Die Vertragsstrafe und ihre Grenzen: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts [1 ed.] 9783428555734, 9783428155736

Der Vertragsstrafe kommt eine bedeutende Rolle für die Sicherstellung der Leistungserbringung und die Erleichterung der

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German Pages 232 [233] Year 2019

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Die Vertragsstrafe und ihre Grenzen: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts [1 ed.]
 9783428555734, 9783428155736

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Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 6

Die Vertragsstrafe und ihre Grenzen Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts

Von

Uwe Brendler

Duncker & Humblot · Berlin

UWE BRENDLER

Die Vertragsstrafe und ihre Grenzen

Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 6

Die Vertragsstrafe und ihre Grenzen Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts

Von

Uwe Brendler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-15573-6 (Print) ISBN 978-3-428-55573-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85573-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden als Dissertation angenommen. Es konnten Rechtsprechung und Literatur bis August 2018 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Michael Becker, für die Betreuung dieser Arbeit. Insbesondere danke ich ihm für die mir gelassene Freiheit und seine wertvollen und konstruktiven Anregungen. Darüber hinaus bin ich Herrn Professor Dr. Heribert Heckschen für die Übernahme des Zweitgutachtens und dessen überaus zügige Erstellung dankbar. Darüber hinaus bin ich dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zum Dank verpflichtet für die Unterstützung meines Studienaufenthalts am King’s College London, ohne den die Rechtsvergleichung nicht möglich gewesen wäre. Für den regen Austausch während der gemeinsamen Dissertationszeit bedanke ich mich bei Herrn Dr. Moritz Gies, Frau Dr. Claudia Alsch und Frau Dr. Katharina Klett. Besondere Erwähnung für seine Unterstützung verdient außerdem Herr Philipp Pönitz. Für die Initiierung und fortwährende Ermutigung meines Promotionsvorhabens gilt mein Dank Herrn Jens Gehlich, Leiter des Dresdner Standorts der Kanzlei Noerr. Ganz besonders danken möchte ich schließlich meiner Familie. Meiner Frau, Diana Brendler, kann ich mit Worten nicht genug danken. Mit ihrer Liebe und Unterstützung hat sie ganz wesentlich zum Werden dieser Arbeit beigetragen. Ferner meinen Eltern, Holm und Dagmar Brendler, ohne die weder mein Studium der Rechtswissenschaften noch vorliegende Arbeit möglich gewesen wären und die mir stets jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Dresden, im Januar 2019

Uwe Brendler

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Gegenstand, Zielsetzung und Grenzen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Erster Teil Die länderspezifischen Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses 24 § 1 Historische und systematische Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 A. Gemeinsamkeiten der europäischen Rechtshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Deutsche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Ursprung im römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Weiterentwicklung im römisch-kanonischen ius commune . . . . . . . . . . . . 28 3. Humanistisches Recht des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Englische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Gesetzliche Kodifikation versus Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Deutsche Gesetzgebung zur Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Englisches Rechtsbehelfssystem bei Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 2 Erlaubte Druckausübung und verbotene Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 A. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Bifunktionalität der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Absicherung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Erleichterung der Schadloshaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Sanktionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

8

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Konträre Rechtsfolgen trotz ähnlichen Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 A. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Anforderungen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Rechtswirksame Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Formerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Bestimmtheit der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Gestaltungsarten von Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Bestehen der strafbewehrten Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Sicherungsfähiger Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Abgrenzung zum selbstständigen Strafversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Verletzung der strafbewehrten Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Charakteristika und Nachweis des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Vorbehaltserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Anforderungen des englischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Rechtswirksame Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Zahlungspflicht nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Zahlung anstelle oder neben Erfüllungsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Vertragsstrafe als Mindestschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Durchsetzungsverbot nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 C. Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 § 4 Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 A. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Pauschalierter Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Zum Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Unterschiede zur Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Reugeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Draufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Vereins- und Verbandsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 B. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Liquidated damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Forfeiture clauses und deposits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 C. Rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis

9

Zweiter Teil Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

94

§ 5 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 A. Sonderstellung als richterliche Billigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 B. Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Zusammenschau der abzuwägenden Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Ermittlung des berechtigten Gläubigerinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Bewertung von Gesichtspunkten auf Schuldnerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Vorteil durch Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Art und Weise der Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Zusammentreffen mehrerer Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 C. Reduktion auf angemessenen Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Die richterliche Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Antrag auf Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 D. Keine Herabsetzung bei Strafversprechen eines Kaufmanns . . . . . . . . . . . . . . . . 116 E. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 § 6 Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A. Dualistisches Anforderungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Hinzutretender Umstand als die Sittenwidrigkeit auslösender Faktor . . . . . . 131 B. Primat der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Klauselbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Vertragsbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 C. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 A. Hintergrund der richterlichen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. § 242 BGB als Durchsetzungshindernis der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Verfassungsrechtliche Pflicht zur richterlichen Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . 142 B. Die Kinderwärmekissen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Reduktion zur Beseitigung der Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 D. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 A. Grundlagen des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Anwendung des AGB-Rechts im b2c- und b2b-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Verbotsnorm des § 309 Nr. 6 BGB im b2c-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

10

Inhaltsverzeichnis D. Allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Abweichung von dispositiven Gesetzesrecht als Benachteiligung . . . . . . . . . 156 II. Unangemessene Strafhöhe als Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Unwirksamkeit als starre Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 E. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

§ 9 Durchsetzungsverbot von penalty clauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 A. Traditionelle penalty doctrine nach Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Schrittweise Einschränkung der penalty doctrine durch die nachfolgende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Eckpunkte der wesentlichen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong (1993) . . . . . . 163 2. Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia (1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Robophone Facilities Ltd v Blank (1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4. Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Murray v Leisureplay Plc (2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C. Neuausrichtung der penalty doctrine durch Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/ Parking Eye Ltd v Beavis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Sachverhalte aus b2b- und b2c-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Aufrechterhaltung des Durchsetzungsverbots aus Gründen des Schuldnerschutzes und der Rechtstradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Fortgeltung des Erfordernisses der Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Änderung der Abgrenzungsdogmatik zu liquidated damages . . . . . . . . . . . . 179 D. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 § 10 Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Dritter Teil Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

190

§ 11 Notwendigkeit einer Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 A. Nutzen der vertraglichen Regelung von Vertragsverletzungsfolgen . . . . . . . . . . . 190 B. Möglichkeit der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. EU-Austritt von Großbritannien als Risiko und Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 § 12 Entwicklung der Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 A. Resolution on Penal Clauses in Civil Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 B. Principles of European Contract Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Inhaltsverzeichnis

11

C. Draft Common Frame of Reference . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D. Common European Sales Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 § 13 Bewertung der Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Fazit und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 A. Die länderspezifischen Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

208

I. Historische und systematische Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Druckausübung als Kernelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Vergleichbare Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Abgrenzung zur Schadenspauschalierung bzw. liquidated damages . . . . . . . 210 B. Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Richterliche Herabsetzung nach § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Richterliche Herabsetzung nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Notwendigkeit einer Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Entwicklung der Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 III. Bewertung der Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AC AcP a.E. AGB a.K. ALR Art. BauR BB BeckRS Begr. Beschl. BGB BGH BGHSt BGHZ Bing. BLR Bos & Pul BVerfGE bzw. ca. CESL Ch CILL CLC CLJ CLR Comp Law Cons LJ Conv. DB DCFR DDR ders. DM DNotZ DRiZ

andere Ansicht Absatz Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis am Ende Allgemeine Geschäftsbedingung(en) außer Kraft Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Artikel baurecht Betriebs-Berater Beck online Rechtsprechung Begründer Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bingham’s Reports, Common Pleas Building Law Reports Bosanquet and Puller’s Common Pleas reports Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Common European Sales Law Law Reports, Chancery Division Construction Industry Law Letters Commercial Law Cases Cambridge Law Journal Cornell Law Review Company Lawyer Construction Law Journal The Conveyancer and Property Lawyer Der Betrieb Draft Common Frame of Reference Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung

Abkürzungsverzeichnis DStR DVBl. Edin LR EJLS Ent LR et al. EU EuR EuZW EWCA Civ EWHC Ex Ex Rep f. ff. FPR FS GRUR GRUR-RR HGB IBLJ ICLQ i.V.m. IWRZ Jh. KOM LG LQR M&A MDR Neubearb. n.F. NJW NJW-RR Nr. NZBau NZG OLG P & CR PECL P Wms QB RG RGZ RIW Rn.

Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Edinburgh Law Review European Journal of Legal Studies Entertainment Law Review et alia (und andere) Europäische Union Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht England and Wales Court of Appeal Civil Division High Court of England and Wales Law Reports, Excheque Divison Exchequer Reports folgende fortfolgende Familie Partnerschaft Recht Festschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-Report Handelsgesetzbuch International Business Law Journal International and Comparative Law Quarterly in Verbindung mit Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht Jahrhundert Juristen Zeitung Law Reports, King’s Bench Devision KB Dokumente der Europäischen Kommission Landgericht Law Quarterly Review Mergers and Acquisitions Monatsschrift für Deutsches Recht Neubearbeitung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Property, Planning & Compensation Reports Principles of European Contract Law Peere Williams’ Chancery & King’s Bench Cases Law Reports, Queen’s Bench Division Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer

13

14 ROHG S. SeuffA sog. st. Rspr. TLR TranspR u. a. UNIDROIT Urt. v v. v. Chr. vgl. VIZ Vol. Vorbem. Warneyer WLR WM WRP z. B. ZEuP ZfA ZfBR ZPO

Abkürzungsverzeichnis Reichsoberhandelsgericht Satz oder Seite Seufferts Archiv sogenannte ständiger Rechtsprechung The Times Law Report Transportrecht unter anderem International Institute for the Unification of Private Law Urteil versus von vor Christus vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Volume Vorbemerkung Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zivilprozessordnung

Einleitung und Problemstellung Die vorliegende Arbeit untersucht die rechtlichen Grenzen der Vertragsstrafe in Form einer rechtsvergleichenden Analyse des deutschen und englischen Rechts1. Das BGB hält mit dem richterlichen Herabsetzungsrecht nach § 343 Abs. 1 S. 1 BGB eine Sondernorm für überhöhte Strafversprechen vor und bietet zugleich mit dem allgemeinen Verbot von sittenwidrigen Rechtsgeschäften in § 138 Abs. 1 BGB, dem Korrektiv des Gebots von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und den Restriktionen der §§ 305 – 310 BGB bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitere Normen zur Rechtsbefriedung. Das englische Recht, die Unzulässigkeit von penalty clauses proklamierend, setzt dagegen deren Verwendung augenscheinlich ungleich strengere Grenzen. Diese Untersuchung wird die Ausgestaltung von Vertragsstrafen sowie den Umgang verschiedenartigen mit ihnen aufschlüsseln, um zu eruieren, welche der beiden Rechtsordnungen deren Anwendungspraxis im Hinblick auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr insgesamt oder zumindest teilweise sinnvoller gestaltet. Aufgrund der offenkundigen Unterschiede beider Rechtssysteme begreift sich die Bearbeitung als Beitrag zur Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts aus deutscher und englischer Rechtsperspektive und soll demgemäß die Aussichten für ein einheitliches System zur Vertragsstrafe in Europa aufzeigen. Die Möglichkeit zur Änderung des Status quo ergibt sich aktuell infolge des Ausscheidens vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (nachfolgend Großbritannien) aus der EU (sogenannter Brexit) und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der Neuordnung der Rechtsbeziehungen der EU zu Großbritannien und womöglich zugleich der Rechtsbeziehungen innerhalb der EU.

A. Problemstellung Das Zusammenwachsen des europäischen Binnenmarktes seit Januar 1993 bringt nicht nur eine stetig steigende Zahl an grenzüberschreitenden Vertragsabschlüssen, sondern ebenso ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rechtskulturen und Rechtstraditionen mit sich, was bisweilen die Gesetzgebung, die Rechtsprechung sowie die beteiligten Parteien vor neue Herausforderungen zu stellen vermag. Die über Jahrzehnte vorangetriebene Harmonisierung des Rechts innerhalb der EU steht angesichts des angekündigten Ausscheidens von Großbritannien aus der EU möglicherweise erstmals vor einer Gegenbewegung, jedenfalls aber vor einer un1 Gemeint ist hier sowie im Folgenden das Recht von England und Wales. Schottland und Nordirland verfügen über, dem zwar angenäherte, gleichwohl eigenständige Rechtssysteme.

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Einleitung und Problemstellung

gewissen Zukunft. Großbritannien gehört mit einer Gesamtbevölkerung von knapp 65,4 Mio. Menschen und einem Bruttoinlandsprodukt von ca. USD 2,65 Billionen zu den bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Mitgliedsländern der EU.2 Es trat am 1. Januar 1973 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei, ratifizierte 1992 den Vertrag von Maastricht und 2007 den Vertrag von Lissabon.3 Am 23. Juni 2016 stimmte im Rahmen einer Volksabstimmung die knappe Mehrheit von 51,89 % der britischen Wahlberechtigten und -beteiligten für den Brexit.4 Das Austrittsgesuch gemäß Art. 50 Abs. 2 Satz 1 EUV wurde am 29. März 2017 beim Europäischen Rat eingereicht.5 Sofern die Frist nicht verlängert wird, endet die Mitgliedschaft von Großbritannien in der EU gemäß Art. 50 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union spätestens mit Ablauf des 29. März 2019. Derzeit lässt sich nur darüber spekulieren, wie die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien danach ausgestaltet sein werden. Tragfähige Erkenntnisse hierzu werden erst die langwierigen Verhandlungen zwischen den Beteiligten hervorbringen. Es kann aber allein schon wegen der unveränderten geographischen Nähe davon ausgegangen werden, dass Großbritannien ein wichtiger Handelspartner der Union bzw. der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben wird. Eine besondere Beziehung lässt sich zwischen Deutschland und Großbritannien indes schnell ausmachen. Zwischen den europäischen Mitgliedstaaten stellt Deutschland den größten Handels- und Investitionspartner von Großbritannien dar, Großbritannien ist seinerseits der fünftwichtigste Handelspartner von Deutschland.6 An der Bedeutung dieser wirtschaftlichen Beziehung ändert die Entscheidung Großbritanniens für einen Austritt aus der EU wenig, beruht doch die Verknüpfung der Wirtschaft nicht allein auf politischen Entscheidungen, sondern zu großen Teilen auf ökonomischen Faktoren und technischen Standards. Darüber hinaus unterscheidet sich das deutsche Zivilrecht schon seit jeher in erheblichem Maße vom System des common law in Großbritannien, welches auf einem über Jahrhunderte gewachsenen case law gründet und bis in die Gegenwart nur wenige gesetzliche Regelungen vorsieht,7 ohne dass diese Unterschiedlichkeit dem gemeinsam wachsenden wirtschaftlichen Markt oder den Vertragsbeziehungen deutscher und englischer Unternehmer ernsthaft geschadet hätte. Es ist mithin eine besondere Eigenschaft der EU, nicht nur mehrere unterschiedliche Zivilrechtsordnungen ihrer Mitgliedstaaten zu vereinen, sondern zu2 Stand zum 31. 12. 2016, „Britische Wirtschaft wächst stärker als erwartet“, Börsen-Zeitung, 27. 01. 2017, Nummer 19, S. 6. 3 Thiele, EuR 2016, S. 281 (286 f.). 4 Grupp, NJW 2017, S. 2065 (2065). 5 „Großbritannien setzt die Uhr in Gang“, Börsen-Zeitung, 30. 03. 2017, Nummer 163, S. 6. 6 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2016, S. 415 ff. 7 Das Recht der penalty clauses im handelsrechtlichen Verkehr ist bis heute frei von gesetzlichen Bestimmungen, Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1394 f.).

Einleitung und Problemstellung

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gleich die des common law in Großbritannien.8 Ausgehend davon bilden Bestrebungen um ein angeglichenes europäisches Privatrecht ein wesentliches Element bei der Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarkts. Eine zukunftsorientierte, die Entwicklung der Wirtschaft annehmende und von Gestaltungswillen getragene Betrachtung des Vertragsrechts kann sich damit schlicht nicht mehr nur auf den inländischen Rechtsraum beschränken. Neben der Herausforderung bietet dies zugleich die Gelegenheit, althergebrachte Denkansätze und Lösungswege auf den Prüfstand zu stellen und neu – aus einem anderen Blickwinkel – zu bewerten. Ein wesentlicher Bestandteil des Vertragsrechts bilden die Folgen von Vertragsverletzungen und in diesem Bereich speziell die Vorabregelung von Zahlungspflichten mittels Vertragsstrafen. Gerade im internationalen Geschäftsverkehr finden sich in Verträgen von komplexerer Natur und/oder längerer Laufzeit häufig Vertragsstrafen.9 Das BGB regelt u. a. in § 339 S. 1 BGB das Zustandekommen und die Rechtsfolgen von Vertragsstrafen.10 Aus dieser Bestimmung hat sich in Judikatur und Schrifttum ein allgemein anerkanntes Verständnis des Begriffs der Vertragsstrafe entwickelt. Als Vertragsstrafe gilt hiernach ein Leistungsversprechen des Schuldners, welches aus einer vertraglichen Abrede mit dem Gläubiger resultiert und dem Gläubiger den Erhalt einer Leistung sichert, sollte sich der Schuldner nicht vertragsgemäß verhalten.11 Das Strafversprechen birgt dabei für den Schuldner eine besondere Gefahr, weil der Zahlungsanspruch den Schadensersatz übersteigen kann.12 Daher bilden, neben der Ermittlung, ob die vertragliche Regelung überhaupt als eine Vertragsstrafe zu identifizieren ist, die Festlegung und Überprüfung der Strafhöhe regelmäßig den Schwerpunkt anwaltlicher bzw. gerichtlicher Tätigkeit. Der Empfänger der geschuldeten Leistung13 ist vor allem auf der Ebene der Vertragsgestaltung bestrebt, einen möglichst hohen Betrag als Strafhöhe festzuschreiben, ohne aber die Grenze zur unzulässigen Überhöhung zu überschreiten. Der Erbringer der Leistung14 kann sich leicht dazu verleiten lassen, einer hohen Vertragsstrafe zuzustimmen, wenn er von einer Erwartungshaltung getragen wird, er 8 Auf der globalen Ebene betrachtet, wandelt sich das europäische Bild eines Überwiegens des civil law in eine Vorherrschaft des common law, da die Vereinigten Staaten von Amerika als die stärkste Volkswirtschaft und die Republik Indien als die bevölkerungsstärkste Demokratie Repräsentanten des common law sind, Furmston, Law of Contract, S. 35. 9 Cremades, IBLJ 2002, S. 329 (329 f.). 10 Weitere Regelungen im BGB zur Vertragsstrafe finden sich in Form von Verboten in § 555 BGB (Vertragsstrafeversprechen eines Wohnungsmieters), § 1297 Abs. 2 BGB (Vertragsstrafe zur Absicherung des Verlöbnisses) und § 309 Nr. 6 BGB (Klauselverbot für AGB). 11 Vgl. BGH, Urt. v. 12. 10. 1978 – VII ZR 139/75, NJW 1979, 212 (213); BGH, Urt. v. 23. 06. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 (27 f.); Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 1; Janoschek, in: BeckOK BGB, § 339, Rn. 1; Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1; Schulze, in: Handkommentar BGB, § 339, Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 339, Rn. 1. 12 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 11. 13 Der Leistungsempfänger wird nachfolgend zur Vereinfachung auch Gläubiger genannt. 14 Im Folgenden wird der Leistungserbringer ebenso Schuldner genannt.

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Einleitung und Problemstellung

werde der vertraglichen Vorgabe schon ordnungsgemäß nachkommen,15 wodurch der ursprünglich Leistungswillige mitunter härter bestraft wird als der von Anbeginn mit eigener Fahrlässigkeit Kalkulierende. Im Unterschied zu der stets anfallenden Kaufpreiszahlungsverpflichtung, setzt die Strafzahlung eine Pflichtverletzung voraus. Der redliche Sachleistungsschuldner wird jedoch in der Regel darauf vertrauen, dass er seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt und es zu keinem Verstoß kommt,16 so dass sein Korrekturblick für die Höhe der Vertragsstrafe getrübt ist und diese nur mit einer gewissen Sorglosigkeit überprüft.17 Verhandelt der vermeintliche Vertragsstrafenschuldner dagegen unbeholfen um die Herabsetzung der Vertragsstrafe, sieht er sich leicht dem Vorwurf der einkalkulierten Vertragsuntreue ausgesetzt und gefährdet so womöglich den Vertragsabschluss selbst. Hinzukommen kann ein Verhandlungsungleichgewicht, wenn eine Partei, beispielsweise durch ihre herausragende Marktposition, die weitaus bessere Verhandlungsposition innehat. Dann kann sie die Aufnahme einer Vertragsstrafe aufoktroyieren.18 Die wohl typische Gefährdungsposition wohnt der Verbraucherstellung inne, denn Verbraucher haben häufig wenig, bis gar keine Verhandlungsmacht gegenüber Unternehmern, die ihre Verhandlungsmacht nutzen könnten, um gegenüber dem Verbraucher eine hohe – gegebenenfalls sogar übertrieben hohe – Vertragsstrafe auszubedingen.19 Dem Verbraucher verbleibt im Zweifel nur die Wahl zwischen „take it or leave it“. Liegt eine Verletzung der strafbewehrten Pflicht tatsächlich vor, ist es ein nachvollziehbares Ansinnen des Vertragsstrafenschuldners zu erfahren, ob er die vereinbarte Strafsumme tatsächlich in vollem Umfang erbringen muss oder ob es aussichtsreiche Chancen gibt, die Strafe (zumindest teilweise) zu Fall zu bringen. In den aufkeimenden Rechtsstreitigkeiten stehen demnach in der Regel die Fragen nach der Zulässigkeit und der Angemessenheit der Zahlungspflicht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das BGB kennt mehrere gesetzliche Grenzen für die Vertragsstrafe, allen voran die Spezialvorschrift über das richterliche Ermäßigungsrecht der Vertragsstrafe nach § 343 BGB. Danach kann das Gericht auf Antrag des Schuldners eine verwirkte, unverhältnismäßig hohe Strafe auf einen angemessenen Betrag herabsetzen. Die Feststellung, ob eine Strafe unverhältnismäßig hoch ist, bietet genauso hinreichenden Anlass für Diskussionen wie die Problematik der angemessenen Strafhöhe. Allerdings gilt dieses Ermäßigungsrecht nach § 348 HGB nicht für Strafversprechen, die ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes abgibt. Gänzlich schutzlos 15

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 11; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, § 44 Rn. 579. 16 Knütel, AcP 175 (1975), S. 44 (44). 17 Vgl. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 98 f. 18 So bereits Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 34; ebenso BGH, Urt. v. 22. 05. 1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625. 19 Zimmermann, Law of Obligations, S. 107.

Einleitung und Problemstellung

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gestellt ist der Kaufmann gleichwohl nicht. Sämtlichen Strafabreden kann die Einwendung eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB und gegebenenfalls die Einwendung einer Unwirksamkeit infolge der, wenngleich für Unternehmen eingeschränkten, Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen entgegengehalten werden. Der Erfolg dieser Einwendungen bemisst sich mangels detaillierter gesetzlicher Vorgaben anhand des Ergebnisses einer jahrzehntelangen Rechtsprechungsentwicklung, wobei stets die saubere Abgrenzung zum richterlichen Ermäßigungsrecht nach § 343 BGB bzw. der AGB-Kontrolle von Nöten ist. Eine gänzlich neue Dimension erhielt die Problematik um die Eingrenzung von Vertragsstrafen im unternehmerischen Geschäftsverkehr mit der Entscheidung Kinderwärmekissen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008.20 Der Bundesgerichtshof reduzierte darin eine von ihm als überhöht angesehene Vertragsstrafe eines Kaufmanns durch Heranziehung von § 242 BGB. Man kann sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass es sich um eine Entscheidung handelt, welche stark ergebnisorientiert ist und sich weniger am Willen des historischen Gesetzgebers orientiert. Zugleich bewegt sich der Bundesgerichtshof damit aber womöglich im Einklang mit der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Zivilgerichte bei der Inhaltskontrolle von Vertragsbestimmungen mittels der Generalklauseln des BGB die Grenzen der Privatautonomie, namentlich den Grundrechtekatalog sowie das Sozialstaatsprinzip, zu beachten haben, insbesondere wenn eine Vertragspartei als Ausfluss einer unausgeglichenen Verhandlungsstärke ungewöhnlich hart belastet wird.21 Im Falle formularmäßig verwendeter Vertragsstrafen ist darüber hinaus die Einordnung der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB zu untersuchen. Das Ob und das Wie der Verhandlung über die konkrete Vertragsbestimmung ist bei der Abgrenzung zur Individualvereinbarung entscheidend. Ist hiernach die Abrede als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten, muss sodann das Strafversprechen im b2c- und im b2b-Bereich auf eine etwaig unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach §§ 307 ff. BGB geprüft werden. Das englische Recht kennt ebenfalls Vertragsbestimmungen, die eine Geldzahlungspflicht für den Fall der Vertragsverletzung festlegen. Es unterscheidet strikt zwischen penalty clauses und liquidated damages.22 Dem Verständnis von penalty clauses und liquidated damages liegt dabei die Annahme zugrunde, es handele sich um zwei Rechtsinstitute, die aufgrund ihrer verschiedenartigen Natur miteinander unvereinbar seien. Dennoch ist die Abgrenzung mit einigen Schwierigkeiten ver20

BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, BVerfGE 89, 214 ff. 22 Exemplarisch: Bridge et al., Benjamin’s Sale of Goods, S. 983; O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 426. Siehe hierzu auch die zusammenfassenden Darstellungen bei Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 37 ff. und Le Goff, Vertragsstrafe in Verträgen für Industrieanlagen, S. 29 ff. 21

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Einleitung und Problemstellung

knüpft, weil sich beide Rechtsgebilde von ihrer Grundkonzeption keinesfalls unähnlich sind. So bestimmen beispielsweise penalty clauses als auch liquidated damages den Umfang der Zahlungspflicht als Rechtsfolge einer Vertragsverletzung. Allerdings sind Zahlungsverpflichtungen aus den penalty clauses nicht enforceable; Ansprüche aus liquidated damages können hingegen sehr wohl gerichtlich durchgesetzt werden. Diese fehlende enforceability von penalty clauses stellt eine seltene und beachtenswerte Ausnahme von der fundamentalen doctrine of freedom of contract dar. Die Grundlage für das Verständnis von penalty clauses und liquidated damages bildet die Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd aus dem Jahr 1915.23 Ungeachtet der herausgehobenen Stellung von Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung in der Rechtsprechung zu penalty clauses abgezeichnet, welche eine Anpassung an das in der Praxis nach wie vor vorhandene Bedürfnis zur Vorabregelung der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen vornimmt. Höhepunkt dieser Entwicklung bildet die Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis des Supreme Court of UK vom 04. November 2015,24 in der die bisherige Rechtsprechung zu penalty clauses erstmalig seit 100 Jahren höchstrichterlich zur Disposition gestellt und vor allem mit Blick auf die Bedürfnisse des heutigen kaufmännischen Geschäftsverkehrs grundlegend verändert wurde. Diese Interpretation von Vertragsstrafen und deren Grenze steht im augenscheinlichen Gegensatz zur deutschen Rechtslehre. Es gilt folglich, die Hintergründe des Durchsetzungsverbots von penalty clauses zu untersuchen, um tragfähige Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie weit deutsches und englisches Recht tatsächlich auseinandergehen und ob es zumindest in der Theorie möglich wäre, eine zulässige Vertragsstrafe im englischen Recht zu verankern, beispielsweise durch die Vereinbarung von deutschem Recht als Vertragsstatut für einen Vertrag mit zumindest einer Partei aus Großbritannien. Daneben ist zu eruieren, wie sich die Rechtspraxis mit dem Vollstreckungshindernis bezüglich der penalty clauses arrangiert hat und ob nicht sogar darin, im Gegensatz zur richterlichen Intervention nach § 343 BGB, die bessere Ausgestaltungsform für die Grenze der Vertragsstrafen zu sehen ist. Die Vertragsstrafe war bereits Gegenstand rechtsvergleichender Untersuchungen mit unterschiedlichen Rechtsordnungen.25 Ein Vergleich des deutschen Rechts allein 23

Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79. Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 ff. 25 Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, befasste sich mit dem deutschen, französischen und dem belgischen Recht. Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, unternahm ebenfalls den Rechtsvergleich mit französischem Recht. Das angloamerikanische Recht wurde überblicksartig von Lindacher behandelt, siehe Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 18 ff. Eine detailliertere Befassung erfuhr es durch Nodoushani, Vertragsstrafe und vereinbarter Schadensersatz, S. 71 ff. 24

Einleitung und Problemstellung

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mit dem englischen Recht und zugleich mit Fokus auf die Grenzen der Vertragsstrafe fand bislang nicht statt.26 Angesichts der reformierenden, möglicherweise sogar revolutionierenden Entscheidung des Supreme Court of UK zu penalty clauses besteht hierfür hinreichender Anlass. Mit Blick auf eine entsprechende europäische Rechtsangleichung empfiehlt sich diese Gegenüberstellung, immerhin bietet sie bezogen auf das Recht der Vertragsstrafe den vermeintlich stärksten Kontrast innerhalb der EU: Das deutsche Recht kann als Repräsentant des Ansatzes der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen angesehen werden, nach dem Vertragsstrafen zulässig sind und bei Überhöhung herabgesetzt werden können.27 Dem steht das englische Rechtsverständnis mit dem Durchsetzungsverbot von penalty clauses gegenüber.28

B. Gegenstand, Zielsetzung und Grenzen der Untersuchung Die vorliegende Arbeit analysiert die Grenzen der Vertragsstrafe nach deutschem und englischem Recht. Die Vor- und Nachteile beider Ansätze sollen herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, um schlussendlich eine Aussage über das bestmögliche Modell für eine einheitliche, europäische Handhabe von Strafabreden treffen zu können. Zugleich sollen die Aussichten für eine derartige europäische Rechtsangleichung des Vertragsstrafenrechts begutachtet werden. Der Rechtsvergleich ist dabei nicht auf ein Anwendungsgebiet der Vertragsstrafe beschränkt, er versteht sich vielmehr als eine abstrakte, rechtstechnische Betrachtung, aus der Erkenntnisse für eine generelle Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts gezogen werden können. Die erste Zielsetzung der Untersuchung besteht darin, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen deutscher und englischer Vertragsstrafe in deren jeweiligen Wesen und Wirkungsweisen herauszuarbeiten. Ein vertiefendes Befassen mit der Vertragsstrafe ist für die nachfolgende Behandlung ihrer Grenzen gleichermaßen 26

Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 22 ff., lieferte einen Vergleich der Vertragsstrafe in Deutschland, England, Frankreich und Schweden. Le Goff, Vertragsstrafe in Verträgen für Industrieanlagen, S. 29 ff., legt den Schwerpunkt außerdem auf Vertragsstrafen im Anlagenbau von Industrieobjekten. Diese beiden Betrachtungen des englischen Rechts fokussierten sich zudem auf die Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd und lassen die neuere Rechtssprechungsentwicklung nahezu außen vor, vgl. Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 37 ff. und S. 41 f. 27 Siehe etwa zum italienischen Recht: Die generelle Zulässigkeit von sog. clausola penale in Sezione „Della clausola penale e della caparra“, Libro IV- Delle Obbligazioni und die Reduktionsmöglichkeit für überhöhte Zahlungspflichten in diesem Abschnitt in Art. 1384 Codice Civile. Zum französischen Recht: clause pénale in Art. 1152 Abs. 1 Code civil und die richterliche Reduktionsmöglichkeit in Art. 1152 Abs. 2 Code civil. Zum spanischen Recht siehe Cremades, IBLJ 2002, S. 329 (331). 28 Daneben verbietet nur noch die belgische Rechtsordnung die Verwendung von Vertragsstrafen, siehe Schelhaas, ZEuP 2004, S. 388 (394 f.).

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nützlich wie notwendig. Das übergeordnete Bestreben der Arbeit zielt auf die Beantwortung der Frage, ob das Herabsetzungsrecht nach § 343 BGB bzw. § 242 BGB oder das Durchsetzungsverbot das bessere Konzept für die Praxis bietet. Hieran schließt sich das Anliegen, die Aussichten für eine entsprechende Rechtsangleichung zu bewerten. Die Untersuchung legt ihren Schwerpunkt auf die Handhabe der Vertragsstrafe in Verträgen zwischen zwei Unternehmen, mithin den business-to-business („b2b“) Bereich, ohne jedoch die Rechtslage bei Verträgen von Unternehmen mit Verbrauchern, mithin den business-to-consumer („b2c“) Bereich, gänzlich zu vernachlässigen. Darüber hinaus sollen Individualvereinbarungen im Zentrum der Untersuchung stehen, das Sonderregelungsregime der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. der general terms and conditions29 zumindest angeschnitten werden.

C. Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die Grundlagen der deutschen Vertragsstrafe und der englischen penalty clauses im Ganzen näher beleuchtet. Die Betrachtung der jeweiligen rechtsgeschichtlichen Entwicklung und rechtssystematischen Einfassung der Vertragsstrafe liefert die Hintergründe für das Verständnis des Rechtsgebildes in beiden Rechtsordnungen. Das Strafversprechen selbst wird durch die Nachzeichnung der ihm jeweils zugewiesenen Funktionen sowie der Abgrenzungen zu vergleichbaren, weil ähnlich gelagerten, Rechtsinstituten klarer umrissen. Den Abschluss bildet die Darstellung der zugehörigen Verwirkungsvoraussetzungen und der ausgelösten Rechtsfolge. Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich der rechtsvergleichenden Überprüfung der Vertragsstrafengrenzen, welche die deutsche und englische Rechtsordnung den Parteien im Hinblick auf die Verabredung von Vertragsstrafen auferlegen. Die Betrachtung des deutschen Rechts umfasst schwerpunktmäßig die Vorschriften des § 343 BGB, § 138 BGB, § 242 BGB und §§ 305 – 310 BGB sowie die für die Begrenzung von überhöhten Vertragsstrafen wichtigsten Maßstabsnormen im Kernprivatrecht. Einen Schlüsselpunkt bildet jeweils das Anforderungsprofil für das Eingreifen der gesetzlichen Korrektive: Bei § 343 BGB die Frage nach der Unverhältnismäßigkeit der Zahlungssumme, bei der Begutachtung von § 138 BGB die Entwicklung der Rechtsprechung und auf der Ebene von § 242 BGB die Begründung für dessen Anwendbarkeit trotz der Ausschlussnorm des § 348 HGB. Die Darstel29

Die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulation 1999, schedule 2, Abs. 1(e) regelt potentiell unzulässige Abreden im Graubereich „terms which have the object or effect of […] requiring any consumer who fails to fulfil his obligation to pay a disproportionately high sum in compensation.“ Siehe hierzu ausführlicher bei: Harris/Campbell/Halson, Remedies in Contract and Tort, S. 137 f.

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lung des englischen Rechts fokussiert sich neben der Abhandlung über das Durchsetzungsverbot von penalty clauses auf die Umgehungspraxis, welche sich als Reaktion auf das Vollstreckungshindernis herausgebildet hat. Im abschließenden Teil werden die vorstehenden Ausführungen in den Kontext um die Harmonisierung des europäischen Rechts über die Vertragsstrafe gestellt. Es gilt die Notwendigkeit für eine entsprechende Rechtsannäherung sowie die bisherigen Bemühungen innerhalb der EU darzustellen. Die in den beiden vorherigen Teilen gewonnenen Erkenntnisse über die Vertragsstrafe und deren Grenzen werden zusammengeführt. Aus der Betrachtung der jeweiligen Vor- und Nachteile soll das Modell einer angeglichenen, europäischen Grenze für Vertragsstrafen entwickelt und zugleich die Aussichten auf eine derartige Rechtsangleichung kritisch bewertet werden.

Erster Teil

Die länderspezifischen Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses Der erste Teil widmet sich in insgesamt vier Abschnitten der Vertragsstrafe nach deutschem und englischem Recht. Den Auftakt bildet die Betrachtung der Vertragsstrafe im jeweiligen historischen und rechtssystematischen Kontext. Anschließend werden die Funktionen der Strafabrede in beiden Rechtsordnungen thematisiert. Im dritten Abschnitt rückt die Abgrenzung der Vertragsstrafe zu anderen, ähnlichen oder zumindest vermeintlich ähnlich gelagerten Rechtsgebilden im deutschen bzw. englischen Recht in den Fokus. Den Abschluss bilden die Darstellung der Anforderungen an das Zustandekommen und die Rechtsfolge des jeweiligen Strafversprechens. Jeder der vier skizzierten Abschnitte ist strukturell identisch aufgebaut und umfasst drei Unterpunkte: die Betrachtung der Rechtslage nach deutschem Recht, die Betrachtung der Rechtslage nach englischem Recht und die abschließende rechtsvergleichende Analyse.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung Als Fundament für die rechtsvergleichende Betrachtung des Instituts der Vertragsstrafe soll der geschichtliche Ursprung von Vertragsstrafe und penalty clauses untersucht werden. Daran anknüpfend gilt es die Strafabrede in ihrer Stellung als Teil des heutigen Rechts zu beleuchten sowie das jeweilige länderspezifische System des Leistungsstörungsrechts knapp darzustellen. Auf diese Weise soll ein besseres Verständnis der Rechtskonstrukte und deren jeweiligen besonderen Charakteristika gewonnen werden.

A. Gemeinsamkeiten der europäischen Rechtshistorie Die Abhandlung beginnt mit der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung, welche die Vertragsstrafe im Laufe der Jahrhunderte im deutschen bzw. englischen Rechtsraum durchlaufen hat.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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I. Deutsche Besonderheiten Der historische Gesetzgeber des BGB hat bei Erarbeitung der Regelungen in §§ 339 – 345 BGB in ganz wesentlichen Teilen kein originär neues Recht erschaffen, sein Verdienst ist vielmehr darin zu erblicken, die überlieferten Rechtsgrundsätze in ein systematisch strukturiertes Gewand zu kleiden, punktuell ergänzt durch neue Regelungen, beispielsweise das Wahlrecht zwischen Vertragserfüllung und Vertragsstrafe nach § 340 Abs. 1 BGB.1 Die Nachzeichnung der Geschichte der Vertragsstrafe wird bewusst knapp gehalten und beschränkt sich auf die prägendsten Kapitel bzw. Einflüsse, mithin das römische Recht, das römisch-kanonische ius commune, den juristischen Humanismus des 16. Jahrhunderts und das Allgemeine Preußische Landrecht.2 Mit Blick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gilt das besondere Augenmerk der Frage, ob, und wenn ja, in welcher Form Vertragsstrafen vor Inkrafttreten des BGB Grenzen gezogen waren. 1. Ursprung im römischen Recht Obgleich das Rechtsinstitut der Vertragsstrafe noch wesentlich älter ist,3 findet das in den §§ 339 ff. BGB kodifizierte Strafgedinge seine Wurzeln im antiken römischen Recht. Nach dem Höhepunkt des römischen Rechts im Prinzipat in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus sammelte und ordnete der oströmische Kaiser Justinian I. im 6. Jahrhundert Rechtssätze im Corpus iuris civilis.4 Das Corpus iuris civilis beinhaltete unter anderem Regelungen über die Vertragsstrafe, die sog. poena bzw. stipulatio poena.5 Als stipulatio poena galt das Versprechen zur Erbringung einer Geldzahlung für den Fall, dass der Versprechende

1

Siehe nur Liebs, Römisches Recht, S. 16; Zimmermann, Law of Obligations, S. 101. Eine weitaus detailliertere Begutachtung der Geschichte der Vertragsstrafe, dargestellt anhand der Norm des § 343 BGB, liefert die Abhandlung von Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen; siehe außerdem Chasapis, Herabsetzung der Vertragsstrafe, S. 41 ff. 3 Erste verifizierte Ausführungen zum Rechtsinstitut der Vertragsstrafe reichen zurück bis ins spätere babylonische Recht (18. – 6. Jh. v. Chr.), siehe hierzu Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 19. 4 Die niedergeschriebenen Regelungen über die poena entstammen überwiegend aus den ersten drei Jahrhunderte n. Chr., Knütel, ZEuP 1994, S. 244 (244); Knütel, Stipulatio poenae, S. 2; Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 6. Allgemein zur Geschichte des römischen Rechts: Hattenhauer, S. 79 ff. 5 Poena bedeutet Buße, stipulatio steht für die Art und Weise der Festsetzung, es bedeutet „das mündliche, an eine feste Frage- und Antwortform gebundene Leistungsversprechen des klassischen Rechts“ und damit ein „einseitig verpflichtender Vertrag“, siehe Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 218. Die Ergänzung der poena um stipulatio wurde allerdings erst im 12. Jahrhundert verwendet, Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 6. 2

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

ein verabredetes Handeln oder Unterlassen nicht vornahm.6 Anknüpfungspunkt waren oftmals vertragliche Verpflichtungen, beispielsweise aus Kauf- oder Darlehensverträgen, dem Grundstücksrecht oder Familien- und Erbrecht.7 Die stipulatio poena diente vorrangig als Mittel zur Sanktionierung des Vertragsbruchs. Der Schuldner sollte durch die Strafandrohung im erhöhten Maße zur vertragsgemäßen Leistungserbringung angehalten werden.8 Daneben war die Strafabrede ein Instrumentarium zum vereinfachten Schadensausgleich für den Gläubiger, indem ihm der Nachweis des Schadens abgenommen wurde.9 Im römischen Recht erfolgte eine Unterscheidung zwischen echter und unechter Vertragsstrafe. Bei der echten Vertragsstrafe setzte die Zahlungspflicht eine Vertragsverletzung voraus, wohingegen der Schuldner einer unechten Strafabrede allein auf Sekundärebene die Zahlung eines Geldbetrags für die Nichtvornahme eines bestimmten Tuns oder Unterlassens versprach, ohne dass eine entsprechende Verpflichtung auf Primärebene bestand.10 Der Gläubiger konnte so einen mittelbaren Erfüllungszwang gegenüber dem Schuldner aufbauen und auf diese Weise seine immaterielle Interessen sichern.11 Die unechte Vertragsstrafe diente somit der Erweiterung der Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers.12 Dies ist ein Grund, warum im römischen Recht der Vertragsstrafe eine, im Vergleich mit dem heutigen Rechtsleben, ungleich höhere Bedeutung zukam.13 Aufgrund des Strebens nach der bestmöglichen Einzelfallgerechtigkeit im römischen Recht, sind die Regelungen der Vertragsstrafe im Corpus iuris civilis nicht systematisch in einem eigenen Abschnitt geordnet, sondern in der Kodifikation verstreut und sogar teilweise widersprüchlich.14 Gleichwohl kann das generelle Verständnis der stipulatio poena und ihre beiden Funktionen als vereinende Charakteristika ausgemacht werden. 6 Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 519. Die Vertragsstrafe war eine obligatio, mithin ein Rechtsverhältnis, welches dem Gläubiger gegen den Schuldner ein Leistungsforderungsrecht gewährte, Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 170. 7 Zimmermann, Law of Obligations, S. 103; eine detaillierte Befassung mit der Anwendungspraxis der Vertragsstrafe in den unterschiedlichen Vertragstypen des römischen Rechts liefert Sjögren, Römische Conventionalstrafe, S. 24 ff. 8 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 238; Zimmermann, Law of Obligations, S. 95. 9 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 7 f.; Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 19; Knütel, Stipulatio poenae, S. 51. 10 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 9 und Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 520. 11 Beuthien, BB 1968, Beilage Nr. 12, S. 1 (6); Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 33. 12 Zimmermann, Law of Obligations, S. 99. 13 Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 8; Zimmermann, Law of Obligations, S. 96. 14 Knütel, Stipulatio poenae, S. 34 f.; Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 20 und S. 15 ff. detailliert zu den Widersprüchen.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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Mit Blick auf die Grenzen der Vertragsstrafe existiert im Corpus iuris civilis keine spezielle Einwendung gegen das Strafversprechen, insbesondere keine richterliche Ermäßigungsmöglichkeit für überhöhte Vertragsstrafen.15 Als Grund hierfür kann die hohe Bedeutung der Vertragsfreiheit und der Selbstbestimmung der Parteien angeführt werden. Ein Schuldner, der eine vertragliche Verpflichtung einging, tat dies in eigener Verantwortlichkeit und musste sich deshalb an sein Vertragsversprechen halten.16 Das Corpus iuris civilis beschäftigt sich gleichwohl an mehreren Textstellen mit der Höhe der Vertragsstrafe.17 Schuldner einer Strafabrede konnten die allgemeinen Einwendungen des römischen Rechts gegen Forderungen bemühen, um die Zahlungsplicht abzuwehren. So wurde beispielsweise der Verfall zum Stopp der Vollstreckung von Vertragsstrafen herangezogen. Der Schuldner erhielt die Möglichkeit der nachträglichen und an sich nicht mehr zulässigen Erfüllung, um auf diese Weise die Vertragsstrafe zum Erlöschen zu bringen.18 Ferner existierte das allgemeine Wucherverbot, welches wohl als Mittel zur gerichtlichen Überprüfung der Strafsumme herangezogen wurde.19 Nicht mehr wissenschaftlich nachzuvollziehen ist die genaue Grenze zum unerlaubten Wuchergeschäft. Im antiken römischen Recht wurde vermutlich die Einforderung eines Betrages bis zur zweifachen Höhe des Interesses an der Hauptverbindlichkeit als noch zulässig erachtet.20 Mit der Entwicklung hin zum klassischen römischen Recht konnte sich der Gläubiger dann sogar den drei- bis vierfachen Wert seines Interesses an der Hauptverbindlichkeit als Strafe versprechen lassen, ohne die Grenze zum Wucher zu überschreiten.21 Vorausgesetzt, die Begrenzung durch den Wuchertatbestand wurde im römischen Recht tatsächlich für Strafabreden zur Anwendung gebracht, ist neben den genannten Werteverhältnissen der herangezogene Fixpunkt bemerkenswert. Die Bestimmung der angemessenen bzw. im Umkehrschluss unverhältnismäßigen Strafe orientierte sich maßgeblich am Integritätsinteresse des Gläubigers. Die Präponderanz der Gläubigerinteressen und die fehlende Relevanz von schuldnerbezogenen Gesichtspunkten enthält eine gewisse Aussagekraft über das Rollenverhältnis von Gläubiger und Schuldner. 15 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 13, 20 und S. 180 f.; Zimmermann, Agreed Payment for Non-Performance, S. 355 (360). 16 Zimmermann, Law of Obligations, S. 107. 17 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 11 ff. 18 Knütel, AcP 1975, S. 44 (49 f.); Zimmermann, Law of Obligations, S. 110. 19 Bejahend: Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 1; kritisch hingegen: Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 12 f. Dessen Bedenken gründen im teilweisen Fehlen eines bestimmbaren Vermögensinteresses als Bezugspunkt für die Höhe der Vertragsstrafe, welches den Ausgangspunkt zur Überprüfung einer Übersteigerung bildete. 20 Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 1. 21 Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 1; Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 11 f.

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Strafabreden für die verspätete Leistungserbringung durften ferner nicht zu einer Umgehung der zu dieser Zeit jeweils gültigen Zinsgesetze führen.22 Eine Strafe wegen Verzugs, welche den Zinssatz überstieg, war mithin unwirksam. Diese Akzessorietät kommt im heutigen § 344 BGB zum Ausdruck.23 Interessanterweise wurde jedoch nur der überschießende Teil für unwirksam erklärt, die Strafe bis zur zulässigen Zinsgrenze dagegen bestehen blieb,24 was das Androhen überhöhter Strafen durch den hiermit einhergehenden Abschreckungseffekt zumindest befördert haben dürfte. Dieses Prinzip der geltungserhaltenden Reduktion widerstreitet heute dem Grundgedanken der Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB. Zugleich lässt sich eine ablehnende Haltung im römischen Privatrecht gegen eine Kürzung überhöhter Strafabreden auf Null konstatieren. Dies kann wiederum als Ausdruck der generell gläubigerfreundlichen Rechtsanwendung in Bezug auf die Strafabrede gewertet werden. 2. Weiterentwicklung im römisch-kanonischen ius commune Nachdem das römische Recht im Mittelalter in Vergessenheit geraten war, verhalfen ihm italienische Rechtsgelehrte an der Universität von Bologna in der Epoche der Glossatoren ab Ende des 11. Jahrhundert zu einer Renaissance.25 Die Glossatoren verfolgten mit ihren Kommentierungen der römischen Rechtstexte, insbesondere des Corpus iuris civilis, das Ziel, die Vielzahl an Texten zu sortieren und Lösungen für zeitgenössische Rechtsfragen ihrer Epoche zu entwickeln.26 Ab Mitte des 13. Jahrhunderts schloss sich die Epoche der Rezeption an, in welcher das römischkanonische ius commune als gemeines Recht im europäischen Rechtsraum maßgebliche Geltung erlangte.27 Das ius commune vereinte römische Rechtsansichten mit kirchlichen Rechtsvorstellungen und gelangte in Europa zur subsidiären Anwendung nach dem jeweiligen territorialen Statut und dem lokalen Gewohnheitsrechts.28 An Universitäten in ganz Europa wurde das ius commune gelehrt, welches bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Grundlage des rechtswissenschaftlichen Austausches in Westeuropa war.29 22

Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 65. Vgl. Tuhr, Allgemeiner Teil des BGB, II/2, S. 272. 24 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 14. 25 Allgemein zur Epoche der Glossatoren: Hans Schlosser, Europäische Rechtsgeschichte, S. 68 ff. Speziell und detailliert zu Vertragsstrafen in dieser Epoche: Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 26 ff. 26 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 42. 27 Hierzu Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 44 ff. 28 Berman/Reid, ZEuP 1995, S. 3 (13); Knütel, ZEuP 1994, S. 244 (244 f.); Zimmermann, JZ 1992, S. 8 (11). 29 Zimmermann, JZ 1992, S. 8 (10 f.); Knütel, ZEuP 1994, 244 (245 f.). 23

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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Die voranschreitende Übernahme der kirchlichen Rechtsvorstellung führte zu wachsendem Bewusstsein für den Schutz des Schuldners, welches grundlegend das Verständnis zivilrechtlicher Rechtsfragen umformte und unter anderem das Recht der Vertragsstrafe beeinflusste.30 Konkreter Ausfluss des allgemeinen Schuldnerschutzgedankens war die zumindest von Teilen der kanonischen Kommentatoren geforderte Einführung einer allgemeinen Begrenzung der Vertragsstrafehöhe auf das Doppelte des Gläubigerinteresses unter Berufung auf das Corpus iuris canonici.31 Die kirchenrechtlichen Vorstellungen hatten ferner Einfluss auf die Funktionen des Strafversprechens. Es erfolgte eine zunehmende Fokussierung auf die schadensersatzrechtliche Aufgabe von Vertragsstrafen, während gleichzeitig das pönale Element der Vertragsstrafe an Bedeutung verlor.32 3. Humanistisches Recht des 16. Jahrhunderts Mit der im 16. Jahrhundert beginnenden Epoche des Humanismus war wiederum eine Rückbesinnung auf antike Rechtssätze verbunden und zugleich eine Änderung des bisherigen römisch-kanonischen Rechts.33 Hieraus ergab sich jedoch keine Fortsetzung der durchweg gläubigerfreundlichen Haltung des römischen Rechts in Bezug auf Vertragsstrafen. Vielmehr kam es zu einer Weiterentwicklung der durch kanonische Gelehrte begründeten kritischen Sicht auf die Konventionalstrafe als Druckelement gegenüber dem Schuldner.34 In der humanistischen Epoche wurde erstmalig die Idee der Schaffung eines richterlichen Herabsetzungsrechts für unverhältnismäßig hohe Strafabreden entwickelt.35 Dies ist ein augenscheinlicher Beleg für die zunehmende Beachtung von Schuldnerinteressen. Zugleich ist es Ausdruck einer Offenheit für neue, durchaus kreative Lösungen zur Handhabe des Spannungsverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner. Letztlich hat dieser Impuls zum heutigen richterlichen Ermäßigungsrecht nach § 343 BGB geführt. Nach der sich herausbildenden Überzeugung sollte dem Gläubiger lediglich ein Anspruch auf Ausgleich seines erlittenen Schadens zustehen.36 Diese zunehmend geäußerte Vorgabe eines Bereicherungsverbot zog es nach sich, dass ein Strafversprechen nur schwerlich als rechtswirksam angesehen werden konnte, wenn die 30

Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 20. Eine übereinstimmende Ansicht über die Begrenzung von Strafversprechen und die damit verbundene Ablehnung der freien Vereinbarung der Strafhöhe war gleichwohl nicht vorhanden, Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 51 ff. und S. 58 ff. 32 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 52; Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 20. 33 Schlosser, Europäische Rechtsgeschichte, S. 116. 34 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 76 f. 35 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 94 f. 36 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 53. 31

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Abrede der Vertragsstrafen nicht auf einer plausiblen ex ante Schätzung des Schadens fußte und dem Schuldner nicht die Möglichkeit anheimgestellt wurde, die Höhe der Vertragsstrafe mit dem Nachweis eines tatsächlich geringeren Schadens anzugreifen.37 4. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Im 19. Jahrhundert wurde das ius commune durch eine Mehrzahl an nationalen Gesetzen zurückgedrängt,38 unter anderem trat das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten im Jahr 1794 in Kraft.39 Aus den Motiven des BGB-Gesetzgebers lässt sich erkennen, dass das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten im Rahmen der Ausarbeitung des BGB die prägendste Rolle im Hinblick auf die Normen zur Vertragsstrafe zukam, weitaus gewichtiger etwa als der Code civil für die linksrheinischen Gebiete.40 Dieses Gesetz enthielt in den §§ 292 ff. ALR Bestimmungen über die Conventionalstrafe. In Fortsetzung der Bestrebungen von Teilen der kanonischen Lehre war der Schuldnerschutz mittels mehrerer Stellschrauben in diese gesetzlichen Regelungen eingearbeitet. § 292 ALR41 galt als Ausdruck der Fokussierung auf die schadensersatzrechtliche Aufgabe der Strafabrede.42 § 293 ALR enthielt eine Limitierung der Schadensersatzansprüche auf den Strafbetrag.43 Die Regelung nahm dem Gläubiger so die Möglichkeit, vom Schuldner den tatsächlichen Schaden einzufordern, sollte dieser höher als die Strafsumme sein.44 Diese summenmäßige Begrenzung des Forderungsrechts befreite den Schuldner von der Sorge um einen unerwartet hohen Schaden. Aus Gläubigersicht war diese Deckelung des Schadensersatzes durch die Vertragsstrafe von Nachteil. Weiterhin wurde der Gedanke eines richterlichen Ermäßigungsrechts im Falle überhöhter Vertragsstrafen aufgegriffen und in Recht gegossen. Der Richter musste

37 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 20 f.; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 53. 38 Zu nennen ist das französische Zivilgesetzbuch Code Civil aus dem Jahre 1804 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von Österreich von 1811. 39 Siehe hierzu Schlosser, S. 208 ff. 40 Hess, Vertragsstrafe, S. 23 f., m.w.N. 41 § 292 ALR lautet: „Das Interesse, welches ein Contrahent dem andern bei nicht gehörig geleisteter Erfüllung des Vertrags zu vergüten hat, kann durch Verabredung einer Strafe im Voraus bestimmt werden.“ 42 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 21. 43 § 293 ALR lautet: „Wo dergleichen Strafe festgesetzt worden, da findet die Forderung eines höheren Interesses nicht statt.“ 44 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 22, 32; vgl. Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 36.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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gemäß § 301 Abs. 1 S. 5 ALR45 bei Strafabreden reduzierend eingreifen, wenn die vereinbarte Summe das Interesse des Gläubigers an dem vertraglich eingeforderten Verhalten um das Zweifache überstieg.46 Eine als überhöht einzuordnende Vertragsstrafe wurde stets auf den doppelten Betrag des Gläubigerinteresses herabgesetzt, ohne dass dem Richter ein Ermessen anheimgestellt war; vielmehr waren ihm, sobald der Schuldner den Nachweis über das unzureichende Interesse des Gläubigers geführt hatte, die Hände gebunden,47 selbst wenn der zweifache Strafbetrag unangemessen hoch für die Vertragsverletzung war. Jedoch stand dem Richter im Rahmen der Festlegung der Höhe des Gläubigerinteresses ein Beurteilungsspielraum zu. Der restriktiven Rechtsfolgenseite konnte so teilweise entgegengewirkt werden. Wie bereits beim allgemeinen Wucherverbot des römischen Rechts, agierte auch hier das Gläubigerinteresse als entscheidender Bestimmungsfaktor für die zulässige Strafhöhe. Eine bemerkenswerte Ausnahme von der richterlichen Reduktionsmöglichkeit war für Fälle vorgesehen, in denen das Gläubigerinteresse nicht monetarisierbar war. Vertragsstrafen zum Schutz derartiger Interessen waren keiner richterlichen Herabsetzung zugänglich.48 Der Umstand der gesetzlichen Kodifizierung des Herabsetzungsrechts im Preußischen Landrecht bildet einen Meilenstein in der geschichtlichen Entwicklung der Vertragsstrafe. Die rechtliche Analyse der entsprechenden Vorschriften fällt gleichwohl nicht durchweg positiv aus. Die Ausprägung des Schutzniveaus zugunsten des Schuldners war aufgrund des engen Korsetts für den Richter durchaus niedrig. Zu statisch erscheint das Prozedere, welches wenig Rücksicht auf Einzelfallkonstellationen zuließ. Die Ausklammerung von immateriellen Interessen macht die Regelung ferner lückenhaft. Zwar ist zuzugestehen, dass die genaue Festlegung einer angemessenen Summe in derartigen Konstellationen mit enormen Schwierigkeiten im Einzelfall verbunden sein kann. Gleichwohl kann dies nicht zum Entfallen jeglicher Kontrolle führen. Zugutezuhalten ist der gesetzlichen Regelung des § 301 ALR dagegen deren großer persönliche Anwendungsbereich infolge des Verzichts auf eine Ausnahmeregelung, beispielsweise für Kaufleute wie im heutigen § 348 HGB. Die vorgesehene Reduktion auf den doppelten Betrag des Gläubigerinteresses stellt eine Wertentscheidung des Gesetzgebers dar. Ob es angemessen ist, wenn dem Gläubiger ein Forderungsrecht von doppelter Höhe im Vergleich zu seinem eigentlichen Interesse verbleibt, kann zumindest hinterfragt werden.

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§ 301 Abs. 1 S. 5 ALR lautet: „Wird jedoch dadurch der doppelte Betrag des wirklich auszuermittelnden Interesses überstiegen, so muss der Richter die Strafe bis auf diesen doppelten Betrag ermäßigen.“ 46 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafe, S. 140. 47 Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 140 f. 48 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 23.

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II. Englische Besonderheiten Die Historie der penalty clauses ist eng mit der geschichtlichen Entwicklung des Rechtssystems in England und Wales verwoben. Das englische Recht ist geprägt durch die zielgerichtete Ausbreitung eines einheitlichen königlichen Rechts durch Wilhelm den Eroberer im 11. Jahrhundert und Heinrich II. im 12. Jahrhundert auf dem Gebiet Englands.49 Die Entstehung des common law stand jedoch unter dem Einfluss des römischkanonischen ius commune.50 Die Rechtswissenschaft in Großbritannien war nicht strikt getrennt von der in Kontinentaleuropa. Es gab vielmehr einen regen, fortwährenden rechtswissenschaftlichen Austausch in Westeuropa mit dem ius commune als Grundlage.51 Die Erkenntnisse überführten die englischen Könige und Gerichte in unterschiedliche doctrine des englischen Rechts. Ein Beispiel hierfür ist die doctrine of consideration, welche die gerichtliche Durchsetzung von informellen Versprechen verhindern soll.52 Ein Leistungsversprechen ist im englischen Recht grundsätzlich nur wirksam, wenn es im Hinblick auf ein Gegenopfer des Versprechensempfängers abgegeben wird.53 Die Gegenleistung muss ausreichend sein, wobei die Beurteilung des Werts der Gegenleistung dem Versprechenden obliegt.54 Eine Ausnahme vom Erfordernis der consideration besteht für Vereinbarungen, die als deed verbrieft werden, mithin vor einem Zeugen unterzeichnet werden.55 Diese gegenseitige Beeinflussung von Kontinentaleuropa und Großbritannien zeigt sich unter anderem mit Blick auf penalty clauses. Deren geschichtliche Entwicklung beginnt mit der Ausbreitung von penal bonds im Bankgewerbe durch italienische Kaufleute im 13. Jahrhundert.56 Penal bonds fungierten als Sicherheiten für die Geldüberlassung. Der Schuldner versprach in einer schriftlichen Urkunde die Zahlung einer höheren Summe für den Fall der Nichtrückführung des erhaltenen Betrags.57 Ein Verbot für die Nutzung von derartigen Zahlungsversprechen war zu

49 Umfassend zur Entstehung des common law, siehe Hudson, History of the Laws of England, S. 255 ff. 50 Knütel, ZEuP 1994, S. 244 (245); Zimmermann, JZ 1992, S. 8 (15 f.). 51 Zimmermann, JZ 1992, S. 8 (10 f.), mit Beispielen für das grenzüberschreitende Wirken von akademischen Persönlichkeiten in Europa; Knütel, ZEuP 1994, 244 (245 f.). 52 Zimmermann, JZ 1992, S. 8 (16 f.). 53 Currie v Misa, Ex 1875, Vol. 10, S. 153; Johnson v. Gore Wood & Co (A Firm), WLR 2001, Vol. 2, 72; McKendrick, Contract Law, S. 143 ff. 54 Andrews, Contract Law, S. 109 f. 55 Andrews, Contract Law, S. 112 f.; Häcker, ZEuP 2011, S. 335 (342). Dies ist beispielsweise relevant für Schenkungsversprechen. 56 Biancalana, CLJ 2005, S. 212 (212). 57 McGregor, McGregor on Damages, S. 483. Dieses Zahlungsversprechen ist eine Verbindlichkeit gleicher Ordnung im Verhältnis zur Darlehensrückzahlungsverpflichtung, siehe McGregor, McGregor on Damages, S. 484.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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Beginn dieser Praxis nicht vorhanden.58 In der Folge wurden penal bonds auch in anderen Geschäftsfeldern zur Anwendung gebracht. Es entwickelte sich eine Vertragspraxis, in der beide Seiten ihre jeweiligen Verpflichtungen mittels penal bonds absicherten und im Falle der Nichteinhaltung den festgeschriebenen Betrag sogleich, unabhängig vom tatsächlichen Schaden, einfordern konnten.59 Penal bonds erfüllten insgesamt drei Funktionen: Sie sollten den Schuldner zur Vertragserfüllung anregen, im Falle einer Pflichtverletzung durch die überhöhte Zahlungspflicht strafend wirken und Schwierigkeiten bei der Feststellung des eingetretenen Schadens beseitigen.60 Ein Grund für die häufige Verwendung von penal bonds war das System der prozessualen Anspruchsdurchsetzung mittels writ. Als writ galt im 12. Jahrhundert die schriftliche Erlaubnis des Königs, seine Gerichte zur Rechtsverfolgung zu nutzen, verbunden mit der Anweisung an den Richter bzw. den Justizbeamten, in der knapp umrissenen Angelegenheit den Beklagten zu laden und anschließend die Sache zu verhandeln.61 Im 13. und 14. Jahrhundert bildeten sich ca. 75 Arten von writs mit jeweils voneinander abweichenden Verfahrensanforderungen heraus, basierend auf den sich im Laufe der Zeit wiederholenden, typischen Klagebegehren. Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen writ-Arten wurde zunehmend schwieriger, wobei die Entscheidung aufgrund der unterschiedlichen Prozessvorgaben von großer Bedeutung für den Erfolg der Rechtsdurchsetzung war. Die Vereinbarung von penal bonds vereinfachte die Rechtsdurchsetzung, insbesondere bei Primärverpflichtungen, die nur unzureichend mittels writ klagefähig waren. Die einzig wirkungsvolle Verteidigung gegen penal bonds war die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung durch den Schuldner. Die Ähnlichkeit zwischen writ und actio als prozessualer Klageanspruch im römischen Recht ist ebenso feststellbar wie der daraus jeweils resultierende Bedeutungsgewinn für penal bonds und stipulatio poena.62 Die entscheidende Kehrtwende im Verständnis von penal bonds ist mit der Begründung des Rechts der equity verknüpft. Equity entwickelte sich als Ausgleich für die Schwerfälligkeiten, Härten und Ungerechtigkeiten im strikt formalistischen System der writs im common law. Eine Partei konnte den Härten des Prozessrechts nach common law nur entfliehen, indem sie ein Bittgesuch auf Billigkeitsentscheid beim König bzw. dessen Kanzler stellte. Die Grundlage von equity bildeten nicht Rechtsgrundsätze, sondern Gebote der Moral sowie des Gewissens, mithin kirchenrechtliche Vorstellungen.63 58

Biancalana, CLJ 2005, S. 212 (241). Ferris, CLR 1982, S. 862 (862 f.); Furmston, Law of Contract, S. 3; Zimmermann, Law of Obligations, S. 99. 60 Biancalana, CLJ 2005, S. 212 (215); Zimmermann, Law of Obligations, S. 97 61 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung im Privatrecht, B. § 14 II, S. 181 ff. 62 Zimmermann, Law of Obligations, S. 96. 63 Näher hierzu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung im Privatrecht, B. § 14 III, S. 184 f., insbesondere zum streng formalen System des common law unter B. § 14 II, S. 181 ff. 59

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Ende des 17. Jahrhunderts erließ der für die equity-Rechtsprechung zuständige Court of Chancery erstmalig Abhilfe gegen eine aus penal bonds resultierende Zahlungsverpflichtung, welche den eingetretenen Schaden überstieg.64 Das Gericht verwies auf die Aufgabe der Klausel als Sicherungsinstrument und verneinte die Pflicht zur Begleichung der Summe.65 Die Zahlung käme einer Bestrafung des Schuldners für den Vertragsbruch gleich und diene nicht mehr dem Nachteilsausgleich. Sofern bei Vertragsschluss der mögliche Schaden infolge der Verletzung abschätzbar war, ließ das Gericht eine Reduktion auf den tatsächlichen Schaden zu.66 Die inhaltliche Nähe der Erwägungen des Court of Chancery zum kanonischen Recht lassen den Rückschluss zu, dass diese equity-Rechtsprechung wahrscheinlich auf einen kontinentaleuropäisches Rechtsverständnis zurückzuführen ist.67 Über das ius commune hinaus besteht somit eine spezielle Verbindung zwischen deutschem und englischem Recht in Bezug auf den Umgang mit Vertragsstrafe bzw. penalty clauses. Diese ursprünglich nur durch den Court of Chancery geprägte Rechtsprechung wurde in der Folge von den Gerichten des common law übernommen. Trotz der Verabredung von penal bonds waren die Gläubiger sodann wieder in der Pflicht, den Vertragsbruch und den tatsächlichen Umfang des Schadens darzulegen und zu beweisen.68 Penal bonds verloren aufgrund dieser Judikatur zunehmend an Bedeutung und wurden immer weniger in der Praxis verwendet.69 Mit Beginn des 19. Jahrhunderts trat als Folge des nach wie vor vorhandenen Bedürfnisses des Rechtsverkehrs nach einer Vorabregelung der Rechtsfolgen eines Vertragsbruchs das Konstrukt der liquidated damages70 in Erscheinung.71

64 65

(55). 66

Furmston, Law of Contract, S. 11. Vgl. Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong, BLR 1993, Vol. 61, 41

Law v Local Board of Reddich, QB 1892, Vol. 1, 127 (133 f.). Zimmermann, Law of Obligations, S. 97; Zimmermann, Agreed Payment for Non-Performance, S. 355 (362). 68 McGregor, McGregor on Damages, S. 483. 69 Furmston, Law of Contract, S. 11. 70 Siehe hierzu nachfolgend unter § 4, B. I. 71 Die Entscheidung Astley v Weldon (Bos & Pul 1801, Vol. 2, 346 ff.) vom 1. Januar 1801 gilt als Entstehungsmoment von liquidated damages. Dem Fall lag eine Zahlungsverpflichtung aus einem Vertrag zwischen Theater und Künstler zugrunde, in dem sich der Künstler für eine bestimmte Anzahl an Auftritten verpflichtete. Beide Parteien mussten für jegliche Pflichtverletzung eine festgeschriebene Summe entrichten. Das Court of Common Pleas lehnte aber einen Anspruch auf eine Zahlung über den tatsächlichen Schaden hinaus ab. Das Urteil impliziert, dass eine Vorabschätzung des Schadens nicht als penalty clause angesehen werden kann, sondern eine zulässige Abrede in Form von liquidated damages darstellt; siehe hierzu McGregor, McGregor on Damages, S. 484. 67

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B. Gesetzliche Kodifikation versus Richterrecht Ausgehend von der dargestellten rechtshistorischen Entwicklung der Vertragsstrafe wird nachstehend ein Überblick über die gesetzlichen Regelungen im BGB gegeben, welche für die Vertragsstrafe erarbeitet wurden. Zum Verständnis der Wirkungsweise der Vertragsstrafe soll das deutsche und das englische Leistungsstörungsrecht bei Vertragsverletzungen skizziert werden. I. Deutsche Gesetzgebung zur Vertragsstrafe Die Normen der §§ 339 – 345 BGB enthalten sämtliche Regelungen, die für das Verständnis der Vertragsstrafe notwendig sind. Zu finden sind Angaben zu deren Voraussetzungen (§ 339 BGB), zu den Rechten des Gläubigers, insbesondere im Verhältnis zu parallel bestehenden Schadensersatzansprüchen (§§ 340 – 342 BGB), zum richterlichen Ermäßigungsrecht (§ 343 BGB), zu ihrer Unwirksamkeit (§ 344 BGB) und schließlich zur Beweislast (§ 345 BGB). Verteilt über das BGB und sonstige Gesetzeswerke, findet sich außerdem eine Vielzahl an Sondernormen, welche sich mit Vertragsstrafen befassen. Sie lassen sich in drei Kategorien einteilen: Generelle Verbote von Vertragsstrafen aus Gründen des Schuldnerschutzes72, Regelungen zur Begrenzung der Höhe von Vertragsstrafen73 und klarstellende Bestimmungen über die Anwendbarkeit von Vertragsstrafen in gewissen Sachverhaltskonstellationen74. In den Motiven zum BGB findet sich die Charakterisierung, wonach das Strafversprechen im Verhältnis zur Hauptleistung als „bedingte alternative Obligation“ bezeichnet wird.75 Dem Wesen nach handelt es sich bei der Konventionalstrafe damit um ein aufschiebend bedingtes Schuldversprechen,76 welches akzessorisch zur

72 Siehe etwa § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafe bei Nicht- oder Schlechtleistung, Zahlungsverzug oder Lösung vom Vertrag in AGB), § 555 BGB (Vertragsstrafeversprechen eines Wohnungsmieters), § 1297 Abs. 2 BGB (Vertragsstrafe zur Absicherung des Verlöbnis), § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG (Vertragsstrafen mit Auszubildenden in Berufsausbildungsverhältnis) und § 2 Abs. 5 Nr. 1 FernUSG (Vertragsstrafen für Teilnehmer an Fernunterrichtungsvertrag). 73 Siehe etwa § 4 WoVermRG zur Vertragsstrafe zwischen Wohnungsvermittler und Auftraggeber bei Nichterfüllung von Vertragspflichten darf maximal 10 % des vereinbarten Entgelts, höchstens jedoch 25 Euro betragen. 74 Siehe etwa § 75c, d HGB zur Vertragsstrafe gegenüber Handlungsgehilfen bzw. Arbeitnehmern. 75 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. Dieses Verständnis zieht sich ebenso durch das historische Schrifttum zur Konventionalstrafe, so wählte beispielsweise Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 7 im Jahr 1933 die treffende Bezeichnung der Vertragsstrafe als „Mittel zur Bestärkung einer Obligation“. 76 Freilich ohne den Schuldnerschutz des Schriftformerfordernisses nach §§ 780, 781 BGB, dafür aber mit der Sondernorm des richterlichen Herabsetzungsrechts nach § 343 BGB.

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

Hauptverbindlichkeit ist.77 Die gesetzlich angedachte Bedingung ist der Eintritt des Verzugs.78 Die Vertragsstrafe bildet kein „Einzelgebilde im System des deutschen Rechts“, es gibt stattdessen Überschneidungen mit anderen Rechtsinstituten im BGB, welche ebenso der Absicherung bzw. Verstärkung einer Forderung dienen, wie beispielsweise eine Bürgschaft nach den §§ 765 ff. BGB einer Forderung mehr Nachdruck verleihen kann.79 Bei der systematischen Betrachtung der gesetzlichen Regelungen zur Konventionalstrafe bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Vertragsstrafe um ein Rechtsinstitut vornehmlich im Interesse des Gläubigers handelt, welches vom Grundsatz her in jeden Vertragstyp integriert werden kann.80 Das Schadensrecht in den §§ 249 ff. BGB ist vom Grundsatz der Totalreparation und der Naturalrestitution geprägt.81 Der Schaden beim Gläubiger soll mithin vollständig ausgeglichen werden. Er soll so gestellt werden, wie er stünde, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre. Der Ausgleich des angerichteten Schadens soll primär in natura erfolgen; der Ausgleich in Geld ist im Verhältnis dazu nachrangig (Vorrang der Naturalrestitution).82 Ein Geldausgleich soll demnach nur sattfinden, wenn dem Schuldner erfolglos eine Frist zur Leistung in natura gesetzt wurde (§ 250 S. 2 BGB) oder eine Leistung in natura nicht (mehr) möglich ist (§ 251 Abs. 1 BGB). Der Rechtsstaat bedient sich der Vertragsstrafe als Mittel zur Entlastung seiner Gerichte hinsichtlich der Schadensersatzermittlung im Prozess nach § 287 ZPO.83 77 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 757; Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1. Ablehnend äußerte sich vor über 100 Jahren noch Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 4 f. 78 Tuhr, Allgemeine Teil des BGB, II/2, S. 315. 79 Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 8. Insoweit unterscheidet er zwischen Mitteln zum Schutz gegen das Risiko eines „Nichtleistenwollens“ auf Seiten des Schuldners und solchen Mitteln zum Schutz gegen das „Nichtleistenkönnen“ (S. 7). Während die Vertragsstrafe einem mangelnden Willen des Schuldners gegenzusteuern vermag, nützt sie im Falle seiner Vermögenslosigkeit wenig. Genau andersherum liegt es bei Bürgschaft und Pfandrecht. 80 Die aufgezeigte Verortung der Normen im allgemeinen Schuldrechtsteil des BGB wird jedoch im Schrifttum vereinzelt kritisch gesehen, hierzu Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 2. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 141 erkennen im Strafgedinge ein besonderes Schuldverhältnis, welches in Konsequenz dessen, im Besonderen Teil des Schuldrechts niedergeschrieben sein müsse und nur (irrtümlich) wegen seiner äußeren Ähnlichkeiten bei der Draufgabe geregelt wurde. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Aus den genannten speziellen Vorschriften im BGB, welche sich gegen die Wirksamkeit von Strafabreden in einzelnen Vertragsgestaltungen wenden, beispielsweise in Wohnungsmietverträgen gemäß § 555 BGB, wird deutlich, dass Strafversprechen kein Schuldverhältnis eigener Art darstellen, sondern ein zumindest grundsätzlich bei allen übrigen Schuldverhältnissen anwendbares Rechtsinstitut. 81 Magnus, Schaden und Ersatz, S. 29. 82 Die rechtstatsächliche Wirklichkeit ist aber wohl geprägt durch eine Dominanz des Geldersatzes, so Magnus, Schaden und Ersatz, S. 29. 83 Lindacher, in: Soergel, BGB, § 339, Rn. 5.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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Mit Hinsicht auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht erkennt das deutsche Recht im Erfüllungsanspruch einen besonderen Wert. Die Einklagbarkeit des Erfüllungsanspruchs ist selbstverständlich und wird im BGB nicht einmal ausdrücklich erwähnt.84 Der Anspruch auf Naturalerfüllung ist demgemäß vorrangiges Recht. Ein Schadensersatz- oder Rücktrittsrecht besteht dagegen erst, wenn das Erfüllungsverlangen gänzlich gescheitert ist, d. h. teilweise sogar erst nach der gescheiterten zweiten Andienung. Nach deutschem Verständnis geht mit der Pflicht des Schuldners zur Erfüllung ein Recht des Gläubigers auf die Erfüllung einher, welchem sich der Schuldner nicht durch die Zahlung eines Geldbetrags entziehen kann.85 II. Englisches Rechtsbehelfssystem bei Vertragsverletzung Penalty clauses sind kein singulär zu betrachtendes Rechtsinstitut, sie müssen vielmehr in ihrer systemischen Bedeutung und Rolle für die Methodik des Umgangs mit den Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen im englischen Rechts gesehen werden. Die Handhabe von Vertragsbrüchen nach heutigem Rechtsverständnis hat ihren Ursprung im dualistischen System von common law und equity. Das englische Recht sieht bei Vertragsverletzungen eine zweigliedrige Rechtsfolge vor, unterteilt nach vorrangigen Mitteln des common law und nachrangigen Mitteln von equity. Die Rechte nach common law lassen sich in den Anspruch auf Schadensersatz und die Kündigung des Vertrags einteilen; sie werden as of right gewährt.86 Die Rechte nach equity beinhalten den Anspruch auf specific performance, welche unter anderem die tatsächliche Erbringung der geschuldeten Leistung umfasst.87 Im Unterschied zu den Rechten nach common law wird specific performance nicht as of right gewährt. Daraus folgt die subsidiäre Anwendbarkeit der Rechtsfolge nach equity gegenüber Kündigung und Schadensersatz. Bei einem Vertragsbruch ist daher in aller Regel ein Anspruch auf Schadensersatz die Rechtsfolge. Specific performance kann nur gewährt werden, wenn die Rechte nach common law keine adäquate und gerechte Lösung bieten.88

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Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung im Privatrecht, C. § 35 II, S. 469. Vgl. insoweit den Rechtsvergleich von englischem und französischem Recht bei Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (97). 86 Mulcahy, Contract Law in Perspective, S. 206; O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 380. 87 O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 380. Ein typisches Beispiel für das Bestehen einer solchen Pflicht zur Leistung in natura ist der Verkauf von Land, bei dem der Verkäufer die Übertragung des Grundstücks verweigert und der Käufer nicht auf den Anspruch auf Schadensersatz verwiesen werden soll, Mulcahy, Contract Law in Perspective, S. 207. Gleiche Beweggründe existieren für den Verkauf von einmaligen Gütern wie Bilder, Furmston, Law of Contract, S. 796. 88 Mulcahy, Contract Law in Perspective, S. 207; Cud v Rutter, P Wms 1720, Vol. 1, 570 ff. 85

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

Das englische Rechtsbehelfssystem bei Vertragsverletzungen ist demnach nicht primär darauf ausgerichtet, dass die Vertragsparteien sich gegenseitig zur tatsächlichen Leistungserbringung anhalten können – stattdessen werden sie im Grundsatz auf den Schadensersatz verwiesen, der schlichtweg als gleichwertige und vollwertige Art der Vertragserfüllung gilt.89 Das englische Recht kennt nur die Schuldnerpflicht zur Erfüllung, nicht aber das Recht des Gläubigers eben jene tatsächlich zu verlangen.90 Es wird als ausreichend angesehen, wenn der Gläubiger für den erlittenen Schaden einen finanziellen Ausgleich erhält. Eine über den Schadensausgleich hinausgehende Zahlung gilt dagegen als nicht gerechtfertigt.91 Penalty clauses enthalten aber einen derartigen überschießenden Betrag, um Druck auf den Schuldner auszuüben, sie werden demnach als unzulässige Benachteiligung bzw. Bestrafung des Schuldners angesehen.92 Das Durchsetzungsverbot gilt unterschiedslos für Kaufleute; eine Sonderregel für diesen Wirtschaftszweig ist nicht vorhanden. Nach heutigem Rechtsverständnis beruht die fehlende Durchsetzbarkeit von penalty clauses auf dem systemischen Ansatz im Umgang mit Vertragsbrüchen.

C. Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung Beim Vergleich der deutschen und englischen Rechtshistorie im Allgemeinen und speziell mit Blick auf Vertragsstrafe und penalty clauses zeigen sich auffallende Gemeinsamkeiten, die auf die europäische Rechtslehre des ius commune seit Ende des Mittelalters bis zum Beginn der Französischen Revolution zurückzuführen sind. Die Parallelen bestehen einerseits beim grundlegenden Verständnis des Strafversprechens, welches an die Vorstellungen des römischen Rechts angelehnt ist, und andererseits bei der Beschränkung des Strafversprechens infolge der Betonung des Schuldnerschutzes seit dem 16./17. Jahrhundert. Im römischen Recht galt die stipulatio poena als Geldzahlungsverpflichtung für den Fall einer vertraglichen Pflichtverletzung, welche den eigentlichen Schadensausgleichsbetrag übersteigen konnte. Die Vertragsstrafe im BGB und penalty clauses 89

Beale, IWRZ 2017, S. 68 (68); García, EJLS 2012, S. 80 (82); Furmston, Law of Contract, S. 745. Dieses Prinzip des englischen Schadensersatzrechts lässt sich den Ausführungen von Parke B im Urteil Robinson v Harman, Ex Rep 1848, Vol. 1, 850 (855) entnehmen: „The rule of the common law is, that where a party sustains a loss by reason of a breach of contract, he is, so far as money can do it, to be placed in the same situation, with respect to damages, as if the contract had been performed.“ 90 Siehe insoweit für den Rechtsvergleich von englischem und französischem Recht bei Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (97). 91 Furmston, Law of Contract, S. 785 f. 92 Schelhaas, ZEuP 2004, S. 388 (395); kritisch hierzu: Harris/Campbell/Halson, Remedies in Contract and Tort, S. 138 f., die dafür eintreten, die Schaffung eines angemessenen Anreizes – ohne automatische Deckelung durch den erwarteten Schaden – als zulässig anzusehen. Das Kriterium der Angemessenheit sei flexibler und führe zu gerechteren Lösungen als die strikte Orientierung an der Schadenshöhe als Obergrenze.

