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German Pages 525 Year 2006
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 8
Die Geschäftsleiterpflichten Eine rechtsvergleichende Abhandlung zum deutschen und englischen Kapitalgesellschaftsrecht
Von
Dorothea Bedkowski
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
DOROTHEA BEDKOWSKI
Die Geschäftsleiterpflichten
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 8
Die Geschäftsleiterpflichten Eine rechtsvergleichende Abhandlung zum deutschen und englischen Kapitalgesellschaftsrecht
Von
Dorothea Bedkowski
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D5 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 3-428-12052-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2005 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Januar 2006 überarbeitet. Berücksichtigung fand dabei vor allem der britische „Company Law Reform Bill“ vom 1. November 2005. Dank gebührt zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, der die Untersuchung angeregt, betreut und in vielfacher Hinsicht gefördert hat, nicht zuletzt durch die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe. Der von ihm vermittelte Forschungsaufenthalt am Institute of Advanced Legal Studies in London hat wesentlich zum Gelingen des britischen Länderberichts beigetragen. Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Marcus Lutter danke ich für das rasch erstellte und mit wertvollen Anregungen versehene Zweitgutachten. Gedankt sei auch Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, den Mitherausgebern dieser Schriftenreihe. Der Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die Dissertation mit einem großzügigen Stipendium gefördert und insbesondere den Forschungsaufenthalt in London unterstützt. Dafür sowie für die vielen Anregungen aus dem Blickwinkel der Wissenschaft und Praxis bedanke ich mich herzlich. Mein Dank gilt ebenfalls der Georg-August-Universität Göttingen und dem Land Niedersachsen, die ein Promotionsstipendium nach dem Graduiertenförderungsgesetz gewährt haben. Weiterhin wäre der Abschluss des Vorhabens ohne die liebevolle Unterstützung von Herrn Dr. Thomas Linke nicht möglich gewesen. Für die Aufmunterung, die zahlreichen Diskussionen, das unermüdliche Korrekturlesen und die technische Hilfe bedanke ich mich herzlich. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern, Teresa und Jacek Bedkowski, die meine Ausbildung über viele Jahre umfassend unterstützt und gefördert haben. Hamburg, im Januar 2006
Dorothea Bedkowski
Inhaltsübersicht Einleitung
25
A. Problemdarstellung................................................................................................
25
B. Gang der Untersuchung .........................................................................................
34
1. Kapitel Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
44
A. Einheitsmodell der Company ................................................................................
44
B. Rechtsquellen des Company Law..........................................................................
47
C. Board of Directors .................................................................................................
50
D. Vorstand der AG ...................................................................................................
69
E. Geschäftsführer der GmbH....................................................................................
76
F. Aufsichtsrat der AG...............................................................................................
82
G. Aufsichtsrat und Beirat der GmbH ........................................................................
93
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen ..............
96
2. Kapitel Verantwortungsrichtungen
105
A. Unternehmensziele im englischen Recht ............................................................... 105 B. Unternehmensziele im deutschen Recht ................................................................ 125 C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen ........................ 129
10
Inhaltsübersicht 3. Kapitel Sorgfaltspflicht
135
A. Duties of Care and Skill im englischen Recht ....................................................... 135 B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht ............................................................... 165 C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht ............................................ 219
4. Kapitel Loyalitätspflichten
229
A. Fiduciary Duties im englischen Recht ................................................................... 229 B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht .......................................................... 307
5. Kapitel Rechtsfolgen und Durchsetzung
407
A. Sanktionen im englischen Recht............................................................................ 407 B. Sanktionen im deutschen Recht............................................................................. 448 C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung ............................ 483
6. Kapitel Gesetzlicher Pflichtenkatalog
494
7. Kapitel Zusammenfassung und Ergebnisse
499
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 502
Sachwortverzeichnis................................................................................................ 521
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
25
A. Problemdarstellung................................................................................................
25
I. Optimierung der Leitungsfunktion als Hauptziel der CorporateGovernance-Diskussion...................................................................................
25
II. Notwendigkeit der Management-Kontrolle: Das Principal-Agent-Problem....
28
III. Kontrollmechanismen: Das rechtliche Haftungssystem als Mittel der ex post Kontrolle und der ex ante Verhaltenssteuerung .......................................
30
B. Gang der Untersuchung .........................................................................................
34
I. Kapitalgesellschaften ......................................................................................
34
II. Innen- und Außenhaftung................................................................................
34
III. Problemschwerpunkte bei der Festlegung der Geschäftsleiterpflichten ..........
35
IV. Britisches Gesellschaftsrecht: Gründe für einen Rechtsvergleich ...................
36
1. Qualität der Corporate Governance............................................................
37
2. Perspektivenwechsel: duty-based controls .................................................
38
3. Company Law Review ...............................................................................
39
a) „General Duties of Directors“ als abschließender gesetzlicher Pflichtenkatalog.....................................................................................
41
b) Gesetzliche Fixierung der zu wahrenden Interessen..............................
43
1. Kapitel Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
44
A. Einheitsmodell der Company ................................................................................
44
B. Rechtsquellen des Company Law..........................................................................
47
I. Gesetz ............................................................................................................
47
12
Inhaltsverzeichnis II. Soft Law und Selbstregulierung ......................................................................
48
III. Verfassung der Gesellschaft ............................................................................
48
IV. Richterrecht .....................................................................................................
49
C. Board of Directors .................................................................................................
50
I. Bestellung, Abberufung und Verfahren...........................................................
50
II. Executive Directors, Non-Executive Directors und der Company Secretary ..
54
III. Rechtsstellung gegenüber dem General Meeting ............................................
57
IV. Der Board of Directors zwischen Leitung und Aufsicht..................................
61
1. Cadbury Report 1992 .................................................................................
61
2. Greenbury Report 1995 und Hampel Report 1998 .....................................
63
3. Higgs Report und Combined Code 2003....................................................
65
a) Zahl und Unabhängigkeit der non-executive directors ..........................
66
b) Qualifikation und Bestellung der non-executive directors.....................
67
c) Vergütung der non-executive directors .................................................
68
d) Verantwortlichkeit der non-executive directors.....................................
69
D. Vorstand der AG ...................................................................................................
69
I. Das Aufsichtsratssystem im Wandel ...............................................................
69
II. Bestellung, Abberufung und Verfahren...........................................................
70
III. Rechtsstellung .................................................................................................
73
IV. Anstellungsvertrag ..........................................................................................
74
V. Leitung der Aktiengesellschaft gem. § 76 I AktG ...........................................
75
E. Geschäftsführer der GmbH....................................................................................
76
I. Die flexible Verfassung der GmbH .................................................................
76
II. Bestellung, Abberufung und Verfahren...........................................................
78
III. Rechtsstellung .................................................................................................
80
IV. Anstellungsvertrag ..........................................................................................
81
F. Aufsichtsrat der AG...............................................................................................
82
I. Bestellung, Abberufung und Verfahren...........................................................
82
II. Rechtsstellung und Funktionen .......................................................................
88
1. Überwachungsaufgabe und Beratungsfunktion ..........................................
88
Inhaltsverzeichnis
13
2. Geschäftsführungsbefugnisse .....................................................................
92
III. Anstellungsverhältnis ......................................................................................
92
G. Aufsichtsrat und Beirat der GmbH ........................................................................
93
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen ..............
96
2. Kapitel Verantwortungsrichtungen
105
A. Unternehmensziele im englischen Recht ............................................................... 105 I. Das Amt des director in seiner Entstehungsgeschichte ................................... 105 II. Die Direktoren als fiduciaries der Gesellschaft............................................... 106 III. Regelungsziele des Company Law.................................................................. 110 1. Shareholder-Modell.................................................................................... 110 a) Gesellschaftsinteresse als Interesse der Gesellschaftergesamtheit......... 110 b) Interessen der einzelnen Gesellschafter................................................. 112 c) Interessen der anderen Konzerngesellschaften ...................................... 114 d) Interessen der Gläubiger........................................................................ 114 e) Interessen der Arbeitnehmer.................................................................. 120 f) Berücksichtigung der stakeholder als Förderung des Gesellschaftsinteresses .......................................................................... 122 2. Stakeholder-Modell: pluralist approach ..................................................... 122 3. Reform: enlightened shareholder value approach....................................... 123 B. Unternehmensziele im deutschen Recht ................................................................ 125 I. Die Geschäftsleiter als Treuhänder der Gesellschaft ....................................... 125 II. Wertorientierte Unternehmensführung: „Shareholder Value“......................... 126 III. Unternehmensinteresse: „Stakeholder-Modell“ .............................................. 127 IV. Rangordnung der Verantwortungsrichtungen?................................................ 128 C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen ........................ 129
14
Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Sorgfaltspflicht
135
A. Duties of Care and Skill im englischen Recht ....................................................... 135 I. Rechtsgrundlage.............................................................................................. 135 II. Persönlicher Anwendungsbereich ................................................................... 138 III. Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln (compliance with the strict terms of the mandate)................................................................................................ 140 1. Zuordnung zur Sorgfaltspflicht .................................................................. 140 2. Statutory Duties.......................................................................................... 142 3. Satzung ....................................................................................................... 143 4. Vertragliche Verpflichtungen und freiwillige Verhaltensrichtlinien .......... 144 IV. Tatbestandsmerkmale und Beurteilungsmaßstäbe der Sorgfaltspflicht ........... 145 1. Maßstab der allgemeinen Sorgfalt (care): „an ordinary man in the same circumstances“ (objective test)................................................................... 145 2. Maßstab der fachspezifischen Sorgfalt (skill): „person of his knowledge and experience“ (subjective test)................................................................ 147 3. Objektiv-subjektiver Maßstab der Section 214 Insolvency Act 1986......... 150 4. Das Maß des geschuldeten Arbeitseinsatzes (diligence): „duties of intermittent nature“ .................................................................................... 153 5. Zulässigkeit und Grenzen der Aufgabendelegation: „justified reliance on a person whose honesty the director had no grounds to doubt“.................. 155 6. Resümee zur Wende von den Duties of Care and Skill zur einheitlichen Duty of Care............................................................................................... 158 V. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens („business judgment“, „commercial decisions“): Section 727 CA 1985 ......................... 159 VI. Reform .... ....................................................................................................... 164 B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht ............................................................... 165 I. Vorstand: § 93 I 1, II AktG ............................................................................. 165 1. Systematik .................................................................................................. 165 2. Anwendungsbereich ................................................................................... 167 3. Tatbestandsmerkmale................................................................................. 169 a) Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln ............................................. 169 aa) Gesetz ... ........................................................................................ 170
Inhaltsverzeichnis
15
bb) Kompetenzordnung: Rechtmäßige Organisation der AG und ihrer Entscheidungsprozesse .......................................................... 173 cc) Satzung: Reichweite des Unternehmensgegenstandes, § 23 III Nr. 2 AktG ..................................................................................... 174 dd) Grenzen der Beteiligungspolitik .................................................... 175 ee) Vertragliche Verpflichtungen ........................................................ 176 ff) Freiwillige Verhaltensrichtlinien: Deutscher Corporate Governance Kodex ........................................................................ 176 b) Allgemeine Sorgfalt .............................................................................. 178 aa) Gewissenhafte Aufgabenerfüllung................................................. 178 bb) Ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft und Verbot der Eingehung unangemessener Risiken.............................................. 179 cc) Organisationspflichten ................................................................... 180 dd) Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln ................... 181 c) Fachspezifische Sorgfalt........................................................................ 182 d) Arbeitseinsatz ........................................................................................ 182 e) Aufgabendelegation............................................................................... 183 aa) Arbeitsteilung innerhalb des Vorstands ......................................... 183 (1) Organisationsmodelle ............................................................. 183 (2) Überwachungs- und Interventionspflicht................................ 184 (3) Informationspflicht und Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit ..................................................................... 187 bb) Aufgabendelegation an Dritte und an nachgeordnete Ebenen........ 188 f) Die Sorgfaltspflicht im Konzern: § 93; §§ 309 II 1, 310 I, 311, 317 III, 318 I, 323 I 2 AktG ......................................................................... 189 4. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 93 I 1 AktG .................................... 191 5. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens: von der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH zu § 93 I 2 AktG n.F. .......... 193 II. Geschäftsführer: § 43 I, II GmbHG................................................................. 200 1. Rechtsgrundlage und Anwendungsbereich................................................. 200 2. Tatbestandsmerkmale................................................................................. 201 a) Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln ............................................. 201 b) Allgemeine Sorgfalt .............................................................................. 202 c) Fachspezifische Sorgfalt........................................................................ 204
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Inhaltsverzeichnis d) Arbeitseinsatz ........................................................................................ 204 e) Aufgabendelegation............................................................................... 205 f) Die Sorgfaltspflicht im Konzern............................................................ 207 3. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 43 I GmbHG .................................. 207 4. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens ........................... 208 III. Aufsichtsrat: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 1, II AktG............................................. 209 1. Rechtsgrundlage ......................................................................................... 209 2. Tatbestandsmerkmale................................................................................. 209 3. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 1 AktG ........ 216 4. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 2 AktG................................................................................... 217 IV. Beirat: §§ 93 I 1, II, 116 S. 1, AktG, §§ 43 I, II, 52 GmbHG, §§ 34 I 1, II, 41 GenG analog............................................................................................... 217
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht ............................................ 219
4. Kapitel Loyalitätspflichten
229
A. Fiduciary Duties im englischen Recht ................................................................... 229 I. Generelle Prinzipien........................................................................................ 229 II. Tatbestände der Loyalitätspflichten: Fallgruppen des Common Law ............. 231 1. Handeln in gutem Glauben (in good faith) im Interesse der Company....... 231 a) Maßstab des guten Glaubens ................................................................. 231 b) Interesse der Gesellschaft ...................................................................... 234 c) Gleichbehandlung der Aktionäre (acting fairly as between members) .. 235 d) Ausnutzung des Amtes für eigene Zwecke............................................ 236 e) Berücksichtigung gesellschaftsfremder Interessen ................................ 236 f) Freiwillige Sozialleistungen und Unternehmensspenden: The Political Parties, Elections and Referendums Act 2000....................................... 237 g) Reform .................................................................................................. 239 2. Zweckgebundenes Handeln (proper-purpose-Test) .................................... 239 a) Handeln im eigenen Interesse................................................................ 241
Inhaltsverzeichnis
17
b) Befugnis zur Ausgabe und Zuteilung von Aktien (power to issue and to allot shares)....................................................................................... 241 aa) Bezugsrechtsausschluss ................................................................. 247 bb) Neutralitätspflicht bei Übernahmeangeboten: non-frustration rule des City Code on Takeovers and Mergers...................................... 248 (1) City Code on Takeovers and Mergers .................................... 248 (2) Ergänzende Funktion der proper-purpose-Doktrin ................. 254 c) Reform .................................................................................................. 255 d) Resümee: Bedeutung für das deutsche Recht? ...................................... 255 3. Verbot der Einschränkung des unternehmerischen Ermessens (nofettering rule).............................................................................................. 258 4. Die Pflicht, Interessenkonflikte zu vermeiden (no-conflict rule)................ 261 a) Konflikt zwischen Interesse und Pflicht (conflict of interest and duty) . 262 aa) Freistellungsmöglichkeiten nach der equity-Rechtsprechung ........ 265 bb) Offenlegung gegenüber dem Board gem. Section 317 CA 1985 ... 266 cc) Verhältnis von Section 317 CA 1985 zu der equity-Regel............. 270 dd) Offenlegung der Interessenkonflikte im Jahresabschluss............... 273 ee) Interessenkonflikte in börsennotierten Gesellschaften: Transactions with related parties.................................................... 274 b) Transaktionen mit wesentlichen Vermögensgegenständen (substantial property transactions) zwischen dem director und der company gem. Sections 320-322 CA 1985............................................ 274 c) Darlehen der company an den director gem. Sections 330344 CA 1985 ......................................................................................... 276 d) Reform .................................................................................................. 278 5. Wettbewerbsverbot (no-competition rule).................................................. 280 6. Verbot der Ausnutzung von Vermögen, Geschäftschancen und Informationen der Gesellschaft (no-profit rule; corporate opportunity doctrine) ..................................................................................................... 283 a) Fallgruppen ........................................................................................... 283 b) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen kann .......... 289 c) Aktuelle und potentielle Geschäftschancen........................................... 290 d) Freistellung im Einzelfall: Geschäftschancen, die von der Gesellschaft ausgeschlagen wurden ...................................................... 292 e) Generelle Freistellung durch Satzung.................................................... 294
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Inhaltsverzeichnis f) Bestechung (bribe) als Sonderfall des secret profit ............................... 294 g) Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln (misapplication of the company’s property).................................................................... 296 h) Reform .................................................................................................. 296 7. Vergütung der directors.............................................................................. 297 a) Anstellungsverträge: Sections 318, 319 CA 1985 ................................. 299 b) Abfindungszahlungen: Sections 312 ff. CA 1985 ................................. 300 c) The Directors’ Remuneration Report Regulations 2002 und der Combined Code 2003............................................................................ 301 8. Loyalitätspflichten im Konzern .................................................................. 306
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht .......................................................... 307 I. Generelle Prinzipien: „Die Treuepflicht“ oder mehrere typisierte Tatbestände?.................................................................................................... 307 II. Tatbestände der Loyalitätspflichten: Fallgruppenbildung ............................... 310 1. Handeln im Interesse des Unternehmens.................................................... 310 a) Vorstand ................................................................................................ 310 aa) Missbrauchsverbot oder Förderpflicht? ......................................... 311 bb) Gleichbehandlung innerhalb der Gruppen der Aktionäre, Arbeitnehmer und Aufsichtsratsmitglieder .................................... 311 cc) Das Gebot, Privatinteressen zugunsten des Unternehmensinteresses zurückzustellen....................................... 312 dd) Freiwillige Sozialleistungen und Unternehmensspenden............... 314 b) Geschäftsführer ..................................................................................... 315 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 316 d) Beirat . .................................................................................................. 317 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 318 2. Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten........................................... 319 a) Vorstand: §§ 33, 27, 28 WpÜG............................................................. 319 aa) Rechtslage vor In-Kraft-Treten ...................................................... 320 bb) Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) .. 323 (1) Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft: § 33 WpÜG .................................................................................... 323
Inhaltsverzeichnis
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(2) Stellungnahme und Werbung: §§ 27, 28 WpÜG .................... 332 (3) Rechtsfolgen........................................................................... 333 b) Aufsichtsrat ........................................................................................... 334 c) Rechtsvergleich ..................................................................................... 335 3. Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln............................................... 342 a) Vorstand: § 76 I AktG ........................................................................... 342 b) Geschäftsführer: §§ 37 I, 45, 46 GmbHG.............................................. 343 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 343 d) Beirat . .................................................................................................. 344 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 344 4. Insichgeschäfte und Interessenkonflikte..................................................... 346 a) Vorstand ................................................................................................ 346 aa) Insichgeschäfte: § 112 AktG, § 181 BGB...................................... 346 bb) Interessenkonflikte und Grenzen legitimer Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen: § 136 I AktG ...................................... 346 cc) Kredite der AG an den Vorstand: § 89 AktG................................. 350 b) Geschäftsführer: § 181 BGB, §§ 35 IV, 47 IV GmbHG........................ 350 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 354 d) Beirat . .................................................................................................. 359 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 360 5. Wettbewerbsverbot..................................................................................... 368 a) Vorstand: § 88 AktG ............................................................................. 368 b) Geschäftsführer ..................................................................................... 369 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 371 d) Beirat . .................................................................................................. 372 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 372 6. Geschäftschancenlehre ............................................................................... 373 a) Vorstand ................................................................................................ 373 aa) Ausnutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft: Geschäftschancenlehre i.e.S........................................................... 373 bb) Ausnutzung von Informationen der Gesellschaft: Verschwiegenheitspflicht des § 93 I 3 AktG.................................. 376 cc) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen kann... 378
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Inhaltsverzeichnis dd) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen will: Freistellung im Einzelfall............................................................... 380 ee) Bestechung der Vorstandsmitglieder ............................................. 381 b) Geschäftsführer ..................................................................................... 381 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 384 d) Beirat . .................................................................................................. 385 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 386 7. Vergütung der Organe ................................................................................ 391 a) Vorstand: § 87 AktG ............................................................................. 391 b) Geschäftsführer ..................................................................................... 395 c) Aufsichtsrat: §§ 113, 114 AktG............................................................. 395 d) Beirat . .................................................................................................. 398 e) Rechtsvergleich ..................................................................................... 398 8. Loyalitätspflichten im Konzern .................................................................. 401 a) Vorstand ................................................................................................ 401 aa) Modifizierung der Pflicht, im Interesse des Unternehmens zu handeln ........................................................................................ 401 bb) Modifizierung der Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln: §§ 308, 311, 323 AktG................................................................... 402 cc) Besondere Interessenkonflikte ....................................................... 403 dd) Verschwiegenheitspflicht............................................................... 403 b) Geschäftsführer ..................................................................................... 404 c) Aufsichtsrat ........................................................................................... 404 d) Rechtsvergleich ..................................................................................... 405
5. Kapitel Rechtsfolgen und Durchsetzung
407
A. Sanktionen im englischen Recht............................................................................ 407 I. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung............................................................... 407 1. Sanktionen des Common Law.................................................................... 407 a) Einstweilige Verfügung bzw. Anordnung (injunction, declaration) ..... 408 b) Schadensersatz (damages, compensation)............................................. 408 c) Abberufung (removal from office)......................................................... 409
Inhaltsverzeichnis
21
d) Dinglicher Herausgabeanspruch der company (restoration of the company’s property, constructive trust) ................................................ 410 e) Anfechtung des Vertrages (rescission of the contract).......................... 411 f) Gewinnabschöpfung (account for profits)............................................. 412 2. Strafrechtliche Sanktionen (criminal liability) ........................................... 413 3. Company Directors Disqualification Act 1986 .......................................... 413 4. Reform ....................................................................................................... 417 II. Generelle Freistellung: Section 309A CA 1985 .............................................. 418 1. D&O-Versicherung (liability insurance) .................................................... 418 2. Art. 85, 86 Table A..................................................................................... 419 III. Entlastungsbeschlüsse im Einzelfall................................................................ 421 IV. Prozessuale Durchsetzung der Sanktionen ...................................................... 425 1. Durchsetzung der eigenen Ansprüche durch die Gesellschaft (corporate action). ....................................................................................................... 425 a) Die Aktivlegitimation nach der „Rule in Foss v. Harbottle“ ................. 425 b) Der Board als zuständiges Organ .......................................................... 427 c) Das General Meeting als zuständiges Organ ......................................... 427 d) Der Insolvenzverwalter als zuständiges Organ...................................... 429 e) Klage des einzelnen Gesellschafters im Namen der Gesellschaft.......... 430 2. Die abgeleitete Klagebefugnis des einzelnen Gesellschafters (derivative action). ....................................................................................................... 431 a) Abgrenzung von der individuellen Klagebefugnis bei Verletzung von Mitgliedschaftsrechten (personal/representative action) ...................... 431 b) Rechtsnatur der derivative action .......................................................... 435 c) Die Kostenfrage..................................................................................... 436 d) Zulässigkeitsvoraussetzungen der derivative action nach Foss v. Harbottle................................................................................................ 437 aa) Nicht genehmigungsfähige Pflichtverletzung ................................ 437 bb) Kontrolle der Schädiger über die Organe der Gesellschaft ............ 439 cc) Unterstützung der Klage durch die Mehrheit der unabhängigen Gesellschafter ................................................................................ 440 3. Das Klagerecht der Minderheit aus Section 347I CA 1985........................ 441 4. Section 459 Companies Act 1985: the unfair prejudice remedy................. 442
22
Inhaltsverzeichnis V. Reform ............................................................................................................ 446
B. Sanktionen im deutschen Recht............................................................................. 448 I. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung............................................................... 448 1. Vorstand ..................................................................................................... 448 a) Schadensersatz: § 93 II, III AktG; §§ 117 II, 309 II, 310 I, 317 III, 318 I, 323 I 2 AktG ............................................................................... 448 b) Eintrittsrecht und Gewinnabschöpfung ................................................. 450 c) Einstweilige Verfügung (Unterlassungs-, Beseitigungs- und Leistungsklagen) ................................................................................... 451 d) Abberufung und Entlassung .................................................................. 453 e) Unwirksamkeit des Vertrages................................................................ 453 f) Strafrechtliche Sanktionen..................................................................... 454 2. Geschäftsführer .......................................................................................... 454 3. Aufsichtsrat ................................................................................................ 456 4. Beirat . ....................................................................................................... 456 II. Generelle Freistellung ..................................................................................... 456 1. Aktienrecht................................................................................................. 456 a) Generelle Freistellung durch Satzung, Hauptversammlungsbeschluss oder Anstellungsvertrag ........................................................................ 456 b) Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit................................. 457 c) D&O-Versicherung ............................................................................... 458 d) Freistellung für Aufsichtsratsmitglieder ................................................ 459 2. GmbH-Recht .............................................................................................. 460 a) Generelle Freistellung durch Satzung, Gesellschafterbeschluss oder Anstellungsvertrag ................................................................................ 460 b) Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit................................. 461 c) D&O-Versicherung ............................................................................... 462 d) Freistellung für Beiratsmitglieder.......................................................... 462 III. Entlastungsbeschlüsse im Einzelfall................................................................ 463 1. Aktienrecht: § 93 IV 1 AktG ...................................................................... 463 a) Die Entlastungskompetenz im Vorfeld der Pflichtverletzung: Ausführung rechtmäßiger Gesellschafterbeschlüsse: § 93 IV 1, § 83 II AktG .................................................................................................. 463
Inhaltsverzeichnis
23
b) Nachträgliche Entlastungs- und Verzichtsrechte der Gesellschaft: Das Enthaftungsverbot des § 93 IV 3, 4 AktG ............................................. 465 c) Weisung im Vertragskonzern: § 310 III AktG ...................................... 468 2. GmbH-Recht .............................................................................................. 468 a) Ausführung rechtmäßiger Gesellschafterbeschlüsse und Weisungen.... 468 b) Nachträgliche Entlastungs- und Verzichtsrechte der Gesellschafter ..... 470 IV. Prozessuale Durchsetzung der Sanktionen ...................................................... 472 1. Aktienrecht................................................................................................. 472 a) Klagen der Gesellschaft im eigenen Namen.......................................... 472 aa) Aufsichtsrat und Vorstand als zuständige Organe.......................... 472 bb) Hauptversammlung: § 147 I AktG................................................. 475 cc) Minderheitsaktionäre: § 148 AktG................................................. 475 b) Abgeleitete Klagebefugnisse zugunsten der Gesellschaft...................... 476 aa) Aktionärsklage ............................................................................... 476 (1) Abgrenzung zu Gesellschafterklagen bei Verletzung von Mitgliedschaftsrechten ........................................................... 476 (2) Der Spezialfall der Aktionärsklage in § 309 IV, II AktG ....... 477 (3) Die allgemeine Aktionärsklage .............................................. 478 (4) Unterlassungs- und Beseitigungsklagen der Aktionäre .......... 478 bb) Verfolgungsrecht der Gläubiger: § 93 V AktG .............................. 479 cc) Insolvenzverwalter......................................................................... 481 2. GmbH-Recht .............................................................................................. 481 a) Klagen der Gesellschaft im eigenen Namen.......................................... 481 aa) Aufsichtsrat: § 52 GmbHG i.V.m. § 112 AktG.............................. 481 bb) Gesellschafterversammlung: § 46 Nr. 8......................................... 481 cc) Geschäftsführer.............................................................................. 482 b) Abgeleitete Klagebefugnisse im Namen der Gesellschaft ..................... 482 C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung ............................ 483
24
Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Gesetzlicher Pflichtenkatalog
494
7. Kapitel Zusammenfassung und Ergebnisse
499
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 502
Sachwortverzeichnis................................................................................................ 521
Einleitung A. Problemdarstellung I. Optimierung der Leitungsfunktion als Hauptziel der Corporate-Governance-Diskussion Die organschaftliche Leitungsmacht ist im Laufe der letzten Jahre wieder einmal in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, was insbesondere auf ihre Position im Kernbereich der europaweit1 entfachten Diskussion um Corporate Governance2 zurückzuführen ist. Hinter diesem weiten, unpräzisen Begriff verbirgt sich ein breites Spektrum von Einzelproblemen, die sich jedoch allesamt um die „Leitung und Kontrolle unternehmerischer Tätigkeit in einem marktwirtschaftlichen Umfeld“3 ranken. Inhaltlich gehören hierzu die Verhaltensmaßstäbe und -pflichten der Unternehmensorgane, die Fragen der Verbands___________ 1
Vgl. den Schlussbericht der Hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts „Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“ vom 4. November 2002 und den darauf basierenden Aktionsplan der EU-Kommission „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan“ – 21. Mai 2003 (Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament), http://europa.eu.int/comm/internal_market/de/ company/company/modern/index.htm; vgl. ferner die Sonderbeiträge zum Thema „European Company Law Review“ im Heft 2 der ZGR 2001. Als englische Beiträge zur allgemeinen Corporate Governance-Debatte sind zu erwähnen: Stapledon, Institutional Shareholders and Corporate Governance; Sheikh/Rees, Corporate Governance and Corporate Control; Maw, Maw on Corporate Governance; Charkham, Keeping Good Company: A study of corporate governance in five countries; Parkinson, Corporate Power and Responsibility. 2 Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance; Baums/Buxbaum/Hopt, Institutional Investors and Corporate Governance; Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities; Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance – The State of the Art and Emerging Research; mit Blick auf das amerikanische Recht Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance; Hopt/Wymeersch, Comparative Corporate Governance. 3 Zu dieser Definition s. Grundmann/Mülbert, ZGR 2001, 215. Ein Beispiel für die englische Definition der „company governance“ ist: „the central company law rules which govern the operation and control of companies, with the objective of ensuring optimal conditions for efficient operation of companies by directors“; s. DTI: Final Report, 5.13 Fn. 69. Die EU-Kommission spricht vom „System der Leitung und der Überwachung von Gesellschaften“; s. EU-Aktionsplan (s. o. Fn. 1), 3.1.
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Einleitung
struktur sowie das Verhältnis des Unternehmens zu seinen Anteilseignern und zu den übrigen von seiner Geschäftstätigkeit betroffenen Kreisen. Ziel der Diskussion ist die Optimierung des unternehmerischen Handelns durch Schaffung eines geeigneten rechtlichen Rahmens für mehr Effizienz bei Leitungsentscheidungen.4 Für die Unternehmen selbst schlägt sich das in niedrigeren Eigenkapitalkosten und einem höheren Umsatzwachstum nieder.5 Gesamtwirtschaftlich trägt gute Corporate Governance zur Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei und sorgt damit für mehr Arbeitsplätze und höheres Wachstum.6 Die ihr jetzt zukommende Beachtung und Aktualität verdankt die CorporateGovernance-Diskussion zum einen dem weltweiten Trend zur Globalisierung sowie zur Etablierung marktwirtschaftlicher und kapitalistischer Systeme. Zum anderen steht die Durchsetzung eines einheitlichen EU-Kapitalmarkts seit 1999 auf der Aufgabenliste der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.7 Als Hindernis gelten hierbei die gravierenden Unterschiede in der Ausgestaltung der Unternehmensverfassung in den einzelnen Mitgliedstaaten, deren Angleichung – unter Beachtung der Corporate Governance-Grundsätze – somit langfristig angestrebt wird. Die ersten Schritte hierzu wurden im Mai 2003 mit dem EU-Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance unternommen.8 In Deutschland schreitet zudem die Institutionalisierung des Anteilsbesitzes voran, während der Wettbewerb eine immer stärkere Ausrichtung an internationalen Corporate GovernanceStandards fordert.9 Zu den Meilensteinen hierzulande zählen der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)10 und das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG)11 aus dem Jahre 2002, gefolgt von dem Anlegerschutz___________ 4 Grundmann/Mülbert, ZGR 2001, 215; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 28. 5 Studie der WHU – Otto-Beisheim-Hochschule in Kooperation mit der Deutschen Börse AG, in: FAZ vom 13.1.2003 S. 20. 6 EU-Aktionsplan (s. o. Fn. 1), Einleitung. 7 Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, Mitteilung der Kommission, KOM(1999) 232 vom 11.5.1999. 8 s. o. Fn. 1. 9 Studie der WHU – Otto-Beisheim-Hochschule in Kooperation mit der Deutschen Börse AG, in: FAZ vom 13.1.2003 S. 20. 10 Von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex am 26.02.2002 vorgelegt; in der ursprünglichen Fassung abgedruckt in AG 2002, 236; ZIP 2002, 452; NZG 2002, 273; in der aktuellen, dieser Arbeit zugrundegelegten Fassung vom 21. Mai 2003 abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de. Dazu ausführlich Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex. 11 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität v. 19.7.2002 (BGBl. I S. 2681).
A. Problemdarstellung
27
verbesserungsgesetz (AnSVG)12 2004 sowie dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)13 und dem Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG)14 im Herbst 2005. Den unmittelbaren Anstoß zu den genannten Initiativen mag aber vor allem die Serie von Skandalen und Unternehmensinsolvenzen diesseits und jenseits des Atlantik gegeben haben, die mit Enron und Worldcom bis dato unvorstellbare Dimensionen erreicht hat.15 Im Einzelnen lässt sich die Corporate Governance-Debatte zunächst einmal in zwei Problemschwerpunkte unterteilen. Zum einen muss der Inhalt der angestrebten Reformen und Einzelregelungen geklärt werden. Zum anderen ist für jede Regelung gesondert zu entscheiden, auf welcher Ebene diese stattfinden soll.16 Die inhaltliche Diskussion umfasst eine Vielzahl unterschiedlichster Sachfragen, wie die Ausgestaltung der Unternehmensverfassung (board of directors v. Aufsichtsrat), die Rolle des Abschlussprüfers oder die Bedeutung der Aktionärsdemokratie und der Kapitalmärkte.17 Im Mittelpunkt steht jedoch die hier interessierende Unternehmensleitung, insbesondere der Vorstand der Aktiengesellschaft als „zentrale Figur im System der Corporate Governance“.18 Hier konzentriert man sich zum einen auf konkrete Themen wie z. B. Vergütung und Interessenkonflikte, zum anderen stellt sich aber die generelle Frage der Optimierung der Leitungsfunktion durch strukturelle und sonstige Maßnahmen. Seitens der Betriebswirtschaftslehre kommt beispielsweise der Entwurf der „Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung“.19 Zu beachten ist jedoch, dass die Corporate Governance nur dann verbessert werden kann und even___________ 12
Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes v. 28.10.2004 (BGBl. I S. 2630). Gesetz vom 22.09.2005 (BGBl. I S. 2802). 14 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen v. 3.8.2005 (BGBl. I S. 2267). 15 Hierzulande sei vor allem an die Auflösung des Neuen Marktes erinnert, zu der Unternehmen wie Infomatec, Comroad und EM.TV entscheidend beigetragen haben. Zu den politischen Zielen des EU-Aktionsplanes (s. o. Fn. 1) gehört daher eine angemessene Antwort auf den eingetretenen Vertrauensverlust, die den gleichen Schutz wie das am 30.7.2002 in den USA erlassene Sarbanes-Oxley-Gesetz bietet, aber dessen – vielerorts als unverhältnismäßig und für europäische Unternehmen inakzeptabel empfundene – Strenge vermeidet. 16 Grundmann/Mülbert, ZGR 2001, 215 (219). 17 Zu den Einzelheiten s. Grundmann/Mülbert, ZGR 2001, 215 (221-223). 18 Grundmann/Mülbert, ZGR 2001, 215 (221); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 455. 19 v. Werder, DB 1995, 2177; v. Werder/Maly/Pohle/Wolff, DB 1998, 1193; Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1; Theisen, Die Überwachung der Unternehmensführung: Betriebswirtschaftliche Ansätze zur Entwicklung erster Grundsätze ordnungsgemäßer Überwachung. 13
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Einleitung
tuelle Fortschritte nur dann evaluiert werden können, wenn man sich über die Ziele unternehmerischen Handelns als Maßstab der Effizienz geeinigt hat. Die Unternehmensziele bzw. Interessenbereiche bilden somit eine weitere zentrale Sachfrage, ohne deren Beantwortung eine Optimierung des Organhandelns nicht denkbar ist. In Deutschland stößt man an dieser Stelle auf die Auseinandersetzung zwischen dem Shareholder-Value-Gedanken einerseits und dem Stakeholder-Ansatz andererseits. Dahinter steht die Frage, ob und in welchem Maße die Geschäftsleitung – nach normativen Vorgaben – dazu ermächtigt oder gar verpflichtet ist, bei ihren Entscheidungen neben den Interessen der Gesellschafter auch die der sonstigen Beteiligten (z. B. Arbeitnehmer, Gläubiger, Öffentlichkeit) zu berücksichtigen. In diesen Kontext ist auch die vorliegende Untersuchung einzuordnen. Sie zielt auf die Konkretisierung der einzelnen, dem Geschäftsleiter obliegenden Verhaltenspflichten ab, um auf diese Weise den Leitungsauftrag transparenter zu machen und somit dessen Erfüllung effizienter zu machen. Als Vorfrage hierzu muss aber vorab geklärt werden, welche Regelungsziele für privatrechtlich organisierte Gesellschaften zur Zeit geltendes Recht und de lege ferenda erstrebenswert sind. Anschließend muss auch noch der zweite Problemschwerpunkt der Corporate Governance-Debatte, nämlich die zu wählende Regelungsebene, angesprochen werden. Hier sind die Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Regelung sowie der Nutzen eines weiten Gestaltungsspielraums für das einzelne Unternehmen bzw. für den einzelnen Geschäftsleiter gegeneinander abzuwägen. Es gilt, das optimale Maß an Flexibilität zu ermitteln, welches das verfolgte Ziel bestmöglich fördert.
II. Notwendigkeit der Management-Kontrolle: Das Principal-Agent-Problem Das Bedürfnis nach einer effektiven Überwachung von Unternehmensleitern wurde schon 1932 von den Amerikanern Berle und Means mit der fortan vielzitierten Hypothese von „Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht“ (separation of ownership and control) beschrieben.20 Ihr Ausgangspunkt war die Beobachtung eines Wandels in der Managementstruktur. Ursprünglich bestimmten die Kapitaleigner selbst die Unternehmenspolitik, indem sie dem einheitlichen Leitungsorgan angehörten. Mit dem Fortschritt der Industrialisierung wurden die an die Geschäftsführung gestellten Aufgaben jedoch immer komplexer, sodass die Anstellung von professionellen Managern notwendig wurde. ___________ 20 Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 5; s. ferner Farrar, in: Pettet, Company Law in Change, S. 39; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 116 ff.; Parkinson, Coporate Power and Responsibility, S. 51 ff.; in Deutschland s. Pross, Manager und Aktionäre in Deutschland.
A. Problemdarstellung
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Zudem stieg mit der Größe der Unternehmen auch deren Kapitalbedarf. Firmengründer mussten ihre Anteile an dritte Investoren verkaufen und verloren damit erneut einen Teil ihrer Leitungsmacht. Zum Zeitpunkt der empirischen Untersuchung von Berle und Means 1930 wurden bereits 65 % der amerikanischen Unternehmen vom professionellen Management geleitet. Eine Studie in Großbritannien ergab, dass 1951 zwei Drittel der Großunternehmen nicht von ihren Eigentümern kontrolliert wurden.21 In der ökonomischen Wirklichkeit war der Gesellschafter fortan nicht geschäftsführender Teilhaber der Firma, sondern vielmehr ein bloßer Darlehensgeber mit der Hoffnung auf Gewinn oder zumindest auf Rückzahlung seines Kapitals, jedoch ohne irgendeinen Einfluss auf den Darlehensnehmer. Es entstand eine neue Form des Eigentums, bei der die Eigentümer selbst in den Hintergrund treten und die Liquidität der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit gesichert bleibt, auch wenn der einzelne Kapitalgeber seinen Anteil entzieht.22 Folge einer solchen Verbreitung der Fremdorganschaft verbunden mit der Verlagerung der Leitungsmacht von den Eigentümern der Gesellschaft auf deren Manager war die Notwendigkeit einer gesteigerten Überwachung der Geschäftsleiter. So schrieb Adam Smith schon 1776: „The directors of such (joint stock) companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt to consider attention to small matters as not for their master’s honour, and very easily give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“23
Mit der Trennung von Eigentum und Kontrolle geht somit das Auseinanderfallen der Interessen einher. Während das Interesse der Manager auf die Stärkung des Unternehmens selbst gerichtet ist, um die Steigerung ihres Einkommens und die Erhaltung ihrer Machtposition zu sichern, steht für die entmachteten Anteilseigner die Maximierung ihrer Rendite im Vordergrund. Als Folge der Interessendivergenz beobachtete man zunehmend Verletzungen von Eigentümerinteressen bis hin zu Insolvenzen mit weitreichenden Auswirkungen auf Gläubiger, Arbeitnehmer und die gesamte Wirtschaft.24
___________ 21
Farrar/Hannigan, Company Law, 4. Aufl. 1998, S. 656 ff. m. w. N. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 33. 23 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 741; s. auch Conard, ZGR 1987, 180; Baums, ZIP 1995, 11. 24 Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 8 ff. 22
30
Einleitung
III. Kontrollmechanismen: Das rechtliche Haftungssystem als Mittel der ex post Kontrolle und der ex ante Verhaltenssteuerung Akzeptiert man die These von der Interessendivergenz, so fragt sich, mit welchen Mitteln der Anleger als Prinzipal dennoch die Ausübung der Leitungsmacht durch den Agenten kontrollieren und Missbräuchen vorbeugen kann. Der erste, vor allem in Deutschland stark betonte Ansatz widmet sich der Gesellschaftsverfassung und somit der Struktur der Verwaltungsorgane. Seinen bedeutendsten Niederschlag hat er in der Einrichtung eines speziellen Überwachungsorgans, nämlich des Aufsichtsrates gefunden (two-tier-System). Aber auch in Ländern mit einem einheitlichen board (one-tier-System) wird zunehmend die Position der sog. non-executive directors gestärkt, denen innerhalb des board ausschließlich Überwachungsaufgaben übertragen werden.25 Zweitens wird unter dem Stichwort „Aktionärsdemokratie“ (shareholder democracy) der Versuch unternommen, die Effektivität der Überwachung durch eine Rückführung der Kompetenzen an die Gesellschafterversammlung und somit durch eine Stärkung derselben zu erreichen. Den vom täglichen Geschäft isolierten Anteilseignern fehlen jedoch meistens der Wille, die Sachkenntnis bzw. die Möglichkeiten, auf das u.U. inkompetente bzw. im eigenen Interesse handelnde Management einzuwirken. Der Aufwand, der für die Informationsbeschaffung und eventuelle Kontrollmaßnahmen aufgewendet werden müsste, übersteigt in der Publikumsgesellschaft die Höhe der kleinen Beteiligungen und fördert somit die Passivität der Aktionäre. Hinzu kommt das Bewusstsein, dass erzielte Erfolge allen Aktionären, also auch denen, die passiv geblieben sind, zugute kommen würden, dass also passives Verhalten wirtschaftlich sinnvoller ist.26 Auch wenn die mittlerweile starke Position der institutionellen Anleger eine intensivere Wahrnehmung der Aktionärsrechte zur Folge hat, setzen diese zu häufig auf Übernahmen als Mittel zum Austausch von inkompetentem Management, anstatt präventiv auf die Struktur und personelle Zusammensetzung der Leitungsorgane Einfluss zu nehmen.27 Große Bedeutung im Hinblick auf die Kontrolle des Managements wird im englischen Recht der Selbstregulierung durch Aufsichtsgremien beigemessen. Zu ihren wichtigsten Regelwerken gehören die Notierungsbestimmungen (Listing Rules) der Londoner Börse (London Stock Exchange), welchen seit dem Financial Services Act 1986 (FSA 1986) Gesetzeskraft zukommt.28 Zu nennen ___________ 25
s. dazu unten, 1. Kapitel, C. IV. Baums, ZIP 1995, 11; Conard, ZGR 1987, 180 (182 f.). 27 Hannigan, Company Law, S. 168; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 166 ff.; Stapledon, Institutional Shareholders and Corporate Governance, Kapitel 4. 28 s. u., 1. Kapitel, B. II. 26
A. Problemdarstellung
31
sind ferner die Übernahmeregelungen des City Code on Takeovers and Mergers,29 die Codes of Best Practice des Cadbury Committee (1992) und des Greenbury Committee (1995) und der Combined Code des Hampel Committee (1998) in der neuen Fassung von 200330. Dieser Tradition folgt nunmehr der Deutsche Corporate Governance Kodex. Zu den wichtigsten Kontrollmechanismen wird vor allem im angloamerikanischen Rechtskreis die selbstregulierende Macht der Märkte gezählt, insbesondere des Marktes für Unternehmenskontrolle (market for corporate control),31 des Managermarktes (market for managers’/directors’ employment),32 des Marktes für Produkte bzw. Dienstleistungen,33 und des immer wichtiger werdenden Marktes der Meinungen, auf dem Unternehmen mittels ihrer Philosophie, ihres Handelns, ihrer Kommunikation und ihres Erscheinungsbildes um Ansehen (Corporate Reputation) kämpfen.34
___________ 29
s. u., 4. Kapitel, A. II. 2. b) bb). s. u., 1. Kapitel, C. IV. 31 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 119 ff. Auf dem Markt für Unternehmenskontrolle werden Firmen, deren Börsenwert infolge der Vernachlässigung von Aktionärsinteressen fällt, zu potentiellen Übernahmekandidaten. Mit der Übernahme erhalten die Investoren die Möglichkeit, die inkompetenten Geschäftsleiter gegen Kandidaten ihrer Wahl auszutauschen, und somit die Effizienz der Firmenleitung wiederherzustellen. Zugleich geht von dem drohenden Verlust ihrer Position eine disziplinierende Wirkung auf die Manager aus, die auf diese Weise dazu motiviert werden, ihr Amt möglichst effizient auszuüben und damit zur Steigerung des Unternehmenswertes beizutragen. Eine mögliche Gefahr liegt indes in der Überbewertung der kurzfristigen Geschäfterfolge, verbunden mit der Vernachlässigung der langfristigen Aussichten des Unternehmens. 32 Auf dem Managermarkt herrscht ein Wettbewerb der Führungskräfte untereinander um immer bessere Positionen sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch zwischen verschiedenen Firmen. Dabei steigen in der Theorie die Karrierechancen proportional zum Erfolg der geleiteten Gesellschaft. In der Praxis lässt sich dieser allerdings nicht ohne weiteres auf die Leistung einer bestimmten Person zurückführen. Der Kontrollmechanismus versagt ferner, wenn der Betroffene keine bessere Position anstrebt, sei es, dass er kurz vor der Pensionierung steht, oder mit der Spitzenstellung eines CEO zufrieden ist. Speziell in Deutschland werden die Manager schließlich nicht nur durch Aktionäre, sondern auch durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aus einem ganz anderen Blickwinkel beurteilt. 33 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 114 ff. Auf dem Produktmarkt konkurriert das Unternehmen mit Herstellern ähnlicher Produkte. Sinken die Verkaufszahlen, so gefährdet das theoretisch den Aktienkurs, die Stellung des Unternehmens am Markt und schließlich die Jobs der Manager. In der Praxis wird die Kontrolleffizienz dieses Marktes jedoch als gering eingestuft, da dieser als ungenau und schwerfällig gilt, zumal viele deutsche Publikumsgesellschaften keinem echten Wettbewerb ausgesetzt sind. 34 Zum Letzteren s. ausführlich unten, 2. Kapitel, C. 30
32
Einleitung
Zu erwähnen sind weiterhin die wichtige Rolle des Abschlussprüfers,35 vertragliche Anreize einschließlich der Vergütung sowie – als ultima ratio – strafrechtliche Sanktionen. Als eines der wichtigsten Mittel zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Unternehmensleitung ist schließlich das hier interessierende Haftungssystem des Gesellschaftsrechts anzuführen. Neben einem Ausgleich im Principal-AgentProblem kompensiert dieser Kontrollmechanismus auch das gerade in Kapitalgesellschaften übliche Auseinanderfallen von Handlungsbefugnis und persönlicher Haftung, indem es die fehlende unmittelbare Haftung der Geschäftsleitung im Außenverhältnis durch eine persönliche Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft ersetzt. Angestrebt werden hier zunächst ein Ausgleich für den der Gesellschaft zugefügten Schaden sowie eine präventive Wirkung im Bezug auf potentielle künftige Schädigungen, zugleich mit Blick auf die Abwendung von Nachteilen gegenüber Gläubigern und Arbeitnehmern. Mittelbar geschützt wird aber auch der Rechtsverkehr an sich.36 Zur Steigerung der Effektivität des Haftungssystems kann dabei auf vier verschiedene Instrumente zurückgegriffen werden: • Einführung von Offenlegungspflichten bezüglich des Handelns der Geschäftsleiter, • verbindliche Konkretisierung bzw. Verschärfung der Verhaltenspflichten, • Statuierung bzw. Verschärfung von Sanktionen für Pflichtverletzungen, • Einschränkung der Kompetenzen zur Entlastung der Geschäftsleiter. Im deutschen Recht wurde das Schwergewicht bisher auf die beiden letzten Aspekte gelegt, indem von „Haftung“ und „Verantwortlichkeit“ die Rede war. Die Reformüberlegungen zur Optimierung der Corporate Governance setzten zumeist auf verbesserte Durchsetzbarkeit der Ersatzansprüche gegen Organmitglieder.37 Zweifel an solch einer einseitigen Betrachtungsweise weckt indes nicht nur das Ausbleiben einer signifikanten Zunahme erfolgreicher Prozesse gegen Geschäftsleiter hierzulande. Auch die gegenteilige Entwicklung bis hin zu einer ___________ 35 Vgl. Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 279 ff.; DCGK Ziff. 7.2. 36 GK-Hopt, § 93 Rn. 11 ff. 37 s. z. B. die Herabsetzung des Schwellenwertes zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in § 147 Abs. 3 AktG auf 5 % des Grundkapitals bzw. € 500.000 des Nennkapitals durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I 786. Für eine noch weitergehende Herabsetzung hat sich jüngst auch die Regierungskommission Corporate Governance ausgesprochen; s. Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 73.
A. Problemdarstellung
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Prozessflut, wie sie seit Mitte der achtziger Jahre in den USA zu beobachten ist, hat sich als nicht erstrebenswert erwiesen.38 Sie hatte primär zur Folge, dass die Inanspruchnahme der Directors‘ and Officers‘ Insurance (D&O Insurance) enorm anstieg, was wiederum zunächst zur Erhöhung der Prämien und zur Einschränkung der Versicherungsleistungen führte, um schließlich in die sog. „D&O insurance crisis“ zu münden, bei der kleinere Versicherer die Branche verlassen mussten und es für viele Unternehmen schier unmöglich wurde, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die sekundäre Auswirkung der Krise war eine wirtschaftlich nachteilige Zurückhaltung der Führungskräfte bei unternehmerischen Risikoentscheidungen sowie ein allmählicher Rückzug aus den Management-Ämtern, der insbesondere bei den outside directors zu beobachten war. Mit dem konsequenten Durchgreifen der Gerichte wurde die Unternehmensleitung somit keinesfalls effizienter, sie verwandelte sich vielmehr in „A Job Nobody Wants“.39 Als Alternative kommt eine stärkere Konzentration auf die tatbestandliche Ebene in Betracht, die jedoch nicht primär auf deren Verschärfung setzt. Vielmehr gelten §§ 93 AktG, 43 GmbHG bereits jetzt als außergewöhnlich streng, ohne dass sich dies in einer gesteigerten Zahl von Organhaftungsprozessen wiederspiegelt.40 Im Folgenden richtet sich der Blick daher auf die Möglichkeit einer stärkeren Konkretisierung der Verhaltensanforderungen41 und auf deren verbesserte Kommunikation gegenüber den Adressaten. Gerade die Klarstellung der Erwartungen verbunden mit einem Offenlegungssystem, welches ihre Erfüllung transparent macht, verspricht eine präventive und disziplinierende Wirkung auf die Geschäftsleitung im Sinne der anzustrebenden ex ante Verhaltenskontrolle. Zu beachten ist allerdings, dass auch ein funktionierendes Haftungssystem nur Fehlverhalten oder eigennützigen Missbrauch der Machtposition verhindern, jedoch keine ökonomische Effizienz garantieren kann.
___________ 38 s. Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 7 (Vorwort). 39 Vgl. hierzu den gleichnamigen Artikel in der Business Week vom 8. September 1986. 40 Begründung RegE KonTraG zu § 147 AktG, BT-Drucks 13/9712 S. 21; GK-Hopt, § 93 Rn. 14, 16. 41 Als „zentrales Problem der Verantwortung und der Haftung“ sieht die inhaltliche Bestimmung der Geschäftsführerpflichten auch Scholz/Schneider, § 43 Rn. 25.
34
Einleitung
B. Gang der Untersuchung I. Kapitalgesellschaften Das Principal-Agent-Dilemma betrifft nur einige Organisationsformen für unternehmerische Tätigkeit, namentlich Körperschaften, die die Fremdorganschaft zulassen oder zumindest dem Leitungsorgan durch eine klare Kompetenzzuweisung eine Machtstellung gegenüber den Gesellschaftern einräumen. Dazu zählen im weitesten Sinne die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, der Verein, die Genossenschaft und der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Von gesamtwirtschaftlichen Interesse sind aber hauptsächlich die Kapitalgesellschaften,42 also die ersten drei der erwähnten Rechtsformen sowie – nach neuerem Verständnis43 – die Kapitalgesellschaft & Co. Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen, wird die Organhaftung nur am Beispiel der AG einerseits und der GmbH andererseits erörtert, was jedoch ausreichend sein dürfte, um eventuelle Unterschiede in der Behandlung großer Publikumsgesellschaften und kleiner geschlossener Gesellschaften aufzuzeigen. Zu verdeutlichen ist ferner die Modifizierung der Pflichtenbindung je nachdem, ob die Verwaltungsmitglieder Leitungs- oder Überwachungsfunktionen wahrnehmen.
II. Innen- und Außenhaftung Im Folgenden geht es ausschließlich um Pflichten und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die sog. Innenhaftung. Wie sogleich gezeigt wird, ist die gesetzliche Regelung hierzu weitgehend unvollständig bzw. ungeordnet, während die Fallgruppenbildung in Rechtsprechung und Literatur einer Systematisierung bedarf, die erst langsam aufgegriffen wird. Der Bereich der Haftung gegenüber Dritten (sog. Außenhaftung) mit seinen Problemstellungen hat demgegenüber bereits viel Beachtung gefunden44 und wird hier ausgeklammert.
___________ 42 Zum Begriff der Kapitalgesellschaft s. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 2 ff. 43 Vgl. z. B. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 5 ff. und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 264 a HGB. 44 s. nur Altmeppen, ZIP 1995, 881; Gross, ZGR 1998, 551; Grünwald, Die deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite; Lutter, GmbHR 1997, 329; Medicus, ZGR 1998, 570; ders., GmbHR 2000, 7.
B. Gang der Untersuchung
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III. Problemschwerpunkte bei der Festlegung der Geschäftsleiterpflichten Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Geschäftsleiterpflichten lassen sich in zwei Problemgruppen unterteilen. Erstens stellt sich unter dem Stichwort der Verantwortungsrichtungen bzw. der Regelungsziele des Gesellschaftsrechts die Frage, wem gegenüber eventuelle Pflichten bestehen, mithin in wessen Interesse die Gesellschaft geleitet wird. Unstreitig ist lediglich, dass das Kapitalgesellschaftsrecht nicht die individuellen Belange der Organmitglieder schützen will, die treuhänderische Sachwalter fremder Interessen sind und deren persönliches Interesse nur im Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft berücksichtigt werden kann. Im Übrigen zeigt die unter dem Stichwort „Unternehmensinteresse“ geführte Diskussion aber, dass jedes Unternehmen von Interessen- und Wertungskonflikten beherrscht wird, die nur schwerlich abstrakt und allgemein zu lösen sind. Dennoch kommt man gerade im Bereich der haftungsauslösenden Organpflichten nicht ohne eine Konkretisierung der Zielvorgaben aus. Erst dann kann überlegt werden, welche konkreten Verhaltenspflichten am besten geeignet sind, die Interessen der ermittelten Treugeber zu fördern. Im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht werden die Verantwortlichkeit der Organe im Innenverhältnis und deren Voraussetzungen maßgeblich durch die Generalklauseln der §§ 93 AktG und 43 GmbHG bestimmt.45 Wichtigster Anknüpfungspunkt für die Entstehung der Haftung ist demnach die – vom Gesetzgeber selbst nicht näher definierte – Figur des „ordentlichen Geschäftsleiters“, welcher sich nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur durch stets korrekte Erfüllung seiner Pflichten gegenüber der Gesellschaft auszuzeichnen hat.46 Was diese Pflichten im Einzelnen sind, verrät das Gesetz aber ebenfalls nur punktuell und ohne eine auf Anhieb erkennbare Systematik, während es die eigentliche Ausfüllung der Generalklauseln den Gerichten und – da zugleich Haftungsprozesse gegen Organmitglieder erschwert werden und entsprechende Urteile selten sind47 – der umfangreichen Kommentarliteratur überlässt.48 Man___________ 45 Vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301 (302): § 43 GmbHG als „Magna Charta der Innenhaftung“. 46 Lutter, GmbHR 2000, 301 (302). 47 So werden 90 % der Konflikte zwischen Vorstand und Gesellschaft außergerichtlich beigelegt; s. Studie der Chubb Insurance Company of Europe S.A., Düsseldorf, „Managerhaftung“ (1993) S. 3, zitiert nach Baums, Personal Liabilities of Company Directors in German Law, S. 4 (abrufbar unter http://www.jura.uni-osnabrueck.de/institut/ hwr/pdf/a0696.pdf). Prozesse gegen frühere Organmitglieder werden vor allem vom Insolvenzverwalter eingeleitet. Typisch sind ferner Auseinandersetzungen in Fällen, in denen ein früheres Organmitglied noch ausstehende Vergütung bzw. Ruhegehalt einfordert und die Gesellschaft diese mit eigenen Schadensersatzansprüchen aufrechnen will. 48 Peltzer, JuS 2003, 348 (352): „Puzzle-Stücke“; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (326 Fn. 147).
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Einleitung
gelnde Transparenz und Rechtssicherheit als Folge werden mit der Begründung hingenommen, die umfangreichen Pflichten und Ermessensspielräume der Unternehmensleiter entzögen sich der Möglichkeit einer Detailregelung.49 Zwar trägt nunmehr der Deutsche Corporate Governance Kodex zur Transparenz bei, der jedoch nur insofern verbindlich ist, als er das eben unergiebige Gesetz wiedergibt. Dadurch, dass die haftungsrechtliche Dimension seiner Empfehlungen und Anregungen aber noch ungeklärt ist, schafft er im Hinblick auf die Konkretisierung der Geschäftsleiterpflichten mehr Unsicherheiten, als er beseitigt. Dagegen zeigt die Formulierung des Katalogs „10 Gebote an den Geschäftsführer“ durch Lutter,50 dass die Ermittlung und Ordnung der Einzelpflichten durchaus Aussicht auf Erfolg hat. Sie verspricht zudem, die Lösung des Einzelfalls anhand der so geschaffenen Kategorien zu erleichtern51 sowie eine bessere Verhaltenssteuerung der Organmitglieder zu gewährleisten, indem diesen eine konkrete, überschaubare und vorhersehbare Richtschnur für eine korrekte Pflichterfüllung geboten wird. Die Beurteilung der Organpflichten kommt schließlich nicht ohne einen kurzen Blick auf die Rechtsfolgen ihrer Missachtung und auf die tatsächliche Chance ihrer Durchsetzung in der Praxis aus. Zwar setzt ein funktionierendes tatbestandsorientiertes Haftungssystem kein häufiges Eingreifen der Gerichte voraus, mehr noch: ein solches ist auch wegen der damit verbundenen immensen Kosten nicht wünschenswert. Jedoch können auch klare und bekannte Verhaltensregeln die ihnen zugedachte präventive Wirkung nur entfalten, sofern ihr Adressat ein reales Haftungsrisiko wahrnimmt: „Professoren mögen da noch so viel schreiben, ehe nicht Gerichte Pflöcke in das weite Feld ‚ordnungsgemäßer Geschäftsführung‘ geschlagen haben, glauben Manager nur sich selbst“.52
IV. Britisches Gesellschaftsrecht: Gründe für einen Rechtsvergleich Aus mehreren Gründen bietet es sich an, der in Deutschland seit Jahren kontrovers geführten Debatte einen weiteren Beitrag hinzuzufügen – einen Beitrag, der auf die britischen Erfahrungen mit der Geschäftsleiterhaftung eingeht, dabei ___________ 49
K. Schmidt, GesR, § 28 II 4 a). GmbHR 2000, 301 ff. = aktualisierte Fassung des Beitrags „Haftung und Haftungsfreiräume des GmbH-Geschäftsführers – 10 Gebote an den Geschäftsführer“, in: VGR (Gesellschaftsrecht in der Diskussion) 1999, S. 87-110; zustimmend Wirth, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 99 (105 f.). 51 Lutter, GmbHR 2000, 301 (309). 52 Lutter, ZGR 1998, 191 (207); zur fehlenden präventiven Wirkung bloßer „Wissenschaftlerappelle“ im Gegensatz zur höchstrichterlichen Kasuistik auch Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (326 f.) und aus englischer Sicht Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 73 f., 135 f. 50
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sowohl das traditionelle Richterrecht des common law und der equity rules als auch die modernen Gesetzgebungstendenzen beleuchtet und dabei stets um eine ganzheitliche Betrachtung bemüht ist. Bei rechtsvergleichenden Untersuchungen zur Managementhaftung hat man sich bisher stark an den Regeln und Erfahrungen des US-amerikanischen Rechtssystems orientiert,53 die das deutsche Gesellschaftsrecht in nicht unerheblichem Maße beeinflusst haben, wie z. B. das Begriffspaar Sorgfaltspflicht (duty of care) und Loyalitätspflicht (duty of loyalty), die Geschäftschancenlehre (corporate opportunity doctrine) sowie der der business judgment rule nachgebildete Haftungsfreiraum des unternehmerischen Ermessens.
1. Qualität der Corporate Governance Ein Blick auf Großbritannien ist indes schon deshalb reizvoll, weil die Qualität der englischen Corporate Governance von empirischen Studien stets als hoch eingeschätzt wurde und sowohl im Jahre 200154 als auch im Jahre 200355 die Spitzenstellung in Europa erreichte. Hier zahlt sich vor allem die einzigartige Tradition der Selbstregulierung aus, die zuletzt mit dem neuen, strengeren Combined Code 2003 neue Maßstäbe gesetzt hat.56 Zwar ist auch Deutschland im Zuge der Umsetzung des KonTraG vom vorletzten auf den siebten Platz des Ländervergleichs aufgestiegen, damit liegt es jedoch immer noch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Es mangle unter anderem an offenen Diskussionen im Aufsichtsrat als Folge der Mitbestimmung, ferner sei das Aufsichtsorgan zu groß und komme zu selten zusammen. Dies ist insofern bedeutsam, als der Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts spätestens seit dem „Inspire Art“-Fall57 als eröffnet gilt.58 Im ___________ 53 s. insbesondere die neuere umfassende Darstellung von Thomas Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht. 54 s. die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2001), bei der 350 Großunternehmen aus 14 Ländern untersucht wurden; Zusammenfassung in: FAZ v. 9.7.2001 S. 26. 55 s. die neue Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003), bei der 296 Großunternehmen aus 10 europäischen Ländern untersucht wurden; Zusammenfassung in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23. 56 s. u., 1. Kapitel, C. IV. 3. 57 Urteil des EuGH v. 30.9.2003 (C-167/01) im Anschluss an das „Überseering“Urteil v. 5.11.2002 (C-208/00) und an das „Centros“-Urteil v. 9.3.1999 (C-212/97); vgl. ferner das Urteil des BGH v. 13.3.2003 (VII ZR 370/98) und die Folgeentscheidung des BayObLG v. 19.12.2002 (2 Z BR 7/02), die die Grundbuchfähigkeit einer englischen private limited company mit Verwaltungssitz in Deutschland bestätigt hat; anders aber LG Frankenthal, Beschluss v. 6.12.2002 (1 HK T 9/02). 58 Vgl. die neuere Entscheidung des BGH, in der dieser klargestellt hat, dass sich die Haftung des Geschäftsführers einer Limited für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten
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Einleitung
Rahmen der Rechtsberatung werden die Unternehmen nunmehr ausdrücklich auf die Alternative einer Auslandsgründung hingewiesen, wobei gerade die englische Private Limited Company als besonders attraktiv angesehen wird. Die Vor- und Nachteile eines solchen „Imports“, insbesondere die noch weitgehend offenen Fragen des dann anwendbaren Rechts, müssen dabei Spezialbeiträgen vorbehalten bleiben.59 Die folgende Untersuchung will hingegen die auf eine echte Auslandsgesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Großbritannien anwendbaren Geschäftsleiterpflichten beleuchten. Diese werden den entsprechenden deutschen Regelungen gegenübergestellt. Für die „importierte“ Limited kann also abwechselnd die Darstellung des englischen oder des deutschen Rechts als Referenz herangezogen werden, entsprechend den von der Rechtsprechung noch zu entwickelnden Gründsätzen.
2. Perspektivenwechsel: duty-based controls Wie bereits angedeutet, favorisiert diese Untersuchung zudem ein Haftungssystem, dessen ex ante verhaltenssteuernde Wirkung primär aus der Systematisierung und Transparenz der Verhaltensanforderungen resultiert und nur sekundär durch Sanktionen und Rechtsbehelfe zu deren Durchsetzung flankiert wird. Auch hier ist die britische Tradition vorbildlich, statt von „directors‘ liability“ zu sprechen, die gleichen Sachverhalte aus der Perspektive der „directors‘ duties“ zu betrachten.60 Zwar entsteht auch dort im Falle einer Pflichtverletzung üblicherweise ein entsprechender Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, nur scheinen die englischen Juristen auch die mit der prozessualen Haftungsdurchsetzung verbundenen Schwierigkeiten deutlich vor Augen zu haben. Man ist daher gewillt, die Rahmenbedingungen für die fiduziarische Tätigkeit des Managements derart eng zu formulieren, dass es gar nicht erst zu einem Missbrauch der Position kommen kann („duty-based controls“).61 Der Perspektivenwechsel von der Haftung zu den Pflichten der Geschäftsleiter ist deshalb in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen – er wird vielmehr die gesamte Untersuchung nachhaltig bestimmen. ___________ der Company nicht aus § 11 II GmbHG ergebe, sondern allenfalls aus dem materiellen englischen Recht, BGH, Urt. v. 14.3.2005 (II ZR 5/03). Aus der Literatur s. v.a. die Beiträge von Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht; ders., ZHR 164 (2000), 23; ders., BB 2003, 1; ferner Kuhn/Friedrich, FAZ v. 30.4.2003 S. 21; Triebel/Löw, FAZ v. 21.5.2003 S. 18; und zuletzt ausführlich Zöllner, GmbHR 2006, 1 ff. 59 Triebel/Löw, FAZ v. 21.5.2003 S. 18. 60 s. Hannigan, Company Law, Chapter 8; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, Chapter 16; Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (104 f.). 61 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (104 f.); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 73.
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3. Company Law Review Hinzu kommt schließlich, dass britische Juristen nicht nur eine umfangreiche und ausgereifte richterrechtliche Systematik im Bereich der organschaftlichen Treuepflichten ausgearbeitet haben, sondern auch noch im Begriff sind, diese in eine für jedermann leicht verständliche und zugängliche Gesetzesform zu gießen. Die aktuelle britische Reformdiskussion wurde bereits im März 1998 vom zuständigen Wirtschaftsministerium (Department of Trade and Industry – DTI) angestoßen. Das DTI hat eine unabhängige Expertenkommission (Steering Group)62 damit beauftragt, den Kern des Gesellschaftsrechts unter die Lupe zu nehmen und Vorschläge für dessen grundlegende Reform zu unterbreiten (Company Law Review). Dabei handelt es sich um die umfangreichste Untersuchung seit 40 Jahren, die möglicherweise sogar zur einschneidendsten Umgestaltung des Companies Act in seiner 150jährigen Geschichte führen wird. Am Ende des ehrgeizigen Projekts solle ein einfaches, modernes, effizientes und kostengünstiges System von rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Geschäftstätigkeit in Großbritannien stehen, welches im 21. Jahrhundert den veränderten Bedürfnissen von Unternehmen, Anlegern, Gläubigern und Kunden Rechnung tragen wird.63 Im Laufe der Untersuchung hat die Expertenkommission neun Konsultationspapiere veröffentlicht, die den jeweiligen Stand der Diskussion wiedergeben,64 sowie zahlreiche Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt, insbesondere die externen Stellungnahmen zu den einzelnen Konsultationspapieren, Expertengutachten zu speziellen Problembereichen sowie empirische und ___________ 62 Diesem leitenden Gremium gehören zahlreiche namhafte Vertreter der Wissenschaft und Praxis an, u.a. Paul Davies, John Kay, John Parkinson. Die eigentlichen Beratungen finden unter Beteiligung des sog. Consultative Committee und 14 Arbeitsgruppen statt, in denen alle betroffenen Interessengruppen – von Wirtschaftsvertretern, Juristen und Wirtschaftsprüfern über Gewerkschaften bis hin zu Aktionärsvereinigungen, Arbeitgeber- und Verbraucherschutzverbänden sowie NGOs – vertreten sind; s. Final Report, Annex E. Zur Gestaltung des Reformprozesses und zu deren Vorteilen (hohe Transparenz und umfassende Einbindung von Interessenvertretern) gegenüber der deutschen Reformtradition s. Bachmann, ZGR 2001, 351 (368 ff.). 63 s. die Einführung auf der Website des Company Law Review: http://www.dti.gov. uk/cld/review.htm. 64 Die hier interessierende Frage der Geschäftsleiterpflichten wurde zunächst in dem Konsultationspapier: „Modern Company Law For a Competitive Economy: The Strategic Framework“ vom Februar 1999 aufgeworfen. Auf die kritischen Stellungnahmen hierzu folgten die überarbeiteten Versionen: „Modern Company Law For a Competitive Economy: Developing the Framework“ im März 2000 und – nach erneuter Aufforderung an die künftigen Adressaten der Regelung, die Vorschläge zu kommentieren – „Modern Company Law For a Competitive Economy: Completing the Structure“ im November 2000. Alle Konsultationspapiere sind unter http://www.dti.gov.uk/cld/ reviews/condocs.htm abrufbar.
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rechtsvergleichende Untersuchungen.65 Hinzuweisen ist insbesondere auf den einschlägigen Bericht der Law Commission, auf deren Vorarbeit große Teile des Reformvorschlags basieren.66 Einen vorläufigen Abschluss der Arbeiten der Steering Group stellte 2001 der Abschlussbericht „Modern Company Law For a Competitive Economy: Final Report“ dar.67 Als Antwort darauf hat die britische Regierung 2002 ein White Paper: „Modernising Company Law“ (Volume I) nebst Teilen eines ersten Gesetzentwurfs (draft clauses) der geplanten Companies Bill (Volume II) herausgeben.68 Nach einer weiteren öffentlichen Diskussion und Überarbeitung der Vorschläge folgte im März 2005 das White Paper: „Company Law Reform“ 69, dessen Vorschläge am 1. November 2005 in ihrer endgültigen Version als der „Company Law Reform Bill“70 im House of Lords vorgestellt worden sind. Mit dem Abschluss des parlamentarischen Verfahrens und dem In-KraftTreten des Gesetzes, das den Companies Act 1985 nicht ersetzen, sondern lediglich ändern und ergänzen wird, ist frühestens Mitte/Ende 2006 zu rechnen. Die Regelungen des Company Law Reform Bill – allen voran die hier interessierende gesetzliche Fixierung eines Pflichtenkatalogs für Direktoren71 – werden im Folgenden in die Darstellung des Common Law eingebunden und in ihren Auswirkungen auf dieses erläutert. Vorangestellt sei hier nur ein Überblick über die wichtigsten Errungenschaften der bisherigen Reformdiskussion.
___________ 65
s. die Liste der Links unter http://www.dti.gov.uk/cld/other_information.htm. Law Commission, Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and Formulating a Statement of Duties (Law Com No 261, Cm 4436, 1999); kritisch Worthington (2001) 64 MLR 439 (441 f.). 67 Im Folgenden: Final Report; abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/cld/final_report/ index.htm; s. dazu Sheikh [2001] ICCLR 311 und [2002] ICCLR 88. 68 Cm 5553; im Folgenden: White Paper 2002; abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/ companiesbill/index.htm. 69 Cm 6456; im Folgenden: White Paper 2005; abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/ cld/currentcondocs.htm. 70 HL Bill 34 und Explanatory Notes (Bill 34 – EN); abrufbar unter http://www.dti. gov.uk/cld/facts/clr.htm. Für eine Zusammenfassung der Regelungsinhalte aus deutscher Sicht s. Jänig, RIW 2006 (im Erscheinen). 71 Company Law Reform Bill, Part 10, Chapter 2 (General Duties of Directors); White Paper 2005, Part B, Chapter 1; White Paper 2002, Volume I, Part II, 3.1 ff. (Improving Governance: Directors) und Part III, Clause 19; Volume II, Clause 19 und Schedule 2; Final Report, Chapter 6 (Corporate Governance: Directors, Officers and the Markets) und Annex C (Statement of Directors’ Duties – Draft Clause and Schedule and Explanatory Notes); s. dazu allgemein Berg [2000] JBL 472; Dean (2001) 22 Co Law 104; Mace (2000) 15 BJIB&FL 247; Paton [2000] ICCLR 309; Santow (1999) 73 Aust LJ 336; Sealy (2001) 22 Co Law 79; Sheikh [2002] ICCLR 88; Worthington (2001) 64 MLR 439. 66
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a) „General Duties of Directors“ als abschließender gesetzlicher Pflichtenkatalog Die elementaren Pflichten für die Geschäftsleiter der englischen company sind bisher nicht gesetzlich geregelt.72 Der Companies Act 1985 legt lediglich einige Verwaltungsaufgaben und allgemeine Standards fest, während die directors’ duties über einen Zeitraum von nunmehr über 250 Jahren von der Rechtsprechung entwickelt worden sind. Die Systematik und die Dogmatik sind dementsprechend zwar sehr komplex und ausgereift, zugleich aber in einer Fülle von Entscheidungen versteckt, unüberschaubar und oft widersprüchlich.73 Insbesondere die redlichen Unternehmensleiter finden ohne professionelle Rechtsberatung keine klare Richtschnur bezüglich der an sie gestellten Erwartungen,74 während die verworrene Kasuistik mit ihren Lücken und Unwägbarkeiten die Minderheit begünstigt, die auf einen Missbrauch ihrer Position aus ist. Auch Anlegern, die ihrer Aufgabe als Kontrolleure der Geschäftsleitung nachkommen wollen, wird das Erkennen eventueller Pflichtverletzungen nicht gerade leicht gemacht.75 Diesem Missstand begegnet jetzt das DTI, indem es aus der Wirrnis der Einzelfälle die ratio decidendi herausarbeitet, bisherige Widersprüche in der Judikatur bereinigt und überholte Theorien modernisiert, ___________ 72 s. u., 1. Kapitel, B. Das Greene Committee hat 1925 Pläne für eine Kodifikation der Geschäftsleiterpflichten als ein „hoffnungsloses Vorhaben“ aufgegeben (s. Report of the Company Law Amendment Committee, Cmnd. 2657 (1925), para. 46). Weitere Versuche wurden in den 70er Jahren auf der Basis des Berichts des Jenkins Committee (Report of the Company Law Committee, Cmnd. 1749 (1962), paras. 86 f. und 99(a)) unternommen, in der Hoffnung, dass die Klarheit über die Pflichten deren Befolgung wahrscheinlicher machen würde (The Companies Bill 1973, cls 52 f.; The Companies Bill 1978, cls 44-46). Dass die Hoffnung berechtigt war, wird durch den Grund für das Scheitern des Gesetzesvorhabens bestätigt: die beteiligten Juristen wurden sich nicht darüber einig, was genau die Pflichten der Direktoren sind. Auch eine Initiative des DTI von 1993 endete mit einem erster Entwurf, der nicht einmal veröffentlicht worden ist (DTI Companies in 1993-94 (1994), S. 2; DTI Companies in 1994-95 (1995), S. 3). Ausführlich zu den früheren Reformversuchen Arden, in: Rawlings, Law, Society and Economy, 1997, S. 91 (93 ff.). 73 Final Report, 3.5; Developing the Framework, 3.7; vgl. auch die Beispiele bei Paton [2000] ICCLR 309 (312 f.); präzise und logische Muster vermissend Boyle, GoreBrowne on Companies, 27.3; s. ferner Dean, Directing Public Companies: Company Law and the Stakeholder Society, S. 121 ff. 74 Zwei im Rahmen der Reformdiskussion durchgeführte Umfragen haben ergeben, dass 61 % der Direktoren, insbesondere die Leiter kleiner, geschlossener Gesellschaften, eine gesetzliche Klarstellung ihrer Pflichten befürworten, und dass ein großer Teil von ihnen gar nicht wusste, was ihre Pflichten sind; Law Commission, Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and Formulating a Statement of Duties (Law Com No 261, Cm 4436, 1999), Annex B, S. 220 ff; Institute of Directors, Good Boardroom Practice, 1999; Developing the Framework, 3.14; s. ferner Mace (2000) 15 BJIB&FL 247; Riley (1999) 62 MLR 697 (702). 75 Final Report, Foreword, 5, 6; 1.21, 2.26.
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um auf diese Weise dem Rechtsanwender den Zugang zum geltenden Recht so weit wie möglich zu erleichtern.76 Im Interesse der Rechtsklarheit und -sicherheit hat man sich hierbei zudem für eine möglichst detailreiche, erschöpfende und sprachlich leicht verständliche Formulierung der directors’ duties entschieden.77 Von erheblicher Brisanz ist aber vor allem Clause 154(3) Company Law Reform Bill, nach der die „General Duties of Directors“ an Stelle der entsprechenden common law rules und equitable principles tritt. Hier wird tatsächlich ein abschließender Charakter des Pflichtenkatalogs statuiert mit der Folge, dass es den Gerichten künftig verwehrt sein wird, neue Prinzipien zu entwickeln, im Gegensatz zu einer bloßen Fortentwicklung und Konkretisierung der allgemein gefassten gesetzlichen Prinzipien innerhalb ihres Wortlauts anhand von Einzelfällen. Bedeutende Entwicklungen in einem derart fundamentalen Bereich des Wirtschaftsrechts müssten nach Ansicht des Reformgebers dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten bleiben, der eventuelle neue Haftungstatbestände nach einer demokratischen Debatte und nur mit Wirkung für die Zukunft schaffen wird, und dürften weder der rückwirkend urteilenden Judikative noch den schwächer legitimierten nichtstaatlichen Expertengremien überlassen werden.78 Die directors’ duties müssten ferner vor allem einheitlich angewendet werden, was nur durch eine Bindung der Gerichte zu erreichen sei.79 Ob dies in der Praxis jedoch funktionieren wird und die Gerichte das common law nicht vielmehr wie bisher dynamisch weiterentwickeln und verfeinern werden,80 bleibt abzuwarten. Das bisher geltende common law und die Regeln der equity werden jedenfalls kaum an Bedeutung verlieren: statt einer Neuregelung strebt das DTI vielmehr die Kodifizierung der wichtigsten Prinzipien des case law an, sodass dieses in Zukunft bei der Auslegung des Gesetzes herangezogen wird.81 Schließlich wird die Festlegung der Strukturen guter ___________ 76
Final Report, 3.7; kritisch Worthington (2001) 64 MLR 439 (443), s. auch Sheikh [2002] ICCLR 88. 77 Das DTI hat mit den potentiellen Rechtsanwendern sogar Seminare veranstaltet, in denen verschiedene Regelungstechniken, Gesetzesstrukturen und Sprachstile auf ihre Verständlichkeit hin überprüft wurden, Final Report, 1.18 Fn. 5. 78 Developing the Framework, 3.82; Completing the Structure, 3.12, 3.31; zustimmend Arsalidou (2002) 23 Co Law 107 (112); Dean (2001) 22 Co Law 104 (107); Worthington (2001) 64 MLR 439 (455 f.). 79 Final Report, 3.9; Arsalidou (2002) 23 Co Law 107 (112). 80 So Worthington (2001) 64 MLR 439 (455 f.), die den Sinn und den Nutzen des Pflichtenkatalogs dadurch aber nicht als gefährdet sieht; ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 52 und Sealy (2001) 22 Co Law 79 (82 f.). 81 Company Law Reform Bill – Explanatory Note 304; s. auch Developing the Framework, 3.5, 3.43: „only minor changes of substance (but major ones of form) in the common law“; Final Report, 1.34; Completing the Structure, 3.12; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 52; kritisch Worthington (2001) 64 MLR 439 (440 f.).
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Corporate Governance weiterhin außergesetzlichen Regulierern überlassen, da dieser Bereich von ständiger Dynamik und technischen Detailvorgaben geprägt ist, die einer starren, gesetzlichen Fixierung kaum zugänglich sind.82
b) Gesetzliche Fixierung der zu wahrenden Interessen Zum anderen soll die auch in Großbritannien bisher umstrittene Frage nach der Interessenbindung der Organe eine gesetzliche Klarstellung erfahren. Unter dem Stichwort „scope issue“ wurde auch hier die Frage gestellt, welcher Zweck bei der Leitung einer Gesellschaft verfolgt werden und in wessen Interesse die Leitung erfolgen soll.83 Das Ergebnis der langen Diskussion ist eine Definition der Zielvorgaben innerhalb der Regelung der Loyalitätspflicht. Die Entscheidung fiel dabei auf eine am shareholder value ausgerichtete Loyalitätspflicht, die jedoch auch andere Belange mit einbezieht, sofern diese geeignet sind, auf lange Sicht auch die Interessen der Anteilseigner zu fördern (sog. inclusive oder enlightened shareholder value approach).84
___________ 82 Dean, Directing Public Companies: Company Law and the Stakeholder Society, S. 145. 83 „For what purposes and in whose interests should companies be run?“, Developing the Framework, 2.1, 2.7 ff., 3.20 ff. 84 Clause 156 Company Law Reform Bill; Final Report, 1.23 f.; dazu ausführlich Dean (2001) 22 Co Law 104 („Corporate reputation in this way provided the link between ethics and profitability“). s. dazu sogleich, unter 2. Kapitel, A.
1. Kapitel
Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen A. Einheitsmodell der Company Das englische Wort company ist für sich genommen kein technischer Rechtsbegriff.1 Im juristischen Zusammenhang verwendet, umschreibt es aber eindeutig den Zusammenschluss mehrerer (Ausnahme: Einmanngesellschaft) zu einem gemeinsamen Zweck, zumeist dem wirtschaftlichen Zweck der Gewinnerzielung mittels Geschäftstätigkeit.2 Die company im weiteren Sinne entspricht somit dem deutschen Terminus „Gesellschaft“. Das englische Recht unterscheidet bei den Personenvereinigungen jedoch die (incorporated) companies im engeren Sinne, die weitestgehend den deutschen Kapitalgesellschaften entsprechen und mit eigener Rechtspersönlichkeit und -fähigkeit ausgestattet sind3; den Personengesellschaften bleibt indes die Kategorie der partnership4 vorbehalten. Im Folgenden geht es gerade um die company als Kapitalgesellschaft und um das ihr eigene company law mit seiner noch feineren Unterteilung in companies limited by shares, companies limited by guarantee und die unlimited companies.5 Die Untersuchung bezieht sich lediglich auf die in der Praxis einzig bedeutsame company limited by shares, bei der die Haftung auf den Nennwert der gezeichneten Aktien beschränkt ist. Sie stellt die ideale Ge___________ 1
Re Stanley [1906] 1 Ch 131 (134, Buckley J). Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 3. 3 Je nach Gründungsakt werden die companies in registered, statutory oder chartered unterteilt, wobei in der Praxis nur die erstere Form (Entstehung durch Eintragung bei gleichzeitiger Erfüllung der Normativbedingungen) von Bedeutung ist; s. Mayson/ French/Ryan, Company Law, S. 3 ff. 4 Das Recht der Personengesellschaften (partnership law) ist heute größtenteils im Partnership Act 1890 geregelt und basiert auf den Regeln der Stellvertretung (law of agency); s. Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 6 f. 5 Section 1(2) CA 1985. Bei der company limited by guarantee verpflichten sich die Gesellschafter, im Falle der Liquidation einen festgelegten Betrag – in der Praxis meistens £ 1 – einzuzahlen. Die Gesellschaftsform wird vor allem von karitativen Organisationen gewählt, die keine Gewinnverteilung nach Anteilen anstreben und deren Gründer nicht schon anfänglich – wie bei einer Aktienausgabe – Kapital investieren wollen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 7 ff. Die Rechtsform der limited company kann ferner gem. Sections 306, 307 CA 1985 insofern abgewandelt werden, als dass sie – ähnlich einer Kommanditgesellschaft auf Aktien – die unbeschränkte Haftung der Direktoren vorsieht. Jedoch hat diese Konstruktion keine praktische Relevanz erlangt; s. Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.2.2 Fn. 8; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 70. 2
A. Einheitsmodell der Company
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sellschaftsform für eine Geschäftstätigkeit in Gewinnerzielungsabsicht dar. Die Einteilung des Gesellschaftskapitals in Aktien erleichtert die Verteilung des angestrebten Gewinns und schafft leicht übertragbare Gesellschaftsanteile. Die Pflicht zur Einzahlung auf die übernommenen Anteile sorgt – jedenfalls im gesetzlichen Modell – für ein von den Gesellschaftern aufgebrachtes Anfangskapital.6 Die Form der company limited by shares wird ferner unterteilt in public und private companies, was jedoch keinesfalls mit der deutschen Unterscheidung zwischen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gleichzusetzen ist. Es handelt sich vielmehr um zwei Typen einer Einheitsgesellschaft, wobei der eine Typ eine geschlossene Gesellschaft (private company, Ltd.) und der andere eine Publikumsgesellschaft (public company, plc) verkörpern soll.7 Das Gesetz definiert die public company seit dem Companies Act 1980 als eine company limited by shares, deren Satzung bestimmt, dass die Gesellschaft eine public company sein soll, und die den Registrierungsregeln des Companies Act genügt hat.8 Zu den letzteren gehören das Führen des Firmenzusatzes „public limited company“9 oder „plc“10, sowie ein vorgeschriebenes Mindestkapital von £ 50.000, von dem ein Viertel sofort eingezahlt werden muss11. Alle übrigen Gesellschaften sind private companies. Sie sind zwar regelmäßig mit einem festen Nominalkapital ausgestattet, ein gesetzliches Mindestkapital ist jedoch nicht vorgesehen. Das Verfahren zu ihrer Gründung ist einfach und kostengünstig, sie brauchen nur ein Mitglied und einen Direktor zu haben.12 Der Nachteil dieser Gesellschaftsform besteht jedoch darin, dass ihre Wertpapiere weder öffentlich angeboten noch an der Börse notiert werden dürfen.13 Sollten sich die Gesellschafter eines Tages zu einem Börsengang entschließen, ist die Umwandlung der Ltd in eine plc dank der einheitlichen Gesellschaftsform allerdings „an einem Tag“ möglich.14 ___________ 6
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 7 ff. Behrens, GmbH, Rn. 601; Güthoff, Gesellschaftsrecht in GB, S. 5; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 575. 8 Section 1(3) CA 1985; Der Companies (Consolidation) Act 1908 ging noch von der Definition der private company aus, als welche jede Gesellschaft mit höchstens 50 Gesellschaftern galt, die das Recht zur Übertragung ihrer Anteile beschränkt und den öffentlichen Handel mit den Anteilen gänzlich verboten hatte; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 14. 9 Section 25(1) CA 1985. 10 Section 27 CA 1985. 11 Sections 101(1), 117, 118 CA 1985. 12 Section 24 CA 1985, geändert durch: The Companies (Single Member Private Limited Companies) Regulations 1992, SI 1992/1699; S. 282(1) CA 1985; Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 205 f. 13 Section 81 CA 1985; Section 74 FSMA 2000. 14 Triebel/Löw, FAZ v. 21.5.2003 S. 18. 7
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Sieht man jedoch von diesen Besonderheiten ab, unterliegen die private und die public company theoretisch dem gleichen Recht. Die Vorschriften der Companies Acts 1985 und 1989 sind – mit Ausnahme der eben genannten, der Deregulierung dienenden Normen – auf alle companies anwendbar. Im Bereich des common law wird in den meisten Fällen – so auch bei der Haftung der directors – nicht zwischen den Gesellschaftstypen unterschieden.15 Unter wirtschaftlichen und funktionalen Aspekten ist die private company hingegen durchaus mit der GmbH vergleichbar, so wie die public company die Bedeutung der AG erlangt. Erstere zeichnen sich durch einen geschlossenen, letztere durch einen offenen Gesellschafterkreis aus. Die geschlossenen Gesellschaften bevorzugen regelmäßig die Selbstorganschaft und vereinigen somit das Eigentum an der Gesellschaft sowie deren Leitung in einer Hand. Während sich die private company und die GmbH privat finanzieren, beschaffen sich die Publikumsgesellschaften das notwendige Kapital durch Angebote an die Öffentlichkeit. Wegen der hohen Mindestkapitalziffer und der aufwendigen Gründungs- und Rechnungslegungsverfahren wird die Rechtsform der public company bzw. AG von Großunternehmen bevorzugt, sodass die Publikumsgesellschaft gesamtwirtschaftlich gesehen eine übergeordnete Rolle spielt. Zahlenmäßig überwiegen hingegen deutlich die für kleine und mittlere Unternehmen optimalen Rechtsformen der private company bzw. GmbH. So waren in Großbritannien im März 2005 knapp 2 Millionen private companies und nur gut 11.000 public companies registriert.16 Zugleich hat die Zahl der GmbHs in Deutschland zum Jahresende 2004 erstmals die 1 Mio.-Grenze überschritten, während der AG-Bestand im Januar 2006 über 16.000 betrug17. Festzuhalten bleibt, dass in dem hier interessierenden Bereich der Geschäftsleiterhaftung keine nennenswerten Divergenzen der beiden englischen Gesellschaftstypen zu verzeichnen sind, weshalb im folgenden grundsätzlich von der company als Einheitsgesellschaft zu sprechen sein wird. Um aber deren unterschiedlichen Erscheinungsformen gerecht zu werden, werden der company zum Zwecke des Rechtsvergleichs sowohl die deutsche AG als auch die GmbH gegenübergestellt.
___________ 15
Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103. DTI, Companies in 2004-2005, S. 14. 17 Kornblum, GmbHR 2006, 28 ff.; Roller, Börsen-Zeitung v. 10.1.2006 (Nr. 6) S. 8. 16
B. Rechtsquellen des Company Law
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B. Rechtsquellen des Company Law I. Gesetz Im Bereich des Gesetzesrechts (statutory law) ist der Companies Act 1985 (im folgenden CA 1985) mit 747 Sections und 25 Schedules die wichtigste Quelle des Kapitalgesellschaftsrechts.18 Er wird ergänzt durch den Companies Act 1989, mit dem u.a. die siebte und achte EG-Richtlinie umgesetzt wurden. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Kodifikation im kontinentaleuropäischen Sinne, die den Anspruch hätte, ein Rechtsgebiet vollständig systematisch zu erfassen. Sie zielt vielmehr darauf ab, das geltende Fallrecht zusammenzufassen, um aus der Fülle der Einzelfälle die ratio decidendi herauszuarbeiten und somit dem Anwender einen Überblick über die jeweilige Rechtslage zu erleichtern.19 Weitere – im Bereich des Organhandelns einschlägige – Spezialregelungen enthalten ferner der Insolvency Act 1986 (IA 1986) ergänzt um den Insolvency Act 2000 (IA 2000), der Company Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986), der Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA 2000) und die Directors’ Remuneration Report Regulations 2002. Gerade zu dem hier interessierenden Thema der Rechtsstellung, also der Aufgaben und Pflichten der directors enthalten die genannten Gesetze indes kaum Informationen. Der Companies Act schreibt lediglich vor, dass die Kapitalgesellschaft einen (private company) bzw. zwei (public company) directors haben muss,20 und legt einige Verwaltungsaufgaben (wie z. B. die Erstellung eines Jahresabschlusses) und allgemeine Standards fest. Die Aufgaben des board und sogar das Erfordernis, überhaupt einen board of directors zu bilden, sind darin nicht enthalten. Die Ausgestaltung der Verwaltungsspitze mit ihren Strukturen und Aufgaben wird somit in private Hände gelegt und obliegt den Anteilseignern im Rahmen der Satzung. Dieser flexible Ansatz geht zum einen auf die Entscheidung des englischen Gesetzgebers aus der viktorianischen Zeit zurück, dass die Gewaltenteilung innerhalb der company nicht durch das Parlament, sondern durch den Unternehmer selbst festzulegen sei. Zum anderen ___________ 18
Dieser hat seinen Ursprung in den Companies Acts aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, von denen insbesondere die Kodifikation von 1862 das moderne company law maßgeblich beeinflusst hat. Fast alle früheren Versionen des Gesetzes beruhten auf einem Kommissionsbericht, wie z. B. der CA 1948 (Cohen Report) und der CA 1967 (Jenkins Report), während für die neueren Fassungen die Richtlinien der Europäischen Union maßgeblich waren. Vgl. Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handelsund Wirtschaftsrecht, Rn. 557. 19 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 35. 20 Sections 282(1),(3) CA 1985.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
war dafür auch der Entschluss der Legislative im 19. Jahrhundert maßgeblich, alle Kapitalgesellschaften in einem einzigen Gesetz zu regeln. Für eine solche Fülle an heterogenen Gesellschaften – divergierend in Größe und Gewinnerzielungsabsicht – eine einheitliche board-Struktur und einen einheitlichen Aufgabenkatalog festzulegen, war zwangsläufig unmöglich.21
II. Soft Law und Selbstregulierung Die Struktur und die Aufgaben der Verwaltungsspitze werden aber stark von Listing Rules beeinflusst, die für die an der London Stock Exchange in der Official List der Financial Services Authority (FSA) amtlich notierten Gesellschaften gelten.22 Sind solche Gesellschaften zudem in Großbritannien gegründet worden, unterliegen sie insbesondere den Vorgaben des Combined Code on Corporate Governance auf der Basis des „comply or explain“-Ansatzes.23 Ein konkreter Beitrag zu den Organpflichten findet sich schließlich im Bereich des Übernahmerechts, wo der City Code on Takeovers and Mergers faktisch maßgebliche Verhaltenspflichten für Leiter von Publikumsgesellschaften statuiert.24
III. Verfassung der Gesellschaft Als eine ergiebige Rechtsquelle des Kapitalgesellschaftsrechts erweisen sich vor allem die articles of association, also der ergänzende, flexible Teil der Satzung, der die innere Verfassung der Gesellschaft zum Gegenstand hat.25 Hinsichtlich der Gestaltung des Innenverhältnisses lassen die hier überwiegend dispositiven Normen des CA 1985 den Gesellschaftern einen weiten Spielraum, ___________ 21
Davies, ZGR 2001, 268 (276f.). Auf deren einzelne Vorgaben wird an den relevanten Stellen im Text eingegangen. 23 Listing Rules, 9.8.6 (5), (6); s. dazu ausführlich unten, 1. Kapitel, C. IV. Die häufige Einordnung der Listing Rules als Selbstregulierung stammt noch aus der Zeit, als sie von der London Stock Exchange (LSE) selbst aufgestellt wurden und diese noch nicht den Status der Wertpapieraufsichtsbehörde (UK Listing Authority, UKLA) hatte. Seit die LSE bzw. nunmehr die FSA in ihrer Eigenschaft als UKLA tätig werden, sollte man lieber von „weicher“ (soft) staatlicher Regulierung mittels „Empfehlungen“ (recommendations) sprechen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 45 f., 49. 24 s. dazu ausführlich unten, 4. Kapitel, A. II. 2. b) bb). 25 Vgl. Section 7 CA 1985; Das zweite Gründungsdokument hingegen, das memorandum of association, regelt die Grundlagen sowie das Außenverhältnis der Gesellschaft, also z. B. deren Firma, Sitz, Zweck, Grundkapital, Haftungsbeschränkung und ggf. die Eigenschaft als public company; s. Hannigan, Company Law, S. 97 ff.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 57 f. Im Zuge der Gesellschaftsrechtsreform soll an die Stelle dieser Zweiteilung das einheitliche Dokument der constitution treten; s. Company Law Reform Bill, Part 3. 22
B. Rechtsquellen des Company Law
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sodass – vorbehaltlich der Vorgaben des Combined Code für börsennotierte Gesellschaften – erst in den articles die Kompetenzaufteilung zwischen den Gesellschaftsorganen sowie die Zusammensetzung, Struktur und Arbeitsweise des board of directors geregelt werden.26 Dabei haben die Gründer die Möglichkeit, auf die standardisierten Regelungen der Mustersatzung Table A27 zurückzugreifen, die im übrigen auch Anwendung finden, wenn und sofern eine Regelung seitens der Gesellschaft unterbleibt.28 Table A enthält zwar genauere Definitionen der Aufgaben und Funktionen der directors. Die problematischen Fragen der Sorgfaltspflichten und der Interessenbindung bleiben aber auch hier unbeantwortet.
IV. Richterrecht Die wichtigste Rechtsquelle bleibt somit – nicht nur im Bereich der Organpflichten – das Richterrecht bzw. Fallrecht (case law, common law29) mit seinem System der Präzedenzfälle. Nur in den – zum Teil aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden – Gerichtsentscheidungen sind die Antworten auf viele Grundsatzfragen zu finden. So wird auch die Rechtsstellung der directors über die Rechtsinstitute der agency (Stellvertretung) und des trust (Treuhand) definiert, die von den Richtern entwickelt und fortgeschrieben wurden.
___________ 26
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 54 f. Table A ist Teil der Rechtsverordnung Companies (Tables A to F) Regulations 1985 (SI 1985/805). 28 Section 8(2) CA 1985. 29 Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff Common Law auch das „gemeine Recht“ als Gegenteil zum Billigkeitsrecht equity. Dementsprechend wird zwischen legal und equitable rights unterschieden. Hintergrund dieser Tradition ist, dass das common law ursprünglich als Recht der Königsgerichte strickt am Aktionensystem ausgerichtet war, welches der Klageform Vorrang vor dem subjektiven Recht einräumte. Um dadurch entstehende Unbilligkeiten auszugleichen, wurde vom Gericht des Kanzlers (Court of Chancery) ein eigenes Rechtssystem der equity entwickelt, dessen berühmtes Beispiel das Treuhandrecht (law of trust) ist. Siehe dazu Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 2 ff.; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 26. 27
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
C. Board of Directors I. Bestellung, Abberufung und Verfahren Der board of directors30 übernimmt gem. Art. 70 Table A – als zweites Organ neben der Gesellschafterversammlung (general meeting) – grundsätzlich die Leitungsfunktion in der company: Subject to the provisions of the Act, the memorandum and the articles and to any directions given by special resolution, the business of the company shall be managed by the directors who may exercise all powers of the company.
Es wäre zwar theoretisch denkbar, die Leitungsbefugnisse – unter Abbedingung von Art. 70 Table A – bei der Gesellschafterversammlung zu belassen, die somit über die originäre Geschäftsführungskompetenz verfügt. Normalerweise wäre diese jedoch außerstande, die laufenden Geschäftsangelegenheiten effizient zu besorgen, sodass diese Konstellation lediglich für private companies Relevanz erlangt hat.31 Einen Aufsichtsrat kennt das dem monoistischen (unitary/one tier) System folgende britische Recht nicht. Dies ist aber lediglich der anglo-amerikanischen Rechtstradition und dem Einvernehmen aller Regulierer zu verdanken und nicht etwa vom Gesetz vorgegeben, das nicht einmal die Einsetzung eines Board verlangt.32 Der Companies Act 1985 schreibt lediglich vor, dass die public company mindestens zwei directors haben muss und bei private companies ein Direktor genügt,33 ohne auch nur den Begriff „director“ zu definieren. Der Companies Act enthält lediglich den terminologischen Hinweis, dass als director jeder anzusehen ist, der das Amt des director ausübt, ohne Rücksicht auf die Amtsbezeichnung im konkreten Fall.34 Die Bezeichnung eines Board-Mitglieds als „manager“ oder „governor“ schadet also nicht. Genauso wenig ist die Bezeichnung eines Arbeitnehmers als „technischer Direktor“ geeignet, diesem die rechtliche Position eines Board-Mitglieds zu verleihen.35 ___________ 30
Der Begriff „board“ bezeichnete ursprünglich den Tisch, an dem ein Kollegium zusammenkam und wurde im 19. Jahrhundert ertmals für ein Treffen der Direktoren verwendet. Dieses war auch mit dem Ausdruck „to hold a board“ gemeint, während der Raum, in dem die Meetings stattfanden fortan „boardroom“ genannt wurde; s. Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 482. 31 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 55, 294, 299. 32 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 317. 33 Section 282(1),(3) CA 1985. 34 Section 741(1) CA 1985. 35 Entsprechend dieser Terminologie werden im Folgenden die Begriffe director, Direktor und Board-Mitglied synonym verwendet. Insbesondere wird ein Manager ohne Organfunktion nicht – wie in Deutschland üblich – als Direktor bezeichnet.
C. Board of Directors
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Soweit die articles nichts anderes bestimmen, ist die Gesellschafterversammlung für die Bestellung und Abberufung der Direktoren zuständig.36 Die Bestellung erfolgt in der Regel für drei Jahre. Die Satzung kann jedoch vorsehen, dass die Vorstandsmitglieder auf Lebenszeit ernannt werden, bzw. dass sie ihren Stellvertreter und ihren Nachfolger selbst bestimmen. Sie wird regelmäßig auch Ausländer, juristische Personen37, Minderjährige und Geisteskranke von der board-Mitgliedschaft ausschließen.38 Bei der public company und deren Tochtergesellschaften müssen grundsätzlich alle Personen, die 70 Jahre oder älter sind, auf die Organtätigkeit verzichten, es sei denn dass die articles eine abweichende Regelung enthalten oder dass bei der Einberufung der Hauptversammlung auf das Alter des Kandidaten besonders hingewiesen wurde.39 Als Direktor kommt ferner nicht in Betracht, wem nach dem Company Directors Disqualification Act 1986 die Ausübung dieses Amtes gerichtlich untersagt worden ist.40 Die Anzahl der Board-Mandate, die eine Person gleichzeitig innehat, unterliegt hingegen keinen Beschränkungen.41 Dem Direktor ist es nicht einmal verwehrt, in den Boards zweier miteinander konkurrierender Unternehmen zu sitzen,42 wenn auch eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben in diesem Falle praktisch schwierig sein dürfte.43 Ein Verbot der competing directorships kann aber in der Satzung vorgesehen44 oder als konkludente Vereinba___________ 36
Section 292 CA 1985; Art. 78 Table A; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 465 ff. m. w. N. Zulässig wäre somit zwar auch die Bestellung durch die vorhandenen Board-Mitglieder, durch Inhaber bestimmter Aktiengattungen oder Schuldverschreibungen, und sogar durch Dritte. Mit einer solchen Satzungsklausel könnte sich aber jedenfalls eine public company kaum auf dem Kapitalmarkt durchsetzen. Sie würde zudem durch Section 303 CA 1985 relativiert, wonach die mit der Auswahl unzufriedenen Aktionäre den Direktor sofort abberufen könnten; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 307, 309 f. 37 Diese kommen sonst durchaus als Organmitglieder in Betracht; s. Section 289 (1)(b) CA 1985, Re Bulawayo Market and Offices Co Ltd [1907] 2 Ch 458. Gelegentlich wurde die Muttergesellschaft zum Direktor der Tochtergesellschaft bestellt, um die volle Kontrolle über diese zu erhalten; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 308. Nach dem Company Law Reform Bill, Clause 139(1), wird aber zumindest ein Direktor eine natürliche Person sein müssen. 38 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 722. Clause 141(1) Company Law Reform Bill sieht jedoch als Regel nunmehr ein Mindestalter von 16 Jahren vor. 39 Section 293 CA 1985. 40 s. u., 5. Kapitel, A. I. 3. 41 Güthoff, Gesellschaftsrecht in GB, S. 40. 42 London and Mashonaland Exploration Co Ltd v. New Mashonaland Exploration Co Ltd [1891] WN 165 (Chitty J); Bell v. Lever Bros Ltd [1932] AC 161 (195), HL; Berlei Hestia (NZ) Ltd v. Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (160 f.); Dagegen: Christie (1992) 55 MLR 506 ff. 43 Scottisch Co-operative Wholesale Society Ltd v. Meyer [1959] AC 324 (367, Lord Denning), HL. 44 Berlei Hestia (NZ) Ltd v. Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (161).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
rung aus dem Anstellungsvertrag hergeleitet werden.45 Als Direktoren können auch Nichtgesellschafter fungieren (Fremdorganschaft), es sei denn, die Satzung enthält eine sog. share qualification, die den gewählten Direktor verpflichtet, innerhalb einer bestimmten (höchstens zweimonatigen) Frist eine bestimmte, in der Regel sehr kleine Anzahl von Anteilen zu erwerben.46 Auf diese Weise wird durch Satzung das Prinzip der Selbstorganschaft eingeführt, in der Erwartung, ein persönliches Interesse des director an der company und deren wirtschaftlichem Erfolg zu begründen.47 Die Bestellung eines Direktors ist schließlich an eine Reihe von Offenlegungspflichten gebunden. Jede company muss ein Direktorenregister (register of directors and secretaries) unterhalten, in dem für jeden Direktor Name, Anschrift, Geburtsdatum, Nationalität, Berufstätigkeit, sowie seine anderweitigen Board-Mandate während der letzten fünf Jahre angegeben werden.48 Börsennotierte Gesellschaften müssen zusätzlich auf Verurteilungen und vom Direktor verursachte Insolvenzen hinweisen, sowie frühere Ausschlüsse von der Amtsausübung nach dem Company Directors Disqualification Act 1986 und öffentliche behördliche Kritik am Direktor offen legen.49 Die Gesellschafterversammlung hat das unabdingbare Recht, den Direktor jederzeit mit einfacher Mehrheit und ohne wichtigen Grund abzuberufen, unabhängig davon, mit welcher Mehrheit, oder für wie lange dieser bestellt wurde.50 Der entsprechende Beschluss erfordert lediglich die Einhaltung einer 28tägigen Einberufungsfrist und die Angabe des Beschlussgegenstandes in der Einladung zur Gesellschafterversammlung. Der betroffene Direktor hat das Recht, in der Versammlung gehört zu werden.51 Für den Fall des Abberufungsbeschlusses kann die Satzung dem Direktor allerdings spezielle Verteidigungsmittel an die Hand geben, wie z. B. Mehrstimmrechte. ___________ 45 Vgl. Hivac Ltd v. Park Royal Scientific Instruments Ltd [1946] Ch 169, CA, wo Arbeitnehmern verboten wurde, in ihrer Freizeit für einen Konkurrenten zu arbeiten. 46 Section 291 CA 1985. 47 Re North Australian Territory Co, Archer’s Case [1892] 1 Ch 322 (337, Lindley LJ). 48 Sections 288(1), 289 CA 1985. Das letzte Erfordernis soll jedoch mit dem Company Law Reform Bill entfallen und sich nur noch für börsennotierte Gesellschaften aus den Listing Rules ergeben. 49 Listing Rules, 9.6.13; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 481. 50 Section 303 CA 1985; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 310; Die Satzung kann auch einzelne Direktoren dazu ermächtigen, andere abzuberufen (Bersel Manufacturing Co Ltd v. Berry [1968] 2 All ER 552, HL), bzw. anordnen, dass das Ersuchen des Board um Rücktritt zum Ausscheiden des betreffenden Direktors führt (Lee v. Chou Wen Hsien [1984] 1 WLR 1202, PC). Bis zum Companies Act 1948 war die Abberufung mit einfacher Mehrheit in der Gesellschafterversammlung nur möglich, wenn die Satzung es vorsah, oder dieselbe mit einer ¾-Mehrheit geändert wurde. 51 Sections 303(2), 379, 304 CA 1985.
