aus der Haftungsmasse des Kommanditisten ausgeschieden ist. Ist dagegen bereits die Entscheidung des Kommanditisten, das Geleistete durch Übertragung an den Gläubiger aus seiner Haftungsmasse herauszulösen, anfechtbar und damit haftungsrechtlich unwirksam, bleibt das Geleistete Bestandteil der Kommanditistenmasse – unabhängig davon, ob die Anfechtungsvoraussetzungen auch im Gesellschaftsverfahren vorliegen.
aa) Tatbestandliche Ausschließlichkeit Nach dem Ansatz des BGH können die genannten Ziele dadurch erreicht werden, 464 dass die Möglichkeit der Anfechtung im Gesellschafterverfahren bei Doppelinsolvenz das vollständige Entfallen des Anfechtungsrechts des Gesellschaftsinsolvenzverwalters zur Folge hat.955) Konstruktiv beruht dieser Anfechtungsausschluss wohl auf dem Fehlen einer planwidrigen Gesetzesunvollständigkeit als Voraussetzung der vom BGH angenommenen Analogie (zu § 93/§§ 129 ff. InsO).956) Im Rahmen der hier vorgeschlagenen direkten Anwendung der §§ 129 ff. InsO führt dieser Ansatz hingegen nicht weiter. In einer anderen Entscheidung ging der BGH zur Vermeidung einer doppelten An- 465 fechtungshaftung im Kontext mittelbarer Zuwendungen auf Grundlage einer wertenden Betrachtung von einem (grundsätzlichen) „Vorrang“ der Deckungsanfechtung im Valutaverhältnis gegenüber einer Anfechtung nach § 134 InsO im Verhältnis
___________ 952) Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 85; im Kontext von mittelbaren Zuwendungen: BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 238 = NJW 2008, 655, Rn. 29. 953) Beide Aspekte heben zu Drittleistungen/mittelbaren Zuwendungen hervor: Bartels, Insolvenzanfechtung und Leistungen Dritter, S. 741, 753; Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Brinkmann, 93. EL. 09/2022, Anh. § 145 Rn. 68 f. 954) Ähnlich (zum unbeschränkt haftenden Gesellschafter) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 15. 955) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175, 177 = NJW 2009, 225, Rn. 14, 16. 956) Darauf verweisen auch Bork/Vogelsang, ZIP 2014, 2313, 2323.
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Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
zum Zahlenden aus.957) Konkret folge aus dem Konkurrenzverhältnis insoweit eine „Durchsetzungssperre“,958) für die der BGH allerdings eine normative Anknüpfung schuldig geblieben ist.
466 Für die Anfechtungskonkurrenz bei vorinsolvenzlichen Haftungsleistungen eines Kommanditisten, gelingt eine solche Anknüpfung auf Ebene der Anfechtungsvoraussetzungen immerhin bei Erfüllung des Anfechtungsanspruchs im Kommanditistenverfahren. In diesem Fall entfällt nämlich die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Haftungsleistung hinsichtlich der Gesellschaftshaftungsmasse. Weil der Gläubiger in die Masse des Kommanditisten zurückzahlt, lebt nicht nur sein eigener Anspruch aus § 171 Abs. 1 HGB wieder auf, § 144 Abs. 1 InsO, sondern zugleich die Außenhaftung des Kommanditisten gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern.959) Durch die Wiederherstellung der Haftungsansprüche ist die Beeinträchtigung für die Gesellschaftsmasse umfassend beseitigt und der Verwalter der Gesellschaft kann – als wäre die anfechtbare Haftungsleistung nie erfolgt – nach § 171 Abs. 2 HGB (durch Forderungsanmeldung) gegen den Kommanditisten vorgehen. Freilich ist der Gesellschafts-Anfechtungsanspruch danach nicht bloß undurchsetzbar, sondern gänzlich ausgeschlossen.
467 Vor der Rückgewähr an den Insolvenzverwalter des Kommanditisten besteht dagegen im Kommanditistenverfahren nur ein Anfechtungsanspruch, der für sich genommen als bloße Pflicht des Anfechtungsgegners gegenüber einem Dritten zum Ausgleich der Massebeeinträchtigung (im Gesellschaftsverfahren) nicht geeignet ist, die Gläubigerbenachteiligung im Gesellschaftsverfahren auszuschließen.
bb) Veränderter Inhalt des Anfechtungsanspruchs im Gesellschaftsverfahren 468 Die Existenz des Anfechtungsanspruchs im Kommanditistenverfahren hat allerdings eine andere Konsequenz, aufgrund derer sich beide Anfechtungsansprüche miteinander in Einklang bringen lassen: Sie führt zu einer Veränderung des Inhalts des vom Gesellschaftsverwalter geltend zu machenden Anfechtungsanspruchs.
469 Grundsätzlich ist dieser Anspruch wie gesehen auf Herausgabe des vom Kommanditisten Geleisteten als Surrogat des erfüllten massezugehörigen Anspruchs gerichtet, § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Der Rückgriff auf den Anspruchsinhalt nach bereicherungsrechtlichen Regeln ist allerdings nur notwendig ___________ 957) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 239 ff. = NJW 2008, 655, Rn. 33 ff.; Urt. v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, NJW 2016, 1738, Rn. 24; zustimmend Uhlenbruck-InsO/Borries/ Hirte, § 134 Rn. 81. 958) BGH, Urt. v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, NJW 2016, 1738, Rn. 24. 959) Zum Wiederaufleben von Forderungen, die nicht das Verhältnis Insolvenzschuldner-Anfechtungsgegner betreffen in anderen Fällen z.B. MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 144 Rn. 10, 18 m.w.N.
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B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
und möglich, weil die „Rückgewähr“ des aus der Masse Ausgeschiedenen – die „Wiederherstellung“ der Haftungsansprüche – dem befriedigten Gläubiger grundsätzlich nicht möglich ist. Kann der Anfechtungsgegner die Masse jedoch in natura in den vorherigen Zustand zurückversetzen, ist der Inhalt des Anfechtungsanspruchs stets darauf gerichtet960) und ein Rückgriff auf Surrogatsherausgabeansprüche scheidet aus.961) Ebendiese Möglichkeit eröffnet die Anfechtbarkeit im Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse des Kommanditisten: Durch Erfüllung des Anfechtungsanspruchs im Kommanditistenverfahren kann der Gläubiger das Wiederaufleben der Haftungsforderungen nach § 144 Abs. 1 InsO bewirken und dadurch die Haftungsmasse der Gesellschaft in denselben Zustand versetzen, in dem sie sich ohne die anfechtbare Rechtshandlung befunden hätte. Deshalb gilt: Ist die Befriedigung eines Gläubigers durch einen Kommanditisten sowohl im Gesellschaftsverfahren als auch im Kommanditistenverfahren anfechtbar, sind beide Anfechtungsansprüche nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO auf dasselbe gerichtet, nämlich auf Rückzahlung an den Kommanditisten. Die Ansprüche stehen dann nicht in Widerspruch zueinander.962)
cc) Prozessuale Konsequenzen Aus dem geschilderten Verständnis des Verhältnisses beider Anfechtungsansprü- 470 che ergeben sich folgende Konsequenzen für die Anfechtungsprozesse gegen den befriedigten Gläubiger: Hat der Anfechtungsgegner (der Haftungsgläubiger) bereits an den Verwalter des 471 Kommanditistenverfahrens geleistet, ist – wegen des Entfallens der Gläubigerbenachteiligung und damit des Anfechtungsanspruchs im Gesellschaftsverfahren – eine spätere Klage des Gesellschaftsverwalters unbegründet. Wird das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse des Kommanditisten erst nach Erhebung der auf Herausgabe des Haftungserlöses gerichtete Klage des Gesellschaftsverwalters eröffnet, verändert sich der Anspruchsinhalt im laufenden Verfahren. Der Verwalter der Gesellschaft kann darauf entweder mit einer Erledigungserklärung reagieren oder – analog § 264 Nr. 3 ZPO auch ohne Einwilligung des beklagten Gläubigers und unabhängig von der Sachdienlichkeit (§ 263 ZPO) – mit der Umstellung seiner Klage auf Leistung in die Kommanditistenmasse. Verteidigt sich der Gläubiger im auf Zahlung in die Gesellschaftsmasse gerichteten 472 Anfechtungsprozess gegen den Gesellschaftsverwalter mit dem Hinweis auf die An___________ 960) BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325, Rn. 31; Kübler/Prütting/Bork/JacobyInsO/Jacoby, 95. EL. 03/2023, § 143 Rn. 24; Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 143 Rn. 20; HambK-InsR/Rogge/Leptien, § 143 InsO Rn. 17. 961) Explizit MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 143 Rn. 99. 962) Um eine Gesamtgläubigerschaft i.S.d. §§ 428 ff. BGB handelt es sich dabei nicht, da nicht jeder Gläubiger zur Forderung der Leistung an sich selbst berechtigt ist.