§ 1 Historische und systematische Gegenüberstellung

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basieren nach wie vor auf diesem Verständnis. Das römische Recht gelangte infolge seiner teilweisen Rezeption in Europa mit Beginn der Neuzeit zu neuer Bedeutung. Aufgrund des ius commune als länderübergreifender Lehre in der Rechtswissenschaft war das englische Recht von dieser Beeinflussung nicht abgeschnitten. Der nahezu unbeschränkten Freiheit des Gläubigers bei der Verabredung und der Durchsetzung von Vertragsstrafen im römischen Recht wurde viele Jahrhunderte später im deutschen und englischen Rechtsraum Grenzen gesetzt – jeweils aufgrund kirchenrechtlicher Schuldnerschutzerwägungen. Das richterliche Reduktionsrecht für die Vertragsstrafe und das Durchsetzungsverbot für penalty bonds sind beide Ergebnis eines sich im Verhältnis zum römischen Recht veränderten Rechtsempfinden in Bezug auf den Schuldnerschutz. Im Unterschied zum deutschen Rechtsraum haben sich die Bedenken gegenüber derartigen Vertragsbestimmungen im common law in einer weitaus gravierenderen Form ausgewirkt. Und dies obwohl penalty clauses zu Beginn ihrer Etablierung im 13. Jahrhundert ein noch anerkanntes Mittel zur Sicherung von Forderungen waren. Ausgelöst durch die Etablierung von equity und deren Beeinflussung durch kirchenrechtliche Erwägungen des ius commune zum Schutz des Schuldners wurden penal bonds bzw. penalty clauses als nicht durchsetzbar angesehen, weil sie nach dem englischen Rechtsempfinden eine unzulässige Bestrafung des Schuldners und zugleich eine ungerechtfertigte Bereicherung des Gläubigers darstellen. Im Verhältnis dazu ist die Gestaltungsform des deutschen Rechts mit seinem Reduktionsrecht die mildere Möglichkeit, um den Schutz des Schuldners zu erreichen und den Gläubiger zugleich in seine Schranken zu weisen. Daher entspricht das Rechtsverständnis im deutschen Recht noch eher den Vorstellungen im römischen Recht, weil es aus Sicht des Gläubigers weniger gravierend seine Rechte einschränkt. Das englische und das deutsche Recht unterscheiden sich weiterhin hinsichtlich des Rechtsfolgensystems bei Vertragsverletzungen. Gemein haben beide Rechtssysteme zwar, dass sie auf den vollständigen Ausgleich des erlittenen Schadens abzielen, der Gläubiger mithin so gestellt werden soll, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung stünde. Beide Rechtsordnungen divergieren aber hinsichtlich der Frage, mit welchen Mitteln der Schuldner dies erreichen soll bzw. was eine solche Herstellung der erfüllungsgleichen Lage beim Gläubiger beinhaltet. Das deutsche Recht präferiert die Herstellung der erfüllungsgleichen Lage durch Nachholung der ursprünglich geschuldeten Handlung. Nur ausnahmsweise wird der Gläubiger auf den sekundären Schadensersatzanspruch verwiesen. Diese Vorrangstellung des Erfüllungsanspruchs bildet die Legitimation der Vertragsstrafe, weil durch die Verabredung einer Vertragsstrafe der Erfüllungsanspruch abgesichert werden kann. Ausgehend von der historischen Unterscheidung zwischen common law und equity zeichnet sich das englische Recht durch ein spiegelverkehrtes Verständnis vom Verhältnis Leistung in natura und Schadensersatz aus. Es liegt eine Vorrangstellung des Schadensersatzes vor, wenn es darum geht, den Gläubiger in die erfüllungsgleiche Lage zu versetzen. Nur ausnahmsweise, wenn der monetäre Aus-

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

gleich nicht angemessen erscheint, kann der Vertragspartner zur tatsächlichen Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht angehalten werden. Eine über die rein wirtschaftliche Betrachtung hinausgehende Wertschätzung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs ist nicht vorhanden.93 Hieraus folgt schlussendlich die fehlende Berechtigung für die Verabredung einer penalty clause, welche den Schuldner zur nach englischem Recht nur nachrangigen tatsächlichen Vertragserfüllung zwingen und damit das auf Schadensersatz ausgerichtete Rechtsbehelfssystem umgehen möchte. Ganz grundsätzlich unterscheiden sich deutsches und englisches Recht im Übrigen mit Blick auf die wesentliche Antriebsfeder bzw. Quelle des Rechts. Im case law geprägten englischen Recht bilden gesetzliche Vorschriften die Ausnahme, weshalb es, anders als in Deutschland, keine gesetzliche Vorschriften zu penalty clauses gibt. Die wesentlichen Regeln wurden stattdessen durch die Rechtsprechung entwickelt. Abschließend kann für diesen ersten Abschnitt festgehalten werden, dass der unterschiedliche Umgang mit dem Strafversprechen im deutschen und englischen Recht nicht das Resultat einer vermeintlich getrennt voneinander verlaufenden historischen Entwicklung des civil law und des common law in Europa ist. Die rechtshistorischen Gemeinsamkeiten überwiegen vielmehr, divergieren gleichwohl entscheidend in der Umsetzung des Schuldnerschutzes ab dem 16./17. Jahrhundert. Hinzukommen Unterschiede von deutschem und englischem Recht im Rechtsfolgensystem bei Vertragsverletzungen. Die Grundlage für die Gestattung von Vertragsstrafen im deutschen Recht bildet ein gesteigerter Wert des Erfüllungsanspruchs, woran es im englischen Recht mit dem Vorrang der schlichten Geldkompensation bei Vertragsbruch fehlt.

§ 2 Erlaubte Druckausübung und verbotene Sanktion Das jeweilig zugewiesene Aufgabenfeld für Vertragsstrafe und penalty clause wurde bei der vorstehenden rechtshistorischen und systematischen Betrachtung bereits gestreift. Im nachfolgenden Abschnitt werden die Funktionen des Rechtsgebildes nach deutschem und englischem Recht nunmehr näher beleuchtet und anschließend vergleichend gegenübergestellt.

93 Die Berücksichtigung des entsprechenden Affektionsinteresses, im deutschen Rechts etwa in der Verankerung der Norm des § 242 BGB erkennbar, fehlt im eher ökonomisch ausgerichtete englischen Recht, vgl. Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (100).

§ 2 Erlaubte Druckausübung und verbotene Sanktion

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A. Deutsches Recht Die Begutachtung des Aufgabenfelds der Vertragsstrafe im deutschen Recht gliedert sich in zwei Unterabschnitte, beginnend mit der Darstellung der beiden anerkannten Funktionen, der Aufgabe zur Absicherung der Vertragserfüllung und der Aufgabe zur Erleichterung der Schadloshaltung. Im zweiten Unterabschnitt wird die Diskussion um eine mögliche sanktionierende Funktion der Vertragsstrafe nachgezeichnet. I. Bifunktionalität der Vertragsstrafe Die höchstrichterliche Rechtsprechung und die herrschende Lehre gehen übereinstimmend von einer Bifunktionalität der Vertragsstrafe aus.94 Darüber hinaus enthalten die Gesetzesmaterialien den eindeutigen Hinweis auf die der Vertragsstrafe zuteilwerdende Doppelfunktion: „[…] der für das gemeine und moderne Recht herrschenden Auffassung vom Wesen der Konventionalstrafe, wonach sie die doppelte Funktion hat, einmal als Zwangsmittel gegen den Schuldner zu dienen, sodann dem Gläubiger die Interessenforderung zu erleichtern und zu sichern.“95

1. Absicherung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung Zentral für das Verständnis der Vertragsstrafe ist deren erstgenannte Aufgabe, Einfluss auf das Verhalten des Schuldners zu nehmen und diesen im Sinne des Gläubigers zu steuern, indem der Wille des Schuldners zur Vertragserfüllung bestärkt wird.96 Der Bundesgerichtshof hat die Vertragsstrafe wiederholt als Druckmittel für die Erfüllung tituliert.97 Im Schrifttum wird diese Aufgabe der Strafabrede in sprachlich

94 BGH, Urt. v. 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256 (259); BGH, Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 205/81, BGHZ 85, 305 (313); BGH, Urt. v. 23. 06. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24 (27); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 757 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 1; Knütel, AcP 175 (1975), S. 44 (54); Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1. 95 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 152. Ferner Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 538. 96 Hess, Vertragsstrafe, S. 22 f. 97 Eine entsprechende Formulierung findet sich beispielsweise in BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 (89) und BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (920). Der erstgenannten Entscheidung des VIII. Zivilsenats lag eine als AGB einzuordnende Klausel in einem Maklervertrag zugrunde, welche dem Makler einen Zahlungsanspruch auf die Provision zubilligte, wenn der Auftraggeber den Hauptvertrag ohne Mitwirkung des Maklers abgeschlossen hat. Diese Strafabrede sollte nach dem Bundesgerichtshof einen „möglichst wirkungsvollen Druck auf den Auftraggeber [dahingehend] ausüben“ (S. 89), dass dieser tatsächlich auf den Makler zum Verkauf seines Grundstücks zurückgreift und nicht, um die

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

unterschiedliche Gewänder gekleidet, inhaltlich aber ist dieselbe Zielrichtung der Verhaltenssteuerung und Prävention zu attestieren. Schaub spricht vom Abhalten des Schuldners von der Begehung eines für den Gläubiger unerwünschten Verhaltens, insbesondere im Wettbewerbsrecht, wo sie geeignet sein muss zur Abschreckung und solchermaßen zur Ausräumung der Erst- und Wiederholungsbegehungsgefahr von Wettbewerbsverstößen.98 Knütel bezeichnet die Vertragsstrafe als „indirektes Erzwingungsmittel“.99 Eine präzise Verkürzung liefert Köhler mit dem Ausdruck „Abschrecken“.100 Durch die Auferlegung einer Strafzahlung für den Fall eines Vertragsbruchs soll dem Schuldner – so formuliert schließlich Weitnauer – die „Lust zu einer Spekulation“ dergestalt genommen werden, ob nicht möglicherweise die Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung für ihn wirtschaftlich reizvoller ist als deren Einhaltung.101 Dieser Effekt wird zumindest auf Seiten des Gläubigers erhofft. Inwieweit er tatsächlich vorliegt, hängt maßgeblich von der Strafhöhe ab. Nochmals gesondert hervorzuheben ist der Zusammenhang zwischen der Druckfunktion der Vertragsstrafe und dem Rechtsbehelfssystem des BGB für Vertragsverletzungen. Die darin verankerte Vorrangstellung des Erfüllungsanspruchs bildet die notwendige Voraussetzung für die Legitimation einer solchen Abschreckungswirkung. 2. Erleichterung der Schadloshaltung Die zweite Aufgabe der Konventionalstrafe betrifft eine zeitlich nachgelagerte Ebene und kommt nur zum Tragen, wenn die Sicherung der Vertragserfüllung nicht von Erfolg gekrönt war. Die Strafabrede soll sodann dem Gläubiger die Schadloshaltung für erlittene Nachteile erleichtern.102 Gläubiger sehen oftmals von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches ab, weil die Zahlung der Vertragsstrafe ihnen einen hinreichenden Ausgleich für den Vertragsverstoß bietet.103

Provision zu sparen, hinter dessen Rücken einen Kaufvertrag abschließt. Als Folge dessen bedarf der Maklervertrag der notariellen Form des § 311b Abs. 1 BGB. 98 Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1. 99 Knütel, Stipulatio poenae, S. 1. 100 Köhler, GRUR 1994, S. 260 (263). Bereits das Reichsgericht sprach im Zusammenhang mit Konventionalstrafen von der abschreckenden Wirkung, siehe RG, Urt. v. 30. 10. 1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251 (259); zuvor außerdem schon das Reichsoberhandelsgericht, ROHG, Band 8, Nr. 56, 227. 101 Weitnauer, in: FS für Reinhardt, S. 179 (185). Dieses Einwirken auf den Abwägungsprozess beim Schuldner wurde bereits in den Gesetzesmaterialien angesprochen, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. 102 BGH, Urt. v. 12. 07. 1995 – I ZR 176/93, BGHZ 130, 288 (295); Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 6. 103 Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (500).

§ 2 Erlaubte Druckausübung und verbotene Sanktion

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Das bürgerliche Recht enthält in § 340 Abs. 2 BGB und § 341 Abs. 2 BGB Hinweise auf diese Ausgleichsfunktion der Vertragsstrafe.104 Danach handelt es sich bei der festgelegten Höhe der Strafabrede zugleich um einen Mindestschaden, den der Gläubiger im Falle der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches stets durchsetzen kann.105 Allerdings bildet die Strafsumme gemäß § 340 Abs. 2 S. 2 BGB keine Obergrenze, weshalb ein höherer Schaden – wenn tatsächlich vorhanden – geltend gemacht werden kann.106 Die Vertragsstrafe bietet damit für den Gläubiger die Möglichkeit einer Schadenskompensation, ohne die Behauptungs- und Beweislast über den Eintritt und die Höhe des Schadens vor Gericht tragen zu müssen. Das Gesetz sieht mit § 287 ZPO sowie § 252 S. 2 BGB zwar bereits prozessuale Erleichterungen für die beweispflichtige Partei vor. Diese sind aber nicht zielführend genug, da die richterliche Schadensschätzung oftmals durch Hinzuziehung eines Sachverständigen und dessen Begutachtung das Gerichtsverfahren verlängert.107 Vor allem in Fällen, in denen es für den Gläubiger mühsam ist, den genauen Schaden zu substantiieren, gewinnt die Funktion an Bedeutung.108 Die Parteien werden dank der Klausel nicht auf langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen verwiesen und erhalten ferner eine Kalkulationssicherheit – jedenfalls in Bezug auf den Mindestbetrag. Darüber birgt dies zugleich Vorteile für die Justiz selbst mit sich.109 Die Gerichte werden entlastet, wenn die Parteien die Rechtsfolgen vorab festlegen und anschließend im Falle einer Vertragsverletzung eigenständig eine Regulierung vornehmen können. Falls es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, liegt deren zentrale Problematik im Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Vertragsbruchs. Die arbeitsaufwändige Ermittlung der Schadenshöhe im Prozess entfällt dagegen. Insgesamt werden durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe somit Justizressourcen geschont. Für die Justiz ist dies positiver Nebeneffekt des Strafversprechens, wenngleich es keine eigenständige Aufgabe der Vertragsstrafe darstellt.

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Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 ff. (212). Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 ff. (212). 106 Bezogen auf die nunmehr fehlende Kappungswirkung, hat sich das Verständnis der Strafe im Vergleich zum Allgemeinen Preußischen Landrecht zum Nachteil des Schuldners verändert, siehe bereits oben bei § 1 A I 3. 107 Außerdem bereitet vor allem der Nachweis der Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schadensentstehung den Gläubigern oftmals Probleme, vgl. Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 287, Rn. 3. 108 Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1. Im Wettbewerbsrecht, wo der Nachweis der Schadensentstehung und dessen Höhe besonders problematisch sein kann, kommt der Aufgabe der Schadensregulierung eine gesteigerte Bedeutung zu, hierzu Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 (217). Gleiches gilt für das Arbeitsrecht, wenn bei Nichtantritt eines Arbeitsverhältnisses die Kosten für die Suche nach einem neuen Arbeitnehmer nachzuweisen sind, wo Faktoren wie die Einarbeitungszeit zu berücksichtigen sind, Winter, BB 2010, S. 2757 (2757 f.). 109 Lindacher, in: Soergel, BGB, § 339, Rn. 5. 105

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Von Vorteil für den Gläubiger ist ferner die Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadensposten, welche an sich bei einem regulären Schadensersatzanspruch nicht unbedingt ersatzfähig wären110 – entweder weil sie nicht mehr als entgangener Gewinn zählen würden oder aufgrund ihrer immateriellen Natur. Bereits in den Protokollen zum BGB findet sich der Hinweis darauf, dass Einschränkungen bei der Schadensdurchsetzung im Rahmen der §§ 249 ff. BGB durch die Möglichkeit der Verabredung einer Vertragsstrafe abgefedert werden sollen, insbesondere die „Härten“ infolge des fehlenden Ausgleichs von immateriellen Schäden mangels einer gesetzlichen Grundlage nach § 253 BGB.111 Die Legitimation für den entsprechend höheren Betrag der Vertragsstrafe, der über dem Wert liegen kann, welcher nach gesetzlichem Schadensrecht erstattungsfähig wäre, liegt einerseits in der Druckfunktion. Andererseits aber auch darin, dass der Gläubiger von Anbeginn sein gesteigertes Erfüllungsinteresse zum Ausdruck bringt und somit die Gefahr einer gänzlichen Vertragsauflösung nach § 313 BGB nahezu ausgeschlossen ist. Diskussionen bestehen darüber, ob die Erfüllungssicherungsfunktion und die Erleichterung der Schadloshaltung als ebenbürtig anzusehen sind. Von Teilen des Schrifttums und der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Vorrang der Sicherungsfunktion befürwortet, während die Schadloshaltung im Verhältnis nur von nachgeordneter Bedeutung sein soll.112 Lindacher geht noch weiter und sieht „die Vertragsstrafe als monofunktionales, nur der Erfüllungssicherung dienendes Institut“.113 Allerdings sollten sich die einem Rechtsinstitut beizumessenden Funktionen in erster Linie anhand der gesetzlichen Bestimmung ergeben, wobei wiederum auf den Willen des Gesetzgebers zu rekurrieren ist – Anhaltspunkte für ein derart gestuftes Rangverhältnis sind bei diesem aber gerade nicht zu erkennen, vielmehr lässt die Formulierung in den Motiven des BGB den Rückschluss auf eine Gleichrangigkeit beider Funktionen zu.114 Im Ergebnis ist beiden Streitständen die fehlende Auswirkung auf die Praxis gemein, wenngleich Letztere aufgrund des gesetzgeberischen Willens wohl zu bevorzugen ist. 110

Vgl. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. § 339 ff., Rn. 6. Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle. S. 785 f.; Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 26. 112 Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 21 sowie Karsten Schmidt in: FS für Heinrichs, S. 529 (530), der die Erleichterung bei der Schadloshaltung auf eine „bloß[e] faktisch-praktische Nebenfunktion“ zur Druckfunktion reduziert. Begründet wird dies mit einer entsprechend gestaffelten Interessenlage der Beteiligten, allen voran der beim Gläubiger. Ein solches Rangverhältnis sieht sich zwar Widerspruch ausgesetzt, siehe nur Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 40; BGH, Urt. v. 27. 05. 1987 – I ZR 153/85, NJW 1987, 3196 (3197) – Getarnte Werbung II. 113 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 5; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 150; zustimmend Eggert, NJW 1974, S. 241 (242). 114 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 31; vgl. Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 152; vgl. Gerhard Wagner, AcP 206 (2006), S. 352 (427); Schlechtriem, in: Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51 (57) verweist außerdem auf die Norm des § 348 HGB, welche ein Beleg für diese zweite Funktion der Abrede sei. 111

§ 2 Erlaubte Druckausübung und verbotene Sanktion

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II. Sanktionsfunktion Ob der Vertragsstrafe darüber hinaus die Aufgabe zuteilwird, den Schuldner für die Nichteinhaltung der vertraglichen Zusage zu bestrafen, der Vertragsstrafe mithin eine Sanktionsfunktion innewohnt, ist nachfolgend zu klären. Den Anlass für die Diskussion um die Straffunktion liefert nicht zuletzt der Begriff des Rechtsgebildes selbst, ein Kompositum, welches unverkennbar Strafe in sich trägt.115 Aus diesem Grund soll zunächst der Terminologie nachgegangen werden und anknüpfend daran das Vorliegen einer Bestrafungsfunktion untersucht werden. Die Verwendung des Begriffs Strafe reicht von Disziplinarmaßnahmen im Beamtenrecht über Ordnungsmittel nach der ZPO bis hin zur Kriminalstrafe.116 Bei Anlegung eines natürlichen Sprachgebrauchs – wie bei Wortlautauslegung geboten117 – kommt man nicht umhin, die Kriminalstrafe in den Vordergrund zu schieben. Sie verkörpert zweifelsohne die vorrangige Assoziation mit dem Begriff Strafe. Wesentliche Elemente der Kriminalstrafe sind das Zufügen eines Übels im Sinne eines Rechtszwanges und der Reaktionscharakter durch die Anknüpfung an ein zu missbilligendes Verhalten des Delinquenten.118 Strafe steht für repressives hoheitliches Handeln, dem sich der Einzelne – anders als dem Vertragsabschluss – nicht entziehen kann. Die Rechtsfolgen werden in der deutlich überwiegenden Anzahl der Fälle gegen den Willen des Bestraften verhängt.119 Es liegt ein klares und striktes Subordinationsverhältnis zwischen Staat und Delinquenten vor. Im Gegensatz dazu weist ein Vertrag ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Parteien auf. Ein zentrales Element des Vertrags bildet die Entscheidungshoheit der Parteien über die Rechtsfolgen der Abrede.

115 Vgl. Hess, Vertragsstrafe, S. 181 f, mit ausführlicher Auseinandersetzung zum Strafbegriff. Der Begriff Vertragsstrafe wird weder im Schrifttum, noch in der Rechtsprechung ausschließlich verwendet. Vielmehr existiert eine Vielzahl an geläufigen Synonymen, zu nennen sind Konventionalstrafe (Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 717; Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 49; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 376), Strafversprechen (BGH, Urt. v. 07. 10. 1982 – I ZR 120/80, NJW 1983, 941 (942); Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 717), Strafgedinge (BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (164); Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1; zurückhaltend gegenüber dem Begriff Strafgedinge, wegen der fehlenden Gemeinverständlichkeit dagegen: Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 717) oder auch Pönale (OLG Hamburg, Urt. v. 28. 02. 1997 – 1 U 107/95, BeckRS 1997, Nr. 15837, Rn. 20). 116 Knütel, Stipulatio poenae, S. 2. 117 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 141; Schwacke, Juristische Methodik, S. 57. 118 Klumpp, Privatstrafe, S. 17 ff. 119 Und selbst wenn ein Täter Einsicht zeigt und die Strafe befürwortet, wird diese jedenfalls aber aufgrund der Alleinentscheidungsgewalt des Gerichts verhängt.

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Der Terminus der Vertragsstrafe vereint somit zwei Begriffe, die einander im Grunde widerstreiten120 und daher, so scheint es zumindest, nicht in einem Rechtsinstitut vereinbar sind, jedenfalls nicht ohne dass ein Element mit Blick auf seine originäre Bedeutung signifikant zurückgedrängt wird. Zu sehr divergieren beide Ausdrücke einerseits im Hinblick auf die Freiheit zum Abschluss und andererseits hinsichtlich der Freiheit zur inhaltlichen Ausgestaltung. Es vermag keine Überraschungen hervorrufen, dass die Hegemonie dem Vertragselement zufällt und es sich bei der Vertragsstrafe jedenfalls nicht um echte Strafen im Sinne des StGB handelt. Die gesetzliche Verortung der Vertragsstrafevorschriften in den innersten Vertragsvorschriften des BGB ist zu signifikant.121 Bereits die Tatsache der Gleichberechtigung der Parteien im Privatrecht spricht gegen das Vorliegen einer Kriminalstrafe, bei welcher das Über-/Unterordnungsverhältnis zentrales Element ist.122 Die Verwendung des Begriffs der Strafe in anderen Rechtsgebieten außerhalb des StGB lässt also nicht den Rückschluss auf das Vorliegen einer Strafe mit krimineller Prägung zu. Der Begriffsteil Strafe knüpft an den Terminus Konventionalstrafe im gemeinen Recht an, welcher keine Verbindung zur Kriminalstrafe aufwies.123 Den Materialien zum BGB ist zu entnehmen, dass man sich gegen den Begriff der Konventionalstrafe entschieden hat, obwohl dieser zur damaligen Zeit geläufiger war; der Begriff der Vertragsstrafe wurde aber schlicht als der verständlichere deutsche Ausdruck erachtet.124 In den Motiven zum BGB und zur Vertragsstrafe finden sich mithin keine Hinweise, dass die Vertragsstrafe eine Sanktionsfunktion haben soll.125 Bereits eine der ersten Entscheidungen des Reichsgerichts zur Vertragsstrafe enthielt die Klarstellung zum grundlegenden Unterschied von Konventionalstrafe und Kriminalstrafe, verbunden mit dem Hinweis, das Strafversprechen habe keinen Sanktionscharak120 Es existieren im Vertragsrecht gleichwohl Konstellationen, bei denen sich der Schuldner vertraglich in die Entscheidungsgewalt des Gläubigers begibt. Ein Beispiel bei individualvertraglichen Rechtsbeziehungen ist das Arbeitsverhältnis, mit dem sich der Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO unterwirft. Im Kollektivverhältnissen wie Verbänden oder Vereinen ist es ebenfalls Teil der Mitgliedschaft, sich der Verbandsgewalt bzw. dem Mehrheitswillen zu unterwerfen. 121 Vgl. BGH, Urt. v. 04. 06. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (337) für angloamerikanische punitive damages. Punitive damages können als Teil des vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzes zugesprochen werden, wenn dem Schädiger eine zusätzliche, über den reinen Schadensausgleich hinausgehende Belastung auferlegt werden soll, um ihn für sein mindestens grob fahrlässiges Verhalten zu sanktionieren und derartiges Fehlverhalten für die Zukunft auszuschließen. Der Bundesgerichtshof sah punitive damages als ein zivilrechtliches Instrument an und bejahte daher das Vorliegen einer Zivilsache im Sinne von § 13 GVG zwischen gleichgeordneten Parteien. 122 Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 13. 123 Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 30; Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 50 ff. 124 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 717; Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 49. 125 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 152.

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ter.126 In den Neunzigerjahren führte der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus, die Vertragsstrafe solle nicht „schuldhaftes Verhalten sühnen, sondern ein schutzwürdiges Einzelinteresse gegen eine möglicherweise sogar schuldlose Zuwiderhandlung sichern“.127 In der nachfolgenden Entscheidung verloren die Formulierungen des I. Zivilsenats zwar an Trennschärfe, als im Zusammenhang mit der Vertragsstrafe von Sanktionswirkung und Sanktionscharakter die Rede war.128 Dahinter steckt aber lediglich der sprachlich anders gekleidete Verweis auf die Abschreckungsfunktion und nicht der Hinweis auf eine Etablierung einer weiteren Funktion.129 Besonders deutlich wird dies bei Betrachtung der kurz darauf ergangenen Entscheidung des I. Zivilsenats, in welcher der Bundesgerichtshof die Formulierung Sanktionsmittel wählte, im Rahmen der näheren Erläuterung aber eindeutig Bezug zur Aufgabe der Erfüllungssicherung nahm.130 Im Schrifttum ist die Gemengelage um die Befürwortung einer Sanktionsfunktion dagegen weniger eindeutig. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts attestierte Kunze der Vertragsstrafe eine Straffunktion, deren Gewichtigkeit jedoch aufgrund der Tatsache relativiert wird, dass das Anfallen der Strafe anders als bei staatlichen Repressalien vom Willen des Schuldners abhängt.131 Geilert lässt seine Sympathien für eine derartige Sanktionsfunktion erkennen, weil er meint, dass die bloße Strafandrohung ohne den Druck einer etwaigen Sanktion unglaubwürdig sei.132 Beuthien und Ebert stellen zur Begründung auf Konstellationen ab, in denen der ersatzfähige Schaden und die Strafsumme augenscheinlich nicht deckungsgleich sind, weil dem Gläubiger infolge der Verletzung entweder überhaupt kein ersatzfähiger Schaden entstanden ist oder aber dieser hinter der Vertragsstrafe im erheblichen Maße zurückbleibt.133 Das überschießende Element der Zahlungspflicht infolge der Strafabrede sei Ausdruck der Sanktionierung. 126

RG, Urt. v. 07. 01. 1913 – III 234/12, JW 1913, 319 ff. BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (167) – Krankenwagen II. Vorausgegangen war die Frage nach der Zusammenfassung mehrere Verstöße unter eine einzige Verwirkung der Vertragsstrafe, ähnlich wie dies im Strafrecht praktiziert wurde. 128 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (46 f.) – Vertragsstrafebemessung. 129 Vgl. Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 (214). 130 BGH, Urt. v. 12. 07. 1995 – I ZR 176/93, BGHZ 130, 288 (295 f.). Nur vermeintlich abweichend ist ein obiter dictum des IX. Senat des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Ablehnung der Vollstreckbarkeit eines Urteils auf Zahlung von punitive damages, wonach aufgrund der Vertragsstrafe ein gewisses Maß an Bestrafungsfunktion im Privatrecht vorhanden sei, BGH, Urt. v. 04. 06. 1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (339 ff.). Dieser Aussage kann jedoch nicht die Bedeutung beigemessen werden, eine Abkehr von dem bisher klar formulierten Funktionsdualismus einzuläuten. 131 Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 52 f. Anzeichen für den Strafcharakter sei die Zubilligung eines Ermessensspielraums, wonach der Richter die Strafe ermäßigen kann, aber nicht muss. 132 Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 7. Ebenso, aber ohne Begründung bei Ruttloff, Vertragsstrafenklauseln in städtebaulichen Verträgen, S. 92. 133 Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (499 f.); Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, S. 255; Weitnauer, in: FS für Reinhardt, S. 179 (185). 127

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

Die Annahme einer Sühnefunktion wird jedoch von weiten Teilen des Schrifttums abgelehnt.134 Nach Knütel könne der Vertragsstrafe keine Sühnefunktion vergleichbar mit einer Kriminalstrafe innewohnen, da das die Strafe auslösende vertragswidrige Verhalten eine unsachgemäße Überhöhung erfahren würde, wenn es als sittlich vorwerfbar angesehen werden würde.135 Darüber hinaus wird die nur geringe Orientierung der Vertragsstrafe an der Schuld des Verletzenden als Gesichtspunkt gegen die Sanktionswirkung angeführt: Selbst bei nur leicht fahrlässigem Versehen des Schuldners kann die Konventionalstrafe in voller Höhe verwirkt werden. Gleiches gilt, wenn die vertragsverletzende Partei ein Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zu vertreten hat.136 In der Zusammenschau der Argumente sprechen die besseren Punkte gegen die Annahme einer Sanktionsfunktion. Allein der objektive Nachteil durch die Zahlungsverpflichtung, einhergehend mit dem Empfinden dieser Verpflichtung als Übel, kann zur Begründung der Sanktionsaufgabe nicht ausreichen. Schließlich birgt jede Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz aus Sicht des Schuldners ein solches Übel in sich.137 Es mag sein, dass manch Gläubiger der Vertragsstrafe von Motiven wie Sühne getrieben wird oder diese bei Einforderung der Vertragsstrafe verspürt – genügen kann dies aber nicht. Denn selbst wenn ein gewisser Sühneeffekt zu attestieren ist, bleibt er bloßer Reflex der Druckfunktion, welche nach der Vertragsverletzung fortwirkt. Es kommt insofern zum Überlappen mit der Funktion Schadenserleichterung. Schlussendlich können die Befürworter einer Sanktionsfunktion nicht überzeugen.

B. Englisches Recht Die Betrachtung des Aufgabenbereichs von penalty clauses im englischen Recht fokussiert sich auf die Analyse des Zusammenhangs zwischen zugewiesener Funktion und daraus folgendem Durchsetzungsverbot von penalty clauses. In Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd formulierte Lord Dunedin die Funktion einer penalty clause wie folgt: „The essence of a penalty is a payment of money stipulated as in terrorem of the offending party[.]“138 (Hervorhebung hinzugefügt)

134 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 2; Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (213); Wagner, AcP 206 (2006), S. 352 (427); Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 28 ff. 135 Knütel, Stipulatio poenae, S. 3. 136 Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 (214 f.). 137 So bereits Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 13. 138 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (86). Hinter dem Ausdruck in terrorem verbirgt sich die Erzeugung einer Bedrohungslage bzw. von Angst.

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In neueren Urteilen findet sich anstelle der Formulierung in terrorem die Charakterisierung der penalty clauses als Mittel zur Abschreckung139 – der Kern der Funktion blieb aber unverändert. Penalty clauses sollen den Schuldner einschüchtern und ihn mittels der erzeugten Angst zur Vertragserfüllung bewegen. Die Zahlungsverpflichtung geht bewusst über den reinen Schadensausgleich für die Folgen der Vertragsverletzung hinaus, so Lord Diplock in Photo Productions Ltd v Securicor Ltd.140 Eine derartige Druckausübung auf den Schuldner gilt nicht als legitimer Zweck, sondern als unzulässige repressive Strafwirkung gegenüber dem Schuldner und zugleich unzulässige Bereicherung des Gläubigers.141 Hier hat der Brückenschlag zum System der Rechtsfolgen bei Vertragsverletzungen zu erfolgen, welches die tatsächliche Erfüllung nicht gegenüber der finanziellen Kompensation als vorrangig ansieht,142 infolgedessen die Druckausübung zur Erzwingung der Erfüllung nicht billigt. Nicht abschließend geklärt ist, ob penalty clauses darüber hinaus noch eine weitere Funktion haben, beispielsweise die Erleichterung der Schadloshaltung. Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel fehlt es an diesbezüglichen Erwägungen. Besinnt man sich gleichwohl auf die Ursprünge der penalty clauses in penal bonds, welche neben den genannten Aufgaben ebenfalls die Schadensdurchsetzung erleichtern sollten,143 liegt eine entsprechende Annahme nicht fern. Aufgrund des Durchsetzungsverbots für penalty clauses ist zudem unsicher, ob ein ausländisches Gerichtsurteil auf Zahlung in England oder Wales vollstreckungsfähig ist, wenn sich der titulierte Anspruch nach englischem Recht als penalty clause darstellt. Ein Beispiel hierfür ist die Wahl von deutschem Recht nach Art. 3 Rom I-VO für einen Vertrag, in dem die Parteien eine Vertragsstrafe vereinbaren, welche im Falle einer Vertragsverletzung vor einem deutschen Gericht eingeklagt wird und anschließend in England vollstreckt werden soll. Im common law können Urteile aus einer anderen Jurisdiktion anerkannt und vollstreckt werden, wenn das Urteil auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags gerichtet ist, von einem zuständigen Gericht erging (competence of the foreign court), keinen Widerspruch zu früheren englischen Urteilen aufweist, nicht auf Betrug (fraud) beruht und die grundlegenden Anforderungen an die prozessuale und die materielle Gerechtigkeit 139 Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, QB 1996, 752 (764); El Makdessi v Cavendish Square Holdings BV & Anor, CLC 2013, Vol. 2, 968 (994). 140 Photo Productions Ltd v Securicor Ltd, AC 1980, 827 (850). 141 McGregor, McGregor on Damages, S. 487 ff.; O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 427 f.; in Export Credits Guarantee Department v Universal Oil Products Co, WLR 1983, 399 (403) formulierte Lord Roskill wie folgt: „[P]erhaps the main purpose, of the law relating to penalty clauses is to prevent a plaintiff recovering a sum of money in respect of a breach of contract committed by a defendant which bears little or no relationship to the loss actually suffered by the plaintiff as a result of the breach by the defendant.“ 142 Siehe bereits oben bei § 1 B. III. 143 Siehe bereits oben bei § 1 A. II.

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

des englischen Rechts (English public policy-Vorbehalt) einhält.144 Darüber hinaus scheidet die Vollstreckung ausländischer Strafurteile aus, wobei Lord Denning in diesem Zusammenhang den Begriff penalty als „a sum payable to the state by way of punishment and not a sum payable to a private individual“ präzisierte.145 Der public policy-Vorbehalt, vergleichbar mit dem ordre public-Vorbehalt, umfasst die penalty doctrine als Teil des festen Wertekanons des Rechtsystems, welche gegen das Interesse der Vollstreckung im konkreten Fall abzuwägen ist.146

C. Rechtsvergleichende Betrachtung Bei der Darstellung der Funktionen der Vertragsstrafe nach deutschem und englischem Recht ist ein gemeinsames Verständnis über die Erfüllungssicherungsfunktion als die wesensprägende Aufgabe des Rechtsgebildes augenscheinlich geworden. Die daran jeweils geknüpfte Konsequenz ist gleichwohl unterschiedlich. Nach deutschem Recht werden der Vertragsstrafe mit der Erfüllungssicherung und Schadloshaltung zwei Funktionen zuteil. Bemerkenswert ist die Gleichheit dieser Bifunktionalität mit der im klassischen römischen Recht. Das englische Recht beschränkt sich dagegen auf die Assoziierung von penalty clauses mit der Aufgabe der Abschreckung. Diese Abschreckungsfunktion haben deutsche Vertragsstrafe und penalty clauses gemein. Allerdings wird die Abschreckung bzw. Druckausübung im deutschen Recht nicht per se als unzulässige Bestrafung des Schuldners angesehen. Die Vertragsstrafe kann vielmehr legitimes Mittel zur Absicherung der Vertragserfüllung sein. Während penalty clauses als unzulässige Bestrafung des Schuldners gelten, weil die zahlbare Summe den tatsächlich eintretenden Schaden und damit die reine Kompensation übersteigt, wird dieser überschießende Betrag in Abgrenzung dazu im deutschen Recht mit dem entsprechend hohem Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung gerechtfertigt. Privatpersonen dürfen in Deutschland, ebenso wie in England, keine Sanktionen verhängen. Das deutsche Recht trennt mithin zwischen Druckausübung und Bestrafung als Folge einer lästigen Zahlungspflicht, während das englische Recht von der Druckausübung auf den Strafcharakter schließt. Problematisch ist die Eindimensionalität im englischen Recht als Folge der Verknüpfung von penalty clauses allein mit der Funktion der Abschreckung.147 Das vollständige Ausblenden des Elements der Schadloshaltung läuft Gefahr, sich in der Praxis mitunter als untauglich zu erweisen. Es erscheint eher untypisch, dass sich die 144

Laugwitz, Vollstreckung drittstaatlicher Entscheidungen, S. 76 f.; Adams v Cape Industries plc, Ch 1990, 433. 145 SA Consortium General Textiles v Sun and Sand Agencies Ltd., QB 1978, 279 (299 f.). 146 Wood, Conflict of Laws, S. 169 f.; vgl. Le Goff, Vertragsstrafe in Verträgen für Industrieanlagen, S. 277. 147 Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (82); Schelhaas, ZEuP 2004, S. 388 (397).

§ 3 Konträre Rechtsfolgen trotz ähnlichen Anwendungsbereichs

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Vertragsparteien bei der Verabredung einer Klausel über die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen ausschließlich über die Abschreckungsebene Gedanken machen. Näherliegend erscheint es, dass die Parteien neben der Abschreckung zugleich die Erleichterung der Schadloshaltung bzw. die Kompensation anstreben. Es ist zumindest fraglich, ob diese einseitige Funktionszuweisung nach englischem Recht dem vielschichtigen Parteiinteresse vollends gerecht wird.

§ 3 Konträre Rechtsfolgen trotz ähnlichen Anwendungsbereichs Der folgende Abschnitt hat die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Vertragsstrafe und penalty clauses zum Gegenstand. Die Befassung mit den einzelnen Elementen der Vertragsstrafe, sowohl hinsichtlich ihres Zustandekommens als auch hinsichtlich ihrer Wirkungsweise, soll in Kombination mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen das Verständnis der Vertragsstrafe nochmals vertiefen. Ein besonderes Augenmerk liegt wiederum auf der Herausarbeitung von entsprechenden Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen beiden Rechtsordnungen.

A. Voraussetzungen Im nachfolgenden Unterabschnitt werden die Anforderungen für die Verwirkung einer Vertragsstrafe betrachtet. I. Anforderungen nach deutschem Recht Die Anforderungen für das Zustandekommen einer Vertragsstrafe lassen sich untergliedern in das Vorliegen einer rechtswirksamen Vereinbarung, das Bestehen einer zu sichernden und durchsetzbaren vertraglichen Hauptverbindlichkeit und die Verletzung dieser Vertragsbestimmung durch den Schuldner.148 1. Rechtswirksame Vereinbarung Die grundlegende Voraussetzung mit Blick auf das Strafversprechen betrifft dessen wirksame Verabredung. In diesem Zusammenhang sind nachstehend die eher formalen Anforderungen an den Vertragsschluss, wie etwa die einzuhaltende Form, zu eruieren. Von substantiell größerer Relevanz sind das anschließend zu untersuchende Element der Bestimmtheit der Abrede in Bezug auf die Rechtsfolge und die Befassung mit den möglichen Ausgestaltungsvarianten. 148

Vgl. überblicksartig hierzu Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 11 ff.

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

a) Vertragsschluss Für das Zustandekommen eines Strafversprechens bedarf es einer zweiseitigen vertraglichen Abrede; eine einseitige Erklärung genügt nicht.149 Bereits der Begriff Vertragsstrafe liefert einen entsprechenden Hinweis,150 die Gesetzesmaterialien des BGB untermauern diese Qualifizierung ebenfalls.151 Die Vertragsstrafe kann demgemäß als besonderes Schuldverhältnis in der Ausformung als einseitig verpflichtender Vertrag gemäß § 339 BGB i.V.m. § 311 Abs. 1 BGB verstanden werden. Eine Einordnung wie beispielsweise bei der Schenkung nach § 516 BGB oder der Bürgschaft nach § 765 BGB.152 b) Formerfordernis Obwohl in der Praxis die meisten Strafabreden schriftlich fixiert werden,153 kann der Vertrag über eine Vertragsstrafe – in Ermangelung anderslautender Regelungen in den §§ 339 ff. BGB – grundsätzlich ohne die Einhaltung einer besonderen Form geschlossen werden.154 Der Gesetzgeber hat für den Schuldner einer Vertragsstrafe keinen ex-ante Schutz in Gestalt eines Formerfordernisses vorgesehen. Stattdessen erfolgt der Schuldnerschutz auf ex-post Ebene in Gestalt des richterlichen Ermäßigungsrechts nach § 343 BGB, komplementiert durch die allgemeinen Regelungen der §§ 138, 242 und 305 – 310 BGB. Ein genereller Formzwang kann nicht mittels einer entsprechenden Anwendung von Formschriften für andere Rechtsinstitute begründet werden. Die denkbare Anleihe an das Schriftformerfordernis für abstrakte Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnisse nach §§ 780, 781 BGB ist abzulehnen. Die Vertragsstrafe verkörpert aufgrund ihres akzessorischen Charakters keine abstrakte Leistungsverpflichtung, die wie das abstrakte Schuldversprechen einen bereits bestehenden Anspruch aus dessen bisherigem Rechtsgrund herauslöst und in die Selbstständigkeit überführt. Das Formerfordernis nach §§ 780, 781 BGB findet daher auf die Vertragsstrafe keine Anwendung.155

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Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 28 f. Hiervon gibt es die Ausnahme bei rechtswirksamen einseitigen Erklärungen, welche mit einer Konventionalstrafe angereichert werden können, wie beispielsweise Auflagen an Begünstigte in einem Testament (Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339. Rn. 45; Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 1. 150 Weitnauer, in: FS für Reinhardt, S. 179 (181). 151 „[D]as einseitige Versprechen einer Strafe“ sei nicht möglich, heißt es in Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 152 Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205 (207); Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (207). 153 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 763. 154 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 339, Rn. 22; Walchner, in: NomosKommentar BGB, § 339, Rn. 5. 155 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 63.

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Ausnahmsweise kann jedoch das Vorliegen eines formbedürftigen Hauptvertrags zum Durchschlagen des Formerfordernisses auf die Verabredung der Konventionalstrafe führen. Die erste von zwei gängigen Konstellationen setzt voraus, dass die Strafabrede in diesem Hauptvertrag selbst enthalten ist. Die Vereinbarung über eine Vertragsstrafe bildet ein wesentliches Element dieses Hauptvertrags und ist mithin als Nebenabrede von dem Formzwang umfasst156 Die zweite Möglichkeit betrifft Fälle, in denen die Strafabrede im Vorfeld eines formbedürftigen Hauptvertrags geschlossen wird und aufgrund ihrer Höhe eine mittelbare Verpflichtung des Schuldners zum Abschluss des formbedürftigen Hauptvertrags bewirkt, typisch etwa bei einer Vertragsstrafe in oder im Zusammenhang mit Maklerverträgen über Grundstücke.157 c) Bestimmtheit der Leistungspflicht In aller Regel werden die Parteien die genaue Leistungspflicht des Schuldners für den Fall der Vertragsverletzung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Strafabrede festlegen.158 Dies kann unter anderem deshalb als die häufigste Gestaltungsform in der Kautelarjurisprudenz angesehen werden, weil sie den Parteien Klarheit bietet. Um den Anforderungen an den Mindestinhalt und das Bestimmtheitsgebot gerecht zu werden, bedarf es aber keiner genauen Festlegung der Strafhöhe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses; die Parteien können vielmehr die Strafhöhe zunächst gänzlich offen lassen159 oder nur einen Rahmen mit einem Höchstbetrag als Obergrenze festlegen (sogenannter „Hamburger Brauch“).160 Eine erkennbare Parallele besteht hier zum Ordnungsgeld in der Zwangsvollstreckung, welches im Ermessen des Vollstreckungsgerichts liegt und dabei einerseits gemäß § 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO den Betrag von EUR 250.000,00 nicht übersteigen darf und andererseits durch die vorherige Androhung begrenzt wird. Die Rechtsnatur von Ordnungsgeldern und Vertragsstrafen ähneln einander, insbesondere hinsichtlich ihrer Funktion. Das Ordnungsgeld weist die gleiche Bifunktionalität auf, nämlich einerseits zukünftigen Zuwiderhandlungen vorzubeugen und andererseits sanktionierend auf den Schuldner einzuwirken.161 156

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 339, Rn. 22. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 27; Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 24 f.; noch zu § 313 BGB a.F. (nunmehr § 311b Abs. 1 BGB n.F.) bereits RG, Urt. v. 10. 01. 1903 – V 340/02, RGZ 53, 257 (260 f.), welches einer Vertragsstrafe, versprochen für den Fall der Nichtannahme des überreichten Angebots auf einen Grundstücksverkauf, die Wirksamkeit mit Verweis auf § 344 BGB verweigerte. 158 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 377. 159 Üblich etwa in der wettbewerbsrechtlichen Praxis, siehe Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 224 f.; exemplarisch: BGH, Urt. v. 14. 10. 1977 – I ZR 19/76, GRUR 1978, 192 (193) – Hamburger Brauch. 160 BGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – I ZR 123/82, NJW 1985, 191 (192) – Vertragsstrafe bis zu … I. 161 Arnold, ZEuP 2012, S. 315 (320). 157

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Der Hamburger Brauch, das Offenlassen der konkreten Leistungspflicht, kann den Parteien Vorteile bieten. Ganz pragmatisch eignet sich diese Variante in Verhandlungssituationen, in denen die Parteien über die Höhe der Zahlungspflicht keine Einigung erzielen können. Dieser Punkt kann sodann zeitlich nach hinten verlagert werden. Speziell aus Gläubigersicht kann dieses Vorgehen sinnvoll sein, wenn sich ein Scheitern der Verhandlungen aufgrund divergierender Erwartungshorizonte an die Strafhöhe mehr und mehr abzeichnet. Die nachträgliche Bestimmung der Strafe eröffnet dem Gläubiger ferner den Vorteil der mitunter höheren Druckausübung auf den Schuldner, eben weil dieser um die Reaktionsmöglichkeit auf die Schwere und das Ausmaß der Verletzungshandlung weiß. Im Falle eines unerwartet schweren Verstoßes kann der Gläubiger mit einer entsprechend hohen Strafzahlung antworten – diese kann über dem Betrag liegen, welcher bei Abschluss der Vereinbarung etwa mit Blick auf vorherige oder typische Verstöße als noch angemessen angesehen worden wäre.162 Allerdings birgt diese offene Ausgestaltungsform für den Gläubiger zugleich Nachteile. Hinsichtlich der prozessualen Durchsetzung der Konventionalstrafe steht er schlechter als mit einer Festbetragsstrafe.163 Immerhin muss der Gläubiger bei einer fixen Zahlungssumme allein die zu vertretende Zuwiderhandlung nachweisen, dem Schuldner obliegt es dann – über § 343 BGB oder § 138 BGB – nachzuweisen, warum die Strafhöhe nicht zulässig ist. Anders ist dies bei der Einforderung einer nach billigem Ermessen festgelegten Strafe: Hier ist der Gläubiger in der Pflicht, das Gericht von der Angemessenheit der durch ihn bestimmten Strafe zu überzeugen.164 Er trägt demzufolge das Risiko der Nichtaufklärbarkeit von Betriebsinterna des Schuldners oder einer non liquet-Situation.165 Wenn sich die Parteien dafür entscheiden, bei Vertragsschluss die Rechtsfolge noch nicht zu fixieren, sondern ausdrücklich offenzulassen, schließt sich die Frage an, wem die Kompetenz zufällt, den endgültigen Zahlbetrag festzulegen. Nach dem Gesetz kann dies entweder eine Vertragspartei (§ 315 Abs. 1 BGB) oder ein Dritter (§ 317 Abs. 1 BGB) sein. Eine Aufgabenzuweisung an ein Gericht (sogenannter „alter Hamburger Brauch“) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig, weil dies eine vertragsgestaltende Tätigkeit des Gerichts im Auftrag der Parteien wäre.166 Die generelle Anwendbarkeit der §§ 315 ff. BGB auf 162 BGH, Urt. v. 31. 05. 1990 – I ZR 285/88, NJW-RR 1990, 1390 (1391) – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 225. 163 BGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – I ZR 123/82, NJW 1985, 191 (192). 164 BGH, Urt. v. 18. 10. 2005 – KZR 36/04, NJW 2006, 684 (686); Weitnauer, in: FS für Reinhardt, S. 179 (182); Würdinger, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 315, Rn. 54. Die nachträgliche Festlegung nach billigem Ermessen durch die Vertragsparteien oder Dritte kann gerichtlich mittels § 315 Abs. 3 BGB bzw. § 319 Abs. 1 BGB überprüft werden. 165 BGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – I ZR 123/82, NJW 1985, 191 (192). 166 BGH, Urt. v. 14. 10. 1977 – I ZR 19/76, GRUR 1978, 192 (193); BGH, Urt. v. 03. 02. 1995 – V ZR 222/93, NJW 1995, 1360 (1360); BGH, Urt. v. 06. 11. 1997 – III ZR 177/96, NJW 1998, 1388 (1390). Anders, aber nur bezogen auf Schiedsgerichte, die herrschende Lehre, siehe

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Vertragsstrafen hat der Bundesgerichtshof erstmals in seiner Entscheidung Hamburger Brauch im Jahr 1977 bejaht und in der Folge wiederholt bestätigt.167 In Abgrenzung zu § 343 BGB für die Herabsetzung einer überhöhten Vertragsstrafe kann mittels § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zusätzlich die Billigkeit der nachträglich festgelegten Vertragsstrafe überprüft werden. Bei Unbilligkeit legt das Gericht eine billige Vertragsstrafe fest. Umstritten ist, ob die nachträgliche Entscheidung über die Strafhöhe dem Gläubiger zusteht. Während eine weit verbreitete Meinung um den Bundesgerichtshof die Möglichkeit der nachträglichen Bestimmung der Strafsumme durch den Gläubiger bejaht,168 lehnt eine durchaus gewichtige Gegenauffassung dies ab.169 Die Ablehnung gründet in der vermeintlich unvermeidbaren Interessenkollision auf Seiten des Gläubigers, die sogar zur Sittenwidrigkeit führen soll. Es liege hiernach eine Art von Insichgeschäft wie bei § 181 BGB vor, da der Gläubiger zugleich seine und die Interessen des Schuldners wahren soll. Die Existenz eines solchen Konflikts beim Gläubiger lässt sich wohl kaum von der Hand weisen. Allerdings ist die Hürde für die Annahme einer Sittenwidrigkeit hoch – allein ein intrapersonaler Zwiespalt kann keine Nichtigkeit der Abrede nach sich ziehen, zumindest solange der Gläubiger mit Blick auf die Strafhöhe die Grenzen von § 138 BGB nicht überschreitet.170 Der Schuldner begibt sich immerhin freiwillig dieses Rechts über die Mitfestlegung der Höhe. Wenn er sich selbst, ohne Zwang, sehenden Auges, in diese Position manövriert, kann er sich nicht, sobald ihm die Höhe nicht mehr angebracht scheint, darauf berufen dürfen, eben diese nicht mehr mitbestimmen zu können und so die Vertragsstrafe wegen Nichtigkeit zu Fall bringen. Zumal es ihm unbenommen bleibt, die vom Gläubiger festgelegte Vertragsstrafe gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, als milderes Mittel, gerichtlich auf ihre Billigkeit hin überprüfen zu lassen. d) Gestaltungsarten von Vertragsstrafen Den Parteien steht ferner eine Vielzahl an Optionen zur Ausgestaltung der Wirkweise der Strafabrede zur Verfügung, um, neben der eigentlichen Taxierung der Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 11; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 14; Bötticher, Wesen und Art der Vertragsstrafe sowie deren Kontrolle, ZfA 1970, S. 3 (33). 167 BGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – I ZR 123/82, NJW 1985, 191 (192) – Vertragsstrafe bis zu … I.; BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (46) – Vertragsstrafebemessung. Die Anwendung kann als Konsequenz der Akzessorietät der Vertragsstrafe gesehen werden. Der Wortlaut von § 315 Abs. 1 BGB ist mit dem Begriff Leistung hinreichend weit. 168 BGH, Urt. v. 31. 05. 1990 – I ZR 285/88, NJW-RR 1990, 1390 (1391) – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 339, Rn. 28; Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 2a; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 756; Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (212). 169 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 81; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 377. 170 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 756.

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Strafsumme, ihren Interessen möglichst umfassend Rechnung zu tragen und gleichzeitig eine angemessene Strafregelung im Einzelfall zu fixieren. Die Grundvariante bildet die Verabredung eines Einmalbetrags für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Pflicht. Ausgehend von diesem Grundgerüst haben sich weitere Verästelungen herausgebildet, insbesondere mit der Zielsetzung, der Starrheit, die eine einmalige Zahlungsverpflichtung nun einmal unweigerlich mit sich bringt, ein gewisses Maß an Flexibilität zu verleihen. Bereits thematisiert wurde die Möglichkeit, dass die Parteien den Betrag bei Vertragsschluss offenlassen und dessen Bestimmung zeitlich nach hinten verlagern. Daneben können sich die Parteien beispielsweise bemühen, der zu erwartenden Unterschiedlichkeit der Verstöße gerecht zu werden und eine entsprechende Staffelung der Beträge vorzunehmen. Es bietet sich in vielen Sachverhalten an, die Strafsumme nach dem Verschuldensgrad oder dem tatsächlichen Umfang der Zuwiderhandlung aufzugliedern.171 Die bloße Fixierung eines Einmalbetrags, für alle denkbaren Varianten der Zuwiderhandlung, birgt im Einzelfall – etwa bei nur leichtester Fahrlässigkeit auf Seiten des Schuldners – die Gefahr, nicht mehr als angemessen angesehen zu werden.172 Ferner können die Parteien eine Differenzierung mit Blick auf wiederholte Vertragsverletzungen vornehmen. Sie können klar zum Ausdruck bringen, ob jeder individuelle Verstoß die Strafe im vollen Umfang verwirken soll, oder aber, eine Zusammenziehung mehrerer Verstöße geschehen soll, und, wenn ja, nach welchen Parametern die Zusammenfassung gewollt ist.173 In diesem Zusammenhang kann außerdem die Verabredung einer Höchstgrenze für die Aufsummierung einzelner Vertragsstrafen dienlich sein.174 Ein geläufiges Beispiel in diesem Kontext ist die Variante der stetig ansteigenden Vertragsstrafe. Diese Form ist vor allem bei Strafabreden im Zusammenhang mit der verspäteten Leistungserbringung typisch. So ist sie etwa im Baugewerbe als All-

171 Siehe bereits das RG, Urt. v. 12. 10. 1926 – II 6/26, SeuffA 81 [1927], 131 (132 f.), welches bei einer Vertragsstrafe für das Ausbleiben der zugesagten Lieferung von Milch die fehlende mengenmäßige Abstufung beanstandete. Das Gericht kritisierte, dass demnach derjenige, der eine relativ geringe Menge Milch produziert, dieselbe Strafe wie ein Großproduzent entrichten muss. 172 OLG Stuttgart, Urt. v. 22. 07. 1999 – 7 U 226/98, VIZ 1999, 751 (754), erwähnt bei der Prüfung einer Vertragsstrafe der Treuhandanstalt wegen Nichteinhaltung der Arbeitsplatzzusagen die Koppelung der Vertragsstrafe an eine zeitliche Achse als Gesichtspunkt, der für die Angemessenheit und gegen die Einordnung als unzulässige AGB spricht. Dem ist beizupflichten, schließlich zeigen die Parteien mit einer derartigen Aufgliederung ihren Willen, eine gerechte – weil die Umstände des Einzelverstoßes in Betracht ziehende – Strafsumme zu verabreden. 173 Die Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ genügt als Pauschalaussage nicht. 174 Vgl. Janoschek, in: BeckOK BGB, § 343, Rn. 4.

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gemeine Geschäftsbedingung weit verbreitet.175 In diesen Fallgestaltungen wächst der fällige Strafbetrag mit jedem Tag, jeder Woche oder jedem Monat, meist um einen gewissen Prozentsatz bezogen auf den Vertragswert der Leistung. In der Regel erfolgt die Kappung bei einem festgelegten Höchstbetrag. Es handelt sich dabei ebenfalls um die Zahlung eines Einmalbetrags, der sich durch die Wiederholungen, oder genauer, die Intensivierung der Zuwiderhandlungen mit fortschreitender Zeitdauer erhöht. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit solch periodisch ansteigender Vertragsstrafen ist die Festlegung eines Höchstbetrags zwingend geboten, außerdem eine genaue Bestimmung der Zeitabschnitte für den Verzug.176 Eine Parallele besteht zur Festsetzung des Ordnungsgelds im Rahmen der Zwangsvollstreckung, beispielsweise nach § 890 ZPO bei der Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen. Die Höhe des Ordnungsgelds soll nicht schematisch festgelegt werden, sondern so gewählt werden, dass sich für den Schuldner eine Zuwiderhandlung nicht lohnt, wobei eine Zusammenfassung mehrerer Zuwiderhandlungen zu einem Ordnungsgeld möglich ist.177 2. Bestehen der strafbewehrten Verpflichtung Nach § 339 S. 1 BGB ist die Vertragsstrafe an eine Verbindlichkeit des Schuldners und deren nicht oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung gekoppelt. Diese Akzessorietät des Strafversprechens konstituiert eines der Grundprinzipien der Konventionalstrafe.178 Diese Abhängigkeit, insbesondere die Eigenschaft des Hauptanspruchs, soll nachstehend näher dargestellt werden. Anschließend erfolgt die Abgrenzung zum selbstständigen, nicht akzessorischen Strafversprechen. a) Sicherungsfähiger Anspruch Grundsätzlich sind Verbindlichkeiten jeglicher Art durch die Abrede einer Vertragsstrafe sicherungsfähig.179 Es erfolgt weder eine Eingrenzung nach der Rechtsgrundlage, so können nicht nur vertraglich, sondern ebenso gesetzlich be175 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 9. Siehe dort ebenfalls zu der ausdifferenzierten richterlichen Praxis über die angemessene Strafhöhe solcher Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 176 BGH, Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106 (2107 f.); BGH, Urt. v. 23. 01. 2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 (325). 177 Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 890, Rn. 36. 178 Karsten Schmidt, in: FS für Heinrichs, S. 529 (529). 179 Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 2. Dennoch kann nicht jeder Anspruch mit einer Vertragsstrafe gesichert werden. Neben den bereits genannten ausdrücklichen gesetzlichen Verboten gibt es weitere, welche sich aus Sinn und Zweck der jeweiligen Norm ergeben. Zu nennen ist etwa das Verbot einer Vertragsstrafe für den Anspruch aus Sperrabreden unter Arbeitgebern nach § 75 f HGB, siehe Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 765 f. (mit weiteren Beispielen).

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gründete Ansprüche eine Hauptverbindlichkeit im Sinne des § 339 BGB darstellen180, noch nach der Art der Verpflichtung, weshalb Unterlassungsverpflichtungen ebenso Anknüpfungspunkt für Vertragsstrafen sein können wie Handlungsverpflichtungen.181 Der Bundesgerichtshof hat die Unbeschränktheit hinsichtlich der Hauptverbindlichkeit bestätigt.182 Das Urteil hat eine Rechtsstreitigkeit über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zwischen einem Unternehmen und dem für dieses Unternehmen tätigen Handelsvertreter zum Gegenstand. Der zwischen den Parteien geschlossene Handelsvertretervertrag sah unter anderem eine mittels Vertragsstrafe abgesicherte Verpflichtung des Handelsvertreters vor, die ihm überlassenen Kundenanschriften nach Beendigung des Vertrags weiterhin vertraulich zu behandeln und nicht für eigene gewerbliche Zwecke zu verwenden. Im Zuge der Ausführungen über die Gründe, warum dieses Verbot als Allgemeine Geschäftsbedingung eine unangemessene Benachteiligung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (entspricht § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) des Handelsvertreters darstellt, erwähnte der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beiläufig, die Zulässigkeit einer Vertragsstrafe, welche an die Verpflichtung des Handelsvertreters zur nachvertraglichen Verschwiegenheit nach § 90 HGB anknüpft. Konkretisiert wird die Akzessorietät der Vertragsstrafe zur Hauptverbindlichkeit in § 344 BGB, wonach ein unwirksames Leistungsversprechen stets die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe nach sich zieht.183 Es soll dadurch verhindert werden, dass der Gläubiger durch die Konventionalstrafe mittelbar eine Leistung erzwingbar macht, welche gesetzes- oder sittenwidrig ist. Diese Nichtigkeitsfolge gilt nach dem Wortlaut von § 344 a.E. BGB ebenso, wenn die Vertragsparteien positiv um die Unwirksamkeit der Hauptverbindlichkeit wussten und dennoch ein Strafversprechen zur Absicherung auserkoren haben.

180 Der Wortlaut des § 339 S. 1 BGB nimmt keinerlei Eingrenzung bezogen auf die Art des Schuldverhältnisses vor. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich ferner extrapolieren, dass „kein Grund ersichtlich [sei], eine solche Vereinbarung nur in Beziehung auf vertragsmäßige Verbindlichkeiten zuzulassen“, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 181 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 1. Bereits das Reichsgericht hat dies für eine wettbewerbsbeschränkende Unterlassungspflicht im Rahmen des Verkaufs eines Geschäftsbetriebs entschieden, wonach der Verkäufer in einem festgelegten Umkreis kein gleichartiges Geschäft eröffnen darf, RG, Urt. v. 31. 03. 1909 – I 276/08, RGZ 70, 439 (440 f.). Ein ganzer Strom weiterer untergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen zu Unterlassungsverpflichtungen folgte, insbesondere zu dem ausbedungenen Schutz vor nachvertraglichem Wettbewerb und den Unterwerfungserklärungen in der Folge von Verstößen gegen die Lauterkeit im geschäftlichen Wettbewerb, siehe BGH, Urt. v. 10. 02. 1994 – I ZR 16/92, GRUR 1994, 443 (445); BGH, Urt. v. 09. 12. 1993 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 304 (306); BGH, Urt. v. 08. 03. 1990 – I ZR 116/88, GRUR 1990, 530 (532). 182 BGH, Urt. v. 28. 01. 1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 (1787). 183 Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 6; Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 16.

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Sämtliche rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen gegen die Hauptforderung bzw. deren vertragliche Grundlage haben demzufolge unmittelbare Auswirkung auf das Bestehen der Konventionalstrafe. Der Zeitpunkt der Erhebung der rechtsvernichtenden Einwendung ist dabei unerheblich. Aufgrund der Akzessorietät kann selbst eine bereits verwirkte Vertragsstrafe wieder entfallen, beispielsweise durch die Anfechtung der Willenserklärung für den Vertrag über die Hauptforderung.184 b) Abgrenzung zum selbstständigen Strafversprechen Am Element der zu sichernden Hauptverbindlichkeit verläuft zugleich die Trennlinie vom unselbstständigen zum selbstständigen Strafversprechen.185 Das selbstständige Strafversprechen wird in § 343 Abs. 2 BGB geregelt und geht zurück auf die unechte Vertragsstrafe im römischen Recht. Diese Norm sieht die Anwendbarkeit der Herabsetzungsregelung nach Absatz 1 vor, „wenn jemand eine Strafe für den Fall verspricht, dass er eine Handlung vornimmt oder unterlässt.“ Anders als bei der Vertragsstrafe nach § 339 BGB fehlt der Verweis auf die vertragliche Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung der Handlung. Genau wie bereits im römischen Recht praktiziert,186 verspricht der Schuldner allein auf Sekundärebene die Zahlung eines Geldbetrags für die Nichtvornahme eines bestimmten Tuns oder Unterlassens, ohne dass eine entsprechende Verpflichtung auf Primärebene besteht. Das strafbewehrte Verhalten des Schuldners ist mithin nicht vertraglich verabredet, sondern lediglich in Aussicht gestellt und kann folglich weder unmittelbar aus dem Vertrag, noch mittelbar über ein Schadensersatzverlangen erzwungen werden.187 Dogmatisch handelt es sich bei der Hauptpflicht nicht um eine Rechtspflicht, sondern um eine schlichte Obliegenheit188 oder, anders formuliert, um eine Bedin184 Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 142. Die Kenntnis der Parteien über den, die Unwirksamkeit begründenden, Mangel ist ebenfalls unerheblich, Lübbe, Vertragsstrafe nach gemeinem Recht und BGB, S. 37. Diese Eingrenzung der Wirksamkeit von Vertragsstrafen kann mit § 344 a.E. BGB begründet werden. 185 Das Begriffspaar der unselbstständigen und selbstständigen Konventionalstrafe ist nicht absolut. Die verwendeten Termini variieren; im Schrifttum wird häufig zwischen echten und unechten Vertragsstrafen differenziert (Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 5; Selbach, Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverboten, S. 9). Der Bundesgerichtshof erweitert das Vokabular in dieser Diskussion zusätzlich und verwendet anstelle von unecht die Begrifflichkeit uneigentlich (BGH, Urt. v. 08. 03. 1967 – VIII ZR 214/65, NJW 1967, 1318 (1319); BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 – V ZR 233/80, BGHZ 82, 398 (402)). Im Übrigen hat bereits das Reichsgericht diesen Ausdruck verwendet, siehe RG, Urt. v. 22. 03. 1919 – V 374/18, RGZ 95, 199 (203). Es handelt sich aber stets um die gleiche Problematik. 186 Siehe oben unter A. I. 1. a). 187 BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 – V ZR 233/80, BGHZ 82, 398 (402); Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (498 f.); Hess, Vertragsstrafe, S. 31 f. 188 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 782.

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gung für den Anfall der Vertragsstrafe.189 Die Verabredung der Strafe fungiert als alleiniges Druckmittel, um den Schuldner zu dem Tun oder Unterlassen zu bewegen.190 Das selbstständige Strafversprechen ist bereicherungsfest im Sinne der §§ 812 ff. BGB. Das Versprechen zur Zahlung eines Betrags im Falle eines bestimmten Handelns oder Unterlassens ist rechtsbindend. Häufiger Anwendungsbereich für selbstständige Strafabreden sind Klauseln in Vorverträgen, die eine oder beide Parteien vor dem Nichtzustandekommen des eigentlichen Vertrags schützen sollen.191 Diese Gestaltungsvariante findet sich in den unterschiedlichsten Rechtsbereichen, angefangen von Maklerverträgen, über Unternehmensverkäufe192, bis hin ins Arbeitsrecht193. Die Besonderheit im Arbeitsrecht ist die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, weshalb derartige Vertragsstrafen einer ungleich höheren Kontrolldichte unterliegen als Strafversprechen im b2b-Bereich. Darüber hinaus bietet sich das selbstständige Strafversprechen an, wenn das Verhalten eines Dritten abgesichert werden soll.194 Nach der herrschenden Meinung handelt es sich beim selbstständigen Strafversprechen um ein eigenes Rechtsinstitut.195 Der Wort189

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 24. Bötticher, Wesen und Art der Vertragsstrafe sowie deren Kontrolle, ZfA 1970, S. 3 (8). 191 Dieser Schutz vor einem Nichtzustandekommen des Vertrags durch selbstständige Strafversprechen beschäftigte Anfang des 20. Jahrhunderts schon das Reichsgericht im Rahmen der Prüfung einer Zahlungspflicht für den Fall der Nichtannahme des Verkaufsangebots über ein Rittergut, siehe RG, Urt. v. 22. 03. 1919 – V 374/18, RGZ 95, 199 (203). 192 Bei Transaktionen über Unternehmen oder Unternehmensteile wird von den Beteiligten regelmäßig zu Beginn der Vertragsgespräche eine vorgeschaltete Absichtserklärung (letter of intent) unterzeichnet, in denen die grundlegenden Parameter der Transaktion und Ablaufregeln festgehalten werden. Diese Vorverträge enthalten häufig eine als break-up fee bezeichnete Klausel, welche eine Zahlungsverpflichtung für den Fall vorsieht, dass eine Partei ohne rechtfertigenden Grund von weiteren Vertragsverhandlungen und dem Kaufvertrag insgesamt Abstand nimmt, Hilgard, BB 2008, S. 286 (286, 288). 193 Vertragsstrafen können beispielsweise im Zuge der Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags vereinbart werden, siehe Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 30, Rn. 5. Ebenfalls im Arbeitsrecht zu verorten ist die Strafe in Form der Verpflichtung zur Rückzahlung von Gratifikationen bei einer Kündigung seitens des Arbeitnehmers, Janoschek, in: BeckOK BGB, § 343, Rn. 10. 194 BGH, Urt. v. 08. 03. 1967 – VIII ZR 214/65, NJW 1967, 1318 ff. Gegenstand der Entscheidung war die Strafabrede in einem Mietvertrag über die Deutschlandhalle in Berlin. Der Vermittler von internationalen Gastspielen, u. a. von Ballettkünstlern, mietete die Halle für zwei Auftritte des Bolschoi-Balletts. Der Mietvertrag enthielt eine Klausel, wonach der Veranstalter eine Summe von 100.000,00 DM zahlen musste, wenn das Ballettensemble nicht auftrat, was schlussendlich so geschah. 195 BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 – V ZR 233/80, BGHZ 82, 398 (402); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 782 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 381; ebenso bereits Lübbe, Vertragsstrafe nach gemeinem Recht und BGB, S. 39; Karsten Schmidt, in: FS für Heinrichs, S. 529 (535 ff.), welcher das selbstständige Strafversprechen als einen nichtakzessorischen Garantievertrag ansieht. Im Schrifttum hat allen voran Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 65 ff. versucht, diesen Unterschied zwischen unselbstständigen und selbstständigen Strafversprechen argumentativ aufzulösen. Es ist allerdings nicht dasselbe, 190

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laut von § 339 BGB ist, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Notwendigkeit einer Hauptverbindlichkeit für die Einordnung als Vertragsstrafe eindeutig. Der Wortlaut von § 343 Abs. 2 BGB spricht ebenfalls gegen eine Einordnung als Vertragsstrafe, da er zwar die Anwendbarkeit von § 343 Abs. 1 BGB erklärt, jedoch keine weitergehende Anwendbarkeit bezogen auf § 339 BGB trifft – wie dies etwa in § 342 BGB bezogen auf Vertragsstrafen mit anderer Leistungspflicht als Geldzahlung der Fall ist. Zumindest aber die Norm des § 344 BGB kann als Indiz für die gesetzliche Anerkennung des selbstständigen Strafversprechens als Vertragsstrafe gewertet werden, da die darin geregelte Unwirksamkeit der Vertragsstrafe nur bei der selbstständigen Strafabrede einen neuen Regelungssinn hat, denn für unselbstständige Strafversprechen, die schon aufgrund der Akzessorietät das Schicksal ihrer Hauptverbindlichkeit teilen, hat sie lediglich klarstellende Bedeutung.196 Ein weiteres starkes Argument liefert die Gesetzesbegründung, in der von der „materiell accessorische[n] Natur“ der Vertragsstrafe gesprochen wird.197 Konsequenterweise werden die §§ 339 ff. BGB, abgesehen von § 343 Abs. 2 BGB, als nicht direkt, aber analog auf das selbstständige Strafgedinge anwendbar erklärt – abgesehen von den Normen, bei denen die Akzessorietät vorausgesetzt wird, also etwa § 340 Abs. 2 und § 341 Abs. 2 BGB oder § 341 Abs. 3 BGB.198 3. Verletzung der strafbewehrten Verpflichtung Vor dem Hintergrund der Einordnung der Konventionalstrafe als gewillkürtes Leistungsstörungsrecht199, gemeint ist deren Funktion als eigenständiges Instrument zur Durchsetzung des Primäranspruchs bzw. der Befriedigung des dazugehörigen Erfüllungsinteresses, bedarf es einer derartigen Störung im Leistungskatalog des Schuldners hinsichtlich der Hauptverbindlichkeit. Im Rahmen der Befassung mit der Vertragsverletzung ergeben sich wiederkehrend Diskussionen um die Beweislast, die Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung und das Anfallen eines Schadens, die nachfolgend näher zu untersuchen sind. ob ein Verhalten nur ohne rechtliche Verbindlichkeit in Aussicht gestellt wird oder aber ob es vertraglich geschuldet ist. 196 Denn bei unselbstständigen Vertragsstrafen folgt der Ausschluss einer Koppelung an eine unwirksame Verpflichtung bereits aus dem Akzessorietätsprinzip, Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 785, Schaub, in: Erman, BGB, § 344, Rn. 2. 197 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 155. Außerdem werden in den Protokollen im Rahmen der Regelung des § 343 Abs. 2 BGB die Bedenken gegen eine Identität der beiden Rechtsinstitute vorgebracht und nicht zerstreut. Vielmehr wird allein wegen der Gefahr von überhöhten Leistungspflichten bei derartigen Versprechen die Anwendbarkeit des Ermäßigungsrechts begründet, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 724. 198 BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 – V ZR 233/80, BGHZ 82, 398 (401 f.); Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 30; a.A. Karsten Schmidt, in: FS für Heinrichs, S. 529 (538 f.), der nur die analoge Anwendung von § 343 BGB wegen § 343 Abs. 2 BGB sowie von § 344 BGB befürwortet. Es ergeben sich insoweit aber keine relevanten Unterschiede. 199 Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 2.

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a) Charakteristika und Nachweis des Verstoßes Das Schuldnerverhalten muss dabei nur im Kern mit dem in der Strafabrede niedergelegten Verhaltensverbot übereinstimmen;200 gleichwertige Verstöße gelten nach dem Parteiwillen ebenfalls regelmäßig als Verwirkungstatbestand, wenn sie nicht explizit ausgeschlossen wurden.201 Die Vertragsstrafe kann außerdem bereits für den Fall des Versuchs des vertragswidrigen Verhaltens verwirkt sein. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest dann, wenn es Anhaltspunkte für vorherige Versuche gibt und die Gefahr infolge der Pflichtverletzung sehr hoch ist.202 Beklagter in dieser Entscheidung war ein ehemaliger Angestellter des klagenden Unternehmens aus der Versicherungsbranche. Der Beklagte hatte das Unternehmen zum 31. 05. 1978 gegen eine Abfindung von 150.000,00 DM verlassen, um seinen eigenen Betrieb im selben Geschäftszweig aufzunehmen. Der Auflösungsvertrag enthielt unter anderem ein Konkurrenzverbot, das es dem Beklagten untersagte, Kunden oder Angestellte des Klägers abzuwerben. Gleichwohl versuchte der Beklagte in den folgenden Monaten planmäßig Mitarbeiter des ehemaligen Arbeitgebers für sich zu gewinnen, weshalb der Beklagte im Oktober 1978 gerichtlich zur Unterlassung des Abwerbens und ebenfalls von Abwerbeversuchen verurteilt wurde. Im Rahmen einer anschließenden Einigung mit dem Kläger gab der Beklagte diese Verpflichtung inhaltsgleich wieder und unterlegte sie mit einem Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 50.000,00 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung. In der Folge verklagte der Kläger den Beklagten auf 200.000,00 DM wegen vier Mitarbeiterabwerbeversuchen. Der Bundesgerichtshof hielt das Urteil der ersten Instanz aufrecht, welches den Beklagten zur Zahlung der vollen Summe von 200.000,00 DM verurteilt hatte. Die Höhe der Belastung führte beim Gericht zu keinen durchgreifenden Bedenken und das obwohl die bisherigen Abwerbeversuche allesamt im Versuchsstadium stecken blieben. Denn „Zweck der Vertragsstrafe ist u. a., einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner auszuüben, damit dieser die übernommene und durch die Strafe bewehrte Verpflichtung einhält. Weil das Strafversprechen somit zugleich auf das Verhalten des Schuldners vor einer möglichen Zuwiderhandlung abzielt, kann es für den Anspruch keine entscheidende Rolle spielen, ob die trotz des Versprechens begangene Handlung zu einer Gefährdung oder Schädigung von Interessen des Gläubigers geführt hat“203. Die damit einhergehenden Störungen und Einbußen beim Kläger wären ganz erheblich gewesen, während sich gleichzeitig dem Beklagten „beträchtliche wirtschaftliche Chancen“204 eröffnet hätten. 200

Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (217). Damit soll dem Reiz zum Probieren von Umgehungshandlungen Einhalt geboten werden. 201 Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 339, Rn. 5; Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 8, mit näheren Ausführungen hierzu für den Bereich des Wettbewerbsrechts. 202 BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 ff. 203 BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (920). 204 BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921).

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Eine eher rechtspraktische als rechtstheoretische Problematik kann sich im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung auftun. Der Gläubiger muss die Abrede über die Vertragsstrafe und den Eintritt der Bedingung für die Verwirkung der Vertragsstrafe, mithin die Pflichtverletzung, beweisen.205 Eine Ausnahme erfolgt durch § 345 BGB, wonach der Schuldner die Erfüllung der Verbindlichkeit zu beweisen hat, sofern die geschuldete Leistung nicht in einem Unterlassen besteht. Die Beweislast für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht durch positives Tun und damit den Nichteintritt der Strafverwirkung trägt damit, entsprechend der allgemeinen Regel in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, der Schuldner; die Vorschrift des § 345 BGB normiert hiervon keine Abweichung.206 Die Nachweispflicht des Gläubigers für Vertragsverletzungen durch Unterlassen kann im schlimmsten Fall sogar ein Ausschlusskriterium für die Anspruchsdurchsetzung darstellen. Häufig ist es zumindest eine wesentliche Erschwernis. Bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot sollte sich die Zuwiderhandlung noch ohne größere Schwierigkeiten darlegen lassen. Anders verhält es sich mitunter bei Strafabreden im Rahmen von Unternehmenstransaktionen. Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht über offengelegte Betriebsinterna der Zielgesellschaft werden häufig nur aufgrund des faktischen Kursierens derartiger Informationen im Markt bekannt – über welche Wege die Informationen nach außen gelangt sind, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Entsprechend gestaltet sich der Nachweis der Pflichtverletzung für den Gläubiger als sehr beschwerliches, mitunter sogar aussichtsloses Unterfangen.207 Zur Führung des Nachweises benötigt der Gläubiger Einblick in die internen Abläufe beim Schuldner, beispielsweise in Emailkorrespondenzen und Netzwerkdaten über den Abruf der betroffenen Information. Vor diesem Hintergrund kann es im Einzelfall lohnenswert sein, über die Vereinbarung einer Beweislastumkehr im Vertrag mit Blick auf die Verletzungshandlung nachzudenken.208 Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verbot, wonach der Gläubiger stets die Beweislast für den Verstoß zu tragen habe, sind nicht vorhanden. Im Gegenteil: Die den Parteien anheimgestellte Freiheit im Hinblick auf die Voraussetzungen der Vertragsstrafe spricht für die Möglichkeit einer solchen Umverteilung der Darlegungs- und Beweislast.209 Bei Individualabreden ist eine vollständige Umkehr der Beweislast für die Erfüllung einer Unterlassungspflicht möglich, bei Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen schränkt dagegen das Ver-

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Rieble, in: Staudinger, BGB, § 345, Rn. 3 f. Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 155; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 775; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 345, Rn. 1. 207 Vgl. van Betteray/Gass, BB 2004, 2309 (2311 f.). 208 Dazu näher van Betteray/Gass, BB 2004, S. 2309 (2312). 209 Köhler, in: FS Gernhuber, S. 207 (215); Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 152; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 340, Rn. 3. 206

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schlechterungsverbot bezüglich der Beweislast nach § 309 Nr. 12 BGB eine Umgestaltung ein.210 b) Vertretenmüssen Der Schuldner muss die Verletzung der strafbewehrten Vertragspflicht zu vertreten haben211 – unabhängig davon, ob ein Tun nach § 339 S. 1 BGB oder Unterlassen nach § 339 S. 2 BGB geschuldet ist. Für Unterlassungspflichten wurde dies ursprünglich anders gesehen und insoweit eine verschuldensunabhängige Haftung befürwortet. In den Protokollen zum BGB findet sich eine entsprechende Differenzierung zwischen Tun und Unterlassen.212 Begründet wird dies mit der vermeintlich unterschiedlichen Interessenlage beim Gläubiger. Bei einer Handlungspflicht habe der Gläubiger das Gut noch nicht in seinem Vermögen. Damit sei sein Wohl von einer Handlung des Schuldners abhängig. Anders bei einem Unterlassungsgebot, wo es um den Schutz eines dem Gläubiger bereits gehörenden Guts gehe. In diesem Fall sei es ihm gleich, warum die Verletzung eintrete. Es sei sogar eine unbillige Härte, wenn der Schutz seiner Vermögensinteressen durch ein Verschuldenselement eine Einschränkung erfahren würde. Das Reichsgericht war ebenfalls der Auffassung, dass bei Vorliegen eines Unterlassens kein Verschulden notwendig sei, um die Konventionalstrafe verwirken zu können.213 Der Bundesgerichtshof ist dieser früher herrschenden Meinung entgegengetreten und hat das Verschuldenselement ebenfalls bei der Unterlassungspflicht anerkannt.214 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist kein Grund ersichtlich, welcher eine Unterscheidung zwischen Handlung und Unterlassen sachlich zu 210

Rieble, in: Staudinger, BGB, § 345, Rn. 18. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 380; Walchner, in: Nomos-Kommentar BGB, § 339, Rn. 19; Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 7; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 769. Der Gesetzestext enthält in § 339 BGB zwar keinen unmittelbaren Hinweis auf das Erfordernis eines fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns des Schuldners im Sinne von § 276 BGB, jedoch zumindest einen mittelbaren: Nach § 339 BGB S. 1 BGB ist die Vertragsstrafe bei einer Handlungspflicht verwirkt, wenn der Schuldner in Verzug kommt. Dieser Verweis auf die Verzugsvorschriften umfasst § 286 Abs. 4 BGB, welcher einen Verzugseintritt bei Nichtvertretenmüssen ausschließt. 212 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 720. 213 RG, Urt. v. 01. 04. 1935 – VI 541/34, RGZ 147, 228 (232 f.) – in dem zugrundeliegenden Fall ging es um die strafbewehrte Klausel des Betreibers einer Bierwirtschaft aus einem Bierlieferungsvertrag, die untersagte Bier von anderen Brauereien zu beziehen. Zur Begründung verwies das Reichsgericht auf den Wortlaut von § 339 S. 2 BGB, wonach bei einem Unterlassen als geschuldete Leistung die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung eintritt. Um die Voraussetzung des Verschuldens bei Unterlassungspflichten zu begründen, bedürfte es einer abweichenden Parteivereinbarung. 214 BGH, Urt. v. 29. 06. 1972 – II ZR 101/70, NJW 1972, 1893 (1894 f.). Der fehlende Verweis auf die Verzugsvorschriften in § 339 S. 2 BGB lässt sich nachvollziehbar damit begründen, dass bei einer Unterlassungspflicht kein Verzug eintreten kann, da jedes Handeln sofort die Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Leistungserbringung nach sich zieht. 211

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rechtfertigen vermag. Dies ist überzeugend, allemal aus Sicht des Schuldners, für den schwerlich nachvollziehbar ist, warum er sich beim Verstoß gegen eine Handlungspflicht exkulpieren kann, ihm dies bei Zuwiderhandlungen gegen Unterlassungspflichten aber verwehrt bleiben soll. Aus Sicht des Gläubigers besteht ferner kein Anlass, den Schuldner bei Unterlassen im höheren Maße haften zu lassen.215 Die Berechtigung des Verschuldenserfordernisses ergibt sich im Übrigen aus dem Zweck der Erfüllungssicherung. Der Schuldner kann nur zur Einhaltung von Verpflichtungen angehalten werden, deren Gelingen auch tatsächlich in seiner Hand liegen. Mitunter werden Vertragsstrafeversprechen verschuldensunabhängig und damit garantieähnlich verabredet. Die Abbedingung des Verschuldenselements durch individualvertragliche Vereinbarung ist nach herrschender Meinung zulässig.216 Um die Vertragsfreiheit der Parteien einzuschränken, fehlt es an einem tragfähigen Grund.217 Mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann das Verschuldenserfordernis jedoch zum Schutz des Schuldners nicht aufgehoben werden.218 c) Schaden Auf die Verwirkung der Konventionalstrafe hat es grundsätzlich keinen Einfluss, ob durch die Pflichtverletzung beim Gläubiger ein realer Schaden entstanden ist.219 Hierfür streitet der Wortlaut des Gesetzes, welcher weder in § 339 BGB noch in den folgenden Bestimmungen die Verursachung eines Schadens fordert. Gleichwohl kann sich das Ausbleiben eines Schadens im Rahmen der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit des Strafversprechens nach § 343 BGB auswirken und zu einer gerichtlichen Herabsetzung der Zahlungspflicht führen.