C. Board of Directors
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In dem Fall Bushell v. Faith wurde eine Satzungsregelung als wirksam angesehen, durch die jedem Direktor für den Fall seiner Abberufung ein dreifaches Stimmrecht pro Aktie gewährt wurde. Da die Aktien der Gesellschaft gleichmäßig auf ihre drei Direktoren verteilt waren, konnte auf diese Weise jeder von ihnen die Abberufung durch die anderen beiden verhindern. Zu der faktischen Aufhebung der Wirkung von Section 303 CA 1985 bemerkte Lord Upjohn lediglich: „Parliament has never sought to fetter the right of the company to issue a share with such rights or restrictions as it may think fit. There is no fetter which compels the company to make the voting rights or restrictions of general application and it seems to me clear that such rights or restrictions can be attached to special circumstances and to particular types of resolution. … all that Parliament was seeking to do […] was to make an ordinary resolution sufficient to remove a director.“ 52 Obwohl die Entscheidung auf heftige Kritik gestoßen ist,53 gilt die dort gebilligte Konstruktion bis heute als zulässig und wurde bereits mehrfach von der britischen Regierung bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen verwendet. Sie wird jedoch nur vor dem Hintergrund verständlich, dass es sich bei Bushell v. Faith um den Fall einer kleinen private company handelte, deren Verfassung faktisch der einer partnership entsprach (sog. quasi-partnership). Für eine partnership ist es indes vernünftig und geltendes Recht, dass jeder Partner zur Geschäftsführung berechtigt ist und sich gegen den Entzug der Befugnis durch seine Mitgesellschafter wehren kann.54
Einen besonderen Schutz gegen die Entlassung bietet bei executive oder managing directors schließlich der Anstellungsvertrag. Ist dieser befristet oder wurden extrem lange Kündigungsfristen vereinbart, so haftet die Gesellschaft bei vorzeitiger Abberufung dem Direktor auf Schadensersatz oder auf Zahlung der vereinbarten Abfindung.55 Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil die Anstellungsverträge gem. Art. 84 Table A normalerweise durch den Board abgeschlossen werden, sodass die Direktoren selbst über die Laufzeit und Bedingungen der Anstellung bestimmen können. Damit dies in der Praxis nicht zu einer Aushöhlung des Abberufungsrechts führt, sieht Section 319 CA 1985 vor, dass alle auf über fünf Jahre befristeten Verträge, die nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Neben dem gesetzlichen Abberufungsrecht können die articles festlegen, dass das Amt in bestimmten Fällen automatisch endet, beispielsweise wenn der Direktor geschäftsunfähig wird, in den Ruhestand tritt, sein Amt niederlegt, ___________ 52
Bushell v. Faith [1970] AC 1099 (1109, Lord Upjohn), HL. s. die dissenting opinion von Lord Morris of Borth-y-Gest in Bushell v. Faith [1970] AC 1099 (1106); Prentice (1969) 32 MLR 693; P.V. Baker (1970) 86 LQR 155 (157). 54 Schmitthoff, in: Zonderland, Quo vadis ius societatum, S. 183 (189); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 311. 55 Section 303(5) CA 1985; Shindler v. Northern Raincoat Co Ltd [1960] 2 All ER 239; Southern Foundries (1926) Ltd v. Shirlaw [1940] AC 701, HL. 53
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
dauerhaft den Vorstandssitzungen fernbleibt, oder wenn die übrigen BordMitglieder schriftlich seinen Rücktritt fordern.56 Das Verfahren für die Tätigkeit des Board wird gem. Art. 88 Table A von diesem selbst festgelegt. Wird nichts abweichendes vereinbart, so kann jeder Direktor jederzeit eine Sitzung des Board einberufen. Entscheidungen werden mit der Mehrheit der Stimmen getroffen. In Pattsituationen zählt die Stimme des Vorsitzenden doppelt. Ist für die Entscheidungen des Board kein Quorum festgelegt, ist gem. Art. 89 Table A die Anwesenheit von mindestens zwei Direktoren erforderlich. Die Entscheidungen sind zu protokollieren, bei Fehlen eines Protokolls aber dennoch wirksam.57 Entgegen früherer Ansicht sind Entscheidungen der Direktoren auch dann wirksam, wenn sie zwar nicht in einer Board-Sitzung, dafür aber einstimmig – beispielsweise am Telefon – getroffen wurden.58 Den Direktoren steht es schließlich frei, ihre Befugnisse nach Belieben auf einen Ausschuss (committee), bestehend aus einer oder mehr Personen, zu delegieren, solange dies nicht als Mittel zum Ausschluss eines bestimmten Direktors missbraucht wird.59
II. Executive Directors, Non-Executive Directors und der Company Secretary Der board setzt sich bei funktionaler Betrachtung aus zwei verschiedenen Typen von Direktoren zusammen, den executive und den non-executive directors (NED), obwohl das Begriffspaar im Companies Act 1985 nicht zu finden ist. Die executives sind diejenigen Direktoren, die neben ihrer Position als Board-Mitglied auch noch einen weiteren, ihnen durch den Board übertragenen, Posten im Management der Gesellschaft innehaben und somit auch deren Angestellte sind.60 Ihnen obliegt die tatsächliche Führung der laufenden Geschäfte, wozu sie durch Satzung mit umfassenden Befugnissen ausgestattet werden. Die Doppelstellung hat zur Folge, dass die executive directors gemäß ihrem Anstellungsvertrag ein festes Gehalt fordern können, der Gesellschaft aber anderer___________ 56
Art. 81 Table A; Lee v. Chou Wen Hsien [1984] WLR 1202; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 308, 310; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 473. 57 Section 382 CA 1985; Art. 100 Table A; Re North Hallenbeagle Mining Co., Knight’s Case (1867) LR 2 Ch App 321. 58 Charterhouse Investment Trust Ltd v. Tempest Diesels Ltd [1986] BCLC 1 (9, Hoffmann J); Runciman v. Walter Runciman plc [1992] BCLC 1084 (1092); Mulcon Pty Ltd v. MYT Engineering Pty Ltd (1996) 20 ACSR 606 (610). 59 Art. 72 Table A; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 487 m.w. N. 60 Art. 87 Table A; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 319.
C. Board of Directors
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seits auch ihre gesamte Arbeitskraft schulden. Die Zuständigkeit für die Festsetzung der Bezüge wird üblicherweise dem Board zugewiesen und in größeren public companies häufig an den mit NEDs besetzten Vergütungsausschuss (remuneration committee) weiterdelegiert.61 Der Anstellungsvertrag bildet zudem in Verbindung mit den articles die Grenze ihrer Befugnisse und Verantwortlichkeiten.62 Eine überragende Stellung unter den geschäftsführenden Direktoren nimmt der sog. managing director oder chief executive officer ein (wobei auch mehrere managing directors bestimmt werden können), der als oberster Manager zugleich häufig den Vorsitz (chair) im Board übernimmt.63 Die übrigen Direktoren können ihm – sofern die Satzung dies vorsieht – ihre Befugnisse ganz oder zum Teil, zur ausschließlichen oder konkurrierenden Ausübung übertragen.64 Die nähere Definition und Ausgestaltung des Postens erfolgen durch Satzung und Anstellungsvertrag, sodass der managing director in der Rechtsprechung manchmal als ein „gewöhnlicher Direktor mit besonderen Befugnissen“65 erscheint, ein andermal als ein Manager, der zugleich auch Direktor ist66. Die übrigen Vorstandsmitglieder, also die non-executive directors (NEDs), haben hingegen eine beratende und eine Kontrollfunktion und sind insbesondere in größeren Unternehmen anzutreffen, wo sie seit Einführung des Combined Code durchschnittlich die Hälfte der Board-Sitze belegen.67 Sie schließen grundsätzlich keinen Anstellungsvertrag mit der company und sind daher nicht deren Angestellte. Eine Vergütung steht ihnen auch nicht schon aufgrund der Organstellung zu.68 Die Frage ihrer Gehaltsansprüche wird vielmehr in den articles geregelt und die Entscheidung darüber üblicherweise der Hauptversammlung überlassen.69 Ihre Aufgaben haben den Charakter einer Nebentätigkeit, erwartet werden lediglich eine angemessen häufige Teilnahme an Vorstandssitzungen sowie die Mitgliedschaft in den vom Board eingerichteten Ausschüs___________ 61
Art. 84, 87 Table A. Harold Holdsworth & Co (Wakefield) Ltd v Caddies [1955] 1 All ER 725; Hannigan, Company Law, S. 145; Güthoff, Gesellschaftsrecht in GB, S. 39. 63 Art. 84, 91 Table A; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 485 f. 64 Art. 72 Table A; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 485. 65 Re Newspaper Proprietary Syndicate Ltd [1900] 2 Ch 349 (350, Cozens-Hardy J). 66 Anderson v. James Sutherland (Peterhead) Ltd [1941] SC 203 (217, Lord President Normand); Goodwin v. Brewster (Inspector of Taxes) (1951) 32 TC 80, CA; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 486. 67 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 223. 68 Hutton v. West Cork Rly Co (1883) 23 Ch D 654; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 487 f. 69 Art. 82 Table A; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 732; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 319. 62
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
sen.70 Seit dem Report des Cadbury Committee im Jahre 199271 gelten die nonexecutives als eines der wichtigsten Elemente des englischen Corporate Governance-Systems, indem sie mangels eines institutionalisierten Aufsichtsrats die Überwachungsfunktion in der company wahrnehmen. Eine Sonderstellung nimmt der company secretary ein, eine wichtige Führungskraft außerhalb des Board of Directors. Sein Amt ist verwaltender Natur und verleiht ihm keine Geschäftsführungsbefugnisse. Er ist in erster Linie für die Dokumentation der company verantwortlich, also für deren Berichte an das Companies’ House und für deren Register.72 Der secretary kann beglaubigte Kopien von Verträgen und Board-Beschlüssen erstellen und muss üblicherweise anwesend sein, wenn Dokumente mit dem Firmensiegel (company’s seal) – soweit vorhanden – versehen werden.73 Gem. Section 283(1) und (2) CA 1985 muss jede eingetragene Gesellschaft (registered company) einen Sekretär haben, der nicht zugleich der einzige Direktor sein darf. Rechtsakte, die ein Direktor nur gemeinsam mit dem Sekretär vornehmen darf, dürfen gem. Section 284 CA 1985 nicht von einer Person in Ausübung beider Funktionen vorgenommen werden. Der secretary wird vom Board bestellt, der in public companies dafür zu sorgen hat, dass der Kandidat über die notwendigen Kenntnisse und berufliche Erfahrung verfügt.74 Seine Position wurde in letzter Zeit insbesondere durch die Rechtsprechung gestärkt, die erstmals eine Anscheinsvollmacht (ostensible authority) des Sekretärs beim Handeln im Namen der Gesellschaft bejaht hat.75 Aus dem Urteil sowie aus der Tatsache, dass der Sekretär seine Pflichten und Befugnisse direkt aus der Satzung und aus dem Companies Act ableitet, ohne in seinem Kompetenzbereich Einmischungen seitens der Gesellschafter, des Board oder des managing director dulden zu müssen, folgern einige Literaturstimmen sogar, dass er mittlerweile, zumindest in der public company, ein eigenständiges Organ geworden ist.76 ___________ 70
Art. 72 Table A; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 319. Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (London, 1992), später nach dem Vorsitzenden der Kommission, Sir Adrian Cadbury, als Cadbury Report bezeichnet; der Report ist unter http://www.ecgi.org/codes/ all_codes.php abrufbar. 72 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 296 f. 73 Art. 101 Table A. 74 Die persönlichen Voraussetzungen der Section 286 CA 1985 wurden erstmals 1980 eingeführt und verdienen insofern Beachtung, als für das Amt des Direktors keine besonderen Qualifikationen vorgesehen sind; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 297, 308. 75 Panorama Developments (Guildford) Ltd v. Fidelis Furnishing Fabrics Ltd [1971] 2 QB 711 (716 f., Lord Denning MR), CA. 76 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 298. Seine Bedeutung in der private company nimmt hingegen kontinuierlich ab und wird wohl bald zur Abschaffung des Postens führen; vgl. Clause 247 Company Law Reform Bill. 71
C. Board of Directors
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III. Rechtsstellung gegenüber dem General Meeting Nach der traditionellen Mandatstheorie wurde der Board bis Ende des 19. Jahrhunderts als Beauftragter und Vertreter (agent) der Gesellschaft angesehen, der grundsätzlich einem unbegrenzten Einfluss des obersten Gesellschaftsorgans – der Gesellschafterversammlung – ausgesetzt war.77 So konnten die Direktoren in Isle of Wight Railway Co v. Tahourdin nicht durch einstweilige Verfügung verhindern, dass die Gesellschafterversammlung zusammentritt und einen Ausschuss einsetzt, der die Führungsebene der Gesellschaft reorganisieren soll. Das Gericht befand: „It is a very strong thing indeed to prevent shareholders from holding a meeting of the company, when such a meeting is the only way in which they can interfere, if the majority of them think that the course taken by the directors, in a matter which is intra vires of the directors, is not for the benefit of the company.“78
Dieser Ansatz ist aber schon 1906 in der Entscheidung des Court of Appeal in Automatic Self-Cleansing Co. Ltd. v. Cuninghame79 der sog. Theorie der Gewaltenteilung gewichen, nach der die Machtverteilung zwischen dem Board und der Gesellschafterversammlung ausschließlich von der satzungsmäßigen Regelung abhängen sollte. Befugnisse, die durch Satzung dem Board zugewiesen wurden, durften fortan nicht mehr vom General Meeting ausgeübt werden.80 „If powers of management are vested in the directors, they and they alone can exercise these powers. The only way in which the general body of the shareholders can control the exercise of the powers vested by the articles in the directors is by altering their articles, or, if opportunity arises under the articles, by refusing to re-elect the directors of whose actions they disapprove. They cannot themselves usurp the powers which by the articles are vested in the directors any more than the directors can usurp the powers vested by the articles in the general body of shareholders.“81
Dieser Rechtsprechung wurde auch der Wortlaut von Art. 70 Table A angepasst, sodass Weisungen an die Direktoren nur noch mittels eines Gesellschafterversammlungsbeschlusses, der 21 Tage vorher angekündigt und mit ¾ Mehrheit gefasst wird (special resolution), erteilt werden können: ___________ 77 Behrens, GmbH, Rn. 679; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 300. 78 (1884) 25 ChD 320 (329, Cotton LJ), CA. 79 [1906] 2 Ch. 34. 80 Automatic Self-Cleansing Co. Ltd. v. Cuninghame [1906] 2 Ch. 34 (42 f., Collins MR); bestätigt durch Quin & Axtens v. Salmon [1909] 1 Ch 311, CA, [1909] AC 442, HL; Shaw & Sons (Salford) Ltd v. Shaw [1935] 2 KB 113, CA; Scott v. Scott [1943] 1 All ER 582; Grundt v. Great Boulder Proprietary Mines Ltd [1948] Ch 145 (157, Cohen LJ); Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821 (837, Lord Wilberforce); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 301; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 589. 81 Shaw & Sons (Salford) Ltd v. Shaw [1935] 2 KB 113 (134, Greer LJ), CA.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen „Subject to the provisions of the Act, the memorandum and the articles and to any directions given by special resolution, the business of the company shall be managed by the directors…“82
Auf diese Weise kann die Gesellschafterversammlung entweder ad hoc eine bestimmte Weisung erteilen oder aber dauerhaft die articles ändern. Ihr steht aber keine allgemeine Kontrollbefugnis über das Handeln der Direktoren mehr zu.83 Obwohl diese Machtverschiebung zugunsten des Board juristisch längst abgesichert ist, wird ihre Zweckmäßigkeit in der Literatur immer noch angezweifelt.84 Es sei nicht einzusehen, warum die Gesellschafterversammlung den Board mit einfacher Mehrheit abberufen kann, für den kleineren Schritt der Einzelweisung jedoch eine special resolution erforderlich ist. Es sei ferner ein großer Nachteil für die Anteilseigner, wenn sie angesichts einer Vernachlässigung ihrer Interessen durch den Board lediglich auf schwer durchsetzbare und ineffiziente Rechtsmittel verwiesen werden. Schließlich würden kleine Unternehmen in der Form der private company gegenüber solchen in der Form der partnership ohne Grund benachteiligt, können doch Geschäftsführungsentscheidungen der partnership von der Mehrheit der Gesellschafter getroffen werden.85 Für die strikte Gewaltenteilung spricht aber – insbesondere bei public companies – die Rechtssicherheit und Verlässlichkeit, die vom breiten Publikum der Anleger auf den Kapitalmärkten erwartet wird. Eine Minderheit, die Aktien in der Erwartung erwirbt, dass das Unternehmen vom Board of Directors geleitet wird, sollte keine Einmischungen in die Geschäftsleitung seitens der einfachen Mehrheit dulden müssen.86 Insofern ist die division of powers vorzugswürdig und wird von den Gerichten konsequent angewendet. ___________ 82 Art. 70 Table A 1985; Im Gegensatz dazu lautete die entsprechende Stelle der der Table A 1929 (Art. 67) und der Table A 1948 (Art. 80) noch: „... subject ... to ... provisions, as may be prescribed by the company in general meeting ...“, und ließ Weisungen mit einfacher Mehrheit zu. 83 Automatic Self-Cleansing Co. Ltd. v. Cuninghame [1906] 2 Ch. 34 (43, Collins MR und 46, Cozens-Hardy LJ); Salmon v. Quin and Axtens Ltd [1909] 1 Ch 311 (320, Farwell LJ), CA; Hannigan, Company Law, S. 176; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 500 ff. Vereinzelt wird das Prinzip der Gewaltenteilung so strikt ausgelegt, dass auch Weisungen mittels einer special resolution i.S.d. Art. 70 als nichtig angesehen werden; s. Re Coachman Tavern (1985) Ltd [1988] 2 NZLR 635 (639, Gallen J). 84 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 304; Goldberg (1970) 33 MLR 177; Stokes, in: Twining, Legal Theory and Common Law, S. 155; Sullivan (1977) 93 LQR 569. 85 Section 24(8) Partnership Act 1890; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 304. 86 Salmon v. Quin and Axtens Ltd [1909] 1 Ch 311; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 502.
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Daraus folgt, dass das Ausmaß der dem Board verliehenen Macht grundsätzlich der vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter unterliegt, und dass somit vielfältige Erscheinungsformen der Verwaltungsspitze denkbar sind. In der Regel wird dennoch Art. 70 Table A übernommen und dem Vorstand die umfassende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (general power of management) zugewiesen. Die Grenze der Befugnis bildet zunächst das Erfordernis des arbeitenden Unternehmens (going concern), sodass es dem Direktor in der Krise der Gesellschaft z. B. nicht gestattet wäre, die Abwicklung der Firma zu beantragen.87 Zum anderen kann die Wirkung von Art. 70 Table A durch weitere Klauseln der Satzung eingeschränkt bzw. modifiziert werden.88 Die articles können den Direktoren schließlich Spezialbefugnisse übertragen, wie z. B. die Ernennung eines managing director oder den Gebrauch des Firmensiegels.89 Die Befugnisse stehen grundsätzlich dem Gesamt-Board zu, es sei denn, dass nach den articles die Beauftragung und Bevollmächtigung einzelner geschäftsführender Direktoren oder Ausschüsse, die aus einem oder mehr directors zusammengesetzt sind, zulässig ist.90 Ohne eine solche Delegation stehen dem einzelnen Direktor – auch dem managing director – oder einer Gruppe von Direktoren gar keine Befugnisse zu.91 Für die Wirksamkeit der Kompetenzverlagerung bedarf es im Innenverhältnis der tatsächlichen Delegation im Sinne des Art. 72 Table A (actual authority), während sich Dritte im Außenverhältnis auch auf einen erzeugten Rechtsschein berufen können (apparent authority).92 Lässt die Satzung hingegen keine Delegation zu, so kann der Board lediglich geschäftsführende Angestellte und Beauftragte ernennen, die jedoch nicht zugleich Direktoren sind und denen er nicht die Ausübung seines unternehmerischen Ermessens überlassen darf. Dies entspricht der Prämisse des englischen Rechts, dass der Board kein mit originären Befugnissen ausgestattetes Organ ist, sondern ein Vertreter (delegate) der Gesellschaft. Da er somit all seine Be-
___________ 87
Re Standard Bank of Australia Ltd (1898) 24 VLR 304; Re Galway and Salthill Tramways Co. [1918] 1 IR 62; Re Emmadart Ltd [1979] Ch 540; MacPherson v. European Strategic Bureau Ltd [2000] 2 BCLC 683 (700 f., Chadwick LJ), CA; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 500. Allerdings ist der Direktor jetzt kraft Gesetzes befugt, einen Liquidationsantrag zu stellen, s. S. 124(1) IA 1986. 88 Salmon v. Quin and Axtens Ltd [1909] 1 Ch 311, CA; bestätigt durch Quin and Axtens Ltd v. Salmon [1909] AC 442, HL; Foster v. Foster [1916] 1 Ch 532. 89 Art. 84, 101 Table A. 90 Table A, Art. 72; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 320. 91 Cartmell’s Case (1874) 9 ChApp 691; Mitchell & Hobbs (UK) Ltd v. Mill [1996] 2 BCLC 102 (107 f.). 92 Mitchell & Hobbs (UK) Ltd v. Mill [1996] 2 BCLC 102 (107 f.).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
fugnisse von der Gesellschaft ableitet, steht es ihm nach dem Grundsatz delegatus non potest delegare nicht zu, diese weiter zu übertragen.93 Dem General Meeting bleiben dann nur wenige Entscheidungen vorbehalten, wie die im Companies Act 1985 statuierten Rechte, das memorandum und die articles zu ändern,94 eine Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung durchzuführen,95 oder die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen.96 Anerkannt ist ferner eine Reserve-Zuständigkeit (default/residual powers) der Gesellschafterversammlung für den Fall, dass der Board seine Befugnisse nicht ausüben kann oder nicht ausüben will.97 Bejaht wurde dies bei einem Patt im Board,98 bei einer Gesellschaft ohne Direktoren,99 als das vorgeschriebene Quorum nicht erreicht werden konnte,100 oder die Direktoren von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen waren.101 Unter Umständen kann die Gesellschafterversammlung ferner einen Prozess im Namen der Gesellschaft einleiten, oder einen solchen Prozess genehmigen, falls dieser von einem unberechtigten Dritten eingeleitet wurde.102 Schließlich steht es dem Board frei, bestimmte Angelegenheiten nach eigenem Ermessen der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung vorzulegen. Andererseits kann die Gesellschafterversammlung nichtige – z. B. pflichtwidrige – Rechtsakte des Board unter bestimmten Bedingungen genehmigen.103 Die Frage, wann der Erwerb oder die Veräußerung von bedeutendem Vermögen zwingend dem Kompetenzbereich der Aktionäre zugeordnet werden
___________ 93 Anders verhält es sich z. B. mit dem US-amerikanischen Board, der seine originären Kompetenzen durchaus nach Belieben delegieren darf; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 320 f. 94 Sections 4, 9 CA 1985. 95 Sections 121, 135 CA 1985. 96 Section 84(1)(b) IA 1986. 97 Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 585; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 304; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 506 f.; kritisch, aber im Ergebnis zustimmend Grantham (1993) 52 CLJ 245 (266 Fn. 136, 269 ff.), der darin eine Verleugnung der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft sieht. 98 Barron v. Potter [1914] 1 Ch 895. 99 Alexander Ward & Co Ltd v. Samyang Navigation Co Ltd [1975] 1 WLR 673 (679, Lord Hailsham), HL. 100 Foster v. Foster [1916] 1 Ch 532. 101 Irvine v. Union Bank of Australia [1877] 2 AC 366, PC. 102 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 304 f.; s. dazu unten, 5.Kapitel, A. IV. 1. c). 103 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 305; Bamford v. Bamford [1970] ChD 212, CA.
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soll, wird hingegen üblicherweise nur von den Listing Rules104 beantwortet. Danach unterliegt eine sog. „Class 1 transaction“, also eine Transaktion, bei der die Verhältnisquote 25 % übersteigt,105 der Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung. Transaktionen der Klassen 2 und 3 lösen hingegen lediglich bestimmte Melde- und Anzeigepflichten aus.
IV. Der Board of Directors zwischen Leitung und Aufsicht Mit der ursprünglichen Entscheidung des britischen Gesetzgebers gegen ein obligatorisches Aufsichtsorgan ging zunächst auch die Beschränkung der Aufgaben des board auf die Leitung der Gesellschaft einher. Die Überwachungsfunktion wurde hingegen – so jedenfalls das gesetzliche Modell – bewusst ausgeklammert und der Ausübung durch die Aktionäre überlassen.106 In der Praxis zeigte sich jedoch zunehmend die Tendenz der Gesellschaften, ihre laufenden Geschäfte einem dominierenden geschäftsführenden chairman (managing director oder chief executive officer, CEO) zu überlassen, und nur die außerordentlichen Geschäfte bzw. die Geschäftspolitik dem Gesamt-Board zuzuweisen, sodass dessen Funktionen eher denen eines Aufsichtsrats entsprachen.107
1. Cadbury Report 1992 Als Antwort auf diese Entwicklung war eine umfassende Corporate Governance-Debatte entfacht, deren erster Höhepunkt mit der Einsetzung des Cadbury Committee im Jahre 1991 und dessen Bericht von 1992108 erreicht wurde. ___________ 104
Listing Rules, Chapter 10. Das Jenkins Committee hatte demgegenüber empfohlen, die Zustimmung der Gesellschafter für den (teilweisen) Verkauf des Gesellschaftsvermögens gesetzlich vorzuschreiben; s. Report of the Company Law Committee, Cmnd. 1749 (1962), paras. 117 f. 105 Listing Rules, 10.2.2; Bei Veräußerung von Vermögensgegenständen, die keine Beteiligungen an einem anderen Unternehmen sind, wird der Buchwert der zu veräußernden Vermögensgegenstände mit Größen wie das Gesamtvermögens (Anlage- und Umlaufvermögen) der Gesellschaft, deren Umsatz, Gewinn oder Börsenkapitalisierung verglichen, wobei sich die FSA aber bei Bedarf auch anderer Tests bedienen kann; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 299. 106 Davies, ZGR 2001, 268 (292). 107 Davies, ZGR 2001, 268 (271); Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 714; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 321 f. 108 Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (London, 1992), später nach dem Vorsitzenden der Kommission, Sir Adrian Cadbury, als Cadbury Report bezeichnet; der Report ist unter http://www.ecgi.org/codes/ all_codes.php abrufbar.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Der Cadbury Report enthielt zunächst die Empfehlung an die boards aller in Großbritannien registrierten, vor allem der börsennotierten Gesellschaften, die Regeln eines Code of Best Practice109 zu befolgen bzw. die Nichtbefolgung in ihrem Jahresabschluss anzuzeigen und zu begründen (sog. Prinzip von „comply or explain“).110 Dieses sog. statement of compliance sowie dessen Prüfung durch den Abschlußprüfer wurden anschließend von der Londoner Börse in ihre Zulassungsbedingungen (listing rules) aufgenommen.111 Inhaltlich war das Cadbury Committee bestrebt, einen unabhängigen non-executive director zu etablieren und die Überwachungsfunktion dem board zuzuweisen, um auf diese Weise das Übergewicht der executives, insbesondere eines einzelnen managing director, zu kompensieren.112 Im Einzelnen sollte der board die Gesellschaft effektiv und in vollem Umfang kontrollieren sowie das Management überwachen können. Zu diesem Zwecke sollten board-Sitzungen regelmäßig stattfinden, der board sollte ferner so viele NEDs als Mitglieder haben, dass diese tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungen des Organs erlangten.113 Schlüsselelement der Reform war jedoch die Unabhängigkeit der Mehrheit der non-executive directors. Gemeint war die Unabhängigkeit vom Management sowie das Fehlen jeglicher Geschäfts- und sonstiger Beziehungen zur Gesellschaft, die einen materiellen Interessenkonflikt auslösen und unvoreingenommene Entscheidungen verhindern könnten, mit Ausnahme des Interesses an der eigenen Vergütung bzw. dem eigenen Aktienbesitz.114 Als abhängig wurde beispielsweise auch derjenige Direktor angesehen, der bereits früher eine geschäftsführende Tätigkeit in der company wahrgenommen oder zu deren professionellen Beratern gehört hatte. Die Bestellung der non-executives sollte ferner in einem formalen Prozess durch den Gesamt-Board und nur für eine begrenzte Zeit erfolgen.115 Schließlich wurde die Rolle der nichtgeschäftsführenden Board-Mitglieder durch ihre Funktionen in Vergütungs- und Rechnungsprüfungsausschüssen (remuneration and audit committees) gestärkt. Insbesondere der Vergütungsausschuss sollte ausschließlich oder zumindest mehrheitlich aus NEDs bestehen und Vorschläge für das Gehalt der executive directors unterbreiten.116
___________ 109
Dieser ist im Cadbury Report auf S. 56-58 enthalten. Cadbury Report, 3.1, 3.7. 111 Hannigan, Company Law, S. 149 f. 112 Davies, ZGR 2001, 268 (271). 113 Cadbury Report, 4.11. 114 Cadbury Report, 4.12. 115 Cadbury Report, 4.15, 4.16. 116 Cadbury Report, 4.40-4.46. 110
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2. Greenbury Report 1995 und Hampel Report 1998 Eine weitere Station in der Fortentwicklung der board-Funktionen war die Einsetzung eines weiteren Komitees unter Vorsitz von Sir Ronald Hampel im Jahre 1995 mit dem Ziel, die Wirkungen des Code of Best Practice zu untersuchen. Berücksichtigt wurden ferner die Empfehlungen des Greenbury Committee, welches in der Zwischenzeit den Themenschwerpunkt Vorstandsvergütung untersucht hatte.117 Der Bericht des Hampel Committee erschien 1998118 und beinhaltete einen Katalog genereller Corporate Governance-Prinzipien, insofern von den detaillierten Vorgaben des Cadbury Code (sog. box-ticking approach) abrückend.119 Seine folgenreichste Empfehlung war aber formaler Natur, nämlich die Zusammenfassung der so überarbeiteten Vorschläge des Cadbury Committee mit dem Code of Best Practice der Greenbury Kommission zu einem einzigen „Combined Code 1998“,120 der tatsächlich bis heute das wichtigste Regelwerk der britischen Corporate Governance geblieben ist. Für die Funktion des board waren folgende Prinzipien des damaligen Combined Code 1998 von Bedeutung: 121 • Der board einer börsennotierten Gesellschaft hat eine Doppelfunktion, die die Leitung und Kontrolle der Gesellschaft (lead and control) umfasst. • Der board soll sich zumindest zu einem Drittel aus non-executive directors zusammensetzen, deren Mehrheit unabhängig (independent) i.S.d. Cadbury Code sein soll.122 Die Funktionen der NEDs entsprechen denen des Gesamt-Board und erstrecken sich auf die strategische Leitung der Gesellschaft (leading) wie auch auf deren Überwachung (controlling). ___________ 117 Das im Januar 1995 gegründete Komitee unter Vorsitz von Sir Richard Greenbury entwickelte ebenfalls einen Code of Best Practice für die Festlegung der Vorstandsbezüge bei public companies. Dieser ist als Teil des im Juli 1995 veröffentlichten Kommissionsberichts erschienen (S. 13-18): Directors‘ Remuneration: Report of a Study Group chaired by Sir Richard Greenbury (London, 1995); abrufbar unter: http://www.ecgi.org/ codes/all_codes.php. 118 Committee on Corporate Governance: Final Report (London, 1998), seitdem als Hampel Report bezeichnet und im Internet unter http://www.ecgi.org/codes/all_codes.php abrufbar. 119 Oft zitiert wird in diesem Zusammenhang die Ziffer 2.1 des Hampel Report betreffend die Richtlinien des Cadbury Code: „With guidelines, one asks ‘How far are they complied with?’; with principles, the right question is ‘How are they applied in practice?’“. 120 Combined Code – Principles of Good Governance and Code of Best Practice. 121 s. Hampel Report, 2.1-2.8, 3. 122 Nach Combined Code 1998, A.3.2. bedeutet dies: „independent of management and free from any business or other relationship which could materially interfere with the exercise of their independent judgment.“
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
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Die Kontrollfunktion umfasst in diesem Falle zusätzlich auch die Aufsicht über die Organtätigkeit der executive directors. Sowohl executive directors als auch NEDs sollen weiterhin den gleichen Rechtspflichten unterworfen sein. Jede Gesellschaft soll einen Rechnungsprüfungs-, einen Vergütungs- und einen Nominierungsausschuss einrichten, die jeweils ausschließlich oder mehrheitlich aus NEDs besteht. Die Personenidentität zwischen dem Board-Vorsitzenden (chairman) und dem geschäftsführenden Direktor (chief executive officer, CEO) soll grundsätzlich vermieden werden. Abweichungen von dieser Regel bedürfen einer öffentlichen Rechtfertigung durch die Gesellschaft. Der Vorsitzende muss kein NED sein, jedoch soll die Gesellschaft zumindest einen unabhängigen senior non-executive director bestimmen, an den sich die Aktionäre wenden können. Entscheidungen, für die nur der board zuständig ist, sollen in einem formalen Katalog zusammengefasst werden. Das Management soll dafür Sorge tragen, dass der board zu jeder Zeit mit angemessenen und aktuellen Informationen versorgt wird, wobei die NEDs sowohl Zugang zu internen Quellen als auch zu externen Beratern erhalten sollen.
Bei allen drei committees handelte es sich nicht um Regierungskommissionen, vielmehr um Expertengremien mit Vertretern aus den Bereichen Arbeitnehmerorganisationen, Management, Wirtschaftsprüfer, institutionelle Anleger und Londoner Börse. Dementsprechend erfolgte die Umsetzung der Reformvorschläge außergesetzlich, indem zunächst die Codes of Best Practice und dann der Combined Code Bestandteil der Börsenzulassungsregeln (listing rules) wurden. Nach dem Grundsatz „comply or explain“ haben die an der London Stock Exchange notierten (listed) Gesellschaften seitdem als Teil des Jahresabschlusses eine Entsprechenserklärung abzugeben bzw. die Nichtbefolgung der Verhaltensregeln zu begründen.123 Die London Stock Exchange fungierte dabei zunächst als Selbstregulierungsstelle, bis ihr der Status der Wertpapieraufsichtsbehörde (UK Listing Authority, UKLA) verliehen wurde, der anschließend auf die Financial Services Authority (FSA)124 überging. Seitdem sind die ___________ 123
Listing Rules, 9.8.6 (5), (6). Die FSA entstand, als die Bankenaufsicht und die Regulierung des Investmentgeschäfts auf eine einheitliche Regulierungsbehörde für Finanzdienstleistungen, den Securities and Investments Board (SIB), übertragen wurden, welcher anschließend im Oktober 1997 in Financial Services Authority (FSA) umbenannt wurde. Mit Wirkung zum 1. Mai 2000 wurde der FSA durch Verordnung (Official Listing of Securities [Change of Competent Authority] Regulations 2000) der Status der Börsenaufsichtsbehörde (United Kingdom’s competent authority to decide on the admission of securities to the Official List, meist als UK Listing Authority oder UKLA bezeichnet) verliehen. Weitere Aufga124
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Listing Rules als „weiche“ (soft) sekundäre staatliche Regulierung mittels „Empfehlungen“ (recommendations) anzusehen.125 Einzig verpflichtend ist somit die Offenlegungsregel, die aber mittels strenger Sanktionen effektiv durchgesetzt werden kann.126
3. Higgs Report und Combined Code 2003 Der neueste soft law-Vorstoß im Board-Bereich und zugleich eine von vielen sog. „post-Enron initiatives“ waren die im Januar 2003 vom DTI veröffentlichten, auf Rolle und Effizienz der NEDs fokussierten Berichte von Derek Higgs und Sir Robert Smith.127 Sie führte trotz einigen Widerstandes in Wirtschaftskreisen128 nach Prüfung durch den Financial Reporting Council (FRC)129 zu den radikalsten Änderungen in der Geschichte des Combined Code mit Wirkung für alle Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. November 2003 angefangen haben. Die erwarteten Wirkungen des Combined Code 2003130 werden vor allem als Verschiebung der boardinternen Machtbalance zugunsten von unabhängigen non-executive directors zusammengefasst.131 Als Erstes ist aber auf wichtige Neuerungen formeller Art hinzuweisen: Um die mutigen Reformvorschläge des Higgs Report im Laufe des turbulenten Konsultationsprozesses aufrechterhalten zu können, hat sich der FRC für eine neue Regelungstechnik und damit für eine neue Struktur des Code entschieden. Die bisherigen Vorschriften (provisions) und Hauptprinzipien (main principles) wurden um die Kategorie der Hilfsprinzipien (supporting principles) ergänzt. Dabei gilt nur für die Vorschriften der „comply or explain“-Grundsatz in seiner reinen Form, sodass die Unternehmen entweder die Befolgung oder die Nicht___________ ben wurden der FSA durch den Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA 2000) zugewiesen, der am 1.12.2001 in Kraft getreten ist. Siehe dazu: http://www.fsa.gov.uk. 125 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 45 f., 49, 322 f. 126 Die Sanktionen reichen von Bußgeldern für die Company und ihre Direktoren, über Anträge der FSA auf Unterlassung bzw. Rückerstattung, bis hin zum Delisting; Section 91, Part XXV und Section 77 FSMA 2000. 127 Derek Higgs, Review of the Role and Effectiveness of Non-Executive Directors (London: DTI, Januar 2003); abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/cld/ non_exec_review; (Higgs Report); Sir Robert Smith, Audit Committees – Combined Code Guidance (London: FRC, Januar 2003); abrufbar unter http://www.ecgi.org/codes/ all_codes.php. 128 s. (2003) 12 Company Secretary 1, 8; Financial Times v. 21.1.2003, S. 19; 5.2.2003, S. 16; 5.3.2003, S. 23; 27.3.2003, S. 10. 129 Der FRC ist das für die Überwachung des Combined Code zuständige Gremium. 130 The Combined Code on Corporate Governance (23. Juli 2003); abrufbar unter http://www.frc.org.uk/corporate/combinedcode.cfm. 131 Financial Times v. 18/19.1.2003, S. 1.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
befolgung erklären und nur im letzteren Falle eine Erklärung beifügen müssen. Beide Arten von Prinzipien verlangen hingegen lediglich eine Beschreibung der Art und Weise ihrer Befolgung (narrative explanation of compliance), die in Form und Inhalt dem Ermessen des Unternehmens unterliegt.132 Das geringere Maß an Verbindlichkeit ließ die Prinzipien folglich als geeigneten Ort für die umstrittenen Vorschläge des Higgs Report erscheinen, von denen sich viele nunmehr in den 21 neuen Hilfsprinzipien, neben den bisherigen 14 Prinzipien, wiederfinden. Vom FRC als Kompromiss gefeiert, stößt die Neuordnung bei den Betroffenen indes auf Widerstand, ist doch die von den Prinzipien verlangte Beschreibung in jedem Falle, also auch bei deren vollständiger Befolgung abzuliefern. Dies erhöhe deutlich den Publizitätsaufwand und ersetze das „comply or explain“ durch ein „explain and explain“ System.133 Inhaltlich wurden die Standards insbesondere in folgenden Punkten klargestellt bzw. angehoben.
a) Zahl und Unabhängigkeit der non-executive directors Mindestens die Hälfte der Board-Mitglieder sollen unabhängige (independent) non-executives sein,134 wobei die Unabhängigkeit nach einer neuen, strengeren Definition beurteilt wird: A non-executive director is considered independent when the board determines that the director is independent in character and judgment and there are no relationships or circumstances which could affect, or appear to affect, the director’s judgment.135
Als Beispiele für entsprechende Umstände nennt der Combined Code 2003 • die Eigenschaft als (früherer) Arbeitnehmer/Angestellter der company, wenn seit Ende des Arbeits- /Anstellungsverhältnisses weniger als fünf Jahre vergangen sind, • eine wesentliche (indirekte) Geschäftsbeziehung zur company während der letzten drei Jahre, • eine zusätzliche Vergütung seitens der company abgesehen von dem Direktorengehalt, die Teilnahme an einem Aktienoptionsprogramm der ___________ 132
Combined Code 2003, Preamble, 4. Financial Times v. 25.7.2003, FT.com-Archiv. 134 Higgs Report, 9.5. Nach dem Combined Code 2003, A.3.2 gilt dies aber nicht für kleinere Gesellschaften unterhalb des FTSE 350. Diese sollen mindestens zwei unabhängige NEDs haben. Für größere Gesellschaften ist die 50:50-Relation schon hingegen schon seit Jahren gängige Praxis; s. Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 223. Für einen globalen Trend in diese Richtung Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (455 f.). 135 Higgs Report, 9.14; Combined Code 2003, A.3.1. 133
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company, leistungsabhängige Vergütung und Ansprüche aus der unternehmenseigenen Rentenversicherung, enge familiäre Beziehungen zu einem der Direktoren, Berater oder leitenden Angestellten, Überkreuzmandate (cross-directorships) oder sonstige wesentliche Verbindungen zu anderen Direktoren, die Eigenschaft als Repräsentant eines bedeutenden Aktionärs, über 10-jährige Board-Mitgliedschaft.
Um unverhältnismäßige Ergebnisse zu vermeiden, begründet dieser Katalog aber lediglich die Vermutung der Abhängigkeit, die vom Board im Einzelfall widerlegt werden kann („comply or explain approach“). Da auch der chairman im Zeitpunkt seiner Ernennung unabhängig sein soll,136 werden die NEDs nunmehr die dominante Kraft im Board sein. Der Report plädiert jedoch zugleich für eine weiterhin starke Vertretung geschäftsführender Angestellter im Board,137 was einen signifikanten Anstieg der durchschnittlichen Board-Größen befürchten lässt.138 Die Posten des chief executive und des chairman sollen wie bisher getrennt sein und nicht mit einer Person besetzt werden.139 Insbesondere soll ein scheidender chief executive nicht auf die Position des Board-Vorsitzenden wechseln, es sei denn, dass dies ausnahmsweise unter Angabe von Gründen und nach Absprache mit den Hauptaktionären vom Board gewünscht wird.140 Die NEDs sollen als eigene Gruppe mindestens einmal im Jahr ein Treffen abhalten, bei dem weder die executives noch der chairman anwesend sind141 – eine Regelung, bei der sich die Idee der funktionalen Konvergenz der Systeme geradezu aufdrängt.
b) Qualifikation und Bestellung der non-executive directors Die Vorschläge für die Wahl neuer Direktoren sollen von einem nomination committee gemacht werden, das mehrheitlich mit unabhängigen non-executive ___________ 136 137
8.6. 138
Combined Code 2003, A.2.2, A.3.1 Fn. 6; Higgs Report, 5.8. Combined Code 2003, A.3, Main Principle, Supporting Principles; Higgs Report,
Hirt [2003] ICCLR 261 (268 ff.). Combined Code 2003, A.2.1; Higgs Report, 5.3. 140 Combined Code 2003, A.2.2. Der Higgs Report, 5.7 plädierte noch für ein absolutes Verbot, scheiterte damit aber am Widerstand der betroffenen Wirtschaftskreise, insbesondere der Banken. 141 Combined Code 2003, A.1.3; Higgs Report 8.8. 139
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
directors besetzt ist und von einem solchen bzw. vom chairman des Board geleitet wird.142 Zusammen mit der Vorgabe, dass die audit und remuneration committees ausschließlich mit unabhängigen NEDs besetzt sein sollen,143 ist auch hier die Tendenz hin zu einem reinen Aufsichtsgremium unverkennbar.144 Potentielle NED-Kandidaten sollen die Gesellschaft einer sorgfältigen Prüfung im Hinblick darauf unterziehen, ob sie ihr mit ihren Kenntnissen, Fähigkeiten, Erfahrungen und zeitlichen Möglichkeiten gewachsen sind (preappointment due diligence).145 Vollzeit beschäftigte executives sollen nicht mehr als ein NED-Mandat sowie keinen Vorsitz in einer Gesellschaft des FTSE 100 übernehmen. Niemand soll chairman in mehr als einer solchen Gesellschaft sein.146 Eine generelle Beschränkung der Zahl der wahrgenommenen NED-Mandate ist nicht vorgesehen. Die Betroffenen sollen bei Amtsantritt aber versichern, dass sie genügend Zeit haben werden, um den an sie gestellten Anforderungen zu entsprechen.147 Die Amtszeit soll nur nach besonders strenger Prüfung über zwei dreijährige Amtsperioden hinaus verlängert werden, wobei der NED nach neun Jahren jährlich wiedergewählt werden muss und nach mehr als 10 Jahren jedenfalls nicht mehr als unabhängig gilt. 148
c) Vergütung der non-executive directors Die Höhe der NED-Vergütung soll auch für hochqualifizierte Kandidaten attraktiv sein und ihren Aufwand angemessen kompensieren.149 Sie soll Aktien, jedoch keine Aktienoptionen beinhalten, es sei denn, dass letztere mit vorheriger Zustimmung der Aktionäre gewährt und die daraus stammenden Aktien frühestens ein Jahr nach Ausscheiden aus dem Board veräußert werden.150 ___________ 142
Combined Code 2003, A.4.1, der den Vorsitz des Chairman of the Board aber für den Fall ablehnt, dass über dessen Nachfolge entschieden wird; gänzlich gegen den Vorsitz des Chairman of the Board im Nomination Committee noch der Higgs Report, 10.9. 143 Combined Code 2003, B.2.1; C.3.1; Higgs Report, 13.7, 13.11. 144 Kritisch Financial Times v. 7.4.2003, S. 20. 145 Combined Code 2003 – Related Guidance and Good Practice Suggestions, S. 69 f. 146 Combined Code 2003 A.4.3., A.4.5; Higgs Report, 12.19. 147 Combined Code 2003, A.4.5; Higgs Report, 12.13. 148 Combined Code 2003, A.7.2; strenger hier noch der Higgs Report 12.5 f., der eine mehr als sechsjährige Amtszeit nur ausnahmsweise und nur nach Angabe der Gründe gegenüber den Aktionären zulassen wollte. 149 Combined Code 2003, B.1, Main Principles; Higgs Report, 12.24. 150 Combined Code 2003, B.1.3; Higgs Report 12.26 f.
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d) Verantwortlichkeit der non-executive directors Der Higgs Report stärkt die Rolle des senior independent director, der als Ansprechpartner für die Aktionäre fungieren und an den Treffen des Managements mit den Hauptaktionären teilnehmen soll.151 Darüber hinaus sollen alle NEDs die Gelegenheit erhalten, an Meetings mit den Hauptinvestoren teilzunehmen und davon – jedenfalls wenn von den Investoren gewünscht – auch Gebrauch machen.152 Der Board soll seine eigene Leistung, sowie die Leistungen der Ausschüsse und der einzelnen Direktoren jährlich einer förmlichen, strengen Prüfung unterziehen und im Jahresabschluss darüber berichten.153
D. Vorstand der AG I. Das Aufsichtsratssystem im Wandel Das deutsche – aufgrund von § 23 V154 weitgehend zwingende – Aktienrecht stattet die Aktiengesellschaft mit drei notwendigen Organen aus, indem es neben der Hauptversammlung eine zweigliedrige, in Vorstand und Aufsichtsrat aufgeteilte Verwaltungsspitze vorsieht (Aufsichtsratssystem, two-tier-Modell, dualistisches System). Während dem Vorstand die Leitung der Gesellschaft obliegt (§ 76 I) und er das alleinige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ist (§§ 77, 78), hat der Aufsichtsrat als Kontrollorgan die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 I). Beide Funktionen sind in der Theorie sowohl personell (§ 105) als auch sachlich (§ 111 IV) strikt getrennt (Trennungsprinzip). 155 Dennoch besinnt man sich in der Praxis zunehmend auf das Bedürfnis für ein effizientes Zusammenspiel der beiden Organe. Dem trägt nun der neue DCGK Rechnung, indem er in seiner Präambel auf das übliche und notwendige Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat hinweist und den Grundsatz in seiner Ziff. 3.1 („Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen.“) als eine zutreffende Wiedergabe des geltenden ___________ 151
Combined Code 2003, A.3.3., D.1.1; Higgs Report, 7.4 f. Combined Code 2003, D.1.1. 153 Combined Code 2003, A.6.1, Main Principle A.6. 154 Alle folgenden Paragraphenangaben ohne Gesetzesbezeichnung, die in Bezug auf die Aktiengesellschaft gemacht werden, betreffen das Aktiengesetz. 155 Der Grundsatz, dass der Aufsichtsrat zur Geschäftsführung nicht befugt ist, wird vom Gesetz nur punktuell durchbrochen, indem dem Organ die Personalhoheit über den Vorstand zugewiesen (§ 84), die Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses übertragen (§ 172) sowie das Recht eingeräumt wird, bestimmte Arten von Geschäften des Vorstands einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen (§ 111 IV 2). 152
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Rechts betrachtet. Konkretisiert wird die Zusammenarbeit u.a. durch die Abstimmung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens (3.2), die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten zugunsten des Aufsichtsrats für wichtige Geschäfte (3.3), die ausreichende Informationsversorgung des Aufsichtsrats (3.4.), eine offene inter- und intraorganschaftliche Diskussion (3.5), die gemeinsame Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot (3.7) sowie die Empfehlung an die beiden Organe, jährlich gemeinsam im Geschäftsbericht über die Corporate Governance des Unternehmens zu berichten und dabei die Abweichungen vom Kodex zu erläutern (3.10).
II. Bestellung, Abberufung und Verfahren Der Vorstand kann gem. § 76 II 1 aus einer oder mehreren Personen bestehen. Nur bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er gem. II 2 bei Fehlen einer anderslautenden Satzungsregelung aus mindestens zwei Personen zu bestehen. Für alle börsennotierten Gesellschaften empfiehlt der DCGK allerdings ebenfalls einen mehrköpfigen Vorstand (Ziff. 4.2.1). Bei Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, lässt § 76 II 3 schließlich die Bestellung eines gleichberechtigten Arbeitsdirektors (§§ 13 MontanmitbestG, 33 MitbestG) zu, neben dem nach überwiegender Ansicht noch mindestens ein weiteres Vorstandsmitglied vorhanden sein muss.156 Vorstandsmitglied kann gem. § 76 III 1 nur eine natürliche,157 unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, nicht jedoch ein unter Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) stehender Betreuter (III 2). Von der Amtsausübung sind ferner – für die Dauer von fünf Jahren nach Rechtskraft des Urteils – Personen ausgeschlossen, die wegen einer Insolvenzstraftat (§§ 283-283d StGB) verurteilt worden sind, § 76 III 3. Wem durch gerichtliches Urteil oder Behördenentscheidung die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes untersagt worden ist, kann während der Verbotsdauer ebensowenig bei einer Gesellschaft Vorstandsmitglied sein, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Verbotsgegenstand übereinstimmt, § 76 III 4.158 Im Übrigen setzt das Gesetz aber keine besonderen persönlichen Qualifikationen, wie z. B. die deutsche ___________ 156
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 15. Allgemein geltender Grundsatz für Gesellschaftsorgane, der die notwendige persönliche und strafrechtliche Verantwortung des Amtsinhabers gewährleistet; s. Voormann, Der Beirat, S. 136; Fleischer, RIW 2004, 16 ff.; kritisch zuletzt J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387 (420 f.) unter Hinweis auf das englische Recht, ohne jedoch dessen neueste Tendenzen zu berücksichtigen. 158 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Abs. 3 S. 3 bei Stein, AG 1987, 165; KKMertens, § 76 Rn. 106. 157
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Staatsangehörigkeit, voraus. Insbesondere gilt der für Großunternehmen vorteilhafte Grundsatz der Fremd- oder Drittorganschaft, wonach Vorstandsmitglieder nicht Aktionäre der Gesellschaft sein müssen, die wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens also professionelle, externe Manager mit der heutzutage komplexen Leitungsaufgabe betrauen können. Jedoch können persönliche (z. B. Fachausbildung) oder sachliche (z. B. Aktieninhaberschaft) Eignungsvoraussetzungen durch Satzung festgelegt werden, solange sie den Aufsichtsrat in seiner Wahlfreiheit nicht unangemessen einschränken. Zu weit gehen daher zwingende Vorschlagsrechte bzw. Zustimmungsvorbehalte zugunsten der anderen Unternehmensorgane oder zugunsten Dritter.159 Auch sonst werden die Bestellungsakte durch Verstoß gegen entsprechende Satzungsvorschriften jedoch nicht unwirksam. Nach dem DCGK soll eine Altersgrenze festgelegt werden (Ziff. 5.1.2). Die Vorstandsmitglieder werden gem. § 84 I 1 auf höchstens fünf Jahre vom Aufsichtsrat bestellt.160 Die amtierenden Vorstandsmitgliedern sind für die Bestellung insofern mitverantwortlich, als sie den Aufsichtsrat auf eventuelle Bedenken hinsichtlich eines der neuen Kandidaten hinzuweisen haben.161 Nach einer Empfehlung des DCGK soll die maximale gesetzliche Bestelldauer bei Erstbestellungen nicht die Regel sein (Ziff. 5.1.2). Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist gem. Abs. 1 S. 2 zulässig.162 Verboten ist gem. Abs. 1 S. 3 und 4 unter Umgehungsgesichtspunkten die vorfristige Verlängerung über die Frist hinaus. Der DCGK fügt allerdings hinzu, dass eine Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen soll (Ziff. 5.1.2).163 Zum Ermessensspielraum des Aufsichtsrats gehört auch ein Verzicht auf die Wiederwahl, sodass eine Verlängerungszusage durch Vertrag zwischen dem Vorstandsmitglied und einem Aktionär gem. §§ 134, 138 BGB nichtig ist.164
___________ 159 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 333; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 31. 160 Zu dem Wahlmodus in mitbestimmten Gesellschaften s. §§ 27, 31 MitbestG; Nur der Arbeitsdirektor kann in Gesellschaften, auf die § 13 MontanmitbestG Anwendung findet, nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gewählt werden (vgl. andererseits § 13 MitbestErgG und § 33 MitbestG). 161 BGHZ 15, 71 (78); KK-Mertens, § 93 Rn. 45. 162 s. dazu BGHZ 10, 187 (195). 163 Damit soll dem zunehmend populären „Trick“ entgegengewirkt werden, dass das Vorstandsmitglied im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat sein Mandat niederlegt, um sogleich von diesem für eine volle Amtsperiode wiederbestellt zu werden; s. Peltzer, JuS 2003, 348 (350) und FAZ v. 17.10.2001 S. 32. 164 BGHZ 3, 90 (93 f.).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Unter mehreren Vorstandsmitgliedern kann der Aufsichtsrat eines zum Vorsitzenden ernennen (§ 84 II), andernfalls steht es dem Vorstand frei, aus seiner Mitte einen oder mehrere Sprecher zu bestimmen.165 Von einer dieser Alternativen Gebrauch zu machen, wird börsennotierten Gesellschaften nunmehr von Ziff. 4.2.1 DCGK empfohlen. Der Vorstandsvorsitzende hat u.a. die Aufgabe, die Sitzungen des Gremiums zu leiten, und ist formell „der erste Mann im Unternehmen“.166 Der Widerruf der Bestellung, also die Abberufung, steht gem. § 84 III 1 nur dem Aufsichtsrat und nur aus wichtigem Grund zu, also laut Satz 2 beispielsweise im Falle grober Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder bei Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, solange dieser nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt. Ansonsten liegt ein wichtiger Grund dann vor, wenn der Gesellschaft die Fortführung des Amts bis zum Ablauf der Amtsperiode nicht mehr zuzumuten ist, was anhand der Umstände des Einzelfalles und der Aufgaben des Vorstandsmitglieds zu beurteilen ist, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist.167 Auch dann muss aber immer noch der Aufsichtsrat nach eigenem Ermessen entscheiden, ob die Abberufung dem Unternehmensinteresse entspricht.168 Neben der Abberufung kann das Amt auch durch Niederlegung enden. Diese ist unproblematisch, sofern ein wichtiger Grund gegeben ist, nach richtiger Ansicht aber auch sonst möglich, wenn auch hier eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Anstellungsvertrages vorliegen kann.169 Schließlich ist jederzeit ein einvernehmliches Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds möglich, an dem die Gesellschaft durch Aufsichtsratsbeschluss mitwirkt.170 Der Vorstand kann sich gem. § 77 II einstimmig eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlass der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder dieser eine solche erlässt. Jedenfalls der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft muss eine Geschäftsordnung haben, die Geschäftsverteilung und Zusammenwirken im Gremium regelt, wenn er der Empfehlung in Ziff. 4.2.1 DCGK entsprechen will.
___________ 165
Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (517 f.). Bezzenberger, ZGR 1996, 661; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 15. 167 BGH BB 1970, 1460 (1461). 168 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 140 f.; KK-Mertens, § 84 Rn. 93, 104; anders aber Hüffer, AktG, § 84 Rn. 26; MüHdbAG-Wiesner, § 20 Rn. 50. 169 BGHZ 78, 82 (87 f.); BayObLG ZIP 1999, 1599 (GmbH); KK-Mertens, § 84 Rn. 163; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 44. 170 BGHZ 79, 38 (43 f.); OLG Karlsruhe AG 1996, 224 (227). 166
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III. Rechtsstellung Der Vorstand ist das alleinige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan (§§ 77, 78) der AG, die er unter eigener Verantwortung, also unabhängig von Hauptversammlung und Aufsichtsrat,171 zu leiten hat (§ 76 I). Grundsätzlich sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt (Gesamtgeschäftsführung, § 77 I 1), wovon aber gem. Satz 2 durch Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstandes abgewichen werden kann und was in der Praxis oft derart geregelt wird, dass jedem Vorstandsmitglied ein bestimmter Aufgabenbereich zugewiesen wird und der Gesamtvorstand nur noch die Grundentscheidungen trifft.172 Lediglich dem Arbeitsdirektor steht innerhalb des Personal- und Sozialwesens ein zwingender, gesetzlicher Kompetenzbereich zu, dessen Grenzen im Einzelnen jedoch noch umstritten sind.173 Unzulässig ist gem. Satz 2, 2. Halbsatz allerdings eine Regelung, nach der ein oder mehrere Vorstandsmitglieder bei Meinungsverschiedenheiten im Gremium gegen die Mehrheit entscheiden (Kollegialprinzip). Daraus folgt, dass es grundsätzlich unbedenklich ist, dem Vorstandsvorsitzenden durch Satzung den Stichentscheid bei Stimmengleichheit zuzuweisen, sofern der Zuständigkeitsbereich des Arbeitsdirektors nicht angetastet wird.174 Eine Ausnahme hat aber für den zweigliedrigen Vorstand zu gelten, bei dem die Gleichberechtigung der Mitglieder Einbußen bei der Funktionsfähigkeit des Gremiums rechtfertigt.175 Problematischer ist hingegen das Vetorecht des Vorsitzenden gegenüber den Mehrheitsbeschlüssen des Kollegiums. Einige halten ein solches für zulässig, solange es dem Vorsitzenden lediglich ermöglicht, eine Maßnahme zu Fall zu bringen, da dies gerade dem Wesen der Gesamtgeschäftsführung entspreche. Nur die positive Durchsetzung von Maßnahmen, die die Mehrheit blockiert, sei abzulehnen.176 Enthält die Satzung keine Vertretungsregelung, so sind gem. § 78 II sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt (Gesamtvertretung). Zulässig sind nach Abs. 3 aber auch die Einzelvertretung sowie die in der Praxis übliche echte oder unechte Gesamtvertretung (durch zwei Vorstandsmitglieder bzw. gemischt mit einem Prokuristen). Die in Großunternehmen notwendige Arbeitsteilung wird häufig sogar die Weiterde___________ 171
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 10. s. u., 3. Kapitel, B. I. 3. e) aa). 173 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 22. 174 BGHZ 89, 48 (59). 175 OLG Hamburg, AG 1985, 251; KK-Mertens, § 77 Rn. 9; a.A. K. Schmidt, GesR, § 28 II 3 a); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 16. 176 Hüffer, AktG, § 77 Rn. 12; KK-Mertens, § 77 Rn. 11; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 17; a.A. Bezzenberger, ZGR 1996, 661 (665 ff.). 172
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
legation der Vertretungsbefugnisse an Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte erfordern.177 Die Befugnis zu passiver Vertretung steht gem. § 78 II 2 automatisch jedem einzelnen Vorstandsmitglied zu. Die Vertretungsbefugnis ist gem. § 82 I nicht beschränkbar. Mittelbare Beschränkungen ergeben sich nur aus den Zustimmungsvorbehalten der §§ 114 I, 179a, 293 AktG und 13, 125 UmwG. Eine Besonderheit gilt für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern selbst: diese wird zweckmäßigerweise dem Aufsichtsrat zugewiesen (§ 112).
IV. Anstellungsvertrag Von den körperschaftlichen Akten der Bestellung und Abberufung als Gesellschaftsorgan ist der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds mit der Gesellschaft zu unterscheiden (sog. Trennungstheorie), der nach ständiger Rechtsprechung als Dienstvertrag (§ 611 BGB) qualifiziert wird, der eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) zum Gegenstand hat.178 Der Zusammenhang beider Rechtsakte wird indes darin deutlich, dass der Anstellungsvertrag erst mit der erfolgreichen Bestellung wirksam wird und nur für die Dauer der Amtsperiode wirksam bleibt, ggf. mit der Option auf Fortgeltung im Falle einer Verlängerung der Amtszeit (§ 84 I 5).179 Beim Vertragsschluss wird die AG vom Aufsichtsrat (§ 112) oder einem Aufsichtsratsausschuss (Umkehrschluss aus § 107 III 2) vertreten, welcher jedoch den Entscheidungsspielraums des Gesamtorgans in der Frage der Bestellung nicht beschränken darf.180 Der Anstellungsvertrag ist nach überwiegender Ansicht kein Arbeitsvertrag.181 Die meisten arbeitsrechtlichen Normen sind schon kraft gesetzlicher Anordnung nicht direkt auf Vorstandsmitglieder anwendbar.182 In Bereichen, in denen diese besonders schutzwürdig sind, kommt allerdings eine analoge Anwendung in Betracht.183 Die Beendigung des Anstellungsvertrages erfolgt aufgrund der Trennungstheorie nicht automatisch mit der Abberufung als Vorstandsmitglied und bedarf ___________ 177
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 19. BGHZ 10, 187 (191). Die Rechtsprechung weist jedoch auf einen engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zwischen den beiden Akten hin (BGHZ 78, 82 (84 ff.); 79, 38 (41); 89, 48 (52)), während Baums (Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff.) sogar von einem einheitlichen Rechtsverhältnis ausgeht, das erst in der praktischen Anwendung aufzuspalten ist. 179 KK-Mertens, § 84 Rn. 50; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 47. 180 BGHZ 79, 38 (42). 181 BGHZ 10, 187 (191); 79, 291 (292). 182 s. z. B. §§ 5 II Nr. 1 BetrVG, 5 I 3 ArbGG. 183 Vgl. z. B. §§ 622, 630 BGB und 7, 17 I BetrAVG; s. dazu BGHZ 79, 291 (292 ff.); 78, 73 (79). 178
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grundsätzlich einer Kündigung.184 Denkbar und in der Praxis verbreitet ist aber auch eine Verknüpfung des Anstellungsvertrages mit der Organstellung, indem vereinbart wird, dass der Vertrag mit der Abberufung endet. Der BGH sieht darin weder einen Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz noch eine unbefugte Ausdehnung der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten und verlangt lediglich die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist als Übergangszeit.185 Bei Fehlen einer solchen Vereinbarung muss immer geprüft werden, ob die Abberufungserklärung nicht gleichzeitig als Erklärung einer – ordentlichen oder außerordentlichen – Kündigung auszulegen ist. Nur wenn dies abgelehnt wird, bleibt der Vertrag bis zum Ende der Amtszeit wirksam mit der Folge, dass der Betroffene zwar keine Dienstleistungen mehr schuldet, seinen Vergütungsanspruch jedoch behält186 und weiterhin keinen Wettbewerb mit der AG aufnehmen darf.187 Möglich bleibt in jedem Falle ein einvernehmliches Ausscheiden, das dem Vorstandsmitglied oft durch eine großzügige Abfindung erleichtert wird. Für eine ordentliche Kündigung gelten die Fristen des § 621 Nr. 3 BGB.188 Die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB setzt einen wichtigen Grund voraus, dessen Definition noch strenger ist als die des § 84 III 1 und die verlangt, dass der AG nicht nur die weitere Tätigkeit, sondern auch die Bezahlung bis zum Ende der Amtszeit nicht mehr zugemutet werden kann.189
V. Leitung der Aktiengesellschaft gem. § 76 I AktG Gem. § 76 I hat der Vorstand die Gesellschaft190 unter eigener Verantwortung zu leiten. Leitung ist dabei mehr als die bloße Wahrnehmung der Geschäftsführungs- und Vertretungsfunktion (§§ 77 I, 78 I). Der Leitungsauftrag macht den Vorstand vielmehr zum eigentlichen Unternehmer im Gefüge der Organisation, der Geschäftsziele, die Richtlinien der Unternehmenspolitik, die Unternehmensorganisation und die Grundsätze der inneren Führung festlegt, sowie die geschäftlichen Initiativen ergreift und entstehende Geschäftschancen ___________ 184 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 55; a.A. Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 290 ff. 185 BGH BB 1989, 1577 (1578 f.). 186 BGH NJW 1978, 756. 187 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 55. 188 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 181 f.; a.A. BGH BB 1989, 1577 (1578 f.) (§ 622 I 2 BGB). 189 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 176; KK-Mertens, § 84 Rn. 127. 190 Zum hier gleichbedeutenden Begriff des Unternehmens s. KK-Mertens, § 76 Rn. 6 ff.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
für das Unternehmen wahrnimmt.191 Zugleich übt er für die AG auch die Funktion des Arbeitgebers im Verhältnis zur Belegschaft und zu den betrieblichen Mitbestimmungsorganen aus.192 In Erfüllung seines Leitungsauftrags handelt der Vorstand unter eigener Verantwortung, also unabhängig von den Weisungen und vom Willen der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats.193 Insbesondere gegenüber den Aktionären kann insofern von einer „Verselbständigung der unternehmerischen Verantwortung der Verwaltung“ gesprochen werden.194 Die Hauptversammlung kann nicht als das oberste Organ der Aktiengesellschaft angesehen werden. Sie entscheidet nur in den durch Gesetz (insbesondere durch den Katalog des § 119 I) oder – aufgrund des Gesetzes – durch Satzung vorgesehenen Fällen (Enumerationsprinzip).195 Dazu gehören Satzungsänderungen, Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner, Verwendung des Bilanzgewinns, Maßnahmen der Kapitalerhöhung und -herabsetzung, Unternehmens- und Umwandlungsverträge. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung hingegen nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§§ 119 II, 111 IV 3). Ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand steht ihr dementsprechend nicht zu.196
E. Geschäftsführer der GmbH I. Die flexible Verfassung der GmbH Anders als bei der AG sieht die Verfassung der GmbH nur zwei notwendige Organe vor, und zwar die Gesamtheit der Gesellschafter, die grundsätzlich als Gesellschafterversammlung auftritt (§§ 45, 48197) und einen oder mehrere Geschäftsführer (§§ 6, 35 ff.). Ferner enthält das GmbHG keine dem § 23 V AktG entsprechende Vorschrift, sodass keine zwingende Kompetenzzuweisung an die Organe existiert. Vielmehr ermöglicht die Satzungsautonomie gem. § 45 I eine ___________ 191 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1, 13; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, S. 35 ff.; KK-Mertens, § 76 Rn. 4 ff.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 2 ff.; vgl. auch die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Leitungsbegriff bei Fleischer, ZIP 2003, 1 ff. 192 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1. 193 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1; s. dazu unten, 4. Kapitel, B. II. 3. 194 KK-Mertens, § 76 Rn. 9. 195 MüHdbAG-Semler, § 34 Rn. 9. 196 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1. 197 Alle folgenden Paragraphenangaben ohne Gesetzesbezeichnung, die in Bezug auf die GmbH gemacht werden, betreffen das GmbHG.
E. Geschäftsführer der GmbH
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flexible und vielgestaltige Führungsorganisation.198 Die Leitung der Gesellschaft kann demnach – je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages – den Geschäftsführern oder der Gesellschaftergesamtheit obliegen (§ 45), die zudem häufig personenidentisch sind. Die Gesellschaftergesamtheit ist jedoch das oberste Organ der GmbH und ihr „Entscheidungszentrum“, da sie mangels anderer gesetzlicher oder satzungsmäßiger Regelung über alle Angelegenheiten der Gesellschaft entscheiden und dem Geschäftsführer Weisungen erteilen kann (§§ 37 I, 45). Sie ist beispielsweise für die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entscheidung über die Ergebnisverwendung, die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie für die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung zuständig (§ 46 Nr. 1, 5, 6). Kraft Gesetzes steht ihr also schon die Finanz- und Personalpolitik zu, während sie durch Satzung auch weitere Fragen der Unternehmensstrategie und Geschäftsführung an sich ziehen kann.199 Ein Aufsichtsrat ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben, kann aber fakultativ durch Satzung eingerichtet und geregelt werden, mit nur hilfsweiser Geltung des Aktiengesetzes (§ 52). Üblich ist aber eher die Einrichtung eines Beratungs- und Entscheidungsgremiums in Form eines Gesellschafterausschusses, Verwaltungsrats oder Beirats. Nur in GmbHs, die der Mitbestimmung unterliegen, also vor allem in Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern, ist das Gremium zwingend vorgeschrieben und nach dem einschlägigen Mitbestimmungsstatut zusammenzusetzen. Ggf. ist ein Arbeitsdirektor zu bestellen. Somit lässt die Satzungsfreiheit einerseits eine starke Gesellschafterversammlung mit einem abhängigen, arbeitnehmerähnlichen Geschäftsführer zu, andererseits aber auch eine fast vollständige Übertragung der Gesellschafterrechte auf die Geschäftsführer, auf einen Aufsichtsrat bzw. Beirat, oder auf einzelne Gesellschafter im Wege von Sonderrechten. Auch hier behält die Gesellschafterversammlung jedoch eine Reservezuständigkeit für den Fall von Funktionsstörungen.200 Unübertragbar sind ferner die Kompetenzen für Satzungsänderungen, u.a. die Kapitalherabsetzung und -erhöhung, (§§ 53-59), die Einforderung von Nachschüssen (§ 26), die Auflösung der Gesellschaft (§ 60 I Nr. 2) sowie für Strukturänderungen gem. §§ 13, 50 ff., 125, 193, 226 ff. UmwG. Zwingend ist ebenfalls die dem Minderheitenschutz dienende Verfahrensvorschrift des § 50. Bei Gesellschaften mit einem obligatorischen, mitbestimmten Aufsichtsrat gelten für die Kompetenzabgrenzung weitgehend die zwingenden Regeln des AktG, was dem Geschäftsführer eine stärkere, unabhängigere Posi___________ 198
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 31 Rn. 1. Str., s. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8 einerseits und Baumbach/ Hueck/Zöllner, GmbHG, § 37 Rn. 6g andererseits; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 31 Rn. 2. 200 BGHZ 12, 337. 199
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
tion verleiht. In der Praxis kommt schließlich häufig die Erscheinungsform der Einmann-GmbH vor, bei der die Kompetenzabgrenzung ohnehin fließend ist.201 Maßgeblich ist in jedem Falle zunächst die Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Nur wenn diese unergiebig ist, gilt hilfsweise das Regelungsmodell des Gesetzgebers aus den §§ 46-51.
II. Bestellung, Abberufung und Verfahren Als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan hat die GmbH einen oder mehrere Geschäftsführer zu bestellen (§§ 6 I, 35 I). Mindestens zwei Geschäftsführer sind jedoch erforderlich, wenn ein Arbeitsdirektor zu bestellen ist.202 Die Bestellung erfolgt entweder durch Satzung (Gesellschaftsvertrag), oder durch Gesellschafterbeschluss (§§ 6 III 2, 46 Nr. 5), für eine – vorbehaltlich einer anderen Satzungsregelung – unbeschränkte Zeitdauer. Da die Gesellschafterversammlung aufgrund der Satzungsfreiheit ihre Befugnisse weitgehend auf Aufsichtsräte, Beiräte u.ä. übertragen kann, wird die Personalkompetenz jedoch einschließlich des Abschlusses eines Anstellungsvertrags häufig bei einem solchen Gremium liegen. Lediglich eine Übertragung auf die vorhandenen Geschäftsführer selbst stünde der GmbH-Verfassung entgegen und ist somit unzulässig. Besonderheiten gelten hier aber wieder für mitbestimmte Gesellschaften, bei denen die Personalhoheit zwingend beim Aufsichtsrat verbleibt und die Amtsperiode entsprechend § 84 AktG maximal fünf Jahre beträgt.203 Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, mit Ausnahme eines Betreuten unter Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB (§ 6 II 1, 2). Ausgeschlossen sind Personen, die wegen eines Konkursdelikts (§§ 283 – 283 d StGB) verurteilt worden sind für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils (§ 6 II 3).204 Geschäftsführer kann ferner nicht sein, wem vom Gericht oder einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs bzw. Gewerbes untersagt worden ist für die Dauer der Untersagung, sofern der Unternehmensgegenstand mit dem Verbotsgegenstand auch nur teilweise übereinstimmt (§ 6 II 4).205 Möglich sind sowohl Selbst- als auch Fremdorganschaft (§ 6 III 1). Neben diesen gesetzlichen Ausschlussgründen kann der Gesellschaftsvertrag weitere Eignungsvoraussetzungen wie Al-
___________ 201
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 31 Rn. 3, 4. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 5. 203 § 31 I MitbestG i.V.m. § 84 AktG; anders hingegen § 1 I Nr. 3 DrittelbG. 204 Vgl. LG Köln NJW-RR 1995, 553. 205 Vgl. BayObLG GmbHR 1987, 20; OLG Frankfurt GmbHR 1994, 802. 202
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tersgrenzen, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie bzw. Gesellschaftergruppe oder Beurteilung durch einen Sachverständigen bzw. Beirat vorsehen.206 Die Abberufung ist jederzeit durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung zulässig (§§ 38 I, 46 Nr. 5). Diese kann ihre Befugnis aber auch durch Satzung auf einen Aufsichtsrat oder Beirat delegieren. Fehlt es an einer klaren Regelung, so ist das Bestellungsorgan zuständig.207 Anders als das AktG (§ 84 III) – welches auch für mitbestimmte GmbHs gilt – gibt das GmbHG hier dem Gesellschaftsinteresse Vorrang, indem es die Position des Geschäftsführers zur Disposition der Gesellschaftergesamtheit stellt. Als einzige Verteidigung verbleibt dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Möglichkeit, über die Abberufung selbst mit abzustimmen und diese ggf. zu verhindern.208 Ein Stimmrechtsausschluss analog § 47 IV kommt hier nämlich nur bei der Abberufung aus wichtigem Grund in Betracht.209 Die Satzung kann die Abberufungsfreiheit jedoch deutlich einschränken, indem sie das Amt auf Lebenszeit oder bis zum Erreichen einer bestimmten Altersgrenze verleiht. Die äußerste Grenze bildet gem. § 38 II jedoch das Vorliegen eines wichtigen Grundes,210 wobei die Satzung diesen weder besonders eng definieren noch eine qualifizierte Mehrheit verlangen darf.211 An dieser schwachen Stellung des Geschäftsführers wird die Bedeutung des Sonderrechts auf Geschäftsführung deutlich, welches eine Abberufung nur mit Zustimmung des Betroffenen oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässt.212 Das Amt kann auch durch Niederlegung enden, die keines wichtigen Grundes bedarf und fristlos, jedoch nicht zur Unzeit und auch dann nicht erfolgen darf, wenn sie eine Notlage der Gesellschaft zur Folge hätte.213
___________ 206
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 10. OLG Düsseldorf WM 1990, 265 (267). 208 BGHZ 18, 205 (210). 209 BGHZ 86, 177 (178 f.); 97, 28 (33). Zu der umfangreichen Problematik der Rechtbehelfe, mit denen das Vorliegen eines wichtigen Grundes und somit die Zulässigkeit seiner Stimmabgabe vom Geschäftsführer gerichtlich überprüft werden können s. statt vieler Baumbach/Hueck/Zöllner, § 38 Rn. 26 m. w. N. 210 BGH ZIP 1992, 760; LG Karlsruhe GmbHR 1998, 684 (685); OLG Hamm GmbHR 1985, 119 (Belegfälschung); OLG Düsseldorf WM 1992, 14 (Bilanzfälschung); OLG Stuttgart GmbHR 1995, 229 (230) (tätlicher Angriff). Vergleiche im Übrigen die Ausführungen zu § 84 III AktG mit dem Unterschied, dass der Vertrauensentzug durch die Gesellschafter bei der GmbH keinen wichtigen Grund darstellen kann. Andernfalls würde der Unterschied zur ordentlichen Abberufung durch Mehrheitsbeschluss aufgehoben; s. BGH NJW 1960, 628. 211 BGHZ 86, 177 (179). 212 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 56. 213 BGHZ 78, 82 (92); 121, 257; OLG Koblenz GmbHR 1995, 731. 207
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Entsprechend ihrer starken Stellung ist die Gesellschafterversammlung grundsätzlich dazu befugt, im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss über die Geschäftsverteilung unter den Geschäftsführern zu entscheiden und diesen eine Geschäftsordnung zu geben.214 Dabei ist es in Großunternehmen durchaus üblich, ein unabhängiges, dem Vorstand nachgebildetes „Geschäftsführerkollegium“ zu gestalten, das häufig sogar über einen entsprechenden, der AG entliehenen „Vorsitzenden“ verfügen wird. Die personalistische GmbH wird die Leitungsmacht hingegen eher den beteiligten Gesellschafterfamilien überlassen und die Geschäftsführer zu faktisch abhängigen, „leitenden Angestellten“ machen, bei denen sogar die teilweise analoge Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften gerechtfertigt erscheint.215
III. Rechtsstellung Die Geschäftsführer sind das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der GmbH (§§ 35 I, 37 I) und nehmen im Unternehmen die Funktionen des Unternehmers und des Arbeitgebers wahr. Sie leiten die Gesellschaft jedoch – anders als der Vorstand der AG – nicht unter eigener Verantwortung, sondern unterliegen den Beschränkungen durch den Gesellschaftsvertrag oder Beschlüsse (Weisungen) der Gesellschafter (§§ 37 I, 45, 46) und teilen sich die Leitungskompetenz mit diesen.216 Für den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis folgt daraus im Innenverhältnis, dass dieser je nach Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterbeschlüssen erheblich variieren kann. Zudem werden die Grundsätze der Unternehmenspolitik von den Gesellschaftern festgelegt, während der Geschäftsführer die entsprechenden Vorschläge auszuarbeiten, die Entscheidungen umzusetzen und sich im Übrigen um die Organisation und das Tagesgeschäft zu kümmern hat.217 Im Außenverhältnis ist die Vertretungsmacht der Geschäftsführer hingegen unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 37 II). Von der Vertretungsbefugnis ausgenommen sind aber Satzungsänderungen und Akte der internen Willensbildung. Dem steht § 37 II auch nicht entgegen, da er Dritte lediglich bei Verkehrsgeschäften und nicht bei gesellschaftsinternen Maßnahmen schützen will.218 Die Abgrenzung ist hier mitunter schwierig. So werden körperschaftliche Akte, wie die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, zwar un___________ 214
OLG Stuttgart GmbHR 1992, 48. s. u., 1. Kapitel, E. IV. 216 BGHZ 31, 258 (278); OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476 (1478); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 42. 217 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 42. 218 BGH ZIP 1997, 1419. 215
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problematisch der internen Willensbildung der Gesellschafter zugeordnet (§ 46 Nr. 5), ebenfalls in deren Kompetenz will die herrschende Ansicht aber die nach außen wirkende Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses fallen lassen.219 Ferner sind die Gesellschafter eindeutig für die prozessuale Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern zuständig (§ 46 Nr. 8). Für die Vertretung gegenüber ehemaligen Geschäftsführern sowie für „gewöhnliche Drittgeschäfte“ mit den Geschäftsführern, die nicht vom Anstellungsvertrag umfasst sind, soll es hingegen bei der Vertretung durch amtierende Geschäftsführer bleiben, da hierdurch nur das Außenverhältnis betroffen sei.220 Probleme bereitet die Abgrenzung ferner bei Geschäften der Gesellschaft mit einzelnen Gesellschaftern. Weitgehend anerkannt ist hier die Zuständigkeit der Geschäftsführer in den Fällen der §§ 15 V, 17 I, 33 und 34.221 Die Grundsätze der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung (§ 35 II 2) können ebenfalls durch Satzung oder Beschluss der Gesellschafterversammlung bzw. eines Aufsichtrats oder Beirats zugunsten einer praktikableren Geschäftsverteilung aufgehoben werden.222 Nur die Geschäftsführer selbst dürfen die der wechselseitigen Kontrolle dienende Gesamtvertretung nicht beseitigen.223 Denkbar ist eine Umwandlung in Einzelvertretung, Gesamtvertretung oder unechte Gesamtvertretung zusammen mit einem Prokuristen.224 Zur Passivvertretung ist schon kraft Gesetzes jeder einzelne Geschäftsführer ermächtigt (§ 35 II 3).
IV. Anstellungsvertrag Wie schon beim Vorstand ist auch beim Geschäftsführer neben dem körperschaftlichen Akt der Bestellung der schuldrechtliche Anstellungsvertrag zu unterscheiden, üblicherweise ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter (§§ 611, 675 BGB). Die überwiegende Ansicht lehnt es zugleich zu Recht ab, den Vertrag als Arbeitsvertrag zu qualifizieren. Der Geschäftsführer nehme Arbeitgeberfunktionen für die GmbH wahr und sei daher kein Arbeitnehmer.225 Das Gesetz selbst bestätigt dies, indem es die Anwendbarkeit wichtiger arbeits___________ 219
BGHZ 12, 337 (340); BGH GmbHR 1995, 373. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 16. 221 Lutter/Hommelhoff, § 35 Rn. 9; abweichend Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 49. 222 BGH GmbHR 1975, 201. 223 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 54; Lutter/Hommelhoff, § 35 Rn. 33; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 27; a.A. Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 35 Rn. 78. 224 BGHZ 13, 61 (64). 225 BGHZ 79, 291 (292); Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177. 220
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
rechtlicher Vorschriften ausdrücklich ausschließt.226 In bestimmten Fällen lassen sich eine besondere Schutzwürdigkeit der Geschäftsführer und somit ein Bedürfnis für die teilweise analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften allerdings nicht leugnen.227 Der Anstellungsvertrag wird durch Kündigung nach den §§ 620 ff. BGB beendet und nicht etwa automatisch durch das Ende der Amtsstellung, es sei denn, der Vertrag wurde unter der auflösenden Bedingung der Abberufung bzw. Amtsniederlegung geschlossen. Alternativ kann vereinbart werden, dass die beiden Fälle als Gründe für eine (fristlose) Kündigung gelten werden.228 Für die ordentliche Kündigung des faktisch unkündbaren, beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers gilt die Kündigungsfrist des § 621 BGB. Auf den arbeitnehmerähnlichen Geschäftsführer wendet der BGH hingegen § 622 BGB an, mit der Folge, dass die Kündigungsfrist mindestens vier Wochen beträgt und sich mit der Beschäftigungsdauer verlängert.229 Für die außerordentliche Kündigung gem. § 626 I BGB ist ein wichtiger, über § 38 II hinausgehender Grund erforderlich.
F. Aufsichtsrat der AG I. Bestellung, Abberufung und Verfahren Das obligatorische Kontrollorgan der AG setzt sich nach der Grundregel des § 95 S. 1 aus drei Mitgliedern zusammen, wobei es in der Praxis äußerst selten bei dieser Zahl bleiben kann. Die endgültige Zahl der Aufsichtsräte wird durch das einschlägige Mitbestimmungsstatut, die Satzung der AG, sowie durch die Höchstgrenzen des § 95 S. 2 bestimmt. Letztere betragen neun, fünfzehn oder einundzwanzig, je nachdem ob das Grundkapital der AG weniger als 1,5 Mio. EUR, zwischen 1,5 und 10 Mio. EUR, oder noch darüber liegt. In jedem Falle muss aber die durch Satzung festgelegte Zahl mit Rücksicht auf die mögliche Drittelbeteiligung von Arbeitnehmern durch drei teilbar sein (§ 95 S. 3). Im Einzelnen entspricht die Zusammensetzung des Gremiums gem. § 96 I einem der fünf denkbaren Mitbestimmungsmodelle und variiert zwischen der vollstän-
___________ 226
Vgl. §§ 14 I Nr. 1, 17 V Nr. 1 KSchG, 18 I Nr. 1 ArbZG, 5 II Nr. 1 BetrVG, 5 I 3, 22 II Nr. 2 ArbGG. 227 s. §§ 183 ff. SGB III; BGHZ 49, 30; BGH NJW 1990, 49; BAG GmbHR 1999, 816; Hachenburg/Ulmer/Stein, § 35 Rn. 172. 228 BGH ZIP 1999, 1669. 229 BGHZ 79, 291.
F. Aufsichtsrat der AG
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digen Besetzung mit Anteilseignervertretern und paritätischer Beteiligung der Arbeitnehmervertreter.230 Aufsichtsratsmitglied kann gem. § 100 I 1 nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, nicht jedoch ein unter Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) stehender Betreuter (I 2). Keinen Zugang zum Amt hat ferner, wer bereits Aufsichtsratsmitglied in zehn Handelsgesellschaften ist, die einen Aufsichtsrat bilden müssen (§ 100 II 1 Nr. 1). Dabei sind aber bis zu fünf Aufsichtsratssitze nicht anzurechnen, die ein gesetzlicher Vertreter eines herr___________ 230 Gesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern sowie Tendenzbetriebe (§ 1 I Nr.1, II Nr. 2 DrittelbG ; § 1 IV MitbestG) sind von der Mitbestimmung gänzlich ausgenommen und können die Größe ihres nur aus Anteilseignervertretern bestehenden Aufsichtsrats nach den o.g. Regeln bestimmen. Gesellschaften mit weniger als 2000 Arbeitnehmern, die keine Montanunternehmen sind, haben ihren Aufsichtsrat gem. § 4 I Drittelbeteiligungsgesetz zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Beschäftigte abhängiger Konzernunternehmen werden gem. § 2 II DrittelbG mitberücksichtigt, wenn ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vorliegt. Auf sonstige Gesellschaften, die nicht der Montanmitbestimmung unterliegen, ist die paritätische Mitbestimmung gem. § 7 I des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 anwendbar, wonach der Aufsichtsrat immer zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern zu bestehen hat. Dabei gibt die Norm auch die genaue Größe des Gremiums vor, die bei Unternehmen mit bis zu 10.000 Arbeitnehmern 12, bei mehr als 10.000 und nicht mehr als 20.000 Beschäftigten 16, und bei noch größerer Belegschaft 20 Mitglieder umfassen muss. In den ersten beiden Fällen kann die Satzung jedoch vorsehen, dass 16 oder 20 Aufsichtsräte zu wählen sind. Trotz der theoretischen Parität ist zu beachten, dass in Pattsituationen dem Aufsichtsratsvorsitzenden ein Zweistimmrecht (§§ 29 II, 31 IV MitbestG) zukommt. Zugleich garantiert der Wahlmodus gem. § 27 MitbestG, dass der Vorsitzende in jedem Falle von der Anteilseignerseite abhängig ist, was deren faktisches Übergewicht zur Folge hat; vgl. BVerfGE 50, 290 (322 ff.). Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanunternehmen) haben im Normalfall gem. § 4 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes von 1951 einen aus 11 Mitgliedern bestehenden und paritätisch besetzten Aufsichtsrat zu wählen, der aus vier Anteilseignervertretern, vier Arbeitnehmervertretern sowie drei Vertretern des öffentlichen Interesses besteht. Während zwei der letztgenannten Vertreter aufgrund des Wahlmodus je der Anteilseigner- bzw. der Arbeitnehmerseite zugeordnet werden können (§§ 5, 6 Montan-MitbestG), fungiert der dritte als „der Neutrale“, bzw. „der Elfte“ (§ 8 Montan-MitbestG). Großunternehmen können die Zahl ihrer Aufsichtsratsmitglieder auf 15 (bei einem Nennkapital von mehr als € 10 Mio.) oder 21 (bei einem Nennkapital von mehr als € 25 Mio) erhöhen (§ 9 Montan-MitbestG). Auf Konzerngesellschaften, die selbst nicht der Montanmitbestimmung unterliegen, jedoch ein unter das Montan-MitbestG fallendes Unternehmen beherrschen, findet das Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz von 1956 Anwendung. Die zur Zeit geltende Fassung geht auf BVerfG ZIP 1999, 410 (Mannesmann) zurück und stellt darauf ab, ob insgesamt mehr als ein Fünftel der Konzernumsätze oder der Konzernarbeitnehmer aus Montan-Unternehmen stammen. In diesen Fällen besteht gem. § 5 besteht der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens aus 15 Mitgliedern, davon je sieben Anteilseignerund Arbeitnehmervertretern und einem unparteiischen Mitglied. Bei einem Gesellschaftskapital von mehr als 25 Mio. EUR kann die Gesellschaft auch ein 21köpfiges Gremium einrichten.
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
schenden Unternehmens in den Konzerngesellschaften innehat (§ 100 II 2), wodurch eine einheitliche Konzernleitung erleichtert wird. Doppelt anzurechnen sind seit dem KonTraG hingegen die Ämter, die als Aufsichtsratsvorsitzender wahrgenommen werden (§ 100 II 3). Ausgeschlossen sind auch gesetzliche Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens (§ 100 II 1 Nr. 2) sowie gesetzliche Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört (§ 100 II 1 Nr. 3, sog. Verbot der Überkreuzverflechtung). Der DCGK erwartet von Vorständen börsennotierter Gesellschaften darüber hinaus, dass diese nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften übernehmen (Ziff. 5.4.5). Entsprechend der Inkompatibilitätsregel in § 105 kann ein Aufsichtsratmitglied schließlich nicht zugleich Vorstandsmitglied, ständiger Stellvertreter eines solchen, Prokurist oder Generalbevollmächtigter der Gesellschaft sein, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall i.S.d. Abs. 2 vor. Ist jedoch das Mitbestimmungsgesetz anwendbar, so kommen Prokuristen und Generalbevollmächtigte231 gleichwohl als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in Betracht, außer wenn sie dem Vorstand unmittelbar unterstellt und für dessen gesamten Geschäftsbereich vertretungsbefugt sind (§ 6 II 1 MitbestG). Andernfalls wären zu viele leitende Angestellte von der Wahl in den Aufsichtsrat ausgeschlossen. Umstritten ist außerdem, ob über die gesetzliche Regelung hinaus Unvereinbarkeit anzunehmen ist, wenn dieselbe Person Aufsichtsratsmandate in zwei konkurrierenden Unternehmen innehat. Die Rechtsprechung verneint dies und lässt in besonders krassen Fällen eine Abberufung aus wichtigem Grund zu.232 Dies widerspricht jedoch dem Grundsatz, dass das Aufsichtsratsmitglied das Wohl seiner Gesellschaft fördern soll, da sich die Interessen zweier miteinander konkurrierender Unternehmen nicht gleichzeitig vertreten lassen. Deshalb fordern Teile der Literatur zu Recht die Niederlegung eines der Mandate in einem solchen Fall.233 Dieser Tendenz folgt auch die Empfehlung des DCGK, nach der Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern ausüben sollen (Ziff. 5.4.2). Für die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat stellt das Gesetz keine weiteren Zugangsvoraussetzungen auf. Insbesondere müssen diese nicht selbst Aktionäre sein und können z. B. zur Belegschaft gehören, was eine freiwillige Ausweitung der Mitbestimmung zulässt.234 Jedoch kann und wird die Satzung in der Praxis in den Grenzen des § 100 IV persönliche Voraussetzungen, wie z. B. ___________ 231 Für eine entsprechende Anwendung auf Generalbevollmächtigte s. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 35. 232 BGHZ 39, 116 (123). 233 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 797. 234 BGH AG 1975, 242; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 37.
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Mindest- bzw. Höchstalter, Ausbildung u.ä. aufstellen. So empfiehlt der DCGK die Festlegung einer Altersgrenze. Darüber hinaus soll bei den Wahlvorschlägen für Aufsichtsratsmitglieder darauf geachtet werden, dass dem Gremium „jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen und hinreichend unabhängig sind“. Zu berücksichtigen seien dabei die internationale Unternehmenstätigkeit und die Interessenkonflikte der Kandidaten (Ziff. 5.4.1). Neu ist die Empfehlung, dass dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören soll, wobei Unabhängigkeit als die Abwesenheit von geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen zur Gesellschaft oder zum Vorstand definiert wird, die einen Interessenkonflikt begründet (Ziff. 5.4.2). Von Vorteil sei ferner, wenn dem Gremium nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören (Ziff. 5.4.2). Hierbei soll nach einer neueren Ergänzung insbesondere der Wechsel in den Aufsichtsrats- oder Ausschussvorsitz nicht die Regel sein und einer besonderen Begründung gegenüber der Hauptversammlung bedürfen (Ziff. 5.4.4). Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat müssen hingegen schon aufgrund der Mitbestimmungsgesetzgebung weitere persönliche Merkmale, wie z. B. die Zugehörigkeit zum Unternehmen, aufweisen.235 Die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat werden mit einfacher Stimmenmehrheit von der Hauptversammlung gewählt, üblicherweise auf Vorschlag des Aufsichtsrats (§§ 101 I, 119 I Nr. 1, 124 III, 133). Die Satzung kann gem. § 133 II für den Wahlmodus aber auch andere Regeln aufstellen, also z. B. eine qualifizierte Mehrheit verlangen und eine Simultanwahl mehrerer Personen oder eine Verhältniswahl nach Listen zulassen.236 Der DCGK spricht sich neuerding ausdrücklich für eine Einzelwahl aus (Ziff. 5.4.3). Für höchstens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre kann die Wahl schließlich satzungsmäßig durch Entsendungsrechte zugunsten bestimmter Aktionäre ersetzt werden (§ 101 II). Typisch ist eine solche Regelung vor allem für staatliche Unternehmen, die hiermit ihre Kontrolle über die im Aufsichtsrat tätigen Beamten und über die Gesellschaft insgesamt absichern wollen.237 Eine ähnliche Situation ist immer noch bei der Volkswagenwerk AG vorzufinden, wo dem Land Nieder___________ 235 § 100 III AktG, §§ 7 III, 24 MitbestG, § 4 II 2 DrittelbG, §§ 4 II, 6 MontanmitbestG, § 6 MitbestErgG. 236 BGHZ 76, 191; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 101 Rn. 31; KK-Zöllner, § 133 Rn. 42, 94. 237 Zu beachten ist aber, dass aus dem Entsendungsrecht keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied folgt, sodass dies vorsehende Gemeindeordnungen unwirksam sind; BGHZ 36, 296 (306).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
sachsen als Aktionär ein spezialgesetzliches Entsendungsrecht für zwei Aufsichtsratsmitglieder zusteht.238 Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gelten gem. § 101 I 1 die komplexen Regeln des Mitbestimmungsrechts, nach denen die Kandidaten aber im Ergebnis immer von der Belegschaft abhängig sind, die sie direkt oder indirekt wählt bzw. über den Betriebsrat zur Wahl durch die Hauptversammlung verbindlich vorschlägt. Für die Amtszeit aller Aufsichtsratsmitglieder gilt, dass sie nicht länger andauern darf als bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt, wobei das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird (§ 102 I, §§ 15 I 1 MitbestG, 5 I DrittelbG, 10 c I MitbestErgG). Beabsichtigt ist – wie beim Vorstand – ein Zeitraum von etwa fünf Jahren, auch wenn dies wegen der Anknüpfung an die ordentliche Hauptversammlung nicht sofort ersichtlich ist. Eine erneute Bestellung ist generell zulässig, unter Umgehungsgesichtspunkten aber nur, solange sie nicht vorfristig für eine volle Amtszeit erfolgt.239 Die Amtszeit kann durch Satzung verkürzt und für die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder unterschiedlich festgelegt werden, ohne jedoch die Arbeitnehmervertreter zu diskriminieren.240 Das Aufsichtsratsmitglied kann zwar ohne wichtigen Grund jederzeit von dem jeweiligen Wahlorgan abberufen werden, dessen Beschluss jedoch mindestens einer drei Viertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedarf.241 Gem. § 103 I 2 kann die Satzung aber andere Mehrheiten bzw. weitere Erfordernisse festlegen. Üblich ist in mitbestimmten Unternehmen eine einfache Mehrheit zum einfacheren Austausch der Anteilseignervertreter, wobei die Modifizierung für alle Aufsichtsräte der Anteilseignerseite gelten muss.242 Entsandte Aufsichtsratsmitglieder können gem. § 103 II 1 jederzeit vom Entsendungsberechtigten abberufen werden. Gem. § 103 III 1 ist auf Antrag des Aufsichtsrats ferner eine gerichtliche Abberufung möglich, wenn in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds ein wichtiger Grund gegeben ist. Abgesehen von der Abberufung endet das Amt des Aufsichtsratsmitglieds durch den Wegfall einer Wählbarkeitsvoraussetzung oder durch Niederlegung. Letztere ist nach richtiger Ansicht auch dann zulässig, wenn kein wichtiger ___________ 238
§ 101 II 5 i.V.m. § 4 I des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand in der Fassung vom 31. Juli 1970 (BGBl. I S. 1149). 239 RGZ 129, 180; 166, 175 (187). 240 BGHZ 99, 211 (215). 241 § 103 I 1, §§ 23 MitbestG, 76 V BetrVG, 11 I MontanmitbestG, 10 m III MitbestErgG. 242 BGHZ 99, 211 (215 f.).
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Grund gegeben ist, wenn sie nur nicht zur Unzeit erfolgt.243 Bei Eintritt der Amtsunfähigkeit oder eines Interessenkonflikts – z. B. bei Übernahme eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmandats bei einem Wettbewerber – scheidet das Aufsichtsratsmitglied hingegen nicht automatisch aus und kann nur gem. § 103 abberufen werden.244 Ist der Aufsichtsrat einer mitbestimmten Gesellschaft nicht mehr voll besetzt, so liegt ein dringender Fall i.S.d. §§ 104 II 2 i.V.m. III Nr. 2 vor, bei dem das Gremium gem. § 104 I auf Antrag gerichtlich zu ergänzen ist. Gem. § 107 I 1 muss der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter wählen. In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften garantiert der Wahlmodus gem. § 27 MitbestG zudem, dass der Vorsitzende in jedem Falle von der Anteilseignerseite abhängig ist, da ihm in Pattsituationen ein Zweitstimmrecht zukommt (§§ 29 II, 31 IV MitbestG), welches ein Übergewicht dieser Seite garantieren soll.245 Dem Vorsitzenden obliegt die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Sitzungen, die Koordination der Arbeit im Aufsichtsrat, vor allem aber die Rolle als ständiger „Informationsvermittler“, „Bindeglied“ und Repräsentant des Gremiums im Außenverhältnis und speziell gegenüber dem Vorstand.246 Nach dem DCGK soll er mit dem Vorstandsvorsitzenden bzw. -sprecher regelmäßig Kontakt halten und Strategie, Geschäftsentwicklung und Risikomanagement beraten. Wird er von diesem aus wichtigem Anlass i.S.d. § 90 I 2 informiert, soll er sodann den Aufsichtsrat unterrichten und ggf. eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen (Ziff. 5.2). Die gleichen Rechte und Pflichten hat, wenn der Vorsitzende verhindert ist, der Stellvertreter (§ 107 I 3), jedoch mit Ausnahme der mitbestimmungsrechtlichen Zweitstimme, da der Stellvertreterposten grundsätzlich mit einem Arbeitnehmervertreter besetzt wird (§§ 29 II 3, 27 II 2 MitbestG). Sein Verfahren kann das Organ in einer Geschäftsordnung regeln, sofern nicht die Hauptversammlung bereits mit drei Vierteln der Stimmen eine solche erlassen hat.247 Nach dem DCGK soll sich der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung geben (Ziff. 5.1.3). Die Sitzungen des Aufsichtsrats finden seit dem TransPuG zwingend mindestens zweimal im Kalenderhalbjahr statt, es sei denn der Aufsichtsrat einer nichtbörsennotierten Gesellschaft beschließt, dass nur ___________ 243
KK-Mertens, § 103 Rn. 55 f. Dreher, JZ 1990, 896 (898 f., 902); a.A. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 797; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241 (244). 245 BVerfGE 50, 290 (322 ff.); nach diesem sog. Mitbestimmungsurteil ist diese faktische Disparität zugunsten der Anteilseignerseite die Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der paritätischen Mitbestimmung. 246 § 90 I 2; DCGK Ziff. 5.2; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 553 ff. s. auch die Einzelaufgaben in §§ 107 II 1, 110 I, 184 I, 188 I, 223. 247 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 71. 244
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zwei Sitzungen jährlich abzuhalten sind (§ 110 III). Aufgrund des neuen Wortlauts („abhalten“) können auch Telefon- und Videokonferenzen auf die Zahl der Pflichtsitzungen angerechnet werden, auch wenn das persönliche Erscheinen weiterhin die Regel darstellen soll.248 Das Gremium ist ferner vom Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb von zwei Wochen einzuberufen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand dies unter Angabe von Gründen verlangen (§ 110 I). Kommt der Vorsitzende dem Verlangen nicht nach, so kann der Betreffende die Sitzung selbst einberufen (§ 110 II).249 An den Sitzungen können auch Vorstandsmitglieder250 und ggf. Sachverständige bzw. Vertreter von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen (§ 109). Im Hinblick auf eine offene Diskussion und die Wahrung der Vertraulichkeit im Aufsichtsrat regt der DCGK nunmehr an, die Sitzungen in mitbestimmten Aufsichtsräten gesondert in Arbeitnehmer- und Aktionärsbänken vorzubereiten, was in der Praxis längst üblich geworden ist. Ferner sollte der Vorstand bei Bedarf den Aufsichtsratssitzungen fernbleiben (Ziff. 3.5 f.). Der Aufsichtsrat kann gem. § 107 III 1 aus seiner Mitte Ausschüsse bilden und diesen die Vorbereitung und Ausführung seiner Beschlüsse übertragen.251
II. Rechtsstellung und Funktionen Im Einklang mit dem aktienrechtlichen Konzept der Trennung von Leitung und Kontrolle kommt dem Aufsichtsrat als Kontrollgremium gem. § 111 IV 1 grundsätzlich keine eigene Geschäftsführungsbefugnis zu. Seine Befugnisse sind vielmehr auf eine effektive Überwachung der Vorstandstätigkeit ausgerichtet.
1. Überwachungsaufgabe und Beratungsfunktion Die Rechtsstellung des Aufsichtsrates wird maßgeblich durch seine Aufgabe gem. § 111 I geprägt, die Geschäftsführung zu überwachen, die heutzutage jedoch eine aktive Beratung des Vorstands beinhaltet.252 ___________ 248 RegBegr TransPuG, BR-Drucks. 109/02, 38; die bisherige Anrechenbarkeit von Videokonferenzen bejahend und kritisch zu Telefonkonferenzen Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (794). 249 Vor dem TransPuG galt dies nur für Verlangen mindestens zweier Aufsichtsratsmitglieder oder des Vorstands. 250 Auch wenn sie kein eigenes Teilnahmerecht haben, ist ihre Anwesenheit in der Praxis die Regel; s. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 580. 251 s. u., 3. Kapitel, B. II. 2. 252 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 62.