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Vierter Teil: Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung
fechtbarkeit im Verhältnis zum Kommanditisten, so sind deren Voraussetzungen inzident zu prüfen. Für den Gläubiger besteht die Gefahr, dass diese Prüfung abweichend von derjenigen im Anfechtungsprozess mit dem Kommanditistenverwalter ausfällt, sodass er zur Leistung an die Gesellschafts- und an die Kommanditistenmasse verurteilt wird. Dieses Szenario kann der Gläubiger jeweils durch Verkündung des Streits nach den §§ 72 Abs. 1 Alt. 2, 73 ZPO (ggf. verbunden mit einer Aussetzung des anderen Verfahrens nach § 148 Abs. 1 ZPO) verhindern.
473 Schließlich bleibt der Fall, dass das Insolvenzverfahren über die Haftungsmasse des Kommanditisten erst nach Leistung des Haftungsgläubigers an den Verwalter im Gesellschaftsverfahren eröffnet wird. Der Anfechtungsanspruch im Gesellschaftsverfahren ist dann zum Leistungszeitpunkt immerhin tatsächlich noch auf Herausgabe des Haftungserlöses an die Gesellschaftsmasse gerichtet gewesen. Wegen des allerdings nunmehr geänderten Anspruchsinhalts entfällt der Rechtsgrund für die Zahlung in die Gesellschaftsmasse nachträglich und der Gläubiger kann nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB (i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Erstattung von der Gesellschaft verlangen. Seine anfechtungsrechtliche Verpflichtung zur Zahlung in die Masse des Kommanditisten besteht unverändert.963) Unter den Voraussetzungen des § 145 Abs. 2 Nr. 1, 2 InsO964) kann der Verwalter des Kommanditisten allerdings zudem gegen die Gesellschaft vorgehen.
2.
Anfechtungsvoraussetzungen
474 Für die Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen gilt in der Doppelinsolvenz: Erfolgt die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft, gelten die oben genannten Regeln. Jedoch entfällt die Gläubigerbenachteiligung, wenn der anfechtbar befriedigte Haftungsgläubiger den Anfechtungsanspruch im Kommanditistenverfahren bereits erfüllt hat.
475 Macht dagegen der Insolvenzverwalter des Kommanditisten wegen der Befriedigung von Haftungsgläubigern Anfechtungsansprüche geltend, ist die Insolvenz der Gesellschaft für die Feststellung der Anfechtungsvoraussetzungen irrelevant. Es handelt sich insoweit um eine Insolvenzanfechtung für die keinerlei Besonderheiten gelten: Für die Feststellung der Gläubigerbenachteiligung sind die hypothetischen Befriedigungschancen (d.h. ohne die in Frage stehende Rechtshandlung) nur im Kommanditistenverfahren maßgeblich und Schuldner i.S.d. §§ 129 ff. InsO ist nur der Kommanditist. Hervorzuheben ist insoweit exemplarisch, dass die (zur Anfechtung bei Haftungsleistungen eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters geäußerte) Ansicht des BGH, für die Berechnung der Anfechtungszeiträume komme ___________ 963) Gegenüber dem Anspruch des Gesellschaftsverwalters steht dem Gläubiger allerdings ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB zu. 964) Die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung ist stets entgeltlich, sodass eine Anwendung des § 145 Abs. 2 Nr. 3 InsO ausscheidet. Vgl. Uhlenbruck-InsO/Borries/Hirte, § 134 Rn. 43 m.w.N.
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B. Anfechtung vorinsolvenzlicher Haftungsleistungen
es auf den Eröffnungsantrag im Verfahren der Gesellschaft an, sofern dieser dem Antrag im Gesellschafterverfahren vorausgegangen ist,965) keine Zustimmung verdient. Der BGH hält dies für notwendig, da ansonsten der potenzielle Anfechtungsgegner der Anfechtung entgehen könne, indem er nach Ablauf der Anfechtungsfrist die Eröffnung des Gesellschafterinsolvenzverfahrens beantragt. Nach der Lösung des BGH besteht diese Gefahr tatsächlich: Mit Eröffnung des Gesellschafterverfahrens endet danach nämlich die Anfechtungsmöglichkeit des Gesellschaftsverwalters unabhängig davon, ob ein Anfechtungsanspruch im Gesellschafterverfahren besteht oder (wegen Überschreitung der Anfechtungsfrist) nicht. Wählt man dagegen den hier vorgeschlagenen Ansatz, verbleibt dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft in diesem Fällen das Anfechtungsrecht. Für die systemwidrigen966) „Korrekturen“ des BGH zum maßgeblichen Antrag besteht dann schon kein Bedarf und es kommt für Anfechtungen im Gesellschafterverfahren stets auf den nach § 139 InsO maßgeblichen Antrag in ebendiesem Verfahren an.
___________ 965) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 177 ff. = NJW 2009, 225, Rn. 18 ff.; zustimmend: HambK-InsR/Pohlmann, § 93 InsO Rn. 61; MüKo-InsO/Kirchhof/ Piekenbrock, § 139 Rn. 13; Gundlach/Frenzel, NJW 2009, 228; Jeitner, NZI 2009, 673, 675; ablehnend Preuß, JR 2009, 505, 506. 966) S. oben Fn. 950.
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Fünfter Teil: Übertragbarkeit der Ergebnisse auf § 171 Abs. 2 HGB strukturell vergleichbare Vorschriften Die Einziehung von Ansprüchen aus der beschränkten akzessorischen Kommandi- 476 tistenhaftung nach § 171 Abs. 2 HGB ist nicht der einzige Fall, in dem das Gesetz dem Insolvenzverwalter (oder in der Eigenverwaltung dem Sachwalter) die Geltendmachung von Ansprüchen zuweist, die vermögensrechtlich nicht dem Insolvenzschuldner zustehen. Diese weiteren Vorschriften sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, weshalb der folgende Abschnitt Einzelfragen unbehandelt lässt. Stattdessen sollen jeweils grundlegende Parallelen und Unterschiede zu § 171 Abs. 2 HGB herausgestellt und auf diesem Weg deutlich gemacht werden, dass die zu letzterer Vorschrift angestellten Erwägungen nicht auf alle vordergründig vergleichbar erscheinenden Fälle übertragen werden können.
A. § 93 InsO Das beste Beispiel ist § 93 InsO. Der Vergleich zu § 171 Abs. 2 HGB ist besonders 477 naheliegend, weil dem Insolvenzverwalter in beiden Fällen die Inanspruchnahme von Gesellschaftern als solchen ermöglicht wird. Die Gemeinsamkeiten mit § 171 Abs. 2 HGB werden oftmals betont967) und auch in dieser Arbeit wurden die zu § 93 InsO vertretenen Ansätze vielfach als Ausgangs- und Referenzpunkt genutzt. Obwohl die Vorschrift dem § 171 Abs. 2 HGB nachgebildet wurde968) – die Begründung des Diskussionsentwurfs des Justizministeriums zum späteren § 93 InsO bezeichnet diesen als „Rechtsanalogie“ zu § 171 Abs. 2 HGB969) –, bestehen Unterschiede, aufgrund derer es nicht selbstverständlich ist, beiden Vorschriften den gleichen Inhalt zuzuschreiben. Die besondere Verknüpfung der Außenhaftung des Kommanditisten mit der Leis- 478 tung einer Vermögenseinlage an die Gesellschaft nach §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB ist der Ausgangspunkt für die oben erläuterte haftungsrechtliche Zuordnung der Haftungsansprüche zur Haftungsmasse der Gesellschaft. Diese haftungsrechtliche Betrachtung war in der Folge maßgeblich für die grundlegende Einordnung des § 171 Abs. 2 HGB und für die Beantwortung zahlreicher Einzelfragen. Für die unbeschränkte Gesellschafterhaftung nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) fehlt es an einer vergleichbaren Verknüpfung. Die Zuführung und auch ___________ 967) K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 1; Heidel/Schall-HGB/Schall, § 171 Rn. 100; Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S. 141 ff.; Oetker-HGB/Oetker, § 171 Rn. 57, zitiert § 171 Abs. 2 HGB gar „iVm § 93 InsO“; Heitsch, ZInsO 2019, 1649, 1652. 968) Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 2; Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 4; HK-InsO/J. Schmidt, § 93 Rn. 1 f.; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077, 1081; Kesseler, ZInsO 2002, 549, 552. 969) Diskussionsentwurf (BMJ): Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Allgemeine Begründung, S. A40.