215

Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 147. RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (103); BGH, Urt. v. 23. 05. 1958 – VIII ZR 126/57, NJW 1958, 1483 (1484 f.); BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 – V ZR 233/80, BGHZ 82, 398 (402); Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 6; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 770; Karsten Schmidt, in: FS für Heinrichs, S. 529 (534); ausdrücklich befürwortend ebenso in der Gesetzesbegründung – Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 154. Mit Bedenken hingegen Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (219); a.A. Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 91 f., der für ein zwingendes persönliches Verschuldenserfordernis eintritt, weil ansonsten die Personenwürde des Schuldners nicht gewahrt sei. 217 Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 6. Die Parteien hätten schließlich einen formfreien Garantievertrag abschließen können. 218 BGH, Urt. v. 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256 (258). 219 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 339, Rn. 18; Hess, Vertragsstrafe, S. 145; Köhler, GRUR 1994, S. 260 (261). Daher ist es für sich genommen kein Grund, die Strafe herabzusetzen, wenn kein Schaden entstanden ist, kein Schadensersatzanspruch besteht oder der Ersatzanspruch hinter der ausbedungenen Vertragsstrafe zurückbleibt, siehe RG, Urt. v. 28. 10. 1921 – III 107/ 21, RGZ 103, 99 f. (99 f.); BGH, Urt. v. 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256 (260); BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921). 216

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4. Vorbehaltserklärung Bei der Strafabrede für die nicht gehörige Leistung kann der Gläubiger die Vertragsstrafe gemäß § 341 Abs. 3 BGB220 ferner nur verlangen, wenn er sich bei Annahme der Erfüllung das Recht auf die weitere Geltendmachung der Konventionalstrafe vorbehält.221 Dieser Ausschluss gilt nicht für Strafversprechen nach § 340 BGB, weil bei diesen Vertragsstrafen eine parallele Geltendmachung von Vertragserfüllung und Zahlung der Vertragsstrafe ausgeschlossen ist. Die Obliegenheit zur Vorbehaltserklärung zeigt, dass der Gesetzgeber der Vertragsstrafe nach § 341 BGB nicht wohlwollend gegenübersteht und daher vom Gläubiger ein Mehr verlangt. Hintergrund sind Erwägungen des Schuldnerschutzes sowie der Rechtsklarheit.222 Demnach sollen durch § 341 Abs. 3 BGB unbillige Härten für den Schuldner vermieden werden.223 Ihm könne es nicht zugemutet werden, bis zum Ende der Verjährungsfrist abzuwarten, um zu erfahren, ob der Gläubiger trotz anstandsloser Annahme der Leistung gleichwohl die Zahlung der Vertragsstrafe verlange.224 Der Schuldner soll stattdessen zeitnah nach Vornahme der geschuldeten Erfüllungshandlung wissen, ob der Gläubiger die Strafe einfordern will, nachdem die Erfüllung doch noch geglückt ist.225 Im Falle von zulässigen Teilleistungen bedarf es daher des Vorbehalts bei Abnahme jeder Teilleistung.226 Diese Erwägungen überwiegen nach dem Dafürhalten des Gesetzgebers das damit einhergehende Risiko des rechtsunkundigen oder vergesslichen Gläubigers, durch eine fehlende Erklärung seinen Zahlungsanspruch aus der Strafabrede zu verlieren.227 Um den Anspruchsverlust nach § 341 Abs. 3 BGB zu verhindern, müssen insgesamt vier Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst bedarf es überhaupt der Erfüllung der geschuldeten Leistung und sodann deren Annahme durch den Gläubiger.228 Eine 220

Eine speziellere, aber inhaltsgleiche Ausprägung findet sich in § 11 Abs. 4 VOB/B. Das RG, Urt. v. 26. 01. 1903 – VI 393/02, RGZ 53, 356 (358) spricht von einem Verlust des Rechts kraft Gesetzes. Es handelt sich hierbei um eine echte Weiterentwicklung des Rechts durch das BGB gegenüber dem gemeinen Recht, welches ein solches Vorbehaltserfordernis nicht kannte, siehe Kunze, Wesen und Bedeutung der arrha des gemeinen Rechts, S. 76. 222 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 772. 223 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 224 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 719. 225 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 341, Rn. 4. 226 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341, Rn. 11. 227 Begründet wird dies mit den geringen Anforderungen für den Erhalt des Anspruchs, siehe Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 32, unter Bezugnahme auf die Protokolle zur Norm des § 341 Abs. 3 BGB. Kritisch: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 772. 228 Für die Annahme bedarf es, wie bei § 363 BGB, einer Willenskundgabe, welche den Schuldner zu der Überzeugung kommen lässt, der Gläubiger erkenne die Leistung als im Wesentlichen den vertraglichen Anforderungen gerecht werdend an, Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341, Rn. 10. 221

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Erfüllung durch Surrogat ist möglich, die anschließende Annahme seitens des Gläubigers vorausgesetzt.229 Schließlich bedarf es der Erklärung des Vorbehalts gegenüber dem Schuldner,230 wobei die Erklärung zeitnah bei Annahme zu erfolgen hat. Die Formulierung im Gesetz, wonach der Vorbehalt „bei der Annahme“ zu erklären ist, muss, folgt man der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, eng ausgelegt werden.231 Daher bedarf es der unverzüglichen Vorbehaltserklärung – ähnlich wie bei der Rügeobliegenheit bezüglich Mängeln beim beiderseitigen Handelskauf nach § 377 HGB. Aufgrund dessen kann eine Zeitdauer von mehreren Wochen nach Erfüllung und Annahme nicht mehr als ausreichend gelten.232 Hinter § 341 Abs. 3 BGB steht somit kein Fall von klassisch widersprüchlichem Verhalten, sondern eine Konzeption der Vertrauenserweckung durch den Gläubiger. Wenn der Gläubiger die Erfüllung annimmt und damit das Vertrauen beim Schuldner erzeugt, es sei letztlich alles in Ordnung, muss er ausdrücklich den Vorbehalt erklären, um genau diesen Vertrauenstatbestand zu zerstören. § 341 Abs. 3 BGB ist eine Norm des dispositiven Rechts, welche mittels einer Individualvereinbarung abgeändert werden kann.233 Der Schuldner muss nicht daran gehindert werden, den Schutz und die Rechtssicherheit durch das Vorbehaltserfordernis zu verlieren, da diese beiden Normzwecke nicht als derart überragend einzuschätzen sind.234 Der Schuldnerschutzgedanke sperrt die Aufhebung des Vorbehaltserfordernisses nur bei Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.235

229 Das bloße Zugehen oder die Inempfangnahme genügen ebenso wenig wie die Entgegennahme zur Prüfung und Untersuchung, Wenzel, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 363, Rn. 3. Die Annahme setzt vielmehr die Überprüfung der Leistung auf ihre Vertragsgemäßheit durch den Gläubiger voraus, Rieble, in: Staudinger, BGB, § 341, Rn. 30. 230 Der Gläubiger muss kundtun, dass er trotz der Erfüllung die Vertragsstrafe geltend machen möchte, Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341, Rn. 9. Dies kann ausdrücklich, aber ebenso konkludent erfolgen, siehe Rieble, in: Staudinger, BGB, § 341 Rn. 47; Walchner, in: Nomos-Kommentar BGB, § 341 Rn. 8. 231 BGH, Urt. v. 03. 11. 1960 – VII ZR 150/59, BGHZ 33, 236 (237); Stürner, in: Prütting/ Weupgen/Weinreich, BGB, § 339, Rn. 9. 232 BGH, Urt. v. 24. 10. 1991 – VII ZR 54/90, ZfBR 1992, 65 (66). Im konkreten Fall verging über einen Monat nach der Annahme bis der Gläubiger – verspätet – den Vorbehalt erklärte. Nach dem Bundesgerichtshof sei es ohne Belang, ob sich der Gläubiger erst noch über die Weiterverfolgung der Vertragsstrafe klar werden wollte. 233 BGH, Urt. v. 11. 03. 1971 – VII ZR 112/69, NJW 1971, 883 (884); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 771. 234 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 341, Rn. 11. 235 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341, Rn. 17.

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II. Anforderungen des englischen Rechts Angelehnt an die vorstehende Betrachtung des deutschen Rechts werden in Bezug auf das Zustandekommen die Anforderungen an den wirksamen Abschluss eines Vertrags über penalty clauses sowie an den Vertragsbruch betrachtet, abschließend wird der Frage nach dem Erfordernis von Verschulden und Schaden nachgegangen. 1. Rechtswirksame Vereinbarung Der Gläubiger kann dem Schuldner nicht einseitig eine penalty clause auferlegen, die Verabredung muss stets in einem aus Angebot und Annahme bestehenden Vertrag erfolgen.236 Eine generelle Formvorgabe für den Abschluss eines Vertrags existiert im englischen Recht nicht.237 Gleichwohl besteht für bestimmte Arten von Verträgen ein durch Gesetz festgeschriebenes Schriftformerfordernis,238 beispielsweise für Verträge zur Übertragung von Grundstücken239 oder Geschäftsanteilen.240 Die Aufnahme einer penalty clause in ein Vertragswerk begründet für sich genommen keine besondere Formnotwendigkeit, allein maßgeblich bleibt die Art des Vertrags und dessen generelle Einordnung als formbedürftig oder nicht.241 Aufgrund des Gebots der Rechtssicherheit finden sich in der Praxis jedoch nahezu keine mündlich vereinbarten penalty clauses.242 Die Anforderungen der doctrine of consideration sind bei der Vereinbarung einer penalty clause gewahrt, wenn die Primärverpflichtung um einer Gegenleistung willen eingegangen wird.243 Die Zahlungspflicht aus der Klausel stellt nur eine alternative Erfüllungsvariante dar. Basierend auf dem sogenannten objective principle, vergleichbar mit dem verobjektivierten Empfängerhorizont im deutschen Recht, kommt es für den wirksamen Vertragsschluss nicht auf die tatsächliche Absicht der Parteien an, sondern darauf, wie deren Verhalten aus objektiver Sicht für den anderen Teil bzw. den Rechtsverkehr zu verstehen war:

236

Vgl. Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 2, Rn. 1 i.V.m. Rn. 38. Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 5, Rn. 1. 238 Elliot/Quinn, Contract Law, S. 83, siehe ebenda vertiefend zu den allgemeinen Formvorgaben für den Abschluss von Verträgen. 239 Gemäß § 2 Abs. 1 Law of Property (Miscellaneus Provisions) Act 1989. 240 Gemäß § 771 Abs. 1 Companies Act 2006 betrifft dies sämtliche Gesellschaften, die in England, Wales oder Nord Irland registriert sind; in erster Linie private limited companies. 241 Vgl. Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 5, Rn. 1 ff. 242 Vgl. Dalhuisen, Comparative Commercial Law, S. 44. 243 Siehe hierzu oben § 1, A. II. 237

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„The judicial task is not to discover the actual intentions of each party; it is to decide what each was reasonably to conclude from the attitude of the other.“244

Die vereinbarte Rechtsfolge muss nicht zwingend auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet sein, um die Einordnung als penalty clause nach sich zu ziehen. Ebenso umfasst sind sonstige Leistungspflichten, beispielsweise die Übertragung von Eigentum245 oder das Entfallen einer sonst fälligen Zahlungspflicht des Schuldners.246 2. Vertragsverletzung Zentrale Voraussetzung bei der Prüfung des Vorliegens von penalty clauses ist der breach of contract als Zahlungspflicht auslösenden Moment. Die Entscheidung Export Credits Guarantee Department v Universal Oil Products Co hat die Notwendigkeit einer Vertragsverletzung ausdrücklich festgelegt und eine bis dahin bestehende Unsicherheit beseitigt.247 Die Art der Vertragsverletzung ist unerheblich: Nichtleistung aufgrund Unmöglichkeit oder Unwillen ist ebenso umfasst wie Schlechtleistung oder Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten.248 Das Kriterium der Vertragsverletzung bietet den Parteien die Möglichkeit, durch geschickte Vertragsgestaltung der penalty doctrine zu entgehen. Eine Klausel kann nicht als unzulässige penalty clause klassifiziert werden, wenn die Zahlungspflicht den Eintritt einer bestimmten Bedingung, jedoch keine Vertragsverletzung voraussetzt.249 Das jeweilige Handlungs- oder Unterlassungsgebot kann anstatt als Vertragspflicht als Option ausgestalten werden; die Nichthandlung stellt sodann keine Zuwiderhandlung, sondern nur das Nichtgebrauchen einer Option dar.250 Die penalty doctrine findet ferner keine Anwendung bei acceleration clauses,251 weil dem Schuldner keine neue, höhere Zahlungspflicht auferlegt wird, die Gesamtbelastung aus dem Vertrag mithin nicht ansteigt.252 244 McCutcheon v David MacBrayne Ltd, WLR 1964, Vol. 1, 125 (128); Andrews, Contract Law, S. 78 f. Jobson v Johnson, WLR 1989, Vol. 1, 1026 (1042). Im konkreten Fall ging es um die Rückübertragung von Geschäftsanteilen. Lord Justice Dillion strich heraus, dass kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich sei, der eine Andersbehandlung gegenüber einer Geldzahlungspflicht rechtfertigt. 246 Gilbert-Ash (Northern) Ltd v Modern Engineering (Bristol) Ltd, AC 1974, 689. 247 Export Credits Guarantee Department v Universal Oil Products Co, WLR 1983, Vol. 1, 399 (402). 248 Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 99. 249 McKendrick, Contract Law, S. 911; Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 26, Rn. 184. 250 Bridge et al., Benjamins’s Sale of Goods, S. 985. 251 Acceleration clauses finden sich typischerweise beim Finanzierungsleasing und bewirken die sofortige Fälligkeit der gesamten Summe im Falle der Nichteinhaltung des Zahlungsplans durch den Schuldner. 252 McKendrick, Contract Law, S. 911; Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 26, Rn. 187.

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Damit verknüpft ist die paradoxe Rechtsfolge, den vertragswidrig handelnden Schuldner gegenüber dem nicht vertragswidrig agierenden Schuldner zu bevorteilen. Denn derjenige, der den Vertrag bricht und sich auf die penalty doctrine berufen kann, steht mit Blick auf die vertraglich vereinbarte Zahlungspflicht besser als ein Schuldner, der keinen Vertragsbruch begeht, sondern lediglich eine Option nicht nutzt und der unverhältnismäßigen Zahlungspflicht keine Einwendung entgegenhalten kann.253 Dieser Widerspruch kann auf zwei sehr unterschiedlichen Wegen aufgelöst werden: Möglich ist entweder eine Ausweitung der penalty doctrine auf Fälle, in denen die Zahlungspflicht durch die Nichterfüllung einer Option ausgelöst wird. Die Alternative ist die gänzliche Aufgabe des Durchsetzungsverbots von penalty clauses.254 Gegen die Ausweitung des Anwendungsbereichs der penalty doctrine spricht deren Ausnahmecharakter im Gesamtsystem des englischen Rechts, der in jüngeren Entscheidungen wiederholt betont wird.255 Eine gegenläufige Entwicklung erscheint daher unwahrscheinlich.256 3. Verschulden und Schaden Das englische Recht kennt beim vertraglichen Leistungsstörungsrechts das Erfordernis der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht. Es ist stattdessen durch eine garantieähnliche Haftung für die Erfüllung von Vertragspflichten gekennzeichnet.257 Diese garantiemäßige Haftung lässt Bemühungen des Schuldners, auf die Unver253

Entsprechend formulierte Lord Denning in Campbell Discount Ltd v Bridge, AC 1962, 600 (629): „Let no one mistake the injustice of this. It means that equity commits itself to this absurd paradox: it will grant relief to a man who breaks his contract but will penalise the man who keeps it.“ Lord Denning erkannte hier eine penalty clause in einer Vertragsabrede eines Leasingvertrags über ein Fahrzeug, welche bei vorzeitiger Vertragskündigung durch den Käufer eine Zahlungspflicht vorsah, die umso höher ausfiel, je geringer der Wertverlust des Fahrzeugs war. Dies könne keine genuine pre-estimate of damage sein, sondern solle den Käufer nur zum möglichst langen Behalten des Fahrzeugs bewegen, S. 616. 254 McKendrick, Contract Law, S. 912. 255 Export Credits Guarantee Department v Universal Oil Products Co, WLR 1983, Vol. 1, 399 (403); Alfred McAlpine Capital Projects Ltd v Tilebox Ltd, Const LJ 2005, Vol. 21, 539 (548); Euro London Appointments Ltd v Claessens International Ltd, EWCA Civ 2006, 385, official transcript, Rn. 16. 256 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des australischen High Courts in Andrews v Australia and New Zealand Banking Group Ltd, CLR 2012, Vol. 247, 205 ff. Die Rechtslage in Australien hinsichtlich penalty clauses entsprach bis zu diesem Urteil der nach englischem Recht. Nach der streitgegenständlichen Klausel wurde eine Zahlungspflicht ausgelöst durch einen Umstand, der keinen Vertragsbruch darstellt. Der High Court legte das Erfordernis des breach of contract dar, belegte aber unter Bezugnahme auf den Ursprung der Rechtsprechung, dass ein Durchsetzungsverbot ebenfalls für sonstige belastende Klauseln bestehen müsse, bei denen die Belastung durch die Nichteinhaltung einer sonstigen vertraglichen Vorgabe entsteht und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Vertragsbruch handelt. 257 Elliot/Quinn, Contract Law, S. 312. Dennoch liegt keine Vertragsverletzung vor, wenn ein externer, sachfremder Umstand die Verletzung bewirkt.

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meidbarkeit der Vertragsverletzung oder die fehlende Kausalität seiner Handlung zu verweisen, zur Makulatur verkommen. Ebenso wenig notwendig ist das Vorliegen eines Schadens beim Gläubiger infolge der Verletzung.258

B. Rechtsfolgen Anknüpfend an die dargestellten Voraussetzungen von Vertragsstrafe und penalty clauses schließt sich die Betrachtung der Rechtsfolgen in der jeweiligen Jurisdiktion an. I. Zahlungspflicht nach deutschem Recht Liegen alle notwendigen Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe vor, folgt aus § 339 S. 1 BGB die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung.259 Die Geldsumme ist in der Regel an den Gläubiger zu entrichten.260 § 342 BGB erweitert das Spektrum auf andere Arten der Leistung, hierunter fallen insbesondere Sachleistungen261, die Äußerung von negativen Kundgaben wie Verwarnungen oder öffentliche Kritik262, nicht aber der Verzicht auf eigene Rechte.263 Für die Parteien von Bedeutung sind mit Blick auf die Rechtsfolge vor allem zwei Aspekte: Zum einen das Verhältnis des Strafanspruchs zum ursprünglichen Erfüllungsverlangen und zum anderen das Verhältnis zu einem etwaig bestehenden Schadensersatzanspruch des Gläubigers. Beide Beziehungen sollen nachstehend dargestellt werden.

258

O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 426. Horschitz, NJW 1973, S. 1958 (1960) spricht vom „automatischen“ Anfallen des Anspruchs in dem Moment der Vertragsverletzung. 260 Die Zahlung an einen Dritten anstelle des Gläubigers ist möglich, wie sich aus den §§ 328, 362 Abs. 2 BGB ergibt, BGH, Urt. v. 10. 03. 1986 – II ZR 147/85, NJW-RR 1986, 1159. Diese Entscheidung betraf das Vertragsstrafeversprechen der Teilnehmer einer Gesellschafterversammlung zugunsten der Gesellschaft anlässlich der Verschwiegenheitsabrede über den Inhalt der Versammlung. 261 Der Entscheidung des RG, Urt. v. 12. 10. 1926 – II 6/26, SeuffA 81 [1927], 131 ff. lag etwa die Verpflichtung von Milchbauern zur Abgabe von 100 Pfund Butter im Falle einer Zuwiderhandlung zugrunde. 262 Weitnauer, in: FS für Reinhardt, S. 179 (182 f.). Die Aufzählung ist nicht abschließend, die Abgabe einer Willenserklärung ist ebenfalls umfasst. 263 BGH, Urt. v. 22. 05. 1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 759. Im Falle eines solchen Verzichts handelt es sich um Verfallklauseln, für welche jedoch die Vorschriften über die Vertragsstrafe entsprechende Anwendung finden. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 342, Rn. 1 befürwortet dagegen die analoge Anwendung der Vertragsstraferegelungen auf den Verzicht auf subjektive Rechte. 259

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1. Zahlung anstelle oder neben Erfüllungsverlangen Hinsichtlich des Verhältnisses zu den übrigen Gläubigerrechten erfolgt eine grundlegende Differenzierung auf Rechtsfolgenebene nach der Art der Verletzung: Nichtleistung (§ 340 BGB) oder nicht gehörige Leistung (§ 341 BGB). Bei der Nichterfüllung im Sinne von § 340 BGB handelt es sich um die Absicherung des Interesses an der Erfüllung der geschuldeten Leistung insgesamt.264 Dies bedeutet nichts anderes, als dass nach dem Parteiwillen dem Gläubiger nur entweder die Erfüllung oder aber die Vertragsstrafe zustehen soll.265 Hingegen umfasst § 341 BGB nicht das eigentliche Erfüllungsinteresse, sondern das außerhalb davon liegende Interesse, welches die Art und Weise der Erfüllung betrifft.266 Die nicht gehörige Erfüllung nach § 341 BGB lässt sich weiter untergliedern. Hierunter fällt etwa die Mangelfreiheit des Erfüllungsgegenstands, die Rechtzeitigkeit der Leistung – wie ausdrücklich in § 341 Abs. 1 BGB als Beispiel aufgeführt267 –, deren Erbringung am verabredeten Ort und dass keine sonstigen Rechtsgüter des Gläubigers in Mitleidenschaft gezogen werden.268 Gemäß § 340 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger eine Vertragsstrafe wegen Nichtleistung nur anstelle der Erfüllung verlangen.269 Sobald der Gläubiger dieses Verlangen der Zahlung der Strafsumme gegenüber dem Schuldner durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung geltend macht, begibt er sich gemäß § 340 Abs. 1 S. 2 BGB des Rechts auf das Erfüllungsverlangen.270 Bei diesem Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Strafe und Erfüllung handelt es sich um ein elektives Konkurrenzverhältnis, auf welches die Vorschriften der §§ 262 ff. BGB über die Wahlschuld nicht anwendbar sind.271 Der Schuldner kann deshalb nicht von sich aus auf die Vertragsstrafe verweisen und Erfüllung aus diesem Grund zurückhalten.272 Stattdessen obliegt es dem Gläubiger zwischen Erfüllung und Vertragsstrafe zu wählen; seine Wahl der Vertragsstrafe nach § 340 Abs. 1 S. 2 BGB ist 264 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 340, Rn. 11. In den Materialien zum BGB ist von der „gänzlichen Nichterfüllung“ die Rede, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 265 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 768. 266 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341 Rn. 1. 267 Der zeitlichen Komponente dürfte aber keine derart gewichtige Bedeutung beizumessen sein, dass eine Verzögerung als Scheitern der Vertragsbeziehung im Ganzen angesehen werden muss. 268 Lindacher, in: Soergel, BGB, § 342, Rn. 2. 269 Umstritten ist, ob dieses Kumulationsverbot per Individualvereinbarung umgangen werden kann, siehe hierzu: Schaub, in: Erman, BGB, § 340, Rn. 1. 270 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 341, Rn. 5. Umgekehrt kann er nach der Wahl der Erfüllung noch die Strafzahlung fordern, wenn keine entsprechende Leistung des Schuldners erfolgt, Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 776; Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 271 Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, § 44 Rn. 583; Schaub, in: Erman, BGB, § 340, Rn. 3. 272 Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 151.

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grundsätzlich bindend, es gibt kein ius variandi.273 Anders verhält es sich, wenn er weiterhin vom Schuldner die Erfüllung verlangt. Der Anspruch auf Vertragsstrafe kann in diesem Fall noch bis zur tatsächlichen Erfüllung geltend gemacht werden.274 Beim Strafversprechen wegen nicht gehöriger Erfüllung ist das Verhältnis zur vertraglich geschuldeten Verpflichtung anders ausgestaltet. § 341 Abs. 1 BGB gestattet das Nebeneinander von Straf- und Erfüllungsverlangen.275 Die Strafabrede sichert nicht das Interesse an der Vertragserfüllung, sondern soll den Gläubiger gegen die zu späte Erbringung oder die Erbringung in unzureichender Weise absichern. Es herrscht nicht selten ein Abgrenzungsbedarf zwischen Nichterfüllung und nicht gehöriger Erfüllung. Welches Interesse durch die Vertragsstrafe geschützt werden soll, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist das verobjektivierte Interesse des Gläubigers bezogen auf den Vertrag, ergo ob aus dessen Sicht trotz des Verstoßes noch eine Erfüllung eintreten kann.276 Zur Ermittlung des Interesses können auf eine Reihe von Gesichtspunkten herangezogen werden. Sollte Anknüpfungspunkt der Konventionalstrafe eine vertragsprägende Leistungspflicht sein, liegt die Anwendung von § 340 BGB nahe, anders bei der Anknüpfung an eine bloße Nebenpflicht.277 Die Höhe der Strafe ist ebenfalls ein wichtiges Indiz.278 Als Faustregel lässt sich festhalten: Je höher die festgelegte Zahlungspflicht ist, desto mehr spricht für die Anwendung des § 340 BGB.279 Ferner ist die konkrete Formulierung im Vertragstext zu Rate zu ziehen. Gemäß der Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs deutet die Formulierung im Vertrag „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ regelmäßig auf einen Fall nach § 341 BGB hin.280 Ein derartiger Vertragspassus legt nahe, dass die Parteien zumindest mit einem mehrfachen Verstoß rechnen, jedoch den Schuldner nicht nach dem ersten Verstoß von der Hauptverpflichtung befreien wollen, sondern diese unverändert bleiben soll. Für die Kautelarjurisprudenz empfiehlt sich eine nähere Befassung mit der Thematik, um spätere Zweideutigkeiten zu vermeiden. Gerade auf Ebene der Vertragsverhandlungen sollten sich beide Parteien, vorrangig der Gläubiger, darüber klar werden, ob es im Falle einer Vertragsverletzung bei der Strafzahlung als vollständigem Ausgleich bleiben oder ob weiterhin der Anspruch auf Erfüllung der Verpflichtung bestehen soll. Diese beschränkte Anwendbarkeit des Vorbehaltserfor-

273

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 340, Rn. 1. Schaub, in: Erman, BGB, § 340, Rn. 4. 275 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 341, Rn. 1. 276 Janoschek, in: BeckOK BGB, § 340, Rn. 1; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 340 Rn. 5. 277 Heß, Unternehmensverkäufe der Treuhandanstalt, S. 118. 278 RG, Urt. v. 26. 01. 1926 – I 152/25, RGZ 112, 361 (366 f.); Schaub, in: Erman, BGB, § 340 Rn. 1 f., § 341, Rn. 1; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 768. 279 Lindacher, in: Soergel, BGB, § 340, Rn. 3; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 340, Rn. 14. 280 BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (168) – Krankenwagen II. 274

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

dernisses nach § 341 Abs. 3 BGB zeigt außerdem die Bedeutung der Abgrenzung zwischen der Vertragsstrafe nach § 340 BGB und § 341 BGB. 2. Vertragsstrafe als Mindestschaden Das Verhältnis von Vertragsstrafe zu einem möglichen Schadensersatz wegen der entsprechenden Vertragsverletzung ist komplexer.281 Sollte dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung zustehen, kommt der Vertragsstrafe gemäß § 340 Abs. 2 S. 1 BGB bzw. § 340 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 341 Abs. 2 BGB die Rolle als Mindestbetrag zu. Wie § 340 Abs. 2 S. 2 BGB zu entnehmen ist, fungiert die Konventionalstrafe ausdrücklich nicht als Begrenzung des Schadens.282 Die Regelung in Absatz 2 zielt primär auf den Schutz des Schuldners ab. Es soll verhindert werden, dass der Gläubiger Schadensersatz in Höhe der Vertragsstrafe parallel zur eigentlichen Vertragsstrafe geltend macht und damit einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Pflichtverletzung in Form der doppelten Befriedigung erlangen kann. Der Schadensersatz kann daher parallel zur Vertragsstrafe nur geltend gemacht werden, soweit er die vertraglich festgelegte Strafsumme übersteigt.283 Zugleich dient die Regelung, als Mindestsumme, auch dem Gläubiger, weil dem Schuldner eine Unsicherheit über die schlussendliche Gesamthöhe des Schadens verbleibt, was wiederum der Erfüllungssicherung dient.284 Die vollends schuldnerfreundliche Alternative wäre eine Fixierung der Strafsumme als Höchstbetrag des möglichen Schadensersatzes gewesen – wie im Preußischen Allgemeinen Landrecht.285 Die Möglichkeit einer solchen Limitierung der Haftung durch die Vertragsstrafe besteht indes. Die Parteien müssen dafür §§ 340 281

Die nachfolgenden Ausführungen gelten nicht für sonstige Schadensersatzansprüche, welche ihren Anknüpfungspunkt in anderen Vertragsverletzungen haben. Diese können unbenommen vom Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs auf die Vertragsstrafe geltend gemacht werden, vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 07. 2002 – 5 U 238/00, BauR 2003, 259 (260). 282 Damit einher geht eine Abkehr vom Verständnis der Vertragsstrafe im Allgemeinen Preußischen Landrecht als abschließender Schadensersatz, siehe hierzu Detlev Fischer, Vertragsstrafe und Schadensersatzpauschalierung, S. 32. 283 Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (499 f.). Vereinzelt wird die Anrechnung der Vertragsstrafe auf den Schadensersatz als nicht interessengerecht kritisiert, siehe Derlin, MDR 2009, S. 597 (602). Falls beim Gläubiger ein Schaden vorliegt, sei das Strafversprechen zu entwerten, weil sich der Gläubiger dieses in voller Höhe als Mindestschaden von seinem Schadensersatzanspruch abziehen lassen muss. Ist ihm hingegen kein Schaden entstanden, findet keine Anrechnung statt, die Strafe ist vollständig zu entrichten. Dieser Kritik kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Die Nichtberücksichtigung eines fehlenden Schadens ist allein ein Zugeständnis an den Gläubiger und die Präventionsaufgabe der Konventionalstrafe. Wegen dieser Besserstellung des Gläubigers hinsichtlich eines Aspekts kann aber nicht sowohl das Bereicherungsverbot, als auch die Aufgabe der Schadenspauschalierung über Bord geworfen werden. 284 Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 285 Siehe bereits oben bei § 1, A. I. 3.

§ 3 Konträre Rechtsfolgen trotz ähnlichen Anwendungsbereichs

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Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB abbedingen286 und den Ausschluss eines weitergehenden Schadensersatzanspruches verabreden. Der Vertragsstrafe kommt dadurch eine weitere Aufgabe hinsichtlich der Haftungsbegrenzung zu.287 II. Durchsetzungsverbot nach englischem Recht Erkennt das Gericht auf Vorliegen einer penalty clause, kann der Gläubiger nicht die vereinbarte Summe für sich beanspruchen: Penalty clauses sind unenforceable – gerichtlich nicht durchsetzbar.288 Dies schließt die Geltendmachung als Gegenforderung zur Aufrechnung mit ein. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Klausel individualvertraglich ausgehandelt oder durch einen vorformulierten Vertragstext aufgenommen wurde.289 Die Parteien der Vereinbarungen sind ebenfalls ohne Relevanz. Das Durchsetzungsverbot gilt sowohl im b2c- als auch im b2b-Verhältnis. Dieses Durchsetzungshindernis einer Vertragsbestimmung ist eine Besonderheit im englischen Recht, weil dieses speziell den unternehmerischen Geschäftsverkehr sehr freiheitlich handhabt.290 Das Verbot ist außerdem eine Ausnahme vom englischen Rechtsprinzip, wonach Verträge in Übereinstimmung mit ihren Bestimmungen vollstreckbar sein sollen.291 In Robophone Facilities Ltd v Blank bewertete Lord Diplock das Durchsetzungsverbot in diesem Sinne: „[I]t seems to be suis generis“.292

In der Entscheidung Murray v Leisureplay plc formulierte Lord Arden zusammenfassend zur penalty doctrine wie folgt: „So far as pre-determined damages clauses are concerned, English contract law recognises that, if the parties agree that a party in breach of contract shall pay an unjustifiable amount in

286 Die Regelung kann durch die Parteien abbedungen und modifiziert werden, Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 340, Rn. 3. 287 Zur Kautelarjurisprudenz speziell im Bereich des Industrieanlagenbaus: Le Goff, Vertragsstrafe in Verträgen für Industrieanlagen, S. 143 f.; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 10; Wiemer, Die Bedeutung der Vertragsstrafe für Know-howVerträge, S. 134 f. Gleichwohl kann ipso iure nicht von einer haftungsbegrenzenden Funktion der Vertragsstrafe ausgegangen werden. Die Formulierung im Gesetz ist hierfür zu eindeutig, der gesetzliche Wille hinter der Vertragsstrafe steht einer solchen Funktionszuweisung sogar entgegen. Das Gesetz will dem Gläubiger mit der Vertragsstrafe einen weiteren Rechtsbehelf an die Hand geben, um gegen etwaige Leistungsstörungen gewappnet zu sein. Eine gleichzeitige, damit einhergehende Limitierung ist nicht gewollt. 288 Robophone Facilities Ltd v Blank, WLR 1996, Vol. 1, 1428 (1446); Alfred McAlpine Capital Projects Ltd v Tilebox Ltd, Const LJ 2005, Vol. 21, 539 (539); Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1374). 289 Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (172 f.; 177). 290 Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (172 f.). 291 Lal, CLJ 2009, S. 569 (569). 292 Robophone Facilities Ltd v Blank, WLR 1996, Vol. 1, 1428 (1428 f.).

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses the event of a breach of contract, their agreement is to that extent unenforceable. The reasons for this exception may be pragmatic rather [than] principled.“293

Dem Gläubiger bleibt es unbenommen, den Ausgleich seines durch die Vertragsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens anzustreben, indem er sich der hierfür vorgesehenen Möglichkeiten des common law bedient.294 Die tatsächliche Rechtsdurchsetzung kann freilich schwierig und aufwendig werden, insbesondere wenn der Gläubiger im Vertrauen auf die vertraglich geregelte Zahlungsverpflichtung keine ausreichend Dokumentation des Schadens erstellt hat.295 Die dogmatische Begründung dieses Ergebnisses ist umstritten, jedoch ohne praktische Relevanz, weil im Ergebnis die fehlende gerichtliche Durchsetzbarkeit des vertraglich vereinbarten Zahlungsanspruchs feststeht. Nach einer Ansicht wird die Klausel als gänzlich unwirksam angesehen.296 Der Gläubiger wird auf den gängigen Schadensausgleich nach den Grundsätzen des englischen Rechts verwiesen.297 Im Unterschied dazu sah das Court of Appeal in der Entscheidung Jobson v Johnson eine penalty clause als wirksam an, welche jedoch nur in der Höhe des tatsächlich angefallenen und nachweisbaren Schadens für durchsetzbar sei, d. h. staatlichen Rechtsschutz (einschließlich der Vollstreckung durch staatliche Instanzen) erlangen kann.298 Darüber hinaus ist strittig, ob die Höhe der penalty clause als Begrenzung des möglichen Schadensersatzanspruchs fungiert.299 Hierbei handelt es sich ebenso um ein rein akademisches Problem, da die verabredete Summe in der Praxis in aller Regel über dem tatsächlichen Schaden liegen wird. Liquidated damages unterliegen dagegen keinem vergleichbaren Durchsetzungshindernis, können also vor englischen Gerichten durchgesetzt und vollstreckt werden.300 Das Element der überhöhten Zahlungspflicht zur unverhältnismäßigen Druckausübung auf den Schuldner, welches bei penalty clauses das Durchsetzungsverbot begründet, ist bei liquidated damages als Versuch einer ernsthaften Schadensschätzung nicht gegeben.

293

Murray v Leisureplay plc, EWCA 2005, 963, Rn. 29. Exemplarisch: McGhee, Snell’s equity, S. 384. 295 Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (539). 296 Burrows, Casebook Contract, S. 449. 297 Nach Hadley v Boxendale, Ex, Vol. 9, 341 (354 f.) kann der Gläubiger der verletzten Vertragspflicht einen angemessenen Ausgleich für den zu erwartenden Geschehensablauf bei Vertragserfüllung beanspruchen. Näher zum Schadensersatzumfang im englischen Recht, siehe Bridge et al., Benjamins’s Sale of Goods, S. 981. 298 Jobson v Johnson, WLR 1989, Vol. 1, 1026 (1040 f.); zustimmend: Poole, Casebook on Contract Law, S. 443. 299 Siehe hierzu detailliert bei Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (83 f.). 300 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (89). 294

§ 3 Konträre Rechtsfolgen trotz ähnlichen Anwendungsbereichs

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C. Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung Die Untersuchung des Zustandekommens und der Rechtsfolgen von deutschen Vertragsstrafen und englischen penalty clauses zeugt von einer grundsätzlichen Similarität der Voraussetzungen und einer Grundverschiedenheit auf der Rechtsfolgenseite. Das Zustandekommen einer Vertragsstrafe setzt nach deutschem und englischem Recht eine wirksame Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Besondere Anforderungen an die Form der Abrede bestehen jeweils nicht. Das auslösende Moment für die Vertragsstrafe ist ebenfalls in beiden Rechtsordnungen identisch: Der Schuldner muss der mit der Strafabrede behafteten Verpflichtung entweder vollständig nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen sein. Während nach deutschem Recht die Vorwerfbarkeit der Vertragsverletzung von Nöten ist, genügt nach englischem Recht allein der breach of contract als objektive Verletzung des Pflichtenkanons. Eines Schadens als Folge der Pflichtverletzung bedarf es nach beiden Rechtsordnungen dagegen nicht. Das deutsche Recht zeichnet sich im Vergleich zum englischen Pendant durch einen stärker untergliederten Anforderungskatalog aus. Die Ursache hierfür bilden die umfassenden und differenzierten rechtlichen Regelungen in den §§ 339 ff. BGB. Das Vorbehaltserfordernis nach § 341 Abs. 3 BGB findet überhaupt kein Gegenstück im englischen Recht. Als Rechtsfolge zieht das Strafversprechen in der Regel eine Pflicht zur Geldzahlung nach sich, wobei eine andere Form der Leistungserbringung in beiden Rechtsordnungen der Einordnung als Vertragsstrafe nicht entgegensteht. Wenn die Verwirkung der Vertragsstrafe eine andere Art der Leistungspflicht nach sich zieht, ergibt sich daraus jeweils keine abweichende Behandlung der Vertragsstrafe. Im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfung muss der Richter der Leistungspflicht einen Geldwert beimessen. Während eine Zahlungspflicht nach der penalty clause mit gerichtlichen Zwangsmitteln nicht durchsetzbar ist, kann der Gläubiger nach deutschem Recht die Zahlung aus der Abrede beanspruchen. Es wird für die Bestimmung der konkreten Rechtsfolge zusätzlich danach unterschieden, ob die Strafabrede für den Fall der Nichtleistung (§ 340 BGB) oder der nicht gehörigen Leistung (§ 341 BGB) gedacht ist. Bei § 340 Abs. 1 BGB kommt es zu Wechselwirkungen zwischen Erfüllungsverlangen und dem Schadensersatzanspruch. So bleibt dem Gläubiger die Wahl zwischen Erfüllung und Strafanspruch. Im Falle der nicht gehörigen Leistung fungiert die Pönale als Untergrenze für den Schadensersatzanspruch.

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

§ 4 Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten Ausgehend von den Erläuterungen über den Hintergrund und die Funktionen erscheint das Verständnis des Rechtsinstituts der Vertragsstrafe nach deutschem und englischem Recht nunmehr klarer umrissen. Das Bild von der Vertragsstrafe soll im letzten Abschnitt des ersten Teils weiter an Schärfe gewinnen, wenn die Gemeinsamkeiten, aber vor allem die Unterschiede zu anderen, vergleichbaren Rechtsinstituten in der jeweiligen Rechtsordnung nachfolgend dargestellt werden.

A. Deutsches Recht Die Abgrenzung der Vertragsstrafe zu anderen Rechtsinstituten bzw. die Feststellung des Vorliegens einer Strafabrede ergibt sich mittels Auslegung des hinter der entsprechenden Klausel stehenden Parteiwillens.301 Die von den Parteien gewählte Bezeichnung bietet dabei keinen verlässlichen Aufschluss darüber, um welches Rechtsinstitut es sich tatsächlich handelt.302 Es gilt die allgemeine Auslegungsregel nach § 133 BGB und damit der Grundsatz falsa demonstratio non nocet. Die gewählte Begrifflichkeit ist hingegen im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen. Entscheidend für die Gewichtung des Wortlauts ist, wie umfangreich die juristische Vorbildung bzw. Beratung der Parteien war. Abhängig davon kann dem verwendeten Begriff ein hoher Stellenwert beigemessen oder im Falle von juristischen Laien die falsa demonstratio non nocet-Regel zur Anwendung gebracht werden.303 Bei der Auslegung des Parteiwillens kommt es maßgeblich auf die Funktion an, welche die Vertragspartner der Klausel zugedacht haben.304 Eine Vertragsstrafe ist anzunehmen, wenn die betreffende vertragliche Regelung über die Zahlungspflicht im Falle der Vertragsverletzung dazu dienen sollte, die vertragskonforme Erfüllung durch den Schuldner zu sichern und zugleich die Schadloshaltung des Gläubigers bei Vertragsbruch zu erleichtern. Die Bezeichnung einer Klausel beispielsweise als Schadenspauschalierung steht der Einordnung als Vertragsstrafe nicht entgegen, wenn die Auslegung des Parteiwillens ergibt, dass es den Beteiligten um die Druckausübung auf den Schuldner zur Erfüllungssicherung ging.305 Es ist selbst 301

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 35. Hinter anders anmutenden Bezeichnungen wie beispielsweise Abstandssumme, Reueprovision oder Aufwendungsersatz kann sich eine Vertragsstrafe verbergen, siehe Schaub, in: Erman, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 2. Die Auslegung hat mit Blick auf die angedachte Funktion der Klausel zu erfolgen. 303 OLG Düsseldorf, 16. 08. 2007 – 10 U 6/07, NJOZ 2008, 411 (413). 304 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 34 f.; vgl. bereits BGH, Urt. v. 23. 05. 1958 – VIII ZR 126/57, NJW 1958, 1483 (1483 f.). 305 BGH, Urt. v. 26. 05. 1999 – VIII ZR 102/98, DStR 1999, 1410 (1411). In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Vertrag wurde eine Konventionalstrafe zu Unrecht als Schadenspauschalierung bezeichnet. 302

§ 4 Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten

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unschädlich, wenn den Vertragsschließenden jegliches Bewusstsein fehlt, dass die von ihnen verabredete Leistungsverpflichtung des Schuldners unter den Begriff der Vertragsstrafe und damit deren Regelungsregime fällt.306 Die nachfolgende Darstellung des deutschen Rechts umfasst die Abgrenzung zu pauschaliertem Schadensersatz, Verfallklausel, Reugeld, Draufgabe und Vereinsstrafen. I. Pauschalierter Schadensersatz Für die Praxis von größter Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Konventionalstrafe und Schadensersatzpauschale, die beide die Funktion der Erleichterung der Schadloshaltung gemeinsam haben. In Anbetracht dessen wird zunächst das Rechtsinstitut der Schadenspauschale beleuchtet und hieran anknüpfend die Abgrenzung zur Vertragsstrafe thematisiert. 1. Zum Rechtsinstitut Der Begriff Schadenspauschalierung wurde erstmals in den sechziger Jahren von der untergerichtlichen Rechtsprechung verwendet.307 In der Folge hat die Rechtsfigur die Anerkennung als eigenes Rechtsinstitut bzw. Vereinbarung sui generis durch den Bundesgerichtshof erhalten.308 Mit Einführung des AGB-Gesetzes zum 1. April 1977 fand die Schadenspauschalierung Eingang in § 11 Nr. 5 AGBG, nunmehr findet sich die Regelung in § 309 Nr. 5 BGB.309 Das Rechtsinstitut des pauschalisierten Schadensersatzes dient der Erleichterung beim Schadensausgleich zwischen den Vertragspartnern.310 Hiermit einhergeht die Entlastung der Justiz im Hinblick auf die Ermittlung der Schadenshöhe im Prozess gemäß § 287 ZPO. Die nach der Abrede festgelegte Höhe des vom Schuldner zu leistenden Ersatzes richtet sich dabei an einem aus ex ante Sicht typischen Scha306

Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 11. LG Tübingen, Urt. v. 13. 12. 1963 – HO 85/63, NJW 1964, 1798 (1801); LG Wuppertal, Urt. v. 31. 03. 1966 – 7 S 192/65, NJW 1966, 1129 (1130 f.); LG Berlin, Urt. v. 25. 04. 1966 – 52 S 276/65, NJW 1966, 1818 (1819 f.). 308 BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 (89). Die Entscheidung befasste sich mit einer Klausel in einem Maklervertrag über ein Landwirtschaftsgrundstück, worin sich der Auftraggeber zur Zahlung des Maklerlohns verpflichtete, sollte er das Grundstück anderweitig unter Umgehung des Maklers verkaufen. Die Voraussetzung dieser Bestimmung trat ein, als der Grundstückseigentümer mittels eines anderen Maklers verkaufte. Der Bundesgerichtshof stellte fest, es könne sich bei der Klausel nur entweder um einen pauschalierten Schadensersatz oder eine Vertragsstrafe handeln. 309 Eine Reihe an Beispielen zur Verwendung in der Praxis findet sich bei Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 12. 310 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 761; Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor § 339, Rn. 21. 307

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

densfolgenverlauf aus.311 Sofern beim Gläubiger infolge der Vertragsverletzung tatsächlich ein Schaden entstanden ist, kann der Gläubiger den in der Pauschale verabredeten Betrag beanspruchen.312 Ein Nachweis des tatsächlichen Schadens ist nicht notwendig, die Pauschalierungsabrede ermöglicht vielmehr die vereinfachte Durchsetzung des ohnehin bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz.313 Gläubiger, wie Schuldner kann daran gelegen sein, mit Hilfe einer solchen Abrede die Schadensregulierung im Falle eines Verstoßes schnell und vor allem planbar erfolgen zu lassen, ohne dass es eines andauernden und mit erheblichen Kosten verbundenen gerichtlichen Verfahrens bedarf.314 Eine Schadenspauschalierung zeugt demnach von einem „Rationalisierungsstreben“315 der Beteiligten, mit dem eher zufälligen, wenngleich postiven Nebeneffekt der gerichtlichen Ressourcenschonung.316 2. Unterschiede zur Vertragsstrafe Im Zentrum der Abgrenzung von Schadenspauschale zur Vertragsstrafe steht die Funktion, die der Klausel von den Vereinbarenden zugedacht wurde. Es gilt hierbei zu ermitteln, ob mit der Abrede die vereinfachte Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruchs oder die Sicherung der Vertragserfüllung geregelt werden sollte.317 Diese Abgrenzung nach dem Sinn der Klausel stößt jedoch dann an Grenzen, wenn die Parteien beide Interessen verfolgen wollten, ohne dass diese sinnvoll getrennt werden können. Der Bundesgerichtshof präferiert in Zweifelsfällen die Einordnung als Vertragsstrafe, da die Möglichkeit der Anwendung des Herabsetzungsrechts nach § 343 BGB die interessengerechtere Handhabung der Parteiinteressen eröffne.318 311 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 34; van Betteray/ Gass, BB 2004, S. 2309 (2312). 312 Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (498). 313 BGH, Urt. v. 08. 10. 1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32). 314 Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 13. Gerade bei großvolumigen, grenzüberschreitenden Wirtschaftsverträgen sind in der Regel besondere Rechtfertigungsgründe für eine weite Fassung der Schadensschätzung vorhanden. In diesen Fällen gestaltet sich die rasche Schadensermittlung als problematisch, weshalb die Kostenminimierung durch eine vorwegnehmende Pauschalierung in beiderseitigem Interesse liegt. 315 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 34. 316 Dieses Entfallen der Nachweispflicht hinsichtlich des konkret angefallenen Schadens kann außerdem für den Gläubiger von Vorteil sein, wenn er dem Schuldner nicht im Detail seine Geschäftsinterna offenbaren möchte, vgl. Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (499). 317 BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 (89); BGH, Urt. v. 08. 10. 1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32). Der Wortlaut der Klausel ist unter Anwendung der falsa demonstratio non nocet-Regel für die Differenzierung dagegen wenig aufschlussreich, wie bereits einleitend in diesem Unterabschnitt erläutert wurde. 318 BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 (89). Das Risiko für den Schuldner sei bei der Annahme einer Vertragsstrafe geringer. Daher könne eine Pauschalierung

§ 4 Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten

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Für die im Einzelfall zu erfolgende Abgrenzung haben Rechtsprechung und Schrifttum eine Reihe von Kriterien als Entscheidungshilfe herausgearbeitet. Der erste Aspekt betrifft die Abhängigkeit der Zahlungspflicht vom Vorliegen eines tatsächlichen Schadens. Ist nach dem Parteiwillen die Zahlungspflicht vom Eintritt eines Schadens losgelöst, stellt diese Entkoppelung ein Indiz für das Bestehen einer Konventionalstrafe dar.319 Denn die Vertragsstrafe stellt einen eigenen Anspruch dar, der neben den eigentlichen Erfüllungsanspruch tritt und nicht das Vorliegen eines Schadens voraussetzt. Die Schadenspauschalierung hingegen bedarf des Eintritts eines Schadens und muss sich am zu erwartenden Schaden orientieren.320 Die Vertragsstrafe kann wiederum über den zu erwartenden Schaden hinausgehen, ohne sich augenblicklich dem Vorwurf einer Überhöhung ausgesetzt zu sehen. Damit ist zugleich der zweite, wichtige Aspekt benannt: Die Höhe der Zahlungspflicht. Diese bildet ein entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung. Eine stattliche Summe deutet nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf eine Konventionalstrafe.321 Hintergrund dieser Auffassung ist die Anwendbarkeit des Behelfs nach § 343 BGB. Die relevante Vergleichsgröße bildet der durchschnittlich zu erwartende Schaden.322 Ein Strafversprechen wird diesen Schaden in der Regel deutlich übersteigen, eben weil der Gläubiger ein Druckmittel erhalten möchte.323 Schließlich ist bei der Abgrenzung zu berücksichtigen, ob dem Schuldner die Möglichkeit offensteht, die Höhe des eingeforderten Betrags zu bestreiten und darzulegen, dass der tatsächliche Schaden geringer ist. In diesem Fall handelt es sich um eine Schadenspauschalierung.324 Die aufgezeigte Abgrenzung klingt in der Theorie klar und erscheint überzeugend. Doch schon bei dem erstgenannten Kriterium, der Unterscheidung nach der Willensrichtung der Parteien hinsichtlich der Funktion, erheben sich im Schrifttum kritische Stimmen. Mit dem Ansatz sei „[nicht] viel gewonnen“, beanstandet Beuthien, übe doch der pauschalierte Schadensersatz auf den Schuldner ebenfalls einen nur in Fällen angenommen werden, wenn augenscheinlich die Regelung eines Schadensersatzanspruchs von den Parteien beabsichtigt war. 319 Im Fall des BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 (89) war die Klausel ausdrücklich dergestalt formuliert, dass die Maklerprovision unabhängig von einem etwaigen Schaden beim Makler zu entrichten war. 320 Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (498). 321 In der Entscheidung des BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 ff. sprach die beträchtliche Höhe von 6 % des Kaufpreises für die Einordnung als Vertragsstrafe. Dieser Umfang sei für eine Schadenspauschale zu drückend. 322 Zustimmend Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 35. 323 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 384; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, § 44 Rn. 577. Wobei es Ausnahmen geben kann und das Kriterium der Höhe widerlegbar ist, siehe Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 59; a.A. Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (511 f. und 516); Berger, RIW 1999, S. 401 (405 f.). 324 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. zu § 339, Rn. 34; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 762; Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 23.

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

gewissen Druck zur ordnungsgemäßen Erfüllung aus.325 Diese Schwierigkeiten vermögen jedoch nicht den vom Bundesgerichtshof vorgezeichneten Weg tiefgreifend erschüttern. Naturgemäß ist die Erforschung des Parteiwillens mit Unwägbarkeiten verbunden und nur bis zu einem gewissen Grad möglich, insbesondere wenn der Wille nicht hinreichend erkennbar nach außen manifestiert wurde. Dennoch bietet die Fokussierung auf die Funktionen von Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung eine grundsätzlich tragfähige Abgrenzungsmethodik. Dass die Schadenspauschale ab einem gewissen Umfang eine Druckwirkung auf den Schuldner haben kann, mag stimmen. Es ändert aber wenig an der seitens der Beteiligten intendierten Prägung der Klausel, ob diese also primär der Erfüllungssicherung dienen soll, ferner als Vertragsstrafe anzusehen ist oder ob die Erfüllungssicherung nur eine Nebenwirkung der beabsichtigen Schadloshaltung ist und die Klausel demnach als Schadenspauschalierung gilt. Aufgrund der aufgezeigten Divergenz zwischen den beiden Rechtsinstituten können die Vorschriften über die Vertragsstrafe, allen voran das richterliche Herabsetzungsrecht, nicht auf die Schadenspauschale angewendet werden – weder direkt noch analog.326 Damit verbleibt für Schadenspauschalierungen die Kontrolle über §§ 138, 242 BGB und §§ 305 ff. BGB, die den Schuldnerschutz aber ebenso effektiv gewährleisten und dabei eine Begrenzung der zu zahlenden Summe auch außerhalb des Verfahrens nach § 343 BGB ermöglichen.327

325

(101).

Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (497). So außerdem Bodis, TranspR 2014, S. 98

326 So die herrschende Meinung, siehe BGH, Urt. v. 08. 10. 1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32); Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 139; Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (497, 501 f.); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 384. Speziell für § 343 BGB gilt diese Überlegung, weil Vertragsstrafen nicht auf den Ausgleich eines erlittenen Schadens ausgelegt sind, mithin bei deren Kontrolle andere Maßstäbe gelten als bei Schadenspauschalierung. Eine Reduktion mittels § 343 BGB liegt damit nicht vollends im Interesse des Schuldners, da auf diese Weise eine Reduktion auf einen Betrag erfolgen würde, welcher noch über dem eigentlichen Schaden liegt, so überzeugend Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 384; Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (502). Einen anderen Ansatz vertritt Bötticher, ZfA 1970, S. 3 (35; 37), der speziell die direkte oder analoge Anwendung von § 343 BGB befürwortet, um dem Schuldner durch die Herabsatzung überhöhter Pauschalen Schutz zu gewähren. 327 Schadenspauschalierungen sind zu Recht strengeren Anforderungen unterworfen, weil sie entweder dem zu erwartenden Schaden entsprechen, somit zulässig sind, oder aber diesen offensichtlich übersteigen und sodann nach § 138 Abs. 1 BGB unzulässig sind, so Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (504). Sollten sie sich nachträglich als überhöht bzw. unzulässig herausstellen, liegt es am Gläubiger, den tatsächlich eingetretenen Schaden darzulegen und nachzuweisen. Es gilt das normale gesetzliche Schadensrecht.

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II. Verfallklausel Ein weiteres mit Vertragsstrafen verwandtes Rechtsgebilde sind Verfallklauseln.328 Verfallklauseln bewirken die Entziehung bzw. Kürzung von Vermögenspositionen oder subjektiven Rechten des Schuldners,329 wenn dieser seine vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht gehörig erfüllt.330 Verfallklausel und Konventionalstrafe sind auf Tatbestandsseite gleichartig. Der Unterschied zwischen beiden Instituten liegt auf der Rechtsfolgenseite. Während das Strafversprechen ein aufschiebend bedingtes Leistungsversprechen darstellt, handelt es sich bei der Verfallklausel um einen aufschiebend bedingten Verzicht. Hinsichtlich der Funktionen der Verfallklausel kann sogar eine Übereinstimmung mit der Bifunktionalität der Vertragsstrafe vorliegen, zwingend ist dies nicht.331 Aus Sicht des Schuldners ist die aufgezeigte Differenzierung zwischen Konventionalstrafe und Verfallklausel von weitaus geringerer Relevanz, da der rechtstechnische Unterschied auf Rechtsfolgenseite faktisch keinen finanziellen Unterschied mit sich bringt.332 Ganz gleich, ob er eine zusätzliche Leistung erbringen muss oder ihm ein subjektives Recht entzogen wird: sein Vermögen erfährt eine substantielle Minderung. Dies gilt zumindest, wenn es um den Entzug einer bereits vorhandenen Rechtsposition geht.333 Deshalb und wegen der sonstigen Über328 Diese werden teilweise auch als Verwirkungsklauseln bezeichnet, angelehnt an § 354 BGB zu Verwirkungsklauseln. 329 Es kann entweder ein gänzlicher oder aber ein partieller Verfall drohen. Der erstgenannte Fall des vollständigen Rechtsverlusts hat jedoch nur eine äußerst geringe Bedeutung in der Praxis, siehe Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 20. Gleichwohl enthält das Gesetz speziell für diese Gestaltungvariante in § 354 BGB eine Auslegungsregelung, wonach eine solche Vereinbarung lediglich ein Rücktrittsrecht für den Gläubiger beinhalten soll. Weitaus häufiger tritt die zweite Fallkonstellation in der Praxis in Erscheinung, konkret in Form des aufschiebend bedingten Teil-Erlasses nach § 397 BGB auf die dem Schuldner zustehende Forderung. 330 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 339, Rn. 7. Diese Unterscheidung anhand des Elements des Versprechens einer Leistung ergibt sich bereits aus den Motiven zur Gesetzgebung der Konventionalstrafe, siehe: Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 153. 331 Vgl. Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 1, 4. 332 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 17; vgl. Wiemer, Vertragsstrafe in Knowhow-Verträgen, S. 137. Den Unterschied zwischen Konventionalstrafe und Verfallklausel kann oftmals nur eine Nuance in der Formulierung ausmachen. Zu denken ist etwa an eine Klausel im Werkvertrag über die Errichtung eines Gebäudes, wonach pro Verzugstag bei der Fertigstellung eine Strafzahlung anfällt. Ohne Weiteres lässt sich diese Klausel in der Form ausgestalten, dass der zu entrichtende Werklohn entsprechend gekürzt wird – was zum Vorliegen einer Verfallklausel führt. 333 Anders zu beurteilen sind Verfallabreden, welche den Verfall von noch nicht existenten Rechten regeln. Der Verzicht auf ein zukünftiges Recht erfolgt typischerweise beim Abschluss von Vergleichen. Diese können etwa vorsehen, dass der durch den Schuldner zu zahlende Betrag unterhalb der offenen Verbindlichkeit liegt, wenn dieser sämtliche Zahlungsfristen einhält. Dem Schuldner wird also im Falle des Verzuges kein Recht genommen, sondern nur eine weitere Option eingeräumt. Daher finden die Normen des Rechts der Vertragsstrafe keine

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schneidungen, insbesondere die Funktion der Klausel betreffend, ist es überzeugend, die Vorschriften der §§ 339 ff. BGB über das Strafversprechen für Verfallklauseln entsprechend zur Anwendung zu bringen.334 III. Reugeld Das Reugeld, geregelt in der Auslegungsregel des § 353 BGB, ermöglicht einer Vertragspartei sich auf eine vertragskonforme Art und Weise von der Vereinbarung und den damit einhergehenden Verpflichtungen zu lösen.335 Die Zahlungspflicht soll den Schuldner dabei lediglich von allzu leichtfertigen Entscheidungen über den Rücktritt abhalten.336 Damit erschließen sich zugleich die grundlegenden konzeptionellen Unterschiede zwischen Konventionalstrafe und Reugeld. Anders als die Vertragsstrafe, welche die Vertragserfüllung absichern soll, ermöglicht das Reugeld die rechtmäßige Ausübung des Rücktritts durch Zahlung des Geldbetrags.337 In Abgrenzung zur Vertragsstrafe offeriert das Reugeld dem Schuldner eine weitere Möglichkeit zu agieren – sie dient damit vorrangig seinen Interessen.338 Ferner erlischt der Erfüllungsanspruch mit

Anwendung, BGH, Urt. v. 14. 10. 2009 – VIII ZR 272/08, NJW 2010, 859 (860); OLG München, Urt. v. 14. 01. 1998 – 3 U 3479/97, NJW-RR 1998, 1663 (1664). 334 Siehe BGH, Urt. v. 27. 06. 1960 – VII ZR 101/59, NJW 1960, 1568 (1568), der in dieser Entscheidung ausdrücklich auf die Nähe zwischen beiden Rechtsinstituten im Hinblick auf Inhalt und Zweck Bezug nimmt; BGH, Urt. v. 22. 05. 1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625 (1625); BGH, Urt. v. 08. 10. 1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243 (246). Erstmals höchstrichterlich entschieden wurde die Anwendbarkeit bereits im Jahr 1908 durch das RG, Urt. v. 28. 02. 1908 – II 472/07, RGZ 68, 41 (42). Der streitgegenständliche Liefervertrag über Steine enthielt eine Bestimmung, wonach der Lieferant dem Besteller bei Verzögerungen einen Nachlass von 500 Mark zu gewähren verpflichtet war. Ausgangspunkt für die entsprechende Anwendung der Vertragsstrafevorschriften war § 342 BGB, welcher die Rechtsfolge des Strafversprechens nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags begrenzt, sondern sie für sonstige Leistungen öffnet. Zustimmend: Schaub, in: Erman, BGB, Vor. zu §§ 339 ff., Rn. 6. Daneben wird von einer starken Strömung im Schrifttum die direkte Anwendung bevorzugt, siehe Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 199; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor. zu §§ 339 ff., Rn. 36. Auswirkungen hat diese Unterscheidung zwischen direkter oder entsprechender Anwendbarkeit freilich keine. 335 Hess, Vertragsstrafe, S. 38 f.; Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 353, Rn. 1. Die Zahlung des Reugeldes ist eine Gegenleistung und keine Leistung zum Ausgleich eines Schadens bzw. einer Pflichtverletzung. 336 Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 17. 337 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 43; Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 13; Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 19 formuliert deshalb verkürzt: Die Vertragsstrafe stärkt die Hauptschuld, das Reugeld schwächt diese ab. 338 Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 19.

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Zahlung des Reugeldes durch den Schuldner, während die Vertragsstrafe insgesamt (§ 341 BGB) oder als Option (§ 340 BGB) für den Gläubiger hinzutritt.339 Die Abgrenzung kann trotz der klaren rechtlichen Unterschiede im Einzelfall schwierig sein. Ein geläufiges Indiz ist die Höhe der Zahlungsverpflichtung bei Vertragsbruch. Ein Reugeld ist tendenziell bei geringen Beträgen anzunehmen, insbesondere wenn die Summe unterhalb des Hauptleistungsinteresses des Gläubigers bleibt.340 Wie schon bei der Schadenspauschalierung angesprochen, neigt die Rechtsprechung dazu, bei Zweifelsfällen in den Parteiabreden ein Strafversprechen zu sehen, um das richterliche und objektive Ermäßigungsrecht nach § 343 BGB zur Anwendung bringen zu können.341 Im Übrigen aber verbleibt es auch beim Reugeld bei den sonstigen Kontrollmöglichkeiten, die die Rechtsprechung praeter legem angenommen hat.

IV. Draufgabe Die Draufgabe nach §§ 336 – 338 BGB meint die Leistung eines verhältnismäßig geringen Betrags im Anschluss an den Vertragsschluss. Das Ziel der Draufgabe ist der Nachweis des Vertragsschlusses. Die Draufgabe schafft die widerlegbare Vermutung nach § 292 ZPO hinsichtlich des Abschlusses der Vereinbarung.342 In der heutigen Rechtspraxis ist die Draufgabe kaum noch gebräuchlich.343 Es fehlt an der Notwendigkeit für eine derartige Form der Vertragsbestätigung. Bezüglich der als Draufgabe geleisteten Zahlung ist zu differenzieren. Im Falle der späteren Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht wird die Draufgabe gemäß § 337 Abs. 1 BGB hierauf angerechnet bzw. bei Unmöglichkeit der Anrechnung an den Schuldner zurückgegeben. Die Draufgabe ist in dieser Konstellation keine zusätzliche Leistung. Im Unterschied zur Anzahlung, welche die teilweise Erfüllung der Hauptverbindlichkeit selbst darstellt, ist die Draufgabe eine Zahlung auf eigene Schuld, die auf die geschuldete Hauptleistung angerechnet wird.344 Im Falle der Nichterfüllung und der späteren Vertragsaufhebung ist die Draufgabe gemäß § 337 Abs. 2 BGB zurückzugeben, außer die Tatbestandsvoraussetzung des 339 Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 16. Aufgrund dieser erkennbar deutlichen Unterschiede wurde davon abgesehen, im BGB eine Bestimmung aufzunehmen, wonach eine Vertragsstrafe im Zweifel nicht als Reugeld anzusehen ist, Mugdan, Materialien zum BGB – Motive, S. 154. 340 Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 17. 341 BGH, Urt. v. 01. 07. 1970 – IV ZR 1178/68, NJW 1970, 1915 (1915 f.). Der Bundesgerichtshof spricht von einer an Treu und Glauben ausgerichteten Auslegung. Dies liegt aber in einer Linie mit der Grundsatzentscheidung BGH, Urt. v. 06. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84 ff. 342 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 336, Rn. 1. 343 Schulze, in: Handkommentar BGB, § 336, Rn. 1. 344 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 336, Rn. 7.

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§ 338 BGB hat sich erfüllt, wonach der Schuldner die Nichtdurchführung des Vertrages zu verantworten hat. Gemäß § 336 Abs. 2 BGB gilt die Draufgabe im Zweifel nicht als Reugeld, d. h. sie soll dem Schuldner nicht die Loslösungsmöglichkeit vom Vertrag geben. Der Umfang der Draufgabe ist im Verhältnis zur vertraglichen Primärleistung gering. Ein hoher Betrag wäre als Vertragsstrafe zu verstehen, dergestalt dass der Vertragspartner eines Vorvertrags den ursprünglich zugesagten Vertrag später nicht abschließt345 und so das Vertrauen seines Gegenübers enttäuscht. Die Draufgabe übernimmt jedoch dann die Funktion einer Vertragsstrafe, wenn die Leistung des Draufgabegebers wegen eines von ihm zu vertretenden Umstandes unmöglich wird.346 V. Vereins- und Verbandsstrafen Die Voraussetzungen für die Qualifizierung als Vertragsstrafe erfüllen Vereinsstrafen nicht. Vereinsstrafen folgen als eigenständiges gesellschaftsrechtliches Phänomen aus der Satzung des Vereins, welcher sich die Mitglieder freiwillig unterwerfen, daher fehlt es am Merkmal des Vertragsschlusses für das Zustandekommen.347 Vereinsstrafen verfolgen außerdem eine gänzlich andere Zielrichtung als die Vertragsstrafe. Die Vereinsstrafe bezweckt in erster Linie durch Gruppendisziplinierung die Vereinssatzung aufrechtzuerhalten – mittels Sühne, Erziehung und Abschreckung der übrigen Mitglieder.348 Ähnliches trifft für die aus dem Arbeitsrecht stammende Betriebsstrafe zu. Diese hat ebenfalls eine andere Ausrichtung als die Vertragsstrafe. Die Betriebsstrafe soll als Disziplinarmaßnahme die Ordnung und Sicherheit des Betriebes aufrechterhalten, ebenso die Arbeitsmoral.349 Es ist nicht das Ziel, den einzelnen Schuldner zur vertragsgemäßen Erbringung einer Leistungspflicht anzuhalten, sondern die Ordnung im Betrieb insgesamt zu gewährleisten.

B. Englisches Recht Im englischen Recht kommt der Abgrenzung zu vergleichbaren Rechtsgebilden aufgrund des Durchsetzungsverbots von penalty clauses eine überaus gewichtige 345

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 336, Rn. 7. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 338, Rn. 1. 347 BGH, Urt. v. 04. 10. 1956 – II ZR 121/55, BGHZ 21, 370 (372 f.). Der Entscheidung zugrunde lag eine Vereinigung von Spediteuren, welche ein als „Reuegeld“ bezeichnete Zahlungspflicht vorsah für den Fall, wenn gegen festgelegte Preissätze verstoßen wurde; Lindacher, S. 16; Gronemann, S. 26; Schaub, in: Erman, BGB, Vor. § 339, Rn. 13. 348 Beuthien, BB 1968, Beilage zu Heft 33, S. 1 (6); Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 44; Gernhuber, S. 761. 349 Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 30, Rn. 3; Gernhuber, S. 671. 346

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Bedeutung zu. Dies gilt vordringlich für die Abgrenzung zu den liquidated damages, außerdem für die forfeiture clauses und deposits. Zentrales Kriterium für die Unterscheidungsfindung ist auch hier die Funktion, welche die Vertragspartner bei Abschluss der Klausel zugedacht haben.350 Die in der Vereinbarung gewählte Begrifflichkeit wird zwar vom Gericht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, der Bezeichnung ist aber kein entscheidendes Gewicht beizumessen.351 Der Wortlaut hat bei der Auslegung der Erklärung eine umso größere Bedeutung, je höher die Geschäftsgewandtheit der Beteiligten ist, ohne aber das Auslegungsergebnis zu bestimmen. Im Unterschied zum deutschen Recht ist diese fehlende Bindung des Gerichts für die Betroffenen gravierend. Sie können sich nicht sicher sein, dass die zwischen ihnen vereinbarte Klausel nicht doch als penalty clause und damit als nicht vollstreckbar erachtet wird.352 Für die Parteien hat dies eine gesteigerte Rechtsunsicherheit zur Folge. I. Liquidated damages Im 18. und 19. Jahrhundert erging eine Reihe von Urteilen zur Unterscheidung zwischen penalty clauses und liquidated damages, allerdings ohne dass sich eine einheitliche Linie herausbildete.353 Den Wendepunkt bildet die Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd aus dem Jahr 1914354, in der Lord Dunedin erstmals vereinheitlichend wesentliche Prinzipien für die Unterscheidung formulierte.355 Der Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd zugrunde lag ein Kaufvertrag aus Oktober 1910 im b2b-Sektor über Autoreifen 350 Lord Dunlop in Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (86) formulierte: „Though the parties to a contract who use the words ,penalty‘ or ,liquidated damages‘ may prima facie be supposed to mean what they say, yet the expression is not conclusive. The court must find out whether the payment stipulated is in truth a penalty or liquidated damages.“ Dies wurde bereits zuvor in Kemble v Farren, Bing. 1829 Vol. 6, 141 ff. entschieden, wo im Rahmen eines Vertrags zwischen Theater und Künstler eine Klausel für jeglichen Vertragsbruch einer der beiden Seiten eine als liquidated damages bezeichneten Zahlungspflicht von 1000 Pfund vorsah, ohne jedoch in irgendeiner Form nach Schwere der Vielzahl an möglichen Verstößen zu differenzieren. Folgerichtig wurde die Klausel als penalty clause angesehen. Das Schrifttum stimmt dieser Sichtweise zu, siehe exemplarisch McKendrick, Contract Law, S. 908; Poole, Casebook on Contract Law, S. 445. 351 McGregor, McGregor on Damages, S. 500. 352 Berger, RIW 2016, S. 321 (324). 353 Ausführlicher zu den einzelnen Fällen in McGregor, McGregor on Damages, S. 484 ff. sowie Eggleston, Liquidated Damages, S. 80 f.; McKendrick, Contract Law, S. 907. 354 Das Urteil erging am 1. Juli 1914 und wurde Anfang 1915 veröffentlicht. Der Beginn des Ersten Weltkrieges folgte zwar unmittelbar nach Erlass des Urteils, ein Zusammenhang zwischen Rohstoffbewirtschaftung im Weltkrieg und der Entscheidung ist jedoch nicht erkennbar. Entsprechende Hinweise finden sich weder im Urteilstext noch im Schrifttum. 355 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 ff.

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zwischen Dunlop, einem Hersteller von Reifen, und New Garage & Motor, einem Händler für Automobilteile. Vor dem Hintergrund des von New Garage & Motor anvisierten Weiterverkaufs der Reifen enthielt der Kaufvertrag im Interesse von Dunlop entsprechende Beschränkungen, vor allem hinsichtlich der Einhaltung des Listenpreises beim Weiterverkauf. Für den Fall der Zuwiderhandlung durch New Garage & Motor war eine Zahlungspflicht von fünf Pfund für jeden abredewidrig weiterverkauften Reifen vorgesehen. Der Preis eines Reifens lag bei rund vier Pfund.356 Das House of Lords sah diese Regelung als liquidated damages an, maßgeblich deshalb, weil es nahezu unmöglich war, den genauen Schaden vorherzusagen, den Dunlop infolge einer Umgehung der Listenpreise erleiden würde. Ein nachvollziehbarer Anlass für die Verabredung der Klausel war demnach vorhanden. Die verabredete Summe von fünf Pfund erschien dem Gericht vor dem Hintergrund des Risikos der dauerhaften Verwässerung der Preispolitik nicht exzessiv.357 Hinsichtlich der allgemeinen Abgrenzungsproblematik urteilte Lord Dunedin, dass alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls in die Betrachtung der Abgrenzung einzubeziehen seien.358 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Klausel sei der Moment des Vertragsabschlusses.359 Dies bietet den Vertragsparteien zumindest eine gewisse Sicherheit, weil nachträglich eintretende Umstände nicht zu ihren Lasten durch das Gericht gewertet werden können. Neben diesen generellen Parametern definierte Lord Dunedin außerdem den Kern bzw. die Funktion der beiden Rechtsinstitute wie folgt: „The essence of a penalty is a payment of money stipulated as in terrorem of the offending party; the essence of liquidated damages is a genuine pre-estimate of damage.“360

Während der Gläubiger die penalty clause nutzt, um den Schuldner zur Vertragserfüllung zu zwingen, handelt es sich hiernach bei liquidated damages um die ernsthafte Bemühung einer Prognose des Schadens361 für den Fall einer Pflicht356

Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (80). Unmittelbar nach dem Dunlop-Urteil erging die Entscheidung Ford Motor Co v Armstrong, TLR 1915, Vol. 31, 267 ff., welche ebenfalls eine Zahlungsverpflichtung infolge der Nichteinhaltung von Listenpreisen des Herstellers betraf. In dem Urteil wurden die zuvor aufgestellten Kriterien aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd unverändert zur Anwendung gebracht. Die vereinbarten 250 Pfund pro Verletzungshandlung wurden allerdings als penalty clause angesehen, weil der Betrag zu hoch sei und demnach willkürlich und in terrorem wirke. 358 „The question whether a sum stipulated is penalty or liquidated damages is a question of construction to be decided upon terms and inherent circumstances of each particular contract, judged of as at the time of making the contract, not as at the time of the breach.“ Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (86). 359 Der Moment der Pflichtverletzung ist hingegen nicht von Relevanz, so bereits Public Works Commissioner v Hills, AC 1906, 368 (376) und Webster v Bosanquet, AC 1912, 394 (398). 360 Kemble v Farren, Bing. Vol. 6, 141 (148). 361 Bei der Beurteilung des Vorliegens einer genuine pre-estimate ist nicht die Sicht der Parteien maßgeblich, sondern ein objektivierter Maßstab – wenngleich die Überlegungen der 357

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verletzung.362 Diese Charakterisierungen anhand der Funktionszuweisung bilden die Grundlage für die Unterscheidung. Bei liquidated damages tragen beide Parteien in Folge der gewissenhaften Schätzung einen Teil des Schadensentwicklungsrisikos. Abweichungen beim Schadensumfang können sich gleichfalls zugunsten des Schuldners niederschlagen.363 Dies ist Ausdruck des Wesens der liquidated damages clauses als Lösung des Problems der unsicheren Schadenshöhe: „We see nothing illegal or unreasonable in the parties, by their mutual agreement, settling the amount of damages, uncertain in their nature, at any sum upon they may agree. In many cases, such an agreement fixes that which is almost impossible to be accurately ascertained; and in all cases, it saves the expense and difficulty of bringing witnesses to that point.“364

Die Funktion von penalty clauses wurde bereits eingehend dargestellt,365 weshalb an dieser Stelle die Befassung mit dem Aufgabenfeld der liquidated damages genügen soll. Deren Aufgabe liegt vorranging in der Prognose des Schadens und der Erleichterung der Schadloshaltung, indem sie dem Gläubiger die Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises des tatsächlichen Schadens nehmen.366 Die Besonderheit liegt in der Endgültigkeit des verabredeten Betrags – die Geltendmachung eines gesonderten Schadensersatzanspruchs nach den Regeln des common law ist für den spezifischen Fall der Zuwiderhandlung ausgeschlossen,367 ebenso die Anpassung an einen tatsächlich geringfügigeren oder sogar fehlenden Schaden.368 Das englische Recht kennt insbesondere keine Möglichkeit der Vertragsanpassung im Falle einer Änderung oder Verkennung der Vertragsumstände. Die doctrine of frustration als Ausprägung des clausula rebus sic stantibusGrundsatzes erlaubt nur in engen Ausnahmefällen die Vertragsauflösung, wenn eine Vertragsdurchführung bzw. -erfüllung nicht durchführbar ist oder die LeistungsParteien bei Abschluss des Vertrags in diesem Bewertungsprozess mit zu berücksichtigen sind, so klarstellend Alfred McAlpine Capital Projects Ltd v Tilebox Ltd, Const LJ 2005, Vol. 21, 539 (548). 362 So bereits Clydebank Engineering Co v Don Jose Ramos Yzquierdo y Castaneda, AC 1905, 6 (19); siehe außerdem Manly, BCL 2012, S. 246 (246). 363 Berger, RIW 2016, S. 321 (322 f.). 364 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (86). 365 Siehe bereits oben bei § 2, B. 366 McGregor, McGregor on Damages, S. 490. 367 Draetta/Lake, IBLJ 1993, S. 261 (262); Harris/Campbell/Halson, Remedies in Contract and Tort, S. 141. 368 Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong BLR 1993, Vol. 61, 41 ff.; O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 426. Dies kann aber ebenso für den Gläubiger von Vorteil sein, weil dem Schuldner der Nachweis eines geringeren oder fehlenden Schadens nicht offensteht, siehe Eggleston, Liquidated Damages, S. 78 unter Bezugnahme auf die Entscheidung BFI Group of Companies Ltd v DCB Integration Systems Ltd, CILL 1987, 348 ff. Folglich tragen beide Parteien jeweils anteilig das Risiko der Schätzung in Gestalt einer für sie nachteiligen Entwicklung beim tatsächlichen Schaden.