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Die Kontrolle hat zunächst retrospektiv zu erfolgen mit dem Ziel, bisherige Fehlabläufe aufzudecken. Zu diesem Zweck kann der Aufsichtsrat gem. § 111 II 1 Bücher und Vermögensgegenstände der Gesellschaft einsehen und prüfen. Seit dem KonTraG erteilt er dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag (§ 111 II 3), handelt mit diesem also den Vertrag einschließlich der Vergütung aus und legt die Priorität der Prüfungsthemen fest. Er hat ferner die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordert (§ 111 III). Die rückblickende Überwachung hat sich im Übrigen auf Erfüllung des Leitungsauftrags durch den Vorstand zu beziehen, mithin auf die gewählte Unternehmenspolitik, -organisation und die Grundsätze der inneren Führung.253 Den weitaus bedeutenderen Aspekt der Aufsichtsratstätigkeit bildet indes die zukunftsbezogene, vorbeugende Kontrolle einschließlich der Beratung des Vorstands.254 Auch der DCGK sieht die Aufgabe des Aufsichtsrats darin, den Vorstand „zu beraten und zu überwachen“, wobei das Kontrollgremium in Entscheidungen von grundlegender Bedeutung einzubinden ist (Ziff. 5.1.1). Dies wird schon anhand des Gewichts deutlich, das vom Gesetzgeber den Berichten des Vorstands gem. § 90 beigemessen wird. Der Aufsichtsrat muss diese eingehend prüfen und sich dabei ein eigenes Bild von der Lage der Gesellschaft und von der geplanten Geschäftspolitik des Vorstands machen. Die Beratung umfasst neben der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns auch dessen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.255 Im Konzern hat der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft zusätzlich die Konzernleitung und die Geschäftsabläufe im abhängigen Unternehmen zu überwachen, wenn auch nur im Rahmen des ihm Zumutbaren.256 Als grobe Richtschnur für die erforderliche Intensität der Kontrolltätigkeit kann die Regel dienen, dass in Krisenzeiten ein aktives Eingreifen angemessen ist, während normale Geschäftsabläufe nur „begleitend“ zu überwachen sind.257 Die Grenze der Beratungsintensität bildet jedoch das Leitungsermessen des Vorstandes. Ansichten, die eine strategische Kontrolle und Mitwirkung an allen Plänen des Vorstandes fordern, verletzen demnach den vom Gesetz vorgegebenen Trennungsgrundsatz.258 Der Aufsichtsrat darf die Vorstellungen des Vorstandes nicht durch seine eigenen ersetzen, ohne gegen die gesetzliche Gewaltenteilung zu verstoßen. Unzulässig ist demnach eine umfassende Kontrolle der ___________ 253
Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 100 ff. BGHZ 114, 127 (130); Goette, in: FS-50 Jahre BGH, S. 123 (128). 255 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 71 ff. 256 Götz, ZGR 1998, 524 (539 ff.); Hommelhoff, AG 1995, 225; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 381 ff. 257 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 231 ff. 258 Möllers, ZIP 1995, 1725 (1727). 254
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
täglichen Geschäfte sowie die Kontrolle der leitenden Angestellten. Erwünscht ist dagegen eine Überprüfung der wesentlichen Einzelmaßnahmen.259 Üblicherweise wird der Aufsichtsrat das Gespräch mit dem Vorstand suchen, seltener seinen Standpunkt in förmlichen – wenn auch nicht bindenden – Beschlüssen fixieren oder seinen Bedenken in dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses an die Hauptversammlung gem. § 171 II Ausdruck verleihen. Als ultima ratio hat er die Möglichkeit, den Vorstand aus wichtigem Grund abzuberufen oder von diesem Schadensersatz bzw. Unterlassung zu verlangen. Ein effektives Instrument der Überwachung ist, bestimmte Maßnahmen des Vorstands gem. § 111 IV 2 von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen. Deshalb hat der Gesetzgeber 2002 mit dem TransPuG die bloße Möglichkeit ihrer Begründung durch eine entsprechende Pflicht ersetzt.260 Zu ihrer Erfüllung dürfte es indes nicht ausreichen, pro forma einen Katalog mit höchst seltenen Maßnahmen aufzustellen, sondern einen, der tatsächlich eine angemessene Mitwirkung des Aufsichtsrats sicherstellt.261 Zustimmungsvorbehalte werden durch Satzung262 oder durch den Aufsichtsrat263 aufgestellt, üblicherweise im Voraus und generell für bestimmte Arten von Geschäften. Nach überwiegender Ansicht soll der Aufsichtsrat einen solchen Vorbehalt aber auch ad hoc für ein wichtiges Einzelgeschäft beschließen können und sogar beschließen müssen, sofern ein Gesetzesverstoß des Vorstands nur so verhindert werden kann.264 Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann sich der Vorstand an die Hauptversammlung wenden, die die Maßnahme gem. § 111 IV 3 und 4 mit einer Dreiviertelmehrheit billigen kann.265 Wenn auch diese ihre Zustimmung verweigert, muss der Vorstand jedoch von der Ausführung der Maßnahme absehen, andernfalls ist er gem. §§ 82 II, 93 I haftbar. Da der Gesetzgeber dem Kontrollorgan in § 111 IV 2 ausnahmsweise gestattet, geschäftsführend tätig zu werden, muss diesem hier als Ausgleich auch ein unternehmeri___________ 259
Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 65 f. s. auch DCGK Ziff. 3.3. 261 Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (794). 262 Diese darf jedoch nicht jegliche Zustimmungsvorbehalte ausschließen und dem Aufsichtsrat deren Aufstellung verbieten; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 105. 263 Dann in der Regel innerhalb der Geschäftsordnung für den Vorstand; s. Peltzer, JuS 2003, 348 (351). 264 BGHZ 124, 111 (127); LG Stuttgart AG 2000, 237; vgl. auch LG Bielefeld ZIP 2000, 20 (25) (Balsam); Boujong, AG 1995, 203 (206); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 108; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 210; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 7. 265 Zu den mitbestimmungsrechtlichen Bedenken gegen das – in der Praxis indes wenig relevante – Letztentscheidungsrecht der Hauptversammlung s. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 15. 260
F. Aufsichtsrat der AG
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sches Ermessen zuerkannt werden, im Rahmen dessen es die geplante Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin überprüft.266 Dennoch müssen die Befugnisse des Vorstands zur Geschäftsführung und zur eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens unmissverständlich gewahrt bleiben, weshalb die Zustimmungsvorbehalte begrenzt und konkret formuliert werden müssen. Eine Generalklausel genügt insofern nicht, während der Gesetzeswortlaut („bestimmte Arten von Geschäften“) jedenfalls einen Anhaltspunkt bietet.267 In der Literatur wird insbesondere die Erstreckung der Zustimmungsvorbehalte auf grundlegende Organisations-, Investitions- und Finanzierungsentscheidungen befürwortet. Dies soll jedoch weiterhin der flexiblen Handhabung durch Satzung oder durch den Aufsichtsrat selbst überlassen werden, ohne dass bestimmte Geschäfte schon kraft Gesetzes der Zustimmung des Kontrollgremiums unterworfen werden.268 Der DCGK nennt als Geschäfte von grundlegender Bedeutung Entscheidungen und Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern (Ziff. 3.3). Das vielleicht stärkste Druckmittel zur Disziplinierung des Vorstands ist indes die Personalkompetenz gem. § 84. Sie erlaubt dem Kontrollgremium die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, die Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden, aber auch das Aushandeln der Anstellungsbedingungen der Manager einschließlich ihres Aufgabenbereichs und ihrer Bezüge (§ 87). Hinzu kommt die Empfehlung des DCGK, wonach der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen soll (Ziff. 5.1.2). Ein weiteres wichtiges Mittel der Überwachung ist die Mitwirkung des Aufsichtsrats am Jahresabschluss. Der Vorstand hat diesen mitsamt des Lageberichts und des Gewinnverwendungsvorschlags dem Kontrollgremium vorzulegen (§ 170). Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluss zu prüfen und der Hauptversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung zu berichten (§ 171). Sofern Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses nicht der Hauptversammlung überlassen, ist dieser bereits mit der Billigung durch den Aufsichtsrat festgestellt (§ 172) mit der Folge, dass die Hauptversammlung die ermittelten Zahlen hinzunehmen hat und nur noch über die Verwendung des ausgewiesenen Gewinns entscheiden kann (§ 174). ___________ 266
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 7. Einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen in der Praxis üblicherweise Grundstücksgeschäfte, Neu- und Umbauten, Beteiligungsgeschäfte, Bürgschaften, Darlehen, Anstellung von leitenden Angestellten, Gründung und Auflösung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften, Ausgabe von Industrieobligationen u.s.w., s. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 10. 268 KK-Mertens, § 111 Rn. 68 ff. 267
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
2. Geschäftsführungsbefugnisse Ferner verleiht das Gesetz dem Aufsichtsrat punktuell eigene Geschäftsführungsbefugnisse. So kann dieser eine Geschäftsordnung mitsamt Geschäftsführungsregeln für den Vorstand erlassen (§ 77 II) und mit Satzungsermächtigung dessen Vertretungsmacht regeln (§ 78 III). Seit dem KonTraG erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag (§ 111 II 3). Zu erwähnen sind ferner die Mitwirkung an der Ausgabe neuer Aktien gem. §§ 202 III 2, 204 I 2 und die Entscheidung über die Ausübung von Beteiligungsrechten in den Fällen der §§ 32 MitbestG und 15 MitbestErgG. Besondere Bedeutung kommt § 112 zu, nach dem der Aufsichtsrat die Gesellschaft dem Vorstand gegenüber gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Aus dem Zweck der Norm, nämlich eine unbefangene Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen sicherzustellen, erklärt sich auch die überwiegend anerkannte Erstreckung der Vertretungsbefugnis auf die Beziehungen der Gesellschaft zu ehemaligen Vorstandsmitgliedern.269 § 112 berechtigt und verpflichtet den Aufsichtsrat ferner zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern.270 Auch bei der Erfüllung eigener Aufgaben kann der Aufsichtsrat u.U. als Vertreter der Gesellschaft fungieren, beispielsweise bei der Vornahme erforderlicher Hilfsgeschäfte oder bei der Bestellung von eigenen Sachverständigen.271
III. Anstellungsverhältnis Wie bei den Vorstandsmitgliedern ist auch beim Aufsichtsratsmitglied zwischen dessen Organstellung und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden272 mit der Besonderheit, dass es hier nach überwiegender Ansicht keines Vertragsschlusses bedarf. Zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft entsteht vielmehr mit der Bestellung und deren Annahme ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611 ff., 675 BGB bzw. ein unentgeltliches Auftragsverhältnis gem. §§ 662 ff. BGB.273 Dementsprechend ist das ___________ 269
BGH AG 1994, 35; 1997, 417; BGHZ 130, 108. s. u., 5. Kapitel, B. IV. 1. a) aa). 271 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 14. 272 A.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 101 Rn. 50 ff., der eine eigenständige Bedeutung der Anstellung verneint, seien doch Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder in Gesetz, Satzung und von der Hauptversammlung abschließend geregelt; ähnlich Hüffer, AktG, § 101 Rn. 2. 273 RGZ 81, 332; 123, 351; KK-Mertens, § 101 Rn. 5; Voormann, Der Beirat, S. 142 f.; a.A. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 712 (rein korporatives Rechtsverhältnis). 270
G. Aufsichtsrat und Beirat der GmbH
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schuldrechtliche Anstellungsverhältnis kraft Gesetzes mit der Organstellung verbunden und endet automatisch mit wirksamer Abberufung, ohne dass dem Aufsichtsratsmitglied ein darüber hinausgehender Vergütungsanspruch zugesichert werden könnte.274 Auch sonstige individuell-schuldrechtliche Vereinbarungen betreffend die Stellung und die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder sind im Hinblick auf die gleiche Rechtsstellung und einheitliche Vergütungsregeln unzulässig.275
G. Aufsichtsrat und Beirat der GmbH Ein Aufsichtsrat ist für die GmbH grundsätzlich nicht vorgeschrieben, kann aber fakultativ durch Satzung eingerichtet werden (§ 52). Nur in GmbHs, die der Mitbestimmung unterliegen, also vor allem in Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern, ist das Gremium zwingend vorgeschrieben und nach dem einschlägigen Mitbestimmungsstatut zusammenzusetzen. Für einen solchen Aufsichtsrat gelten grundsätzlich die zwingenden Regeln des AktG,276 was die Satzungsautonomie einer solchen GmbH erheblich einschränkt. Praxisrelevant sind zum einen die Auswirkungen der Mitbestimmung nach § 4 DrittelbG auf die innere Verfassung der GmbH. Sie gilt für Unternehmen mit 500 bis 2000 Arbeitnehmern und durchbricht die Anwendbarkeit des Aktienrechts auf die GmbH vor allem in vier wichtigen Punkten. Erstens verbleibt die Personalkompetenz einschließlich des Anstellungsvertrages mangels Verweisung auf § 84 AktG bei der Gesellschafterversammlung. Zweitens steht dieser anders als nach § 172 AktG das Recht zu, den Jahresabschluss abweichend von der Vorlage der Geschäftsführer festzustellen. Drittens sind hinsichtlich der Berichte der Geschäftsführer an den Aufsichtsrat nur die Absätze 3 und 4 des § 90 AktG anwendbar, sodass diese immer erst angefordert werden müssen. Schließlich wird durch die Aufstellung von Zustimmungsvorbehalten gem. § 111 IV AktG nicht das Weisungsrecht der Gesellschafter nach §§ 37 I, 45 GmbHG verdrängt. Dies alles hat eine relativ schwache Stellung des mitbestimmten Aufsichtsrats zur Folge, der weitgehend auf beratende und repräsentative Funktionen reduziert wird. Wichtig sind ferner die Folgen der Mitbestimmung nach §§ 1, 6 MitbestG, die für Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten gilt. Anders als bei § 4 DrittelbG geht hier auch die Personalkompetenz auf den paritätisch besetzten Aufsichtsrat über, und zwar einschließlich der Zuständigkeit für den Anstel___________ 274
KK-Mertens, § 103 Rn. 5. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 712. 276 §§ 1 I Nr. 3 DrittelbG, 1 II, 3 II MontanmitbestG, 1, 3 MitbestErgG, 1, 6, 25 MitbestG. 275
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
lungsvertrag.277 Gem. § 112 AktG anstelle des § 46 Nr. 8 GmbHG vertritt der Aufsichtsrat die GmbH ferner bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Geschäftsführern.278 Damit sorgt das MitbestG neben einer stärkeren Stellung des Aufsichtsrats auch für mehr Unabhängigkeit auf Seiten der Geschäftsführer. Die Feststellung des Jahresabschlusses und das Weisungsrecht verbleiben jedoch auch hier bei der Gesellschafterversammlung. Da Letzteres nur schwerlich mit dem von § 25 MitbestG statuierten Vorrang von § 111 IV AktG zu vereinbaren ist, verlangt die überwiegende Ansicht für Weisungen, die eine vom Aufsichtsrat versagte Zustimmung kompensieren sollen, eine Dreiviertelmehrheit.279 Außerhalb des Mitbestimmungsrechts erlaubt die Satzungsautonomie den Gesellschaftern sowohl die Einrichtung als auch die Ausgestaltung eines fakultativen Gremiums. Ob es sich dabei tatsächlich um einen „Aufsichtrat“ handelt, auf den die hilfsweise Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften gem. § 52 gerechtfertigt erscheint, richtet sich aber nicht nach der bloßen Bezeichnung, sondern vielmehr nach den satzungsmäßigen Funktionen. Um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt es sich demnach nur dann, wenn dem Gremium die Überwachung der Geschäftsführer, also zumindest die Kontrolle über das Rechnungswesen und die Kassen der Gesellschaft, übertragen wird, und diese Aufgabe für die Natur des Organs prägend ist. Lediglich beratende Funktionen reichen ebensowenig aus wie die primäre Ausrichtung auf die Aufgaben der Geschäftsführer oder der Gesellschafter, die auf das Organ delegiert werden. Bei einem Kontrollorgan ist darauf zu achten, dass seine Mitglieder nicht von den Geschäftsführern bestellt werden, die es beaufsichtigen soll.280 Im Hinblick auf die große Gestaltungsfreiheit in der GmbH tendiert die Praxis dazu, statt eines bloß fakultativen Aufsichtsorgans Gremien mit viel umfassenderen Funktionen und Befugnissen einzurichten. Bei einer gewissen Begrenzung seiner Aufgaben kann ein solches Gremium auch als viertes GmbHOrgan neben einen obligatorischen Aufsichtsrat treten. Anzutreffen sind neben dem weit verbreiteten Beirat auch der Verwaltungsrat, Gesellschafterausschuss, Familienrat oder das Schiedsgericht.281 Sie fungieren z.T. nur als Aushängeschild mit Beratungsfunktion, als Repräsentativorgan für Gesellschafter___________ 277
BGHZ 89, 48. BGH NJW 1989, 2055. 279 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 35 Rn. 16. 280 Im Übrigen lassen § 52 I GmbHG i.V.m. § 101 I 1 AktG neben der üblichen Wahl durch die Gesellschafterversammlung vielfältige satzungsmäßige Gestaltungen zu, wie Kooptation und Entsendungsrechte der Gesellschafter oder Dritter; s. Voormann, Der Beirat, S. 127 ff. 281 s. BGHZ 43, 261. Im Folgenden wird der Begriff „Beirat“ als Synonym für alle statutarischen Gesellschaftsorgane verwendet. Diese sind in ihren Funktionen sehr vielfältig und ohnehin nicht einheitlich zu definieren. 278
G. Aufsichtsrat und Beirat der GmbH
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familien, seltener als Ort der freiwilligen Arbeitnehmermitbestimmung. In den meisten Fällen werden sie aber mit Geschäftsführungsfunktionen ausgestattet und wirken bei Grundlagen- und Strukturentscheidungen mit.282 So nehmen 60% der Beiräte Strategieaufgaben wahr, 40-60% haben eine Kontrollfunktion.283 Seine Kompetenzen und Professionalisierung lassen den Beirat oft als ein „Als-ob-Aufsichtsrat“ erscheinen, der durchschnittlich vier Sitzungen pro Jahr abhält und weitere vier Tage für deren Vor- und Nachbereitung aufwendet.284 Bei der Besetzung der Beiräte fällt zunehmend eine Abwendung von Bankern (6%) und Beratern (17%) auf zugunsten von Unternehmern (12%), Managern (23%) und Gesellschaftern (25%). Beim Banker wird mangelnde Unabhängigkeit befürchtet mit der Folge, dass er den gewährten Krediten mehr Beachtung schenke als dem Unternehmenswohl. Der Berater wiederum stehe dem Unternehmen ohnehin als Dienstleister zur Verfügung.285 Während für Kontrollorgane von einer Inkompatibilität analog § 105 AktG auszugehen ist, können in Beiräte mit Geschäftsführungsfunktionen nach Art des angloamerikanischen Board-Systems auch Geschäftsführer gewählt werden.286 Entscheidend für die hier interessierende Organstellung eines Beirats ist aber, dass das Gremium durch Gesellschaftsvertrag eingerichtet und darin mit seinen Hauptaufgaben ausgestattet wird.287 Der durch vertragliche Vereinbarung oder einfachen Gesellschafterbeschluss begründete, sog. schuldrechtliche Beirat, verfügt nämlich über keinerlei organschaftliche Befugnisse. Die regelmäßig an-
___________ 282
Voormann, Der Beirat, S. 6 ff. Studie der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Intes in Bonn, zitiert nach FAZ v. 6.1.2003 S. 19. 284 Studie der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Intes in Bonn, zitiert nach FAZ v. 6.1.2003 S. 19. 285 Studie der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Intes in Bonn, zitiert nach FAZ v. 6.1.2003 S. 19. 286 Voormann, Der Beirat, S. 137; zur Inkompatibilität s. OLG Frankfurt, WM 1981, 1095; WM 1987, 211. 287 Gegenstand dieser Darstellung ist ferner nur der Beirat als sog. Gesamtorgan, das die Interessen der Gesamtgesellschaft vertritt. Nicht von Interesse ist hingegen der Beirat als Gruppenorgan (Repräsentativorgan), also als Repräsentant bestimmter Gesellschafter(gruppen), der von der überwiegenden Ansicht nicht als Gesellschaftsorgan angesehen wird; s. BGH WM 1975, 767 (768) (KG); WM 1983, 555 (556 f.) (KG); a.A., einem formellen Organbegriff folgend, Voormann, Der Beirat, S. 64 ff. Um welchen Typus es sich bei einem Beirat handelt, kann nur im Einzelfall ermittelt werden. Die Wahl durch alle Gesellschafter oder die Gesellschafterversammlung deutet auf ein Gesamtorgan hin, während sich ein Gruppenorgan dadurch auszeichnet, dass ein Teil der Gesellschafter keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung hat; Voormann, Der Beirat, S. 148 f. 283
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
zutreffende Besetzung mit Nichtgesellschaftern ist hingegen grundsätzlich unbedenklich.288 Werden dem Beirat Geschäftsführungsaufgaben übertragen, so ist zu beachten, dass einige von ihnen zwingend den Geschäftsführern zugewiesen und somit nicht übertragbar sind.289 Auch die gesetzliche Aufgabenzuweisung an die Gesellschafterversammlung ist zum Teil zwingender Natur und steht der Delegation an den Beirat entgegen. Den Gesellschaftern vorbehalten bleiben demnach Satzungs- und Strukturänderungen,290 nach einer Ansicht zudem Gewinnverwendungsbeschlüsse, die Einziehung gem. § 34, der Ausschluss eines Gesellschafters und die Geschäftsführerabberufung aus wichtigem Grund.291 Nicht delegierbar sind ferner Mitgliedsrechte, wie der Auskunftsanspruch aus § 51 a, die Gesellschafterklage und das Anfechtungsrecht hinsichtlich der Gesellschafterbeschlüsse, ferner gesetzliche Bestimmungen des Minderheitenschutzes, wie § 50. Der Gesellschafterversammlung verbleibt schließlich eine Restkompetenz im Hinblick auf die Auflösung der Gesellschaft (§ 60 II Nr. 2), die Abschaffung des Beirats und die Abberufung der Beiratsmitglieder292 sowie eine Rückfallkompetenz für den Fall der Funktionsunfähigkeit des Beirats.293
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen Das AktG zeichnet sich zusammen mit den Mitbestimmungsgesetzen durch eine hohe Regelungsdichte aus, die den Autonomiebereich der AG erheblich einschränkt, indem es die Organe, ihre Zusammensetzung und Befugnisse festlegt. Aufgrund der traditionellen Abneigung gegen starre Kodifikationen sind die englischen companies dagegen wesentlich flexibler und können ihre Spitzenverfassung intern den konkreten Bedürfnissen, Situationen und Personen anpassen. Sie entwickeln somit die Fähigkeit zu interner Kreativität. Betrachtet man die neueren Entwicklungen des englischen Rechts zur Doppelfunktion des Board, so deutet sich auf den ersten Blick dennoch eine funkti___________ 288 Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 64. Eine Gefahr für die Verbandssouveränität dort, wo der Beirat zugleich mit Geschäftsführungsbefugnissen ausgestattet ist und Grundlagenentscheidungen trifft, sehen hingegen Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 (111 ff.); Voormann, Der Beirat, S. 110 ff. 289 Dazu gehören namentlich die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft, Buchführung und Jahresabschluss (§§ 41, 42a) sowie die Anmeldungen zum Handelsregister (§§ 7, 40, 54, 58). 290 BGHZ 43, 261 (264); Voormann, Der Beirat, S. 103. 291 Voormann, Der Beirat, S. 104 ff. 292 Hachenburg/Ulmer/Raiser, § 52 Rn. 321, 328 f. 293 BGHZ 12, 337.
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
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onale Konvergenz294 der beiden Gesellschaftsformen mit einer ähnlichen Gestaltung der Verwaltungsspitze an. So stellt die steering group im Rahmen des Company Law Review fest, dass sich in der Praxis bereits eine zweigliedrige Führungsstruktur der companies mit dem Board als Überwachungsgremium herausgebildet hat. Die Leitungsfunktion hingegen wurde bei einigen Gesellschaften auf einen informellen management board übertragen, dem ausschließlich geschäftsführende Mitarbeiter angehörten.295 Dem Higgs Report folgend, plädiert der Combined Code 2003 sogar für gesonderte Treffen der Gruppe der NEDs sowie für ein von unabhängigen NEDs dominiertes und geleitetes nomination committee.296 Der DCGK wiederum weist in seiner Präambel auf das intensive Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat in der Praxis hin und geht ebenfalls von der Gleichwertigkeit der beiden Systeme aus.297 Für eine fortbestehende Divergenz spricht aber andererseits die in Großbritannien vorgesehene notwendige Verknüpfung der Überwachungsaufgabe mit der Leitung der Gesellschaft. Obwohl es der company gesetzlich freisteht, einen management board einzurichten, verbleibt die originäre Leitungsverantwortung auch in diesem Falle beim Gesamt-Board.298 Im Gegensatz dazu sind die Leitungs- und die Überwachungsfunktion in Deutschland gerade unvereinbar, §§ 76 I, 111 I, IV, 105 AktG. Ob im Ergebnis das Zusammenspiel oder die Trennung der Funktionen eine effizientere Aufsicht über das Management gewährleistet, wird seit Jahren kontrovers diskutiert.299 ___________ 294 Vgl. dazu Davies, ZGR 2001, 268 (282 ff.); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 325 f.; Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 18; Hopt, FS-Mestmäcker, S. 909 (912); ders. ZGR 2000, 779 (784 f.); und allgemeiner die grundlegende Arbeit von Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (456), die von einer weltweit fortschreitenden Konvergenz auf ein einziges Gesellschafts- und Corporate-Governance-Modell hin ausgehen. 295 DTI, Company Law Review, Dokumentation II, 3.139. 296 Kritisch zu der befürchteten „division of the board“ Financial Times v. 20.1.2003, S. 1, 21.1.2003, S. 19, 5.3.2003, S. 23; 10.4.2003, S. 13; dies als Zeichen für eine funktionale Konvergenz wertend Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 325. 297 Dies entspricht der früheren Beobachtung, dass sich die Konvergenz der wichtigsten Rechtsordnungen im Bereicht von Corporate Governance zunächst auf der Ebene der Best Practice vollziehen wird; s. Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (454 f.). 298 DTI, Company Law Review, Dokumentation II, 3.139. 299 s. nur Davies, ZGR 2001, 268 (282 ff.); Conard, ZGR 1987, 180; Endres, ZHR 163 (1999), 441 (454 ff.); Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 191 ff.; Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit. Für die Verankerung beider Funktionen in einem einheitlichen Verwaltungsorgan plädieren Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (455 f.).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
Einerseits verleiht die Einbeziehung der nichtgeschäftsführenden BoardMitglieder in die Entscheidungsfindung diesen den zur effektiven Kontrolle nötigen Einfluss. Aufgrund der formellen Gleichstellung mit dem CEO ist es ihnen möglich, mit diesem Themen zu diskutieren, die nicht über die Geschäftsführungsebene hinaus gelangen dürfen. Andererseits hat der Einfluss aber auch einen Interessenkonflikt zur Folge. Der Board soll Geschäftsführer und eigener Kontrolleur in einem sein. Die Board-Mitglieder sind gemeinsam verantwortlich, verfügen aber nicht über gleiche Informationsstandards. Der Board soll selbst bestimmen, welche seiner Mitglieder die Geschäftsführung und welche die Überwachung übernehmen. Aus diesem Ansatz ergeben sich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Neutralität der Überwachung, denen der Combined Code 2003 mit den Forderungen nach einer Mehrheit unabhängiger NEDs300 im Board und nach einem vom CEO verschiedenen Chairman entgegensteuert. Hinzu kommt die strenge Definition der „independence“. Unter den gesteigerten Unabhängigkeitserfordernissen leidet aber wiederum das Bedürfnis nach unternehmensspezifischer Qualifikation und Detailwissen der Kandidaten, insbesondere da frühere Arbeitnehmer und langjährige Board-Mitglieder nicht mehr erwünscht sind. Auch der Verzicht auf Aktienoptionsprogramme, auf leistungsabhängige Vergütung und auf Beziehungen zu wichtigen Aktionären kann die NEDs ebenso unabhängig wie ineffektiv machen.301 Daher weicht der Combined Code 2003 selbst die Definition durch die Möglichkeit einer begründeten Abweichung auf. Die grundsätzliche Gleichstellung der nur nebenamtlich tätigen NEDs mit den professionellen Managern im Hinblick auf Pflichten und Sorgfaltsstandards bringt die Überwacher schließlich in eine schwierige rechtliche Position: trotz deutlich kürzerer Arbeitszeiten und geringerer Vergütung sollen sie neben der Kontrolltätigkeit auch die strategischen Entscheidungen des Unternehmens mittragen.302 Der Aufbau der AG weist demgegenüber von vornherein eine Machtbalance zwischen den Organen auf, die mit der staatsrechtlichen Gewaltenteilung vergleichbar ist.303 Sie wird zudem durch die Empfehlungen des DCGK gestärkt, die bei Aufsichtsratsmitgliedern Unabhängigkeit und Freiheit von Interessenkonflikten unterstützen, namentlich den Wechsel von Vorstandsmitgliedern in ___________ 300 Auch der EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1) und die hierzu ergangene Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, 15.2.2005, AblEG L 52/51, fordern, dass zumindest die von Interessenkonflikten geprägten Entscheidungen (Vergütung, Jahresabschlussprüfung) ausschließlich von nicht geschäftführenden Direktoren bzw. Aufsichtsräten getroffen werden sollen, die mehrheitlich unabhängig sind. 301 Hirt [2003] ICCLR, 245 (250 Fn. 45); kritisch ferner Financial Times v. 5.2.2002, S. 16. 302 Hirt [2003] ICCLR, 245 (247). 303 Möllers, ZIP 1995, 1725 (1726).
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
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das Kontrollgremium ablehnen. Während die neue, besondere Rechtfertigungspflicht beim direkten Wechsel vom Vorstandsvorsitz zum Aufsichtsratsvorsitz zu begrüßen ist,304 ist bei der Umsetzung des Unabhängigkeitserfordernisses – wie eben gezeigt – Vorsicht geboten, zumal sie ohnehin die obligatorischen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausklammern muss und mit dem Konzept des Aufsichtsrats als Repräsentativorgan kollidiert.305 Die vielleicht größte Schwäche der Kontrolle im Aufsichtsratssystem liegt darin, dass der Aufsichtsrat seine Informationen gerade von dem Organ bekommt, das er kontrollieren soll.306 Der Vorstand neigt in der Praxis dazu, heikle Informationen herauszufiltern oder den Aufsichtsrat grundsätzlich mit oberflächlichem Zahlenmaterial zu versorgen. Die Hauptschuld an dieser Praxis wird der Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gegeben. Der Informationsaustausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat vollzieht sich deshalb im Wege informeller Kommunikation zwischen Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. den Aktionärsvertretern. Wesentliches wird vor den Sitzungen in nach Bänken getrennten Besprechungen geklärt. Der Aufsichtsrat hat zwar darüber hinaus die Möglichkeit, sich unabhängig vom Vorstand Informationen zu beschaffen, indem er gem. § 111 II Einsicht in die Buchführung nimmt. Zur Ausübung dieses Rechts bedarf es jedoch eines Beschlusses durch die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder.307 Ein solcher kommt indes nur selten zustande, da er vom Vorstand als Misstrauen und Unzufriedenheit mit den gelieferten Berichten verstanden wird.308 Daher hat das TransPuG nunmehr das Selbsthilferecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds beim Anforderungsbericht und bei der Sitzungseinberufung gestärkt und damit ein Korrelat zur Verantwortlichkeit eines jeden Kontrolleurs geschaffen. Zudem betont der DCGK die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden als Informationsvermittler und befürwortet die übliche Praxis, die Sitzungen im mitbestimmten Aufsichtsrat gesondert in Arbeitnehmer- und Aktionärsbänken vorzubereiten, wobei auch die Abwesenheit des Vorstands gefordert wird, sofern Vertraulichkeitsgesichtspunkte diese nahe legen. Im Gegensatz dazu sind die board-Mitglieder grundsätzlich besser mit Informationen versorgt.309 Auch dort kommt es in der Praxis jedoch vor, dass die executive directors dem board bestimmte Informationen vorenthalten, wobei ein NED the___________ 304 s. die Empfehlung des neuen Combined Code, wonach ein CEO nicht auf die Position des chairman derselben company wechseln soll; A.2.2.; Higgs Report, 5.7. Zur Zeit sitzen in 16 der 30 Dax-Unternehmen ehemalige Vorstandsvorsitzende dem Aufsichtsrat vor; s. FAZ v. 4.5.2003 S. 29. 305 Vgl. Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 55. 306 Hirt [2003] ICCLR, 245 (252); Peltzer, JuS 2003, 348 (352); FAZ v. 26.5.2003 S. 23. 307 Bay. ObLG, BB 1968, 727 (728). 308 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 95 f. 309 Davies, ZGR 2001, 268 (281 f.).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
oretisch nach Zusatzinformationen fragen könnte, was in der Praxis jedoch als „schlechte Manieren“ vermieden wird.310 Daher fordert der Combined Code 2003 ausdrücklich, dass das Management den Board laufend mit angemessenen und aktuellen Informationen versorgt und den NEDs Zugang zu internen und externen Informationsquellen gewährt wird.311 Der Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte erstreckt sich für den board auf alle wichtigen Geschäfte der Gesellschaft.312 Dies ist beim Aufsichtsrat aufgrund des Trennungsgrundsatzes nicht der Fall.313 Es ist jedoch inzwischen obligatorisch, einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte für den Aufsichtsrat aufzustellen, und dabei möglich, diesen an Organisations-, Investitions- und Finanzierungsentscheidungen und somit an der langfristigen Unternehmensplanung zu beteiligen.314 Eine Schwäche des Zustimmungsvorbehalts bleibt auch im Board-System die Tatsache, dass sich die Entscheidungen der Kontrolleure auf die Analyse der von den executives vorgelegten Pläne und Unterlagen beschränken muss und somit die Gefahr einer Informationsvorenthaltung besteht. Weiterhin stellt die Möglichkeit des Aufsichtsrats bzw. des Board, die Manager zu bestellen, zu bewerten und sie abzuberufen, in beiden Systemen ein zentrales Instrument der Überwachung dar.315 In der Praxis dagegen nehmen die ausscheidenden Vorstandsmitglieder und nicht der Aufsichtsrat entscheidenden Einfluss auf die Auswahl neuer Kandidaten, welche dann i.d.R. auch gewählt werden.316 Auch die Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern kommen nur in der Theorie des § 124 III 1 AktG ohne Beteiligung des Vorstands zustande.317 Dazu kommt, dass Vorstandsmitglieder selten abberufen werden, und der Verlängerung ihrer Anstellungsverträge meistens nicht widersprochen wird.318 In Großbritannien werden der CEO sowie die wichtigsten executive directors vom Board gewählt. Der alte CEO schlägt dann üblicherweise ___________ 310 Financial Times v. 13.3.2003, S. 8; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 194 f. 311 A.5, Main Principle, Supporting Principles, A.5.1. f. 312 Richtungweisend insofern die Supporting Principles A.1. sowie die Provision A.1.1. des Combined Code 2003. 313 KK-Mertens, § 111 Rn. 61. 314 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 10; vgl. Ziff. 3.3. DCGK. 315 KK-Mertens, § 111 Rn. 36. 316 Peltzer, JuS 2003, 348 (350); ders., NZG 2002, 10 (12). 317 Hirt [2003] ICCLR, 245 (254); Peltzer, NZG 2002, 10 (12). 318 Zunehmend ist hier jedoch eine Trendwende zu beobachten. So gab es im Jahr 2002 an der Spitze der 2500 weltweit größten börsennotierten Unternehmen 70 % mehr CEO-Wechsel als noch im Vorjahr. Gegangen sind hier 10,1 % aller CEOs, davon 3,9 % unfreiwillig und hiervon wiederum 39 % aufgrund mangelnder Arbeitsleistung; s. Studie der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton, zitiert nach FAZ v. 13.5.2003 S. 16.
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seinen Nachfolger vor, welcher schon im voraus bestimmt ist und z. B. die Position des vice-chairman innehat. Die faktische Machtverteilung hängt schließlich sowohl im Board- als auch im Aufsichtsratssystem von der Zusammensetzung der Aktionäre der Gesellschaft ab. Haben die Aufsichtsratsmitglieder aufgrund ihrer Marktstellung (insbesondere Banken) oder ihres Mehrheitsbesitzes eine rechtlich oder wirtschaftlich starke Position inne, so werden sie einen umfassenden Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen. In anderen Fällen, insbesondere bei Aktien im Streubesitz, wird der Vorstand dagegen eine gesicherte Position haben und sich der Kontrolle durch den Aufsichtsrat leichter entziehen können. Das gleiche trifft auf die company zu. In kleinen Gesellschaften werden die Gesellschafter selbst die board-Mandate übernehmen. In einer großen public company fallen die Managementaufgaben indes den executives zu, während der Board zu einer bloßen „Unterschriftenmaschine“ und effektiver Kontrollmöglichkeiten beraubt wird. Dass das aktienrechtliche Modell in absehbarer Zeit durch das Boardsystem nach anglo-amerikanischem Vorbild ersetzt wird, ist jedenfalls nahezu ausgeschlossen. Zu stark ist hier die Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, als der Aufsichtsrat als freiwillige Einrichtung erfunden und 1870 als Kompensation für die Abschaffung des staatlichen Konzessionssystems zugunsten des Systems von Normativbestimmungen verbindlich vorgeschrieben wurde. Seine Rolle variierte mit der Zeit vom bloßen Aktionärsausschuss über ein Beratungsgremium mit faktischen Leitungsfunktionen, ein Repräsentationsgremium für Stakeholder-Interessen bis hin zum Austragungsort für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Und gerade diese letzte Funktion erweist sich als das vielleicht gewichtigste Argument gegen die Abschaffung des separaten Aufsichtsorgans, da die Beteiligung der Arbeitnehmer unmittelbar an der Leitung des Unternehmens weder sinnvoll noch durchsetzbar wäre. Entgegen Art. 14 GG käme den Arbeitnehmern Entscheidungsmacht über das von den Aktionären investierte Kapital zu.319 Da Änderungen an dem gesetzlichen Mitbestimmungsmodell zur Zeit jedoch nicht zu erwarten sind,320 wird im Folgenden ___________ 319 BVerfGE 50, 290 (323 f.; 350) (Mitbestimmungsurteil). Das BVerfG hat hier die Vereinbarkeit der Mitbestimmung mit den Rechten der Eigentümer an den Art. 9, 12 und 14 GG gemessen. Es sah die Schranken des Eigentums als gewahrt an, solange über das investierte Kapital nicht gegen den Willen der Anteilseigner entschieden werden kann. Diese dürften aufgrund der Mitbestimmung nicht die Kontrolle über die Führungsauswahl verlieren und müssten immer das Letztentscheidungsrecht behalten. Das BVerfG sah deshalb den Stichentscheid des Aufsichtsratsvorsitzenden im paritätisch angelegten Aufsichtsrat als ein wesentliches und zwingendes Element an, das ein Übergewicht der Anteilseignerseite garantiert. 320 Möllers, ZIP 1995, 1725 (1728). Die Angriffe auf (v.a. die paritätische) Mitbestimmung werden jedoch immer aggressiver. Sie stehe einer professionellen und unabhängigen Unternehmenskontrolle im Wege und sei ein erheblicher Nachteil im Wettbe-
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
auch die zweistufige Unternehmensverfassung nicht in Zweifel gezogen. Die Pläne auf EU-Ebene gehen allerdings dahin, mittelfristig zumindest börsennotierten Unternehmen die Wahl zwischen einem monoistischen – allerdings mit nicht geschäftsführenden Direktoren als zwingendem Bestandteil – und einem dualistischen System zu ermöglichen.321 In der Theorie verfügt schließlich die mitbestimmungsfreie GmbH über ein drittes Modell der Unternehmensverfassung mit dem Geschäftsführer als einem von der Gesellschaftergesamtheit abhängigen und überwachten Leitungsorgan. Seine schwache Stellung wird bei der grundsätzlich geschlossenen Gesellschaftsform damit gerechtfertigt, dass die GmbH nicht am Kapitalmarkt auftritt und somit dem Interesse des ausgewählten Gesellschafterkreises am Einfluss auf die Geschäftsführung Vorrang vor den für ein breites Publikum wichtigen Aspekten der Rechtsklarheit und -sicherheit eingeräumt werden kann. Das Modell ähnelt stark dem älteren, von der Mandatstheorie geprägten Typus der company, bei dem auch der Board dem unbegrenzten Einfluss der Gesellschafter ausgesetzt war. Die heutige company sieht nur noch in der Theorie das General Meeting als ihr oberstes Organ an, das seine Befugnisse in der Praxis entsprechend Art. 70 Table A verbindlich auf den Board überträgt und damit eine Einschränkung des eigenen Weisungsrechts hinnehmen muss. Die Gesellschafter der private company scheinen damit mehr Einfluss einzubüßen, als die der GmbH. In der Praxis dürften die Unterschiede hingegen deutlich kleiner sein. Gerade bei den kleineren, geschlossenen private companies werden das General Meeting und der Board häufig personenidentisch sein. Andernfalls kommt den Gesellschaftern aber zumindest das Recht zugute, die directors jederzeit, ohne wichtigen Grund, mit einfacher Mehrheit abberufen zu können. Schließlich kann die Übertragung der Leitungsmacht auf den Board abweichend von Art. 70 Table A geregelt und somit generell begrenzt werden. Die Aufsichtsfunktion des Board wird dadurch eingeschränkt, dass mangels Anwendbarkeit ___________ werb der Systeme, der spätestens durch das „Inspire Art“-Urteil des EuGH v. 30.9.2003 (C-167/01) im Anschluss an das „Überseering“-Urteil v. 5.11.2002 (C-208/00) und an das „Centros“-Urteil v. 9.3.1999 (C-212/97) ausgelöst wurde; vgl. FAZ v. 16.4.2003 S. 13; v. 17.4.2003 S. 11. In ihrer jetztigen Form sei die Mitbestimmung ein „Sauriermodell“, das ausländische Beschäftigte deutscher Unternehmen benachteilige, zur Abwertung deutscher Holdinggesellschaften auf internationalen Kapitalmärkten führe und somit den Standort Deutschland schwäche; so Theodor Baums auf der „Zweiten Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex“ am 26.6.2003 in Berlin; s. FAZ v. 27.6.2003 S. 11. Die Mitbestimmung könne deutsche Gesellschaften ferner als Partner für eine Europäische Aktiengesellschaft unattraktiv machen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 319 Fn. 63. Wie die Mitbestimmung sowie andere inländische Schutzanliegen trotz der neuen „Fungibilität der Gesellschaftsformen“ wirksam durchgesetzt werden können, zeigt hingegen Zimmer in: Internationales Gesellschaftsrecht, S. 161 ff. und ZHR 164 (2000), 23 (39). 321 EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1), 3.1.3.
H. Schlussfolgerungen zur Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
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des Combined Code keine (unabhängigen) NEDs mehr bestellt werden müssen. Die Ausstattung eines eventuellen Beirats der GmbH mit Geschäftsführungsfunktionen unter gleichzeitiger Bestellung der Geschäftsführer in das Gremium sorgt wiederum für eine Annäherung an das Board-System. Andererseits ist in beiden Ländern der Trend hin zu mehr Professionalisierung zu verzeichnen, der zur freiwilligen Bestellung von NEDs bzw. mit externen Fachleuten besetzten Beiräten führt. So können der Board bzw. der Beirat die komplexen Sachverhalte des heutigen Wirtschaftslebens besser bewältigen und dank einer Überwachungsfunktion helfen, das Vertrauen potentieller Kapitalgeber zu gewinnen. Abschließend sei noch auf einzelne, besonders auffällige Merkmale der Verwaltungsspitze in beiden Ländern hingewiesen. So plädiert der DCGK nunmehr zumindest bei börsennotierten Aktiengesellschaften für die bei public companies zwingende mehrköpfige Führungsspitze. Zugleich soll das Gremium aber nach außen hin durch eine starke Leitfigur des Vorstandsvorsitzenden bzw. -sprechers repräsentiert werden, dem im Innenverhältnis ein ebenfalls gestärkter Aufsichtsratsvorsitzender beratend und kontrollierend zur Seite steht. Damit soll die AG von der gleichen Machtbalance profitieren, die der company im Idealfall mit der personellen Trennung der Funktionen des chairman und des CEO zugute kommt, sofern sie den Vorgaben des Combined Code folgt. Bei den deutschen Aufsichtsräten wird schon seit langem eine deutliche Verkleinerung des oft etwa 20-köpfigen Gremiums gefordert,322 die jedoch bis auf weiteres von den Mitbestimmungsgesetzen blockiert wird. Den Vorteil der kleinen323 Entscheidungsspitze droht aber nunmehr auch das englische Recht zu verspielen, indem es im Combined Code 2003 eine mehrheitliche Besetzung des Board mit NEDs fordert. Die Gesellschaften können danach entweder ihre geschäftsführenden Direktoren gegen NEDs austauschen und den verbleibenden executives ein deutlich höheres Arbeitspensum zumuten, oder zusätzliche non-executives einstellen und somit den Board vergrößern.324 Dass der CA 1985 bei entsprechender Satzungsregelung eine unbegrenzt lange Amtszeit der directors zulässt, wird – wie bei der GmbH – durch das Recht zu jederzeitiger Abberufung kompensiert. NEDs sollen nach dem Com___________ 322 S. zuletzt BDI-Präsident Rogowski, FAZ v. 16.4.2003 S. 13. Im Schnitt haben deutsche Unternehmen 18 Aufsichtsratsmitglieder, was eindeutig die Qualität der Corporate Governance belastet; vgl. die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003) in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23. 323 Zwei Drittel der FTSE 100 Gesellschaften verfügen über einen Board mit neun bis zwölf Mitgliedern; s. Hirt [2003] ICCLR, 261 (270); im Schnitt besteht ein britischer Board aus acht Mitgliedern und trägt damit entscheidend zur Spitzenposition Großbritanniens im europäischen Corporate Governance-Vergleich bei; s. die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003) in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23. 324 Dies wird notwendig sein, da zur Zeit weniger als 20 % der Gesellschaften über die geforderte Board-Struktur verfügen; s. Financial Times v. 12.12.2002, S. 3; Hirt [2003] ICCLR, 261 (270).
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1. Kapitel: Vergleichbarkeit der Geschäftsleiterfunktionen
bined Code 2003 zudem nur zwei dreijährige Amtsperioden absolvieren und gelten spätestens nach zehn Jahren nicht mehr als unabhängig. Strenger als im deutschen Recht325 wird durch den Company Directors Disqualification Act 1986 der Zugang zum Amt für Personen limitiert, die bereits Zweifel an ihren Führungsqualitäten haben erkennen lassen. Während die Tätigkeit als Vorstandsmitglied bzw. executive director durch den Anstellungsvertrag als Vollzeittätigkeit ausgestaltet wird, lässt der CA generell unbegrenzt viele BoardMandate, ggf. in konkurrierenden Unternehmen zu. Erwartet wird nur die Offenlegung der sonstigen Posten. Der Combined Code 2003 steht lediglich zwei Posten als chairman bzw. dem Engagement von executives als NEDs bzw. chairman in anderen Gesellschaften kritisch gegenüber. Die Begrenzung auf zehn bzw. nach dem DCGK auf fünf Aufsichtsratsmandate entspricht hingegen eher dem Bedürfnis nach professionellerer Überwachungstätigkeit, wenn auch das zweckmäßige Verbot der competing directorships hierzulande eine bloße Kodex-Empfehlung bleibt. Für die folgende Untersuchung folgt aus der neu definierten dualen Aufgabe des Board of Directors verbunden mit dessen Unabhängigkeit vom General Meeting jedenfalls eine ausreichende Ähnlichkeit mit der Leitungs- und Überwachungsfunktion des deutschen Vorstandes bzw. Aufsichtsrates, um eine rechtsvergleichende Betrachtung der entsprechenden Pflichten zuzulassen. Lediglich bei der Formulierung der Verhaltensanforderungen an die Aufsichtsräte ist im Hinblick auf die zwingende Gewaltenteilung besondere Vorsicht angeraten. Für die Rückschlüsse auf die GmbH wird neben der abhängigen Stellung des Geschäftsführers entscheidend sein, dass für die Organhaftung in der private company zwar grundsätzlich keine Spezialregeln gelten, dass das flexible gesetzliche Modell in der Praxis aber satzungsmäßige Gestaltungen hervorgebracht hat, die – ähnlich wie das GmbH-Recht – den Bedürfnissen des kleineren, geschlossenen Gesellschafterkreises Rechnung tragen.
___________ 325
Vgl. § 76 III 3, 4 AktG, § 6 II 3, 4 GmbHG und das Fehlen einer entsprechenden Beschränkung für Aufsichtsratsmitglieder.
2. Kapitel
Verantwortungsrichtungen A. Unternehmensziele im englischen Recht I. Das Amt des director in seiner Entstehungsgeschichte Die Übertragung der Leitungsbefugnisse in einer wirtschaftlichen Vereinigung auf bestimmte Individuen konnte bereits bei der mittelalterlichen Ursprungsform der Gesellschaft, bei der guild of merchants beobachtet werden. Die Gilden, die damals noch den heutigen Interessenvereinigungen des Handels entsprachen und bei denen jedes Mitglied auf eigene Rechnung geschäftlich tätig war, verfügten bereits über ein verwaltendes Gremium, das im Allgemeinen aus einem governor und mehreren assistent governors bestand.1 Bis Mitte des 17. Jahrhunderts haben sich daneben partnerships und joint stock companies als Organisationen mit dem Zweck einer gemeinsamen Geschäftstätigkeit entwickelt, die die innere Verfassung der guilds übernahmen. Lediglich die Terminologie wechselte Ende des 17. Jahrhunderts, sodass die Handelsgesellschaften nunmehr erstmals von directors sprachen. Den entscheidenden Umbruch in der Geschichte des englischen Gesellschaftsrechts brachte der Bubble Act von 1720 mit sich, der als Reaktion auf die Vielzahl von illegal operierenden joint stock companies erlassen wurde, die ohne staatliche Konzession (Act of Parliament oder Crown charter) errichtet worden waren. Der Bubble Act hat die Hürden für die Erlangung der Rechtsfähigkeit durch eine Gesellschaft derart angehoben, dass die Rechtsform der joint stock company für Jahrzehnte fast völlig verschwand. Die Geschäftstreibenden wichen statt dessen auf die nicht rechtsfähige partnership aus und suchten die mangelnde Rechtspersönlichkeit durch die Verwendung der Treuhand-Konstruktion (trust) zu ersetzen. Der Gesellschaftsvertrag einer solchen partnership, der „deed of settlement“ sah regelmäßig vor, dass die Leitung der Gesellschaft an einen Direktorenausschuss (committee of directors) delegiert wird, während das Gesellschaftsvermögen in den Händen eines separaten Gremiums von Treuhändern (trustees) verbleibt, von denen manche zugleich auch Direktoren sein würden. Im Falle einer solchen Funktionentrennung haben die Gerichte aber gleichwohl auch die Direktoren als Treuhänder angesehen, sofern diese mit dem Gesellschaftsvermögen be___________ 1 Einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des englischen Gesellschaftsrechts gibt Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, in der Vorauflage von 1997, auf S. 18 ff.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
fasst waren.2 Auch auf diesen Gebilden lastete jedoch der Bubble Act, der zunehmend so ausgelegt wurde, dass auch nicht rechtsfähige Gesellschaften als illegal galten, sofern ihre Anteile frei übertragbar waren. Zudem ließen sich einige Vorteile der Rechtsfähigkeit nicht vertraglich kompensieren, wie z. B. das Recht der Gesellschaft, zu klagen und verklagt zu werden, sowie die Möglichkeit einer generellen Haftungsbeschränkung. Der entscheidende Schritt hin zum modernen Gesellschaftsrecht kam in Form der Aufhebung des Bubble Act im Jahre 1825. Der erste Versuch, die unsichere Rechtslage endgültig zu beseitigen, wurde jedoch erst mit den Gesetzen von 1844 und 1845 unternommen, nachdem die Praxis gezeigt hatte, dass der Boom der Gesellschaftsgründungen nicht mehr aufzuhalten war. Das Gesetz trennte zum ersten mal strikt zwischen partnerships und joint stock companies, wobei letztere ihre Rechtsfähigkeit nunmehr durch bloße Eintragung erlangen sollten. Die Eintragung als company war andererseits für jede Gesellschaft mit mehr als 25 Mitgliedern und übertragbaren Anteilen obligatorisch. Nur die beschränkte Haftung war weiterhin den mit staatlicher Konzession gegründeten Gesellschaften (chartered und statutory companies) vorbehalten. Dies änderte sich mit dem Limited Liability Bill von 1855, der kurze Zeit später durch den Joint Stock Companies Act 1856 – den ersten der modernen Companies Acts – ersetzt wurde und nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Beschränkung der Haftung durch Eintragung ermöglichte.
II. Die Direktoren als fiduciaries der Gesellschaft Das englische Gesellschaftsrecht hat sich bei der Frage nach der Rechtsbeziehung zwischen den Direktoren und der Gesellschaft lange Zeit nicht festlegen können mit der Folge, dass ihre Pflichten aus Analogien zu ähnlichen, herkömmlichen Rechtsinstituten entwickelt wurden. Im Laufe der Jahre wurden die directors als Treuhänder (trustees),3 geschäftsführende Teilhaber (managing partner),4 oder Beauftragte und Vertreter (agents)5 der Gesellschaft eingeordnet. ___________ 2
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 380. Great Eastern Rly Co v. Turner (1872) 8 Ch App 149 (152, Lord Selborne); Re Lands Allotment Co [1894] 1 Ch 616 (631, Lindley LJ); Selangor United Rubber Estates Ltd v. Cradock (No. 3) [1968] 1 WLR 1555 (1574-1577, Ungoed-Thomas J); Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 585 Fn. 2, 591 (Treuhänder des Gesellschaftsvermögens); Zu den Hintergründen und zur Entstehung dieser Sichtweise ausführlich Sealy [1967] CLJ 83. 4 Re Forest of Dean Coal Mining Co (1878) 10 Ch D 450 (453, Jessel MR); kritsch Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.2.2. 5 Great Eastern Rly co v. Turner (1872) 8 Ch App 149 (152, Lord Selborne); Ferguson v. Wilson (1866) 2 Ch App 77 (89, Cairns LJ): „They [directors] are merely agents 3
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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Da die Treuhand noch bis 1844 als Rechtsgrundlage für die Beziehungen zwischen den damals nicht rechtsfähigen Gesellschaften und deren Geschäftsleitern diente,6 wurde sie von den Gerichten zunächst auch auf die rechtsfähigen companies analog7 angewendet. Dafür sprach, dass die Erlangung der Rechtsfähigkeit an sich nichts an den Pflichten des Direktors ändern sollte, die equity-Rechtsprechung ferner jede Person in einer Vertrauensposition als einen Treuhänder zu behandeln pflegte.8 Während dies im Bezug auf die Loyalitätspflichten nicht zu beanstanden ist, ist ein Direktor im Hinblick auf die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten (duties of care and skill) keinesfalls mit einem echten Treuhänder vergleichbar. Die Sorgfaltspflichten eines Direktors sind geringer, da die company hier auch formell Eigentümerin ihres Vermögens bleibt.9 Während von dem Treuhänder als Erbschaftsverwalter (trustee of a will) oder Betreuer eines Ehevertrages (trustee of a marriage settlement) erwartet wird, dass er umsichtig handelt und Risiken für das Treuhandvermögen vermeidet, muss der Leiter eines Wirtschaftsunternehmens zwangsläufig Risiken eingehen, um für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter Gewinne zu erzielen.10 So stellt Romer J in Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd fest: „It has sometimes been said that directors are trustees. If this means no more than that directors in the performance of their duties stand in a fiduciary relationship to the company, the statement is true enough. But if the statement is meant to be an indication by way of analogy of what those duties are, it appears to me to be wholly misleading. I can see but little resemblance between the duties of a director and the duties of a trustee of a will or of a marriage settlement. It is indeed impossible to describe the duty of directors in general terms, whether by way of analogy or otherwise. The position of a director of a company carrying on a small retail business is very different from that of a director of a railway company. The duties of a bank director may differ widely from those of an insurance director, and the duties of a director of one insurance company may differ from those of a director of another.“11
Zum Teil hat die Rechtsprechung die Treuhandkonstruktion daher um Elemente des Stellvertreterrechts ergänzt: ___________ of a company. The company itself cannot act in its own person, for it has no person; it can only act through directors, and the case is, as regards those directors, merely the ordinary case of principal and agent.“; Aberdeen Railway Co v. Blaikie Brothers (1854) 1 Macq 461 (471, Lord Cranworth LC), HL; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 582, 585 („fiduciary agents“). 6 s. o., 2. Kapitel, A. I.; Sealy [1967] CLJ 83. 7 Die Analogie war notwendig, da die incorporated company nunmehr selbst Eigentümerin ihres Vermögens war. 8 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 380. 9 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.2.3; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 507. 10 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (124 f.); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 108 f.; Sealy [1967] CLJ 83 (89). 11 [1925] 1 Ch 407 (426).
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
„The directors are the mere trustees or agents of the company – trustees of the company’s money and property – agents in the transactions which they enter into on behalf of the company.“12
Störend wirkte dabei aber wiederum die Tatsache, dass der Direktor im Vergleich zum herkömmlichen Vertreter über deutlich mehr Macht verfügte und nahezu keiner Kontrolle seitens des Vertretenen unterlag.13 Die neuere Rechtsprechung tendiert hingegen dazu, auf den Versuch einer Einordnung unter die herkömmlichen Rechtsfiguren des Richterrechts zu verzichten und stattdessen anzuerkennen, dass der director eine besondere, durch Gesetz geschaffene Position sui generis innehat. „Directors of a limited company are the creatures of statue and occupy a position peculiar to themselves. In some respects they resemble trustees, in others they do not. In some respects they resemble agents, in others they do not. In some respects they resemble managing partners, in others they do not.“ 14
Hierfür die Figur der Organschaft zu bemühen, ist dem englischen Gesellschaftsrecht allerdings fremd, ist doch das gesamte case law traditionell solch abstrakten, institutionellen Rechtsfiguren stark abgeneigt.15 Entscheidend ist schließlich, dass trotz dieser begrifflichen Schwierigkeiten Einigkeit über die fiduziarische Natur der Beziehung Direktor – Gesellschaft herrscht. Die Amtsinhaber werden daher am besten mit dem neutralen Begriff fiduciaries16 charakterisiert, der das Vertrauensverhältnis in den Vordergrund stellt, ohne jedoch die Treuhand (trust) im technischen Sinne zu meinen: „A fiduciary is someone who has undertaken to act for or on behalf of another in a particular matter in circumstances which give rise to a relationship of trust and confidence.“17 „… [a] fiduciary undertakes or agree to act for or on behalf of or in the interests of another person in the exercise of a power or discretion which will affect the interests of that other person in a legal or practical sense.“18
___________ 12
Great Eastern Rly Co v. Turner (1872) 8 Ch App 149 (152, Lord Selborne). Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.2.2. 14 Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (147, Lord Russell). 15 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 698, 712. 16 Imperial Mercantile Credit Association v. Coleman (1873) LR 6 HL 189; s. auch Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (159, Lord Porter); English v. Dedham Vale Properties Ltd [1978] 1 WLR 93 (110, Slade J); Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (125); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 156 f.; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 514 ff. 17 Bristol and West Building Society v. Mothew [1998] Ch 1 (18, Millett LJ). 18 Hospital Products Ltd v. United States Surgical Corporation (1984) 156 CLR 41 (96 f., Mason J). 13
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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Sinngemäß erscheint auch die Bezeichnung als Quasi-Treuhänder (quasi trustee) angebracht.19 Die wichtigste Konsequenz der Vertrauensstellung ist die daraus folgende und aus dem Billigkeitsrecht (equity) stammende Pflichtenbindung durch die sog. fiduciary duties (fiduziarische, Loyalitäts- bzw. Treuepflichten), die grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft, also dem abstrakten Rechtssubjekt „the company as a whole“ besteht.20 Spiegelbild dieses Grundsatzes ist das Prinzip aus der grundlegenden Entscheidung Foss v. Harbottle,21 nach dem eine Pflichtverletzung des director ein Unrecht gegenüber der company begründet mit der Folge, dass diesbezügliche Klagen grundsätzlich nur von der company selbst und nicht von einzelnen Gesellschaftern erhoben werden können. Die Schwierigkeit liegt aber gerade darin, das Eigeninteresse eines solchen abstrakt geschaffenen Gebildes zu ermitteln. Anhaltspunkte müssen die Interessen der einzelnen an der Gesellschaft beteiligten Individuen bieten, zu denen deren Eigentümer, möglicherweise aber auch die Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden, Lieferanten, die Öffentlichkeit oder der Staat zu zählen sind. Welche dieser Gruppen jedoch tatsächlich rechtlich legitimiert sind, das Gesellschaftsinteresse zu konstituieren, ist höchst umstritten und im Folgenden zu erörtern. Da die Frage der Interessenbindung jedoch nicht Schwerpunkt dieser Untersuchung ist, wird hier nicht versucht, der Fülle der vertretenen Ansichten einen neuen Lösungsansatz hinzuzufügen. Die Darstellung beschränkt sich vielmehr darauf, die einzelnen Standpunkte vorzustellen und den für das jeweilige Land tragfähigsten zu ermitteln, um einen Maßstab für die spätere inhaltliche Konkretisierung der Einzelpflichten zu erhalten.
___________ 19
Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s Case (1882) 21 ChD 519 (534, Jessel MR); Re Oxford Benefit and Investment Society (1886) 35 ChD 502 (509, Kay J); s. auch Lindley LJ in Re Lands Allotment Co [1894] 1 Ch 616 (631): „Although directors are not properly speaking trustees, yet they have always been considered and treated as trustees of money which comes to their hands or which is actually under their control.“; s. ferner Selangor United Rubber Estates Ltd v. Cradock (No. 3) [1968] 1 WLR 1555 (1574, Ungoed-Thomas J). Gower/Davies bezeichnet die Direktoren weiterhin als agents, die in einem fiduziarischen Verhältnis zu der Gesellschaft als ihrem principal stehen; s. Principles of Modern Company Law, S. 598. 20 Greenhalgh v. Arderne Cinemas Ltd [1951] Ch 286 (290 f., Lord Evershed MR); Barrett (1977) 40 MLR 226; Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (125); Hannigan, Company Law, S. 199; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 371; vgl. auch Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd [1925] 1 Ch 407; Re Smith & Fawcett Ltd [1942] Ch 304. So nun auch das Clause 154(1) Company Law Reform Bill. 21 (1843) 2 Hare 461; zum Prinzip in Foss v. Harbottle und zur Frage der Individualklagen s. unten, 5. Kapitel, A. IV.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
III. Regelungsziele des Company Law 1. Shareholder-Modell Die Realität des Kapitalmarkts hat die Manager in Großbritannien und die Institutionen der Londoner City schon frühzeitig davon überzeugt, dass neben den Pflichten gegenüber den Aktionären in der Praxis auch gewisse Verpflichtungen gegenüber der Belegschaft, den Kunden und der Öffentlichkeit erkannt und berücksichtigt werden müssen. Es wurde für die meisten Vorstandsvorsitzenden zu einem Automatismus, in ihren Hauptversammlungsreden zu betonen: „this company recognizes that it has duties to its members, employees, consumers of its products and to the nation“ oder „shareholders, creditors, employees, investors, management, suppliers, customers, the community and the state“.22 Der City Code on Takeovers and Mergers sieht in General Principle 9 „… the shareholders’ interests taken as a whole together with those of employees and creditors…“ als maßgeblich an. Die englischen Juristen wehrten sich hingegen bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erfolgreich gegen den Gedanken, dass solche Verpflichtungen – sofern sie überhaupt existierten – Gegenstand des Gesellschaftsrechts sein könnten. Die Erkenntnis setzte sich erst mit den Beiträgen von Berle und Means durch, die darauf hingewiesen haben, dass die modernen Gesellschaften nicht einmal mehr die Gewinnmaximierung zugunsten der Gesellschafter in den Vordergrund stellten, sondern ihre Größe und Bedeutung zu steigern versuchten, um die Macht und den Einfluss ihrer Manager zu sichern.23 Den Schritt zur rechtlichen Anerkennung sozialer Pflichten der Unternehmen – insbesondere im Bereich der Geschäftsleiterpflichten nach dem common law – hat Großbritannien jedoch bis heute nicht gewagt.24
a) Gesellschaftsinteresse als Interesse der Gesellschaftergesamtheit Unumstritten ist, dass das Gesellschaftsinteresse nicht einfach mit dem wirtschaftlichen Vorteil des Rechtssubjekts company an sich gleichgesetzt werden ___________ 22 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 376 f.; Davies, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 83 (85); Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (231). 23 Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 9; Berle (1930-31) 44 Harvard LR 1049; Dodd (1931-32) 45 Harvard LR 1145; Berle, Power without Property; s. auch Wedderburn (1985-86) 15 Melbourne University LR 4; ders. (1985) 23 Osgoode Hall LJ 203. 24 Davies, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 83 (85).
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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kann ohne Rücksicht auf die Interessen seiner Mitglieder. Andernfalls müsste von den Direktoren beispielsweise erwartet werden, dass sie alle Gewinne thesaurieren, um die Größe und das Vermögen der Gesellschaft zu mehren, auch wenn die Gesellschafter dadurch keine Dividenden und somit keine Rendite auf das investierte Kapital erhalten würden.25 Traditionell vorherrschend ist deshalb der Ansatz, der das Gesellschaftsinteresse mit dem Interesse der gegenwärtigen und künftigen Gesellschafter als Gesellschaftergesamtheit (general body) gleichsetzt:26 „The shareholders are the members, the members are the company and the directors should be accountable to the company for whom they act.“27 „… the phrase ‘the company as a whole’, does not … mean the company as a commercial entity, distinct from the corporators: it means the corporators as a general body. That is to say, the case may be taken of an individual hypothetical member and it may be asked whether what is proposed is, in the honest opinion of those who voted in its favour, for that person’s benefit.“28
Der Ansatz wird daher auch als „shareholder-centred“ oder als auf dem Prinzip der „shareholder primacy“ basierend bezeichnet29 und wurde bereits im Schlussbericht des Hampel Committee befürwortet. Danach haben sich alle börsennotierten Gesellschaften einzig und allein nach dem Prinzip zu richten, dass die Investition der Aktionäre zu erhalten und zu maximieren ist. Zu der Gesellschaftergesamtheit gehören natürlich auch die Direktoren selbst, sofern sie Aktien der Gesellschaft halten. Deshalb kann es ihnen nicht verwehrt sein, ihre eigenen Interessen mit zu berücksichtigen.30 Die Förderung des Wohls der Gesellschaftergesamtheit erfordert von den Direktoren ferner einen Ausgleich zwischen der kurzfristigen Orientierung der gegenwärtigen Aktionäre und dem langfristigen Interesse der zukünftigen Anleger.31 Lediglich dann, wenn es ___________ 25 Arden, in: Rawlings, Law, Society and Economy, S. 91 (100); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 76 f. 26 Parke v. Daily News Ltd [1962] Ch 927 (963, Plowman J); Greenhalgh v. Arderne Cinemas Ltd [1951] Ch 286, (291, Lord Evershed MR); s. auch S. 309 CA 1985; Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (230 f.). 27 Davies, ZGR 2001, 268 (278). 28 Greenhalgh v. Arderne Cinemas Ltd [1951] Ch 286, (291, Lord Evershed MR). 29 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 14. 30 Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150 (164, Latham CJ), Aust HC: „A director...is not... required by the law to live in an unreal region of detached altruism and to act in a vague mood of ideal abstraction from obvious facts which must be present to the mind of any honest and intelligent man when he exercises his powers as a director“. 31 Counsel’s Opinion quoted in the Report by Mr Milner Holland of an investigation under S. 165(b) of the Companies Act 1948 into the affairs of the Savoy Hotel Ltd and the Berkeley Hotel Company Ltd, Board of Trade, 1954 (Second Savoy Hotel Investigation, Report of the Inspector 1954, HMSO); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 389; Gaimann v. National Association for Mental Health [1971] Ch 317 (330, Megarry J).
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
konkurrierende Übernahmeangebote zu beurteilen gilt, sind die Interessen der bisherigen Aktionäre maßgeblich.32
b) Interessen der einzelnen Gesellschafter Fraglich ist ferner, ob die directors neben ihrer Position als fiduciaries der Gesellschaft auch als fiduciaries der einzelnen Gesellschafter anzusehen sind. Bisher wird eine solche Pflichtenbindung abgelehnt:33 In der Grundsatzentscheidung Percival v. Wright34 kauften Vorstandsmitglieder von Aktionären Aktien zu einem niedrigen Preis und verschwiegen dabei, dass sie zugleich über ein Übernahmeangebot zu einem höheren Preis verhandelten. Die Richter befanden, dass die fehlende Offenlegung nicht die Unwirksamkeit des Kaufvertrages nach sich ziehen könne, da die Direktoren den Aktionären gegenüber nicht zur Loyalität verpflichtet seien. Erstere müssten lediglich ihren Gewinn an die company abführen. Obgleich das in dem Urteil bestätigte Prinzip heute unumstritten ist, stieß die Entscheidung im konkreten Fall auf Ablehnung und ist wohl nur mit den Umständen des Falles zu rechtfertigen. So sind das Verkaufsangebot wie auch der Preis von den Aktionären ausgegangen. Das Gericht sah es ferner nicht als erwiesen an, dass der Board jemals beabsichtigte, das Unternehmen tatsächlich an den Bieter zu verkaufen, zumal die Verhandlungen mit diesem abgebrochen worden waren.
Eine Pflichtenbindung entsteht nicht einmal gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter, wie z. B. einer Muttergesellschaft.35 Ebensowenig ist es dem Board gestattet, die Interessen einer Gruppe von Gesellschaftern als maßgeblich zu werten.36 Dieser theoretischen Rechtslage widerspricht jedoch die praktische Wirkung der Kapitalmarktkräfte, insbesondere auf dem market for corporate control. Hier haben die enttäuschten Anleger zum einen die Möglichkeit, ihre Anteile zu verkaufen und dadurch den Aktienkurs einer börsennotierten Gesellschaft negativ zu beeinflussen. Zum anderen können sie ein eventuelles Übernahmeangebot annehmen, was in der Regel zur Auswechslung des bisherigen Managements führt und somit ebenfalls ein tatsächliches Druckmittel zur Durchsetzung der Gesellschafterinteressen darstellt.37 ___________ Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244 (265, Lawton LJ). Davies, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 83; Halsbury’s Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 591; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 374 ff.; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 508 m. w. N. 34 [1902] 2 Ch. 421. 35 Pergamon Press Ltd v. Maxwell [1970] 1 WLR 1167. 36 Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821 (835). 37 Hannigan, Company Law, S. 173. 32 33
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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Es sind jedoch auch Konstellationen denkbar, in denen auf vertraglicher Basis oder aus den Umständen des Einzelfalles38 engere, sog. sekundäre Treuepflichten gegenüber Gesellschaftern erwachsen. Dies ist zum einen unproblematisch der Fall, wenn der Gesellschafter dem Direktor eine besondere Vollmacht erteilt und zwischen beiden ein Auftragsverhältnis (agency) begründet wird.39 Ein besonderes Vertrauensverhältnis entsteht ferner als Folge eines Übernahmeangebots. Dieses verpflichtet den Direktor dazu, den Aktionären hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen und von jeglicher Irreführung abzusehen.40 Liegen mehrere konkurrierende Übernahmeofferten vor, so ist es dem Direktor untersagt, die Aktionäre an der Entscheidung für den höchsten Preis zu hindern, auch wenn er nicht dazu verpflichtet ist, das höchste Gebot zu empfehlen oder zu unterstützen.41 Die Gerichte weigern sich bisher jedoch, diese besonderen Verpflichtungen als Beleg für die Existenz einer unmittelbaren Treuepflicht gegenüber den Gesellschaftern anzusehen: „If … directors take it on themselves to give advice to current shareholders, the cases … show clearly that they have a duty to advise in good faith and not fraudulently, and not to mislead whether deliberately or carelessly. … However, these cases do not, in my view, demonstrate a pre-existing fiduciary duty to the shareholders but a potential liability arising out of their words or actions which can be based on ordinary principles of law. This, I may say, appears to be a more satisfactory way of expressing the position of directors in this context than by talking of a so-called secondary fiduciary duty to the shareholders.“42
Die mangelnde Pflichtenbindung der Direktoren gegenüber den Gesellschaftern werde vielmehr bereits durch das gesetzliche Recht aus Section 459 CA 1985 kompensiert, nach dem die Gesellschafter gegen eine Art der
___________ 38 Coleman v. Myers [1977] 2 NZLR 225 (private company, deren Anteile überwiegend von Mitgliedern einer Familie gehalten wurden, die die Direktoren häufig um Rat in wirtschaftlichen Angelegenheiten gebeten haben); Re Chez Nico (Restaurants) Ltd [1992] BCLC 192 (208); s. auch Elliott v. Wheeldon [1993] BCLC 53, wo hinter der company tatsächlich ein joint venture zweier Partner stand, die zugleich Direktoren der company waren und als Partner einander zur Loyalität verpflichtet waren; neuerdings Peskin v. Anderson [2001] 1 BCLC 372 (379, Mummery LJ); ferner Arsalidou (2002) 23 Co Law 61. 39 Allen v. Hyatt (1914) 30 TLR 444; Briess v. Woolley [1954] AC 333. 40 Gething v. Kilner [1972] WLR 337 (341); Re a Company (No 008699 of 1985) [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J); für public companies s. aber die Stellungnahmepflichten des City Code on Takeovers and Mergers; dazu unten, 4. Kapitel, A. II. 2. b) bb). 41 Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244 (264 f., Lawton J); Re a Company (No 008699) of 1985 [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J). 42 Dawson International plc v. Coats Paton plc [1989] BCLC 233 (243 f., Lord Cullen), CS (Outer House).
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
Leitung der Gesellschaft, die sie in unfairer Weise benachteiligt, gerichtlich vorgehen können (unfair prejudice remedy).43
c) Interessen der anderen Konzerngesellschaften Auch wenn die Gesellschaft zu einem Konzern gehört, ist für den Board das Wohl dieser Gesellschaft maßgeblich, ohne dass er sich ausschließlich am Interesse des Gesamtkonzerns orientieren darf.44 Dementsprechend obliegt dem director einer Muttergesellschaft keine fiduziarische Pflicht gegenüber der Tochtergesellschaft, wenn diese einen eigenen, unabhängigen board of directors hat.45 Der Board der Tochtergesellschaft steht wiederum in keinem Treueverhältnis zur Muttergesellschaft als Inhaberin der Kontrollmehrheit.46 Das Konzernwohl darf und wird in der Praxis dennoch häufig berücksichtigt, sofern es das Wohl der Gesellschaft zu beeinflussen vermag.47 Die Frage ist, ob eine vernünftige und redliche Person in der Position des Direktors unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles geglaubt hätte, dass die Transaktion zum Wohle der Gesellschaft beitragen wird.48 Fungiert die Gesellschaft als Treuhänderin eines Vermögens, so erkennt die englische Rechtsprechung ebenfalls keine direkten Loyalitätspflichten des Direktors gegenüber den Begünstigten an.49
d) Interessen der Gläubiger Ebensowenig hatten directors nach traditioneller Sichtweise die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen,50 was durch die Entscheidung Multinational ___________ 43
Brant Investments Ltd v. KeepRite Inc. (1991) 80 DLR (4th) 161; zur Section 459 s. ausführlich unten, 5. Kapitel, A. IV. 4. 44 Dine, The Governance of Corporate Groups, S. 43, 52 ff.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 205. 45 Charterbridge Corporation Ltd v. Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (74, Pennycuick J): „Each company in the group is a separate legal entity and the directors of a particular company are not entitled to sacrifice the interest of that company.“; Lindgren v. L.P. Estates Ltd. [1968] Ch. 572 (595) CA. 46 Bell v. Lever Bros Ltd [1932] AC 161 (228), HL; Pergamon Press Ltd v. Maxwell [1970] 1 WLR 1167. 47 Nicholas v. Soundcraft Electronics Ltd [1993] BCLC 360; Hannigan, Company Law, S. 230. 48 Charterbridge Corporation Ltd v. Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (74, Pennycuick J); s. auch Walker v. Wimborne (1976) 50 ALJR 446. 49 Bath v. Standard Land Co Ltd [1911] 1 Ch 618; Anders aber die Gerichte der Commonwealth Länder, s. Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 524 f. m. w. N.
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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Gas and Petrochemical Co v. Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd51 verdeutlicht wird: „The directors indeed stand in a fiduciary relationship to the company, as they are appointed to manage the affairs of the company and they owe fiduciary duties to the company though not to the creditors, present or future, or to individual shareholders.“52
Andernfalls stellte man den Direktor, der zugleich das Wohl der Gesellschafter und der Gläubiger beachten müsste, vor unlösbare Probleme und Interessenkonflikte, was im Ergebnis Rechtsunsicherheit bedeuten würde.53 Etwas anderes galt auch hier in den Fällen, in denen zwischen den Direktoren und den Gläubigern eine besondere vertragliche Vereinbarung bzw. ein Vertretungsverhältnis bestand.54 Inzwischen hat sich in Rechtsprechung und Gesetzgebung aber ein Ansatz durchgesetzt, der in bestimmten Situationen – nämlich bei eingetretener oder drohender Insolvenz – die Interessen der Gesellschafter durch die der Gläubiger ergänzen und z.T. sogar ersetzen will.55 Diese langsame Anerkennung der Gläubigerinteressen durch die Gerichte ist im Lichte der neueren Entwicklung in der Gesetzgebung, vor allem in Gestalt des Insolvency Act 1986 (IA 1986) und des Company Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986), zu sehen. Der Insolvency Act 1986 stützt die Haftung der directors vielfach auf die Tatsache der Gläubigergefährdung. So statuiert Section 214 IA 1986 ein Verbot des wrongful trading, also der Fortführung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, obwohl der Direktor wusste oder hätte wissen müssen, dass die Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr verhindert werden konnte.56 Die persönliche ___________ 50
Re Wincham Shipbuilding Boiler and Salt Co (1878) 9 ChD 322 (328 f., Jessel MR); Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 591, 616. 51 [1983] Ch 258. 52 [1983] Ch 258 (288, Dillon LJ); s. auch Winkworth v. Edward Baron Development Co Ltd [1987] BCLC 193 (197, Lord Templeman); mit kritischer Anmerkung bei Sealy (1988) 47 CLJ 175. 53 Barrett, (1977) 40 MLR 226 (230 f.). 54 Kuwait Asia Bank EC v. National Mutual Life Nominees Ltd [1991] 1 AC 187 (219, Lord Lowry); Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 616. 55 Hannigan, Company Law, S. 204 ff.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 372 ff.; Zu den Gläubigerinteressen s. ferner ausführlich Dawson (198485) 11 NZULR 68; Farrar (1989-91) 4 Canta LR 12; Finch (1989) 10 Co Law 23; Grantham [1991] JBL 1; Prentice, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 73 ; Prentice (1990) 10 OJLS 265; Riley (1989) 10 Co Law 87; Sealy (1988) 47 CLJ 175. 56 „...that person knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation...“, Section 214(2)(b) IA 1986; s. Palmer’s Company Law Manual, 3-035 ff.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
Haftung des director für wrongful trading hängt gem. Section 214(3) IA 1986 davon ab, ob er alles unternommen hat, um den Schaden der Gläubiger zu minimieren, und kann nur nach Eintritt der Gesellschaft in die insolvenzbedingte Liquidation angeordnet werden. Gem. Section 213 IA 1986 haftet der Direktor ferner für die vorsätzliche Beteiligung an einer Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, die auf die Benachteiligung der Gläubiger abzielt (with intent to defraud creditors), wobei die fragliche Handlung außerhalb einer Krise der Gesellschaft stattfinden kann und nur die Anordnung der persönlichen Haftung auf die (nicht notwendigerweise insolvenzbedingte) Liquidation beschränkt bleibt (fraudulent trading).57 Die Veruntreuung bzw. Verwirtschaftung von Gesellschaftsvermögen (misfeasance) oder die Verletzung einer (fiduziarischen) Pflicht kann gem. Section 212 IA 1986 ein summarisches gerichtliches Verfahren im Zuge der insolvenzmäßigen Liquidation (misfeasance proceedings) zur Folge haben, bei dem unter anderem jeder Gläubiger gegen den Direktor vorgehen und Ersatz verlangen kann.58 Die Vorschriften der Sections 238-246 IA 1986 über angreifbare Geschäftsabschlüsse (vulnerable transactions) dienen schließlich ebenfalls dem Schutz der Gläubigerrechte. Gläubigerinteressen stehen auch im Mittelpunkt des Company Directors Disqualification Act 1986. Gem. Section 6 CDDA 1986 muss das Gericht dem Direktor die Ausübung dieses Amtes mit Wirkung für die Zukunft untersagen, wenn es davon überzeugt ist, dass er sich durch sein Verhalten in der Insolvenz als unfähig erwiesen hat, eine Gesellschaft zu leiten. Um dies zu beurteilen, muss das Gericht gem. Section 9 CDDA 1986 die in Teil I von Schedule 1 aufgeführten Gesichtspunkte prüfen, u.a. das Maß der Verantwortlichkeit des Direktors für die Krise der Gesellschaft sowie verschiedene Aspekte seines Verhaltens gegenüber Gläubigern. Auch in der Praxis werden zahlreiche Fälle der Disqualifizierung darauf gestützt, dass die Direktoren die Gläubigergelder zu hohen Risiken ausgesetzt haben:59 „The concept of limited liability and the sophistication of our corporate law offers great privileges and great opportunities for those who wish to trade under that regime. But the corporate environment carries with it the discipline that those who avail themselves of those privileges must accept the standards laid down and abide by the regulatory rules and disciplines in place to protect creditors and shareholders
___________ 57
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 195. s. dazu Re Horsley & Weight Ltd [1982] Ch 442 (454 f.); Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016. 59 Secretary of State for Trade and Industry v. Joiner, Re Synthetic Technology Ltd [1993] BCC 549; vgl. auch Secretary of State for Trade and Industry v. Lubrani, Re Amaron Ltd [1997] 2 BCLC 115; Secretary of State for Trade and Industry v. Laing [1996] 2 BCLC 324; Secretary of State for Trade and Industry v. McTighe (No 2) [1996] 2 BCLC 477; Re Richborough Furniture Ltd [1996] 1 BCLC 507; Secretary of State for Trade and Industry v. Gray [1995] 1 BCLC 276; Re Firedart Ltd, Official Receiver v. Fairall [1994] 2 BCLC 340. 58
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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… The Parliamentary intention to improve managerial safeguards and standards for the long term good of employees, creditors and investors is clear.“60
Die Vorreiterrolle in der Rechtsprechung übernahmen die Gerichte Australiens und Neuseelands: In dem australischen Fall Walker v. Wimborne61 hat der board ein Darlehen an eine andere Konzerngesellschaft auszahlen lassen, ohne dafür Sicherheiten zu verlangen, obwohl sich seine eigene Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befand. Das Gericht befand, dass die company dadurch der naheliegenden Gefahr erheblicher Vermögensverluste ausgesetzt wurde und sah darin eine Verletzung der Pflichten, die den directors sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber deren Gläubigern oblagen: „… it should be emphasised that the directors of a company in discharging their duty to the company must take account of the interest of its shareholders and its creditors. Any failure by the directors to take into account the interests of creditors will have adverse consequences for the company as well as for them. The creditor of a company … must look to that company for payment. His interests may be prejudiced by the movement of funds between companies in the event that the companies become insolvent.“62 Der neuseeländische Fall Nicholson v. Permakraft (NZ) Ltd63 verdeutlicht die Bedeutung der Gläubigerinteressen in der Krise der Gesellschaft, während die Richter einstimmig befanden, dass die Direktoren nicht verpflichtet seien, diese Interessen auch in einer solventen Gesellschaft zu beachten: „The duties of directors are owed to the company. On the facts of particular cases this may require the directors to consider inter alia the interests of creditors. For instance creditors are entitled to consideration, in my opinion, if the company is insolvent, or near-insolvent, or of doubtful solvency, or if a contemplated payment or other course of action would jeopardise its solvency.“ 64 Die Richter begründeten ihre Ansicht mit der beschränkten Haftung der company, die ein Privileg sei, dessen Missbrauch zum Nachteil der Gläubiger bei drohender Insolvenz von den Gerichten verhindert werden müsse. In guten Zeiten hingegen bedürfen die Gläubiger als Geschäftsleute keinen so weitgehenden Schutz und können selbst für Sicherheiten – z. B. in Form geeigneter vertraglicher Abreden – sorgen.
Das Interesse der Gläubiger verdient in der Insolvenz der Gesellschaft auch deshalb besondere Beachtung, da für die Gesellschafter bei der Liquidation ohnehin kaum Vermögen übrig bleiben wird, sodass bei ihnen kein schützenswertes Interesse mehr vorhanden ist.65 Auch die Literatur befürwortet andererseits die Beschränkung des richterlichen Gläubigerschutzes auf die Zeit der Krise ___________ 60
LJ). 61
Secretary of State for Trade and Industry v. Gray [1995] 1 BCLC 276 (288, Henry
(1976) 50 ALJR 446; mit Anmerkung von Barrett (1977) 40 MLR 226. (1976) 50 ALJR 446 (449, Mason J). 63 [1985] 1 NZLR 242. 64 [1985] 1 NZLR 242 (249). 65 Barrett (1977) 40 MLR 226 (227). 62
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
der Gesellschaft, wo dieser eine sinnvolle Ergänzung der dann greifenden gesetzlichen Gläubigerschutzregeln bildet. Es hätte indes nur Rechtsunsicherheit zur Folge, wären die Direktoren permanent dem Interessenkonflikt Gesellschafterwohl – Gläubigerwohl ausgeliefert.66 Auch in der britischen Rechtsprechung finden sich vereinzelt Entscheidungen, die einen solchen Ansatz stützen: Street CJ vom New South Wales Court of Appeal führte in der Entscheidung Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd67 aus: „In a solvent company the proprietary interests of the shareholders entitle them as a general body to be regarded as the company when questions of the duty of directors arise. … But where a company is insolvent the interests of the creditors intrude. They become prospectively entitled, through the mechanism of liquidation, to displace the power of the shareholders and directors to deal with the company’s assets. It is in a practical sense their assets and not the shareholders’ assets that, through the medium of the company, are under the management of the directors pending either liquidation, return to solvency, or the imposition of some alternative administration.“
Ist die Insolvenz also bereits eingetreten, so verdrängt das Gläubigerwohl in der Definition des Gesellschaftsinteresses vollständig das Gesellschafterwohl. Die Gläubiger übernehmen quasi die Position der Gesellschafter als Eigentümer der Gesellschaft mit der Folge, dass der Direktor nur dann pflichtgemäß im Interesse der Gesellschaft handelt, wenn er sich nach den Gläubigerinteressen richtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er den bestmöglichen Vorteil für die Gläubiger anstreben muss, vielmehr darf er sie nicht schlechter stellen, als sie bei einer Liquidation der Gesellschaft stünden.68 Dieser Position ist anschließend Dillon LJ in der englischen Entscheidung West Mercia Safetywear Ltd v. Dodd69 gefolgt. Ein Direktor hat hier die Erfüllung einer Verbindlichkeit der insolventen Gesellschaft veranlasst, für die er selbst gebürgt hatte. Nach Ansicht des Gericht hat er damit die Interessen der Gläubigergesamtheit missachtet und somit – nach Ansicht des Gerichts – seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt.
___________ 66
Barrett (1977) 40 MLR 226 (230 f.). (1986) 10 ACLR 395 (401, Street CJ). 68 Re Welfab Engineers Ltd [1990] BCLC 833 (837 f., Hoffmann J); Grantham (1991) 54 MLR 576. 69 [1988] BCLC 250 (252, Dillon LJ); bestätigt durch Yukong Line Ltd of Korea v. Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] 1 WLR 294 (311 f.); s. auch Brady v. Brady [1989] AC 755 (778, Lord Oliver of Aylmerton), HL; Lonrho Ltd v. Shell Petroleum Co Ltd [1980] 1 WLR 627 (634, Lord Diplock);s Re Horsley & Weight Ltd [1982] Ch 442 (453 f., Buckley LJ). Diese Rechtsprechung ist z.T. als überflüssig kritisiert worden, könne man in den vorliegenden Fällen doch mit den herkömmlichen gesetzlichen Regeln zum gleichen Ergebnis gelangen. In Betracht kämen die Haftung für Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens in der Liquidation (misfeasance; expropriation of corporate assets) oder für die betrügerische Bevorzugung eines Gläubigers (fraudulent preference); s. Sealy (1988) 47 CLJ 175; anders jedoch Grantham [1991] JBL 1. 67
A. Unternehmensziele im englischen Recht
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Beachtenswert ist West Mercia Safetywear Ltd v. Dodd aber insbesondere deshalb, weil darin die Pflichten der Direktoren gegenüber Gläubigern bereits auf den Zeitpunkt der drohenden Insolvenz (a substantial probability of an insolvent liquidation; real risk of insolvency) vorverlagert werden.70 Einerseits setzt das Urteil also früher an als Section 214 IA 1986, die auf den Zeitpunkt abstellt, in dem ersichtlich war, dass die Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr verhindert werden konnte. Andererseits verbietet die Entscheidung dem Direktor lediglich Handlungen, die die Position der Gläubiger eindeutig verschlechtern würden. Die Belange der Gläubiger ergänzen also nunmehr die Pflicht des Direktors gegenüber den Gesellschaftern, sie treten aber nicht an deren Stelle. Festzuhalten bleibt, dass die Rechtsprechung langsam dahin tendiert, Gläubigerinteressen bereits bei drohender Insolvenz als konstitutiven Teil des Gesellschaftsinteresses anzusehen. Für die Direktoren entstehen damit Pflichten gegenüber der Gläubigergesamtheit, wenn auch keinesfalls gegenüber einzelnen Gläubigern.71 Mit Eintritt der Insolvenz wird das Gesellschaftsinteresse schließlich nur noch über das Wohl der Gläubiger definiert. Auch hier entsteht aber keine selbständige Treuepflicht direkt gegenüber den Gläubigern in dem Sinne, dass diese die Wahrung ihrer Interessen vor Gericht durchsetzen könnten.72 Die Reformpläne des DTI sahen in der Fassung des Final Report noch die Umsetzung dieser Rechtsprechung vor. Die normalerweise anwendbare Loyalitätspflicht sollte deshalb ihre Geltung bereits in dem Zeitpunkt verlieren, in dem der Direktor wusste oder hätte wissen müssen, dass die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit künftig nicht imstande sein wird, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen. Das alleinige Leitungsziel der Förderung des Gesellschaftsinteresses (also des Interesses der Gesellschaftergesamtheit) sollte dann durch die Verpflichtung zur Risikoverringerung ergänzt werden. Dem Direktor sollte die schwierige und wenig präzise Aufgabe zukommen, die beiden gegensätzlichen Vorgaben in gutem Glauben und unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Faktoren73 zu einem vernünfti___________ 70 So auch der australische Fall Grove v. Flavel (1986) 43 SASR 410; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 372 f.; s. auch Final Report, 3.17; Re Welfab Engineers Ltd [1900] BCLC 833. Der Company Law Reform Bill vermeidet insofern eine Festlegung und überlässt die abschließende Klärung der Rechtsprechung, s. Clause 156(4) und Explanatory Note 330. 71 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 373. 72 Kuwait Asia Bank EC v. National Mutual Life Nominees Ltd [1991] 1 AC 187 (217, Lord Lowry); Yukong Line Ltd v. Rendsburg Investments Corporation (No. 2) [1998] 1 WLR 294; Mißverständlich noch Winkworth v. Edward Baron Development Co Ltd [1986] 1 WLR 1512 (1516, Lord Templeman). 73 s. Schedule 2 in der Version des Final Report, § 8 Anmerkungen 2 und 3, die auf die Anmerkungen zu § 2 verweisen; s. ferner die Verweisung auf § 4 in § 8 Anmerkung 4.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
gen Ausgleich zu bringen (ein subjektiver, sog. balanced judgment test). Kritiker befürchteten jedoch, dass die frühe Berücksichtigung der Gläubigerinteressen eine übertriebene Vorsicht und Risikoscheu der Geschäftsleitung zur Folge hätte, die bei ersten Anzeichen einer Krise zu einer ökonomisch fatalen „Einfrierung“ der Geschäftstätigkeit führen würde.74 Das White Paper 2002 hat eine derart weitgehende Regelung deshalb abgelehnt.75 Es entschied sich aber auch dagegen, die unumstrittene Regelung der Section 214 Insolvency Act 1986 (wrongful trading) zu wiederholen. Dies sei unnötig und widerspräche der Rechtseinheitlichkeit, würde man an das gleiche Gebot im Companies Act andere Rechtsfolgen knüpfen.76
e) Interessen der Arbeitnehmer Das common law ließ den Geschäftsleitern früher auch keinen Spielraum, um die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen: In der Entscheidung Parke v. Daily News Ltd entschloss sich der Board legitimerweise dazu, einen der Gesellschaft gehörenden Verlag zu verkaufen, um dessen Insolvenz zuvorzukommen und dadurch den Rest des Gesellschaftsvermögens vor Schäden zu bewahren. Auf Widerstand stieß jedoch die weitere Entscheidung, das so eingenommene Geld an die zu entlassenden Teile der Belegschaft sowie an Pensionäre in Form von Abfindungs- bzw. Pensionszahlungen weiterzuleiten. Die Richter sahen darin eine Begünstigung der Arbeitnehmer, die keinen erkennbaren Nutzen für die Gesellschaft zur Folge hatte und somit unzulässig war.77
In diesem Punkt ist der Shareholder-Ansatz jedoch vom Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt worden, mit der Folge, dass die Sections 309(1), 719 CA 1985 und 187 IA 198678 mittlerweile die Einbeziehung der Arbeitnehmerbelange vorschreiben. 79 ___________ 74
Final Report, 3.19; vgl. auch Sheikh [2002] ICCLR 88 (91). White paper 2002, Volume I, Part II, 3.8 ff. 76 White paper 2002, Volume I, Part II, 3.8 ff. 77 Parke v. Daily News Ltd [1962] Ch 927 (962 f., Plowman J); Während die Arbeitsbeziehungen in Deutschland zu diesem Zeitpunkt mit Einführung der Mitbestimmung im internationalen Vergleich das „ultrarote Ende“ des Spektrums erreichten, hielt sich Großbritannien also noch am „ultravioletten“ Ende auf; s. Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (235). 78 Zu den beiden letzten Normen s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 154 ff. 79 Zur Einbeziehung der Arbeitnehmerbelange s. Boyle/Mordsley (1980) 1 Co Law 280 (284 f.); Clough (1982) 3 Co Law 109; Docksey (1986) 49 MLR 281; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 397 ff.; Prentice, Companies Act 1980, Chapter 17; Wedderburn, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 3; Wedderburn (1993) 109 LQR 220; Xuereb (1988) 51 MLR 156. 75
A. Unternehmensziele im englischen Recht
121
„The matters to which the directors of a company are to have regard in the performance of their functions include the interests of the company’s employees in general, as well as the interests of its members.“, Section 309(1) CA 1985.
Section 309 CA 1985 ist bisher jedoch nur selten Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung geworden: In Re Saul D. Harrison & Sons plc80 entschieden die directors, von einem möglichen Verkauf der Gesellschaft abzusehen und diese im Interesse der über 100 Arbeitnehmer fortzuführen, die sonst höchstwahrscheinlich keine neue Stelle gefunden hätten. Das Vorgehen der Gesellschafter gegen diese Entscheidung nach Section 459 CA 1985 wurde – u.a. unter Hinweis auf Section 309 – zurückgewiesen.
Jedenfalls dürfte es angesichts des Wortlauts der Norm in übrigen Fällen sehr schwierig sein, den Direktoren nachzuweisen, dass sie die Interessen der Arbeitnehmer in ihren Entscheidungsprozeß gar nicht einbezogen bzw. die Interessen der Gesellschafter zu Unrecht als gewichtiger angesehen haben. Es besteht gerade keine Verpflichtung zur aktiven Förderung oder gar zur Bevorzugung der Arbeitnehmerinteressen gegenüber Gesellschafterinteressen im Falle eines Konflikts.81 Ein weiterer Grund für die geringe Bedeutung der neuen Regelung ist die Tatsache, dass den Arbeitnehmern gem. Section 309(2) CA 1985 kein Recht zur gerichtlichen Durchsetzung der Loyalitätspflicht zusteht. Diese soll weiterhin lediglich im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen und nach der Regel aus Foss v. Harbottle82 nur von der Gesellschaft eingeklagt werden können.83 Anstatt die Verantwortlichkeit der Direktoren gegenüber der Belegschaft zu stärken, hat der Gesetzgeber mit Section 309 somit eher bewirkt, dass die Verantwortlichkeit gegenüber den Gesellschaftern geschwächt worden ist. Daher soll die Regelung aufgehoben werden.84 Von größerer praktischer Bedeutung ist indes der Vorstoß des Gesetzgebers in Section 719 CA 1985, nach der die Gesellschaft im Falle einer Einstellung oder Übertragung des Geschäftsbetriebes Zuwendungen an (ehemalige) Arbeitnehmer vorsehen kann, auch wenn diese nicht im Interesse der Gesellschaft liegen.85 ___________ 80
[1995] 1 BCLC 14 (25, Hoffmann LJ), CA; s. auch Re Welfab Engineers Ltd [1990] BCLC 833. 81 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (132). 82 (1843) 2 Hare 461, zu den Einzelheiten der Entscheidung s. unten, 5. Kapitel, A. IV. 1. a). 83 Vgl. Prentice, Companies Act 1980, S. 138 f.; Hannigan, Company Law, S. 206 bezeichnet S. 309 CA 1985 deshalb als „a statutory provision without teeth“. 84 Re Saul D Harrison & Sons plc [1995] 1 BCLC 14; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 377. Statt dessen sieht der Company Law Reform Bill in Clause 156(3)(b) vor, dass die Arbeitnehmerinteressen vom Direktor als einer der Faktoren bei der Ermittlung des Gesellschaftsinteresses zu berücksichtigen sind. 85 Der Rechtssatz aus Parke v. Daily News [1962] Ch 972 wurde somit aufgehoben.
122
2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
f) Berücksichtigung der stakeholder als Förderung des Gesellschaftsinteresses Die Geschäftsleiter dürfen die Interessen der stakeholder ausnahmsweise dann berücksichtigen, wenn die Förderung dieser Interessen zugleich die Erfüllung der Pflichten gegenüber den Gesellschaftern bedeutet.86 In der Praxis ist dies längst eine Notwendigkeit geworden: dem Wohl der Gesellschafter wäre kaum gedient, hätte die Gesellschaft unzufriedene Kunden, stünde ihr eine feindlich eingestellte (lokale) Regierung gegenüber, oder würden aufgebrachte Interessenverbände ihre Hauptversammlungen sprengen.87 Deshalb fasste Bowen LJ die Rechtslage wie folgt zusammen: „The law does not say that there are to be no cakes and ale, but there are to be no cakes and ale except such as are required for the benefit of the company.“88
2. Stakeholder-Modell: pluralist approach Das neuere Schrifttum setzt dem traditionellen, anlegerorientierten Ansatz ein neues, umfassendes Modell der Interessenvertretung im Unternehmen (inclusive approach, plurality of interests) entgegen, welches neben den shareholders auch die stakeholders mit einbezieht.89 Als stakeholder bzw. constituencies (Interessenträger) werden alle Personen bezeichnet, die im weiteren Sinne an der Gesellschaft beteiligt sind, also ein direktes, erhebliches und langfristiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft haben.90 Dazu zählen neben der bereits oben diskutierten Gruppe der Gesellschafter vor allem Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten, Konsumenten und die Öffentlichkeit als Ganzes, während die Interessen des Staates selbst in der englischen Definition der Natur des Unternehmens strikt ausgeklammert werden.91 Eine Ausdehnung der Vorstandsverantwortlichkeit auf diese Gruppen erfordert allerdings ein sehr weites Verständnis des Begriffs der Teilhabe am Unternehmen (stake) und hat deshalb bisher nur wenig Anhänger gefunden.
___________ 86 Ngurli Ltd v. McCann (1953-54) 90 CLR 425, Aust HC; Barrett (1977) 40 MLR 226 (227 Fn. 4). 87 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 378. 88 Hutton v. West Cork Railway Co (1883) 23 ChD 654 (673). 89 s. nur Dean, Directing Public Companies: Company Law and the Stakeholder Society, S. 93 ff.; dies. (2001) 22 Co Law 66. 90 Davies, ZGR 2001, 268 (287); Barrett (1977) 40 MLR 226 (227). 91 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (133).
A. Unternehmensziele im englischen Recht
123
Als erster englischer Autor plädierte George Goyder 195492 für eine generelle Verpflichtung der company auf das Wohl der juristischen Person selbst (d.h. ihre Entwicklung, finanzielle Stabilität und Wachstum), ihrer Anteilseigner (Dividendenzahlungen), Arbeitnehmer (sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen) und der Konsumenten ihrer Produkte (hohe Qualität zu fairen Preisen). In einem neueren Werk93 kritisiert Goyder das Versagen des Gesellschaftsrechts zu definieren, was eigentlich der Zweck einer Gesellschaft ist. Anders als bei den ursprünglichen Formen der wirtschaftlichen Vereinigung (Gilden des 15. Jahrhunderts, Gesellschaften des Konzessionssystems) fehle ein Bezug der Gesellschaftsverfassung zum öffentlichen Interesse. Das Recht müsse daher endlich auf die gesamte Breite der öffentlichen Meinung und der Sozialpolitik abgestimmt werden, um den Interessen aller am Unternehmen Beteiligter gerecht zu werden. Das Hauptargument des weiten Ansatzes ist, dass die Verleihung der Rechtsfähigkeit an Verbände und die Zulassung von Haftungsbeschränkungen das Wohl der gesamten Gesellschaft fördern und nicht der privaten Bereicherung der Anleger dienen soll. Die Existenz großer Unternehmen und deren Entscheidungsmacht können überhaupt nur insofern gerechtfertigt werden, als sie einem öffentlichen oder sozialen Zweck dienen. Die Gesellschaft treffe die Pflicht, als „good citizen“ soziale Verantwortung zu übernehmen.94
3. Reform: enlightened shareholder value approach Angesichts dieser Debatte war die Definition des Gesellschaftsinteresses und somit die Festlegung der Regelungsziele des Gesellschaftsrechts eines der wichtigsten Anliegen der Reformdiskussion, das in Clause 156 Company Law Reform Bill auch verwirklicht wurde. „Success of the company for the benefit of its members as a whole“ besiegelt nunmehr die traditionelle Orientierung des englischen Rechts am shareholder value als den besten Weg zur Förderung des allgemeinen Wohlstandes und eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftssystems.95 ___________ 92 Goyder, The Future of Private Enterprise, S. 93; zu der darauf folgenden Grundsatzdebatte im Vorfeld der Companies Act 1980 s. Wedderburn, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 3 (29 ff.). 93 Goyder, The Just Enterprise: a Blueprint for the Responsible Company. 94 In den USA Dodd (1931-32) 45 Harvard LR 1145 (1149) im Rahmen der berühmten Debatte „For Whom are Corporate Managers Trustees?“ als Antwort auf Berle (1930-31) 44 Harv LR 1049; ferner Goldenberg (1998) 19 Co Law 34; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 13 ff.; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 23; Slaughter (1997) 18 Co Law 313; Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (231). 95 Developing the Framework, 3.22; Parke v. Daily News Ltd [1962] Ch 927 (963, Plowman J); Greenhalgh v. Arderne Cinemas Ltd [1951] Ch 286, (291, Lord Evershed MR); s. auch S. 309 CA 1985; Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (230 f.); gegen die
124
2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
Zurück bleibt eine kontroverse Diskussion um den Stellenwert der – im Prinzip anerkannten – Stakeholder-Interessen innerhalb des Gesellschaftsrechts, die unter dem Stichwort „scope issue“ geführt wurde.96 Ausschlaggebend für den Vorrang von Aktionärsinteressen war schließlich die Frage der Durchsetzbarkeit der gesetzlichen Pflichten: räumte man dem Direktor hinsichtlich des Gesellschaftsinteresses einen breiten Spielraum ein, innerhalb dessen er die Interessengruppen nach Belieben berücksichtigen und gewichten kann, wären seine Entscheidungen kaum jemals angreifbar, abgesehen davon, dass nicht klar wäre, welchem der Stakeholder das Recht zur Durchsetzung einer derart konturlosen Pflichtenbindung übertragen werden sollte.97 Trotz und auch wegen des absoluten Vorrangs des Anlegerinteresses (shareholder supremacy) ist es für eine Gesellschaft heutzutage allerdings unerlässlich, die sozialen Auswirkungen ihres Handelns zu berücksichtigen und insofern ein positives Image zu pflegen, da dieses im Ergebnis auch über ihren wirtschaftlichen Erfolg entscheidet (sog. inclusive oder enlightened shareholder value approach).98 Clause 156(3) Company Law Reform Bill gibt dem Direktor deshalb auf, in seinem Entscheidungsprozeß – sofern vernünftigerweise praktikabel99 – mindestens die vorgegebenen Faktoren zu berücksichtigen. Als solche werden zunächst die langfristigen Auswirkungen der Entscheidung100 genannt, bevor der Reformgeber mit einer Aufzählung sozialer Kriterien fortfährt, die das moderne, umfassende Verständnis vom Unternehmensinteresse ___________ klarstellende Formulierung aber Worthington (2001) 64 MLR 439 (447); kritisch Dean (2001) 22 Co Law 104 (111). Die Treuepflichten werden aber – neben der Gesellschaftergesamtheit – weder den einzelnen Aktionären gegenüber geschuldet (Percival v. Wright [1902] 2 Ch. 421; einschränkend aber neuerdings Brunninghausen v. Glavanics (1999) 32 ACSR 294, CA NSW m. Anm. Goddard (2000) 116 LQR 197; Thexton v. Thexton [2001] NZLR 237, HC NZ) noch den anderen Konzerngesellschaften (Charterbridge Corporation Ltd v. Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62; Bell v. Lever Bros Ltd [1932] AC 161 (228), HL; Pergamon Press Ltd v. Maxwell [1970] 1 WLR 1167). 96 „For what purposes and in whose interests should companies be run?“, Developing the Framework, 2.1, 2.7 ff., 3.20 ff. 97 Completing the Structure, 3.5 Fn. 30: „undisciplined and unlimited power“; s. auch Developing the Framework, 3.24, wonach Stakeholderinteressen besser durch spezielle Vorschriften zu schützen seien, z. B. im Bereich des Arbeits- , Umwelt-, Wettbewerbs- und Kartellrechts. Für spezielle gesellschaftsrechtliche StakeholderRechtsbehelfe aber Dean (2001) 22 Co Law 66 (72 f.). 98 Final Report, 1.23 f.; dazu ausführlich Dean (2001) 22 Co Law 104 („Corporate reputation in this way provided the link between ethics and profitability“). 99 Die Einschränkung der „Praktikabilität“ nimmt auf den Zeitdruck und die praktischen Grenzen Rücksicht, die unternehmerischen Entscheidungen immanent sind, findet ihre Grenze aber in der Sorgfaltspflicht; s. Final Report, Annex C, § 2 Anmerkung 1(b) und die diesbezüglichen Explanatory Notes, 14, 16(b). 100 s. dazu Developing the Framework, 3.54.
B. Unternehmensziele im deutschen Recht
125
wiedergibt. Als erstes fallen darunter die Interessen der Arbeitnehmer.101 Zweitens habe der Direktor seine Aufmerksamkeit dem Bedürfnis der Gesellschaft zuzuwenden, ihre geschäftlichen Beziehungen, einschließlich derer zu ihren Lieferanten und Kunden, zu pflegen. Er müsse drittens die Auswirkungen der Geschäftspolitik auf das betroffene kommunale Umfeld sowie auf die Umwelt berücksichtigen. Viertens ist auch die Notwendigkeit zu beachten, einen guten Ruf der Gesellschaft im Hinblick auf hohe Standards des Geschäftsgebarens zu erhalten. Schließlich sei es für die Gesellschaft notwendig, ihre Gesellschafter gleich zu behandeln (acting fairly as between its members).102 Welche dieser Anliegen im konkreten Fall betroffen und wie sie im Verhältnis zueinander zu gewichten sind, um den Erfolg der Gesellschaft zu fördern, ist vom Direktor nach eigenem Ermessen zu beurteilen.103 Da auch schon nach dem bisherigen Fallrecht die Interessen der Stakeholder berücksichtigt werden durften, wenn und sofern dies der Förderung des Wohls der Gesellschaftergesamtheit diente, liegt der Schwerpunkt der Neuregelung in der Maßgabe an die Direktoren, die Möglichkeit einer solchen Wechselwirkung vor jeder Entscheidung gedanklich zu prüfen.104
B. Unternehmensziele im deutschen Recht I. Die Geschäftsleiter als Treuhänder der Gesellschaft Die Geschäftsleiter werden im weitesten Sinne als Treuhänder der juristischen Person und somit fremder Vermögensinteressen tätig.105 Um deren ___________ 101 s. bisher Parke v. Daily News Ltd [1962] Ch 927; Boyle/Mordsley (1980) 1 Co Law 280 (284 f.); Clough (1982) 3 Co Law 109; Docksey (1986) 49 MLR 281; Prentice, Companies Act 1980, 1980, Chapter 17; Wedderburn (1993) 109 LQR 220. Durch die neue Vorgabe wird die mißverständliche und kaum praxisrelevante Section 309 Companies Act 1985 ersetzt; Section 719 bleibt hingegen bestehen und findet sich in Clause 226 wieder; Company Law Reform Bill Explanatory Notes 330, 453. 102 Die Gleichbehandlung der Aktionäre ist mithin kein absolutes Gebot, sondern ein dem Gesellschaftsinteresse untergeordneter Faktor innerhalb des Entscheidungsprozesses; Final Report, Annex C, Explanatory Notes, 18; vgl. auch Berg [2000] JBL 472 (489 f.). 103 Completing the Structure, 3.19. 104 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 378; kritisch Berg [2000] JBL 472 (478 f.); Dean (2001) 22 Co Law 104 (111), die für entsprechende Klagemöglichkeiten für die Stakeholder plädiert. 105 Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 421; GK-Hopt, § 93 Rn. 72; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 35; KK-Mertens, § 76 Rn. 31, § 116 Rn. 22 f.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 131; Weisser, Corporate Opportunities, S. 136 ff. Zur Zielgleichheit beim Vorstand und Aufsichtsrat s. Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, S. 10.