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Fünfter Teil: Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften
die Entziehung von gesellschaftseigenem Haftungskapital sind ohne Auswirkungen auf das Bestehen und den Umfang der akzessorischen Haftung. Ob die Ansprüche aus § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.) aus anderen Gründen der gesellschaftseigenen Haftungsmasse zuzuordnen sind, kann an dieser Stelle nicht in der gebotenen Tiefe untersucht werden. Unterstellt man im Anschluss an die Untersuchung Brinkmanns970), dass solche Gründe nicht bestehen, folgt daraus, dass auch § 171 Abs. 2 HGB und § 93 InsO unterschiedliche Funktionen haben. Soweit die gefundenen Ergebnisse gerade auf der Zugehörigkeit der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB zur Insolvenzmasse der Gesellschaft und der entsprechenden Zwecksetzung des § 171 Abs. 2 HGB beruhen, scheidet eine Übertragung auf § 93 InsO dann aus. Mit Blick auf diese funktionalen Unterschiede müsste im Übrigen der vielerorts vorgebrachten These entgegengetreten werden, § 171 Abs. 2 HGB sei neben § 93 InsO überflüssig971) und seine Beibehaltung ein „Schönheitsfehler“972).
479 Abseits der funktionalen Aspekte lässt sich eine Vergleichbarkeit der beiden Normen aber nicht leugnen. Soweit die haftungsrechtliche Zuordnung der Haftungsansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB nicht (allein) ausschlaggebend war und der Zweck des § 93 InsO973) nicht seinerseits entgegensteht, spricht deshalb nichts dagegen, die zu § 171 Abs. 2 HGB gewonnenen Erkenntnisse auch im Rahmen des § 93 InsO fruchtbar zu machen. Beispielsweise erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die analoge Anwendung des § 170 Abs. 1 S. 1 InsO sowie potenziell auch des § 171 InsO und die Überlegungen zur Beschränkung der Haftung bei fehlender Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung übertragen werden können.
B. § 92 InsO 480 Auch § 92 InsO wird häufig in einem Atemzug mit § 171 Abs. 2 HGB genannt.974) Funktional betrachtet sind beide Vorschriften einander ähnlicher als dem § 93 InsO. Wie die Haftungsansprüche nach § 171 Abs. 2 HGB kompensieren die § 92 InsO unterfallenden Ansprüche die Gläubiger für ein Defizit in der Insolvenzmasse. Das ___________ 970) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 99 ff.; s. aber BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171, 175 = NJW 2009, 225, Rn. 12, im Zusammenhang mit § 93 InsO: „Gesellschaftsvermögen und dem haftungsrechtlich gleichgestellten Vermögen des Gesellschafters“; zustimmend dazu Runkel/J. Schmidt, EWiR 2009, 273, 274. 971) Uhlenbruck-InsO/Hirte/Praß, § 35 Rn. 388; Röhricht/v. Westphalen/Haas-HGB/Mock, § 171 Rn. 90; Graf-Schlicker-InsO/Hofmann, § 93 Rn. 3; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, Fn. 14; kritisch auch Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 57. EL. 02/2014, § 93 Rn. 119. 972) K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 93 Rn. 1. 973) Eingehend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 96 ff. 974) Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 92 Rn. 1 f.; Gottwald/Haas-InsR-Hdb/Haas/Mock, § 94 Rn. 56; Kübler/ Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Lüke, 47. EL. 02/2012, § 92 Rn. 3; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 38.
222
B. § 92 InsO
spricht dafür, diese Ansprüche ebenfalls haftungsrechtlich der Gesellschaft zuzuordnen.975) Handelt es sich demnach um Bestandteile der Insolvenzmasse, so verfolgt § 92 InsO den gleichen Zweck wie § 171 Abs. 2 HGB, nämlich dem Verwalter die Verfügung über massezugehörige Forderungen zu ermöglichen, um insolvenzrechtliche Regeln auf ihre Verwertung zu erstrecken. Die rechtstechnische Einordnung des § 171 Abs. 2 HGB (Übergang der Verfügungsbefugnis) und auch die daraus gezogenen Schlussfolgerungen beanspruchen dann grundsätzlich für § 92 InsO entsprechende Geltung. In zweifacher Hinsicht ist die Übertragung jedoch Vorbehalten ausgesetzt. Ein we- 481 sentlicher Unterschied zwischen den nach § 92 InsO und den nach § 171 Abs. 2 HGB zu verwertenden Ansprüchen liegt darin, dass Gesamtschadensersatzansprüche keine rechtlich akzessorischen Haftungsansprüche sind. Der Insolvenzverwalter kann sie deshalb auch durch (verkaufweise) Abtretung verwerten und die auf die Akzessorietät gestützte Erstreckung eines im Insolvenzplan geregelten Forderungserlasses auf die Haftungsansprüche lässt sich nicht auf die von § 92 InsO erfassten Ansprüche übertragen.976) Auch die zu § 171 Abs. 2 HGB entwickelte Regel, dass sich die Verteilung stets nach der Rangfolge und Höhe der zugrundeliegenden Gesellschaftsverbindlichkeiten richten muss, scheint deshalb nicht auf § 92 InsO zu passen. Allerdings haben auch die Haftungsgläubiger i.S.d. § 92 InsO Ansprüche, mit denen sie am Gesellschaftsinsolvenzverfahren teilnehmen, und zu diesen Ansprüchen sind die Gesamtschadensersatzansprüche gewissermaßen tatsächlich entstehungsakzessorisch: Einen ersatzfähigen Schaden erleidet ein jeder Gläubiger nämlich nur soweit, wie die auf ihn entfallende Zahlung aus der Insolvenzmasse geschmälert wird. Die Höhe dieser Schmälerung ist ihrerseits proportional zur Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit. Auf diesem Wege ist die Höhe der zugrundeliegenden Gesellschaftsverbindlichkeit „automatisch“ auch für das Verteilungsverhältnis der Gesamtschadensersatzgläubiger zueinander maßgeblich.977) Hat die Masseschmälerung eine Masseunzulänglichkeit verursacht und kann nicht der gesamte Betrag vom Schadensersatzschuldner erlangt werden, sind die Massegläubiger der Gesellschaft, soweit auch ihnen Schadensersatzansprüche zustehen, vorrangig und nach der Rangfolge des § 209 InsO aus dem Haftungserlös zu be-
___________ 975) So Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 42 ff.; K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 92 Rn. 11: „als […] wäre [die Forderung] Bestandteil der Masse“. 976) Ebenso wenig führt ein in den Plan aufgenommener Forderungserlass zugunsten der Gesellschaft zu einem nachträglichen (teilweisen) Entfallen des ersatzfähigen Schadens. 977) Aus diesem Grund ist im Insolvenzplanverfahren die Gleichbehandlung der in einer Gruppe zusammengefassten Gläubiger auch ohne Planerstreckung auf den Gesamtschadensschuldner gewährleistet.
223
Fünfter Teil: Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften
friedigen.978) Ein zweiter Unterschied zwischen § 92 InsO und § 171 Abs. 2 HGB liegt darin, dass die Haftung des Gesamtschadensersatzschuldners nicht in gleicher Weise auf einen gegenüber der Gläubigergesamtheit geltenden Höchstbetrag gedeckelt ist. Eine Aufrechnungssperre für die Gläubiger bedürfte deshalb zumindest einer gegenüber dem Vergleichsfall zu § 171 Abs. 2 HGB modifizierten Begründung.979)
C. § 334 Abs. 1 InsO 482 Leben Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft und verwalten sie das Gesamtgut gemeinschaftlich (§§ 1421, 1450 ff. BGB), haften die Ehegatten nach § 1459 Abs. 2 S. 1 BGB persönlich für die Gesamtgutsverbindlichkeiten. Im Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut (§§ 333 f. InsO) weist § 334 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter die Geltendmachung dieser Haftungsansprüche zu. Zwar soll die Haftung der Ehegatten verhindern, dass die Gesamtgutsgläubiger durch Vermögensverschiebungen zwischen Gesamtgut und Vorbehaltsgut Nachteile erleiden.980) Ihr Bestehen und ihr Umfang sind jedoch tatbestandlich nicht von der tatsächlichen (Aufhebung der) güterrechtlichen Zuordnung von Vermögen zum Gesamtgut abhängig.981) Dass die Haftung demnach nicht als Ausgleich für konkrete Defizite in der „primären“ Haftungsmasse (dem Gesamtgut) dient, legt das Urteil nahe, dass es sich bei diesen Ansprüchen nicht um Bestandteile ebendieser – haftungsrechtlich bestimmten – Haftungsmasse handelt. Die persönliche Haftung der Ehegatten hat dann größere Ähnlichkeiten zur unbeschränkten Gesellschafterhaftung nach § 126 HGB n.F. (§ 128 HGB a.F.)982) als zur Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB und der Übertragung ___________ 978) Zwar erfasst § 92 InsO seinem Wortlaut nach nur Insolvenzforderungen. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit findet die Vorschrift jedoch für Masseverbindlichkeiten analoge Anwendung, BGH, Urt. v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, BGHZ 225, 90, 113 f. = NJW 2020, 1800, Rn. 76; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 75; Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 92 Rn. 22; HambK-InsR/Pohlmann, § 92 InsO Rn. 13 ff. (differenzierend nach dem Zeitpunkt der Masseverkürzung). Freilich erleiden die Massegläubiger nur in diesem Fall einen Schaden und sind überhaupt Anspruchsinhaber nach § 92 InsO, Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 74. 979) Vgl. oben Rn. 304 ff.; auch im Falle des § 92 InsO wird die Aufrechnung überwiegend für ausgeschlossen gehalten: Uhlenbruck-InsO/Hirte, § 92 Rn. 28; MüKo-InsO/Gehrlein, § 92 Rn. 22; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 78 f.; für die Anwendung der §§ 94 ff. InsO aber K. Schmidt-InsO/K. Schmidt, § 92 Rn. 10, und Oepen, Massefremde Masse, Rn. 116 f. 980) Staudinger-BGB/Thiele, § 1459 Rn. 3 m.w.N.; rechtspolitisch kritisch MüKo-BGB/Münch, § 1459 Rn. 1. 981) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 174. 982) Diese betonen Jaeger-KO/Weber, §§ 236a – 236c Rn. 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Weidmüller, § 334 Rn. 1; Oepen, Massefremde Masse, Rn. 44 f.; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 173. Als Beleg kann auch der Regierungsentwurf zur InsO herangezogen werden, in dem die in den §§ 93, 334 InsO enthaltenen Regelungen noch zwei Absätze einer Vorschrift bildeten, § 105 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 25.