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pflicht einer Partei für diese unvorhersehbar wirtschaftlich unmöglich ist.369 Diese Endgültigkeit des mittels liquidated damages festgeschriebenen Betrags bietet den Vertragspartnern Planbarkeit und Sicherheit,370 außerdem profitieren beide Seiten von den Einsparungen an Gerichts- und Anwaltskosten.371 Die dadurch erreichte Schonung der Justizressourcen dient letztlich zugleich dem Staat. Durch die Finalität der Zahlungspflicht kommt liquidated damages weiterhin die Aufgabe einer Haftungsbegrenzung zu.372 II. Forfeiture clauses und deposits Das englische Recht hält neben liquidated damages noch zwei weitere Rechtsinstitute vor, die penalty clauses angenähert sind: Forfeiture clauses und deposits. Die jeweiligen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf das Wesen und die Handhabe werden in diesem Unterabschnitt herausgearbeitet. In Abgrenzung zu penalty clauses tritt bei forfeiture clauses und deposits die Zahlungspflicht nicht erst mit Vertragsverletzung ein, sondern bereits nach Vertragsschluss.373 Bei der Verabredung von forfeiture clauses droht dem Schuldner für den Fall seiner Vertragsverletzung der Entzug der Vermögensposition, die er zuvor an den Gläubiger geleistet hat.374 Hierzu ähnlich gelagert sind deposits, bei denen der Schuldner an den Gläubiger bei oder nach Abschluss des Vertrags eine Zahlung leistet, welche im Falle einer festgelegten Vertragsverletzung, etwa in Form einer eigenmächtigen Lossagung vom Vertrag, unwiederbringlich dem Gläubiger zufällt.375 Der wesentliche Abgrenzungspunkt zwischen forfeiture clauses und deposits liegt in dem Vermögensgegenstand, derdem Schuldner entzogen wird: Deposits zielen in aller Regel auf eine Zahlung, die unmittelbar nach Abschluss des Vertrags als Sicherheit für die spätere Vertragsdurchführung geleistet wird.376 Dagegen 369

Grupp, NJW 2017, S. 2065 (2066). Der Schuldner kann sich so auf das Zahlungsrisiko vorbereiten, beispielsweise durch den Abschluss einer entsprechenden Versicherung, Koffman/Macdonald, The Law of Contract, S. 575. 371 O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 426; Mulcahy, Contract Law in Perspective, S. 216 f. 372 Der Umfang des tatsächlich eintretenden Schadens ist unerheblich, egal, ob er den vereinbarten Betrag übersteigt oder nicht. Siehe hierzu Cellulose Acetate Silk Co Ltd v Widnes Foundry (1925) Ltd, AC 1933, 20 ff. In dieser Entscheidung verweigerte das House of Lords dem Kläger die Geltendmachung des tatsächlichen Schadens von etwa 5000 Pfund, bei einer vereinbarten Summe von 600 Pfund. Weitere Beispiele: Diestal v Stevenson, KB 1906, Vol. 2, 345 ff. und Talley v Wolsey-Neech, P & CR 1978, Vol. 38, 45 ff. 373 Richards, Law of Contract, S. 424; Burrows, Casebook Contract, S. 450. 374 Bridge et al., Benjamins’s Sale of Goods, S. 987. 375 Furmston, Law of Contract, S. 792. 376 Deposits müssen wiederum von part payments abgegrenzt werden. Beide werden als Teilleistung hinsichtlich der Vertragserfüllung gewertet, wenngleich mit dem entscheidenden Unterschied des Verfalls bei Vertragsbruch im Falle von deposits, während part payments 370

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können mittels forfeiture clauses dem Gläubiger im Falle einer Vertragsverletzung Leistungen des Schuldners endgültig zufallen, die dieser im Zuge der eigentlichen Vertragserfüllung erbracht hat, ohne dass diese somit von einer Rückabwicklung betroffen sind.377 Konzipiert sind sowohl forfeitures clauses wie auch deposits als Druckmittel zur Sicherung der Erfüllung des Vertrags – die Wirkung des Einbehaltens ist für den Schuldner ähnlich der einer penalty clause.378 Diese Gleichheit in Wirkungsweise, vor allem mit Blick auf den Schuldner, wird noch augenscheinlicher, sollte die dem Gläubiger zufallende Summe dessen finanziellen Schaden infolge des Vertragsbruchs übersteigen, was vor allem bei forfeiture clauses einschlägig sein kann. Forfeiture clauses und deposits sind gleichwohl nicht per se unenforceable, die fehlende Durchsetzbarkeit kann sich nur im konkreten Einzelfall aufgrund einer Unbilligkeit ergeben.379 Der genaue Verlauf der Grenze zur Unbilligkeit und damit zur Unwirksamkeit ist umstritten. Nach einer Mindermeinung sei von einer unzulässigen Klausel auszugehen, wenn die einbehaltene Summe außerhalb jeder Relation zum eingetretenen Schaden stehe.380 Stärker verbreitet ist jedoch eine noch restriktivere Ansicht, wonach die Unwirksamkeit auf böswillig oder betrügerisch agierende Gläubiger eingeschränkt wird 381 bzw. bei dem Verfall von dinglichen Rechtspositionen.382 Obwohl eine endgültige Entscheidung des Streits noch aussteht,

zurückzuerstatten sind, McKendrick, Contract Law, S. 912. Abzustellen ist bei der Abgrenzung auf die Zweckbestimmung bezüglich der Leistung und ob die Zahlung als Teilerfüllung oder als Sicherung der Erfüllung dienen soll, Koffman/Macdonald, The Law of Contract, S. 582 f.; Richards, Law of Contract, S. 424 377 Typische Anwendungskonstellation für forteiture clauses sind Verträge mit einer gewissen Vertragslaufzeit – wobei es sich nicht zwingend um Dauerschuldverhältnisse handeln muss –, insbesondere der Kaufvertrag mit vereinbarter Ratenzahlung, bei dem im Falle eines Zahlungsverzugs bereits geleistete Anzahlungen dem Verkäufer nicht als Gegenleistung, sondern als sonstige Leistung anfallen, Richards, Law of Contract, S. 424. 378 Richards, Law of Contract, S. 425. 379 Bridge et al., Benjamins’s Sale of Goods, S. 989. 380 Stockloser v Johnson, QB 1954, Vol. 1, 476 (481) per Lord Denning, der sich für eine Orientierungsgröße von 10 % als angemessenen deposit-Betrag aussprach; Worker’s Trust and Merchant Bank Ltd v Dojap Investments Ltd, AC 1993, 573 (578 ff.). In dieser Entscheidung wurde ein deposit von 25 % als unangemessen überhöht und demnach als nicht vollstreckbar angesehen. 381 Stockloser v Johnson, QB 1954, Vol.1, 476 (487 f.) per Lord Romer; Scandinavian Trading Tanker Co AB v Flota Petrolera Ecuatoriana (The Scaptrade), AC 1983, Vol. 2, 694 (702). 382 „Proprietary interests or proprietary or possessory rights“, siehe Scandinavian Trading Tanker Co AB v Flota Petrolera Ecuatoriana (The Scaptrade), AC 1983, Vol. 2, 694 (702); Sport Internationaal Bussum BV and Others v Inter-Footwear Ltd, WLR 1984, Vol. 1, 776 (784); BICC Plc v Burndy Corporation and Another, Ch 1985, 232 (235). Zuletzt bestätigt durch das UK Supreme Court in: Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1386 f.).

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1. Teil: Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses

ist der flexiblere Umgang mit forfeiture clauses und deposits im Vergleich zu penalty clauses festzustellen.

C. Rechtsvergleichende Betrachtung Bei der Klassifizierung von Klauseln, die der Festlegung der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen dienen, bildet die Abgrenzung zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung sowohl in der deutschen wie auch in der englischen Rechtsordnung den Schwerpunkt. Hinsichtlich der generellen Abgrenzungsmethodik sind vordringlich Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechtsordnungen festzuhalten. So ist die parteilich gewählte Bezeichnung der Klausel jeweils von geringer Bedeutung. In beiden Jurisdiktionen ist stattdessen die Funktion der Klausel maßgebendes Element für die Unterscheidung. Die Rechtsinstitute weisen dabei hinsichtlich der Ihnen zugeschriebenen Funktionen große Ähnlichkeiten auf. Penalty clauses dienen einzig der Abschreckung des Schuldners von einer konkret benannten Vertragsverletzung. Obwohl die deutsche Vertragsstrafe neben der Erfüllungssicherungsfunktion noch die Schadloshaltung erleichtern soll, ist es erstgenannte Aufgabe, die für das Verständnis der Strafabrede von formender Gestalt ist. Eine Vertragsstrafe ist anzunehmen, wenn der Gläubiger den Schuldner mit der Klausel primär zur Vertragserfüllung anhalten möchte. Eine Einordnung als Schadenspauschale ist vorzunehmen, sollte der Aspekt der Vereinfachung des Schadensausgleichs im Vordergrund stehen. Indikator für die Unterscheidung sind die Höhe der Zahlungspflicht, die Loslösung vom Schadenseintritt und die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren, tatsächlichen Schadens. Sodann zeigt sich ein divergierendes Verständnis von Schadenspauschale nach deutschem und englischem Recht, das sich an der finalen Festlegung des Zahlbetrags bei liquidated damages entspinnt. Das Element der Endgültigkeit in den liquidated damages in Bezug auf den verabredeten Betrag erhöht den Druck auf beide Vertragsparteien eine vertragliche Abrede zu erzielen, welche so nah wie möglich an dem späteren tatsächlichen Schaden liegt. Im Zusammenspiel mit dem stets vorhandenen Risiko, dass die Klausel als undurchsetzbare penalty angesehen wird, müssen die Parteien bei der Vertragsgestaltung einige Mühe und Zeit aufwenden. Dies ist durchaus sinnvoll, hält es sie doch dazu an, sich die möglichen Folgen einer Vertragsverletzung zu vergegenwärtigen. Zudem kann der Schuldner nur bei Vorliegen besonders gravierender Veränderungen nach Vertragsschluss die Vertragsauflösung verlangen, wenn er die Unmöglichkeit der Leistungspflicht und damit frustration of contract vorbringt. Das fehlende Element der Endgültigkeit erlaubt es den Beteiligten, nachträglich den vereinbarten Betrag abzuändern – vorausgesetzt, dass sie die tatsächlichen Abweichungen beim Schaden darlegen und beweisen können. Diese Anpassungsmöglichkeit beeinträchtigt nicht nur die Rechtssicherheit, sondern mindert gleichermaßen die Vorzüge der Zeit- und Geldersparnis, die für eine

§ 4 Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten

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solche Vereinbarung überhaupt erst ursächlich sind. Dem kann der Vorteil entgegengehalten werden, unvorhergesehene Entwicklungen bei der Schadenshöhe nachträglich berücksichtigen zu können. Infolge der penalty doctrine existiert ein gravierender Unterschied zwischen beiden Rechtsordnungen, was die Handhabung von Zweifelsfällen anbelangt. Während im deutschen Recht, unter Federführung des Bundesgerichtshofs, im Zweifel das Vorliegen einer Vertragsstrafe angenommen wird – um den Schuldner in den Genuss des Herabsenkungsrechts von § 343 BGB kommen zu lassen –, erfolgt im englischen Recht bei Unsicherheit über die Einordnung eine Klassifizierung als liquidated damages – um die vereinbarte Abrede einer Vollstreckung zuführen zu können. In ihrem jeweiligen Rechtssystem betrachtet, erscheinen beide Zweifelsfallregelungen als sinnvoll. Zwar wird nach englischem Recht nicht konsequent dem Schuldnerschutz der Vorrang eingeräumt, dies ist jedoch die stringente Konsequenz der doctrine of freedom of contract. Insgesamt ist das deutsche Recht im Vergleich zum englischen Recht stärker dem Schutz des Schuldners verpflichtet, indem es dem Schuldner eine Vielzahl von Möglichkeiten der inhaltlichen Kontrolle von Vertragsabreden eröffnet. Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 339 ff. BGB auf vergleichbare Rechtsinstitute zeigt den größeren Anwendungsbereich des deutschen Vertragsstraferechts. Diese Divergenz erscheint nachvollziehbar vor dem Hintergrund des fehlenden Durchsetzungsverbots von Vertragsstrafen, weshalb keine Notwendigkeit im deutschen Recht besteht, die Tatbestandsvoraussetzungen übermäßig restriktiv zu handhaben. Im Gegenteil: Wegen des angemessenen Schuldnerschutzes über die Norm des § 343 BGB sowie durch die praeter legem anzuerkennende Möglichkeiten einer Inhaltskontrolle ist diese Vorgehensweise überzeugend, da auf diese Weise eine faire Balance der Interessen von Schuldner und Gläubiger gesorgt wird.

Zweiter Teil

Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich den rechtlichen Grenzen von Strafabreden mit Schwerpunkt im kaufmännischen Verkehr. In der rechtsvergleichenden Betrachtung liegt der Akzent auf der Analyse des Schrankensystems im deutschen Recht. Eine grundlegende Differenzierung kann anhand der Zielrichtung der gesetzlichen Regelungen vorgenommen werden: Diese können entweder auf eine Kontrolle der Vertragsabrede selbst abzielen (Inhaltskontrolle) oder aber eine nachgeschaltete Kontrolle der Ausübung einer Strafklausel (Rechtsausübungskontrolle) vorsehen.1 Im Detail werden nachfolgend die Normen zum richterlichen Herabsetzungsrecht nach § 343 BGB und § 242 BGB als Form der Rechtsausübungskontrolle2 und die Norm zur Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB sowie §§ 305 ff. BGB als Form der Inhaltskontrolle analysiert. Dem gegenübergestellt wird der Ansatz des Durchsetzungshindernisses nach englischem Recht, welcher sich vor allem im Rahmen der Abgrenzung zu liquidated damages niederschlägt. Besonderes Gewicht liegt auf der Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis des UK Supreme Court vom November 2015, mit der dieser ein neues Kapitel im Umgang mit penalty clauses aufgeschlagen hat. Die vorliegende Arbeit erörtert die Grenzen der Vertragsstrafe mit Blick auf die Zulässigkeit der Vereinbarung einer solchen Zahlungspflicht, die nach ihrer Konzeption über die reine Schadenskompensation hinausgeht und eine Druck- bzw. Abschreckungsfunktion innehat. Nicht Gegenstand der Untersuchung sind daher die Einwendungen nach deutschem und englischem Recht, welche ihre Grundlage in fehlerhaften Annahmen oder Irrtümern haben. Dies betrifft einerseits die Anfechtung der Willenserklärung nach § 119 BGB, andererseits die Vertragsänderung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Die Parteien haben beispielsweise im Falle der Änderung von maßgeblichen Vertragsumständen die Möglichkeit zur Korrektur der Leistungspflichten und damit einhergehend der Vertragsstrafe.3 Im 1 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 138; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 100. 2 Rechtstechnisch kann die Norm auf der Ebene von § 242 BGB eingeordnet werden, da sie eine spezielle Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben enthält, siehe Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 11; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 103; Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 4. 3 Siehe hierzu BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921); OLG Stuttgart, Urt. v. 16. 12. 2004 – 13 U 100/04, MDR 2005, 518 (519). Diese allgemeinen Schranken gelten im Grundsatz zugleich für Schadenspauschalierungen oder das Reugeld. Gleichwohl sind diese

§ 5 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB

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englischen Recht bietet die doctrine of frustration den Vertragspartnern die Option der Kündigung des Vertrags, wenn die Leistungspflichten nicht durchführbar sind.

§ 5 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB Die Untersuchung der rechtlichen Grenzen der Vertragsstrafe beginnt mit dem richterlichen Kontroll- und Herabsetzungsrecht in § 343 BGB. Dieses Sonderrecht, welches dem Gericht die Überprüfung der Angemessenheit des Strafversprechens ermöglicht, soll im nachfolgenden Abschnitt umfassend dargestellt werden, um dessen Wesen und Funktionsweise zu veranschaulichen. Hierzu werden im Schwerpunkt die Anforderungen für die Einordnung einer Zahlungspflicht als unverhältnismäßig behandelt, ferner die Rechtsfolge der geltungserhaltenden Reduktion einschließlich des gerichtlichen Verfahrens um das Antragserfordernis und die richterliche Ermessensentscheidung sowie abschließend der Anwendungsausschluss für Vertragsstrafen eines Kaufmanns.

A. Sonderstellung als richterliche Billigkeitskontrolle Gemäß § 343 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Gericht eine Vertragsstrafe im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf einen angemessenen Betrag reduzieren, wenn es die Zahlungspflicht für unverhältnismäßig überhöht erachtet. Eine Korrektur des Betrags nach oben, ein Heraufsetzen der Vertragsstrafe, ist dagegen ausgeschlossen.4 Die Norm des § 343 ist ein Instrument, welches den Schuldner vor jener Missbrauchsgefahr schützen soll, welche der Vertragsstrafe innewohnt.5 Gerichte sind im Regelfall bei der Überprüfung von Rechtsgeschäften auf die Kontrolle derer Rechtmäßigkeit beschränkt. Die Norm des § 343 BGB ermöglicht dagegen eine richterliche Billigkeitskontrolle des Rechtsgeschäfts.6 Eine vergleichbare Kontrollbefugnis findet sich im BGB bei der Überprüfung der durch eine Einwendungen insbesondere beim pauschalierten Schadensersatz von geringerer Bedeutung, weil dem Schuldner bei Nachweis eines geringeren Schadens die Reduzierung des Zahlbetrags möglich ist. 4 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 146. 5 Detlev Fischer, in: FS für Piper, S. 205. Dies lässt sich ausdrücklich den Protokollen des BGB entnehmen, in denen es heißt, dass man sich zur Kodifizierung eines richterlichen Ermäßigungsrechts entschied, um dem erfahrungsgemäß eintretenden Missbrauch der Vertragsstrafe durch „schwere Übertreibungen“ entgegenzuwirken, Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 722. Der Bedarf für ein solches Korrektiv – so lässt sich den Protokollen ebenfalls entnehmen – war nachhaltig vorhanden, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. 6 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 1; Janoschek, in: BeckOK BGB, § 343, Rn. 1; Schulze, in: Handkommentar BGB, § 343, Rn. 1.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Partei festgelegten Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB und der ähnlich gelagerten Konstellation der Überprüfung, der durch einen Dritten festgelegten Leistungsbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 BGB.7 Die Verankerung dieses weitreichenden richterlichen Eingriffsrechts in § 343 BGB war im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstritten.8 Es wurden Bedenken gegen eine unzulässige Erweiterung des Aufgabenfelds des Richters auf konstitutiv vertragsgestaltende Tätigkeiten vorgetragen.9 Der Schuldnerschutz wurde jedoch als gewichtiger angesehen.10 Im Ergebnis dessen stellt die Norm des § 343 BGB zwingendes Recht dar und ist der Disposition der Verwender entzogen.11 Eine wesentliche Ausnahme von der Unabdingbarkeit bildet das kaufmännische Vertragsstrafeversprechen, auf welches § 343 BGB gemäß § 348 HGB keine Anwendung findet. Unabhängig von der Unabdingbarkeit kann der Schuldner nicht gezwungen werden, von seinem Recht nach § 343 BGB Gebrauch zu machen. Ein Verzicht auf das Reduktionsrecht nach Verwirkung der Konventionalstrafe bleibt ihm daher nach herrschender Meinung unbenommen.12 Darin ist kein Widerspruch zu dem Schutzgedanken der Norm zu erblicken. Immerhin kennt der Schuldner nach Verwirkung der Vertragsstrafe den genauen Umfang der Zahlungspflicht, weshalb er nicht im selben Maße schutzbedürftig ist. Nicht Gegenstand der Diskussion im Schrifttum ist, ob der Verzicht nur individualvertraglich oder ebenso durch Allgemeine Geschäftsbedingungen möglich ist. Aufgrund des Schuldnerschutzes sollte der Verzicht nicht mittels Allgemeine Geschäftsbedingungen zulässig sein, da die Schriftform des Verzichts allein den Schuldner nicht ausreichend schützt. Gemäß der Einordnung von § 343 BGB als Instrument der Rechtsausübungskontrolle muss das Strafversprechen rechtswirksam vereinbart und infolge der Pflichtverletzung des Schuldners angefallen sein, damit eine Überprüfung der Zahlungsverpflichtung anhand von § 343 BGB möglich ist.13 Nach § 343 Abs. 1 S. 3 7

Die Einstufung der Norm als Fremdkörper lehnt Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 1 unter Verweis auf die Grundregeln des europäischen Vertragsrechts ab, was jedoch nur bedingt zu überzeugen vermag, betrachtet man allein das BGB; ebenso Rieble, GRUR 2009, S. 824 (826). 8 Siehe Schlechtriem, Haager Einheitliche Kaufgesetz. S. 51 (56). 9 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 722. Ebenso wurde die Befürchtung geäußert, die Norm dränge den Richter dazu, über die reine Rechtskontrolle ebenfalls Zweckmäßigkeitserwägungen zu prüfen, was schlussendlich die Gefahr richterlicher Willkür hervorriefe. 10 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 547. 11 BGH, Urt. v. 13. 02. 1952 – II ZR 91/51, BGHZ 5, 133 (135 f.); BGH, Urt. v. 22. 05. 1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625 (1625). 12 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 2; Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 2; Rieble, in Staudinger, BGB, § 343, Rn. 91; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 343, Rn. 1. 13 Die Norm des § 343 BGB findet keine Anwendung, wenn die Vertragsparteien die genaue Festlegung der Strafhöhe dem Gläubiger oder einem Dritten überlassen haben. Sodann genießt

§ 5 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB

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BGB darf der Schuldner die Strafe darüber hinaus noch nicht aus freien Stücken an den Gläubiger entrichtet haben.14

B. Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe Zentrales Kriterium für eine Herabsetzung nach § 343 BGB ist die unverhältnismäßige Höhe der konkret angefallenen Zahlungsverpflichtung aus der Strafabrede. Das Gericht muss bei Prüfung der verwirkten Vertragsstrafe zu der Auffassung gelangen, dass diese unverhältnismäßig hoch und dementsprechend nicht angemessen ist.15 Das Prüfrecht umfasst die Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls, um so zu ermitteln, ob das Strafversprechen im Hinblick auf dessen zulässige Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen ist.16 Dieser Unterabschnitt liefert einen Überblick der dabei beachtlichen Aspekte, ausgehend von der Gesetzbegründung und der Rechtsprechung. Daran anknüpfend werden die bedeutendsten Punkte auf Gläubiger- und Schuldnerseite für eine Überprüfung der Zahlungssumme ausführlicher dargestellt. Abschließend wird die Sonderproblematik der Zusammenfassung mehrerer Verstöße thematisiert. I. Zusammenschau der abzuwägenden Aspekte Für die Frage nach den für die Bemessung der Strafhöhe relevanten Gesichtspunkten, hält das Gesetz einen ersten Ansatz bereit: Gemäß § 343 Abs. 1 S. 2 BGB ist „jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse“ zu berücksichtigen. Hierbei erfolgt sowohl eine Einschränkung durch die Begrenzung auf berechtigte Interessen des Gläubigers, als auch eine Erweiterung durch die Öffnung für Belange, die über die reinen Vermögensinteressen hinausreichen. In der Gesetzesbegründung zu § 343 BGB findet sich eine Ergänzung zur Bemessung der Strafhöhe, wonach „die Verschiedenheit der Interessen des Gläubigers“ sowie „die Höhe des möglichen und des wirklichen Schadens“ zu berücksichtigen die Kontrollvorschrift nach § 319 Abs. 1 BGB Vorrang gegenüber § 343 BGB, Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 7. 14 Zur Begründung heißt es in den Materialien zum BGB, dass die Strafe nicht zu hoch gewesen sein kann, wenn der Schuldner sie tatsächlich zahlt, Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 724. Dieses Argument vermag wenig zu überzeugen, wenn der Schuldner keine Kenntnis von § 343 BGB hat. Dennoch spricht die Schaffung von Rechtssicherheit für den vom Gesetz eingeschlagenen Weg. Wichtig bleibt die Vergegenwärtigung des Elements der Freiwilligkeit der Zahlung: Eine Zahlung bei einer Zwangsvollstreckung schadet demnach nicht. Gleiches gilt, wenn bei Zahlung ein ausdrücklicher Vorbehalt mit Blick auf § 343 BGB erklärt worden ist, Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343 BGB, Rn. 10. 15 Janoschek, in: BeckOK BGB, § 343, Rn. 9; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 20. 16 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 112 f.; Sieg, NJW 1951, S. 506 (508); Stadler, in: Jauernig, BGB, § 343, Rn. 6.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

sind.17 Weiterhin lässt sich den Materialien zum BGB entnehmen, dass „die wirtschaftliche Lage […], […] Grad des Verschuldens auf Seiten des Schuldners und sonstige Momente“ in die Würdigung mit einzubeziehen seien.18 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung im Jahr 1993 die Kriterien fixiert, welche bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit einer Konventionalstrafe Berücksichtigung finden sollen.19 Bemerkenswerterweise lag dem Sachverhalt der Entscheidung ein b2b-Verhältnis zugrunde, weshalb die Norm des § 343 BGB nicht zur Anwendung kam. Das Urteil ist für das Herabsetzungsrecht dennoch von hoher Relevanz, da sich der Bundesgerichtshof detailliert zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Vertragsstrafe äußerte. Hierfür nahm er Bezug auf die gerichtliche Festsetzung des Ordnungsgeldes in der Zwangsvollstreckung nach § 890 Abs. 1 ZPO, welches im Ermessen des Vollstreckungsgerichts bis zu EUR 250.000,00 betragen kann. Den beiden Funktionen des Strafversprechens komme bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine gewichtige Rolle zu, an erster Stelle die Aufgabe Zuwiderhandlungen zu vermeiden. Dieser Aspekt der Vermeidung eines Verstoßes sei ebenso beim Ordnungsgeld zu würdigen.20 Bei der Überprüfung der Zahlungssumme gelte es sich vor Augen zu führen, dass mittels jener zusätzlichen, bedingten Leistungsverpflichtung der Schuldner angehalten werde, seiner vertraglich übernommenen Pflicht nachzukommen. Die Vertragsstrafe soll entsprechend Druck auf ihn aufbauen; eine Verletzung und die sich daraus ergebende Zahlungspflicht müsse dem Schuldner daher finanziell schmerzen. Wenn dem Schuldner die Pflichtverletzung genauso viel oder sogar weniger als die ordnungsgemäße Erfüllung kostet, erscheint eine Absicherung der Vertragstreue nicht unbedingt gewährleistet. Folglich gilt es den Fokus darauf zu richten, welche Strafhöhe notwendig ist, um den Schuldner zur Einhaltung seiner Vertragspflichten zu motivieren.21 Darüber hinaus seien Schwere und Ausmaß der Pflichtverletzung, die Gefährlichkeit dieser für den Gläubiger, das Verschulden des Schuldners und dessen Wiederbegehungsinteresse zu würdigen.22 Es müsse eine Abwägung der

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Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. 19 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (46 f.) – Vertragsstrafebemessung. Der Entscheidung lag ein Streit zwischen zwei Textilunternehmern über den Vertrieb von Kleidungsstücken zugrunde. Obwohl das beklagte Unternehmen den Verkauf näher bezeichneter Textilien in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zugesichert hatte, nahm es die betreffenden Produkte nicht aus seinem Sortiment. Es kam zu insgesamt 631 Verstößen bzw. Verkäufen. Die Strafhöhe selbst war nicht im Vertrag festgelegt, sondern war vom klagenden Unternehmen nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Bundesgerichtshof wandte sich gegen die am Ordnungsgeld orientierte Festlegung der Strafhöhe und sprach sich für eine darüber hinausgehende Prüfung aller Aspekte des Einzelfalles aus. 20 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (47) – Vertragsstrafebemessung. 21 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 378. 22 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (47) – Vertragsstrafebemessung. 18

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Interessen von Gläubiger und Schuldner erfolgen.23 Konkret ist hierbei die Abwägung zwischen dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers mit dem sich beim Schuldner ergebenden Saldo aus der Strafhöhe abzüglich etwaiger Vorteile infolge der Pflichtverletzung einzubeziehen.24 Insgesamt gilt es eine Reihe an verschiedenartigen Gesichtspunkten aus der Sphäre des Gläubigers und des Schuldners zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Eine abschließende Aufzählung aller relevanten Aspekte ist nur bedingt möglich, weil in jedem Einzelfall andere Umstände hinzutreten können, die zu gewichten sind und die sich nicht generalisierend vorab erfassen lassen. In der umfangreichen Kette der Faktoren für die Bemessung der Strafhöhe ist das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung das am stärksten zu gewichtende Kriterium. Sollte beispielsweise die Zuwiderhandlung für den Schuldner wenig vorteilhaft, jedoch geeignet sein, dem Gläubiger einen erheblichen Schaden zuzufügen, bildet nicht der Vorteil des Schuldners, sondern das Schadensrisiko des Gläubigers die maßgebliche Orientierungsgröße. Eine andere Sichtweise würde den Schutz des Gläubigers aushöhlen. Ein maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit nach § 343 BGB ist nicht festgelegt. Das Gesetz schweigt zu dieser Problematik, obwohl die Frage nach dem Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren äußerst kontrovers diskutiert wurde.25 Betrachtet man das Wesen der Norm als Ausdruck von Billigkeitserwägungen muss es dem Richter aber möglich sein, alle Umstände des Sachverhalts in die Würdigung einzubeziehen.26 Die fehlende Relevanz von Um23

Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 1; Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 182; Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 15; Stadler, in: Jauernig, Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 5 f. 24 Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 15. 25 Es gab differierende Formulierungsvorschläge, welche die gesamte Bandbreite denkbarer Argumente abdeckten. Die Fixierung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde abgelehnt, da nachträgliche Veränderungen, welche die verabredete Höhe in anderem Licht erscheinen lassen, sonst nicht berücksichtigt werden könnten, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. Immerhin könne einem Schuldner nicht der Schutz vor einer zu harschen Vertragsstrafe vorenthalten werden, nur weil sich die Überhöhung erst infolge nach Vertragsschluss eingetretener Umstände realisiert hat. Ähnliche Wertungsgesichtspunkte kommen im gegenteiligen Fall zum Tragen, wenn eine zunächst überhöhte Vertragsstrafe durch den Eintritt von nicht absehbaren Ereignissen verhältnismäßig wird, vgl. Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 38. Im Ergebnis wurde keine Fixierung eines Zeitpunkts vorgenommen, aus Sorge nicht allen denkbaren Einzelfällen gerecht zu werden, Mugdan, Materialien zum BGB, S. 721 f. 26 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 19; Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 159 spricht sich für einen anpassungsfähigen Ansatz ohne Festlegung auf einen allein maßgebenden Zeitpunkt bezüglich sämtlicher Bewertungsfaktoren aus. Seiner Meinung nach solle bei der Gesamtabwägung einzelner Kriterien für jeden Faktor neu geprüft werden, welcher Zeitpunkt am sinnvollsten sei. Für die Beurteilung des Verschuldens läge es beispielsweise näher, auf den Moment der Verletzungshandlung abzustellen. Für die Einschätzung der Wiederholungsgefahr sei wiederum die Sachlage beim Schluss der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich.

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ständen, die nach Vertragsschluss vorliegen – unabhängig davon, ob es solche sind, die eine Unverhältnismäßigkeit nachträglich entfallen lassen oder aber solche, die eine unangemessene Überhöhung der Vertragsstrafe erst begründen – ließe sich mit einer solchen Billigkeitsnorm nicht in Einklang bringen.27 II. Ermittlung des berechtigten Gläubigerinteresses Das berechtigte Interesse des Gläubigers bestimmt sich maßgeblich anhand der Auswirkungen, welche eine Zuwiderhandlung des Schuldners gegen dessen vertragliche Verpflichtung hätte. Relevante Größen sind der Umfang möglicher Schäden und die Wahrscheinlichkeit der Realisierung.28 Je umfangreicher die finanziellen Nachteile des Gläubigers sind, die er infolge der Vertragsverletzung fürchten muss, desto höher kann die Strafsumme sein.29 Der Begriff Schaden ist denkbar weit und geht in mehrerlei Hinsicht über dessen Verständnis im Rahmen des gesetzlichen Schadensersatzrechts hinaus: Zum einen bezüglich der Frage, welche Schadensposten generell umfasst sind und zum anderen in Anbetracht der Realisierungswahrscheinlichkeit sowie der zeitlichen Ebene.30 Gleichzeitig wird das Kriterium des drohenden Schadens fast nur zu Gunsten des Gläubigers herangezogen. Das Fehlen oder die Geringfügigkeit eines Schadens kann jedenfalls nicht im selben Maße zulasten des Gläubigers verwendet werden.31 Es ist für sich genommen kein Grund, die Strafe als unverhältnismäßig zu erachten, weil kein finanzieller Schaden eintreten kann.32 Das Sicherungsinteresse des Gläubigers muss sich ferner nicht an der synallagmatischen Gegenleistung des Schuldners aus dem zugrunde liegenden Vertrags27

In diesem Sinne argumentierend bereits Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 20 f.; a.A. für den Zeitpunkt der Verwirkung und der Geltendmachung der Vertragsstrafe Hölder, Das Recht 1900, S. 161 (163); für den Zeitpunkt des Einforderns der Strafzahlung durch den Gläubiger, Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 7; Sieg, NJW 1951, S. 506 (508); für die Erhebung der Leistungsklage durch den Gläubiger oder Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 4. 28 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 18; Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 14 f. In den Protokollen zu § 343 BGB wird von der „Höhe des möglichen und des wirklichen Schadens“ gesprochen, siehe Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 723. 29 Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass der Schaden nicht die Obergrenze des zulässigen Strafbetrags bildet, Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 379. 30 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 125. 31 Ein Automatismus im Sinne einer Herabsetzung der Strafe, wenn bei dem Gläubiger kein wirtschaftlicher Schaden infolge des Fehlverhaltens des Schuldners eintreten kann, existiert nicht, siehe RG, Urt. v. 28. 10. 1921 – III 107/21, RGZ 103, 99; BGH, Urt. v. 27. 11. 1968 – VIII ZR 9/67, NJW 1969, 461 (462); BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921). 32 RG, Urt. v. 28. 10. 1921 – III 107/21, RGZ 103, 99 (99); BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 126. Ins Kalkül zu nehmen sind vielmehr alle sonstigen Nachteile in anderen Beziehungen, welche beim Gläubiger erwachsen können, Beuthien, in: FS für Larenz, S. 495 (499).

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verhältnis orientieren. Es wird durch dieses nicht begrenzt. Der Gläubiger muss allein darlegen können, dass sein Schutzbedürfnis über die Einhaltung der vertraglichen Gegenleistung hinausgeht. Hier sei hingewiesen auf ein Beispiel aus der Rechtsprechung, eine Entscheidung über die unbefugte nachträgliche Verwendung von Adressmaterial einer Werbeagentur betreffend.33 § 343 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt ausdrücklich die Relevanz von jedem berechtigten Interesse des Gläubigers und nicht bloß dessen Vermögensinteresse bei der Bemessung von Vertragsstrafen. Eine Einschränkung auf nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähige Vermögensschäden findet auf Ebene der Vertragsstrafe nicht statt.34 Vielmehr geht aus den Gesetzesmaterialien die besondere Berücksichtigungsfähigkeit von immateriellen Interessen hervor; derartige Gläubigerinteressen können gerade durch die Ausbedingung einer Vertragsstrafe abgesichert werden.35 Das Instrument der Vertragsstrafe eignet sich also besonders zur Sicherung immaterieller Interessen und wird deshalb dort eingesetzt, wo der Ausgleich eines immateriellen Schadens mangels einer gesetzlichen Grundlage nach § 253 BGB ausscheidet.36 Die Bedeutung der Vertragsstrafe für die Absicherung von immateriellen Interessen bringt zwei Problemstellungen mit sich: Einerseits bezogen auf die Auswahl schützenswerter Interessen37 und andererseits bezüglich der Quantifizierung nicht monetärer Interessen bei der Überführung in eine summenmäßige Zahlungspflicht. „Absonderliche Launen und Fantasien“ können jedenfalls keine Berücksichtigung finden.38 Gerichtsurteile über die Zulässigkeit von Strafsummen, die angesichts der Berücksichtigung von Nichtvermögensinteressen das monetäre Gläubigerinteresse übersteigen, sind rar. 33

BGH, Urt. v. 30. 06. 1976 – VIII ZR 267/75, DB 1976, 1616 f. Im zugrundeliegenden Sachverhalte stellte ein Werbeunternehmen einem Unternehmen aus der Elektroindustrie eine ausgearbeitete Adressliste zur einmaligen Verwendung für eine Werbeaktion für 675,65 DM zur Verfügung. Gegen die abredewidrige Mehrfachverwendung sicherte sich das Werbeunternehmen mittels einer Vertragsstrafe in seinen Lieferbedingungen; diese betrug für jeden Fall des Verstoßes das Zehnfache des Adressenpreises. Der Bundesgerichtshof billigte im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle diese Vertragsstrafe unter Berufung auf die Fühlbarkeit der Strafzahlung als „keineswegs überhöht“ (S. 1617). 34 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 125. 35 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle. S. 785 f. 36 Rieble, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 339 ff., Rn. 63; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 339, Rn. 18. 37 Im Einzelfall mag die Unterscheidung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Eigenheiten Schwierigkeiten bereiten. Es ist aber stets zu berücksichtigen, dass der Schuldner nicht gezwungen ist, sich auf das Vertragsverhältnis mit der Strafabrede einzulassen. Die Tatsache des Zustandekommens des Vertrags kann zumindest als Indiz dafür gewertet werden, dass er die Interessen seines Vertragspartners nicht als bloße Hirngespinste abgetan hat. Daher sollte in Fällen, in denen nur Zweifel an der Berechtigung der immateriellen Interessen besteht, die Beachtlichkeit dieser und die Redlichkeit des Gläubigers angenommen werden. 38 Mugdan, Materialien zum BGB – Protokolle, S. 724; ähnlich bei Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 19.

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Bemerkenswert ist deshalb die Entscheidung des LG Bonn aus dem Jahr 2005.39 Das Gericht entschied über eine Zahlungsklage anlässlich einer vereinbarten Vertragsstrafe bei einem Grundstücksverkauf zwischen einer älteren Dame und einer Gemeinde. Aufgrund ihrer persönlichen Erinnerungen und ihrer emotionalen Verbundenheit mit dem Grundstück, erklärte sich die Frau zur Immobilienüberlassung erst bereit, nachdem die Gemeinde zusagte, selbiges allein für öffentliche und/oder soziale Zwecke zu nutzen. Ein Weiterverkauf zur Schaffung eines Verbrauchermarktes wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung war im Vertrag eine Vertragsstrafe von 100.000,00 Euro ausbedungen. In der Folgezeit verkaufte die Gemeinde von den 8.790 qm erworbener Gesamtfläche, einen Teil von 100 qm an den benachbarten Eigentümer eines Einkaufsmarkts. Das LG Bonn sprach die volle Strafsumme zu, ohne eine Reduzierung nach § 343 BGB vorzunehmen, obwohl nur ein kleiner Bruchteil der ursprünglichen Grundstücksfläche betroffen war. Die Anwendbarkeit von § 343 BGB war dabei nicht schon wegen der Eigenschaft der Schuldnerin als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts ausgeschlossen, weil diese nicht per se als Kaufmann gelten.40 Im Rahmen der Prüfung der Vertragsstrafe auf eine mögliche Unverhältnismäßigkeit nach § 343 BGB stellte das Gericht auf die Bedeutung der Grundstücke für die Verkäuferin ab, worüber die Gemeinde bei Ausbedingung der Vertragsstrafe Kenntnis hatte. Zu diesem affektiven Interesse kam hinzu, dass die Gemeinde bewusst gegen das Verbot verstieß und diese Zuwiderhandlung mehr als vier Jahre geheim hielt. Die Gemeinde konnte sich außerdem nicht erfolgreich auf die Verpflichtung zur Wahrnehmung öffentlicher Interesse berufen, obwohl eine Erweiterung eines Einkaufsmarktes durchaus im öffentlichen Interesse liegen kann. Da der Kaufvertrag der Gemeinde jedoch einen Weiterverkauf des Grundstücks zu allen anderen öffentlichen oder sozialen Zwecken erlaubte, wurde das öffentliche Interesse ausreichend berücksichtigt. Eine besondere Fallkonstellation für die Berücksichtigung von immateriellen bzw. öffentlichen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bilden die Vertragsstrafen im Rahmen der Privatisierung ehemaliger volkseigener Betriebe durch die Treuhandanstalt.41 Die Treuhandanstalt legte besonderen Wert auf die Erhaltung der vorhandenen Arbeitsplätze und die zukünftige Fortführung des Unternehmens. Ausdruck verliehen wurde dem durch teilweise sehr niedrige Kaufpreise in Verbindung mit der standardmäßigen Aufnahme von entsprechenden Vertrags-

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LG Bonn, Urt. v. 26. 10. 2005 – 1 O 52/05, juris. Körber, in: Oetker, HGB, § 1, Rn. 31. 41 Aufgabe der Treuhandanstalt war die Überleitung der ehemals volkseigenen Betriebe der DDR in Privateigentum, wobei der Umfang beträchtlich war. Allein die Anzahl der betroffenen und zu erhaltenen Arbeitsplätze betrug 1,5 Mio. Zur Umsetzung dieses Privatisierungsvorhabens wurden seitens der Treuhandanstalt Unternehmenskaufverträge mit Käufern bzw. Investoren geschlossen. 40

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strafenklauseln in die Kaufverträge.42 Unmittelbare eigene Interessen galt es dagegen nicht zu schützen, weshalb es bei Verstößen gegen die Investitions- und Arbeitsplatzzusagen der Käufer an einem direkten Schaden der Treuhandanstalt gemangelt hätte – was wiederum das Bedürfnis für Strafversprechen bestärkt.43 Die Gerichte haben diesen Vertragsstrafen zur Absicherung öffentlicher Interessen eine Sonderstellung zugestanden.44 So hat der Bundesgerichtshof die verschuldensunabhängige Ausgestaltung der Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit die formularmäßige Abbedingung des Verschuldenserfordernisses nach § 339 BGB ausnahmsweise als zulässig angesehen. Der VIII. Zivilsenat betonte in diesem Zusammenhang die „öffentliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensprivatisierung der Treuhandanstalt“ und die von ihr angestrebten Verfolgung „sogenannte[r] ,weiche[r]‘ Ziele volkswirtschaftlicher, sozial- und strukturpolitischer Art“.45 Im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit nach § 343 BGB sind öffentliche Interessen konsequenterweise höher zu bewerten als rein private Interessen. Bei einer Vertragsstrafe, der öffentliche Interessen zugrunde liegen, kann daher eine Zahlungsverpflichtung noch als verhältnismäßig angesehen werden, welche womöglich als unverhältnismäßig gelten würde, wenn allein privatwirtschaftliche Interessen betroffen wären.

42 Es wurden Strafzahlungen vereinbart, für den Fall der Entlassung von Angestellten und für den Fall der Nichtvornahme von zugesagten Investitionen in das Unternehmen. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass die Unternehmen nicht nur erworben wurden, um sie anschließend in Einzelteile zu zerlegen und die wertvollsten Vermögensgegenstände gewinnbringend zu verkaufen oder aber ostdeutsche Konkurrenz abzuwehren, Baetge, AcP 202 (2002), S. 972 (974 f., 982). 43 Baetge, AcP 202 (2002), S. 972 (989). 44 BGH, Urt. v. 26. 05. 1999 – VIII ZR 102/98, BGHZ 141, 391 ff. Im Fall klagte die Treuhandanstalt aus abgetretenem Recht auf Zahlung der Vertragsstrafe aus einem Unternehmenskaufvertrag, der im Dezember 1991 zwischen zwei Gesellschaften über den einzigen Geschäftsanteil an einer Werbeagentur abgeschlossen wurde. Der Kaufpreis betrug nur 50.000,00 DM; gleichzeitig enthielt der Kaufvertrag aber eine Investitionsverpflichtung des Käufers in Höhe von mindesten 1,0 Mio. DM, ferner die Vorgabe zur Weiterbeschäftigung der elf vorhandenen Mitarbeiter bis 31. 10. 1993. Für den Fall der Nichteinhaltung war wiederum eine Konventionalstrafe über 2.000,00 DM pro Mitarbeiter und Kalendermonat vorgesehen. Der Vertrag enthielt außerdem eine Verzichtsmöglichkeit auf die Vertragsstrafe zugunsten der Treuhandanstalt. In der Folge wurden Arbeitsverhältnisse mit Mitarbeitern beendet, weshalb wegen der Nichteinhaltung der Arbeitsplatzvorgabe eine Vertragsstrafe von insgesamt 126.000,00 DM geltend gemacht wurde. Der Liquidator des Verkäufers trat ferner die Rechte aus dem Vertrag an die Treuhandanstalt ab. Der Bundesgerichtshof hat die Vertragsstrafe nicht beanstandet. 45 BGH, Urt. v. 26. 05. 1999 – VIII ZR 102/98, BGHZ 141, 391 (397) bzw. (398).

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III. Bewertung von Gesichtspunkten auf Schuldnerseite Losgelöst vom Wortlaut des § 343 Abs. 1 S. 2 BGB ist bei der Beurteilung der Höhe der Vertragsstrafe der Schuldner und dessen Lage abzuwägen. Wesentliche Faktoren sind dessen Vorteil infolge des Verstoßes, seine Person selbst und sein Verhalten bei der Zuwiderhandlung. 1. Vorteil durch Vertragsverletzung Als Gegenelement zum Schaden des Gläubigers ist beim Schuldner vor allem zu bewerten, ob, und wenn ja, welchen finanziellen Vorteil er aus einem vertragswidrigen Verhalten ziehen kann.46 Ausgehend von der Erfüllungssicherungsfunktion des Strafversprechens lässt sich der Grundsatz formulieren, der Verstoß dürfe sich für den Schuldner bei einer Kosten-Nutzen-Rechnung zwischen vertragsgemäßem und vertragswidrigem Verhalten nicht als lohnenswert darstellen. Die Vertragsstrafe muss demnach so hoch bemessen sein, dass sie den potentiellen Vorteil des Schuldners infolge des Verstoßes aufwiegt.47 Darüber hinaus ist zu hinterfragen, ob es zu kurz greift, wenn dem Schuldner nur sein Vorteil Eins-zu-eins abgeschöpft wird.48 Eine Parallele besteht hier zur Vorteilsabschöpfung beim Kartellbußgeld nach § 34 Abs. 1 GWB, welches dem Unternehmen den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Verstoß abnehmen soll. 2. Wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners Anders als auf Seiten des Gläubigers sind beim Schuldner dessen personenbezogene Eigenschaften für die Bewertung der Strafabrede von Belang. Denn die Kehrseite zu den möglichen Vorteilen, die er aus einem Vertragsbruch ziehen kann, bilden die negativen Auswirkungen durch die Zahlungspflicht aus der Vertragsstrafenabrede. Deren Ausmaß unterliegt – jedenfalls auf subjektiver Empfindungs46 BGH, Urt. v. 07. 10. 1982 – I ZR 120/80, NJW 1983, 941 (943). Von besonderer Bedeutung ist dieser Gesichtspunkt im Wettbewerbsrecht, Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, S. 222; Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 107. Allerdings birgt nicht jede Vertragsverletzung für den Schuldner tatsächlich einen Vorteil. Ein Abweichen vom vertraglichen Pflichtenkatalog kann, bezogen auf seine materiellen und immateriellen Interessen, neutral sein, obwohl er zugleich negative Auswirkungen auf den Gläubiger hat, beispielsweise im Falle der verspäteten Leistungserbringung. 47 Im Bereich von Wettbewerbsverstößen soll nach einer Ansicht die Steigerung des Umsatzes und der Rendite infolge der unzulässigen Werbeaktion als Orientierungsgröße herangezogen werden, so Heckelmann/Wettich, WRP 2003, S. 184 (188). Schmitz-Temming, WRP 2003, S. 189 (190) spricht sich gegen das Abstellen auf die Steigerung des Umsatzes aus, weil allein der Gewinn als maßgeblicher Vorteil angesehen werden könne. Problematisch an beiden Ansatzpunkten ist die Möglichkeit des Schuldners, seinen Umsatz bzw. Gewinn durch bilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten zu drücken oder zu verschleiern. 48 Immerhin trägt der Gläubiger das Risiko der Nichtentdeckung des Verstoßes und die entsprechende Nachweislast, was entsprechend in die Strafhöhe eingepreist werden kann.

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ebene – einer Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners. Folglich gilt es, diese Wechselbeziehung zwischen Strafhöhe und finanzieller Gesamtsituation des Schuldners zu untersuchen. Die erste Teilfrage betrifft die generelle Thematik, wonach das Recht arm und reich gleich behandeln soll.49 Der Ausgangspunkt der dahinterstehenden Überlegung knüpft an der Präventionsfunktion des Strafversprechens an. Damit sie dieser vollends gerecht werden kann, muss sie für den Schuldner fühlbar sein.50 Nur wenn ihr Anfallen ihn spürbar belastet, kann der Gläubiger nachhaltig auf die Vertragstreue des Schuldners vertrauen – oder zumindest berechtigterweise hoffen. Für die Spürbarkeit kann aber die wirtschaftliche Lage des Schuldners nicht ausgeblendet werden. Im Gegenteil: Der subjektive Wert des Geldes und damit die Betroffenheit durch Strafzahlungen hängt von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab.51 Dennoch wird sich der Schuldner in erster Linie an dem ihm in Aussicht stehenden Vorteil des Vertragsbruchs orientieren und nicht allein anhand der bloßen Summe. Zweitrangig ist demnach, dass für einen umsatzstarken Großunternehmer, eine niedrige vertragliche Zahlungsverpflichtung weit weniger Abschreckungswirkung ausstrahlt, als einem kleinen Einzelkaufmann. Denn es kommt für die Wirksamkeit der Vertragsstrafe schlicht darauf an, dem Schuldner den möglichen Vorteil bei einem vertragswidrigen Handeln zu nehmen, um ihm bereits dadurch keinen Anreiz für ein vertragswidriges Verhalten zu geben. Ein ordnungsgemäß geführtes Unternehmen wird das Risiko einer Strafzahlung nicht in Kauf nehmen, wenn der damit zusammenhängende potentielle Vorteil nicht zumindest gleichwertig ist. Diese Kosten-Nutzen-Rechnung stellt aber nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse als Hauptgesichtspunkt ab, sondern auf die Vorteile des Vertragsbruchs für den Schuldner. Hinzukommt, dass jeder Vertragsbruch für den Schuldner das Risiko eines Imageschadens gegenüber dem Vertragspartner birgt. Dieser Reputationsverlust 49 „Das Recht muss für Arm und Reich gleich sein“ in Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 19. Die Schwierigkeit besteht darin, gleiche Behandlung zu definieren. Hier stehen sich zwei Ansätze gegenüber. Der Erste geht dahin, eine formelle Gerechtigkeit zu suchen, also eine bei der jeder Schuldner unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage dieselbe Strafsumme zu entrichten hat. Auf den ersten Blick bietet dies die bestmögliche Absicherung der Gleichbehandlung. Allerdings könne die formelle Gerechtigkeit eine materielle Ungerechtigkeit nach sich ziehen, da für den wirtschaftlich Schwächeren eine geringe Summe bereits enorme Auswirkungen hat, wohingegen dieselbe Höhe für einen gutsituierten Schuldner kaum spürbar sein kann. Demnach solle Gleichheit nicht eine betragsmäßige Identität bedeuten, vielmehr eine materielle Gerechtigkeit. 50 BGH, Urt. v. 30. 06. 1976 – VIII ZR 267/75, MDR 1977, 134; vgl. Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 220. 51 Während bei einkommensschwachen, kleinen Einzelkaufmannsbetrieben bereits geringe Summen nachhaltig schmerzen und damit das Strafversprechen spürbar gestalten, nimmt ein finanzstarker Konzern gleichgelagerte Vermögenseinbußen hin, ohne dass ihn dies sonderlich belastet, siehe dazu: Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 58 f. und 107; vgl. Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 19.

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kann zukünftige Geschäftsbeziehung beeinträchtigen, insbesondere wenn darüber hinaus andere bestehende oder potentielle Geschäftspartner und die Öffentlichkeit von der Vertragsverletzung Kenntnis erlangen. Gewichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Gedanke, dass die Vertragsstrafe nicht zu einer übertriebenen Bereicherung des Gläubigers führen soll. Diese liegt aber nahe, wenn der Gläubiger allein wegen der Finanzkraft des Schuldners im Falle eines Verstoßes ein Vielfaches seines eigentlichen Interesses erhält. Zwar gilt das schadensrechtliche Bereicherungsverbot für die Konventionalstrafe gerade nicht, was aber nicht bedeuten kann, dass eine unangemessene Bereicherung gewünscht sei. Die Grenze für das Umschlagen von einer noch zulässigen Bereicherung hin zu einer dann unzulässigen Bereicherung ist wiederum mittels der Erfüllungssicherungsfunktion zu ermitteln. Damit besteht kein Widerspruch zwischen der Druckfunktion und dem Bereicherungsverbot. Das Reichsgericht hat eine dementsprechend konsequente Einschränkung hinsichtlich der Bedeutung des Kriteriums der wirtschaftlichen Stärke vorgenommen.52 Die wirtschaftliche Lage des Schuldners sei zu berücksichtigen, sie könne aber für sich genommen keine exorbitante Vertragsstrafe begründen – maßgeblich ist und bleibt das Sicherungsinteresse des Gläubigers. Vereinzelt wird diese Entscheidung des Reichsgerichts bzw. dieser Aspekt im Schrifttum aufgegriffen.53 Übereinstimmend wird die finanzielle Ausstattung als „Kann“-, gleichwohl nicht als „Muss“Kriterium angesehen, das nicht entscheidend sei.54 In der Rechtsprechung wird die wirtschaftliche Lage des Schuldners nach wie vor in die Abwägung einbezogen.55 52

RG, Urt. v. 17. 11. 1914 – III 268/14, RGZ 86, 28 (29). Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 3 bezeichnet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als „bedeutungsvoll“, aber nicht allein ausschlaggebend; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 18; Kabakoff, Vertragsstrafe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 37; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 378; Lindacher, in: Soergel, BGB, § 343, Rn. 14; Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 20. 54 Nees, WRP 1983, S. 200 (201); vgl. Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 159. 55 OLG Stuttgart, Urt. v. 30. 07. 2009 – 2 U 4/09, Magazindienst 2009, 974 (981). Die Entscheidung betraf eine wettbewerbswidrige Arzneimittelwerbung eines Arzneimittelherstellers. Die abgegebene Unterlassungserklärung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG im Nachgang an die unlautere geschäftliche Handlung war mit einer Strafabrede über 2.500,00 Euro unterlegt. Der dem Mitbewerber infolge der wettbewerbsverletzenden Tätigkeit zustehende Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG und die daraus resultierende Auseinandersetzung kann durch eine mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beendet werden, wobei das Strafversprechen die Wiederholungsgefahr beseitigt. Angemessen ist die Vertragsstrafe, wenn sie abschreckend auf den Schuldner wirkt und daher eine Wiederholung des Verstoßes nahezu auszuschließen ist. In der Rechtspraxis hat sich insoweit eine typische Spanne von 2.500,00 bis 10.000,00 Euro herauskristallisiert (OLG Oldenburg, Beschl. vom 12. 08. 2009 – 1 W 37/09, GRUR-RR 2010, 252 f. (253)). Nach Ansicht des OLG Stuttgart war der Zahlbetrag von 2.500,00 Euro am unteren Ende der Skala angesichts von Art und Größe sowie Marktstellung des Arzneimittelunternehmens nicht angemessen. Eine Heraufsetzung der Vertragsstrafe war nicht möglich. 53

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Dies entspricht der Konzeption von § 343 BGB als Schutznorm zugunsten des Schuldners. Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, grundsätzlich ist die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu berücksichtigen, wenngleich als ein minder gewichtiges Kriterium. Spiegelbildlich ist die Bedeutung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners zu hinterfragen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners schwach sind. Nur sehr vereinzelt wird diese Überlegung im Schrifttum aufgegriffen und sodann für eine mildere Strafzahlungsverpflichtung des Schuldners plädiert.56 Diese Fallkonstellation ist kritisch, da bereits das Sicherungsinteresse des Gläubigers verlangt, den ihm bei Vertragsverletzung drohenden Nachteil vollumfassend zu bewerten, und nicht dieses anhand der wirtschaftlichen Schwäche des Schuldners zu relativieren. Demgegenüber muss aber gerade in b2c-Verträgen dem Sozialstaatsgedanken im Rahmen von § 343 BGB Rechnung getragen werden. Das Sicherungsinteresse des Gläubigers kann legitimeren, den Schuldner in die Sozialhilfe zu treiben, und so die Allgemeinheit mit der Absicherung privater Interessen zu belangen. Dieser Aspekt ist jedenfalls bei einem starken wirtschaftlichen Gefälle zwischen Unternehmer und Verbraucher zu würdigen. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ferner die Geschäftserfahrenheit des Schuldners zu berücksichtigten.57 Das Schrifttum wendet sich hiergegen, wenn es den Umkehrschluss hieraus ablehnt, denn einem geschäftsgewandten Unternehmer dürfe seine Expertise nicht dergestalt zum Nachteil gereicht werden, dass ihm gegenüber eine höhere Strafzahlung angebracht wäre.58 Diese Bedenken sind insoweit überzeugend, als dass der Maßstab für die Beurteilung einer Strafhöhe im Handelsrecht und im allgemeinen Zivilrecht grundsätzlich identisch sein sollte. Das Gesetz nimmt allerdings mit § 348 HGB gerade eine gesetzliche Differenzierung vor. Es besteht im Einzelfall ein Unterschied, ob das Vertragsstrafeversprechen von einem wirtschaftlich gewandten Akteur oder aber einem in dieser Hinsicht unerfahrenen Verbraucher abgegeben wird. 3. Art und Weise der Zuwiderhandlung Neben den Faktoren, die unmittelbar in der Person des Schuldners wurzeln, sind ebenfalls die konkrete Art und Weise der Zuwiderhandlung durch den Schuldner ins Kalkül zu ziehen. Es besteht eine gedankliche Nähe zum Strafrecht und der im

56 Schmitz-Temming, WRP 2003, S. 189 (191), der wegen der geringen Ertragsstärke von vielen Kleinbetrieben im Einzelhandel und der realitätsfernen Höhe der Strafsummen eine generelle Verringerung und Neujustierung der Strafhöhen bei Wettbewerbsverstößen befürwortet. 57 RG, Urt. v. 14. 02. 1931 – I 275/30, DRiZ 1931, 198, Nr. 234. 58 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 138.

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Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB zu würdigenden Schwere der Schuld bzw. individuellen Vorwerfbarkeit. Die spezifische Eigenart der Zuwiderhandlung ist bei der Bewertung der Strafabrede zu berücksichtigen, insbesondere Schwere und Ausmaß des Verstoßes, sowie dessen Gefährlichkeit für den Gläubiger und das Verschulden des Schuldners.59 Gegenüber einem vorsätzlich handelnden Schuldner kann eine höhere Strafe angebracht sein, weil hierbei im Verhältnis zu fahrlässig begangenen Verstößen ein gesteigertes Unrecht vorliegt.60 Als Bemessungskriterium dienlich ist weiterhin das mögliche Verhalten des Schuldners in der Zukunft, speziell die Wiederholungsgefahr.61 Ebenso ist das Vorverhalten des Schuldners zu würdigen: Bei einem bereits als vertragsbrüchig auffällig gewordenen Schuldner kann eine höhere Strafe angesetzt werden als bei einem Schuldner, der sich immer vertragskonform verhalten hat.62

IV. Zusammentreffen mehrerer Verstöße Sollte der Schuldner seiner vertraglichen Pflicht mehrmals nicht ordnungsgemäß nachkommen, drängt sich die Frage auf, ob und, wenn ja, unter welchen Voraus59 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (47) – Vertragsstrafebemessung; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 379; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 18. 60 So bereits Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 20. Diese Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit wird allerdings von Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 781, abgelehnt. Begründet wird dies mit der intendierten Verhinderung von jeglicher Zuwiderhandlung durch das Strafverspechen. Dem ist zuzugestehen, dass die Konventionalstrafe ihre Hauptausrichtung durch die Präventionsfunktion erfährt und nicht durch eine Sanktion des verwirklichten Unrechts, so auch Horschitz, NJW 1973, S. 1958 (1958). Allerdings bildet der Verschuldensaspekt bei der Bemessung der Gefährlichkeit für den Gläubiger eine beachtenswerte Größe. Darüber hinaus spielt nach dem Bundesgerichtshof der Sanktionsgedanke ebenfalls eine Rolle, obgleich nur eine untergeordnete. 61 Hier handelt es sich allerdings um einen Aspekt, der vordringlich im Rahmen von Wettbewerbsverstößen von Bedeutung ist, weil gerade bei den dort gegenständlichen Unterlassungsansprüchen die Vermeidung zukünftiger, erneuter Zuwiderhandlungen Zielrichtung ist. Im Schrifttum wird teilweise bemängelt, dass die Rechtsprechung bei der Bewertung von Strafabreden im Wettbewerbsrecht zu sehr auf die Wiederholungsgefahr abstellt, anstatt auf den konkreten Verstoß. Bloß potentielle, noch ungewisse Ereignisse in der Zukunft sollen die Höhe der Vertragsstrafe nicht maßgeblich beeinflussen dürfen. Siehe Nees, WRP 1983, S. 200 (202) bezogen auf die Entscheidung des BGH, Urt. v. 07. 10. 1982 – I ZR 120/80, NJW 1983, 941 ff. 62 Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, § 44 Rn 579. Ausdrücklich entschieden hat dies der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1983 im Rahmen der Auseinandersetzung mit einer Vertragsstrafe zur Absicherung des Versprechens, nicht seinem ehemaligen Arbeitgeber und nunmehrigen Konkurrenzunternehmen Mitarbeiter abzuwerben, BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 ff. Dem Strafversprechen voraus ging ein planmäßiges Verhalten des Schuldners, mehrere Angestellte abzuwerben, um sie für sein neues Unternehmen zu gewinnen. Nach dem Bundesgerichtshof sei die bereits zu Tage getretene Bereitschaft zum Vertragsbruch ein „gewichtige[r] Grund für die Vereinbarung einer hohen Strafe“ (S. 921).

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setzungen eine Verklammerung derartiger Mehrfachverstöße möglich oder sogar geboten ist. Mit Blickrichtung auf die Höhe der schlussendlich verwirkten Vertragsstrafe handelt es sich dabei um eine ausgesprochen essentielle Thematik.63 Ausgangspunkt ist die Möglichkeit des wiederholten Anfalls der Vertragsstrafe bei mehrfachen Zuwiderhandlungen gegen die vertragliche Verhaltenspflicht.64 Jeder einzelne Fall der Zuwiderhandlung stellt grundsätzlich zunächst eine eigene Verletzung oder zumindest Gefährdung der Gläubigerinteressen dar.65 Beim Ordnungsgeld nach § 890 ZPO können jedoch ebenso mehrere zusammenhängende Verstöße zu einem gesamten Ordnungsgeld verbunden werden.66 Voraussetzung ist das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit der Zuwiderhandlungen.67 Im Strafrecht gewährt die Konkurrenzlehre nach §§ 52 – 55 StGB dem Täter bei mehrfacher Deliktsbegehung einen „Vorteil“. Im Jahr 1960 griff der Bundesgerichtshof die Problematik der wiederholten Strafverwirkung in der Entscheidung Krankenwagen II auf.68 Die Parteien des Falls waren zwei, im Bereich des Krankenwagenbaus, miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmer. Zur Beilegung der rechtlichen Auseinandersetzung unterzeichnete einer der beiden Hersteller eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, wonach er eine bestimmte Art von Werbung nicht mehr schalten durfte. Trotzdem ließ er nach Unterzeichnung 100 Prospekte mit unzulässigen Angaben in seinem Auftrag veröffentlicht. Die Verwirkung der Vertragsstrafe war wiederum „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ vorgesehen. Ausgehend von dieser Vertragsklausel erachtete der Bundesgerichtshof eine Zusammenfassung mehrere Zuwiderhandlungen zu einer rechtlichen Handlungseinheit als zulässig, mit der Folge der nur einmaligen Verwirkung einer Vertragsstrafe. Zur Begründung dieser Vorgehensweise nahm der Bundesgerichtshof Anleihe bei dem im Strafrecht geprägten Begriff des Fortset63 Bereits das Reichsgericht hatte sich mit dieser Problematik zu befassen, siehe RG, Urt. v. 26. 01. 1926 – I 152/25, RGZ 112, 361 (367). Dem Fall zugrunde lag eine Vertragsstrafenvereinbarung im Zusammenhang mit einer Wettbewerbsabrede beim Verkauf eines Patents. Das Reichsgericht entschied sich für die Maßgeblichkeit der Auslegung bezogen auf die Verbindung von Verstößen. Ausgangspunkt der Auslegung war der vertraglich festgeschriebene Begriff der Zuwiderhandlung. Die beträchtliche Höhe der Einzelstrafe sprach für den Parteiwillen, diesen Begriff so zu verstehen, dass er mehrere Verstöße zusammenzufassend abdeckt. 64 BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921); BGH, Urt. v. 28. 01. 1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 (1787 f.). 65 Musterbeispiel ist die fortwährende Verzögerung der Leistungserbringung. Durch die immer noch nicht erfolgte Leistungserbringung am darauffolgenden Tag tritt eine weitere Perpetuierung der bisherigen vertragswidrigen Lage ein. 66 Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 890, Rn. 36. 67 BGH, Beschl. v. 18. 12. 2008 – I ZB 32/06, NJW 2009, 921 (921): „[z]u einer natürlichen Handlungseinheit können […] mehrere – auch fahrlässige – Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen“. 68 BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 ff. – Krankenwagen II.

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zungszusammenhangs69, wodurch aus mehreren gleichgelagerten Deliktsbegehungen eine rechtliche Handlungseinheit gebildet wird, um eine unangemessen hohe Gesamtstrafe für den Täter zu vermeiden.70 Diese Analogie zum Strafrecht begründete der Bundesgerichtshof umfassend. Ausgangspunkt war die Einordnung des Fortsetzungszusammenhangs als normativen Begriff, welcher für strafrechtliche Zwecke erdacht wurde und deshalb nicht ohne Weiteres ins Zivilrecht übertragen werden kann.71 Die Sinnhaftigkeit des Begriffs im Strafrecht erlaubt keine Rückschlüsse auf die Verwendung für die Vertragsstrafe. Denn die staatliche Kriminalitätssanktionierung und die Gläubigerabsicherung mittels Vertragsstrafe sind zwei vollkommen verschiedene Rechtsmaterien. Der Bundesgerichtshof verwies jedoch auf das „unabweisbare Bedürfnis“ bei der Vertragsstrafe mehrere gleichförmige Verstöße zusammenzufassen, um die Anleihe im Strafrecht zu tätigen.72 Diese Zusammenfassung sei im Falle der Vertragsstrafe sogar umso mehr geboten, als bei dieser nur entgegenstehende Gläubigerinteressen zu berücksichtigen sind, während es im Strafrecht das öffentliche Interesse an der Bestrafung ist. Dieser Begründungsaufwand des Bundesgerichtshofs war notwendig, da eine solche Analogie zum Strafrecht problematisch ist. Eine Reihe von Gesichtspunkten, die im Strafrecht eng mit dem Fortsetzungszusammenhang verbunden sind, können nicht auf die Vertragsstrafe übertragen werden, beispielsweise das verfassungsrechtliche Verbot der Mehrfachbestrafung oder die Erleichterung der Resozialisierung des Täters. Nachdem der Große Senat für Strafsachen seine Rechtsprechung zum strafrechtlichen Fortsetzungszusammenhang änderte,73 vollzog der Bundesgerichtshof 69

Voraussetzung für die Zusammenziehung der Taten im StGB war zunächst der Gesamtvorsatz beim Delinquenten. Dieser musste auch nicht jede Tat im Detail vorab geplant haben, aber sich doch der Gesamtprägung durch die Gleichheit der betroffenen Rechtsgüter sowie der Gleichartigkeit der Zuwiderhandlungen bewusst sein und die wesentlichen Elemente kennen, siehe hierzu BGH, Urt. v. 21. 11. 1958 – 1 StR 458/58, BGHSt 12, 146 (156). 70 BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (167 f.) – Krankenwagen II. Bei der Ermittlung der Möglichkeit einer Bildung des Fortsetzungszusammenhangs war auf den Parteiwillen abzustellen. Eine Zusammenfassung schied aus, wenn dies die Auslegung der Willen nicht deckte. Im Kern verbirgt sich hinter dem Konstrukt des Fortsetzungszusammenhangs letztendlich eine Auslegung; zusammenfassend zur Thematik des Fortsetzungszusammenhangs bei Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 339, Rn. 6. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konnte eine Zusammenfassung mehrere Zuwiderhandlungen zu einem Verstoß nicht erfolgen, wenn durch die einzelnen Handlungen immer wieder neue Interessenbereiche des Gläubigers betroffen bzw. gefährdet werden, BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (921). In Fortführung dieser Rechtsprechung löste der Bundesgerichtshof im Jahr 1992 die Frage der Zusammenfassung mehrerer Verstöße erneut mit Hilfe des Konstrukts des Fortsetzungszusammenhangs, siehe BGH, Urt. v. 10. 12. 1992 – I ZR 186/90, BGHZ 121, 13 ff. 71 BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (167 f.). 72 BGH, Urt. v. 20. 09. 1960 – I ZR 77/59, BGHZ 33, 163 (168). 73 BGHSt, Beschl. v. 03. 05. 1994 – GSSt 2/93, NJW 1994, 1663 (1664). Beweggründe hierfür waren, dass sich dieses Konstrukt einerseits zum Nachteil des Täters in Bezug auf

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mit dem Urteil Trainingsvertrag aus dem Jahr 2001 im Zivilrecht ebenso eine Kehrtwende.74 Der I. Zivilsenat sprach sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung dagegen aus, die Frage nach der Zusammenfassung mehrere Zuwiderhandlungen zu einer rechtlichen Einheit und damit einem Verwirkungstatbestand pauschal mit Hilfe des Rechtsbegriffs der Fortsetzungstat zu beantworten. Abzustellen sei stattdessen auf den konkreten Vertrag, welcher das Strafversprechen beinhaltet. Die Auslegung des jeweiligen Vertragstextes sei maßgeblich, nicht die festen Regelvorgaben eines Rechtsbegriffs.75 Die Parteien genießen – im Gegensatz zur strikten Konkurrenzlehre im Strafrecht – schließlich Vertragsfreiheit dahingehend, wie die Zusammenfassung von Verstößen gehandhabt werden soll. Der Bundesgerichtshof betont jedoch, dass die im Zusammenhang mit der Fortsetzungstat entwickelten Rechtsgedanken weiterhin bei der Auslegung herangezogen werden können.76 Diese Überlegungen werden demnach relevant, wenn die Parteien nicht klar ausdrücken, was bei wiederholten Einzelverstößen gelten soll. Trotz des aufgezeigten Wandels in der rechtlichen Begründungsstruktur hat sich für die Rechtsanwendungspraxis infolge der Abkehr vom Fortsetzungszusammenhang wenig geändert. Im Ergebnis ist stets die Auslegung im Einzelfall entscheidend.77 Maßgebliche Kriterien für die Ermittlung, ob im jeweiligen Fall eine Zusammenziehung mehrerer Verstöße vorzunehmen ist, sind der Wille der Parteien, die Verkehrsanschauung, das Schadensrisiko des Gläubigers und inwieweit das Aufaddieren der Einzelverstöße eine erkennbar übertriebene Strafhöhe bewirken würde.78 Generell ist nach dem Bundesgerichtshof in der Regel selbst beim Fehlen einer natürlichen Handlungseinheit nicht von einem Parteiwillen dahingehend auszugehen, dass jede Zuwiderhandlung eine einzelne Verwirkung nach sich ziehen soll – Verjährung auswirke, andererseits eine ungerechtfertigte Bevorteilung von Tätern mit höherer krimineller Energie enthielt, welche von Anfang an die Begehung mehrere Delikte beabsichtigte. 74 BGH, Urt. v. 25. 01. 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318 ff. – Trainingsvertrag. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof erneut bestätigt mit Urteil vom 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. Die Entscheidung Trainingsvertrag setzte sich mit einer Strafabrede aus einer Unterlassungserklärung eines Sportstudiobetreibers wegen der Verwendung mehrere unzulässiger AGB in Verträgen mit Verbrauchern auseinander. Die Gesamtzahl an beanstandungswürdigen AGB betrug zwölf, von denen der Sportstudiobetreiber immerhin fünf Klauseln in vier Trainingsanmeldungen wortgleich verwendete. Die Formulierung in der Unterlassungserklärung lautete: „Der/Die Unterzeichnende übernimmt für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine an den V.e.V zu zahlende Vertragsstrafe in Höhe von 2000 DM (pro Klausel), jedoch höchstens bis zu einer Gesamtstrafe in Höhe von 12000 DM“ (S. 319). 75 BGH, Urt. v. 25. 01. 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318 (324) – Trainingsvertrag. 76 BGH, Urt. v. 25. 01. 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318 (325) – Trainingsvertrag. Im Ergebnis zustimmend: Bernreuther, GRUR 2003, S. 114 (115). 77 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 771. 78 Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (218).

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unabhängig davon, ob es sich beim Schuldner um einen Verbraucher oder Kaufmann handelt.79 Ein wichtiges Kriterium für die Auslegung bildet die Strafhöhe: Bei einer hohen Konventionalstrafe liegt ein Parteiwille für eine Zusammenfassung mehrere Verstöße nahe.80

C. Reduktion auf angemessenen Betrag Sofern das Gericht, nach Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte, zur Entscheidung gelangt, dass die Zahlungsverpflichtung aus der Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist, eröffnet § 343 Abs. 1 S. 1 BGB dem Richter die Möglichkeit zur Herabsetzung der Vertragsstrafe auf einen, nach seinem Dafürhalten, angemessenen Betrag.81 Der richterlich festgesetzte Betrag wird als von Beginn an geschuldet angesehen.82 In Abgrenzung zur Nichtigkeitsfolge der sittenwidrigen Vertragsstrafe nach § 138 BGB handelt es sich bei § 343 BGB um einen richterlichen Gestaltungsakt zur geltungserhaltenden Reduktion der Vertragsstrafe. I. Die richterliche Ermessensentscheidung Die Reduktion der Vertragsstrafe liegt im Ermessen des Richters.83 Dieser muss alle berücksichtigungswerten Interessen der Beteiligten und die sonstigen maßgeblichen Gesichtspunkte sammeln, bewerten und im Verhältnis zueinander gewichten.84 Welcher Betrag in der konkreten Fallsituation angemessen ist, ergibt sich wiederum unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte, welche bei der Darstellung der unverhältnismäßigen Höhe erörtert wurden. Die Untersuchung der Grundlagen der Vertragsstrafe im ersten Teil hat ergeben, dass es keinen fixen Automatismus für die Festlegung der im Einzelfall angemessenen Höhe einer Vertragsstrafe gibt.85 Vielmehr ist von einer gewissen Spannbreite an verhältnismäßigen Strafsummen 79 BGH, Urt. v. 25. 01. 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318 (326) – Trainingsvertrag. Nicht ausschlaggebend kann die Vorstellung des Schuldners sein, mehrfach gegen das Verbot zu verstoßen (S. 327). 80 BGH, Urt. v. 25. 01. 2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318 (327) – Trainingsvertrag. Denn der Gläubiger wird billigerweise den Schuldner nicht mit einer Aufsummierung in Existenznöte bringen wollen, wenn sein Sicherungsinteresse bei einer Zusammenfassung noch gewahrt bleibt (S. 328); ebenso bereits Selbach, Vertragsstrafe bei Wettbewerbsverboten, S. 40. 81 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 20. Stadler, in: Jauernig, BGB, § 343, Rn. 5. 82 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 378; Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 50. 83 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 1; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 3. 84 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 113. 85 Siehe bereits oben im ersten Teil, § 3, B. I.

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auszugehen, was dem Richter einen Spielraum eröffnet. Angemessen bedeutet jedenfalls nicht der Betrag, welcher soeben noch nicht unverhältnismäßig überhöht ist.86 Bei der Ermessensentscheidung hat der Richter den möglichen Schadensersatzanspruch infolge der Vertragsverletzung einzubeziehen. Die Vertragsstrafe darf nicht unter den, nach Schätzung des Richters dem Gläubiger zustehenden Schadensersatzbetrag herabgesetzt werden.87 Der Gläubiger soll dadurch von der Führung eines separaten Schadensersatzprozesses abgehalten werden, welcher für die Justiz wegen der schwierigen Schadensersatzermittlung nach § 287 Abs. 1 ZPO mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist. In diesem Aspekt der geltungserhaltenden Reduktion zeigt sich wiederum die Entlastungsfunktion der Vertragsstrafe gegenüber den Gerichten. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe auf Null kann im Übrigen nur erfolgen, wenn die vollständige Nichtleistung der Strafzahlung die angemessene Rechtsfolge wäre, was bei Bagatellverstößen ohne Eintritt eines Schadens der Fall sein könnte.88 Die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe ist Tatfrage.89 Die Beweislast für das Vorliegen eines derartigen Missverhältnisses liegt beim Schuldner.90 Im Falle eines Berufungsverfahrens muss die Berufungsinstanz eine eigene Ermessensentscheidung über die Herabsetzung der Vertragsstrafe treffen.91 Die Revisionsinstanz ist dagegen auf die Überprüfung beschränkt, ob die Vorinstanz eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen hat, d. h. weder Ermessensfehlgebrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegen.92 Sofern im Revisionsverfahren Fehler der Vorinstanz festgestellt werden, beispielsweise die Berücksichtigung von falschen Tatsachen oder das Übersehen von wichtigen Abwägungsgesichtspunkten, wird die Entscheidung grundsätzlich in die Tatinstanz zurückverwiesen. Das Revisionsge86

BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 21; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 146. 88 Anders Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 102, der dem Gläubiger jeglichen Zahlungsanspruch absprechen möchte, falls dieser sich bewusst eine überhöhte Vertragsstrafe versprechen ließ. Dieser Auffassung wohnt jedoch ein dem BGB fremder Sanktionscharakter inne. Darüber hinaus verkennt diese Ansicht den Charakter von § 343 BGB als Norm zur geltungserhaltenden Reduktion, welche das Vertragsstrafeversprechen an sich bestehen lässt und den Richter zur Festlegung des angemessenen Betrags per Gestaltungsakt ermächtigt. 89 Janoschek, in: BeckOK BGB, § 343, Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 7; Schulze, in: Handkommentar BGB, § 343, Rn. 7. 90 Immerhin hat sich der Gläubiger das Strafversprechen unter anderem deshalb ausbedungen, um seine Interessenlage bezogen auf die Vertragserfüllung nicht im Einzelnen vor Gericht darlegen zu müssen. Dies kann nicht allein durch die Schaffung des Ermäßigungsrechts ausgehöhlt werden, Mugdan, Materialien des BGB – Protokolle, S. 723 f.; Lübbe, Vertragsstrafe nach gemeinem Recht und BGB, S. 41; Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 5. 91 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 151. 92 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 7; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 153 f. 87

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richt kann ausnahmsweise gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst die Ermessensentscheidung vornehmen, falls alle relevanten Tatsachen feststehen.93 Hier zeigt sich wieder eine Parallele zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle der durch eine Partei bestimmten Leistung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Entscheidung über die Beibehaltung oder die Herabsetzung kann ein Schiedsgericht treffen, wenn die Voraussetzungen nach §§ 1025 ff. ZPO eingehalten werden.94 II. Antrag auf Herabsetzung Das Gericht benötigt im Prozess als echte Prozesshandlung einen Antrag des Schuldners auf Herabsetzung, da es nicht von Amts wegen eine Vertragsstrafe unter Berufung auf § 343 BGB reduzieren kann.95 Als Antrag genügt jede Äußerung des Schuldners im Prozess, die seinen Willen erkennen lässt, eine Herabsetzung oder Aufhebung der Strafe zu erreichen – einen formellen Antrag auf Herabsetzung bedarf es hingegen nicht.96 Der Schuldner muss zudem keinen konkreten Betrag angeben, auf den die Reduktion erfolgen soll.97 Hier besteht eine Parallele zum formalen Klageantrag auf Schmerzensgeld, welcher als unbezifferter Zahlungsantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausnahmsweise zulässig ist, wenn die Bestimmung des konkreten Betrags dem gerichtlichen Ermessen obliegt.98 Anders als beim Schmerzensgeld muss der Schuldner jedoch keine ungefähre Größenordnung der angemessenen Vertragsstrafe vorgeben. Das Gericht ist in seiner Entscheidungsfindung durch die Höhe der verabredeten Vertragsstrafe ausreichend begrenzt.99 Der Antrag auf Herabsetzung kann unter der Rechtsbedingung der Wirksamkeit der Vertragsstrafe gestellt werden. Dies wird der typischen prozessualen Situation gerecht, dass der Gläubiger der Vertragsstrafe bei Zahlungsverweigerung seitens des Schuldners seinen Anspruch auf Zahlung klageweise durchsetzt.100 Der Schuldner kann sich als Beklagter im Prozess aller denkbaren Verteidigungsmittel bedienen. 93

Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 156. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 14. 95 Jakobs/Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 547; Hölder, Das Recht 1900, S. 161 (162); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 95. 96 BGH, Urt. v. 22. 01. 1993 – V ZR 164/90, NJW-RR 1993, 464 (465). 97 BGH, Urt. v. 22. 05. 1968 – VIII ZR 69/66, NJW 1968, 1625 (1625); Grüneberg, in: Palandt, § 343, Rn. 5; Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 6. 98 Spindler, in: BeckOK BGB, § 253, Rn. 70. Das Gericht wird in diesem Fall bei seiner Entscheidung ausnahmsweise nicht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO durch den Parteiantrag begrenzt, so BGH, Urt. v. 30. 04. 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 (350). 99 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 97. 100 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 59, 95. 94

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Der Einwand der Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe nach § 138 Abs. 1 BGB bietet dabei gegenüber § 343 BGB den Vorteil der Nichtigkeitsfolge.101 Als nachrangiger bzw. hilfsweiser Einwand kann sich der Schuldner darauf berufen, dass zumindest die Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB notwendig sei. Im Unterschied zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld, bei dem der Gläubiger zumeist die Klägerrolle innehat, befindet sich der Schuldner der Vertragsstrafe demnach in der Rolle des Beklagten, wenn er sich hilfsweise des unbestimmten Antrags auf Herabsetzung bedient. Die Vorgaben für einen bestimmten Klageantrag gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 308 ZPO werden damit mit dem Klageantrag des Gläubigers auf Zahlung der konkret bezifferten Vertragsstrafe eingehalten. Falls der Schuldner ausnahmsweise selbst als Kläger auf Herabsetzung der Vertragsstrafe prozessiert, besteht ebenfalls keine Pflicht zur Vorgabe einer Größenordnung der Angemessenheit. Der Streitwert richtet sich wiederum nach der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Der Schuldner hat jedoch die Möglichkeit seinen Antrag auf eine bloße Teilermäßigung zu beschränken und damit das Gericht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO zu binden.102 Im Hinblick auf die Kostentragung nach §§ 91 ff. ZPO besteht bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB eine Besonderheit. Die Norm des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist anwendbar, welche dem Gericht im Falle der Abhängigkeit der Forderung vom richterlichen Ermessen gestattet, einer Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits trotz eines Teilunterliegens von bis zu etwa 20 % aufzuerlegen.103 Demnach hat der Schuldner als Beklagter möglicherweise die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen, selbst wenn das Gericht die Vertragsstrafe unter Heranziehung von § 343 BGB um bis zu 20 % reduziert. Der Antrag kann im Übrigen, als Teil des Anforderungsprofils bzgl. der Herabsetzung der Strafzahlung, mit der Anfechtungserklärung nach § 143 BGB im Falle einer Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB verglichen werden.104 Der Herabsetzungsantrag gegenüber dem Gericht stellt ein Pendant zur Anfechtungserklärung nach § 143 Abs. 1 BGB dar, welche stets gegenüber dem Anfechtungsgegner zu erfolgen hat. Demungeachtet bleiben die Herabsetzung nach § 343 BGB und die Anfechtung voneinander strikt zu trennende Gestaltungsmöglichkeiten für den Schuldner mit unterschiedlicher Zielrichtung.