126
2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
Rechtsstellung dogmatisch zu erfassen, wurde jedoch von Anfang an nicht auf Analogien zum Treuhand- oder Auftragsrecht zurückgegriffen, sondern der selbständige Begriff des „Organs“ mit eigenen Rechten und Pflichten entwickelt, eines Organs „mit treuhänderischer Funktion und besonderer Vertrauensstellung“.106 Aus der treuhandähnlichen Beziehung zur Gesellschaft folgen zum einen die sog. Treue- bzw. Loyalitätspflichten und zum anderen die Tatsache, dass alle Pflichten nur der juristischen Person gegenüber und nicht etwa im Verhältnis zum einzelnen Aktionär oder einer anderen Interessengruppe bestehen.107
II. Wertorientierte Unternehmensführung: „Shareholder Value“ Zur Förderung des Unternehmensinteresses gehört es zunächst, den dauerhaften Bestand und Erfolg des Unternehmens zu sichern und für eine angemessene Rentabilität des investierten Kapitals zu sorgen.108 Nach dem DCGK ist der Vorstand der AG „der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes verpflichtet“ (Ziff. 4.1.1), entscheidet aber nach eigenem Ermessen darüber, ob er der kurz- oder langfristigen Unternehmenspolitik den Vorzug gibt, und ob er eher eine extensive Dividendenausschüttung oder eher die Gewinnthesaurierung und Expansion fördert.109 Das neuere Schrifttum110 geht noch weiter und sympathisiert mit der Idee, die Wertsteigerung im Interesse der Anteilseigner zum ausschließlichen Unternehmensziel zu erheben. Das Hauptargument dieses Ansatzes ist die ökonomische Erkenntnis, dass die Anteilseigner das eigentliche Risiko der Unternehmung zu tragen haben. Hinzu kommt der überzeugende Einwand, dass eine Ausdehnung des Aufgabenkreises auf die Wahrnehmung der Belange „des Unternehmens“ oder „der Allgemeinheit“ keine Verschärfung, sondern eher eine Lockerung der Kontrollmöglichkeiten nach sich zieht. Die Leitung erhält nämlich ein kaum nachprüfbares Ermessen, welche der konkurrierenden Belange sie im Einzelfall als vorrangig ansieht. Die Kontrolle wird auf die Einhaltung von Gesetz und Satzung sowie auf die Vermeidung von
___________ 106
KK-Mertens, § 93 Rn. 57. KK-Mertens, § 76 Rn. 31, § 93 Rn. 22, 112. 108 KK-Mertens, § 76 Rn. 22. 109 KK-Mertens, § 76 Rn. 22. 110 Kunze, ZHR 144 (1980), 100 (121 ff.); Matthes, Das deutsche CorporateGovernance-System: Wandel von der Stakeholder-Orientierung zum ShareholderValue-Denken; Wymeersch, ZGR 2001, 294 (303 f.); Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (36 ff.); enger Scholz/Schneider, § 43 Rn. 62 ff. 107
B. Unternehmensziele im deutschen Recht
127
Misswirtschaft reduziert.111 Der Schutz von Interessen Dritter soll ferner nur ausnahmsweise im Organisationsrecht stattfinden und sei de lege lata auf die gegenwärtigen und künftigen Gläubiger beschränkt.112
III. Unternehmensinteresse: „Stakeholder-Modell“ Traditionell ist das deutsche Recht jedoch auf die soziale Marktwirtschaft verpflichtet und lehnt es dementsprechend ab, die Gewinnmaximierung als das alleinige oder auch nur als das vorrangige Ziel des Unternehmens gelten zu lassen.113 Seit den siebziger Jahren ist als Status quo des deutschen Rechts die Verpflichtung der Geschäftsleitung auf das Unternehmensinteresse festzustellen, also auf eine weitgehend unbestimmte Generalklausel, die den Interessenpluralismus im Unternehmen wiederspiegelt.114 Neben der gerade dargestellten Verpflichtung, Bestand und Erfolg des Unternehmens zu sichern sowie seinen Wert im Interesse der Anteilseigner zu steigern, umfasst die Verpflichtung jedenfalls auch die Interessen der Anteilseigner, Gläubiger, Arbeitnehmer, nach Meinung einiger auch die der weiteren Stakeholder sowie Gemeinwohlbelange.115 Der Vorstand ist demnach gerade nicht auf das Ziel der Gewinnmaximierung festgelegt und kann sich vielmehr für Ziele einsetzen, wie z. B. die Ausrichtung der Produktion an Bedarfsdeckungsgesichtspunkten, angemessene Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Belegschaft, soziale Integration des Un___________ 111 Wiedemann, ZGR 1975, 385 (423 ff.); ders., Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 298; vgl. auch KK-Mertens, § 76 Rn. 11, der eine „eindimensionale Zielsetzung“ aber im Ergebnis für illusorisch hält. 112 Kunze, ZHR 144 (1980), 100 (121 ff.); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 62; Wymeersch, ZGR 2001, 294 (303 f.). 113 KK-Mertens, § 76 Rn. 11. 114 BVerfGE 50, 290 (374) (Mitbestimmungsurteil); BGHZ 62, 193 (197, 199); 64, 325 (329 ff.) (Bayer); 135, 244 (253: „Unternehmenswohl“) (ARAG/Garmenbeck); Flume, BGB AT I/2, S. 56 ff.; Jürgenmeier, Das Unternehmensinteresse; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 765; Raisch, FS-Hefermehl, S. 347; Teubner, ZHR 148 (1984), 470; kritsch Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht; Kunze, ZHR 144 (1980), 100; Laske, ZGR 1979, 173; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 60; Wiedemann, GesR I, S. 625 ff.; ders., ZGR 1975, 385 (390 f.). 115 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 19, 26 f.; Hüffer, § 76 Rn. 12; KKMertens, § 76 Rn. 11, 16; zum Streit um die Details des Begriffs „Unternehmensinteresse“ s. Mülbert, ZGR 1997, 129 (142 f.). Zur umstrittenen Fortgeltung der Gemeinwohlklausel des § 70 I AktG 1937 s. Begr. RegE, in: Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 97; dafür unter Hinweis auf Art. 2, 12, 14, 20 GG BVerfGE 50, 290; KK-Mertens, § 76 Rn. 1, 32 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 14; a.A. Rittner, FS-Geßler, S. 139 (149); einschränkend KKMertens, § 76 Rn. 32 f.: Das Auftreten der Gesellschaft als good corporate citizen als Voraussetzung für die soziale Akzeptanz und somit für „langfristig egoistisches“ Verhalten.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
ternehmens, Umweltschutz oder gesamtwirtschaftliche Aspekte. Auch in der deutschen Rechtswirklichkeit wird eine so verstandene soziale Verantwortlichkeit des Unternehmens (corporate social responsibility) praktiziert. Ihrer Absicherung dienen zahlreiche Kontrollmechanismen, wie das Mitspracherecht des pluralistisch besetzten und ggf. mitbestimmten Aufsichtsrats, die „soziale Sichtbarkeit“, der faktische Rechtfertigungszwang gegenüber der Hauptversammlung, gegenüber den organisierten Arbeitnehmern und gegenüber Medien, der Markt für die Unternehmensprodukte, der Aktienkurs sowie die über das Depotstimmrecht verfügenden Banken.116
IV. Rangordnung der Verantwortungsrichtungen? Nimmt man die Vielfalt der Verantwortungsrichtungen im Konzept des Unternehmensinteresses als Status quo hin, so stellt sich noch die Frage, ob das Aktienrecht alle betroffenen Belange als gleichwertig ansieht oder eine bestimmte Rangfolge statuiert. Die historische Auslegung spricht für Ersteres: der Gesetzgeber habe in § 76 I absichtlich auf eine Aufzählung der Interessen von Arbeitnehmern, Aktionären und der Allgemeinheit verzichtet, um mit deren Reihenfolge keine unerwünschte Rangordnung zu suggerieren.117 Nur der Bestand und der Erfolg des Unternehmens selbst dürfen nicht zugunsten der anderen Belange gefährdet oder hintangestellt werden.118 Demgegenüber wird im Schrifttum zunehmend ein Ranggefälle der Prinzipale mit einem Vorrang der Anteilseignerinteressen propagiert.119 Dieses sei aus ökonomischer Sicht dadurch gerechtfertigt, dass die Anteilseigner das finanzielle Risiko des Unternehmens trügen. Als rechtliches Argument komme hinzu, dass die Interessen der Anteilseigner ausschließlich im Gesellschaftsrecht geschützt seien und nicht wie die der Stakeholder auch in anderen Rechtsgebieten, wie z. B. im Arbeitsrecht. Diesen Aspekt betont nunmehr auch die Formulierung des neuen DCGK, wonach Vorstand und Aufsichtsrat bei ihren Entscheidungen „an das beste Interesse der Aktionäre und des Unternehmens gebunden“ sind (Ziff. 3.7). Für die GmbH greift auch noch ein weiterer Begründungsansatz: Diese bleibe trotz Mitbestimmung eine „Veranstaltung der Ge___________ 116
KK-Mertens, § 76 Rn. 11, 15; Rittner, FS-Geßler, S. 139 (158) stellt insofern fest, dass „das Unternehmen – zumal das der Aktiengesellschaft – ... seit langem zu einer sozialen Veranstaltung ersten Ranges geworden [ist]“. 117 Begr. RegE, Ausschussbericht, in: Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 97 f. 118 Eine Ausnahme stellen solche Investitions-, Desinvestitions- und Strukturentscheidungen dar, die der Zuständigkeit der Hauptversammlung unterliegen und durch entsprechende Beschlüsse getroffen wurden; s. KK-Mertens, § 76 Rn. 17, 24 f. 119 Wiese/Demisch, DB 2001, 849 (850); Kirchner, WM 2000, 1821 (1822 ff.); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 63.
C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen
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sellschafter“, die Ziel und Interesse des Unternehmens festlegten. Der Geschäftsführer dürfe daher zwar beispielsweise die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen, jedoch nicht unter Hinweis auf diese die Befolgung einer Weisung der Gesellschafter verweigern. Die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen müsse somit mit dem Interesse der Gesellschafter als dem Gesellschaftsinteresse vereinbar sein, was aber in der Praxis vielfach alleine deshalb der Fall sein wird, weil sie dem Erfolg und dem Ruf des Unternehmens zugute kommen wird.120
C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen In der Frage, wer die eigentlichen Treugeber des Managements sind und wessen Interessen diese zu beachten haben, haben die englischen Richter einen sehr engen, anlegerorientierten Standpunkt etabliert, von dem ein Abrücken nicht in Sicht ist. Entgegengesetzte Versuche des Gesetzgebers (Beispiel: Section 309 CA 1985) können nur als halbherzig und im Ergebnis wirkungslos gewertet werden. Die Stakeholder-Interessen spielen nur dann eine Rolle, wenn ihre Berücksichtigung zufällig den Shareholder-Value zu steigern vermag. Dem steht auf deutscher Seite ein komplexes Konzept des Unternehmensinteresses gegenüber, dessen konsistente Bestimmung jedoch bis heute nicht gelungen ist und das zu Recht immer häufiger in Frage gestellt wird.121 Insbesondere die institutionalisierte Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen in Form der unternehmerischen Mitbestimmung ist zwar kaum exportfähig, jedoch tief in der hiesigen Tradition verwurzelt. Ihre Idee ist im 20. Jahrhundert infolge der Erfahrungen mit den beiden Weltkriegen geboren, die in Arbeitnehmern und Gewerkschaften den Willen zur Mitverantwortung beim Wiederaufbau, in der Wirtschaft und in der Politik hervorgebracht haben. Zudem kann man den mitbestimmten Aufsichtsrat als einen wertvollen Mittler zwischen der Unternehmens- und der Betriebsebene ansehen, gibt es doch nur wenige unternehmenspolitische Entscheidungen, die ohne Berücksichtigung der Folgen für den Betrieb getroffen werden könnten. Ferner ist er ein Instrument, das die Konfrontation zwischen Kapital und Arbeit durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ersetzen kann. Eine besondere Eigenschaft der Aufsichtsratsmitglieder ist außerdem die Vielfalt ihrer Loyalitätsbeziehungen. Richtig einge___________ 120
Scholz/Schneider, § 37 Rn. 42 (zum Streit im Anwendungsbereich des MitbestG) und § 43 Rn. 63 ff.; Flume, BGB AT I/2, S. 61 f.; Den Vorrang der Gesellschafterinteressen in kleinen und mittleren Unternehmen konstatieren für alle Rechtsordnungen Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (451 Fn. 18). 121 Zöllner, AG 2003, 2 (7 f.); Kuhner, ZGR 2004, 244 ff.; Fleischer, in: Handbuch Corporate Governance, S. 129 (134 ff.).
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
setzt kann sie die Kommunikationsmöglichkeiten der AG verbessern sowie ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen intensivieren.122 Obwohl die Einbindung eines jeden Stakeholder somit durchaus spezifische Vorteile für die Gesellschaft haben kann, ist sie in dem zur Zeit hierzulande vorgeschriebenen Umfang nicht zu befürworten.123 Dagegen lässt sich zunächst vorbringen, dass die Verpflichtung des Managements auf ein einziges Ziel, nämlich die Maximierung des Reichtums der Gesellschafter, gerade die effektivste Methode des Einsatzes von Unternehmen zur Steigerung des Reichtums der gesamten Gesellschaft darstellt. Eine erfolgreiche Firma wird Arbeitsplätze für die Arbeitnehmer sowie Waren und Dienstleistungen für die Konsumenten schaffen. Je ansprechender die Waren, desto mehr Gewinn kann die Firma erwarten, was wiederum mehr Arbeitsplätze bedeutet.124 Am Shareholder Value orientierten Unternehmen werden dabei eine aggressivere Erschließung neuer Produktmärkte, Anreize zur ökonomisch sinnvollsten Organisation und ein schnellerer Verzicht auf ineffiziente Investitionen bescheinigt.125 Sie seien auch in der Krise erfolgreicher.126 Die Gruppe der Gesellschafter trage im Vergleich zu den sonstigen Beteiligten das größte wirtschaftliche Risiko und verfüge daher über die besten Anreize zur effektiven Kontrolle der Geschäftsleitung (residual claimant-Argument).127 Den externen Belangen und der sozialen Verantwortlichkeit (social responsibility) der Gesellschaft lässt sich hingegen besser außerhalb des Gesellschaftsrecht, auf vertraglicher Ebene und mittels staatlicher Auflagen, beispielsweise aus den Bereichen Arbeitsrecht, Gesundheitsrecht, Kartellrecht, Deliktsrecht, Produktsicherheit, Bauplanung und Umweltschutz Rechnung tragen. Etwas anderes gilt nur für Gläubiger, deren vertragliche Absicherung unter der beschränkten Haftung der Korporationen leidet.128 Im Falle von Arbeitnehmern bietet auch die Ausgabe von Belegschaftsaktien oder die Beteiligung an Pensionsfonds eine gute Gelegenheit, ihre persönlichen ___________ 122
Hopt, ZGR 2000, 779 (801); Conard, ZGR 1987, 180 (213); für eine solche Rolle des Board Dean (2001) 22 Co Law 66 (69). 123 Für die Überlegenheit des shareholder-oriented model in letzter Zeit vor allem Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (440 ff.), die sogar von einer baldigen weltweiten Durchsetzung dieses „standard model“ ausgehen. 124 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 38; Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (441); s. auch Alcock (1995) 58 MLR 898; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 13 ff.; f. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Vol. III, S. 82; M. Friedman, Bright Promises, Dismal Performance: An Economist’s Protest, S. 177. 125 Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (451). 126 Studie der Unternehmensberatung PA Consulting, zitiert nach FAZ v. 5.5.2003 S. 23. 127 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 133; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 372. 128 Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (441 f.).
C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen
131
Interessen noch stärker an die der Anleger zu koppeln.129 Aus dem Blickwinkel der Geschäftsleiterhaftung werden die Vorteile der breiten Interessenvertretung durch den Nachteil aufgewogen, dass die Fülle widerstreitender Belange und somit der Mangel an klaren Zielvorgaben die Kontrolle der Geschäftsführung gänzlich unmöglich macht. Ganz gleich welche Folgen eine Entscheidung für die Gesellschaft hat, wird sie kaum jemals angreifbar sein, finden sich doch immer ein oder mehrere Betroffene, die hiervon profitiert haben (too many masters-Argument):130 „… to redefine the directors’ responsibilities in terms of the stakeholders would mean identifying all the various stakeholder groups; and deciding the nature and extent of the directors’ responsibility to each. The result would be that the directors were not effectively accountable to anyone since there would be no clear yardstick for judging their performance. This is a recipe neither for good governance nor for corporate success.“131 „If directors are accountable to everybody for everything, they will end up being accountable to nobody for anything.“132
Das Hampel Committee befand zudem, dass die Geschäftsleiter faktisch auch schon de lege lata gezwungen seien, ein gutes Verhältnis zu den stakeholders zu pflegen, wenn sie den Unternehmenswert zugunsten der shareholders auch langfristig steigern wollen.133 In der Praxis wird deshalb jeder Direktor einen Ausgleich der divergierenden Interessen anstreben und dabei sowohl Art und Größe des Unternehmens als auch die von der konkreten Entscheidung am meisten betroffenen Belange berücksichtigen.134 Noch effektiver ist indes die Fortentwicklung dieses Ansatzes für die Zwecke der heutigen Informationsgesellschaft, die vom Company Law Review als enlightened shareholder value propagiert wird. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Erfolg eines Unternehmens inzwischen entscheidend von der Qualität seiner Geschäftsbeziehungen und vor allem von dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit abhängt. Das Image der Gesellschaft (corporate reputation)135 fungiert in der heutigen Wirtschaftswelt als einer der wichtigsten Er___________ 129
Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (452). GK-Hopt, § 93 Rn. 87; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 371. 131 Hampel Committee Report, 1.17; ähnlich Wedderburn (1993) 109 LQR 220 (231). 132 Goldenberg (1998) 19 Co Law 34 (36). 133 Hampel Committee Report, 1.18; so auch Goldenberg (1998) 19 Co Law 34; Hopt, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 115 (119). 134 Hannigan, Company Law, S. 207. 135 v. Wartburg definiert die Reputation als „das Resultat von Wahrnehmungen, die Summe von allem, was als ‚wahr genommen‘ wird“, s. FAZ v. 7.4.2003 S. 24. 130
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
folgsfaktoren und in der Rechtheorie als das Bindeglied zwischen ethischer und wertorientierter Unternehmensführung.136 Die Reputation ist inzwischen als Goodwill ein wesentlicher Teil des Unternehmenswertes und der Börsenkapitalisierung, der bei feindlichen Übernahmen bis zur Hälfte der Gesamtbewertung ausmachen kann. Der Kampf um Corporate Reputation findet auf dem sog. Markt der Meinungen statt, auf dem Unternehmen mittels ihrer Philosophie, ihres Handelns, ihrer Kommunikation und ihres Erscheinungsbildes (Corporate Design) um größtmögliche Bekanntheit und bestmögliche Wahrnehmung konkurrieren. Eine gute Position im Meinungsmarkt schafft economies of time, vermindert also die Zeitkosten und sichert die Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolgs.137 Ein guter Ruf erleichtert durch Kundenvertrauen das Agieren im Produktmarkt und durch Anlegervertrauen die Kapitalaufnahme. Bei Behörden kann ein angesehenes Unternehmen mit schnellerer Erteilung von Bewilligungen und Nachsicht bei Fehlverhalten, bei politischen Entscheidungsprozessen mit Wohlwollen rechnen. Leidet der Ruf und werden die maßgeblichen „Meinungsbildner“138 verunsichert, kann dem Unternehmen erheblicher Schaden entstehen.139 Akteure dieses Ansatzes sind also alle externen Dritten, die die öffentliche Meinung beeinflussen können und somit zu direkten Ansprechpartnern des Unternehmens werden: Finanzanalysten, Kreditinstitute, Fachjournalisten, Politiker und berühmte Persönlichkeiten zählen ebenso hierzu wie die (institutionellen) Anleger,140 Kunden, Lieferanten und Wettbewerber. Intern kann die Wahrnehmung durch die Mitarbeiter nicht unberücksichtigt bleiben. Anders als bei den herkömmlichen Stakeholdern entsteht bei der neuen, größeren Gruppe der Meinungsbildner kein Legitimationsproblem, wenn ihre Belange bei der Unternehmensleitung berücksichtigt werden sollen: ihr Einfluss auf den Unternehmenserfolg ist direkter, tatsächlicher Natur und lässt sich nicht leugnen. Andererseits ist die Förderung externer Interessen nach diesem Ansatz nur dort gerechtfertigt, wo sie tatsächlich den Ruf und die Bewertung des Unternehmens verbessert. Sie ist nicht Selbstzweck, sondern streng erfolgsgebunden und kontrollierbar. Sind also beispielsweise die freiwilligen Zuwendungen ___________ 136
Dean (2001) 22 Co Law 104: „Corporate reputation in this way provided the link between ethics and profitability“; ausführlich v. Wartburg, FAZ v. 7.4.2003 S. 24. 137 v. Wartburg, FAZ v. 7.4.2003 S. 24. 138 v. Wartburg, FAZ v. 7.4.2003 S. 24. 139 s. FAZ v. 12.5.2003 S. 21. 140 Wie neuere Studien zeigen, machen gerade institutionelle Anleger ihre Anlageentscheidungen auch von der sog. CSR-Performance abhängig, also davon, inwiefern das Unternehmen seiner Corporate Social Responsibility nachgekommen ist; vgl. die Studie der CSR Europe und der Management-Akademie Insead „Corporate social responsibility and the role of investor relations – from switchboard to catalyst“ (www.csreurope.org) sowie die Studie der Europäischen Stiftung für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (www.eurofound.eu.int/publications/EF0317.htm); dazu FAZ v. 8.4.2003 S. 25.
C. Rechtsvergleichende Betrachtung der Verantwortungsrichtungen
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der Unternehmensleitung an Arbeitnehmer und kulturelle oder politische Einrichtungen dazu geeignet, das Ansehen und somit den Wert des Unternehmens zu steigern, so sind sie nicht nur zulässig, sondern auch geboten. Als Selbstzweck stellen sie hingegen eine Verschwendung der von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Mittel dar. In solch krassen Fällen müsste zwar auch das deutsche Konzept mit dem Einwand eines mangelnden Ausgleichs und einer einseitigen Bevorzugung bestimmter Belange ähnliche Ergebnisse erzielen. Allerdings ist das Kriterium des „Ausgleichs“ bzw. der „Abwägung“ eben deutlich unbestimmter, erfolgsneutraler und somit unkontrollierbarer als die Frage, ob mit der konkreten Maßnahme mittelbar aber ersichtlich auch die Corporate Reputation und somit der Unternehmenswert gesteigert werden sollten. Der Vorteil gegenüber dem reinen shareholder value-Ansatz ist wiederum das Gebot, neben ökonomischen ggf. auch ethische und ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen bzw. soziale Verantwortung zu übernehmen. Zu beachten ist schließlich, dass der Ruf eines Unternehmens maßgeblich durch das Ansehen seiner Führungsorgane bestimmt wird. Ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wirkt sich somit ebenfalls unmittelbar auf den Unternehmenserfolg aus. Bei hoher Visibilität wird der Geschäftsleiter, dem der neue Ansatz bekannt ist, daher auf ein den anerkannten Standards angepasstes Verhalten achten, während derjenige, der bisher nicht wahrgenommen wurde, auf einen höheren Bekanntheitsgrad hinarbeiten wird, ist doch ein vorbildliches Verhalten nichts wert, solange es nicht wahrgenommen wird und somit nicht zur Steigerung des Unternehmenswertes beiträgt. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Ansätze zum Problem der Unternehmensziele würde jedenfalls den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zwar prophezeien einige Stimmen eine baldiges Ende der Debatte mit einem weltweiten Sieg des anlegerorientierten Modells. Als Gründe werden das Versagen aller alternativen Ansätze, der Wettbewerbsdruck einer globalisierten Wirtschaft und die Dominanz der neuen „Anlegerklasse“ genannt.141 Trotz der hier geäußerten Sympathie für die moderne britische Variante des shareholder-oriented model muss für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung jedoch festgehalten werden, dass die spezifi___________ 141 Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (443 ff.). Als die drei wichtigsten „alternativen Ansätze“ betrachten die Autoren das manager-oriented bzw. fiduciary model, das labor-oriented bzw. representative model und das state-oriented model. Der erste Ansatz gab den Managern ein weites Ermessen und ist seit den 1930er Jahren in den USA propagiert worden, bis in den 1970ern erkannt wurde, dass die Treuhänder ihr Ermessen hauptsächlich zu eignen Zwecken eingesetzt hatten. Der zweite Ansatz wird mit der deutschen Mitbestimmungsidee gleichgesetzt und für Ineffizienz, Lähmung und Schwäche der Verwaltungsspitze verantwortlich gemacht. Der dritte Ansatz hat vor allem nach dem zweiten Weltkrieg in Frankreich und Japan Anhänger gefunden, ist aber spätestens nach dem Scheitern der staatlich gelenkten Wirtschaftssysteme in den 1990ern in Verruf geraten.
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2. Kapitel: Verantwortungsrichtungen
schen Gegebenheiten, Interessen und Traditionen – kurz: das Phänomen der Pfadabhängigkeit (path dependence) – in Deutschland den Schritt zum absoluten Vorrang des Anlegerinteresses (shareholder supremacy) rechtpolitisch illusorisch erscheinen lassen.142 Ferner ist die rechtsökonomische Unterlegenheit des deutschen Ansatzes in der Empirie alles andere als erwiesen,143 während die Zweifel an der Unfehlbarkeit der anglo-amerikanischen Corporate Governance seit „Enron & Co“ stetig zunehmen. Das Modell des Unternehmensinteresses wird daher als vorgefundene Konstante akzeptiert und der Festlegung der einzelnen Verhaltenspflichten zugrunde gelegt.
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Das geben z.T. auch Hansmann/Kraakman, (2001) 89 Georgetown LJ, 439 (446, 464 f.) zu, nicht jedoch ohne in der Sache auf dem Scheitern des Experiments Mitbestimmung zu beharren. 143 Dagegen z. B. Albert, Capitalism against capitalism.
3. Kapitel
Sorgfaltspflicht A. Duties of Care and Skill im englischen Recht I. Rechtsgrundlage Die Ursprünge des Anlegens von Sorgfaltsanforderungen an das menschliche Verhalten sind sowohl im common law als auch in der equity zu finden. Traditionell haben beide Strömungen die erforderliche Sorgfalt an unterschiedlichen Maßstäben und Kriterien gemessen, bis der aktuelle Trend in der Rechtswissenschaft eine Vereinigung der Theorien und eine Wende hin zu den common law-Regeln herbeigeführt hat. Die Entwicklung führte auch zu der wichtigen Erkenntnis, dass eine Person, die eine treuhänderische Stellung innehat und fahrlässig handelt, nicht ohne weiteres gegen ihre fiduziarischen Pflichten verstößt. Ein isolierter Sorgfaltsverstoß ist durchaus denkbar und beschränkt sich lediglich auf die Rechtsfolge des Schadensersatzes, ohne dass der Begünstigte von den Sanktionen des Loyalitätspflichtverstoßes (z. B. Gewinnabschöpfung, Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts) profitieren kann.1 Das House of Lords sieht die rechtspolitische Rechtfertigung der duty of care heute in dem allgemein gültigen Grundsatz, dass Personen, die Verantwortung für das Eigentum oder die Angelegenheiten eines anderen übernommen haben, haftbar sind, wenn sie diese Aufgabe sorglos erfüllen.2 Die Pflicht basiert somit auf deliktsrechtlichen Grundsätzen (principles of the law of negligence)3 und ist von vertraglichen Beziehungen unabhängig. Sie könnte höchstens durch Vertrag modifiziert werden, was aber durch Section 309A CA 1985 verhindert wird. Im Hinblick auf das Handeln der Direktoren in Ausübung ihrer Funktionen haben die Gerichte jedoch lange Zeit die strengen und von der equityRechtsprechung weit entwickelten Loyalitätspflichten in den Vordergrund gestellt. Dass die directors daneben die erforderliche Sorgfalt (care) sowie die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse (skill) an den Tag zu legen haben, war keinesfalls schon immer selbstverständlich gewesen. Die ersten einschlägigen Ur___________ 1 Bristol & West Building Society v. Mothew [1996] 4 All ER 698, CA; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 432; Worthington (2000) 116 LQR. 638 (641). 2 Henderson v. Merrett Syndicates Ltd [1995] 2 AC 145 (205, Lord BrowneWilkinson). 3 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 380.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
teile stammen vielmehr noch aus einer Zeit, als die Position des Direktors – insbesondere die eines non-executive – lediglich eine Nebentätigkeit ohne bestimmte Pflichten oder Verantwortlichkeiten darstellte.4 Seine Rolle als „Element der Schaufensterdekoration“,5 beschränkte sich vielmehr darauf, den guten Ruf der Gesellschaft nach außen hin zu pflegen. Das eindrucksstärkste Beispiel ist insofern Re Cardiff Savings Bank, Marquis of Bute’s Case6, in dem der Marquis of Bute im Alter von sechs Monaten zum Präsidenten der Bank bestellt worden war und anschließend im Laufe seines ganzen Lebens an einer einzigen Board-Sitzung teilgenommen hat. Eine Pflichtverletzung war für die Richter nicht ersichtlich.
Dementsprechend hielten es die Gerichte für unangemessen, auf diese freundlichen, wenn auch manchmal inkompetenten Amateure, die keine besonderen Führungsqualitäten besaßen, strenge Sorgfaltsstandards anzuwenden. Deren Verhalten wurde stattdessen an höchst subjektiven Maßstäben gemessen. Schließlich waren es die Gesellschafter selbst, die einen solch inkompetenten Amateur zum Direktor wählten, sodass es ihre Sache war, dieses Problem zu lösen.7 Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten war die mangelnde Sachkunde der Richter auf dem Gebiet des Managements, die es ihnen schwer machte, die Ausübung des unternehmerischen Ermessens zu bewerten. Sie konzentrierten sich viel lieber auf die Loyalitätspflichten mit der Frage nach gutem Glauben, die ihnen aus dem Treuhandrecht geläufig waren.8 Hinzu kam, dass eine einheitliche Definition des Aufgabenbereichs eines Unternehmensleiters angesichts der Fülle unterschiedlicher Unternehmensbranchen und -größen schier unmöglich schien. Folglich fehlte ein objektiver Maßstab, an dem die „übliche“ Sorgfalt hätte gemessen werden können. Auch hier erschien es einfacher, auf die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten des Einzelnen abzustellen und zu fragen, ob dieser „sein Bestes getan“ hat.9 ___________ 4 Overend & Gurney Co v. Gibb (1872) LR 5 HL 480; Lagunas Nitrate Co v. Lagunas Syndicate [1899] 2 Ch 392; Re Brasilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch 425 (436 f., Neville J). Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 209 Fn. 11, verweist insofern eindrucksvoll auf eine damals übliche Stellenanzeige in der Times: „A titled person required to add distinction to the board of a wine company. No responsibility, investment or participation required – firm very sound.“ 5 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 433. 6 [1892] 2 Ch 100; Ausführlich zur Frage des geschuldeten Arbeitseinsatzes s. u., 3. Kapitel, A. IV. 4. 7 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 433; Dwight (1907) 17 Yale LJ 33. 8 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (110); Sealy [1967] CLJ 83 (100 f.). 9 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (111); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 210.
A. Duties of Care and Skill im englischen Recht
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In der Realität des heutigen Wirtschaftslebens ist eine solche Unbeschwertheit längst undenkbar geworden, an dem Streben nach immer besserer und effizienter Corporate Governance kommt kein Unternehmen mehr vorbei. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass die Aktionäre einer Publikumsgesellschaft heutzutage nur wenig Einfluss auf die tatsächliche Auswahl der Kandidaten für die Direktorenwahl haben und die Amtsführung der Gewählten nicht effektiv überwachen können.10 Die neueren englischen und australischen11 Urteile folgen deshalb dem Beispiel des Gesetzgebers, der – insbesondere mit dem strengen Sorgfaltsstandard in Section 214 Insolvency Act 1986 (wrongful trading) – neue Maßstäbe für insolvenzbedrohte Gesellschaften gesetzt hat. Einfluss auf die Entwicklung könnte ferner die Stärkung der Position der non-executive directors durch die Berichte verschiedener Expertenkommissionen12 gehabt haben, die der besonderen Nachsicht gegenüber den bloßen „Galionsfiguren“ von einst ein Ende gesetzt hat.13 Die entsprechende Wende in der Rechtsprechung markiert das Grundsatzurteil Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd14 von 1925: Darin ging es um den managing director einer Versicherungsgesellschaft, der durch seine betrügerischen Machenschaften dem Unternehmen erheblichen Schaden zugefügt hatte. Im einzelnen wurden ihm die Auszahlung ungesicherter Kredite sowie Dividendenzahlungen aus dem Grundkapital der Gesellschaft vorgeworfen. Der bis dahin in den Finanzkreisen von London hoch angesehene Fachmann wurde von den Richtern zum „dreisten und charakterlosen Schurken“15 herabgestuft und wegen Betruges verurteilt.
Das Gericht bestätigte die Ansicht der früheren Rechtsprechung, dass es unmöglich sei, die den Direktoren obliegende Pflicht generell zu umschreiben, stünde man doch vor einer Fülle unterschiedlicher Arten und Funktionen von Gesellschaften, die alle berücksichtigt werden müssten.16 Nichtsdestotrotz unternahm Romer J den Versuch, aus den bekannten Fällen einige generelle Prinzipien herauszuarbeiten, auf die im Folgenden eingegangen wird. Seine Definition spaltet die Sorgfaltspflicht in mehrere Problemfelder, die nacheinander angesprochen werden. Hierzu gehören: das Maß der anzuwendenden Sorgfalt (care); das erwartete Niveau der fachlichen Kenntnisse (skill); die Gewissenhaf___________ 10
s. Finch (1992) 55 MLR 179 (180 ff.); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 433; Hicks (1994) 110 LQR 390. 11 Daniels v. Anderson (1995) 16 ACSR 607 (664), CA New South Wales. 12 Cadbury, Greenbury, Hampel, Higgs; s. o., 1. Kapitel, C. IV. 13 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 433. 14 [1925] Ch 407; Hinsichtlich der Haftung der Abschlußprüfer wurde der Fall auch vor dem Court of Appeal verhalndelt. Für die Direktorenhaftung hat indes allein die Auffassung von Romer J aus dem erstinstanzlichen Urteil Berühmtheit erlangt. 15 [1925] Ch 407 (474): „a daring and unprincipled scoundrel“. 16 [1925] Ch 407 (426 f.).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
tigkeit in der Teilnahme an Sitzungen (diligence); sowie der Umfang der zulässigen Aufgabendelegation (justified reliance). Festzuhalten ist, dass im Folgenden zwei Pflichtenarten mit unterschiedlichen Funktionen behandelt werden, zunächst die Duty of Care, Skill and Diligence als Antwort des Rechts auf Untätigkeit und Inkompetenz der Geschäftsleiter; später die Fiduciary Duties als Schutzinstrument gegen eigennütziges Verhalten.17
II. Persönlicher Anwendungsbereich Die Sorgfalts- wie auch die Loyalitätspflichten werden als zwingendes Recht auf alle Direktoren und alle Gesellschaften angewendet, ohne dass die Gerichte nach den einzelnen Gesellschaftstypen unterscheiden würden.18 Sie gelten gleichermaßen für executive und für non-executive directors,19 wobei die konkrete Position und Aufgabenstellung des einzelnen Direktors gegebenenfalls innerhalb der Pflichtdefinition berücksichtigt wird. Der Anwendungsbereich vieler Vorschriften des Companies Act 1985, des Company Directors Disqualification Act 1986 und des Insolvency Act 1986 erstreckt sich ferner auf Personen, deren Anweisungen der Board üblicherweise befolgt, sog. Schattendirektoren (shadow directors).20 Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte diese Rechtsfigur unter Umständen auch auf die Pflichten des Common Law erstrecken werden.21 Soweit dies der Fall ist, soll der shadow director auch dem künftigen gesetzlichen Pflichtenkatalog unterfallen.22 Dabei setzt die Definition voraus, dass der Board seine Leitungsautonomie zugunsten des shadow director gänzlich aufgibt, oder sich zumindest in bestimmten Bereichen den Weisungen des Dritten unterwirft. Ausgenommen sind Personen, die die Anweisungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erteilen.23 Als ___________ 17
Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 73. Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103. 19 Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing [1989] BCLC 498 (505, Foster J). 20 „Person, in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act.“; s. Section 741(2) CA 1985, Section 251 IA 1986, Section 22(4),(5) CDDA 1986, Section 207 FSA 1986. 21 Yukong Line Ltd v. Rendsburg Investments Corp of Liberia [1998] 1 WLR 294; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 155 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 379. 22 Clause 154(5) Company Law Reform Bill. 23 So die neuere, ausführliche Konkretisierung der Definition in Secretary of State for Trade and Industry v. Deverell [2000] 2 WLR 907 (919 f., Morritt LJ), CA; ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 197; Hannigan, Company Law, S. 143; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 463 f. 18
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shadow directors kommen insbesondere Aktionäre im Besitz einer Kontrollmehrheit sowie eine Muttergesellschaft bzw. deren Direktoren im Verhältnis zu der Tochtergesellschaft in Betracht. Skeptischer wird hingegen die Möglichkeit beurteilt, gesicherte Gläubiger und Banken als Schattendirektoren einzustufen.24 Für die Muttergesellschaft gelten zudem die Einschränkungen der Section 741(3), sodass sie hinsichtlich der Sections 309, 319, 320-322 und 330-346 nicht als Schattendirektor ihrer Tochtergesellschaft behandelt wird. Die Gerichte haben zudem in einer Reihe von Entscheidungen gezeigt, dass sie zumindest den Company Directors Disqualification Act 1986 sowie einzelne Normen des CA 1985 und IA 1986 nicht nur auf wirksam bestellte Direktoren (de jure director) anwenden, sondern auf alle Personen erstrecken werden, die sich faktisch die Ausübung dieses Amtes anmaßen (de facto director) .25 Auch hier spricht vieles dafür, dass inzwischen alle Pflichten des Common Law an die faktische Organstellung geknüpft werden können.26 Vom shadow director unterscheidet sich der de facto director dadurch, dass er nach außen hin offen auftritt, als wäre er wirksam bestellt worden, wobei denkbar ist, dass neben ihm kein de jure Direktor vorhanden ist. Der Schattendirektor steht hingegen hinter einem ordnungsgemäß gewählten Board und übt seinen illegalen Einfluss im Stillen aus, zumal die echten Direktoren ihre Pflichten verletzen, wenn sie sich zu dessen Marionetten degradieren lassen.27 Zu beachten ist schließlich, dass die Leitungspflichten aufgrund einer funktionellen Betrachtungsweise nicht nur die directors treffen sondern auf alle leitenden Angestellten (officers) anwendbar sind, die die company vertreten können, insbesondere wenn diesen Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen sind („top management“, „senior officers“).28 Solche Angestellten sind als Vertreter bzw. Repräsentanten (agents) der Gesellschaft anzusehen, im Unterschied zu bloßen Arbeitnehmern, die für die Gesellschaft arbeiten, aber nicht in deren ___________ 24
Hannigan, Company Law, S. 143. „Person who assumes to act as a director“; s. Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180 (183); Canadian Aero Service Ltd v. O’Malley (1974) 40 DLR (3d) 371 (381, Laskin J); DPC Estates Pty Ltd v. Grey and Consul Development Pty Ltd [1974] 1 NSWLR 443 (470); Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.2. 26 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 155; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 379. 27 s. Re Hydrodam (Corby) Ltd [1994] 2 BCLC 180 (183, Millett J): „The terms do not overlap. They are alternatives, and in most and perhaps all cases are mutually exclusive.“; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 463. 28 Canadian Supreme Court in: Canadian Aero Service v. O’Malley (1974) 40 DLR (3d) 371 (381, 391 Laskin J); DPC Estates Pty Ltd v. Grey and Consul Development Pty Ltd [1974] 1 NSWLR 443 (470); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 154 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 379; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 572. 25
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Namen und für deren Rechnung tätig sind.29 Aufgrund der hier verbleibenden Rechtsunsicherheiten sind Klagen gegen officers in der Praxis selten.30
III. Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln (compliance with the strict terms of the mandate) 1. Zuordnung zur Sorgfaltspflicht Dass die Organmitglieder zur Einhaltung von Gesetz und Satzung, also zu rechtmäßigem Verhalten verpflichtet sind, ist – jedenfalls im Grundsatz – selbstverständlich. Ob damit jedoch bloß ein Element der sorgfältigen Unternehmensleitung angesprochen,31 oder aber die Loyalitätsbeziehung des Organs zur Gesellschaft charakterisiert wird,32 wird in beiden Rechtsordnungen unterschiedlich gesehen. Die britische Einordnung als Loyalitätspflicht hat vor allem historische Gründe und beruht auf der ursprünglichen Ableitung der Organpflichten aus dem Treuhandrecht. Während die heutige Duty of Care deutlich später und nur als Ergänzung der vorhandenen Pflichtenbindung entwickelt wurde, folgte für die fiduciaries aus dem Treuhandrecht von Anfang an die elementare Pflicht, die Grenzen der ihnen verliehenen Leitungsmacht einzuhalten.33 Jedoch legt inzwischen auch der englische Jurist Wert auf die Unterscheidung zweier verschiedener Aspekte dieser Pflicht. Zum einen müssen die Handlungen des Direktors vom Wortlaut der Befugnisnormen gedeckt sein, zum anderen ist eine Pflichtverletzung aber auch dann möglich, wenn der Direktor eine ihm ausdrücklich übertragene Kompetenz zu einem unzulässigen Zweck (improper purpose) gebraucht. Der zweite Aspekt wird als eine eindeutige Treuepflichtverletzung weiter unten diskutiert.34 Beim bloßen Außerachtlassen der Befug___________ 29
Sonnenberger, GmbHR 1973, 25. Auch Arbeitnehmer unterliegen zwar einer Pflicht zur Redlichkeit (fidelity), die der Loyalitätspflicht oft ähnlich, jedoch weniger umfangreich ist; Bell v. Lever Bros. [1932] AC 161, HL; vgl. auch Reading v. Att.-Gen. [1951] AC 507, HL; Sybron Corporation v. Rochem Ltd [1984] Ch 112, CA. Deren Verpflichtungen unterliegen aber vollständig dem Arbeitsrecht und haben keinen Einfluss auf den gesellschaftsrechtlichen Bereich; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 379 Fn. 43. 30 Final Report, 15.42. 31 s. nur GK-Hopt, § 93 Rn. 86, 89; KK-Mertens, § 93 Rn. 30 ff.; für die GmbH Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 10; auf eine Zuordnung verzichtet hingegen Lutter, GmbHR 2000, 301 (302 ff., Gebote 1-4). 32 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 382 ff. 33 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (127). 34 s. u., 4. Kapitel, A. II. 2.
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nisnormen ist das Handeln des Direktors indes als rechtswidrig, aber nicht notwendigerweise als ein Loyalitätsverstoß zu werten: In einem neueren Urteil – MacPherson v. European Strategic Bureau Ltd35 – wurde die faktische Herbeiführung einer informalen Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft als ein Akt ultra vires eingestuft und damit als eine Verletzung der Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Die Direktoren haben hier die Gesellschaft zu einer Vereinbarung mit den Gesellschaftern veranlasst, wonach das Gesellschaftsvermögen zum Teil an bestimmte Gläubiger – einschließlich der Direktoren selbst – ausgezahlt werden sollte und zum Teil zur Erfüllung von Verbindlichkeiten verwendet werden sollte, die aber erst mit der fraglichen Vereinbarung begründet wurden. Eine solche Art der Verteilung benachteilige die restlichen Gläubiger und habe keine erkennbaren wirtschaftlichen Vorteile für die Gesellschaft. Anders urteilte jedoch das Gericht in Bishopsgate Investment Management Ltd v. Maxwell (No. 2),36 wo der Direktor nicht dafür gesorgt hatte, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile in der von den articles vorgeschriebenen Form erfolgt. Das Gericht wertete den Verfahrensfehler als eine Verletzung der Loyalitätspflichten durch den Direktor und verurteilte ihn dazu, der Gesellschaft den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unberechtigten Transfers entstanden war.37
Darin zeigt sich, dass eine Zuordnung zum Loyalitätsbereich nicht sachgerecht ist. Inhaltlich ist die Befolgung gesetzlicher und satzungsmäßiger Regeln kein Ausdruck der besonderen Vertrauensstellung, sondern eine Notwendigkeit jeden unternehmerischen Handelns. Die umfangreichen, strengen und für schwere Loyalitätsbrüche entwickelten Sanktionen des common law wären in den meisten Fällen einer (fahrlässigen) Normübertretung unangemessen. Vorzugswürdig ist daher die Systematik des deutschen Rechts, die der folgenden Darstellung zugrunde gelegt wird. Die Besonderheit der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln liegt darin, dass jede Übertretung derselben eine absolute Ersatzpflicht für alle Schäden der company begründet, ohne Rücksicht auf die Redlichkeit und den guten Glauben des director. Das Verschulden wird bereits durch die Verletzung des Gesetzes bzw. der Satzung indiziert.38 Als einzige Verteidigung verbleibt dem Direktor die Möglichkeit der Genehmigung seiner Kompetenzüberschreitung durch die Gesellschafterversammlung oder – je nach Zuständigkeitsverteilung im konkretem Fall – durch den Gesamtvorstand. ___________ 35
[2000] 2 BCLC 683 (700 f., Chadwick LJ), CA. [1993] BCLC 814 (831-833, Chadwick J). 37 In Hogg v. Cramphorn [1967] Ch 254 wollten die Direktoren Aktien mit je 10 Stimmen ausgeben, obwohl die articles sie nicht dazu ermächtigt hatten, mehr als eine Stimme pro Aktie zu gewähren. Das Gericht hat den Versuch der Aktienausgabe einfach als nichtig angesehen, ohne auf die Frage einer Pflichtverletzung einzugehen. 38 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (127 f.); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 383. 36
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
2. Statutory Duties Zu den gesetzlichen Grenzen der Leitungsmacht zählen vor allem die speziellen Pflichten für Direktoren, für deren punktuelle Einführung sich der Gesetzgeber angesichts der besonderen Schutzwürdigkeit bestimmter Parteien entschlossen hat.39 Die Einhaltung zwingenden Rechts ist ein absolutes Gebot, das insbesondere auch gegenüber dem gesetzlichen Pflichtenkatalog des Company Law Reform Bill vorrangig bleibt.40 Im Bereich des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes verbietet Section 214 IA 1986 das wrongful trading, also das Fortführen der Geschäftstätigkeit ab dem Zeitpunkt, ab dem die insolvenzbedingte Liquidation der Gesellschaft bei vernünftiger Betrachtung als unvermeidbar angesehen werden musste. Der Direktor wird stattdessen verpflichtet, alles zu unternehmen, um den potentiellen Schaden der Gläubiger zu minimalisieren.41 Auch außerhalb einer Krise der Gesellschaft ist eine Geschäftstätigkeit mit dem Ziel der Gläubigerbenachteiligung untersagt (fraudulent trading, Section 213 IA 1986), wenn auch die persönliche Haftung der Verantwortlichen hier ebenfalls nur im Zuge einer Liquidation angeordnet werden kann.42 Gem. Section 226 CA 1985 sind die Direktoren für den Jahresabschluss der Gesellschaft, also für die Vorbereitung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung verantwortlich. Sie machen sich dabei strafbar, wenn sie Unterlagen verfälschen, die das Vermögen oder die Lage der Gesellschaft betreffen, Sections 222 und 450 CA 1985. Zum Schutze der Gesellschaft ist gem. Section 288 CA 1985 an deren Sitz ein Direktorenregister (register of directors) zu hinterlegen, welches auch an den Registrar of Companies übermittelt werden muss. Darin muss jeder Direktor Angaben zu seiner Person machen, die neben Name und Anschrift auch alle Positionen in den Boards anderer Gesellschaften während der letzten fünf Jahre umfassen. Jede Gesellschaft die Anstellungsverträge der Direktoren zur Einsicht für die Gesellschafter bereitzustellen, Section 318 CA 1985. Anstellungsverträge mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren bedürfen zudem gem. Section 319 CA 1985 der Zustimmung der Hauptversammlung, während Spekulationen mit Optionen auf börsennotierte Wertpapiere der Gesellschaft gem. Sec___________ 39 Zu den Statutory Duties s. ausführlich Bruce, Rights and Duties of Directors, Chapter 6 ff. 40 Die entsprechende Klarstellung des Company Law Reform Bill ist in Clause 164(5) versteckt; s. Explanatory Notes 313, 319. 41 Palmer’s Company Law Manual, 3-035 ff.; ausführlich zu wrongful trading Pasban [2001] JBL 33 (45 ff.). 42 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 195; ausführlich zu fraudulent trading Pasban [2001] JBL 33 (43 ff.).
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tion 323 CA 1985 gänzlich verboten sind. Sonstige Interessen der Direktoren an Verträgen der Company müssen gem. Section 317 CA 1985 in einer BoardSitzung offengelegt werden, wobei für Darlehen der Gesellschaft an die Direktoren (Sections 330-344 CA 1985) sowie für Transaktionen mit wesentlichen Vermögensgegenständen zwischen der Gesellschaft und den Direktoren (substantial property transactions, Sections 320-322 CA 1985) besondere, strengere Regeln gelten.43 Die Direktoren haften weiterhin für die Missachtung der Bezugsrechte (preemption rights, Section 89 CA 1985), für Verstöße gegen das Verbot des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft, sowie gegen das Verbot für die Gesellschaft, Käufe ihrer Wertpapiere im weitesten Sinne finanziell zu unterstützen (financial assistance, Section 151 CA 1985).44 Schließlich sehen auch allgemeine Gesetze zum Schutze der Öffentlichkeit vor Rechtsverletzungen durch eine juristische Person eine persönliche Haftung der Direktoren vor, sofern die Verletzungshandlung ihnen zurechenbar ist; s. Section 27 Consumer Protection Act 1987, Section 37 Health and Safety at Work, etc., Act 1974, Section 157 Environmental Protection Act 1990.
3. Satzung Im Hinblick auf die articles und das memorandum der Gesellschaft wurde die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten mittlerweile in Sections 35(3) und 35A(5) CA 1985 vom Gesetzgeber bestätigt. „It remains the duty of the directors to observe any limitation on their powers flowing from the company’s memorandum.“ (Section 35(3) CA 1985)45
Die wichtigsten zu beachtenden Grenzen der Leitungsmacht sind hier der Umfang der Vertretungsmacht sowie die Definition des Geschäftsgegenstandes der Gesellschaft (objects clause) im memorandum of association. Bereits seit der Umsetzung der Ersten EG-Richtlinie von 196846 durch den European Communities Act 1972 steht jedoch fest, dass eine Überschreitung des Gesellschaftszwecks nicht zur Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts führt, während es in sonstigen Fällen der Überschreitung der Geschäftsführungsbe___________ 43
s. dazu ausführlich unten, 4. Kapitel, A. II. 4. b) ff. Palmer’s Company Law Manual, 3-052 ff. 45 „Nor does [Section 35A(1)] affect any liability incurred by the directors … by reason of the directors’ exceeding their powers.“; Section 35A(5) CA 1985. 46 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, [1968] ABl. L 65/8. 44
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
fugnis auf die Gutgläubigkeit des Dritten ankommt, Sections 35(1), 35A (2)(b)(c) CA 1985.47 Section 35A wurde 1989 durch die Bestimmung in Section 322A CA 1985 ergänzt. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Transaktionen,48 an denen einerseits die Gesellschaft und andererseits ein Direktor der Gesellschaft bzw. ihrer Muttergesellschaft oder eine mit dem Direktor gem. Section 346 verbundene Person bzw. Gesellschaft als Parteien beteiligt sind (Abs. 1). Überschreitet der Board im Zuge einer solchen Transaktion die sich aus der Satzung sowie aus Beschlüssen und Vereinbarungen der Gesellschafter ergebenden Grenzen, so ist die Transaktion anfechtbar und der Direktor zur Herausgabe des Erlangten sowie zum Ersatz des der Gesellschaft entstandenen Schadens verpflichtet (Abs. 2, 3, 8). Einzelne board-Mitglieder haben zudem die Schranken ihrer Vertretungsmacht zu beachten, mögen sich diese aus der Satzung, aus Beschlüssen des Gesamtvorstands oder auch nur aus der tatsächlichen Praxis der Aufgabenübertragung in der jeweiligen Gesellschaft ergeben.49
4. Vertragliche Verpflichtungen und freiwillige Verhaltensrichtlinien Obwohl freiwillige Verhaltensrichtlinien, allen voran die Vorgaben des Combined Code und die zahlreichen Expertenberichte,50 an sich keine Rechtsfolgen entfalten und insbesondere die Rechtsprechung nicht binden sollen, neigen die Gerichte immer häufiger dazu, sich bei der Konkretisierung des objektiven Sorgfaltsmaßstabs von solchen Werken beeinflussen zu lassen. Das deutlichste Beispiel zur Zeit ist die Auslegung des Begriffs der Unfähigkeit (unfitness) für die Zwecke des Company Directors Disqualification Act 1986.51 Zuvor schon ist die Verletzung der ehemals unverbindlichen accounting standards als starkes Indiz für fahrlässiges Verhalten gewertet worden.52 Ebenso fungierten die Vorgaben des City Code on Takeovers and Mergers als starkes Indiz für die Fairness eines Übernahmeangebots.53 Eine ähnliche Entwicklung kann auch für die Auslegung der Duty of Care des Common Law prognostiziert werden,54 ___________ 47
Herrmann, RIW 1991, 378 (381). Mit Transaktion ist gem. Section 322A(8) jede Handlung gemeint. 49 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (127). 50 s. o., 1. Kapitel, C. IV. 51 s. u., 5. Kapitel, A. I. 3. 52 Lloyd Cheyham & Co v. Littlejohn [1987] BCLC 303 (306, Woolf J.), QBD. 53 Re Chez Nico (Restaurants) Ltd [1991] BCC 736 (751, Browne-Wilkinson VC); Re a Company [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J). 48
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zumal der Combined Code 2003 potentielle Direktoren neuerdings ausdrücklich vor dieser Haftungsgefahr warnt,55 und das Regelwerk zunehmend als Element des geltenden Rechts in Gestalt von soft law angesehen wird.56 Eine organschaftliche Pflicht zur Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen wird demgegenüber gar nicht diskutiert.
IV. Tatbestandsmerkmale und Beurteilungsmaßstäbe der Sorgfaltspflicht Vergeblich sucht man im Bereich der englischen Organhaftung nach abstrakten Ausführungen zum Verschuldenserfordernis.57 Dass ein solches jeder haftungsbegründenden Pflichtverletzung immanent ist, ergibt sich aber eindeutig aus den richterrechtlichen Definitionen der einzelnen Tatbestände sowie aus dem Konsens, dass alle Pflichten verhaltens- und keinesfalls erfolgsbezogen formuliert sind.58 Da somit für jede Pflicht implizit eine auf diese zugeschnittene Verschuldensart festgelegt wird, geht die Differenzierung über das Begriffspaar Vorsatz/Fahrlässigkeit hinaus59 und ist gerade im Bereich der Sorgfaltspflichten maßgeblich für deren Systematik.
1. Maßstab der allgemeinen Sorgfalt (care): „an ordinary man in the same circumstances“ (objective test) Das erste von Romer J in Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd vorgestellte Prinzip lautet, dass der Direktor die Sorgfalt an den Tag zu legen hat, die eine durchschnittlichen Person unter denselben Bedingungen erwartungsgemäß im eigenen Interesse (d.h. beim Besorgen eigener Geschäftsangelegenheiten) anwenden würde:
___________ 54 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 223 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 436; ausdrücklich dafür plädierend Arden, in: Rawlings, Law, Society and Economy, S. 91 (106), und Goulding/Miles/Schall, ECFR 2005, 20; angedeutet auch in Bishopsgate Investment Management Ltd v. Maxwell [1994] 1 All ER 261 (264, Hoffmann LJ), CA. 55 Combined Code 2003, Schedule B, 3. 56 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 45 f., 49, 322 f. 57 Besonders deutlich werden die Schwierigkeiten des englischen Juristen im Umgang mit der entsprechenden Dogmatik bei Riley 62 (1999) MLR 697 (717 f.). 58 Riley 62 (1999) MLR 697 (706 f.); Worthington (2000) 116 LQR 638 (640 f.); s. auch Sonnenberger, GmbHR 1973, 25 (29). 59 Dieses ist zwar bekannt (intent einerseits und negligence andererseits), jedoch nur im Bereich des criminal law gebräuchlich.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
„… the care an ordinary man might be expected to take in the circumstances on his own behalf.“60
Dieser objektive Fahrlässigkeitsmaßstab wird dann angelegt, wenn die zu beurteilende Handlung keine besonderen Fachkenntnisse oder Fähigkeiten erfordert. Ein solch minimales Niveau der Sorgfalt kann dann von jedem einzelnen Direktor verlangt werden, ohne Rücksicht auf dessen Position und Kenntnisstand, so wie es auch von jedem beliebigen Treuhänder oder Vertreter erwartet wird.61 An der erforderlichen Sorgfalt fehlt es folglich jedenfalls dann, wenn der Direktor blind alle Dokumente genehmigt, die ihm vorgelegt werden. In Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd hätte von den Direktoren erwartet werden können, dass sie selbständig die Kapitalanlagen der Gesellschaft überprüfen. Sie hätten sich insofern nicht auf die Einschätzung des Gesellschaftsvermögens durch den Vorstandsvorsitzenden oder durch den Abschlußprüfer verlassen dürfen, auch wenn ersterer ein vornehmer und ehrenwerter Mann war und letzterer sicherlich als kompetent und vertrauenswürdig charakterisiert werden konnte.62
Ähnlich zu beurteilen ist der Fall, dass der Direktor ein Angebot zum Abschluss einer Versicherungspolice unterschreibt, ohne dieses gelesen zu haben. Dieser Vorwurf wurde einem Direktor in dem Fall Re D’Jan of London Ltd gemacht. Das entsprechende Versicherungsformular wurde von einem Mitarbeiter ausgefüllt und enthielt z.T. falsche Angaben, mit der Folge, dass die Versicherungsgesellschaft nach Eintritt des Versicherungsfalles (Zerstörung der Warenlager der Gesellschaft durch Feuer) nicht für den Schaden einstehen wollte. Das Unterschreiben des Formulars ohne es zu lesen, wurde vom Gericht als fahrlässig gewertet.63
Fahrlässig handelt ein Direktor selbstverständlich auch dann, wenn er Blankoschecks unterschreibt: In Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing befanden die Richter, dass die nonexecutive directors mit guten Kenntnissen in Buchhaltung nicht einfach auf den Sachverstand und die Sorgfalt der Abschlußprüfer vertrauen und auf jegliche Pflichterfüllung gegenüber der Gesellschaft verzichten durften. Die NEDs pflegten Blankoschecks zu unterschreiben – die später vom executive director ausgefüllt wurden – ohne sich vorher nach dem Zweck der Zahlung zu erkundigen.64
___________ 60 Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd [1925] Ch 407 (428, Romer J); so auch Re Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch 425 (437, Neville J); Overend & Gurney Co v. Gibb (1872) LR 5 HL 480; s. auch Re Forest of Dean Coal Mining Co (1878) 10 Ch D 450; Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing [1989] BCLC 498. 61 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 101 Fn. 16 und 103 Fn. 22 a.E. 62 [1925] Ch 407 (474, Romer J). 63 [1994] 1 BCLC 561. 64 [1989] BCLC 498 (505, Foster J); Der Fall wurde bereits 1977 entschieden, aber erst später veröffentlicht.
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Andererseits kann von ihm nicht verlangt werden, vor Unterschreiben eines ausgefüllten Schecks sicherzustellen, dass das Geld tatsächlich zu dem konkreten Zweck benötigt wird, oder dass es anschließend bestimmungsgemäß verwendet wird. Es genügt, wenn sich der Direktor vergewissert, dass der Scheck vom Board bewilligt wurde, und wenn ihm der Scheck auf normalem, in dem Unernehmen üblichem Wege vorgelegt wird.65 Aus dem Sorgfaltserfordernis werden heute zudem verstärkt Organisationspflichten abgeleitet. Dazu gehört die Pflicht, für eine ausreichende Organisation der Management-Strukturen und damit für genügend Kompetenz und Kontrolle der Mitarbeiter zu sorgen; ferner die Pflicht, durch Wissensmanagement für Effektivität des internen und externen Informationsflusses zu sorgen. Von größter Bedeutung ist aber die Einrichtung einer internen Finanz- und Risikokontrolle einschließlich von Mechanismen, die das Betrugsrisiko minimieren sollen. Die Direktoren und die Abschlussprüfer sollen über die Effektivität des Kontrollsystems berichten.66 Der Board einer börsennotierten Gesellschaft wird durch den Combined Code 2003 verpflichtet, ein solides System der internen Kontrolle für die Bereiche Finanzen, Betrieb, Compliance und Risk Management einzurichten, und mindestens einmal jährlich dessen konzernweite Effektivität zu überprüfen.67
2. Maßstab der fachspezifischen Sorgfalt (skill): „person of his knowledge and experience“ (subjective test) Neben den objektiven Standard der Sorgfalt soll nach dem Vorschlag von Romer J in der Entscheidung Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd68 ein subjektiver Test für das erforderliche Können treten: „A director need not exhibit in the performance of his duties a greater degree of skill than may reasonably be expected from a person of his knowledge and experience.“
___________ 65
Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd [1925] Ch 407 (452 ff.). Cadbury Report, 4.31 f.; Institute of Chartered Accountants in England and Wales, Internal Control: Guidance for Directors on the Combined Code (1999) (Turnbull Report); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 100; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 219 (unter Hinweis auf Re Barings Plc (No. 5) [2000] 1 BCLC 523) und S. 436. 67 Combined Code 2003, C.2., Main Principle; Provisions C.2.1, C.3.2; Guidance on Internal Control (The Turnbull Guidance). 68 [1925] Ch 407 (428); Ein objektives – wenn auch eher bedeutungsloses – Element dieses Tests könnte darin gesehen werden, dass der Direktor jedenfalls dann haftet, wenn er sein tatsächlich vorhandenes Können einmal nicht anwenden sollte; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 433 Fn. 69; vgl. auch Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing [1989] BCLC 498; Norman v. Theodore Goddard (a firm) [1991] BCLC 1028. 66
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Dieser Test soll nun die Aufgaben und Handlungen abdecken, die sich nur mit einer besonderen fachlichen Vorbildung sorgfältig bewältigen lassen, wird aber üblicherweise als Verschärfung des milden objektiven Tests überall dort angewendet, wo der Betroffene über besondere Qualifikationen verfügt.69 Der etablierte subjektive Test stellt sowohl auf die Art des Geschäftsgegenstandes als auch auf die individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Direktors im Einzelfall ab.70 Dies erscheint auch naheliegend, da man nicht von allen Geschäftsleitern dieselbe Palette an umfassenden Qualifikationen verlangen kann, im Gegensatz zum Standard der care, bei dem man durchaus von jedem einzelnen Direktor ein bestimmtes, vernünftiges Level der Sorgfalt erwarten kann.71 In der Praxis bedeutet dies beispielsweise, dass ein Fachmann für Unternehmensfinanzierung im Amt des non-executive director jedenfalls dann den Standard für die von ihm erwartete Sachkenntnis unterschreitet, wenn er es unterlässt, die Bilanzen der Gesellschaft zu lesen und zu verstehen.72 Uneinigkeit besteht im Schrifttum jedoch darüber, ob der Test tatsächlich auf alle Unzulänglichkeiten des Direktors Rücksicht nehmen will, oder doch eher ein Minimum an notwendigen Qualifikationen voraussetzt. Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd ist zumeist im ersteren Sinne gedeutet worden, mit dem Ergebnis, dass: „… if the members appoint a half-wit as a director, he may only be judged by what one can reasonably expect of a half-wit.“73
Auch Neville J befand in Re Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd: „He is, I think, not bound to bring any special qualifications to his office. He may undertake the management of a rubber company in complete ignorance of everything connected with rubber, without incurring responsibility for the mistakes which may result from such ignorance.“74
Der andere Standpunkt wird jedoch von einer Aussage von Romer J in Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd selbst gestützt: „A director of a life insurance company, for instance, does not guarantee that he has the skill of an actuary or of a physician.“75
___________ 69
Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 102 f. Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd [1925] Ch 407 (428 f.); Re Brasilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch 425 (436 f., Neville J). 71 Hicks (1994) 110 LQR 390 (393). 72 Re Continental Assurance Co of London plc [1997] 1 BCLC 48. 73 Hicks (1994) 110 LQR 390 (392); so auch Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (113 f.); Re Elgindata Ltd [1991] BCLC 959 (994, Warner J). 74 [1911] 1 Ch 425 (437). 75 [1925] Ch 407 (428). 70
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Daraus folgern einige, dass der Standard gerade nicht beliebig nach unten reduziert werden könne. Romer J wollte vielmehr einen minimalen und unreduzierbaren objektiven Standard für die notwendigen Kenntnisse statuieren. Der zusätzliche subjektive Test soll den Direktor nur entlasten, wenn er keine besonders hohen Qualifikationen aufweist. Der Direktor muss also durchaus mindestens das Niveau eines vernünftigen durchschnittlichen Geschäftsmannes erreichen. Sollte er jedoch darüber hinaus im Einzelfall über besonders hohen Sachverstand verfügen, so erhöht sich der Standard, nach dem er zu beurteilen ist. Der subjektive Test kann somit niemals die Mindestanforderungen senken, sondern nur erhöhen, wenn der Direktor „überqualifiziert“ ist.76 Für diese Ansicht spricht, dass jedenfalls die executive directors gerade wegen der von ihnen behaupteten Sachkenntnis bestellt und großzügig vergütet werden. Man könnte von ihnen zwar auch schon aufgrund der ausdrücklichen oder konkludenten Bedingungen des Anstellungsvertrages ein Mindestmaß an Fertigkeiten einfordern.77 Bei non-executives bestünde diese Möglichkeit aber nicht, sodass deren Sorgfaltsstandard wesentlich niedriger läge, was angesichts der Aufwertung ihrer Position nicht mehr gerechtfertigt erscheint.78 Im Einklang mit dieser Ansicht steht auch die neue Rechtsprechung des Court of Appeal, die den subjektiven Test als zu nachsichtig kritisiert und für die Direktoren die Pflicht aufstellt, sich mit dem Geschäftsgegenstand ihrer Gesellschaft vertraut zu machen. Nach dem Zusammenbruch der Traditionsbank Barings Group infolge von unbefugten Spekulationen des Händlers Nick Leeson hat der zuständige Wirtschaftsminister gerichtliche Untauglichkeitserklärungen (disqualification orders) nach dem Company Directors Disqualification Act 1986 gegen drei Direktoren der Gesellschaft beantragt. Es galt dabei zu beweisen, dass die Inkompetenz der Direktoren ein solches Ausmaß erreichte, dass sie sich für die Leitung einer Gesellschaft als unfähig (unfit) erwiesen haben. Ihre erste Verfehlung war die Überlassung des front office und des back office an Mr. Leeson, obwohl die interne Revision der Firma eine Trennung der beiden Positionen empfohlen hatte. Zum anderen wurden die unbegründeten Bitten von Mr. Leeson um immer höhere Geldbeträge anstandslos erfüllt. Schließlich konnte Mr. Leeson nur deshalb unbehelligt seinen Geschäften nachgehen, weil das interne System zur Überwachung des Managements schwerwiegende Mängel aufwies.
___________ 76 Hicks (1994) 110 LQR 390 (392 f.); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 101; Sealy (2001) 22 Co Law 79 (82). 77 So ist bei Arbeitnehmern, die vorgeben, eine bestimmte Fertigkeit zu bestitzen, seit langem anerkannt, dass sie bei deren Anwendung an den vernünftigen, objektiven Standards gemessen werden; Lister v. Romford Ice and Cold Storage Co Ltd [1957] AC 555 (572 f.), HL. 78 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 633 f.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
In dem folgenden Verfahren Re Barings plc (No. 5)79, schloss sich das Berufungsgericht in der Beurteilung der Inkompetenz dem erstinstanzlichen Urteil von Jonathan Parker J an und stellte den folgenden Grundsatz auf: Die Direktoren unterliegen, sowohl kollektiv als auch einzeln, der ständigen Pflicht, ausreichendes Wissen über und Verständnis für den Geschäftsgegenstand ihrer Gesellschaft zu erwerben und zu pflegen, um ihre Pflichten als Direktoren ordnungsgemäß erfüllen zu können.
Vom einzelnen Direktor verlangt der Combined Code 2003 ferner eine angemessene Einführung in das Amt und eine regelmäßige Aktualisierung und Auffrischung ihres Wissens, ihrer Fähigkeiten und ihrer Vertrautheit mit dem Unternehmen.80 Gesteigerte Erwartungen können sich schließlich auch konkludent aus den Anstellungsverträgen von managing und executive directors ergeben.81 Mit der Erhöhung des Kompetenzstandards dürfte auch eine erhöhte Erwartung im Hinblick auf die sorgfältige Vorbereitung des Entscheidungsprozesses und der entsprechenden Informationsbasis einhergehen, da die Richter von jemandem, der die Materie versteht, auch verlangen würden, dass er die passenden Fragen gestellt und angemessene Nachforschungen angestellt hat.82
3. Objektiv-subjektiver Maßstab der Section 214 Insolvency Act 1986 Anders als die eben dargestellte Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten hat sich die neuere Gesetzgebung in der Regelung des wrongful trading in Section 214 IA 198683 für einen objektiv-subjektiven Sorgfaltsmaßstab entschie___________ 79
[2000] 1 BCLC 523 (535 f.): „(i) Directors have, both collectively and individually, a continuing duty to acquire and maintain a sufficient knowledge and understanding of the company’s business to enable them properly to discharge their duties as directors. (ii) Whilst directors are entitled (subjecto to the articles of association of the company) to delegate particular functions to those below them in the management chain, and to trust their competence and integrity to a reasonable extent, the exercise of the power of delegation does not absolve a director from the duty to supervise the discharge of the delegated functions. (iii) No rule of universal application can be formulated as to the duty referred to in (ii) above. The extent of the duty, and the question whether it has been discharged, must depend on the facts of each particular case, including the director’s role in the management of the company.“; zustimmend Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 511 f. 80 Combined Code 2003, A.5, Main Principles, Supporting Principles, Provision A.5.1. 81 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.19.1. 82 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 111. 83 Ergänzt wird die Regelung durch das Verbot des fraudulent trading in Section 213 IA 1986, welches dann Anwendung findet, wenn sich im Zuge einer (nicht notwendig
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den.84 Die Norm sanktioniert das Fortführen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem vernünftigerweise nicht mehr erwartet werden kann, dass Insolvenz und Liquidation vermieden werden können. Als Rechtsfolge kann das Gericht den (ehemaligen) Direktor nach eigenem Ermessen zu Zahlungen an die Gesellschaft verpflichten und ihm die Tätigkeit als Direktor für die Dauer von bis zu 15 Jahren untersagen.85 Ob der Direktor gegen das Verbot verstoßen hat bestimmt sich danach, welches Verhalten von einer in vernünftigem Maße sorgfältigen Person erwartet werden konnte, die zwei Eigenschaften aufweist: • the general knowledge, skill and experience that may reasonably be expected of a person carrying out the same functions as are carried out by that director in relation to the company, und • the general knowledge, skill and experience that that director has.86 Fraglich ist nur, ob dieser gesetzliche, auf den Spezialfall des wrongful trading konzipierte Ansatz ohne weiteres auf die Fälle der Verletzung der duty of care and skill übertragen werden kann und sollte. Dies hat jedenfalls Hoffmann LJ in Norman v. Theodore Goddard87 und Re D’Jan of London Ltd88 befürwortet, indem er beide Elemente der Sorgfaltspflicht, also die allgemeine Sorgfalt und das Können, an objektiven Kriterien messen wollte. Er bezeichnete den Test in Section 214 IA ausdrücklich als eine treffenden Wiedergabe der Sorgfaltspflicht des common law.89 Der entscheidende Unterschied zum bisherigen Richterrecht, in der von Romer J festgestellten Form, besteht in der objektiven Beurteilung des Könnens (skill) des Direktors. Subjektive Fähigkeiten des betroffenen Direktors werden nur noch dann berücksichtigt, wenn sie die eines vernünftigen Direktors übersteigen, sodass sie ausschließlich der Verschärfung der Haftung dienen können. Persönliche Mängel wirken somit nicht mehr entlastend. Gegen die Übernahme des gesetzlichen Sorgfaltsmaßstabes spricht jedoch, dass damit ein speziell für das wrongful trading entwickelter Test von den Ge___________ insolvenzbedingten) Liquidation zeigt, dass die Direktoren die Geschäfte vorsätzlich mit dem Ziel der Gläubigerbenachteiligung geführt hatten; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 195. 84 Dieser wird auch als „dual“ oder „twofold“ bezeichnet; s. Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 512; Hicks (1994) 110 LQR 390 (391). 85 Section 10 Company Directors Disqualification Act 1986. 86 Section 214(4) IA 1986. 87 [1991] BCLC 1028. 88 [1994] 1 BCLC 561. 89 Norman v. Theodore Goddard [1991] BCLC 1028 (1030 f.); Re D’Jan of London Ltd [1994] 1 BCLC 561 (563); neuerdings auch Cohen v. Selby [2001] 1 BCLC 176 (183), CA.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
richten zu einer generell anwendbaren Regel umfunktioniert werden würde.90 Ferner führt Section 214 IA 1986 das objektive Element lediglich als Maßstab des Könnens (skill) ein, während Hoffmann LJ auch einen objektiven Standard der Sorgfalt (care) anwenden wollte. Darauf ließe sich höchstens entgegnen, dass Sorgfalt und Können zwar üblicherweise getrennt beurteilt werden, faktisch jedoch schwer voneinander zu trennen sind, hängt die erforderliche Sorgfalt doch davon ab, wie hoch man das Niveau des Könnens ansetzt.91 Darüber hinaus ist dem Richter in beiden Entscheidungen aber auch eine mangelnde Auseinandersetzung mit den einschlägigen Präjudizien vorzuwerfen, insbesondere da die Anwendung des Common Law in beiden Fällen zum selben Ergebnis geführt hätte.92 Norman v. Theodore Goddard fiel nämlich in die Fallgruppe des berechtigten Vertrauens in eine Person, deren Aufrichtigkeit der Direktor nicht bezweifeln musste.93 Die Fahrlässigkeit in Re D’Jan of London Ltd war hingegen schon dadurch begründet, dass der Direktor nicht einmal die Sorgfalt aufgebracht hatte, die ihm subjektiv, aufgrund seiner eigenen Fachkenntnis und Erfahrung möglich gewesen wäre.94 Trotz der anfänglichen Kritik95 hat der Vorstoß von Hoffmann LJ viel Zustimmung erfahren96 und ist insbesondere von der Law Commission als nunmehr geltendes Richterrecht und als mögliches Vorbild für eine künftige gesetzliche Regelung begrüßt worden.97 Er findet sich nun tatsächlich als Emp___________ 90
Arsalidou (2000) 22 Co Law 19 (21 f.). Hicks (1994) 110 LQR 390 (391 f.); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 217. 92 Nakajima (1994) 15 Co Law 123; Boyle (1996) 17 Co Law 83. 93 Norman v. Theodore Goddard [1991] BCLC 1028. 94 Re D’Jan of London Ltd [1994] 1 BCLC 561 (563). 95 Farrar/Hannigan, Company Law, 4. Aufl. 1998, S. 395; Hicks (1994) 110 LQR 390 (391 f.); Nakajima (1994) 15 Co Law 123; Sealy (2001) 22 Co Law 79 (82); vgl. auch Berg [2000] JBL 472 (490 f.), der den objektiven Standard nur bei großen und börsennotierten Gesellschaften für gerechtfertigt hält; Boyle (1996) 17 Co Law 83; für einen zweistufigen, i.E. aber subjektiven Maßstab Riley 62 (1999) MLR 697(707 f., 718). 96 Developing the Framework, 3.66 ff; Arden, in: Rawlings, Law, Society and Economy, 1997, S. 91 (103 f.); Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.19.5; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 216 f.; Sealy (2001) 22 Co Law 79 (82); Worthington (2001) 64 MLR 439 (449). Für höhere Sorgfaltsstandards im Rahmen des Company Directors Disqualification Act 1986 s. Re Landhurst Leasing plc [1999] 1 BCLC 286 (344). 97 „... a remarkable example of the modernisation of the law by the judges.“; Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and Formulating a Statement of Duties, Law Commission Consultation Paper No. 153, para. 13.19; „The better view is that [the twofold objective/subjective standard] now represents the law and would be followed by the higher courts.“; aaO, para. 15.5; Diese Ansicht der Law Commission ist in den betroffenen Verkehrskreisen auf breite Zustimmung gestoßen und wird dem Gesetzgeber zur Umsetzung empfohlen; Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and 91
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fehlung im White paper 2002 wieder.98 Um den steigenden Anforderungen an die Qualität der Geschäftsleitung Rechnung zu tragen, hat ferner das Institute of Directors die Möglichkeit eingeführt, nach Bestehen einer speziellen Prüfung den Titel „chartered director“ zu erwerben, der u.a. zur Befolgung eines Verhaltenskodex (code of professional conduct) verpflichtet.99
4. Das Maß des geschuldeten Arbeitseinsatzes (diligence): „duties of intermittent nature“ Ein weiterer Problemschwerpunkt im Bereich der Sorgfaltspflichten ist die Frage, in welchem Maße von dem Direktor die aktive Mitwirkung am Tagesgeschäft der Gesellschaft erwartet werden kann bzw. welcher Arbeitsaufwand (diligence) für eine sorgfältige Wahrnehmung seiner Leitungs- und Überwachungsaufgaben zu fordern ist. Das Prinzip stammt auch hier von Romer J in Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd: „A director is not bound to give continuous attention to the affairs of his company. His duties are of intermittent nature to be performed at periodical board meetings, and at meetings of any committee of the board upon which he happens to be placed. He is not, however, bound to attend all such meetings, though he ought to attend whenever, in the circumstances, he is reasonably able to do so.“100
Die frühere Rechtsprechung dehnte dieses Prinzip noch so weit aus, dass sie die bloße Abwesenheit in den Sitzungen grundsätzlich nicht als eine Pflichtverletzung ansah: In dem bereits oben101 angeführten Fall Re Cardiff Savings Bank, Marquis of Bute’s Case bemerkte Stirling J: „… neglect or omission to attend meetings is not, in my opinion, the same thing as neglect or omission of a duty which ought to be performed at those meetings.“102 Etwas verständlicher wird die Entscheidung um den Marquis of Bute, der im Alter von sechs Monaten zum Präsidenten der Bank bestellt und im Laufe seines Lebens eine einzige Board-Sitzung besucht hat, angesichts der Umstände des Einzelfalles. Die Bank verfügte nämlich über insgesamt 55 Treuhänder und Manager, sodass nicht von jedem von ihnen eine aktive Teilnahme am Geschäft der company und an den Sitzungen erwartet werden konnte.
___________ Formulating a Statement of Duties, Law Commission No. 261 (September 1999), Cm 4436, para. 5.15, 5.20. 98 s. u., 3. Kapitel, A. VI. 99 Zu den neueren Entwicklungen s. auch Walters (2000) 21 Co Law 110. 100 [1925] Ch 407 (429); s. auch Re Cardiff Savings Bank, Marquis of Bute’s Case [1892] 2 Ch 100 (108 f.); Re Denham & Co (1883) 25 Ch D 752. 101 3. Kapitel, A. I. 102 [1892] 2 Ch 100 (109).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
In Re Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd bemerkte Neville J: „[A director of a company] is not, I think, bound to take any definite Part in the conduct of the company’s business, but so far as he does undertake it he must use reasonable care in its dispatch.“103
Rechtspolitisch erschreckend ist insbesondere, dass durch diese Sichtweise die Direktoren regelrecht dazu ermutigt wurden, sich von allen Entscheidungen fernzuhalten, da Passivität im Gegensatz zur aktiven Teilnahme keine Haftungsrisiken in sich barg.104 Sie ist deshalb mittlerweile einer viel engeren Auslegung der Regel von einer „vernünftigen Häufigkeit“ der Sitzungsteilnahmen gewichen, nach der die erwartete Häufigkeit steigt, je weniger Direktoren die Gesellschaft hat.105 In der Praxis wird der Anstellungsvertrag eines executive director regelmäßig vorsehen, dass dieser seine gesamte Arbeitskraft ausschließlich der company zur Verfügung stellen muss und dem Geschäftsgang somit ununterbrochen seine Aufmerksamkeit schuldet. Von den non-executives wird in einer public company jedenfalls erwartet, dass sie an allen Sitzungen des Board teilnehmen, während dies in einer private company eher lockerer gesehen wird. Die untere Grenze statuiert Art. 81(e) Table A, nach dem – soweit die Mustersatzung von der Gesellschaft implementiert wurde – ein Direktor seine Position verliert, wenn er sechs Monate lang den Treffen der Direktoren ohne deren Zustimmung fernblieb, und die übrigen Direktoren beschließen, dass er aus dem Amt scheiden soll. Die drei Direktoren in dem Fall Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing hielten überhaupt keine Board-Sitzungen ab. Zwei von ihnen haben die Geschäftsräume der Firma kaum jemals betreten. Nachdem der dritte Direktor ungesicherte, anschließend tatsächlich nicht beitreibbare Kredite gegeben hatte, wurden alle drei für die Verluste der Gesellschaft haftbar gemacht. Obwohl die passiven Direktoren durchweg in gutem Glauben handelten, werteten die Richter ihre Untätigkeit als so schwerwiegend, dass im Ergebnis keine der Pflichten eines Geschäftsleiters erfüllt worden war. Die völlige Passivität und die fehlende Beteiligung an der Leitung der Gesellschaft begründet zudem mangels besonderer Rechtfertigungsgründe den Vorwurf der Unfähigkeit (unfitness), der zur Disqualifizierung des Direktors führt.106 Wie jedoch Hoffmann LJ im obiter dictum des Urteils in Investment Management Ltd v. Maxwell (No. 2) bemerkte, kann von dem Direktor keinesfalls erwartet werden, dass er immer die tragende Rolle in der Geschäftstätigkeit der company übernimmt. Sein Ein-
___________ 103
[1911] 1 Ch 425 (437). Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (115); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 514. 105 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (115 f.); vgl. auch Combined Code 2003, A.1.1. 106 [1989] BCLC 498; Re Park House Properties Ltd [1997] 2 BCLC 530 (556 f.); vgl. auch Secretary of State for Trade and Industry v. Arif [1997] 1 BCLC 34; Secretary of State for Trade and Industry v. Gash [1997] 1 BCLC 341. 104
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satz wird vielmehr – je nach Art des Unternehmens – unterschiedliche Formen annehmen. Ob und in welchem Maße der Direktor verpflichtet ist, an der Geschäftsführung aktiv mitzuwirken, hängt also davon ab, wie die Führung der jeweiligen Gesellschaft organisiert ist und welche Stellung innerhalb der konkreten Firma dem Direktor zugeschrieben wird.107
In der neueren Rechtsprechung zeichnet sich indes eine Trendwende hin zu gesteigerten Erwartungen an den Arbeitseinsatz des Direktors ab. Der Court of Appeal, der in Re Westmid Packing Services Ltd108 über die disqualification eines Direktors zu befinden hatte, betonte, dass jeder Direktor individuell dazu verpflichtet sei, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft, vor allem über ihre finanzielle Lage, auf dem Laufenden zu halten.
5. Zulässigkeit und Grenzen der Aufgabendelegation: „justified reliance on a person whose honesty the director had no grounds to doubt“ Den vierten Aspekt des Fahrlässigkeitsmaßstabs für die Direktoren bildet die Frage, ob sie die Erfüllung ihrer Pflichten auf Ausschüsse, einzelne BoardMitglieder oder auf Angestellte der Gesellschaft delegieren dürfen, und ob sie ggf. für deren Verschulden einzustehen haben. Romer J befand hierzu in Re City Equitable Fire Insurance: „In respect of all duties that, having regard to the exigencies of business, and the articles of association, may properly be left to some other official, a director is, in the absence of grounds for suspicion, justified in trusting that official to perform such duties honestly.“109
Ein effektives Management des Unternehmens wäre heutzutage undenkbar, müssten die Direktoren alle Aufgaben höchstpersönlich erledigen. Das Ausmaß und die Komplexität der Geschäftsvorgänge machen – außer in den kleinsten companies – eine starke Dezentralisierung der Leitung vielmehr unumgänglich. Dem haben die Gerichte inzwischen Rechnung getragen, indem sie die Delegation der Pflichten und Befugnisse für zulässig erklärten, jedoch nur sofern die Satzung dem Board zuvor eine entsprechende Kompetenz verliehen hat.110 Letzteres ist indes unproblematisch, denn die articles enthalten üblicherweise eine generelle Klausel, die die Direktoren zur Übertragung ihrer Befugnisse ___________ 107 [1993] BCLC 1282 (1285); s. auch Re Brazilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch 425 (437, Neville J); Re City Equitable Fire Insurance Co Ltd [1925] Ch 407. 108 [1998] 2 All ER 124 (130); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 514. 109 [1925] Ch 407 (429). 110 Re Leeds Banking Co, Howard’s Case (1866) 1 Ch App 561; Horn v. Henry Faulder & Co Ltd (1908) 99 LTR 524; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 587.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
z. B. auf Ausschüsse, den managing director oder einzelne der übrigen Direktoren ermächtigt.111 Als konsequent sieht es die traditionelle Rechtsprechung an, die Direktoren auch von der Haftung für Handlungen des Vertreters zu befreien und somit von der Pflicht, diesem zu misstrauen und ihn permanent zu überwachen, solange es keinen Grund für das Misstrauen gibt. Voraussetzung ist nur, dass die Delegation nicht an einen offensichtlich Ungeeigneten erfolgt.112 Die Delegationsbefugnis darf ferner nur in gutem Glauben ausgeübt werden und nicht etwa, um durch Einsetzung eines Ausschusses bestimmte Board-Mitglieder von der Geschäftsführung auszuschließen.113 Ein non-executive director muss dementsprechend die Geschäfte und die Angestellten nicht ständig kontrollieren. Er hat nicht für das Verschulden eines anderen Vorstandsmitglieds einzustehen, sofern ihm kein eigenes Verschulden zur Last gelegt werden kann.114 Der Direktor eines Spielkasinos in Huckerby v. Elliott115 handelte nicht fahrlässig, als er es unterließ nachzuprüfen, ob das Kasino die erforderliche Lizenz besaß. Die Aufgabe, eine solche Lizenz zu besorgen, war nämlich zulässigerweise auf einen anderen Direktor übertragen worden. In Dovey v. Cory wurden ohne Wissen des beklagten Bankdirektors das Kapital schmälernde Dividenden ausgezahlt, sowie unzureichend gesicherte Kredite vergeben. Der Direktor hat sich insofern auf die falschen Angaben des Vorstandsvorsitzenden und des obersten Managers verlassen, wobei er keinen Grund hatte, an deren Integrität, Fähigkeiten und Sachverstand zu zweifeln. Das Gericht sah darin keine Fahrlässigkeit auf Seiten des Direktors. Er sei weder verpflichtet gewesen, die ihm untergeordneten Angestellten der Bank zu überwachen, noch die Berechnungen der Abschlußprüfer selbst nachzuprüfen, noch die Einträge in den Geschäftsbüchern der Gesellschaft zu untersuchen.116 Auch in Norman v. Theodore Goddard lag keine Sorgfaltspflichtverletzung des Direktors vor, als dieser hinsichtlich der Kapitalanlagen der Gesellschaft auf die Informationen eines Rechtsanwalts vertraute. Dieser hatte sich nicht ausreichend um die Sicherheit der Anlagen gekümmert und das ihm anvertraute Geld der Gesellschaft veruntreut. Der Rechtsanwalt gehörte jedoch einer berühmten Kanzlei an und lieferte zuvor auch
___________ 111
Art. 72, 84 Table A; Re Imperial Land Co of Marseilles, Harris’ Case (1872) 7 Ch App 587; Re Taurine Co (1883) 25 ChD 118, CA; Re Fireproof Doors Ltd [1916] 2 Ch 142; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 587. 112 Weir v. Bell (1878) 3 ExD 238, CA; Dovey v. Cory [1901] AC 477 (485 f., Earl of Halsbury LC); Huckerby v. Elliott [1970] 1 All ER 189; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 436 Fn. 82; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 587. 113 Kyshe v. Alturas Gold Co (1888) 4 TLR 331; Bray v. Smith (1908) 124 LT Jo 293; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 587. 114 Ashurst v. Mason (1875) LR 20 Eq 225; Re Forest of Dean Coal Mining Co. (1879) 10 Ch D 450 (454, Jessel MR); Cullerne v. London and Suburban General Permanent Building Society (1890) 25 QBD 485 (CA). 115 [1970] 1 All ER 189. 116 [1901] AC 477 (485 f., 493), HL; s. auch Re Denham & Co (1883) 25 Ch D 752 (766).
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keinen Anlass, um an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln, sodass dem Direktor kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden konnte: „Business cannot be carried on upon principles of distrust and men in responsible positions may be trusted until there is reason to distrust them.“117
Der Board bleibt aber in jedem Falle für die Festlegung und Überwachung der langfristigen Geschäftsstrategie zuständig. Dass er für diese grundlegende Aufgabe genug Zeit hat und sich nicht mit den Details der Geschäftsführung befassen muss, wird als wesentlicher Grund für die großzügige Delegationsbefugnis angeführt. 118 Der weiten Delegationsfreiheit ist neuerdings der Court of Appeal in dem bereits zitierten disqualification-Fall Re Barings plc (No. 5)119 entgegengetreten, indem er dem erstinstanzlichen Urteil von Parker J folgte und folgende Überwachungspflichten120 statuierte: Direktoren sind grundsätzlich befugt, aufgrund der articles bestimmte Funktionen auf untergeordnete Management-Ebenen zu delegieren und auf Kompetenz und Integrität der Manager in vernünftigem Maße zu vertrauen. Das Gebrauchmachen von der Delegationsbefugnis entbindet den Direktor aber nicht von der Pflicht, die Erfüllung der delegierten Funktionen zu überwachen. Der Umfang der Überwachungspflichten lässt sich allerdings nicht abstrakt formulieren und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Rolle des einzelnen Direktors innerhalb der Geschäftsleitung.
Für die Bestimmung der notwendigen Überwachungsintensitet dürfte eine Vielfalt von Faktoren Bedeutung erlangen, darunter die Art des Unternehmens, die Art und der Umfang der Delegation, die Postion und das Ansehen des Beauftragten, die Höhe der Vergütung des delegierenden Direktors sowie die Art der übertragenen Aufgabe, insbesondere das ihr immanente, potentielle Risiko. In großen Gesellschaften mit komplexer Geschäftstätigkeit wird zu prüfen sein, wie der Direktor seinen Verantwortungsbereich organisiert habe. Um seiner kollektiven Verantwortung zu genügen wird sich der Board vergewissern müssen, dass die delegierte Aufgabe und die implementierte Organisation dem eingegangenen Risiko entsprechen.121
___________ 117
[1991] BCLC 1028 (1031, Hoffmann J). Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (116); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 227 f. 119 (ChD 1998) [1999] 1 BCLC 433 (489); (CA 2000) [2000] 1 BCLC 523 (535 f.); s. auch oben, 3. Kapitel, A. IV. 2. 120 Solche anerkennend Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.20; Berg [2000] JBL 472 (480); s. ferner Arsalidou (2002) 23 Co Law 107 (108 ff.). 121 Hannigan, Company Law, S. 308. 118
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Die Kehrseite der Delegationsfreiheit bildet die Pflicht, bei fehlender eigener Kompetenz Ratschläge sachverständiger Dritter einzuholen und dementsprechend zu handeln, um dem Fahrlässigkeitsvorwurf zu entgehen.122 In dem Fall Re Duomatic123 hat einer der Direktoren angekündigt, im Falle seiner Abberufung die Gesellschaft zu verklagen. Deshalb hat sich der Board mit ihm auf ein einvernehmliches Ausscheiden gegen Zahlung einer beträchtlichen Abfindung geeinigt, ohne jedoch vorher zu prüfen, ob die angedrohte Klage tatsächlich gerechtfertigt gewesen wäre. Einem der beklagten Direktoren wurde später eine Haftungsmilderung mit dem Argument versagt, er hätte vor der Entscheidung rechtlichen Rat einholen müssen.
Somit ist festzuhalten, dass es außerhalb der von Satzung und Rechtsprechung festgelegten Grenzen der Aufgabendelegation beim Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung bleibt, während auf der Haftungsseite immer das Prinzip der Einzelverantwortlichkeit gilt. Die Unterscheidung ist dem Treuhandrecht nachgebildet.124
6. Resümee zur Wende von den Duties of Care and Skill zur einheitlichen Duty of Care Vorbehaltlich der Reaktionen anderer Gerichte auf den Vorstoß von Hoffmann LJ und der Umsetzung des Company Law Review kann festgehalten werden, dass das englische Gesellschaftsrecht zunehmend auf eine einheitliche, objektive Sorgfaltspflicht zusteuert. Damit entfällt das bisherige Zusammenspiel einer objektiven Sorgfaltspflicht i.e.S. (care) und eines subjektiven Maßes an erforderlichem Können (skill), die ohnehin nur schwer voneinander abgrenzbar sind. Die Einheitlichkeit der neuen duty of care hat aber keinesfalls eine Angleichung der Anforderungen an alle Direktoren zur Folge. Das im Einzelfall geforderte Verhalten hängt weiterhin von der konkreten Funktion des Direktors in der company ab, also von seiner Position als executive oder nonexecutive, von der Ausgestaltung dieser Position, sowie von dem Typ und der Größe der Gesellschaft. Völlige Passivität ist aber nicht einmal mehr bei einem NED denkbar, der vernünftige Schritte unternehmen muss, um das Management effektiv beraten und überwachen zu können.125 Angesichts des wachsenden Interesses englischer Gerichte an freiwilligen Verhaltensrichtlinien126 dürfte für die an ihn gestellten Erwartungen aber vor allem die im Combined Code ___________ 122
Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (116 f.). [1969] 2 Ch 365. 124 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 381. 125 Daniels v. Anderson (1995) 16 ACSR 607 (664); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 435. 126 s. o., 3. Kapitel, A. III. 4. 123
A. Duties of Care and Skill im englischen Recht
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2003 enthaltene und im Higgs Report noch weiter konkretisierte Beschreibung seiner Rolle maßgebend werden: Danach sollen non-executives die Unternehmensstrategie konstruktiv hinterfragen und zu ihrer Entwicklung beitragen (Strategie). Sie sollen das Management genauestens auf die Erfüllung der vereinbarten Ziele hin überprüfen und ihre Berichterstattung diesbezüglich überwachen (Performance). Sie sollen sich davon überzeugen, dass die Darstellung der Finanzen zutreffend ist und dass die Systeme des Controlling und RiskManagement widerstandsfähig und angemessen sind (Risiko). Sie sind für die Festlegung eines geeigneten Niveaus für die Geschäftsführungsvergütung verantwortlich und spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestellung und Abberufung der geschäftsführenden Direktoren sowie bei der Nachfolgeplanung (Personalpolitik).127
Ihre Rolle bei der Leitung der Gesellschaft lässt sich somit als Unterstützung der executives in deren geschäftsführender Tätigkeit charakterisieren.128 Um diese Aufgaben erfüllen zu können muss ein effektiver NED über die Gesellschaft und ihr Geschäftsumfeld gut informiert sein und zu diesem Zweck auf einer umfassenden, formellen und auf die Gegebenheiten zugeschnittenen Amtseinführung bestehen. In der Folgezeit soll er sein Wissen und seine Fähigkeiten dauernd zu erweitern und aufzufrischen suchen. Er wird dafür sorgen, dass im Vorfeld von Board-Meetings dafür relevante, ausreichende, zutreffende, klare und aktuelle Informationen zur Verfügung gestellt werden. Seine Rolle verlangt ferner das Verständnis für die Anliegen der Hauptinvestoren. Schließlich ist der NED persönlich den höchsten ethischen Standards der Integrität und Rechtschaffenheit verpflichtet und strebt auch für die Gesellschaft die höchsten Corporate Governance-Standards an, einschließlich einer möglichst weitgehenden Befolgung des Combined Code.129
V. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens („business judgment“, „commercial decisions“): Section 727 CA 1985 Eine der interessantesten Fragen im Zusammenhang mit der Etablierung einer gänzlich objektiven Sorgfaltspflicht ist, ob die aus anderen Rechtsordnungen und insbesondere aus den USA bekannte „business judgment rule“ auch bei englischen Juristen auf Interesse stoßen wird. Auch hier ist nämlich anerkannt, dass die Direktoren – vor allem angesichts der umfangreichen Aufgabendelegation – nicht immer einen ordnungsgemäßen Geschäftsablauf oder für Geschäftserfolge der Gesellschaft garantieren können. Es ist durchaus denkbar, dass sie Betrügereien oder Nachlässigkeiten der Arbeitnehmer trotz größter eigener Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig entdecken werden. Die Haftungsfrage ist deshalb nur dann relativ einfach zu beantworten, wenn den Direktoren ___________ 127
Combined Code 2003, A.1, Supporting Principles; Higgs Report, Annex C – Guidance for non-executive directors. 128 Higgs Report, Annex C – Guidance for non-executive directors. 129 Higgs Report, Annex C – Guidance for non-executive directors; zu den übrigen Regeln betreffend NEDs s. o., 1. Kapitel, C. IV. 3.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
selbst Untätigkeit oder ineffektives Verhalten vorgeworfen werden kann.130 Problematisch wird es hingegen, wenn der Direktor eindeutig tätig geworden ist, sein Verhalten sich jedoch nachträglich als katastrophal für die Gesellschaft erweist. Hier muss berücksichtigt werden, dass das Eingehen von Risiken – oft unter großem Zeitdruck – der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft immanent und gerade nicht mit der substanzerhaltenden Natur der Treuhand vergleichbar ist. Verwirklicht sich ein Risiko, z. B. indem sich ein unternehmerisches Wagnis als nicht gewinnbringend erweist, so ist deshalb noch nichts darüber gesagt, ob dem Direktor insofern auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann.131 Während enttäuschte Aktionäre nach einem Verlustgeschäft automatisch dazu neigen könnten, das Management austauschen bzw. haftbar machen zu wollen, war nach dem bisher anerkannten subjektiven Maßstab des Könnens (skill) entscheidend, ob der einzelne Direktor mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten den Misserfolg hätte voraussehen können. An dieser Stelle hatten die englischen Gerichte also bisher die Möglichkeit, dem Direktor einen haftungsfreien, unternehmerischen Ermessensspielraum (business judgment, commercial decision) zuzugestehen, und damit den unvermeidbaren Risiken des Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen.132 Als objektive Grenze des Ermessensspielraums fungierte die proper purpose-Doktrin.133 Ein weiterer Versuch, die Haftung für bloße errors of judgment auszuschließen, war die zwischenzeitlich vertretene Ansicht, die Direktoren nur bei grober Fahrlässigkeit (gross negligence) und nicht schon bei einfacher Fahrlässigkeit (ordinary negligence, imprudence) verantwortlich zu machen, die aber in der Praxis zu unbefriedigenden Ergebnissen führte und daher aufgegeben wurde.134 Geblieben ist jedoch die Erkenntnis, dass bei grob fahrlässigem oder gar arglistigem Handeln jedenfalls keine Haftungserleichterungen in Betracht kommen.135 Im Gegensatz dazu werden die Direktoren in den USA traditionell an einem gänzlich objektiven Kompetenzstandard gemessen. Um den eben beschriebenen Situationen Rechnung zu tragen wurde dort deshalb eine Haftungserleichte-
___________ 130
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 436. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 436; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 107 ff.; Worthington 64 (2001) MLR 439 (450). 132 Davies, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 83 (85, Fn. 6). 133 s. dazu ausführlich unten, 4. Kapitel, II. 2. 134 Kuwait Asia Bank EC v. National Mutual Life Nominees Ltd [1990] 3 All ER 404 (423, Lord Lowry): „duty to perform their duties as directors without gross negligence“; Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.19; Nakajima (1994) 15 Co Law 123. 135 Worthington 64 (2001) MLR 439 (450). 131
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rung in Form der sog. „business judgment rule“ entwickelt.136 Eine solche Entwicklung wäre auch in Großbritannien nach Einführung einer gänzlich objektiven Sorgfaltspflicht denkbar. Die Literatur steht dieser amerikanischen Rechtsfigur jedoch sehr kritisch gegenüber und favorisiert die traditionelle Zurückhaltung der Gerichte, die nicht durch eine vorgeschriebene ex postBeurteilung einer Direktorialentscheidung anhand starrer Kriterien ersetzt werden könne.137 Wie eine im anderen Zusammenhang abgegebene Stellungnahme der Law Commission verdeutlicht, unterscheiden sich die an diese Zurückhaltung gestellten Erwartungen gar nicht so sehr von den Vorgaben der business judgment rule, außer dass sie rechtlich unverbindlich sind, und somit nicht für richtige Anreize bei den betroffenen Geschäftsleitern sorgen können: „The court should continue to have regard to the decision of the directors on commercial matters if the decision was made in good faith, on proper information and in the light of the relevant considerations, and appears to be a reasonable decision for the directors to have taken. In those circumstances the court should not substitute its own judgment for that of the directors.“138
Zu beachten ist ferner, dass Großbritannien bereits heute über ein einzigartiges, in anderen Rechtsordnungen unbekanntes Instrument der Haftungserleichterung durch das Prozessgericht verfügt, welches die business judgment rule kompensieren könnte. Gem. Section 727 CA 1985 – die ihren Ursprung in Section 61 Trustee Act 1925 hat – kann das Gericht die volle Anwendung der rechtlichen Sanktionen auf den Direktor, den Angestellten oder den Abschlußprüfer nach eigenem Ermessen ganz oder teilweise aussetzen, wenn dieser redlich und vernünftig gehandelt hat, und die Pflichtverletzung den Umständen nach entschuldigt werden sollte.139 „If in any proceedings for negligence, default, breach of duty or breach of trust against an officer of a company […] it appears to the court hearing the case that that
___________ 136
Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 682 ff.; vgl. aber andererseits die Entscheidung Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del.S.Ct.1985) zur Haftung der Direktoren für die Folgen einer Fusion. 137 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 437; Santow (1999) 73 Aust LJ 336 (347 ff.); Worthington (2001) 64 MLR 439 (450); anders aber Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 236. 138 Law Commission, Shareholder Remedies, Report No 246 (1997), 1.9 (iii). Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 109 hält die richterliche Zurückhaltungspolitik gar für ein ungeschriebenes, aber praktiziertes Äquivalent der business judgment rule. 139 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 730; ausführlich Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.5. Obwohl es interessant ist, Section 727 im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht zu diskutieren, muss beachtet werden, dass die Haftungserleichterung ebenso bei Loyalitätspflichtsverletzungen zur Verfügung steht; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 431 f. Der Company Law Reform Bill nimmt die Regelung ohne nennenswerte Änderungen in Clause 759 auf.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
officer […] is or may be liable in respect of negligence, default, breach of duty or breach of trust, but that he has acted honestly and reasonably, and that having regard to all the circumstances of the case (including those connected with his appointment) he ought fairly to be excused for the negligence, default, breach of duty or breach of trust, that court may relieve him, either wholly or partly, from his liability on such terms as it thinks fit.“ (Section 727(1) CA 1985)
Die Norm ist ausschließlich auf die Innenansprüche der Gesellschaft gegen ihren Direktor anwendbar, nicht etwa auf sonstige Klagen durch Dritte. Eine Ausnahme bilden insofern nur Strafverfahren, die die Durchsetzung von gesetzlichen Pflichten des CA 1985 gegen die Direktoren zum Gegenstand haben.140 Section 727 ist ferner nicht anwendbar, wenn ihre Anwendung dem Sinn und Zweck der betreffenden Haftungsnorm widersprechen würde, also insbesondere im Falle von Section 214 IA 1986 (wrongful trading)141 und beispielsweise bei der neuen Haftungsnorm der Section 347F CA 1985.142 Abgelehnt wurde die Haftungsbefreiung gem. Section 727 bei einem Direktor, der von der Gesellschaft £ 5,2 Mio. aufgrund eines nichtigen Vertrages erhalten hat und nicht zurückzahlen wollte.143 Ebensowenig wurde der Direktor befreit, der pflichtwidrig eine Zahlung an sich selbst i. H. v. £ 100.000 beschließen ließ,144 oder derjenige, der Blankoschecks unterschrieben hat und seinen Kollegen damit gewähren ließ.145 Ein Beispiel für die Anwendung der Section 727 CA 1985 ist hingegen Re D’Jan of London Ltd146: Hier hatte der Direktor, Mr. D’Jan durch das Unterschreiben eines Versicherungsformulars, das er vorher nicht gelesen hat, gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen. Er handelte, so das Gericht, zwar sorglos, jedoch redlich und vernünftig, da diese Art der Nachlässigkeit bei einer vielbeschäftigten Person durchaus vorkommen kann. Entscheidend war ferner, dass zum Zeitpunkt der Nachlässigkeit 99% der Aktien der Gesellschaft von Mr. D’Jan gehalten wurden, während der Rest seiner Frau, Mrs. D’Jan, gehörte. Ökonomisch gesehen hat Mr. D’Jan also nur sein eigenes Vermögen und das seiner Frau einem Risiko ausgesetzt, was nicht so schwer wiegt, wie fahrlässiger Umgang mit Geldern Dritter. Obwohl eine solche Betrachtungsweise das Wesen der juristischen Person außer Acht lasse, sei sie in engen Grenzen im Rahmen von Section 727 zulässig.
___________ 140
Customs and Excise Commissioners v. Hedon Alpha Ltd [1981] QB 818, CA. Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 1 WLR 745; In der Praxis bietet sich für die Gesellschaften seit 1989 schließlich auch die Möglichkeit an, für die Direktoren eine professional indemnity insurance zu erwerben – eine weitere Form der Haftungsbefreiung ohne die Voraussetzungen und Einschränkungen der Section 727. 142 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 413; s. dazu ausführlich unten, 4. Kapitel, A. II. 1. f). 143 Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663, HL. 144 Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald [1996] Ch 274. 145 Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing [1989] BCLC 498. 146 Re D’Jan of London Ltd [1994] 1 BCLC 561 (564). 141
A. Duties of Care and Skill im englischen Recht
163
Hoffmann LJ wies dabei auch auf den scheinbaren Widerspruch hin, wonach ein Verhalten zwar den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründet, also einen Mangel an vernünftiger Sorgfalt aufweist, zugleich aber vom Gericht als „vernünftig“ im Sinne von Section 727 eingestuft werden kann. Da der Gesetzgeber die Möglichkeit für eine derart ambivalente Beurteilung aber ausdrücklich vorgesehen habe, müsse das Tatbestandsmerkmal der Vernunft bei Section 727 eben anders ausgelegt werden als im common law.147
Auch in dem Fall Re Duomatic Ltd148 hat das Gericht von der Möglichkeit der Haftungsbefreiung unter der damaligen Section 448(1) CA 1948 Gebrauch gemacht: Laut Satzung bedurften Vergütungszahlungen an die Direktoren der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung, die jedoch jahrelang ausgeblieben ist. Tatsächlich hat in dieser Zeit aber immer ein informelles Einverständnis aller stimmberechtigten Gesellschafter vorgelegen, dem das Gericht die Wirkung eines Gesellschafterbeschlusses beigemessen haben. Nur im letzten Jahr hat Mr. Elvins – einer der Direktoren und zugleich Mehrheitsgesellschafter – seine übliche Vergütung bezogen, obwohl diesmal auch eine informelle Billigung durch die übrigen Gesellschafter ausgeblieben ist. Unredlichkeit ist dem Direktor von keiner Seite vorgeworfen worden. Das Gericht sah sein Verhalten ferner als vernünftig an: es war nicht unvernünftig von ihm, zu erwarten, dass er für seine Tätigkeit überhaupt und in der üblichen Höhe entlohnt werden würde. Es war auch nachvollziehbar, dass er von einem Einverständnis der Gesellschaft ausgegangen war, denn er hätte einen entsprechenden Beschluss als Mehrheitsgesellschafter jederzeit herbeiführen können. Die einzige Unregelmäßigkeit lag eben darin, dass keiner der Beteiligten je daran gedacht hatte, tatsächlich auf diesen – laut Satzung erforderlichen – Beschluss zu drängen. Im Ergebnis wurde Mr. Elvins von der Pflicht befreit, das betreffende Jahresgehalt zurückzuzahlen.
Es spricht jedoch Einiges dagegen, Section 727 im Falle der Durchsetzung einer strengen, objektiven Sorgfaltspflicht als gleichwertigen Ersatz für die business judgment rule anzuerkennen. Es handelt sich hierbei nämlich um eine erst im Prozess zugängliche und gänzlich im Ermessen des Richters liegende Form der Haftungsbegrenzung. Wird aber – wie in dieser Arbeit – ein ex ante wirkendes Haftungssystem favorisiert, dessen Hauptelement die Systematisierung der Verhaltenspflichten in einem transparenten Pflichtenkatalog ist, muss sich der Umfang der Erwartungen an den Geschäftsleiter bereits aus der Formulierung der Tatbestände selbst ergeben. So wird es ein auf seinen Ruf bedachter Manager kaum auf einen Prozess ankommen lassen, in der Erwartung, dort die Haftungserleichterung der Section 727 zu erlangen.149 Dementsprechend müsste eine als notwendig erachtete Haftungsbeschränkung schon in den Tatbestand ___________ 147
Dieser Widerspruch soll im Rahmen des Company Law Review bereinigt werden, indem die Voraussetzung des vernünftigen Handelns gestrichen werden soll; s. Developing the Structure, 3.77. 148 [1969] 2 Ch 365 (375 f., Buckley J). 149 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 238.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
aufgenommen werden, damit dieser in seiner Weite nicht kontraproduktiv wirkt und die Geschäftsleiter passiv und risikoscheu macht.