224
D. § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG
der zu § 171 Abs. 2 HGB gewonnenen Erkenntnisse auf § 334 Abs. 1 InsO stehen ebenso wie bei § 93 InsO funktionale Unterschiede zwischen beiden Vorschriften grundsätzlich entgegen.
D. § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG Nach § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG ist der Insolvenzverwalter ab Eröffnung des Insolvenz- 483 verfahrens befugt, „die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen“. Dieser Gesetzeswortlaut lässt darauf schließen, dass der Insolvenzverwalter auch in diesem Fall Ansprüche der Gläubiger des Insolvenzschuldners einzieht.983) Nach herrschender Meinung regelt § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG das Verhältnis von Einzel- und Insolvenzanfechtung jedoch dergestalt, dass die Einzelanfechtungsansprüche nach dem AnfG mit Verfahrenseröffnung erlöschen und der Insolvenzverwalter stattdessen (ausschließlich) Ansprüche des Insolvenzschuldners aus § 143 InsO geltend macht.984) Dies unterstellt, handelt es sich bei § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG um eine von § 171 Abs. 2 HGB strukturell grundverschiedene Regelung, sodass die zu letzterer Vorschrift angestellten Überlegungen nicht übertragen werden können.985)
E. Zuständigkeiten des Insolvenzverwalters nach dem Aktienund dem Genossenschaftsgesetz Die §§ 62 Abs. 2 S. 2, 93 Abs. 5 S. 4986), 117 Abs. 5 S. 3 und 309 Abs. 4 S. 5987) 484 AktG sowie § 34 Abs. 5 S. 3 GenG enthalten ebenfalls Kompetenzzuweisungen an den Insolvenzverwalter, die § 171 Abs. 2 HGB vergleichbar formuliert sind. Obwohl diese aktien- und genossenschaftsrechtlichen Vorschriften nahezu wortlautgleich sind, fällt ihre Einordnung nicht vollständig einheitlich aus.
I.
§ 62 Abs. 2 S. 2 und § 309 Abs. 4 S. 5 Alt. 1 AktG
Auf die Einziehung von Ansprüchen nach § 62 Abs. 2 S. 2 AktG lassen sich die zu 485 § 171 Abs. 2 HGB gewonnenen Erkenntnisse schon deshalb nicht übertragen, weil es sich um strukturell fundamental unterschiedliche Normen handelt. ___________ 983) Oepen, Massefremde Masse, Rn. 73 f. 984) BGH, Urt. v. 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240, 249 = NJW 1990, 716, 718; Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, NJW 1995, 2783, 2784; MüKo-AnfG/Weinland, § 16 Rn. 12; Kindl/Meller-Hannich-ZVR/Haertlein, § 16 AnfG Rn. 5. 985) Die allgemeinen Erkenntnisse über die Umsetzung gegenstandsbezogener Befriedigungsvorrechte (s. oben Rn. 345 ff.) gelten freilich auch hier. Weil die Kosten des Gläubigerrechtsstreits „aus dem Erstrittenen“ zu erstatten sind, ist dann die allgemeine Ansicht zu hinterfragen, der Kostenerstattungsanspruch nach § 16 Abs. 1 S. 2 AnfG sei eine (im Rang über den Kostenverbindlichkeiten stehende) Masseverbindlichkeit, vgl. MüKo-AnfG/Weinland, § 16 Rn. 19 m.w.N.; in diesem Sinne auch Kübler/Prütting/Bork/Jacoby-InsO/Jacoby, 95. EL. 03/2023, Anh. § 143 Rn. 37. 986) Anwendung auch kraft Verweises in §§ 48 S. 2, 94, 116 S. 1 AktG. 987) Anwendung auch kraft Verweises in §§ 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4, 323 Abs. 1 S. 2 AktG.
225
Fünfter Teil: Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften
486 Nach h.M. steht das (einzige) materielle Forderungsrecht auf Rückgewähr aktienrechtswidriger Leistungen der AG an die Aktionäre im Falle des § 62 Abs. 2 S. 1 AktG weiterhin ausschließlich der Gesellschaft selbst zu, den Gläubigern wird lediglich die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft ermöglicht und sie können nach § 62 Abs. 2 S. 1 AktG ausschließlich Leistung an die Gesellschaft verlangen.988) Für diese Einordnung kann zum einen der Gesetzeswortlaut herangezogen werden, wonach die Gläubiger den „Anspruch der Gesellschaft“ geltend machen können, und zum anderen die systematische Stellung des § 62 AktG als Bestandteil der Kapitalerhaltungsregeln, die stets das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär betreffen.989) Im Insolvenzverfahren macht der Insolvenzverwalter hier also anders als im Falle des § 171 Abs. 2 HGB keine Gläubigerforderungen geltend. Insoweit ist der Wortlaut des § 62 Abs. 2 S. 2 AktG unpräzise und missverständlich gefasst („das Recht der Gesellschaftsgläubiger“).990) Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters für diese Ansprüche folgt nach alledem bereits aus § 80 Abs. 1 InsO991) und der Regelungsgehalt des § 62 Abs. 2 S. 2 AktG erschöpft sich darin, die Einziehungsmöglichkeit der Gläubiger aus § 62 Abs. 2 S. 1 AktG zu beenden.992) Der Norm ist deshalb weder eine dem § 171 Abs. 2 HGB vergleichbare Ermächtigungswirkung, noch eine entsprechende Sperrwirkung zu entnehmen.993)
487 Das gleiche Ergebnis ist für § 309 Abs. 4 S. 5 AktG festzuhalten, soweit der Insolvenzverwalter „das Recht der Aktionäre“ aus § 309 Abs. 4 S. 1 AktG geltend macht. Auch hierbei soll es sich nämlich nicht um einen eigenen Aktionärsanspruch, sondern um eine gesetzliche Prozessstandschaft handeln.994)
II. §§ 93 Abs. 5 S. 4, 117 Abs. 5 S. 3, 309 Abs. 4 S. 5 Alt. 2 AktG und § 34 Abs. 5 S. 3 GenG 488 Setz man am Wortlaut der §§ 93 Abs. 5 S. 1, 117 Abs. 5 S. 1, 309 Abs. 4 S. 3 AktG und § 34 Abs. 5 S. 1 GenG an, gibt es keinen Grund zur Differenzierung ge ___________ 988) H.M. Koch-AktG, § 62 Rn. 16; Hölters/Weber-AktG/Mayer/Albrecht v. Kolke, § 62 Rn. 17; MüKo-AktG/Bayer, § 62 Rn. 85, 88 ff.; a.A. Grigoleit-AktG/Grigoleit/Rachlitz, § 62 Rn. 8, mit nachvollziehbaren Argumenten. 989) Vgl. Koch-AktG, § 62 Rn. 16; Hölters/Weber-AktG/Mayer/Albrecht v. Kolke, § 62 Rn. 17; das Wortlautargument ist freilich mit Blick auf die sogleich zu erläuternden weiteren aktienrechtlichen Vorschriften ein schwaches. 990) MüKo-AktG/Bayer, § 62 Rn. 86; Koch-AktG, § 62 Rn. 18. 991) MüKo-AktG/Bayer, § 62 Rn. 107; Grigoleit-AktG/Grigoleit/Rachlitz, § 62 Rn. 9. 992) Grigoleit-AktG/Grigoleit/Rachlitz, § 62 Rn. 9. 993) Mit Vergleich zu § 92 InsO: Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO für Insolvenz- und Sanierungsmasse, S. 33; missverständlich insoweit Staub-HGB/Thiessen, § 171 Rn. 158, der annimmt, § 171 Abs. 2 HGB und § 62 Abs. 2 S. 2 AktG liege das gleiche Prinzip zugrunde. 994) Hölters/Weber-AktG/Leuering/Goertz, § 309 Rn. 47; Grigoleit-AktG/Servatius, § 309 Rn. 14.