101 102 103

Rn. 9.

Siehe zur Rechtsfolge bei Sittenwidrigkeit nachfolgend in § 6, B. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 343, Rn. 97 f. Jaspersen, in: BeckOK ZPO, § 92, Rn. 36; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 92,

104 Hölder, Das Recht 1900, S. 161 (162) beschreibt das Herabsetzungsrecht als „gerichtliche Anfechtung“.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

D. Keine Herabsetzung bei Strafversprechen eines Kaufmanns Nach dem Ausschlusstatbestand des § 348 HGB findet für Kaufleute im Sinne der §§ 1 – 6 HGB die Herabsetzungsnorm des § 343 BGB keine Anwendung. Folglich kann eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Zusammenhang mit dem Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen wird,105 nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden. Für diesen Ausschluss des Reduktionsrechts bei Kaufleuten lassen sich zwei Argumente anführen: Als Erstes besteht die Befürchtung, die Gestattung der Herabsetzung könne der Konventionalstrafe deren zugedachte Strenge im kaufmännischen Verkehr nehmen.106 Die Vertragsstrafe wird als effektiver Weg der Anspruchsdurchsetzung angesehen, die der Schnelligkeit des Handelsverkehrs dient. Allein die Option der Anrufung eines Gerichts durch den Schuldner mit dem Antrag auf Reduzierung ist diesem intendierten Zweck der Strafe nicht zuträglich.107 Zugleich werden, durch die Umgehung der oft problematischen Schadensschätzung nach § 287 ZPO, Justizressourcen geschont. Der zweite zutreffende Beweggrund zielt auf die Eigenschaft der Person des Kaufmanns.108 Bei einem Kaufmann kann von einem größeren Maße an geschäftlicher Erfahrenheit ausgegangen werden, weshalb dieser die Tragweite seiner Handlungen, insbesondere die Vor- und Nachteile des abzuschließenden Vertrags, abschätzen können sollte.109 Er kann, schon wegen seiner Wissenshoheit, das Strafversprechen und dessen Folge weitaus besser einschätzen als ein Nicht-Kaufmann. Es besteht ein gravierender Unterschied, ob der Schuldner gänzlich unerfahren ist oder ob er im betroffenen Rechtsverkehr eine Fachkompetenz vorweisen kann, die zu seinen alltäglichen Geschäften zählt. Speziell Kaufleute verfügen in aller Regel über die entsprechende wirtschaftliche und rechtliche Expertise, um die Gegebenheiten, Konditionen, Handelsbräuche sowie deren Bedeutung in ihrer jeweiligen Branche zu kennen. Wenn ein Kaufmann nach ausführlichen Verhandlungen aus freien Stücken ein Vertragsstrafeversprechen akzeptiert, spricht dies mit einigem Gewicht für eine Angemessenheit. Dies gerade deshalb, weil sich Kaufleute im mutmaßlichen Wissen um die Existenz des § 348 HGB tendenziell viel eher gegen eine unangebracht überzogen formulierte Strafklausel zur Wehr setzen würden.110

105 § 344 Abs. 1 HGB beinhaltet eine widerlegliche Vermutung, dass Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns als zum Betrieb seines Handelsgewerbes zugehörig gelten. 106 Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 160. 107 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 99. Außerdem bestünde bei einem solchen gerichtlichen Verfahren die Gefahr des Eingriffs in die Betriebsgeheimnisse des Kaufmanns, so Schlechtriem, in: Haager Einheitliche Kaufgesetz, S. 51(57) unter Verweis auf die zugehörigen Materialien zu § 348 HGB. 108 Vgl. Koller, in: Staub, Großkommentar HGB, § 348, Rn. 1. 109 Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 348, Rn. 2. 110 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 99.

§ 5 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB

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Aufgrund der Ausdrücklichkeit von § 348 HGB lässt sich dieser Ausschluss nicht mittels einer analogen Anwendung von § 343 BGB umgehen. Ein entsprechendes Bedürfnis wurde vom historischen Gesetzgeber unter Bezugnahme auf das stets einsetzbare Korrektiv nach § 138 BGB abgelehnt.111 Die Parteien können § 348 HGB aber abbedingen,112 was in der Praxis jedoch nur sehr selten vorkommt.113 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzung von § 348 HGB ist der Moment der Abgabe der Willenserklärung, nicht der Zeitpunkt der Verwirkung der Vertragsstrafe.114 Die Kaufmannseigenschaft muss folglich bei Vertragsschluss vorliegen, um zur Anwendung von § 348 HGB zu gelangen. Nach Abgabe der Willenserklärung eintretende Änderungen hinsichtlich der Kaufmannseigenschaft bleiben unberücksichtigt, wie beispielsweise das Herabsinken bzw. das Aufsteigen des Gewerbebetriebs über die Schwelle des Erfordernisses einer kaufmännischen Einrichtung nach § 1 Abs. 2 HGB.

E. Bewertung Das richterliche Herabsetzungsrecht nach § 343 Abs. 1 S. 1 BGB verkörpert ein Korrektiv für den Umgang mit einer bereits verwirkten, überhöhten Zahlungsverpflichtung aus einer Vertragsstrafe. Die Besonderheit der Norm liegt in der Ermächtigung des Richters zur Überprüfung der Vertragsstrafe nach dem Maßstab der Billigkeit. Die zentrale Problematik findet sich in der zugehörigen Frage nach der Unverhältnismäßigkeit der Zahlungshöhe. Die gesetzliche Vorgabe in Ergänzung mit der richterrechtlichen Ausgestaltung ermöglicht diesbezüglich eine flexible und einzelfallgerechte Lösung, bei der sämtliche maßgebliche Gesichtspunkte gewürdigt werden. Die Ausklammerung des kaufmännischen Strafversprechens vom Geltungsbereich des Herabsetzungsrechts infolge der Norm des § 348 HGB nimmt jedoch einen erheblichen Teil des Rechtsverkehrs vom Schutzbereich dieses Rechtsbehelfs aus. Die Konzeption von § 343 BGB als Kontrollmechanismus einer bereits angefallenen Zahlungsverpflichtung ist grundsätzlich plausibel. Es wird darauf verzichtet, die Strafklausel an sich zur Überprüfung zu stellen. Eine generelle, gesetzlich vorgeschriebene Korrektur der Klausel ist vor dem Hintergrund der Sonderstellung von Vertragsstrafen zwar denkbar, allerdings wäre dies mit einem ungleich schwerwiegenderen Eingriff in die Vertragsgestaltungsfreiheit der Parteien ver111

Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch, S. 1112. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 348, Rn. 6. 113 Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 162; vgl. Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 99, der darauf hinweist, dass der Gläubiger an einer solchen Abkehr von § 348 HGB kein Interesse haben wird. 114 BGH, Urt. v. 13. 02. 1952 – II ZR 91/51, BGHZ 5, 133 (136); Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 3. 112

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

bunden. Die alleinige Korrektur nur der Zahlungspflicht ermöglicht den unangetasteten Bestand des Vertragswerks im Ganzen und achtet das Primat der Vertragsfreiheit im höheren Maße. Der Eingriff mittels geltungserhaltender Reduktion wird somit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Gleichzeitig wäre eine völlige Freigabe der richterlichen Intervention in den Vertrag weitaus komplexer in der Umsetzung, insbesondere wenn die betreffende Abrede differenzierend aufgebaut ist.115 Auf Ebene der Anwendungsvoraussetzungen bedarf es eines Antrags des Schuldners auf Herabsetzung. Dieses Antragserfordernis ist nicht zu beanstanden, zumal die zugehörigen Erfordernisse überschaubar sind. Die bei der anschließenden Prüfung der Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigenden Aspekte sind ebenso mannigfaltig wie unterschiedlich. Vorrangig von Bedeutung ist das Sicherungsinteresse des Gläubigers, was sich wiederum an dessen Nachteilen im Falle einer Pflichtverletzung bemisst. Auf Schuldnerseite ist insbesondere der potentielle Vorteil durch einen Vertragsbruch, die Umstände der Vertragsverletzung und die wirtschaftliche Situation des Schuldners zu beurteilen. Die genannten Aspekte ermöglichen dem Gericht eine umfassende Würdigung des Sachverhalts. Die Rechtsfolge von § 343 Abs. 1 S. 1 BGB sieht die geltungserhaltende Reduktion der Strafsumme auf einen angemessenen Betrag vor. Der angemessene Betrag ist nicht die Summe, welche soeben noch nicht unverhältnismäßig wäre. Vielmehr obliegt die Festsetzung dem Richter im pflichtgemäßen Ermessen. Diese Handhabe erlaubt einen angemessenen Ausgleich zwischen den Parteiinteressen: Einerseits hat sich der Schuldner sehenden Auges auf die Klausel eingelassen und einen Vertrag geschlossen, was gegen den vollständigen Ausschluss einer Zahlungspflicht spricht. Andererseits hat der Gläubiger, eventuell ebenso sehenden Auges, eine Klausel in den Vertrag aufnehmen lassen, die ihn unangebracht bevorteilt, weshalb er so wenig wie möglich von der übertrieben hohen Zahlungsverpflichtung profitieren soll. Die Reduktion auf einen durch das Gericht frei festlegbaren, angemessenen Betrag trägt sowohl dem Recht des Gläubigers, auf einen Ausgleich des durch die Vertragsverletzung beeinträchtigtes Interesse, hinreichend Rechnung, als auch dem Interesse des Schuldners und des gesamten Rechtsverkehrs an der Verhinderung einer übersteigerten Übervorteilung einer Vertragspartei. Kaufleute, die das Strafversprechen im Betrieb ihres Handelsgewerbes abgeben, sind nach § 348 HGB vom richterlichen Herabsetzungsrecht ausgeschlossen. Der Anwendungsausschluss kann mangels planwidriger Regelungslücke nicht durch eine analoge Anwendung von § 343 BGB umgangen werden. Nach Ansicht des historischen Gesetzgebers sei die Norm des § 138 BGB als Korrektiv ausreichend, da bei Kaufleuten von einer höheren Geschäftserfahrung und Weitsicht auszugehen sei. Dies erscheint schlüssig, insbesondere mit Blick auf das Gesamtgefüge aus BGB und HGB, in dem die Rechtspositionen von Kaufleuten an verschiedenen Punkten hinter 115 Zu den vielfältigen Möglichkeiten zur Ausgestaltung einer Abrede über Vertragsstrafen siehe bereits oben im ersten Teil, § 3, A. I. 1. d).

§ 6 Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB

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dem sonst vorgesehenen Schutzniveau einer geschäftlich weniger erfahrenen Partei zurückstehen.116 Die Anwendbarkeit des Herabsetzungsrechts auf Kaufleute und damit die Schaffung einer richterlichen Interventionsmöglichkeit würden zudem das gesteigerte Maß an Flexibilität im Handelsrecht beschränken. Eine der Intentionen hinter der Vereinbarung eines Strafversprechens, welche auf den beschleunigten Interessenausgleich nach Vertragsverletzungen zielt, der gerade im Handelsrecht essentiell ist, wäre damit konterkariert. Gegen die Nichtanwendbarkeit von § 343 BGB streitet die Befürchtung eines zu geringen oder unsachgemäßen Schutzniveaus für Kaufleute, wenn diese einzig auf die Norm des § 138 BGB verwiesen werden. Dem wiederum kann aber durch die statthafte Abbedingung von § 348 HGB Rechnung getragen werden.

§ 6 Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB Die Generalklausel der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB bildet eine Grenze der Privatautonomie im Allgemeinen und von Vertragsstrafen im Besonderen. Die Norm des § 138 Abs. 2 BGB kann dagegen bezogen auf Vertragsstrafen vernachlässigt werden. Bei der Konventionalstrafe handelt es sich um ein einseitiges Leistungsversprechen ohne den für die Bejahung des Wuchers notwendigen Anknüpfungspunkt des Synallagmas.117 Ein Rechtsgeschäft gilt nach § 138 Abs. 1 BGB als nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Bei den guten Sitten handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt nach ständiger Rechtsprechung durch „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ ausgefüllt wird.118 Mehrheitliche gesellschaftliche Vorstellungen von Ethik, Moral und Sitte werden mittels der Generalklausel wie etwa § 138 BGB in das Recht transportiert und von diesem interna-

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Es genügt hier der Hinweis auf die benachbarten Normen des § 349 HGB (Entfall der Einrede der Vorausklage bei der Bürgschaft) und des § 350 HGB (Entfall des Schriftformerfordernisses bei Bürgschaft und Schuldversprechen). 117 § 138 Abs. 2 BGB untersagt Wucher, welcher ausgehend vom Wortlaut („insbesondere“) eine spezielle Ausprägung der Generalklausel nach Absatz 1 darstellt. Beim Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB wird auf das Verhältnis, besser das Missverhältnis, von Leistung und Gegenleistung abgestellt, welches in Kombination mit der Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögens oder der erheblichen Willensschwäche die Sittenwidrigkeit begründet. Der Vorwurf des Wuchers ist demnach ausschließlich beim gegenseitigen Vertrag denkbar, siehe Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 380 f. Aufgrund des akzessorischen Charakters der Vertragsstrafe kann Wucher dann aber relevant werden, wenn die Hauptverpflichtung ganz oder teilweise dem Wuchertatbestand unterfällt. 118 Erstmals in RG, Urt. v. 15. 10. 1912 – VII 231/12, RGZ 80, 219 (221); exemplarisch für die ständige Rechtsprechung des BGH aus jüngerer Zeit: BGH, Urt. v. 06. 02. 2009 – V ZR 130/ 08, NJW 2009, 1346 (1347); Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 365.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

lisiert.119 Mit dieser Integration bzw. der Norm des § 138 BGB insgesamt verfolgt der Gesetzgeber eine doppelte Zweckrichtung. So soll sowohl die Geltung von Rechtsgeschäften verhindert werden, die wegen ihres Abweichens von den ethischen Grundlagen für die Rechtsordnung unerträglich sind, als auch eine Abschreckung der Rechtsubjekte von der Vornahme derartiger Rechtsgeschäfte erfolgen.120 Wegen der einschneidenden Rechtsfolge der Nichtigkeit ist die Norm des § 138 BGB restriktiv zu handhaben. Die Durchbrechung der Vertragsfreiheit, generellen Gerechtigkeitsvorstellungen folgend, ist im BGB auf seltene Ausnahmefälle beschränkt.121 Vertraglichen Abreden wohnt, ausgehend von der Grundidee der Privatautonomie, eine Richtigkeitsgewähr inne, fußend auf dem Verständnis der Vertragsfreiheit als Interessenausgleich, die es jeder Partei ermöglicht, ihr Anliegen zu verwirklichen, ohne zugleich die andere Seite unverhältnismäßig zu benachteiligen.122 Der nachstehende Abschnitt widmet sich der Herausarbeitung der Anforderungen für die Einordnung einer Vertragsstrafe als sittenwidrig und der Darstellung der sich hieraus ergebenden Nichtigkeitsfolge. Nicht näher beleuchtet werden dagegen Konstellationen, bei denen die Sittenwidrigkeit eines Vertrags aus einer Reihe von sich summierenden Faktoren folgt, von denen das Strafgedinge nur einen dieser Aspekte bildet.123 Ebenso nicht in den Untersuchungsgegenstand des folgenden Abschnitts fällt die Sittenwidrigkeit der strafbewehrten Hauptverbindlichkeit, welche nach der Akzessorietätsmaxime des § 344 BGB die Unwirksamkeit der Strafabrede nach sich zieht. Eine solche Konstellation lag der Entscheidung des OLG Frankfurt zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zugrunde.124 Der streitgegenständliche Kaufvertrag über eine Zahnarztpraxis sah ein nachvertragliches Konkurrenzverbot mit einer räumlichen Reichweite von 10 km im Umkreis der Praxis 119 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 11; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 3. 120 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 2. 121 Claudia Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 242, Rn. 497 ff.; Sossna, Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, S. 1. 122 Siehe Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, AT, S. 78; Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 7 f. 123 Siehe hierzu Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 71; OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 07. 1992 – 5 U 2/92, NJW-RR 1993, 654 f. Dieser Entscheidung lag ein Pachtvertrag über eine Eisdiele zugrunde. Der Pachtzins war unverhältnismäßig übersteigert, die Vertragsbedingungen beispielsweise für die Instandhaltung der Räumlichkeiten deutlich zulasten des Pächters ausgestaltet, die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit des Pächters war ferner übermäßig eingeschränkt, u. a. durch Festlegung des Warensortiments und mittels einer durch Vertragsstrafe abgesicherten Vorgabe für die Öffnungszeiten. Die Kombination aus deutlich fehlender Adäquanz der vertraglichen Hauptleistungen und der weiteren Beschränkungen bzw. Belastungen im Pachtvertrag ließen das Gericht zur Überzeugung der Sittenwidrigkeit im Ganzen gelangen. Eine geltungserhaltende Reduktion mittels Aufteilung nach § 139 BGB erwog das Gericht nicht. 124 Ein Beispiel hierfür ist der Fall des OLG Frankfurt, Urt. v. 15. 09. 2004 – 19 U 34/04, MDR 2005, 226 f.

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vor, welches nach Auffassung des Gerichts zu weitgehend war und deshalb gegen die guten Sitten verstieß. Eine geltungserhaltende Reduktion des sittenwidrigen Konkurrenzverbots durch Herabsenkung des Radius schied wegen dem Grundsatz der Nichtigkeit bei § 138 BGB aus. Die Strafabrede war infolge dieser Alles-OderNichts-Lösung ebenfalls unwirksam.

A. Dualistisches Anforderungsprofil Für die Feststellung eines Sittenverstoßes bedarf es nach der gängigen Formel des Bundesgerichtshofs einer Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts, wobei auf dessen Gesamtcharakter unter Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund abzustellen ist.125 Die Sittenwidrigkeit wird durch ein Zusammenwirken „mehrerer negativer Faktoren“ geformt.126 Auf subjektiver Tatseite bedarf es nicht zwingend einer verwerflichen Gesinnung, allerdings wird zumeist die Kenntnis oder zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis über die Umstände vorausgesetzt, welche die Sittenwidrigkeit auslösen.127 Für die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.128 Ausgehend von der nur bedingt aussagekräftigen Sittenwidrigkeitsformel haben sich mehrere Falluntergruppierungen bei § 138 Abs. 1 BGB herausgebildet.129 Für die vorliegende Untersuchung relevant ist die Ausprägung der schweren Äquivalenzstörung bei wucherähnlichen Rechtsgeschäften.130 Grundvoraussetzung für ein wucherähnliches Rechtsgeschäft ist ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.131 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet die Norm des § 138 Abs. 1 BGB nicht nur auf gegenseitige Verträge im Sinne von §§ 320 ff. BGB Anwendung, sondern sie ermöglicht ebenso die Überprüfung von unentgelt125

BGH, Urt. v. 07. 06. 1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599 (2602); BGH, Urt. v. 10. 10. 1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590 (591). So bereits die st. Rspr. des RG, siehe nur RG, Urt. v. 29. 05. 1906 – II 519/05, RGZ 63, 346 (350) und RG, Urt. v. 17. 12. 1910 – V 62/10, RGZ 75, 68 (74). 126 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 27; vgl. Ellenberger, in: Palandt, § 138, Rn. 8. 127 Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 138, Rn. 8; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 138, Rn. 22; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 33 f. 128 St. Rspr., siehe BGH, Urt v. 15. 04. 1987 – VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353 (359); BGH, Urt. v. 29. 06. 2007 – V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 f. 129 Eine Auflistung findet sich bei Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 33 ff.; siehe außerdem Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 368 ff. 130 Dörner, in: Handkommentar BGB, § 138, Rn 14; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 86; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 138, Rn. 24; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 267 ff. 131 Christian Majer, DNotZ 2013, S. 644 (645); Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 271.

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lichen Leistungen und einseitigen Leistungsversprechen.132 Sittenwidrig überhöhte Vertragsstrafen werden daher unter dieser Fallgruppe der schweren Äquivalenzstörung eingeordnet.133 Die Existenz des richterlichen Ermäßigungsrechts nach § 343 BGB schließt die Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 BGB auf Vertragsstrafen nicht aus.134 Ist das Strafversprechen nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, bleibt dagegen für die Anwendung des Reduktionsrechts nach § 343 BGB kein Raum.135 Bei § 138 BGB gibt es keine geltungserhaltende Reduktion, weil die Rechtsordnung keinen Anreiz dafür schaffen will, einem Vertragspartner sittenwidrige Vertragsklauseln aufzuerlegen. Die Norm des § 343 zeigt dagegen den Willen des Gesetzgebers, bestimmte Fälle von überhöhten Vertragsstrafen mittels richterlicher Ermäßigung zu lösen.136 Bei § 343 BGB gibt es demnach für den Gläubiger unterhalb der Schwelle von § 138 BGB eine zweite Chance. Im folgenden Abschnitt sind die genauen Voraussetzungen zu ermitteln, wann Vertragsstrafen wegen schwerer Äquivalenzstörung als unvereinbar mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden anzusehen sind. Hierzu wird zunächst die Rechtsprechungsentwicklung dargestellt und anschließend das gegebene Anforderungsprofil näher beleuchtet. I. Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Ziel dieses Unterabschnitts ist es, die Entwicklung in der Judikatur nachzuzeichnen, um hieraus generelle Erkenntnisse über das Anforderungsprofil an die Sittenwidrigkeit einer Strafabrede wegen übermäßiger Belastung des Schuldners gewinnen zu können. Daneben soll der Streifzug durch mehr als 100 Jahre Rechtsprechung helfen, ein Gefühl für die Fallkonstellationen bei sittenwidrigen Konventionalstrafen zu schaffen. Die erste höchstrichterliche Befassung mit der Problematik sittenwidriger Strafabreden unter der Geltung des BGB findet sich im Jahr 1906.137 Den Aus132 BGH, Urt. v. 21. 03. 1977 – II ZR 96/75, JR 1977, 410 (411). Zur Feststellung des auffälligen Missverhältnisses werden nach dem Bundesgerichtshof nicht Leistung und Gegenleistung verglichen, sondern die „nach dem Gesetz bestehenden Rechtslage mit Art und Umfang der versprochenen Leistung.“ Dem konkret streitgegenständlichen Fall des Bundesgerichtshofs lag ein einseitiges Schuldversprechen im Nachgang zu einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung zugrunde. 133 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 129 ff. 134 RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (102); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 75. § 343 BGB stellt eine Schutzvorschrift des Schuldners dar. Es würde befremdlich anmuten, wenn sie den Kreis der übrigen Schutznormen des BGB einengen würde. 135 So bereits ausdrücklich RG, Urt. v. 12. 10. 1926 – II 6/26, SeuffA 1927, Heft 81, 131 (132). 136 Tuhr, Allgemeine Teil des BGB, II/2, S. 39. 137 RG, Urt. v. 05. 01. 1906 – VII 169/05, SeuffA 61 (1906), Nr. 197, 351 ff.

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gangspunkt für das Urteil des Reichsgerichts bildete ein Liefervertrag über Holz, in welchem der Unternehmer ein Strafversprechen für den Fall der nicht fristgerechten Anlieferung beim Besteller abgab.138 Im exponentiellen Anstieg der Strafsumme mit jedem Tag des Verzugs erkannte das Reichsgericht die Gefahr einer Steigerung „in die Trillionen“ bzw. „ins Unermessliche“ – und dies innerhalb von nur wenigen Wochen.139 Die Zahlung einer solchen Vertragsstrafe könne für den Unternehmer den „wirtschaftlichen Ruin bedeuten“, was allein durch das Interesse des Bestellers an der fristgemäßen Lieferung nicht gerechtfertigt werden könne.140 Zwei Jahre später hatte sich das RG, diesmal jedoch der III. Zivilsenat, mit derselben Problematik auseinanderzusetzen.141 Die streitgegenständliche Vertragsstrafe entstammt dem am 01. Juli 1901 geschlossenen Dienstvertrag zwischen einem Chemieunternehmen und einem Chemiker.142 Zum Schutz des Unternehmens vor nachvertraglichem Wettbewerb musste sich der Chemiker ohne Zusicherung einer Karenzentschädigung verpflichten, bis zu drei Jahre nach Ende seines Dienstverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen in Deutschland, Österreich, Belgien oder Schweden tätig zu werden. Die Verpflichtung hierzu erfolgte mittels Ehrenworts. Für den Fall eines Verstoßes war eine Vertragsstrafe von 100.000,00 Mark für jede Zuwiderhandlung festgelegt. Das Jahresgehalt des Chemikers betrug 2.400,00 Mark.143 Das Reichsgericht befand diese Konventionalstrafe für sittenwidrig. Es strich die „außergewöhnliche Höhe von 100.000 M bei jeder einzelnen Übertretung“ heraus, was „unter Umständen eine solche Häufung der einzelnen Vertragsstrafen [nach sich zieht], daß eine Summe herauskommt, die mit der tatsächlichen Sachlage überhaupt außer jeder vernünftigen Beziehung steht“ und alle Grenzen übersteigen könne.144 Zugleich wies das Reichsgericht auf die Diskrepanz zwischen Strafhöhe und Jahreseinkommen hin, die dazu führe, dass bereits ein einziger Verstoß für den Angestellten finanziell nicht zu verkraften sei. Mit Blick auf die potentielle Auf138 Am ersten Verzugstag sollte der Unternehmer 2 Pfennige je Festmeter der vereinbarten Holzmenge als Strafe zahlen, für jeden weiteren Tag erhöhte sich der Betrag um jeweils das Doppelte des Vortags. Für die zwischen den Parteien vereinbarte Holzmenge ergab dies eine Strafsumme von 86,30 Mark am ersten Verzugstag. 139 RG, Urt. v. 05. 01. 1906 – VII 169/05, SeuffA 61 (1906), Nr. 197, 351 (352). 140 RG, Urt. v. 05. 01. 1906 – VII 169/05, SeuffA 61 (1906), Nr. 197, 351 (352). Erschwerend kam aus Sicht des Reichsgerichts hinzu, dass die Strafe bei einer Verzögerung wegen höherer Gewalt gleichfalls zu entrichten war. Eine solche Regelung sei mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren, da der Schuldner ohne eigenes Verschulden um seine wirtschaftliche Existenz bangen muss. 141 RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 ff. 142 Der Vertrag enthielt unter anderem ausführliche Vorgaben zum Umgang mit vertraulichen Informationen, beispielsweise über den Produktionsablauf. Der Angestellte verpflichtete sich unter Abgabe seines Ehrenworts zu der Einhaltung. 143 Im Februar 1903 kündigte das Unternehmen den Dienstvertrag mit dem Chemiker, woraufhin dieser im Juli 1903 eine Beschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen in Deutschland aufnahm. In der Folge machte das Chemieunternehmen die Konventionalstrafe in Höhe von 100.000,00 Mark geltend. 144 RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (230).

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

summierung der Strafen spricht das Reichsgericht explizit von einer „Vernichtung der Vermögensstellung des Beklagten“, ohne dass ein entsprechend gewichtiges Interesse des Chemieunternehmens auf der anderen Seite erkennbar sei. Selbst wenn ein derart hohes finanzielles Interesse beim Gläubiger vorhanden sei, berechtigt dies dennoch nicht zur dauerhaften Vernichtung der Vermögensstellung des Schuldners. Die Strafzahlung stelle keinen Versuch des Ausgleichs der beiderseitigen Interessen dar, sondern bediene in ganz einseitiger Weise das Interesse des Arbeitgebers.145 Bemerkenswert ist die anschließende Ausführung des Gerichts in der Urteilsbegründung, wonach das „Bürgerliche Gesetzbuch […] nicht die im gemeinen Recht vertretene Meinung […] angenommen [hat], daß eine Vertragsstrafe niemals wegen ihrer Höhe gegen die guten Sitten verstoßen kann.“146 Gleichwohl geht das Reichsgericht neben der „abnorm hohen Vertragsstrafe“ auf einen weiteren Gesichtspunkt ein, um die Anstößigkeit des Strafversprechens zu begründen: Das Ehrenwort mit dem der Beklagte seine Vertragstreue bezeugen musste.147 Ausgehend von der heutigen Bedeutung eines Ehrenwortes erscheint dieses zusätzliche Element als bloßer Annex und von wenig Relevanz. Unter Berücksichtigung der Maßstäbe zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Ehre aber eine deutlich höhere Bedeutung beizumessen, obwohl die Ehre als solche bis heute im BGB keine Erwähnung gefunden hat, insbesondere nicht in § 823 Abs. 1 BGB. Lediglich ein Jahr später hatte sich der III. Zivilsenat des Reichsgerichts wieder mit der rechtlichen Problematik sittenwidriger Vertragsstrafen in einem nahezu identischen Sachverhalt zu befassen.148 Die Bedeutung dieser Entscheidung liegt in der Äußerung zum Konkurrenzverhältnis der Rechtsbehelfe § 343 BGB und § 138 BGB. Das Reichsgericht sprach sich dagegen aus, die Sittenwidrigkeit allein wegen der exzessiven Strafhöhe anzunehmen. Wenn das Gesetz mit § 343 BGB eine Norm zur Herabsetzung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen vorhalte, könne die Sittenwidrigkeit nicht ebenfalls nur an die Überhöhung anknüpfen. Ansonsten hätte der Richter die Auswahl zwischen beiden Normen, welche sich jedoch in ihren Rechtsfolgen zwischen Ermäßigung und Unwirksamkeit grundlegend unterscheiden. Daher sei § 138 Abs. 1 BGB nur anwendbar, 145

RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (231). RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (231). 147 RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (231). Die Ehre sei ein ideelles Gut und als Teil des Persönlichkeitsrechts Grundlage seiner Existenz. Daher könne sie nicht verwendet werden, um den Schuldner an den Schutz bloßer finanziellen Interessen beim Gläubiger zu binden. Vorliegend sei aber genau dies geschehen, da allein eine vermögensrechtliche Beziehung zwischen den Parteien bestand. 148 RG, Urt. v. 09. 07. 1909 – III 418/08, Warneyer Ergänzungsband 1909, 472 ff. Die Vertragsstrafe entstammte einem Dienstvertrag zwischen einem Unternehmen und einem Chemiker, welcher am 10. Oktober 1904 geschlossen wurde. Der Vertrag enthielt eine Konventionalstrafe in Höhe von 30.000,00 Mark für den Fall der Nichteinhaltung des dreijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Nachdem der Chemiker das Unternehmen verlassen hatte, begann er dennoch zeitnah eine unter das Wettbewerbsverbot fallende Tätigkeit. 146

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„wenn zu dem bloßen Mißverhältnis der Strafhöhe noch etwas weiteres hinzukommt, das dem Vertrage überhaupt den Stempel der Sittenwidrigkeit aufdrückt und ihn im ganzen als vernichtungswürdig erscheinen läßt.“149

Das Gericht betonte damit den sog. Plusfaktor jenseits der Höhe der Vertragsstrafe. Der vorliegende Fall bzw. das vorliegende Strafversprechen erfülle diese Anforderungen nicht. Die Vorinstanz habe nicht festgestellt, dass die Strafe mehrmals verwirklicht werden könne. Wenn aber die Parteivereinbarung derart verstanden werden könne, dass die Konventionalstrafe nur einmalig verwirkt werden kann, sei von einem Anwendungsfall des § 343 BGB auszugehen, § 138 BGB greife nicht. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot war erneut Anlass für den III. Zivilsenat des RG, seine bisherige Spruchpraxis zu sittenwidrigen Vertragsstrafen zu präzisieren.150 Das Gericht griff explizit sein Urteil vom 07. April 1908 auf und stellte seine Rechtsansicht zum Anforderungsprofil an die Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafeversprechen klar:151 „[…], das Verhältnis des § 343 BGB zum § 138 Abs. 1 BGB könne nicht so gedacht werden, daß der Richter die Wahl habe, ob er die eine oder die andere Norm anwenden wolle, auch nicht so, daß bei ganz unsinnig hoher Strafe die Nichtigkeit des ganzen Vertrags, bei nur mäßiger Überschreitung hingegen das Herabsetzungsrecht eintrete. Vielmehr solle die Vorschrift des § 138 Abs. 1 nur dann Platz greifen können, wenn zu dem bloßen Mißverhältnisse der Strafhöhe noch etwas weiteres hinzukomme, daß dem Vertrag überhaupt den Stempel der Sittenwidrigkeit aufdrücke und ihn im ganzen als vernichtungswürdig erscheinen lasse.“152

Ein solches Hinzutreten eines Plusfaktors sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Die Höhe selbst sei ebenfalls nicht übermäßiger Art: Die Vertragsstrafe 149 RG, Urt. v. 09. 07. 1909 – III 418/08, Warneyer Ergänzungsband 1909, 472 (474). Das Gericht strich die Erfüllung dieser Anforderungen bei der vorgenannten Entscheidung vom 07. 04. 1908 heraus, da in jenem Falle das Unternehmen die Strafe von 100.000,00 Mark noch an ein ehrenwörtliches Versprechen gebunden war. Außerdem sei der Vertrag insgesamt als Knebelvertrag einzuordnen, welcher den Arbeiternehmer erheblich in dessen persönlichen Freiheiten einschränke, etwa durch die Verpflichtung zur Angabe eines Wohnungswechsels. 150 RG, Urt. v. 07. 01. 1913 – III 234/12, JW 1913, 319 ff. Die Vertragsstrafe entstammte dem am 01. März 1901 geschlossenen Anstellungsvertrag zwischen einem Unternehmen und einem Ingenieur. Der Vertrag enthielt eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede für den Zeitraum von drei Jahren und umfasste unter anderem Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland und England. Bei einem Verstoß wurde eine Vertragsstrafe von 10.000,00 Mark zuzüglich 3.000,00 Mark für jedes angefangene Quartal fällig. 151 Die vorgenannte Entscheidung, in der es den Sittenverstoß mit der abnorm hohen Vertragsstrafe von 100.000,00 Mark für jeden Fall der Zuwiderhandlung und der zusätzlichen Abgabe des Ehrenwortes begründete, könne nicht dahingehend verstanden werden, dass der Sittenverstoß allein aus der Höhe der Vertragsstrafe geschlussfolgert werden kann. 152 RG, Urt. v. 07. 01. 1913 – III 234/12, JW 1913, S. 319 (320). Demgemäß sei in der vorherigen Entscheidung des Reichsgerichts die Norm des § 138 BGB nur zur Anwendung gebracht wurden, weil neben der außergewöhnlichen Höhe der Strafe noch ein ehrenwörtliches Versprechen vorgesehen war.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

konnte nur maximal 46.000,00 Mark betragen, hinzukam das höhere Jahresgehalt des Angestellten von 7.000,00 Mark. Ferner waren die Anforderungen an die Pflichtverletzung hoch, nicht jede Nichteinhaltung des Arbeitsvertrags begründete die Vertragsstrafe. Nach Ansicht des Reichsgerichts lag ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen des Angestellten vor. Die Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafen war außerdem Gegenstand der Entscheidung des Reichsgerichts aus 1914 über ein Strafverlangen wegen verzögerter Lieferung.153 In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen sah das Reichsgericht das Strafversprechen als sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB an. Die Strafhöhe überschreite sowohl „jedes verständige Maß“ und gefährde das „ganze wirtschaftliche Bestehen“ des Beklagten, ohne dass ihn ein Verschulden daran treffen muss und ohne dass der Kläger ein nachvollziehbares, besonders gewichtiges Interesse an der Pünktlichkeit der Lieferung dargelegt hat.154 „Es möge zutreffen, daß die Parteien nur mit einer kurzfristigen Verspätung der Lieferung gerechnet hätten; […] schließe nicht aus, daß die nach objektiven Gesichtspunkten zu beantwortende Frage, ob die Vereinbarung gegen die guten Sitten verstoßen habe, zu bejahen sei.“155

Einige Jahre später hat das Reichsgericht das duale Anforderungsprofil für die Sittenwidrigkeit von Strafversprechen nochmals bestätigt.156 Der Bundesgerichtshof nahm diese Rechtsprechung auf und setzte sie fort, als er sich Mitte der siebziger Jahre mit der möglichen Sittenwidrigkeit eines Strafgedinges auseinandersetzen musste.157 Der Bundesgerichtshof führte zur möglichen Sittenwidrigkeit der Abrede knapp aus: 153 RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 ff. Hintergrund des Rechtsstreits war ein zwischen zwei Kaufleuten geschlossener Werklieferungsvertrag über Knopfhalter mit einem Gesamtvolumen von 2.200,00 Mark. Nachdem der Schuldner die erste Teillieferung nicht rechtzeitig erbringen konnte, schlossen die Vertragsparteien ein Abkommen, wonach der Schuldner im Falle zukünftiger Verzögerung unabhängig von seinem Verschulden eine Vertragsstrafe in Höhe von 200,00 Mark pro Tag zahlen musste. In der Folge kam es zu einer längeren Verzögerung bezüglich der übrigen Knopfhalter. Die Vertragsstrafe dafür summierte sich insgesamt auf eine Forderung von 32.800,00 Mark. 154 RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (102). 155 RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (101). 156 RG, Urt. v. 22. 09. 1926 – I 435/25, RGZ 114, 304 (307): „das Hinzukommen weiterer Umstände, die in Verbindung mit der Höhe der Vertragsstrafe die Sittenwidrigkeit hervortreten lassen.“; RG, Urt. v. 12. 10. 1926 – II 6/26, SeuffA 81 [1927], 131 (132): „Dabei ist das Verhältnis des § 343 zu § 138 Abs. 1 BGB so zu denken, daß letztere Vorschrift nur dann zur Anwendung findet, wenn zum bloßen Mißverhältnis der Strafhöhe noch etwas Weiteres hinzukommt, was dem Strafgedinge den Stempel der Sittenwidrigkeit aufdrückt und es im ganzen als vernichtungswürdig erscheinen lässt.“ 157 BGH, Urt. v. 30. 03. 1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 ff. Konkreter Streitgegenstand war eine verschuldensabhängige Vertragsstrafe aus einem Gaststättenpachtvertrag. Danach musste der Pächter drei Monatspachten leisten, für den Fall einer von ihm veranlassten, vorzeitigen Beendigung des Vertrags.

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„Um eine Vertragsstrafenvereinbarung als sittenwidrig erscheinen zu lassen, müssen nämlich zu der unverhältnismäßigen Höhe der bei Zuwiderhandlung verwirkten Strafe in aller Regel noch besondere Umstände hinsichtlich des Inhalts, des Beweggrundes oder des Zweckes der Abrede hinzutreten […].“158

Obgleich der Bundesgerichtshof nur wenig zur eigentlichen Thematik der Sittenwidrigkeit ausführte, hat er dennoch die Fortsetzung der Rechtsprechung des Reichsgerichts im Hinblick auf das Anforderungsprofil für eine sittenwidrige Konventionalstrafe erklärt. II. Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe Die Rechtsprechung prägt demnach ein dualistisches Anforderungsprofil, um Vertragsstrafen als sittenwidrig zu klassifizieren. Neben einer stark überhöhten Zahlungsverpflichtung bedarf es eines weiteren Umstands, der dieses überzogene Strafversprechen als verwerflich erscheinen lässt. Auf subjektiver Ebene bedarf es beim Gläubiger keiner gesonderten Voraussetzungen wie Verschulden oder schikanöser Absichten.159 Die herrschende Lehre teilt dieses dogmatische Verständnis der zwei Säulen für die Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 BGB auf Strafabreden.160 Zu der sittenwidrig überhöhten Vertragsstrafe muss ein weiteres Unrechtselement in Form eines besonderen Umstands hinzutreten; dieser wird – nicht abschließend – kategorisiert in die Existenzgefährdung des Schuldners, die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht oder die Knebelung des Schuldners.161 Dieses durch die Rechtsprechung geprägte Modell der herrschenden Meinung stößt nur vereinzelt auf Kritik. Nach der Gegenansicht von Lindacher wird die Strafhöhe als allein entscheidendes Kriterium angesehen.162 Als Argument führt Lindacher die fehlende Abschreckungswirkung an, wenn der Gläubiger gefahrlos 158 BGH, Urt. v. 30. 03. 1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 (643). Mangels jeglicher Anhaltspunkte hinsichtlich solcher, besonderer Umstände sah sich der VIII. Zivilsenat nicht zu einer Prüfung der Vertragsstrafe veranlasst. 159 RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (101). 160 Canaris, in: FS für Steindorff, S. 519 (536 f.); Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 8; Gronemann, Die Vertragsstrafe, S. 45 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 12; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 106; Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (211); Lübbe, Vertragsstrafe nach gemeinem Recht und BGB, S. 41; Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, § 138, Rn. 165 sowie Schaub, in: Erman, BGB, § 343, Rn. 1; Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 343, Rn. 13; Weyer, BauR 1988, S. 28 (29); Wiemer, Vertragsstrafe in Know-how-Verträgen, S. 143. 161 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343 BGB, Rn. 8; Koller, in: Staub, Großkommentar HGB, § 348, Rn. 12; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 74 ff. 162 Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 101 ff. Sympathien für diese Ansicht wurden bereits bei Inkrafttreten des BGB seitens Hölder, Das Recht, S. 161 (164) kundgetan, wiederum mit der Einschränkung auf exorbitante Strafversprechen für unbedeutende Vertragspflichten.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

exorbitant überhöhte Abreden vereinbaren könne.163 Allerdings dürften die beiden Ansichten in der Praxis kaum zu Unterschieden führen, denn in nahezu sämtlichen Fällen der, von Lindacher angeführten, exzessiven Strafhöhe wird ebenso eine Existenzgefährdung vorliegen.164 Das zentrale Element für die Beurteilung sittenwidrig überhöhter Vertragsstrafen ist die festgeschriebene Höhe des Strafversprechens. Bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ist eine grundlegende Unterscheidung dahingehend angezeigt, ob sich das Übermaß aus dem Betrag der einzelnen Zahlungspflicht oder aus dem Gesamtbetrag mehrerer Einzelstrafen infolge mehrfacher Verwirkungshandlungen ergibt. Die relevanten Kriterien für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Strafhöhe wurden im Rahmen von § 343 BGB dargelegt.165 Eine Betrachtung der summenmäßigen Strafhöhe, vom konkreten Einzelfall losgelöst, ist nicht zielführend, da sich keine allgemeine Festlegung treffen lässt, unter welchen Umständen eine einzelne Vertragsstrafe als unverhältnismäßig angesehen werden muss.166 Die Verhältnismäßigkeit der Strafhöhe muss – wie bei § 343 BGB – variabel am legitimen Sicherungsinteresse des Gläubigers gemessen werden.167 Selbst eine ungewöhnliche Höhe der Vertragsstrafe ist daher bei einem entsprechenden Sicherungsinteresse des Gläubigers nicht zu beanstanden.168 Grundsätzlich sind an die Anforderungen für die Unverhältnismäßigkeit strenge Maßstäbe anzusetzen. Eine bloße Härte für den Schuldner reicht nicht aus. Im Gegenteil: Die Vertragsstrafe darf hart sein. Sie darf für den Schuldner ein empfindliches Übel darstellen. Nur dann wird er effektiv zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung angehalten und die Vertragsstrafe ihrer Funktion als Druckmittel

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Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 101 f. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 764 f. 165 Siehe bereits oben bei § 5, A. I. 1. 166 Rieble, GRUR 2009, 824 (827); so auch schon Wirtz, Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe, S. 18. Es lässt sich nicht eine Grenze dergestalt formulieren, dass jegliche Strafabreden, die eine Zahlungspflicht über 10.000,00 Euro, 100.000,00 Euro oder 1.000.000,00 Euro vorsehen, unverhältnismäßig sind. 167 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 123. 168 BGH, Urt. v. 30. 06. 1976 – VIII ZR 267/75, DB 1976, 1616 (1617). In Anknüpfung an diese Entscheidung hat das OLG Frankfurt in einem Fall um die Zurverfügungstellung von Adressdatensätzen für Werbeaktionen sogar den zwanzigfachen Betrag des Kaufpreises für die vertragswidrige Benutzung des überlassenen Adressmaterials als zulässig erachtet, OLG Frankfurt, Urt. v. 21. 05. 1985 – 5 U 206/84, BB 1985, 1560 (1561). Das Gericht erkannte im Urteil des Bundesgerichtshofs keine Obergrenze und sah in der streitgegenständlichen Höhe das erforderliche Druckmittel, um den Schuldner zum vertragsmäßigen Umgang mit den Adressdaten zu bewegen. Dahingegen hat das OLG München eine Vertragsstrafe im Umfang des zwanzigfachen Adresskaufpreises als zu hoch abgelehnt, weil sie letztlich nur der Schaffung einer neuen Geldquelle diene, welche von keinem Sachinteresse des Gläubigers mehr gedeckt ist, OLG München, Urt. v. 26. 05. 1993 – 7 U 1829/93, NJW-RR 1993, 1334 (1334 f.). 164

§ 6 Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB

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gerecht.169 Die Grenze zwischen Zulässigkeit und Sittenwidrigkeit wird erst dann überschritten, wenn die Strafe jedes verständige Maß übersteigt, außerhalb jeder vernünftigen Beziehung zum inkriminierten Verhalten steht, schlicht exzessiv ist.170 Die Formulierungen über die Höhe der Zahlungspflicht klingen im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB insgesamt eine Nuance schärfer, als im Falle der Überprüfung anhand von § 343 BGB. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Kontrollmechanismen liegt freilich in dem Prüfungsgegenstand: § 343 BGB hat einen beschränkten Fokus und kontrolliert lediglich die konkrete Zahlungspflicht auf ihre Unverhältnismäßigkeit. Dagegen zielt die Norm des § 138 BGB auf die gesamte Vertragsstrafe. Daher muss bei der Feststellung der Sittenwidrigkeit, im Hinblick auf Art und Weise der Zuwiderhandlung, mit einem gewissen Grad an Ungewissheit vorliebgenommen werden. Die verwandte Frage, welches Szenario für die abstrakt zu prüfende Zuwiderhandlung anzunehmen ist, wurde bislang keiner abschließenden Klärung zugeführt. Die Unverhältnismäßigkeit des Strafversprechens kann am denkbar leichtesten oder schwersten Fall der Zuwiderhandlung überprüft werden.171 Ein Abstellen auf den durchschnittlich zu erwartenden Verstoß ist ebenso vorstellbar.172 Das Reichsgericht lehnte eine maßgebende Bedeutung des geringstmöglichen Verstoßes ab; es bevorzugte § 242 BGB als Korrektiv für diese Konstellationen.173 Das OLG Celle hat hingegen wegen einer drohenden, übermäßigen Strafzahlung bei einer eintägigen Verzögerung eines Bauprojekts die Sittenwidrigkeit des Strafversprechens bejaht.174 169

BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (920). Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 64, 69; RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (231); RG, Urt. v. 26. 05. 1914 – II 620/13, RGZ 85, 100 (101). 171 Im erstgenannten Sinne Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, S. 142; gegenteilig Koller, in: Staub, Großkommentar HGB, § 348, Rn. 12. Aus Sicht des Schuldners wäre es am verhängnisvollsten, wenn er der strafbewehrten Vertragspflicht nur im denkbar geringsten Umfang nicht nachkommt, aber dennoch die Strafzahlung vollumfänglich auslöst. 172 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 76. 173 Im Rahmen der Beurteilung einer Vertragsstrafe aus einem Bierbezugsvertrag für den unerlaubten Fremdbezug von Bier hat das Reichsgericht den Ausführungen der Vorinstanz widersprochen, welche die Sittenwidrigkeit des Strafversprechens mit der Begründung angenommen hatte, dass sich bei geringen Verstößen gleichwohl eine überaus stattliche Zahlungspflicht ergeben könne. Das Reichsgericht hingegen billigte das Interesse der Brauerei, bei schwerwiegenden Verstößen eine entsprechend hohe Zahlungspflicht verhängen zu können. Der Schuldner könne jedoch die Einrede der Arglist nach § 242 BGB erheben, sollte die Brauerei diese hohe Strafe verlangen, wenn nur ein geringfügiger oder gelegentlicher Fremdbezug erfolgte, RG, Urt. v. 30. 10. 1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251 (258 ff.). 174 OLG Celle, Urt. v. 22. 03. 2001 – 13 U 213/00, BauR 2001, 1108 f. Zugrunde lag ein Bauträgervertrag über ein Grundstück. Der Käufer beabsichtigte auf dem Grundstück zwei Wohnhäuser für insgesamt ca. 1.000.000,00 DM erbauen zu lassen. Der Verkäufer verpflichtete sich, das Bauvorhaben bis zu einem festgelegten Datum mangelfrei abzuschließen. Sollte er diese Vorgabe nicht erfüllen können, verabredeten die Parteien eine Vertragsstrafe von 150.000,00 DM (15 % des Kaufpreises). Für diese Verpflichtung verbürgte sich der Beklagte. 170

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Problematisch an den beiden Extrempositionen ist die Orientierung an seltenen Ausnahmefällen, die in der Realität kaum verwirklicht werden und wohl von den Vertragsparteien nicht annähernd bedacht, schon gar nicht zur Grundlage ihrer Verhandlungen gemacht werden. Die Aussage von Rieble verdient demgegenüber Zustimmung: Die Vertragsstrafe darf und muss typisieren –175 wenngleich mit der Einschränkung der Verallgemeinerung im vertretbaren Rahmen. Die Strafabrede sollte möglichst derart flexibel ausgestaltet sein, dass sie für verschiedene Arten der Zuwiderhandlung eine Anpassungsmöglichkeit bezüglich des Zahlungsumfangs bietet. Vorzugswürdig erscheint daher die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Strafabrede anhand eines typischerweise zu erwartenden Verstoßes vorzunehmen. Eine Kontrolle von sich ergebenden Extremfällen kann mit Hilfe von § 343 BGB und § 242 BGB erfolgen. Neben der Problematik von unverhältnismäßig überhöhten Einzelstrafen hat sich die Sittenwidrigkeit in den dargestellten Fällen der Rechtsprechung häufig durch die mehrmalige Verwirkung der Vertragsstrafe ergeben, so dass die zu zahlende Gesamtsumme (erst) infolge der Aufsummierung unverhältnismäßig wurde. Typisches Beispiel sind die mit fortschreitender Zeit ansteigenden Pönalen beim Verzug. Es kann zunächst befremdlich erscheinen, warum die Aufsummierung die Übervorteilung begründen soll: Wenn die Zahlungspflicht pro Einzelverstoß nicht unverhältnismäßig ist, diese sogar dem Interesse des Gläubigers an dem vertragsgemäßen Verhalten entspricht, erhöht sich letztendlich das betroffene Interesse bei mehrfachen Verstößen. Allerdings wird in den allermeisten Fällen der Anstieg des Interesses ab einer gewissen Anzahl an Verstößen abflachen, während die Strafsumme weiterhin mit jedem Verstoß linear zunimmt. Außerdem wird dem Gläubiger so ein Anreiz gesetzt, sich wiederholende Verstöße gewähren zu lassen, anstatt dagegen einzuschreiten. Dies verstößt unter Umständen jedoch gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB. Weiterhin führt eine fehlende Obergrenze bei einer stetig steigenden Strafhöhe zwangsläufig zu einer Existenzgefährdung ab einer gewissen Anzahl an Verstößen. Dies kann allerdings nur für Konstellationen gelten, bei denen nach der Natur des Vertrags bzw. der Vertragsverletzung eine nahezu beliebig häufige Wiederholung des Verstoßes denkbar ist. Die Ausgestaltung der Obergrenze kann im Übrigen frei erfolgen: entweder prozentual, betragsmäßig oder zeitabhängig.176 Nachdem der Verkäufer zahlungsunfähig wurde, scheiterte die anvisierte fristgerechte Fertigstellung. Der Kläger hat den Beklagten aus der Bürgschaft für die Vertragsstrafe in Anspruch genommen. Das OLG Celle verneinte den Anspruch auf die Zahlung der Pönale, weil es die Strafabrede als sittenwidrig und daher nach § 138 BGB nichtig ansah. Denn die Strafe wird bereits in voller Höhe fällig, selbst wenn der Fertigstellungstermin nur um einen Tag überschritten wird. Bei diesem geringen Verstoß stünde die Strafzahlung jedoch in keinem Verhältnis mehr zum tatsächlichen Nachteil des Käufers. Dies sei unangemessen und eine völlige Bevorzugung der Interessen des Klägers. 175 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 76. 176 Weyer, BauR 1988, S. 28 (31).

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III. Hinzutretender Umstand als die Sittenwidrigkeit auslösender Faktor Zu der überhöhten Strafhöhe muss ein weiterer, die Sittenwidrigkeit begründender Umstand hinzutreten. Die Rechtsprechung nahm insoweit Anleihe bei anderen Fallgruppen, welche sie bzw. das Schrifttum für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit entwickelt hat. Das Leitbild der Fallgruppe der Existenzgefährdung wurde anhand von Sachverhalten geprägt, deren ausstehende Zahlungsverpflichtung aus der Strafabrede die lebenslange Existenz des Schuldners zerstört.177 Der Schuldner soll nicht wegen einer Vertragsverletzung und der daraus resultierenden Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe seine gesamte finanzielle Zukunft aufgeben müssen. Die Gefahr einer beschwerlichen Abzahlung über mehrere Jahre genügt dagegen nicht. Bezogen auf juristische Personen ist die drohende Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wegen des Vorliegens eines Grundes nach §§ 17 ff. InsO, ein Tatbestand von vergleichbarer Tragweite. Weitere Typisierungsfallgruppen sind die Ausnutzung der wirtschaftlichen Macht durch den Gläubiger und die Knebelung des Schuldners. Als Ausnutzen von wirtschaftlicher Macht gilt im Rahmen des § 138 BGB, wenn der Vertragspartner faktisch fremdbestimmt zum Vertragsschluss mit festgelegten Vertragsbestimmungen gezwungen ist, die überhöhte Entgelte oder sonstige unbillige Regelungen beinhalten.178 Die Verwerflichkeit liegt im Entzug der Vertragsfreiheit des Vertragspartners, der beispielsweise aufgrund eines Monopols keine Alternative zum konkreten Vertrag hat und sich so in einer Ausnutzungssituation befindet. Knebelung meint die Einschränkung der wirtschaftlichen oder persönlichen Entfaltungsfreiheit einer Vertragspartei, wodurch diese ihre Selbständigkeit bei der Entscheidungsfindung zumindest überwiegend verliert.179 Eine überhöhte Vertragsstrafe kann die Kneblung verstärken oder sogar erst erzeugen, wenn die drohende Strafzahlung den Schuldner von einer Vertragsabweichung und damit von der Rückerlangung seiner Selbstständigkeit abhält. Ein Beispiel hierfür sind langjährige Bezugsbindungen an mengenmäßig festgeschriebenen Produkten, die durch eine Vertragsstrafe abgesichert sind.

177 RG, Urt. v. 07. 04. 1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 (231). In dieser eingangs dargestellten Entscheidung aus dem Jahr 1908 betrug die Strafverpflichtung eines Arbeitnehmers 100.000,00 Mark für jede Zuwiderhandlung. Sein Jahreseinkommen belief sich hingegen nur auf 2.400,00 Mark. Er sah sich einer Zahlungsverpflichtung ausgesetzt, welche er, selbst bei lebenslanger Zahlung, nicht abbezahlen konnte, weshalb seine wirtschaftliche Existenz vollständig zerstört würde. Konsequenterweise wurde in einer nachfolgenden Entscheidung bei der Maximalstrafe von 46.000,00 Mark im Verhältnis zu einem Jahreseinkommen von 7.000,00 Mark die Existenzgefährdung abgelehnt, RG, Urt. v. 07. 01. 1913 – III 234/12, JW 1913, 319 (320). 178 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 BGB, Rn. 293; Schulze, in: Handkommentar BGB, § 138, Rn. 11. 179 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 71; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 BGB, Rn. 302.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

B. Primat der Nichtigkeit Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen die guten Sitten verstößt. Anders als bei § 343 BGB folgt die Nichtigkeit aus dem Gesetz selbst und es bedarf keines konstitutiv wirkenden richterlichen Gestaltungsakts.180 Der genaue Umfang der Unwirksamkeitsfolge ist in jedem Fall zu prüfen, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht per se ausgeschlossen ist. Während § 343 BGB dem Gläubiger stets die Möglichkeit einer zweiten Chance, zumindest auf eine niedrigere Vertragsstrafe lässt, soll bei Sittenverstoß nach § 138 BGB dem Gläubiger der Vorteil einer geltungserhaltenden Reduktion nur ausnahmsweise gewährt werden. Vor diesem Hintergrund lohnt die nähere Betrachtung der Rechtsfolge bei sittenwidrig überhöhten Vertragsstrafen. Dies gilt umso mehr, als bei einer als sittenwidrig eingeordneten Vertragsstrafe in zweifacher Hinsicht zu unterscheiden ist: Zunächst muss hinsichtlich der Strafklausel selbst eruiert werden, ob diese vollends von der Nichtigkeit betroffen ist oder eine Aufteilung in einen unwirksamen und einen noch wirksamen Teil möglich ist. In einem zweiten Schritt gilt es untersuchen, ob die Sittenwidrigkeit die Nichtigkeit des gesamten Vertrags nach sich zieht. I. Klauselbezogene Betrachtung Mit Blick auf die Rechtsfolge bei der Vertragsstrafeabrede zeigt sich ein Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis. Die Unwirksamkeitsfolge der sittenwidrigen Abrede ist einerseits Ausdruck der Missbilligung des Rechtsgeschäfts durch die Rechtsordnung.181 Andererseits sollen der oder die Urheber und der Rechtsverkehr im Allgemeinen vor einer zukünftigen Verwendung abgeschreckt werden (Präventivfunktion).182 Vor diesem Hintergrund spricht sich eine weit verbreitete Ansicht im Schrifttum dafür aus, generell jedem Sittenverstoß die Nichtigkeit des Vertrags insgesamt folgen zu lassen.183 Es existiert jedoch eine Gegenauffassung, welche sich in Befürwortung einer geltungserhaltenden Reduktion für die Eingrenzung der Nichtigkeitsfolge auf den von der Sittenwidrigkeit unmittelbar betroffenen Vertragsteils ausspricht.184 Den Anknüpfungspunkt für diese abgeschwächte Betrachtungsweise soll die Formulierung des Gesetzes selbst bilden: Diese wird dahingehend verstanden, dass ein Rechtsgeschäft 180

Sieg, NJW 1951, S. 506 (508). Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 158. 182 Lindacher, AcP 173 (1973), S. 124 (129). 183 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 107; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 138, Rn. 58; Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 389; BGH, Urt. v. 12. 07. 1965 – II ZR 118/63, BGHZ 44, 158 (162). In dieser Entscheidung bringt der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Ablehnung gegen die Reduktion eines wucherisch überhöhten Kaufpreises zum Ausdruck; BGH, Urt. v. 21. 03. 1977 – II ZR 96/75, BGHZ 68, 204 (207); Lindacher, AcP 173 (1973), S. 124 (130). 184 Dörner, in: Handkommentar BGB, § 138, Rn. 17. 181

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nur nichtig ist, soweit es gegen die guten Sitten verstößt – eine solche Lesart sei jedenfalls nicht ausgeschlossen.185 Rekurriert wird in diesem Zusammenhang auf die Norm des § 139 BGB und die darin vorgesehene Aufteilung eines Rechtsgeschäfts in einen nichtigen und einen davon nicht betroffenen Teil in Abhängigkeit vom (hypothetischen) Parteiwillen. Die Norm des § 139 BGB enthält eine Vermutungsregelung, wonach der Wille der Vertragspartner im Zweifel auf die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts zielt.186 Das Gesetz möchte die Parteien nicht an einem sinnentleerten, ungewollten Überrest des Vertrags festhalten. Wenn ein (wesentlicher) Teil nichtig ist, sollen die Vertragsparteien im Zweifel das gesamte Vertragswerk von Anfang an und komplett neu verhandeln können. Maßgebliches Kriterium für die Frage der Gesamt- oder Teilnichtigkeit bildet demnach der hypothetische Parteiwille im Moment des Vertragsschlusses. Als Vorbedingung muss das Rechtsgeschäft jedoch überhaupt in einen wirksamen und nichtigen Bestandteil teilbar sein.187 Mangelt es an der Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts, erübrigt sich eine Erörterung des hypothetischen Parteiwillens im Hinblick auf eine teilweise Aufrechterhaltung des Vertrags. Der aufgezeigte Meinungsstreit in Bezug auf eine geltungserhaltende Reduktion sittenwidriger Rechtsgeschäfte muss keiner abschließenden Entscheidung zugeführt werden; in Bezug auf die zu untersuchende Konstellation der überhöhten Vertragsstrafe ergeben sich keine divergierenden Ergebnisse. Bei einer Verletzung des Übermaßverbots – wie bei einem überzogenen Strafversprechen der Fall – besteht keine Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion.188 Die herrschende Meinung im Schrifttum und in der Rechtsprechung lehnt in derartigen Fällen eine mögliche Aufteilung in einen noch angemessenen Betrag und einen sittenwidrig überhöhten Betrag ab: Bei Sittenwidrigkeit, die in einer Störung des innervertraglichen Äquivalenzverhältnisses gründet, sei die geltungserhaltende Reduktion mit großer Zurückhaltung anzuwenden, da andernfalls ein Eingriff in die Vertragsgestaltung droht und die Abschreckungswirkung vor sittenwidrigem Handeln beeinträchtigt wird.189 Die Ablehnung der Teilnichtigkeit überzeugt mit Blick auf die dogmatischen Prinzipien der geltungserhaltenden Reduktion nach § 139 BGB. Es fehlt in derartigen Fällen der quantitativen Überhöhung einer Leistungspflicht an der Teilbarkeit. 185

Armbrüster, in: BGB, Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 158. Diese Regel beruht auf dem Gedanken der Privatautonomie und soll die Parteien vor der Bindung an ein Rechtsgeschäft schützen, welches dem Inhalt nach so nicht zwischen ihnen vereinbart worden ist, so Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 139, Rn. 1; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 139, Rn. 1. 187 Wendtland, in: BeckOK BGB, § 139, Rn. 13, 16. 188 BGH, Urt. v. 12. 07. 1965 – II ZR 118/63, BGHZ 44, 158 (162); BGH, Urt. v. 21. 03. 1977 – II ZR 96/75, BGHZ 68, 204 (207); Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 138, Rn. 48; Lindacher, AcP 173 (1973), S. 124 (130); Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 108. 189 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 138, Rn. 161; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138, Rn. 128. 186

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Die Teilbarkeit lässt sich in erster Linie anhand der Prüfung des verbleibenden Vertragsteils nach Herausstreichen des unwirksamen Vertragspassus ermitteln: Der verbleibende Vertrag muss noch einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweisen, um eine geltungserhaltende Reduktion zu rechtfertigen.190 Bei ziffernmäßigen Vertragsbestimmungen kann die Teilbarkeit deshalb gegeben sein, wenn die unwirksame Angabe durch eine umformulierte Regelung ersetzt werden kann.191 Die Erhaltungs- bzw. Teilungsmöglichkeit im Sinne von § 139 BGB soll nicht per se entfallen, wenn eine Streichung des nichtigen Teils nicht möglich ist, ohne den übrigen Vertragstext seinen sinnvollen Regelungsgehalt zu nehmen.192 Diese quantitative Teilbarkeit ist aber wiederum nur möglich, wenn eine klare Abgrenzbarkeit des nach dem Parteiwillen aufrechtzuerhaltenden Teils von dem unwirksamen Teil gegeben ist:193 Es muss nicht nur feststellbar sein, dass die Parteien überhaupt eine Einigung zu einer geringeren Höhe gewollt hätten, sondern es muss darüber hinaus feststellbar sein, welches Zahlenwerk die Parteien an die vakante Stelle der nichtigen Abrede gesetzt hätten. Stehen verschiedene Varianten der Ersetzung mit einem niedrigeren Betrag offen und fehlt es gleichzeitig an Anhaltspunkten auf eine konkrete Ersetzungsvorgabe durch die Vertragspartner, gelangt § 139 BGB nicht zur Anwendung. Die Konsequenz ist die Nichtigkeit der Bestimmung insgesamt.194 An dieser Stelle überlagern und ergänzen sich die eher formale Betrachtung der Teilbarkeit mit den rechtspolitischen Präventionsüberlegungen in Bezug auf § 138 BGB. Gerade bei sittenwidrigen Vertragsbestimmungen bewegt sich das erkennende Gericht in dem Spannungsverhältnis zwischen Umsetzung des hypothetischen Parteiwillens und dem unzulässigen Eingriff in die Vertragsgestaltung. Der Bun-

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RG, Urt. v. 19. 12. 1934 – V 200/34, RGZ 146, 234 (236); BGH, Urt. v. 14. 02. 1962 – V ZR 92/60, NJW 1962, 912 (913). 191 BGH, Urt. v. 05. 06. 1989 – II ZR 227/88, BGHZ 107, 351 (355 f.): „Nach dem Sinngehalt der Vorschrift ist sie aber grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn die Parteien anstelle der nichtigen Regelung, hätten sie die Nichtigkeit gekannt, eine andere, auf das zulässige Maß beschränkte vereinbart hätten. […], dass sich der Vertragsinhalt in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen läßt“; BGH, Urt. v. 14. 11. 2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 (47). 192 Die Ersetzung anstelle der Streichung im Vertragstext stellt in diesem Zusammenhang keine Umdeutung nach § 140 BGB dar. Die Umdeutung erfordert die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts und greift nicht, wenn eine Teilnichtigkeit als Folge einer Teilbarkeit vorliegt, Mansel, in: Jauernig, BGB, § 140, Rn. 3. 193 St. Rspr. siehe BGH, Urt. v. 19. 09. 1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 (220 f.); BGH, Urt. v. 17. 10. 2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 (1136). 194 BGH, Urt. v. 17. 10. 2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 (1136): „Wo dieser Wille nicht zu ermitteln ist, weil mehrere Möglichkeiten zur Ersetzung der nichtigen Bestimmung gegeben sind und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, welche von ihnen die Parteien gewählt hätten, ist der Regelungsbereich der Vorschrift überschritten. […] In einem solchen Fall kommt nur ein ,Hinausstreichen‘ der nichtigen Bestimmung oder aber die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts in Betracht.“

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desgerichtshof löst diese Konfliktlage in seinem Urteil aus dem Jahr 2008 wie folgt auf: „Könnte ein Gericht bereits daraus, dass eine von ihm erwogene Aufspaltung in einen wirksamen und einen nichtigen Teil zu einem vernünftigen Interessenausgleich führt, folgern, diese entspräche dem hypothetischen Willen der Parteiwillen, verlören sittenwidrige Rechtsgeschäfte das Risiko, mit dem sie in Folge der gesetzlich angeordneten Nichtigkeitssanktion behaftet sind. Der Begünstigte könnte nämlich damit rechnen, schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das zu bekommen, was die Parteien nach Auffassung des Gerichts bei redlicher Denkweise als gerechten Interessenausgleich hätten akzeptieren sollen. Fast jede sittenwidrige Vertragsklausel ließe sich auf diese Weise im Wege der quantitativen Teilbarkeit aufrechterhalten. Hierzu darf eine entsprechende Anwendung von § 139 BGB nicht führen. Im Grundsatz ist deshalb von der Nichtigkeit einer sittenwidrigen Klausel auszugehen. Nur ausnahmsweise kommt eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil entsprechend § 139 BGB in Betracht, wenn konkrete, über allgemeine Billigkeitserwägungen hinausgehende Anhaltspunkte den Schluss rechtfertigen, dass die Aufspaltung dem entspricht, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung geregelt hätten.“195

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vermeidet es, der geltungserhaltenden Reduktion bei quantitativer Überhöhung gänzlich eine Absage zu erteilen. Diese bleibe in Ausnahmefällen möglich. Canaris lehnt die drastische Folge einer unwirksamen Strafabrede gänzlich ab196 – die seitens des Bundesgerichtshofs offengelassene Option einer geltungserhaltenden Reduktion im Ausnahmefall kann er als Anknüpfungspunkt nutzen, welchen es fruchtbar zu machen gilt. Canaris argumentiert mit der Norm des § 343 BGB. Vergleicht man die geltungserhaltende Reduktion nach § 343 BGB, zeige sich die Unverhältnismäßigkeit der Nichtigkeitsfolge bei Vertragsstrafen. Schon das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebiete die geltungserhaltende Reduktion bei überhöhten Strafabreden, der Nichtigkeit vorzuziehen. Ferner verweist er auf den angeblichen Wertungswiderspruch zwischen der Reduktionsmöglichkeit bei Abreden gegenüber einem Verbraucher und ihrem im unternehmerischen Verkehr infolge von § 348 HGB.197 Dieser Argumentation lässt sich jedoch entgegentreten. Die unterschiedlich streng ausgestalteten Eingriffsvoraussetzungen von § 138 BGB und § 343 BGB lassen keinen derartigen Vergleich zu, der die Grundsystematik in der Rechtsfolgengestaltung der jeweiligen Norm nachhaltig umgestalten könne – die divergierenden Eingangsanforderungen können auf Rechtsfolgenseite nicht unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus bewirkt gerade die Kaufmannseigenschaft in einer Vielzahl von gesetzlich geregelten Fällen die unterschiedliche Behandlung von ansonsten

195 196 197

BGH, Urt. v. 17. 10. 2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 (1136 f.). Canaris, in: FS für Steindorff, S. 519 (537 f.). Canaris, in: FS für Steindorff, S. 519 (538).

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

gleichgelagerten Sachverhalten.198 Demnach fügt sich das Fehlen der Reduktionsmöglichkeit im kaufmännischen Bereich eher in das bereits vorhandene Wertesystem ein, als diesem entgegenzutreten. Außerdem bezieht sich der Bundesgerichtshof bei der von ihm formulierten Ausnahme auf konkrete Anhaltspunkte im Sachverhalt, nicht aber die generelle Einordnung von überhöhten Vertragsstrafen als Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge. Demnach ist eine, im Einzelfall, aufgrund konkret nachweisbarer Abreden zwischen den Parteien, geltungserhaltende Reduktion eines überhöhten Strafversprechens vorstellbar. Hieraus kann aber nicht schon eine allgemeine Direktive für den Umgang mit überhöhten Strafabreden abgeleitet werden. II. Vertragsbezogene Betrachtung An die Nichtigkeit der Vertragsstrafenabrede schließt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrags insgesamt an. Die Lösung erfolgt wiederum unter Anwendung von § 139 BGB, der Überprüfung von Teilbarkeit und dem hypothetischen Parteiwillen. Eine geltungserhaltende Reduktion des übrigen Vertrags ist nach ständiger Rechtsprechung ausgeschlossen, sobald die Sittenwidrigkeit mehrere Abreden des Vertrags betrifft, dieser deshalb weitgehend bzw. insgesamt umgestaltet werden müsste, um ohne sittenwidrige Elemente aufrechterhalten zu werden.199 In diesen Fällen mangelt es an der Teilbarkeit. Übertragen auf die Konstellation von überhöhten Strafklauseln folgt daraus die grundsätzliche Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion des Vertrages: Die Strafabreden bilden in aller Regel einen klar abgrenzbaren Bereich des Vertragswerks. Damit der Vertrag unter Herausstreichung der sittenwidrigen Strafabreden aufrechterhalten werden kann, muss neben der Teilbarkeit ein Parteiwille dahingehend vorhanden und feststellbar sein, den Vertrag trotz eines unwirksamen Elements fortbestehen zu lassen. Die Vermutungsregel des § 139 BGB für die Nichtigkeit muss widerlegt werden. Dies kann problematisch werden, sollte die Absicherung der Vertragspflichten durch die Strafabrede nicht nur eine untergeordnete Abrede darstellen. In der Praxis helfen an dieser Stelle salvatorische Klauseln.200 Diese gehören speziell in komplexeren und langfristigen Verträgen zum Standard, um bei der teilweisen Unwirksamkeit bzw. Lückenhaftigkeit des Vertrags die gesamte Unwirksamkeit des Vertragswerks zu verhindern.201 Salvatorische Klauseln bestehen 198 Beispielsweise das Entfallen der Einrede der Vorausklage gemäß § 349 HGB oder die Formfreiheit für die Abgabe einer Bürgschaftserklärung nach § 350 HGB. 199 BGH, Urt. v. 11. 11. 1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 (57); BGH, Urt. v. 06. 10. 1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 (162); Jürgen F. Baur, in: FS für Vieregge, S. 31 (39 f.). 200 Hierzu detailliert bei Michalski/Römermann, NJW 1994, S. 886 (887 f.) und Michalski, NZG 1998, S. 7 ff. 201 Jürgen F. Baur, in: FS für Vieregge, S. 31 (31).

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zumeist aus einer Erhaltungsklausel mit dem Ziel der Begrenzung der Nichtigkeit und einer Ersetzungsklausel mit dem Ziel der Ausfüllung der Vertragslücke.202 Salvatorische Klauseln setzen allerdings ebenso die saubere Abtrennbarkeit des nichtigen Teils voraus, weshalb sie auf Ebene der Strafabrede selbst keine Wirkung entfalten.203 Für Unternehmenskaufverträge hat der Bundesgerichtshof beiläufig erwähnt, dass ohne salvatorische Klausel eine Aufrechterhaltung des nicht von der Sittenwidrigkeit betroffenen Vertragsteils schwierig wird.204 Im Ergebnis haben sittenwidrige Vertragsstrafen, entsprechend der herrschenden Meinung, die Unwirksamkeit zur Rechtsfolge. Ausnahmen hiervon sind selten und bedürfen eines hinreichend konkreten Hinweises auf einen anderweitigen Parteiwillen. Es muss deutlich werden, welche reduzierte Leistungspflicht die Parteien für den Fall der Nichtigkeit angedacht haben. Hieran dürfte es in aller Regel fehlen, weshalb die Nichtigkeit zwar keinen Automatismus darstellt, gleichwohl aber das regelmäßige Ergebnis ist. Eine entsprechende Ausstrahlungswirkung der Nichtigkeit auf den Vertrag insgesamt besteht dagegen nicht – jedenfalls im Falle der Verwendung salvatorischer Klauseln. Ungeachtet dessen, bleibt es dem Gläubiger im Übrigen unbenommen, einen Ausgleich seiner verletzten Interessen mittels der Geltendmachung von vertraglichen und gesetzlichen Schadensersatzansprüchen anzustreben.

C. Bewertung Die Heranziehung von § 138 Abs. 1 BGB als Beurteilungsmaßstab für die Vertragsstrafe überzeugt im Lichte der allgemeinen Systematik des BGB. Mit Blick auf die Rechtspraxis und deren Bedürfnisse bei der Verwendung derartiger Klauseln ist das Ergebnis dagegen problematisch. Das Anforderungsprofil der Sittenwidrigkeitsnorm hat durch die höchstrichterliche Rechtsprechung eine strenge Ausgestaltung erfahren. Die tatsächliche Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 BGB bleibt dadurch auf wenige Ausnahmefälle begrenzt, in denen der Gläubiger den Schuldner allzu drastisch übervorteilt hat. Als gängiges Korrektiv für die Vielzahl von Sachverhalten im Geschäftsverkehr, in denen der Gläubiger gegenüber dem Schuldner mittels der Vertragsstrafe eine übermäßige, aber eben nicht extreme Überzeichnung seiner berechtigten Interessen 202 Jürgen F. Baur, in: FS für Vieregge, S. 31 (32 f.). Siehe dort auch die Beispielformulierung für Erhaltungsklausel („Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages nicht wirksam sein, so wird die Gültigkeit der anderen Bestimmungen hiervon nicht berührt“) sowie für Ersetzungsklausel („Die Vertragspartner verpflichten sich für den Fall der Unwirksamkeit einer Bestimmung, diese durch eine andere zu ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt“). 203 BGH, Urt. v. 08. 02. 1994 – KZR 2/93, GRUR 1994, 463 (465) – Pronuptia II; Jürgen F. Baur, in: FS für Vieregge, S. 31 (38 f.); Thüsing, NZG 2004, S. 9 (14). 204 BGH, Urt. v. 15. 03. 1989 – VIII ZR 62/88, WM 1989, 954 (956).

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vornimmt, welche zugleich eine existenzielle Gefährdung für den Schuldner darstellt, taugt die Norm des § 138 BGB nicht. Die hohen Anwendungsvoraussetzungen sind wiederum schlüssig, führt man sich die einschneidende Rechtsfolge der Nichtigkeit der Strafabrede vor Augen. Nichtsdestoweniger verknüpft diese Unwirksamkeit der Klausel die Einwendung der Sittenwidrigkeit mit einer Starrheit, welche kaum Raum für individuelle, flexible Einzelfalllösungen bietet. Stattdessen erfolgt die Handhabe nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Diese Rechtsfolge entspricht der Zielrichtung von § 138 BGB als Schutznorm vor nicht tolerierbaren Verstößen gegen die Vertragsfreiheit, die so zumindest jedweden Anreiz für die Verwendung sittenwidriger Klauseln zu unterbinden weiß. Das dualistische Anforderungsprofil für die Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe wurde durch das Reichsgericht im Einklang mit der Systematik des BGB entwickelt und geprägt. Neben der Unverhältnismäßigkeit der Strafhöhe bedarf es noch eines Plusfaktors wie beispielsweise die Existenzgefährdung des Schuldners. Für diese Sicht spricht dessen Konsistenz mit dem generellen Anforderungsprofil bei § 138 BGB. Es handelt sich bei dem Makel der Sittenwidrigkeit um einen Vorwurf an das Rechtsgeschäft, der sich aus einem Zusammenwirken mehrerer Faktoren in der Gesamtschau ergibt. Es erscheint wenig schlüssig, warum hiervon eine Ausnahme gemacht werden sollte, wenn die Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe geprüft wird. Der Vergleich zu § 138 Abs. 2 BGB spricht ebenfalls gegen ein Abstellen auf die Strafhöhe als singulären Faktor. Das auffällige Missverhältnis als ein den Wucher begründendes Merkmal ist in § 138 Abs. 2 BGB enthalten. Für die Annahme des Wuchers muss sodann etwas Verwerfliches bzw. Beanstandungswürdiges hinzukommen. Im Umkehrschluss kann allein ein bestehendes Missverhältnis zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Gläubigers nicht zum Überschreiten der Schwelle zur Sittenwidrigkeit ausreichen.205 Diesen Umkehrschluss bekräftigt das Urteil des Großen Senats für Zivilsachen des Reichsgerichts, in dem der Senat die Stellung des Wuchergeschäfts als Unterfall der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB betont und den Gesamtinhalt des § 138 BGB als für alle Fälle eines Missverhältnisses der Leistungen maßgeblich ansieht.206 Ein diesbezüglicher, unterschiedlicher Maßstab für die Generalklausel in Absatz 1 und den Spezialtatbestand in Absatz 2 des § 138 BGB erscheint nach alledem wenig plausibel. Darüber hinaus befindet sich das dualistische Verständnis in Übereinstimmung mit der Norm des § 343 BGB. Wenn das Gesetz exprissis verbis eine Herabsetzungsmöglichkeit für unverhältnismäßige Vertragsstrafen auf Antrag des Schuldners vorsieht, kann die bloße Zahlungshöhe nicht zur Anwendbarkeit von § 138 BGB führen.207 Nach dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen führt eine überhöhte Zahlungsverpflichtung gerade nicht zur ex tunc-Nichtigkeit der Vertragsstrafe. Eine Umgehung dieses Regelungsmechanismus muss im Hinblick auf den, hinter dieser 205 206 207

Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (211). RG, Urt. v. 13. 03. 1936 – V 184/35, RGZ 150, 1 (2, 4). Weyer, BauR 1988, S. 28 (29).