VI. Reform Die Pflicht zur Einhaltung der Grenzen der Leitungsmacht wird in Clause 155(a) Company Law Reform Bill (Duty to act within powers) festgehalten. Die Handlungen der Direktoren müssen danach von der constitution gedeckt sein, wobei der Begriff nach der Definition in Clause 236 nunmehr eine doppelte Bedeutung erlangt: Neben der geschriebenen Satzung150 ist damit die Gesellschaftsverfassung im weiteren Sinne gemeint, die auch satzungsmäßige Gesellschafterbeschlüsse sowie sonstige Entscheidungen der Gesellschafter umfasst, die rechtlich als solche der Gesellschaft selbst anerkannt werden. Daneben müssen die Direktoren die im Gesetz – insbesondere im Companies Act – statuierten Grenzen wahren, Clause 164(5) Company Law Reform Bill. Besondere Bedeutung kommt der Reform aber vor allem im Bereich der eigentlichen Sorgfaltspflicht zu, da Clause 158 Company Law Reform Bill (Duty to exercise reasonalble care, skill and diligence) hier der unorthodoxen Systematik von Hoffmann LJ151 folgt und diese zum Gesetzesrecht erhebt: Einheitlicher Maßstab für care, skill und diligence ist demnach eine in vernünftigem Maße tüchtige Person, mit: • den Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die vernünftigerweise von einer Person erwartet werden dürfen, die im Verhältnis zur Gesellschaft dieselben Funktionen wie der betroffene director ausübt [objektiv] und • den tatsächlich vorhandenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des betroffenen director [subjektiv]. Der objektive Mindeststandard variiert somit je nach Position des Direktors und ist für einen Finanzvorstand beispielsweise höher als für einen nonexecutive director, während die individuellen Zusatzkenntnisse haftungsverschärfend, jedoch niemals haftungsmildernd wirken.152 Trotz dieser Verschärfung des Haftungsmaßstabs lehnt die Steering Group des DTI die Einführung einer business judgment rule ausdrücklich ab und verweist dabei zum einen auf die ohnehin schon traditionelle Zurückhaltung der Gerichte bei der Beurteilung ___________ 150
Dieses einheitliche Dokument soll an die Stelle der bisherigen Zweiteilung der Satzung in memorandum und articles of association treten; s. Company Law Reform Bill, Part 3. 151 s. o., 3. Kapitel, A. IV. 3. 152 Developing the Structure, 3.66.
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
165
unternehmerischer Entscheidungen, und zum anderen auf Section 727 CA 1985.153 Auf Bedenken hiergegen ist soeben hingewiesen worden. Hinsichtlich der zulässigen Aufgabendelegation stellt bleibt es bei der richterrechtlichen Auslegung dahingehend, dass der director seine Befugnisse nur dann übertragen darf, wenn er hierzu durch oder aufgrund der Satzung ermächtigt wurde.154
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht I. Vorstand: § 93 I 1, II AktG 1. Systematik Gem. § 93 I 1155 haben Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und dies gem. § 93 II 2 im Zweifelsfalle auch zu beweisen. Andernfalls sind sie der Gesellschaft für den aus der Pflichtverletzung resultierenden Schaden gem. § 93 II 1 als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. Auf den ersten Blick stellt § 93 I 1 also lediglich einen spezifischen Verschuldensmaßstab für die speziellen Pflichten der Vorstandsmitglieder aus Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag auf. Insofern entspricht er funktionell § 276 I BGB.156 Nach überwiegender Ansicht kommt der Norm aber eine Doppelfunktion zu, da sie zugleich als ein allgemeiner Haftungstatbestand aufzufassen ist, der in Abs. 1 S. 2, Abs. 3 und in sonstigen gesetzlich geregelten Spezialpflichten bereits teilweise konkretisiert wird.157 Vorteil der Generalklausel als Auffangtatbestand ist in der Theorie die umfassende und lückenlose Regelung der Verantwortlichkeit über die wenigen ausgeformten Tatbestände hinaus: Sie verpflichtet den Vorstand dazu, „den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden“.158 Ihrer praktischen Anwendung muss aber dennoch eine Auslegung und Identifizierung von einzelnen Pflichtentatbeständen vorausgehen, für die es im Schrifttum bisher jedoch keine einheitliche Systematik gibt. Weitgehend anerkannt ist heute die aus dem anglo-ameri___________ 153
Developing the Framework, 3.69 f. Zu den geplanten Änderungen in Section 727 s. Final Report, 6.4; Developing the Framework, 3.76 f. 154 Company Law Reform Bill Explanatory Note 333. 155 Vor dem AktG 1965 war die Vorstandshaftung in dem sachlich nahezu gleichen § 84 AktG 1937 geregelt; vgl. KK-Mertens, § 93 Rn. 1. 156 KK-Mertens, § 93 Rn. 7. 157 GK-Hopt, § 93 Rn. 19; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3; KK-Mertens, § 93 Rn. 6 f. 158 Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 4; ähnlich BGHZ 21, 354 (357); RG Recht 1930 Nr. 823; Hübner, Managerhaftung, S. 8 f.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
kanischen Recht bekannte Unterscheidung von Sorgfalts- und Treuepflicht,159 wobei auch hier die Terminologie uneinheitlich gehandhabt wird. Für Wiedemann160 ist die organschaftliche Treuepflicht oder „Amtstreue“ der Oberbegriff für die Pflichten zur Sorgfalt und zur Loyalität. Sie resultiert aus der Stellung des Organmitglieds als Treuhänder und Geschäftsbesorger fremder Vermögensinteressen. Sie gebietet ihm, die übertragenen Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen und ihre Tätigkeit ausschließlich am Gesellschaftszweck zu orientieren. Mertens161 definiert die Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einerseits als die des „pflichtbewussten Unternehmers“ und andererseits als die des „selbständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen“. Fleischer162 weist auf den Gegensatz von unsorgfältiger Geschäftsführung (mismanagement) und Aneignung fremder Vermögenswerte (misappropriation) hin. Von ihrer Funktion her soll die Sorgfaltspflicht die „Rückwirkungen bestimmter Unternehmenspolitik auf das Gesellschaftsvermögen und insbesondere dessen Belastung mit deliktsrechtlichen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten“ sanktionieren, während die Loyalitätspflichten „interne Vermögensverschiebungen zwischen der juristischen Person und ihren organschaftlichen Vertretern“ bzw. das Behalten eines derart rechtswidrig erlangten Vermögensvorteils verhindern sollen.163 An dieser Zweiteilung ist schon im Hinblick auf den nur im Sorgfaltsbereich denkbaren Ermessensspielraum für unternehmerische Entscheidungen164 festzuhalten. Dass sie auch dem deutschen Zivilrecht nicht völlig fremd ist, zeigt im Übrigen die Gegenüberstellung der allgemeinen Verhaltenspflichten in § 276 I 2 BGB und der Pflichten nach Treu und Glauben in § 242 BGB, wobei diese inhaltlich für die verselbständigten Organpflichten kaum noch Bedeutung haben.
___________ 159 s. GK-Hopt, § 93 Rn. 72, der zunächst noch die Verschwiegenheitspflicht erwähnt, diese aber als eine Ausprägung der Treuepflicht einordnet und die Zweiteilung als „grundlegend“ und „wesentlich“ befürwortet; ähnlich Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 27; MüKoAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 69. Nach Ansicht von Kust, WM 1980, 758 (759) spiegelt sich diese Zweiteilung schon in dem Begriffspaar „ordentlich“ einerseits und „ gewissenhaft“ andererseits wieder. Andererseits unterscheidet Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 62 ff., fünf Pflichtengruppen und eine Gruppe von Ermessensgrenzen. Vgl. auch Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (17 ff.). 160 FS-Heinsius, S. 949 (950 f.). 161 KK-Mertens, § 93 Rn. 6, vgl. aber auch die Hinzunahme der Verschwiegenheitspflicht in Rn. 27. 162 Fleischer, FS-Wiedemann, S. 827 (844). 163 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 183 f. 164 s. dazu unten, 3. Kapitel, B. I. 5.
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
167
Im Folgenden wird – in Anlehnung an die neueren Tendenzen des englischen Common Law165 – zwar von einem einheitlichen Tatbestand der Sorgfaltspflicht ausgegangen. Die übrigen Fallgruppen werden aber allgemein der treuhandähnlichen Beziehung zwischen dem Geschäftsleiter und der Gesellschaft zugeordnet und in ihren einzelnen Ausprägungen diskutiert, sodass hier – ebenfalls dem englischen Vorbild folgend – von einer Vielzahl an „Loyalitätspflichten“ ausgegangen wird.166 Damit wird der Zielsetzung dieser Arbeit Rechnung getragen, die Geschäftsleiterpflichten möglichst konkret in einzelnen Tatbeständen zu erfassen. In diesem Abschnitt wird – nach Erläuterung des Anwendungsbereichs der Vorstandshaftung – zunächst nur der Tatbestand der Sorgfaltspflicht mit seinen Voraussetzungen und Fallgruppen erörtert. Neben den gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbeständen der §§ 93 I 1, 116 S. 1 AktG und 43 I GmbHG ist auch der Anstellungsvertrag Quelle von Sorgfaltspflichten, die jedoch bei Wirksamkeit der Organbestellung von den Spezialnormen verdrängt werden. Auch wenn dem Vorstand durch Anstellungsvertrag oder Satzung zusätzliche, über das Gesetz hinausgehende Pflichten auferlegt werden, ist bei deren Verletzung § 93 anwendbar.167
2. Anwendungsbereich Da die Haftung des § 93 ausschließlich an die Organstellung anknüpft und vom etwaigen Anstellungsvertrag unabhängig ist, ist sie auf ordentliche, stellvertretende (§ 94) und gerichtlich bestellte (§ 85) Vorstandsmitglieder einschließlich des Arbeitsdirektors sowie auf Personen anwendbar, die als solche behandelt werden. Dazu zählt das sog. fehlerhafte Organ, bei dem ein Bestellungsakt zwar tatsächlich erfolgt, jedoch nichtig ist.168 Dementsprechend endet die Haftung aber auch, wenn die Amtsbeendigung nicht wirksam war, jedoch fortan zur tatsächlichen Untätigkeit führte.169 Da somit die Geschäftsführung selbst Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, ist es konsequent, auch das faktische Organ haften zu lassen.170 Als solches ist jede Person zu qualifizieren, die ohne jeden Bestellungsakt aber mit (konkludenter) Billigung des Aufsichtsrats tatsächlich die organschaftlichen Befugnisse ausübt. Dies ist grundsätzlich auch ___________ 165
s. o., 3. Kapitel, A. IV. 6. s. zu dieser Systematik ausführlich unten, 4. Kapitel, B. I. 167 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); GK-Hopt, § 93 Rn. 21, 26, 226 ff.; KK-Mertens, § 84 Rn. 84, § 93 Rn. 3. 168 BGHZ 41, 282 (287); KK-Mertens, § 93 Rn. 3, 11. 169 GK-Hopt, § 93 Rn. 48. 170 BGHZ 75, 96 (106) (Herstatt); 104, 44 (46 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 50; KKMertens, § 93 Rn. 12; a.A. Hüffer, AktG, § 93 Rn. 12. 166
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
für den Mehrheitsgesellschafter denkbar, der aber bei bloßer Einflussnahme auf die Geschäftsführung nur aus § 117 haftet. Weiterhin gilt § 93 uneingeschränkt auch für den alleinigen Gesellschafter als Vorstandsmitglied, da der Vorstand eben auf alle das „Gesellschaftsinteresse“ konstituierenden Interessen verpflichtet und nicht nur den Aktionären gegenüber verantwortlich ist.171 Der Alleingesellschafter kann jedoch im Voraus einen ihn entlastenden Hauptversammlungsbeschluss gem. § 119 II herbeiführen. Es reicht aber nicht aus, sich bloß darauf zu berufen, dass ein solcher mit Sicherheit hätte herbeigeführt werden können.172 Auch das Auftreten des Vorstandsmitglieds als Vertreter eines Dritten – Beispiele sind Beamte, Strohleute, entsandte Vorstandsmitglieder, Gläubigervertreter – ändert nichts an seiner Haftung aus § 93, während sein Hintermann nur aus § 117, § 826 BGB haftet.173 Die Haftung beginnt nicht schon mit dem formellen Bestellungsakt gem. § 84 I 1, sondern mit dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit mit Billigung des Aufsichtsrates, also mit der (konkludenten) Annahme des Amtes.174 Für das Ende der Haftung ist entsprechend auf die tatsächliche Einigung des Vorstandsmitglieds mit dem Aufsichtsrats über die Beendigung der Geschäftsführung oder auf eine wirksame Amtsniederlegung abzustellen, wobei nicht der Rechtsakt an sich, sondern das tatsächliche Ende der Funktionsausübung entscheidend ist.175 Allerdings bleibt auch das ausgeschiedene Vorstandsmitglied für sog. nachwirkende Pflichten verantwortlich, zu denen einige der Loyalitätspflichten, wie etwa die Verschwiegenheitspflicht, zählen.176 § 93 gilt ferner gem. § 48 auch schon vor der Eintragung der Gesellschaft und bleibt bei deren Auflösung solange anwendbar, wie die Vorstandsmitglieder als Abwickler gelten (§§ 265 I, 268 II 1). Eine Pflichtverletzung und somit die Haftung aus § 93 sind aber nur denkbar, wenn das fragliche Verhalten mit dem dienstlichen Pflichtenbereich in einem Sachzusammenhang steht, also von einem Dritten nicht in gleicher Weise hätte vorgenommen werden können.177 Ein Verkehrsunfall ist somit z. B. dann relevant, wenn er auf einem für Dritte unzugänglichen Betriebsparkplatz stattfindet, nicht aber, wenn er sich auf einer öffentlichen Verkehrsfläche ereignet. ___________ 171
BGH WM 1957, 61; KK-Mertens, § 93 Rn. 22. GK-Hopt, § 93 Rn. 66 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 22. 173 BGHZ 31, 258 (277) (GmbH); 36, 296 (312). 174 BGH ZIP 1987, 1050 (1051); GK-Hopt, § 93 Rn. 35. 175 GK-Hopt, § 93 Rn. 38; KK-Mertens, § 93 Rn. 10. 176 GK-Hopt, § 93 Rn. 39; KK-Mertens, § 93 Rn. 1. 177 KK-Mertens, § 93 Rn. 5, 28. Zu den daraus folgenden Einschränkungen der Vorstandsmitglieder in deren Privatsphäre s. u., 4. Kapitel, B. II. 1. a) cc). 172
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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Bei bestehendem Konzernverhältnis wird § 93 schließlich z.T. durch Sondertatbestände in den § 291 ff. ausgeschlossen.178 Entsprechend der gängigen Formel, der Geschäftsleiter habe „den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden“179 ist ihm nicht nur die aktive Schädigung der Gesellschaft verboten. Die aus seiner Amtsstellung folgende Schadensabwendungspflicht führt vielmehr auch beim Unterlassen der gebotenen Schadensabwehr zur Haftung.180
3. Tatbestandsmerkmale Der Tatbestand der Sorgfaltspflicht wird teilweise selbst als Generalklausel bezeichnet, die eine Vielzahl nicht abschließend formulierbarer Verhaltensregeln umfasse.181 Hilfreich ist aber bereits die für das englische Recht typische Unterteilung der Verhaltensregeln in solche, die einen Mindeststandard für jeden Geschäftsleiter bilden (allgemeine Sorgfalt), solche, die an fachspezifische Kenntnisse anknüpfen (notwendiges Können), Regeln, die das Maß des notwendigen Arbeitseinsatzes beschreiben sowie Überwachungspflichten bei Aufgabendelegation. Dabei wird die elementare Pflicht zu rechtmäßigem Handeln als ein Element der allgemeinen Sorgfalt diskutiert, während sie im common law häufig noch dem Loyalitätsbereich zugeordnet wird.
a) Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln In Erfüllung seines Leitungsauftrags ist der Vorstand gem. § 82 II gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, die Grenzen einzuhalten, die durch Gesetz, Satzung (insbesondere die Definition des Unternehmensgegenstandes), rechtmäßige Entscheidungen der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats, Geschäftsordnungen von Vorstand und Aufsichtsrat und im Vertragskonzern durch rechtmäßige Weisungen des herrschenden Unternehmens festgelegt werden.182 Deren Verletzung löst die Haftung gem. § 93 aus.183 ___________ 178
s. u., 3. Kapitel, B. I. 3. f). Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 4; ähnlich BGHZ 21, 354 (357); RG Recht 1930 Nr. 823. 180 Lutter, GmbHR 2000, 301 (302 Fn. 9). 181 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 74. 182 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1, 8; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 9; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 4; KK-Mertens, § 76 Rn. 10. 183 GK-Hopt, § 93 Rn. 223. 179
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Diese Verpflichtung zu rechtmäßigem Handeln ist gegenüber den übrigen Verpflichtungen als vorrangig anzusehen. Daraus folgt unter anderem, dass der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift auch dann eine Pflichtverletzung darstellt, wenn er wirtschaftlich im Interesse des Unternehmens und dessen Wettbewerbsfähigkeit lag, beispielsweise weil die Konkurrenz ebenfalls mit solch unlauteren Methoden arbeitet.184 Beispiele sind unerlaubte Wettbewerbsbeschränkungen, Steuermanipulationen, Umweltrechtsverletzungen und Schmiergeldzahlungen entgegen § 12 UWG.185 Steht der Vorstand jedoch vor einem umstrittenen Rechtsproblem, für das mehrere vertretbare Lösungswege diskutiert werden, so darf er denjenigen wählen, der das Unternehmensinteresse am besten fördert. Bei komplexen Rechtsfragen wird er die Beurteilung allerdings einem professionellen Rechtsberater überlassen müssen.186
aa) Gesetz Zu den gesetzlichen Grenzen der Leitungsmacht gehört insbesondere die Regelung einzelner Verwaltungsaufgaben und Spezialpflichten, mit denen der Gesetzgeber in besonders sensiblen Bereichen von vornherein klare Vorgaben schaffen und die allgemeinen Sorgfalts- und Loyalitätspflichten konkretisieren wollte.187 Zu erwähnen sind die Pflicht zur Namensangabe gem. § 80 und die Pflicht zur Anmeldung bestimmter Tatsachen zum Handelsregister gem. § 81. Gem. § 83 ist der Vorstand verpflichtet, Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung auf deren Verlangen vorzubereiten und entsprechende Beschlüsse auszuführen. Er unterliegt dem Wettbewerbsverbot des § 88. Gem. § 91 I hat er für die Führung der erforderlichen Handelsbücher zu sorgen. Das KonTraG von 1998 hat den Vorstand in § 91 II dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem (Frühwarnsystem) einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. § 92 legt die Pflichten in der Krise der Gesellschaft fest, und zwar die Pflicht, die Hauptversammlung einzuberufen und ihr Anzeige zu erstatten, falls sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder ___________ 184
KK-Mertens, § 93 Rn. 34; Fleischer, ZIP 2005, 141 (148 ff.); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 67, der jedoch darauf hinweist, dass es in einem solchen Fall an einem Schaden der Gesellschaft fehlen wird. Denkbar ist allerdings auch, dass das Gesellschaftsinteresse nur aufgrund eines geringen Entdeckungsrisikos bejaht werden konnte und somit doch noch in einen Schaden umschlägt, wenn sich das Risiko verwirklicht; s. GK-Hopt, § 93 Rn. 99. 185 KK-Mertens, § 93 Rn. 34. 186 BGH DB 1985, 1173 f.; GK-Hopt, § 93 Rn. 99. 187 GK-Hopt, § 93 Rn. 222. Für einen Überblick s. Reese, DStR 1995, 532.
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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sonst ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ergibt (Abs. 1), sowie die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich das Insolvenzverfahren zu beantragen (Abs. 2). Der Katalog des § 93 III sichert die Kapitalaufbringung und -erhaltung, indem er neun spezielle Pflichtverstöße nennt, die die Haftung nach § 93 I, II konkretisieren. § 93 I 3 verpflichtet die Vorstandsmitglieder zum Stillschweigen über vertrauliche Angaben, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft, die ihnen durch ihre Position bekannt geworden sind.188 Nur am Rande erwähnt seien schließlich die sonstigen, über diverse Abschnitte des AktG verstreuten Regelungen, darunter die §§ 106, 122 ff., 125, 175. Der neue, vom TransPuG eingefügte § 161 verpflichtet den Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft zusammen mit dem Aufsichtsrat jährlich zu erklären, dass den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird bzw. welche Empfehlungen nicht befolgt wurden oder werden (Entsprechenserklärung). Im letzteren Falle trifft die Organe zwar keine Erläuterungspflicht. Eine überzeugende Begründung bietet sich aber schon im Interesse der Kapitalmarktkommunikation an und wird zudem von Ziff. 3.10 S. 2 des DCGK empfohlen, sodass auf ihr Fehlen wiederum gem. § 161 hingewiesen werden muss.189 Die Stellungnahme zu den Anregungen kann hingegen gänzlich unterbleiben, wird aber neuerdings angeregt.190 Um – trotz der strikten Kompetenztrennung – eine effiziente Arbeit von Aufsichtsrat und Hauptversammlung zu gewährleisten, gibt das Gesetz dem Vorstand auf, seinen Informationsvorsprung mit diesen Organen zu teilen. Von überragender Bedeutung sind hierbei die Berichte an den Aufsichtsrat gem. § 90 in seiner neuen, durch das TransPuG geänderten Fassung. Darin hat der Vorstand sowohl über die gegenwärtige Lage der Gesellschaft als auch über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu berichten und dabei unbedingte Offenheit an den Tag zu legen.191 Zudem wurde nun klargestellt, dass er von sich aus auf die Verfehlung früher angekündigter Ziele hinzuweisen hat (Abs. 1 S. 1 Nr. 1), und dass die Berichte auf Tochterunternehmen und Gemeinschaftsunternehmen auszudehnen sind (Abs. 1 S. 2).192 Da solche Berichte an den Gesamtaufsichtsrat nur in bestimmten Zeitabständen erfolgen müssen (Abs. 2), kann dieser zu wichtigen Angelegenheiten jederzeit selbst Auskunft verlangen (Abs. 3). Aus wichtigem ___________ 188
s. dazu ausführlich unten, 4. Kapitel, B. II. 6. a) bb). Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (791). 190 DCGK in der Fassung vom 21. Mai 2003, Ziff. 3.10 S. 3. 191 BGHZ 20, 239 (246); Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 103 ff. 192 Zur früher gleichen Rechtslage s. Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (793); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 40 ff. 189
172
3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Anlass ist ferner ein außerordentlicher Bericht an den Aufsichtsratsvorsitzenden vorgesehen (Abs. 1 S. 3). Das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Berichten Kenntnis zu nehmen (Abs. 5) bzw. einen Bericht an das Gremium zu verlangen (Abs. 3 S. 2)193. Nach dem neuen Abs. 4 S. 2 sind alle Berichte mit Ausnahme derer nach Abs. 1 S. 2 schließlich „möglichst rechtzeitig“ und „in der Regel in Textform“ zu erstatten.194 Nach dem DCGK ist die ausreichende Informationsversorgung gemeinsame Aufgabe beider Organe, wobei der Vorstand den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle relevanten Fragen der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage und des Risikomanagements informiert und dabei die Abweichungen des Geschäftsverlaufs von den aufgestellten Plänen und Zielen begründet. Der Aufsichtsrat soll seinerseits die Berichtspflichten des Vorstands näher festlegen (Ziff. 3.4). Aktionäre haben in der Hauptversammlung ein Auskunftsrecht nach Maßgabe der §§ 131, 176 I, 337 IV. Bei bestimmten grundlegenden Entscheidungen, die der Hauptversammlung vorzulegen sind, hat der Vorstand sogar einen ausführlichen, schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die betreffende Maßnahme erläutert und begründet wird (§§ 179 a, 293a, 319 III Nr. 3 AktG; §§ 8, 127, 192 UmwG). Gegenüber Arbeitnehmern und Organen der Betriebsverfassung bestehen u.a. Informationspflichten gem. §§ 74, 81, 90, 92, 106 ff. BetrVG und §§ 5 III, 126 III, 194 II UmwG. Hinzuweisen ist schließlich auf die Publizitätspflichten des Kapitalmarktes, darunter § 15 WpHG. Das WpHG enthält darüber hinaus eine Reihe von Verboten zur Verhinderung von Insidergeschäften (§ 14 I WpHG), mit speziellen Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§§ 2 IV, 31 ff. WpHG).195 Obwohl die soeben dargestellten Informations- und Insiderpflichten eigentlich dem Vorstand persönlich im Verhältnis zu Dritten oder im öffentlichen Interesse auferlegt wurden, ist er für dessen Erfüllung auch der Gesellschaft gegenüber verantwortlich.196 ___________ 193 Hierbei ist durch das TransPuG die Einschränkung weggefallen, dass ein vom Vorstand abgelehntes Auskunftsbegehren des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds der Unterstützung eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds bedarf. 194 Kritisch zum verbleibenden Ermessen des Vorstands Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (793). Unter „rechtzeitig“ ist zu verstehen, dass der Aufsichtsrat den Bericht vor einer Sitzung noch lesen kann bzw. – wenn keine Sitzung vorgesehen ist – genügend Zeit für eine Stellungnahme zur oder sonstige Reaktion auf die betreffende Angelegenheit hat; s. RegBegr TransPuG, BR-Drucks. 109/02, 34. 195 GK-Hopt, § 93 Rn. 173 ff. 196 KK-Mertens, § 93 Rn. 40 ff.
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Weitere gesetzliche Grenzen des Vorstandshandelns finden sich beispielsweise in den Vorgaben des Mitbestimmungs-, Bilanz- und Datenschutzrechts sowie in den Vorschriften des neuen Übernahmegesetzes. Das Vorstandsmitglied muss darüber hinaus die im Außenverhältnis an die AG gerichteten Vorschriften beachten, weil sich aus deren Nichteinhaltung Nachteile für die Gesellschaft ergeben können, für die es wiederum regresspflichtig wird. Es hat für die Verstöße der Gesellschaft gegen die entsprechenden Verhaltens- und Organisationsnormen einzustehen, wenn es intern für deren Einhaltung zuständig war oder seine Überwachungspflicht missachtet hat.197 Der Vorstand hat nach der Formulierung des DCGK „für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen“ – auch durch die Konzernunternehmen198 – zu sorgen (Ziff. 4.1.3). Zu erwähnen sind hier nur die Vorgaben des Zivil-, Wettbewerbs-, Arbeits-, Straf-, Verwaltungs-, Steuer-, Sozial-199 und Übernahmerechts.200 Bei grenzüberschreitenden Transaktionen haben die Vorstandsmitglieder das nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts jeweils anwendbare Recht, ggf. also ausländische Vorschriften, zu beachten.201
bb) Kompetenzordnung: Rechtmäßige Organisation der AG und ihrer Entscheidungsprozesse Aus der gesetzlichen Kompetenzordnung für die AG folgt ferner, dass der Vorstand die rechtmäßigen Entscheidungen anderer Organe zu beachten hat, nichtige Hauptversammlungs- und Aufsichtsratsbeschlüsse hingegen nicht ausführen darf.202 Gegen anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse kann er gem. § 245 Nr. 4 nach eigenem Ermessen Anfechtungsklage erheben. Er ist hierzu verpflichtet, wenn der Beschluss die Interessen der Gesellschaft verletzt oder vom Vorstand selbst ein pflichtwidriges Verhalten fordert.203 Wenn die Gesellschaft allerdings am Bestand des nichtigen bzw. anfechtbaren Beschlusses inte-
___________ 197
BGH GmbHR 1985, 143; GK-Hopt, § 93 Rn. 98; KK-Mertens, § 93 Rn. 34. Dies ist schon länger anerkannt, s. U.H. Schneider, FS-100 Jahre GmbH, S. 473 (481, 489 ff.). 199 s. die maßgeblichen Urteile zum GmbH-Recht in BGH ZIP 1997, 412; 1998, 31; 1998, 398; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 403; OLG Frankfurt 1995, 213; OLG Dresden GmbHR 1998, 889. 200 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (389). 201 KK-Mertens, § 93 Rn. 36. 202 OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1153 (ARAG/Garmenbeck); KK-Mertens, § 93 Rn. 31; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 66. 203 KK-Mertens, § 93 Rn. 31. 198
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ressiert ist, hat der Vorstand für dessen Bestätigung oder für die Fassung eines neuen, wirksamen Beschlusses zu sorgen.204 Zum rechtmäßigen Handeln gehört im weiteren Sinne aber auch sicherzustellen, dass die gesamte Organisation der Gesellschaft, deren Kapitalisierung und das Handeln der anderen Organe im Einklang mit Gesetz und Satzung steht.205 Neben der bereits erwähnten Rechtmäßigkeit von Beschlüssen hat der Vorstand daher auf die ordnungsgemäße Zusammensetzung der Organe und eine der gesetzlichen Kompetenzordnung entsprechende Aufgabenverteilung zu achten, ggf. seine Bedenken vorzutragen und den Gesamtvorstand oder den Aufsichtsrat einzuschalten. Gleiches gilt bei rechtsbedenklichem Verhalten der Organe. Gegenüber einem gesetzeswidrig besetzten Aufsichtsrat hat er von seinen Rechten aus §§ 97 ff. Gebrauch zu machen.206 Macht sich ein Aufsichtsratsmitglied gem. §§ 116 S. 1, 93 I 1, II schadensersatzpflichtig, so hat der Vorstand das Recht, jedoch nicht generell die Pflicht, die Ansprüche der Gesellschaft einzuklagen.207 Der Vorstand darf sich ferner die eigenverantwortliche Erfüllung der Leitungsaufgabe weder durch einen einzelnen Aktionär noch durch ein herrschendes Unternehmen aus der Hand nehmen lassen, es sei denn das Konzernrecht sieht etwas anderes vor.208 Auch die Geschäftsverteilung zwischen den Organen sowie innerhalb des Vorstands muss dem gesetzlichen Zuständigkeitsmodell entsprechen. Im letzteren Falle muss es insbesondere für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung bei der Gesamtverantwortung des Gremiums bleiben. Andernfalls sind die (ggf. satzungsmäßigen) Vorgaben wegen § 23 V nichtig und dürfen nicht befolgt werden.209
cc) Satzung: Reichweite des Unternehmensgegenstandes, § 23 III Nr. 2 AktG Eine der wichtigsten und problematischsten Grenzen, die durch Satzung gezogen werden, ist der darin gem. § 23 III Nr. 2 definierte Gegenstand des Unternehmens. Als solcher ist grundsätzlich nur der Wirtschaftsbereich anzusehen, in dem die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit entfalten soll, während an___________ 204
GK-Hopt, § 93 Rn. 92. KK-Mertens, § 93 Rn. 30. 206 KK-Mertens, § 93 Rn. 29 ff. 207 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); GK-Hopt, § 93 Rn. 95; KK-Mertens, § 93 Rn. 31, 51.; a.A. Wirth, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 99 (118 f.). 208 Vgl. §§ 117 I, 291 III, 308, 311 ff., 323 AktG. 209 KK-Mertens, § 93 Rn. 4, 30 sowie § 77 Rn. 18 ff. Zu den Problemen der verschiedenen Geschäftsverteilungsmodelle des Vorstands s. ausführlich unten, 3. Kapitel, B. I. 3. e) aa). 205
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dere Bereiche – vorbehaltlich einer Satzungsänderung – der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands entzogen sind.210 Eine zu enge Betrachtungsweise wird hier allerdings dazu führen, dass die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft dem Vorstand entgegen § 76 I nahezu unmöglich gemacht wird. Deshalb überzeugt es, die Leitungsmacht des Vorstands auch auf branchenfremde Hilfsgeschäfte zu erstrecken, sofern diese im Gesamtzusammenhang von nachgeordneter Bedeutung bleiben.211 Neben der Aufgabe, die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zu begrenzen, kommt dem Unternehmensgegenstand nach heute überwiegender Ansicht aber noch eine zweite Funktion zu. Er definiert nämlich ein Tätigkeitsprofil der Gesellschaft, das vom Vorstand auszufüllen und auszuschöpfen ist. Auch eine dauerhafte und vollständige Aufgabe eines Tätigkeitsbereich (Desinvestition) macht daher eine Satzungsänderung notwendig.212
dd) Grenzen der Beteiligungspolitik Im Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand steht die Frage, ob dieser auch im Wege der Beteiligungspolitik bzw. der Gründung verbundener Unternehmen (durch Erwerb eines Unternehmens, Gründung einer Tochtergesellschaft und Ausgliederung eines Unternehmensteils) verfolgt werden darf. Hier handelt es sich nämlich allesamt um Einwirkungen auf die Struktur des Unternehmens, die ab einer bestimmten Intensität als echte Strukturänderungen zu qualifizieren sind und damit in die zwingende, ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung nach den Grundsätzen des Holzmüller-Urteils des BGH213 fallen. Die kritische Schwelle wird dort anzusetzen sein, wo die Maßnahme im Verhältnis zur Größe des Unternehmens ein Ausmaß erreicht, das dessen Charakter insgesamt ändert, jedoch bleibt die Abgrenzung im Einzelfall sehr strittig.214 Maßnahmen unterhalb dieser Schwelle unterliegen nach richtiger Ansicht – vorbehaltlich einer entgegenstehenden Satzungsregelung – auto___________ 210
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 9. s. ausführlich KK-Mertens, § 82 Rn. 12 ff.; ferner Hüffer, AktG, § 82 Rn. 9 f.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 9. 212 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 65 ff. 213 BGHZ 83, 122 (131); a.A. KK-Mertens, § 76 Rn. 51 f., der stattdessen u.a. für die Gewährung negatorischer Rechtsbehelfe zum Schutze von Minderheitsaktionären vor Verletzungen ihrer Mitgliedschaftsrechte durch den Vorstand plädiert. 214 s. jetzt das sog. „Gelatine“-Urteil des BGH in DStR 2004, 922; ferner die im Ergebnis abgelehnte Drittelquote bei Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 82; ferner KK-Mertens, § 76 Rn. 51 m. w. N.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 10 f. 211
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matisch der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes,215 wobei ihn die Satzung in der Praxis aber oft ausdrücklich zu einer solchen Geschäftspolitik ermächtigen wird.
ee) Vertragliche Verpflichtungen Umstritten ist hingegen, ob das Vorstandsmitglied auch alle aus Verträgen der Gesellschaft mit Dritten resultierenden Pflichten zu erfüllen hat. Hier wird man wohl auf den Einzelfall abstellen müssen, wobei es für die Gesellschaft unter Umständen vorteilhaft und daher gesellschaftsrechtlich zulässig sein kann, ihre Pflichten später zu erfüllen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten oder sich auf einen Prozess einzulassen.216
ff) Freiwillige Verhaltensrichtlinien: Deutscher Corporate Governance Kodex Fraglich ist, ob der Vorstand neben den gesetzlichen Vorgaben auch zur Einhaltung von „allgemeinen Grundsätzen der Geschäftsmoral“, Handelsbräuchen, freiwilligen Richtlinien und (internationalen) Verhaltenskodizes verpflichtet ist. Da solche Verhaltensrichtlinien für die Gesellschaft nicht bindend sind, müssen sie auf den ersten Blick auch von den Vorstandsmitgliedern nicht befolgt werden.217 Im Einzelfall kann ihre Verletzung aber dennoch pflichtwidrig sein, indem sie beispielsweise die Verwirklichung eines anderen Pflichtentatbestandes indiziert, wobei konkrete Aussagen nur im Hinblick auf bestimmte Regelwerke getroffen werden können. Denkbar ist beispielsweise, dass die bekannt werdende Missachtung anerkannter Richtlinien das Image der Gesellschaft derart schädigt, dass dem zuständigen Vorstandsmitglied ein i.S.d. § 93 relevantes Handeln entgegen dem Interesse der AG vorgeworfen werden kann. Ähnlich ist der Fall zu beurteilen, dass die Nichtanerkennung der üblichen Standards einen Geschäftsabschluss oder gar die ganze Geschäftsbeziehung zunichte macht, die Gesellschaft in ihrem Geschäftsumfeld bzw. in der Öffentlichkeit isoliert, oder – allgemeiner gesprochen – dass die daraus resultierenden Nachteile die Bürde der Einhaltung deutlich überwiegen.218 Das bis vor kurzem prominenteste Beispiel derartiger Standards war der deutsche Übernahmeko___________ 215
KK-Mertens, § 76 Rn. 51; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 10. Windbichler, ZGR 1989, 434 (437) (zur GmbH); GK-Hopt, § 93 Rn. 100; a.A. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 69. 217 So nachdrücklich Claussen/Bröcker, AG 2000, 481 (482 ff.); GK-Hopt, § 93 Rn. 101 f.; anders aber für die „allgemeinen Grundsätze der Geschäftsmoral“ KKMertens, § 93 Rn. 34, 36; für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 4 f., 44 a, 55. 218 GK-Hopt, § 93 Rn. 101 f.; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 21 (GmbH). 216
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dex, bei dessen Nichtanerkennung die Aufnahme in den DAX auf dem Spiel stand, sodass es einer sorgfältigen Abwägung seitens des Vorstandes bedurfte. In Ausnahmefällen können solch unverbindliche Verhaltensrichtlinien schließlich nach besonderer Prüfung zur Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht herangezogen werden.219 Abgelehnt wurde eine derart mittelbare Verbindlichkeit jedoch für die „EU-Audit-Verordnung“ inklusive deren „guten Managementpraktiken“.220 Besonders brisant ist die Diskussion betreffend den Deutschen Corporate Governance Kodex,221 die inzwischen um zwei Gerichtsentscheidungen bereichert wurde: Das OLG Schleswig (Mobilcom II) wies eine gegen die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds gerichtete Beschwerde unter Hinweis darauf ab, dass dessen Stellung als Vorstandsmitglied eines Wettbewerbers nach geltendem Aktienrecht nicht entgegenstehe. Diesem Ergebnis stünden auch die Empfehlungen des Kodex nicht entgegen, da sie weder unmittelbare noch mittelbare Gesetzeskraft hätten und auch keinen Handelsbrauch darstellten.222 Das Landgericht München I (Hypovereinsbank) hielt die gegen eine Aufsichtsratswahl gerichtete Nichtigkeitsklage für unbegründet, mit der die Kläger den direkten Wechsel vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat gerügt hatten. § 105 I sei auf diesen Fall weder direkt noch – mangels einer planwidrigen Regelungslücke – analog anwendbar. Die gegenteilige Anregung in Ziff. 5.4.2 DCGK sei ein Beleg dafür, dass ein solcher Wechsel de lege lata gerade zulässig sei.223
Die Entscheidungen sind uneingeschränkt zu begrüßen, zeigen sie doch, dass der Kodex zwar zur Auslegung des Aktiengesetzes herangezogen werden kann, den gesetzlichen Standard aber keinesfalls zu Lasten des Betroffenen verschärfen darf. Zu seinem Selbstverständnis gehört es vielmehr, über die bestehende Rechtslage und somit auch über § 93 AktG hinauszugehen.224 Mit anderen Worten fixiert der Kodex nur das rechtspolitisch Erstrebenswerte und nicht das de lege lata Erforderliche. Aus englischer Sicht ist die neuere Rechtsprechung ___________ 219
GK-Hopt, § 93 Rn. 102; für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 4 f., 55. Verordnung über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, (EWG) Nr. 1836/93 des Rats v. 29.6.1993, ABlEG Nr. L 168/1 v. 10.7.1993 S. 1-18. 221 Für die Heranziehung solcher Grundsätze bei der Auslegung der aktienrechtlichen Generalklauseln Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 512; Lutter, ZGR 2001, 224 (236); ders. ZHR 166 (2002), 523; Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1271); früher bereits Müller, WPg-Sonderheft 2001, 129 (131); dagegen MüKoAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 36; zum Streitstand s. Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (792); Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, Rn. 44 ff.; Seibert, BB 2002, S. 581 (584); Seibt, AG 2002, 249 (250 f., 254 ff.); Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (166 ff.). 222 Beschluss vom 26.4.2004 (Az. 2 W 46/04), abgedruckt in NZG 2004, 669 (670). 223 Urteil vom 15.4.2004 (Az. 5 HK O 10813/03), abgedruckt in NZG 2004, 626 (627 f.). 224 Hommelhoff/Schwab, in: Handbuch Corporate Governance, S. 51 (57). 220
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aber teils auch zum Anlass genommen worden, für die Haftungsrelevanz der Kodex-Standards zu plädieren.225 Geklärt scheint zur Zeit zu sein, dass eine Pflichtverletzung i.S.d. § 93 jedenfalls bei einem Verstoß gegen die Erklärungspflicht aus § 161 AktG vorliegt, also dann, wenn die Entsprechenserklärung gar nicht, nicht formgerecht, oder nicht wahrheitsgemäß erfolgt. Aber auch offene Abweichungen vom Kodex könnten im Einzelfall ein Indiz für eine Sorgfaltswidrigkeit darstellen, wobei die Entscheidung hierfür unternehmerischer Natur ist und somit grundsätzlich von dem Ermessensspielraum des vorstands gedeckt sein wird.226 Andersherum lässt sich aber jedenfalls sagen, dass die Befolgung allgemein anerkannter Standards oder Empfehlungen staatlicher Institutionen dem Unternehmensleiter keinen Pflichtwidrigkeitsvorwurf einbringen kann.227
b) Allgemeine Sorgfalt aa) Gewissenhafte Aufgabenerfüllung Innerhalb der eben aufgezeigten Grenzen der Rechtmäßigkeit ist das Vorstandsmitglied zu sorgfältiger Unternehmensleitung und zunächst einmal dazu verpflichtet, seine Aufgaben überhaupt wahrzunehmen. Von dieser Pflicht ist es erst nach einer wirksamen Beendigung der Organstellung entbunden, die nach überwiegender Ansicht auch ohne wichtigen Grund durch Amtsniederlegung herbeigeführt werden kann. Die unberechtigte Amtsniederlegung kann jedoch per se pflichtwidrig sein, vor allem wenn sie zur Unzeit, beispielsweise in der Krise der Gesellschaft, erfolgt.228 Jedem Geschäftsleiter ist es verwehrt, bei Erfüllung seiner Aufgaben nachlässig oder oberflächlich zu handeln. Er muss sich deshalb vor jeder Entscheidung angemessen und mit allen in der jeweiligen Situation verfügbaren Mitteln über die relevanten Tatsachen informieren.229 Ferner hat das Vorstandsmitglied bei der Entscheidungsvorbereitung die anerkannten technischen, steuerlichen, finanz-, und betriebswirtschaftlichen Methoden einschließlich ordnungsgemäßer Buchführung, sowie die üblichen Standards geschäftlicher Vorsicht und Ri___________ 225
Goulding/Miles/Schall, ECFR 2005, 20 (45 ff.). Lutter, ZHR 166 (2002), 523 (540 ff.). 227 GK-Hopt, § 93 Rn. 102; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 518.4; Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1271: jedenfalls Umkehrung der Beweislast); Seibt, AG 2002, 249 (251); a.A. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, Rn. 49. 228 GK-Hopt, § 93 Rn. 106; Hüffer, § 84 Rn. 36; OLG Koblenz NJW-RR 1995, 556 (GmbH). 229 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 74; KK-Mertens, § 93 Rn. 29. 226
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sikominderung anzuwenden.230 Der DCGK spricht insofern von den „Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung“ (Ziff. 3.8), die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum bereits vielfach formuliert worden sind, nach wie vor jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen.231 Der Vorstand hat sich also stets ein genaues Bild von der Lage des Unternehmens zu machen, wozu dessen Rentabilität, Liquidität, der Gang der Geschäfte, die Umsatzentwicklung, die Marktstellung und die Wettbewerbsfähigkeit gehören, aber auch die relevanten wirtschaftspolitischen Entwicklungen.232
bb) Ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft und Verbot der Eingehung unangemessener Risiken Konkret haben die Vorstandsmitglieder vor allem auf die ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu achten, also die gesetzlichen Regeln der Kapitalaufbringung und -erhaltung einzuhalten und genügend Kapital zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks bereitzustellen. Da genauere Bezugsgrößen für letzteres jedoch kaum bestimmbar sind, wird dem Vorstand ein weiter, durch das Verbot der Eingehung unangemessener Risiken begrenzter Ermessensspielraum zugestanden.233 Pflichtverletzungen kommen hier häufig bei der Kreditaufnahme bzw. -vergabe vor,234 ferner bei riskanten und spekulativen Geschäften,235 beim Versäumen üblicher Sicherungsvereinbarungen236 sowie bei unzureichenden Kontrollen.237 Die Stützung eines fremden Unternehmens zum ___________ 230
BGH WM 1995, 1665; GK-Hopt, § 93 Rn. 88; KK-Mertens, § 93 Rn. 45; zum Maß des erlaubten Risikos s. u., 3. Kapitel, B. I. 5. 231 v. Werder, DB 1995, 2177; v. Werder/Maly/Pohle/Wolff, DB 1998, 1193; Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1; Theisen, Die Überwachung der Unternehmensführung: Betriebswirtschaftliche Ansätze zur Entwicklung erster Grundsätze ordnungsgemäßer Überwachung. 232 KK-Mertens, § 93 Rn. 45. 233 Scheffler, FS-Goerdeler, S. 469 (475 ff.). Zum Ermessensspielraum und zur Risikogrenze s. u., 3. Kapitel, B. I. 5. 234 BGH WM 1956, 1207 und 1974, 131 (133) (erhebliche Überschreitung der Kreditrichtlinien); BGH WM 1978, 109 (112); OLG Düsseldorf AG 1997, 231 (234 f.) (ARAG; mangelnde Kreditsicherung); BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch) (Aufsichtsrat: Gefälligkeitswechsel für notleidendes Unternehmen); BGH WM 1981, 440 (441) (GmbH: Kreditvergabe an unbekanntes Unternehmen ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit). 235 BGHZ 69, 207 (213); BGH WM 1974, 131 (132 ff.); 1978, 109 (112); BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); LG Hannover AG 1977, 198 (200) (Beteiligungserwerb ohne vorherige Unternehmensprüfung). 236 BGH WM 1966, 323 f; BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch). 237 BGH NJW 1974, 1468; BGH WM 1980, 1190 (Warenkontrolle); 1985, 1293 (Kassenkontrolle); BGH NJW 1979, 1823; BGH WM 1978, 109 (112) (Kontrolle der Angestellten).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Schutz der volkswirtschaftlichen Lage kann hingegen gerechtfertigt sein, vor allem wenn sich deren Verschlechterung auf die Gesellschaft selbst negativ auswirken würde.238 Von großer Bedeutung ist die Früherkennung von Krisen, die eine permanente Kontrolle von Solvenz, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität erfordert.239 Hierhin gehört insbesondere die Beachtung der mit dem KonTraG 1998 in § 91 II eingeführten, konzernweiten Pflicht des Vorstands, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden (Frühwarnsystem; angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling).240 Als existenzgefährdend erweisen sich dabei vor allem risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und „Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.“241 Ein solches ControllingSystem hatte auch schon vorher, aufgrund der Leitungsaufgabe aus § 76 I, als obligatorisch gegolten und in vielen Gesellschaften existiert. Die Bedeutung der neuen Vorschrift liegt deshalb vor allem in dem unmissverständlichen Wortlaut, sowie in der Kontrolle des Systems durch den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer (§ 111 I und §§ 317 IV, 321 IV HGB).242 Wurde die Krise erst einmal erkannt, kommt es auf eine schnelle Reaktion des Vorstands an, die zunächst auf eine Rettung der Gesellschaft hin gerichtet sein muss. Ein trotz Sanierungsmöglichkeit gestellter Insolvenzantrag ist daher genauso pflichtwidrig wie dessen Verzögerung in einem hoffnungslosen Fall.243
cc) Organisationspflichten Das Vorstandsmitglied hat ferner für Rechtmäßigkeit244 und Effizienz der internen Organisation der Gesellschaft zu sorgen, mit dem Ziel, sich jederzeit ein Bild von der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Gesellschaft machen zu können.245 Dies umfasst im Einzelnen die Beobachtung der Auswahl künftiger ___________ 238
KK-Mertens, § 93 Rn. 53. BGH NJW-RR 1995, 669; LG Aachen, GmbHR 1996, 53 (54). 240 DCGK Ziff. 4.1.1. 241 RegE KonTraG zu § 91 II. 242 Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249 (251). 243 Hopt, FS-Mestmäcker, S. 909 (924). 244 s. bereits oben, 3. Kapitel, B. I. 3. a) bb). 245 Vgl. zur GmbH BGH WM 1995, 709 (710); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 24. 239
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Vorstandsmitglieder einschließlich kritischer Stellungnahmen246 sowie einen kooperativen Arbeitsstil der Organmitglieder bzw. Organe untereinander.247 Auch unterhalb der Leitungsebene ist sicherzustellen, dass die delegierten Aufgaben entsprechend den Anweisungen und in effektiver Zusammenarbeit erledigt werden, wozu Einrichtung und Überwachung einer Controlling-Abteilung, einer Internen Revision sowie eines Frühwarnsystems i.S.d. § 91 II notwendig sind.248 Daneben muss das Vorstandsmitglied eine ordnungsgemäße Buchführung249 und Warenbestandskontrolle250 gewährleisten. Die interne Organisation wird im Außenverhältnis schließlich um die Aufgabe ergänzt, die Unternehmensziele zu definieren und die Mittel und Wege zu deren Erreichung aufzuzeigen. Da es sich hierbei aber um einen schwierigen Balance-Akt zwischen konsequenter Verfolgung des eingeschlagenen Kurses und flexibler Reaktion auf neue Entwicklungen handelt, ist dem Vorstand ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen.251
dd) Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln Eine sorgfältige Unternehmensleitung umfasst natürlich auch das Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln (Schädigungsverbot). Als Beispiele dienen der Erwerb nutzloser Patente oder wertloser Geschäftsanteile,252 der Abschluss unbrauchbarer Beratungsverträge253 sowie Angebote unter Wert gegenüber der Gesellschaft.254 Des weiteren ist der Vorstand grundsätzlich zur rechtzeitigen Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Dritte verpflichtet. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Durchsetzung wirtschaftlich unvernünftig ist, eine Rufschädigung oder Marktbeunruhigung befürchten lässt, oder – ausnahms-
___________ 246
BGH WM 1995, 709 (710) (GmbH). s. auch unten, 3. Kapitel, B. I. 3. e). 248 BGHZ 75, 96, 120 (133) (Herstatt); Götz, AG 1995, 337 (338). 249 s. zur GmbH BGH WM 1995, 1665; OLG Bremen GmbHR 1998, 536 LS. 250 s. zur GmbH BGH WM 1980, 1190. 251 GK-Hopt, § 93 Rn. 108 f.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 80 f. 252 Zur diesbezüglichen Prüfungspflicht LG Hannover AG 1977, 198 (200). 253 BGH NJW 1997, 741 (überteuerte Beratung einer GmbH durch einen Rechtsreferendar). 254 Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (34 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 111. 247
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weise – der Anstandswahrung abträglich wäre.255 Macht sich ein Aufsichtsratsmitglied gem. §§ 116 S. 1, 93 I 1, II schadensersatzpflichtig, so hat der Vorstand das Recht, jedoch nicht generell die Pflicht, die Ansprüche der Gesellschaft einzuklagen. Die insofern für den Aufsichtsrat entwickelten Grundsätze sind nicht auf den Vorstand übertragbar, da dieser gerade kein allgemeines Aufsichtsorgan ist.256 Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei als entlastender Umstand bei Untätigkeit des Vorstands auch die Gefahr angesehen wird, dass dieser sich durch die Klageerhebung selbst belasten würde, oder dass die Durchsetzung des Anspruchs durch dessen alsbaldige Abberufung konterkariert würde und daher illusorisch ist.257
c) Fachspezifische Sorgfalt Die Vorstandsmitglieder haben sich die für die Leitung der konkreten Gesellschaft notwendigen Kenntnisse anzueignen und ständig auf dem Laufenden zu halten.258 Wo ihnen die entsprechende Sachkunde fehlt, haben sie alle ihnen verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen und sachverständigen Rat einzuholen.259 Mit Hilfe dieses Wissens sind sie verpflichtet, bereits getroffene Organentscheidungen auf ihre ökonomischen und finanziellen Folgen hin zu überprüfen und planmäßig auszuführen. Zur langfristigen Vorbereitung künftiger Entscheidungen haben sie zusätzlich die Produkt-, Finanz- und Personalpolitik des Unternehmens festzulegen.260
d) Arbeitseinsatz Das Vorstandsmitglied hat seine berufliche Arbeitskraft derart in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, dass es die Organstellung voll ausfüllt. Nur wenn dies gewährleistet ist, darf der Aufsichtsrat Tätigkeiten i.S.d. § 88 genehmigen.261 Auch für sonstige Nebentätigkeiten, namentlich für Aufsichtsratsmanda___________ 255
s. zur GmbH KG GmbHR 1959, 257; WM 1959, 980 (982); BGH NJW 1992, 1166 (1167); ferner BGH WM 1982, 532 (Genossenschaft); KK-Mertens, § 93 Rn. 51 f.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 74. 256 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); GK-Hopt, § 93 Rn. 95; KK-Mertens, § 93 Rn. 31, 51. 257 KK-Mertens, § 93 Rn. 31; Mertens, FS-Fleck, S. 209 (214 f.). 258 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 75. 259 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69 f.; KK-Mertens, § 93 Rn. 29. 260 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 16. 261 KK-Mertens, § 93 Rn. 58 f.
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te, soll das Vorstandsmitglied nach Ziff. 4.3.5 DCGK die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen.
e) Aufgabendelegation Die sorgfältige Geschäftsführung erfordert angesichts der komplexen Geschäftsvorgänge in der heutigen AG auch eine effiziente Organisation und Koordination der Verwaltungsspitze einschließlich der höheren Managementebenen. Zumeist wird dies nicht ohne eine umfassende Arbeitsteilung und Aufgabendelegation zu erreichen sein, die sich jedoch in den Grenzen der aktienrechtlichen Kompetenzordnung halten müssen.262
aa) Arbeitsteilung innerhalb des Vorstands (1) Organisationsmodelle Weit verbreitet als Organisationsmodelle innerhalb des Vorstands waren bisher die räumliche bzw. die funktionelle Kompetenzaufteilung, bei denen jedes Vorstandsmitglied entweder für ein geografisches Gebiet oder für ein Ressort (wie z. B. Forschung, Produktion, Einkauf, Vertrieb oder Finanzen) zuständig ist und der Vorstandsvorsitzende alle Bereiche koordiniert.263 Zunehmend setzt sich aber bei Großunternehmen die divisionale Organisation nach Produktbereichen (Spartenorganisation, Divisionalisierung) durch. Hierbei ist ein Vorstandsmitglied für den wirtschaftlichen Erfolg eines bestimmten Produkts insgesamt, also für alle damit verbundenen Funktionen, verantwortlich. Lediglich bestimmte Schlüsselfunktionen wie Recht und Steuern, Personalwesen, Forschung oder Finanzen (Zentralbereiche) werden den einzelnen Produktbereichen entzogen und zentral unter funktioneller Kompetenzaufteilung verwaltet. Mitunter werden für die einzelnen Produktbereiche sog. „Bereichsvorstände“ im untechnischen Sinne gebildet, denen jeweils ein ordentliches Vorstandsmitglied und mehrere leitende Angestellte angehören, während der Gesellschaftsvorstand diese als sog. „virtuelle Holding“ leitet.264 Die leitenden Angestellten üben dabei keine echte Organfunktion aus, da sie ihre Befugnisse von dem Gesellschaftsvorstand ableiten, dessen Weisungen sie unterliegen. Ihre Pflichten und Verantwortlichkeiten ergeben sich lediglich aus dem ___________ 262
OLG Hamm ZIP 1995, 1263. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 24. 264 Endres, ZHR 163 (1999), 441 (446); kritisch Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (510); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 26. 263
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Anstellungsvertrag, weshalb der auf organschaftliche Gesamtverantwortung hindeutende Begriff des Bereichsvorstands als irreführend anzusehen ist.265 Eine umstrittene Steigerung dieses Modells wird erreicht, wenn die operative Geschäftsleitung gänzlich auf die Ebene der Geschäftsbereichsleiter verlagert wird, die dann direkt an den Vorstandssprecher zu berichten haben. Zusammen mit dem auf Stabsfunktionen und strategische Aufgaben reduzierten Konzernvorstand bilden sie ein Machtzentrum mit der Bezeichnung „Exekutivkomitee“ („Group Executive Committee“).266 Ebenso problematisch ist eine Aufteilung der Vorstandsmitglieder auf einen als Ausschuss deklarierten „Konzernvorstand“ einerseits und auf die unterhalb desselben angesiedelten Geschäftsbereiche mit nur operativer Verantwortung andererseits.267
(2) Überwachungs- und Interventionspflicht Insbesondere bei den letztgenannten Organisationsstrukturen wird indes immer häufiger bezweifelt, ob sie noch mit den Grundsätzen der Gesamtgeschäftsführung und Gesamtverantwortung des Vorstands vereinbar sind.268 Diese gelten nach einhelliger Ansicht trotz der Ausnahmeregelung in § 77 I 2 und ergeben sich einerseits aus §§ 76 I, 77 I 1, 78 I, andererseits aus der Zuweisung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen an den Gesamtvorstand verbunden mit einem Delegationsverbot in den §§ 90, 91, 111 IV 3, 119 II, 121 II 170. Je nach Entscheidungsnähe des Betroffenen nimmt die Gesamtverantwortung jedoch sehr unterschiedliche Formen an. Verbleibt es bei der gesetzlichen Gesamtgeschäftsführung, dürfen die Vorstandsmitglieder weder ohne Zustimmung des Gremiums einzeln handeln, noch ein solches Handeln seitens ihrer Kollegen zulassen.269 Jedes Vorstandsmitglied hat sich eigenverantwortlich ein Urteil über den Beschlussgegenstand zu bilden.270 Auch bei vereinbarter Arbeitsteilung folgt aus der Verankerung der Unternehmerfunktion in dem Gesamtvorstand, dass die elementaren Aufgaben der Unternehmensplanung, -koordination und -kontrolle, Besetzung der Führungspositionen sowie Führungsentscheidungen von außergewöhnlicher Bedeutung oder außergewöhnlichem Risiko beim Gesamtvorstand verbleiben müssen. ___________ 265
Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (510). So seit dem 31.1.2002 die neue Führungsstruktur der Deutschen Bank; s. FAZ v. 31.1.2002 S. 13 und v. 1.2.2002 S. 17. 267 „Vorstände erster und zweiter Klasse“ bei der Hypo-Vereinsbank; s. FAZ v. 21.1.2002 S. 18. 268 Kritisch KK-Mertens, § 77 Rn. 8 ff.; weiter Endres, ZHR 163 (1999), 441; Martens, FS-Fleck, 191 (205 ff.). 269 OLG München AG 1993, 285 (286). 270 KK-Mertens, § 93 Rn. 56. 266
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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Gleiches gilt für die diesem durch Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung zwingend zugewiesenen Aufgaben.271 Insofern ist jedes Vorstandsmitglied verpflichtet, ressortübergreifende Fragen, insbesondere solche der Unternehmenspolitik, dem Gesamtorgan vorzulegen. Eine Geschäftsordnung, die ein mit der Gesamtverantwortung unvereinbares Ungleichgewicht der Entscheidungskompetenzen statuiert, ist nichtig.272 Trifft der Vorstand eine Sachentscheidung als Kollegialorgan, kommt der Grundsatz der Gesamtverantwortung für jedes einzelne Vorstandsmitglied voll zur Geltung.273 Es hat jedoch nur für eigenes Verschulden einzustehen, ohne dass ihm das Verschulden seiner Kollegen zugerechnet wird, aber auch ohne dass er sich auf die entlastende Wirkung des Mitverschuldens oder eines Mehrheitsbeschlusses berufen kann. Ist dieser pflichtwidrig i.S.d. § 93, muss das überstimmte Vorstandsmitglied vielmehr ausdrücklich widersprechen und ggf. den Aufsichtsrat informieren. Bei gesetz- oder satzungswidrigen Beschlüssen hat es sogar die Mitwirkung an der Umsetzung zu verweigern und diese zu verhindern suchen. In Einzelfällen, z. B. zur Abwehr kriminellen Handelns, kann es u.U. auch notwendig sein, Behörden und Öffentlichkeit zu informieren oder das Amt niederzulegen.274 Stimmt das Vorstandsmitglied schuldhaft zu, so kann es sich gleichwohl unter Hinweis auf den fehlenden Kausalzusammenhang entlasten, sofern ihm der Nachweis gelingt, dass es bei dem schädigenden Beschluss und dessen Ausführung ohnehin überstimmt worden wäre.275 Anders verhält es sich bei einer – nicht bloß faktischen276 – Geschäftsverteilung durch Satzung oder Geschäftsordnung. Handelt ein Vorstandsmitglied selbständig innerhalb des eigenen Aufgabenbereichs, so haben seine Kollegen nur dann unmittelbar für die Entscheidung einzustehen, wenn ein über die bloße Kenntnisnahme hinausgehendes Einvernehmen, also eine sachliche Übereinstimmung, vorlag.277 Fehlt es an einem solchen Einvernehmen, beschränkt sich die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ressortfremde Entscheidungen auf eine ___________ 271
BGH NJW 1994, 2149 (2150); Henze, BB 2001, 53 (57); Heimbach/Boll, VersR 2001, 801 (802). 272 KK-Mertens, § 76 Rn. 49. 273 Kust, WM 1980, 758 (761); Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (155). 274 OLG Hamm ZIP 1995, 1263 (1267 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 53 f.; KK-Mertens, § 77 Rn. 38, § 93 Rn. 17, 20 f. 275 Kust, WM 1980, 758 (764). 276 Eine bloß faktische oder im Anstellungsvertrag vereinbarte Geschäftsverteilung vermag am gesetzlichen Modell nichts zu ändern; RGZ 98, 98 (100); GK-Hopt, § 93 Rn. 65; KK-Mertens, § 93 Rn. 55. 277 Kust, WM 1980, 758 (761); Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (156).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Überwachungs- und Interventionspflicht, die beispielsweise zur Folge hat, dass sich jedes Organmitglied auch über ressortfremde Angelegenheiten zu informieren und bei diesbezüglichen Beschlüssen eigenverantwortlich abzustimmen hat.278 Es hat einzuschreiten, wenn ihm Missstände oder Pflichtverstöße durch Kollegen bekannt werden.279 Lässt sich die Auseinandersetzung dann aber nicht beilegen, sind Gesamtvorstand und ggf. der Aufsichtsrat einzuschalten und nur als ultima ratio externe Maßnahmen – Benachrichtigung von Aufsichtsbehörden, Klage, nicht jedoch die Information der Presse – zu ergreifen.280 Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über die Geschäftsverteilung muss das Vorstandsmitglied guten Glaubens darauf vertrauen, dass sich sein Kollege gesetzesgemäß verhalten wird.281 In jedem Falle haftet das Vorstandsmitglied nur für Eigenverschulden. Das Verschulden seiner Kollegen kann ihm nicht zugerechnet werden. Kommt ein Vorstandsmitglied seiner Überwachungspflicht nicht nach, weil es sich auf die Zuverlässigkeit seiner Kollegen und auf eine ordnungsgemäße Geschäftsführung ihrerseits verlässt, ohne dass es Anlass zum Zweifel gehabt hat (berechtigtes Vertrauen), so hängt seine Haftung von den konkreten Umständen des Einzelfalles, vor allem von der Kompetenz und Persönlichkeit des Handelnden, ab.282 Im Falle eines dominanten Vorstandssprechers, der blind auf die Tätigkeit zweier stellvertretender Vorstandsmitglieder vertraute, hat der BGH eine Pflichtverletzung angenommen.283
Genauso aktuell wie auch problematisch ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit sich die Gesamtverantwortung des Vorstands mit der faktischen Übertragung der strategischen Funktionen auf eine einzelne Person – üblicherweise den Vorstandsvorsitzenden – nach dem Vorbild des angloamerikanischen Chief Executive Officer (CEO) oder auf einen speziell eingerichteten sog. Zentralausschuss des Vorstands vereinbaren lässt.284 Einerseits spricht nichts gegen die Einrichtung von Vorstandsausschüssen mit dem Zweck, die jeweiligen Ressortzuständigkeiten in die Hände mehrerer zu legen. ___________ 278 BGH NJW 1986, 54; 1990, 2560 (2564 f.) (Lederspray); RGZ 91, 72 (77); KKMertens, § 93 Rn. 54; kritisch Heimbach/Boll, VersR 2001, 801 (803). 279 BGHZ 15, 71 (78); RGZ 98, 98 (100); Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (155); Kust, WM 1980, 758 (761). 280 OLG Hamm ZIP 1995, 1263 (1267); GK-Hopt, § 93 Rn. 135 f. 281 RGZ 91, 72 (77); Kust, WM 1980, 758 (764). 282 RGZ 91, 72 (77); KK-Mertens, § 93 Rn. 55. 283 BGH WM 1978, 109 (112 f.); das Recht, auf seine Kollegen zu vertrauen, betont aber Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 26. 284 K. Schmidt, GesR, § 28 II 3 b); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 28; vgl. dazu die unter 3. Kapitel, B. I. 3. e) aa) (1) vorgestellten Führungsstrukturen der Deutschen Bank und der Hypo-Vereinsbank.
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Andererseits ist auch klar, dass dem Zentralausschuss bzw. dem CEO nicht die originären Führungsaufgaben des Gesamtorgans übertragen werden dürfen. Als Grundsatz hat für alle Organisationsmodelle zu gelten, dass sich die Satzung nicht allzu weit von dem aktienrechtlichen Gleichgewicht zwischen den Organen bzw. von der Aufgabenverteilung innerhalb eines Organs entfernen darf. Andernfalls sind die entsprechenden Bestimmungen wegen § 23 V nichtig, weshalb sie nicht befolgt werden müssen und nicht befolgt werden dürfen. Dies gilt insbesondere für das Prinzip, dass Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Gesellschaft in der Gesamtverantwortung des Vorstandes verbleiben müssen.285 Problematisch ist daher der Fall, dass die Leitungsmacht zwar theoretisch beim Gesamtvorstand verbleibt, der Zentralausschuss bzw. CEO aber faktisch alle strategischen Entscheidungen „vorbereitet“ und den tatsächlichen Einfluss seiner Kollegen insofern weitestgehend ausschließt.286
(3) Informationspflicht und Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit Ein anderer Aspekt der Gesamtverantwortung ist die Pflicht des Vorstandsmitglieds, mit seinen Kollegen derart eng zusammenzuarbeiten, dass das Gremium trotz Arbeitsteilung geschlossen hinter jedem Akt der Geschäftsführung steht.287 Erst durch einen kooperativen Arbeitsstil, bei dem sich die Vorstandsmitglieder gegenseitig über alle wichtigen Angelegenheiten informieren, wird es jedem einzelnen nämlich möglich, seiner Überwachungspflicht gegenüber fremden Ressorts nachzukommen. Die Informationspflicht umfasst neben bedeutenden Aspekten im eigenen Aufgabenbereich auch den allgemeinen Stand der Geschäfte sowie Angelegenheiten von besonderer Bedeutung für andere Ressorts, einschließlich der außerdienstlich erlangten Informationen.288 Bei festgestelltem Informationsbedarf ist wiederum bei jedem Vorstandsmitglied Eigeninitiative gefragt, während allgemein das Gremium für einen reibungslosen Informationsaustausch sorgt.289 Zur kollegialen Zusammenarbeit gehört es ferner, von Machtkämpfen und „Ressortegoismus“ abzusehen und bessere Ar___________ 285
KK-Mertens, § 93 Rn. 4, 30 und § 77 Rn. 18 ff. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (515 f.); für unproblematisch hält dies jedoch Baums; zitiert nach FAZ v. 2.8.2002 S. 14; so auch Martens, FS-Fleck, S. 191 (205 ff.). Generell für eine übergeordnete „Koordinations- und Kontrollverpflichtung“ des Vorstandsvorsitzenden einschließlich einer besonderen, „primären“ Haftungsverantwortung Heimbach/Boll, VersR 2001, 801 (804 f.). 287 BGH AG 1998, 519; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, S. 117 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 43; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 72. 288 BGH AG 1998, 519; GK-Hopt, § 93 Rn. 133; Kust, WM 1980, 758 (761); KKMertens, § 93 Rn. 44. 289 GK-Hopt, § 93 Rn. 133; KK-Mertens § 93 Rn. 54. 286
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
gumente der Kollegen bzw. Mehrheitsentscheidungen des Gremiums zu respektieren.290 Treten dennoch Konflikte innerhalb des Gremiums auf, haben die Vorstandsmitglieder eine innergesellschaftliche Lösung zu suchen und von der Einschaltung einer Aufsichtsbehörde abzusehen.291 Eine entsprechende Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit, Information und Beratung muss – in den Grenzen der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung – auch im Verhältnis zu anderen Organen, vor allem zum Aufsichtsrat, anerkannt werden,292 was der neue DCGK in Ziff. 3.1 deutlich betont293 und in Ziff. 3.2 ff. konkretisiert. Erfährt ein Vorstandsmitglied beispielsweise von unbefugten Eigengeschäften des Vorstandsvorsitzenden und des Aufsichtsratsvorsitzenden, so muss er den Aufsichtsrat darüber informieren.294
bb) Aufgabendelegation an Dritte und an nachgeordnete Ebenen Leitungsentscheidungen darf die Aktiengesellschaft nur nach den Regeln des Konzernrechts auf Dritte übertragen. Der Vorstand darf solche Entscheidungen nicht an nachgeordnete Führungsebenen delegieren.295 Vom Delegationsrecht gänzlich ausgenommen sind ferner Entscheidungen von grundsätzlicher oder besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.296 Werden Aufgaben und Befugnisse an nachgeordnete Ebenen delegiert, dann hat der Vorstand für eine klare Prozedur mit genau abgegrenzten Kompetenzen zu sorgen und diese durch ein Kontroll- und Rückmeldesystem abzusichern. Er hat zwar auch hier nicht neben dem Beauftragten für die fehlerhafte Aufgabenerfüllung einzustehen, haftet aber für Fehler bei dessen Auswahl, Einweisung, Beaufsichtigung und Überwachung.297 In dem aufgezeigten Rahmen ist das Vorstandsmitglied dann auch befugt, sich auf Informationen und Wertungen der Mitarbeiter bzw. Experten zu verlassen, sofern es vernünftigerweise an deren Vertrauenswürdigkeit glauben durfte. ___________ 290
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 72; KK-Mertens, § 93 Rn. 43. KK-Mertens, § 93 Rn. 43. 292 GK-Hopt, § 93 Rn. 137. 293 „Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen.“ 294 BGH WM 1966, 968; KK-Mertens, § 93 Rn. 43. 295 KK-Mertens, § 76 Rn. 4. 296 Kust, WM 1980, 758 (761). 297 BGHZ 127, 336 (347); Kust, WM 1980, 758 (761). §§ 278, 831 BGB sind grundsätzlich nicht anwendbar, da als Geschäftsherr die Gesellschaft und nicht das Vorstandsmitglied anzusehen ist; GK-Hopt, AktG § 93 Rn. 55 ff., KK-Mertens, § 93 Rn. 18 f., 46. 291
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f) Die Sorgfaltspflicht im Konzern: § 93; §§ 309 II 1, 310 I, 311, 317 III, 318 I, 323 I 2 AktG Auch für Konzerngesellschaften bleibt es – trotz der speziellen Haftungstatbestände in den §§ 291 ff. – grundsätzlich bei der Anwendbarkeit von § 93, wobei die üblichen Vorgaben der Sorgfaltspflicht um Verhaltensregeln gegenüber dem herrschenden bzw. dem abhängigen Unternehmen ergänzt werden.298 Das Vorstandsmitglied des herrschenden Unternehmens hat sich über die Geschäftstätigkeit und den Erfolg der abhängigen Gesellschaft zu informieren und ggf. Leitungsmängel zu beseitigen oder drohende Verluste zu verhindern, um eine mittelbare Schädigung der eigenen Gesellschaft zu vermeiden. So begründet die Einrichtung eines zentralen Cash-Management-Systems die Pflicht des Vorstands der Obergesellschaft, für das Vermögen der abhängigen Gesellschaft hinreichend Sorge zu tragen.299 Aus demselben Grund verbietet sich eine zwar wirtschaftlich vernünftige Leitung der Tochter, die jedoch der Gesamtstrategie des Konzerns zuwiderläuft.300 Als vorrangige Maßnahme – insbesondere im Vorfeld einer Weisung – wird man von den Leitern der Mutter allerdings die Konsultierung des Vorstands der Tochtergesellschaft verlangen müssen, der insofern über die größte Sachnähe verfügt.301 Es dürfte auch notwendig sein, diesem bei der Leitung der abhängigen Gesellschaft weitgehend freie Hand zu lassen, zugleich jedoch ein „Minimum an einheitlicher Leitung“ zu gewährleisten.302 Insgesamt ist also für eine ausreichende Koordination beim Aufbau und bei der Strategie des Gesamtkonzerns zu sorgen. Wann diese erreicht ist hängt aber im konkreten Fall davon ab, ob es sich um einen faktischen Konzern, einen Vertragskonzern oder eine Eingliederung handelt, und ob der Konzern zentral oder dezentralisiert geführt werden soll.303 Für den Vorstand des herrschenden Unternehmens konkurriert die Haftung aus § 93 gegenüber der eigenen Gesellschaft mit den Sondertatbeständen in §§ 309 II 1, 323 I 2 und 317 III, die jedoch nur dessen Verantwortlichkeit ge___________ 298
Dazu grundlegend Hommelhoff, Konzernleitungspflicht. BGH ZIP 2001, 1874 (Bremer Vulkan); dazu Altmeppen, ZIP 2001, 1837 und Ulmer, ZIP 2001, 2021. 300 OLG Düsseldorf AG 1997, 231 (235) (ARAG/Garmenbeck); BGH ZIP 1987, 29 (30 ff.) (GmbH); Martens, FS-Heinsius, S. 523 (530 f.); Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 273 ff. 301 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 453. 302 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 274; Götz, ZGR 1998, 524 (525 ff.); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff., 165 ff.; Martens, FSHeinsius, S. 523 (531 f.); zum Entscheidungsspektrum der Konzernleitung Scheffler, FS-Goerdeler, S. 469 (473 f.). Ausführlich zur Frage der Konkretisierung der Konzernleitungspflicht neuerdings S.H. Schneider/U.H. Schneider, AG 2005, 57 (58 f.); Fleischer, DB 2005, 759. 303 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 78. 299
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genüber der abhängigen Gesellschaft regeln. Eine problematische Überschneidung ist somit nur im Rechtsfolgenbereich denkbar, falls das Vorstandsmitglied den entstandenen Schaden doppelt, einmal unmittelbar bei der Tochter und einmal als Wertverlust der Anteile der Mutter, ausgleichen muss. Um dies zu vermeiden und zugleich dem Grundsatz der Kapitalerhaltung bei der abhängigen Gesellschaft Rechnung zu tragen, ist davon auszugehen, dass sich der Anspruch der Mutter aus § 93 nur auf Zahlung an die Tochter richtet.304 Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft305 können einmal bereits aus der Herbeiführung einer qualifiziert faktischen Abhängigkeit resultieren.306 Wird hingegen ein Vertragskonzern angestrebt, so haben sie sich über die Bonität der potentiellen Muttergesellschaft zu informieren und auf einen Beherrschungsvertrag zu bestehen, der keinen Raum für Missbräuche lässt.307 Im Falle eines vertraglichen Konzernverhältnisses oder einer Eingliederung haften die Vorstandsmitglieder der Tochter jedoch grundsätzlich nicht aus § 93, da die spezielleren §§ 310 I, 323 I 2 bereits eine Verantwortlichkeit gegenüber der eigenen Gesellschaft anordnen. Nur außerhalb ihres Geltungsbereichs – beispielsweise bei Fehlen einer Weisung oder Ausschöpfung des Weisungsspielraums zum Nachteil der Gesellschaft – bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 93.308 Im faktischen Konzern kommen hingegen nur die §§ 311, 318 I in Betracht, die viel Raum für den allgemeinen Haftungstatbestand lassen. § 93 wird nach überwiegender Ansicht jedenfalls nicht im ganzen Regelungsbereich des weiten § 311 verdrängt.309 Neben dem speziellen § 318 I ist er zwar unanwendbar,310 jedoch betrifft dies nur wenige Anwendungsfälle. Daraus folgt also konkret, dass die Erfüllung der Berichtspflicht das Vorstandsmitglied der abhängigen Gesellschaft nicht in jedem Falle von der Haftung freistellt, wenn dieses ein für die Gesellschaft nachteiliges Geschäft vornimmt. Die Pflichtwidrigkeit kann vielmehr auch darin bestehen, seine Einwände gegen eine besonders nachteilige Weisung nicht dem Vorstand des herrschenden Unternehmens vorgebracht zu ___________ 304 BGH ZIP 1987, 29 (32 f.); BGHZ 129, 136 (165 f.) (Girmes); GK-Hopt, § 93 Rn. 115, 272. 305 Vgl. S.H. Schneider/U.H. Schneider, AG 2005, 57 (63 ff.). 306 OLG Hamm ZIP 1995, 1263 (1269). 307 Canaris, ZGR 1978, 207 (214, 217). 308 Allgemein anerkannt für § 310; s. Canaris, ZGR 1978, 207; Hüffer, § 76 Rn. 18, § 310 Rn. 1; KK-Koppensteiner, § 310 Rn. 11; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 310 Rn. 4. So auch für § 323 GK-Hopt, § 93 Rn. 117. 309 Hueffer, § 76 Rn. 19, § 318 Rn. 9 f.; GK-Hopt, § 93 Rn. 118; MüHdbAG-Krieger, § 69 Rn. 61, 110; s. auch OLG Hamm ZIP 1995, 1263 (1271). 310 A.A. KK-Koppensteiner, § 318 Rn. 10.
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haben.311 Bei Bestehen eines zentralen Cash-Management-Systems wird der Vorstand die drohende Zahlungsunfähigkeit des Konzerns prüfen und ggf. die Einbringung von Finanzmitteln in den Liquiditätsverbund stoppen oder gar die bereits eingezalhten Mittel abberufen müssen.312 Auch hier, außerhalb des Geltungsbereichs von § 318 I, ist aber zu beachten, dass die Haftung aus § 93 durch die Spezialnorm modifiziert werden kann. In analoger Anwendung führt sie zu gesamtschuldnerischer Haftung mit den Verantwortlichen nach § 317.313 Ferner können die Aktionäre der abhängigen Gesellschaft gem. § 93 i.V.m. §§ 317 I 2, 318 I 1 analog ihren eigenen Schaden gegenüber der Gesellschaft geltend machen oder gem. § 318 IV analog i.V.m. § 309 IV die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand durchsetzen.314
4. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 93 I 1 AktG § 93 I 1 legt für die Haftung nach Abs. 2 einen individuellen, auf die Gruppe der Geschäftsleiter zugeschnittenen Sorgfaltsmaßstab fest und verdrängt als Spezialvorschrift den allgemeinen zivilrechtlichen Sorgfaltsbegriff des § 276 I BGB. Beide Normen haben jedoch gemein, dass sie auf dem Grundsatz der Verschuldenshaftung basieren und sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit haftungsbegründend wirken lassen.315 Während Vorsatz in § 93 I 1 nicht angesprochen wird und für dessen Beurteilung die zivilrechtlichen Definitionen heranzuziehen sind,316 ist der spezielle Fahrlässigkeitsmaßstab objektiver Natur und richtet sich nach dem Vorbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Als Mindestmaß gilt die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nach § 347 HGB, wobei die Treuhandstellung und die Bedeutung des Amtes in der Regel eine noch weitergehende Anspannung der Anforderungen rechtfertigen werden.317 Der Standard ist dennoch nicht starr, sondern relativ und variiert mit den Umständen des Einzelfalles. Er erfordert nicht in jedem Falle die größtmögliche Sorgfalt. Es kann nur „das Maß der Sorgfalt verlangt werden, das nach der Lebenserfahrung ein ordentlicher Geschäftsmann regelmäßig anwendet, um ___________ 311
Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 318 Rn. 12. Vgl. BGH ZIP 2001, 1874 (Bremer Vulkan). 313 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 318 Rn. 14 f.; KK-Koppensteiner, § 318 Rn. 11; a.A. Baumbach/Hueck, § 318 Rn. 7. 314 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 318 Rn. 16 f.; KK-Koppensteiner, § 318 Rn. 11. 315 Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 6; GK-Hopt, § 93 Rn. 252. 316 s. nur Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 10; Kust, WM 1980, 758 (758 f.). 317 KK-Mertens, § 93 Rn. 98. 312
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seine eigenen oder fremde Geschäfte, deren Besorgung ihm obliegt, zu führen.“318 Es wird ein solches Maß an Sorgfalt, Kenntnissen und Einsatz verlangt, wie es für das Unternehmen in seinem typischen Zuschnitt und in seiner konkreten Lage erforderlich ist. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Größe des Unternehmens, der Unternehmensgegenstand, die Organisationsform, die Betriebsstruktur, die Führungsorganisation, die Geschäft- und Finanzlage sowie die Marktsituation.319 Branchenübliche Standards sind hingegen mit Vorsicht und höchstens als Orientierungshilfe anzuwenden.320 Außer Betracht bleibt eine allgemein oder in der konkreten Branche üblich gewordene Sorglosigkeit. Es kommt lediglich auf die im Einzelfall tatsächlich erforderliche Sorgfalt an, die sich nach den herrschenden Anschauungen im redlichen Geschäftsverkehr richtet.321 Maßgeblich für die Beurteilung ist die ex ante-Sicht im Zeitpunkt der fraglichen Handlung und nicht etwa die nachträgliche Erkenntnis. Gar nicht berücksichtigt werden jedenfalls die persönlichen Umstände des betreffenden Vorstandsmitglieds wie z. B. Unkenntnis, Unerfahrenheit und Alter (objektiv typisierter Verschuldensmaßstab),322 ferner die Tatbeiträge und das Mitverschulden anderer Verwaltungsmitglieder bzw. Angestellter.323 Auch § 708 BGB ist auf Gesellschafter als Mitglieder gesetzlicher Organe bei Kapitalgesellschaften nicht anwendbar.324 Bei Ressortangelegenheiten sind die Erwartungen an das jeweils zuständige Vorstandsmitglied höher als die an seine Kollegen, die jedoch zumindest zur Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgabe fähig sein müssen. Die für seinen Aufgabenbereich notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen hat das Vorstandsmitglied zu besitzen oder sich zu verschaffen. In Einzelfällen hat er gegebenenfalls externe Experten zu Rate zu ziehen.325 Die Übernahme des Amtes trotz mangelnder Qualifikation entlastet ebensowenig wie die spätere Erkenntnis, den Aufgaben nicht gewachsen zu sein, die nicht mit einer Amtsniederlegung verbunden wird.326 Verfügt das Vorstandsmitglied wiederum über besondere, über das Mindestniveau hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten, so hat er diese stets in vollem Umfang in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. ___________ 318
RGZ 163, 208; Kust, WM 1980, 758 (759). BGH WM 1971, 1548 (1549); KK-Mertens, § 93 Rn. 29. 320 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 76. 321 Kust, WM 1980, 758 (760). 322 BGH WM 1981, 440; OLG Düsseldorf AG 1997, 231 (235) (ARAG/Garmenbeck). 323 BGH WM 1971, 1548 (1549); 1983, 725. 324 Voormann, Der Beirat, S. 192. 325 BGH WM 1971, 1548 (1549); KK-Mertens, § 93 Rn. 29, 99. 326 RGZ 144, 348 (355); BGHZ 85, 293 (295 f.) (Hertie); Kust, WM 1980, 758 (760); KK-Mertens, § 93 Rn. 99. 319
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Liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, so ist die Rechtswidrigkeit nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen indiziert und die Verschuldensvermutung des § 93 II 2 begründet, es sei denn, dass Rechtfertigungsgründe gegeben sind. Ein übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund kommt ausnahmsweise bei Erpressung des Vorstands durch Aktionäre in Betracht, die sich ihr Anfechtungsrecht abkaufen lassen wollen.327 Der Vorstand kann hier entgegen §§ 53a, 57 I 1, 93 III Nr. 1, 2, 5 die geforderte Geldsumme zahlen, sofern für die Gesellschaft unverhältnismäßige Nachteile zu erwarten sind, insbesondere wenn die Ausführung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses blockiert und somit die beabsichtigte Transaktion gefährdet wird. Er ist aber nachträglich verpflichtet, den Betrag gem. § 62 I und §§ 823, 826 BGB zurückzufordern. Außerhalb einer solchen Nötigungslage ist der Abkauf von Anfechtungsrechten als Einlagenrückgewähr pflichtwidrig. Aufgrund seines objektiven Charakters indiziert jede Abweichung von dem Sorgfaltsmaßstab ferner den Schuldvorwurf. Ein Rechtsirrtum wirkt nur dann als Entschuldigungsgrund, wenn im konkreten Fall unverzügliches Handeln erforderlich und die Einholung eines rechtlichen Rats nicht mehr möglich war, es sei denn, dass gerade das Zulassen einer solchen unvorhergesehenen Situation selbst einen Schuldvorwurf begründet.328 Grundsätzlich sind Unkenntnis bzw. Missdeutung des geltenden Rechts aber unbeachtlich, es sei denn, das betreffende Gesetz ist höchst mehrdeutig oder unbestimmt. Hier ist der Vorstand berechtigt, der für die Gesellschaft günstigen Rechtsauffassung zu folgen.329
5. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens: von der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH zu § 93 I 2 AktG n.F. Bei der Beurteilung der Sorgfalt eines Vorstandsmitglieds stellt sich die Frage, inwiefern die Gerichte zu einer ex post-Beurteilung seiner unternehmerischen Entscheidungen330 berechtigt sein sollen. Diese zeichnen sich zumeist durch eine Vielzahl an gangbaren Richtungen, großen Zeitdruck und ein Prognoseelement aus, sodass sie letztlich immer sog. „Entscheidungen unter Unsi___________ 327 Vgl. OLG Köln AG 1988, 349 (351 f.); OLG Köln ZIP 1988, 1391 (1393 f.); OLG Hamm WM 1988, 1164; KK-Lutter, § 57 Rn. 29; KK-Mertens, § 93 Rn. 39. 328 GK-Hopt, § 93 Rn. 255; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 6; KK-Mertens, § 93 Rn. 99. 329 Kust, WM 1980, 758 (761, 764); KK-Mertens, § 93 Rn. 38. 330 Zur Definition s. Lutter, GmbHR 2000, 301 (306 f.): Da sich unternehmerische Entscheidungen gerade durch die Freiheit der Gesellschaft und mithin des Geschäftsführers auszeichnen, fallen die Einhaltung von Gesetz und Satzung sowie die Erfüllung der weitgehend „ermessensresistenten“ Loyalitätspflichten nicht darunter.
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cherheit“331 bleiben, die von der tatsächlichen späteren Entwicklung überholt werden können. Will man hier keine Erfolgshaftung statuieren, so muss dem Vorstand daher ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt werden. Hinzu kommt, dass eine Risikominimierung den Erfolg des Unternehmens gefährden würde. Schließlich erscheinen die Gerichte nicht als geeignete Stellen zur Beurteilung solch komplexer Sachverhalte, zumal es dem Richter schwer fallen dürfte, in Kenntnis des Misserfolgs einer Maßnahme die vorangegangene Entscheidungsfindung unvoreingenommen ex ante zu bewerten.332 Insofern bestand auch in Deutschland von Anfang an Konsens darüber, dass das Gesellschaftsrecht vernünftige unternehmerische Risikoentscheidungen zulassen und gar fördern sollte, um Anreize für eine kreative und innovationsfreudige Geschäftsführung zu liefern. Um diesen Zweck zu erreichen, hat man im Laufe der Jahre jedoch unterschiedliche Wege eingeschlagen. Zum einen sollte schon die Ausgestaltung des Haftungstatbestandes als Generalklausel dazu führen, dass die einzelnen Verhaltensanforderungen an Geschäftsleiter von den Gerichten anhand konkreter Fälle herausgearbeitet werden. Hierbei hoffte man auf eine automatische Zurückhaltung der Richter bei der Beurteilung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse. Zum anderen hat der Gesetzgeber erhebliche Hürden für die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche gegen die Geschäftsleiter seitens der Aktionäre aufgestellt. Damit lieferte er dem Management aber einen Freibrief, der entgegen der eigentlichen Absicht nicht nur im Bereich der Sorgfaltspflicht, sondern auch bei den Loyalitätspflichten galt. Einen neuen und unorthodoxen Weg hat schließlich 1997 der BGH mit seiner Grundsatzentscheidung ARAG/Garmenbeck eingeschlagen:333 Zur Debatte stand die Nichtigkeit zweier Aufsichtsratsbeschlüsse, mit denen die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden der Rechtsschutzversicherung ARAG abgelehnt worden war.
___________ 331 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69 f.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 80. 332 Fleischer, FS-Wiedemann, S. 827 (832): „Hindsight Bias“. 333 Als den ARAG-Fall versteht man heute lediglich die gegen den Aufsichtsrat durch zwei seiner Mitglieder erhobene Klage, BGHZ 135, 244; Vorinstanzen LG Düsseldorf ZIP 1994, 628; OLG Düsseldorf ZIP 1994, 628; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183. Der komplexe Sachverhalt hat indes noch drei weitere Prozesse hervorgebracht: die Klage der AG, vertreten durch den Aufsichtsrat, gegen den Hauptverantwortlichen Finanzvorstand (OLG Düsseldorf ZIP 1997, 27); die Klage der AG, vertreten durch besondere Vertreter i.S.d. § 147 III AktG, gegen die übrigen Vorstandsmitglieder einschließlich des Vorstandsvorsitzenden (LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985) und den Rechtsstreit der Aktionäre untereinander um die Geltendmachung der o.g. Ansprüche (LG Düsseldorf AG 1994, 330; OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1083). Einen Überblick über die verschiedenen Prozesse im Zusammenhang mit dem Fall bietet Grooterhorst, ZIP 1999, 1117.
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Dieser hat als Geschäftsführer zweier Tochtergesellschaften der ARAG AG eine unseriöse Geschäftsbeziehung zu der Londoner Garmenbeck Ltd. eingeleitet (London war lediglich eine Briefkastenadresse für die von der Schweiz aus abgewickelten Anlagengeschäfte eines mehrfach vorbestraften Elektroinstallateurs), die in einer Reihe schwerwiegender Verlustgeschäfte für die Muttergesellschaft mündete. Nach dem vorhersehbaren Zusammenbruch der nach einem sog. „Schneeball-System“ arbeitenden Garmenbeck Ltd. erlitt die ARAG zunächst einen Zinsausfallschaden aus Darlehensgeschäften i. H. v. 421.000 DM. Für Kreditanlagegeschäfte einer ihrer Tochtergesellschaften musste die AG ferner mit mehr als 80 Millionen DM einstehen. Als die ARAG schließlich dazu herangezogen wurde, ihrer Patronatserklärung zu entsprechen – eine der Tochtergesellschaften hatte der Ltd. ein mit Bankkrediten finanziertes Darlehen gewährt, welches nun nicht mehr beizutreiben war, sodass die Muttergesellschaft die Banken befriedigen musste – stellte sich heraus, dass die zur Absicherung des Geschäfts eingeholte Garantieerklärung einer Rückversicherung zu spät abgegeben und somit nutzlos war. Zu beurteilen waren also ein eventueller Sorgfaltspflichtverstoß des Vorstandsvorsitzenden sowie die Pflicht des Aufsichtsrates, den entsprechenden Schadensersatzanspruch der AG zu verfolgen. Da das Organ aber bereits zwei ablehnende Beschlüsse gefasst hatte, hatte das Gericht zunächst über die Zulässigkeit der von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklage zu befinden. Das Rechtsschutzinteresse der Aufsichtsratsmitglieder an der Feststellung der Nichtigkeit eines rechtswidrigen Aufsichtsratsbeschlusses ergibt sich nach Ansicht des BGH aus ihrer Organstellung und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse.334 Wie das Gericht weiter zur Begründetheit der Klage feststellte, habe der Aufsichtsrat die Pflicht, Bestehen, Durchsetzbarkeit, Prozessrisiko und Beitreibbarkeit von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen. Diese seien anschließend grundsätzlich zu verfolgen, es sei denn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls sprechen ausnahmsweise dagegen.335 Von Interesse ist hier aber insbesondere die dritte Festestellung des BGH, wonach dem Vorstand für die Leitung der AG ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden müsse, ohne den unternehmerisches Handeln schlechterdings nicht denkbar sei.336 Dieses beinhalte nämlich das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken sowie die unvermeidbare Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen. Bleibt bei verantwortungsvoller Unternehmensführung der Erfolg aus, weil es dem Vorstandsmitglied an der „glücklichen Hand“ bzw. dem notwendigen Gespür fehlt, so könne er zwar entlassen, nicht aber zum Schadensersatz verpflichtet werden. Im einzelnen setze die Haftungsfreiheit337 lediglich voraus, dass das Handeln
___________ 334
BGHZ 135, 244 (Leitsatz a) und S. 248). BGHZ 135, 244 (Leitsätze und S. 252 ff.); s. dazu ausführlich unten, 5. Kapitel, B. IV. 1. a) aa). 336 BGHZ 135, 244 (Leitsatz b) und S. 253 f.). 337 Genau genommen fehlt es hier aber nicht etwa am Verschulden, sondern bereits an einer objektiven Pflichtverletzung, weshalb z.T. Wert auf die Bezeichnung „nicht pflichtwidrige unternehmerische Fehlentscheidung“ gelegt wird; s. Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (104, 118). 335
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• von Verantwortungsbewusstsein getragen (Fehlen von Interessenkonflikten),338 • ausschließlich am Unternehmenswohl orientiert ist (Orientierung am Unternehmensinteresse),339 • auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht (hinreichende Information), • keine unverantwortlichen Risiken übernommen werden (Risikogrenze) und • das Verhalten nicht aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss (rechtmäßiges Handeln).
Seit dem 1. November 2005 finden sich diese Grundsätze in § 93 I 2 AktG n.F. wieder. Die durch das UMAG340 eingefügte Norm ähnelt dem früheren Vorschlag Ulmers341 und geht auf die Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance342 zurück: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“
Als Grenzen des unternehmerischen Ermessens hat der Gesetzgeber im Anschluss an den BGH somit zunächst die drei Elemente der US-amerikanischen „business judgment rule“ übernommen: disinterested judgment, rational belief bzw. good faith und informed judgment.343 Um den Haftungsvoraussetzungen des deutschen Recht in § 93 I und II AktG gerecht zu werden, musste dort aber darüber hinaus auch die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters mit einfließen. Hieraus folgen die beiden weiteren Elemente, nämlich die Risikogrenze und die Grenze der Rechtmäßigkeit.344 ___________ 338 So die Deutung des „Verantwortungsbewusstseins“ bei Henze, NJW 1998, 3309 (3311); ders., BB 2001, 53 (57); für eine gesetzliche Klarstellung, dass es sich beim Fehlen von Interessenkonflikten um eine Anwendungsvoraussetzung handelt, Fleischer, WPg-Sonderheft 2001, 136 (137); ders., FS-Wiedemann, S. 827 (842 f.). 339 Ulmer zieht die ersten beiden Elemente indes zu dem einzelnen Erfordernis eines „ausschließlich am Unternehmenswohl orientierten, uneigennützigen unternehmerischen Handelns, also dem Fehlen eines dem Unternehmenswohl widerstreitenden Eigeninteresses“ zusammen; s. ZHR 163 (1999), 290 (298). 340 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.09.2005, BGBl. I (2005), 2802. 341 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299). 342 Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 70. 343 Vgl. Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del.S.Ct.1985); Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 130 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 682 ff. Dieselben drei Elemente finden sich auch in der neueren Formulierung des australischen Gesetzgebers wieder; s. Section 180(2) Corporate Law Economic Reform Program (CLERP) Act 1999; dazu Paton [2000] ICCLR 309 (313 f.). 344 Henze, NJW 1998, 3309 (3310 f.); etwas anders hingegen Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (298), der lediglich die Risikogrenze als dem amerikanischen Recht fremd einstuft. An deren Stelle trete dort erst die deutlich weitere Grenze von „waste“, also
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Von elementarer Bedeutung ist die Ausrichtung des unternehmerischen Ermessens am Interesse der Gesellschaft. Nach bisheriger Lesart des deutschen Rechts würde dies – wie oben gezeigt – eine Bindung des Vorstandsmitglieds an das komplexe Interessengeflecht aus Gesellschaft, Aktionären, Gläubigern, Arbeitnehmern und Allgemeinheit („Unternehmensinteresse“) bedeuten. Damit würde eine eindeutige und überprüfbare Zielvorgabe fehlen, sodass es dem Geschäftsleiter nicht schwer fallen dürfte nachzuweisen, dass er einen angemessenen Ausgleich aller Belange angestrebt und damit die erste Anforderung erfüllt hat. Allerdings spricht das Gesetz nunmehr vom „Wohl der Gesellschaft“ anstatt vom „Unternehmenswohl“. Es bleibt abzuwarten, ob die Abweichung von der herkömmlichen und in der ARAG-Entscheidung verwedeten Terminologie tatsächlich einen Paradigmenwechsel einläutet. Die Regierungsbegründung legt sich insofern nicht fest: Ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft liege „jedenfalls vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ diene.345 Will man das Merkmal des Fehlens von Interessenkonflikten nach amerikanischem Vorbild auslegen, so ist dieses nicht gegeben, sobald das Vorstandsmitglied ein persönliches Interesse an der Entscheidung hat oder gar nur einen entsprechenden Anschein erweckt.346 Die Regierungsbegründung spricht lediglich davon, dass das Handeln „unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz“ sein muss. Ferner hält sie eine ausdrückliche Erwähnung im Gesetzestext für entbehrlich, dürfe doch nur der von Sondereinflüssen freie Geschäftsleiter annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.347 Unerlässlich ist ferner eine sorgfältige Ermittlung entscheidungsrelevanter Informationen unter Ausschöpfung aller bestehenden und ggf. Schaffung neuer Quellen.348 Innerhalb des Unternehmens ist daher auf den Aufbau einer funktionierenden Controlling-Abteilung bzw. der Internen Revision zu achten und seit dem KonTraG gem. § 91 II ein Überwachungssystem einzurichten.349 Bei Bedarf ist externer sachverständiger Rat einzuholen, der jedoch über das hinausgehen muss, was vom Vorstandsmitglied selbst zu erwarten ist.350 Bei ___________ der Verschwendung von Gesellschaftsvermögen ohne nennenswerte Gegenleistung. Im Hinblick auf diese Modifikationen sollte man im deutchen Recht daher streng genommen nicht von der business judgment rule, sondern vom Grundsatz des unternehmerischen Ermessens sprechen; vgl. für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 45a. 345 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 11. 346 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 687. 347 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 11. 348 BGH AG 1985, 165; BGH NJW-RR 1995, 669; OLG Hamm ZIP 1995, 1263 (1269); Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69 f. 349 Götz, AG 1995, 337 (338). 350 BGH AG 1985, 165; BGH BB 1995, 2180 (2181).
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dringenden Entscheidungen wird man auf derart umfassende Vorbereitungen jedoch verzichten können und müssen.351 Inhaltlich wird die Entscheidungsvorbereitung Informationen über das Unternehmen und sein Marktumfeld umfassen, sich aber u.U. auch auf strategisch wichtige wirtschaftliche und politische Entwicklungen erstrecken.352 Die Intensität der Informationsbeschaffung wird in Anlehnung an das amerikanische Vorbild dadurch bestimmt, was das Vorstandsmitglied vernünftigerweise für angemessen halten durfte.353 Der Übernahme unverantwortlicher Risiken wirkt nunmehr das Merkmal „vernünftigerweise“ entgegen.354 Schwierig gestaltet sich die Ermittlung der zulässigen Risikogrenze, ist doch Risikominimierung im Wirtschaftsleben gerade nicht erwünscht.355 Der BGH spricht in der ARAG/GarmenbeckEntscheidung daher von einer „deutlichen“ und „unverantwortlichen“ Überspannung der Risikobereitschaft.356 An anderer Stelle erwähnt er Maßnahmen, die schlechthin nicht zu rechtfertigen sind und „zu deren Durchführung ein verantwortungsbewusst denkender und handelnder Kaufmann zu keiner Zeit bereit wäre“.357 Die Literatur plädiert für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Risiko und dem potentiellen Ertrag, das nicht nur die absolute Höhe des Möglichen Gewinns bzw. Schadens, sondern auch die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Ereignisse berücksichtigt.358 Der Bestand des Unternehmens dürfe aber grundsätzlich nicht gefährdet werden,359 es sei denn, dass das fragliche Risiko dauerhaft die einzige Möglichkeit zum Bestehen am Markt eröffnet.360 Für hohe Risiken wird ggf. eine Absicherung – z. B. durch Versicherung, Kurssicherung – erforderlich sein, um dem im ARAG-Fall erhobenen Vorwurf des Leichtsinns entgehen zu können.361 ___________ 351
Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 69 f. KK-Mertens, § 93 Rn. 45; GK-Hopt, § 93 Rn. 85. Zum ersten Bereich gehören hiernach Organisation, Mitarbeiter, Produkte, F&E und die Finanzsituation des Unternehmens sowie dessen Marktstellung, Marktentwicklung, Konkurrenzprodukte und Auslandsmärkte. 353 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 11 f.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 688 ff. 354 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 11. 355 BGH AG 1978, 79 (81); RGZ 129, 272 (275); GK-Hopt, § 93 Rn. 82; scheinbar anders KK-Mertens, § 93 Rn. 48, der sich in Rn. 29 aber selbst widerspricht. 356 BGHZ 135, 244 (253 f.); vgl auch Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13a: „schlechthin unvertretbar“. 357 BGHZ 119, 305 (331) (Klöckner); so auch Henze, NJW 1998, 3309 (3311). 358 GK-Hopt, § 93 Rn. 82; BGHZ 69, 207 (215); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. 21. 359 KK-Mertens, § 93 Rn. 48 f. 360 GK-Hopt, § 93 Rn. 82. 361 GK-Hopt, § 93 Rn. 82. 352
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Die Forderung, dass das Handeln „nicht aus anderen Gründen pflichtwidrig“ sein dürfe, kann schließlich u.a. mit Hilfe des Katalogs des § 93 III konkretisiert werden362 und verlangt die Abwesenheit von Gesetzes- oder Satzungsverstößen.363 Sie wird nunmehr in das Tatbestandsmerkmal „unternehmerische Entscheidung“ hineingelesen.364 Dogmatisch wird dieser „Vorrang der Legalitätspflicht“ aus dem „universalen Geltungsanspruch der Rechtsordnung“ hergeleitet, und damit gerechtfertigt, dass den Gerichten diesbezüglich – und anders als bei unternehmerischen Entscheidungen – konkrete Beurteilungsmaßstäbe zur Verfügung stünden.365 Aus der Definition unternehmerischer Entscheidungen als solche, die „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“ sind, folgt zugleich, dass die Haftungserleichterung nicht auf Verletzungen von Treue- und Informationspflichten anwendbar ist.366 Die grundsätzliche Anerkennung eines Haftungsfreiraums stößt in der Literatur überwiegend auf Zustimmung.367 Sie entschärft die als besonders streng geltende materielle Haftungsnorm und ermöglicht so eine Erleichterung der bisher sehr schwachen Durchsetzungsmöglichkeiten. An die Stelle der oben beschriebenen Wahrung der Risikobereitschaft durch Minimierung der Klagemöglichkeiten kann somit nunmehr ein „Gleichklang von materiellem Recht und Rechtsverfolgung“ 368 in Gestalt des verschärften Verfollgungsrechts gem. § 148 AktG n.F. treten. Zu beachten ist aber schließlich, dass die amerikanische business judgment rule durch ihre Beweislastregelung insgesamt eine deutlich weitere Haftungserleichterung begründet: Im Rahmen eines Eingangstests wird hier solange unterstellt, dass sich der Manager im Bereich einer einwandfreien unternehmerischen Entscheidung bewegt hat, bis der Kläger die Verletzung einer der drei Voraussetzungen darlegen kann.369 § 93 I 2 AktG ist hingegen als Ausnahme
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Henze, NJW 1998, 3309 (3311). Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (298); Henze, BB 2001, 53 (57). 364 Kritisch insofern die Stellungnahme des Bundesrates zur Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 33. 365 Fleischer, ZIP 2005, 141 (149). 366 Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 11. 367 Horn, ZIP 1997, 1129 (1134 f., 1139); Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (105 ff.); Mertens, in: Fedderson/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155 (156); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299); für eine Weiterentwicklung GK-Hopt, § 93 Rn. 83; kritisch Heermann, AG 1998, 201 (204 f.), der eine Aushöhlung des § 93 II 2 befürchtet. 368 Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299). 369 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 130. 363
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ausgestaltet, deren Vorliegen vom Geschäftsleiter darzulegen und zu beweisen ist.370
II. Geschäftsführer: § 43 I, II GmbHG 1. Rechtsgrundlage und Anwendungsbereich Pflichten und Verantwortlichkeit der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft ergeben sich aus § 43 I, II nach denen sie in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden haben. Wie schon § 93 AktG bildet die Norm einen allgemeinen Haftungstatbestand und legt zugleich einen Verschuldensmaßstab fest. Die Anwendbarkeit als Haftungsgrundlage setzt auch hier eine Konkretisierung und Systematisierung der Fülle an Einzelpflichten voraus, wobei die Zweiteilung in die Sorgfaltspflicht und die Gruppe der Loyalitätspflichten371 beibehalten und sogleich auf die Tatbestandsmerkmale der ersteren eingegangen werden soll. Die Verhaltenspflichten des § 43 entsprechen weitestgehend denen des § 93 AktG,372 weshalb im Folgenden die Betonung auf die verbleibenden Unterschiede gelegt wird. Der Anwendungsbereich des § 43 erstreckt sich ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages auf jeden wirksam bestellten (stellvertretenden, § 44) Geschäftsführer und knüpft an die Übernahme des Amtes an. Erfasst wird somit auch der faktische Geschäftsführer, der sich trotz Fehlens eines Bestellungsaktes „wie eine Geschäftsführer“ geriert oder zumindest dauerhaften Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt.373 Weder direkt noch analog ist § 43 auf (Mehrheits-)Gesellschafter anwendbar, die im Rahmen der Gesellschafterversammlung ihre Mitverwaltungsrechte wahrnehmen, im Gegensatz zu Gesellschaftern, die das Unternehmen faktisch leiten.374 ___________ 370
Begründung RegE UMAG, BT-Drucks 15/5092 S. 12; für eine Weiterentwicklung daher GK-Hopt, § 93 Rn. 83 und Hopt, FS-Mestmäcker, S. 909 (920 f.); kritisch Heermann, AG 1998, 201 (204 f.), der eine Aushöhlung des § 93 II 2 befürchtet. 371 In der Literatur ist die Terminologie auch bei § 43 uneinheitlich: Scholz/Schneider, § 43 Rn. 25 ff. unterscheidet hier zwischen der Pflicht, den Gesellschaftszweck aktiv zu verfolgen, den Kooperationspflichten, den gesetzlichen Pflichten und den Loyalitätspflichten. 372 Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (70); Goette, in: FS-50 Jahre BGH, S. 123 (125); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 32. 373 BGH GmbHR 1974, 9; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 14 ff., 19 der die Haftung unter diesen Umständen auch auf juristische Personen erstrecken will. Zur Lage bei bloß fehlerhafter Bestellung BGH GmbHR 1995, 128 (LS). 374 BGH WM 1999, 1565; Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1842 ff.); Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 53; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 16 ff.; a.A. für Entscheidungen zur Unterneh-
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2. Tatbestandsmerkmale a) Elementarpflicht: Rechtmäßiges Handeln Nicht anders als beim Vorstand verlangt die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln von den GmbH-Geschäftsführern zunächst die Beachtung der an ihn selbst oder an die GmbH gerichteten gesetzlichen Spezialpflichten und -aufgaben. Dazu zählen zunächst die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 I und 33 i.V.m. §§ 31 VI, 43 II, § 43 a sowie die Insolvenzantragspflicht gem. § 64 bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft. Bereits wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist, haben sie dies den Gesellschaftern anzuzeigen und unverzüglich die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§§ 84 I Nr. 1, 49 III). Sie sind ferner verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen (§ 41, §§ 238 ff. HGB).375 Außerhalb des GmbHG sind die Geschäftsführer für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern sowie für die Abgabe von Steuererklärungen namens der GmbH verantwortlich.376 Sie haben ferner die Vorschriften des Straf-, Kartell-, Wettbewerbs-, Arbeits-, Gewerbe- und Umweltrechts377 zu beachten, ganz gleich, ob diese direkt an die Geschäftsführer oder nur an die GmbH selbst gerichtet sind.378 Vertragliche Verpflichtungen der GmbH braucht der Geschäftsführer hingegen nicht in jedem Falle zu erfüllen.379 Als rechtlich unverbindlich, wenn auch indikativ, sind ferner außergesetzliche Richtlinien, Verhaltenscodizes und ethische Grundsätze einzustufen. Sie können höchstens als Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht Bedeutung erlangen, sofern sie die Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensleitung wiedergeben oder dem Geschäftsführer im Anstellungsvertrag auferlegt werden. Werden sie befolgt, so schließen sie aber jedenfalls die Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerhandelns aus.380 ___________ menspolitik Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 322 ff. Für generelle Unanwendbarkeit des § 43 auf Gesellschafter Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 51 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2025 f.). 375 BGH GmbHR 1991, 101. 376 § 34 AO; OLG Hamburg GmbHR 2000, 185. 377 Kritisch zur Fülle der dem öffentlichen Interesse dienenden Pflichten Scholz/Schneider, § 43 Rn. 11. 378 BGHZ 133, 370; Lutter, GmbHR 2000, 301 (302); Rowedder/Schmidt-LeithoffKoppensteiner, § 43 Rn. 10; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 51; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (699). 379 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 53; gegenteiliges Beispiel bei BGH WM 1975, 467. 380 Lutter, GmbHR 2000, 301 (303 f., Gebote 2, 3, 4); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 21; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 4 f., 44 a, 55.