226
E. Einziehungsvorbehalte nach AktG und GenG
genüber den soeben behandelten Vorschriften: Auch hiernach machen Gesellschaftsgläubiger einen „Ersatzanspruch der Gesellschaft“ geltend. Allerdings haben die den Gläubigern in diesen Vorschriften zugewiesenen Rechte teils andere Voraussetzungen (vgl. § 93 Abs. 5 S. 2 AktG) und stets können sie ein anderes Schicksal haben als die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Ersatzpflichtigen. Beispielsweise schließt der Verzicht einer AG unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG die Ersatzpflicht von Vorstandsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft aus, das Recht der Gläubiger bleibt hingegen nach § 93 Abs. 5 S. 3 AktG unberührt. Vor diesem Hintergrund können die hier in Frage stehen Vorschriften nicht wie § 62 Abs. 2 S. 2 AktG so verstanden werden, dass sie lediglich das jeweilige Gläubigerrecht beenden und den Insolvenzverwalter auf die Einziehung von Gesellschaftsansprüchen nach § 80 Abs. 1 InsO verweisen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass die gläubigerschützenden besonderen Haftungsmodalitäten aus den §§ 93 Abs. 5 S. 3, 117 Abs. 5 S. 2 und 309 Abs. 4 S. 2 AktG und § 34 Abs. 5 S. 2 GenG gerade in der Gesellschaftsinsolvenz, in der dieser Schutz besonders notwendig ist, wirkungslos bleiben. Die zu einem gewissen Grad bestehende Selbständigkeit der Gläubigerrechte gegenüber den Ansprüchen der Gesellschaft lässt vielmehr darauf schließen, dass den Gläubigern tatsächlich eigene – wenn auch mit dem Gesellschaftsanspruch grundsätzlich verknüpfte – Ansprüche zustehen, deren Einziehung im Insolvenzfall dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist. Dies entspricht auch dem mehrheitlichen Verständnis der Vorschriften.995) Diese Ansprüche der Gläubiger haben erkennbare Parallelen zu den Haftungsan- 489 sprüchen aus § 171 Abs. 1 HGB.996) Sie entstehen gewissermaßen als Annex zur Begründung eines Anspruchs der Gesellschaft wegen einer Schädigung oder Verkürzung deren Vermögens (Vergleichsfall: Nichtleistung oder Rückgewähr der Einlage) und erlöschen, sobald die Leistung an die Gesellschaft erfolgt ist (Einlageleistung). Auch die Beschränkung von Verzichtswirkungen auf das Innenverhältnis findet in § 172 Abs. 3 HGB eine Entsprechung. Stellt man also erneut auf die Natur der Ansprüche als Kompensation für ein konkretes Massedefizit ab, muss man auch hier auf ihre Massezugehörigkeit schließen. Die Ergebnisse zu § 171 Abs. 2 HGB können deshalb grundsätzlich sinngemäß auf die §§ 93 Abs. 5 S. 4, 117 Abs. 5 S. 3, 309 Abs. 4 S. 5 AktG und auf § 34 Abs. 5 S. 3 GenG übertragen werden. ___________ 995) Zu § 93 Abs. 5 S. 4 AktG: Grigoleit-AktG/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 156; Koch-AktG, § 93 Rn. 171; Hölters/Weber-AktG/T. Hölters/W. Hölters, § 93 Rn. 310; a.A. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 21.10.1976 – 1 U 19/76, BeckRS 1976, 01117, Rn. 9; zu § 117 Abs. 5 S. 3 AktG: MüKoAktG/Spindler, § 117 Rn. 46; Koch-AktG, § 117 Rn. 12; zu § 309 Abs. 4 S. 5 AktG: Hölters/ Weber-AktG/Leuering/Goertz, § 309 Rn. 49; Koch-AktG, § 309 Rn. 23; zusammenfassend zu allen aktienrechtlichen Vorschriften auch Oepen, Massefremde Masse, Rn. 32 f.; zu § 34 Abs. 5 S. 3 GenG entspricht dies nicht der h.M., obwohl die Vorschrift § 93 AktG weitgehend entspricht: vgl. Henssler/Strohn-GesR/Geibel, § 34 GenG Rn. 14. 996) So auch MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 331; Grigoleit-AktG/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 156.
227
Zusammenfassung der Ergebnisse Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammen- 490 fassen:
A. Grundzüge des gesetzlichen Haftungsregimes Die akzessorische Haftung des Kommanditisten zeichnet sich durch zwei Charak- 491 teristika aus: die Beschränkung auf die in das Handelsregister eingetragene Haftsumme und die Verknüpfung der Haftung mit der Leistung und der Rückgewähr einer „Einlage“. Diese Besonderheiten offenbaren die (von der Haftung des unbeschränkt haftenden Gesellschafters verschiedene) Funktion der Kommanditistenhaftung. Weil ihr Bestand nach den §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB von der Ausstattung der Gesellschaft mit eigenem Haftungsvermögen abhängig ist, fungiert die akzessorische Haftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 1 HGB als Ersatz für ein konkretes Defizit in der gesellschaftseigenen Haftungsmasse. Entscheidende Voraussetzung einer „Einlageleistung“ i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 492 HGB ist vor diesem Hintergrund eine Leistung in das Gesellschaftsvermögen, die das im Krisenfall zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verfügbare Kapital mehrt. § 172 Abs. 4 S. 1 HGB setzt spiegelbildlich die Entziehung derartiger Mittel voraus. Die rechtlichen Konsequenzen einer Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaft und Kommanditist im Innenverhältnis sind stets unabhängig von der Haftungsfolge, §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB, zu beurteilen.
B. Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB Aufschluss über die – wegen des knappen Gesetzeswortlauts – unklare rechtliche 493 Ausgestaltung der Befugnis des Insolvenzverwalters nach § 171 Abs. 2 HGB gibt ein von dieser Funktion der Kommanditistenhaftung ausgehendes Normzweckverständnis.
I.
Regelungszweck
Die zentralisierte Einziehung durch den Insolvenzverwalter vermeidet zunächst er- 494 hebliche Ineffizienzen, welche die weiterhin individuelle Inanspruchnahme mit sich bringen würde. Insbesondere verringert sie die Zahl der potenziellen Haftungsprozesse erheblich und ermöglicht einheitliche gerichtliche Entscheidungen gegenüber einzelnen Kommanditisten sowie die Professionalisierung der Einziehung und die Vermeidung von Prozesserledigungen aufgrund von Zahlungen des Kommanditisten an andere Gläubiger oder die Gesellschaft. Dies sind jedoch nicht die zentralen Gründe für die Existenz des § 171 Abs. 2 HGB. In erster Linie setzt die Vorschrift vielmehr die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche um.
229
Zusammenfassung der Ergebnisse
495 Ob ein Gegenstand Teil der Insolvenzmasse ist, muss spezifisch haftungsrechtlich bestimmt werden. Die Gesamtheit der Gegenstände, die einer Person haftungsrechtlich zugeordnet sind, bilden deren Haftungsmasse (Gegenbegriff zum Vermögen). Nach Verfahrenseröffnung entspricht die Haftungsmasse der Insolvenzmasse. Dass die Ansprüche der Gläubiger aus § 171 Abs. 1 HGB Bestandteil der Haftungs- und Insolvenzmasse der Gesellschaft sind, folgt in erster Linie aus der geschilderten Funktion der Haftungsansprüche als Kompensation für ein Defizit in dem den Gesellschaftsgläubigern haftenden Gesellschaftsvermögen. Sollen Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Kommanditist – wie mit den §§ 171 Abs. 1 Hs. 2 und 172 Abs. 4 HGB beabsichtigt – für die Gläubiger tatsächlich neutral sein, muss die Verwertung der Haftungsansprüche der Verwertung des Gesellschaftsvermögens gerade im Insolvenzfall gleichgestellt sein. Die Tatsache, dass die Geltung insolvenzrechtlicher Verteilungsregeln für die Kommanditistenhaftung an die Insolvenz der Gesellschaft geknüpft ist, bestätigt diesen Befund, der sich auch auf die Erwägungen des historischen Gesetzgebers stützen lässt.