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Norm stehenden Interessenausgleich, ausscheiden. Denn § 343 BGB findet sowohl bei der nur geringfügig überhöhten Strafforderung Anwendung, als auch bei exzessiven, außerhalb jeder Vernunft liegenden Summen. Bei Kaufleuten gilt dies dagegen nicht. Die Reduktionsmöglichkeit nach § 343 BGB besteht bei Vertragsstrafeversprechen unter Kaufleuten infolge der Norm des § 348 HGB nicht. Das hieraus resultierende geringere Schutzniveau wurde vom historischen Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Es verbleiben in dieser Hinsicht Bedenken bezüglich der Behandlung von Vertragsstrafen bei Kaufleuten, nicht zuletzt, weil die Existenz von § 343 BGB als Argument für das duale Anforderungsprofil im Rahmen von § 138 BGB herangezogen wird.208 Dem entspricht auf der Rechtsfolgenseite bei § 138 BGB die in aller Regel festzustellende Unwirksamkeit der betreffenden Strafabrede. Eine geltungserhaltende Reduktion der Strafklausel auf eine Formulierung, die eine geringere Zahlungspflicht auslöst, lässt sich nur in seltenen Ausnahmefällen begründen. Diese einschneidende Rechtsfolge der Unwirksamkeit wurzelt einerseits in rechtspolitischen Überlegungen hinter der Norm des § 138 BGB und der damit intendierten Anreizstruktur zur Mäßigung des Gläubigers. Andererseits fehlt es an einer Teilbarkeit von quantitativ überhöhten Beträgen, was eine unzulässige Rechtsgestaltung durch den Richter auslösen würde. Das BGB gestattet dem Richter nur in Ausnahmenormen wie eben § 343 BGB oder § 315 Abs. 3 BGB den Eingriff in einen vertraglichen Konsens aufgrund von Billigkeitserwägungen. Die Norm des § 138 BGB ist hingegen nach ihrer Konzeption ein Instrument zur Begrenzung der Vertragsfreiheit und eben gerade keine vertragsumgestaltende Eingriffsnorm. Die starre Rechtsfolge der Nichtigkeit ist damit zwar die konsequente Reaktion auf den Normzweck und die hohen Anforderungen an die Sittenwidrigkeit, verhindert aber zugleich einen flexiblen Umgang mit überhöhten Vertragsstrafen im kaufmännischen Bereich.

§ 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB Infolge der Nichtanwendbarkeit des richterlichen Ermäßigungsrechts nach § 343 BGB auf Kaufleute im Sinne der §§1 – 6 HGB und der beträchtlichen Hürden einer Berufung auf die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB können dem angerufenen Gericht bei Strafversprechen eines Kaufmanns die Hände gebunden sein, selbst wenn es die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung für überzogen ansieht. Einen Ausweg bietet der Rückgriff auf die Generalnorm des § 242 BGB, welche der Bundesgerichtshof mit seiner Kinderwärmekissen-Entscheidung im Interesse einer Verrechtlichung dienstbar gemacht hat.

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Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 765.

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A. Hintergrund der richterlichen Rechtsfortbildung Bei der Generalnorm des § 242 BGB hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Konventionalstrafen zunächst Fallgruppen entwickelt, bei denen die Geltendmachung der Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht zulässig ist.209 Diese Fallgruppen sollen nachfolgend knapp dargestellt werden, um anschließend den Bogen über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle bis über die Kinderwärmekissen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinaus zu spannen. I. § 242 BGB als Durchsetzungshindernis der Vertragsstrafe Die jeweiligen Anforderungen der Rechtsprechung an den Ausschluss der Geltendmachung einer bereits verwirkten Vertragsstrafe sind hoch, um der drastischen Rechtsfolge gerecht zu werden. Die konkreten Voraussetzungen sind – nicht untypisch für die Generalnorm des § 242 BGB – dehnbar und offen formuliert, um das Gericht mit ausreichend Spielraum für die Beurteilung des Einzelfalls auszustatten. Zuvorderst zu nennen sind Konstellationen, in denen der Gläubiger die Zuwiderhandlung und damit die Verwirkung der Vertragsstrafe provoziert.210 Es handelt sich hierbei um einen Rechtsgedanken vergleichbar dem des Mitverschuldens in § 254 BGB. Der genaue Verlauf der Grenze zur unlauteren Veranlassung lässt sich kaum allgemeingültig formulieren. Eine weitere Fallgruppe betrifft das Sammeln von Vertragsstrafen. Gemeint ist ein Verhalten des Gläubigers, der über einen längeren Zeitraum die Vertragsverstöße des Schuldners zur Kenntnis nimmt, ohne diese

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Eine knappe Übersicht bietet Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 339, Rn. 16. RG, Urt. v. 01. 04. 1935 – VI 541/34, RGZ 147, 228 (233); BGH, Urt. v. 23. 03. 1971 – VI ZR 199/69, NJW 1971, 1126 (1126 f.); BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (920). Im Fall aus dem Jahr 1971 ging es um das Vertragsstrafeverlangen eines insolventen Bewachungsunternehmens wegen des unzulässigen Abwerbens eines Wachmanns durch einen vormals zu bewachenden Betrieb. Eine Klausel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Deutschen Bewachungsgewerbes untersagt dem Auftraggeber zum Schutz vor Abwerbungen innerhalb einer Sperrfrist von einem Jahr, Wachpersonal des Bewachungsunternehmens selbst anzustellen und mit der Bewachung zu betrauen. Im konkreten Fall wurde aber der Bewachungsvertrag wegen der Insolvenz des Bewachungsunternehmens vom Auftraggeber gekündigt. Der Arbeitsvertrag wurde sodann vom Bewachungsunternehmen wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit ebenfalls gekündigt. Daraufhin wurde der Wachmann vom Auftraggeber, zugleich seine vorhergehende Beschäftigungsstelle, angestellt. Damit war zwar der äußere Tatbestand der Vertragsstrafe verwirklicht, jedoch lag nach Bundesgerichtshof kein unzulässiger Abwerbeversuch vor. Vielmehr sei dies die gebotene Reaktion auf die Insolvenz des Bewachungsunternehmens. Dieses Unternehmen habe mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs sein legitimes Interesse hinter der Vertragsstrafe verloren. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe stellt ein venire contra factum proprium dar, welches den früheren Beschäftigten um die Chance auf eine schnelle Anschlussbeschäftigung bringt und damit zugleich den Sozialkassen eine Belastung auferlegt. 210

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zu beanstanden und den Schuldner beispielsweise zur Vertragstreue zu ermahnen.211 Die fehlende Intervention des Gläubigers erweckt beim Schuldner den Eindruck, der Gläubiger sehe wegen den Vertragsverletzungen keine Handlungsnotwendigkeit, weshalb keine Vertragsstrafe zu befürchten sei. Diese Fallgruppe ist von ihrem Konzept her mit der Duldungsvollmacht nach § 167 BGB vergleichbar. Darüber hinaus kann die Geltendmachung der Strafe durch die Rechtsordnung verweigert werden, wenn der Gläubiger seinerseits im relevanten Maße vertragsbrüchig ist, sodass von seinem fehlenden Vertragsdurchsetzungswillen auszugehen ist.212 Im Sinne der Maxime in pari delicto soll es dem Schuldner nicht zugemutet werden, den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, wenn der andere Vertragsteil den Vertrag faktisch entsagt hat, weil er sich selbst nicht vertragstreu verhält und dadurch die Erfüllung der strafbewehrten Verpflichtung durch den Schuldner erschwert.213 Eine andere Fallgruppe betrifft die fehlende Gefährdung der Interessen des Gläubigers durch die Verletzungshandlung: Kann der Gläubiger keinerlei schutzwürdiges Interesse an dem vertragsgemäßen Verhalten des Schuldners vorweisen, wird er sich kaum in zulässiger Weise auf die Vertragsstrafe berufen können.214 Zu überlegen ist schließlich ein Ausschluss des Zahlungsverlangens, wenn der Schuldner sich lediglich eine geringfügige Vertragsverletzung zuschulden kommen

211 Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 10; OLG Celle, ROLG 33 [1916], 233; BGH, Urt. v. 18. 09. 1997 – I ZR 71 – 95, NJW 1998, 1144 ff. Außerdem kann zögerliches Verhalten des Gläubigers nach der Kenntniserlangung von der Verletzung Berücksichtigung finden. Gemeint ist ein (Nicht-) Handeln, das für die Verwirkung des Strafanspruchs nach § 242 BGB nicht ausreichend ist, Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (223). 212 Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht, S. 272; Schaub, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 10; OLG Naumburg, Urt. v. 10. 2. 2004 – 11 U 78/03, VIZ 2004, 246 (247). Im Fall forderte der Verkäufer eines Hafengrundstücks vom Käufer eine Vertragsstrafe wegen unterlassener Investitionsmaßnahmen auf jenem Grundstück. Allerdings hatte der Verkäufer das Eigentum vertragswidriger Weise noch vor Auflassung und Eintragung mit einer Eigentümergrundschuld in Millionenhöhe belastet. Hinzu kamen noch weitere kleinere Beeinträchtigungen der Vertragsdurchführung, wie etwa das beinahe schikanöse Verlangen von Nachweisen. All dies musste den Käufer nach Auffassung des Gerichts an der Sinnhaftigkeit von Investitionen zweifeln lassen. 213 Westermann, in: Erman, BGB, § 339, Rn. 5. Allerdings wird diese Fallgruppe von Teilen des Schrifttums kritisch gesehen, weil insbesondere bei Wettbewerbsverstößen ein Allgemeininteresse an der Durchsetzung der Vertragsstrafe bestehe, siehe Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (221 f.). 214 RG, Urt. v. 30. 11. 1905 – VI 88/05, SeuffA 61 [1906], 183 (185 f.). Das Urteil betraf ein Konkurrenzverbot mit Strafversprechen, gegen das der Schuldner aber erst verstoßen hat, nachdem die Gläubigerin ihren Geschäftsbetrieb aufgegeben hat und in eine andere Stadt gezogen war; Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (221) nennt ein sehr ähnliches Beispiel mit der Vertragsstrafe im Rahmen einer Unterlassungserklärung, die der Gläubiger fordert, nachdem er seinen Geschäftsbetrieb bereits aufgegeben hat, er somit durch etwaiges wettbewerbswidriges Verhalten nicht mehr betroffen ist.

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lässt, beispielsweise eine minimale Verzögerung.215 Die Geltendmachung der Vertragsstrafe kann dann, unter Umständen keine angemessene Reaktion des Gläubigers sein und ihm daher nach Treu und Glauben verwehrt werden. Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Vertragstreue und akkurater Vertragserfüllung, speziell im b2bVerhältnis, kann die Unzulässigkeit der Geltendmachung der Konventionalstrafe freilich nur in absoluten Sonderfällen angenommen werden.216 Zu Recht wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass unter Präventionsgesichtspunkten das Ahnden von minimalen Verstößen durchaus geboten sein kann.217 Schlussendlich sind die Grenzen in derartigen Konstellationen zu anderen Korrektiven fließend.218 Die aufgezeigten Fallgruppen zeigen einen Anwendungsbereich von § 242 BGB bei Vertragsstrafen, der weder den Regelungsgehalt von § 343 BGB berührt, noch die Schwelle zur Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB erreicht. Dennoch kann man die genannten Umstände bei der Gesamtbeurteilung der Vertragsstrafe nicht außer Acht lassen, die in einer Ebene mit den allgemein anerkannten Fallgruppen bzw. Typisierungen von § 242 BGB liegen. II. Verfassungsrechtliche Pflicht zur richterlichen Inhaltskontrolle Die richterliche Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 242 BGB ist ferner in den Kontext der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates in Fällen gestörter Vertragsparität zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht entwickelte eine Pflicht der Gerichte zur Berücksichtigung der Grundrechte und des grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG bei der Inhaltskontrolle von Vertragsbestimmungen. Die Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG stattet die Parteien mit der Freiheit zum Abschluss und zur Gestaltung von Verträgen aus. Sie befähigt damit jeden Grundrechtsträger zur freien Selbstbestimmung über die eigenen Privatrechtsbe-

215 RG, Urt. v. 30. 10. 1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251 (259 f.). Hier ging es um die Vertragsstrafe aus einem Bierlieferungsvertrag. Nach Auffassung des Reichsgerichts sei dem Strafverlangen die Einwendung nach § 242 BGB entgegenzuhalten, wenn sich dieses bei gelegentlichem Fremdbierbezug an der gesamten Restabnahmemenge orientiere. Enneccerus/ Lehmann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 161; Wiemer, Vertragsstrafe in Know-howVerträgen, S. 148, allerdings lediglich mit dem pauschalen Verweis darauf, dass die Entscheidung über das Vorliegen einer derartigen Geringfügigkeit von den Umständen des Einzelfalls abhängt. 216 Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (223); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 774 f. Er betont, dass die Fallgruppe sehr restriktiv anzuwenden ist. Die Rechtsprechung hat etwa einen Rücktritt selbst bei einem Verzug um nur einen Tag akzeptiert – sofern der Gläubiger ein hinreichendes Interesse an der fristgerechten Leistung hat, siehe BGH, Urt. v. 07. 12. 1973 – V ZR 24/73, NJW 1974, 360. 217 Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (223). 218 Siehe zu § 138 BGB oben bei § 6, A. II. 1.

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ziehungen.219 Das Bundesverfassungsgericht entschied im Jahr 1990 über eine Verfassungsbeschwerde eines Handelsvertreters wegen der Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG wegen des Ausschlusses einer Karenzentschädigung beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.220 In dem der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Beschluss betonte der Senat die Bedeutung der Privatautonomie, die es den Vertragspartnern ermögliche, ihre gegenläufigen Interessen angemessen miteinander in Ausgleich zu bringen. Jeder der Beteiligten kann sich dabei auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Die Privatautonomie gerate indes dann an verfassungsrechtliche Grenzen, wenn kein angemessener Interessenausgleich mehr erfolgt, weil ein Vertragsteil ein starkes soziales und wirtschaftliches Übergewicht hat und damit faktisch Vertragsbestimmungen einseitig durchsetzen kann.221 Das Bundesverfassungsgericht leitet hieraus einen Auftrag an die Gerichte ab: „Selbst wenn der Gesetzgeber davon absieht, zwingendes Vertragsrecht für bestimmte Lebensbereiche oder für spezielle Vertragsformen zu schaffen, bedeutet das keineswegs, daß die Vertragspraxis dem freien Spiel der Kräfte unbegrenzt ausgesetzt wäre. Vielmehr greifen dann ergänzend solche zivilrechtlichen Generalklauseln ein, die als Übermaßverbote wirken, vor allem die §§ 138, 242, 315 BGB. […] Der entsprechende Schutzauftrag der Verfassung richtet sich hier an den Richter, der den objektiven Grundentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen hat und diese Aufgabe auch auf vielfältige Weise wahrnimmt.“222

Der Senat formulierte diese Grenze der Privatautonomie und die Bedeutung der zivilrechtlichen Generalklauseln wie §§ 138, 242 BGB ausgehend von der b2bKonstellation im streitgegenständlichen Sachverhalt der Verfassungsbeschwerde. Der Schutz vor Fremdbestimmung und die Begrenzung des Rechts des Stärkeren tangiert mitnichten nur Verbraucherverträge. Vielmehr sollen auch Kaufleute nicht grenzenlos dem freien Wirken der Kräfte im Geschäftsverkehr ausgesetzt werden. Unter Fortführung seiner eingeschlagenen Rechtsprechung erweiterte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 diese Vorgaben.223 Der Beschluss fasste zwei Verfassungsbeschwerden im b2c-Verhältnis zusammen, welche sich jeweils gegen einen formularmäßig verwendeten Bürgschaftsvertrag einer Bank wendeten. Der Bürgschaftsvertrag wurde stets im Zusammenhang mit Ausgabe eines Darlehens geschlossen und sah auch für einkommens- und vermögenslose junge Angehörige oder Ehegatten des Darlehensnehmers die Übernahme eines hohen Haftungsrisikos als Bürgen vor. In der Entscheidung bestätigte das Bundesverfassungsgericht die 219 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 78. Ergänzungslieferung 2016, Art. 2, Rn. 101 f. 220 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 ff. 221 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (255); Wiedemann, JZ 1990, S. 695 (696). 222 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (255 f.). 223 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 ff.; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 138, Rn. 12.

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Vorgabe, wonach die Gerichte jedes Rechtsgeschäft auf seine inhaltliche Schieflage hin zu überprüfen hat.224 „Im Vertragsrecht ergibt sich der sachgerechte Interessenausgleich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit wahr. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. […] Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich jedoch um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt, und sind die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend, so muß die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen. Das folgt aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG).“225

Der Senat wies in diesem Zusammenhang auf die Vorstellung des historischen Gesetzgebers des BGB hin, nach der alle Teilnehmer am Privatrechtsverkehr gleich stark seien – diese Sichtweise wurde bereits durch das Reichsgericht revidiert. Das Bundesverfassungsgericht betonte hieran anknüpfend, es sei eine der Hauptaufgaben des Zivilrechts, im Falle von gestörter Vertragsparität und Fremdbestimmung, einen Ausgleich zu schaffen, so zum Beispiel mittels des Grundsatzes von Treu und Glauben.226 Dabei wiederholte der Senat die Verpflichtung der Zivilgerichte, im Rahmen der der Auslegung und Anwendung von Generalklauseln, die Grundrechte als Richtlinien zu beachten.227 Sollte eine Vertragspartei durch die Vereinbarung ungewöhnlich belastet werden, müssen die Gerichte eruieren, ob die Regelung Folge unterschiedlicher Verhandlungsmacht war und gegebenenfalls mit Hilfe der Generalklauseln berichtigend eingreifen.228 Das Bundesverfassungsgericht befand im Jahr 2001 eine Scheidungsfolgenvereinbarung für verfassungswidrig, in der die schwangere Verlobte auf gesetzliche Unterhaltsansprüche verzichtete und ihren zukünftigen Ehemann von Unterhaltspflichten für gemeinsame Kinder freistellte. Im Urteil wiederholte der Senat die Aufgabe des Rechts zur Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragsparteien und betonte, dass bei stark divergierender Verhandlungsstärke der Vertragspartner und einseitig verteilten vertraglichen Lasten die privatautonome Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt wird.229 224 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 78. Ergänzungslieferung 2016, Art. 2, Rn. 107 ff.; Wiedemann, JZ 1994, S. 411 (413). 225 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 (232). 226 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 (233); Spieß, DVBl. 1994, S. 1222 (1227); Wiedemann, JZ 1994, S. 411 (412). 227 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 (229); Christian Majer, DNotZ 2013, S. 644 (651 f.). 228 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 (234). 229 BVerfG, Urt. v. 06. 02. 2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100 f.).

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Das Bundesverfassungsgericht eröffnet mit seiner Rechtsprechung eine Okkasion zum richterlichen Eingriff in bestehende Verträge im Falle des kumulativen Vorliegens einer ungewöhnlich hohen Belastung einer Vertragspartei, als Folge ihrer Unterlegenheit bei Vertragsverhandlung oder -abschluss. Das Bundesverfassungsgericht betont damit die Funktion, insbesondere, der Generalklauseln im BGB zum Schutz einer Partei vor der Fremdbestimmung. Gleichermaßen begibt sich das Gericht damit in ein Spannungsfeld zwischen Privatautonomie, Grundrechtsschutz und Rechtssicherheit, das sich wohl nur schwer auflösen lässt. Die Privatautonomie und die Selbstbestimmung der Parteien sind Grundpfeiler der Zivilrechtsordnung. Der richterliche Eingriff darf weder die Privatautonomie, noch den Grundsatz pacta sunt servanda aushöhlen.230 Der pacta sunt servanda-Grundsatz verwirklicht Rechtssicherheit und -klarheit, indem er das Vertrauen der Vertragspartner sowie betroffener Dritter auf die Gültigkeit geschlossener Verträge schützen will. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht strenge Anforderungen für einen richterlichen Eingriff formuliert. So sind die Grundrechte der belasteten Partei erst zu berücksichtigen, wenn sich Benachteiligung und Unterlegenheit kumulativ in ihrer Position verwirklichen. Der richterliche Eingriff mithilfe der Generalklausel ist somit auf Ausnahmefälle beschränkt. Die aufgestellten Voraussetzungen sollten allerdings nicht derart hart sein, dass sie nur einen Schutz vor dem wirtschaftlichen Ruin bilden.231 Vergleicht man die Generalnormen des § 318 BGB und des § 242 BGB miteinander, ist § 242 BGB Vorzug zu gewähren, da die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB einen durchweg gravierenderen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellt. Nichtsdestotrotz greift auch die Umgestaltung eines Vertrags durch einen unbeteiligten Richter schwerwiegenden in die Gestaltungsfreiheit und somit in die Privatautonomie der Vertragspartner ein, weil sie an einen in der Form nicht geschlossenen Vertrag gebunden werden. Darüber hinaus kann ein Vergleich des deutschen Rechts zum englischen Recht gezogen werden. Das Verhältnis von einfachem Gesetzesrecht zu den Grundrechten erinnert an das Verhältnis von equity zu common law, welches James I. im Jahr 1615 mit der Maxime „equity shall prevail“ festlegte.232 Bei der Anwendung des common law waren und sind die Gerichte (früher spezielle, heute allgemein) angehalten, equity zu berücksichtigen und equity Vorrang einzuräumen – ähnlich wie die Zivilgerichte bei der Anwendung der Privatrechtsgesetze die verfassungsmäßige Wertordnung der Grundrechte und das Sozialstaatsprinzip berücksichtigen sollen.

230 231 232

Spieß, DVBl. 1994, S. 1222 (1229). Wiedemann, JZ 1994, S. 411 (412). Wiedemann, JZ 1994, S. 411 (411).

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

B. Die Kinderwärmekissen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs Die Reduktion der Vertragsstrafen mittels § 242 BGB wurde vor dem Jahr 2008 selten von der Rechtsprechung thematisiert. Ausdrücklich dagegen sprach sich allerdings noch im Jahr 2007 das OLG Düsseldorf aus, welches ohne weitere Begründung kurz und knapp feststellte, dass bei Kaufleuten kein Raum für eine Herabsetzung nach § 242 BGB bleibe.233 Im Jahr 2008 hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Fragestellung, ob eine Reduzierung von überhöhten Strafversprechen im kaufmännischen Geschäftsverkehr mithilfe des § 242 BGB zulässig ist und, wenn ja, in welchem Umfang diese zu erfolgen hat, aufgegriffen und in der Entscheidung Kinderwärmekissen beantwortet.234 Die Entscheidung und ihre Auswirkungen auf die Anwendungsvoraussetzungen des § 242 BGB sowie die Rechtsfolgen bei überhöhten Strafversprechen gilt es darzustellen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vertrieben die beiden beklagten Unternehmen Kinderwärmekissen, für welche die Klägerseite das eingetragene Geschmacksmuster besaß. In einer Vergleichsvereinbarung sagten die Unternehmen die Unterlassung eines weiteren Verkaufs besagter Kinderwärmekissen zu, wobei ihnen, aufgrund des hohen Restbestands von rund 42.000 Kissen, ein Zeitraum von drei Monaten zum Abverkauf der Restposten gestattet wurde. Zur Absicherung des Verkaufsverbots versprachen die Unternehmen eine Vertragsstrafe in Höhe von 7.669,38 Euro (15.000,00 DM) für jedes angebotene, verkaufte oder verbreitete Kinderwärmekissen. Dies ist bemerkenswert, weil der Verkaufspreis pro Kissen bei etwa 6,50 Euro lag, also ein Vielfaches unterhalb der Strafhöhe. Noch bevor der festgelegte Zeitraum für den erlaubten Abverkauf des Restbestands begann, veräußerten die Unternehmen 7.000 Wärmekissen in einer großangelegten Verkaufsaktion. Der Inhaber des Geschmacksmusters machte daraufhin eine Vertragsstrafe von über 53 Millionen Euro geltend. Der Bundesgerichtshof sah diese Strafsumme als unangemessen hoch an; er bestimmte die maximal zulässige Höhe auf 200.000,00 Euro. Er begründete dies mit dem erwirtschafteten Nettoumsatz durch den Verkauf von knapp 50.000,00 Euro, dem Nichtvorliegen eines absoluten Verkaufsverbots und dem Schuldvorwurf basierend auf der relativen Offenkundigkeit des Verstoßes.235 233 OLG Düsseldorf, Urt. v. 02. 08. 2007 – VI-U (Kart) 10/07, juris, Rn. 79. Die streitgegenständliche Vertragsstrafe entstammte einem Gewerberaummietvertrag. Zur Vermeidung von Konkurrenz für den Vermieter war es danach dem Mieter strafbewehrt untersagt, in den angemieteten Räumen ein Versicherungsgeschäft zu betreiben. Die Vertragsstrafe betrug 50.000,00 Euro. Der Mieter verstieß mehrmals im Monat gegen das Verbot. Im Ergebnis sprach das Gericht die Strafzahlung in voller Höhe zu, weil keine Einwendung durchgriff. 234 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 ff. – Kinderwärmekissen. 235 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. Eine Zusammenfassung der 7000 Einzelverstöße zu einer Verletzungshandlung war aufgrund der eindeutigen Formulierung im Vergleichsvertrag, wonach die Zahlung für jedes einzelne Kissen anfallen sollte, nicht möglich.

§ 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB

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Mit Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 242 BGB galt es für den Bundesgerichtshof zwei Themenkreise zu behandeln: Die Sperrwirkung des § 348 HGB und die eigentliche Voraussetzung für eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Bezogen auf das Herabsetzungsverbot einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB bei Kaufleuten, formulierte der I. Zivilsenat: „Dies[es] schließt in besonders gelagerten Fällen aber nicht aus, dass auch bei einer von einem Kaufmann übernommenen Vertragsstrafe eine Herabsetzung nach § 242 BGB in Betracht kommt.“236 Die Sperrwirkung des § 348 HGB gelte nicht für die generelle Möglichkeit der Herabsetzung, sondern wirke lediglich auf den Herabsetzungsumfang. Ferner verwies der Senat auf Fälle, in denen er bereits zuvor die Anwendung von § 242 BGB bejahte, etwa beim Provozieren des Verstoßes durch den Gläubiger237 oder dem Ansammeln von Verstößen238. Indes vermag dieser Vergleich zu anderen Fallgruppen des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht zu überzeugen. Denn für deren Konstellationen fehlt es an einer entgegenstehenden Ausschlussnorm wie in § 348 HGB, da es sich gerade nicht um Herabsetzungsfälle handelt. Es bleibt damit bei einer Gesetzesmissachtung, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 242 BGB für die Reduktion einer Vertragsstrafe sind die Verwirkung der Zahlungsverpflichtung aus der Abrede und dass diese Leistungspflicht „in einem solchen außerordentlichen Missverhältnis zu der Bedeutung der Zuwiderhandlung [steht], dass ihre Durchsetzung einen Verstoß gegen den das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben darstellt.“239 Die Kriterien für die Feststellung eines Missverhältnisses, bezüglich der Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe, unterscheiden sich nicht von denen bei § 343 BGB. Der Bundesgerichtshof nimmt explizit Bezug auf die Entscheidung Vertragsstrafebemessung240 und überträgt die Bemessungsaspekte auf die Kontrolle nach Treu und Glauben.241 Die Rezeption aus dem b2c-Sektor in den b2bBereich erscheint methodisch bedenklich. Eine Differenzierung bei Rechtsgeschäften, abhängig von der Beteiligung eines Verbrauchers, zeigt sich im BGB beispielsweise in § 310 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Die Verwendung des identischen Kontrollmaßstabs für die Höhe einer Vertragsstrafe im b2b- und b2c-Verhältnis ist demgegenüber nahezu abenteuerlich, insbesondere angesichts der gesetzlichen

236

BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. BGH, Urt. v. 01. 06. 1983 – I ZR 78/81, NJW 1984, 919 (920). Siehe bereits oben im ersten Teil, § 4, A. IV. 2. 238 BGH, Urt. v. 18. 09. 1997 – I ZR 71 – 95, NJW 1998, 1144 ff. Siehe bereits oben im ersten Teil, § 4, A. IV. 2. 239 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. 240 BGH, Urt. v. 30. 09. 1993 – I ZR 54/91, NJW 1994, 45 (46 f.) – Vertragsstrafebemessung. 241 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen. 237

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Entscheidung in § 348 HGB zur gesonderten Behandlung von Vertragsstrafeversprechen unter Kaufleuten.242

C. Reduktion zur Beseitigung der Unverhältnismäßigkeit Der Bundesgerichtshof hat sich dezidiert zur Rechtsfolge der Reduzierung einer Vertragsstrafe nach dem Maßstab von Treu und Glauben geäußert: Die Herabsetzung müsse auf ein Maß erfolgen, welches „ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde. Eine weitergehende Verringerung der Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag kommt dagegen nach § 242 BGB nicht in Betracht. Die Herabsetzung der Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß durch das Gericht sieht § 343 BGB vor, dessen Anwendung vorliegend gem. § 348 HGB gerade ausgeschlossen ist. Diese gesetzliche Folge darf nicht durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB umgangen werden. Vielmehr ist die Vertragsstrafe nur soweit zu reduzieren, als der Betrag unter Würdigung aller Umstände im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben noch hingenommen werden kann. Anhaltspunkt für die Bestimmung des Betrags kann insoweit das Doppelte der nach § 343 BGB angemessenen Vertragsstrafe sein.“243

Hiernach ermittelt der Bundesgerichtshof die Rechtsfolgen der Anwendung des § 242 BGB durch Abgrenzung zur Herabsetzungsfolge aus § 343 BGB. Anders als die Reduktion auf eine angemessene Strafsumme bewirkt § 242 BGB im b2b-Verhältnis die Ermäßigung auf den höchstmöglichen, noch nicht unverhältnismäßigen Betrag. Die Vertragsstrafe eines Kaufmanns kann daher nicht derart weit gerichtlich herabgesetzt werden, dass sie der Vertragsstrafe eines Verbrauchers in vergleichbarer Situation entspräche. Der Unterschied zwischen dem angemessenen Betrag bei § 343 BGB und dem gerade noch verhältnismäßigem Betrag bei § 242 BGB ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch nur schwer zu quantifizieren. Fraglich bleibt, ob ein Gericht tatsächlich für den streitgegenständlichen Sachverhalt beide (hypothetischen) Beträge ermittelt oder faktisch, sowohl bei § 343 BGB im b2c-Sektor, wie bei § 242 BGB im b2b-Sektor, nahezu dieselbe Reduktionsentscheidung trifft. Der Bundesgerichtshof behilft sich mit der Formel, wonach die nach § 242 BGB reduzierte Zahlungsverpflichtung in etwa doppelt so hoch sein soll, wie die nach § 343 BGB. Dieses Multiplikationsverhältnis zwischen den beiden Normen erscheint zu pauschal. So mangelt es gänzlich an Erläuterungen für das Zustandekommen dieses Verhältnisses, weshalb unklar bleibt, warum sich der nach Treu und Glauben reduzierte Betrag nicht beispielsweise nur auf ein Anderthalbfaches oder etwa auf ein Vierfaches des Herabsetzungsbetrags nach § 343 HGB beläuft. Der Senat bezeichnete dieses Wertverhältnis zwar ausdrücklich nur als Anhaltspunkt. Er 242

Eine ähnliche Problematik wurde bereits mit der Frage nach der Geschäftserfahrenheit des Schuldners als mögliches Bemessungskriterium bei § 343 BGB thematisiert. Siehe hierzu oben unter § 5, B. III. 2. 243 BGH, Urt. v. 17. 07. 2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882 (1885) – Kinderwärmekissen.

§ 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB

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lieferte allerdings, abgesehen von diesem Parameter, keine weiteren Unterscheidungskriterien, wodurch er die Bedeutung des Multiplikationsverhältnisses zwangsläufig in den Vordergrund geschoben hat.

D. Bewertung Bei der Betrachtung der Kinderwärmekissen-Entscheidung kann man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass es sich um ein ergebnisorientiertes Urteil handelt, welches dem Wortlaut von § 348 HGB nicht gerecht wird. Demungeachtet erscheint die Umgehung von § 348 HGB als Rechtsfortbildung praeter legem, da die Zivilgerichte, getreu ihrer verfassungsrechtlichen Vorgabe, einen Schutzauftrag gegenüber der unterlegenen Vertragspartei vor einer ungewöhnlich belastenden Vertragsbestimmung infolge einer faktischen Fremdbestimmung haben, dem sie nur durch die Anwendung einer Generalnorm wie § 242 BGB nachkommen können. Zugegeben nahm der historische Gesetzgeber mit § 348 HGB das geringere Schutzniveau für Kaufleute bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe bewusst in Kauf, weil er ihnen, anders als Verbrauchern, nicht die Möglichkeit einer gerichtlichen Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB zugestand. Doch war die Entwicklung zur heutigen Gesellschaft und Wirtschaft, explizit hin zu einer unstreitig teilweise gestörten Vertragsparität nicht nur im b2c-Bereich, sondern auch im b2b-Verhältnis, nicht vorauszusehen. Der Bundesgerichtshof erkannte die wirtschaftlich erwachsene Notwendigkeit für eine Reduktion von Vertragsstrafeversprechen eines Kaufmanns und zog erstmals in der höchstrichterlichen Rechtsprechungsgeschichte § 242 BGB als Begründungsansatz heran. Dieser konstruktive Weg, mit dem er die Anwendbarkeit des Korrektivs nach § 242 BGB begründet, lässt de lege lata Raum für Zweifel. Der entscheidende Dreh- und Angelpunkt ist die Interpretation der Sperrwirkung von § 348 HGB, welche nicht die generelle Möglichkeit der Herabsetzung ausschließe, sondern lediglich den Umfang der Herabsetzungsmöglichkeit beschneide. Dies ergibt sich jedoch weder aus Wortlaut, Systematik noch Historie von § 348 HGB. Eine überzeugende Herleitung muss daher auf ein anderes Fundament gestellt werden, etwa den Telos der Norm bzw. deren Funktionswandel. Dieser Funktionswandel kann mit Blick auf den erforderlichen Schutz der schwächeren Vertragspartei angenommen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat als Schranke der Privatautonomie vorgegeben, krass benachteiligende Regelungen bei abweichender Verhandlungsstärke mittels Generalklauseln zu kontrollieren und zu korrigieren.244 Anders als bei § 343 BGB kann nach dem Bundesgerichtshof bei Heranziehung des § 242 BGB keine Reduktion auf das angemessene Maß, sondern nur bis zur soeben noch nach Treu und Glauben hinnehmbaren Höhe erfolgen. Diese Herab244 BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (255 f.); BVerfG, Beschl. v. 07. 02. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (255 f.).

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

setzung nach den Maßstäben des kaufmännischen Geschäftsverkehrs umschreibt der Bundesgerichtshof freilich nicht in abstracto, sondern begnügt sich mit einem Zuschlag der Verdoppelung gegenüber § 343 BGB. Dies mag für den konkret vom Bundesgerichtshof entschiedenen Kinderwärmekissen-Fall als billiges Entscheidungsergebnis genügen, ein allgemeingültiger Lösungsansatz ist hierin nicht zu erkennen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist im Schrifttum kontrovers aufgenommen worden. Während der überwiegende Teil die Möglichkeit einer gerichtlichen Herabsetzung eines kaufmännischen Strafversprechens mittels § 242 BGB begrüßt,245 ist dieser Ansatz bei Rieble auf Ablehnung gestoßen.246 Er verweist ebenfalls auf den Vorrang der Sondernorm des § 343 BGB gegenüber § 242 BGB, zieht daraus aber, anders als der Bundesgerichtshof, den Schluss, dass bei versperrter Anwendbarkeit durch § 348 HGB gerade kein Rückgriff auf § 242 BGB möglich sei.247 Dieser sei aber bei der Kinderwärmekissen-Entscheidung erfolgt: „Trotz § 348 HGB wird eben doch § 343 BGB angewandt (wenn auch verkleidet als § 242 BGB) nur eben mit dem Faktor 2.“248 Wenngleich die Anwendung von § 242 BGB nicht vollends ausgeschlossen sei, dürfte freilich dessen Heranziehung nicht zur eindeutigen Umgehung von § 348 HGB führen. Die Ausschlusswirkung von § 348 HGB in Bezug auf die Norm des § 242 BGB greift demzufolge im Anwendungsbereich von § 343 BGB, aber nicht in anderen Fällen. Rieble trägt auf diese Weise dem Wortlaut der Norm des § 348 HGB, ihrer Systematik und dem Willen des historischen Gesetzgebers Rechnung. Er plädiert stattdessen für die Anwendung von § 138 BGB im genannten Fall.249 Rieble ist zuzugestehen, dass der Lösungsweg des Bundesgerichtshofs zumindest zweifelhaft erscheint. Die Ausschlusswirkung des § 348 HGB auf den summenmäßigen Umfang der Reduzierbarkeit zu beschränken, erscheint durchaus als eine dogmatische Winkeladvokatur. Trotz alledem: Eine Umgehung von § 348 HGB contra legem ist wegen dem verfassungsmäßig gebotenen Schutz der unterlegenen Vertragspartei vor ungewöhnlich belastenden Vertragsbestimmungen nicht gegeben. Die Aussage des Bundesgerichtshofs, wonach der soeben noch verhältnismäßige Betrag bei § 242 BGB in etwa doppelt so hoch sei wie der angemessene Betrag bei § 343 BGB, kann lediglich als Anhaltspunkt für die zukünftige Rechtsanwendungspraxis gesehen werden. Der Einwand, es handele sich um eine Umgehung der Ausschlusswirkung, schließlich würde § 343 BGB nur um den Faktor 2 erhöht angewandt, vermag überdies deshalb nicht zu überzeugen, weil es zwangsläufig ein 245 Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 343, Rn. 4; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 343, Rn. 8; Köhler, in: FS für Gernhuber, S. 207 (220); Olzen/Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 242, Rn. 668; Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 343, Rn. 2. 246 Rieble, GRUR 2009, S. 824 ff. 247 Rieble, GRUR 2009, S. 824 (826). 248 Rieble, GRUR 2009, S. 824 (826); fast wortgleich wiederholend ders., NJW 2011, S. 819 (820). 249 Rieble, GRUR 2009, S. 824 (827 f.).

§ 7 Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB

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Verhältnis zwischen § 242 BGB und § 343 BGB geben muss. Ob dieses über den Faktor 2, 3 oder 5 bestimmt werden kann, ist zweitrangig. Das Korrektiv des § 242 BGB mit der so eröffneten Okkasion einer Inhaltskontrolle wird in den unterschiedlichsten Konstellationen herangezogen, um eine stetige Anpassung des BGB vornehmen zu können, sei es an den seit 1896 veränderten Zeitgeist, an die Liberalisierung des Zivilrechts durch die Verfassung (beispielsweise durch die beiden besprochenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 81, 242 ff. und BVerfGE 89, 214 ff.) oder die europäische Privatrechtsentwicklung (beispielsweise Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen).250 § 242 BGB mit all seinen Potentialen – etwa der Inhaltskontrolle neben und unterhalb von § 138 BGB – ist hierfür der richtige und der vom Gesetzgeber gewollte Standort. Dies ist weder neu, noch für sich genommen außergewöhnlich. Treu und Glauben durchdringen das gesamte Zivilrecht und bilden einen immer geltenden Schutzwall gegen eine zu ungleichgewichtige Vertragsgestaltung. § 242 BGB wird außerdem bereits in zumindest verwandten Fallgestaltungen zum Schutz des Schuldners vor Zahlungsverpflichtungen aus Vertragsstrafeversprechen verwendet. Bei der Verhinderung der Geltendmachung der Vertragsstrafe bei Bagatellverstößen zeigt sich beispielsweise ebenfalls ein Missverhältnis zwischen der konzipierten Strafhöhe und dem minimalen Verstoß. Das Urteil des Bundesgerichtshofs verdient überdies deshalb grundsätzliche Zustimmung, weil es in Anbetracht der gegebenen Rechtslage und der rechtstatsächlichen Entwicklung die sinnvollste Lösung zum Umgang mit der Vertragsstrafe darstellt. Die Anwendung von § 242 BGB vermeidet einerseits unbillige Härten für den Schuldner und andererseits unflexible Ergebnisse bei Totalnichtigkeit. Der Ausschluss nach § 348 HGB mag der geringeren Schutzbedürftigkeit von Kaufleuten geschuldet sein.251 Es kann indes nicht im Sinne des Handelsverkehrs sein, den Schutz des kaufmännischen Schuldners einer Vertragsstrafe zu lückenhaft auszugestalten, was mit einem zu grobmaschigen Korrektiv wie § 138 BGB droht. In der Erarbeitungsphase des BGB bzw. des HGB war noch nicht absehbar, welche Entwicklung das Anforderungsprofil bezogen auf § 138 BGB durch die Rechtsprechung nehmen würde. Die herausgebildeten strengen Voraussetzungen sind wiederum auf das Engste mit der Rechtsfolge der Totalnichtigkeit von § 138 BGB verflochten, welche ebenfalls als unbillig empfunden werden kann. In der KinderwärmekissenEntscheidung wollte der Bundesgerichtshof mutmaßlich diese starre Rechtsfolge des § 138 BGB vermeiden. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Zuwiderhandlung und des Verschuldens wäre das vollständige Entfallen einer Zahlungspflicht jedenfalls 250 Vgl. Damm, JZ 1986, S. 913 (922), der formuliert: „Ja, teilweise hat es den Anschein, als gehöre es zu den zentralen Funktionen des § 242, in bestimmten Fällen die als starr vorausgesetzte Rechtsfolge des § 138 dadurch zu vermeiden, dass ,inhaltliche Korrektur‘ an die Stelle ,totaler Nichtigkeit‘ tritt.“ Die Entwicklung der Inhaltskontrolle von AGB ist ebenso verlaufen. Es handelt sich indes nicht um ein singuläres Phänomen im Recht der Vertragsstrafe, sondern um eine breiter angelegte Entwicklungstendenz im Kern- wie im Nebenprivatrecht. 251 Siehe bereits oben im zweiten Teil, § 5, A. III.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

nicht angemessen gewesen. Schlussendlich eröffnet erst die Anwendung von § 242 BGB eine flexible Festlegung, einer als billig empfundenen Summe, unter Gewichtung der relevanten Einzelaspekte.

§ 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB Im deutschen Recht können Vertragsstrafen im Falle ihrer formularmäßigen Verwendung der Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB unterliegen. Diese Normen sind vorrangig zum Verbraucherschutz konzipiert, da sich Verbraucher bei Vertragsabschlüssen mit Unternehmen in der Regel in einer unterlegenen Stellung befinden und die standardmäßigen Vertragsbedingungen der Unternehmen akzeptieren müssen, wodurch selbstredend das dispositive Gesetzesrecht zu Gunsten der Unternehmen und zu Lasten der Verbraucher verschoben wird.252 Die Behandlung der Vertragsstrafe nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen war bereits Gegenstand eigenständiger Untersuchungen.253 Um die rechtlichen Grenzen der Vertragsstrafe nach deutschem Recht in vorliegender Untersuchung umfassend darzustellen, soll dieser Abschnitt einen Überblick über die Rechtslage und die Problemkreise geben. Gegenstand ist dabei der Anwendungsbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vertragsstrafen insbesondere im b2b-Bereich. Darüber hinaus sollen die spezifische Verbotsvorschrift für Vertragsstrafen in § 309 Nr. 6 BGB und die allgemeinen Regelungen zur Überprüfung einer unangemessenen Klausel in § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB als die wesentlichen Kontrollnormen betrachtet werden. Das englische Recht gewährt mit dem Unfair Contract Terms Act 1977, Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 und Consumer Rights Act 2015 ebenfalls besonderen gesetzlichen Schutz für Vertragspartner, insbesondere Verbrauchern, im Umgang mit general terms and conditions.254 Es bedarf jedoch keiner Ausprägungen speziell für penalty clauses. Infolge des Durchsetzungsverbots für penalty clauses, schon in Fällen von individualvertraglicher Einigung, fehlt es an einer Notwendigkeit für einen besonderen Schutz bei einer formularmäßigen Abrede. 252 Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 305, Rn. 4; Stadler, in: Jauering, BGB, § 305, Rn. 1. 253 Siehe die Abhandlung von Geilert, Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 1 ff.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 766 ff.; zu den Grenzen bei Weyer, BauR 1988, S. 28 (29 ff.) und speziell zur Angemessenheit im Industrie- und Anlagenbau bei Verzug, v. Gehlen, NJW 2003, S. 2961 ff.; ferner umfassend zu den arbeitsrechtlichen Implikationen von Vertragsstrafen in AGB bei Han, Vertragsstrafe in Arbeitsverträgen, S. 1 ff. 254 Siehe hierzu Andrews, Contract Law, S. 392 ff.; Burrows, Casebook Contract, S. 275 ff.

§ 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB

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A. Grundlagen des AGB-Rechts Vorerst sollen die Anforderungen dargestellt werden, welche zu erfüllen sind, damit Vertragsstrafen im b2c- und b2b-Bereich überhaupt als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen sind. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten nach § 305 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei als Verwender stellt und nicht im Einzelnen mit dem Vertragspartner aushandelt. In dieser Definition und insbesondere den nachfolgenden Klauselverboten der §§ 308, 309 BGB zeigt sich die Funktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Schutzinstrument speziell für Verbraucher bzw. die unterlegenen Vertragsparteien gegenüber der Gestaltungsmacht des jeweiligen Unternehmens als Klauselverwender, welcher sich das Machtgefälle zur einseitigen Vertragsgestaltungen zunutze machen möchte.255 Für das Kriterium der Vielzahl von Verträgen ist die Absicht der Mehrfachverwendung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend,256 nicht dagegen die tatsächliche Mehrfachverwendung. Das Tatbestandsmerkmal „vorformuliert“ erfordert eine schriftliche Aufzeichnung oder Fixierung in sonstiger Weise, wobei sogar das Wissen im Kopf des Verwenders genügt.257 Das Kriterium des „Stellens“ zielt auf die Zurechnung der Vertragsbedingungen zum Verwender und erfordert die einseitige Einbringung in den Vertragstext, ohne dass der Vertragspartner frei ist, eigene Textvorschläge oder Textänderungen erfolgsversprechend vorzubringen.258 Die maßgebliche Abgrenzung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Individualvereinbarungen, welche nicht den §§ 305 ff. BGB unterfallen, wird anhand der Voraussetzung des „Aushandelns“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgenommen. Ein Aushandeln erfordert demnach mehr als ein bloßes Verhandeln. Vielmehr muss der Verwender für ein, die §§ 305 ff. BGB ausschließendes, Aushandeln die Klausel innerlich und äußerlich zur Disposition stellen und daraufhin mit dem Vertragspartner in eine Verhandlung über den Kerngehalt der Regelung treten, wodurch die Verhandelnden wissentlich die reale Möglichkeit der Beeinflussung des vollständigen Inhalts wahrnehmen können.259 255

BGH, Urt. v. 17. 02. 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131 (1132); Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 305, Rn. 4. 256 BGH, Urt. v. 04. 05. 2000 – VII ZR 53/99, NJW 2000, 2988 (2989); Schulte-Nölke, in: Handkommentar BGB, § 305, Rn. 4; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 305, Rn. 4. 257 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 305, Rn. 8; Schlosser, in: Staudinger, BGB, § 305, Rn. 20. 258 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 (1231); Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 305, Rn. 20 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 305, Rn. 10. 259 BGH, Urt. v. 15. 12. 1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624 (625); BGH, Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 (308); Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 305, Rn. 35.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

B. Anwendung des AGB-Rechts im b2c- und b2b-Verhältnis Diese strengen, den Vertragspartner schützenden Anforderungen an das Aushandeln des § 305 Abs. 1 BGB gelten gemäß § 310 Abs. 1 BGB ebenfalls im b2bVerhältnis. Das Schrifttum hat diese Gleichbehandlung vom b2c- und b2b-Sektor wiederholt als zu starr kritisiert und auf einen reduzierten Maßstab des Aushandelns bei geschäftserfahrenen und umfassend beratenen Parteien gedrungen wird.260 Hierfür spricht die Unterschiedlichkeit der Sachverhalte, insbesondere mit Blick auf das Machtgefälle zwischen den potentiellen Vertragsparteien als Ursache der einseitigen Vertragsgestaltung. Der Gesetzgeber praktiziert diese Abstufung je nach Beteiligung eines Verbrauchers am Vertrag in § 310 Abs. 1 und Abs. 3 BGB bereits. Es überzeugt nicht, das Verhandeln bei Vertragsschluss als entscheidende Voraussetzung für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB im Falle einer b2c-Konstellation denselben Maßstäben zu unterwerfen wie das Verhandeln im reinen unternehmerischen Geschäftsbereich. Dessen ungeachtet behält der Bundesgerichtshof diese gesetzliche Gleichstellung beim Verhandeln nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bislang bei. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung im Jahr 2016 über Vertragsstrafen im b2b-Bereich zwischen zwei größeren Unternehmen in der Pharmabranche eine Vertragsstrafe als Allgemeine Geschäftsbedingung eingeordnet, weil die bloße Bitte bei Übersendung des Vertragstextes zur Mitteilung von Anmerkungen und Änderungswünschen nicht für eine Individualvereinbarung genügt.261 Bei Vertragsstrafen reicht es vor allem nicht, wenn der Verwender die konkrete Zahlungshöhe zunächst im Entwurf durch eine wohlgesetzte Lücke im Text offenlässt und den konkreten Betrag mit dem Vertragspartner gemeinsam ausfüllt.262 Angesichts der verhältnismäßig niedrigen Anforderungen an die Einordnung von Vertragsbestimmungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen unterfallen Vertragsstrafen in Fällen der Verwendung von Mustertexten durch Unternehmen, sowohl im b2c- wie im b2b-Bereich, in der Regel den §§ 305 ff. BGB. Die unterschiedslose Geltung des § 305 Abs. 1 BGB in beiden Bereichen führt dazu, dass das höhere Schutzniveau zugunsten der Verbraucher, im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung findet. Die Klassifizierung als Individualabrede erfordert dagegen einen ergebnisoffenen Austausch der Vertragsparteien expressis verbis über die Einbeziehung einer Vertragsstrafe und deren Höhe, was insbesondere im Rahmen wiederkehrender Geschäftsabwicklungen im b2b-Bereich praktisch nicht durchführbar erscheint.

260

Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 305, Rn. 14 f. mit weiteren Nachweisen; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 305, Rn. 22; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 305, Rn. 1. 261 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 (1232). 262 BGH, Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 (2601); Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 22.

§ 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB

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C. Verbotsnorm des § 309 Nr. 6 BGB im b2c-Bereich Die Norm des § 309 Nr. 6 BGB enthält für Verträge mit Verbrauchern ein spezifisches Verbot von Vertragsstrafen im Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder der Loslösung der anderen Vertragspartei vom Vertrag. In diesen vier Varianten ist die Verwendung von formularmäßigen Vertragsstrafen gegenüber Verbrauchern unzulässig, da der Verwender in derartigen Fällen durch seine ohnehin bestehenden gesetzlichen Rechte ausreichend geschützt ist.263 Die Verbotsnorm des § 309 Nr. 6 BGB findet im b2b-Bereich wie § 308 Nr. 1, 2 – 8 BGB und § 309 BGB insgesamt gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keine direkte Anwendung. Die Wertungen der Norm des § 309 Nr. 6 BGB sind jedoch gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB über die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB im rein unternehmerischen Rechtsverkehr zu berücksichtigen. Das ausdrückliche Verbot von Vertragsstrafen in den Fällen von § 309 Nr. 6 BGB zeigt im Umkehrschluss die grundsätzliche Zulässigkeit von formularmäßigen Vertragsstrafeversprechen in allen übrigen Fallkonstellationen. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen können Vertragsstrafen verwendet werden, um den Verbraucher zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anzuhalten.264 Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind Strafversprechen sogar üblich und daher per se nicht zu beanstanden.265 Die Überprüfung jeglicher formularmäßiger Vertragsstrafen anhand der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bleibt unbenommen,266 ebenso wie die Betrachtung der Vertragsstrafe im Lichte des § 307 BGB. Die Anwendbarkeit der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB ist bei Vertragsstrafen unter Kaufleuten gleichfalls nicht durch § 348 HGB ausgeschlossen.267

D. Allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Die allgemeine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bildet den Schwerpunkt in der richterlichen Überprüfung von Vertragsstrafen.268 Es ist zu differenzieren zwischen einer Kontrolle im Hinblick auf eine unangemessene Benachteiligung wegen Abweichung der Vertragsstrafe von dispositiven Gesetzesrecht im Sinne von § 307

263

Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 9. Schaub, in: Erman, BGB, Vor. § 339, Rn. 4; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 15. 265 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 14; Schaub, in: Erman, BGB, Vor. § 339, Rn. 4. 266 Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 13. 267 BGH, Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385 (388); BGH, Urt. v. 07. 05. 1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 (3234); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 137. 268 Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 14. 264

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Abs. 2 Nr. 1 BGB oder wegen einer unverhältnismäßigen Höhe des Strafversprechens im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.269 I. Abweichung von dispositiven Gesetzesrecht als Benachteiligung Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist grundsätzlich gegeben bei der verschuldensunabhängigen Ausgestaltung eines formularmäßigen Strafversprechens.270 Die Abbedingung des Verschuldenserfordernisses läuft dem gesetzlichen Leitbild der Vertragsstrafe im b2c- und im b2b-Verhältnis zuwider. Um hierin keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu erkennen, bedarf die Abweichung gewichtiger Gründe. So hat die Rechtsprechung selbst bei den Unternehmensprivatisierungen seitens der Treuhandanstalt und den dabei verwendeten Vertragsstrafen zur Sicherung der Investitionen und Arbeitsplätze die unangemessene Benachteiligung trotz Verschuldensunabhängigkeit abgelehnt.271 Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stellt weiterhin der Ausschluss der Anrechnung von Vertragsstrafezahlung auf den zu leistenden Schadensersatz dar. Die formularmäßige Abkehr von § 340 Abs. 2 BGB widerspricht im b2c- und im b2b-Sektor dem gesetzlichen Grundgedanken zum Verhältnis von Schadensersatz und Vertragsstrafe.272 II. Unangemessene Strafhöhe als Benachteiligung Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Klausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche Benachteiligung ist gegeben, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung seine eigenen Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen möchte, ohne dabei die Belange des Vertragspartners, beispielsweise durch das Zugeständnis eines angemessenen Ausgleichs, hinreichend zu berücksichtigen.273 § 307 Abs. 1 BGB erfordert dabei eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtung und einen generalisierenden Prüfungsmaßstab.274

269

Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 14. BGH, Urt. v. 21. 03. 2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 (2113); BGH, Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 (2601 f.); Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 23. 271 Siehe hierzu bereits oben in § 5, B. II. 272 BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 (1233). 273 St. Rspr., siehe BGH, Urt. v. 08. 03. 1984 – IX ZR 144, BGHZ 90, 280 (284); BGH, Urt. v. 04. 11. 1992 – VIII ZR 235/91, BGHZ 120, 108 (118), BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/ 15, NJW 2016, 1230 (1232). 274 Schmidt, in: BeckOK BGB, § 307, Rn. 29. 270

§ 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB

157

Die unangemessene Benachteiligung des Schuldners einer Vertragsstrafe kann im b2c- und b2b-Verhältnis allein aus der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe folgen.275 Die Unangemessenheit liegt vor, wenn sich die Vertragsstrafe nicht innerhalb der zu erwartenden Schadensbeträge bewegt.276 Der Bundesgerichtshof hat die genauen Anforderungen hierfür wie folgt formuliert: Ein Verstoß sei insbesondere gegeben, „wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und den Folgen für den Schuldner der Vertragsstrafe steht. […] Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen; eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre.“277

Die Entscheidung hatte eine Vertragsstrafe aus einem Vertrag zwischen einem Herausgeber eines Gutscheinhefts und einer teilnehmenden Gaststätte zu beurteilen. Das Gutscheinheft versprach den Erwerbern Preisnachlässe in den aufgeführten Restaurants. Der Vertrag zwischen Herausgeber und Restaurant sah eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 2.500,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung des Gaststättenbetreibers vor. Dieses formularmäßige Strafversprechen sah das Gericht als unwirksam an, weil die Pflichtverletzung der Restaurants nicht auf die Annahmeverweigerung von Gutscheinen begrenzt war, sondern aufgrund der Formulierung unter anderem bei Unterschreitung der vertraglich festgelegten Anzahl an Hauptgerichten in voller Höhe anfiel.278 In dieser Konstellation stelle die Strafabrede eine unangemessene Benachteiligung der anderen Vertragspartei dar. Der Bundesgerichtshof bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung, wonach im Rahmen der Überprüfung nach § 307 BGB auf die Angemessenheit der Vertragsstrafe bei Zugrundelegung des typischerweise geringsten denkbaren Vertragsverstoßes abzustellen ist.279 Die Konsequenz daraus ist ein hohes Maß an Unsicherheit für die Verwender von formularmäßigen Vertragsstrafen dahingehend, ob die Klausel einer gerichtlichen Überprüfung nach § 307 BGB standhält. Im Rahmen der Vertragsgestaltung wird es nicht durchgängig möglich oder zumindest praktikabel sein, alle denkbaren Vertragsverletzungen zu antizipieren und die Klausel entsprechend zu formulieren. 275

BGH, Urt. v. 21. 03. 1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (1077); BGH, Urt. v. 03. 04. 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 (2602); Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 137; Schaub, in: Erman, BGB, Vor. § 339, Rn. 4; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 15. 276 BGH, Urt. v. 23. 01. 2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805 (1806). 277 BGH, Urt. v. 31. 08. 2017 – VII ZR 308/16, BB 2017, 2254 (2255). 278 Auf dieser Linie bereits zuvor OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08. 06. 2007 – 24 U 207/06, MDR 2008, 136. Das Oberlandesgericht sah eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 2.500,00 für jeden Verstoß gegen eine Getränkebezugsverpflichtung als unangemessene Benachteiligung an, weil diese selbst beim minimalsten Drittbezug von Getränken in voller Höhe anfiel. 279 BGH, Urt. v. 07. 05. 1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 (3234 f.); BGH, Urt. v. 20. 01. 2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 (1232).

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Im Schrifttum wird daher vereinzelt die Überprüfung der Vertragsstrafeklauseln anhand eines mittelschweren Verstoßes befürwortet, da der Schuldner im b2c-Bereich bereits über § 343 BGB Schutz erfährt.280 Doch auch die Vertreter dieser Lösung lassen offen, wie genau sich eine mittelschwere Vertragsverletzung feststellen lassen könnte, weshalb die Rechtsunsicherheit für den Verwender auch hierdurch nicht signifikant sinken würde. Darüber hinaus fügt sich der strenge Prüfungsmaßstab der Rechtsprechung in das Gesamtgefüge der §§ 305 ff. BGB ein. Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden beispielsweise Auslegungsfragen gemäß § 305c Abs. 2 BGB stets zu lasten des Verwenders gelöst. Im Unterschied zur Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB bedarf es im Rahmen der Überprüfung von § 307 Abs. 1 BGB neben der Unangemessenheit der Strafhöhe keinen weiteren hinzutretenden Faktor wie das Ausnutzen einer Zwangslage. Wie bei § 343 BGB ist allein die überzogene Höhe der Vertragsstrafe das maßgebende Kriterium. Die Anforderungen an die Unangemessenheit nach § 307 BGB und die Unverhältnismäßigkeit nach § 343 BGB ähneln sich im Hinblick auf die Abwägung anhand der Faktoren wie Gewicht und Folgen des Verstoßes. Dies verdeutlicht die doppelte Zielrichtung der Vertragsstrafe. § 307 BGB und § 343 BGB unterscheiden sich aber gleichwohl beim Prüfungsmaßstab. § 343 BGB beinhaltet eine Rechtsausübungskontrolle bezüglich einer konkret verwirkten Vertragsstrafe, § 307 BGB dient dagegen zur Überprüfung der Klausel losgelöst vom Einzelfall. Darüber hinaus hat sich eine umfangreiche Kasuistik in den verschiedenen Branchen über zulässige Höhen von Vertragsstrafen herausgebildet. In Werkbauverträgen muss nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Höchstgrenze der Vertragsstrafe von maximal 5 % der Auftragssumme eingehalten werden; ansonsten ist der Auftragnehmer in seinem Geschäftsbetrieb unangemessen belastet.281 Neben der Höchstgrenze darf die Vertragsstrafe pro Werktag, an dem sich die Fertigstellung verzögert, maximal 0,3 % betragen.282 Diese Rechtsprechung kann indes nicht auf andere Unternehmensbereiche und die dort vorhandenen Verträge mit längerer Vertragslaufzeit übertragen werden, explizit nicht für den Bereich der gewerblichen Miete.283

III. Unwirksamkeit als starre Rechtsfolge Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen oder gegen den Verbotstatbestand des § 309 Nr. 6 BGB verstoßen, werden gemäß § 306 Abs. 2 BGB nicht in den Vertrag einbezogen, stattdessen gelten 280

Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 138. BGH, Urt. v. 20. 01. 2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106 (2107 f.); BGH, Urt. v. 23. 01. 2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 (325); BGH, Urt. v. 06. 12. 2012 – VII ZR 133/11, NJW 2013, 1362 (1363); Lindacher, in: Soergel, BGB, Vor. § 339, Rn. 15. 282 Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 16 f. 283 BGH, Urt. v. 12. 03. 2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 (2161). 281

§ 8 Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen nach §§ 305 ff. BGB

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die gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion ist dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fremd.284 Eine teilweise Aufrechterhaltung einer formularmäßigen Vertragsstrafe findet daher nicht statt.285 Eine entsprechende Heranziehung vom Rechtsgedanken des § 343 BGB scheidet aus, da diese Norm für Individualvereinbarungen konzipiert ist und im Wertungssystem des Rechts für einseitig auferlegte Vertragsbedingungen zurücktritt.286 Ferner ist es nicht möglich, eine verwirkte Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB zu reduzieren, wenn die Klausel bereits unangemessen benachteiligend und damit unwirksam ist.287

E. Bewertung Gläubiger von Vertragsstrafeversprechen sehen die Klausel dem Risiko der Unwirksamkeit im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgesetzt. Das Strafversprechen kann den Vertragspartner bereits unangemessen benachteiligen, wenn die Zahlung außer Verhältnis zum denkbar geringsten Vertragsbruch steht. Ob dieses Szenario den Vertragsparteien bei Vertragsschluss bewusst war und durch intensivere Vertragsgestaltung in jedem Falle verhindert werden kann, muss bezweifelt werden. Anders als im Rahmen von § 343 BGB können Einzelfallumstände der konkreten Vertragsverletzung jedenfalls nicht gewürdigt werden. Mangels Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion ist die Rechtsfolge eine starre Alles-oder-Nichts-Lösung. Während das Einhaltgebieten einseitiger Machtausübung gegenüber Verbrauchern geboten ist, erscheint das pauschale Unwirksamkeitsrisiko de lege lata im b2bVerhältnis als nicht sachgerecht. Die Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verläuft jedoch in § 305 Abs. 1 BGB für b2b- und b2c-Verträge nach den gleichen Grundsätzen. Es wäre zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber eine abgestufte Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB für Verbraucher- und Unternehmerverträge einführen würde. Derzeit ist der Anwendungsbereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 BGB nicht nur im b2c-Bereich, sondern auch im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr oftmals eröffnet. Die hohen Anforderungen an das Verhandeln nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zur Erreichung einer Individualvereinbarung werden in der Praxis des b2b-Handels selten erreicht, weil sie aufgrund der Schnelllebigkeit des Wirtschaftsverkehrs und Warenhandels nicht praktikabel sind. Selbst in Fallkonstellationen mit geschäftserfahrenen Parteien und umfassender anwaltlicher Beratung wird im Zweifel die Vertragsstrafeklausel

284

Thüsing, in: Graf von Westphalen, Teil Vertragsrecht, Vertragsstrafe, Rn. 26. BGH, Urt. v. 12. 03. 1981 – VII ZR 293/79, NJW 1981, 1509 (1510). 286 BGH, Urt. v. 21. 03. 1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (1077); OLG Hamburg, Urt. v. 29. 07. 1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513. 287 Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339, Rn. 138. 285

160

2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

nicht im Detail ausgehandelt, sondern Teil einer umfangreichen Vertragsgesamtverhandlung und schlussendlich Einigung sein.

§ 9 Durchsetzungsverbot von penalty clauses Im englischen Recht ist der Umgang mit penalty clauses vom Durchsetzungsverbot geprägt, dessen Hintergründe im ersten Teil der Untersuchung näher dargelegt wurden.288 Ziel dieses Abschnitts ist es, in Anbetracht der wegweisenden Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis des Supreme Courtden den genauen Umfang des Durchsetzungsverbots im b2b- und im b2c-Verhältnis näher zu umreißen. Maßgebend hierfür ist die Unterscheidung zwischen penalty clauses und liquidated damages. In einem ersten Schritt werden die Grundregeln der Abgrenzung von Lord Dunedin aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. herausgearbeitet. In einem zweiten Schritt gilt es, die sich hieran anschließende Entwicklung in der Rechtsprechung darzulegen. Es werden die Änderungen in der gerichtlichen Entscheidungspraxis im Laufe der Jahrzehnte beleuchtet. Die Analyse von Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis von November 2015 markiert das gesondert zu betrachtende vorläufige Ende der Entwicklung und bildet zugleich den Ausgangspunkt für die abschließende Bewertung der heutigen Behandlung von penalty clauses.

A. Traditionelle penalty doctrine nach Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. Die Grundlage der Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages ist in Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. aus dem Jahr 1915 niedergelegt.289 Die herausgehobene Stellung dieser Entscheidung bedarf keiner weiteren Erläuterung.290 Lord Dunedin definierte den Kern bzw. die Funktion einer penalty clause als in terrorem und von liquidated damages als genuine preestimate of damage.291 Um den Entscheidungsprozess hinsichtlich der Abgrenzung zwischen den beiden Polen in terrorem und genuine pre-estimate zu erleichtern, entwickelte Lord Dunedin vier Grundregeln.292 Diese werden nachfolgend näher untersucht.

288 289 290 291 292

Siehe oben im ersten Teil, § 1, B. und § 2, B. Siehe oben im ersten Teil, § 4, B. I. McGregor, McGregor on Damages, S. 483; siehe bereits oben im ersten Teil, § 4, B. I. Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (86). Siehe hierzu ausführlich Poole, Casebook on Contract Law, S. 444.

§ 9 Durchsetzungsverbot von penalty clauses

161

Die erste Regel bezieht sich auf die Höhe der vereinbarten Zahlung für den Fall des Vertragsbruchs. Die Klausel sei stets als penalty clause anzusehen, wenn sie in Relation zu dem größtmöglichen Schaden, der nachweisbar aus der Pflichtverletzung resultieren kann, „extravagant and unconscionable“ wirke.293 Die Bezugnahme auf den größtmöglichen Schaden wird der drastischen Folge einer Klassifizierung als penalty clause gerecht. Die zweite Regel betrifft die Verletzung von Zahlungsverpflichtungen und sieht die zwingende Einordnung als penalty clause vor, wenn der vereinbarte Betrag die ursprüngliche Zahlungspflicht übersteigt.294 Selbst eine nur geringe Überhöhung könne keine ernsthafte Schätzung mehr darstellen.295 Diese Regel ist die konsequente, wenngleich starre Folge der Charakterisierung von liquidated damages als seriöse Vorabschätzung des Schadens. Allgemeiner wirkt die dritte Regel, wonach die Verabredung einer Pauschalsumme für verschiedene Arten der Zuwiderhandlung ein Indikator für das Vorliegen einer penalty clause sei, besonders wenn die Zuwiderhandlungen hinsichtlich der Schwere des möglichen Schadens divergieren.296 Umgekehrt indiziere die Verabredung einer Zahlungspflicht für nur eine Art der Zuwiderhandlung, etwa bei Verzögerung der Leistungserbringung, das Vorliegen von liquidated damages.297 Dies hält die Parteien lobenswert dazu an, die Vertragsgestaltung behutsam sowie mit Umsicht vorzunehmen und einen undifferenzierten Ansatz zu vermeiden, welcher zwangsläufig eine der Parteien benachteiligen würde. Die vierte und letzte Regel nimmt diejenigen Fälle in den Blick, bei denen die Prognostizierung des tatsächlichen Schadens mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn die Schätzung der nachteiligen Folgen problematisch ist, sei dies ein Indikator für die Einordnung als liquidated damages clause.298 Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass die Schätzung für die Annahme von liquidated damages noch immer eine Schätzung sein kann, welche schlussendlich vom tatsächlichen Schaden abweichen und dennoch als genuine angesehen werden kann.299 Es ist jedoch ein Konflikt mit der zweiten Regel erkennbar. 293

Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (87). Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (87). so. 295 Furmston, Law of Contract, S. 787. 296 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (87). Außerdem wiederum Kemble v Farren, C Bing. 1829 Vol. 6, 141, wo die Klausel pauschal die Zahlung von 1000 Pfund für jeglichen Verstoß vorsah und folgerichtig als penalty clause angesehen wurde. 297 Furmston, Law of Contract, S. 787. 298 Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 (87 f.) Diese Wertung wurde bereits zuvor im Fall Clydebank Engineering Co v Don Jose Ramos Yzquierdo y Castaneda, AC 1905, 6 (11) getroffen. Lord Halsbury führte darin aus, dass liquidated damages anzunehmen seien, wenn der Gläubiger sich für die Verabredung einer solchen Klausel vordringlich deshalb entschließt, um den schwierigen und teuren Prozess des Schadensnachweises zu vermeiden. 299 Furmston, Law of Contract, S. 789. Die Parteien werden dieses Risiko meist in dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung berücksichtigen, so Ferris, CLR 1982, S. 862 (879). 294

162

2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Nach den von Lord Dunedin aufgestellten Regeln ist das Verhältnis von verabredeter Zahlungssumme zum tatsächlichen Schaden der entscheidende Gesichtspunkt für die Abgrenzung. Penalty clauses und damit nicht durchsetzbare Forderungen für Vertragsverletzungen liegen vor, wenn die vertraglich festgelegte Summe im Verhältnis mit dem nachweisbar höchstmöglichen Schaden als Folge des Vertragsbruchs übertrieben erscheint. Die Abgrenzungsmethodik mit den Begriffspaaren in terrorem und genuine preestimate bietet insgesamt betrachtet nur vermeintliche Klarheit. Tatsächlich sehen sich die Parteien mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit über die Durchsetzbarkeit der Klausel konfrontiert. Bereits mehrdeutige Parteivorstellungen über die genaue Funktion der Klausel führen zu Unsicherheiten.300 Die Fokussierung auf die summenmäßige Gegenüberstellung von Zahlungspflicht und Schaden gerät zu eindimensional, da so weitere legitime Bewertungsgesichtspunkte neben dem reinen Zahlenwerk außer Betracht bleiben, zum Beispiel das Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung oder die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Parteien bei Vertragsschluss. Sobald Sachverhalte von größerer Komplexität vorliegen, bei denen eine Verkürzung auf das Verhältnis von Zahlungspflicht zu Schaden nicht oder nur noch schwer möglich ist, stellt sich eine schlechte Verwendbarkeit der Abgrenzungsformel ein. Die starre Methodik geht auf Kosten einer fehlenden Flexibilität bei der Anwendung in der Rechtspraxis. Wenig überzeugend ist die unterschiedslose Anwendung der Abgrenzungsregeln nach Lord Dunedin für den reinen unternehmerischen Geschäftsverkehr und für Verträge unter Beteiligung von Verbrauchern. Die Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. beschäftigte sich mit dem Streit eines Reifenherstellers und eines Autoteilehändlers, in einer b2b-Konstellation. Eine Begrenzung oder Abweichung in Bezug auf Verbraucherverträge ist dem Urteil aber nicht zu entnehmen. Vielmehr stellte Lord Dunedin eine für jede Sachverhaltskonstellation gültige Trennlinie zwischen penalty clauses und liquidated damages auf. Dieser Ansatz verkennt demzufolge die Unterschiede zwischen b2b- und b2cKonstellationen, wenn sie das Ungleichgewicht der Verhandlungsübermacht des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher nicht hinreichend würdigt. Die Problematik verschärft sich durch das Fehlen der gerichtlichen, geltungserhaltenden Reduktion. Es ist ausgeschlossen, eine nicht durchsetzbare penalty clause durch richterliche Absenkung der Zahlungshöhe in eine zulässige und vollstreckbare liquidated damages clause zu überführen. Dem Gläubiger bleibt aber unbenommen, seinen tatsächlichen Schaden gerichtlich geltend zu machen.

300

Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (82).

§ 9 Durchsetzungsverbot von penalty clauses

163

B. Schrittweise Einschränkung der penalty doctrine durch die nachfolgende Rechtsprechung Die in Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. aufgestellten Grundsätze veränderten sich in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht gravierend und bildeten für über 100 Jahre die Grundlage des Verständnisses von penalty clauses und liquidated damages.301 I. Eckpunkte der wesentlichen Entscheidungen Welche Änderungen die Abgrenzung bzw. das dogmatische Verständnis beider Rechtsinstitute gleichwohl seitens der Rechtsprechung erfuhren, speziell mit Blick auf Konstellationen im b2b- und b2c-Verhältnis, gilt es nachfolgend aufzuzeigen. 1. Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong (1993) Eines der bedeutendsten Urteile in diesem Kontext stellt Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong des Court of Appeal of Hong Kong aus dem Jahr 1993 dar.302 Das Judicial Committee of the Privy Council303 befasste sich mit einem, zwischen dem Elektronikkonzern Philips und Hong Kong abgeschlossenen, Vertrag über die verkehrstechnische Erschließung eines Gebiets in Hong Kong. Das Vertragswerk enthielt einige Zielvorgaben über festgelegte Leistungszeitpunkte, die von Philips erreicht werden mussten. Bei nicht fristgerechter Erfüllung waren mit „liquidated damages“ überschriebene Zahlungsverpflichtungen an Hong Kong vorgesehen. Im späteren Gerichtsverfahren machte Philips geltend, diese Verbindlichkeit sei eine unzulässige penalty clause. Lord Woolf betonte in der Entscheidung die grundsätzliche Fortgeltung der Prinzipien aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. Er forderte aber gleichermaßen von den Gerichten, nicht die Bedeutung von liquidated damages im Geschäftsverkehr abzusenken – vielmehr gelte es derartigen Klauseln

301 McGregor, McGregor on Damages, S. 487; Eggleston, Liquidated Damages, S. 80; Richards, Law of Contract, S. 420 f. 302 Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong, BLR 1993, Vol. 61, 41 ff. Zur Bedeutung der Entscheidung, siehe nur: Eggleston, Liquidated Damages, S. 83. 303 Es handelt sich um das oberste Berufsgericht für die überseeischen Gebiete von Großbritannien. Hongkong war bis zum Jahr 1997 britische Kronkolonie. Hinsichtlich der Aussagekraft des Urteils Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong für die Thematik der penalty clauses ergeben sich keine Einschränkungen. Der Rechtsstreit unterlag englischem Recht, die Berufungsverhandlung fand in England statt. Die richterlichen Aussagen zur penalty doctrine sind allgemeiner Natur, frei von möglichen regional bzw. kulturell geprägten Unterschieden zwischen Großbritannien und Hongkong.

164

2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

zur Durchsetzbarkeit zu verhelfen.304 Diese Klauseln erfüllen in b2b-Verträgen die anerkennenswerte Funktion der vereinfachten Schadensregulierung.305 Die von Lord Woolf formulierte Zielstellung hinsichtlich der Durchsetzung meint die verstärkte Klassifizierung derartiger Abreden als zulässige liquidated damages und nicht die betragsmäßige Herabsetzung einer Zahlungsverpflichtung aus der Klausel. Das Urteil Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong beinhaltet keine methodische Annäherung zum Prinzip der geltungserhaltenden Reduktion. Lord Woolf relativierte des Weiteren die erste Regel von Lord Dunedin mit der Aussage, für die Annahme einer penalty clause könne es im Falle von Parteien mit vergleichbarer Verhandlungsposition nicht ausreichen, wenn eine zahlenmäßige Diskrepanz zwischen der verabredeten Summe und dem tatsächlichen Schaden vorliege: „Except possibly in the case of situations where one of the parties to the contract is able to dominate the other as to the choice of the terms of a contract, it will normally be in insufficient to establish that a provision is objectionably penal to identify situations where the application of the provision could result in a larger sum being recovered by the injured party than his actual loss. Even in such situations so long as the sum payable in the event of noncompliance with the contract is not extravagant, having regard to the range of losses that it could reasonably be anticipated it would have cover at the time the contract was made, it can still be a genuine pre-estimate of the loss that would be suffered and so a perfectly valid liquidated damage provision.“306

Die Aussage zielt auf b2b-Konstellationen, bei denen eher eine ausgeglichene Verhandlungsposition zwischen den Parteien anzunehmen ist als im b2c-Verhältnis. Liquidated damages clauses können selbst dann vorliegen, wenn zwischen Zahlungsverpflichtung und Schaden eine zahlenmäßige Divergenz besteht, sofern keine der beiden Vertragsparteien die andere Seite mit Blick auf die Verhandlungsmacht überragt – jedenfalls so lange, wie die Summe nicht exzessiv höher als der Schaden ist.307 Die vorhandene Waffengleichheit lasse die Übervorteilung einer Partei als unwahrscheinlich erscheinen.308

304

Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong, BLR 1993, Vol. 61, 41; so ebenfalls die Deutung in Burrows, Casebook Contract, S. 453. 305 Das Gerichtthematisierte in der Urteilsbegründung nur das vorliegende b2b-Verhältnis und ließ b2c-Konstellationen außen vor. 306 Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong, BLR 1993, Vol. 61, 41 (58 f.); McGregor, McGregor on Damages, S. 491. 307 In einer der nachfolgenden Entscheidungen Jeancharm Ltd v Barnet Football Club Ltd, EWCA Civ 2003, 58, wurde nochmals betont, dass selbst ausgeglichene Verhandlungspositionen die Anwendung der penalty doctrine nicht verhindern können, sollte der Betrag in Relation zum erwarteten Schaden ungebührlich übertrieben sein. 308 Ausgeglichene Verhandlungspositionen sind beispielsweise anzunehmen, wenn beide Seiten eine umfassende anwaltliche Beratung genossen haben, Tall, Ent LR 2013, S. 146 (148).

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Diese Aufweichung der ersten Regel von Lord Dunedin aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. lässt zugleich einen Umkehrschluss auf b2c-Konstellationen zu. Bei Beteiligung eines Verbrauchers wird in der Regel ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien mit Blick auf die Verhandlungsmacht vorliegen, weshalb die Voraussetzung für die Vermutung einer ernsthaften Schadensschätzung trotz zahlenmäßiger Disparität nicht greifen wird. Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong bestätigt damit zutreffend die strenge Anwendung der penalty doctrine im Sinne von Lord Dunedin bei Verbraucherverträgen. 2. Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia (1996) Mit der Entscheidung Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia des High Court schritt die graduelle Einschränkung der penalty doctrine im b2b-Sektor drei Jahre nach Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong weiter voran. Das Urteil weichte die erste Regel von Lord Dunedin der zahlenmäßigen Gegenüberstellung von vereinbartem Zahlbetrag und tatsächlichem Schaden weiter auf.309 In Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia aus März 1996 hatte der High Court die Zahlungsverpflichtung eines Unternehmens aus einem Kreditrahmenvertrag mit einem Kreditinstitut zu überprüfen. Die Zahlungspflicht entstand im Fall des Verzugs der Rückzahlung und setzte sich neben den Kosten der Bank für die Zurverfügungstellung der Finanzierung und einer Gewinnmarge aus einem Aufschlag von 1 % des Darlehensbetrags zusammen, der bankseitig nicht näher erläutert wurde.310 Diese Verzugskosten von 1 % des rückständigen Darlehensbetrags sah das Unternehmen als unzulässige und nicht durchsetzbare penalty an. Im Urteil verneinte Richter Colman die Anwendung der penalty doctrine, wobei zwei Erwägungen in den Entscheidungsgründen besonders beachtenswert sind. Die Abrede über den Zinsaufschlag für verspätete Rückzahlungen sei keine penalty, da sie nicht der Abschreckung des Vertragspartners diene, sondern „commercially justifiable“ sei.311 Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notwendigkeit hinter der Vertragsklausel kann demnach die Einordnung als penalty clause verhindern. Bei der Bewertung der Klausel müsse berücksichtigt werden, ob es die besondere Lage im Einzelfall gebiete, eine Klausel über die Zahlungsfolgen bei Vertragsbruch mit in den Vertrag aufzunehmen, etwa zur Vermeidung von untragbarer Unsicherheit. Im konkreten Fall sei der Zinsaufschlag noch moderat und habe insbesondere keine Rückwirkung. Das Korrektiv der wirtschaftlichen Rechtfertigung als Ablehnungsgrund für die Annahme einer penalty clause wurde nachfolgend in M & J Polymers 309

Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, QB 1996, 752 ff.; Koffman/Macdonald, The Law of Contract, S. 578 f. 310 Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, QB 1996, 752 (752). 311 Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, QB 1996, 752 (764); Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 26, Rn. 182; Richards, Law of Contract, S. 423.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Ltd v Imerys Minerals Ltd312 und Makdessi v Cavendish Square Holdings BV313 verwandt. Die Entscheidung enthält keinen Hinweis darauf, ob das Element der wirtschaftlichen Rechtfertigung ebenfalls im Verhältnis b2c zur Anwendung gebracht werden kann. Anders als bei der in Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong eingeführten Verhandlungsmacht, fehlt es bei diesem neuen Kriterium an einer naheliegenden inneren Verknüpfung mit der Unternehmer- bzw. Verbraucherstellung. In Verbraucherverträgen kann die Überprüfung einer wirtschaftlichen Rechtfertigung für eine höhere Zahlungspflicht bei Vertragsverstößen genauso angebracht sein wie im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Dies spricht dafür, dass diese Einschränkung der penalty doctrine im Verhältnis b2b und b2c gilt. Wie bereits bei der Betrachtung der Funktion von penalty clauses im ersten Teil der Untersuchung angesprochen, erfolgte mit der Entscheidung zugleich ein Wandel im Sprachgebrauch:314 Anstelle des Begriffspaares in terrorem und genuine preestimate of damage verwendete Richter Colman zur Beschreibung der Funktionen die Termini deterrence für penalty clauses und compensation für liquidated damages: „Whether a provision is to be treated as a penalty is a matter of construction to be resolved by asking whether at the time the contract was entered into the predominant contractual function of the provision was to deter a party from breaking the contract or to compensate the innocent party for breach. That the contractual function is deterrent rather than compensatory can be deduced by comparing the amount that would be payable on breach with the loss that might be sustained if a breach occurred.“315

Diese Formulierung galt fortan sowohl im b2b- und b2c-Bereich. Eine inhaltliche Abweichung von Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. war mit dieser sprachlichen Wendung mitnichten verknüpft.316 3. Robophone Facilities Ltd v Blank (1996) Eine weitere bedeutende Entscheidung über penalty clauses im b2b-Bereich ist Robophone Facilities Ltd v Blank des Court of Appeal ebenfalls vom Juni 1996. Dem Fall lag ein Mietvertrag zwischen zwei Unternehmen über eine Maschine zum Mitschnitt von Telefonaten mit einer Vertragslaufzeit von sieben Jahren zugrunde. Der Vertrag enthielt unter anderem eine Regelung, wonach der Mieter bei einer 312 M & J Polymers Ltd v Imerys Minerals Ltd, CLC 2008, Vol. 1, 276 ff. Dem Fall lag eine take or pay Klausel zugrunde, also die Verpflichtung zur Zahlung von einer bestimmten Mindestliefermenge, unabhängig davon, ob sie tatsächlich bestellt und abgenommen wurde. 313 Makdessi v Cavendish Square Holdings BV, EWCA Civ 2013, 1539, Rn. 446. 314 Siehe bereits oben bei § 2, B. 315 Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, QB 1996, 752 (762). 316 Richards, Law of Contract, S. 421; vgl. O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 427 f.; vgl. McGregor, McGregor on Damages, S. 492 f.