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Die Geschäftsführer sind im Innenverhältnis ferner gem. § 37 I an die Beschränkungen ihrer Geschäftsführungsbefugnis durch Kompetenzregeln gebunden, die im Gesellschaftsvertrag (insbesondere durch die Definition des Unternehmenszwecks und -gegenstandes), durch Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafter, den Anstellungsvertrag oder die Geschäftsordnung festgelegt werden können.381 Die Folgepflicht – aber auch das Folgerecht – bestehen nur bei zulässigen, gesetzmäßigen Weisungen, die aber durchaus die Gesellschaft schädigen oder dem Geschäftsführer sachlich verfehlt erscheinen können.382 Auch anfechtbare Beschlüsse sind nach überwiegender Ansicht verbindlich, wenn auch vom Geschäftsführer selbst anfechtbar.383 Über schwere Bedenken hat der Geschäftsführer vor deren Ausführung allerdings die Gesellschafter zu unterrichten.384 Keine Pflichtverletzung liegt hingegen vor, wenn der Geschäftsführer rechtswidrige Beschlüsse oder Weisungen missachtet.385 Ergeben sich zwischen Weisungserteilung und deren Ausführung erhebliche tatsächliche Veränderungen, so hat er den Sachverhalt den Gesellschaftern erneut vorzulegen.386 Aus der übergeordneten Stellung der Gesellschaftergesamtheit ergibt sich sogar eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf den bloßen – erkennbaren oder mutmaßlichen – Willen der Gesellschafter. Im Hinblick auf deren Zuständigkeit für die Unternehmenspolitik wird dieser Wille dem Geschäftsführer bei allen ungewöhnlichen Maßnahmen im Zweifel eine Vorlagepflicht i.S.d. § 49 II auferlegen.387
b) Allgemeine Sorgfalt Bei Erfüllung ihrer Aufgaben haben die Geschäftsführer zunächst die allgemeine Sorgfalt anzuwenden, die weitestgehend der des Vorstands entspricht. Dazu gehört, dass sie ihre Aufgaben überhaupt wahrnehmen und ihr Amt nicht unberechtigt zur Unzeit, beispielsweise in der Krise der Gesellschaft, niederle___________ 381
Scholz/Schneider, § 43 Rn. 56 ff. OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346 (347 f.); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 37 Rn. 69; Lutter, GmbHR 2000, 301 (303 f.); zum Folgerecht Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (73). 383 BGH GmbHR 1974, 131 (132); Fleck, GmbHR 1974, 224 (227 f.); ders., ZHR 149 (1985), 387 (406); a.A. BGHZ 76, 154 (159). 384 BGH GmbHR 1974, 131 (132); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 95. 385 BGHZ 31, 258 (278); BGH NJW 1974, 1088 (1089) (Rechtswidrigkeit aufgrund eines Verstoßes gegen Kapitalerhaltungsvorschriften bzw. öffentlichrechtliche Pflichten). 386 Fleck, GmbHR 1974, 224 (228); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 95. 387 BGH NJW 1984, 1461; s. auch BGH GmbHR 1991, 197. 382
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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gen.388 Sie haben alle Entscheidungen hinreichend vorzubereiten, insbesondere Vorschläge für die von den Gesellschaftern aufzustellenden Grundsätze der Unternehmenspolitik zu machen und deren diesbezügliche Entscheidungen umzusetzen.389 Sie haben die GmbH ferner nach anerkannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen390 zu leiten und dürfen keine übertriebenen Risiken eingehen.391 Auch für die Geschäftsführer gilt das Verbot, das Vermögen der Gesellschaft zu verschleudern.392 Ferner sind sie für das Tagesgeschäft und eine funktionierende Organisation der Gesellschaft verantwortlich, einschließlich der Anweisungen an nachgeordnete Ebenen und deren Überwachung.393 Vor allem aber sind die Geschäftsführer verpflichtet, die Lage der Gesellschaft – insbesondere Finanzen und Liquidität – regelmäßig zu kontrollieren, wobei in mittleren und größeren Unternehmen eine Finanz- und Liquiditätsplanung zu fordern sein wird.394 In der Krise haben sie Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, die Finanzlage nunmehr laufend im Auge zu behalten und im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht des § 64 I stets einen aktuellen Überschuldungsstatus zur Hand zu haben. Für die dreiwöchige Antragsfrist ist nämlich nach allgemeiner Meinung der objektive Eintritt der Insolvenz maßgeblich, und nicht etwa die subjektive Kenntnisnahme des Geschäftsführers hiervon.395 Ungeklärt ist indes, ob sich auch für die GmbH die Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems ergibt, sei es in entsprechender Anwendung des § 91 II AktG oder als Ausfluss der Pflicht zur allgemeinen Sorgfalt.396 Das KonTraG hat die Einführung einer entsprechenden Regelung in das GmbHG abgelehnt und dafür plädiert, eine mögliche Ausstrahlungswirkung des § 91 II AktG auf die GmbH abzuwarten.397 Während aus § 43 auch schon zuvor die Pflicht des Geschäftsführers, bestandsgefährdende Risiken zu meiden, abgeleitet wurde, hat das Schrifttum inzwischen klargestellt, dass die Sorgfaltspflicht ___________ 388 OLG Koblenz NJW-RR 1995, 556; etwas anders Scholz/Schneider, § 43 Rn. 93a, der hier nur den Anstellungsvertrag als mögliche Haftungsgrundlage ansieht. 389 BGHZ 75, 96 (109 f.) (Herstatt); Lutter, GmbHR 2000, 301 (306 ff., 10. Gebot); Scholz/Schneider, § 37 Rn. 10 ff.; § 43 Rn. 42. 390 s. o. und speziell für die GmbH Lutter, GmbHR 2000, 301 (304). 391 s. dazu unten, 3. Kapitel, B. II. 4. 392 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 80. 393 BGHZ 109, 297 (Baustoff); BGH GmbHR 1995, 299; Lutter, GmbHR 2000, 301 (304 f.); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 42, 72 ff, 78 ff und die Einzelbeispiele in Rn. 79a ff. 394 BGH ZIP 1995, 560; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 24; Lutter, GmbHR 2000, 301 (305). 395 BGH GmbHR 1995, 299. 396 Altmeppen ZGR 1999, 291 (300); Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 19; Scharpf, DB 1997, 737. 397 BR-Drucks. 827/97, S. 37.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
auch die Einrichtung eines „Risikoerfassungssystem“ erfordert.398 Somit hat auch der Geschäftsführer bestandsgefährdende Risiken zu erfassen und zu kontrollieren, wobei sich Inhalt und Umfang des Risiko-Controllings nach Unternehmensgröße und -gegenstand sowie nach den Risikoarten zu richten haben.
c) Fachspezifische Sorgfalt Das erwartete Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten richtet sich einerseits nach Größe, Branche, Funktion und Gegenstand des Unternehmens, andererseits nach der individuellen Position des Geschäftsführers, die durch den Gesellschaftsvertrag und den Anstellungsvertrag bestimmt wird und nach der konkreten Entscheidungssituation. Gemessen daran hat der Geschäftsführer die „gesicherten Erkenntnisse“ und die „bewährten Erfahrungen unternehmerischen Verhaltens“ zu beherzigen, ohne jedoch ein akademisch ausgebildeter Betriebswirt sein zu müssen.399
d) Arbeitseinsatz Der Geschäftsführer hat seine gesamte Arbeitskraft und alle seinen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.400 Daraus folgt, dass er in Zeiten stärkerer Belastung keine „Überstunden“ geltend machen und deren zusätzliche Bezahlung fordern kann. Im Übrigen hat er jedoch – vorbehaltlich einer anstellungsvertraglichen Regelung – keine festen Dienstzeiten und kann sich seine Arbeitszeit selbst einteilen.401 Der konkrete Inhalt der Arbeitsleistung und der erwartete Zeitaufwand variieren je nach Gegenstand, Größe, Branche und wirtschaftlicher Lage des Unternehmens. Nebentätigkeiten sind zwar nicht gänzlich unzulässig. Wird der Gesellschaft hierdurch aber die geschuldete Arbeitskraft vorenthalten, so ist ihr der marktübliche Preis der entgangenen Dienste als Schaden zu ersetzen.402
___________ 398
Altmeppen, ZGR 1999, 291 (300 ff.); Lutter, GmbHR 2000, 301 (305); Kuhl/Nickel, DB 1999, 133; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 78a. 399 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 76 f.; OLG Zweibrücken NZG 1999, 506 (507); Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (33 ff.). 400 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 94. 401 BGH BB 1988, 290; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 94. 402 BGH BB 1988, 290 (291); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 94.
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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e) Aufgabendelegation Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so folgt für sie aus § 35 II 2 der Grundsatz der Gesamtverantwortung, der sie jedoch nicht an einer Geschäftsverteilung innerhalb des Kollegiums oder an der Aufgabendelegation an nachgeordnete Mitarbeiter hindert. Diese können durch Satzung, Gesellschafterbeschluss oder ausdrücklichen Beschluss der Geschäftsführer vorgenommen werden.403 Von der Geschäftsverteilung und Delegation ausgenommen sind jedoch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, wie die Vorbereitung der Unternehmenspolitik, die Festlegung der Organisationsstruktur, die Geschäftsverteilung, die Auswahl und Überwachung leitender Mitarbeiter, existentielle Entscheidungen, Fragen, die die Satzung zwingend dem Gesamtgremium zugewiesen hat, sowie persönlich auferlegte gesetzliche Pflichten.404 Da der einzelne Geschäftsführer von der Geschäftsführung aber weitgehend ausgeschlossen werden kann, ist der „Kernbereich zwingender Gesamtzuständigkeit“ bei der GmbH deutlich kleiner als bei der AG.405 Die Aufgabenverteilung der Geschäftsführer untereinander – die auch in einer Geschäftsordnung oder im Anstellungsvertrag festgelegt werden kann – verpflichtet jeden von ihnen zur kollegialen Zusammenarbeit, also vor allem zur hinreichenden Weitergabe von Informationen. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsführern und den Gesellschaftern bzw. dem Aufsichtsrat.406 Auch ein Beirat mit Beratungs- oder Überwachungsfunktion ist über die für ihn relevanten Angelegenheiten nach Vorbild des § 52 I GmbHG i.V.m. §§ 90 III, 111 II AktG zu informieren, wobei sich der Umfang seiner Auskunftsrechte nach den ihm im Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Kompetenzen richtet.407 Aus § 51a und der Zuständigkeit der Gesellschafter für Fragen der Unternehmensleitung folgt insbesondere, dass der Geschäftsführer – im Gegensatz zum Vorstand – gegenüber den Gesellschaftern als Organ keine Informationen geheim halten darf.408 ___________ 403 OLG Stuttgart GmbHR 1992, 48; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 35. Nach anderer Ansicht soll eine bloß faktische Geschäftsaufteilung ausreichen; s. OLG Frankfurt ZIP 1995, 213. Dagegen sprechen aber die erhebliche Rechtsunsicherheit, und die gerade im Streitfall nicht nachvollziehbare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche; s. Lutter, GmbHR 2000, 301 (310); Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 37. 404 §§ 30 I, 33, 41, 42, 49 III, 64, 78, 84 I Nr. 1; § 34 AO. s. ferner BGH GmbHR 1990, 500 (503); BGH WM 1971, 1548; MüHdbGmbH-Marsch-Barner/Diekmann, § 44 Rn. 77; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 36a, 40 f. 405 Scholz/Schneider, § 37 Rn. 37, § 43 Rn. 39. 406 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 84; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 111 ff. 407 Voormann, Der Beirat, S. 146. 408 Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 121 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 21. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 114 plä-
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
Während der Beauftragte selbst innerhalb seines Ressorts die volle Verantwortung übernimmt, wird der Inhalt seiner Pflichten gegenüber den anderen Ressorts modifiziert: dort ist er lediglich zu angemessener Informationseinholung und Überwachung verpflichtet.409 Er hat deren Qualifikationen und tatsächliche Aufgabenerfüllung regelmäßig zu überprüfen und bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit die Einzelentscheidung oder sogar den gesamten Aufgabenbereich in das Gremium zurückzuholen (Rückholpflicht).410 Sind die Mitgeschäftsführer trotz drohender Nachteile für die GmbH nicht bereit einzuschreiten, so muss der Einzelne zunächst widersprechen und ggf. die Gesellschafter informieren, er ist ferner berechtigt, sein Amt niederzulegen.411 Bereits im Vorfeld der Geschäftsverteilung ist sicherzustellen, dass die jeweiligen Ressortleiter die erforderlichen persönlichen und fachlichen Qualifikationen besitzen.412 Umfang und Intensität der Überwachungspflicht richten sich nach der Bedeutung der Ressorts, den Chancen und Risiken, der Kompetenz der Kollegen sowie dem eigenen Leistungsvermögen, und wachsen in der Krise der Gesellschaft.413 In den Grenzen der Delegationsbefugnis an nachgeordnete Mitarbeiter hat der Geschäftsführer deren ordnungsgemäße Auswahl, Einweisung, Information und Überwachung zu verantworten.414 Im Übrigen haftet jeder Geschäftsführer immer nur für eigenes Verschulden bei Verletzung der o.g. Kontrollpflichten und hat nicht ohne weiteres – beispielsweise nicht nach §§ 278, 831 BGB – für die Verfehlungen seiner Kollegen und sonstiger Mitarbeiter einzustehen. Deren Mitverschulden entlastet den Geschäftsführer aber auch nicht nach § 254 BGB.415
___________ diert darüber hinaus für eine umfassende Berichtspflicht über die wesentlichen Vorgänge im Unternehmen („Schwerpunktinformation“) nach Art des § 90 AktG; a.A. Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 29. 409 Lutter, GmbHR 2000, 301 (310). 410 BGHZ 133, 370 (375); BGH GmbHR 1995, 653; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 37 ff. 411 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 37a; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (699). 412 BFH GmbHR 1998, 203. 413 BGHZ 133, 370; Medicus, GmbHR 1998, 9; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 139 ff. 414 BGH GmbHR 1990, 207; Medicus, GmbHR 1998, 9; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 38. 415 BGHZ 127, 336 (347); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32, Rn. 84, 93; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 30, 172.
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f) Die Sorgfaltspflicht im Konzern Der Geschäftsführer ist der eigenen Gesellschaft gegenüber auch zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte aus Beteiligungen und bei Vorliegen eines Konzerns zur ordnungsgemäßen Konzernleitung verpflichtet.416 Der Leiter einer abhängigen Gesellschaft ist ohnehin weisungsgebunden und ggf. nicht aus § 43 II haftbar. Liegen aber weder eine Weisung noch ein Vertragskonzern vor, so darf er die eigene GmbH nicht zugunsten des Konzerninteresses schädigen.417 Namentlich wird der Geschäftsführer bei Bestehen eines zentralen Cash-Management-Systems die drohende Zahlungsunfähigkeit des Konzerns prüfen und ggf. die Einbringung von Finanzmitteln in den Liquiditätsverbund stoppen oder gar die bereits eingezalhten Mittel abberufen müssen.418 Kein Raum sei in der GmbH aber für die analoge Anwendung der §§ 309, 311 ff., 317 AktG.419
3. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 43 I GmbHG Auch der Geschäftsführer haftet nur für schuldhafte, also vorsätzlich oder fahrlässig begangene Pflichtverletzungen. Fahrlässigkeitsmaßstab ist wieder nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, sondern – nach dem Wortlaut des § 43 I – die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Dies entspricht inhaltlich dem Standard des § 93 I 1 AktG und geht über die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hinaus. Als Vorbild gilt ein ordentlicher Geschäftsmann „in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“.420 Die Norm gibt für die Beurteilung der Pflichterfüllung also einen objektiven, aber – wie in § 276 BGB – am Typus der bekleideten Position orientierten Fahrlässigkeitsmaßstab vor. Die erwartete Sorgfalt und das erforderliche Können variieren somit mit der Größe und der Funktion des Unternehmens sowie nach der konkreten Stellung des Geschäftsführers, die durch Satzung und Anstellungsvertrag festgelegt wird. Persönliche Eigenschaften werden hingegen nur berücksichtigt, wenn sie über das objektive Mindestmaß hinausgehen und die Haftung verschärfen, während sich der Geschäftsführer nicht auf fehlende Kenntnisse, Unfähigkeit oder Unerfahrenheit ___________ 416
(743). 417
BGH WM 1987, 13 (15); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 43; Scharpf, DB 1997, 737
Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, S. 75, 82 ff., 87 f. Vgl. BGH ZIP 2001, 1874 (Bremer Vulkan). 419 Ulmer, ZIP 2001, 2021 f. 420 RGZ 64, 257; OLG Koblenz GmbHR 1991, 416 (417); OLG Zweibrücken, NZG 1999, 506; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 16; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 32. 418
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
berufen kann.421 Ebensowenig ist auf den Gesellschafter-Geschäftsführer § 708 BGB anwendbar.422
4. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens Eine Erfolgs- oder Garantiehaftung für Fehlbeurteilungen geschäftlicher Risiken ist beim GmbH-Geschäftsführer ebensowenig erwünscht wie beim AGVorstand.423 Deshalb ist der vom BGH in der ARAG/GarmenbeckEntscheidung für die AG aufgestellte Grundsatz des unternehmerischen Ermessens auch hier uneingeschränkt anwendbar.424 Neben den drei Elementen der amerikanischen business judgment rule (hinreichende Information, Fehlen von Interessenkonflikten, Orientierung am Unternehmensinteresse) setzt die Haftungsfreiheit des Geschäftsführers daher auch voraus, dass er die Risikobereitschaft nicht überspannt (Risikogrenze) und dass sein Handeln nicht aus anderen Gründen – beispielsweise gem. § 43 III – als pflichtwidrig gelten muss.425 Der Geschäftsführer soll aber gerade keine Risikominimierung – wie z. B. eine feste Verzinsung des eingebrachten Kapitals – anstreben, da von ihm keine bloße Vermögensverwaltung sondern die qualitativ andere Unternehmensleitung erwartet wird, die die Übernahme aller typischen unternehmerischen Risiken beinhaltet.426 So ist ein riskantes Geschäft durchaus zulässig, sofern dem Risiko eine vergleichbar hohe Gewinnchance gegenübersteht, deren Verwirklichung als überwiegend wahrscheinlich erscheint, und eine dem Risiko entsprechende Vorbereitung der Entscheidung stattgefunden hat.427 Während bei hohem Risi-
___________ 421
OLG Koblenz GmbHR 1991, 416 (417). Scholz/Schneider, § 43 Rn. 165 f.; BGHZ 75, 321 (327). 423 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 10, 12a. 424 BGHZ 135, 244; s. dazu ausführlich oben, 3. Kapitel, B. I. 5.; zur Geltung für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 45 a; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (699, „Kernbereich der Eigenverantwortung“); einschränkend K. Schmidt, GesR, § 36 II 4 a). 425 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 46a; Lutter, GmbHR 2000, 301 (307 f.); Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (699). Vgl. hierzu BGH GmbHR 1995, 299 (Ermessensüberschreitung bei Abschluss eines Vertrages mit 30monatiger Laufzeit entgegen der Satzung); BGH NJW 1997, 741 (Ermessensüberschreitung durch gravierenden Verstoss gegen das Unternehmensinteresse bei Abschluss eines nutzlosen Beratungsvertrages mit einem Rechtsreferendar). 426 BGHZ 135, 244 (253) (ARAG/Garmenbeck); OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 715 (LS); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 77a. 427 Lutter, GmbHR 2000, 301 (305 ff.) mit den Beispielen due diligence, Investitionsrechnung und Marktanalyse; Scharpf, DB 1997, 737 (740). 422
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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ko Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden können, ist bei Existenzgefährdung die Grenze der Pflichtwidrigkeit erreicht.428
III. Aufsichtsrat: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 1, II AktG 1. Rechtsgrundlage Die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder werden in § 116 S. 1 angesprochen, der jedoch lediglich auf die sinngemäße Anwendung von § 93, also der Regeln über die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder verweist. Wie bereits oben gezeigt, folgt aus § 93 zum einen ein besonderer Fahrlässigkeitsmaßstab, der in Verbindung mit § 116 S. 1 die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds fordert. Zum anderen enthält die Generalklausel einen Haftungstatbestand, der als Quelle für die Sorgfaltspflicht und einzelnen Tatbestände der Loyalitätspflichten fungiert und der kraft Verweisung auch für die Aufsichtsratsmitglieder gilt. Wie schon beim Vorstand bereitet die Herausarbeitung konkreter Haftungstatbestände auch hier Schwierigkeiten, da Rechtsprechungsnachweise kaum vorhanden sind429 und die umfangreiche Kommentarliteratur eine höchst uneinheitliche und verworrene Systematik bietet.
2. Tatbestandsmerkmale Der Aufsichtsrat hat seine Überwachungstätigkeit zunächst rechtmäßig auszuführen, also die gesetzlichen Spezialpflichten, die Kompetenzordnung der AG, die Vorgaben der Satzung sowie die im Rahmen der Satzung gefassten Beschlüsse anderer Organe zu beachten. Zu den im Gesetz speziell geregelten Pflichten gehören die in § 107 III 2 aufgezählten Aufgaben, mithin die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden, seiner Stellvertreter und der Vorstandsmitglieder einschließlich des Vorstandsvorsitzenden (§§ 107 I 1, 84 I 1), der Erlass der Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 II 1), die Begründung von Zustimmungsvorbe___________ 428
OLG Zweibrücken GmbHR 1999, 715 (Versicherungsschutz nur notwendig, wenn zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen zu erlangen); Lutter, GmbHR 2000, 301 (305). 429 Wie schon bei der Vorstandshaftung kommt es hier nach einem Pflichtverstoß nur ausnahmsweise zum Prozess, was zum einen an den Beweisschwierigkeiten liegt, vor allem aber an der Abneigung der Vorstände, sich durch eine Klage im Namen der Gesellschaft bei den Personen unbeliebt zu machen, die für ihre Bestellung und Abberufung zuständig sind. Hinzu kommt, dass ein Fehlverhalten der Aufsicht üblicherweise nicht ohne ein Versagen der Leitung denkbar ist.
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
halten (§ 111 IV 2), die Einberufung der außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 III), die Zustimmung zur Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn (§ 59 III), die Prüfung des Jahresabschlusses (§ 171) und die Prüfung des Abhängigkeitsberichts (§ 314) und die Erklärungspflicht nach § 161. Zu den direkt an den Aufsichtsrat gerichteten Normen zählt ferner § 117 I, II, wonach es seinen Mitgliedern verboten ist, Vorstandsmitglieder zur Schädigung der Gesellschaft bzw. der Aktionäre zu bestimmen, oder selbst einem entsprechenden Druck von außen nachzugeben.430 Neben den direkten Ge- und Verboten hat sich der Aufsichtsrat auch an die gesetzliche Kompetenzordnung zu halten und darf sich z. B. nicht die dem Vorstand zugewiesene Geschäftsführungsbefugnis anmaßen bzw. diesem Weisungen erteilen (§§ 76 I, 111 I, IV 1). Er hat wie der Vorstand auf die Einhaltung der an die Gesellschaft gerichteten Normen zu achten, weil er für die aus der Übertretung entstehenden Schäden der Gesellschaft andernfalls einzustehen hat. Weiterhin hat der Aufsichtsrat die Normen zu beachten, die zwar an den Vorstand gerichtet sind, auf ihn selbst aber kraft Verweisung in § 116 S. 1 Anwendung finden. So sind beispielsweise die Schweigepflicht des § 93 I 3 und der Verbotskatalog des § 93 III auch für Aufsichtsratsmitglieder verbindlich. Zu beachten ist aber schließlich auch die mittelbare Verantwortlichkeit, die den Aufsichtsrat wegen Beteiligung am Fehlverhalten des Vorstands treffen kann.431 Aus der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats folgt nämlich, dass dieser nicht nur selbst rechtmäßig handeln muss, sondern auch das Handeln des Vorstands auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen hat.432 Daher darf der Aufsichtsrat selbstverständlich nicht an Rechtsverstößen durch den Vorstand mitwirken, solche fordern oder ausdrücklich billigen. Für die Haftung gem. §§ 116 S. 1, 93 I 1, II wird aber häufig schon die bloße bewusste Duldung ausreichen. Ob im Einzelfall eine Pflicht zum Einschreiten besteht, wird nur anhand der konkreten Umstände beurteilt werden können und hängt namentlich von der Schwere des Rechtsverstoßes ab. Unzumutbar – jedoch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erlaubt – ist dem Aufsichtsrat in der Regel die Abwendung jeder Verletzung von Interessen Dritter oder der Allgemeinheit. Erwartet wird ein Einschreiten hingegen bei drohenden schwerwiegenden Strafen, Schäden oder Nachteilen für das Unternehmen selbst.433 In diese Kategorie fällt ___________ 430
BGHZ 75, 96 (105) (Herstatt); BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch). BGHZ 83, 122 (Holzmüller) (Zustimmung des Aufsichtsrats zur Missachtung der Hauptversammlungszuständigkeit durch den Vorstand); BGHZ 106, 54 (Opel) (Zustimmung des Aufsichtsrats zu einer Maßnahme des Vorstands, durch die sich dieser seiner Eigenverantworlichkeit gem. § 76 I begeben hat). 432 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 72; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 186. 433 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 109. 431
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
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beispielsweise die Pflicht, aussichtsreiche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen.434 Die allgemeine Sorgfalt, die von den Aufsichtsratsmitgliedern erwartet werden kann, umfasst eine gewissenhafte Beschäftigung mit den jeweils auf der Tagesordnung stehenden Angelegenheiten, die mindestens die Durcharbeitung aller ihnen überlassenen Unterlagen verlangt. Bleiben danach allerdings noch Fragen offen, werden von jedem Aufsichtsratsmitglied weitergehende Nachforschungen und der Einsatz seiner Informationsrechte erwartet. Dieses hat ferner gem. § 110 für die Einberufung des Gremiums zu sorgen, wenn es eine gemeinsame Beratung bzw. Beschlussfassung für notwendig erachtet. Ergeben sich Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen des Vorstands, sind die Aufsichtsratsmitglieder gehalten den Sachverhalt aufzuklären, ggf. mittels einer Sonderprüfung gem. § 111 II. Das mit entsprechenden Gerüchten bzw. Hinweisen konfrontierte Aufsichtsratsmitglied wird gehalten sein, das Plenum zu informieren und für die betroffene Geschäftsart einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 IV einzuführen.435 Bei Einzelgeschäften von außergewöhnlicher Bedeutung oder mit außergewöhnlich hohem Risiko wird ein ad hoc-Zustimmungsvorbehalt zu beschließen sein.436 Vor der Bestellung neuer Vorstandsmitglieder müssen sie sich ein eigenes Bild von der Eignung und den Qualifikationen des Kandidaten machen. Bei unternehmerischen Entscheidungen hat der Aufsichtsrat wie der Vorstand die anerkannten technischen, finanz- und betriebswirtschaftlichen Methoden sowie die üblichen Standards geschäftlicher Vorsicht und Risikominderung anzuwenden.437 Diese fasst der DCGK als die „Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung“ zusammen (Ziff. 3.8). In den Zusammenhang der allgemeinen Sorgfalt wird neuerdings wohl auch die – nicht zwingende – Empfehlung des DCGK an den Aufsichtsrat einzuordnen sein, die Effizienz seiner Tätigkeit regelmäßig zu überprüfen (Ziff. 5.6; sog. Board Review).438 Die Aufsichtsratsmitglieder werden ihre Aufgaben aber nur dann ordnungsgemäß erfüllen können, wenn sie nicht nur sorgfältig, sondern auch mit den erforderlichen Fachkenntnissen handeln. Das Maß der hier zu verlangenden fachspezifischen Sorgfalt ergibt sich aus einem Grundsatzurteil des BGH:
___________ 434
BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); s. ausführlich zu diesem Grundsatzurteil oben, 3. Kapitel, B. I. 5., und zur Geltendmachungspflicht unten, 5. Kapitel, B. IV. 1. a) aa). 435 LG Bielefeld ZIP 2000, 20 (23) (Balsam); Wirth, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 99 (113 ff.). 436 LG Stuttgart AG 2000, 237; s. ferner BGHZ 124, 111. 437 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 113. 438 s. zum Board Review Schilling, FAZ v. 27.5.2002 S. 25.
212
3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
In dem sog. „Hertie-Fall“439 ging es um den Abschlussprüfungsbericht, der entsprechend einem Beschluss des Aufsichtsrats nicht den einzelnen Mitgliedern ausgehändigt, sondern im Sekretariat des Vorsitzenden 14 Tage lang zur Einsicht ausgelegt werden sollte. Ein solcher Beschluss war nach damaliger Fassung des § 170 III 2 auch zulässig, da die Norm erst seit dem KonTraG von 1998 zwingend eine Aushändigung an alle Mitglieder oder – mit Zustimmung des Gremiums – an die Mitglieder eines Ausschusses verlangt. Ein Vertreter der Arbeitnehmerseite wandte sich daraufhin an den Vorsitzenden mit dem Antrag, ihm die Einsicht in Begleitung einer Sachverständigen des DGB zu gestatten, damit diese ihn bei der Tätigkeit beraten könne. Sowohl der Antrag als auch die folgende Klage sind jedoch in allen Instanzen erfolglos geblieben. Aus dem Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung (§ 111 V) folge nämlich, dass „ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und –fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“.440 Daher könne ihm nicht das Recht zugestanden werden, seine Aufgaben laufend einem Außenstehenden zur selbständigen Erledigung zu übertragen oder auch nur einen „ständigen Berater“ einzuschalten. Andernfalls würden die Vertraulichkeit gefährdet und das Entscheidungszentrum der Gesellschaft nach außen verlagert. Andererseits sei „nicht zu erwarten, dass jedes Aufsichtsratmitglied auf sämtlichen Gebieten, auf denen der Aufsichtsrat tätig wird, umfassende Spezialkenntnisse besitzt“.441 Für Fragen, die über die erwartete Sachkunde des Aufsichtsrats oder dessen zeitliche und technische Möglichkeiten hinausgingen, also für bestimmte, konkrete Einzelangelegenheiten, sei durchaus die Bestellung von Sachverständigen zulässig (§§ 109 I 2, 111 II 2). Das im vorliegenden Fall geäußerte Verlangen, „zu einem jeden Jahresabschluss auf eigene Faust eine umfassende und detaillierte Bilanzanalyse in Auftrag geben zu dürfen“,442 ging nach Ansicht des Gerichts jedoch weit über diese Ausnahmemöglichkeiten hinaus.
Somit wird von jedem Aufsichtsratsmitglieder ein Mindeststandard an Kenntnissen und Fähigkeiten erwartet, den dieses ohne Rücksicht auf die Hintergründe seiner Bestellung vorweisen muss. Da sich die Anforderungen an den gewöhnlich anfallenden Geschäftsvorgängen richten, muss der Kontrolleur zunächst imstande sein, die nicht delegierbaren Grundaufgaben i.S.d. § 107 III 2 zu bewältigen sowie die Berichte des Vorstands i.S.d. § 90, die Berichte des Abschlussprüfers und den Jahresabschluss zu verstehen. Dazu benötigt er zumindest Kenntnisse des Bilanzwesens und der einschlägigen Rechtsnormen, die er sich zu Beginn seiner Amtszeit unverzüglich anzueignen und fortan auf dem Laufenden zu halten hat.443 Über den Mindeststandard hinaus hängen die Erwartungen an das Aufsichtsratsmitglied allerdings von der Rolle ab, die ihm in___________ 439
BGHZ 85, 293 betreffend eine GmbH. BGHZ 85, 293 (295 f.). 441 BGHZ 85, 293 (296). 442 BGHZ 85, 293 (299). 443 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 119. 440
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
213
nerhalb des Gremiums zugedacht wurde.444 Anerkannt ist beispielsweise, dass nicht jedes Aufsichtsratsmitglied ein Bilanzfachmann sein muss. „Als Summe“ muss das Gremium aber über ausreichende Kenntnisse verfügen.445 Dementsprechend gibt der DCGK den Unternehmen auf, bereits bei der Wahl der Kandidaten darauf zu achten, dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen (Ziff. 5.4.1). Die Aufsichtsratsmitglieder schulden der Gesellschaft gegenüber einen angemessenen Arbeitseinsatz, d.h. eine regelmäßige Sitzungsteilnahme einschließlich der Vorbereitung darauf. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass ihre Tätigkeit als Nebenamt angelegt ist und über die mehrmals jährlich stattfindenden Zusammenkünfte hinaus keinen laufenden Einsatz für das Unternehmen verlangt.446 Als Grundregel für die erforderliche Intensität der Überwachungstätigkeit lässt sich ansonsten nur festhalten, dass die Anforderungen an den Aufsichtsrat insbesondere im Gründungsstadium und in der Krise der Gesellschaft erhöht sind, wobei sie im letzteren Fall bei völligem Versagen des Vorstands sogar in die Pflicht zur Leitung des Unternehmens umschlagen können. Normale Geschäftsabläufe sind hingegen nur „begleitend“ zu überwachen.447 Hat ein Aufsichtsratsmitglied jedoch in einem Geschäftsjahr an weniger als der Hälfte der Sitzungen teilgenommen, so soll dies nach Ziff. 5.4.8 des DCGK im Bericht des Aufsichtsrats vermerkt werden. Ein weiterer Aspekt der Sorgfaltspflicht ist die Zulässigkeit der internen und externen Aufgabendelegation, bei der ein wichtiger Unterschied zur Rechtslage beim Vorstand zu verzeichnen ist. Anders als dort gilt hier der Grundsatz der „Autarkie“ des Aufsichtsrats, der eine persönliche Aufgabenerfüllung verlangt und somit jedenfalls einer Aufgabendelegation an Dritte entgegensteht (§§ 101 III 1, 108 III, 111 V).448 Ausnahmen hiervon sind nur in begrenztem Umfang dort zulässig, wo die Komplexität bestimmter, konkreter Einzelaufgaben die Hinzuziehung von Hilfspersonen bzw. Sachverständigen notwendig macht (§§ 109 I 2, 111 II 2). Diese müssen in jedem Falle zur Verschwiegenheit verpflichtet sein und haben grundsätzlich den Gesamtaufsichtsrat auf dessen Wunsch zu beraten (§ 109 I 2). Unzulässig ist hingegen die laufende Bera___________ 444
s. auch unten, 3. Kapitel, B. III. 3. Lutter, ZIP 2003, 417 (418); Deckert, ZIP 1996, 985 (991). 446 Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 99 (102 ff.); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 114. 447 OLG Düsseldorf AG 1984, 273; LG Düsseldorf AG 1991, 70 (Girmes); Götz, AG 1995, 337; Semler, AG 1983, 141; ders., Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 232. 448 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 115; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 99 (105 ff.); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 176 ff. 445
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
tung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und somit die Einweihung des Dritten in die Geschäftsvorgänge der Gesellschaft, zumal, wie eben gezeigt, das Aufsichtsratsmitglied selbst über den für die gewöhnliche Tätigkeit notwendigen Sachverstand verfügen muss.449 Eine Arbeitsteilung innerhalb des Gremiums ist hingegen in den Grenzen der Ausschussbildung nach § 107 III 1 zulässig und erwünscht.450 In Ziff. 5.3.1 DCGK wird die Bildung fachlich qualifizierter Ausschüsse ausdrücklich empfohlen, um die Effizienz der Aufsichtsratsarbeit zu steigern und komplexe Sachverhalte zu behandeln. § 107 III 2 zeigt im Umkehrschluss, dass den Ausschüssen sogar die Beschlussfassung selbst an Stelle des Gesamtgremiums überlassen werden kann (sog. beschließende Ausschüsse, DCGK Ziff. 5.3.4). Ausgenommen sind die dort aufgezählten Aufgaben, darunter insbesondere die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter und der Vorstandsmitglieder, der Erlass der Geschäftsordnung für den Vorstand, die Prüfung des Jahresabschlusses und die Begründung von Zustimmungsvorbehalten. Nicht delegierbar sind ferner die allgemeine Überwachungspflicht des Organs sowie dessen Organisationsautonomie.451 Ein Ausschuss kann hingegen über den Abschluss bzw. die Kündigung des Anstellungsvertrages mit einem Vorstandsmitglied entscheiden, solange die Personalkompetenz des Gesamtgremiums hierdurch nicht vorweggenommen wird (Personalausschuss).452 Üblich sind in der Praxis Personalausschüsse, Aufsichtsratspräsidien oder Präsidialausschüsse (bestehend aus dem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern), Prüfungsausschüsse (audit committees), Bilanzausschüsse, Finanzausschüsse, Investitionsausschüsse, Kreditausschüsse der Banken, sowie ggf. Vermittlungsausschüsse gem. § 27 III MitbestG. Der DCGK empfiehlt die Einrichtung eines Prüfungsausschusses (audit committee), der sich mit Rechnungslegung, Risikomanagement und Fragen der Abschlussprüfung befasst, und dessen Vorsitzender kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein soll (Ziff. 5.3.2). Beschließende Ausschüsse sind mit mindestens drei Personen zu besetzen, brauchen aber grundsätzlich keine Arbeitnehmervertreter zu enthalten, solange sie diese nicht ohne sachlichen Grund diskriminieren und der Umgehung des Mitbestimmungsrechts dienen.453 Nach ei___________ 449
BGHZ 85, 293 (Hertie). Auf einen eindeutigen positiven Zusammenhang zwischen der Zahl der Ausschüsse und der Qualität der Corporate Governance weist die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003), in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23 hin. 451 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 81. 452 BGHZ 79, 38. 453 BGHZ 83, 144 (149) (Dynamit Nobel); BGHZ 122, 342 (358) (Nichtbeteiligung der Arbeitnehmervertreter an einem Personalausschuss); OLG München ZIP 1995, 1753 (Ausschluss aus einem Exekutivausschuss, der über Zustimmungsvorbehalte zu entscheiden hatte). 450
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
215
ner Empfehlung des DCGK soll der Aufsichtsratsvorsitzende auch den Vorsitz in Ausschüssen haben, die die Vorstandsverträge behandeln bzw. Aufsichtsratssitzungen vorbereiten, nicht jedoch im Prüfungsausschuss (Ziff. 5.2). Trotz der Delegation ist das Gesamtgremium jederzeit für die getroffenen Entscheidungen verantwortlich, sodass es diese generell oder im Einzelfall wieder an sich ziehen kann.454 Daraus folgt für die Aufsichtsratsmitglieder die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit, die ihnen in erster Linie aufgibt, sich gegenseitig alle relevanten Informationen zukommen zu lassen. Dementsprechend unterliegen sie untereinander keiner Schweigepflicht.455 Weiterhin wird die Beachtung der Verfahrensvorschriften vorausgesetzt, wie sie in Gesetz bzw. Geschäftsordnung festgelegt sind. Die Gespräche im Gremium sind sachlich zu führen und inhaltlich am Unternehmensinteresse auszurichten. In besonders kleinen Aufsichtsräten kann sich ein eher persönlicher Umgangsstil bzw. -ton als förderlich erweisen. Die Einzelheiten hängen jedoch von der konkreten Zusammensetzung und vom Arbeitsstil des Gremiums ab.456 Ein überstimmtes Aufsichtsratsmitglied haftet nicht für Entscheidungen des Gremiums, wenn es Gegenvorstellungen erhebt und den Beschluss nicht aktiv mit ausführt. Nur angesichts gravierenden kriminellen Unrechts wird es die Behörden oder die Öffentlichkeit zu informieren bzw. sein Amt niederzulegen haben.457 Entsprechend dem Grundsatz, dass alles, worüber zu berichten ist, auch überwacht werden muss, hat der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft im Konzern im Einklang mit der Neufassung des § 90 I 2 AktG zusätzlich die Konzernleitung und die Geschäftsabläufe im abhängigen Unternehmen zu überwachen, wenn auch nur im Rahmen des ihm Zumutbaren. Hierzu wird die Kooperation mit dem Vorstand der eigenen Gesellschaft notwendig sein.458 Der Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens haftet gem. §§ 310, 318 für die Verletzung seiner Überwachungspflichten.459
___________ 454
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 81. KK-Mertens, § 93 Rn. 78. 456 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 112. 457 KK-Mertens, § 93 Rn. 17. 458 Götz, ZGR 1998, 524 (539 ff.); Hommelhoff, AG 1995, 225; ausführlich Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 131 ff.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 103, 381 ff. 459 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 205; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 153 ff. 455
216
3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
3. Verschulden und Sorgfaltsmaßstab: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 1 AktG Aus der Verweisung des § 116 S. 1 auf den Fahrlässigkeitsmaßstab des § 93 folgt, dass auch die Kontrolleure an einem gesteigerten objektiven Standard gemessen werden, namentlich an der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds, ohne Rücksicht auf individuelle Schwächen. Im Anschluss an das Hertie-Urteil des BGH460 müssen alle Aufsichtsratsmitglieder zunächst einen Mindeststandard an Kenntnissen und Fähigkeiten aufweisen. Bezüglich der Qualifikationen und der Sorgfalt, die über diesen Mindeststandard hinaus verlangt werden, bleibt es aber nicht bei einem derart starren Maßstab. Hier müssen die Erwartungen vielmehr rollenspezifisch bestimmt werden und je nach Beruf und Position, insbesondere nach der Zugehörigkeit zu einem Ausschuss, variieren.461 Nach Ziff. 5.3.2 DCGK n.F. soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses (Audit Committee) über besondere Kentnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen. Ein Bankdirektor oder ein Wirtschaftsprüfer, der in den Finanzausschuss delegiert wird, wird sich an höheren Standards messen lassen müssen als ein Arbeitnehmervertreter, der dem Ausschuss nicht angehört.462 Für Mitglieder des Plenums, die dem konkreten Ausschuss nicht angehören folgt daraus wiederum, dass sie nicht die gleichen Fähigkeiten aufweisen müssen und sich grundsätzlich auf die Arbeitsergebnisse des Ausschusses verlassen dürfen.463 Aus der neuen Berichtspflicht über die Arbeit des Ausschusses (§ 107 III 3, Ziff. 5.3.1 DCGK) folgt andererseits, dass sich auch das Plenum ein eigenes Bild von den Arbeitsergebnissen machen und bei Unklarheiten nähere Ermittlungen anstellen muss.464 Politiker und Verwaltungsbeamte, die in den Aufsichtsrat bestellt werden, um die Interessen der öffentlichen Hand zu repräsentieren sowie Vertreter von Arbeitnehmerinteressen werden an diesen ihnen zugedachten Aufgaben gemessen, ebenso wie Finanzexperten, die ihre besondere Sachkunde unter Beweis zu stellen haben. Berücksichtigt werden aber nur die objektiv-typischen Merkmale der betreffenden Rolle, während in___________ 460
BGHZ 85, 293; s. o., 3. Kapitel, III. 2. Hüffer, AktG, § 116 Rn. 2 f.; KK-Mertens, § 116 Rn. 57; Thümmel, FAZ v. 7.5.2003 S. 19. 462 Vgl. LG Hamburg ZIP 1981, 194. Dies ist aber das einzige Zugeständnis, das an die üblicherweise geringere Qualifikation der Arbeitnehmervertreter gemacht werden darf; vgl. Hopt, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 115 (118); K. Schmidt, GesR, § 28 III 1 d); Wirth, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 99 (107 f.). 463 Thümmel, FAZ v. 7.5.2003 S. 19 mit dem Argument der sonstigen „Verdoppelung der Ausschussarbeit“. 464 Thümmel, FAZ v. 7.5.2003 S. 19; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (793). Ausreichend ist dabei ein bloßer Ergebnisbericht des Ausschusses; s. RegBegr TransPuG, BRDrucks. 109/02, 36. 461
B. Die Sorgfaltspflicht im deutschen Recht
217
dividuelle Umstände in der Person des Aufsichtsratsmitglieds nicht haftungsmildernd wirken.465
4. Haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens: § 116 S. 1 i.V.m. § 93 I 2 AktG Auch dem Aufsichtsrat ist in Teilbereichen seiner Überwachungstätigkeit ein autonomer unternehmerischer Ermessensspielraum zuzuerkennen und zwar dort, wo er am Handlungsermessen des Vorstands beteiligt ist und dieses mitgestaltet. Geimeint sind Aufgaben der präventiven Kontrolle, wie die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, die Einführung von Zustimmungsvorbehalten gem. § 111 IV, oder die Mitwirkung an der Aufstellung des Jahresabschlusses, soweit es dabei um die Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung geht.466 Wollte man hier einen strengeren Maßstab anwenden, würde man zwangsläufig indirekt auch das unternehmerische Leitungsermessen des Vorstands einschränken.467 Ganz anders sieht es im Bereich rückblickender Überwachungstätigkeit und der Rechtsmäßigkeitskontrolle aus.468
IV. Beirat: §§ 93 I 1, II, 116 S. 1, AktG, §§ 43 I, II, 52 GmbHG, §§ 34 I 1, II, 41 GenG analog Rechtsgrundlage für die Verantwortlichkeit der Beiratsmitglieder ist die Rechtsanalogie (Gesamtanalogie) zu den §§ 93 I 1, II, 116 S. 1, AktG, §§ 43 I, II, 52 GmbHG, §§ 34 I 1, II, 41 GenG,469 aus der entsprechend den bisher dargestellten Grundsätzen der Organhaftung Sorgfalts- und Loyalitätsverpflichtungen resultieren. Anders als bei den bisher dargestellten Organen wird der konkrete Pflichteninhalt aber vor allem durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt, der Aufgaben und Rechtsstellung des Beiratsmitglieds sehr vielfältig
___________ 465
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 120. BGHZ 124, 111 (127); 135, 244 (254 f.) (ARAG/Garmenbeck); Goette, in: FS-50 Jahre BGH, S. 123 (129); Henze, BB 2001, 53 (58); Reichert/Weller, ZRP 2002, 49 (50); Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 190; Wirth, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 99 (113). 467 Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (109). 468 BGHZ 135, 244 (255 ff.) (ARAG/Garmenbeck); dazu ausführlich unten, 5. Kapitel, B. IV. 1. a) aa); Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 190; für ein „Überwachungsermessen“ hingegen Dreher, ZHR 158 (1994), 614 (634, 645); ders., JZ 1997, 1074; einschränkend Horn, ZIP 1997, 1129 (1137 f.). 469 Hachenburg/Ulmer/Raiser, § 52 Rn. 358. 466
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
und abweichend von denen gesetzlicher Organe regeln kann,470 sodass nachfolgend nur die typischen Pflichten dargestellt werden können. Beiratsmitglieder haben ihr amt sorgfältig und unter Beachtung der für die GmbH geltenden Rechtsvorschriften auszuüben.471 Der erwartete Arbeitseinsatz kann im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. Andernfalls werden zumindest regelmäßige, vierteljährliche, in Publikumsgesellschaften gar monatliche Sitzungen erwartet. Dabei besteht für alle Beiratsmitglieder Anwesenheitspflicht, die nur aufgrund von Urlaub, Krankheit oder vorrangigen beruflichen Verpflichtungen entfallen kann.472 Wie ein Aufsichtsratsmitglied hat auch ein Beiratsmitglied seine Aufgaben in den Grenzen des Möglichen und des Zumutbaren persönlich zu erfüllen und darf sie nicht auf Dritte delegieren. Die Hinzuziehung von Hilfspersonen ist nur dort zulässig, wo schwierige wirtschaftliche, rechtliche oder technische Fragen zu beantworten sind und das hierzu notwenige Spezialwissen über das hinausgeht, was ein Beiratsmitglied besitzen oder sich aneignen muss.473 Auch Stellvertretung ist analog § 108 III AktG ausgeschlossen.474 Eine interne Aufgabenverteilung durch Ressortaufteilung oder Einrichtung von Beiratsausschüssen ist hingegen nicht nur zulässig sonder bei größeren Gremien auch empfehlenswert.475 Sie entbindet die Mitglieder des Plenums von der Verantwortung für Entscheidungen der Beauftragten aber nur dann, wenn die Geschäftsverteilung im Gesellschaftsvertrag fixiert ist und sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind.476 Nur wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmte Aufgaben einzelnen Beiratsmitgliedern und nicht dem Organ zuweist, sind die übrigen Organmitglieder weder zur Überwachung berechtigt noch verpflichtet.477 Jedes Beiratsmitglied haftet aber grundsätzlich nur für eigenes Verschulden und kann sich nicht auf ein Mitverschulden eines Kollegen berufen. Ein Mehrheitsbeschluss bindet zwar grundsätzlich auch die überstimmten Beiratsmitglieder, jedoch nicht, wenn diese zuvor alles Zumutbare getan haben, um Nachteile von der Gesellschaft abzuwenden. Dazu gehören ein Hinweis auf eigene Bedenken und ggf. die Unterrichtung der Gesellschafter.478 ___________ 470
Voormann, Der Beirat, S. 141, 190. Hachenburg/Ulmer/Raiser, § 52 Rn. 359. 472 Voormann, Der Beirat, S. 167; Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 43. 473 Voormann, Der Beirat, S. 156. 474 Voormann, Der Beirat, S. 167. 475 Voormann, Der Beirat, S. 166. 476 Voormann, Der Beirat, S. 196. 477 Voormann, Der Beirat, S. 196. 478 Voormann, Der Beirat, S. 195. 471
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht
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Mitglieder eines Beirats, der Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, oder den Geschäftsführer berät bzw. überwacht, haben im Zweifel die Sorgfalt eines ordentlichen Organwalters an den Tag zu legen.479 Dies gilt auch für Arbeitnehmervertreter, obwohl diese keiner Bindung an das Gesellschaftsinteresse unterliegen.480 § 708 BGB ist auf statutarische Organe in Kapitalgesellschaften ebensowenig anwendbar wie auf gesetzliche.481
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht Das common law bemüht sich seit langem um eine Differenzierung zwischen den einzelnen Kategorien von Pflichten sowie um deren Systematisierung. Dahinter steht die Erkenntnis, dass mangelnde Präzisierung der Tatbestände und die daraus folgende Unberechenbarkeit der Rechtsfolgen keinen – sozial oder ökonomisch – motivierenden Einfluss auf seine Adressaten zu entfalten vermag. Mit dem Fehlen der Anreize zum normgemäßen Verhalten bleiben folglich auch die beabsichtigten Wirkungen der Sanktionen aus.482 Die strikte Einteilung ist ferner hilfreich, um – trotz der variierenden Umstände des Einzelfalles – ähnliche Fälle aufzuspüren und dadurch interessengerecht Lösungen für gleiche Rechtsprobleme zu finden. Ferner ist es ökonomisch vernünftig, nach dem Sinn und Zweck der einzelnen Pflichten zu fragen, um diese mit den jeweils mildesten rechtlichen Sanktionen belegen zu können, die notwendig sind, um den jeweils angestrebten Zweck zu erreichen.483 Letztlich ist auch die Frage, ob die Gesellschaft auf Ersatzansprüche verzichten können soll, nur im Hinblick auf eine konkrete Pflichtverletzung zu beantworten. Neben der grundlegenden und in der historischen Entwicklung des Company Law wurzelnden Unterscheidung in fiduciary duties und duties of care and skill haben diese Überlegungen zur Entstehung der fünf Kategorien der Sorgfaltspflicht geführt, nämlich der compliance (Rechtmäßigkeit), care (allgemeine Sorgfalt), skill (fachspezifische Sorgfalt oder notwendiges Können), diligence (Arbeitseinsatz) und reliance (Aufgabendelegation). Dies ermöglichte zunächst insbesondere das Anlegen unterschiedlicher Sorgfaltsmaßstäbe mit der Folge, dass man von den bloß repräsentativen Mitgliedern des Leitungsgremiums in puncto Unternehmensleitung lediglich die Einhaltung von Gesetz, Satzung und der an jeden Durchschnittsbürger gerichteten Vernunftregeln verlangte, während sie hinsichtlich des Sachverstandes und des persönlichen Engagements nahezu uneingeschränkt auf Kollegen verweisen konnten. Nach und nach rückten aber gro___________ 479
Voormann, Der Beirat, S. 190; Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 43, 75. s. u., 4. Kapitel, B. II. 1. d). 481 Voormann, Der Beirat, S. 192 f. 482 Vgl. Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (641). 483 Vgl. Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (641). 480
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
ße, am Kapitalmarkt agierende Publikumsgesellschaften in den Vordergrund, bei denen weder die Gläubiger noch die Anleger bereit waren, eine derart eingeschränkte Verantwortlichkeit hinzunehmen. Sowohl der Gesetzgeber mit dem Insolvency Act 1986 als auch die Börse mit dem Combined Code forderten jeden einzelnen director, auch den als NED benannten Außenseiter, dazu auf, seine Position auszufüllen und volle Verantwortung für die Geschicke der Gesellschaft zu übernehmen. Die Folge war ein für alle Kategorien der Sorgfaltspflicht objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab, der von Hoffmann LJ zum geltenden Recht erhoben und vom Company Law Review als solches bestätigt wurde. Da damit aber zugleich der Grund für die strikte Trennung zwischen den fünf Sorgfaltskategorien entfiel, ist heute zunehmend von einer einheitlichen duty of care die Rede, wobei man zugibt, dass care und skill nie wirklich abgrenzbar gewesen sind. Dennoch wird die bisherige Systematik nicht überflüssig, da im Anwendungsbereich der Sorgfaltspflicht weiterhin auf die Fallgruppen und ihre Definitionen zurückgegriffen wird. Das deutsche Organhaftungsrecht ging hingegen von vornherein von einer Generalklausel mit einem objektiven, für alle Verwaltungsmitglieder gleichen Sorgfaltsmaßstab aus, was aber wiederum zu keiner einheitlichen Fallgruppenbildung geführt hat. Bei der Auslegung werden inzwischen zumindest die Kategorien der Sorgfalt und der Loyalität herangezogen. Aus Gründen der Rechtsklarheit im Sinne der Normadressaten erscheint hingegen eine weitergehende Einteilung der Sorgfaltsanforderungen nach englischem Vorbild zweckmäßig, deren Grundsätze sogleich zusammengefasst werden. Zuvor sei aber noch auf die Unterschiede im persönlichen Anwendungsbereich der Geschäftsleiterpflichten hingewiesen. Hier fällt der Widerspruch auf, den das englische Recht hervorbringt, indem es im Grundsatz gleiche Sorgfaltsanforderungen sowohl an executives als auch an non-executives stellt. Auf die nur nebenamtlich tätigen und weitaus schlechter vergüteten NEDs kommt neben der Überwachungsfunktion zugleich die Aufgabe zu, strategische Entscheidungen des Unternehmens mitzutragen. Zwar stellen die Definitionen von care, skill und diligence auf die konkrete Position des Direktors ab und berücksichtigen dabei u.a. seine nichtgeschäftsführende Rolle. Da die Natur seines Amtes aber eben auch die Mitwirkung an Geschäftsentscheidungen vorgibt, kommt der NED nicht umhin, auch hier die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes unter Beweis stellen zu müssen.484 Obschon dieser Zwiespalt inzwischen erkannt wurde, beschränkt man sich zunächst darauf, den Betroffenen im Combined Code 2003 eine detaillierte Beschreibung ihrer Rolle als Hilfe-
___________ 484
Vgl. zu diesem Dilemma v.a. die Kritik von Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 217 ff., 229 und Arsalidou (2002) 23 Co Law 107 (113).
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht
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stellung an die Hand zu geben,485 und es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte die Sichtweise des Verhaltenskodex für börsennotierte Gesellschaften der Auslegung der allgemeinen duty of care zugrunde legen werden. Der hohe Standard lässt jedenfalls befürchten, dass man oft auf Nicht-Unternehmer als potentielle NEDs verzichten müssen und die herkunftsbedingte Vielfalt im Board einbüßen wird. Hier zeigt sich der Vorteil der deutschen Funktionentrennung, die eine differenzierte Anpassung der Pflichtenbindung an die jeweils wahrgenommenen Aufgaben ermöglicht. Dadurch werden potentielle, qualifizierte Kandidaten für das Aufsichtsratsamt nicht durch übersteigerte Anforderungen an ihre Fähigkeiten als Geschäftsführer abgeschreckt, was den Kreis der Infragekommenden auch auf wertvolle Vertreter externer Interessengruppen erweitert. Im Übrigen gleichen sich beide Rechtsordnungen in der Einbeziehung von Personen, die das Amt faktisch ausüben, ohne wirksam zum Organmitglied bestellt worden zu sein (de facto director, faktisches/fehlerhaftes Organ). Die englische Rechtsprechung hat dies bisher zwar nur für die Frage der Anwendbarkeit des Company Directors Disqualification Act 1986 bestätigt, es liegt jedoch nahe, auch die Leitungspflichten des common law auf solche Personen anzuwenden. Anders sieht es bei der verdeckten Einflussnahme auf die ordnungsgemäß eingesetzte Verwaltungsspitze aus. Als shadow director haftet jeder, dessen Anweisungen vom Board üblicherweise befolgt werden. Dies gilt jedoch nur für bestimmte Haftungstatbestände des CA 1985, CDDA 1986 und IA 1986 und soll die Umgehung zwingender Regeln zur Offenlegung, zu bestimmten Geschäften der Direktoren und vor allem zum fraudulent bzw. wrongful trading verhindern. Betroffen sind in erster Linie Mehrheitsgesellschafter und Muttergesellschaften, was bestätigt, dass der englische Gesetzgeber mit der Figur des Schattendirektors in erster Linie – wenn auch nur punktuell – das Fehlen spezieller konzernrechtlicher Haftungsregeln kompensieren wollte.486 Das deutsche Recht hingegen, das ein ausgereiftes Konzept des Konzernrechts vorweisen kann, ergänzt dieses in § 117 AktG lediglich um den Schutz der Gesellschaft, der (Minderheits-)Aktionäre und der Gläubiger vor vorsätzlicher Schädigung durch ein herrschendes Unternehmen bei Fehlen eines Vertragskonzerns,487 durch einen „herrschenden Privataktionär“, den eige___________ 485 Combined Code A.1, Supporting Principles; Schedule B; Related Guidance and Good Practice Suggestions, S. 63 f.; Higgs Report, 14.8 und Annex A; kritisch Hirt [2003] ICCLR, 261 (267). 486 Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 203; Hopt, in: McKendrick, Commercial Aspects of Trusts and Fiduciary Obligations, S. 115 (120); Fleischer, AG 1999, 350 (356 ff.). 487 Vgl. § 117 VII Nr. 2, 3 AktG. In diesem Falle besteht zwar auch ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen und dessen Vertreter gem. § 317 I, III AktG, der durch einen Nachteilsausgleich gem. § 311 II AktG entfällt. Nach h.M. besteht daneben aber die Haftung aus § 117 I, II AktG fort, da der faktische Konzern in Abs. 7 gerade nicht als Ausnahme aufgeführt sei und es für die Bevorzugung
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
nen Aufsichtsratsvorsitzenden,488 oder außenstehende Dritte.489 In der GmbH erübrigt sich eine solche Regelung, da dem Mehrheitsgesellschafter als Hauptanwendungsfall ohnehin ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung zusteht und die Konzernmacht einerseits durch die mitgliedschaftliche Treuepflicht490 und andererseits durch den vom BGH entworfenen Bestandsschutz der abhängigen GmbH gegen existenzgefährdende Eingriffe491 begrenzt wird. Die Figur eines faktischen Schattendirektors ist für das deutsche Konzernhaftungsrecht somit nicht nur deshalb abzulehnen, weil es die Anerkennung von juristischen Personen als mögliche Organe voraussetzen würde.492 Vielmehr statuiert das deutsche Recht bereits ein nahezu vollständiges Beeinflussungsverbot,493 während das Common Law darauf setzt, dass sich die betroffenen Verwaltungsmitglieder dem unbefugten Druck nicht beugen werden,494 und zum Schutz außenstehender Aktionären den Rechtsbehelf des unfair prejudice in Section 459 CA 1985 zur Verfügung stellt.495 Auch das neuere Statutory Law trägt zwar immer häufiger dem Normalfall der konzerngebundenen Gesellschaft Rechnung, setzt dabei aber traditionell auf die punktuelle Erweiterung des vorhandenen Gläubiger- und Minderheitenschutzes und lehnt das Konzept eines einheitlichen Haftungsregimes bzw. einer einheitlichen Konzernleitung ab.496 Schließlich ist die gesetzliche Haftung in Deutschland an die Organstellung gebunden. Eine Ausdehnung auf eine schwer abgrenzbare Gruppe der leitenden Angestellten bzw. „Repräsentanten“ widerspräche angesichts der Strenge der ___________ des herrschenden Unternehmens gegenüber dem herrschenden Privataktionär keinen Grund gebe; Kübler, GesR, § 15 III 5 e) bb). 488 BGHZ 94, 55 (59 f.). 489 Kübler, GesR, § 15 III 5 e). 490 BGHZ 65, 15 (ITT); mit diesem Argument die analoge Haftung der Muttergesellschaft als Organ der Tochtergesellschaft ablehnend J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387 (403 f.). 491 BGH ZIP 2001, 1874 (Bremer Vulkan), ZIP 2002, 1578 (KBV); vgl. weiterhin Altmeppen, ZIP 2001, 1873 (1842 ff.), der für eine Analogie zu den §§ 43 III GmbHG, 93 V AktG plädiert und den Alleingesellschafter wie ein faktisches GmbH-Organ behandelt; dagegen Ulmer, ZIP 2001, 2021(2024 ff.). 492 Vgl. Fleischer, AG 1999, 350 (360 f.); differenzierter ders., AG 2004, 517 (527). 493 Vgl. Kübler, GesR, § 30 II 6 a) m. w. N. 494 s. u., 4. Kapitel, A. II. 3. 495 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 511. 496 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 202 ff.; ausführlich Dine, The Governance of Corporate Groups, S. 37 ff. Als einzige ausdrückliche Anerkennung des Konzerns sind die gesetzlichen Vorschriften zur konsolidierten Konzernrechnungslegung anzusehen; s. Sections 227, 231, 258 und Schedule 10A CA 1985; dazu Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 206 ff.; zu den Ansätzen des englischen Konzernrechts allgemein Fleischer, AG 1999, 350.
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht
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Verantwortlichkeit den Geboten der Verhältnismäßigkeit und Rechtklarheit. Sie ist daher auch in Großbritannien von lediglich theoretischer Bedeutung. Unter dem Aspekt des rechtmäßigen Verhaltens weisen beide Rechtsordnungen viele Ähnlichkeiten auf. Die Bindung an Gesetz, Satzung und rechtmäßige Beschlüsse der Gesellschafter ist jeweils gegenüber allen übrigen Pflichten vorrangig. Die gesetzlichen Vorgaben beinhalten z. B. die Pflicht, Gesellschafterversammlungen einzuberufen und den Jahresabschluss zu erstellen,497 und regeln das Verhalten in der Krise der Gesellschaft. Im Übrigen legt das deutsche Recht großen Wert auf weitgehende Informationspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat, was einerseits strukturell bedingt ist, andererseits aber auch das Informationsgefälle zwischen executives und non-executives wirksamer als der jetzige Combined Code beseitigen könnte. Kennzeichnend für das englische Recht ist demgegenüber die intensive Regelung von Interessenkonflikten der Verwaltung mittels Publizitätspflichten und Zustimmungsvorbehalten. Zu begrüßen ist ferner die Anbindung des Deutschen Corporate Governance Kodex an das Aktiengesetz in dessen § 161. Dies sorgt für eine stärkere demokratische Legitimation des Regelwerks eines nichtstaatlichen Sachverständigengremiums, um die man sich aber auch in Großbritannien bemüht: die Verantwortung für die Listing Rules einschließlich des Combined Code ging hier kürzlich von der London Stock Exchange auf die Börsenaufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA) über. Die Leitungsmacht in deutschen Gesellschaften wird schließlich durch das Weisungsrecht der GmbHGesellschafter bzw. des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern eingeschränkt. Für den Vorstand unterliegt sie zudem den starren Grenzen der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, sodass dieser bei Einwirkungen auf die Struktur des Unternehmens die Zuständigkeiten der Hauptversammlung beachten muss. Die Gesellschafter der Company können dagegen durch Satzung über die Verfassung ihrer Gesellschaft disponieren, müssen sich aber ggf. an der Entscheidung für die Übertragung der Leitungsbefugnisse an den Board festhalten lassen und auf ein Weisungsrecht verzichten, was einen sinnvollen Kompromiss zwischen interner Flexibilität und Rechtssicherheit im Interesse des Kapitalmarkts darstellt. Weniger zweckmäßig erscheint die mangelnde gesetzliche Anerkennung der Position der NEDs, deren Bestellung zwar theoretisch im Ermessen der Company liegt, in der Praxis aber durch den Einfluss des Combined Code inzwischen zur Regel geworden ist. Zwar liegt es in der Natur des Board-Systems, an jeden einzelnen Direktor die gleichen Mindestanforderungen zu stellen, was eine Differenzierung in Gesetz und Rechtsprechung bisher überflüssig erscheinen ließ. Jedoch macht der Combined Code immer präzisere und umfangreichere Vorgaben für die spezielle Überwachungstätigkeit der NEDs mit der Folge, dass sich deren Aufgabenstellung immer deutlicher von ___________ 497
Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (105).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
der der executives unterscheidet. Dem soll jetzt zwar mit einer ausführlichen Definition der Rolle eines NED im neuen Combined Code Rechnung getragen werden.498 Sollten die Gerichte diese aber auch für die Ermittlung der Pflichten im common law heranziehen, entstünde damit faktisch eine neue Kategorie der Direktoren, die aus Gründen der Rechtssicherheit im Companies Act Erwähnung finden sollte. Da ihre Bestellung weiterhin fakultativ bleibt, ginge eine Regelung ähnlich den §§ 95 ff. AktG sicherlich zu weit. Sobald aber an eine erfolgte Bestellung zwingende Aufgaben geknüpft werden sollen, wäre ein entsprechender Hinweis nach Art des § 52 GmbHG empfehlenswert. Schließlich zeigen die britischen Erfahrungen mit freiwilligen Verhaltenskodizes, dass sich deren Ausstrahlungswirkung auf die Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen durch die Gerichte kaum vermeiden lässt. Dies mag auf den ersten Blick dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen, räumt man doch so Privaten das Recht ein, über den Inhalt der gesetzlichen Haftung zu disponieren. Andererseits beruht die Hauptwirkung solcher Verhaltensregeln gerade nicht primär auf deren theoretischer Festlegung, sondern auf der breiten Akzeptanz und Befolgung durch die betroffenen Kreise. Je größer die Akzeptanz, umso stärker spiegeln die Kodizes die faktische Übung des ordentlichen Geschäftleiters wider und umso schneller nähern sie sich der Kategorie des Gewohnheitsrechts. Nichtsdestotrotz wird man künftig verstärkt auf eine deutlichere demokratische Legitimation des „Impulsgebers“ sowie darauf achten müssen, dass jeder neuen Verhaltensempfehlung ein möglichst transparenter Konsultationsprozess vorangeht. Unter dem Stichwort der allgemeinen Sorgfalt verbieten beide Rechtsordnungen zunächst nachlässiges, oberflächliches oder uninformiertes Herangehen an unternehmerische Entscheidungen. Als Unterschied fällt aber auf, dass die Einrichtung eines Risikoerfassungssystems nach Art des § 91 II AktG für die Company nicht zwingend vorgeschrieben ist, auch wenn sich der Combined Code 2003 ausführlich mit dem Thema befasst. Die Existenz und die Effizienz eines solchen Systems sind aber von großer Bedeutung für die Risikoanalyse (potentieller) Anleger, kommen auch dem Unternehmen in Form niedrigerer Kapitalkosten zugute, und sollten nicht zur Disposition der Unternehmen gestellt werden.499 Als fachspezifische Sorgfalt soll zudem ein Mindeststandard geschäftlicher Kenntnisse und Fähigkeiten festgelegt werden, welcher in England traditionell sehr niedrig angesetzt wurde und sich mit den gerade zufällig beim Betroffenen vorhandenen Qualifikationen begnügt. Während die Rechts___________ 498 Combined Code 2003, A.1, Supporting Principles; Higgs Report, Annex C – Guidance for non-executive directors. 499 s. die Pläne der EU-Kommission, die Unternehmen künftig im Rahmen der jährlichen Erklärung zu Corporate Governance auch über Existenz und Art des Risikomanagementsystems berichten zu lassen; EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1), 3.1.1.
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht
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lehre schon seit langem zumindest die Ausrichtung an dem Vorbild eines durchschnittlichen Geschäftsmannes forderte, kam die Trendwende erst mit der Entscheidung des Gesetzgebers in Section 214 Insolvency Act 1986 und der Ausdehnung dieses rollentypischen objektiven Sorgfaltsmaßstabs auf die Duty of Care durch die Urteile von Hoffmann LJ. Die Haftungsverschärfung scheint nunmehr unumkehrbar und verdichtete sich mit dem Urteil des Court of Appeal im Fall der Barings Bank zur Pflicht eines jeden Direktors, sich mit dem Geschäftsgegenstand seiner Gesellschaft vertraut zu machen und entsprechendes Wissen ständig zu pflegen. Im deutschen Recht diente von Anfang an zu Recht der ordentliche Geschäftleiter bzw. Kontrolleur als objektiver Maßstab. Von Vorteil ist dabei die besondere Anerkennung der Überwachungsrolle der Aufsichtsratsmitglieder, die es ermöglicht, die Anwendung der Sorgfalt insbesondere als Vorbereitung auf die Sitzungen oder Einsatz von Informationsrechten zu konkretisieren. Der Mindeststandard für Kenntnisse und Fähigkeiten sollte durch die Differenzierung jedoch keinesfalls aufgeweicht werden und darf auch von Arbeitnehmervertretern nicht unterschritten werden. In Fachausschüssen müssen sich diese sogar an das rollenspezifische, gehobene Qualifikationsniveau anpassen und andernfalls die Wahl in den Ausschuss ablehnen. Damit es aber für das Gesamtorgan nicht bei diesen Mindeststandards bleibt – in Großbritannien werden dem Board automatisch die aufgrund ihrer Expertise fest angestellten executives angehören – kann man den Aufsichtsrat nur zu ausgewogenen Vorschlägen für neue Kandidaten anhalten, damit „als Summe“ ein hohes Maß an Sachverstand zusammenkommt. Die britische Rechtsprechung zum geschuldeten Arbeitseinsatz wurde inzwischen ebenfalls der Erkenntnis angepasst, dass es sich bei den NEDs um voll verantwortliche Verwaltungsmitglieder handelt, die sich durch Fernbleiben und Wegschauen nicht ihrer Verpflichtungen entledigen können. Bei executives taucht das Problem ebensowenig auf wie bei Vorstandsmitgliedern, da Art und Umfang ihres Engagements bereits im Anstellungsvertrag festgelegt sein werden. Nunmehr muss aber jeder Direktor an so vielen Sitzungen des Board teilnehmen, dass er über die (finanziellen) Angelegenheiten der Gesellschaft auf dem Laufenden bleibt; in einer public company gar an allen Sitzungen. Dies ist nicht zu unterschätzen, trifft sich doch das geschäftsführende Organ deutlich häufiger als der deutsche Aufsichtsrat. Hinzu kommt mindestens einmal jährlich das vom Combined Code vorgeschriebene, gesonderte Treffen der NEDFraktion. Ausgewogener erscheint die deutsche Lösung: einerseits stellt völlige Passivität an sich schon eine Pflichtverletzung dar, andererseits müssen die nebenamtlich tätigen Verwaltungsmitglieder nicht die gleiche Anzahl von Sitzungen absolvieren wie die Vollzeit arbeitenden Kollegen. Mit nur vier Sitzungen im Jahr – sowohl nach der gesetzlichen Regelung als auch dem empirisch ermittelten Durchschnitt – bildet der Aufsichtsrat jedoch das Schlusslicht des eu-
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
ropäischen Ländervergleichs, sodass eine weitere Steigerung der Sitzungsfrequenz zu empfehlen wäre.500 Im Hinblick auf die Aufgabendelegation fällt zunächst auf, dass die britische Möglichkeit, die Leitungsaufgabe in die Hände einer einzelnen Person – des managing director oder CEO – zu übertragen, gerade in letzter Zeit von einigen deutschen AGs als Vorbild wiederentdeckt worden ist. Bei der stillen Rückkehr zum Direktorialprinzip wurden aber die aktuellen Bemühungen des englischen Gesellschaftsrechts übersehen, die einer derartigen Dominanz und Machtkonzentration im Board entgegenwirken wollen. Schon vor Jahren hat das Cadbury Committee die Ursache für die Häufung von Unternehmensinsolvenzen in der übermächtigen und eigensinnigen Geschäftsführung durch Einzelpersonen gesehen und sich für eine ausreichende Zahl von non-executives im Board ausgesprochen.501 Dabei ging es nur partiell um die Einrichtung einer speziellen, neuen Kontrollinstanz, die in Deutschland in Form des Aufsichtsrats längst vorhanden ist. Vielmehr sollten auch die executives im Board aus ihrer Untergebenheit gegenüber dem managing director befreit und an den Entscheidungen aktiv beteiligt werden.502 In diesem Licht ist auch der Wandel der Rechtsprechung im Hinblick auf die Überwachungspflicht zu sehen, deren passive Natur früher nur bei konkreten Gründen für Misstrauen zum Einschreiten verpflichtete und heute eine aktive Überwachung der Erfüllung delegierter Funktionen erfordert. Daher ist auch im deutschen Recht das „berechtigte Vertrauen“ als Dispens von der Überwachungspflicht restriktiv anzuwenden und nicht als Freibrief für den Rückzug aus der Gesamtverantwortung zu verstehen. Nach speziellen Ausführungen zum Inhalt der Duty of Care im Konzern sucht man in englischen Rechtstexten vergeblich. Entsprechende Problemfelder werden hier nicht als eigenes Rechtsgebiet verstanden, sondern vom Kanon der für die unabhängige Gesellschaft entwickelten Pflichten her angegangen. Demnach wird sich für den Board der herrschenden Gesellschaft schon deshalb eine Pflicht zur Überwachung der Geschäftstätigkeit der Tochter ergeben, weil deren Misserfolge mittelbar auch die eigene Gesellschaft schädigen können. Der Board einer abhängigen Gesellschaft ist indes weder dem Konzerninteresse verpflichtet noch weisungsgebunden,503 sodass sich seine Sorgfalt weiterhin auf ___________ 500
Vgl. die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003) in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23, wonach der Durchschnitt in Europa bei acht Sitzungen pro Jahr liegt. Die Studie weist jedoch darauf hin, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Sitzungsfrequenz und der Qualität der Corporate Governance bisher nicht belegt werden konnte. 501 s. o., 1. Kapitel, C. IV. 1. Gegen die Dominanz einzelner Personen im Board jetzt auch Combined Code 2003, A.2, Main Principle; A.3, Main Principle. 502 Davies, ZGR 2001, 268 (271). 503 s. u., 4. Kapitel, A. II. 8.
C. Rechtsvergleich und Ergebnisse zur Sorgfaltspflicht
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den Erfolg der eigenen Gesellschaft konzentrieren wird, dem im Konzern aber auch durch Zugeständnisse an die Mutter gedient sein kann. Diese Bestandsaufnahme der Fallgruppen zeigt, dass die in der deutschen Dogmatik wichtige Unterscheidung zwischen Tatbestand (Pflichtverletzung) und Verschulden in der praktischen Anwendung nur schwer durchzuhalten ist. Wo der „ordentliche Geschäftsleiter“ dem Richter als einziger Anhaltspunkt für den Inhalt der Pflichtenbindung dient, wird dieser im konkreten Fall zwangsläufig erst einmal ermitteln, wie ein solcher gehandelt hätte und dieses Verhalten zu einer nunmehr geltenden Verhaltensregel erheben. Tatsächlich ist im Bereich der Sorgfaltspflicht also der Fahrlässigkeitsstandard Ausgangspunkt für die Ausfüllung des generalklauselartigen Tatbestands.504 Aber auch unter dieser Prämisse ist eine genaue Umschreibung des „erforderlichen“ Verhaltens schwierig, hängt dieses doch von der konkreten Situation ab.505 Es sind schließlich kaum Anwendungsfälle denkbar, in denen zwar eine Pflichtverletzung aber kein Verschulden festgestellt werden kann.506 Hier erscheint das englische Recht konsequenter, das die Frage der konkreten Verhaltensanforderungen immer mit der Frage nach dem angemessenen Sorgfaltsmaßstab verknüpft. Bei den angesprochenen Aspekten der Sorgfaltspflicht handelt es sich aber im Ergebnis nur um eine grobe Richtschnur für das vom unternehmerischen Ermessen bestimmte Handeln der Geschäftsleiter. Darüber herrscht in beiden Ländern Einigkeit. Fraglich ist nur, wo die äußerste Grenze dieses Ermessens anzusetzen und wie sie sowohl gegen Überschreitungen seitens der Geschäftsleiter, als auch umgekehrt gegen zu weitgehende Nachforschungen seitens der Gerichte zu schützen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat einen weiten Haftungsfreiraum nach dem Vorbild der business judgment rule vorgezeichnet, der mit seinen normierten Voraussetzungen deutlich berechenbarer ist als der frühere subjektive skill-Test des englischen Rechts. Während letzterer vor allem fachliche Unzulänglichkeiten entschuldigt hat und somit im Hinblick auf eine hohe Qualität der Unternehmensleitung kontraproduktiv wirkte, trägt der deutsche Standard vor allem der Risikobereitschaft des kompetenten und loyalen Geschäftsleiters Rechnung. Gerade darin liegt sein Vorteil, will man doch mit der Haftungserleichterung in erster Linie der übertriebenen, geschäftslähmenden Vorsicht und Passivität entgegenwirken, die durch überspannte Sorgfaltsanforderungen gefördert würde. Diese Gefahr droht nunmehr von der neuen, objektiven Duty of Care auszugehen und soll nach bisheriger Überzeugung einmal durch die selbstauferlegte Zurückhaltung der englischen Richter bei der Beur___________ 504
Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (19). 505 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. 17; Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 68 f.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 60 f. 506 GK-Hopt, § 93 Rn. 255; Kindler, ZHR 162 (1998), 101 (104).
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3. Kapitel: Sorgfaltspflicht
teilung geschäftlicher Vorgänge und zum anderen durch die Anwendung der Section 727 CA 1985 gebannt werden. Als bloße Aussichten auf eine gänzlich im Ermessen des Prozessgerichts liegende Haftungserleichterung fügen sich diese Optionen jedoch nicht in das Konzept eines ex ante wirkenden Haftungssystems. Dessen Anreizwirkung soll von der Klarheit und Berechenbarkeit der Verhaltensanforderungen ausgehen, was zugleich bedeutet, dass das unternehmerische Ermessen von den Normadressaten als fester Bestandteil des Sorgfaltstatbestandes erkennbar sein muss. Dies wiederum spricht nicht nur für die Überlegenheit der business judgment rule sondern auch dafür, diese fest in den gesetzlichen Generalklauseln zu verankern.
4. Kapitel
Loyalitätspflichten A. Fiduciary Duties im englischen Recht I. Generelle Prinzipien Grundlage der fiduziarischen Pflichtenbindung der Direktoren gegenüber der Gesellschaft ist das Gebot, ihre Befugnisse im weitesten Sinne redlich (honestly), in gutem Glauben (in good faith) und im besten Interesse der company auszuüben, das auch als primäre Loyalitätspflicht bekannt ist.1 Genau genommen bringt das Treueverhältnis aber eine Reihe von selbständigen Regeln und Verpflichtungen hervor, sodass von einem Bündel von Loyalitätspflichten2 gesprochen werden kann, die einzeln zu erörtern sind und denen lediglich einige gemeinsame Prinzipien voranzustellen sind. Charakteristisch ist dabei die im Vergleich zur duty of care weit entwickelte und ungewohnt strenge Systematik der fiduciary duties,3 die sich daraus erklärt, dass diese – wie oben dargestellt4 – aus dem ausgereiften Recht der Stellvertretung (agency) und der Treuhand (trust) abgeleitet wurden und die Rolle des Direktors als Diener seines Geschäftsherren in den Vordergrund rücken. Die Fiduciary Duties werden – wie die Duty of Care – als zwingendes Recht auf alle Direktoren und alle Gesellschaften angewendet, ohne dass die Gerichte nach den einzelnen Gesellschaftstypen unterscheiden würden.5 Alle Loyalitätspflichten haben zunächst das Prinzip gemein, dass sie jeden einzelnen Direktor individuell binden. Die Pflichtenbindung steht somit im Gegensatz zu dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung durch den Board als Ganzes. Dies entspricht gerade der Konstruktion der Treuhand, bei der die Treuhänder ebenfalls gemeinsam handeln müssen, den Begünstigten gegenüber aber einzeln verantwortlich sind.6 Die Pflichtenbindung entsteht, wenn die Bestellung zum Direktor Wirksamkeit erlangt. Sie endet jedoch nicht notwendigerweise mit dem Ende der Amtsstellung. So kann ___________ 1 Bristol and West Buildng Society v. Mothew [1998] Ch 1 (18, Millett LJ), CA, Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 154. 2 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.3; Pasban [2001] JBL 33 (35). 3 Maw, Maw on Corporate Governance, S. 16. 4 s. o., 2. Kapitel, A. I., II. 5 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103. 6 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 381.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
es dem Direktor verwehrt sein, Informationen bzw. Geschäftschancen der Gesellschaft, die ihm in dieser Eigenschaft bekannt geworden sind, nach dem Ausscheiden aus dem Amt für eigene Zwecke zu nutzen.7 Solange der Direktor sein Amt innehat, dauert die Pflichtenbindung ununterbrochen an, sodass ein „Feierabend“ im Sinne einer Freiheit von fiduziarischen Verpflichtungen nicht denkbar ist.8 Abstrakte Ausführungen zum Verschuldenserfordernis sind an dieser Stelle ebensowenig möglich wie schon bei der Sorgfaltspflicht.9 Die englische Rechtsprechung definiert den Fahrlässigkeitsbegriff vielmehr tatbestandsspezifisch, sodass darauf innerhalb der einzelnen Fallgruppen zurückzukommen sein wird. Obwohl man im Allgemeinen davon ausgeht, dass ein haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens (business judgment rule) den Gesellschaftsorganen nur im Bereich der Sorgfaltspflicht zuerkannt werden kann,10 lassen auch die Loyalitätspflichten in engen Grenzen einen Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist jedoch schon aufgrund der Natur der treuhänderischen Beziehung deutlich enger abzustecken.11 Die Formulierung der Sorgfaltspflicht hat sich nämlich an der Erkenntnis zu orientieren, dass eine gewisse Risikofreude seitens der Unternehmenslenker wirtschaftlich nicht nur vorteilhaft, sondern auch unbedingt notwendig ist. Niemand sonst, und schon gar nicht ein sachferner Richter, kann besser als er beurteilen, mit welchen Mitteln der Erfolg des Unternehmens am besten gefördert werden kann. Dementsprechend müssen die starren, gesetzlichen Vorgaben hier auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden. Anders bei den Loyalitätspflichten. Diese legen überhaupt das Ziel fest, mit dem die Gesellschaftsorgane ihre Tätigkeit entfalten sollen. Sie stellen sicher, dass die Geschäftsleiter entsprechend dem Treuhandmodell ausschließlich das Unternehmensinteresse fördern und nicht etwa eigene oder externe Interessen. In diesem Punkt ist auch kein Spielraum denkbar. Jede Abweichung von der Bindung an das Wohl des Treugebers wäre für diesen nachteilig. Nur wenn feststeht, dass das Organmitglied seine Entscheidung am Unternehmensinteresse ausrichten will, muss ihm aufgrund des generalklauselartigen Charakters dieses Begriffs ein begrenzter Ermessensspielraum hinsichtlich der Fragen ___________ 7 Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley [1972] 1 WLR 443; Canadian Aero Services Ltd v. O’Malley (1974) 40 DLR (3d) 371 (382, Laskin J); Island Export Finance Ltd v. Umunna [1986] BCLC 460; CMS Dolphin Ltd v. Simonet [2001] 2 BCLC 704 (733); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 422 f.; Siehe auch die ausführliche Darstellung unten, 4. Kapitel, A. II. 6. 8 Gwembe Valley Development Co Ltd v. Koshy [1998] BCLC 613 (621, Harman J); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 516. 9 s. o., 3. Kapitel, A. IV. 10 Fleischer, FS-Wiedemann, S. 827 (843 f.); Goette, in: FS-50 Jahre BGH, S. 123 (130 f.). 11 Hopt, ZGR 1993, 534 (542); ders., FS-Mestmäcker, S. 909 (917, 929).
A. Fiduciary Duties im englischen Recht
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zugestanden werden, wie er die einzelnen Komponenten des Interessengeflechts im konkreten Fall zu einem Ausgleich bringen kann.12 Mit dieser Abwägung befasst sich der wichtigste der Loyalitätstatbestände, und zwar die Pflicht, im Interesse des Unternehmens zu handeln, auf die unten ausführlich eingegangen wird. Die übrigen Tatbestände sollen in verschiedenen Situationen sicherstellen, dass das Organ jedenfalls nicht den eigenen Belange oder sonstigen, externen Interessen den Vorzug gibt.
II. Tatbestände der Loyalitätspflichten: Fallgruppen des Common Law 1. Handeln in gutem Glauben (in good faith) im Interesse der Company Die im fiduziarischen Bereich wohl am häufigsten zitierte Formel ist die Pflicht des Direktors, sein Handeln in gutem Glauben danach auszurichten, was seiner Ansicht nach – die Ansicht des Gerichts bleibt außer Betracht – im Interesse der Gesellschaft liegt, sowie von seinen Befugnissen nur zu dem Zweck Gebrauch zu machen, zu dem sie ihm verliehen wurden: „They must exercise their discretion bona fide in what they consider – not what a court may consider – is in the interests of the company, and not for any collateral purpose.“13
Genau genommen handelt es sich hier jedoch um zwei verschiedene Aspekte,14 die der Übersichtlichkeit halber gesondert zu untersuchen sind, wobei zunächst nur das Erfordernis des Handelns in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft konkretisiert und erst später auf den Zweck der Ermessensausübung (proper purpose) eingegangen wird.
a) Maßstab des guten Glaubens Auch wenn man das Handeln im Interesse der Gesellschaft weiter auf das Handeln im Interesse der Gesellschaftergesamtheit und noch weiter auf die ___________ 12 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 81; s. auch Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 130. 13 Re Smith & Fawcett Ltd. [1942] Ch 304 (306, Lord Greene MR); Heydon, in: Finn, Equity and Commercial Relationships, S. 120. Andere Gerichte haben anstelle des Begriffs „interests“ von „best interests“ gesprochen, was einen gesteigerten Standard bedeuten und die bestmöglichen Entscheideungen verlangen könnte (Teck Corporation Ltd v. Millar (1973) 33 DLR (3d) 288 (290, Berger J); Lee v. Chou Wen Hsien [1984] 1 WLR 1202 (1206, Lord Brightman)). Gegen diese übermäßig strenge Auslegung aber zu Recht Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 517. 14 Hogg v. Cramphorn Ltd [1967] Ch 254; so auch Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (128); Hannigan, Company Law, S. 226.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Maximierung ihrer Rendite eingrenzen kann, eröffnet die Vorgabe für den Manager in der realen Wirtschaftswelt eine unendliche Menge an Handlungsoptionen. Es ist daher nicht möglich, die Pflicht positiv, im Sinne einer konkreten Handlungsanweisung oder Erfolgsvorgabe zu formulieren.15 In der Praxis wenden die Richter meistens den gesunden Menschenverstand an und fragen, ob bewiesen werden konnte, dass die Direktoren etwas nicht getan haben, was sie ehrlich für richtig hielten. Normalerweise wird die Frage verneint, es sei denn, das Gericht ist davon überzeugt, dass der Direktor eine Entscheidung getroffen hat, die so von keiner vernünftigen Direktoren- bzw. Gesellschaftergesamtheit getroffen worden wäre.16 Das Gericht wird aber keinesfalls danach fragen, ob der Direktor die bestmögliche Entscheidung getroffen hat.17 Auf den ersten Blick besteht die Verpflichtung also nur darin, einen subjektiv guten Glauben darzutun. Auch in diesem Fall kann jedoch objektiv eine Pflichtverletzung vorliegen, nämlich dann, wenn sich der Direktor gar nicht erst die Frage gestellt hat, ob die geplante Handlung dem Interesse der Gesellschaft entspricht. Verdeutlicht wird dies durch den Fall Re W. & M. Roith Ltd,18 in dem der Direktor und zugleich Mehrheitsgesellschafter eine finanzielle Absicherung seiner Frau für den Fall seines Todes beabsichtigte. Zu diesem Zweck schloss er einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft, durch den die Ehefrau nach seinem Tod eine lebenslange Rente beanspruchen konnte. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Direktor keinen Gedanken darüber verloren hatte, ob die Vereinbarung für die Gesellschaft von Nutzen war. Da sein einziger Beweggrund die Absicherung der Witwe war, wurde der Vertrag für nichtig befunden.19 Etwas anders wurde jedoch in Charterbridge Corp. Ltd v. Lloyds Bank Ltd20 entschieden. Die Direktoren einer Konzerngesellschaft haben sich hier bei ihren Entscheidungen von dem Wohl des Gesamtkonzerns leiten lassen und nicht von den Interessen ihrer eigenen Gesellschaft. Das Gericht befand, dass bei Fehlen einer gesonderten Prüfung des Gesellschaftsinteresses zusätzlich gefragt werden müsse, ob eine vernünftige und ehrliche Person in der Position des Direktors vernünftigerweise geglaubt hätte, dass die Transaktion der Gesellschaft nützen würde. Dies konnte in dem konkreten Fall bejaht werden. In dieser Tatsache liegt wohl auch der Unterschied zu Re W. & M. Roith
___________ 15
Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 93. Sealy (1989) 15 Mona ULR 265 (277): „objective treshold of reasonableness“, „amiable lunatics-test“; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 158. 17 Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821 (832, Lord Wilberforce): „There is no appeal on merits from management decisions to courts of law: nor will courts of law assume to act as a kind of supervisory board over decisions within the powers of management honestly arrived at.“ 18 [1967] 1 WLR 432. 19 Die Richter folgten damit Re Lee, Behrens & Co Ltd [1932] 2 Ch 46 (52 f., Eve J); s. auch Alexander v. Automatic Telephone Co [1900] 2 Ch 56; In Lindgren v. L. & P. Estates Ltd [1968] Ch 572, CA befand das Gericht hingegen, dass der Direktor die wirtschaftlichen Vorteile des Vertrages hinreichend gewürdigt hatte. 20 [1970] Ch 62. 16
A. Fiduciary Duties im englischen Recht
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Ltd, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch objektiv kein Vorteil für die Gesellschaft ersichtlich war. Das Gericht hat es ausdrücklich abgelehnt, bei Fehlen einer gesonderten Interessenabwägung automatisch und in jedem Falle zu fingieren, dass die Direktoren nicht im Interesse der Gesellschaft gehandelt haben: „That is, I think, an unduly stringent test and would lead to really absurd results, i.e., unless the directors of a company addressed their minds specifically to the interest of the company in connection with each particular transaction, that transaction would be ultra vires and void, notwithstanding that the transaction might be beneficial to the company… The proper test, I think, in the absence of actual separate consideration, must be whether an intelligent and honest man in the position of a director of the company concerned, could, in the whole of the existing circumstances, have reasonably believed that the transactions were for the benefit of the company.“21
Somit ist festzustellen, dass das Fehlen einer gesonderten Prüfung des Gesellschaftsinteresses dann nicht schadet, wenn die Transaktion jedenfalls bei objektiver Betrachtung ex ante dem Wohl der Gesellschaft gediente hätte. Waren hingegen schon zum Zeitpunkt der Transaktion objektiv Nachteile für die Gesellschaft erkennbar, so kommt es auf den guten Glauben des Direktors an, den er nur mit dem Hinweis auf eine sorgfältige Interessenabwägung darlegen kann. Ein solcher Nachweis ist den Direktoren in dem neueren Fall Extrasure Travel Insurances Ltd v. Scattergood22 nicht gelungen. Sie veranlassten eine Zahlung an eine Konzerngesellschaft offenbar nur, damit diese ihre Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger erfüllen konnte, der besonderen Druck ausgeübt hatte. Dabei stellte das Gericht klar: „The fact that his alleged belief was unreasonable may provide evidence that it was not in fact honestly helt at the time: but if, having considered all the evidence, it appears that the director did honestly believe that he was acting in the best interests of the company, then he is not in breach of his fiduciary duty merely because that belief appears to the trial judge to be unreasonable, or because his actions happen, in the event, to cause injury to the company.“23
In den Kategorien der deutschen Verschuldensdogmatik entspricht dies in etwa einem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff, der in hohem Maße die Bemühungen des Betroffenen honoriert, seine Grenze jedoch dort findet, wo sich das Verhalten sogar aus ex ante-Sicht als grob fahrlässig (keine vernünftige Direktoren- bzw. Gesellschaftergesamtheit wäre zu solch einer Entscheidung gelangt) oder gar vorsätzlich (der Direktor macht sich keine Gedanken und nimmt mögliche Nachteile für die Gesellschaft billigend in Kauf) darstellt. Die Frage des Verschuldens wird aber auch nur dann relevant, wenn objektiv eine Pflicht___________ 21
[1970] Ch 62 (74, Pennycuick J). [2003] BCLC 598. 23 [2003] BCLC 598 (619). 22
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
verletzung, also eine Entscheidung vorliegt, von der kein vernünftiger Direktor in dieser Lage denken konnte, sie diene dem Interesse der Gesellschaft. Laut Kritikern führt der subjektive Test in der Gerichtspraxis dazu, dass dem Board ein absoluter und unüberprüfbarer Ermessensspielraum eingeräumt wird.24 Der Nachweis, dass ein Direktor nicht in gutem Glauben gehandelt hat, dürfte überhaupt nur gelingen, wenn die Pflicht-verletzung haarsträubende Ausmaße erreicht, oder der zuvorkommende Geschäftsleiter eine akribische Aufzeichnung seines Gedankengangs vor der Entscheidung hinterlassen hat.25
b) Interesse der Gesellschaft Um aus traditioneller Sicht in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, müssen die directors, wie oben gezeigt,26 ihr Verhalten am Wohl der Gesellschaftergesamtheit ausrichten. Wann dies der Fall ist, wird jedoch nicht aus objektiver Sicht des Richters beurteilt, sondern der Einschätzung des Direktors überlassen.27 Dieser kann also selbständig darüber entscheiden, was die Interessen der Gesellschafter sind, ob ihnen eher durch kurzfristige oder durch langfristige Geschäftspolitik gedient wird, und inwiefern das Gesellschafterwohl Freigebigkeit gegenüber den stakeholders erfordert.28 Auch die übliche Annahme, wonach die Gesellschaftergesamtheit primär an der Maximierung ihrer Rendite interessiert sei, entzieht sich nämlich einer genauen Definition. Das primäre Interesse des Gesellschafters kann sich einmal auf eine möglichst hohe Dividende richten, genauso gut aber auf einen hohen Aktienkurs, das langfristige Wachstum bzw. die Stabilität der Gesellschaft oder auf ___________ 24
Hannigan, Company Law, S. 226; Re Smith & Fawcett Ltd. [1942] Ch 304; Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244. 25 Ein berühmtes Beispiel ist der amerikanische Fall Dodge v. Ford Motor Co (1919) 3 ALR 413: Henry Ford hat hier offen verkündet, die Aktionäre hätten bereits mehr als genung Rendite auf ihr investiertes Kapital erhalten und schlug deshalb vor, keine weiteren Sonderdividenden, sondern nur die normale Dividende auszuzahlen. Damit könne man die Preise der Autos reduzieren und die Produktion steigern mit dem Ziel: „…to employ still more men; to spread the benefits of this industrial system to the greatest possible number, to help them build up their lives and their homes“ (S. 417). Das Gericht wertete dies als eine willkürliche Weigerung, Mittel zu verteilen, die als Dividende hätten an die Aktionäre ausgeschüttet werden sollen (S. 442). Ein englisches Gericht hätte indes angesichts von S. 309 CA 1985 durchaus zu einem anderen Ergebnis kommen können; vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 389 Fn. 3. 26 s. o., 2. Kapitel, A. 27 Re Smith & Fawcett Ltd. [1942] Ch 304 (306, Lord Greene MR): „They must exercise their discretion bona fide in what they consider – and not what a court may consider – is in the interests of the company…“. 28 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 389.
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eine Risikobegrenzung im Hinblick auf seine Geldanlage.29 Daraus folgt weiter, dass sich die Direktoren faktisch von ihrem Verständnis des Wohls der Aktionäre leiten lassen werden, wodurch der Grundsatz, dass sie dem einzelnen Aktionär gegenüber nicht zur Loyalität verpflichtet sind, an Schärfe verlieren dürfte. Die Ausdehnung der zu beachtenden Interessen auf die der Arbeitnehmer in Section 309(1) CA 1985 erschwert den Nachweis einer Pflichtverletzung zusätzlich.30
c) Gleichbehandlung der Aktionäre (acting fairly as between members) Eine allgemeine Regel lässt sich jedoch für jeden Geschäftsleiter aufstellen, nämlich die Pflicht, alle Aktionäre gleich zu behandeln. Eine Ausprägung dieser Regel ist das Verbot, einige Aktionäre zur Nachzahlung auf ihre Einlagen aufzufordern, während andere mangels Aufforderung von der vereinbarten Nachzahlungspflicht ausgenommen werden.31 Andererseits lässt das Gleichbehandlungsgebot Differenzierungen zu, wenn unterschiedliche Gattungen von Aktien vorhanden sind und somit nur die unterschiedliche Behandlung der Gesellschaftergruppen als fair und sachgerecht erscheint.32 In Mutual Life Insurance Co of New York v. Rank Organisation Ltd33 hat der Board einigen Inhabern von Stammaktien Bezugsrechte auf neue Aktien eingeräumt und dabei gezielt die amerikanischen und die kanadischen Aktionäre ausgenommen. Der Grund für diese Entscheidung war das strenge Wertpapierrecht in beiden Ländern, dessen Umgehung nach Ansicht des Board dem Interesse der Gesellschaft entsprach. Das Gericht sah in dem Verhalten keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes.
Faires Verhalten setzt aber voraus, dass der Board die Auswirkungen seiner Entscheidungen auf die unterschiedlichen Gruppen der Aktionäre jedenfalls im Voraus prüft, beispielsweise bevor er einer komplexen Finanzierungsvereinbarung zustimmt.34 Es kann hingegen nicht verlangt werden, dass die Direktoren alle Entscheidungen unterlassen, von denen auch sie selbst in ihrer Eigenschaft als Aktionäre profitieren.35 ___________ 29
Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 520 f. m. w. N. s. o., 2. Kapitel, A. III. 1. e). 31 Galloway v. Hallé Concerts Society [1915] 2 Ch 233 (239, Sargant J). 32 Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150 (164, Latham CJ), Aust HC: „The question which arises is sometimes not a question of the interest of the company at all, but a question of what is fair as between different classes of shareholders. Where such a case arises some other test than of the ‚interests of the company’ must be applied…“; Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821 (835); Mutual Life Insurance Co of New York v. Rank Organisation Ltd [1985] BCLC 11. 33 [1985] BCLC 11. 34 Re BSB Holdings Ltd (No 2) [1996] 1 BCLC 155. 35 Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150 (164, Latham CJ), Aust HC. 30
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
d) Ausnutzung des Amtes für eigene Zwecke Dem Interesse der Gesellschaft widerspricht es ebenfalls, wenn der Direktor seine Amtsstellung ausnutzt, um sich oder mit ihm verbundenen Personen Vorteile zu verschaffen36: In Bishopsgate Investment Management Ltd v. Maxwell (No. 2)37 war die Klägerin Treuhänderin des Vermögens mehrerer Rentenversicherungssysteme für Arbeitnehmer von Gesellschaften, die von Robert Maxwell kontrolliert wurden. Dessen Sohn, Ian Maxwell, hat als Direktor von Bishopsgate die kostenlose Übertragung von fünf Aktienpaketen der Gesellschaft an die Robert Maxwell Group plc angewiesen, in der er ebenfalls einen Sitz im Board innehatte. Anschließend konnte er nichts vorbringen, um ein Interesse der Klägerin an einem solchen Geschenk darzulegen. Das Gericht sah den einzigen Zweck der Schenkung daher in der Bereicherung der Familiengesellschaften der Maxwells und verurteilte den Beklagten dazu, der Klägerin alle erlittenen Verluste zu ersetzen. In Gilbert’s Case38 haben die Direktoren unzulässigerweise einer Übertragung der nur teilweise bezahlten Aktien eines Direktors zugestimmt, um anschließend die übrigen Aktionäre zur vollständigen Einzahlung der Einlagen auf gezeichnete Aktien aufzufordern.
e) Berücksichtigung gesellschaftsfremder Interessen Ein markantes Beispiel für die Neigung zur – unzulässigen – Berücksichtigung gesellschaftsfremder Interessen sind Direktoren, die von bestimmten Gruppen als Interessenvertreter in den Board entsandt werden (nominee directors). Sie befinden sich zumeist in einem permanenten Konflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen des Ernenners und geben oft zu Unrecht den letzteren den Vorzug. In Scottish Cooperative Wholesale Society Ltd v. Meyer39 hatte die Klägerin laut Satzung das Recht, drei der fünf Direktoren der Gesellschaft zu entsenden, an der sie die Kontrollmehrheit besaß. Bei den übrigen beiden handelte es sich um die Minderheitsgesellschafter. Als sich die Klägerin entschloss, mit der Gesellschaft in deren Geschäftsfeld zu konkurrieren in der Absicht, die Gesellschaft zu zerstören, taten „ihre“ Direktoren erwartungsgemäß nichts, um die Interessen der Gesellschaft zu verteidigen. Sie befanden sich in einer unmöglichen Lage und haben sich schließlich auch noch unzulässi-
___________ 36
s. dazu auch unten, 4. Kapitel, A. II. 6. [1993] BCLC 1282. 38 Re National Provincial Marine Insurance Co., Gilbert’s Case (1870) LR 5 Ch App 559. 39 [1959] AC 324, HL; s. auch Kuwait Asia Bank EC v. National Mutual Life Nominees Ltd [1991] 1 AC 187 (222), PC; vgl. zu dem Problem auch Boros (1989) 10 Co Law 211; dies. (1990) 11 Co Law 6; Crutchfield (1991) 12 Co Law 136; Lee [2003] JBL 449. 37
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gerweise für die Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber der Klägerin entschieden.40 Rechtsfolge war in diesem Fall – da die Minderheitsgesellschafter gem. Section 459 CA 1985 gegen die unfaire Benachteiligung der Gesellschafterinteressen vorgingen – eine Anordnung an die Klägerin, den Minderheitsgesellschaftern ihre Anteile abzukaufen.
f) Freiwillige Sozialleistungen und Unternehmensspenden: The Political Parties, Elections and Referendums Act 2000 Obwohl das britische Gesellschaftsrecht einer sozialen Verantwortung von Unternehmen – wie oben gezeigt – kritisch gegenüber steht, ermutigt die Regierung die Wirtschaft seit Jahren dazu, Trägerschaften im künstlerischen und karitativen Bereich zu übernehmen. Tatsächlich ist seitens der Direktoren eine große Spendenfreudigkeit zu beobachten, wobei sich kleinere Spenden gut damit rechtfertigen lassen, dass sie auch für das Unternehmen selbst Vorteile versprechen.41 Die Kontrolle über den Umfang solcher freiwilligen Leistungen soll im Übrigen dadurch gewährleistet werden, dass diese im directors’ report offenzulegen sind.42 Im karitativen Bereich begnügen sich die Gerichte dabei mit einem relativ schwachen Bezug der Spende zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft: In dem Fall Evans v. Brunner, Mond & Co Ltd43 wurde den Direktoren eines Chemieunternehmens erlaubt, Spenden in vernünftiger Höhe an Universitäten zu vergeben, um die dortige Forschung und Lehre zu fördern, insbesondere um Wissenschaftler auszubilden, von denen einige anschließend mit Projekten für die Gesellschaft beauftragt werden könnten. Das Gericht sah es dabei als erwiesen an, dass die Spenden direkte und erhebliche Vorteile für das Unternehmen haben würden, die für das Fortkommen der Firma unentbehrlich waren. Verworfen wurde hingegen das Argument, dass von der Forschung in erster Linie die Öffentlichkeit als Ganzes, also auch die Wettbewerber profitieren würden.
Im politischen Bereich wird hingegen die Förderung einer spezifischen Zielsetzung der Partei verlangt, die mit dem Gegenstand der Company korrespondiert. Die allgemeine Erwartung, dass die geförderte Partei für ein günstiges Geschäftsklima sorgen würde, genügt daher nicht.44 ___________ 40
So Lord Denning auf S. 366 f. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 378 Fn. 39, 411; kritisch Slaughter (1997) 18 Co Law 313. 42 §§ 3 ff. Schedule 7 CA 1985; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 378 Fn. 39, 411, 547 f. 43 [1921] 1 Ch 359; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 411. 44 Vgl. Simmonds v. Heffer [1983] BCLC 298, wo der Gesellschaft League Against Cruel Sports Ltd die finazielle Unterstützung der Labour Party nur insofern gestattet wurde, als sie zur Finanzierung der Tierschutz-Werbekampagne verwendet werden sollte; ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 411. 41
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Während es für karitative Spenden bei diesen Schutzmechanismen bleibt, wurden alle politischen Spenden und Aufwendungen innerhalb der EU45 durch den Political Parties, Elections and Referendums Act 2000 (PPERA 2000)46 mit Wirkung zum 16. Februar 2001 strengen gesetzlichen Vorgaben des neuen Part XA CA 1985 unterworfen. Kernstück der Regelung ist ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung,47 der einen Mehrheitsbeschluss (approval resolution) im Vorfeld der Spende bzw. einer Verpflichtung hierzu verlangt.48 Der Beschluss wird sich aber nicht etwa auf eine bestimmte Spende, sondern auf alle politischen Aufwendungen bis zu einem festgelegten Höchstbetrag über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren beziehen müssen.49 Er wird bei einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von der Gesellschafterversammlung der Mutter gefasst, während bei sonstigen Tochtergesellschaften sowohl die Versammlung der Mutter als auch die der Tochter mitwirken müssen.50 Bei Verstoß droht die persönliche Haftung der Direktoren in Höhe des gespendeten Betrages zuzüglich des Ersatzes eventuell entstandener Schäden, vor allem des Image-Schadens.51 Als Einwendung kann der Direktor lediglich eine mit Zustimmung der vollständig informierten Gesellschafter erfolgte Rückzahlung vorbringen.52 Interessant ist schließlich, dass die Haftungsnormen um ein Klagerecht der Aktionärsminderheit ergänzt wurden – der erste ausdrücklich normierte Fall der derivative action.53 Sinn und Zweck dieser Regelung ist zum einen ein besserer Umgang mit dem Interessenkonflikt des Direktors, der hier zwischen eigenen politischen Präferenzen und einer am Wohl der Gesellschaft orientierten politischen Strategie hin und her gerissen ist. Noch wichtiger war es aber, im Bereich politischer Spenden generell für mehr Transparenz und Rechenschaft zu sorgen.54 ___________ 45 Zu Definition und Ausnahmen s. Sections 347A und B CA 1985 sowie Sections 50 und 52 PPERA 2000. 46 The Political Parties, Elections and Referendums Act 2000 (Commencement No. 1 and Transitional Provisions) Order, SI 2001/222. 47 Section 347C CA 1985. 48 Sections 347C(1)(5), 347A(10) CA 1985. 49 Section 379C(2)-(4) CA 1985; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 412. 50 Sections 397C(1), 347D CA 1985. 51 Section 347F CA 1985; eingeschlossen sind ggf. auch die Direktoren der Muttergesellschaft sowie gem. Section 347A(3) shadow directors; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 412 f. 52 Section 347H CA 1985; wonach der Direktor der Mutter zusätzlich eine gerichtliche Freistellung beantragen kann, sofern die Tochtergesellschaft bereits gegen ihre Direktoren vorgeht. 53 Section 347I CA 1985; s.dazu unten, 5. Kapitel, A. IV. 3.; ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 447 f. 54 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 411.