496 Die deshalb notwendige Geltung insolvenzrechtlicher Verwertungs- und Verteilungsregeln ordnet § 171 Abs. 2 HGB an. Dabei geht es – entgegen dem vorherrschenden Verständnis – nicht bloß um die Erstreckung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes auf die Kommanditistenhaftung. § 171 Abs. 2 HGB ermöglicht darüber hinaus, dass auch in Bezug auf die Partizipation an der beschränkten Kommanditistenhaftung die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit Berechnungsgrundlage für quotale Ausschüttungen ist und nicht die Höhe des auf die Haftsumme gedeckelten Anspruchs aus § 171 Abs. 1 HGB. Zudem kann nur auf diese Weise der Vorrang der Massegläubiger nach § 53 InsO und der Nachrang nach § 39 InsO auf die Kommanditistenhaftung erstreckt werden.
II. Anwendungsbereich 497 § 171 Abs. 2 HGB erfasst unabhängig von der Gesellschaftsform der Insolvenzschuldnerin alle Fälle, in denen eine Person als Kommanditist (d.h. nach § 171 Abs. 1 HGB) für Verbindlichkeiten derselben haftet. Die Vorschrift gilt für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Im Eröffnungsverfahren findet § 171 Abs. 2 HGB weder unmittelbare noch für den Fall der Ernennung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters analoge Anwendung. Das Insolvenzgericht kann allerdings nach § 21 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Haftungsansprüche Leistungs- und Vollstreckungsverbote anordnen.
498 Für die Haftungsansprüche von Massegläubigern gilt § 171 Abs. 2 HGB in gleicher Weise wie für diejenigen der Insolvenzgläubiger. Zwar kann wegen einer Masseverbindlichkeit im Übrigen grundsätzlich selbständig geklagt und vollstreckt werden. Der Insolvenzverwalter ist jedoch auch in diesen Fällen stets (z.B. als Partei kraft Amtes) in die Befriedigung der Massegläubiger eingebunden. Dass alle Massegläubiger grundsätzlich zugleich Haftungsgläubiger sind, setzt die Erkennt230
B. Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
nis voraus, dass die Haftungsanordnung des § 171 Abs. 1 HGB für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten nicht teleologisch zu reduzieren ist. Zwar stehen die organisationsrechtlichen Unterschiede zwischen Kommanditisten und unbeschränkt haftenden Gesellschaftern einer Übertragung der These vom Gleichlauf von Haftung und Herrschaft nicht entgegen, weil nach dieser These richtigerweise die Veränderung des Verwaltungsauftrags entscheidend sein sollte (Führung der Gesellschaftsgeschäfte im Interesse der Gläubiger und nicht mehr zur Erreichung des von den Gesellschaftern bestimmten Gesellschaftszwecks). Vor allem die mit dem Haftungsmechanismus der §§ 171 Abs. 1 Hs. 2, 172 Abs. 4 HGB verfolgte Zielsetzung, Vermögensverschiebungen zwischen Kommanditisten und der Gesellschaft haftungsrechtlich zu neutralisieren, lässt jedoch den Ausschluss bestimmter Gesellschaftsgläubigergruppen im Insolvenzverfahren nicht zu. Die Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB erfasst vielmehr alle Gesellschaftsverbindlichkeiten ohne Rücksicht auf ihre insolvenzrechtliche Einordnung und den Zeitpunkt ihrer Begründung. Weil Kommanditisten somit auch für Verfahrenskosten haften, ist ein bei der Einziehung nach § 171 Abs. 2 HGB zu erwartender Erlös im Rahmen der Prüfung von Massearmut und Masseunzulänglichkeit nach den §§ 26, 207, 208 InsO zu aktivieren. Auf den Insolvenzgrund hat die Haftung dagegen keine Auswirkungen: Grundsätzlich löst eine jede Zahlung des Kommanditisten einen entsprechenden Regressanspruch gegen die Gesellschaft aus, sodass die Schuldenmasse der Gesellschaft nicht verringert wird. Eine Haftung des Kommanditisten für Gesellschaftsschulden auf sonstiger Rechts- 499 grundlage (z.B. Bürgschaft) ist von § 171 Abs. 2 HGB nicht erfasst. Vom Bestehen eines Verteilungskonflikts im Einzelfall hinsichtlich der Haftung ist die Anwendung der Vorschrift nicht abhängig.
III. Rechtsfolgen § 171 Abs. 2 HGB werden mit Ermächtigungs- und Sperrwirkung allgemein zwei 500 zentrale Konsequenzen beigemessen. Vor dem Hintergrund des genannten Normzweckverständnisses kann diese Annahme grundsätzlich bestätigt werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass beide Wirkungen nicht als getrennte Rechtsfolgen des § 171 Abs. 2 HGB zu begreifen sind, sondern auf ein und derselben rechtlichen Veränderung beruhen – dem Übergang der Verfügungsbefugnis über die Haftungsansprüche auf den Insolvenzverwalter. Zudem ermöglicht die Umsetzung des Normzwecks, detaillierte Vorgaben für Verwertung und Verteilung des Haftungserlöses zu formulieren.
1.
Ermächtigungswirkung
§ 171 Abs. 2 HGB sieht keinen gesetzlichen Forderungsübergang hinsichtlich der 501 Ansprüche nach § 171 Abs. 1 HGB vor. Stattdessen folgt aus der Regelung lediglich der Übergang der Verfügungsbefugnis über die Haftungsansprüche auf den In231
Zusammenfassung der Ergebnisse
solvenzverwalter. Aus diesem folgt zugleich der Übergang der Empfangszuständigkeit für Erfüllungsleistungen des Kommanditisten und der Prozessführungsbefugnis. Der Insolvenzverwalter erlangt somit hinsichtlich der Haftungsansprüche diejenigen Befugnisse, die ihm nach § 80 InsO auch hinsichtlich sonstiger massezugehöriger Ansprüche zustehen. Er kann die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB im eigenen Namen gerichtlich und außergerichtlich gegenüber dem Kommanditisten geltend machen, sie – im Rahmen der Grundsätze zu insolvenzzweckwidrigem Handeln – im Vergleichswege erlassen und im Interesse der Gläubiger auch sonstige Verfügungen darüber treffen. Der Übergang der Verfügungsbefugnis ist unabhängig davon, ob der Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren geltend macht. Insbesondere entfaltet ein vom Verwalter mit dem Kommanditisten abgeschlossener Vergleich gegenüber allen Gläubigern Wirkung. Weil Ausschüttungen jedoch nur an Insolvenzgläubiger erfolgen dürfen, deren Forderungen zur Tabelle festgestellt sind, ist der Verwalter insoweit nicht zur Einziehung berechtigt. Die Selbständigkeit der individuellen Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB bleibt auch nach Verfahrenseröffnung erhalten. Der Kommanditist kann sich deshalb gegenüber dem Insolvenzverwalter auf Einreden und Einwendungen gegen einzelne Haftungsansprüche berufen.
502 Mangels Übergangs der Haftungsansprüche auf die Gesellschaft fehlt es diesbezüglich auch nach Verfahrenseröffnung an einer Aufrechnungslage, wenn der Kommanditist einen Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft hat. Er kann deshalb nicht gegen die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB aufrechnen. Allerdings kann er seinen Anspruch gegen die Gesellschaft als „Einlageleistung“ i.S.d. § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB einseitig erlassen und wird dadurch von seiner Außenhaftung befreit, soweit der Anspruch werthaltig ist.
503 Steht eine gesellschaftsvertraglich geschuldete Einlageleistung noch aus, kann der Insolvenzverwalter wählen, ob er den Anspruch der Gesellschaft auf Einlageleistung (nach § 80 InsO) oder die Haftungsansprüche der Gläubiger (nach § 171 Abs. 2 HGB) gegenüber dem Kommanditisten geltend macht. Unabhängig von dieser Entscheidung bleibt der Kommanditist stets berechtigt, sich durch Leistung der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten (und werthaltigen) Einlage von seiner Haftung zu befreien. Eine Auswahlmöglichkeit des Insolvenzverwalters besteht mit Blick auf die gesamtschuldnerische Natur der Haftung auch zwischen mehreren haftenden Kommanditisten. Ebenso wie die Haftungsgläubiger vor Verfahrenseröffnung ist er nicht zur anteiligen Inanspruchnahme verpflichtet.