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berechtigten Kündigung durch den Vermieter verpflichtet war, eine Einmalzahlung in Höhe von 50 % des Restmietpreises zu zahlen.317 Lord Diplock befand diese Klausel sei keine unzulässige penalty, sondern der ernsthafte Versuch einer Schadensschätzung, mithin eine Abrede über liquidated damages. In der Entscheidung strich Lord Diplock die Vorzüge derartiger Klauseln explizit und umfassend heraus: „It is good business sense that parties to a contract should know what will be the financial consequences to them of a breach on their part, for circumstances may arise when further performance of the contract may involve them in loss. And the more difficult it is likely to be to prove and assess the loss which a party will suffer in the event of a breach, the greater the advantages to both parties of fixing by the terms of the contract itself an easily ascertainable sum to be paid in that event. Not only does it enable the parties to know in advance what their position will be if a breach occurs and so avoid litigation at all, but if litigation cannot be avoided, it eliminates what may be the very heavy legal costs of proving the loss actually sustained which would have to be paid by the unsuccessful party.“318

Mit Blick auf diese Vorzüge und den Geschäftssinn, den eine derartige Klausel symbolisiert, könne nach Ansicht des Gerichts eine Abrede nur bei starken Bedenken als nicht durchsetzbar erachtet werden. Die Bedeutung des Urteils erschöpft sich in dieser Betonung der Wichtigkeit von schadensregulierenden Klauseln. Anders als die beiden zuvor genannten Urteile beinhaltete Robophone Facilities Ltd v Blank für sich genommen keine Änderung der penalty-Regeln von Lord Dunedin. Die vorliegende Entscheidung ist vielmehr Ausdruck einer gestiegenen Zurückhaltung bei der Anwendung der penalty doctrine.319 Die Gerichte taten sich zunehmend schwerer damit, solche Klauseln nicht durchzusetzen – gerade im b2b-Bereich, in welchem Überlegungen der Wirtschaftlichkeit eine zentrale Rolle spielen.320 4. Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares (2002) Beachtlich ist weiterhin das Urteil Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares aus dem Jahr 2002, welches erneut eine b2bKonstellation zum Gegenstand hatte.321 Anstoß des Streites waren Mängel zweier Fährschiffe in Bezug auf deren Höchstgeschwindigkeit und Tragfähigkeit. Der Werklieferungsvertrag enthielt diesbezüglich genaue Festlegungen und bestimmte eine erhebliche Zahlungsverpflichtung des Herstellers für den Fall der Nichteinhaltung der vorgegebenen Spezifikationen.

317

Robophone Facilities Ltd v Blank, WLR 1996, Vol. 1, 1428 (1428 f.). Robophone Facilities Ltd v Blank, WLR 1996, Vol. 1, 1428 (1447). 319 Fenwick Elliott, Const LJ 2016, S. 644 (645 f.). 320 Lal, CLJ 2009, S. 569 (571). 321 Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares SA, CLC 2002, 1151 ff. 318

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Der Anspruch auf Zahlung dieser festgelegten Summe wurde vom Court of Appeal abgelehnt, obwohl eine entsprechende Vertragsverletzung unstreitig war. Das Gericht machte hierbei von seinem Beurteilungsspielraum bei der Auslegung von Vertragsbestimmungen umfassend Gebrauch und erkannte, dass die Klausel nur auf schwere Fälle der Zuwiderhandlung anwendbar sei.322 Die Klausel selbst wurde daher als zulässige liquidated damages clause klassifiziert, obschon sie die Zahlung einer überhöhten Summe im Verhältnis zum absehbaren Schaden bei geringfügigem Vertragsbruch vorsah. Die Ablehnung einer Anwendbarkeit auf geringfügige Vertragsverstöße ermöglichte die Aufrechterhaltung der Klausel. Wie schon in Robophone Facilities Ltd v Blank deutlich wurde, zeigten das Gericht zunehmend eine Distanzierung von den strikten penalty-Regeln nach Lord Dunedin, insbesondere der ersten Abgrenzungsregel über die ziffernmäßige Gegenüberstellung von Zahlungsverpflichtung und Schaden.323 5. Murray v Leisureplay Plc (2005) Ein weiteres Beispiel für die restriktivere Anwendung der penalty doctrine ist die Entscheidung Murray v Leisureplay Plc aus dem Jahr 2005.324 Das Urteil des Court of Appeal hatte allerdings eine b2c-Konstellation zum Gegenstand. Zu untersuchen war eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, welche den Arbeitgeber verpflichtete, eine Kündigungsfrist von einem Jahr einzuhalten. Für die Verletzung dieser Mitteilungspflicht war die Zahlung eines Bruttojahresgehalts vorgesehen. Die Besonderheit des Sachverhaltes ist die Schuldnerstellung des Arbeitgebers bzw. des Unternehmers, während sich der vermeintlich unterlegene Arbeitnehmer bzw. Verbraucher in der Position des Gläubigers befindet. Der Court of Appeal sah die Klausel als liquidated damages an und weichte damit auch im b2c-Bereich die starre Linie auf, wonach die Zahlungssumme grundsätzlich durch den Schaden gedeckelt sein müsse. Bei der Analyse der Entscheidung muss deren arbeitsrechtliche Prägung betont werden. Dem Schutz des vermeintlich schwächeren Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber wurde Vorrang gegenüber der eisernen Einhaltung der Grundsätze aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. eingeräumt. Der Arbeitnehmer hat durch die Einordnung der Klausel als durchsetzbare liquidated damages clause eine stärkere Rechtsposition gegenüber dem Arbeitgeber. Die Berücksichtigung der Arbeitnehmerstellung durchbricht die Starrheit der penalty doctrine auch im b2c-Bereich – eine Öffnung, welche Raum für weitere Bemessungskriterien neben der reinen wertmäßigen Gegenüberstellung von Zahlungssumme und Schaden schafft. 322

Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares SA, CLC 2002, 1151 (1197 f.); Poole, Casebook on Contract Law, S. 447. 323 Lucinda Miller, ICLQ 2004, S. 79 (81). 324 Murray v Leisureplay plc, EWCA 2005, 963 ff.; McGregor, McGregor on Damages, S. 492.

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II. Bewertung Die Entscheidung Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong erweiterte den Abgrenzungsprozess zwischen penalty clauses und liquidated damages um den Aspekt der Verhandlungsposition der Parteien. Eine Klausel über die Zahlungspflicht bei Vertragsverletzung sei in der Regel als liquidated damages clause einzuordnen, wenn keiner der Vertragspartner eine überlegene Stellung bei der Vertragsverhandlung innehatte. Vor allem in b2b-Konstellationen, bei denen sich die Parteien eher auf einer Stufe relativer Gleichordnung hinsichtlich der Verhandlungsmacht begegnen, bewirkt dies eine Zurückdrängung der penalty clauses. Gleichzeitige folgt ein Auseinandergehen vom b2b- und b2c-Bereich, weil die Vermutungsregel bei Beteiligung eines Verbrauchers in der Regel nicht zur Anwendung gebracht werden kann. Die Erweiterung des Abgrenzungskanons erfolgte darüber hinaus durch Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia mit dem Korrektiv der wirtschaftlichen Rechtfertigung, welches die Gegenüberstellung von Zahlbetrag und Schaden nicht mehr als absolutes Kriterium bestehen lässt. Die Entscheidung ist Ausdruck einer gesteigerten Akzeptanz von Klauseln, die dem Gläubiger einen Betrag zubilligen, der über den zu erwartenden Schaden hinausgeht.325 In den jüngeren Urteilen wie Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares verstärkte sich die Tendenz zu einer restriktiveren Anwendung der penalty doctrine.326 Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen penalty clauses und liquidated damages ist folglich eine Entwicklung hin zu mehr Flexibilität festzustellen. Die Berücksichtigung der Verhandlungslage der Parteien ist Ausdruck einer Entwicklung, die sich von einer streng formalvergleichenden Betrachtung zwischen verabredetem Betrag und tatsächlichem Schaden entfernt. Stattdessen rückt eine stärker wirtschaftlich geprägte Betrachtung der Klausel in den Fokus, bei dem die Rolle der Klausel im Gesamtgefüge des Vertrags sowie andere Bewertungsfaktoren Berücksichtigung finden.327 Die Betonung von Aspekten wie der Verhandlungsposition und der wirtschaftlichen Notwendigkeit ermöglicht eine sachgerechtere Beurteilung von unterschiedlichen Einzelfällen. Die Akzentuierung der Verhandlungsmacht als zusätzlicher Gesichtspunkt im Kontext der Abgrenzung überzeugt bereits deshalb, weil die tatsächliche Sachverhaltslage dadurch in den Vordergrund gerückt wird und eine einzelfallgerechtere Entscheidung möglich erscheint. Zumal der Einfluss der Verhandlungspositionen auf die Gestaltung der Vertragsbedingungen augenscheinlich ist, was nicht zuletzt durch die Existenz des Rechts der Allgemeinen Rechtsbedingungen bzw. general terms and conditions deutlich wird. Es liegt daher nahe, dass in einer Konstellation ausgegli325 O’Sullivan/Hilliard, The Law of Contract, S. 428 unter Bezugnahme u. a. auf Experience Hendrix LLC v PPX Enterprises Inc, EWCA Civ 2003, 323 ff. 326 Siehe Koffman/Macdonald, The Law of Contract, S. 578 f. 327 McGhee, Snell’s equity, S. 372 ff.; Poole, Casebook on Contract Law, S. 445.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

chener Verhandlungsstärke eine Partei eine Zahlungspflicht tendenziell nicht akzeptiert, wenn diese von beträchtlichem Nachteil für sie wäre. Gleichwohl birgt der Ansatz zugleich Schwierigkeiten, etwa bei der Feststellung der tatsächlichen vorhandenen Verhandlungsmacht der Betroffenen. Man bedenke allein die Vielzahl an zu berücksichtigenden Faktoren wirtschaftlicher Natur. Die aufgezeigten Entscheidungen sind Ausdruck eines zunehmend gesteigerten Bewusstseins der Gerichte für die Bedeutung von liquidated damages, vor allem im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Die Betonung der Bedeutung von liquidated damages geht einher mit der gewachsenen Zurückhaltung, wenn sich Gerichte mit der Entscheidung um die Einordnung einer Klausel als penalty clause konfrontiert sehen.328 Es gibt eine erkennbare Tendenz, Zahlungsverpflichtungen für den Fall des Vertragsbruchs als wirksame liquidated damages anzusehen, insbesondere im b2bVerhältnis. Obwohl Lord Dunedin keinen übermäßigen Eifer bei der Klassifizierung einer Klausel als penalty clause walten ließ, ist in den Jahrzehnten seit Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd die Scheu zur Anwendung der penalty doctrine merklich gewachsen. Eine weitere Antriebsfeder für diese Entwicklung ist die stärkere Betonung der doctrine of freedom of contract329. Die Freiheit der Rechtssubjekte über die Vertragsbedingungen und den Abschluss des Vertrags selbst zu entscheiden, gilt als eines der tragenden Prinzipien des englischen Rechts.330 Die penalty doctrine, die es ermöglicht, eine nachteilige vertragliche Pflicht faktisch zu beseitigen, steht dazu im denkbar stärksten Konflikt und stellt somit eine seltene Ausnahme bzw. Anomalie im Gesamtgefüge dar,331 was von der Rechtsprechung zunehmend betont wird.332 In dieser Sonderstellung der penalty clauses zeigt sich eine Parallele zum deutschen Recht. Die Vertragsstrafe im BGB bewegt sich ebenfalls im Spannungsfeld zwischen der Vertragsfreiheit, gar der Privatautonomie, und der Rechtssicherheit auf der einen sowie dem Schutz der Vertragspartei auf der anderen Seite. Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/90, BVerfGE 89, 214 ff.) formulierte einen generellen Schutzauftrag an die Zivilgerichte, sofern die Benachteiligung eines Vertragspartners eine Folge ihrer strukturellen Unterlegenheit ist. Dieses Schutzerfordernis besteht im deutschen und englischen Recht (darüber 328

Vgl. Chitty, Chitty on Contracts, Chapter 26, Rn. 172 f. Siehe hierzu detailliert Andrews, Contract Law, S. 6 f. 330 Bridge et al., Benjamins’s Sale of Goods, S. 980. 331 McKendrick, Contract Law, S. 906; Alfred McAlpine Capital Projects Ltd v Tilebox Ltd, Const LJ 2005, Vol. 21, 539 (548) per Richter Jackson, der penalty clauses noch immer als „anomaly within the law of contract“ bezeichnet. 332 „The rule against penalties is an exception to the general principle of English law that a contract should be enforced in accordance with its terms“ in Euro London Appointments Ltd v Claessens International Ltd, EWCA Civ 2006, 385, official transcript, Rn. 16. Noch drastischer drückte es zuvor Richter Burton in Makdessi v Cavendish Square Holdings BV, EWCA Civ 2013, 1539, Rn. 44 aus: Das Verbot von penalty clauses sei „[a] blatant interference with freedom of contract“. 329

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hinaus wohl in fast allen Zivilrechtsordnungen) gleichermaßen, insbesondere im b2c-Sektor, wo der Verbraucher auf die Vertragsgestaltung kaum Einfluss nehmen kann. Die penalty doctrine im englischen Recht und das richterliche Herabsetzungsrecht im deutschen Recht sind jeweils Mechanismen zum Schutzes des Einzelnen vor einer zu starken Benachteiligung als Ausfluss einer grenzenlosen Vertrags- und Vertragsgestaltungsfreiheit. Die Grundsätze von Lord Dunedin aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. überdauerten knapp 80 Jahre, bevor sie sich, wenngleich sie sich nicht grundlegend änderten, aber doch einer gewissen Modernisierung unterzogen. Eine Ursache für diesen Richtungswechsel in der Rechtsprechung ist erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts angelegt, die sich stark verändernde Wirtschaft sein. Die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen haben durch komplexere Fertigungsprozesse an Vielschichtigkeit gewonnen. Grenzüberschreitende Vernetzungen bei Herstellung und Vertrieb wurden vertieft oder neu entwickelt und müssen in den Verträgen Berücksichtigung finden. Umfassendere Vertragstexte waren die Begleiterscheinung dessen. Ein Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist außerdem der verstärkte Wettbewerb der Rechtsordnungen im Hinblick auf Wahl des Rechts und des Gerichtsstands. Das Ausbauen wirtschaftsbezogener Standortvorteile und der Abbau möglicher Nachteile können starke Beweggründe für die Jurisdiktion sein, Rechtsklarheit und -offenheit zu schaffen, vielleicht sogar die Rechtsunsicherheit im englischen Recht im Hinblick auf liquidated damages zu beseitigen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen der EU haben sich durch harmonisierende EU-Regulierung verringert. Insgesamt betrachtet bleibt der Umfang der Änderung seit 1915 aber begrenzt, weil an dem grundlegenden Verständnis der Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages von Lord Dunedin im Kern festgehalten wurde.

C. Neuausrichtung der penalty doctrine durch Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/ Parking Eye Ltd v Beavis Einen Wendepunkt markiert ein Urteil des Supreme Court of the UK333 vom 04. November 2015. Die Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis334 ist eine verbundene Entscheidung über zwei Berufungen aus zwei getrennten Verfahren des Supreme Court: Makdessi v Cavendish Square Holdings BV335 und Parking Eye Ltd v Beavis.336 333

Der Supreme Court wurde 2005 durch den Constitutional Reform Act geschaffen und löste das House of Lords als oberstes Berufungsgericht im Vereinigten Königreich ab. 334 Ein ausführlicher Auszug aus den Entscheidungsgründen finden sich bei Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (166 ff.). 335 Makdessi v Cavendish Square Holdings BV, EWCA Civ 2013, 1539.

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

I. Sachverhalte aus b2b- und b2c-Bereich Bei Makdessi v Cavendish Square Holdings BV war ein Kaufvertrag, über die Mehrheit der Geschäftsanteile an einem führenden Werbe- und Marketingkonzern des Mittleren Ostens, Gegenstand des Verfahrens. Verkäufer war einer der Mitbegründer, Herr Talal El Makdessi. Beim Käufer handelte es sich um eine Zweckgesellschaft des britischen Konzerns WPP plc, dem weltweit größten Werbedienstleister und Medienunternehmen. Der Kaufvertrag wurde über mehrere Monate ausgehandelt, wobei beide Seiten anwaltlich beraten waren. Makdessi verkaufte von seiner Mehrheitsbeteiligung insgesamt 47,4 %. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Kaufpreises war für den Firmenwert (goodwill) des Unternehmens zu entrichten. Nachvertragliche Verhaltenspflichten des Verkäufers trugen diesem Umstand Rechnung. Für den Fall einer Pflichtverletzung von Makdessi, etwa in Form des Verstoßes gegen Konkurrenzverbote, reduzierte sich nach Klausel 5.1 der Kaufpreis dergestalt, dass Makdessi den Anspruch auf die letzten beiden Zahlungsraten verlor. Darüber hinaus sank gemäß Klausel 5.6 der Preis der call option für Cavendish, bezogen auf die nicht verkauften restlichen Anteile von Makdessi, zugleich verlor Makdessi seine put option, welche ihm den Verkauf der ihm verbliebenen Anteile zu einem lukrativen Preis ermöglichte. Nachdem Makdessi gegen seine Verhaltenspflicht in Bezug auf den goodwill verstoßen hatte und sich nun einer Zahlungsverpflichtung von etwa 110.000.000 US-Dollar gegenüber sah, berief er sich auf die Unwirksamkeit der Abreden aufgrund Verstoßes gegen die penalty doctrine.337 Der Supreme Court sah die Klauseln nach einstimmigem Dafürhalten aller Richter als wirksam an. Es erkannte darin keine penalties, sondern einen nicht zu bestandenen Mechanismus zur Preisanpassung für die Geschäftsanteile.338 Die penalty doctrine gelte nicht für die Wertfestlegung bei Primärverpflichtungen. Der zweite Fall, Parking Eye Ltd v Beavis, verhandelt die Zahlungspflicht für die überlange Nutzung eines Parkplatzes in einem Einkaufszentrum in Chelmsford. Ein großes Schild auf dem Parkplatz wies darauf hin, dass bei Überschreitung der zweistündigen Höchstparkdauer eine parking charge in Höhe von 85 Pfund fällig wird. Nachdem Herr Beavis die Parkdauer um 56 Minuten überschritten hatte, forderte die Betreibergesellschaft des Parkplatzes die Zahlung der 85 Pfund.339 Im Unterschied zur b2b-Konstellation in Makdessi v Cavendish Square Holdings BV handelte es sich bei Parking Eye Ltd v Beavis um die Zahlungspflicht aus einem Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher, einer b2c-Konstellation. Der Vertrag unterlag außerdem der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulation 1999.

336 337 338 339

Parking Eye Ltd v Beavis, EWCA Civ 2015, 402. Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (539). Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (219); Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (175 f.). Fisher, Conv. 2016, S. 408 (408 f.).

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Der Supreme Court lehnte mit der Mehrheit von sechs der sieben Richter die Einordnung als unzulässige penalty clause ab, wie zuvor bereits der Court als Ausgangsinstanz und der Court of Appeal.340 Die Höhe von 85 Pfund sei weder extravagant noch unconscionable, und dies obwohl kein unmittelbarer Schaden entstanden war. Die Summe diene zwar eindeutig der Abschreckung, sei aber nicht übertrieben in Anbetracht des legitimen Interesses seitens des Parkplatzbetreibers, eine effiziente Nutzung der Parkflächen im Sinne der Händler und der übrigen Kunden des Einkaufszentrum zu gewährleisten, zumal der Betrag noch im Rahmen der Ordnungsgelder für Parkverstöße auf öffentlichen Parkplätzen in der Gemeinde lag und die Pflicht zur Zahlung der 85 Pfund gut sichtbar ausgeschildert war. In seinem Sondervotum lehnte Lord Toulson zwar die Einordnung als penalty clause ab, erachtete die Zahlungspflicht aber trotzdem als unlawful. Nach seinem Dafürhalten war die Klausel unfair im Sinne von § 5 Abs. 1 der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulation 1999341, weil der Betrag von 85 Pfund angesichts der staatlichen Grundrente von 115 Pfund pro Woche beträchtlich sei und in keiner Relation zur eventuell nur kurzzeitigen Nutzungsüberschreitung des Parkplatzes stehe.342 Die beiden Sachverhalte boten dem Supreme Court die Möglichkeit, die penalty doctrine anhand von zwei Fallkonstellationen zu überprüfen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Während die strittige Klausel bei Makdessi v Cavendish Square Holdings BV in einem Kaufvertrag zwischen zwei geschäftserfahrenen Unternehmen enthalten war, unterfällt Parking Eye Ltd v Beavis dem b2c-Sektor und die Klausel war in den general terms and conditions aufgeführt. Den intensiven, monatelangen Vertragsverhandlungen zweier umfassend anwaltlich beratenen Akteure bei Makdessi v Cavendish Square Holdings BV steht das Fehlen jeglicher Verhandlungen bei Parking Eye Ltd v Beavis gegenüber, weil der Verbraucher faktisch nur die Wahl hatte, den Parkplatz zu nutzen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu akzeptieren oder den Parkplatz zu meiden. II. Aufrechterhaltung des Durchsetzungsverbots aus Gründen des Schuldnerschutzes und der Rechtstradition Der Supreme Court stellte in dem Grundsatzurteil die bisherige penalty doctrine zur Disposition und nahm sich der aufkeimenden Diskussion um die zukünftige Entwicklung an, nämlich ob das Durchsetzungsverbot gänzlich zurückgedrängt oder 340

Beale, IWRZ 2017, S. 68 (69); Morgan, CLJ 2016, S. 11 (11). Die Regelung lautet: „A contractual term which has not been individually negotiated shall be regarded as unfair if, contrary to the requirement of good faith, it causes a significant imbalance in the parties’ rights and obligations arising under the contract, to the detriment of the consumer.“ 342 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1473 ff.). 341

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

erweitert werden solle.343 Im Ergebnis entschieden sich die Richter um Lord Neuberger, Präsident des Supreme Court, einstimmig gegen eine Aufgabe der penalty doctrine.344 Die gerichtliche Durchsetzung einer penalty clause bleibt, sowohl im b2c- als auch im b2b-Verhältnis, unzulässig. Der Supreme Court verwies auf die lange Geschichte hinter der Regel der Unzulässigkeit von penalty clauses – diese spreche mit erheblichem Gewicht gegen eine Aufhebung.345 Dieses altbewährte Prinzip des englischen Rechts habe parallel in anderen common law-Rechtsordnungen Einzug gehalten.346 Darüber hinaus sei die penalty doctrine keine isoliert zu betrachtende Erscheinung im englischen Vertragsrecht, sondern stehe in einer Reihe mit anderen Einschränkungen der Vertragsfreiheit, beispielsweise dem Schutz vor forfeiture clauses.347 Der Supreme Court nahm außerdem Bezug auf eine Untersuchung der Law Commission aus 1975. Nur zwei Jahre nach dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft zum 01. Januar 1973 hatte diese vom Parlament eingesetzte Kommission die Handhabe von penalty clauses geprüft. Im zugehörigen Working Paper No. 61 unterbreitete die Law Commission keinen Vorschlag für eine Abschaffung des Durchsetzungsverbots, sondern regte dessen Erweiterung an.348 Die penalty doctrine sei ein wichtiges Element zum Schutz der unterlegenen Vertragspartei. Die Überlegungen zur ungleichen Verteilung der Verhandlungsmacht greifen nicht nur im Bereich der Verbraucherverträge, bei denen das Gericht mit der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 und der Consumer Protection from Unfair Trading Regulation 2008 ausdrücklich zwei Gesetzesmaßnahmen zur Kontrolle bei ungleicher Verhandlungsmacht anbringt.349 Ein Gefälle mit Blick auf die Verhandlungsposition sei ebenfalls zwischen großen Konzernen und kleinen Unternehmen auszumachen, beispielsweise im Baugewerbe im Verhältnis zwischen Bauunternehmer und Subunternehmer. Der Supreme Court strich heraus, dass vor allem Selbstständige und kleine Unternehmen ebenso viele Eigenschaften eines Verbrauchers aufweisen und deshalb rechtlichen Schutzes bedürfen.350 Der Schutz des Schuldner ist demnach ein Gesichtspunkt, der für b2b- und b2c-Verhältnisse gleichermaßen von Bedeutung ist. 343

Lindsay, Edin LR 2016, Vol. 20, S. 204 (204). Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (219). 345 Morgan, CLJ 2016, S. 11 (12); Conlon, Tax Journal 2015, issue 1289, S. 16 (16). 346 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1440 f.); Morgan, CLJ 2016, S. 11 (12). 347 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1383 f.). 348 Berger, RIW 2016, S. 321 (325); Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/ Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1439 f.). 349 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1467). 350 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1395); Beale, IWRZ 2017, S. 68 (69 f.). 344

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Lord Neuberger und Lord Sumption lehnten in ihrer gemeinsam verfassten leading opinion eine vollständige Aufgabe der penalty doctrine außerdem unter Verweis auf die Rechtslage in Kontinentaleuropa ab. Frankreich, Deutschland, Schweiz, Belgien und Italien lassen den Gläubiger einer Vertragsstrafe gleichfalls nicht unbeschränkt gewähren, vielmehr halten ihre Rechtsordnungen jeweils eine Herabsetzungsmöglichkeit und damit eine Regelung zur Begrenzung der Vertragsstrafe vor.351 Zudem verwies der Supreme Court auf die Resolution on Penal Clauses in Civil Law des Ministerkomitees des Europarats aus dem Jahr 1978. Dieser europäische Regelungsvorschlag sah auch keine vollkommene Vertragsfreiheit bezüglich der Vertragsstrafe vor, sondern eine Eingrenzung mithilfe eines Herabsetzungsrechts.352 Lord Mance ergänzte in seinem zustimmenden Votum diese rechtsvergleichende Betrachtung des Supreme Courts bei der Entscheidung gegen die Abkehr vom Durchsetzungsverbot für penalty clauses. Er zeigte hierfür die erkennbare Konvergenz von den nationalen Rechtsordnungen innerhalb der EU auf, exzessiv überhöhte Vertragsstrafen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Dabei nahm er explizit Bezug auf Anerkennung eines Abschreckungsinteresses beim Gläubiger im BGB und die Trennung zwischen b2c- und b2b-Sektor bei der Anwendung des § 348 HGB, einschließlich der Korrekturmöglichkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr im Ausnahmefall nach §§ 138, 242 BGB.353 Darüber hinaus verwies Lord Mance auf soft law-Initiativen, wie etwa die Principles of European Contract Law zur Schaffung bzw. Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrecht, welche ebenfalls die Reduktionsmöglichkeit von unverhältnismäßigen Zahlungsverlangen und damit einen Schutz des Schuldners vorsehen.354 Eine Abkehr von der penalty doctrine und damit die Aufgabe jeglichen Schuldnerschutzes sei vor diesem Hintergrund nicht darstellbar: „It would be odd, to say the least, if the United Kingdom separated itself from so general a consensus.“355 Diese rechtsvergleichenden Überlegungen des Supreme Court zur Begründung der Fortgeltung der penalty doctrine weisen allerdings eine Schwachstelle auf, da Vertragsstrafen in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen grundsätzlich zulässig sind.356 Das Durchsetzungsverbot nach englischem Recht kann nicht dem Herabsetzungsrecht als Schutzmechanismus gegen ein an sich zulässiges Vertragselement gleichgestellt werden. Obzwar sowohl Verbot und Reduktionsrecht den Schutz einer Vertragspartei bezwecken, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer 351 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1394); Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (174 f.). 352 Siehe hierzu detaillierter nachfolgend im dritten Teil, § 12, A. 353 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1440). 354 Siehe hierzu detaillierter nachfolgend im dritten Teil, § 12, B. 355 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1441). 356 Faber/Groß, NZBau 2016, 538 (540 f.).

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systematischen Ausgestaltung. Es überzeugt demnach nur bedingt, wenn sich der Supreme Court zur Aufrechterhaltung des Durchsetzungsverbots von penalty clauses auf das schuldnerschützende Herabsetzungsrecht beruft. III. Fortgeltung des Erfordernisses der Vertragsverletzung Die Erweiterung der penalty doctrine – in Gestalt der Anwendung des Vollstreckungshindernisses auf Zahlungspflichten unabhängig von Vertragsverletzungen – lehnte der Supreme Court gleichfalls ab. Nur eine Sekundärverpflichtung kann als penalty clause eingeordnet werden.357 Hintergrund dieser Überlegungen um eine Erweiterung der penalty doctrine ist das Urteil des High Court Australia in Sachen Andrews v Australia and New Zealand Banking Group Ltd.358 Dieses australische Urteil ist Ergebnis der Bestrebungen, die Umgehung des Durchsetzungsverbots von penalty clauses durch eine geschickte Vertragsgestaltung zu vermeiden.359 Denn nach dem geltenden englischen Rechtsverständnis von penalty clauses setzen diese stets eine Vertragsverletzung voraus.360 Penalty clauses sind Sekundärverpflichtungen, welche die nicht vertragsgemäße Erfüllung einer Primärverpflichtung erfordern. Sobald die vertragliche Zahlungspflicht nicht an eine Vertragsverletzung anknüpft, sondern aufgrund der Vertragsgestaltung selbst zur primären und zugleich bedingten Verpflichtung erhoben wird, gilt die penalty doctrine nicht. Der Supreme Court erteilte diesen Erweiterungsüberlegungen des Geltungsbereichs der penalty doctrine eine Absage und erklärte zugleich die Voraussetzung der Vertragsverletzung zum elementaren Bestandteil der penalty doctrine.361 Eine Erweiterung des Durchsetzungsverbots auf nahezu sämtliche bedingte Ansprüche sei zu weitgehend. Es widerspreche dem Wesen der penalty clauses, welches mit den penal bonds eine historische Verknüpfung zum Element der Vertragsverletzung aufweise.362 Außerdem sei das Durchsetzungshindernis von penalty clauses ein starker Eingriff in die Vertragsfreiheit, der zwingend an formalen Kriterien überprüfbar bleiben muss, die dagegen nicht erweiterungsfähig sind.363 Die Möglichkeit

357

Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (221); Fisher, Conv. 2016, S. 408 (413). Andrews v Australia and New Zealand Banking Group Ltd., CLR 2012, Vol. 247, 205 ff. Siehe bereits oben im ersten Teil, § 3, A. II. 2. 359 Fenwick Elliott, Const LJ 2016, S. 644 (646). 360 Siehe bereits oben im ersten Teil, § 3, A. II. 2. 361 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1395 ff.); Morgan, CLJ 2016, S. 11(13). 362 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1396 f.). 363 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1398); Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (176). 358

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der Parteien die penalty doctrine durch geschickte Vertragsgestaltung zu vermeiden, werden im Gegenzug in Kauf genommen: „This means that in some cases the application of the penalty rule may depend on how the relevant obligation is framed in the instrument, i. e. whether as a conditional primary obligation or a secondary obligation providing a contractual alternative to damages at law. Thus, where a contract contains an obligation on one party to perform an act, and also provides that, if he does not perform it, he will pay the other party a specified sum of money, the obligation to pay the specified sum is a secondary obligation which is capable of being a penalty; but if the contract does not impose (expressly or impliedly) an obligation to perform the act, but simply provides that, if one party does not perform, he will pay the other party a specified sum, the obligation to pay the specified sum is a conditional primary obligation and cannot be a penalty.“364

Das Risiko der fehlenden Durchsetzbarkeit einer solchen Klausel kann demzufolge durch Verzicht auf die eigentliche Primärpflicht vermieden werden. Die Zahlungspflicht aus der liquidated damages clause erwächst stattdessen selbst zur Primärverpflichtung, sie wird bedingt auf den Eintritt der Nichterfüllung festgelegt, ohne dass die Erfüllung der eigentlichen Primärpflicht noch vertraglich zugesichert wird.365 Es handelt sich mithin um das Pendant zum selbstständigen Strafversprechen im deutschen Recht366 bzw. zur unechten Vertragsstrafe im römischen Recht.367 Zur Verdeutlichung soll ein Beispiel aus dem Bereich des Unternehmenskaufs dienen, bei dem die Verkäuferseite zu Beginn der Verhandlungen mit dem potentiellen Käufer einen Vorvertrag (sog. Letter of Intent) über die Eckpunkte der beabsichtigten Transaktion abschließt. Derartige Vorverträge enthalten typischerweise die Verpflichtung des Kaufinteressenten, keine offengelegten Informationen über den Kauf und das zu erwerbende Unternehmen weiterzugeben. Diese Verpflichtung wird oftmals um eine liquidated damages clause ergänzt: „The buyer is obliged to not forward any information related to this transaction, in particularly any inside information on the company’s business model, to any third party without prior written approval by the seller. For each case of violation, the buyer hereby undertakes to pay to the seller a lump sum of EUR 10,000.00.“

Eine Formulierung zur Umgehung der penalty doctrine würde wie folgt lauten: „In case that the buyer forwards any information related to this transaction, in particularly any inside information on the company’s business model, to any third party without prior written approval by the seller, the buyer hereby undertakes to pay to the seller a lump sum of EUR 10,000.00.“

364 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1385). 365 Berger, RIW 2016, S. 321 (323). 366 Siehe oben im ersten Teil § 3, A. I. 2. b). 367 Siehe oben im ersten Teil § 1, A. I. 1. a).

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Der Gläubiger muss für die Umgehung bzw. Vermeidung der penalty doctrine eine Schlechterstellung hinsichtlich der eigentlichen Primärpflicht in Kauf nehmen. Im vorgenannten Beispielsfall des Unternehmenskaufs kann der Verkäufer ein hohes Interesse daran haben, nicht nur die EUR 10.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu erhalten, sondern notfalls gerichtlich sicherstellen zu können, dass der potentielle Käufer keine sensiblen Informationen weitergibt. Sicherlich wird es dem Gläubiger in manchen Sachverhaltskonstellationen genügen, mittelbar durch die Androhung der Zahlungspflicht seine Interessen zu wahren. Dies gilt insbesondere, wenn der Gläubiger sich sicher sein kann, dass der Schuldner angesichts der drohenden, bedingten Zahlungsverpflichtung der nicht geschuldeten Primärpflicht ohnehin nachkommen wird. Im Zusammenhang mit dem Festhalten am Merkmal der Vertragsverletzung schränkte der Supreme Court den Anwendungsbereich der penalty doctrine jedoch für den nachträglichen Verfall von vertraglichen Hauptleistungsansprüchen ein.368 Ausgangspunkt war die streitgegenständliche Klausel im Fall Makdessi v Cavendish Square Holdings BV, wonach der Verkäufer den Anspruch auf die letzten beiden Kaufpreisraten verlor. Der Auslöser hierfür war eine Vertragsverletzung in Form des Verstoßes gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Der Supreme Court erkannte in der Klausel jedoch keine penalty clause, als eine kaufpreisverändernde Abrede. Dem ursprünglichen Kaufpreis für das Unternehmen sei das wettbewerbskonforme Verhalten des Verkäufers zugrunde gelegt, weshalb sich im Falle des Verstoßes der Kaufpreis nachträglich verringert. Diese Vorgehensweise des Supreme Court eröffnet den Beteiligten der Vertragsgestaltung wiederum Möglichkeiten zur Umgehung der Einordnung einer Abrede als penalty clause.369 Der Supreme Court behält sich bei offensichtlichen Umgehungen eine Anwendung der penalty doctrine vor, falls die Vertragsregelung als „disguised punishment“ für eine Vertragsverletzung diene.370 Im Falle der Preisanpassungsklausel in Makdessi v Cavendish Square Holdings BV gab es hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Nach deutschem Rechtsverständnis liegt eine Einordnung dieser streitgegenständlichen Abrede als Verfallsklausel nahe, auf welche die Vorschriften der §§ 339 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind.371 Dies ist überzeugend, weil es bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Sicht des Schuldners keinen Unterscheid macht, ob er als Folge einer Vertragsverletzung an den Gläubiger Geld leisten muss oder seinen Zahlungsanspruch teilweise verliert.

368

Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1403 ff.). 369 Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (178). 370 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1406); Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (176). 371 Siehe hierzu oben im ersten Teil, § 4, A. II.

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IV. Änderung der Abgrenzungsdogmatik zu liquidated damages Die Aufrechterhaltung des Verbots von penalty clauses bedeutet aber nicht die Beibehaltung der bisherigen Abgrenzungsmethodik nach Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. Der Supreme Court macht gleich zu Beginn seiner Urteilsfindung deutlich, wie wenig Sympathien er für die bisherigen Regeln zu penalty clauses übrig hat, in dem er diese als „ancient, haphazardly constructed edifice which has not weathered well“372 bezeichnete. Es führt weiter aus: „[…] the law relating to penalties has become the prisoner of artificial categorisation, itself the result of unsatisfactory distinctions: between a penalty and genuine pre-estimate of loss, and between a genuine pre-estimate of loss and a deterrent. These distinctions originate in an over-literal reading of Lord Dunedin’s four tests and a tendency to treat them as almost immutable rules of general application which exhaust the field.“373 (Hervorhebungen hinzugefügt)

Die Kritik des Supreme Court in Person von Lord Neuberger setzt erkennbar an verschiedenen Schaltstellen an. Das Gericht prangert vor allem die Verabsolutierung der Dunlop-Grundsätze im Laufe der Zeit an: „Lord Dunedin’s speech in Dunlop achieved the status of a quasi-statutory code in the subsequent case-law. […] In our view, this is unfortunate.“374

Dabei ist das Recht über penalty clauses im handelsrechtlichen Verkehr bis heute frei von gesetzlichen Bestimmungen.375 Lord Dunedin selbst habe seine Regeln nicht als in jedem Einzelfall anwendbar betrachtet, vielmehr seien sie Vorschläge für die Lösung des ihm in seiner Entscheidung vorliegenden Sachverhalts.376 Bemängelt wird ferner die gekünstelte Kategorisierung und die zu wortgetreue Auslegung von Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. und den vier Regeln von Lord Dunedin: Die Vertragspraxis habe sich zu sehr und zu stark verändert, als dass sie sich stets und immer in ein Schema pressen ließe. Die Regeln nach Dunlop seien vor mehr als 100 Jahren entstanden, um für einfach gelagerte Fälle seinerzeit angemessene Lösungen zu erzielen – sie seien aber nicht für komplexe Lieferverträge in der modernen Wirtschaftswelt erdacht. Hier bedürfe es einer umfangreichen

372

Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd 2015, Vol. 3, 1373 (1380); Morgan, CLJ 2016, S. 11(12). 373 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd 2015, Vol. 3, 1373 (1392); Fenwick Elliott, Const LJ 2016, S. 644 (644 f.). 374 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd 2015, Vol. 3, 1373 (1387). 375 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd 2015, Vol. 3, 1373 (1395). 376 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd 2015, Vol. 3, 1373 (1387); Beale, IWRZ 2017, S. 68 (70).

v Beavis, WLR v Beavis, WLR v Beavis, WLR v Beavis, WLR v Beavis, WLR

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Überprüfung. Vor diesem Hintergrund müsse eine Differenzierung zwischen b2cund b2b-Welt erfolgen.377 Das Gegenmodell für die Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages entwirft der Supreme Court durch Lord Neuberger und Lord Sumption wie folgt: „The true test is whether the impugned provision is a secondary obligation which imposes a detriment on the contract-breaker out of all proportion to any legitimate interest of the innocent party in the enforcement of the primary obligation.“378

Die Abgrenzung zwischen unzulässigen penalty clauses und zulässigen liquidated damages hat demnach unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses des Gläubigers im Hinblick auf die Durchsetzung seines vertraglichen Primäranspruchs zu erfolgen. Die entscheidende Prüfung richtet sich daher nicht mehr nach der Frage, ob der verabredete Betrag eine ernsthafte Schätzung oder eine Abschreckung darstellt, entscheidend sei nun, ob die Klausel ein legitimes Interesse des Gläubigers schützt und der Betrag angesichts dieses Schutzinteresses nicht als deutlich übertrieben erscheint.379 Die neue Abgrenzungsmethodik hat Lord Mance noch genauer aufgeschlüsselt und als zweistufiges System wie folgt zusammengefasst: „What is necessary in each case is to consider, first, whether any (and if so what) legitimate business interest is served and protected by the clause, and, second, whether, assuming such an interest to exist, the provision made for the interest is nevertheless in the circumstances extravagant, exorbitant or unconscionable. In judging what is extravagant, exorbitant or unconscionable, I consider (despite contrary expressions of view) that the extent to which the parties were negotiating at arm’s length on the basis of legal advice and had every opportunity to appreciate what they were agreeing must at least be a relevant factor.“380

In einem ersten Schritt ist demnach das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der entsprechenden Klausel zu bewerten. Nur wenn mit der Klausel überhaupt ein legitimes, wirtschaftliches Interesse verknüpft ist, wird in einem zweiten Schritt überprüft, ob diese Klausel im Verhältnis zum Interesse exorbitant überhöht ist. Der Wunsch nach reiner Bestrafung der vertragsbrüchigen Partei sei weiterhin kein legitimes Interesse, dürfte in der Vertragspraxis aber ohnehin selten anzutreffen sein.381 Angesichts der Nachrangigkeit von specific performance genügt ein nicht 377 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1389); Berger, RIW 2016, S. 321 (325 f.). 378 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1392); Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (220); Morgan, CLJ 2016, S. 11 (12). 379 Collins, Const LJ 2016, S. 463 (465). 380 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1392); Fenwick Elliott, Const LJ 2016, S. 644 (657). 381 Berger, RIW 2016, S. 321 (326); Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (541).

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näher qualifiziertes Interesse an der Vertragserfüllung, anstelle von Schadensersatz, ebenfalls nicht.382 Anders verhält es sich dagegen, wenn der Gläubiger ein gesteigertes, wirtschaftliches Interesse daran hat, den Schuldner zur Vertragstreue bzw. Vertragserfüllung anzuhalten.383 Die Abschreckung des Schuldners kann ein legitimes Gläubigerinteresse darstellen, wenn beispielsweise die Zahlung von Schadensersatz keine hinreichende Kompensation ermöglicht. Es handelt sich hierbei um einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel in der Abgrenzungsmethodik zu Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. und zugleich eine bedeutende Angleichung an das kontinentaleuropäische Rechtsverständnis der Vertragsstrafe.384 Die damaligen Regeln hatten ein solches Interesse außenvorgelassen, weil die Grundsätze allein auf den Schadensausgleich als Bezugspunkt abzielten. Ein Abschreckungselement als Bestandteil der Zahlungsverpflichtung hatte damit stets die Einordnung als penalty clause zur Folge, weil der vereinbarte Zahlbetrag sodann höher als ursprünglich zu erwartender Schaden war. In Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis erkannte der Supreme Court aber das hohe wirtschaftliche Interesse des Erwerbers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots durch den Verkäufer an, da der Wert des erworbenen Unternehmens im hohen Maße vom goodwill abhing.385 Sofern ein legitimes wirtschaftliches Interesse gegeben ist, wird als zweiter Schritt geprüft, ob die festgelegte Zahlungspflicht außerhalb jeder Relation zum Interesse steht. Nach wie vor ist von einer penalty clause auszugehen, wenn die Zahlungsverpflichtung extravagent und unconscionable ist. Diese Formel aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. wurde vom Supreme Court nicht aufgegeben. Gleichwohl durchbricht der Supreme Court die Verallgemeinerung nach Lord Dunedin gleich in mehrfacher Hinsicht. Sofern die festgeschriebene Summe noch in einem angemessenen Verhältnis zum Schaden bzw. zum berechtigten Interesse des Gläubiger steht, bedarf es weder der Deckungsgleichheit zwischen Summe und tatsächlichem Schaden, noch des Versuchs einer ernsthaften Schadensschätzung.386 Darüber hinaus erfolgt eine Differenzierung zwischen b2bund b2c-Konstellationen bezogen auf die Feststellung des Missverhältnisses. Für die Feststellung des legitimen Interesses und dessen Verhältnis zum Zahlbetrag soll bei Verträgen, die zwischen umfassend anwaltlich beratenen Parteien mit vergleichbarer 382

Beale, IWRZ 2017, S. 68 (71). Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1435). 384 Ostendorf, ZEuP 2017, S. 165 (177 f.). 385 „[…] although clauses 5.1 and 5.6 had no relationship with the measure of loss attributable to the breach, the claimant had a legitimate interest in the observance of the noncompetition provisions which extended beyond the recovery of that loss, since the goodwill of the business was critical to its value and the loyalty of the defendant was critical to that goodwill“, Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1374); Conte, LQR 2016, S. 382 (385). 386 Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (541). 383

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Verhandlungsmacht – wie im Verhältnis Makdessi und Cavendish – ausgehandelt wurden, eine vorrangige Einschätzungshoheit bei den Vertragspartnern selbst liegen: „[…] the parties, who were, on both sides, sophisticated, successful and experienced commercial people bargaining on equal terms over a long period with expert legal advice, were the best judges of the degree to which each of them should recognise the proper commercial interests of the other […]“387

Der Supreme Court nimmt hier Anleihe bei dem in Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong eingeführten Kriterium der Verhandlungsmacht und der damit verbundenen Differenzierung der penalty doctrine nach b2b- und b2cBereich.388 Vorausgesetzt beide Parteien verfügen über eine vergleichbare Verhandlungsposition und hinreichende anwaltliche Beratung, ist die Annahme einer exzessiven Zahlungspflicht im Verhältnis zum Gläubigerinteresse und damit die Annahme einer penalty clause kaum noch möglich.389 Dies ist sinnvoll und sorgt für mehr Rechtssicherheit. Es erscheint fernliegend, in derartigen Konstellationen eine unverhältnismäßige Interessenverteilung im Vertragstext als Regel zu unterstellen. Im b2c-Bereich existiert dagegen keine Einschätzungsprärogative der Parteien, weil diese Verbraucher als schwächere Partei im Zweifel zu stark benachteiligen würde. Das Gericht ist vielmehr dazu angehalten, das Verhältnis zwischen Zahlungsverpflichtung und wirtschaftlichem Interesse auf Unverhältnismäßigkeit nachzuprüfen. Die vier Regeln von Lord Dunedin werden in Konstellationen mit einfach gelagerten Klauseln, die tendenziell eher im Vertragsverhältnis b2c anzutreffen sind, weiterhin als Entscheidungshilfe herangezogen.390 Im Übrigen machte der Supreme Court keinerlei Angaben zu den Kriterien und dem Maßstab für die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall.391 Dies wird somit eine Aufgabe der zukünftigen Rechtsprechung sein. Der Supreme Court reflektiert außerdem den Konflikt zwischen der penalty doctrine und der doctrine of freedom of contract, die von der jüngeren Rechtsprechung in Robophone Facilities Ltd v Blank und Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong aufgegriffen wurden. Von Seiten des Gerichts wird betont, dass die Vertragsfreiheit ein maßgeblicher Beweggrund für die Zurückhaltung bezüglich penalty clauses sei.392 Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Differenzierung zwischen b2b- und b2c-Bereich wird nichtsdestotrotz deutlich, dass nur der 387 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1393). 388 Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong, BLR 1993, Vol. 61, 41 (58 f.). 389 Conte, LQR 2016, S. 382 (387); Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (541); Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (221). 390 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1392 f.); Stamp, Comp Law 2016, S. 219 (220). 391 Beale, IWRZ 2017, S. 68 (71). 392 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis, WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1393).

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Vertragsfreiheit im Verhältnis b2b Vorrang eingeräumt wird, während im Verhältnis b2c die Vertragsfreiheit durch den Schutz der schwächeren Vertragspartei weiterhin eine Grenze gezogen wird.

D. Bewertung Nach mehr als 100 Jahren, in denen die Grundsätze von Lord Dunedin zur Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages als quasi gesetzliche Rechtsnormen galten, wurden die Regeln aus Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. zum bloßen Indiz herabgestuft und die Dogmatik den komplexeren Gegebenheiten in Verträgen, schlichtweg der heutigen Vertragsrealität, angepasst. In Anbetracht der dargestellten Relativierung der penalty doctrine durch die Rechtsprechung seit Mitte der Neunzigerjahre, angestoßen durch Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong und Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia, ist die Entscheidung des Supreme Court über die Einschränkung des Anwendungsbereichs der penalty doctrine keine überraschende Kehrtwende, eher die konsequente Fortsetzung dieser Rechtsprechungsentwicklung. Im Falle der Einordnung einer Abrede als penalty clause bleibt es auf der Rechtsfolgenseite infolge der Aufrechterhaltung des Durchsetzungsverbots bei der bisherigen Alles-OderNichts-Lösung. Bei der Abgrenzung zwischen liquidated damages und penalty clauses treten die bisher maßglichen Begrifflichkeiten deterrence und genuine pre-estimate of loss in den Hintergrund. Die Unterscheidung richtet sich nunmehr im Kern nach dem legitimen Interesse, welches hinter der entsprechenden Vertragsbestimmung bzw. der Vertragserfüllung steht. Der Gläubiger muss ein legitimes wirtschaftliches Interesse mit der Klausel verfolgen und die festgeschriebene Zahlung bei Vertragsverletzung darf nicht außerhalb jedes Verhältnisses zu diesem Interesse stehen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Einordnung als penalty clause nicht zu befürchten. In Abkehr von der bisherigen Systematik nach Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. gehört die wertmäßige Gegenüberstellung von vereinbartem Zahlbetrag, zu erwartenden Schaden als zentrales Kriterium der Vergangenheit an. Der Supreme Court hat nicht mit Kritik an Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd. gespart. Die Fokussierung auf das legitime Interesse ermöglicht mehr Flexibilität in die Entscheidungsfindung im Einzelfall. Mit Blick auf die Annäherung von deutschem und englischem Rechtsverständnis ist Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis von hoher Relevanz. Die neue Abgrenzungssystematik führt hierdurch erstmalig die Abschreckungswirkung der Zahlungsverpflichtung als zulässigen Erwägungsgrund im englischen Recht ein. Der Gläubiger kann die Abschreckung bzw. Druckausübung auf den Schuldner nutzen, um ein legitimes Interesse an der Vertragserfüllung durchzusetzen, ohne zwingend eine penalty clause zu vereinbaren. Ein wesentlicher Unterschied zwischen englischem und deutschem Rechtsverständnis wurde somit

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

beseitigt. Darüber hinaus weist die Unterscheidungsmethodik des Supreme Court zwischen penalty clauses und liquidated damages eine große inhaltliche Nähe zur Prüfung der richterlichen Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB auf. Allerdings hat der Supreme Court weder konkrete Anhaltspunkte für die Bestimmung des berechtigten Interesses, noch für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des vereinbarten Betrags formuliert. Liquidated damages sind somit der deutschen Vertragsstrafe deutlich angenähert worden. Anders als die Schadenspauschalierung in Deutschland und anders als das bisherige Verständnis nach Dunlop zeichnet sich liquidated damages nicht mehr als ernsthafte Schätzung des Schadens aus, sondern sind ein Ausdruck des berechtigten Interesses des Gläubigers an der Vertragserfüllung. Der Gläubiger muss außerdem nicht mehr zwingend nachweisen, dass die Summe die nachvollziehbare Berechnung einer Schadensprognose ist. Gleichzeitig verbleiben weiterhin Unterschiede zum deutschen Recht, explizit hinsichtlich der Endgültigkeit der als liquidated damages festgelegten Zahlungsverpflichtung. Die Geltendmachung des tatsächlichen Schadens ist anders als im deutschen Recht nicht möglich. Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis vollzieht zudem eine zeitgemäße Trennung von liquidated damages bzw. penalty clauses im b2b- und b2c-Verhältnis. Wesentliche Folge der Entscheidung ist eine Zurückdrängung des Durchsetzungsverbots von penalty clauses im b2b-Bereich und eine damit einhergehende Stärkung der Vertragsfreiheit. Erreicht wird dies über die den Parteien eingeräumte Einschätzungsprärogative in Bezug auf die Angemessenheit des Verhältnisses von Zahlungsverpflichtung aus der Klausel und den geschützten wirtschaftlichen Interessen. Damit wird den Vertragsparteien mehr Hoheit über die Bewertung ihrer jeweiligen Interessen zugestanden. Ein Gericht kann – die anwaltliche Beratung beider Parteien mit vergleichbarer Verhandlungsmacht vorausgesetzt – nur noch im Ausnahmefall die Zahlungspflicht als extravagant, exorbitant und unerhört einordnen, also die Klassifizierung als penalty clause vollziehen. Hinzukommt die angesprochene Fokussierung auf berechtigte Interessen, welche gerade in komplexeren Verträge weitgefächert sein und auch die Abschreckung vom Vertragsbruch umfassen können. Damit steigert die Rechtssicherheit im unternehmerischen Geschäftsverkehr erheblich. Es wird im b2b-Bereich in Zukunft deutlich schwerer einer wirtschaftlich sinnvollen vertraglichen Abrede über liquidated damages mit dem Einwand zu begegnen, es handele sich in Wahrheit um eine nicht durchsetzbare penalty clause. Eine gewisse Restunsicherheit bleibt dennoch bestehen, wenngleich dieses Risiko bei durchdachter Vertragsgestaltung gering ist. Das Risiko widerstreitet aber dem eigentlichen Sicherungsinteresse der Parteien im Hinblick auf die Festlegung der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen. Auf Rechtsfolgenseite bleibt es hingegen bei der fehlenden Durchsetzbarkeit von penalty clauses. Die flexible Handhabe einer penalty clause etwa mittels geltungserhaltender Reduktion ist demnach nicht möglich. Der Supreme Court hat sich die Entscheidung über eine mögliche Abkehr vom Durchsetzungsverbot augen-

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scheinlich nicht leicht gemacht. Eine gänzliche Aufgabe der penalty doctrine vollzog der Supreme Court im Ergebnis auch deshalb nicht, weil er insbesondere im b2cBereich den Schutz der schwächeren Vertragspartei gegenüber der Vertragsfreiheit als gewichtiger erachtete. Die rechtsvergleichende Begutachtung von anderen Rechtsordnungen der EU und soft law-Initiativen wie den Principles of European Contract Law hat den Supreme Court in dieser Sichtweise gestärkt, weil der Schuldner darin der Vertragsstrafe nicht schutzlos gegenübersteht, sondern sich mittels richterlichen Herabsetzungsrecht gegen exzessive Vertragsstrafen wehren kann. Die Gefahr, welche penalty clauses für Verbraucher bergen, ist angesichts der häufig unterlegenen Verhandlungsposition gegenüber Unternehmen augenscheinlich. Auf der anderen Seite stellen liquidated damages im b2b-Verhältnis ein effizientes und wirtschaftlich sinnvolles Instrument dar. Dem widerspricht es, wenn sich Unternehmen, die sich bei Vertragsverhandlungen eines beträchtlichen Anwaltsteams bedienen und Verträge auf Augenhöhe aushandeln, die penalty doctrine als Anknüpfungspunkt zu nutzen versuchen, um sich der Zahlungspflicht nach dem Vertragsbruch zu entziehen. Das konsequente Ergebnis ist die Separierung von b2bund b2c-Bereich durch den Supreme Court. Eine Erweiterung der penalty doctrine in Gestalt der Abkehr von der Voraussetzung der Vertragsverletzung erscheint nach jetzigem Stand so gut wie ausgeschlossen. Die Kritik des Supreme Court an der entsprechenden Entscheidung des australischen High Court war zu eindeutig. Der Supreme Court hat die Vertragsgestaltungsmöglichkeit der Umgehung der penalty doctrine durch Formulierung der Zahlungspflicht als bedingte Primärpflicht nicht beanstandet. Im b2b-Bereich verfestigt sich dadurch die Zurückdrängung der penalty doctrine, da sich die Parteien häufig Rechtsberatern bedienen, die geschickt in der Vertragsgestaltung sind. Die Auswirkungen auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr sind unterdessen gering, weil die neugestaltete Abgrenzungsmethodik die Anwendbarkeit der penalty doctrine im b2b-Bereich ohnehin erheblich mindert. Mit Blick auf b2c-Verträge und den Schutz von Verbrauchern ist diese erlaubte Umgehung freilich bedenklich. Unternehmen können sich diese Umgehung zunutze machen, um dem Verbraucher einen entsprechenden gestalteten Vertragstext vorzulegen, welchen dieser inhaltlich nicht beeinflussen kann. Der Vertragsfreiheit wurde an dieser Stelle fälschlich der Vorrang gegenüber dem Schutz der schwächeren Vertragspartei eingeräumt. Eine kurz- oder mittelfristige Entwicklung in Richtung der vollständigen Aufhebung der penalty doctrine erscheint unwahrscheinlich. Denn trotz seiner umfassenden Kritik verwarf der Supreme Court die penalty doctine im Ergebnis nicht. Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis bewirkt aber im b2b-Verhältnis eine starke Zurückdrängung des Durchsetzungsverbots von penalty clauses. Die Entscheidung kann gleichzeitig als eine Bekräftigung des Durchsetzungsverbots an sich und im b2c-Verhältnis im Besonderen angesehen werden.

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Alles in allem passt der Supreme Court in Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis die Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages den Gegebenheiten des modernen Wirtschaftsverkehrs an. Für die Zukunft der penalty doctrine wird entscheidend sein, ob sich die neu geschaffene Abgrenzungsmethodik für die Unterscheidung in der Praxis als tauglich erweist, den Beteiligten im b2b-Verhältnis genügend Freiraum lässt und dem Verbraucher im b2cVerhältnis gleichwohl ausreichend Schutz vor zu großer Benachteiligung gewährt. Angesichts der Bedeutung von pauschaler Schadenskompensation muss es gerade im b2b-Bereich möglich sein, Klauseln zu vereinbaren, die sowohl der Pauschalisierung des Schadens wie auch der Absicherung eines begründeten Erfüllungsinteresses dienen, ohne dass solche Klauseln dem ständigen Risiko der fehlenden Vollstreckbarkeit ausgesetzt sind. Die vom Supreme Court anerkannte Einschätzungsprärogative der Parteien im b2b-Sektor hinsichtlich der Bewertung der Interessen erscheint hierfür eine sinnvolle Vorgehensweise. Im b2c-Bereich muss die Rechtsprechung dagegen im Sinne der Rechtssicherheit noch konkrete Kriterien entwickeln, anhand derer die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Zahlungsverpflichtung erfolgen soll. Sollten die bisher bestehenden Unsicherheiten im b2b- und b2c-Verhältnis über die Einordnung von Abreden als penalty clauses bestehen bleiben, wird sich der Druck auf eine Abkehr von der penalty doctrine erhöhen.

§ 10 Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung Der Schutz der unterlegenen Vertragspartei vor einer übermäßigen Zahlungsverpflichtung im Falle der Vertragsverletzung ist in beiden Rechtsordnungen das prägende Ziel beim Umgang mit Vertragsstrafe und penalty clause. Englisches und deutsches Recht halten jedoch verschiedene Lösungswege bereit, um die schwächere Vertragspartei in derartigen Fällen zu schützen. Infolge des Durchsetzungshindernisses sind penalty clauses im englische Recht per se nicht gerichtlich einklagbar und damit insgesamt ohne geltungserhaltende Reduktion nicht vollstreckbar. Das deutsche Recht als Repräsentant des kontinentaleuropäischen Verständnisses der Vertragsstrafe sieht dagegen mit § 343 und § 242 BGB eine Herabsetzungsmöglichkeit zur geltungserhaltenden Reduktion überhöhter Zahlungsverpflichtungen im b2cund b2b-Bereich vor. Daneben besteht das Risiko einer vollständigen Unwirksamkeit der Vertragsstrafe, zuvorderst bei Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Untersuchung hat wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen deutschem und englischem Recht erkennbar werden lassen, vornehmlich was das berechtigte Gläubigerinteresse an der Vertragserfüllung als maßgebliches Abgrenzungselement zwischen penalty clauses und liquidated damages bzw. angemessener und unverhältnismäßiger Vertragsstrafe betrifft. Darüber hinaus vollziehen beide Rechtsordnungen eine sinnvolle Trennung zwischen b2c- und b2b-Verhältnissen bei der Bewertung von derartigen Klauseln.

§ 10 Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung

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Im deutschen Recht kann die Vertragsstrafe durch Anwendung der Sondernorm des § 343 BGB und den allgemeinen Normen § 138, § 305 und § 242 BGB überprüft werden. Die im Vertrag festgeschriebene Strafklausel kann einerseits abstrakt betrachtet gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB verstoßen und aus diesem Grunde nichtig sein. Die Norm des § 138 BGB findet im b2c- und b2b-Verhältnis Anwendung und enthält wegen der strikten Nichtigkeitsfolge strenge Anforderungen für die Einordnung als sittenwidrig. Die Vertragsstrafe muss unverhältnismäßig sein und ein weiterer Faktor wie die Existenzgefährdung des Schuldners hinzutreten. Die Vertragsstrafe kann darüber hinaus ebenfalls sowohl im b2c- und im b2b-Bereich bei formularmäßiger Verwendung eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellen und den Vertragspartner unangemessen benachteiligen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit. Die unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe in Relation zum typischerweise geringstmöglichen Verstoß kann die Vollunwirksamkeit der Vertragsstrafe im Rahmen der §§ 305 ff. BGB bewirken. Wenn die Strafklausel an sich wirksam ist, kann die konkret angefallene Zahlungsverpflichtung nach § 343 BGB für Nichtkaufleute oder nach § 242 BGB für Kaufleute unverhältnismäßig überhöht und als Resultat dessen durch das Gericht reduzierbar sein. Dem englischen Recht ist eine solche Differenzierung zwischen Inhalts- und Ausübungskontrolle fremd. Penalty clauses sind generell nicht gerichtlich durchsetzbar. Der Kontrollbehelf des § 242 BGB wurde vom Bundesgerichtshof im b2b-Sektor herangezogen, um die Anwendung von § 138 BGB zu vermeiden, welcher die Unwirksamkeit der gesamten Strafabrede nach sich zieht. Die Annahme einer geltungserhaltenden Reduktion im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB ist auf sehr restriktiv zu handhabende Ausnahmekonstellationen beschränkt. Die richterliche Reduktion nach § 343 BGB bzw. § 242 BGB, dass der Vertrag wirksam bleibt und die Zahlungspflicht in angemessenen Umfang noch beglichen werden muss. Das Konzept ist aber nicht frei von Nachteilen. Es droht die ungerechtfertigte Anrufung der Schutzrechte durch den Schuldner, eben nur deshalb, weil diese bestehen und selbst, wenn er nicht von einer überhöhten Strafsumme ausgeht. Diese Möglichkeit der überflüssigen Anrufung des Gerichts steht im klaren Widerspruch dazu, dass die Einarbeitung einer Vertragsstrafenklausel den Prozess der Schadensabwicklung erleichtern und beschleunigen soll. Die Öffnung des Anwendungsbereichs von § 242 BGB durch den Bundesgerichtshof für die Herabsetzung von Vertragsstrafen im b2bVerhältnis ist in Anbetracht der Schutzbedürftigkeit bei einem Machtgefälle auch im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr gleichwohl überzeugend. Das Risiko einer Fremdbestimmung der unterlegenen Vertragspartei gebietet die Heranziehung der Norm des § 242 BGB. Im Unterschied zum deutschen Recht hält das englische Recht keinen vergleichbaren Kontrollmechanismus für Verträge im Hinblick auf ihre Billigkeit vor, welche für die Beurteilung von penalty clauses herangezogen werden könnten.393 393 Geläufige Einwendungen gegen die Wirksamkeit eines Vertrags bzw. einzelner Verpflichtungen daraus sind misreprentation (Vertragsschluss infolge von falschen Behauptungen

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2. Teil: Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe

Stattdessen erfolgt eine Untersagung der Durchsetzbarkeit von penalty clauses. Dieser Untersagung wohnt eine herausgehobene Ausnahmestellung im common law inne, immerhin gilt die doctrine of freedom of contract als ein grundlegendes Prinzip im Vertragsrecht. Das Durchsetzungsverbot von penalty clauses gilt ausnahmslos; eine formale Differenzierung zwischen kaufmännischem und nicht-kaufmännischem Rechtsverkehr findet nicht statt.394 Für über 100 Jahre erfolgte die Abgrenzung zwischen unerlaubten penalty clauses und zulässigen liquidated damages anhand der Funktion der Klausel als Mittel zur Abschreckung oder zur ernsthaften Schadensschätzung, ermittelt unter Bezugnahme auf die Gegenüberstellung der Höhe der Zahlungsverpflichtung und des Schadens. In den vergangenen zwanzig Jahren wurde dieser starre Ansatz zunehmend aufgeweicht und weitere Aspekte in den Abgrenzungsvorgang einbezogen, beispielsweise die Verhandlungsposition und die wirtschaftliche Rechtfertigung. Mit Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis erfolgte schließlich zwar keine Abkehr vom Durchsetzungsverbot, allerdings eine Neujustierung der Abgrenzungsmethodik. Das schutzwürdige Interesse des Gläubigers an der vertragsgemäßen Erfüllung bildet nun das zentrale Kriterium, wobei jenes nicht außer Verhältnis zur vereinbarten Zahlungspflicht stehen darf. Die Ähnlichkeit zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei § 343 oder § 138 BGB ist augenscheinlich. Die Einräumung einer Einschätzungsprärogative für die Vertragsparteien im b2b-Bereich mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit schränkt die penalty doctrine darüber hinaus im unternehmerischen Geschäftsverkehr im gebotenen Maße ein. Die Gerichte haben dadurch mehr Spielraum für die Beurteilung von derartigen Klauseln im b2b-Sektor und müssen nicht starr die Allesoder-Nichts-Lösung der penalty doctrine anwenden. Der generelle Schutz für Verbraucher wurde aufrechterhalten und zusätzlich der nur gegebenenfalls erforderliche Schutzkreis auf Unternehmen in Vertragsbeziehungen mit ungleichem Machtgefällen erweitert. Auffällig ist die Ähnlichkeit der Argumente: Die Nachteile, welche in Deutschland im Zusammenhang mit dem Reduktionsrecht nach § 343 BGB ins Feld geführt werden – insbesondere die Verzögerungen durch gerichtliche Streitigkeiten um dessen Anwendbarkeit – werden beim englischen Recht analog für die penalty doctrine genannt. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass der dem Schuldner zugedachte Schutz in jedem der beiden Rechtssysteme, sei es durch Durchsetzungsverbot oder durch Reduktionsrecht, immer das Risiko in sich birgt, die angedachten Vorteile der Klausel zu minimieren.

der Gegenseite, siehe hierzu Andrews, Contract Law, S. 235 ff.), duress (Vertragsschluss infolge Drohung, siehe hierzu Andrews, Contract Law, S. 310 ff.) und Verstoß gegen public policy (Vertrag verstößt gegen die allgemeinen Sitten- und Moralvorstellungen bzw. die öffentliche Ordnung, siehe hierzu Andrews, Contract Law, S. 630 ff.). 394 Erkennbar etwa an den beteiligten Personen in der Grundsatzentscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd, AC 1915, 79 ff., siehe zum Sachverhalt oben im ersten Teil, § 4, B. I.

§ 10 Rechtsvergleichende Gesamtbetrachtung

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Beide Rechtsordnungen haben in Bezug auf die Grenzen für Vertragsstrafen mit den Herausforderungen der modernen Wirtschaftswelt zu kämpfen. Die Anpassung der bisher bewährten und anerkannten Grundsätze an die neuen Bedürfnisse der Geschäftswelt ist im vollen Gange. Bezeichnenderweise bemühen sich sowohl deutsches wie englisches Recht dem gerecht zu werden, indem sie den Gerichten mehr Flexibilität beim Umgang mit entsprechenden Klauseln geben. Unverändert muss sich der Verwender im englischen Recht mit dem Risiko der Einordnung der Klausel als nicht vollstreckbare penalty clause abfinden. Der Richter ist dann nach englischem Recht nicht berechtigt, gestaltend in die vertragliche Abrede einzugreifen und die festgeschriebene Summe nach unten oder oben zu korrigieren. Freilich besteht nach deutschem Recht eine vergleichbare Gefahrenlage, da die Eingangsschwelle für die Einordnung einer Vertragsstrafe als Allgemeine Geschäftsbedingung niedrig ist und die §§ 305 ff. BGB keine geltungserhaltende Reduktion kennen.

Dritter Teil

Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung Der dritte und letzte Teil der Untersuchung bindet die Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Untersuchung in den Kontext der Bestrebungen um eine Angleichung des Rechts der Vertragsstrafe innerhalb der EU ein. Nachdem im ersten Abschnitt die Notwendigkeit einer entsprechenden Rechtsangleichung aufgezeigt wurde, sollen im zweiten Abschnitt die bisherigen Bemühungen um eine europäische Rechtsangleichung nachgezeichnet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Modellgesetze Principles of European Contract Law und Draft Common Frame of Reference. Hierauf aufbauend können im letzten Abschnitt die Aussichten für eine Konvergenz, wobei hier die Auswirkung der Rechtsprechungsänderung durch Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis zu würdigen ist.

§ 11 Notwendigkeit einer Rechtsangleichung Das Bedürfnis für eine Angleichung des europäischen Privatrechts in Bezug auf Vertragsstrafen und deren Grenzen gründet insbesondere in der Bedeutung von Klauseln, die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen vorab regeln, für die Vertragspraxis im Allgemeinen und den grenzüberschreitenden Handel im Besonderen. Gerade bei länderübergreifenden Verträgen von komplexerer Natur werden häufig Vertragsstrafen bzw. Schadenspauschalierungen vorgesehen, beispielsweise im Industrieanlagenbau.1 Die nachfolgend dargestellten Vorteile von Vertragsstrafen und pauschaler Schadenskompensation bzw. liquidated damages werden aufgrund der Unterschiede zwischen deutschem und englischem Recht und den damit verknüpften Nachteilen konterkariert.

A. Nutzen der vertraglichen Regelung von Vertragsverletzungsfolgen Die Vereinbarung von Vertragsstrafen nach deutschem Recht bietet den Vereinbarenden, allen voran dem Gläubiger, eine Reihe an Vorteilen. Liquidated damages 1

Cremades, IBLJ 2002, S. 329 (329 f.); Looschelders, AcP 212 (2012), S. 581 (666).

§ 11 Notwendigkeit einer Rechtsangleichung

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gewähren den Parteien ebenso Vergünstigungen. In diesem Unterabschnitt sollen diese Vorteile überblicksartig dargestellt werden, um die Bedeutung beider Klauseln in den jeweiligen Rechtsordnungen besser nachvollziehen zu können. Primär ermöglicht das Strafversprechen nach deutschem Recht dem Gläubiger einen gewissen Druck auf die Leistungsmoral des Schuldners auszuüben, damit dieser seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Speziell bei Vertragsabreden, deren Einhaltung dem Gläubiger von besonderer Wichtigkeit sind, unterstreicht die Absicherung mittels Strafabrede deren Bedeutung. Hiermit einher geht eine Signalwirkung an den Schuldner. Der Schuldner wiederum kann beim Gläubiger zusätzliches Vertrauen in seine Person und seine Absicht zur Vertragstreue gewinnen, in dem er seine Zustimmung zur Strafabrede erteilt. Letztgenannter Aspekt kann besonders dann von Relevanz sein, wenn es zuvor keine geschäftliche Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern gab.2 Sollte eine Geschäftsbeziehung bereits bestehen, kann die Verabredung von Vertragsstrafen dazu dienen, aufgekommene Zweifel an der Vertragstreue zu zerstreuen. Vertragsstrafen eröffnen außerdem eine flexiblere Herangehensweise an die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen. Die Parteien, insbesondere der Gläubiger, können den Umfang der Zahlungspflicht stärker an die eigenen Präferenzen koppeln und in einigen Punkten maßvoll über die gesetzliche Rechtsfolge beim Schadensersatz hinausgegen, in anderen Aspekten hingehen zurückhaltender agieren. Die Vertragsstrafe gestattet es den Vertragspartnern, sich nicht ausschließlich auf den Schadensausgleichsumfang nach den gesetzlichen Vorgaben zu verlassen, sondern selbstbestimmt vorzusorgen. Ferner bieten Vertragsstrafen den Vertragspartnern eine Gewissheit über die Höhe der Zahlungspflicht und deckeln so für beide Seiten von Anbeginn das Risiko. Das Element der Planbarkeit bzw. der Berechenbarkeit ist gerade im unternehmerischen Verkehr von großem Belang, wo die Stellung als Gläubiger hinsichtlich der abgesicherten Leistung nicht selten an eine Stellung als Schuldner in einem weiteren Vertrag, im Zusammenhang mit demselben Leistungsgegenstand gekoppelt ist. Die weiteren Vorteile beruhen auf der Funktion zur Erleichterung der Schadloshaltung. Der Gläubiger wird von der Nachweispflicht für die Einzelposten seines Schadens befreit; er kann sich pauschal befriedigen lassen. Eventuell sonst offenzulegende Betriebsinterna, um den Schaden zu substantiieren, bleiben geschützt. Sowohl der Gläubiger wie der Schuldner profitieren von der zügigen Regulierung des Schadens. Durch die Vorabregelung der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen und dem damit verbundenen Wegfall einer kosten- und zeitintensiven gerichtlichen

2 Ein Anwendungsfall betrifft den Unternehmenskauf. Im Falle eines vorgeschalteten Bieterverfahrens zur Auswahl zwischen mehreren Bewerbern erhofft sich möglicherweise einer oder mehrere Bieter höhere Chancen auf den Zuschlag zu erhalten, indem ein Strafversprechen bezüglich bestimmter Vertragsparameter abgegeben wird, Derlin, MDR 2009, S. 597 (597).

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

Auseinandersetzung über die Höhe des Schadens locken zudem Kosten- und Zeiteinsparungen.3 Nebenbei sollte nicht unterschätzt werden, welche generellen Vorteile die antizipierte Regelung und die damit einhergehende Befriedung von potentiellen Streitquellen aus einem Vertragsverhältnis mit sich bringt. Die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien leidet nicht selten infolge einer Auseinandersetzung – erst recht wenn diese vor einem Gericht ausgetragen wird –, ebenso das öffentliche Ansehen eines oder beider Vertragspartner. Schon wegen der fehlenden Durchsetzbarkeit von penalty clauses im englischen Recht können keine Angaben bezogen auf deren Vorteile bzw. deren Bedeutung für die Praxis genannt werden. Die entsprechende Lücke füllt zumindest in bestimmten Bereichen die anerkannte Einrichtung der liquidated damages, welche in Teilaspekten der deutschen Vertragsstrafe angenähert ist, beispielsweise hinsichtlich der Unabhängigkeit vom tatsächlich eintretenden Schaden. Eine weitere Annäherung erfolgte mit dem Urteil Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis und der Vergrößerung des Anwendungsbereichs von liquidated damages. Liquidated damages können nunmehr der Erfüllungssicherung dienen, wenn der Abschreckung des Schuldners vom Vertragsbruch ein berechtigtes Gläubigerinteresse zugrunde liegt. Den Parteien bieten liquidated damages aufgrund der Endgültigkeit des verabredeten Betrags Planbarkeit und Rechtssicherheit über die Folgen der Vertragsverletzung. Durch die Finalität der Zahlungspflicht wirkt die Klausel außerdem als Haftungsbegrenzung, was wiederum zur Rechtsbefriedung beiträgt. Mit liquidated damages verbunden ist – ebenso wie bei der deutschen Vertragsstrafe – der Vorteil der Einsparung von Gerichtskosten. Die Parteien müssen nicht vor Gericht über die Zahlungsfolgen der Vertragsverletzungen streiten. Ein Entfallen der gerichtlichen Auseinandersetzung ist somit möglich, jedenfalls wenn die Frage der Pflichtverletzung nicht im Streit steht. Die Schadloshaltung des Gläubigers wird insgesamt erleichtert und beschleunigt, indem liquidated damages dem Gläubiger die Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises des tatsächlichen Schadens nehmen. Hinzu tritt, wie bei der deutschen Vertragsstrafe, der Vorteil der flexiblen Rechtsfolgeanpassung von Vertragsverletzungen an die Präferenzen der Partei.

B. Möglichkeit der Rechtswahl Bei grenzüberschreitenden Vertragsverhältnissen insbesondere zwischen Deutschland und England können die Vertragspartner oft nicht nur die Vorteile der jeweiligen Jurisdiktion nicht vollständigen nutzen, es besteht darüber hinaus sogar die Gefahr, dass eben diese Vorteile durch die Unterschiede in den Rechtsordnungen 3 Die Verhandlungen über die Ausgestaltung der entsprechenden Vertragsstrafenklausel können allerdings bei der Vertragsgestaltung zusätzliche Kosten und Mühen verursachen.

§ 11 Notwendigkeit einer Rechtsangleichung

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nicht zur Geltung kommen. Eine Rechtsangleichung von deutschem und englischem Recht in Bezug auf den Umgang mit Vertragsstrafen empfiehlt sich, um die genannten Vorteile nutzen und Missverständnisse sowie Probleme bei bilateralen vertraglichen Sachverhalten vermeiden zu können. Zu einem gewissen Grad können die Probleme und Unsicherheiten durch eine entsprechende Rechtswahl im Vertrag vermieden werden. Nach Internationalem Privatrecht kann die Anwendbarkeit der jeweiligen nationalen Regelungen über Vertragsstrafen bzw. penalty clauses/liquidated damages durch Kollisionsnormen geregelt werden – der parteilichen Festlegung des geltenden Rechts folgt das Recht über die Vertragsstrafe als Annex.4 Die Parteien können in Bezug auf den einzelnen Vertrag durch eine Rechtswahl nach Art. 3 Rom I-VO zugunsten des deutschen oder englischen Rechts Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe vermeiden und den Vertrag der einen oder der anderen Rechtsordnung unterwerfen. Allerdings setzt dies eine Einigung über das anzuwendende Recht voraus. Die Verhandlungen über die Rechtswahl können langwierig sein, vor allem wenn Parteien aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten jeweils die Rechtsordnung ihres Mitgliedstaates zur Anwendung bringen möchten. Im Vergleich der Rechtsordnungen fällt die Rechtswahl häufiger auf das englische als das deutsche Recht, was wohl der hohen Verlässlichkeit des geschriebenen Wortes im Vertrag vor nachträglichen Einwendungen geschuldet ist.5 Ein Kompromiss kann die Wahl eines „neutralen“ Rechts sein, zuvorderst eine Rechtsordnung eines Landes, das keine Berührungspunkte mit dem Vertragsinhalt und den Parteien aufweist. Dagegen sprechen nicht zuletzt die zusätzlichen Kosten sowie die Zeit für die Prüfung des Vertragstextes durch einen in dieser Rechtsordnung kundigen Anwalt, ganz zu schweigen von etwaigen Sprachbarrieren und dem natürlichen Misstrauen vorm Unbekannten. Weiterhin besteht gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-VO die Möglichkeit einer Teilrechtswahl, wonach bestimmte Aspekte des Vertrags einer anderen Rechtsordnung als das übrige Vertragswerk unterstellt werden können. Das Nebeneinander von unterschiedlichen Rechtsordnungen in einem Vertrag ist zulässig, soweit einheitliche Rechtsfragen nicht künstlich auf verschiedene Länderrechte aufgespalten werden.6 Nicht zu beanstanden ist es demgemäß, wenn die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung 4 Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. c Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), vormals Art. 32 I Nr. 3 EGBGB, gilt das Vertragsstatut für Folgen der teilweisen oder vollständigen Nichterfüllung. Die Vertragsstrafe unterliegt als Teil des Schuldstatuts dem Recht des Hauptvertrags, siehe Gottwald, in: FS Söllner, S. 379 (380). Damit gilt das nach Internationalem Privatrecht einschlägige Vertragsstatut. Gleichwohl bleibt eine privatautonome Festlegung des materiellen Rechts möglich. Siehe hierzu umfassender Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 195 ff. 5 Faber/Groß, NZBau 2016, S. 538 (539). 6 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Kapitel II, Art. 3, Rn. 40.