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g) Reform Die Pflicht zum Handeln in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft soll ohne nennenswerte Substanzänderungen in Clause 156(1) Company Law Reform Bill (Duty to promote the success of the company) kodifiziert werden.55 Gemäß Clause 163 Company Law Reform Bill darf dieses Gebot jedoch als Vorwand dazu genutzt werden, gegen andere Pflichten zu verstoßen, auch wenn der Direktor glaubt, das Gesellschaftswohl hierdurch am besten fördern zu können.56 Die Gleichbehandlung der Aktionäre wird in Clause 156(3)(f) Company Law Reform Bill lediglich als ein dem Gesellschaftsinteresse untergeordneter Faktor innerhalb des Entscheidungsprozesses qualifiziert und ist mithin kein absolutes Gebot. Die Gesellschaft habe aber grundsätzlich ein Interesse daran, ihre Gesellschafter gleich zu behandeln (act fairly as between its members).57 Die eigentliche Erklärung für diese Unterordnung des Gleichbehandlungsgedankens gegenüber dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens dürfte aber sein, dass mit Section 459 CA 1985 bereits ein anderes, wirksames Instrument des Minderheitenschutzes existiert.58 Die Regelung politischer Spenden erfolgt mit geringfügigen Änderungen in Part 14 (Clauses 335-351) Company Law Reform Bill.
2. Zweckgebundenes Handeln (proper-purpose-Test) Wie oben gesehen, wird die subjektiv zu beurteilende Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, nach überwiegender Ansicht durch das objektive Verbot, die Befugnisse des Direktors zu externen Zwecken ___________ 55 Manche Gerichte haben anstelle des Begriffs „interests“ von „best interests“ gesprochen, was einen gesteigerten Standard bedeuten und die bestmöglichen Entscheidungen verlangen könnte (Teck Corporation Ltd v. Millar (1972) 33 DLR (3d) 288 (290, Berger J); Lee v. Chou Wen Hsien [1984] 1 WLR 1202 (1206, Lord Brightman)). Gegen diese übermäßig strenge Auslegung aber zu Recht Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 517. Um Mißverständnisse zu vermeiden wählte der Reformgeber jetzt die Formulierung: der Direktor habe sich für die Alternative zu entscheiden, die den Erfolg der Gesellschaft am wahrscheinlichsten fördern wird („most likely to promote the success of the company“); für immer noch zu streng hält es aber Worthington (2001) 64 MLR 439 (447 f.). 56 Vgl. Company Law Reform Bill Explanatory Note 312. 57 Final Report, Annex C, Explanatory Notes, 18; vgl. auch Berg [2000] JBL 472 (489 f.). 58 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 530; s. zu Section 459 ausführlich unten, 5. Kapitel, A. IV. 4.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
(extraneous, improper, oder collateral purpose) einzusetzen, ergänzt.59 Das bedeutet, dass die den Direktoren durch Satzung übertragenen Befugnisse ihnen als Treuhänder zustehen und zu keinem anderen Zweck ausgeübt werden dürfen, als zu dem, für den sie verliehen wurden. Verfolgen die Direktoren einen externen Zweck, so ist das betreffende Rechtsgeschäft anfechtbar, unabhängig davon, ob sie redlicherweise glaubten, im Interesse der Gesellschaft zu handeln.60 Die proper-purpose-Doktrin fügt dem subjektiven bona-fide-Test somit einen objektiven Test hinzu, mit dem die ordnungsgemäße Ausübung des unternehmerischen Ermessens noch effektiver kontrolliert werden kann.61 Auf diese Weise die Befugnisse des Direktors zu begrenzen, fällt naturgemäß um so schwerer, je weiter die in Frage stehende Kompetenz gefasst ist.62 Beispiele für Befugnisse, die häufig dem proper-purpose-Test unterzogen werden, sind die Aufforderung zur Ein- bzw. Nachzahlung auf Aktien,63 die Verweigerung der Umschreibung im Aktienbuch,64 die Anordnung der Kaduzierung von Aktien,65 Kreditgewährung66 sowie der Ausschluss eines Gesellschafters.67 Ein weiteres berühmtes Beispiel ist die Überschreitung der Geschäftsfüh___________ 59
Re Smith & Fawcett Ltd. [1942] Ch 304 (306, Lord Greene MR); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 385. 60 Fraser v. Whalley (1864) 71 ER 361; Punt v. Symons & Co Ltd [1903] 2 Ch 506; Piercy v. S. Mills & Co [1920] 1 Ch 77; Ngurli v. McCann (1953-54) 90 CLR 425, Aust. HC; Hogg v. Cramphorn Ltd [1967] Ch 254; Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821; Mutual Life Insurance Co fo New York v. Rank Organisation Ltd [1985] BCLC 11; Re a Company (No. 00370 of 1987) [1988] 1 WLR 1068; Lee Panavision Ltd v. Lee Lighting Ltd [1992] BCLC 22, CA; Bishopsgate Investment Management Ltd v. Maxwell (No. 2) [1993] BCLC 1282; Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (134). 61 Arden, in: Rawlings, Law, Society and Economy, S. 91 (98); Sealy (1989) 15 Mon ULR 265 (277); Hannigan, Company Law, S. 226; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 385; Nur vereinzelt wird dieser zusätzliche Test als zu streng abgelehnt, müsse doch der gute Glaube des Direktors, der auf vernünftigen Tatsachen basiert, ausreichen, um diesen zu entlasten; s. Teck Corporation Ltd v. Millar (1973) 33 DLR (3d) 288 (315 ff., Berger J), British Columbia SC; Sealy [1967] CLJ 33 (35). 62 Gaiman v. National Association for Mental Health [1971] Ch 317; Prentice (1970) 33 MLR 700 (702); Re Smith & Fawcett Ltd [1942] Ch 304. 63 Galloway v. Hallé Concerts Society [1915] 2 Ch 233; Alexander v. Automatic Telephone Co [1900] 2 Ch 56. 64 Re Smith & Fawcett Ltd [1942] Ch 304; Re Bede Steam Shipping Co Ltd [1917] 1 Ch 123; Bennett’s Case (1854) 5 De GM & G 284; Australian Metropolitan Life Assurance Co Ltd v. Ure (1923) 33 CLR 199, Aust. HC. 65 Re Agriculturist Cattle Insurance Co, Stanhope’s Case (1866) 1 Ch App 161; Manisty’s Case (1873) 17 SJ 745. 66 Hogg v. Cramphorn Ltd [1967] Ch 254; Rolled Steel Products (Holdings) Ltd v. British Steel Corporation [1986] Ch 246. 67 Gaiman v. National Association for Mental Health [1971] Ch 317; Prentice (1970) 33 MLR 700.
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rungsbefugnis durch Handeln jenseits des satzungsmäßigen Gesellschaftszwecks (objects clause), das als „ultra vires“ bekannt und mittlerweile in Section 35 CA 1985 geregelt ist.
a) Handeln im eigenen Interesse Eine gesonderte Erwähnung verdient zunächst die Fallgruppe des offensichtlichen Handelns im eigenen Interesse des Direktors, bei der die Verneinung des legitimen Zwecks nicht schwer fällt. Das Urteil in Lee Panavision Ltd v. Lee Lighting Ltd68 befasst sich mit einer Geschäftsführungsvereinbarung zwischen den ausscheidenden Direktoren und einem ihnen nahestehenden Dritten, durch die der neue Board faktisch all seiner Leitungsmacht beraubt worden wäre. Obwohl der ausscheidende Board zum Wohle der Gesellschaft zu handeln glaubte, überschritt er nach Meinung der Richter seine satzungsmäßigen Befugnisse. Der einzige Direktor der Gesellschaft in Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald (No. 2)69 veranlasste die Zahlung von £ 100.000 an sich selbst als Abfindung für die Beendigung seines Anstellungsvertrages mit der Gesellschaft, was als Pflichtverletzung angesehen wurde. In Runciman v. Walter Runciman plc70 hingegen hat das Gericht die Verlängerung des Anstellungsvertrages eines Direktors auf fünf Jahre durch den Board nicht beanstandet.
Die eigenständige Bedeutung dieser Fallgruppe wird aber dadurch geschmälert, dass den Direktoren in den meisten Fällen der Förderung eigener Interessen zugleich die entsprechende Motivation nachzuweisen sein wird, die bereits die Verletzung der Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der company zu handeln, begründet.71
b) Befugnis zur Ausgabe und Zuteilung von Aktien (power to issue and to allot shares) Eine weitere, höchst umstrittene Fallgruppe der proper-purpose-Doktrin bilden die Fälle, in denen der Board von seinem Recht zur Aktienausgabe und -zuteilung Gebrauch macht.72 Gem. Sections 80(1), 89-96 CA 1985 steht ihm dieses Recht mittlerweile nur noch dann zu, wenn er entweder durch Satzung ___________ 68
[1992] BCLC 22, CA. [1995] BCC 1000. 70 [1992] BCLC 1084. 71 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 385. 72 s. dazu Burridge (1981) 44 MLR 40 (49 ff.). 69
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
oder durch Beschluss der Hauptversammlung dazu ermächtigt wurde.73 Aus dem Wortlaut der Ermächtigung muss dann zunächst ermittelt werden, zu welchem Zweck die Kompetenz auf den Board übertragen worden ist, wobei die Schwierigkeit darin liegt, dass sich mehrere Zwecke als legitim erweisen können. Anerkannt ist inzwischen, dass das Ausgaberecht nicht ausschließlich dem Zweck der Kapitalaufnahme dienen muss.74 Es kann vielmehr auch eingesetzt werden, um bestimmten Aktionären den gesetzlichen Mindestbesitz an Aktien zu erhalten,75 um förderliche geschäftliche Beziehungen zu anderen Unternehmen zu unterstützen,76 oder als Teil einer Vereinbarung über die Ausbeutungsrechte der company.77 Als nichtig hat die frühere Rechtsprechung die Zuteilung jedoch immer dann angesehen, wenn unter den Motiven des Direktors auch die Sicherung seiner Kontrollmehrheit oder die Abwehr eines Übernahmeversuchs zu finden waren. So wurde das Zusammentreten der Gesellschafterversammlung in Punt v. Symons & Co Ltd78 per einstweilige Verfügung verhindert, nachdem Aktien zu dem Zweck zugeteilt worden waren, die Zustimmung zu einem bestimmten Beschluss in der Gesellschafterversammlung zu sichern. In Piercy v. S Mills & Co79 hatte die Zuteilung der Aktien den Zweck, die Stimmrechtskontrolle der Mehrheitsaktionäre zu beseitigen. Sie wurde ebenfalls als unwirksam angesehen. Nicht legitim war auch das Motiv der Direktoren in Hogg v. Cramphorn Ltd,80 die mit der Zuteilung einen Übernahmeversuch abgewehrt hatten, in erster Linie allerdings die Kontrolle der Gesellschaft durch sich selbst und ihre Anhänger erhalten wollten. In Re Looe Fish Ltd81 hatte sich der Direktor selbst so viele Aktien zugeteilt wie nötig waren, um einen Beschluss zu blockieren, durch den weitere, von ihm abgelehnte Direktoren bestellt werden sollten. Er wurde für zweieinhalb Jahre von der Ausübung eines Direktorenamtes ausgeschlossen (disqualified). Eine Zuteilung ist schließlich nicht durch eine drohende Übernahme der Gesellschaft gerechtfertigt, wenn der Board ihren Nutzen für die Gesellschaft nicht geprüft hat, Bamford v. Bamford82.
___________ 73
Vgl. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 630 ff. Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821 (835, Lord Wilberforce); Prentice (1970) 33 MLR 700 (702); Birds (1974) 37 MLR 580 (583 f.); Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (135 f.). 75 Punt v. Symons [1903] 2 Ch 506 (516). 76 Harlowe’s Nominees Pty Ltd v. Woodside (Lake Entrance) Oil Co (1968) 121 CLR 483, Aust. HC. 77 Teck Corp. Ltd v. Miller (1973) 33 DLR (3d) 288, British Columbia SC. 78 [1903] 2 Ch 506. 79 [1920] 1 Ch 77. 80 [1967] Ch 254. 81 [1993] BCLC 1160. 82 [1970] Ch 212; Winthrop Investments Ltd v. Winns Ltd [1975] 2 NSWLR 666. 74
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Im Gegensatz dazu haben die Gerichte der Commonwealth-Länder schon frühzeitig einen flexibleren Test entwickelt.83 Sie sträubten sich insbesondere dagegen, einen Direktor an der Abwehr eines Übernahmeversuchs zu hindern (Neutralitätspflicht), obwohl er in gutem Glauben davon ausgeht, dass die Übernahme dem Interesse der Gesellschaft widerspricht (beispielsweise weil der Bieter für die Zerschlagung und den Ausverkauf von Unternehmen bekannt ist).84 Die Betrachtung sollte sich auf alle – sowohl die legitimen als auch die unzulässigen – Aspekte erstrecken, die die Willensbildung des Board im konkreten Fall beeinflusst haben (causative purpose) und ermitteln, welches das tragende Motiv (substancial oder primary purpose) seiner Entscheidung gewesen ist. Die Entscheidung sollte hingegen nicht schon deshalb als pflichtwidrig qualifiziert werden, weil einer der betrachteten Faktoren persönliche Vorteile für den Direktor begründete: „It would be setting up an impossible standard to hold that, if an action of a director were affected in any degree by the fact that he was a preference or ordinary shareholder, his action was invalid and should be set aside.“85 In dem kanadischen Fall Teck Corporation Ltd v. Millar hat der Board mit der Aktienzuteilung einen Übernahmeversuch abgewehrt, wodurch der Mehrheitsgesellschafter gegen seinen Willen die Kontrollmehrheit in der Gesellschaft verloren hat. Dies wurde nicht beanstandet, habe sich der Board doch lediglich um das bestmögliche Geschäft für die Gesellschaft bemüht. „If they [the directors] decide, on reasonable grounds, a take-over will cause substantial damage to the company’s interests, they are entitled to use their powers to protect the company. That is the test that ought to be applied in this case.“86 Auch der Aktienzuteilung, die in Harlowe’s Nominees Pty Ltd v. Woodside (Lake Entrance) Oil Co87 die finanzielle Unterstützung durch eine große Ölgesellschaft sichern sollte, stand nicht entgegen, dass damit zugleich der Übernahmeversuch durch einen der bisherigen Gesellschafter vereitelt worden war.
Dieser flexiblen Commonwealth-Rechtsprechung folgten schließlich auch die englischen Gerichte in dem Grundsatzurteil Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd.88 Die beklagte Gesellschaft (A) und die mit ihr verbundene Gesellschaft (B) hielten zusammen 55 % des Kapitals der M, die zusätzliches Kapital benötigte. A machte deshalb
___________ 83 Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150, Aust. HC; Harlowe’s Nominees Pty Ltd v. Woodside (Lake Entrance) Oil Co (1968) 121 CLR 483, Aust. HC; Teck Corporation Ltd v. Millar (1973) 33 DLR (3d) 288, British Columbia Sup.Ct. mit Anm. Slutsky (1974) 37 MLR 457; vgl. auch Hirsche v. Sims [1894] AC 654, PC. 84 Teck Corporation Ltd v. Millar (1973) 33 DLR (3d) 288 (312, Berger J), British Columbia SC. 85 Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150 (164, Latham CJ). 86 (1972) 33 DLR (3d) 288 (317, Berger J), British Columbia SC. 87 (1968) 121 CLR 483 Aust. HC. 88 [1974] AC 821, PC; s. auch Birds (1974) 37 MLR 580.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ein Angebot für die übrigen Aktien der M, das von dem Board der M jedoch aufgrund des niedrigen Preises nicht empfohlen wurde. Inzwischen hatte die Klägerin (H) ein höheres Gebot für die Aktien der M in Aussicht gestellt, das wiederum von A und B abgelehnt worden war, sodass es H unmöglich war, die Kontrolle über M zu erlangen. Um dennoch in den Genuss des höheren Gebots zu kommen, hat der Board der M so viele neue Aktien an H ausgegeben, dass die Beteiligungen von A und B auf zusammen 36,6 % schrumpften und die H ungehindert ein Übernahmeangebot für M abgeben konnte. Zugleich hatte die Aktienzuteilung den Effekt, dass der Kapitalbedarf der M weitgehend gedeckt worden war. In der folgenden gerichtlichen Auseinandersetzung mit A um die Wirksamkeit der Zuteilung haben die Direktoren der M eben diesen Finanzierungseffekt als das vorrangige Ziel der Aktienausgabe angegeben. Der Supreme Court befand, dass die Direktoren eindeutig nicht mit Blick auf persönliche Vorteile oder die Sicherung ihres Amtes handelten. Die Richter bestätigten ferner, dass die Gesellschaft dringend Kapital benötigte. Als ausschlaggebendes Motiv der Aktienausgabe stuften sie jedoch die proportionale Verringerung der Beteiligungen von A und B mit dem Ziel an, die Übernahme durch H zu ermöglichen. Infolgedessen wurde die Aktienausgabe zum Zwecke der Kontrollverschiebung als satzungswidrig und somit unwirksam gewertet. „… it must be unconstitutional for directors to use their fiduciary powers over the shares in the company purely for the purpose of destroying an existing majority, or creating a new majority which did not previously exist.“89 Das von H eingelegte Rechtsmittel hatte vor dem Privy Council ebenfalls keinen Erfolg. Das vorrangige Ziel der directors, die bestehende Kontrollmehrheit zu zerstören und eine neue Mehrheit zu etablieren, verstieß nach Ansicht der Richter gegen die Gesellschaftsverfassung und war somit unzulässig (improper) im Sinne der properpurpose-Doktrin.90
Nach Ansicht des Privy Council ist es zunächst notwendig, die Satzungsklausel auszulegen, die dem Direktor die betreffende Befugnis (z. B. die Befugnis zur Zuteilung von Aktien) verleiht, um die Natur dieser Befugnis und somit auch ihre Grenzen zu ermitteln. „… it is … too narrow an approach to say that the only valid purpose for which shares may be issued is to raise capital for the company. … it is necessary to start with a consideration of the power whose exercise is in question, in this case a power to issue shares. Having ascertained, on a fair view, the nature of this power, and having defined as can best be done in the light of modern conditions the, or some, limits within which it may be exercised, and to reach a conclusion whether that purpose was proper or not.“91
Theoretisch kann es somit auch vorkommen, dass die Befugnis völlig unbeschränkt ist und die Aktienzuteilung zu jedem beliebigen Zweck zulässig ist.92 ___________ 89
[1974] AC 821 (837). Ebenso unzulässig wäre der alleinige Zweck, ein Übernahmeangebot zu blockieren; s. Winthrop Investments Ltd v. Winns Ltd [1975] 2 NSWLR 666. 91 [1974] AC 821 (835, Lord Wilberforce). 92 Re Smith & Fawcett Ltd [1942] Ch 304 (308, Lord Greene MR); Prentice (1970) 33 MLR 700 (702). 90
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Dann gilt es, die Befugnisnorm im Lichte der gesamten Gesellschaftsverfassung, also aller Normen der articles und des memorandum zu betrachten. Diese dürften im Falle einer Publikumsgesellschaft eine strikte Gewaltenteilung vorgeben, mit der Folge, dass es dem Direktor gerade nicht gestattet ist, in die Mehrheitsverhältnisse der Hauptversammlung einzugreifen.93 In einer „quasipartnership“ oder einer company limited by guarantee, in der Eigentum und Kontrolle nicht auseinanderfallen, ist hingegen eine liberale Betrachtungsweise angezeigt. So kann der Board dort u.U. über die Aufnahme neuer Gesellschafter entscheiden94 oder bestimmte Personen von der Mitgliedschaft ausschließen, wenn deren Ansichten der Geschäftspolitik widersprechen,95 und damit Einfluss auf die Zusammensetzung der Hauptversammlung nehmen. Nachdem der Umfang der Kompetenz feststeht, gilt es anhand der Umstände des Einzelfalles den Zweck bzw. die Zwecke zu bestimmen, zu denen sie ausgeübt wurde, wobei angesichts von Beweisproblemen dem guten Glauben der Direktoren große Bedeutung zukommen wird. „… when a dispute arises whether directors of a company made a particular decision for one purpose or for another, or whether, there being more than one purpose, one or another purpose was the substantial or primary purpose, the court … is entitled to look at the situation objectively in order to estimate how critical or pressing, or substantial or, per contra, insubstantial an alleged requirement may have been. If it finds that a particular requirement, though real, was not urgent, or critical, at the relevant time, it may have reason to doubt, or discount, the assertions of individuals that they acted solely in order to deal with it, particularly when the action they took was unusual or even extreme. … In doing so it [the court] will necessarily give credit to the bona fide opinion of the directors, if such is found to exist, and will respect their judgment as to matters of management; having done this, the ultimate conclusion has to be as to the side of a fairly broad line on which the case falls.“96
Festzuhalten ist, dass der proper-purpose-Test in der neueren Rechtsprechung nicht mehr versucht, für jede in Betracht kommende Kompetenz einen Kanon von zulässigen Zwecken festzulegen, um dann jede Entscheidung, bei der auch andere Faktoren die Willensbildung der directors beeinflusst haben,
___________ 93
[1974] AC 821 (837); vgl auch Lee Panavision Ltd v. Lee Lighting Ltd [1992] BCLC 22 (29), CA. 94 Re Smith & Fawcett Ltd [1942] Ch 304 (308). 95 Gaiman v. National Association for Mental Health [1971] Ch 317. 96 [1974] AC 821 (832, 835 Lord Wilberforce); Daher wurde auch der Einwand der Direktoren der M abgelehnt, sie hätten primär die Deckung des Kapitalbedarfs der M bezweckt. Die finanzielle Situation der Gesellschaft war nicht kritisch, der Kapitalbedarf war schon seit Monaten offensichtlich und wurde bereits z.T. durch Anleiheemissionen – und gerade nicht durch Aktienemissionen – gedeckt.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
für nichtig zu erklären.97 Der neue, flexible Ansatz legt die Betonung vielmehr auf die Rangfolge der einzelnen Motive im Einzelfall. Ist das ausschlaggebende Motiv (substantial, dominant purpose bzw. moving cause) legitim, so schadet es nicht, wenn einer der Nebenzwecke unzulässig ist, beispielsweise wenn der Direktor nur zufällig, am Rande einer aus anderen Gründen wichtigen Transaktion, persönliche Vorteile aus dieser zieht.98 Der Vorzug dieser Rechtsprechung liegt vor allem darin, dass sie dem Richter mehr Spielraum gibt, um die properpurpose-Doktrin fallbezogen auszulegen und den betroffenen Aktionären den bestmöglichen Schutz zu bieten.99 Der bereits zitierte neuere Fall Extrasure Travel Insurances Ltd v. Scattergood100 demonstriert eine schulmäßige Prüfung des vierstufigen Tests. Hinsichtlich des Geldtransfers an eine Konzerngesellschaft zwecks Befriedigung eines ungeduldigen Gläubigers stellt das Gericht fest: • Die betroffene Befugnis war die Möglichkeit der Direktoren, im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen. • Der Zweck, zu dem die Befugnis eingeräumt worden ist, war, das Überleben der Gesellschaft zu sichern und im Rahmen des festgelegten Unternehmensgegenstandes ihre wirtschaftlichen Interessen zu fördern. • Das ausschlaggebende, vom Beklagten verfolgte Motiv war es, die Zahlungsfähigkeit der Konzerngesellschaft herzustellen und nicht, das Überleben der eigenen Gesellschaft zu sichern. • Als solches war das Motiv illegitim.
Der Rechtsprechungswechsel hat ferner die dogmatische Diskussion darüber ausgelöst, ob die proper-purpose-Doktrin weiterhin als eine selbständige Pflicht zu qualifizieren ist, im Rahmen derer das Gericht objektiv den Zweck der betreffenden Befugnis bestimmen kann.101 Denkbar wäre, dass der Test zu einem Teilaspekt der Pflicht geworden ist, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, mit der Folge, dass die Pflichterfüllung subjektiv zu beurteilen und somit schwer zu widerlegen ist. Richtig ist aber wohl die Annahme, dass die Rechtsprechung einen Mittelweg gewählt hat, indem sie grundsätzlich die Direktoren selbst fragt, was sie selbst bona fide für das ausschlaggebende Motiv ihres Handelns gehalten haben, ausnahmsweise jedoch
___________ 97
Dies ist z.T. auf Kritik gestoßen, sei es doch für das Gericht faktisch unmöglich, zwischen den ausschlaggebenden Motiven und den Nebenmotiven einer Person zu unterscheiden; s. Birds (1974) 37 MLR 580 (584 ff.); Burridge (1981) 44 MLR 40 (52). 98 Hirsche v. Sims [1894] AC 654 (660 f.), PC; Richard Brady Franks Ltd v. Price (1937) 58 CLR 112; Mills v. Mills (1938) 60 CLR 150. 99 Hannigan, Company Law, S. 235. 100 [2003] BCLC 598 (633). 101 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 385 Fn. 75.
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die Aktienemission für unzulässig hält, sobald die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft betroffen sind.102
aa) Bezugsrechtsausschluss Somit liegt die praktische Bedeutung der proper-purpose-Doktrin heute zunächst darin, die Lücken im System des zwingenden Bezugsrechts (pre-emption rights) zu kompensieren, das im Common Law überhaupt nicht vorgesehen war.103 Erst die Umsetzung der zweiten Gesellschaftsrichtlinie hat das Bezugsrecht erstmals in den Sections 17-19 CA 1980 etabliert, denen heute die Sections 89-96 CA 1985 entsprechen. Nur private companies können das Bezugsrecht gem. Section 91 CA 1985 durch Satzung völlig aufheben. Für public companies ist es gem. Section 95(1) CA 1985 indes immer noch verhältnismäßig einfach, das gesetzliche Bezugsrecht im Wege einer special resolution auszuschließen. Das Bezugsrecht gilt ferner nicht für Emissionen mit unbarer Gegenleistung und für Belegschaftsaktien (Section 89(4)(5) CA 1985). Die Erfahrung spricht aber dafür, dass die institutionellen Investoren einer Verwässerung ihrer gesetzlichen Rechte sehr kritisch gegenüberstehen und einem Bezugsrechtsausschluss, der mehr als 5 % des Aktienkapitals betrifft, kaum zustimmen werden.104 Ist das Bezugsrecht ausgeschlossen, so stünde es den Direktoren an sich praktisch frei – solange sie subjektiv dem good-faith-Test genügen – auf die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung nach eigenem Ermessen Einfluss zu nehmen und damit die Machtverteilung innerhalb der Gesellschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen. Insofern bleibt es bei der Kompetenz der Gerichte, einer solchen Beeinflussung der Stimmrechtsmacht mit dem Einwand der improper purpose zu begegnen.105
___________ 102
Birds (1974) 37 MLR 580 (580 f., 584 f.); Burridge (1981) 44 MLR 40 (50). Birds (1974) 37 MLR 580 (584 f.); Slutsky (1974) 37 MLR 457 (460). 104 Hannigan, Company Law, S. 576; Dies entspricht auch den Richtlinien, die vom Ausschuß für Investorenschutz (Investor Protection Committee) der Association of British Insurers (ABI) und von der National Association of Pension Funds (NAPF) derlassen wurden. Diese sehen vor, dass der Bezugsrechtsausschluß jährlich genehmigt werden muß und nur 5 % des gezeichneten Kapitals umfassen darf; s. Triebel/Hodgson/ Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 660. 105 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 137 ff. 103
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
bb) Neutralitätspflicht bei Übernahmeangeboten: non-frustration rule des City Code on Takeovers and Mergers Der zweite wichtige Anwendungsbereich der proper purpose-Doktrin liegt weiterhin in der Kontrolle der Abwehrmaßnahmen anlässlich eines Übernahmeangebotes, die im common law ansonsten nicht gesondert angesprochen werden.106
(1) City Code on Takeovers and Mergers Bevor die Bedeutung der Doktrin in diesem Zusammenhang erläutert wird, ist jedoch auf das international prominente Spezialregelwerk des City Code on Takeovers and Mergers (City Code, „Blue Book“)107 einzugehen, dem zwar keine Gesetzeskraft,108 aber doch eine erhebliche tatsächliche Verbindlichkeit zukommt. Diese resultiert zum einen daraus, dass der vom Panel on Takeovers and Mergers (Panel)109 herausgegebene City Code von der Regierung, von verschiedenen Aufsichts- bzw. Regulierungsbehörden sowie von den betroffenen Finanzkreisen nahezu einstimmig als Standard (good business standard) für den britischen Kapitalmarkt anerkannt wird.110 Hinzu kommt aber vor allem die im Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA) besiegelte Unterstützung durch die Financial Services Authority (FSA):111 diese kann nunmehr auf Vorschlag des Panel Sanktionen112 gegen solche (juristischen oder natürlichen) Personen verhängen, deren Tätigkeit nach dem FSMA 2000 zulassungspflichtig ist und denen eine solche Zulassung durch die FSA erteilt worden ist (a person
___________ 106
Darvall v. North Sydney Brick & Tile Co Ltd (1989) 16 NSWLR 260 (335 ff., Clarke JA); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 530 f. 107 Abrufbar im Internet unter http://www.thetakeoverpanel.org.uk. 108 City Code, Introduction, 1 (c). 109 Das Gremium setzt sich aus Vertretern zahlreicher Interessengruppen zusammen, die von Übernahmen besonders betroffen sind; s. City Code, Introduction, 2. 110 Hannigan, Company Law, S. 873; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 706 f. 111 s. FSMA 2000, Sections 120 i.V.m. 118, 143. Zu näheren Informationen über die einheitliche Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen s. o., 1. Kapitel, Fn. 124. 112 Zu den Sanktionen zählen öffentliche Rügen (public censure, Section 205 FSMA 2000), Bußgelder (finacial penalties, Section 206 FSMA 2000), der Entzug der Zulassung (removal of authorisation, Sections 33, 45 FSMA 2000), einstweilige Verfügungen (injunctions, Section 381 FSMA 2000) und Anordnungen der Gewinnherausgabe bzw. der Entschädigung (orders for restitution, Sections 383, 384 FSMA 2000); s. City Code, Introduction, 1 (c).
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authorised under the FSMA),113 wenn diese Personen gegen den City Code oder eine Anordnung des Panel verstoßen. Den Finanzdienstleistern wird sogar empfohlen, nicht für Kunden tätig zu werden, die den City Code nicht akzeptieren wollen („cold-shouldering“), sodass die entsprechende Bieter- bzw. Zielgesellschaft wohl auf professionelle Anlageberatung verzichten müsste.114 Bereits zuvor haben die Gerichte den – rechtlich unverbindlichen und mit staatlichen Mitteln nicht durchsetzbaren – Feststellungen, Anordnungen oder gar verhängten Sanktionen des Panel selbst115 eine derart starke faktische und indirekte Wirkung attestiert, dass sie den Betroffenen zugleich einen Rechtsweg hiergegen eröffnet haben.116 In diesem Sinne wird der Panel inzwischen sogar als eine öffentliche Institution anerkannt, die im Auftrag des Staates öffentliche Funktionen wahrnimmt.117 Dem trägt die geplante gesetzliche Verankerung im Zuge der Umsetzung der Übernahmerichtlinie Rechnung.118 Der Anwendungsbereich des City Code knüpft an die Rechtsform der Zielgesellschaft (offeree) an und umfasst alle public companies – also nicht nur die
___________ 113 Betroffen sind die Anbieter diverser Finanzdienstleistungen (regulated activities); s. FSMA 2000, Section 19-22, 31 und Schedules 2, 6. 114 Vgl. City Code, Introduction 3 (d) (iv); Hannigan, Company Law, S. 876 f.; der Panel führt auf seiner Website sogar eine Liste solcher „non-compliers“; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 710 f. 115 Dazu gehören private und öffentliche Rügen; weitere Sanktionen nach freiem Ermessen des Panel, sofern der Betroffenen diese akzeptiert; sowie andernfalls Berichte an Institutionen mit weitergehenden Befugnissen wie das DTI, die FSA oder die London Stock Exchange; s. City Code, Introduction 3 (d). Das prominenteste Beispiel ist insofern der Fall Guinness, in dem das Unternehmen auf Anordnung des Panel freiwillig zusätzliche £ 75 Mio. an die Aktionäre der Zielgesellschaft zahlte; s. Hannigan, Company Law, S. 878 f. 116 R v. Panel on Take-overs and Mergers, ex p. Datafin plc [1987] QB 815 (824 ff.), CA. Als Gründe für die Zulassung der Beschwerde nannte Sir John Donaldson MR: erstens die Absichtserklärung des Wirtschaftsministers, die Regulierung im Bereich des Übernahmerechts weiterhin dem Panel anstelle des Gesetzgebers zu überlassen; zweitens die Tatsache, dass den Betroffenen bei Missachtung des City Code indirekt vertragliche oder gesetzliche Sanktionen durch andere Institutionen drohten; drittens den Eingriff in die Staatsbürgerrechte (rights of citizens) Außenstehender, die die Selbstverpflichtung nicht akzeptiert haben (aaO, s. 838). Zudem sollen die Gerichte die Entscheidungen des Panel grundätzlich unangetastet lassen und dem Panel ggf. nur durch eine Feststellung des Fehlers die Gelegenheit geben, sein Vorgehen für die Zukunft zu ändern oder den Betroffenen von den Folgen einer Fehlentscheidung freizustellen. Die Beschwerde ist den Parteien somit nur retrospektiv zugänglich, da diese das schnelle und flexible Verfahren des Panel nicht durch einen Gerichtsprozeß sollen stören können (aaO, S. 842). s. ferner R v. Panel on Take-overs and Mergers, ex p. Guinness plc [1990] 1 QB 146; R v. Panel on Take-overs and Mergers, ex p. Al-Fayed [1992] BCC 524, CA. 117 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 709. 118 Part 22 (Clauses 617 ff.) Company Law Reform Bill.
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an der London Stock Exchange notierten (listed)119 – die im Vereinigten Königreich gegründet wurden und dort auch ihren Sitz haben, ferner auch britische private companies, deren Anteile (equity share capital) nach den vorgegebenen Kriterien als öffentlich handelbar gelten.120 Der City Code statuiert für den Board der Zielgesellschaft121 in General Principle 7 ein striktes Neutralitätsgebot (non-frustration rule)122: „At no time after a bona fide offer has been communicated to the board of the offeree company, or after the board of the offeree company has reason to believe that a bona fide offer might be imminent, may any action be taken by the board of the offeree company in relation to the affairs of the company, without the approval of the shareholders in general meeting, which could effectively result in any bona fide offer being frustrated or in the shareholders being denied an opportunity to decide on its merits.“
Rule 21. City Code (Restrictions on frustrating action) konkretisiert sodann den Grundsatz und verbietet ausdrücklich die Ausgabe von Aktien aus „genehmigtem Kapital“ (must not … issue any authorised but unissued shares) oder von Optionen hierauf, die Ausgabe von Wertpapieren mit Umtauschrechten in Aktien, Transaktionen mit wesentlichen Vermögensgegenständen (assets of material amount),123 sowie Transaktionen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs (must not … enter contracts otherwise than in the ordinary
___________ 119 Der Begriff „listed“ hat sich speziell für die Aufnahme in die Official List der London Stock Exchange eingebürgert (s. Hannigan, Company Law, S. 22), während an anderen Börsen notierte Gesellschaften als „quoted“ bezeichnet werden, wobei es hier im Einzelfall auf die jeweils einschlägige Definition ankommt (vgl. z. B. Section 262(1) CA 1985, wo die Definition durch die Directors’ Remuneration Report Regulations 2002 eingefügt wurde). 120 City Code, Introduction, 4 (a). Zum Ort des zentralen Managements der Gesellschaft als Anhaltspunkt für deren Sitz s. Panel Statement 2002/7 v. 23.3.2002, abrufbar unter www.thetakeoverpanel.org.uk. 121 Der Board der Bietergesellschaft hat insbesondere die Einhaltung des City Code sicherzustellen, was auch von den Direktoren der Zielgesellschaft erwartet wird; s. City Code, General Principles, Introduction. 122 Dieses soll auch im Zuge der Umsetzung der Übernahmerichtlinie beibehalten werden. 123 Um die „Wesentlichkeit“ festzustellen, wird der Panel im Allgemeinen die für den Vermögensgegenstand erbrachte Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtmarkwert der Anteile der Zielgesellschaft betrachten, ggf. zusätzlich den Wert des Vermögensgenstandes mit dem Wert des Gesamtvermögens der Zielgesellschaft vergleichen oder den von dem Vermögensgegenstand erwirtschafteten Betriebsgewinn in Verhältnis zum Betriebsgewinn der Zielgesellschaft setzen. Während ein relativer Wert von über 10 % die „Wesentlichkeit“ indiziert, kann diese vom Panel auch bei einem niedrigeren Wert angenommen werden, sofern dem Vermögensgegenstand eine „besondere Bedeutung“ (particular significance) zukommt. s. dazu City Code, Notes on Rule 21.1 (2).
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course of business).124 Aus dem Letzteren folgt, dass Maßnahmen des Tagesgeschäfts von dem Verbot ausgenommen sind. Als einzige weitere Ausnahme erwähnt Rule 21.1 City Code die Erfüllung früherer Verträge. Zulässig ist aber auch die Suche nach einem konkurrierenden Angebot (white knight).125 Bezeichnend ist auch die frühe Geltung ab dem Zeitpunkt, von dem an der Board der Zielgesellschaft vernünftigerweise mit der Abgabe eines Angebots rechnen kann.126 Was den Katalog der verbotenen Abwehrmaßnahmen angeht, ist dieser als eine beispielhafte, keinesfalls abschließende Aufzählung anzusehen, da der City Code dem Panel einen weiten Ermessensspielraum zugesteht und erlaubt, die General Principles und den Sinn und Zweck des Code auch außerhalb der explizit geregelten Tatbestände durchzusetzen.127 Relativiert wird das strenge Neutralitätsgebot indes von der extensiven Zulassung von präventiven Abwehrmaßnahmen durch das allgemeine Company Law. Diese unterliegen zwar der proper-purpose-Doktrin, deren zeitlicher Anwendungsbereich – anders als beim City Code – theoretisch nicht beschränkt ist. Allerdings wird es in der Praxis nahezu unmöglich sein, in Abwesenheit einer konkreten Übernahmemöglichkeit den von der Doktrin geforderten Nachweis zu führen, dass eine objektiv neutrale Geschäftsführungsmaßnahme (Vermögensverkauf, Restrukturierung, Joint Venture) zielgerichtet als Verteidigungsmittel eingesetzt worden ist.128 Ein Gegenbeispiel ist die neuere Entscheidung Criterion Properties plc v. Stratford UK Properties LLC.129 Ein managing director schloss hier im Namen der Gesellschaft mit dem Großaktionär Oaktree eine Vereinbarung ab, nach der die Gesellschaft bei jedem Kontrollwechsel verpflichtet sein sollte, Oaktree durch Zahlung einer hohen Geldsumme aus der Beteiligung zu entlassen. Als Kontrollwechsel galt dabei auch schon die Abberufung des betreffenden Direktors. Nach Ansicht des Court of Appeal ließ sich eine solche „poison pill“ unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen.
Zulässig ist u.a. die satzungsmäßige Einführung von Mehrstimmrechten130 oder von sog. golden shares, mit denen der Staat seine Interessen bei privatisierten Unternehmen durchsetzen kann. Bei Letzteren handelt es sich um eine spezielle Aktiengattung ähnlich den Vorzugsaktien (preference shares), die in der Regel aus einer einzigen Aktie im Nennwert von £ 1 besteht und vom zu___________ 124
Darunter fällt unter anderem auch eine ungewöhnliche Erhöhung der vertraglichen Vergütung eines Direktors oder eine wesentliche Verbesserung der Konditionen seines Anstellungsvertrags; s. City Code, Notes on Rule 21.1 (6). 125 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 717, 719. 126 s. dazu Hopt, FS-Lutter, S. 1361 (1368 ff). 127 City Code, Introduction, 3 (a); General Principles, Introduction; Rule 25.2. 128 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 142 ff. 129 [2003] BCC 50, CA. 130 Bushell v. Faith [1970] AC 1099; s. zu dem Urteil ausführlich oben, 1. Kapitel, C. I.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ständigen Ministerium gehalten wird. Mit deren Hilfe kann die Regierung eine beliebige Satzungsregelung treffen und ihre Änderung von der Zustimmung der Aktiengattung abhängig machen, also dem eigenen Veto unterwerfen. Nach dem Urteil des EuGH vom 13.5.2003131 ist aber nunmehr ein Ende der Goldenen Aktien absehbar. Das Luxemburger Gericht verwarf mehrere Satzungsbestimmungen der British Airports Authority plc (BAA), eines privatisierten Unternehmens, das einige internationale Flughäfen im Vereinigten Königreich besitzt. Die Satzung gewährte dem britischen Transportminister eine Sonderaktie über ein Pfund Sterling (One Pound Special Share) und damit ein Vetorecht u.a. hinsichtlich der Auflösung der Gesellschaft, der Veräußerung ihres Vermögens, mithin eines Flughafens, der Kontrolle ihrer Tochtergesellschaften sowie der Änderungen der Satzungsbestimmungen über die mit der Sonderaktie verbundenen Rechte. Ferner bestimmte die Satzung, dass niemand Aktien erwerben darf, die ihm Stimmrechte für mehr als 15 % des Gesellschaftskapitals gewähren. Die britische Regierung hatte darauf bestanden, dass es sich bei den Regelungen nicht um Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs i.S.d. Art. 43, 56 EG handele und sich dementsprechend nicht auf zwingende Gründe des Algemeinwohls berufen wollen. Das Gericht hingegen stellte einen Verstoß gegen Art. 56 EG fest. Bei der vom Secretary of State genehmigten Satzung der BAA handele es sich eben nicht um die normale Anwendung des privaten Gesellschaftsrechts sondern um die Ausübung staatlicher Befugnisse.
Fraglich ist schließlich, ob sich institutionelle Investoren auf präventive Abwehrtaktiken einlassen und beispielsweise stimmrechtslose Aktien oder Aktien mit beschränkten Stimmrechten kaufen werden.132 General Principle 9 und Rules 25.1, 25.2 City Code verpflichten die Direktoren der Zielgesellschaft ferner dazu, den Aktionären gegenüber zu dem Angebot und ggf. zu konkurrierenden Angeboten Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ist interessanterweise die einzige Gelegenheit, bei der vom Direktor auch die Berücksichtigung von Arbeitnehmer- und Gläubigerinteressen erwartet wird.133 Die Direktoren haben unter anderem über die Beurteilung des Angebots durch unabhängige Experten zu berichten, die zuvor gem. Rule 3.1 City Code hinzuzuziehen sind. Wichtig ist ferner die Verpflichtung der Direktoren, sofern diese selbst Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft sind, in der ersten Stellungnahme anzugeben, ob sie die Absicht haben, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen (Rule 25.3 (a) (vi) City Code). Anzugeben sind zudem entsprechende Aktientransaktionen, die bereits im Vorfeld der Stellungnahme stattgefunden haben, und zwar während der Angebotsfrist und bis zu 12 Monaten zuvor (Rule 25.3 (c) City Code). Rules 25.4 und 25.6 City Code verlangen eine inhaltliche Aus___________ 131
Az.: C-98/01, zu finden unter http://europa.eu.int/eur-lex/de. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 718. 133 City Code, General Principle 9 S. 2. 132
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dehnung der ersten Stellungnahme auf die wesentlichen Punkte aller Anstellungsverträge der Direktoren mit einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten und aller sonstigen wesentlichen Verträge (material contracts), die von der Zielgesellschaft oder einer ihrer Tochtergesellschaften während der letzten zwei Jahre vor Beginn der Angebotsfrist abgeschlossen wurden. Die Transparenz wird durch die Pflicht des Bieters ergänzt, in der Angebotsunterlage über jegliche Vereinbarungen des Bieters (oder einer ihm im Rahmen des „acting in concert“ zuzurechnenden Person) mit den Direktoren der Zielgesellschaft zu berichten, sofern die Vereinbarungen mit dem Angebot in Verbindung stehen oder von diesem abhängig sind (Rule 24.5 City Code). Der City Code misst schließlich Meinungsdivergenzen auf Seiten der Zielgesellschaft eine große Bedeutung bei: Auf divergierende Einschätzungen des Angebots durch die Direktoren einerseits und durch die unabhängigen Experten andererseits sind die Aktionäre ausdrücklich hinzuweisen. Zu nennen sind dabei die Argumente pro und contra das Angebot.134 Wird die in der Stellungnahme des Board an die Aktionäre gemachte Empfehlung hinsichtlich des Angebots nicht einstimmig gefasst (split boards), wird der Panel in der Regel verlangen, dass auch die Ansicht der Minderheit mitgeteilt wird.135 Besteht bei einem der Direktoren ein Interessenkonflikt, soll er sich nicht an der Empfehlung des Board beteiligen und die Natur des Konflikts den Aktionären gegenüber erläutern.136 Im Übrigen müssen gem. Rule 19.2 City Code alle Erklärungen und Werbeäußerungen höchste Genauigkeit aufweisen und die Informationen in angemessener Weise präsentieren. Gem. Rule 19.3 City Code ist über die inhaltliche Richtigkeit der Erklärungen hinaus darauf zu achten, dass sie nicht irreführend sind und bei den Anteilseignern keine Unsicherheiten auslösen. Vom Recht zur Stellungnahme ist Werbung im Zusammenhang mit einem Angebot (advertisements) indes ausgeschlossen (Rules 19.4 bis 19.6 City Code). Diese ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, dass es sich um eine Katalogmaßnahme i.S.d. Rule 19.4 handelt und dass diese im Voraus mit dem Panel abgeklärt wird (clearance). Der Katalog umfasst lediglich bestimmte Arten der Informationsverbreitung wie z. B. angebotsneutrale Produktwerbung und Imagebroschüren des Unternehmens, neutrale Wiedergabe unstreitiger Angaben über Fristen, Resultate etc., Mitteilungen nach Börsenrecht sowie von einem Gericht oder vom Takeover Panel genehmigte Publikationen. Dabei sind nur die Produktwerbung und gerichtlich genehmigte Publikationen von dem Genehmigungsverfahren ausgenommen. Rules 19.5 und 19.6 statuieren zudem erhebliche Restriktionen für telefonische Werbekampagnen gegenüber Aktio___________ 134
City Code, Notes on Rule 3.1 (3). City Code, Notes on Rule 25.1 (2). 136 City Code, Notes on Rule 25.1 (3). 135
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
nären sowie für Interviews und öffentliche Debatten zwischen Vertretern des Bieters und der Zielgesellschaft. Alle Werbeveröffentlichungen und Mitteilungen an die Aktionäre im Zusammenhang mit dem Angebot müssen schließlich eine von den Direktoren abzugebende Verantwortlichkeitserklärung (responsibility statement) enthalten, in der diese nach bestem Wissen und Gewissen – bei Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt – versichern, dass alle Informationen einschließlich der Werturteile inhaltlich richtig sind und dafür persönlich Verantwortung übernehmen (Rule 19.2 City Code).
(2) Ergänzende Funktion der proper-purpose-Doktrin Im Falle der Nichtbefolgung des City Code müssen sich die Direktoren aber zumindest an der proper-purpose-Doktrin des Common Law messen und den primären Zweck der Abwehrmaßnahme im Lichte der Satzung überprüfen lassen. Sind die Direktoren davon überzeugt, dass der Bieter als bekannter assetstripper, Konkurrent oder als Unternehmen mit inkompetenter Leitung den Ruin der Zielgesellschaft herbeiführen würden, so steht es ihnen – auch gegen den Willen der gegenwärtigen Gesellschaftermehrheit – frei, das Übernahmeangebot z. B. durch die Ausgabe neuer Aktien abzuwehren.137 Tun sie es nicht, können sie allerdings auch nicht haftbar gemacht werden, denn es liegt im Ermessen der Gesellschafter, eine unkluge oder sogar fahrlässige Politik zu verfolgen.138 Unzulässig ist hingegen – wie oben gezeigt – die Abwehr eines Übernahmeangebots ohne Rücksicht auf das Gesellschaftsinteresse, z. B. um die eigene Position bzw. die eigene Kontrollmehrheit zu erhalten, oder um entgegen der internen Gewaltenteilung die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft zu beeinflussen.139 Das besondere Vertrauensverhältnis, welches als Folge eines Übernahmeangebots entsteht, verpflichtet die Direktoren ferner dazu, den Aktionären hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen und von jeglicher Irreführung abzusehen.140 Bei Vorliegen konkurrierender Übernahmeangebote ___________ 137
Megarry V-C in: Cayne v. Global Natural Resources plc, einem unveröffentlichten Urteil vom 12.08.1982, zitiert nach Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 531.; Dawson International plc v. Coats Paton plc [1989] BCLC 233 (243 f., Lord Cullen), CS (Outer House); Teck Corporation v. Millar (1973) 33 DLR (3d) 288. 138 Multinational Gas and Petrochemical Co v. Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd [1983] Ch 258; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 531. 139 Punt v. Symons & Co Ltd [1903] 2 Ch 506; Piercy v. S Mills & Co [1920] 1 Ch 77; Hogg v. Cramphorn Ltd [1967] Ch 254; Bamford v. Bamford [1970] Ch 212; Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd [1974] AC 821, PC; Re Looe Fish Ltd [1993] BCLC 1160. 140 Gething v. Kilner [1972] WLR 337 (341); Re a Company (No 008699 of 1985) [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J).
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dürfen sie die Gesellschafter nicht daran hindern, den höchsten Preis für ihre Aktien zu wählen.141 Andererseits sind sie aber auch nicht verpflichtet, die Durchsetzung des höheren Angebots zu empfehlen oder zu fördern.142 Dabei sorgt der Companies Act selbst in Sections 312-316 zumindest für die Offenlegung finanzieller Faktoren, die die Stellungnahme des Board beeinflusst haben könnten. Section 313 verlangt die Zustimmung der Hauptversammlung zu allen Abfindungszahlungen, die im Zusammenhang mit einer (teilweisen) Vermögensübertragung der company stehen. Das Gleiche gilt gem. Section 314 für Zahlungen im Zusammenhang mit einer Übernahme von Aktien der Gesellschaft im definierten Umfang, wobei der Direktor hier zusätzlich die Angabe der Details der Abfindungszahlung mit der Stellungnahme zum Übernahmeangebot verbinden muss. Die Besonderheit gegenüber der Grundnorm der Section 312 liegt dabei darin, dass auch Zuwendungen seitens des Bieters erfasst werden.
c) Reform Die proper purpose-Doktrin soll in der soeben dargestellten Reichweite in Clause 155(b) Company Law Reform Bill (Duty to act within powers) fixiert werden. Der für das Prinzip des zweckmäßigen Handelns gewählte Standort, also die Verknüpfung mit dem Gebot des rechtmäßigen Handelns, illustriert trefflich die dogmatische Verzahnung der beiden Pflichten: Zu prüfen ist zunächst, ob das Organhandeln überhaupt vom Wortlaut der Befugnisnorm gedeckt ist (absence of power?). Eine Pflichtverletzung ist aber auch möglich, wenn der Direktor eine ihm ausdrücklich übertragene Kompetenz zu einem unzulässigen Zweck gebraucht (abuse of power).143
d) Resümee: Bedeutung für das deutsche Recht? Die Betrachtung der Fallgruppen der proper-purpose-Doktrin zeigt, dass das deutsche Recht in deren Anwendungsbereich eine Reihe eigener, funktionsverwandter Institute geschaffen hat, die gleichwertige Lösungen bieten.
___________ 141 Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244 (264 f., Lawton J); Re a Company (No. 008699 of 1985) [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J). 142 Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244 (264 f., Lawton J); Re a Company (No. 008699 of 1985) [1986] BCLC 382 (389, Hoffmann J); Dawson International plc v. Coats Paton plc [1989] BCLC 233 (244, Lord Cullen), CS (Outer House). 143 Vgl. Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (662).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Das allgemeine Anliegen der Doktrin, der Schutz der gesetzlichen und satzungsmäßigen Gewaltenteilung zwischen den Organen, wird hierzulande vom zwingenden Aktiengesetz mit seinen detaillierten Vorgaben für die Verfassung der Gesellschaft und die Befugnisse der Organe als Schranken der Machtausübung verwirklicht. Satzungsmäßige Regelungen sind gem. § 23 V AktG an eine gesetzliche Ermächtigung und somit an deren Sinn und Zweck gebunden und spiegeln insbesondere die strikte Gewaltenteilung wider. Das flexible GmbHG gewährt dem Geschäftsführer einen weiteren Entscheidungsspielraum, muss bei Zweifeln über den mit einer Kompetenzübertragung verfolgten Zweck aber ebenfalls befragt werden. Der GmbH-Geschäftsführer ist ferner generell an die materiellen Satzungsbestimmungen in ihrer objektiven, wortlautbestimmten Auslegung gebunden.144 In der konkreten Entscheidungssituation unterliegt er zudem dem Weisungsrecht der Gesellschafter und hat unter Umständen deren Willen zu berücksichtigen.145 Dies sorgt bereits für eine deutliche Zweckbindung der übertragenen Befugnisse, die in der Company durch die Kombination aus nahezu völliger Satzungsfreiheit und eigenverantwortlicher Leitungsbefugnis gefährdet ist. Die fehlende eigenständige Bedeutung der proper-purpose-Doktrin für das deutsche Recht zeigt sich aber vor allem bei der Fallgruppe des Handelns im eigenen Interesse. Diese ist auch schon in Großbritannien von geringer praktischer Bedeutung, sofern dem Betroffenen eine entsprechende Bösgläubigkeit nachgewiesen werden kann. Hat er hingegen den subjektiven Test der Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, bestanden, so erscheint es widersprüchlich, ihn doch noch mit demselben Vorwurf in objektivierter Form zu konfrontieren. Dies führt ferner dazu, dass Direktoren, die eine satzungsmäßige Ermächtigung missdeuten, einem strengen objektiven Beurteilungsmaßstab unterliegen, während solche, deren Eigennützigkeit von vornherein den Rahmen der geschriebenen Befugnisse sprengt, doch noch die Möglichkeit erhalten, sich auf ihre redlichen Motive zu berufen. Hinzu kommt das Problem, dass das selbstgesetzte Ziel der Objektivität seit dem Wandel der Rechtsprechung schwer zu erreichen ist. Statt sich auf die Prüfung zu beschränken, welche Motive die Willensbildung des Direktors überhaupt bestimmt haben könnten, ist neuerdings noch tiefer im subjektiven Bereich nach dem tragenden Beweggrund für die Entscheidung zu suchen. Einige zweifeln daher bereits an der eigenständigen Bedeutung des neuen proper-purpose-Tests neben dem subjektiven Test des Handelns im Gesellschaftsinteresse. Konsequenter erscheint daher die deutsche Lösung, das Handeln im Unternehmensinteresse von vornherein an einem strengen objektiven Maßstab zu messen.146 ___________ 144
BGHZ 14, 25 (36 f.); 36, 296 (314 f.); 48, 141 (144). s. o., 3. Kapitel, B. II. 2. a). 146 s. u., 4. Kapitel, B. II. 1. 145
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Dies gibt dem Richter die Möglichkeit, bereits hier anhand von Gesetz und Satzung nach dem Sinn und Zweck der Befugnisübertragung auf den Geschäftsleiter zu fragen und damit zu prüfen, ob dieser seine Machtstellung zu einem gesellschaftsfremden Zweck ausgenutzt hat.147 Wenn also das Gebot der Handelns im Unternehmensinteresse in der Literatur bisweilen ausdrücklich um das Verbot ergänzt wird, die Machtstellung zu gesellschaftsfremden Zwecken zu benutzen,148 so kommt dem Zusatz keine eigenständige Bedeutung zu. Im Problemfeld des Bezugsrechts schützt der zwingende § 186 I AktG den Gesellschafterkreis vor unbefugten Eingriffen in dessen Zusammensetzung und den einzelnen Gesellschafter vor der Verwässerung seiner Stimmrechtsmacht und des Werts seiner Aktien. Der Ausschluss des Bezugsrechts durch die qualifizierte Mehrheit kann nur auf der Grundlage einer schriftlichen Begründung des Vorstands erfolgen (§ 186 IV 2 AktG) und bedarf einer Rechtfertigung „durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft“.149 Bei Ermächtigung des Vorstands zur Ausnutzung eines genehmigten Kapitals (§ 202 I AktG) reduziert sich die Berichtspflicht zum künftigen Bezugsrechtsausschluss (§ 203 II) lediglich auf eine allgemeine und abstrakte Angabe der Gründe.150 Gegenüber dem englischen Ansatz hat dies den Vorteil, dass der klagende Aktionär nicht den Missbrauch der Vorstands- bzw. Mehrheitsbefugnisse nachweisen muss. Vielmehr hat die AG darzulegen, dass ihr Interesse am Ausschluss des Bezugsrechts das Interesse des Aktionärs an dessen Bestand überwiegt, und dass ihr Vorgehen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht. Auch als Schutzmechanismus im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten ist die proper-purpose-Doktrin für das deutsche Recht überflüssig. Ihr Hauptanliegen, also der Schutz des Aktionärskreises vor unbefugter Einflussnahme der Geschäftsleiter auf deren Zusammensetzung, wurde hier bereits vor InKraft-Treten des WpÜG aus § 53a AktG bzw. aus der allgemeinen Funktion der Verwaltungsorgane als Sachwalter des Unternehmensinteresses einschließlich der Aktionärsinteressen abgeleitet. Nunmehr unterliegt der gesamte Rechtsbereich der zwingenden gesetzlichen Regelung des WpÜG.151 ___________ 147
GK-Hopt, § 93 Rn. 176. Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; GK-Hopt, § 93 Rn. 176; ähnlich Hopt, ZGR 1993, 534 (542). 149 BGHZ 71, 40 (46) (Kali und Salz); 83, 319 (321) (Philipp Holzmann); einschränkend aber BGHZ 125, 239 (244, 246 ff.) (Deutsche Bank). Vgl. auch die Ausnahme des § 186 III 4 und die durch das TransPuG eingeschränkte Pflicht zur Bekanntmachung des Ausgabebetrages in § 186 II. 150 BGHZ 136, 133 (137 ff.) (Siemens/Nold); konkrete Anhaltspunkte forderte noch BGHZ 83, 319 (324 f.) (Philipp Holzmann). 151 Dazu und zum inhaltlichen Vergleich der Übernahmeregelungen weiter unten, 4. Kapitel, B. II. 2. 148
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
3. Verbot der Einschränkung des unternehmerischen Ermessens (no-fettering rule) Eine weitere Verschärfung der subjektiven Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, stellt das objektive Verbot einer Vorwegbindung im Hinblick auf das unternehmerische Ermessen dar.152 Danach können sich Direktoren durch Verträge untereinander oder mit Dritten nicht wirksam darauf festlegen, wie sie in künftigen Board-Sitzungen abstimmen und sich sonst verhalten werden. Dies gilt auch dann, wenn sie in gutem Glauben einen legitimen Zweck verfolgen und keinen persönlichen Vorteil anstreben.153 Das Gebot der unfettered discretion wurde insbesondere durch zwei Entscheidungen aus dem Bereich des Übernahmerechts in den Vordergrund gerückt. In der schottischen Entscheidung Dawson International plc v. Coats Patons plc154 ist die Zielgesellschaft mit dem Bieter eine Vereinbarung eingegangen, wonach der Board der Zielgesellschaft das Übernahmeangebot empfehlen sollte, und sich weder um konkurrierende Angebote bemühen, noch im Falle solcher Angebote mit dem neuen Bieter zusammenarbeiten durfte. Das Gericht sah es jedoch als stillschweigend mit vereinbarte Einschränkung an, dass im Falle einer wesentlichen Änderung der Umstände der Board ermächtigt sei, die Erfüllung der Vereinbarung zu verweigern. Abgeleitet wurde dies aus dem Grundsatz, dass die Pflichten der directors gegenüber der company und gegenüber ihren Aktionären immer vorrangig seien. Das Außerkraftsetzen des Vertrages mit dem Bieter sei daher unter bestimmten Umständen lediglich als Erfüllung dieser ausschlaggebenden Verpflichtung anzusehen. Auch in John Crowther Group plc v. Carpets International plc155 hat sich der Board vertraglich verpflichtet, ein bestimmtes Übernahmeangebot zu empfehlen, riet den Aktionären jedoch von diesem ab, nachdem ein Konkurrent ein attraktiveres Angebot vorlegt hatte. Das Gericht lehnte einen Schadensersatzanspruch des ersten Bieters mit der Begründung ab, bei der Auslegung des Vertrages sei der allgemein bekannte Grundsatz zu berücksichtigen, dass der Board in erster Linie der fiduziarischen Pflicht unterliegt, im Interesse der Gesellschaft zu handeln.
Während diese Entscheidungen den Eindruck erwecken, als sei eine Bindung der Direktoren im Hinblick auf eine spätere Ausübung ihrer treuhänderischen Befugnisse generell nicht möglich, wird dieser Ansatz in der Entscheidung des Court of Appeal in Fulham Football Club Ltd v. Cabra Estates plc156 deutlich relativiert: ___________ 152
Vgl. dazu ausführlich Courtney (1995) 16 Co Law 227. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 390; Clark v. Workman [1920] 1 IrR 107; Im Gegensatz dazu können Gesellschafter uneingeschränkt Stimmrechtsvereinbarungen eingehen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 506 ff. 154 [1990] BCLC 560, CS (First Division). 155 [1990] BCLC 460. 156 [1994] 1 BCLC 363; Besprechung bei Griffiths [1993] JBL 576. 153
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In diesem Fall sind die Direktoren eines Fußballklubs eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen, nach denen sie den Antrag ihres Vertragspartners auf eine Baugenehmigung in den folgenden sieben Jahren unterstützen und der Sanierung des Fußballplatzes nicht widersprechen sollten. Als Gegenleistung sollte der Fußballklub £ 11 Mio. erhalten. Während einer späteren baurechtlichen Anhörung wollten die Direktoren jedoch eine der Sanierung widersprechende Zeugenaussage machen und wandten sich an das Gericht mit dem Antrag auf Feststellung, dass ein solcher Beweisantritt – der ihrer Ansicht nach im Interesse der Gesellschaft lag – zulässig wäre. Der Court of Appeal kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die entgegenstehende vertragliche Verpflichtung ihre volle Wirksamkeit behalten müsse, da ihr Abschluss erstens erhebliche Vorteile für die Gesellschaft mit sich gebracht habe, und darin zweitens keine unzulässige Vorwegbindung der directors im Hinblick auf ihre zukünftige Ermessensausübung läge. Für eine stillschweigend vereinbarte Klausel, nach der die Direktoren alles unterlassen könnten, was ihrer Treuepflicht der company gegenüber widerspricht, sei schließlich in einem solchen Fall kein Raum. Der Court of Appeal betonte dabei ausdrücklich, dass es schlicht falsch wäre, Fälle wie John Crowther Group plc v. Carpets International plc157 im Sinne einer allgemeinen Regel zu verstehen, nach der directors hinsichtlich ihres zukünftigen fiduziarischen Entscheidungsspielraums gar keine Bindungen eingehen können.158
Der Hauptunterschied zu den vorangestellten Fällen besteht darin, dass der Board einmal eine unzulässige Vorwegbindung eingegangen ist und im Voraus auf die zukünftige Ausübung seines unternehmerischen Ermessens verzichtet hat,159 während er in Fulham Football Club Ltd v. Cabra Estates plc sein Ermessen gerade ausgeübt hat, wenn auch in einer Weise, die sein späteres Verhalten eingeschränkt hat. Mit dieser Differenzierung folgte der Court of Appeal dem früheren Urteil des australischen High Court in Thorby v. Goldberg:160 Die Direktoren einer Gesellschaft haben sich in diesem Fall vertraglich verpflichtet, im Rahmen einer Reorganisation der Kapitalstruktur Aktien in einer bestimmten Weise, zugunsten ihres Vertragspartners, zuzuteilen, was sie im Folgenden jedoch unterließen. Vor Gericht beriefen sie sich darauf, dass die Vereinbarung eine unzulässige Vorwegbindung darstelle und somit unwirksam sei. Die Richter sahen jedoch bereits den Vertragsschluss als den Zeitpunkt der Ermessensausübung an. Sofern die Direktoren zu diesem Zeitpunkt das Gesellschaftsinteresse beachtet haben, sei der Vertrag wirksam: „There are many kinds of transactions in which the proper time for the exercise of the directors’ discretion is the time of the negotiation of a contract and not the time at which the contract is to be performed. … If at the former time they are bona fide of opinion that it is in the interests of the company that the transaction should be entered into and carried into effect, I see no reason in law why they should not bind themselves to do whatever under the transaction is to be done by the board.“161 „… the directors of the Company may, before the execution of the agreement, have given proper consideration to the desirability of entering into it and decided that it
___________ 157
[1990] BCLC 460. [1994] 1 BCLC 363 (392 f., Neill LJ). 159 Zur Unzulässigkeit einer solchen Vorwegbindung s. Selangor United Rubber Estates Ltd v. Cradock (No 3) [1968] WLR 1555. 160 (1964) 112 CLR 597, Aust HC; s. auch Prentice (1973) 89 LQR 107 (111-113). 161 (1964) 112 CLR 597 (605 f., Kitto J). 158
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
was in the best interests of the company that it should be made. If so, it would be impossible to argue that they had, by executing the document, improperly fettered the future exercise of their discretion. In fact they would already have exercised it and, in the absence of an allegation that they had done so improperly, the suggested defence could not be sustained.“162
Dem Board muss es also möglich sein, Verträge im Namen der Gesellschaft abzuschließen und diese später auch zu erfüllen. Andernfalls wäre eine Gesellschaft ein unliebsamer Vertragspartner und würde der Chance beraubt werden, langfristige, wirtschaftlich vorteilhafte Vereinbarungen einzugehen.163 Entscheidendes Kriterium für die Wirksamkeit des Vertrages ist die Frage, ob die directors bereits den Vertragsschluss am Interesse der Gesellschaft ausgerichtet haben.164 Gehen sie die vertragliche Bindung nämlich ohne Prüfung des Gesellschaftsinteresses ein, so sind sie im Ergebnis damit einverstanden, gegen dieses zu handeln, wann immer der Vertrag dies verlangt.165 Insofern bestätigt die angeführte Rechtsprechung den Grundsatz, dass die Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, immer Vorrang genießen muss, der Zeitpunkt für die Abwägung aber vom Direktor selbst anhand des konkreten Geschäfts zu bestimmen ist.166 Praktische Bedeutung wird die no-fettering rule weiterhin in den Fällen behalten, in denen die Direktoren den Aktionären in Zukunft einen Rat erteilen sollen, dessen Inhalt jedoch schon im Voraus vertraglich festgelegt werden soll. Hier müssen die Aktionäre – z. B. im Falle eines Übernahmeangebots – noch selbständig eine Entscheidung treffen und sind insofern schutzwürdig, als sie von den Informationen und Empfehlungen des Board abhängig sind. Der Board muss also dazu verpflichtet bleiben, ihnen eine zeitnahe und unabhängige Einschätzung der Lage bieten zu können, anstatt bloß die vertraglich vereinbarte, inzwischen womöglich unzutreffende, Empfehlung abzuspulen.167 Daher weist auch der City Code on Takeovers and Mergers in General Principle 9 die Direktoren der Zielgesellschaft darauf hin, dass sie bei Eingehung von Verträgen mit dem Bieter oder mit sonstigen Personen besondere Vorsicht walten lassen ___________ 162
(1964) 112 CLR 597 (618, Owen J). Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 390 f. 164 Gleichwohl kann ein solcher Vertrag aus anderen Gründen unwirksam sein, z. B. wenn die Direktoren die eigentlichen Begünstigten der Vereinbarung sind, oder wenn sie damit ihr Leitungsermessen vollständig auf einen Dritten übertragen. s. Prentice (1973) 89 LQR 107 (113). 165 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 533; Boulting v. ACTT [1963] 2 QB 606 (626, Lord Denning MR). 166 Hannigan, Company Law, S. 232. 167 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 391; John Crowther Group plc v. Carpets International plc [1990] BCLC 460; Dawson International plc v. Coats Patons plc [1990] BCLC 560; Rackham v. Peek Foods Ltd [1990] BCLC 895. 163
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sollen, wenn der betreffende Vertrag ihre Freiheit bezüglich der künftigen Empfehlung an die Aktionäre einschränken würde. Das Problem der Ermessenseinschränkung könnte ferner im Falle der nominierten Direktoren (nominee directors) auftreten, die nicht von den Gesellschaftern gewählt, sondern von Inhabern bestimmter Wertpapiere (darunter vor allem die Muttergesellschaft) oder von Gläubigern ernannt werden. Jedoch sind die nominee directors nach englischem Recht – jedenfalls theoretisch – verpflichtet, die Interessen des Ernennenden zu ignorieren. Sie sind somit weisungsunabhängig und haben einen uneingeschränkten Ermessensspielraum.168 Als weitere Ausprägung der no-fettering rule ist es dem Board schließlich verwehrt, ohne satzungsmäßige Ermächtigung die Ausübung seines unternehmerischen Ermessens weiter zu delegieren – wenn auch in der Praxis die articles üblicherweise eine entsprechende Ermächtigungsklausel enthalten werden.169 Damit hat sich die vor allem für Verträge entwickelte Regel inzwischen zu einem umfassenden Grundsatz des eigenverantwortlichen Handelns entwickelt, der auch als „duty to remain free from outside involvement connected with the company’s affairs“ bezeichnet wird.170 Entsprechend der eben dargestellten Rechtslage stellt Clause 157(1) Company Law Reform Bill jetzt positiv fest, dass der Direktor bei jeder Entscheidung eine unabhängige Beurteilung vornehmen muss (Duty to exercise independent judgment). In Absatz 2 (a) werden aber Zweifel daran ausgeräumt, dass es dem Board grundsätzlich möglich ist, Verträge im Namen der Gesellschaft abzuschließen und diese später auch zu erfüllen, solange sie bereits den Vertragsschluss am Interesse der Gesellschaft ausrichten. Ebenso unbedenklich ist durch Satzung zugelassenes Handeln, (2)(b).
4. Die Pflicht, Interessenkonflikte zu vermeiden (no-conflict rule) Als fiduciary der Gesellschaft darf sich der Direktor nicht in eine Lage versetzen, in der seine Pflichten gegenüber der company mit seinem persönlichen ___________ 168 Boulting v. ACTT [1963] 2 QB 606 (626 f., Lord Denning MR); Kuwait Asia Bank EC v. National Mutual Life Nominees Ltd [1991] 1 AC 187, PC; Boyle, GoreBrowne on Companies, 27.17.2; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 391. 169 Re County Palantine Loan & Discount Co (Cartmells’ Case) [1874] 9 Ch App 691; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 391. Zum Sorgfaltsaspekt der Delegation s. o., 3. Kapitel, A. IV. 5. 170 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.17; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 391 spricht insofern von „independent judgment“.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Interesse bzw. mit Pflichten gegenüber Dritten kollidieren (no-conflict rule).171 Tritt ein solcher Konflikt auf, ist der Direktor verpflichtet, dem Gesellschaftsinteresse Vorrang einzuräumen. Ist er zugleich Interessenvertreter einer bestimmten Gruppe (z. B. Arbeitnehmer oder Gläubiger), so muss er diese Rolle im Konfliktfall zugunsten der Gesellschaft zurückstellen.172 Hiermit wird noch einmal das Erfordernis des Handelns in gutem Glauben ergänzt, diesmal um den Aspekt, dass der gute Glaube auch nach außen hin in Erscheinung treten soll. Besteht ein offensichtlicher Interessenkonflikt und ist dadurch der Verdacht der Voreingenommenheit gegeben, so soll sich der Direktor nicht durch die bloße Behauptung entlasten könne, er habe unbefangen im Interesse der Gesellschaft entschieden.173 Im weiteren Sinne gehören zu diesem Problemkreis auch die Fragen des Wettbewerbsverbots und der corporate opportunity. Jedoch haben sich die beiden letzten Aspekte inzwischen zu eigenständigen Instrumenten mit divergierenden Freistellungsmöglichkeiten entwickelt, auf die daher weiter unten gesondert eingegangen wird. Die Trennung bietet sich auch deshalb besonders an, weil die no-conflict rule (Interessenkonflikte) praktisch fast nur Geschäfte zwischen der company und dem Direktor betrifft, während die no-profit rule (Geschäftschancen) und das Wettbewerbsverbot üblicherweise Transaktionen des Direktors mit Dritten ansprechen, an denen die Gesellschaft lediglich ein mehr oder weniger ausgeprägtes Interesse besitzt.174
a) Konflikt zwischen Interesse und Pflicht (conflict of interest and duty) Aus der fiduziarischen Bindung wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts gefolgert, dass jeder Vertrag, den der Board im Namen der company abschließt, anfechtbar sei, wenn einer der Direktoren daran als Partei beteiligt oder persönlich interessiert ist. Das allgemeine Prinzip hat seinen Ursprung in dem schottischen Urteil Aberdeen Railway Co v. Blaikie Brothers.175 Mr. Blaikie war Vorsitzender des Board des Eisenbahnunternehmens und zugleich geschäftsführender Gesellschafter der partnership Blaikie Brothers. In seiner ersteren Eigenschaft veranlasste er Aberdeen zum Kauf von Bestandteilen für Gleise von Blaikie Bros. Gegen die Anfechtung des Vertrages durch Aberdeen wehrte sich die partnership mit dem Argument, die Vereinbarung sei zu den
___________ 171
Bray v. Ford [1896] AC 44, HL. Zum Teil wird dieser Grudsatz als die wichtigste aller Loyalitätspflichten angesehen; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 392. 172 Industrial Development Consultants Ltd. v. Cooley [1972] 1 WLR 443; Selangor United Rubber Estates Ltd. v. Cradock (No. 3) [1968] 1 WLR 1555. 173 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 392. 174 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 392. 175 (1854) 1 Macq 461, HL.
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handelsüblichen Bedingungen abgeschlossen worden und der Gesellschaft sei dadurch kein Schaden entstanden. Dabei stellte Lord Cranworth LC die bis heute gültige Regel auf: „A corporate body can only act by agents, and it is of course the duty of those agents so to act as best to promote the interests of the corporation whose affairs they are conducting. Such agents have duties to discharge of a fiduciary nature towards their principal. And it is a rule of universal application, that no one, having such duties to discharge, shall be allowed to enter into engagements in which he has, or can have, a personal interest conflicting, or which possibly may conflict, with the interests of those whom he is bound to protect. So strictly is this principle adhered to, that no question is allowed to be raised as to the fairness or unfairness of a contract so entered into.“176
Die Unbedingtheit dieser no-conflict rule wird in der Aussage von Lord Herschell in Bray v. Ford177 deutlich: „It is an inflexible rule of a Court of Equity that a person in a fiduciary position … is not, unless otherwise expressly provided, entitled to make a profit; he is not allowed to put himself in a position where his interest and duty conflict. It does not appear to me that this rule is, as has been said, founded upon principles of morality. I regard it rather as based on the consideration that, human nature being what it is, there is danger, in such circumstances, of the person holding a fiduciary position being swayed by interest rather than by duty, and thus prejudicing those whom he was bound to protect. It has, therefore, been deemed expedient to lay down this positive rule.“
Wie das Zitat von Lord Herschell suggeriert, wird die no-conflict rule häufig in einem Atemzug mit dem Verbot, von der Amtsstellung persönlich zu profitieren (no-profit rule) genannt, als handele es sich hierbei um ein einheitliches Prinzip.178 Vorzugsweise sind die beiden Verbote jedoch trotz aller Überschneidungen als zwei selbständige Pflichten zu betrachten,179 nicht zuletzt im Hinblick auf die erheblichen Unterschiede bei den Freistellungsmöglichkeiten. Die Anfechtbarkeit eines Vertrages bei Vorliegen eines Interessenkonflikts hängt ferner keinesfalls davon ab, ob der befangene Direktor tatsächlich von dem Geschäft profitiert hat. Zugleich ist es bei der Haftung für einen persönlich erlangten Gewinn irrelevant, ob der Direktor die Pflicht gehabt hätte, diese Gewinnaussicht für die Gesellschaft zu realisieren, und dies nur aufgrund eines Interessenkonflikts unterlassen hat. Ziel der no-conflict rule ist es dementspre___________ 176
(1854) 1 Macq 461 (471), HL; Zu den Ursprüngen des Prinzips im Recht der Treuhand s. die Entscheidung Keech v. Sandford (1726) Sel Cas T King 61; sowie Jones (1968) 84 LQR 472. 177 Bray v. Ford [1896] AC 44 (51 f.), HL. 178 Boardman v. Phipps [1967] 2 AC 46 (123, Lord Upjohn); Broughton v. Broughton (1855) 5 De G M and G 160 (164, Lord Cranworth LC). 179 Chan v. Zacharia (1984) 154 CLR 178 (198 f., Deane J), Aust. HC; Movitex Ltd v. Bulfield [1988] BCLC104; Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (153, 159); Birds (1987) Co Law 31 (32); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 534 f.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
chend, bereits präventiv zu verhindern, dass der fiduciary durch im eigenen Interesse angestellte Überlegungen beeinflusst wird, während die no-profit rule erst den tatsächlichen Missbrauch der Position zum eigenen Vorteil sanktioniert.180 Daher wird auf die no-profit rule unten gesondert einzugehen sein. Die strenge no-conflict rule umfasst sowohl Verträge, die mit einem der Direktoren persönlich oder als Vertreter eines Dritten abgeschlossen werden (Insichgeschäfte), als auch solche Transaktionen, an denen ein Direktor persönlich interessiert ist – entweder weil er von diesen unmittelbar profitiert,181 oder weil er einer kollidierenden Verpflichtung gegenüber einem Dritten unterliegt.182 Bei der Beurteilung, ob eine Kollision widerstreitender Interessen vorliegt, kommt es somit primär auf den materiellen Interessenkonflikt und nicht auf die formelle Rechtsstellung an. Der Interessenkonflikt erlangt jedoch nur dann rechtliche Relevanz, wenn er eine bestimmte Intensität erreicht, deren Ausmaß schwer zu definieren ist. Nach der oben zitierten Aussage von Lord Cranworth LC183 fallen neben tatsächlichen auch potentielle Konflikte unter das Verbot. Ausgenommen sind hingegen Konflikte, die aufgrund ihrer Geringfügigkeit die Erfüllung der Loyalitätspflichten nicht zu beeinträchtigen vermögen.184 „… it means that the reasonable man looking at the relevant facts and circumstances of the particular case would think that there was a real sensible possibility of conflict; not that you could imagine some situation arising which might, in some conceivable possibility in events not contemplated as real sensible possibilities by any reasonable person, result in a conflict.“185
So ist die bloße Eigenschaft als Treuhänder (bare trustee) noch keine Quelle für Interessenkonflikte, wenn daraus keine aktiven Verpflichtungen resultieren.186 ___________ 180
Chan v. Zacharia (1984) 154 CLR 178 (198 f., Deane J), Aust. HC. Bray v. Ford [1896] AC 44, HL. 182 Re Haslam and Hier-Evans [1902] 1 Ch 765, CA; Transvaal Lands Co. v. New Belgium (Transvaal) Land and Development Co. [1914] 2 Ch. 488, CA (Vertrag mit einer anderen Gesellschaft, an der einer der Direktoren Anteile hält – wenn auch nur als Treuhänder); Boulting v. ACTAT [1963] 2 QB 606 (635-638, Upjohn LJ), CA. 183 Aberdeen Railway Co v. Blaikie Brothers (1854) 1 Macq 461 (471), HL. 184 Queensland Mines Ltd v. Hudson (1978) 52 ALJR 399 (401), PC: „a real sensible possibility of conflict“; Chan v. Zacharia (1984) 154 CLR 178 (198, Deane J), Aust. HC: „a conflict ... or a significant possibility of such conflict“; Movitex Ltd v. Bulfield [1988] BCLC 104 (122, Vinelott J): „so small that it can as a practical matter be disregarded“; bejaht wurde die Relevanz des Konflikts in Transvaal Lands Co v. New Belgium (Transvaal) Land and Development Co [1914] 2 Ch 488, CA. 185 Boardman v. Phipps [1967] 2 AC 46 (124, Lord Upjohn), HL. 186 Cowan de Groot Properties Ltd v. Eagle Trust plc [1991] BCLC 1045 (1115, Knox J). 181
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Da die Regel dem Schutz der Gesellschaft dienen soll, kann sich ein Direktor einem Dritten gegenüber nicht darauf berufen.187 Das Verschuldenserfordernis wird bei Vorliegen eines Interessenkonflikts üblicherweise durch vorsätzliches Handeln begründet, jedoch ist Fahrlässigkeit ausreichend, die an einem objektiven Maßstab gemessen wird, indem das Gericht fragt, ob ein vernünftiger Direktor unter diesen Umständen hätte erkennen können, dass ein Interessenkonflikt vorliegt. Eine derart strenge no-conflict rule währe rechtsökonomisch wenig sinnvoll, könnte die Gesellschaft nicht einmal zum eigenen Vorteil – man denke nur an den Abschluss von Anstellungsverträgen mit den Direktoren – von dem Verbot abweichen. Die Freistellungsmöglichkeiten stellen daher einen wichtigen und schwierigen Teil der Dogmatik in diesem Bereich dar.
aa) Freistellungsmöglichkeiten nach der equity-Rechtsprechung Das eben dargestellte equity-Prinzip an sich bestimmt, dass eine Offenlegung des Interessenkonflikts gegenüber dem Board nicht ausreicht, auch wenn der betreffende Direktor den Beratungen und der Abstimmung fernbleibt, sodass die Entscheidung von einem unabhängigen Quorum getroffen wird. Insofern sollte die Gesellschaft einen Anspruch auf unvoreingenommene Stellungnahmen und Empfehlungen jedes einzelnen Direktors haben.188 Die erste verbleibende Lösungsmöglichkeit ist eine ausdrückliche Freistellung durch die Satzung189, ggf. nach einer Offenlegung der Interessenlage im Board, wie sie heute in Form der Art. 85, 86 Table A implementiert werden kann. Die Satzung kann sogar zulassen, dass der befangene Direktor an der entsprechenden Board-Sitzung teilnimmt und abstimmt (Art. 94 Table A). Im Streitfall trägt dann der befangene Direktor die Beweislast dafür, dass den satzungsmäßigen Anforderungen an die Offenlegung entsprochen worden ist.190 Fehlen entsprechende Klauseln, so müssen die Direktoren ihren Interessenkonflikt den Gesellschaftern gegenüber offen legen und den fraglichen Vertrag
___________ 187
Boulting v. ACTAT [1963] 2 QB 606 (636 f., Upjohn LJ). Benson v. Heathorn (1842) 1 Y & CCC 326 (341 ff., Knight Bruce V.-C.) = 62 ER 909; Imperial Mercantile Credit Asscn. v. Coleman (1871) 6 Ch App 558 (567 f., Lord Hatherley LC), CA. 189 Boulting v. Association of Cinematograph, Television and Allied Technicians [1963] 2 QB 606 (636, Upjohn LJ). 190 Movitex Ltd v. Bulfield [1988] BCLC 104 (125 f., Vinelott J); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 542. 188
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
von der Gesellschafterversammlung abschließen bzw. nachträglich genehmigen lassen.191 Erleichterungen gelten aber für Vertreter der Gesellschaft, die nicht zugleich Direktoren sind: Verträge mit ihnen sind wirksam, wenn die Natur des Interesses vorher einem unabhängigen Board oder den Gesellschaftern gegenüber offen gelegt wird.192 Als erste gesetzliche Regelung zum Problem der Befreiung sah Section 29 des Joint Stock Companies Act 1844 ebenfalls die Notwendigkeit eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vor.193 Bereits 1856 wurde die Vorschrift allerdings durch eine dispositive Regelung in Art. 47 der damaligen Table B ersetzt, mit dem Inhalt, dass jeder – direkt oder indirekt – am Vertrag interessierte Direktor von seinem Amt ausgeschlossen werden soll, außer wenn das Interesse lediglich in der Mitgliedschaft in einer anderen Gesellschaft besteht. Trotz dieser drastischen und unpraktikablen Sanktion blieb die Regelung noch bis zum Companies Act 1948 in Kraft. In der Zwischenzeit suchte die Wirtschaft nach Möglichkeiten, die unliebsame Regelung zu umgehen. Mit der wachsenden Zahl an Anstellungsverträgen mit den directors, sowie an Verträgen mit anderen Gesellschaften, in deren Boards die eigenen Direktoren saßen, erschien die Vorlage jedes einzelnen Vertrages an die Hauptversammlung allmählich als unhaltbar. Die Rechtsfolge des Ausschlusses aus dem Board konnte als Teil der Mustersatzung unproblematisch abbedungen werden. Unklar war jedoch, inwiefern darüber hinaus von dem equity-Prinzip abgewichen werden konnte, nach dem die Mitwirkung eines befangenen Direktors den Vertrag nichtig machte. Das Rechtsinstitut der Treuhand zeigte, dass deren Bedingungen bei Einsetzung des Treuhänders frei bestimmt werden können, sodass man auch davon ausging, die fiduziarischen Pflichten eines Direktors in der Satzung festlegen zu können. Die Befreiungsklausel wurde fortan zu einem festen Bestandteil der articles.
bb) Offenlegung gegenüber dem Board gem. Section 317 CA 1985 Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entwicklung mit Section 149 Companies Act 1929 (später Section 199 CA 1948) und beschränkte das unabdingbare gesetzliche Erfordernis der Freistellung auf eine Offenlegung des Interessen___________ 191
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 394 f. Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1942] 1 All ER 378; [1967] 2 AC 134n, HL (Rechtsanwalt der Gesellschaft); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 394. 193 Zu diesem geschichtlichen Überblick s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 395 ff. 192
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konflikts in einer Sitzung des Gesamt-Board. Der Anwendungsbereich der Regelung wurde später auf alle Verträge und Abreden sowie auf Schattendirektoren194 ausgedehnt und findet sich heute in Section 317 CA 1985 wieder: „It is the duty of a director of a company who is in any way, whether directly or indirectly, interested in a contract or proposed contract with the company to declare the nature of his interest at a meeting of the directors of the company.“ (Abs. 1)
Section 317 CA 1985 an sich befreit den Direktor also nicht automatisch von dem strengen equity-Verbot,195 sondern statuiert eine Mindesthürde für den Fall, dass die Gesellschafter die no-conflict rule durch Satzung ausschließen.196 Der Sinn und Zweck der Norm wird in der Aussage von Lightman J in dem Urteil Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald197 deutlich: „Where a director is interested in a contract, the Section secures that three things happen at a directors’ meeting: first, all the directors should know or be reminded of the interest; second, the making of the declaration should be the occasion for a statutory pause for thought about the existence of the conflict of interest and of the duty to prefer the interests of the company to their own; third, the disclosure or reminder must be a distinct happening at the meeting which therefore must be recorded in the minutes of the meeting…“
Section 317(5) fügt hinzu, dass die Norm auf alle Transaktionen und Absprachen Anwendung findet, auch wenn diese keinen Vertrag begründen. Absatz 6 ergänzt den Anwendungsbereich zusätzlich um Transaktionen i.S.v. Section 330 (Verbot von Gesellschaftsdarlehen an Direktoren). Finden diese im Verhältnis zu einem Direktor oder zu einer mit ihm verbundenen Person (connected person, Section 346) statt, so gilt der Direktor automatisch als an der Transaktion interessiert. Die Ausweitung von Section 317 hat dennoch nicht dazu geführt, dass diese auf alle Konfliktsituationen anwendbar ist. Die Grenze bildet vielmehr der Oberbegriff der „Transaktion“, sodass z. B. Geschäftschancen und Informationen der Gesellschaft, die noch nicht das Stadium einer Vereinbarung bzw. eines entsprechenden Vorschlags erreicht haben, nicht umfasst wären. Der Direktor ist ausnahmsweise dann nicht zur Offenlegung verpflichtet, wenn die relevante Tatsache in seinem eigenen, früheren Fehlverhalten besteht. In Bell v. Lever Bros. Ltd198 wurden den Direktoren bei Ausscheiden aus dem Amt erhebliche Abfindungssummen gezahlt. Dabei verschwiegen die Direktoren gravierende Pflichtverletzungen, die der Gesellschaft bei Kenntnis eine sofortige Kündigung ermög-
___________ 194
Zum Begriff s. o., 3. Kapitel, A. II. Vgl. Section 317(9) CA 1985. 196 Vgl. Art. 85, 86, 94 Table A. 197 [1996] Ch 274 (283). 198 [1932] AC 161, HL; Horcal Ltd v. Gatland [1984] 13 IRLR 288, CA. 195
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
licht hätten. Das Gericht hat dies nicht beanstandet mit der Folge, dass die Abfindungen von der Gesellschaft nicht zurückgefordert werden konnten.
Andererseits kann ein executive director die Pflicht haben, das Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer anzuzeigen, auch wenn er sich dadurch zwangsläufig selbst belasten würde.199 Interessant ist ferner, dass der Direktor gem. Absatz 1 lediglich die Natur seines Interesses offen zu legen hat und nicht dessen Ausmaß oder etwa alle wesentlichen Tatsachen. Andererseits betrifft diese eingeschränkte Berichtspflicht jedes noch so kleine und unbedeutende Interesse. Verfügt die Gesellschaft hingegen über eine dem Art. 85 Table A entsprechende Satzungsklausel, so wird er sowohl über Natur als auch über Ausmaß berichten müssen, letzteres allerdings nur im Hinblick auf wesentliche Interessen. Nach Absatz 2 soll die Offenlegung bezüglich eines Vertragsvorschlags in der ersten Board-Sitzung erfolgen, in der der Vertragsschluss in Erwägung gezogen wird. War der Direktor zu diesem Zeitpunkt noch nicht an dem Vertrag interessiert, so muss er darüber in der ersten Board-Sitzung nach Entstehung seines Interesses berichten. Dies ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um ein Geschäft handeln muss, das von den Direktoren persönlich erwogen und diskutiert wird, also um eine große bzw. bedeutende Transaktion. Abs. 2 ist vielmehr als eine Zeitvorgabe zu verstehen, die den „Vertrag“ i.S.d. Abs. 1 in keiner Weise qualifizieren soll. Die Offenlegungspflicht umfasst somit auch solche Transaktionen, die im Board sonst gar nicht zur Sprache gekommen wären.200 Um die Direktoren vor Verstößen gegen solch eine umfassende Pflicht zu schützen sieht Abs. 3 die Möglichkeit einer generellen Mitteilung (general notice) an die Direktoren mit zweierlei Wirkung vor: Erstens kann der Direktor verkünden, dass er Mitglied einer anderen, bestimmten Gesellschaft oder Firma ist, und dass er ab dem Zeitpunkt der Mitteilung als an allen Transaktionen mit diesem Unternehmen interessiert gilt; zweitens kann er eine bestimmte Person angeben, mit der er i.S.d. Section 346 „verbunden“ (connected) ist, mit der Wirkung, dass er fortan bezüglich aller Transaktionen mit dieser Person als befangen gilt. Die Wirkung der generellen Mitteilung tritt gem. Abs. 4 jedoch nur ein, wenn diese in einer Board-Sitzung gemacht wird oder der Direktor alle vernünftigen Schritte unternommen hat, um ein Vorbringen und Vorlesen in der nächsten Sitzung sicherzustellen. ___________ 199 Swain v. West (Butchers) Ltd [1936] 3 All ER 261, CA; Sybron Corpn. v. Rochem Ltd [1984] Ch 112, CA. 200 Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald [1996] Ch 274 (283, Lightman J); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 398; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 542 f.
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Trotz dieser Verschärfung wird die gesetzliche Regelung in den Abs. 3 und 4 zum Teil als zu schwach kritisiert, da der Direktor auch hier lediglich die Art seines Interesses, also z. B. die bloße Tatsache seiner Mitgliedschaft in einer anderen Gesellschaft mitteilen muss. Er wird aber beispielsweise verschweigen dürfen, dass er deren Direktor ist und seine Vergütung von dem Jahresgewinn der anderen company abhängt. Er wird ebenfalls nicht erneut berichten müssen, wenn er seine ursprünglich angegebe Minderheitsbeteiligung in eine Kontrollmehrheit umwandelt.201 Einen Kontrast hierzu bietet die dispositive Regelung in Art. 86(a) Table A, nach der der Direktor auch das Ausmaß seines Interesses spezifizieren muss. Art. 86(b) enthält zudem die sinnvolle Ausnahme, dass der Direktor nicht als befangen gilt, wenn er keine Kenntnis von seinem Interesse hatte und diese auch nicht von ihm erwartet werden konnte. Somit erscheint zur Zeit die dispositive Regelung im Vergleich zum Gesetz als zweckmäßiger und besser durchdacht. Zum Schluss soll noch darauf hingewiesen werden, dass auch die umfangreichste Offenlegung dem Board gegenüber möglicherweise nicht den gleichen Aktionärsschutz gewährleistet, wie ein Bericht gegenüber der Hauptversammlung. Die Kollegen des befangenen Direktors werden bei dessen Interessenkonflikten wohl die Nachsichtigkeit an den Tag legen, die sie eines Tages selbst zu erfahren hoffen. Dass diese Gefahr im Bereich der Vergütung besonders groß ist, war einer der Gründe, der zu einer erheblichen Verschärfung der einschlägigen Offenlegungsvorschriften führte.202 Das eindrucksvollste Beispiel einer sinnlosen Offenlegung gegenüber dem Board zeigt der Fall Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald.203 Hier erlaubte das Gericht sogar dem einzigen Direktor einer company nach Section 317 vorzugehen, sprich: ganz alleine ein Board-Meeting zu konstituieren und den Interessenkonflikt sich selbst gegenüber offen zu legen (self-disclosure). Sollte der company secretary nicht daran teilnehmen, müsste die Mitteilung nicht einmal laut ausgesprochen werden. Die Kläger bestanden vergeblich darauf, dass in einer solchen Situation die Gesellschafterversammlung kraft ihrer Reservekompetenz entscheiden sollte, da der einzige Direktor dem Sinn und Zweck von Section 317 nicht genügen konnte und somit nicht imstande war, eine rechtlich wirksame Handlung vorzunehmen.204
Die Tendenz setzt sich in Entscheidungen fort, in denen „rein technische“ („purely technical“) Mängel der Offenlegung für unschädlich und die betroffenen Verträge für wirksam befunden wurden. ___________ 201
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 400. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 400. 203 [1996] Ch 274 (282 ff., Lightman J). 204 [1996] Ch 274 (277); zustimmend Hannigan, Company Law, S. 254; kritisch Vinelott J in Movitex Ltd v. Bulfield [1988] BCLC 104 (116); Das Problem stellt sich auch bei einem mehrköpfigen Board, bei dem sämtliche Mitglieder an der fraglichen Transaktion interessiert sind. 202
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Einen solchen Fall, in dem nach Ansicht der Richter eine ordnungsgemäße Offenlegung letztlich nichts an der vom Board getroffenen Entscheidung geändert hätte, stellt Runciman v. Walter Runciman plc205 dar. Hier wurde in einer Board-Sitzung die Verlängerung des Anstellungsvertrages des beklagten Direktors auf fünf Jahre beschlossen, ohne dass dieser explizit auf sein Interesse daran hingewiesen hätte, welches aber naturgemäß für alle übrigen Direktoren offensichtlich war. Darüber hinaus wurde der Prozess nach einer Übernahme von dem neuen Eigentümer angestrengt, um unter Berufung auf den Formmangel den managing director fristlos – also auch kostengünstig – zu entlassen. Der Richter befand, dass dem Gericht hier trotz des Verstoßes gegen die Offenlegungsvorschriften ein Spielraum in der Frage zusteht, ob der Anstellungsvertrag des Direktors für unwirksam zu erklären ist.206
Die Anerkennung der Unbeachtlichkeit mancher Formfehler stieß nachfolgend auch beim Court of Appeal auf Zustimmung.207 In der Literatur wurde sie jedoch z.T. kritisch aufgenommen, da somit zwar die Pflicht zum „Runterbeten“ leerer Formeln entfalle, mit ihr zusammen jedoch auch der Vorteil der Protokollierung jedes auftretenden Interessenkonflikts.208
cc) Verhältnis von Section 317 CA 1985 zu der equity-Regel Unklar ist indes immer noch das Verhältnis von Section 317 CA 1985 zu der ursprünglichen equity-Regel und insbesondere die Antwort auf die Frage, ob ein Handeln im Einklang mit der Satzung, die die no-conflict rule ausgeschlossen und keine besonderen Offenlegungspflichten statuiert hat, also lediglich unter Verstoß gegen Section 317(1), bereits zur Anfechtbarkeit des Vertrages führt. So sieht die Norm als einzige Sanktion für die Verletzung der Offenlegungspflicht an sich nur ein Bußgeld vor: „A director who fails to comply with this Section is liable to a fine.“ (Abs. 7)
Andererseits lässt sie die sonstigen allgemeinen Regeln unberührt: „Nothing in this Section prejudices the operation of any rule of law restricting directors of a company from having an interest in contracts with the company.“ (Abs. 9)
___________ 205
[1992] BCLC 1084 (1096 f., Simon Brown J). An sich ist das Interesse am eigenen Anstellungsvertrag aber offenlegungspflichtig i.S.v. Section 317(1); s. Toms v. Cinema Trust Co Ltd [1915] WN 29; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 543 f.; Anders aber für bekannte bzw. offensichtliche Konflikte die australischen Richter in Woolworths Ltd v. Kelly (1991) 22 NSWLR 189. 207 Lee Panavision Ltd v. Lee Lighting Ltd [1992] BCLC 22 (33, Dillon J, obiter dictum), CA; s. auch Re Dominion International Group plc (No. 2) [1996] 1 BCLC 572 (598-600, Knox J). 208 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.10.; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 175. 206
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Zu der Frage der Fortgeltung der equity-Regel äußerten sich in zwei Grundsatzentscheidungen der Court of Appeal (Hely-Hutchinson v. Brayhead Ltd.209) und das House of Lords (Guinness plc v. Saunders210). In Guinness plc v. Saunders211 ging es um ein Übernahmeangebot der Guinness plc für das Unternehmen Distillers. Das strategische Vorgehen wurde von einem ad hoc eingerichteten Board-Ausschuss erarbeitet, dem der Beklagte – Mr. Ward – angehörte. Im Ausschuss einigte man sich darauf, dem Beklagten eine Sondervergütung in Höhe von 0,2 % des Wertes des Übernahmeangebots zu zahlen, sollte Guinness die Übernahmeschlacht gewinnen. Nach dem tatsächlichen Sieg wurden an den Direktor £ 5,2 Mio. ausgezahlt. Als der Gesamt-Board von der Zahlung erfuhr, verlangte er diese im Namen der Gesellschaft zurück. Der Court of Appeal urteilte in diesem Sinne mit der Begründung, der Beklagte habe sein Interesse an der Übernahme entgegen Section 317 CA 1985 nicht offen gelegt.212 Dem stimmte das House of Lords grundsätzlich zu, lehnte die Rückzahlungspflicht aber in diesem Fall ab, da die Herausgabe des Erlangten (restitutio in integrum) nicht mehr möglich war. Es stützte den Anspruch der Gesellschaft stattdessen auf deren Satzung, nach der alle Fragen der Vergütung vom Board zu entscheiden waren und nicht auf einen Ausschuss delegiert werden konnten. Wie schon in Hely-Hutchinson v. Brayhead Ltd.213 entsprachen die articles von Guinness Art. 85 Table A, wonach das Interesse eines Direktors an einem Vertrag der company nicht schadet, und er den dabei erlangten Gewinn nicht herausgeben muss, sofern er seinen Interessenkonflikt im Einklang mit Section 317 CA 1985 offen gelegt hat. Letzteres war in beiden Fällen nicht geschehen, was die Gerichte zu zwei Feststellungen veranlasste: Fehlt die Offenlegung, so ist das Rechtsgeschäft seitens der company anfechtbar. Sie kann auch die Herausgabe des vom Direktor erlangten Gewinns fordern, jedoch nur, solange die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage noch möglich ist. Liegt hingegen eine ordnungsgemäße Offenlegung vor, so ist das Rechtsgeschäft auch dann nicht anfechtbar, wenn eine explizite Zustimmung der Gesellschaft hierzu fehlt.
In beiden Fällen ging es indes um Satzungsklauseln, die die strenge no-profit rule nur unter der Bedingung ausschlossen, dass den Anforderungen von Section 317 entsprochen wird. Ein Verstoß gegen Section 317 bedeutete somit automatisch einen Verstoß gegen die Satzung und somit die Unwirksamkeit der Freistellung. In der heutigen Table A fehlt aber eine entsprechende Verweisung auf Section 317, sodass fraglich ist, wie ein isolierter Verstoß gegen diese Norm von den Richtern gewertet werden würe. Dessen Rechtfolge scheint auf den ersten Blick nur das Bußgeld gem. Abs. 7 zu sein. Danach wären Verträge ___________ 209
[1968] 1 QB 549. [1990] 2 AC 663, HL. 211 [1990] 2 AC 663 (694, Lord Templeman), HL. 212 [1988] 1 WLR 863, CA. 213 [1968] 1 QB 549 (585, Lord Denning MR). 210
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
unter Mitwirkung eines befangenen Direktors trotz Verstoßes gegen Abs. 1 ohne weiteres wirksam; dieser müsste nicht einmal die erlangten Vorteile herausgeben. Die meisten Richter in den o.g. Urteilen scheinen ein solches Ergebnis jedoch nicht akzeptieren zu wollen. Die Satzung könne zwar das equityErfordernis einer Gesellschafterzustimmung ausschließen, nicht jedoch die gesetzliche Pflicht [Section 317(1) CA 1985] zur Offenlegung, deren Verletzung auch Folgen für den Vertrag haben müsse.214 Andere sind hingegen der Ansicht, dass die alleinige Verletzung von Section 317(1) CA 1985 zwar ein Bußgeld nach sich ziehe, aber die Wirksamkeit des Vertrages unberührt lasse: „It is not contended that Section 199 [heute: 317] in itself affects the contract. The Section merely creates a statutory duty of disclosure and imposes a fine for noncompliance. But it has to be read in conjunction with [the article] … If a director makes or is interested in a contract with the company, but fails duly to declare his interest, what happens to the contract? Is it void, or is it voidable at the opinion of the company, or is it still binding on both parties, or what? … I think the answer must be supplied by the general law, and the answer is that the contract is voidable at the opinion of the company…“215 „On this basis I cannot see that a breach of Section 317 … had itself any effect upon the contract between Mr. Ward and Guinness. As a matter of general law, to the extent that there was failure by Mr. Ward to comply with his duty of disclosure under the relevant article of Guinness … the contract … was no doubt voidable under the ordinary principles of the general law…“216
Eine solche Betrachtungsweise – volle Wirksamkeit des Vertrages bei bloßem Verstoß gegen Section 317(1) CA 1985 – würde aber den Willen des Gesetzgebers verkennen. Untragbar erscheint insbesondere die Konsequenz, dass der Direktor trotz Verstoßes gegen eine gesetzliche Verpflichtung von seinem Handeln auf Kosten der Gesellschaft profitieren können soll. Es liegt deshalb nahe, dass die zuletzt zitierten Aussagen der Richter in den beiden Grundsatz___________ 214 Hely-Hutchinson v. Brayhead [1968] 1 QB 549 (585, Lord Denning MR) (589 f., Lord Wilberforce); Guinness plc v. Saunders [1988] 1 WLR 863 (869, Fox LJ: „It seems to me that … Section 317(1) must be regarded as imposing a duty which has consequences in the civil law in addition to the penalty of a fine.“); [1990] 2 AC 663 (694, Lord Templeman); zustimmend Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (139 f.); Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 594 Fn. 1. 215 Hely-Hutchinson v. Brayhead [1968] 1 QB 549 (594, Lord Pearson). 216 Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663 (697, Lord Goff of Chieveley); zustimmend Woolworths Ltd v. Kelly (1991) 22 NSWLR 189 (209 f., Samuels JA); Lee Panavision Ltd v. Lee Lighting Ltd (1. Instanz) [1991] BCLC 575 (583, Harman J); Cowan de Groot Properties Ltd v. Eagle Trust plc [1991] BCLC 1045 (1113, Knox J); zustimmend Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.10.1; Hannigan, Company Law, S. 252; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 173 f.; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 543; Worthington 64 (2001) MLR 439 (453).