504 Die Inanspruchnahme eines Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter ist auf den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag beschränkt. Ausdrückliche gesetzliche Anknüpfungen an diesen Betrag finden sich im Kontext anderer gläubigerschützender Rechte, z.B. in den §§ 31 Abs. 2 und 31 Abs. 3 S. 1 GmbHG sowie in § 15b Abs. 2 S. 3 InsO. Hinsichtlich der Kommanditistenhaftung handelt es sich bei der Beschränkung auf den erforderlichen Betrag entgegen dem wohl herr232
B. Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB
schenden Verständnis nicht um eine Durchsetzungssperre in Form der dolo agitEinrede. Hierfür fehlt es an dem notwendigen „Hin- und Herzahlen“, da regelmäßig nur ein Bruchteil des „überflüssig“ Geleisteten gerade an den leistenden Kommanditisten zurückzuzahlen ist. Vielmehr führt die Abwicklung der Haftung über das Innenverhältnis zu einer Reduzierung der Haftungsfunktionen auf die Schuldendeckung, die den Weg für eine teleologische Reduktion der Haftungsanordnung auf den erforderlichen Betrag ebnet. Bei der Berechnung des erforderlichen Betrags sind auf der Passivseite für den Ausfall festgestellte Forderungen anzusetzen, vom Verwalter oder einem Gläubiger bestrittene Forderungen hingegen nicht.
2.
Sperrwirkung
Die Gläubiger verlieren im Geltungsbereich des § 171 Abs. 2 HGB mit ihrer Ver- 505 fügungsbefugnis zugleich die daraus folgende Empfangszuständigkeit und Prozessführungsbefugnis in Bezug auf die Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB. Sie können deshalb nicht mehr selbständig gegen den Kommanditisten klagen oder vollstrecken. § 88 InsO findet zudem bei Vollstreckungen gegen den Kommanditisten vor Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens analoge Anwendung. Eine Aufrechnung durch einzelne Haftungsgläubiger ist als Verfügung über die Haftungsforderung nach Verfahrenseröffnung ausgeschlossen, obwohl die Aufrechnungslage durch § 171 Abs. 2 HGB unberührt bleibt. Die §§ 94 f. InsO finden insoweit keine (analoge) Anwendung, denn schützenswertes Vertrauen in die Sicherung der eigenen Forderung durch die Aufrechnungsmöglichkeit bestand auch vor Verfahrenseröffnung nicht: Der Kommanditist konnte den Anspruch des Gläubigers jederzeit durch Leistung an die Gesellschaft oder an einen anderen Gläubiger ausschließen. Der Insolvenzverwalter kann nicht in Form einer „Freigabe“ der Haftungsansprüche über die Geltung der Sperrwirkung disponieren. Zahlt ein Kommanditist nach Verfahrenseröffnung an einen Gläubiger, hat diese 506 Leistung aufgrund des Übergangs der Empfangszuständigkeit auf den Insolvenzverwalter grundsätzlich keine Erfüllungswirkung und er bleibt zur (erneuten) Leistung in die Masse verpflichtet. Bei Leistungen in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung wird er jedoch nach Maßgabe des § 82 InsO geschützt. Eine Aufrechnung durch den Kommanditisten mit einer Forderung gegen einen einzelnen Gläubiger ist nach Verfahrenseröffnung ausgeschlossen.
3.
Verwaltung und Verteilung des Haftungserlöses
Als Bestandteil der Insolvenzmasse unterliegt der Erlös aus der Inanspruchnahme 507 eines Kommanditisten denselben Verwaltungs- und Verteilungsregeln wie die sonstige Masse. Weil der aktive Kommanditist – mit Ausnahme der durch Vereinbarung mit einzelnen Gläubigern von der Haftung ausgenommenen und der Sozialverbindlichkeiten – für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, kann der Haftungserlös insoweit ohne besondere Kennzeichnung oder Separierung mit der rest233
Zusammenfassung der Ergebnisse
lichen Masse verwaltet, ohne Erstellung eines gesonderten Verteilungsverzeichnisses zur Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet sowie in die Berechnungsgrundlage für die Verwaltervergütung nach § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV einbezogen werden. Lehnt man dagegen (mit dem Bundesgerichtshof) die uneingeschränkte Haftung des Kommanditisten für nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten ab, so unterliegt der Haftungserlös stets einer gegenüber der allgemeinen Masse eingeschränkten Zweckbindung. Die folgenden Regeln für den Erlös aus der Inanspruchnahme ausgeschiedener Kommanditisten müssen dann stets angewendet werden.
508 Die Abwicklung der Haftung nach § 171 Abs. 2 HGB bezweckt nicht, den Kreis der berechtigten Gläubiger zu verändern. Bei Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten ist der Haftungserlös vielmehr nur zur Befriedigung der Altgläubiger zu verwenden. Er unterliegt deshalb einer gegenüber der sonstigen Insolvenzmasse eingeschränkten Zweckbindung, d.h. er ist den Altgläubigern als Sondermasse haftungsrechtlich zugewiesen. Das Gesetz regelt mit dem Absonderungsrecht den wichtigsten Fall der haftungsrechtlichen Zuweisung im Detail. Insbesondere die Einziehung sicherungszedierter Forderungen nach § 166 Abs. 2 InsO weist (auch insoweit) erhebliche Ähnlichkeiten mit der Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB auf. Soweit die Vorschriften über Absonderungsrechte auf letztere übertragbar sind, finden sie vor diesem Hintergrund analoge Anwendung.
509 Beispielsweise sind aus dem Haftungserlös analog §§ 170 Abs. 1 S. 1, 171 InsO grundsätzlich 9 % als Kostenbeitrag zu entnehmen und der allgemeinen Masse zuzuführen. Für die Berechnung der Verwaltervergütung findet § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV analoge Anwendung. Für eine „negative Sondermasse“ bei erfolgloser Inanspruchnahme eines Kommanditisten fehlt dagegen eine rechtliche Grundlage. Der verbleibende Haftungserlös darf nur zur Befriedigung der Altgläubiger verwendet werden. Dieser Vorrang lässt sich nur in systemkonformer Weise realisieren, wenn sich das Vermögensrecht der Gläubiger hinsichtlich der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB im Wege der dinglichen Surrogation an dem Erlös fortsetzt. Dies setzt wiederum die gegenständliche Unterscheidbarkeit in der Masse nach dem Maßstab des § 48 S. 2 InsO und damit die gegenständliche Trennung des Haftungserlöses von der sonstigen Masse durch den Insolvenzverwalter voraus.
510 Auf die Verteilung einer Sondermasse aus der Inanspruchnahme eines ausgeschiedenen Kommanditisten ist der insolvenzrechtliche Rang der zugrundeliegenden Forderung gegen die Gesellschaft zu übertragen. Ebenso ist deren Höhe für die Berechnung der Quotenausschüttung maßgeblich – nicht die Höhe des auf die Haftsumme begrenzten Haftungsanspruchs. Bei der Verteilung der allgemeinen Insolvenzmasse (oder weiterer Sondermassen) partizipieren die Sondermassegläubiger analog § 52 S. 2 InsO lediglich in Höhe ihres Ausfalls, § 43 InsO findet keine Anwendung. Die §§ 190 Abs. 3, 192 InsO gelten für diese Konstellation ebenfalls analog. 234
C. Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung
C. Insolvenzplan und Kommanditistenhaftung Die Abwicklung der Ansprüche aus § 171 Abs. 1 HGB in den Händen des Insol- 511 venzverwalters ermöglicht auch ihre Einbeziehung in einen Insolvenzplan. § 233 InsO erfasst die Ansprüche als Bestandteile der Gesellschaftsmasse ohne Weiteres. Die sanierungsförderliche Reinvestition des Haftungserlöses in das Schuldnerunternehmen setzt allerdings als Eingriff in die Rechtsstellung der Haftungsgläubiger eine explizite Regelung im Plan voraus. Die Haftungsansprüche der Massegläubiger sind vom Insolvenzplan – vorbehaltlich des § 210a Nr. 1 InsO oder einer freiwilligen Beteiligung – nicht betroffen. Haftet ein Kommanditist nicht allen Gläubigern, gelten für seine Haftungsgläubiger die Vorschriften für absonderungsberechtigte Gläubiger auch im Planverfahren analog (§ 223 sowie ggf. §§ 222 Abs. 1 Nr. 1, 237 Abs. 1 S. 2, 238 InsO). Weil die Erfüllung eines Regressanspruchs des Kommanditisten gegen die Gesell- 512 schaft wegen Befriedigung eines ihrer Gläubiger das Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB zur Folge hat, sind diese Ansprüche undurchsetzbar, bis die Befriedigung aller Haftungsgläubiger des Regressberechtigten sichergestellt ist. Dieser „faktische Nachrang“ rechtfertigt die analoge Anwendung des § 225 Abs. 1 InsO auf die Regressansprüche eines nicht ausgeschiedenen Kommanditisten gegen die Gesellschaft. Die Akzessorietät der beschränkten Kommanditistenhaftung besteht auch im Insolvenzplanverfahren. Ein im Plan vorgesehener Erlass wirkt schon aus diesem Grund und stets zugunsten der Kommanditisten. § 227 Abs. 2 InsO findet keine Anwendung.