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

des Vertrags deutschem Recht unterstellt werden, während für die sonstigen Regelungen im Vertrag englisches Recht gilt. Eine gesonderte Rechtswahl allein für die Vertragsstrafe dürfte hingegen nicht möglich sein. Die zusammenhängenden Leistungsstörungsregelungen im Vertrag würden dadurch auf unterschiedliche Rechtsordnungen aufgespalten. Darüber hinaus besteht die Unsicherheit der Vollstreckbarkeit eines beispielsweise deutschen Urteils auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Großbritannien wegen der public policy doctrine. Die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aus Mitgliedsstaaten der EU ist gemäß den Art. 36 ff. Brüssel-Ia-Verordnung grundsätzlich möglich. Die Grenze bildet der ordre public-Vorbehalt zum Schutz der wesentlichen innerstaatlichen Rechtsgrundsätze, in Deutschland kodifiziert in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Im englischen Recht bildet die public policy doctrine das inhaltsgleiche Gegenstück.7 Die Ablehnung der Durchsetzbarkeit von penalty clauses wird von der Rechtsprechung mit public policy-Erwägungen begründet – zuletzt betonte der Supreme Court in Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/ Parking Eye Ltd v Beavis ebenfalls den Konnex zwischen penalty doctrine und public policy doctrine.8 Es ist damit mehr als wahrscheinlich, dass ein ausländisches Urteil, welches eine als penalty clause einzuordnende Zahlungsverpflichtung zum Gegenstand hat, nicht in Großbritannien vollstreckbar ist.9 Eine zu beachtende Ausnahme hat der High Court im Jahr 2016 für die Vollstreckbarkeit von internationalen Schiedssprüchen zugelassen.10 Streitgegenständlich war einen Kaufvertrag nach Schweizer Recht über die finanziellen Rechte (sogenannte registration rights) am Fußballer Paul Dybala. Ein italienischer Fußballverein erwarb die Rechte für 10.000.000,00 Euro. Der Kaufpreis war in mehreren Raten zu zahlen, wobei im Fall des Zahlungsvollzugs der Restbetrag sofort fällig sein sollte und eine penalty in zweifacher Höhe des zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Kaufpreises vorgesehen war. Nachdem eine Rate nicht pünktlich geleistet wurde, klagte der Verkäufer auf den Restkaufpreis und die penalty. Der Court of Arbitration for Sport wandte bei seiner Entscheidung den Art. 163 Abs. 3 des Schweizerischen Obligationenrechts über die richterliche Herabsetzung einer überhöhten Konventionalstrafe an und reduzierte die Zahlungsverpflichtung um 75 %. Der Verkäufer versuchte sodann die Vollstreckung des Schiedsspruchs in Großbritannien, wogegen sich der Fußballverein wiederum wehrte. Der High Court in London entschied, dass die Reduktion der penalty unter Anwendung des Schweizer Rechts zu respektieren sei, wodurch diese ihren Makel als exzessive Vertragsstrafe verlor. Das Interesse an der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen 7

Regazzoni v Sethia, AC 1958, 301 (308). Robophone Facilities Ltd v Blank, WLR 1996, Vol. 1, 1428 (1446 f.); Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis,WLR 2015, Vol. 3, 1373 (1428, 1462). 9 Vgl. Le Goff, Vertragsstrafe in Verträgen für Industrieanlagen, S. 277. 10 Pencil Hill Ltd v US Citta di Palermo SpA, EWHC 2016, 71. 8

§ 11 Notwendigkeit einer Rechtsangleichung

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nach der Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, NYC von 1958 überwiege deshalb in diesem die public police doctrine in Bezug auf penalty clauses. Die Rechtswahl hilft damit nur bei der Bewältigung des Einzelfalls, zielt indes nicht auf die Grundursache des Problems. Die vereinzelte Rechtswahl ändert wenig am Fortbestehen der Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, im Speziellen zwischen dem deutschen und englischen Recht. Hinzu kommt, dass einher mit jeder einzelnen Rechtswahl, die grundlegende Entscheidung über eine ganze Reihe an Veränderungen für das Vertragswerk an sich geht – die Klausel über Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung bildet in diesem vertraglichen Gesamtkontext lediglich einen Gesichtspunkt von vielen. Die Rechtswahl pro deutsches oder englisches Recht rückt den Vertrag jeweils in vielerlei Hinsicht in ein anderes Licht – angefangen von den Formerfordernissen bis hin zu rechtsvernichtenden Einwendungen. In diesem Kontext ist es von Nachteil, wenn ein Aspekt wie die Sanktionierung von Vertragsverletzungen derart gravierend zwischen den Rechtsordnungen divergiert und so die Entscheidung über die Rechtswahl noch komplexer und fehleranfälliger werden lässt.

C. EU-Austritt von Großbritannien als Risiko und Chance Es muss das Ziel sein, in einem zunehmend noch stärker zusammenwachsenden Wirtschaftsraum innerhalb der EU, für die einzelnen Marktteilnehmer des europäischen Binnenmarktes gleiche rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese Maßgabe gilt es ebenfalls mit Blick auf Großbritannien aufrechtzuerhalten. Die Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts steht allerdings infolge des Brexits vor einer ungewissen Zukunft. An der Notwendigkeit einer Anpassung von englischem und kontinentaleuropäischem Rechtsverständnis kann deswegen aber nicht gezweifelt werden. Der Harmonisierungsgedanke innerhalb des Binnenmarkts basiert weder auf politischen Zielvorgaben, noch aus reinem Selbstzweck. Er war und ist die Reaktion auf eine wirtschaftliche Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit in Bezug auf die Erleichterung bestehender und den Ausbau neuer Handelsbeziehungen im b2b-Bereich. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen kann der grenzüberschreitende Geschäftsverkehr mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden sein, weshalb sie lukrative Geschäftsgelegenheiten verstreichen lassen müssen. Darüber hinaus schafft die Rechtsangleichung im b2c-Bereich für den Verbraucher neue Möglichkeiten jenseits der eigenen Landesgrenze, spiegelbildlich hierzu ebenso für die beteiligten Unternehmen. Diese Wirtschaftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern einzelner EU-Mitgliedstaaten mit ihren Gegenübern in Großbritannien enden nicht durch die politische Entscheidung über den EU-Austritt. Die Entwicklung hin zu noch stärker vernetzten Gesellschaften und einer sich vernetzenden Wirtschaftswelt ist trotz protektionistischen Handelns einzelner Staaten nicht abgeschlossen.

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

Die national gegensätzlichen Herangehensweisen an die rechtliche Handhabe von Klauseln über die antizipierte Regelung der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen – richterliche Herabsetzung in Deutschland und richterrechtlich geformtes Durchsetzungsverbot – ist ein davon betroffener Aspekt und im Hinblick auf die Konvergenzbestrebungen von erheblicher Bedeutung.

§ 12 Entwicklung der Rechtsangleichung Die Bestrebungen zur Angleichung des Rechts der Vertragsstrafe innerhalb der EU sind nicht neu. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wurde 1957 mit dem Ziel gegründet, die europäische Wirtschaftspolitik zu harmonisieren und einen gemeinsamen Markt zu schaffen.11 Als Teil dessen galt es, die rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen europäischen Staaten auf einen gemeinsamen Nenner anzugleichen. Einen ersten Vorstoß zur grenzüberschreitenden Vereinheitlichung in Bezug auf die Vertragsstrafe zumindest in den Beneluxstaaten Belgien, Niederlande und Luxemburg bildet die Convention Benelux Relative à la Clause Pénal im Jahr 1973.12 Die darin vorgezeichnete Vertragsstrafe war stark vom Code civil beeinflusst.13 Die Konvention wurde jedoch nicht ratifiziert, auch deshalb ging von ihr nur ein geringer Impuls mit Blick auf eine Rechtsangleichung innerhalb der gesamten EU aus. Erste EU-weite Initiativen zur Harmonisierung folgten jedoch und die wichtigsten sollen in diesem Abschnitt skizziert werden, im Einzelnen die Resolution on Penal Clauses in Civil Law des Ministerkomitees des Europarats von 1978, die Principles of European Contract Law von 1995 und das Draft Common Frame of Reference von 2009 jeweils als akademische Initiativen und schließlich der Vorschlag des Common European Sales Law der Europäischen Kommission aus 2011.

A. Resolution on Penal Clauses in Civil Law Den Beginn der ganzheitlich europäischen Bemühungen um eine Harmonisierung der divergierenden nationalen Regelungen zur Vertragsstrafe markiert die Resolution on Penal Clauses in Civil Law des Ministerkomitees des Europarats aus dem Jahr 1978.14 In den Eingangserwägungen der Resolution lassen sich die leitenden Motive entnehmen: Ziel war das Vorantreiben der Vereinheitlichung des Vertragsrechts, die 11

Limmer, DNotZ 2012, S. 59 (63). García, EJLS 2012, S. 80 (96). 13 Die Vertragsstrafe zeichnete sich danach durch ihre Erfüllungssicherungsfunktion aus. Zugleich war ein richterliches Ermäßigungsrecht für überhöhte Strafzahlungen vorgesehen. Eine vertiefende Darstellung liefert Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 202 f. 14 „Council of Europe Resolution (78) 3 on Penal Clauses in Civil Law“ vom 20. Januar 1978, in: Revue de droit uniforme/Uniform Law Review, 1978 II, S. 222 ff. 12

§ 12 Entwicklung der Rechtsangleichung

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Schaffung gemeinsamer Regeln für die häufig verwendete Vertragsstrafe und die Schaffung einer Kontrolle von exzessiven Strafen in allen civil law-Jurisdiktionen. Der Anhang der Resolution beinhaltet eine acht Artikel umfassende Richtlinie. Deren Art. 1 regelt und erlaubt die Verwendung von penalty clauses, deren Doppelfunktion Ausfluss eines deutschen Rechtsverständnisses ist. Bereits Art. 1 unterscheidet sich hiernach grundlegend zum englischen Rechtsverständnis und seiner Ablehnung von penalty clauses. Die nachfolgenden Artikel 2 – 6 behandeln detailliert das Verhältnis zum Erfüllungs- und Schadensersatzanspruch. Die Normierung in der Richtlinie ähnelt dabei dem Verständnis der Vertragsstrafe im klassischen Römischen Recht.15 Gemäß Art. 2 kann der Gläubiger nur Hauptleistung oder Zahlung der Vertragsstrafe für Nichterfüllung verlangen; gemäß Art. 4 setzt die Vertragsstrafe ein Vertreten müssen des Schuldners voraus.16 Art. 7 sieht außerdem ein richterliches Reduktionsrecht bei exzessiv überhöhten Vertragsstrafen vor. Insgesamt betrachtet ist die Richtlinie inhaltlich stark vom kontinentaleuropäischen Verständnis der Vertragsstrafen geprägt und geht dabei erkennbar auf das antike römische Recht zurück. Die Richtlinie enthält insgesamt keinen der dem englischen Rechtsverständnis prägenden Ansätze.17 Sie bezweckt daher mitnichten eine Rechtsangleichung im Sinne einer wechselseitigen Anpassung. Im Ausgleich dafür waren die Regelungen der Richtlinie für die Mitgliedstaaten der EU allerdings nicht bindend, was zusätzlich deren rechtliche Wirkungskraft erheblich minderte.18 Im Anschluss an die Resolution on Penal Clauses in Civil Law gab es keine weiteren Vorstöße der Kommission, weshalb diese Resolution zugleich das Ende der spezifisch auf Vertragsstrafen bezogenen Bemühungen einer Rechtsangleichung im europäischen Kontext markiert. Über die Hintergründe dessen können nur Vermutungen angestellt werden. Es liegt nahe, die Ursache in den konträren, nicht überwindbaren Positionen innerhalb der EU, speziell zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien, hinsichtlich der Zulässigkeit von Vertragsstrafen zu sehen.

B. Principles of European Contract Law Mutmaßlich aufgrund der rechtspolitisch festgefahrenen Lage wechselte die Federführung für die Bemühungen um eine Rechtsangleichung von der Europäischen Kommission, zu akademischen Initiativen bzw. nicht-staatlichen Organisationen. Deren Natur bringt die Einordnung sämtlicher Ergebnisse als sogenanntes 15

Siehe bereits oben im ersten Teil § 1, A. I. 1. a). Knütel, ZEuP 1994, S. 244 (256). 17 Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 204 f. 18 Die Resolution beschränkt sich vielmehr auf Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten, die beigefügten Artikel bei relevanten Gesetzesänderungen in die nationalstaatlichen Reformbestrebungen einzubeziehen und zu prüfen, ob das bestehende Recht entsprechend modifiziert werden kann, siehe Seite 1 Nr. 1 und 2 der Resolution. 16

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

soft law mit sich, da es an der unmittelbaren Verbindlichkeit der gefundenen Regelungen fehlt.19 Soft law kompensiert das Fehlen einer direkten Begründung von Rechten und Pflichten durch eine gesteigerte fachliche Autorität, weshalb die Vorgaben in ihrer Strahlkraft nicht hinter Rechtsnormen zurückstehen müssen. Mit dem Wechsel der Federführung verbunden, war der Beginn von Bestrebungen um eine Harmonisierung der wesentlichen Regeln des Vertragsrechts insgesamt, welche bis heute fortdauern. Ziel war und ist es, den gemeinsamen Kern der verschiedenen Rechtssysteme in der EU bezogen auf die einzelnen Aspekte des Vertragsrechts herauszuarbeiten, um auf dieser Grundlage ein europäisches Privatrecht zu entwickeln.20 Im Jahr 1982 nahm die Commission on European Contract Law, eine handverlesene Gruppe von Zivilrechtsprofessoren um den Dänen Ole Lando, ihre Arbeit an den Principles of European Contract Law (PECL) auf.21 Die PECL sollten ein Modellgesetz für das allgemeine Vertragsrecht in der EU werden und die Gemeinsamkeiten darstellen, die im Grundsatz in der gesamten EU gelten, um auf diese Weise den sich überschneidenden Kern des europäischen Vertragsrechts abzubilden.22 Nach mehr als zehn Jahren Arbeit wurde 1995 der erste Teil der PECL veröffentlicht; es folgten noch zwei weitere Teile.23 Die PECL enthalten in Kapitel 9 über remedies for non-performance unter anderem Art. 9 – 509 Agreed Payment for Non-performance, der wie folgt lautet: (1) Where the contract provides that a party who fails to perform is to pay a specified sum to the aggrieved party for such non-performance, the aggrieved party shall be awarded that sum irrespective of its actual loss. (2) However, despite any agreement to the contrary the specified sum may be reduced to a reasonable amount where it is grossly excessive in relation to the loss resulting from the non-performance and the other circumstances.

Der eigentliche Regelungsumfang der Normierung ist erkennbar gering. Art. 9 – 509 Abs. 1 PECL sieht eine Beschreibung und keine Definition einer Klausel für Zahlungspflichten für den Fall von Vertragsverletzungen vor. Dabei wird weder der Begriff penalty clauses, noch liquidated damages verwendet; die Beschreibung könnte infolge ihrer sprachlichen Weite auf beide Rechtsinstitute passen. Anstelle dieser beiden schon bisher bekannten Formen wurde ein neues, einheitliches Rechtsinstitut im Wege einer neutralen Formulierung geschaffen. Die nach englischem Recht bestehende Unterscheidung zwischen zulässigen liquidated damages 19

Furmston, Law of Contract, S. 35; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Einleitung vor §§ 241 ff., Rn. 77. 20 Claudia Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 242, Rn. 162. 21 Busch/Hondius, ZEuP 2001, S. 223 (224 f.). 22 Jansen/Zimmermann, NJW 2009, S. 3401 (3403 f.). 23 Die PECL werden insgesamt betrachtet als Erfolg für die Angleichung des Privatrechts gewertet, siehe Dannemann, ICLQ 1997, S. 736 ff.

§ 12 Entwicklung der Rechtsangleichung

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und unzulässigen penalty clauses wird damit aufgelöst. Einziger inhaltlicher Regelungsgegenstand, der mit der Beschreibung verbunden wurde, ist die Unabhängigkeit des vereinbarten Zahlbetrags vom tatsächlichen Schaden. Im Falle des Vertragsbruchs ist die Höhe des angefallenen Schadens demnach für die Zahlungspflicht aus der Vertragsabrede zunächst ohne Bedeutung. Insoweit ist die Regelung nahe dem englischen Verständnis von liquidated damages als endgültige Festlegung des Zahlbetrags.24 Den Parteien steht im Übrigen durch die insgesamt wertungsneutrale Formulierung von Art. 9 – 509 Abs. 1 PECL ein weiter Spielraum für die konkrete Ausgestaltung der Abrede offen, beispielsweise in Bezug auf das Vertreten müssen. Art. 9 – 509 Abs. 2 PECL enthält ein richterliches Herabsetzungsrecht für grob exzessive Zahlbeträge in Relation (vor allem) zum eingetretenen Schaden. Ist der Exzessiv festgestellt, kann der Zahlbetrag auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Nähere Erläuterungen dazu, was unter exzessiv oder angemessen zu verstehen ist, sind schlichtweg nicht vorhanden. Während im Absatz 1 noch eine Anlehnung zum englischen Recht hervortrat, wird im zweiten Absatz mit der Vorsehung des Reduktionsrechts eine Überlagerung vom kontinentaleuropäischen Verständnis deutlich. Das Modellgesetz der PECL beinhaltet in Art. 9 – 509 PECL gemeinsame Anknüpfungspunkte zwischen kontinentaleuropäischem und englischem Rechtsverständnis in Bezug auf Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung. Anders als bei der Resolution on Penal Clauses in Civil Law sind die PECL nicht einseitig am kontinentaleuropäischen Vertragsstrafenverständnis ausgerichtet, um auch für den common law-Rechtskreis akzeptabel zu sein. Dahingegen enthält der zweite Absatz eine Reduktionsmöglichkeit. Auffällig ist die inhaltliche Übereinstimmung mit den durch das International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT) entwickelten Principles of International Commercial Contracts (UNIDROIT Prinzipien)25. Die PECL-Regelung ist vollständig, einschließlich des Titels, identisch mit Art. 7.4.13 der UNIDROIT Prinzipien.26

24

Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 206. Vollständig abgedruckt in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar UN-Kaufrecht, Anhang V. Im CISG fehlen aufgrund der Unterschiede zwischen Zivilrecht und common law Bestimmungen über die Vertragsstrafe, so Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 207. 26 Die UNIDROIT Prinzipien wurden erstmals 1994 veröffentlicht und seitdem zweimal – 2004 und 2010 – aktualisiert. Sie enthalten allgemeine Leitlinien für sämtliche internationale Handelsverträge, ohne Begrenzung auf das Gebiet der EU (siehe Präambel, vor Nr. 1, UNIDROIT Prinzipien). Voraussetzung für die Geltung der UNIDROIT Prinzipien ist die entsprechende Festlegung durch die Parteien (siehe Präambel, Nr. 4, UNIDROIT Prinzipien). 25

200

3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

C. Draft Common Frame of Reference Der Nachfolger der PECL ist der Draft Common Frame of Reference (DCFR) von 2009.27 Der DCFR umfasst etwa 6100 Seiten und ist unterteilt in sechs Bücher. Der Referenztext enthält einen umfassenden Entwurf des europäischen Vertragsrechts und weitere Rechtsgebiete wie Bereicherungsrecht, Sachenrecht oder trusts.28 Die Regelungen des PECL zum allgemeinen Vertragsrecht sind im Wesentlichen im Buch 2 (Contracts and other juridical acts) und im Buch 3 (Obligations and corresponding rights) eingeflossen.29 Der DCFR ist wiederum von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurden und dient als Werkzeugkasten des Vertragsrechts für zukünftige Gesetzgebungsakte der Kommission.30 Der DCFR enthält in Buch 3, Kapitel 3, Abschnitt 7 über Schadensersatz und Zinsen die Regelung 712 über stipulated payment for non-performance, die wie folgt lautet: (1) Where the terms regulating an obligation provide that a debtor who fails to perform the obligation is to pay a specified sum to the creditor for such non-performance, the creditor is entitled to that sum irrespective of the actual loss. (2) However, despite any provision to the contrary, the sum so specified in a contract or other juridical act may be reduced to a reasonable amount where it is grossly excessive in relation to the loss resulting from the non-performance and the other circumstances.

Entsprechend seinem Vorgänger enthält die Regelung eine Begriffsbeschreibung in Absatz 1 und ein Herabsetzungsrecht in Absatz 2. Wesentliche Änderungen sind nicht erfolgt. Dies war auch nicht von Nöten, überzeugen doch die formulierten Bestimmungen. Einerseits bietet die Zusammenfassung von Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung in einer Regelung eine Okkasion zur Annäherung zwischen dem deutschen Verständnis der Vertragsstrafe als Repräsentant von Kontinentaleuropa und dem englischen Recht bezüglich penalty clauses. Andererseits sind die Bestimmungen hinreichend offen gestaltet und belassen damit den Mitgliedstaaten ausreichenden Spielraum, um den jeweiligen Eigenheiten der Rechtsordnung Rechnung tragen zu können, zum Beispiel hinsichtlich des Verschuldenselements oder der Gewichtung von Faktoren bei der Prüfung der Angemessenheit.

27 28 29 30

Vollständig abgedruckt in von Bar/Clive, European Private Law – DCFR, 2010. Pfeiffer, ZEuP 2008, S. 679 (680). Jansen/Zimmermann, NJW 2009, S. 3401 (3405). Jansen/Zimmermann, NJW 2009, S. 3401 (3401).

§ 12 Entwicklung der Rechtsangleichung

201

D. Common European Sales Law Das Common European Sales Law (CESL) bzw. das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ist ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission für ein einheitliches Kaufrecht in der EU.31 Die Modellgesetze PECL und DCFR bilden die Grundlage des CESL, welches eine von insgesamt sieben angedachten Varianten im Green Paper (sogenanntes Grünbuch) der Europäischen Kommission vom 1. Juli 201032 war, um einem einheitlichen Vertragsrecht innerhalb der EU näher zu kommen.33 Die Kommission hat den Vorschlag für das CESL am 11. Oktober 2011 veröffentlicht. Mit der Verordnung unternahm die Kommission den Versuch eines umfassenden Regelungskatalogs für das gesamte europäische Vertragsrecht, anstatt eine Vielzahl von Einzelaspekten durch kleinteilige Richtlinien, beispielsweise im Bereich des Verbraucherschutzes, zu regulieren. Das mit dem CESL angestrebte Ziel der Kommission war die Förderung des grenzüberschreitenden Handels im b2c-Sektor in der EU und damit die Erweiterung der Auswahl an Produkten sowie die Senkung der Produktpreise für Verbraucher durch das zunehmende Angebot. Die Grundannahme war die Verteuerung der grenzüberschreitenden Geschäfte durch die unterschiedlichen Vertragsrechte der Mitgliedsstaaten. Als Verordnung stellt das CESL – anders als die vorausgehenden Modellgesetze PECL und DCFR – eine verbindliche Regelung in allen Mitgliedsstaaten dar und soll parallel zu den einzelnen nationalen Zivilrechtsordnungen gelten.34 Um Kollisionen zu vermeiden, gelangt das CESL jedoch nur zur Anwendung, wenn die Parteien gemäß Art. 8 der CESL-VO im Vertrag einen entsprechenden opt-in erklären. Inhaltlich umfasst das CESL gemäß Art. 5 der CESL-VO Musterbestimmungen für grenzüberschreitende Verträge über den Verkauf von Waren, den Vertrieb von zugehörigen Dienstleistungen und den Vertrieb von digitalen Inhalten.35 Der persönliche Anwendungsbereich umfasst zum einen den b2c-Bereich und soll Unternehmen ein einheitliches Regelungswerk gegenüber Verbrauchern in der EU ermöglichen. Ferner soll das CESL kleinen und mittleren Unternehmen den grenzüberschreitenden Handel erleichtern. Das CESL umfasst insgesamt 186 Artikel, aufgegliedert in acht Teile, welche sich unter anderem mit dem Zustandekommen des Vertrags (Teil II), der Bestimmung des 31

Detailliert hierzu Looschelders, AcP 212 (2012), S. 581 ff. „GREEN PAPER FROM THE COMMISSION on policy options for progress towards a European Contract Law for consumers and businesses“ bzw. „Grünbuch der Kommission, Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen“, Brüssel, den 01. 07. 2010, KOM (2010) 348, S. 11 ff. 33 Limmer, DNotZ 2012, S. 59 (65). 34 Das CESL sei zum damaligen Zeitpunkt neben den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten ein 28. Vertragsregime, so Leutheusser-Schnarrenberger, ZEuP 2011, S. 451 (454). 35 Corneloup, ZEuP 2012, S. 705 (707). 32

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

Vertragsinhalts (Teil III), den jeweiligen Rechten und Pflichten der Parteien (Teil IV und V), dem Schadensersatz (Teil VI) nebst Rückabwicklung (Teil VII) sowie der Verjährung (Teil VIII) befassen. In Teil VI Schadensersatz und Zinsen des CESL finden sich in den Art. 159 ff. Regelungen über die Bemessung des Schadensersatzes sowie in den Art. 166 ff. Bestimmungen über Verzugszinsen. Weitere Regelungen über die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen finden sich im CESL nicht. Die Option der Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist demzufolge nicht im CESL normiert. Dies wird im Schrifttum zu Recht als Lücke kritisiert wird.36 Sollten Parteien in einem Kaufvertrag den opt-in in das CESL erklären und der Vertrag eine Klausel mit einer Vertragsstrafe enthalten, findet das CESL mangels entsprechender Regelungen insoweit keine Anwendung, stattdessen gilt für Vertragsstrafen weiterhin das nationale Recht.37 Die Konsequenz ist ein Nebeneinander von CESL und der jeweiligen Rechtsordnung hinsichtlich der Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen. Im Falle einer Vertragsverletzung würde sich der Schadensersatz nach CESL, die Vertragsstrafe aber nach dem Recht des Mitgliedsstaates richten. Dieses Auseinanderfallen des Leistungsstörungsrechts erleichtert die Rechtsanwendung nicht. Vom CESL gehen, im Hinblick auf eine Rechtsangleichung des Rechts der Vertragsstrafe, demnach keine Impulse aus. Der Status quo bei der Vertragsstrafe in den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten bleibt unangetastet. Die Bedeutung des CESL für die europäische Privatrechtsvereinheitlichung litt insgesamt an dessen geringer Anwendung in der Vertragspraxis. Die Gründe hierfür lagen einerseits an der nicht ungewöhnlichen Zurückhaltung gegenüber Neuen und andererseits an der verbraucherfreundlichen Ausgestaltung, welche für Unternehmen als Hauptverwender die Verschlechterung ihrer Rechtsposition zur Folge gehabt hätte. Das CESL ist zwar inspiriert vom UN-Kaufrecht bzw. CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods), welches als völkerrechtlicher Vertrag von 11. 04. 1980 für grenzüberschreitende Kaufverträge mit Vertragsparteien in verschiedenen Staaten konzipiert ist.38 Es unterscheidet sich aber in wesentlichen Punkten vom UN-Kaufrecht. Anders als das CESL gilt das UNKaufrecht gemäß Art. 2 allein im b2b-Bereich und schließt Verbraucherverträge ausdrücklich von der Anwendbarkeit aus. Das UN-Kaufrecht ist ferner in den Ländern, welche den völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert haben (u. a. Deutschland, aber nicht Großbritannien) direkt anwendbar.39 Die Anwendbarkeit muss gemäß Art. 6 per opt-out jeweils im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen werden, anders als der opt-in beim CESL. Das Europäische Parlament stimmte im Februar 2014 einem geänderten Verordnungsvorschlag zu. Der Anwendungsbereich des CESL wurde darin auf Online36 37 38 39

Looschelders, AcP 212 (2012), S. 581 (666). Corneloup, ZEuP 2012, S. 705 (716 f.). Siehe Art. 1 Abs. 1 des UN-Kaufrechts. Smits, ZEuP 2012, S. 904 (913).

§ 13 Bewertung der Aussichten

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Geschäfte begrenzt, weil dieser Bereich der mit dem größten Potential für das CESL sei.40 Der geänderte Vorschlag des CESL wurde allerdings Ende 2014 von der Europäischen Kommission zurückgezogen, weil der Widerstand von einzelnen Mitgliedsstaaten gegen eine alternative Vertragsrechtsordnung zu stark war.41 Es ist offen, wann und in welcher Form es mit dem CESL weitergeht.

§ 13 Bewertung der Aussichten Die Nachzeichnung der Entwicklung zur Rechtsangleichung bezogen auf die Vertragsstrafe hat kontinuierliche Bemühungen durch Legislative, Judikative und Rechtslehre in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt. Die effektive Voranbringung einer Konvergenz durch unmittelbare Maßnahmen der europäischen Legislative kann dabei nur als gering gewertet werden, wenngleich die Europäische Kommission eine treibende Kraft hinter PECL und DCFR als akademische Initiativen war. Derartige Initiativen mit Mitteln des soft law erscheinen mit Blick auf das Ziel einer Rechtsangleichung am ehesten geeignet. Trotz oder gerade wegen ihrer vermeintlichen Unverbindlichkeit trägt soft law das Potential in sich, die Geisteshaltung in den Rechtsordnungen bezogen auf Vertragsstrafen umzuformen und einander anzunähern. Diese in gewisser Weise vorbereitende Leistung kann als Grundlage für eine spätere Angleichung durch den europäischen Gesetzgeber dienen. Ein vermeintliches Nachziehen der gesetzlichen Vorgaben wird dagegen, aller Voraussicht nach, weder kurz- noch mittelfristig geschehen. Eine signifikante Angleichung des Rechts über Vertragsstrafen zwischen Deutschland und Großbritannien konnte bisher nicht erzielt werden. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen über die Zulässigkeit von derartigen Strafabreden zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa haben bereits Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts einen Erlass von bindenden Rechtsakten innerhalb der EU verhindert. Der wieder zurückgezogene Vorschlag der Europäischen Kommission für das CESL dient als aktuelles Beispiel. Ferner zeigen die, wohl aus unberechtigter Sorge um das beginnende Ende der eigenen nationalen Zivilrechtsordnungen, hervorgetretenen Umsetzungsschwierigkeiten des CESL deutlich die ablehnende Haltung in den Mitgliedsstaaten bezüglich einer Angleichung. Die Antriebsfeder für eine Harmonisierung des Rechts der Vertragsstrafe fiel, anstelle von Akten der Legislative, den rechtswissenschaftlichen Entwürfen eines Regelwerks PECL und DCFR zu. Die PECL haben die grundlegenden Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen in der EU im allgemeinen Vertragsrecht herausgefiltert. Der DCFR hat diesen Kern des Vertragsrechts erweitert und einen allgemeinen Regelungskatalog für ein europäisches Privatrecht erschaffen. Die Regelung 40

Groß, EuZW 2014, 204; ders., EuZW 2013, 204. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Einleitung vor §§ 241 ff., Rn. 78; Zimmermann, Agreed Payment for Non-Performance, S. 355 (356). 41

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3. Teil: Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung

in Art. 9 – 509 zu Agreed Payment for Non-performance in den PECL und die Regelung 712 zu stipulated payment for non-performance im DCFR sind dabei nahezu identisch. Beide Modellgesetze wählten einen neuen, stärker verbindenden Ansatz im Umgang mit Vertragsstrafen, indem sie die bekannte Grenzziehung zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschale auflösten. Dies kann eine tragfähige Lösung für eine Harmonisierung bilden, wenngleich deutlich mehr Überzeugungsarbeit im englischen Rechtsraum zu leisten ist. Denn das in den Modellgesetzen sichtbare Verständnis des richterlichen Herabsetzungsrechts lehnt sich an das kontinentaleuropäische Verständnis an. Der tatsächliche Einfluss von PECL und DCFR auf die heutige Wirtschaftswelt ist faktisch limitiert. Die Anwendung von einzelnen Regelungen dieser Modellgesetze ist keine gängige Vertragspraxis. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Unzufriedenheit der Rechtsanwender mit den Regelungen der Modellgesetze.42 Die ist problematisch, weil die soft law-Initiativen ihre Stärke aus ihrer überzeugenden Konzeption ziehen müssen. Teilweise gründet der geringe Einfluss in deren Natur als soft law. Gesetzesänderungen verlangen ihren Anwendern zumeist einen gewissen Aufwand ab. Mancher scheut bei nicht zwingendem Recht diese Arbeit und agiert lieber weiter mit Altbekannten. Die Rechtspraxis muss daher erst Schritt für Schritt überzeugt und gewonnen werden, wofür es schlicht Zeit bedarf, damit Ressentiments abgebaut werden können. Nichtsdestotrotz kann PECL und DCFR aufgrund ihrer indirekten wie direkten Einflussnahme auf Gesetzgebung, Judikatur und Rechtslehre eine zumindest mittelbare Ausstrahlungswirkung auf die Praxis nicht abgesprochen werden. Nicht zuletzt in Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis zog der Supreme Court im Rahmen seiner Entscheidungsfindung neben rechtsvergleichenden Betrachtungen zu anderen Rechtsordnungen zugleich soft lawInitiativen als Referenzmaßstab heran. Dies zeigt auch eine europafreundliche Haltung des Supreme Court. Im Grunde genommen liegen deutsches und englisches Recht in ihrem jeweiligen Verständnis der Rechtsinstitute nicht unüberwindbar auseinander. Mit Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis wurde darüber hinaus eine beachtliche Rechtsprechungsänderung vollzogen. Die Unterscheidungsmethodik des Supreme Court zwischen penalty clauses und liquidated damages ist nun dem deutschen bzw. dem europäischen Ansatz angenähert. Zudem zeigte das Urteil die zunehmende Bedeutung der Rechtsvergleichung bei Entscheidungsfindung. Aufgrund der tiefgehenden Verankerung der Vertragsstrafe bzw. der penalty doctrine im jeweiligen Vertrags- und Leistungsstörungsrecht der beiden Jurisdiktionen kann es zudem nicht als zielführend erachtet werden, allein das Recht der

42

McKendrick, Contract Law, S. 8.

§ 13 Bewertung der Aussichten

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Vertragsstrafe herauszugreifen und anzugleichen.43 Vielmehr muss eine grundlegende Angleichung des Vertrags- bzw. des Leistungsstörungsrecht zwischen civil law und common law Ländern angestrebt werden, um in diesem Zusammenhang sodann das Recht über die Vertragsstrafe anzugleichen. Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis hat gezeigt, dass die Rechtstradition in Großbritannien noch immer ein hohes Gut ist, weshalb ein Veränderungsprozess nicht von heute auf morgen greifen wird. Die Rechtsprechung der europäischen und nationalen Gerichte ist mit ihrem Beitrag zur Annäherung du Verständigung gefragt. Das Ausscheiden von Großbritannien aus der EU und die Entkoppelung von der EuGH-Rechtsprechung wird dafür nicht förderlich sein. Die jüngsten Urteile des UK Supreme Court, insbesondere Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/ Parking Eye Ltd v Beavis, geben gleichwohl Zuversicht.

43

Steltmann, Vertragsstrafe im Europäischen Privatrecht, S. 211 f.

Fazit und Perspektiven Die Vertragsstrafe im deutschen Recht eröffnet dem Gläubiger im Falle der Vertragsverletzung eine Kompensation über die Höhe des zu erwartenden Schadens hinaus, um den Schuldner zur Vertragserfüllung anzuhalten. Genau hierin liegt die Gefährlichkeit des Strafversprechens für den Schuldner, gerade wenn keine Verhandlungsparität zwischen den Vertragspartnern gegeben ist. Das deutsche Recht hält mit der richterlichen Herabsetzungsmöglichkeit für unangemessen überhöhte Vertragsstrafe über § 343 BGB im b2c-Verhältnis und über § 242 BGB im b2bVerhältnis einen Schutzmechanismus vor, welche im Einklang mit dem kontinentaleuropäischen Rechtsverständnis zum Umgang mit Vertragsstrafen steht. Demgegenüber steht im englischen Recht das richterrechtliche Durchsetzungsverbot von penalty clauses ohne die Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion. In Abgrenzung hierzu sind liquidated damages vollstreckbar, welche im Vertrag die Schadensersatzpflicht für den Fall der Vertragsverletzung abschließend regeln. Das Verbot von penalty clauses verhindert die gerichtliche Geltendmachung von Zahlungsverpflichtungen, an denen der Gläubiger kein legitimes Interesse hat oder deren Höhe in keinem Verhältnis mehr zu diesem Interesse steht, gegenüber Verbrauchern und Unternehmern gleichermaßen. Die Einordnung der Abrede als liquidated damages erfordert im Umkehrschluss einen entsprechenden Bezug zum legitimen Interesse, wobei den Parteien im b2b-Bereich bei der Interessenbewertung ein weitreichender Einschätzungsspielraum gewährt wird. Das berechtigte Interesse kann die maßvolle Ausübung von Druck auf den Schuldner beinhaltet. Der richterliche Eingriff in den Vertrag durch Reduktion der Zahlungshöhe und die Ablehnung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit stellen in beiden Rechtsordnungen eine Einschränkung der Vertragsfreiheit zugunsten des Schuldnerschutzes im b2c- und im b2b-Bereich dar. Sie sind jeweils das Resultat einer Abwägung zwischen dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Schutz der unterlegenen Vertragspartei vor einer Übervorteilung. In beiden Rechtsordnungen wurden die althergebrachten Abwägungsprozesse in den letzten Jahren von der Rechtsprechung überprüft und neu gedacht. In Deutschland sah der historische Gesetzgeber des BGB Ende des 19. Jahrhunderts die Notwendigkeit des Schutzes des Verbrauchers vor zu übermäßigen Vertragsstrafen und damit für die Einführung eines richterlichen Herabsetzungsrechts in § 343 BGB. Zugleich lehnte er mit § 348 HGB ein identisches Schutzbedürfnis von Kaufleuten als Schuldner ab. Seit den 1896/1897 hat sich nicht zuletzt die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Wirklichkeit, sondern mit ihr der Zeitgeist verändert; das Zivilrecht wurde durch die Verfassung liberalisiert. Das Bundesverfassungsgericht formulierte

Fazit und Perspektiven

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in BVerfGE 81, 242 ff. und BVerfGE 89, 214 ff. den Auftrag an die Zivilgerichte zur Kontrolle von Verträgen durch Generalklauseln zum Schutz einer strukturell unterlegenen Vertragspartei, sollte diese durch die faktisch einseitige Auferlegung der Vertragsbedingungen ungewöhnlich stark belastet sein. Im Geiste dieser Rechtsprechung erweiterte der Bundesgerichtshof mit der Kinderwärmekissen-Entscheidung im Jahr 2008 den Schutz vor unverhältnismäßigen Vertragsstrafen auf das b2bVerhältnis. Mit der Heranziehung von § 242 BGB als richterliches Herabsetzungsrecht konnte die Alles-Oder-Nichts-Lösung des § 138 Abs. 1 BGB ohne geltungserhaltende Reduktion vermieden werden. Die englische Rechtsprechung legte Anfang des 20. Jahrhunderts in Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd die Abgrenzungsmethodik zwischen penalty clauses und liquidated damages fest. Diese Entscheidung von Lord Dunedin war für mehr als 100 Jahre maßgebend und unterschied inhaltsgleich für b2c- und b2b-Verhältnisse nach der Funktion der Klausel, welche entweder in terrorem und daher nicht vollstreckbar oder genuine pre-estimate of damage und damit vollstreckbar war. Der Supreme Court stellte im Jahr 2015 mit Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis eine neue Abgrenzungsmethodik auf. Als penalty clauses gelten Zahlungen bei Vertragsverletzungen, die außerhalb jeden Verhältnisses zu den berechtigten Gläubigerinteressen stehen. Liquidated damages sind hingegen Zahlungspflichten, die auf einer angemessenen Bewertung dieser Interessen beruhen. In der Zusammenschau aller Gesichtspunkte vermag allerdings weder das deutsche noch das englische Recht im Hinblick auf die Grenzen der Vertragsstrafe vollends zu überzeugen. Im deutschen Recht verbleiben die unbefriedigenden Unwägbarkeiten infolge der niedrigen Anwendungsschwelle für Allgemeine Geschäftsbedingungen, wodurch auch für b2b-Verhältnisse eine Alles-oder-NichtsLösung ohne Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion droht. Im englischen Recht ist das Risiko der Einordnung einer Klausel über die Zahlungspflichten bei Vertragsverletzung als penalty clause im b2b-Bereich zwar erheblich verringert, aber nicht vollständig beseitigt. Die beachtlichen Rechtsänderungen bezüglich Vertragsstrafe und penalty clauses in den letzten Jahren zeigen aber eine Rechtslage in beiden Rechtsordnungen, welche in stetiger Bewegung sind und demnach in Zukunft weitere Änderungen erfahren können. Daraus und aus diesen noch vorhandenen Verbesserungspotentialen in beiden Rechtsordnungen speist sich zugleich die Perspektive für einen einheitlichen europäischen Ansatz zum Umgang mit der Vertragsstrafe. Eine Angleichung des europäischen Vertragsrechts mit Blick auf den Umgang der Vertragsstrafe ist nach wie vor mit beträchtlichen Hindernissen verbunden, gleichwohl nicht ausgeschlossen.

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Fazit und Perspektiven

A. Die länderspezifischen Grundlagen der Vertragsstrafe und der penalty clauses Nach deutschem und englischem Recht handelt es sich bei der Vertragsstrafe bzw. penalty clauses um eine Vorabfestlegung der Zahlungsverpflichtung des Schuldners bedingt auf den Eintritt einer bestimmten Vertragsverletzung, wobei der Schuldner durch einen überverhältnismäßig hohen Betrag zur Vertragserfüllung bewogen werden soll. Die Rechtsordnungen divergieren in ihrem Standpunkt über die Zulässigkeit einer derartigen Abrede. Eine Ursache hierfür liegt in den, in Teilen abweichenden, historischen Entwicklungen des jeweiligen Rechtsraums. Im heutigen Rechtsgepräge ergibt sich die abweichende Haltung darüber hinaus aus den Unterschieden im rechtssystematischen Umgang mit Vertragsverletzungen: Das deutsche Recht erkennt dem Gläubiger einen vorrangigen Anspruch auf die tatsächliche Leistungserbringung zu; das englische Recht verweist den Gläubiger dagegen primär auf den Schadensersatzanspruch. I. Historische und systematische Unterschiede Infolge der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland ab dem 13. Jahrhundert lässt sich das Strafversprechen des BGB bis zum nachklassischen Recht zurückverfolgen. Die für das Wesen der Vertragsstrafe prägenden Aspekte – angefangen von den Anknüpfungsvoraussetzungen bis hin zur Bifunktionalität – sind seit der Einführung des Corpus iuris civilis (528 n. Chr.) weitgehend unverändert geblieben. Das Bewusstsein für einen stärkeren Schutz des Schuldners vor überhöhten Strafsummen entwickelte sich im römisch-kanonischen Recht und verfestigte sich in der humanistischen Epoche. Das richterliche Ermäßigungsrecht für übertrieben hohe Strafabreden, welches im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten in § 301 Abs. 1 ALR erstmals kodifiziert wurde, ist Resultat dessen. Das englische Recht hat sich als separates Rechtssystem der Könige und Gerichte herausgebildet, welches aufgrund des Austausches innerhalb der europäischen Rechtswissenschaft gleichwohl vom ius commune geprägt wurde. Ab dem 13. Jahrhundert breitete sich in England das Rechtsgebilde der penal bonds aus, welches zur wechselseitigen Absicherung der vertraglichen Ansprüche diente. Ein Schutz des Schuldners vor einer übermäßigen Besicherung des Gläubigers war im formalistischen common law im System der writs zunächst nicht vorgesehen. Dies änderte sich ab dem 17. Jahrhundert als Resultat der wachsenden Bedeutung des Billigkeitsrechts nach equity, auf welches sich Schuldner derartiger Zahlungspflichten erfolgreich beriefen. Die Nutzung von penal bonds wurde zum Schutz des Schuldners untersagt, wenn diese den Schaden auf Seiten des Gläubigers überstiegen. Nach heutigem Rechtsverständnis gründet die fehlende Durchsetzbarkeit von penalty clauses in der Nachrangigkeit des Vertragsanspruchs auf Leistung in natura. Im Falle einer Pflichtverletzung beschränken sich die Rechte des Gläubigers auf die

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Kompensation vermögenswerter Nachteile durch Schadensersatz; nur ausnahmsweise besteht ein Anspruch auf Nacherfüllung als specific performance. Als Folge dieser Rechtssystematik wird es grundsätzlich als unbillig angesehen, wenn der Gläubiger den Schuldner zur tatsächlichen Vertragserfüllung durch Druckausübung zwingen möchte. Penalty clauses, als eine über den entstandenen Schaden hinausgehende Zahlungspflicht, sind demnach unzulässig. Im Unterschied dazu herrscht im deutschen Vertragsrecht eine Vorrangstellung der Leistung in natura. Der Gläubiger hat primär einen Anspruch auf die tatsächliche Nacherfüllung, der Schuldner ein damit korrespondierendes Recht zur zweiten Andienung. Dieses Verständnis der Rechtsstellung des Gläubigers bei Vertragsverletzungen bildet die Legitimierungsgrundlage für die Verabredung einer Vertragsstrafe. Das Strafversprechen soll die tatsächliche Vertragserfüllung absichern und den Gläubiger vor einer Herabstufung auf den nachrangigen Schadensersatz bewahren. Den Schutz des Schuldners gewährt das richterliche Herabsetzungsrecht. Die Verknüpfung von Leistungsstörungsrecht und Vertragsstrafe macht deutlich, wie sehr Strafversprechen bzw. penalty clauses in ihrer jeweiligen Rechtsordnung verankert sind. Die Klauseln können nicht gesondert von dem übrigen Regelungskanon für Vertragsverletzungen im deutschen und englischen Recht betrachtet werden.

II. Druckausübung als Kernelement Sowohl nach deutschem als auch nach englischem Recht fällt dem Strafversprechen die Aufgabe zu, den Schuldner durch Druckausübung zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anzuhalten. Gemäß der Abgrenzungsdogmatik nach Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd bestand zwischen beiden Rechtsordnungen der gewichtige Unterschied, dass diese Funktion nach englischem Recht missbilligt war, während das deutsche Recht keine Verwerflichkeit in einer Vertragsabrede zur Erfüllungssicherung erkennt. Seit Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis ist die Abschreckung vom Vertragsbruch bzw. die Druckausübung zur Vertragserfüllung im englischen Recht nicht mehr per se unzulässig, sondern kann im Falle eines gesteigerten, wirtschaftlichen Interesses an der Vertragserfüllung dennoch zur Einordnung der Abrede als liquidated damages führen. Darüber hinaus wohnt der deutschen Strafabrede die Funktion inne, den Gläubiger bei seinem Ausgleichsanliegen für den erlittenen Schaden zu unterstützen. Er kann die vereinbarte Summe als Mindestschaden beanspruchen, ohne weitere Nachweise über den Eintritt oder den Umfang seines tatsächlichen Schadens liefern zu müssen. Es bleibt ihm ferner unbenommen, einen darüber hinaus gehenden Schaden, neben der Vertragsstrafe geltend zu machen. Penalty clauses sind im Gegensatz dazu keine vergleichbare Aufgabe zugedacht. Liquidated damages weisen aber die Besonderheit auf, die Schadensfolge der Vertragsverletzung final zu

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bestimmen und die Geltendmachung eines höheren Schadensersatzanspruchs auszuschließen. III. Vergleichbare Anwendungsbereiche In Bezug auf Zustandekommen und Verwirkung einer Vertragsstrafe spiegelt sich das grundlegend identische Verständnis zwischen deutschem und englischem Recht wider, während auf Rechtsfolgenseite die Frage der Durchsetzbarkeit derartiger Klauseln zu abweichenden Ergebnissen führt. Eine wirksame Strafabrede setzt nach deutschem und englischem Recht eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Das auslösende Moment für die Vertragsstrafe ist ebenfalls in beiden Rechtsordnungen identisch: Der Schuldner muss jeweils die mit der Strafabrede behaftete Verpflichtung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen, um die Vertragsstrafe anfallen zu lassen. Während nach deutschem Recht die Vorwerfbarkeit der Vertragsverletzung von Nöten ist, genügt nach englischem Recht allein der breach of contract als objektive Verletzung des Pflichtenkanons. Das Vorliegen eines Schadens infolge der Pflichtverletzung bedarf es nach beiden Rechtsordnungen dagegen nicht. Als Rechtsfolge zieht das Strafversprechen in der Regel eine Pflicht zur Geldzahlung nach sich, wobei eine andere Form der Leistungserbringung in beiden Rechtsordnungen der Einordnung als Vertragsstrafe bzw. penalty clause nicht entgegensteht. Die gerichtliche Durchsetzung von Zahlungsverpflichtungen aus penalty clauses ist jedoch nicht möglich, eine Zahlungsklage aufgrund liquidated damages hingegen schon. Nach deutschem Recht kann der Gläubiger die Zahlung aus der Vertragsstrafenabrede vor Gericht beanspruchen, ohne sich einem generellen Durchsetzungsverbot ausgesetzt zu sehen. Die Bestimmung der konkreten Rechtsfolge unterscheidet sich im Übrigen danach, ob die Strafabrede die Konstellation der Nichtleistung (§ 340 BGB) oder nicht gehörigen Leistung (§ 341 BGB) abdeckt. Bei der Konstellation nach § 340 Abs. 1 BGB hat der Gläubiger die Wahl zwischen Erfüllung und Anspruch aus der Strafabrede. IV. Abgrenzung zur Schadenspauschalierung bzw. liquidated damages Die Abgrenzung der Vertragsstrafe zu verwandten Rechtsinstituten erfolgt im deutschen Recht anhand des Aufgabenfeldes, welches der Klausel durch die Vertragsparteien zugewiesen ist. Die Einordnung einer Vertragsabrede entweder als Vertragsstrafe oder als Schadenspauschalierung hat nicht die Tragweite, welche der Unterscheidung zwischen penalty clauses und liquidated damages wegen des Durchsetzungsverbots im englischen Recht beizumessen ist. Die Schadenspauschale als Vorabregelung des Schadensersatzes dient insbesondere der Erleichterung der späteren Schadloshaltung. Der verabredete Schadensbetrag ist anders als bei liqui-

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dated damages nicht endgültig. Der Schuldner hat im deutschen Recht die Möglichkeit, auf den Nichteintritt des Schadens oder einen atypischen Schadensverlauf zu verweisen, um sich seiner Zahlungsverpflichtung ganz oder zumindest teilweise zu entziehen. Der Gläubiger ist seinerseits nicht an der Geltendmachung einer höheren tatsächlichen Schadensentwicklung gehindert. In der englischen Rechtsordnung vollzog sich die Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages bis zur Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis ähnlich dem deutschen Recht anhand der Funktion der Klausel als entweder in terrorem oder genuine pre-estimate of damage. Die Gegenüberstellung von Zahlbetrag und zu erwartendem Schaden war dabei das zentrale Kriterium. Der Supreme Court rückte davon ab und das Verhältnis des Zahlbetrags zu den legitimen wirtschaftlichen Interessen des Gläubigers an der Vertragserfüllung in den Mittelpunkt der Abgrenzung. Die festgeschriebene Zahlung bei Vertragsverletzung darf nicht außerhalb jedes Verhältnisses zu diesen Interessen stehen, um als liquidated damages zu gelten. Diese Abgrenzungsmethodik des Supreme Court ähnelt wiederum dem Vorgehen im deutschen Recht zur Überprüfung einer Vertragsstrafe auf ihre Angemessenheit insbesondere nach § 343 BGB.

B. Rechtliche Grenzen der Vertragsstrafe Der Umgang mit Vertragsstrafe bzw. penalty clauses ist in beiden Rechtsordnungen das Ergebnis eines bestmöglichen Interessenausgleichs zwischen der Vertragsfreiheit und der Schutzbedürftigkeit der unterlegenen Vertragspartei vor benachteiligender Fremdbestimmung. Englisches und deutsches Recht gewähren auf verschiedene Weise jeweils den Verbrauchern im b2c-Verhältnis hinreichend Schutz, während sie den Vertragsparteien in b2b-Verhältnis mehr Gestaltungsfreiheit geben. Das deutsche Recht ermöglicht im b2c-Verhältnis mit dem richterlichen Herabsetzungsrecht nach § 343 BGB einen flexiblen Umgang mit bereits verwirkten Vertragsstrafen. Allerdings wird das Vertragsstrafeversprechen eines Kaufmanns nach §§ 1 – 6 HGB gemäß § 348 HGB von der Anwendung des richterlichen Herabsetzungsrechts ausgeschlossen. Das allgemeine Korrektiv der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB kann im b2c- und b2b-Bereich für eine Überprüfung des Strafversprechens herangezogen werden. Die Norm des § 138 BGB ist geprägt durch althergebrachte Rechtsprechung und die starre Rechtsfolge der Nichtigkeit. Die Einordnung als sittenwidrig überhöhtes Strafversprechen bleibt auf besonders extreme Fallkonstellationen beschränkt. Die Unwirksamkeit der Klausel im b2c- und b2b-Verhältnis ohne Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion ist ebenfalls die Rechtsfolge bei Vertragsstrafen, die als Allgemeine Geschäftsbedingung gelten und wegen ihrer Höhe eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen. Die richterrechtlich geschaffene Kontrolle von Vertragsstrafen im b2c-Bereich mittels § 242 BGB gewährleistet ein gebotenes

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Schutzniveau, auch im Geschäftsverkehr vor Fremdbestimmung bei fehlender Vertragsparität und eröfnnet flexibel festlegbare Ergebnisse im Einzelfall. Die über Jahrhunderte alte Ablehnung von penalty clauses im englischen Recht wurde durch die Grundsatzentscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis des Supreme Court aufrechterhalten, aber in wesentlichen Teilen im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr abgeschwächt. Die penalty doctrine nach Lord Dunedin aus dem Jahr 1905 war für einfach gelagerte Sachverhalte im b2c-Bereich tauglich, bei komplexeren Verträgen im b2b-Bereich war die Abgrenzungsmethodik zu liquidated damages aber zu starr und eindimensional. Damit einherging die Unsicherheit über die gerichtliche Beurteilung einer als liquidated damages konzipierten Klausel als nicht durchsetzbare penalty clause. Der Supreme Court hat den Gerichten für die zukünftige Abgrenzung zwischen liquidated damages und penalty clauses mehr Flexibilität gegeben und insbesondere im b2b-Bereich die Rechtssicherheit der Parteien erhöht. I. Deutsches Recht Das deutsche Recht wird vorrangig mit der Möglichkeit zur richterlichen Reduktion von überhöhten Vertragsstrafen assoziiert. Diese in § 343 BGB normierte Grenze sieht eine Absenkung unverhältnismäßig überhöhter Zahlungsverpflichtungen aus Strafabreden auf einen angemessenen Betrag vor, wobei der Festlegung der Unverhältnismäßigkeit ein umfassender Abwägungsprozess vorausgeht. Das richterliche Reduktionsrecht lässt eine passgenaue Entscheidungsfindung im Einzelfall zu, bei der die Interessenlagen beider Parteien hinreichend berücksichtigt werden können. Allerdings sind Vertragsstrafen im unternehmerischen Geschäftsverkehr gemäß § 348 HGB von der Reduktionsmöglichkeit ausgenommen. Nach Ansicht des historischen Gesetzgebers sei ein solcher Schutz für geschäftserfahrene Marktteilnehmer nicht geboten. Die stattdessen vorgesehene Grenze der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB weist, bedingt durch ihre scharfe Rechtsfolge der Nichtigkeit, ein hohes Anforderungsprofil auf: Neben einer stark überhöhten Strafabrede bedarf es eines weiteren, hinzutretenden Umstands wie beispielsweise die Existenzgefährdung des Schuldners. Der Bundesgerichtshof hat praeter legem die Kontroll- und Herabsetzungsmöglichkeit von überhöhten Vertragsstrafen im b2bBereich mittels § 242 BGB geschaffen. Der verfassungsrechtliche gebotene Schutz vor Fremdbestimmung durch die Anwendung der Generalnormen des BGB spricht für diese Lösung, um so flexibel ausgestaltbare Lösungen für kaufmännische Strafversprechen zu erzielen. Darüber hinaus können formularmäßige Vertragsstrafen der Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen.

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1. Richterliche Herabsetzung nach § 343 BGB § 343 Abs. 1 S. 1 BGB ermöglicht die Überprüfung einer bereits verwirkten Vertragsstrafe, mithin die Kontrolle eines bestehenden Anspruchs auf Zahlung aus der Abrede. Es hat sich gezeigt, welche Vielzahl an Gesichtspunkten – untergliederbar nach der Zugehörigkeit zur Sphäre des Gläubigers oder des Schuldners – bei der Überprüfung der Zahlungspflicht auf das Vorliegen einer objektiven Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und zu bewerten sind. Den Hauptorientierungspunkt bildet das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung. Sein Sicherungsinteresse orientiert sich an dem Nachteil, welcher dem Gläubiger droht, sollte der Schuldner seiner vertraglichen Leistungspflicht nicht gebührlich nachkommen. Das wesentliche Pendant zum Sicherungsinteresse des Gläubigers bildet der Vorteil des Schuldners, welchen dieser aus einer Zuwiderhandlung ziehen kann. Die finanzielle Stärke des Schuldners und die Umstände der Pflichtverletzung können ebenfalls herangezogen werden. Die Reduktion nach § 343 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt auf einen angemessenen Betrag, welcher unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte durch das Gericht festgelegt wird. Der Richter bestimmt die Summe nach freiem Ermessen; er kann die Strafe soweit reduzieren, wie es ihm geboten erscheint und ist nicht auf die Senkung auf den höchstmöglichen, noch vertretbaren Betrag beschränkt. Die Anwendung des Herabsetzungsrechts auf kaufmännische Strafversprechen ist gemäß § 348 HGB nicht möglich. Nach Ansicht des historischen Gesetzgebers genügt für die geschäftserfahrene Personengruppe der Kaufleute die rechtliche Grenze der Sittenwidrigkeit, weil diese in der Lage seien, die Folgen ihres Handels in Bezug auf die Abgabe eines Strafversprechens einzuschätzen. Die Parteien können allerdings die Norm des § 348 HGB abbedingen. 2. Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafe Die Einwendung der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ist die schärfste Grenze für Vertragsstrafen. Sie gewährleistet die abstrakte Kontrolle der Klausel, unabhängig von einer konkret angefallenen Zahlungspflicht. Eine Strafabrede, die gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Die Voraussetzungen für die Einordnung einer Vertragsstrafe als sittenwidrig sind dementsprechend streng. Die Kriterien für die Anwendbarkeit der Generalnorm des § 138 Abs. 1 BGB haben sich durch jahrzehntelange Rechtsprechung herausgebildet und sind in ihrem Wesen seit Anfang des 20. Jahrhunderts unverändert. Es zeigt sich mithin eine Prägung durch einen althergebrachten Rechtsmaßstab, der sich zudem vorrangig an Verbraucherkonstellationen orientiert. Zur Einordnung einer Klausel als sittenwidrige Vertragsstrafe bedarf es nach dem dualistischen Anforderungsprofil zum einen einer unverhältnismäßig überhöhten Zahlungsverpflichtung und zum anderen eines

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weiteren, hinzutretenden Umstands, beispielsweise die Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners durch mögliche Zahlungspflichten oder die Knebelung des Schuldners infolge der Ausnutzung einer Machstellung durch den Gläubiger. Auf subjektiver Ebene genügt die grobfahrlässige Unkenntnis der Überhöhung der Zahlungspflicht. Im Unterschied zu § 343 BGB reicht allein eine stark überhöhte Zahlungssumme nicht aus, um eine Klausel als sittenwidrig einzuordnen. Die Sachverhalte, in denen die Rechtsprechung die Sittenwidrigkeit als einschlägig erachtet hat, zeichnen sich allesamt durch eine eklatante Übervorteilung des Schuldners aus, wobei die ausgelöste Zahlungspflicht sowohl das eigentliche Vertragsvolumen und das jährliche Einkommen des Schuldners um ein Vielfaches überschritt. Die Rechtsfolge einer derartigen sittenwidrigen Strafabrede ist die Unwirksamkeit der Klausel insgesamt. Eine geltungserhaltende Reduktion ist im Rahmen von § 138 BGB nur ausnahmsweise anzunehmen, zumal wenn die Sittenwidrigkeit in einem Übermaß gründet. Eine derartige Ausnahmekonstellation lässt sich für Vertragsstrafen also so gut wie nie begründen. Resultat dessen ist für sich betrachtet eine erzwungene Gleichbehandlung vieler unterschiedlicher Konstellationen von Vertragsstrafen, da diese nur entweder als wirksam oder sittenwidrig eingeordnet werden können – eine Differenzierung abseits dieser beiden Enden ist nicht möglich. Dem Gläubiger bleibt es dabei unbenommen, im Wege der Geltendmachung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen, einen Ausgleich seiner verletzten Rechte zu erzielen. Dieser Anspruch besteht freilich nicht, wenn infolge der Nichtigkeit der Klausel zugleich der gesamte Vertrag unwirksam sein sollte. Eine derart fundamentale Rechtsfolge droht nach § 139 BGB, sollte der Vertrag nach dem Parteiwillen nicht ohne die Vertragsstrafe fortbestehen sollen. 3. Richterliche Herabsetzung nach § 242 BGB Eine unverhältnismäßig überhöhte Zahlungspflicht aus einer kaufmännischen Vertragsstrafe kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 242 BGB herabgesetzt werden. Die Anwendung von § 242 BGB löst im b2b-Bereich das Problem der hohen Anwendungshürde von § 138 BGB und schützt die Kaufleute vor einer krass benachteiligenden Regelung bei fehlendem Verhandlungsgleichgewicht. Überdies ist statt der strikten Rechtsfolge der Unwirksamkeit eine Herabsetzung als geltungserhaltende Reduktion denkbar. Im Fall Kinderwärmekissen aus dem Jahr 2008 reduzierte der Bundesgerichtshof den Anspruch aus einer Strafabrede gegen einen Kaufmann unter Bezugnahme auf § 242 BGB. Die Methodik der Anwendung und der Wirkungsweise ähnelt frappierend jener vom richterlichen Herabsetzungsrecht gemäß § 343 BGB. Wie bei § 343 BGB ist § 242 BGB das Einfallstor zur Kontrolle einer bereits angefallenen Zahlungsverpflichtung aus der Vertragsstrafe. Zentrale Anwendungsvoraussetzung ist erneut die unverhältnismäßige Höhe der Zahlungsverpflichtung. Die Rechtsfolge

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von § 242 BGB gestaltet sich gleichermaßen als Reduktionsrecht. Im Unterschied zu § 343 BGB erfolgt die Reduktion jedoch nicht auf einen angemessenen Betrag, sondern auf einen in Relation dazu höheren Betrag, der soeben noch mit Treu und Glauben vereinbar ist und damit nicht mehr unverhältnismäßig. Die Heranziehung von § 242 BGB ist mit Blick auf die Gesetzesbegründung der Ausschlussregelung von § 348 HGB zumindest angreifbar. Der Bundesgerichtshof hat sich unvorwerfbar im Rahmen des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der schwächeren Vertragspartei gehalten. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die Inhaltskontrolle mithilfe der Generalklauseln bei der Gefahr von faktischer Fremdbestimmung und der daraus resultierender Benachteiligung als Schranke der Privatautonomie vorgegeben. Die Norm des § 242 BGB bietet eine anpassungsfähige, einzelfallgerechte Handhabe von überhöhten Vertragsstrafeversprechen im b2b-Bereich. Wenngleich die Rechtsprechung vor der Aufgabe steht, den Maßstab für die Herabsetzung auf eine nach Treu und Glauben hinnehmbare Höhe näher zu bestimmen. 4. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB Vertragsstrafeversprechen können darüber hinaus der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterfallen, wenn sie von einer Partei vorformuliert und in der Folge nicht ausdrücklich verhandelt wurden. Die Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB ist wegen den strengen Anforderungen an das Verhandeln ein Risiko für den Gläubiger. Dies gilt nicht nur b2c-Bereich, sondern auch im rein unternehmerischen Geschäftsverkehr. Eine abgestufte Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB für Verbraucher- und Unternehmerverträge wäre dem indes vorzuziehen. Die Vertragsstrafe kann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits unwirksam sein, wenn die Zahlungssumme außer Verhältnis zum denkbar geringsten Vertragsbruch steht. Es besteht keine Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion. II. Englisches Recht Das englische Recht hat mit der Grundsatzentscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis des Supreme Court einen bemerkenswerten Wandel im Umgang mit penalty clauses und liquidated damages vollzogen. Das Durchsetzungsverbot von penalty clauses blieb zwar unter Festhaltung an der Rechtstradition aufrechterhalten, erfuhr aber eine beachtliche Zurückdrängung zugunsten der Privatautonomie, insbesondere im b2b-Bereich. Die Einordnung einer Vertragsklausel als penalty clause oder liquidated damages folgt nun einer den Bedürfnissen der heutigen Vertragspraxis gerecht werdenden Methodik.

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Die Abgrenzung zwischen penalty clauses und liquidated damages war ein Jahrhundert lang geprägt durch die Entscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd aus dem Jahr 1915. Danach war die Funktion maßgeblich, welche die Parteien der Klausel zugedacht haben. Sollte die andere Partei vordringlich vom Vertragsbruch abgehalten werden, indem ihr eine, den zu erwartenden Schaden übersteigende Zahlungspflicht angedroht wird, galt die Abrede als penalty clause. Dagegen waren liquidated damages anzunehmen, wenn die Klausel eine vernünftige Schätzung des Schadens verkörpert, die den späteren Schadensausgleich beschleunigen und erleichtern soll. Maßgeblichen Indikator für die Abgrenzung bildete die wertmäßige Gegenüberstellung der vereinbarten Zahlungssumme und dem zu erwartenden Schaden. Es galt ein objektivierter Maßstab bei der Frage nach der Angemessenheit der entsprechenden Abweichung. Die Tauglichkeit dieses von Lord Dunedin in Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd geprägten Verständnisses von penalty clauses und deren Abgrenzung zu liquidated damages hat sich im Laufe der Zeit, schon durch stetig komplexer werdenden Verträge, mehr und mehr zurückgebildet. Der bisherige Ansatz der Unterscheidung nach Lord Dunedin zwischen penalty clauses als Mittel der Abschreckung und liquidated damages als ernsthaftes Instrument zur Schätzung des zu erwartenden Schadens ist zwar einfach zu verstehen und sollte es den Parteien erlauben, sich entsprechend zu verhalten. Die Klarheit verkam hingegen zunehmend zu einer Scheingröße, da sich diese Abgrenzungsdogmatik und die moderne, komplexe Vertragspraxis nicht in Einklang bringen ließen. Speziell die Vertragsgestaltungen im b2b-Bereich sind zu vielschichtig, um eine fundamentale Entscheidung über die Wirksamkeit einer Vertragsabrede einzig anhand der Einsortierung zwischen den beiden Polen Abschreckung und ernsthafter Schätzung zu treffen. Die Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis hat dem Rechnung getragen, ohne vom Durchsetzungsverbot von penalty clauses insgesamt abzurücken. Eine penalty clause liegt nur noch vor, wenn die Zahlungsverpflichtung von keinem legitimen Interesse des Gläubigers gedeckt oder in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zum berechtigten Interesse steht. Das Abstellen auf das berechtigte Interesse des Gläubigers ist sinnvoll, weil er eine umfassende Würdigung des Einzelfalls ermöglicht und gleichzeitig dem feststellenden Gericht mehr Freiheiten eröffnet. Die Druckausübung auf den Schuldner ist ferner nicht mehr per se schädlich, solange der Gläubiger ein legitimes Interesse an der Vertragserfüllung durchzusetzen versucht. Darüber hinaus haben die Parteien im b2b-Bereich eine Einschätzungsprärogative bezüglich der Bewertung der berechtigten Interessen. Sofern beide Parteien über eine vergleichbare Verhandlungsposition und hinreichende anwaltliche Beratung verfügen und keine exzessiv überhöhte Zahlungssumme festgelegt wurde, ist die Einordnung einer Klausel als penalty clause im b2b-Sektor kaum noch wahrscheinlich. Das Fortbestehen des Durchsetzungshindernisses bezüglich penalty clauses wurde im Übrigen zumindest nachvollziehbar begründet. Dieses kann für sich re-

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klamieren, den umfassenden Schutz des Schuldners, insbesondere von Verbrauchern, darzustellen und eine klare Linie vorzugeben. Anstelle der penalty clause stärkt das englische Recht somit die Anwendung von liquidated damages. Mit der Finalität des festgelegten Betrags bringen diese für beide Parteien Vorteile mit sich, insbesondere in Bezug auf die Planungssicherheit und die Vermeidung kostenintensiver Rechtstreitigkeiten. Diese Endgültigkeit des Zahlbetrags ist in Deutschland mit der Vertragsstrafe verknüpft. Diese Sicherheit wird allein durch das, wenngleich geringe, Risiko einer Klassifizierung als penalty clause beeinträchtigt.

C. Perspektiven einer europäischen Rechtsangleichung Sowohl das deutsche wie auch das englische Recht haben sich hinsichtlich der Grenzen der Vertragsstrafe mit Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die ihrem jeweiligen Ansatz innewohnen. Das Überwinden dieser systemimmanenten Nachteile muss wiederum Zielstellung und Aufgabe eines harmonisierten europäischen Rechts über die Vertragsstrafe und deren Grenzen sein. Die Aussichten für eine entsprechende Rechtsangleichung zwischen Deutschland und Großbritannien sind derzeit als wenig erfolgsversprechend einzustufen. Ein wesentlicher Grund liegt in der aufgezeigten, tiefen Verankerung der Vertragsstrafe in ihrem spezifischen Rechtsfolgensystem für Vertragsverletzungen. Die bisherigen Bemühungen um eine Rechtsangleichung haben gezeigt, wie wenig erfolgsversprechend eine Herangehensweise ist, bei der eines der beiden Systeme auf Kosten des anderen durchgesetzt werden soll. In Anbetracht dessen erscheint es sinnvoller, die Divergenzen nach deutschem und englischem Recht durch die Schaffung eines neuen Ansatzes aufzulösen. Der Regelungsvorschlag in III.–3:712 Abs. 2 DCFR bietet ein entsprechendes Arbeitsmodell. I. Notwendigkeit einer Rechtsangleichung Eine Rechtsangleichung von deutschem und englischem Recht in Bezug auf den Umgang mit Vertragsstrafen gebietet sich, um die vielfältigen Vorteilen des Rechtsgebildes bei grenzüberschreitenden Vertragsbeziehungen innerhalb der EU nutzen zu können. Speziell in b2b-Bereich ist der Vertragsstrafe eine gewichtige Bedeutung beizumessen. Sie gewährleistet die Sicherstellung der Leistungserbringung, daneben aber ebenso die Erleichterung der Schadloshaltung, die Vermeidung von kosten- und zeitintensiven Gerichtsverfahren und die Steigerung der Rechtssicherheit hinsichtlich der Folgen von Vertragsverletzungen. Die Möglichkeit der freien Rechtswahl im Vertrag zugunsten einer Jurisdiktion, die Vertragsstrafen nicht einem Durchsetzungsverbot unterwirft, ist nicht zielführend. Gemäß der public policy doctrine kann die penalty doctrine im englischen

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Recht die Vollstreckung von ausländischen Urteilen in Großbritannien verhindern, wenn diese auf einer als penalty clause zu qualifizierenden Abrede beruhen. Ferner bietet die Harmonisierung des Rechts die Aussicht darauf, bei intereuropäischen Verträgen Probleme in der Zukunft zu vermeiden, die mit der unterschiedlichen Herangehensweise an die Vertragsstrafe verbunden sind. II. Entwicklung der Rechtsangleichung Bereits Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es innerhalb der EU die ersten Bemühungen um eine Harmonisierung der Regelungen über die Vertragsstrafe durch den Europarat. Die konträren Auffassungen zur Zulässigkeit von Strafversprechen zwischen deutschem und englischem Recht ließen die Bemühungen jedoch in unverbindlichen Empfehlungen enden. Eine Konvergenz zwischen deutschem und englischem Recht kann im Nachgang an die Verabschiedung der Leitvorgaben nicht ausgemacht werden. In der Folge begannen die Bestrebungen um eine ganzheitliche Angleichung des europäischen Privatrechts, das Recht der Vertragsstrafe eingeschlossen. Mit den Principles of European Contract Law und dessen Nachfolger, dem Draft Common Frame of Reference, mündeten langjährige akademische Arbeiten in zwei Modelgesetzen. Gemäß deren Entwicklung durch die Rechtswissenschaft, einhergehend mit der Einordnung als soft law, fehlt es beiden Entwürfen an jeglicher Rechtssetzungsbefugnis. Inhaltlich wurden in Art. 9 – 509 PECL und III.–3:712 DCFR die bestehende Unterscheidung und Grenzziehung zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschale aufgelöst und stattdessen ein einheitliches Konstrukt geschaffen. Diese Klausel ist gleichwohl stark der Vertragsstrafe angenähert; die Abrede trägt eine Doppelfunktion, welche auf Erfüllungssicherung und Erleichterung der Schadloshaltung abzielt. Signifikant ist darüber hinaus die Vorsehung eines richterlichen Herabsetzungsrechts – ohne Ausklammerung des kaufmännischen Verkehrs. III. Bewertung der Aussichten Die kurz- und mittelfristigen Aussichten für eine Rechtsangleichung hinsichtlich der Grenzen der Vertragsstrafe in der EU und speziell zwischen Deutschland und Großbritannien sind gering. Diese negative Einschätzung ergibt sich in der Gesamtbetrachtung, obwohl deutliche Anzeichen für eine Annäherung zwischen deutschem und englischem Recht bei der Handhabe von Vertragsstrafen vorhanden sind. So praktizieren die Gerichte in beiden Rechtsordnungen verstärkt einen Ansatz, nach dem Klauseln über die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen zurückhaltender als unwirksam angesehen werden: In Deutschland augenscheinlich durch die Heranziehung von § 242 BGB auf kaufmännische Strafabreden und im englischen Recht durch die Zurück-

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drängung der penalty doctrine. Die Bedeutung von Vertragsstrafen bzw. liquidated damages für den b2b-Geschäftsverkehr wird mithin in beiden Jurisdiktionen anerkannt und dieser entsprechend Rechnung getragen. Beide Rechtsordnungen enthalten gleichwohl einen Schutz von Verbrauchern vor überhöhten Zahlungsverpflichtungen. Darüber hinaus bildet infolge der Entscheidung Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi/Parking Eye Ltd v Beavis sowohl nach deutschem, wie nunmehr auch nach englischem Recht, das berechtigte Interesse des Gläubigers den maßgeblichen Gesichtspunkt, um zwischen zulässiger und unzulässig überhöhter Abrede zu differenzieren. Eine weitere, schrittweise Konvergenz zwischen deutschem und englischem Recht ist als Resultat der noch zunehmenden Vernetzung der Geschäftswelt vorstellbar, insbesondere wenn die Rechtspraxis die bereitgestellten Modelle für ein europäisches Vertragsrecht in der Zukunft vermehrt heranzieht. Freilich bleiben die Gegensätze zwischen civil law und common law geprägten Mitgliedstaaten enorm, explizit mit Blick auf das Rechtsfolgensystem von Vertragsverletzungen. Die frühen Versuche einer Harmonisierung Mitte der siebziger Jahre scheiterten mutmaßlich an dem Versuch, die kontinentaleuropäischen Vorstellungen über die Vertragsstrafe der common law Rechtsordnung überstülpen zu wollen. Die Bemühungen um eine Harmonisierung mittels PECL und DCFR scheinen im Vergleich dazu erfolgsversprechender. Die Idee der Vereinigung zweier widerstreitender Systeme durch die Schaffung eines neuen, einzelnen Rechtsinstituts bietet einen Ausweg aus der scheinbar festgefahrenen Situation. Als Durchbruch können die Modellgesetze aber nicht gewertet werden. Der Grund hierfür liegt wiederum im Wesen der Vertragsstrafe: Die mit der Strafabrede verknüpfte Funktion der Absicherung der Vertragserfüllung hängt ganz maßgeblich mit dem jeweiligen Verständnis des Leistungsstörungsrechts zusammen. Solange wie sich beide Rechtssysteme im Umgang mit Nacherfüllung bzw. specific performance nicht annähern, erscheint eine Angleichung des Rechts der Vertragsstrafe unwahrscheinlich, da diese ein unmittelbares Resultat des Nacherfüllungsrechts ist. Vor diesem Hintergrund mutet es als wenig praktikabel an, wenn nur das Rechtsgebilde der Vertragsstrafe geändert wird und sodann in Widerspruch zu seiner Rechtsumgebung in ein Land gesetzt wird. Dieser Gesichtspunkt spricht ebenso für die Bestrebungen um ein ganzheitlich angeglichenes europäisches Privatrecht. Es ist darüber hinaus wenig vorstellbar, dass sich die Sichtweise des englischen Rechts gegenüber der in der Mehrheit der Mitgliedstaaten verbreiteten Auffassung zum Leistungsstörungsrecht durchsetzen wird. Die Alternative einer Aufwertung von specific performance als gleichwertiges Pendant zum Schadensersatz, in deren Schlepptau das Durchsetzungsverbot von penalty clauses fallen kann, erscheint allerdings ebenso schwer realisierbar. Die vorstehend aufgezeigten Unterschiede sollen und dürfen dennoch nicht als Entmutigung auf dem Weg zur innereuropäischen Angleichung des Rechts über

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Vertragsstrafenklauseln interpretiert werden. Die Betrachtung der rechtshistorischen Entwicklung, sowohl des deutschen als auch des englischen Rechts, macht die tiefe Verankerung beider Institute in ihrer jeweiligen Rechtsordnung deutlich und lässt sie in gewisser Weise zu Repräsentanten der aktuell noch divergierenden Auffassungen von Zivilrecht und common law über Einzelfragestellungen und die grundsätzliche Konzipierungen des Privatrechts werden. Nur folgerichtig und wenig verwunderlich handelt es sich demnach um Hindernisse, die nicht mittels eines einzelnen Federstrichs des europäischen Gesetzgebers hinweggefegt werden können. Und dennoch: Die voranschreitende Gleichtaktung der Wirtschaftswelt, das Zusammenwachsen des Rechtsraums und die Notwendigkeit für die Verwendung von Vertragsstrafeklauseln bzw. Klauseln über die antizipierte Regelung der Rechtsfolgen von Vertragsbrüchen bieten hinreichend Antriebskraft, um die Angleichung auf langfristige Sicht zu erreichen.

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Stichwortverzeichnis Acceleration clauses 69 Akzessorietät des Strafversprechens – Abgrenzung zur Nichtakzessorietät 59 ff. – zur Hauptverbindlichkeit 57 f. Äquivalenzstörung 121 ff. Bestimmtheit Klageantrag 115 Beweislast 35, 43, 63 f., 113 Cavendish Square Holding BV v Talal El Makdessi / Parking Eye Ltd v Beavis 171 ff. Cenargo Ltd v Empresa Nacional Bazan de Construcciones Navales Militares 167 f. Corpus iuris civilis 25 ff. Doctrine of consideration 32, 68 Doctrine of freedom of contract 93, 170, 182, 188 Doctrine of frustration 89 f. Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v New Garage & Motor Co Ltd 48, 87 ff., 160 ff., 179 ff. Equity 33 ff., 37, 39, 145 Existenzgefährdung 131 Export Credits Guarantee Department v Universal Oil Products Co 69 Fortsetzungszusammenhang 109 ff. Funktionen – Erfüllungssicherung 41 f., 44 – Schadloshaltung 42 f., 44 – Straffunktion 45 ff. Geltungserhaltende Reduktion 133 ff., 159 Generalklauseln – Sittenwidrigkeit 119 ff. – Treu und Glauben 139 ff. Genuine pre-estimate 88, 160 ff.

Hamburger Brauch

53 ff.

Immaterielles bzw. öffentliches Interesse 101 ff. – LG Bonn 102 – Treuhandanstalt 102 f. In terrorem 49, 88, 160 ff. Jobson v Johnson

76

Kinderwärmekissen-Entscheidung 146 ff. Krankenwagen II-Entscheidung 109 f. Lordsvale Finance Plc v Bank of Zambia 165 f. Murray v Leisureplay Plc

75 f., 168

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 120, 143 Nichtleistung oder nicht gehörige Leistung 72 ff. Objective principle 68 f. Ordnungsgeld 53, 57 Penal bonds 32 ff., 39, 49, 176 Philips Hong Kong Ltd v Attorney General of Hong Kong 163 ff., 169, 182 f. Photo Productions Ltd v Securicor Ldt 49 Privatautonomie, Rechtsprechung BVerfG 142 ff. Public policy doctrine 49 f., 194 Richterliches Kontroll- und Herabsetzungsrecht 95 ff. Robophone Facilities Ltd v Blank 166 f. Salvatorische Klauseln 136 f. Schadenshöhe 43, 79 f., 89 Schriftformerfordernis 52, 68

232

Stichwortverzeichnis

Selbstständige Strafversprechen 59 ff. Sicherungsinteresse des Gläubigers 100 ff. Specific performance 37, 180 f. Stipulatio poena 25 ff., 33, 38 f. Strafhöhe – Festlegung 53 ff. – Verhältnismäßigkeit bei § 138 BGB 127 ff. – Verhältnismäßigkeit bei § 343 BGB 97 ff. – Verhältnismäßigkeit bei AGB 156 f. Strafrecht 107 f., 109 ff.

Vertragsgestaltungen zur Wirkungsweise 55 ff. Vertragsstrafebemessungs-Entscheidung 98, 147 Vorbehaltserklärung 66 ff. Vorteile – Liquidated damages 192 – Vertragsstrafe 191 f.

Trainingsvertrag-Entscheidung

Zustandekommen – Penalty clauses 68 ff. – Vertragsstrafe 51 ff.

UNIDROIT-Prinzipien

199

110 f.

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners 104 ff.