D. Insolvenzanfechtung und Kommanditistenhaftung In der Insolvenz der Gesellschaft können sowohl Rechtshandlungen der Gesell- 513 schaft gegenüber einem Kommanditisten als auch vorinsolvenzliche Gläubigerbefriedigungen durch einen Kommanditisten nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein.
I.
Anfechtung von Ausschüttungen der Gesellschaft an einen Kommanditisten
Eine Leistung der Gesellschaft an einen Kommanditisten kann deren Gläubiger 514 i.S.d. § 129 InsO auch insoweit benachteiligen, wie die Haftung des Kommanditisten infolge der Leistung nach § 172 Abs. 4 HGB wiederauflebt. Zwar ist die Leistung mit Blick auf die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche ohne Auswirkungen auf die nominelle Höhe der Aktivmasse. Die Belastung mit dem Insolvenzrisiko des Kommanditisten sowie die potenzielle Notwendigkeit einer gerichtlichen Geltendmachung beeinträchtigt die Gläubigerbefriedigung unter Inanspruchnahme eines Kommanditisten im Vergleich zur bloßen Verteilung von Barvermögen der Gesellschaft aber in relevanter Weise. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen
235
Zusammenfassung der Ergebnisse
der §§ 129 ff. InsO sind vorinsolvenzliche Gesellschaftsleistungen an einen Kommanditisten deshalb unabhängig vom Wiederaufleben der Haftung anfechtbar.
II. Anfechtung von Gläubigerbefriedigungen durch den Kommanditisten in der Gesellschaftsinsolvenz 515 Als Beeinträchtigungen der Gesellschaftshaftungsmasse können auch Haftungsleistungen eines Kommanditisten vor Verfahrenseröffnung in direkter Anwendung der §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein. § 133 und § 134 InsO finden dahingehend analoge Anwendung, dass eine Rechtshandlung mit Benachteiligungsvorsatz bzw. Leistung des Kommanditisten genügt.
516 Die Anfechtungsvoraussetzungen (z.B. Gläubigerbenachteiligung, Anfechtungszeitraum, Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit) sind stets bezogen auf die Gesellschaft bzw. das Gesellschaftsverfahren zu prüfen. Weil der befriedigte Gläubiger die Insolvenzmasse grundsätzlich nicht in natura wiederherstellen kann, ist der Anspruch grundsätzlich auf Herausgabe des vom Kommanditisten Erlangten als (auch haftungsrechtliches) Surrogat für den erfüllten Haftungsanspruch gerichtet, § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Die Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO ist für diese Fälle im Wege der teleologischen Extension zu modifizieren: Bei Erfüllung des Anfechtungsanspruchs werden alle Beteiligten in die rechtliche Position versetzt, in der sie nach einer Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB wären.
517 In der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Kommanditist kann die Geltung insolvenzrechtlicher Verteilungsregeln im Gesellschaftsverfahren nicht in jedem Fall durch eine Insolvenzanfechtung im Kommanditistenverfahren gewährleistet werden, weil die Anfechtung in beiden Verfahren an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft ist. Das Anfechtungsrecht im Gesellschaftsverfahren wird deshalb durch die bloße Eröffnung des Kommanditistenverfahrens nicht ausgeschlossen. Die Anfechtungsvoraussetzungen sind in beiden Verfahren selbständig und nach allgemeinen Regeln zu prüfen.
518 Bei Vorliegen der Insolvenzanfechtungsvoraussetzungen in beiden Verfahren ist dem Gläubiger die Wiederherstellung der Haftungsmasse der Gesellschaft in natura (nur) dadurch möglich, dass er den Anfechtungsanspruch im Kommanditistenverfahren erfüllt (Wiederaufleben der Haftungsansprüche nach § 144 Abs. 1 InsO). Der Anfechtungsanspruch im Gesellschaftsverfahren ist deshalb im Falle der „doppelten Anfechtbarkeit“ auf Leistung in die Insolvenzmasse des Kommanditisten gerichtet – genau wie der im Verfahren über die Haftungsmasse des Kommanditisten. Ein Konflikt zwischen der Anfechtung im Gesellschaftsverfahren und der Anfechtung im Kommanditistenverfahren besteht deshalb in diesen Fällen nicht.
236
E. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften
E. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf strukturell vergleichbare Vorschriften Die zu § 171 Abs. 2 HGB formulierten Ergebnisse können auf sonstige Vorschrif- 519 ten, die den Insolvenzverwalter mit der Geltendmachung schuldnerfremder Ansprüche betrauen, grundsätzlich nur entsprechend angewendet werden, wenn diese Ansprüche die Natur derjenigen aus § 171 Abs. 1 HGB als Kompensation für ein konkretes Massedefizit teilen. Vor diesem Hintergrund scheidet insbesondere eine Übertragung auf § 93 InsO grundsätzlich aus.
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Stichwortverzeichnis
Absonderungsgut
279 ff., 291, 330 Arglisteinrede s. dolo agit-Einrede Aufrechnung durch den Kommanditisten 202 ff., 319 ff. Aufrechnung durch einen Gläubiger 304 ff. Ausfallhaftung 225 ff. Ausfallprinzip 383 ff., 393 ff. Ausgeschiedener Kommanditist 159 f., 290 f., 324 ff., 341 ff., 353 ff. Auswahlermessen 219 ff., 389
Bürgschaft
54, 168 ff.
Cessio legis
184 ff.
10 ff., 221 Innenhaftung 254 ff. Insolvenzanfechtung 72, 285 ff., 414 ff. Insolvenzgrund 228 Investmentkommanditgesellschaft 12
Kostenbeitrag 444 Kostenpauschale 355 ff. Massearmut 113, 156 Masseunzulänglichkeit 156 Masseverbindlichkeiten 116 ff., 165 ff., 374 f. Nachlassinsolvenz
Dingliche Surrogation
345 ff. Dolo agit-Einrede 239 ff. Doppelberücksichtigung 383, 390, 392 f. Doppelinsolvenz 260, 457 ff.
Einlageleistung
42 ff., 203 Einlagerückgewähr 49 ff., 427 Einreden/Einwendungen des Kommanditisten 174 ff., 239 ff. Einziehungskosten s. Sondermassekosten Empfangszuständigkeit 298, 312 ff. Erforderlichkeit zur Gläubigerbefriedigung 224 ff., 386 ff. Erfüllung 41, 189, 199, 312 Erledigung 262, 471 Ermächtigungswirkung 182 ff. Eröffnungsverfahren 109 ff., 145 Existenzvernichtender Eingriff 234
Fälligkeit
175 f. Forderungsübergang s. cessio legis Freigabebefugnis 308 ff. Fremdverwaltung 124, 138 ff. Funktion der Haftung 28, 33 ff.
Gläubigerbenachteiligung
Innenausgleich
286 ff., 417 ff.,
394 Nachrangige Insolvenzforderungen 163 f., 209 Negative Sondermasse 362 ff.
Objektive Wertdeckung Planerstreckung
409 ff. Prozessführungsbefugnis 190, 298 ff. Publikumsgesellschaft 5, 12, 221
Regressanspruch
218, 406 ff. Rückschlagsperre 302
Sacheinlage 14, 18, 46, 213 ff. Sanierung 142, 170, 292 ff., 400 ff. Schiffsfonds 3 ff., 18, 40 Schuldnerschutz 201, 311, 314 ff., 320 f. Selbständiges Inkassoverfahren 379, 394 Separierungspflicht (Haftungserlös) 345 ff. Sondermasse 75, 324 ff., 330 ff., 380, 383 ff., 404 f. Sondermassekosten 63, 350 ff., 418 Sperrwirkung 225, 259, 297 ff. Trennung von Innen- und Außenverhältnis 13 f., 39 ff., 152
437, 444 f. GmbH & Co. KG 55, 143
Unentgeltliche Leistung
Haftungsrechtliche Surrogation
Verfahrenskosten
454, 463 Haftungsrechtliche Zuordnung 70 ff., 76 ff. Haftungsrechtliche Zuweisung 74 f. Herrschaft und Haftung 124, 133 ff.
45 ff.
440, 448
119, 126, 151, 350 ff. Verfügungsbefugnis 191 ff., 209 f. Vergütung des Insolvenzverwalters 355, 365, 366 ff.
259
Stichwortverzeichnis Verjährung 177 f. Verteilung des Haftungserlöses 371 ff. Verteilungsfehler 381 f. Verteilungsmaßstab 377 ff. Verteilungsrangordnung 374 ff. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen 109 ff. Vorrang von Einlage oder Haftung 211 ff.
260
Vorsatzanfechtung 438 f., 447 f. Vorteilsanrechnung 420 f.
Wahlrecht
211, 214 ff.
Zweckbindung
75, 324 f., 330 f.