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entscheidungen missverständlich gefasst sind. In beiden Fällen tauchte dieses Spezialproblem gerade nicht auf, sodass kein Anlass dazu bestand, sich damit näher zu befassen. Festzuhalten bleibt also, dass ein unter Mitwirkung eines befangenen Direktors abgeschlossener Vertrag nur dann nicht anfechtbar ist, wenn der Vertrag von der Gesellschafterversammlung genehmigt wird (i.S.d. strengen equityRegel), oder wenn die Satzung auf dieses Erfordernis verzichtet und der Interessenkonflikt in einer Board-Sitzung offen gelegt wird (i.S.d. Section 317 CA 1985).
dd) Offenlegung der Interessenkonflikte im Jahresabschluss Section 232(1) CA 1985 i.V.m. Schedule 6 §§ 15(c) und 16(c) verpflichten die Gesellschaft, in einem Vermerk zum Jahresabschluss Einzelheiten aller Transaktionen des abgelaufenen Geschäftsjahres offen zu legen, an denen die Gesellschaft beteiligt war und an denen ein Direktor217 ein erhebliches (material), unmittelbares oder mittelbares Interesse hatte. Über die „Erheblichkeit“ eines Interesses entscheidet der Board unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds durch Mehrheitsbeschluss.218 Offen zu legen sind: die Hauptbedingungen des Vertrages, der Name des befangenen Direktors sowie die Natur seines Interesses und der „Wert“ des Vertrages, also der Marktpreis der erbrachten Leistung.219 Von der Berichtspflicht ausgenommen sind zahlreiche Vertragskonstellationen innerhalb eines Konzerns, vor allem solche Verträge zwischen Konzerngesellschaften, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und nicht zu besonders ungünstigen Bedingungen abgeschlossen wurden, obwohl einer der relevanten Direktoren daran persönlich interessiert war.220 Die Berichtspflicht entfällt ferner, wenn der Gesamtwert der Transaktionen mit einem Direktor £ 1.000 nicht überschreitet; ferner wenn der Gesamtwert aller Transaktionen nicht über 1% des bilanzmäßigen Reinvermögens hinausgeht. Für Gesellschaften mit einem Reinvermögen von mehr als £ 500.000 beträgt dieser Grenzwert hingegen £ 5.000.221 ___________ 217 Erfasst sind neben den Direktoren und Schattendirektoren der berichtenden Gesellschaft auch solche ihrer Muttergesellschaft, ferner Personen, die während des Berichtszeitraums eine entsprechende Position innehatten. 218 Schedule 6 CA 1985, § 17(2). 219 Schedule 6 CA 1985, § 22; Section 340 CA 1985. 220 Schedule 6 CA 1985, § 20. 221 Schedule 6 CA 1985, § 25.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ee) Interessenkonflikte in börsennotierten Gesellschaften: Transactions with related parties Für börsennotierte Gesellschaften sehen die Listing Rules vor, dass wichtige, durch Interessenkonflikte gefährdete Transaktionen (related party transactions) der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter bedürfen, wobeit die befangenen Direktoren einem Stimmverbot unterliegen.222 Betroffen sind Verträge der Gesellschaft mit den Direktoren selbst und ihren „Verbündeten“ (associates), zu denen vor allem Angehörige, Treuhänder und kontrollierte Gesellschaften zählen.223 Ausgenommen sind u.a. Geschäfte von kleinerem Umfang.224
b) Transaktionen mit wesentlichen Vermögensgegenständen (substantial property transactions) zwischen dem director und der company gem. Sections 320-322 CA 1985 Von der allgemeinen no-conflict rule kann, wie gezeigt, relativ einfach durch Implementierung der Mustersatzung Table A in Verbindung mit einer Offenlegung des Interessenkonflikts gegenüber dem Board abgewichen werden. Für bestimmte Situationen, in denen das aus der Befangenheit resultierende Risiko besonders groß ist, hat der Gesetzgeber deshalb spezielle, strengere Regeln vorgesehen, namentlich für Darlehen an die Direktoren, für deren Transaktionen in Aktien der Gesellschaft sowie für Transaktionen mit wesentlichen Vermögensgegenständen zwischen dem Direktor und der Gesellschaft. Verkauft der Direktor225 einen unbaren Vermögenswert („non-cash asset“)226 an die company, dessen Wert über £ 100.000 oder über 10 % des Reinvermögens der Gesellschaft (falls dieser Wert £ 2.000 übersteigt) liegt, oder kauft er einen solchen von der Gesellschaft, so müssen die Gesellschafter gem. Section 320(1)(2) CA 1985 dem Vertrag zustimmen.227 Die Zustimmung muss ___________ 222
Listing Rules, 11.1.7. Listing Rules, 11.1.4, App. 1.1. 224 Listing Rules, Annex 1.1 to Chapter 11. 225 Die Norm ist ferner auf Direktoren der Muttergesellschaft, auf mit Direktoren verbundene Personen (connected persons, s. Section 346) sowie auf shadow directors anwendbar, Section 320(1)(3); Der Wert des Reinvermögens wird anhand des letzten Jahresabschlusses oder – falls ein solcher nicht vorgelegt werden musste – anhand des eingeforderten Aktienkapitals ermittelt, Section 320(2). 226 Dazu zählen gem. Section 739(1) CA 1985 alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme von Bargeld und die dinglichen Rechte hieran. Nicht erfasst sind also Ansprüche auf Zahlung einer Geldsumme, z. B. einer Abfindung; s. Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.13. 227 British Racing Drivers’ Club Ltd v. Hextall Erskine and Co [1997] 1 BCLC 182; Re Duckwari plc (No. 1) [1997] 2 BCLC 713. Vor der gesetzlichen Regelung war es 223
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sich zumindest auf alle wichtigen Bedingungen des Vertrages, darunter den Preis, beziehen.228 Die allgemeinen Offenlegungspflichten gem. Section 317 bzw. Art. 85 Table A müssen daneben auch noch erfüllt werden.229 Dahinter steht die Überlegung, dass auch redliche Direktoren, die einen bedeutenden Vertrag mit einem ihrer Kollegen verhandeln sollen, durch den Interessenkonflikt in ihrer Objektivität gestört werden könnten. Deshalb erhalten die Gesellschafter die Möglichkeit, den Fall nochmals gründlich zu überprüfen, um eine möglichst ausgewogene Entscheidung herbeizuführen.230 Verhindert werden soll vor allem der Raub am Gesellschaftsvermögen durch Transaktionen unter Wert.231 Von dem Zustimmungserfordernis sind in Section 321 einige Ausnahmen vorgesehen. Die wichtigsten sind Transaktionen innerhalb eines Konzerns (Abs. 2a) und Verträge mit einer Gesellschaft in Liquidation, es sei denn es handelt sich um eine freiwillige Liquidation durch die Gesellschafter (Abs. 2b).232 Ausgenommen sind ferner Verkäufe von Vermögensgegenständen der Gesellschaft an eine Person, die zugleich Mitglied der Gesellschaft und gerade in dieser Eigenschaft am Vertrag beteiligt ist (Abs. 3), nicht jedoch entsprechende Käufe durch die Gesellschaft. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Section 320 sind in Section 322 geregelt. Entsprechende Verträge sind – sofern dies noch möglich ist233 – gem. Abs. 1 anfechtbar, es sei denn, dass sie innerhalb einer angemessenen Frist von der Hauptversammlung genehmigt werden (Abs. 2c). Dabei wird der betroffene Direktor vom Gesetz nicht daran gehindert, in seiner Eigenschaft als Gesellschafter an dem Genehmigungsbeschluss mitzuwirken.234 Ein Stimmverbot kann sich in einer börsennotierten Gesellschaft jedoch aus den Listing Rules er___________ dem Direktor möglich, an die Gesellschaft solche Vermögensgegenstände zu verkaufen, die er selbst erworben hat, bevor der Bedarf der Gesellschaft an einem solchen Gegenstand bekannt geworden war; vgl. North-West Transportation Co Ltd v. Beatty (1887) 12 App Cas 589, PC; Burland v. Earle [1902] AC 83; Cook v. Deeks [1916] 1 AC 554 (563 f., Lord Buckmaster LC), PC. 228 Demite Ltd v. Protec Health Ltd [1998] BCC 638. 229 Section 317(6); Hannigan, Company Law, S. 265. 230 British Racing Drivers’ Club Ltd v. Hextall Erskine & Co (a firm) [1997] 1 BCLC 182 (198, Carnwath J); Hannigan, Company Law, S. 265. 231 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 405. 232 Im letzteren Falle wird der Liquidator auf Vorschlag der Direktoren von den Gesellschaftern bestellt, die ferner ein Interesse an der Veräußerung des Gesellschaftsvermögens haben werden; s. Hannigan, Company Law, S. 267; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 406 Fn. 1. 233 Section 322(2)(a)(b). 234 North-West Transportation Co Ltd and Beatty v. Beatty (1887) 12 AppCas 589 (593), PC; Northern Counties Securities Ltd v. Jackson & Steeple Ltd [1974] 1 WLR 1133.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
geben.235 Nach Abs. 3 und 4 ist jeder Direktor, der dem Vertrag zugestimmt hat, zur Herausgabe des Erlangten sowie zu Ersatz des der Gesellschaft entstandenen Schadens verpflichtet, unabhängig davon, ob der Vertrag angefochten worden ist. Die Rechtsfolgen entsprechen somit denen des allgemeinen equity-Verbots von Interessenkonflikten. Sections 320-322 sollen dessen Wirkung gerade dort wiederherstellen, wo die Gesellschaften in ihren articles (z. B. gem. Art. 85 Table A) das equity-Prinzip ausgeschlossen haben.236
c) Darlehen der company an den director gem. Sections 330-344 CA 1985 Die Gewährung von Darlehen an Direktoren unterliegt insbesondere in public companies den strikten Einschränkungen der Sections 330-344 CA 1985. Gem. Section 330(2)(5) darf eine Gesellschaft ihren Direktoren, den Direktoren ihrer Muttergesellschaft und den Schattendirektoren keine Darlehen (loans), Bürgschaften, Garantien oder sonstige Sicherheiten gewähren. Eine Konzerngesellschaft, deren Gruppe zumindest eine public company enthält („relevant company“), darf darüber hinaus keine „quasi-Darlehen“ (quasi-loans) gewähren und keine „Kreditgeschäfte“ (credit transactions) mit den o.g. Personen sowie mit den mit ihnen verbundenen Personen (connected persons)237 eingehen (Abs. 3, 4, 6). Hier sollen also alle Transaktionen erfasst werden, die in irgendeiner Form eine Verschuldung gegenüber der Gesellschaft zur Folge haben. Unter „quasi-loans“ werden – grob definiert238 – alle Zuwendungen an die o.g. Personen verstanden, die diesen einen finanziellen Vorteil bescheren, sie aber zugleich zur Rückerstattung an die Gesellschaft verpflichten. Als Beispiel kann ein managing director dienen, der mit Zustimmung seiner public company zu jeder Zeit einen bestimmten Teil des Gesellschaftsgeldes zurückbehalten darf, um damit eventuelle Ausgaben für seine Geschäftsreisen abzudecken, anstatt sich die tatsächlich angefallenen Kosten nachträglich von der Gesellschaft erstatten zu lassen.239 „Credit transactions“ sind Miete, ___________ 235
Listing Rules, 11.1.7, 11.1.8 („related party transactions“). Die gleichen Rechtsfolgen sieht Section 322A für den Fall vor, dass der Board ultra vires handelt, also die Grenzen seiner Geschäftsführungsbefugnis überschreitet, es sich beim Vertragspartner aber um einen der Direktoren handelt. Eine solche Transaktion ist entgegen Sections 35 und 35A ausnahmsweise anfechtbar. 237 Als „connected“ gelten gem. Section 346 CA 1985 vor allem der Ehegatte und die Kinder des Direktors, Gesellschaften, an denen der Direktor (ggf. zusammen mit seinen „Verbündeten“) mit mindestens 1/5 des Kapitals oder der Stimmrechte beteiligt ist sowie Treuhänder des Direktors . 238 Zu der sehr ausführlichen Definition s. Section 331(3). 239 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 408 f.; Eine solche Leistung auf der Basis „receive now, pay later“ kann aber z. B. aufgrund der Ausnahmevorschrift in Section 337 zulässig sein, wenn deren Anforderungen erfüllt worden sind. 236
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Mietkauf-Vereinbarungen, Ratenzahlungsverkäufe oder Verkäufe mit Stundung der Kaufpreisforderung, deren Gegenstand sowohl bewegliche Sachen als auch Immobilien sein können (Section 331(7)). Die Umgehung der Verbote wird durch Section 330(6)(7) verhindert, wonach Vereinbarungen mit Dritten und Zuwendungen an Dritte verboten sind, die diese zu einer Kreditgewährung an den Direktor veranlassen sollen. Untersagt werden daher auch gegenseitige Gefälligkeiten zwischen zwei companies derart, dass jede Gesellschaft den Direktoren der jeweils anderen ein Darlehen gewährt (back-to-back transactions). Gem. Section 330(1) gelten für die Verbote die Ausnahmen der Sections 332-338. Diese lassen sich kurz in einige Fallgruppen zusammenfassen und betreffen solche Vereinbarungen, die entweder von geringem Umfang,240 kurzfristig241 bzw. konzernintern242 sind, oder die im Laufe des gewöhnlichen Geschäfts anfallen und zu den üblichen Bedingungen abgeschlossen werden.243 Die meisten dieser Ausnahmen sind allerdings zusätzlich an das Erfordernis geknüpft, dass der Wert der Transaktion einen bestimmten Grenzwert, der zwischen £ 5.000 und £ 100.000 variiert, nicht übersteigt. Die vielleicht wichtigste Ausnahme ist indes Section 337, die alle Zuwendungen betrifft, die dienstlich bedingte Kosten des Direktors ersetzen sollen und – im Falle einer „relevant company“ – £ 20.000 nicht überschreiten. Diese sind jedoch nur zulässig, wenn sie zuvor von der Hauptversammlung gestattet wurden (Abs. 3a). Andernfalls sind die finanziellen Mittel innerhalb von sechs Monaten nach der Hauptversammlung zurückzuerstatten (Abs. 3b). Die zivilrechtlichen Folgen der Verstöße gegen die Sections 330 ff. sind in Section 341 geregelt und umfassen die Anfechtbarkeit und Rückabwicklung des Vertrages244 sowie die Haftung des Direktors für den Schaden der Gesellschaft und für den eigenen Gewinn. Hinzu kommen für relevant companies bei Kenntnis der Umstände strafrechtliche Sanktionen gem. Section 342. Alle Transaktionen unterliegen darüber hinaus den Offenlegungsregeln gem. Secti___________ 240
Section 334 (Darlehen von geringem Betrag). Gemeint sind Situationen, in denen das zu gewährende Darlehen zusammen mit allen anderen Darlehen, die die Gesellschaft oder ihre Tochtergesellschaften an den betreffenden Direktor ausgezahlt haben, die Grenze von £ 5.000 nicht überschreiten. Die Ausnahme gilt nicht für connected persons. 241 Section 332 (Kurzfristige quasi-Darlehen). 242 Section 333 (Konzerninterne Darlehen) läßt Darlehen der Company an eine andere Gesellschaft der Gruppe zu, wenn diese ansonsten nur daran scheitern würden, dass die Konzerngesellschaft als ein mit dem Direktor verbundenes Unternehmen angesehen werden müsste. Vgl. ferner Section 336 (Transaktionen zum Vorteil der Muttergesellschaft). 243 Section 335 (Klein- und Geschäftstransaktionen) und Section 338 (Darlehen und quasi-Darlehen durch Kreditinstitute). 244 s. dazu Re Ciro Citterio Menswear Plc. [2002] 1 BCLC 672.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
on 317(1)(6) und müssen zum Teil detailliert im Anhang zum Jahresabschluss aufgelistet werden (Section 232(1) CA 1985 i.V.m. Schedule 6, §§ 15(a) und 16(a)).245
d) Reform Im Bereich der Interessenkonflikte (Clause 159 Company Law Reform Bill) war das DTI bestrebt, mit seinen Reformplänen den jahrelangen Streit um die Freistellungsmöglichkeiten von der strengen no-conflict rule, insbesondere um die Reichweite von Section 317 CA 1985, beizulegen. Zu diesem Zweck führt der Company Law Reform Bill die Unterscheidung zwischen (geplanten) Transaktionen mit der Gesellschaft (Clause 161) und Transaktionen der Gesellschaft mit Dritten (Clauses 165-170) ein, wobei an die Publizitätsverstöße jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden. Clause 161 Company Law Reform Bill (Duty to declare interest in proposed transaction or arrangement) verpflichtet den Direktor, Natur und Umfang seines Interesses an einer (geplanten) Transaktion mit der Gesellschaft gegenüber den anderen Direktoren offenzulegen. Diese gesetzliche Offenlegungspflicht wird dadurch aufgewertet, dass jeder Verstoß hiergegen gem. Clause 162(1) Company Law Reform Bill unabhängig von der satzungsmäßigen Regelung eine Pflichtverletzung mit zivilrechtlichen Konsequenzen darstellt. Von der Publizität ausgenommen sind Interessen, die bei vernünftiger Betrachtung keine Wahrscheinlichkeit für einen Konflikt begründen. Eine weitere Ausnahme wird für den Direktor gelten, der nachweisen kann, dass sich die anderen Direktoren des Interessenkonflikts bewusst waren.246 Eine Pflichtverletzung scheidet schließlich aus, wenn die Interesse oder die Transaktion dem Direktor weder bekannt waren noch vernünftigerweise bekannt sein mussten. Bei Gesellschaften mit nur einem Direktor, bei denen die Gerichte Section 317 ad absurdum geführt und eine gedankliche Offenlegung gegenüber sich selbst zugelassen haben,247 entfällt das Erfordernis gänzlich.248 Clauses 165-170 Company Law Reform Bill regeln bereits existierende Abreden der Gesellschaft mit Dritten und treten an die Stelle der bisherigen Secti___________ 245
Der Berichtspflicht unterliegen darüber hinaus alle Gesellschaften in Bezug auf die Kreditgewährung an ihre Angestellten, die keine Direktoren sind; Section 232(1) CA 1985 i.V.m. Schedule 6, §§ 28-30. 246 Z. B. weil er sie schriftlich darauf aufmerksam gemacht hat; s. Final Report, 6.8; Completing the Structure, 4.11 ff. 247 Neptune (Vehicle Washing Equipment) Ltd v. Fitzgerald [1996] Ch 274 (282 ff., Lightman J). 248 Laut Company Law Reform Bill Explanatory Note 350 folgt dies schon aus dem Fehlen von „other directors“ als Adressaten der Offenlegung.
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on 317 CA 1985. Die Regelung wiederholt zunächst – zum Erstaunen des Kontinentaljuristen – weitgehend den Wortlaut der Clause 161. Besonders geregelt wird aber der Fall, dass die Gesellschaft nur einen Direktor hat, obwohl sie mehrere haben sollte, beispielsweise weil sie eine Public Company ist. Hier muss die Anzeige schriftlich zu erfolgen und zum Gegenstand der nächsten Board-Sitzung gemacht werden (Clause 169). Der wichtigste Unterschied zu Clause 161 besteht aber darin, dass hier als Rechtsfolge lediglich ein Bußgeld vorgesehen ist (Clause 166). Zivilrechtliche Wirkungen eines Verstoßes, insbesondere die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sind gerade nicht vorgesehen.249 Die richterrechtliche Regel, wonach der Direktor alle sonstigen Situationen meiden muss, die Interessenkonflikte entstehen lassen, findet sich als „Duty to avoid conflicts of interest“ in Clause 159(1) Company Law Reform Bill wieder. Dies ist insofern überraschend, als während des Reformprozesses beabsichtigt war, das Gebot ersatzlos wegfallen zu lassen, da es neben den neuen Transparenzvorschriften keinen Sinn mehr ergebe.250 Gemeint war, dass diese sog. noconflict rule im Voraus durch Satzung abbedungen werden könnte, während die Fälle, die der Gesetzgeber zwingend einer Sanktion unterwerfen wollte, ohnehin schon von den (verschärften) Offenlegungsvorschriften erfasst würden. Nunmehr wurde das Gebot nicht nur ohne Begründung beibehalten, sondern m.E. auch in eine in der Praxis kaum überwindbare Bürde umgewandelt: Aufgrund der Formulierung als echte Pflicht ist davon auszugehen, dass die bisher exzessiv praktizierte Abbedingung durch Satzung nicht mehr möglich sein wird. Sie fällt vielmehr eindeutig unter den Wortlaut der Section 309A CA 1985 n.F. (Section 310 a.F.), der solche abstrakten Haftungsfreistellungen verbietet.251 Als Ausgleich hierfür ist in einer private company jetzt gem. Clause 159(5)(a) eine spezifische Autorisierung im konkreten Einzelfall durch den Board252 ausreichend. Ein Board-Beschluss genügt auch in einer public company, wenn dem Gremium zuvor die entsprechende Befugnis durch Satzung erteilt worden ist, Clause 159(5)(b). Dabei dürfen die Stimmen der betroffenen Direktoren weder bei der Ermittlung des notwendigen Quorums noch des Abstimmungsergebnisses mitberücksichtigt werden, Clause 159(6). Die Alternative einer Board-Entscheidung wird in den Explanatory Notes als Erleichterung gegenüber dem geltenden Recht beschrieben.253 Dies ist nur so zu erklären, dass die „duty to avoid conflicts of interes“ jetzt zugleich auch die frühere Corporate-Opportunity Doktrin (no-profit rule) mitregelt, bei der bisher tatsächlich ___________ 249
Company Law Reform Bill Explanatory Note 363. Final Report, Annex C, Explanatory Notes, 23; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 401. 251 s. dazu ausführlich unten, 5. Kapitel, A. II. 2. 252 „Board“ im Sinne dieser Norm ist ein board of directors, der ohne Mitwirkung der befangenen Direktoren handelt; s. Final Report, Annex C, § 6 Anmerkung 1. 253 Company Law Reform Bill Explanatory Note 340. 250
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
nur ein Gesellschafterbeschluss haftungsbefreiende Wirkung hatte. Im Bereich der bloßen Interessenkonflikte unterhalb der Schwelle einer (geplanten) Transaktion folgt daraus jedoch, dass deren Existenz erstmals per se eine Pflichtverletzung darstellt, sofern sie nicht durch einen Board-Beschluss im Einzelfall beseitigt wird. Bei diesem Verständnis wäre es die gravierendste Änderung innerhalb der directors’ duties, die in letzter Minute ohne jeden Kommentar eingefügt worden ist. Zu beachten ist schließlich, dass es für bestimmte Geschäftsarten, bei denen das aus der Befangenheit des Direktors resultierende Risiko besonders groß ist, weiterhin bei strengeren, gesetzlichen Spezialregeln bleiben wird, die inhaltlich nur geringfügig geändert, aber insgesamt neu gefasst werden. Substantial property transactions werden in den Clauses 173-179 Company Law Reform Bill geregelt sein. Dabei wird u.a. die Schwelle für non-cash assets auf £ 5.000 angehoben (Clause 174). Ausgenommen sind Zahlungen aufgrund des Anstellungsvertrages sowie Abfindungszahlungen (Clause 173(6)). Die Behandlung von loans, quasi-loans und credit transactions wird durch die Clauses 180-194 Company Law Reform Bill erheblich geändert. Danach sind die Regeln auf alle – und nicht mehr nur auf public companies – anwendbar. An die Stelle des generellen Verbots tritt das Erfordernis der Gesellschafterzustimmung. Die Ahndung des Verstoßes als Straftat entfällt. Zahlreiche Wertgrenzen für geringfügige Zuwendungen werden angehoben.
5. Wettbewerbsverbot (no-competition rule) Ein besonderer Fall, in dem das persönliche Interesse des Direktors mit seinen Pflichten gegenüber der company kollidieren könnte, liegt ferner vor, wenn der Direktor unmittelbar oder als Gesellschafter einer anderen Firma einer Geschäftstätigkeit nachgeht, die mit der der company konkurriert. Man könnte deshalb erwarten, auch hier ein generelles, vorbeugendes Verbot vorzufinden. Nach dem bisherigen case law unterliegen die Direktoren aber gerade keinem Wettbewerbsverbot. Ein solches kann lediglich durch Satzung oder Anstellungsvertrag statuiert werden. Ein (konkludentes) vertragliches Wettbewerbsverbot wird sich deshalb oft in Anstellungsverträgen von managing directors oder vollzeitangestellten executives anfinden lassen, die ihre gesamte Arbeitskraft in den Dienst einer Gesellschaft stellen sollen.254
___________ 254
Scottish Co-operative Wholesale Society Ltd. v. Meyer [1959] AC 324 (367 f.); Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.17.1; Güthoff, Gesellschaftsrecht in GB, S. 43.
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Das maßgebliche Präjudiz ist London and Mashonaland Exploration Co. v. New Mashonaland Exploration Co.,255 welches dem Direktor einer Gesellschaft erlaubt, zugleich im Board eines Wettbewerbers zu sitzen. Zustimmung fand die Entscheidung später bei Lord Blanesburgh in Bell v. Lever Bros., der den Grundsatz auf die selbständige Konkurrenztätigkeit eines Direktors ausdehnte: „What he could do for a rival company, he could, of course, do for himself.“256
Das Ergebnis verwundert um so mehr, als es einem Treuhänder nach allgemeinen Regeln strikt verwehrt wäre, mit den Begünstigten ohne deren Zustimmung zu konkurrieren.257 Ferner stellt die Konkurrenztätigkeit ein Musterbeispiel für einen Interessenkonflikt dar, der bereits der strikten no-conflict rule unterfällt.258 Als Standard lassen Art. 78 und 85 Table A jedoch Nebentätigkeiten zu, solange deren Umfang vom betroffenen director dem Board gegenüber offengelegt wird. Dementsprechend sieht auch das verwandte Recht der partnerships in Section 30 Partnership Act 1890 ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot vor. Weitere Bedenken kommen schließlich bei Betrachtung arbeitsrechtlicher Beziehungen auf: aus der Redlichkeitspflicht (duty of fidelity), die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber schuldet, folgt, dass der Arbeitnehmer nicht einmal in seiner Freizeit für einen Konkurrenten arbeiten darf.259 Nach diesem Grundsatz müsste zumindest der executive director als Angestellter der company einem Wettbewerbsverbot unterliegen.260 Aber auch an die NEDs dürften keine geringeren Anforderungen gestellt werden, zumal ihre fiduziarische Pflichtenbindung erheblich umfangreicher ist als bei einem Arbeitnehmer.261 Die bisherige Rechtsprechung wird insbesondere dann auf die Probe gestellt, wenn eine Person zwei miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen lei___________ 255
[1891] WN 165 (Chitty J); kritisch Christie (1992) 55 MLR 506 ff.; s. auch E. Boros (1990) 11 Co Law 6. 256 [1932] AC 161 (195), HL. 257 Insofern ist es auch klar, dass Gesellschafter – auch in einer private company – keinem Wettbewerbsverbot unterliegen, da sie in keinem fiduziarischen Verhältnis zur Gesellschaft stehen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 414. 258 Christie (1992) 55 MLR 506 ff; insofern geht der Hinweis von Mahon J auf die no-profit rule in Berlei Hestia (NZ) Ltd v. Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (161) am Problem vorbei, da der ehrliche Direktor seine Doppelposition zwar nicht notwendigerweise zum eigenen Profit ausnutzen, sich aber eben in einem permanenten Konflikt zwischen zwei Gesellschaftsinteressen befinden wird. 259 Hivac Ltd v. Park Royal Scientific Instruments Ltd [1946] Ch 169, CA; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 415. 260 Scottish Co-op Wholesale Society Ltd v. Meyer [1959] AC 324 (367, Lord Denning), HL. 261 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 415.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ten soll (competing directorships).262 Spätestens hier dürfte es dem Direktor schwer fallen, seine Pflicht, in gutem Glauben im Interesse der company zu handeln, beiden Gesellschaften gegenüber einzuhalten.263 Zum Teil wird deshalb vorgeschlagen, ein generelles Wettbewerbsverbot (no-competition rule) einzuführen, von dem nur im Einzelfall mit Zustimmung der betroffenen Gesellschaften abgewichen werden kann. Executives, die üblicherweise als NEDs anderer Gesellschaften fungieren, würden dadurch lediglich daran gehindert, im Board eines Konkurrenten zu sitzen, was ohnehin kaum erwünscht sein dürfte.264 Dafür spricht vor allem, dass in dem maßgeblichen Fall London and Mashonaland Exploration Co. v. New Mashonaland Exploration Co.265 sowie in der neueren Entscheidung In Plus Group Ltd v. Pyke266 die beklagten Direktoren zwar eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt, jedoch bei der eigenen Company faktisch längst nicht mehr an der Geschäftsführung beteiligt waren. Daraus könnte man folgern, dass die Richter einem Wettbewerbsverbot grundsätzlich nicht abgeneigt sind, dessen Anwendung aber hier aufgrund der Umstände des Einzelfalles als unangemessen abgelehnt haben.267 Die Bestätigung einer solchen Entwicklung wird aber vorerst den Gerichten vorbehalten bleiben, da das DTI im Zuge seiner Reformpläne zwar die noconflict rule und die no-profit rule geregelt, jedoch bewusst von der Statuierung eines Wettbewerbsverbots abgesehen hat. Der Direktor sei bereits durch die ersten beiden Verbote erheblich in seiner Konkurrenztätigkeit eingeschränkt, da er den Interessenkonflikt bei jeder Transaktion offen legen und keine heimlichen Gewinne machen dürfe.268 Einen zusätzlichen Schutz bietet die neue Empfehlung des Combined Code, wonach Vollzeit beschäftigte executives nicht mehr als ein NED-Mandat sowie keinen Vorsitz in einer bedeutenden Gesellschaft übernehmen sollen. Ferner soll niemand chairman in mehr als einer bedeutenden Gesellschaft sein.269 ___________ 262
Scottish Co-op Wholesale Society Ltd v. Meyer [1959] AC 324 (366-368, Lord Denning); London and Mashonaland Exploration Co Ltd v. New Mashonaland Exploration Co Ltd [1891] WN 165 (Chitty J); Bell v. Lever Bros Ltd [1932] AC 161 (195), HL; Berlei Hestia (NZ) Ltd v. Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (160 f.); Dagegen Christie (1992) 55 MLR 506 ff. 263 Scottisch Co-operative Wholesale Society Ltd v. Meyer [1959] AC 324 (367, Lord Denning), HL; Gwembe Valley Development Co Ltd v. Koshy [1998] BCLC 613 (621, Harman J); Sealy [1967] CLJ 83 (97). 264 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 415 f. 265 [1891] WN 165. 266 [2002] 2 BCLC 201, CA. 267 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 415 f. 268 Completing the Structure, 3.25. 269 Combined Code 2003 A.4.3., A.4.5; Higgs Report, 12.19.
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6. Verbot der Ausnutzung von Vermögen, Geschäftschancen und Informationen der Gesellschaft (no-profit rule; corporate opportunity doctrine) Wie eben gezeigt, muss der Direktor Situationen meiden, in denen seine persönlichen Interessen mit seinen fiduziarischen Pflichten kollidieren. Eine wichtige Folge dieser no-conflict rule stellt der Grundsatz dar, dass es dem Direktor ebenso verwehrt ist, Vermögen, Geschäftschancen und Informationen270 der Gesellschaft (corporate property/assets, opportunities or information), also z. B. Geschäftsverbindungen, Kundenlisten, den Goodwill oder die Geschäftsgeheimnisse, zum Vorteil eines Konkurrenten oder zum eigenen Vorteil einzusetzen (no-profit rule; duty not to make a secret profit).271 Während die noconflict rule primär auf Geschäfte zugeschnitten ist, an denen die Gesellschaft als Partei beteiligt ist, soll die no-profit rule auch Transaktionen des Direktors mit Dritten umfassen, an denen die Gesellschaft zwar nicht beteiligt, aber im weiteren Sinne interessiert ist.272 Hier wird der Gefahr Rechnung getragen, dass der als Unternehmer fungierende Treuhänder seinen Informationsvorsprung gegenüber dem passiven Treugeber zum eigenen Vorteil missbraucht.273
a) Fallgruppen Im Einzelnen ist die Anwendung dieses Prinzips unproblematisch, sofern ein Missbrauch des Gesellschaftsvermögens (corporate property/assets) in Frage steht. In der Praxis müsste es für jeden Direktor am leichtesten erkennbar sein, dass er das Vermögen der Gesellschaft nicht wie sein eigenes verwenden darf, wenn auch Fälle der Vermögensvermischung in Ein-Mann-Gesellschaften immer noch häufig anzutreffen sind. Mehr Beachtung verdient hingegen der Missbrauch der Geschäftschancen (corporate opportunities) bzw. der Informationen der Gesellschaft (corporate ___________ 270
Einen bereits oben erläuterten Spezialfall der Ausnutzung von internen Informationen stellt der Insiderhandel (insider dealing) dar; s. 4. Kapitel, A. II. 4. c). 271 Keech v. Sandford (1726) Sel Cas Ch 61; Ex p James (1803) 8 Ves 337; Parker v. McKenna (1874) 10 Ch App 96; Boston Deep Sea Fishing and Ice Co v. Ansell (1888) 39 Ch D 339; Bray v. Ford [1896] AC 44 (51, Lord Herschell), HL; Cook v. Deeks [1916] 1 AC 554, PC; Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 A.C. 134; Boardman v. Phipps [1967] 2 A.C. 46; Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley [1972] 1 W.L.R. 443; Canadian Aero Service v. O’Malley [1974] 40 DLR (3d) 371; Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663; Austin in: Finn, Equity and Commercial Relationships, S. 141; Bean (1994) 15 Co Law 266; Hannigan, Company Law, S. 276; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 416; Prentice (1974) 37 MLR 464; Prentice (1979) 42 MLR 215;Lowry/Edmunds (1998) 61 MLR 515; Rajak (1972) 35 MLR 655. 272 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 554 ff. 273 Fleischer, DStR 1999, 1249 (1251).
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information) – zwei Fallgruppen, die sich nur schwer voneinander abgrenzen lassen. Die wichtigste Entscheidung, die auf beide Aspekte eingeht, ist Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver.274 Die Direktoren von Regal – einer company, der ein Kino gehörte – beschlossen, zwei weitere Kinos zu erwerben, um das ganze Unternehmen anschließend gewinnbringend verkaufen zu können. Zu diesem Zweck hat Regal ein Tochterunternehmen, die Hastings Amalgamated Cinemas Ltd. (im Folgenden: Amalgamated) gegründet, die die neuen Kinos pachten sollte. Während der Verhandlungen bestand der Verpächter jedoch darauf, dass die Direktoren für den Pachtzins persönlich bürgen, es sei denn, Amalgamated kann ein voll eingezahltes Mindestkapital von £ 5.000 vorweisen. Zu ersterem waren die Direktoren des Tochterunternehmens (die zugleich auch im Board der Regal Ltd. saßen) nicht bereit, während Regal nur Aktien i. H. v. £ 2.000 übernehmen konnte. Man wich also von dem ursprünglichen Plan ab, nach dem Regal alle Anteile an Amalgamated halten sollte, und einigte sich darauf, dass Regal Aktien im Wert von £ 2.000 zeichnet und die verbleibenden Anteile im Wert von £ 3.000 von den Direktoren selbst und ihren Freunden übernommen werden. Nach Vollzug der Transaktion wurde dann nicht das gesamte Unternehmen veräußert, sondern nur die Anteile der beiden Gesellschaften, wobei auf jede Aktie von Amalgamated ein Gewinn i. H. v. £ 2 16s. 1d. entfiel. Die neuen Eigentümer von Regal veranlassten die Gesellschaft anschließend dazu, gegen die früheren Direktoren und den Anwalt der Gesellschaft auf Herausgabe des erlangten Gewinns zu klagen. Regal’s Klage war gegen die meisten der Direktoren in letzter Instanz erfolgreich. Nur der chairman (Gulliver) und der Anwalt (Garton) wurden von der Haftung ausgenommen. Ersterer hatte selbst keine Aktien der Tochter übernommen, sondern lediglich Zeichner für Aktien i. H. v. £ 500 geworben. Dabei handelte es sich um zwei Gesellschaften, deren Mitglied und Direktor Gulliver war, sowie um einen Freund Gullivers. Alle drei hielten die Aktien nach Überzeugung des Gerichts jedoch für eigene Rechnung, sodass deren Gewinne nicht dem chairman zugerechnet werden konnten. Der Anwalt hingegen hatte zwar persönlich profitiert, allerdings mit Wissen und Zustimmung der Gesellschaft, die in diesem besonderen Fall durch den Board of Directors vertreten werden konnte. Im Falle eines Direktors hätte indes nur ein Beschluss der Hauptversammlung entlastende Wirkung gehabt. Das Ergebnis wurde deshalb z.T. mit der Begründung kritisiert, gerade die Hauptverantwortlichen wären nicht zur Haftung herangezogen worden. Die Gewinnherausgabe durch die übrigen Direktoren hätte den neuen Eigentümern von Regal ferner einen unverdienten windfall profit beschert und somit i.E. den fair ausgehandelten Kaufpreis für die Aktien nachträglich gemindert.275 Die Entscheidungsgründe zeigen insbesondere, mit welcher Strenge die no-profit rule angewendet wird. Nach Feststellungen des Gerichts haben die Direktoren in absolut gutem Glauben gehandelt und waren von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns derart überzeugt, dass sie nicht für einen Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung gesorgt haben, den sie als Mehrheitsgesellschafter zweifelsfrei hätten herbeiführen können.276 Die Richter befanden zudem, dass hier keine Vermögensgegenstände der Gesellschaft
___________ 274 [1967] 2 AC 134, HL; Der Fall wurde bereits während des 2. Weltkrieges entschieden und zum ersten Mal in [1942] 1 All ER 378 veröffentlicht. 275 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 417 f.; Jones (1968) 84 LQR 472 (496); s.auch Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (157, Lord Porter). 276 [1967] 2 AC 134 (143 ff., 150, 153).
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ausgenutzt wurden – da die relevanten Informationen nicht als Gesellschaftseigentum anzusehen seien – womit auch kein Fall der corporate asset-Haftung gegeben war. Problematisch war allein die Frage, ob die Direktoren die Gesellschaft einer Geschäftschance bzw. Information beraubt haben. Dies wurde in der ersten Instanz sowie von allen Richtern des Court of Appeal verneint: Nicht nur, dass die fraglichen Anteile von Amalgamated im Wert von £ 3.000 Regal nie gehört haben; Regal hätte diese nicht einmal erwerben können, sodass die Gewinnchance für die company selbst zu keinem Zeitpunkt realisierbar gewesen wäre.277 Das House of Lords hielt diesen Umstand jedoch – wenn auch nicht einstimmig – für unerheblich. Es folgte damit den Präjudizien des Treuhandrechts278 und stellte nur zwei Haftungsvoraussetzungen auf: • Die fragliche Handlung des Direktors muss eine derart enge Verbindung zu den Angelegenheiten der Gesellschaft aufweisen, dass man sagen kann, er hätte im Zuge der Geschäftsführung und unter Ausnutzung der Geschäftschancen und des Spezialwissens gehandelt, die ihm als Direktor zustanden. • Die Handlung muss zudem einen persönlichen Gewinn des Direktors zur Folge haben.279
Die Direktoren sollen folglich keinesfalls heimliche Gewinne aus dem Treuhandvermögen ziehen können. Das strenge Prinzip findet unabhängig davon Anwendung, ob die Angelegenheit dem Direktor als Privatperson angetragen wurde,280 ob die Gesellschaft einen tatsächlichen Schaden erlitten hat und ob sie selbst die Geschäftschance wahrgenommen hätte oder überhaupt hätte wahrnehmen können. Vom Vertretenen den Nachweis eines Schadens zu verlangen, würde nach Ansicht von James LJ eine Gefahr für die Menschheit bedeuten, da fortan jeder Vertreter die Macht bekäme, aufgrund seiner eigenwilligen Handlungen entsprechende Nachforschungen bei seinem Geschäftsherren zu provozieren.281 Die Unerheblichkeit des Willens bzw. der Möglichkeiten der Gesellschaft überzeugt insofern, als gerade die Direktoren darüber entscheiden müssen, ob die Gesellschaft eine solche Gewinnaussicht verfolgen soll oder nicht. Ließe man zu, dass sie von einem ausgeschlagenen Geschäft persönlich profitieren können, wäre eine unparteiische Entscheidung im Interesse der Gesellschaft nur schwer denkbar.282 So hätten die Direktoren in dem Fall Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver das fehlende Kapital durchaus auf anderem Wege beschaffen können, beispielsweise durch die Aufnahme eines Darlehens oder durch das Angebot an alle Gesellschafter der Muttergesellschaft, die Anteile der Tochter zu zeichnen.283 Neben dieser präventiven Wirkung werden als ___________ 277
[1967] 2 AC 134 (137, 149). s. Keech v. Sandford (1726) Sel.Cas. Ch 61(62, Lord King LC)= 25 ER 223. 279 [1967] 2 AC 134 (153, Lord MacMilan). 280 Lowry/Edmunds [2000] JBL 122 (134). 281 Parker v. McKenna (1874) 10 Ch App 96 (124 f.); zitiert von Roskill J in Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley [1972] 1 WLR 443 (452). 282 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 418; kritisch aber Lowry (1994) 45 NILQ 1. 283 [1967] 2 AC 134 (145, Lord Russell of Killowen). 278
286
4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Rechtfertigung für die Strenge des Verbots auch ungerechtfertigte Bereicherung, ökonomische Effizienz und Beweisprobleme angeführt.284 Speziell auf den Missbrauch von Informationen der Gesellschaft wurde das Urteil in Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley285 gestützt: In diesem Fall hat sich die Klägerin – als Projektmanagerin für die Bauwirtschaft – um einen lukrativen Auftrag des Eastern Gas Board bemüht, der jedoch zu diesem Zeitpunkt auf die Ausführung des geplanten Projekts verzichtet hatte. Ein Jahr später hat der Auftraggeber sein Vorhaben wieder aufgenommen, ohne jedoch den Auftrag an Industrial Development Consultants Ltd vergeben zu wollen. Er war vielmehr an den Fachkenntnissen von Mr. Cooley, dem managing director der Gesellschaft, interessiert, dem er auch die Mitarbeit an dem Projekt angeboten hat. Während der Verhandlungen erlangte der Direktor Wissen und Informationen, die seine Gesellschaft ebenfalls gerne gehabt hätte, die er ihr jedoch vorenthalten hat. Kurz darauf spiegelte der Direktor gesundheitliche Probleme vor, legte sein Amt nieder und beteiligte sich einen Tag später an dem Projekt. Er wurde vom Gericht zur Herausgabe des dabei erlangten Gewinns verurteilt. Der Hauptvorwurf des Gerichts war, dass der managing director von der Ausführung des Projekts und von dessen Einzelheiten informiert wurde, dieses Wissen absichtlich vor der company verheimlicht und schließlich zum eigenen Vorteil eingesetzt hat. Somit diente diese sog. „duty to inform“ hier dazu, das spezifische Interesse (specific interest) der Gesellschaft an dem vom Direktor ausgeführten Geschäft zu begründen und dieses in den Anwendungsbereich der no-profit rule zu bringen.286 Von der Argumentation mit dem Verlust einer Geschäftschance wurde Abstand genommen, da die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Gesellschaft selbst den Auftrag erhalten hätte, weniger als 10 % betrug.287 Unerheblich war ferner, dass sich das Angebot an den Direktor als Privatperson, und nicht in seiner Eigenschaft als Direktor richtete: er konnte nur an dem Projekt beteiligt werden, wenn er sein Amt niedergelegte.288 „The remarkable position then arises that … the plaintiffs … will receive a benefit which … it is unlikely they would have got for themselves had the defendant complied with his duty to them. On the other hand, if the defendant is not required to account he will have made a large profit, as a result of having deliberately put himself into a position in which his duty to the plaintiffs who were employing him and his personal interest conflicted.“289
Ein Ausnutzen von Geschäftschancen der Gesellschaft wurde in dem ähnlich gelagerten Fall Canadian Aero Service Ltd v. O’Malley290 angenommen: ___________ 284
Christie (1992) 55 MLR 506 ff. [1972] 1 WLR 443 (Roskill J). 286 s. auch DPC Estates Pty Ltd v. Grey and Consul Development Pty Ltd [1974] 1 NSWLR 443 (465, Hutley JA); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 557 f. 287 [1972] 1 WLR 443 (454). 288 [1972] 1 WLR 443 (453). 289 [1972] 1 WLR 443 (453). 290 (1974) 40 DLR (3d) 371 (Laskin J), Can. SC.; Anm. Prentice (1974) 37 MLR 464; Vgl. auch schon den Fall Cook v. Deeks [1916] 1 AC 554 (559 f.; 564), PC, in dem es ebenfalls um die Ausführung eines Auftrages durch die Direktoren persönlich – nach 285
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Der hier zugrundeliegende Sachverhalt entspricht weitestgehend dem von Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley mit dem Unterschied, dass sich die Direktoren hier nach Ausscheiden aus dem Amt nicht direkt an dem gewinnbringenden Projekt beteiligt haben. Es wurde vielmehr eine neue Gesellschaft gegründet, die mit der Firma des Auftraggebers ein Konsortium zum Zwecke der Ausführung des Vorhabens bildete. In seinem Urteil stellte Laskin J fest: „An examination of the case-law … shows the pervasiveness of a strict ethic in this area of the law. In my opinion this ethic disqualifies a director or senior officer from usurping for himself or diverting to another person or company with whom or with which he is associated a maturing business opportunity which his company is actively pursuing; he is also precluded from so acting even after his resignation where the resignation may fairly be said to have been prompted or influenced by a wish to acquire for himself the opportunity sought by the company, or where it was his position with the company rather than a fresh initiative that led him to the opportunity which he later acquired.“291 Bemerkenswert ist auch, dass zwei der beklagten Direktoren aufgrund von formellen Fehlern nie wirksam in den Board der Gesellschaft bestellt worden waren. Der kanadische Supreme Court wandte die fiduziarischen Pflichten aber gleichwohl an, da er diese jedenfalls für das gesamte „top-management“ der Gesellschaft als bindend ansah.
Aus der Urteilsbegründung ist aber auch die persönliche Ansicht des Richters herauszulesen, der einen flexibleren Ansatz bevorzugt hätte, basierend auf den Prinzipien der Loyalität, des guten Glaubens sowie der Vermeidung von Interessenkonflikten. Faktoren wie die Position des Direktors, die Natur und Reife der Geschäftschance, der Grad des Wissens des Direktors sowie die Umstände der Kenntniserlangung, müssten dabei in die Abwägung mit einbezogen werden.292 Für einen subjektiven Test wird z.T. auch in der Literatur plädiert, wonach die Haftung nur eintreten solle, wenn der Direktor entweder nicht in gutem Glauben gehandelt hat oder ungerechtfertigt bereichert ist.293 Die Rechtsprechung hält bisher jedoch an der strengen, prophylaktischen Anwendung des Verbots fest, um auch die bloße Möglichkeit eines Interessenkonflikts zu verhindern. Dies kann sogar dazu führen, dass der Treuhänder haftbar gemacht wird, obwohl er in gutem Glauben erhebliche Vorteile für das Treuhandvermögen erwirtschaftet hat, wie es in dem folgenden Fall geschehen ist:
___________ Gründung einer neuen Gesellschaft – ging, obwohl der Auftrag der Gesellschaft gebührt hätte. 291 (1974) 40 DLR (3d) 371 (382). 292 (1974) 40 DLR (3d) 371 (390 f.); zustimmend: Island Export Finance Ltd v. Umunna [1986] BCLC 460 (481, Hutchison J); Hannigan, Company Law, S. 281. 293 Jones (1968) 84 LQR 472; ähnlich Lowry/Edmunds [2000] JBL 122; dagegen aber Beck in: Ziegel, Studies in Canadian Company Law, Vol. II, S. 193 (231 f.).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
In Boardman v. Phipps294 befasste sich das House of Lords mit einem Begünstigten (Phipps) und mit dem Rechtsanwalt (Boardman) eines treuhänderisch verwalteten Nachlasses, dessen wichtigster Vermögenswert eine Minderheitsbeteiligung an einer private company war – im Zeitpunkt des Erbfalles eine wenig rentable Investition. Beide handelten als Vertreter der Treuhänder im Hinblick auf die company. Als beste Lösung sahen die Beklagten den Erwerb einer mehrheitlichen Kontrolle an der Gesellschaft an, wovon sie auch die beiden aktiven Treuhänder informierten. Diese hatten jedoch weder die rechtlichen noch die wirtschaftlichen Möglichkeiten, um die Aktien für das Treuhandvermögen zu erwerben, sodass sie einem Erwerb durch Boardman und Phipps persönlich zustimmten. Auch die Begünstigten wurden über die Verhandlungen informiert und erhoben keine Einwände. Die Beklagten waren sehr erfolgreich und erwarben die Aktien zum Preis von £ 4 10s. pro Stück und damit unter dem tatsächlichen Wert des Gesellschaftsvermögens. Anschließend konnte die Gesellschaft das Kapital für £ 5 17s. 6d. pro Aktie streuen, wonach die Aktien immer noch mehr als £ 2 wert waren. Für das Treuhandvermögen mit 8.000 Aktien resultierte daraus ein beachtlicher Gewinn, während die Beklagten mit ca. 22.000 Aktien über £ 75.000 verdient haben. Einer der Begünstigten, John Anthony Phipps (Bruder von Tom Phipps) beanstandete aber, dass er während der Übernahmeverhandlungen zwar befragt, jedoch nicht vollständig über alle Einzelheiten des Vorgehens informiert wurde. Er verlangte von den Beklagten die Herausgabe ihrer Gewinne. Das Gericht folgte dem Grundsatz aus Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver und sprach dem Kläger einen Anteil an dem Gewinn der Beklagten zu, der seinem Anteil an dem Treuhandvermögen (8/15s.) entsprach. Als Vertreter der Treuhand während der Verhandlungen mit der company nahmen die Beklagten nach Ansicht der Richter eine fiduziarische Stellung ein. In dieser Position erlangten sie dann die Informationen, die ihnen den Erwerb der Aktien ermöglichten. Keine Bedeutung wurde der Tatsache beigemessen, dass das Verhalten der Beklagten redlich und für die Treuhand höchst gewinnbringend war. Die Haftung wurde vielmehr dadurch begründet, dass eine – wenn auch theoretische – Möglichkeit eines Konflikts von persönlichem Interesse und fiduziarischer Pflicht bestanden hatte.295 Lord Guest ging sogar weiter und stufte die Informationen als Treuhandeigentum ein, das die Beklagten zum eigenen Vorteil eingesetzt haben.296 Die Minderheitsvoten von Viscount Dilhorne und Lord Upjohn zeigen jedoch deutlich, dass eine derart strikte Anwendung des Prinzips im Ergebnis nicht unangreifbar ist. Auch die bloße „Möglichkeit eines Interessenkonflikts“ bedeute, dass: „… the reasonable man looking at the relevant facts and circumstances of the particular case would think that there was a real sensible possibility of conflict; not that you could imagine some situation arising which might, in some conceivable possibility in events not contemplated as real sensible possibilities by any reasonable person, result in a conflict.“297
___________ 294
[1967] 2 AC 46, HL. [1967] 2 AC 46 (103, Lord Cohen). 296 [1967] 2 AC 46 (115). 297 [1967] 2 AC 46 (124, Lord Upjohn); Zustimmend auch Jones (1968) 84 LQR 472 (481 ff.). 295
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b) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen kann Wie die Entscheidung Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver298 zeigt, gilt das strenge Verbot der persönlichen Bereicherung unabhängig vom guten Glauben des Direktors bzw. vom Schaden der Gesellschaft. Die ganze Absolutheit und Inflexibilität des Prinzips wird aber erst deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Urteil und die ihm folgende Rechtsprechung keine Rücksicht darauf nehmen, dass die Gewinnchance für die company selbst zu keinem Zeitpunkt realisierbar gewesen wäre: „The rule of equity which insists on those, who by use of a fiduciary position make a profit, being liable to account for that profit, in no way depends on fraud, or absence of bona fides; or upon such questions or considerations as whether the profit would or should otherwise have gone to the plaintiff, or whether the profiteer was under a duty to obtain the source of the profit for the plaintiff, or whether he took a risk or acted as he did for the benefit of the plaintiff, or whether the plaintiff has in fact been damaged or benefited by his action. The liability arises from the mere fact of a profit having, in the stated circumstances, been made.“299
Der Hintergedanke bei dieser weiten Auslegung des Verbots ist die Tatsache, dass es gerade der Board ist, der zu beurteilen hat, ob die Gesellschaft die Geschäftschance selbst verfolgen kann. Sollten hierzu beispielsweise die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, so wäre es Aufgabe der Direktoren, sich bei entsprechender Attraktivität des Geschäfts aktiv und intensiv um die Beschaffung der Mittel zu bemühen. Genau diese dürfte ihnen aber schwer fallen, wenn man ihnen in Aussicht stellt, dass sie von einer nicht realisierten Geschäftschance selbst profitieren könnten. Die notwendige Motivation im Sinne des Gesellschaftsinteresses kann also nur ein absolutes Verbot sicherstellen.300 So haben die Direktoren von Regal in einer Board-Sitzung entschieden, dass sich die Gesellschaft nur die Übernahme von Aktien der Tochtergesellschaft im Wert von £ 2.000 leisten könne, die übrigen Aktien im Wert von £ 3.000 also von ihnen persönlich gezeichnet werden müssten. Ebenso gut hätte Regal jedoch an ihre Aktionäre einschließlich der Direktoren neue Aktien ausgeben und
___________ 298
[1967] 2 AC 134 (137, 149), HL; s. o., 4. Kapitel, A. II. 6. a). [1967] 2 AC 134 (144 f., Lord Russell of Killowen); zustimmend Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (143); Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.15.2; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 592; Rajak (1972) 35 MLR 655 (656 f.). 300 Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (154, Lord Wright), HL; Mit dieser Tendenz in letzter Zeit auch Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663 und Attorney-General for Hong Kong v. Reid [1994] 1 AC 324, PC; Hannigan, Company Law, S. 287 ff.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 418; Prentice (1967) 30 MLR 450 (454); Prentice (1979) 42 MLR 215 (217). 299
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sich so das fehlende Kapital beschaffen können. Die anschließende Übernahme aller Aktien der Tochtergesellschaft wäre dann absolut legal gewesen.301
c) Aktuelle und potentielle Geschäftschancen Zu klären ist schließlich, ab wann eine Geschäftschance derart der company zugeordnet werden kann, dass von einer corporate opportunity gesprochen werden muss, deren unautorisierte Ausnutzung durch den Direktor eine Pflichtverletzung darstellen würde. Die Rechtsprechung hatte bisher keine Gelegenheit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, da es sowohl in Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley als auch in Canadian Aero Service v. O’Malley um Gewinnchancen ging, die die Gesellschaft bereits aktiv verfolgte („a maturing business opportunity which his company is actively pursuing“, sog. „expectancy test“302). Die Literatur befürwortet hier – dem Beispiel USamerikanischer Gerichte folgend – eine Ausdehnung der Definition auf alle Geschäftschancen, die in den Bereich aktueller oder potentieller geschäftlicher Aktivitäten der Gesellschaft fallen, auch wenn die konkrete Geschäftschance von der Gesellschaft noch nicht als eine identifiziert worden ist, die diese selbst verfolgen will.303 Dieser sog. „line of business“-Test trägt dem Umstand Rechnung, dass der Direktor für die Förderung der Gesellschaftsinteressen in allen Bereichen verantwortlich ist, die vom Management als Ziele der Geschäftspolitik festgelegt worden sind, ohne jedoch dem Direktor alle Gewinnaussichten vorzuenthalten, von denen er Kenntnis erlangt. Die Anwendbarkeit dieses Tests bereitet aber Schwierigkeiten, wenn eine Person mehrere Board-Mandate innehat. Hier müsste die Verfolgung der Geschäftschance durch ihren Direktor von all den Gesellschaften genehmigt werden, deren Geschäftsbereich (line of business) betroffen ist. Dabei wäre es denkbar, den Direktor zunächst die Gesellschaft informieren zu lassen, in der er das Amt eines executive ausübt. Nur
___________ 301
Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 555. Canadian Aero Service v. O’Malley [1974] 40 DLR (3d) 371 (382, Laskin J); Prentice (1974) 37 MLR 464 (466); Prentice (1979) 42 MLR 215 (216); Die Beschränkung der Doktrin auf aktiv verfolgte Geschäftschancen befürwortete hingegen ausdrücklich Island Export Finance Ltd v. Umunna [1986] BCLC 460 (482). 303 Note (1960-61) 74 Harvard LR 765 (768): „closely associated with the existing and prospective activities of the corporation“; Rosenblum v. Judson Engineering Corp., 109 A. 2d 558 (563), (1954); „Opportunities which fall within the company’s existing or prospective business activities, even though the company has not identified the particular opportunity in question as one it wished to take up.“; S. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 422; Prentice (1974) 37 MLR 464 (467 f.); vgl. auch DPC Estates Pty Ltd v. Grey and Consul Development Pty Ltd [1974] 1 NSWLR 443 (465, Hutley JA). 302
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wenn diese die Geschäftschance ausschlägt, könnte der Direktor der company, in der er als non-executive tätig ist, die Wahlmöglichkeit eröffnen.304 An die Grenzen ihrer Anwendbarkeit stößt die Corporate-OpportunityDoktrin allerdings dann, wenn ein ehemaliger Direktor im weitesten Sinne auf dem Markt „seiner“ Gesellschaft tätig werden möchte. Hier kommt nämlich das rechtpolitische Ziel der Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen ins Spiel: der Geschäftsleiter wird während seiner Tätigkeit zahlreiche generelle Informationen und Erfahrungen hinsichtlich des Marktumfelds gesammelt haben, in dem das Unternehmen aktiv war. Im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs kann von ihm nicht verlangt werden, dass er diese nie wieder zum eigenen Vorteil oder zugunsten eines neuen Arbeitgebers verwendet. Von diesem allgemeinen Wissens- und Erfahrungsschatz zu unterscheiden sind aber konkrete, spezifische Informationen über bestimmte Geschäfte, die der Direktor im Rahmen seiner Amtstätigkeit erlangt, insbesondere wenn ihn diese geradezu zum Ausscheiden aus der Gesellschaft um des eigenen Profits willens motivieren.305 Die Abgrenzungskriterien wurden in zwei neueren Urteilen präzisiert: In CMS Dolphin Ltd. v. Simonet306 gründeten Ball und Simonet eine Werbeagentur, bei der Simonet die Geschäftsführung übernahm. Später trat er jedoch infolge interner Konflikte zurück und gründete eine Konkurrenzfirma, zu der neben allen Angestellten auch die wichtigsten Kunden wechselten. Das Gericht sah die Grenze des allgemeinen Wissensstocks als überschritten an und behandelte die Informationen des Direktors über die laufenden Verträge und die Geschäftsstrategien der Kunden wie Eigentum der Gesellschaft. Anders fiel das Urteil in dem Fall Dranez Anstalt v. Hayek307 aus: Hayek erfand einen medizinischen Ventilator, ließ sich diesen patentieren und Vertrieb die Geräte über eine mit seinen Brüdern gegründete Gesellschaft. Nach einem Zerwürfnis verließ er die Firma und entwickelte einen neuen, patentierten Ventilator, dessen angekündigte Markteinführung das Geschäft der Erstfirma zerstörte. Nach Ansicht des Gerichts habe Hayek lediglich von seiner Erfahrung und dem allgemeinen Wissen gebrauch gemacht, das jeder Arbeitnehmer und Geschäftsführer bei seinem Ausscheiden mitnehmen dürfe. Ein als Eigentum der Gesellschaft zu qualifizierendes Geschäftsgeheimnis habe er nicht ausgenutzt.
___________ 304
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 422. Canadian Aero Service Ltd v. O’Malley (1974) 40 DLR (3d) 371 (382, Laskin J); Island Export Finance Ltd v. Umunna [1986] BCLC 460 (482, Hutchison J); Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (145); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 558 f. 306 [2001] 2 BCLC 704. 307 [2002] 1 BCLC 693 (707). 305
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d) Freistellung im Einzelfall: Geschäftschancen, die von der Gesellschaft ausgeschlagen wurden Als Nächstes stellt sich die Frage, ob die Corporate-Opportunity-Doktrin auch dann Anwendung findet, wenn die Gesellschaft die fragliche Geschäftschance untersucht und verworfen hat. In Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver ließ Lord Russell offen, ob „… if directors bona fide decide not to invest their company’s funds in some proposed investment, a director who thereafter embarks his own money therein is accountable for any profits which he may derive therefrom.“308
Die Haftung entfällt jedenfalls dann, wenn die Direktoren mit Ermächtigung der Gesellschaft gehandelt haben. Diese erfordert aber nicht nur die Feststellung, dass die Gesellschaft selbst von der Information bzw. Geschäftschance keinen Gebrauch machen will, sondern auch die ausdrückliche Erlaubnis an den Direktor, dies an Stelle der Gesellschaft zu tun. Die Ermächtigung darf zudem nur durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder aller stimmberechtigter Gesellschafter erfolgen.309 Der Board selbst kann ein solches Handeln seiner eigenen Mitglieder nicht legalisieren.310 Seine Zustimmung kann aber gleichwohl Angestellte der Gesellschaft, die nicht zugleich Direktoren sind, von der Haftung freistellen.311 Anders verhält es sich aber, wenn nicht alle, sondern nur einzelne Direktoren von der Geschäftschance profitieren möchten. Der Australian High Court ließ hier eine Autorisierung durch den Board genügen: In Queensland Mines Ltd v. Hudson312 hat der Board bei vollständiger Tatsachenkenntnis das Interesse der company an einem Projekt verneint und dem managing director (Hudson) ausdrücklich erlaubt, daran auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko teilzunehmen. Obwohl sich das Geschäft im Ergebnis als sehr profitabel erwies, hat der Privy Council eine Haftung des Direktors für den Gewinn abgelehnt. Das Gericht hat weder verlangt, dass die Ermächtigung durch Hauptversammlungsbeschluss erfolgt,
___________ 308 [1967] 2 AC 134 (152, Lord Russell, der Greene MR vom Court of Appeal zitierte); Für eine konsequente Anwendung der no-profit rule aber Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley [1972] 1 WLR 443; Consul Development Pty Ltd v. DPC Estates Pty Ltd (1975) 132 CLR 373 (395, Gibbs J). 309 Prentice (1967) 30 MLR 450 (454 f.); Ein solcher Beschluss unterliegt jedoch den allgemeinen Regeln für Entlastungsbeschlüsse; s. u. 5. Kapitel, A. III. 310 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 418, 420 f. 311 New Zealand Netherlands Society ,Oranje‘ Incorporated v. Kuys [1973] 1 WLR 1126, PC (secretary der Gesellschaft). 312 (1978) 52 ALJR 399, PC; zustimmend Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 592; kritisch G.R. Sullivan (1979) 42 MLR 711; Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (147); Ähnlich schon der Supreme Court of Canada in PescoSilver Mines Ltd v. Cropper (1966) 58 DLR (2d) 1; dazu kritisch Prentice (1967) 30 MLR 450; s. auch Joint Receivers and Managers of Niltan Carson Ltd v. Hawthorne [1988] BCLC 298.
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noch dass der zustimmende Board völlig unabhängig ist, d.h. ohne jegliche Mitwirkung Hudsons tagt.313 Im konkreten Fall erschien dies aber als überflüssig, da die einzigen Aktionäre zwei Gesellschaften waren, die durch ihre Vertreter im Board zu jedem Zeitpunkt über die Chancen und Risiken des Vorhabens gut informiert waren und ein BoardBeschluss de facto einem Gesellschafterbeschluss glich.314 Anders als in den bisher dargestellten Fällen (Regal Ltd v. Gulliver, Industrial Development Consultants Ltd v. Cooley, Canadian Aero Service v. O’Malley und Boardman v. Phipps) lag hier zudem eine formell einwandfreie und in gutem Glauben getroffene Entscheidung vor, dass die Gesellschaft im eigenen Interesse von der Wahrnehmung der Geschäftschance absehen sollte. Sonst haben die beklagten Direktoren lediglich vor Gericht behauptet, dass die Gesellschaft selbst hierzu nicht imstande gewesen wäre. Das Gericht stellte jedoch grundsätzlich klar, dass es in sonstigen Fällen darauf ankommen wird, ob der Board ausdrücklich eine persönliche Bereicherung eines der Direktoren autorisiert hat (unzulässig), oder lediglich festgestellt hat, dass das konkrete Geschäft außerhalb des Geschäftsfeldes der Gesellschaft liegt und daher nicht verfolgt werden sollte (zulässige strategische Entscheidung). Im letzteren Fall würde die Geschäftschance ab dem Zeitpunkt der Entscheidung gar nicht mehr in den Anwendungsbereich der Loyalitätspflicht fallen.315
Im Falle einer Ermächtigung durch den Board wird die Schwierigkeit allerdings darin bestehen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Geschäftschance in gutem Glauben und im Interesse der company ausgeschlagen wurde und nicht als Gefälligkeit gegenüber dem Kollegen, zumal wenn dieser eine dominante Persönlichkeit im Board war.316 Anlass zur Kritik gibt ferner die Tatsache, dass die Entscheidung darüber, ob die Gesellschaft finanziell in der Lage ist, die Geschäftschance zu verfolgen, denselben Personen überlassen werden soll, die im Falle einer Ablehnung selbst von dem Geschäft profitieren werden. So werden sich die Direktoren kaum voll für die Beschaffung der fehlenden Mittel und die Erlangung der Geschäftschance für die Gesellschaft einsetzen. Abhilfe könne insofern nur ein absolutes Verbot schaffen.317 Beachtenswert ist auch der Vorschlag, das absolute Verbot nur auf public companies anzuwenden, wo der Aktienbesitz gestreut ist und das Management bereits eine ___________ 313
Dies wurde von G.R. Sullivan in (1979) 42 MLR 711 kritisiert. Vgl. auch Attorney-General for the Dominion of Canada v. Standard Trust Co of New York [1911] AC 498 und Re Express Engineering Works Ltd [1920] 1 Ch 466, wo die Ermächtigung durch einen Board-Beschluss generell als ausreichend angesehen wird, wenn die Direktoren mit den Gesellschaftern identisch sind. 315 s. auch Furs Ltd v. Tomkies (1936) 54 CLR 583 (590, Latham CJ); Pesco-Silver Mines Ltd v. Cropper (1966) 58 DLR (2d) 1 (Beschluss bezog sich nicht auf den Gewinn der Direktoren); Cook v. Deeks [1916] 1 AC 554 (565, Buckmaster LC): „a matter of policy“. 316 G.R. Sullivan in (1979) 42 MLR 711 (712 f.); Bishop/Prentice (1983) 46 MLR 289 (303). 317 Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (154, Lord Wright), HL; Mit dieser Tendenz in letzter Zeit auch Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663 und Attorney-General for Hong Kong v. Reid [1994] 1 AC 324, PC; Hannigan, Company Law, S. 287 ff.; Prentice (1967) 30 MLR 450 (454). 314
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angemessene Vergütung erhält.318 Kleine private companies sollen den Konflikt demgegenüber auf vertraglicher Basis lösen dürfen, da der Umgang zwischen den Beteiligten hier persönlicher und formalisierte Vergütungssysteme für die Geschäftsleitung längst nicht üblich seien. Sollte sich ein Direktor im Einklang mit den o.g. Präjudizien auf einen entlastenden Board-Beschluss berufen wollen, so wäre ihm jedenfalls anzuraten, sein Interesse in der Sitzung vollständig offen zu legen und der anschließenden Beratung und Abstimmung fernzubleiben. Andernfalls ist er nur mit einem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung bzw. aller stimmberechtigten Gesellschafter auf der sicheren Seite, vorausgesetzt, dass dem Gremium alle relevanten Tatsachen bekannt gewesen waren.
e) Generelle Freistellung durch Satzung Nach überwiegender Ansicht kann die no-profit rule – anders als die noconflict rule – wegen Section 309A CA 1985 nicht durch Satzung ausgeschlossen werden.319 Aber auch die Gegenansicht stellt im Einklang mit Art. 85(c) Table A die Mindestvoraussetzung auf, dass der Direktor trotz eines generellen Ausschlusses im Einzelfall den Inhalt und die Natur seines Interesses vollständig offen legt, wozu ihm in der Praxis der Wille bzw. schon die Möglichkeit fehlen dürften.320 Freizeichnungsklauseln haben im Bereich der CorporateOpportunity-Doktrin folglich keine praktische Relevanz erlangt.
f) Bestechung (bribe) als Sonderfall des secret profit Eine besondere Fallgruppe, bei der ex ante heimlichen Gewinnen vorgebeugt werden soll, stellen Schmiergeldzahlungen an die Direktoren dar. Geldzahlungen oder die Gewährung anderer Vorteile an Vertreter der Gesellschaft sind – unabhängig von der Verwerflichkeit des Motivs – unzulässig, wenn der Leistende die Vertretereigenschaft kennt und wenn die Vorteilsgewährung dem Vertretenen gegenüber nicht offengelegt worden ist.321 Auch hier setzt die Pflichtverletzung nicht voraus, dass der Gesellschaft tatsächlich ein Schaden ___________ 318 Brudney/Clark (1981) 94 Harv L Rev 997; s. auch Austin in: Finn, Equity and Commercial Relationships (1987), S. 141 (166 ff.). 319 s. u., 5. Kapitel, A. II. 320 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 416 Fn. 72; Boyle, GoreBrowne on Companies, 27.15.1. 321 Industries & General Mortgage Co Ltd v. Lewis [1949] 2 All ER 573; Taylor v. Walker [1958] 1 Lloyd’s Rep. 490; Logicrose Ltd v. Southend United f.C. Ltd [1988] 1 WLR 1257; Halsbury's Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 593.
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entstanden ist. Als Sanktion der Bestechung kann die Gesellschaft den Vertrag mit dem Bestecher anfechten.322 Daneben bzw. anstelle der Anfechtung haften sowohl der Bestecher als auch der Direktor gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden, der in diesem Falle tatsächlich nachgewiesen werden muss.323 Alternativ und unabhängig vom Schadenseintritt kann die Gesellschaft von beiden auch die Herausgabe des Schmiergeldwertes verlangen. Während diese Rechtsfolge im Falle des Direktors, für den das Schmiergeld einen heimlichen Gewinn (secret profit) bedeutet, selbstverständlich ist, wird der entsprechende Anspruch gegen den Bestecher mittlerweile richterrechtlich begründet. Die Gesellschaft wird sich bis zur Urteilsverkündung zwischen Schadensersatz und Wertersatz für die Bestechungsgelder entscheiden müssen, wobei die Höhe des nachweisbaren Schadens maßgeblich sein dürfte.324 In einer neueren Entscheidung hat der Privy Council der Gesellschaft schließlich auch einen sachenrechtlichen Herausgabeanspruch hinsichtlich des Schmiergeldes zuerkannt.325 Dessen Besonderheit im Vergleich zum Wertersatzanspruch liegt darin, dass die Gesellschaft auch den Gewinn beanspruchen kann, den der Direktor mit dem Schmiergeld erwirtschaftet hat. Ein weiterer Vorteil ist der Vorrang des Herausgabeanspruchs vor ungesicherten Forderungen in der Insolvenz.326 Wegen der dogmatisch fragwürdigen Erstreckung des Herausgabeanspruchs auf einen Gegenstand, der weder im Eigentum der company stand, noch vom Direktor für die company hätte erworben werden müssen, ist das Urteil in der Literatur jedoch überwiegend auf Ablehnung gestoßen.327
___________ 322
Taylor v. Walker [1958] 1 Lloyd’s Rep. 490; Shipway v. Broadwood [1899] 1 QB 369, CA. 323 Mahesan v. Malaysia Government Officers’ Co-operative Housing Society Ltd [1979] AC 374 (383), PC. 324 Mahesan v. Malaysia Government Officers’ Co-operative Housing Society Ltd [1979] AC 374 (383), PC; United Australia Ltd v. Barclays Bank Ltd [1941] AC 1, HL; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 424. 325 Attorney-General for Hong Kong v. Reid [1994] 1 AC 324, PC; Anm. Allen (1995) 58 MLR 87; Watts (1994) 110 LQR 178; J.C. Smith (1994) 110 LQR 180; Der Privy Council wich damit von der früheren Rechtsprechung ab: s. Metropolitan Bank v. Heiron (1880) 5 ExD 319, CA; Lister & Co. v. Stubbs (1890) 45 ChD 1, CA. 326 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 424. 327 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 200 f.; Gardner (1995) 54 CLJ 60; Cowan/Edmunds/Lowry [1996] JBL 22; Pearce [1994] LMCLQ 189; Rotherham [1997] CfiLR 43; zustimmed hingegen Oakley (1995) 54 CLJ 377; Nolan (1994) 15 Co Law 3; zustimmend, aber im Ergebnis abweichend: Attorney-General v. Blake [1998] Ch 439 (445).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
g) Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln (misapplication of the company’s property) Die Verschwendung von Gesellschaftsmitteln (misapplication of the company’s property) wird im Common Law vor allem in der Variante des Missbrauchs, im Zusammenhang mit der Loyalitätsbindung und der no-profit rule, diskutiert, auch wenn zum Teil auf Überschneidungen mit der Sorgfaltspflicht hingewiesen wird.328 Das Verschwendungsverbot und die no-profit rule überschneiden sich in vielen Fällen, haben in großen Bereichen aber eigenständige Bedeutung, da die Verschwendung von Gesellschaftsmitteln nicht immer in einer Bereicherung des Direktors mündet und die Bereicherung nicht notwendigerweise einen Verlust der Gesellschaftsmittel bedeutet.329 Verboten sind danach insbesondere rechtswidrige Dividendenzahlungen bzw. Aktienemissionen,330 sonstige Vorteilsgewährung (Vergütung, Abfindung, Kredit, Sicherheitsleistung) entgegen dem Gesetz oder der Satzung331 und der Verkauf von Gesellschaftsvermögen unter Wert.332 Anders kann aber im Einzelfall zu entscheiden sein, wenn der Direktor aus legitimen Gründen auf die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft verzichtet.333
h) Reform Gerade im Bereich der no-profit rule will das DTI gestaltend in das geltende Recht eingreifen und zwar die strenge Auslegung des Tatbestandes beibehalten (Clause 159(2) Company Law Reform Bill, Duty to avoid conflicts of interest), zugleich aber durch neue, flexiblere Befreiungsmöglichkeiten einen Ausgleich geschaffen. Neben der bisher bekannten Freistellung durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter, ist in einer private company jetzt gem. Clause 159(5)(a) auch eine spezifische Autorisierung durch den Board334 ausreichend. Ein Board-Beschluss genügt auch in einer public company, wenn dem Gremium zuvor die entsprechende Befugnis durch Satzung erteilt worden ist, Clau___________ 328 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.6.1 (insbesondere 27.018); Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 197 ff. 329 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.15. 330 Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s Case (1882) 21 ChD 536, CA; Hirsche v. Sims [1894] AC 654, PC. 331 Re Brighton Brewery Co, Hunt’s Case (1868) 37 LJ Ch 278; Re Duomatic Ltd [1969] 2 Ch 365; Wallersteiner v. Moir (No. 1) [1974] 1 WLR 991, CA. 332 Re New Traveller’s Chambers Ltd (1895) 12 TLR 529. 333 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.6.1; s. dort auch 27.6 für eine allgemeine Definition des Verbots. 334 „Board“ im Sinne dieser Norm ist ein board of directors, der ohne Mitwirkung der befangenen Direktoren handelt; s. Final Report, Annex C, § 6 Anmerkung 1.
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se 159(5)(b). Letztendlich handelt es sich bei der Wahl der Gesellschaft, eine Geschäftschance nicht zu verfolgen, um eine unternehmerische Entscheidung, die vom Board getroffen werden und nicht den unpraktischen und beschwerlichen Umweg über die Gesellschafterversammlung nehmen soll.335 Andererseits bleibt die Board-Zustimmung auch dort ein unabdingbares Mindesterfordernis, wo die Gesellschaft das fragliche Geschäft gar nicht selbst hätte vornehmen können, weil der Nachweis dieser Tatsache in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden wäre.336 Die bisher umstrittene Frage, ob die Satzung auch generell bestimmte Geschäftsarten (beispielsweise bis zu einem bestimmten Wert) von der corporate opportunity-Doktrin ausnehmen kann, wurde indes unter Hinweis auf Section 309A Companies Act 1985 verneint, der nur gesetzlich vorgesehene Haftungserleichterungen zulässt. Als solche gilt aber eben nur die im Pflichtenkatalog vorgesehene spezifische Ermächtigung durch den Board.337 Die bisher von der no-profit rule umfasste Fallgruppe der Bestechung soll nach dem Willen des DTI gesondert in Clause 160 Company Law Reform Bill (Duty not to accept benefits from third parties) geregelt werden. Die Vorschrift soll dem (früheren) Direktor die Annahme jeglicher Vorteile verbieten, die ihm aufgrund seiner Position oder als Belohnung für die Amtsausübung angeboten werden. Ausgenommen ist die Vorteilsgewährung dann, wenn sie durch die Gesellschaft selbst erfolgt, von dieser durch einfachen Gesellschafterbeschluss genehmigt wurde (Clause 164(4)), oder die Vorteilsannahme bei vernünftiger Betrachtung keine Wahrscheinlichkeit für einen Interessenkonflikt begründet.
7. Vergütung der directors Die no-profit rule, also das an den Direktor gerichtete Verbot, ohne ausdrückliche Erlaubnis von seinem Amt persönlich zu profitieren, hat auch zur Folge, dass den Direktoren alleine aufgrund ihrer Organstellung noch kein Vergütungsanspruch zusteht. Die Entlohnung sowie ihre Höhe liegen vielmehr gänzlich im Ermessen der Gesellschaft.338 Die Entscheidung ist zwar gem. Art. 82 Table A von der Hauptversammlung zu treffen, was aber nur die Vergütung für den Direktorenposten als solchen anbelangt. In der Praxis entscheidend ist jedoch die Vergütung der executives auf Basis der Anstellungsverträge, wo die ___________ 335
Final Report, 3.23. Final Report, 3.24. 337 Final Report, 3.26. 338 Hutton v. West Cork Railway Co (1883) 23 ChD 654 (672, Bowen J); Halsbury’s Laws of England, Bd. 7(I), Ziffer 580; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 487 f. 336
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Delegation der Aufgabe auf den Board bzw. auf ein remuneration committee in public companies üblich ist.339 Die Vertragsbedingungen waren daher lange Zeit fast vollständig der externen Einsicht und Kontrolle der Aktionäre entzogen, die dementsprechend wenig Einfluss auf die Einnahmen der angestellten Direktoren hatten. Anerkannt war lediglich, dass die Höhe der Vergütung ihre Grenze in der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft finden und sich lediglich danach richten musste, was der betreffende Direktor bei einem anderen Arbeitgeber hätte verdienen können (market rate).340 Die Kollegen konnten aber das Festgehalt der Manager um Tantieme, Boni, Pensionszulagen und Abfindungsvereinbarungen ergänzen, ohne dass die Gesellschafter die Höhe der Gesamtvergütung überschauten. Als ersten Schritt führte man daher zahlreiche Offenlegungsnormen ein, die eine ex post Kontrolle der Managementgehälter durch die Aktionäre sowie durch die Öffentlichkeit ermöglichen sollten. Bis 2002 schrieb Section 232(1) i.V.m. Schedule 6 a.F. beispielsweise vor, welche Angaben hierzu in dem directors’ report zu machen sind, während Section 325(3) a.F. verlangte, dass das register of directors’ interests Informationen über Aktienoptionsprogramme für Direktoren enthält. Das Gesetz verlangte grundsätzlich nicht, dass die Vergütung für jeden Direktor gesondert aufgeschlüsselt wird, sondern ließ die Angabe der Gesamtsumme der Bezüge genügen. Überschritt die Gesamtsumme £ 200.000, musste die Gesellschaft jedoch den Anteil offen legen, der auf den bestbezahlten Direktor entfiel, welcher aber nicht genannt werden musste.341 Danach stand den Aktionären aber lediglich die Möglichkeit zu, ihren Unmut in der Hauptversammlung kundzutun: keine nennenswerte Sanktion für Direktoren, die die executives mit langfristigen Anstellungsverträgen und die NEDs mit lukrativen Beratungsverträgen versorgten. Der Gesetzgeber reagierte daher zunächst mit zwei Einschränkungen im Bereich der Anstellungsverträge, nämlich den Sections 318 und 319 CA 1985.
___________ 339
Art. 84 Table A; Re George Newman and Co [1895] 1 Ch 674; DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document, Dezember 2001 (URN 01/1400), 2.20 ff.; abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/cld/published.htm. 340 Secretary of State for Trade and Industry v. Van Hengel [1995] 1 BCLC 545 und Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 221 f., der darauf hinweist, dass der Markt für Manager sehr heterogen ist, keine abgrenzbaren Kategorien für bestimmte Qualifikationen oder Erfahrungen kennt und nicht den Zusammenhang zwischen dem Erfolg der Gesellschaft und der Leistung des Individuums beschreiben kann, weshalb er keinen objektiven Maßstab liefert. Es handelt sich vielmehr um einen Markt, auf dem der Anbieter selbst bestimmt, was der Nachfrager für seine Leistungen zu zahlen bereit ist und auf dem die Preise daher grundsätzlich als überhöht gelten müssen; ähnlich Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 402. 341 Schedule 6 CA 1986, § 2.
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a) Anstellungsverträge: Sections 318, 319 CA 1985 Gem. Section 318 ist jede Gesellschaft dazu verpflichtet, eine Kopie des Anstellungsvertrages eines jeden Direktors – einschließlich des shadow director und der Direktoren der Tochtergesellschaften – aufzubewahren. Wurde die Vereinbarung mündlich getroffen, so ist eine Niederschrift über die Anstellungsbedingungen bereitzuhalten (Abs. 1). Ausgenommen sind Verträge mit einer verbleibenden Laufzeit von weniger als 12 Monaten (Abs. 11). Alle Kopien und Niederschriften einer Gesellschaft müssen am selben Ort aufbewahrt werden, und zwar entweder am eingetragenen Firmensitz, am Ort der Aufbewahrung des Mitgliederverzeichnisses oder in der Hauptgeschäftsniederlassung, sofern sich diese in dem Teil Großbritanniens befindet, in dem die Gesellschaft eingetragen ist (Abs. 3). Der Ort ist dem Führer des Gesellschaftsregisters (Registrar of Companies) mitzuteilen (Abs. 4). Die Kopien müssen allen Gesellschaftern zum Zwecke der Inspektion kostenlos zugänglich sein (Abs. 7). Wird die Einsicht verweigert, kann sie sofort vom Gericht angeordnet werden (Abs. 9). Im Übrigen werden alle Verstöße gegen Section 318 mit einem Bußgeld geahndet, das sowohl die company als auch jeden verantwortlichen Angestellten treffen kann (Abs. 8). In der Praxis machen die Gesellschafter allerdings nur selten von ihrem Einsichtsrecht Gebrauch, was im Falle der private companies vielleicht noch mit dem Fehlen von expliziten Vereinbarungen über Nebeneinkünfte der Direktoren – die sich eher gelegentlich eine spontane Sonderzahlung genehmigen werden – zu erklären ist. Wichtiger als das Einsichtsrecht hat sich indes Section 319 mit ihren Einschränkungen für Anstellungsverträge mit mehr als fünf Jahren Laufzeit erwiesen. Derart befristete Verträge, die von der Gesellschaft nicht oder nur unter bestimmten Umständen ordentlich gekündigt werden dürfen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung.342 Die Norm umfasst alle Tätigkeiten des Direktors innerhalb des Konzerns und ist auch auf Schattendirektoren anwendbar (Abs. 1, 7). Um die Umgehung von Section 319 zu verhindern, regelt Abs. 2 in besonderer Weise den Fall, dass mit dem Direktor bereits mehr als sechs Monate vor Ablauf des bisherigen Vertrages ein neuer Anstellungsvertrag abgeschlossen wird. Die Laufzeit des neuen Vertrages bestimmt sich dann nach der Vereinbarung zuzüglich der verbleibenden Laufzeit des alten Vertrages. Soll die Hauptversammlung über den Vertrag beschließen, so müssen dessen Bedingungen den Gesellschaftern schriftlich und kostenlos zur Einsicht bereitgestellt werden, und zwar am Firmensitz 15 Tage vor der Abstimmung sowie während der Hauptversammlung selbst (Abs. 5). Jede Vertragsklausel, die Section 319 widerspricht, ist nichtig mit der Folge, ___________ 342
LJ).
Abs. 1, 3; Wright v. Atlas Wright (Europe) Ltd [1999] 2 BCLC 301 (314, Potter
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
dass der Vertrag von der Gesellschaft jederzeit mit einer angemessenen Frist gekündigt werden kann (Abs. 6). Die Einführung der Norm hat tatsächlich zu einer generellen Verkürzung der Laufzeit von Anstellungsverträgen geführt, da Direktoren von Publikumsgesellschaften ihre Anstellungsbedingungen nur ungern der Hauptversammlung zur Debatte und zur Disposition überlassen. An ihre Stelle traten aber sog. „five year roller“-Verträge, die zwar auf fünf Jahre befristet sind, bei denen die Frist aber jeden Tag erneut in Gang gesetzt wird, sodass der Direktor stets durch die volle Laufzeit geschützt wird.343 Im Zuge der Reform treten an die Stelle der Section 318 die Clauses 206, 207 Company Law Reform Bill. Neu ist dabei die Verpflichtung, die Verträge nach deren Ablauf noch ein Jahr lang vorzuhalten. Ferner fällt die Ausnahme für Verträge mit einer verbleibenden Laufzeit von weniger als 12 Monaten weg. Das Bußgeld kann nicht mehr gegen die Gesellschaft selbst verhängt werden. Jeder Gesellschafter kann gegen Entgelt eine Kopie der Unterlagen verlangen. Section 319 soll ohne inhaltliche Änderungen durch Clauses 171, 172 Company Law Reform Bill ersetzt werden.
b) Abfindungszahlungen: Sections 312 ff. CA 1985 Sections 312-316 CA 1985 unterwerfen schließlich freiwillige Abfindungszahlungen an Direktoren anlässlich des Verlustes ihrer Position (durch Ausscheiden, Verkauf bzw. Liquidation der Gesellschaft, Übernahmeangebot) dem Erfordernis der Billigung durch die Hauptversammlung. Ausgenommen sind aber Zahlungen von Schadensersatz und Pensionen344 sowie die bloße Erfüllung des Anstellungsvertrages,345 was die Bedeutung der Schutzvorschriften erheblich mindert.346 Bei der Vereinbarung neuer Anstellungsbedingungen ist der Board daher nur durch die allgemeinen Loyalitätspflichten,347 damit aber immerhin an die Frage nach dem Nutzen der Vertragsänderung für die Company gebunden. Nach der Reform werden sich die Regelungen in den Clauses 195-202 Company Law Reform Bill wiederfinden. Zu erwähnen ist insbesondere die Neuerung, wonach Personen, die ein Übernahmeangebot abgeben, nicht über Abfindungen im Zusammenhang mit der Anteilsübertragung abstimmen dürfen (Clause 199(4)). ___________ 343 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 313 Fn. 25; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 179. 344 Section 316(3) CA 1985. 345 Taupo Totara Timber Co v. Rowe [1978] AC 537; s. auch Art. 87 Table A. 346 Hannigan, Company Law, S. 261. 347 Re W.&M. Roith Ltd [1967] 1 WLR 432.
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c) The Directors’ Remuneration Report Regulations 2002 und der Combined Code 2003 Die verbleibenden Mängel des Vergütungssystems wurden der 1995 gegründeten Expertenkommission unter Vorsitz von Sir Richard Greenbury zur Untersuchung vorgelegt. Ihr Bericht348 wurde später in der vom Hampel Committee349 überarbeiteten Form als Combined Code in die Londoner Börsenzulassungsvorschriften (Listing Rules) aufgenommen.350 Diese verlangten auf der Basis des „comply or explain“-Grundsatzes, dass jede börsennotierte Gesellschaft einen Vergütungsausschuss (remuneration committee) einrichtet, der ausschließlich aus non-executive directors besteht. Dieser legte sowohl die allgemeine Vergütungspolitik der Gesellschaft, als auch die konkreten Gehaltspakete für die einzelnen executive directors fest, wodurch eine unbefangene Entscheidung ermöglicht werden sollte. Der Ausschuss berichtete gegenüber der Hauptversammlung und nicht etwa gegenüber dem Gesamtvorstand. Eine Schwachstelle blieb jedoch die Tatsache, dass die meisten non-executives zugleich executives in anderen Gesellschaften waren und deshalb bei Fragen der Gehaltshöhe oder bei der Formulierung von Kurs-Zielen häufig die nötige Strenge vermissen ließen. Des Weiteren mussten die Vergütungspolitik sowie das jährliche Gehaltspaket jedes einzelnen Direktors gegenüber der Hauptversammlung vollständig offen gelegt werden, einschließlich der Bonusprogramme und der Pensionszusagen. Für die Einführung neuer, langfristiger Prämiensysteme war sogar ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich, der die Aktionäre vor der Verwässerung ihrer Beteiligungen schützen sollte. Schließlich empfahlen die Listing Rules, dass die Laufzeiten befristeter Anstellungsverträge bzw. die Kündigungsfristen derselben nicht mehr als ein Jahr betragen sollen und dass die Höhe vertraglich vereinbarter Abfindungszahlungen nicht die einer Jahresvergütung überschreiten soll. Trotz der drei Arten von Schutzvorkehrungen (gesetzliche Pflichtvorgaben, Publizität und Selbstverpflichtung) ließ sich der Trend zu exorbitanten Gehaltszuwächsen prominenter Unternehmenslenker („fat cats“)351 bei häufig sinkenden Börsenkursen nicht stoppen. Im Jahr 2002 stiegen die Board-Gehälter bei den 100 größten Unternehmen um 23 %, während die Aktienkurse um 15 % ___________ 348 Directors‘ Remuneration, Report of a Study Group chaired by Sir Richard Greenbury (1995); abrufbar unter: http://www.frc.org.uk/corporate/combinedcode.cfm. 349 Committee on Corporate Governance: Final Report (1998), seitdem als Hampel Report bezeichnet und im Internet unter: http://www.frc.org.uk/corporate/combined code.cfm abrufbar. 350 Zum Combined Code, seiner Entstehungsgeschichte und Umsetzung s. schon oben, 1. Kapitel, C. IV. 351 s. FAZ v.13.5.2003 S. 14 und v. 21.5.2003 S. 15.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
fielen.352 Dies veranlasste die Regierung zu drastischem und schnellem Vorgehen in Form der Regierungsverordnung Directors’ Remuneration Report Regulations 2002,353 die am 1.8.2002 in Kraft getreten und auf börsennotierte Gesellschaften354 anwendbar ist, deren Geschäftsjahr am bzw. nach dem 31.12.2002 endet. Obwohl für den deutschen Juristen auf den ersten Blick befremdlich, konnten mit diesem außerparlamentarischen Gesetz die Vorschriften des Companies Act 1985 geändert werden,355 mit der Folge, dass die Bedeutung der als unzureichend empfundenen Selbstregulierung zugunsten einer umfassenden, zwingenden gesetzlichen Regelung deutlich geschmälert wurde. Trotz der bereits hohen Compliance mit den Listing Rules und dem Combined Code, könne man in einem derart sensiblen Bereich keine Abweichungen mehr akzeptieren, weshalb zumindest deren Publizitätsregeln aufgehoben und durch neue, gesetzliche Vorgaben ersetzt werden müssten.356 Während es für nicht börsennotierte Gesellschaften bei der Anwendbarkeit der Schedule 6 CA 1985 verbleibt, wird für quoted companies an die Stelle des Part I Schedule 6 nunmehr die neue Schedule 7A CA 1985 treten. Sie werden gem. Section 234B CA 1985 unter Androhung eines Bußgelds dazu verpflichtet, für jedes Geschäftsjahr einen vom Board genehmigten „directors’ remuneration report“ mit den in Schedule 7A präzisierten Informationen zu veröffentlichen357 und diesen gem. Section 241A CA 1985 in der ordentlichen Hauptversammlung den Aktionären zur separaten Abstimmung vorlegen. Die Aktionäre ___________ 352
FAZ v. 13.5.2003 S. 14. SI 2002/1986, abrufbar unter: http://www.hmso.gov.uk/si/si2002/20021986.htm. Die Verordnung basiert auf dem Konsultationspapier DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document, Dezember 2001 (URN 01/1400), abrufbar unter http://www.dti. gov.uk/cld/published.htm. 354 Als „quoted“ i.S.d. Part VII CA 1985 gelten gem. Section 262(1) nunmehr alle Gesellschaften, die in der Official List der London Stock Exchange i.S.d. Part VI FSMA 2000 geführt werden (sog. „listed“ companies), ferner die an der Börse eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), an der New York Stock Exchange oder der Nasdaq notierten Gesellschaften. Ausgenommen bleiben damit jedenfalls kleine StartUp Unternehmen, wie z. B. die Teilnehmer des Alternative Investment Market (AIM); s. DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document (Fn. 353), 3.4. 355 Das Verfahren ist nicht mit der Rechtsetzung durch die deutsche Exekutive mittels Rechtsverordnung vergleichbar. Das zuständige Ministerium hat hier aufgrund der Ermächtigung in Section 257 CA 1985 gehandelt, deren Abs. 2 eine Genehmigung des Verordnungsentwurfs durch beide Kammern des Parlaments vorsieht. Zu nicht parlamentarischen Gesetzen s. ferner Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 13 f. 356 DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document (Fn. 353), Foreword und 2.3 f.; Combined Code 2003, Preamble, 11. Die Listing Rules bleiben aber soweit in Kraft, wie sie die Zustimmung zu Prämiensystemen betreffen, Listing Rules 9.4; s. ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 404 Fn. 82. 357 Sections 234B, 234C CA 1985. Gem. Sections 234C(3), 242(1) muss eine Kopie des Report dem Registrar of Companies übermittelt werden. 353
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sind schon in der Einladung zur Hauptversammlung darauf aufmerksam zu machen, dass durch einfachen Beschluss über den Remuneration Report abgestimmt werden soll (Abs. 3) und erhalten eine Kopie desselben.358 Abs. 8 stellt dabei ausdrücklich fest, dass die Norm selbst das positive Abstimmungsergebnis keinesfalls zur Bedingung für das Bestehen eventueller Vergütungsansprüche erheben will. Das Votum der Aktionäre ist vielmehr lediglich beratender Natur (advisory vote). Obwohl es somit die Vergütungsentscheidung des Board theoretisch nicht blockieren kann, wird es sich eine börsennotierte Gesellschaft in der Praxis kaum leisten können, sich über eine derart deutlich und öffentlich geäußerte Missbilligung hinwegzusetzen. Es wird daher erwartet, dass das Mitspracherecht für eine größere Transparenz des Vergütungsprozesses und eine stärkere Kopplung an den Erfolg der Gesellschaft sorgt, indem es diese zur Rechtfertigung des Gehaltspakets zwingt.359 Ferner soll es den Dialog zwischen dem Board und den Investoren über Vergütungsangelegenheiten effektiver machen.360 Wegen dieser faktisch starken Bindungswirkung des Aktionärsvotums für die Gesellschaft wird es sich in der Praxis anbieten, die vertragliche Gehaltsvereinbarung durch Satzung oder ausdrückliche Abrede unter die Bedingung der Genehmigung durch die Hauptversammlung zu stellen. Andernfalls riskiert der Board den Vorwurf des pflichtwidrigen Handelns, da die Gesellschaft bei einem negativen Abstimmungsergebnis entweder einen Imageschaden hinnehmen oder aber eine Vertragsverletzung mit daraus resultierenden Ersatzansprüchen begehen muss. Die zwingende Section 241A kann auch nicht abbedungen werden (Abs. 7b). Für ein Unterbleiben der Abstimmung haften die Direktoren persönlich, in Form eines Bußgelds (Abs. 10). Als Grundlage für das Votum der Aktionäre dient die zwingende und sehr weitgehende Offenlegung der relevanten Fakten im Directors’ Remuneration Report. Nach dem zweiten Teil der Schedule 7A muss er zunächst über die Arbeit des Remuneration Committee, die Leistungsbezogenheit der Vergütung und die mögliche Haftung der Gesellschaft aus Anstellungsverträgen der Direktoren informieren. Dazu gehören im Einzelnen • die Namen der Mitglieder des Vergütungsausschusses (§ 2(1)(a)); ___________ 358
Section 238 CA 1985. Unter Umständen darf eine in der Official List der London Stock Exchange geführte Gesellschaft (listed company) gem. Section 251 CA 1985 aber auch eine kurze Zusammenfassung der relevanten Dokumente (account, directors’ report, directors’ remuneration report) verschicken (summary financial statement). Zu deren Inhalt s. Companies (Summary Financial Statement) Regulations 1995 (SI 1995/2092) und Companies (Summary Financial Statement) Amendment Regulations (SI 2002/1780). 359 DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document (Fn. 353), 2.17 ff.; s. ferner FAZ v. 13.5.2003 S. 14. 360 DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document (Fn. 353), 2.27.
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• die Grundsätze der künftigen Vergütungspolitik einschließlich einer Begründung für die gewählten Ausübungshürden für langfristige Prämiensysteme und einer Erklärung zu Laufzeit, Kündigungsfristen und Abfindungsvereinbarungen bei Anstellungsverträgen (§ 3); • die graphische Darstellung der Rendite der Aktionäre über die letzten fünf Jahre im Vergleich zur Entwicklung eines allgemeinen Index (§ 4, performance graph);361 • sowie die Details der laufenden Anstellungsverträge der Direktoren, einschließlich Abschlussdatum, Laufzeit, Kündigungsfristen, Abfindungsregelungen und ggf. einer Begründung für bereits erfolgte Abfindungszahlungen (§ 5).362 Teil 3 der Schedule 7A legt schließlich die zu veröffentlichenden Details der Vergütung fest, die der Abschlussprüfung unterliegen.363 Dies sind: • die individualisiert aufzuführende Höhe des Jahressalärs, aufgeschlüsselt nach kursgebundenen Bestandteilen, Bonuszahlungen, Spesen und Abfindungszahlungen, ergänzt um die Gesamtsumme pro Kopf im aktuellen und im vergangenen Geschäftsjahr (§ 6); • alle Details von Aktienoptionsprogrammen und von sonstigen langfristigen Anreizprogrammen, einschließlich eventueller nachträglicher Änderungen der Ausübungshürden und einer Bezifferung der möglichen bzw. erzielten Gewinne (§§ 7, 8, 10, 11); • Ansprüche aus der betriebsinterne Pensionskasse einschließlich des Nettowertzuwachses im letzten Geschäftsjahr (§ 12). Alle Angaben beziehen sich dabei sowohl auf bereits erfolgte, ggf. außervertragliche, Zuwendungen als auch auf bloße Ansprüche hierauf. Unter Umgehungsgesichtpunkten sind schließlich auch Zuwendungen an mit dem Direktor verbundene Personen und Unternehmen (§§ 16(4), 18(3)), an frühere Direktoren (§ 14) sowie an jegliche Dritte aufzuführen, wenn diese die Zuwendung im Zusammenhang mit der Leistungserbringung durch einen Direktor erhalten haben (§ 15). Die enorme Wirkung der Regelung zeigte sich zum ersten mal am 19.5.2003 bei Glaxo Smith Kline, als der CEO Jean-Pierre Garnier mit seinen Plänen zur Verdoppelung seines Gehalts in der Hauptversammlung medienwirksam gescheitert ist.364 Vorge-
___________ 361 Hieran sollen die Aktionäre die Angemessenheit der für Prämiensysteme gewählten Vergleichsparameter beurteilen können; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 405. 362 Zur Angemessenheit von Abfindungszahlungen vgl. auch die neueste Initiative des DTI, Rewards for Failure: Directors’ Remuneration – Contracts, Performance and Severance (2003); abrufbar unter http://www.dti.gov.uk/cld/4864rewards.pdf. 363 Sections 234B(2), 235(4)(a) CA 1985. 364 s. dazu FAZ v. 21.5.2003 S. 11, 15.
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sehen war eine Steigerung auf £ 11 Mio. (16 Mio. Euro), verbunden mit einer Vertragsverlängerung bis 2005, die dem Manager zusätzlich £ 22 Mio. (30 Mio. Euro) als Abfindung und Pensionszusagen eingebracht hätte. Als Begründung wurde die Notwendigkeit vorgebracht, die Gehälter der Spitzenmanagern auf das Niveau der amerikanischen Konkurrenz zu heben. Als Antwort kam von den institutionellen Investoren jedoch der Hinweis auf die schlechte Börsenentwicklung, insbesondere auf den Verlust von einem Drittel des Marktwertes seit der Fusion von Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham im Jahre 2000. Als Reaktion auf die Abstimmungsniederlage kündigte der non-executive board chairman – ganz im Sinne der neuen Verordnung – Beratungen mit den Vertretern führender Investoren an, über deren Ergebnisse die Aktionäre informiert werden sollten.
Neben den soeben dargestellten Publizitätsregeln haben börsennotierte Gesellschaften schließlich auch die inhaltlichen Vorgaben des Combined Code 2003 zu beachten. Zu erwähnen ist insbesondere das Verbot, NEDs Aktienoptionen zu gewähren, es sei denn, dass dies mit vorheriger Zustimmung der Aktionäre geschieht und die daraus stammenden Aktien frühestens ein Jahr nach Ausscheiden aus dem Board veräußert werden.365 Dahinter steht das Bestreben, keine Anreize zu kurzfristigen Steigerungen des Börsenkurses zu Lasten des langfristigen Unternehmenserfolgs zu schaffen.366 Für executives wird eine erfolgsorientierte Vergütung hingegen empfohlen, die jedoch an anspruchsvolle Vergleichsparameter anknüpfen und durch eine Obergrenze gesichert sein soll.367 Der Gesellschaft wird ferner der Abschluss einer D&O-Versicherung empfohlen.368 Entsprechend der bisherigen Regelung der Listing Rules sollen Laufzeit bzw. Kündigungsfristen von Anstellungsverträgen ein Jahr nicht überschreiten.369 Neue, langfristige Prämiensysteme sollen ebenso wie signifikante Änderungen bisheriger Systeme der Gesellschafterzustimmung bedürfen.370 Konkrete Vorgaben zur Vergütungshöhe bleiben hingegen wie gewohnt vage: diese soll ausreichend hoch, aber nicht höher als nötig sein; sie sollte sich an den Konkurrenten orientieren, ihnen aber nicht immer folgen, und sie soll auf die Vergütungssituation in anderen Konzerngesellschaften Rücksicht nehmen.371
___________ 365
Combined Code 2003, B.1.3; Higgs Report 12.27. Higgs Report, 12.27; Financial Times v. 18./19.1.2003, S. 2. 367 Combined Code 2003, B.1.1 und Schedule A, 1, 4. 368 Combined Code 2003, A.1.5. 369 Combined Code 2003, B.1.6. 370 Combined Code 2003, B.2.4. 371 Combined Code 2003, B.1, Main Principles, Supporting Principle. 366
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
8. Loyalitätspflichten im Konzern Wie schon die Sorgfaltspflicht bestehen auch die Loyalitätspflichten ausschließlich gegenüber der eigenen Company und haben dementsprechend nur deren Interessen zum Gegenstand.372 Dies gilt selbst für Direktoren hundertprozentiger Tochtergesellschaften, die in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz nicht im alleinigen Interesse der Gesellschaftergesamtheit (hier also der Muttergesellschaft) handeln dürfen, sondern auch das Wohl der juristischen Person selbst berücksichtigen müssen. Relevant wird dies vor allem für außergewöhnliche Geschäfte, die keine direkte Gewinnmöglichkeit für die Tochter bieten, wie z. B. konzerninterne Darlehen und Garantien.373 Die Pflichten, im Interesse der Gesellschaft zu handeln und die Zweckbindung der Leitungsbefugnis zu beachten, haben somit genaugenommen zur Folge, dass der Direktor das Konzerninteresse nur dann berücksichtigen darf, wenn er damit zielgerichtet das Wohl der eigenen Gesellschaft fördern will. Jedoch haben die Gerichte inzwischen gezeigt, dass sie die Anforderungen an die Direktoren den Gegebenheiten der Wirtschaftspraxis anpassen werden: So haben sich die Direktoren einer Konzerngesellschaft in Charterbridge Corp. Ltd v. Lloyds Bank Ltd374 bei ihren Entscheidungen von dem Wohl des Gesamtkonzerns leiten lassen und nicht von den Interessen ihrer eigenen Gesellschaft. Das Gericht befand, dass bei Fehlen einer gesonderten Prüfung des Gesellschaftsinteresses zusätzlich gefragt werden müsse, ob eine vernünftige und ehrliche Person in der Position des Direktors vernünftigerweise geglaubt hätte, dass die Transaktion der Gesellschaft nützen würde. Dies konnte in dem konkreten Fall bejaht werden. Das Gericht hat es hingegen ausdrücklich abgelehnt, bei Fehlen einer gesonderten Interessenabwägung automatisch und in jedem Falle zu fingieren, dass die Direktoren nicht im Interesse der Gesellschaft gehandelt haben.375
In der Praxis wird die Lage noch dadurch entschärft, dass sich der betroffene Direktor die fraglichen Akte immer dann, wenn die Gesellschaft nicht insolvenzbedroht ist und die Gläubigerinteressen nicht entgegenstehen, von die Muttergesellschaft genehmigen lassen kann.376
___________ 372
s. o., 2. Kapitel, A. III. 1. c). Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 159; kritisch Dine, The Governance of Corporate Groups, S. 43 f. 374 [1970] Ch 62. 375 [1970] Ch 62 (74, Pennycuick J); zustimmend Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 205. 376 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 159. 373
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
307
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht I. Generelle Prinzipien: „Die Treuepflicht“ oder mehrere typisierte Tatbestände? Bevor auf die rechtsdogmatische Einordnung der „Loyalitätspflichten“ eingegangen werden kann, ist zunächst eine Begriffsklärung notwendig. Die Literatur folgt hier überwiegend einer Terminologie, nach der die „Treuepflicht“ – neben der Sorgfaltspflicht377 – als ein allgemeiner Rechtssatz bei der Auslegung der §§ 93 I 1, 116 AktG und 43 I GmbHG fungiert und den Rechtsgedanken des § 242 BGB – wenn auch weit darüber hinausgehend – verkörpert. Ihre Konkretisierung sei nur in Fallgruppen möglich.378 Dementsprechend divergieren ihr vermeintlicher Inhalt und Umfang von Darstellung zu Darstellung sehr stark, wobei sich der gemeinsame Nenner grob als besondere Loyalität umschreiben lässt, die dem Geschäftsleiter als Verwalter fremden Vermögens auferlegt ist und die ihn in Ausübung seines Amtes dazu verpflichtet, allein das Interesse der Gesellschaft und nicht etwa Eigen- bzw. Drittinteressen zu fördern, oder auch nur einen entsprechenden Eindruck zu erwecken.379 Zudem dürfe der Geschäftsleiter „durch sein Verhalten den Erfolg seiner aktiven Förderpflicht nicht gefährden und das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen“.380 Eine so verstandene Generalklausel in Verbindung mit einer deskriptiven und nicht abschließenden Fallgruppenbildung trägt einerseits der Verschiedenartigkeit und Unvorhersehbarkeit der in Frage kommenden Situationen Rechnung.381 Sie statuiert ein Rechtsprinzip, das schon seinem Wesen nach nur eine Wertungsgrundlage liefern kann und durch Verzicht auf eine Rechtssatzformulierung nicht subsumtionsfähig ist.382 Der Preis dafür ist aber eine konturlose, in die ___________ 377 Für die Treuepflicht als Oberbegriff für Sorgfalts- und Loyalitätspflicht hingegen Wiedemann, FS-Heinsius, S. 949 (950 f.); s. dazu bereits oben, 3. Kapitel, B. I. 1. 378 BGHZ 49, 30 (31); BGH GmbHR 1968, 114; 1977, 43 (44); Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 8; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 35 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 57; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (102 ff.) für die „allgemeine mitgliedschaftliche Förderpflicht“; Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, S. 88; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 19; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 121; K. Schmidt, GesR, § 28 II 4 a). 379 Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 76 Rn. 8; GKHopt, § 93 Rn. 144 f.; KK-Mertens, § 93 Rn. 57 f.; Weisser, Corporate Opportunities, S. 131 f., 136; s. auch BGHZ 20, 239 (246); und zur GmbH BGHZ 49, 30 (31); BGH WM 1985, 1443; WM 1964, 1320 (1321); OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317 (318). 380 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 121. 381 So stellt Hüffer hinsichtlich der Treuepflicht des Gesellschafters fest, „dass der Normbedarf der Gesellschaftsrechtspraxis vom Gesetzgeber nicht gedeckt wird und wegen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse auch nicht gedeckt werden kann.“; FSSteindorff, S. 59. 382 Wiedemann, FS-Heinsius, S. 949 (949 f.).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Nähe eines allgemeinen Billigkeitsrechts geratende Treuepflicht aus der sich im Einzelfall kaum Maßstäbe zur inhaltlichen Konkretisierung herleiten lassen.383 Der folgenden Darstellung wird daher eine am englischen Vorbild orientierte Systematik zugrundegelegt, die davon ausgeht, dass neben der Sorgfaltspflicht nur noch eine Reihe in Funktion und Inhalt unterschiedlicher Unterlassungsund Handlungspflichten existiert, denen lediglich gemeinsam ist, dass sie von der fiduziarischen Natur der Organstellung geprägt sind. Sie werden daher unter dem Sammelbegriff „Loyalitätspflichten“384 zusammengefasst und im Übrigen in typisierte Tatbestände eingeteilt. Unterstützung für ein solches Vorgehen lieferte Stimpel bereits vor über 30 Jahren: Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht meinend, sprach er von einem „Fall, in dem sich durch eine Reihe von Einzelentscheidungen allmählich eine richterliche Generalklausel entwickelt hat, die nun ihrerseits von Fall zu Fall der Konkretisierung bedarf und sich allmählich systematisch in Untergruppen aufzugliedern beginnt“.385 Die Differenzierung ist hilfreich, um – trotz der variierenden Umstände des Einzelfalles – ähnliche Fälle aufzuspüren und dadurch interessengerechte Lösungen für gleiche Rechtsprobleme zu finden. Ferner ist es ökonomisch vernünftig, nach dem Sinn und Zweck der einzelnen Pflichten zu fragen, um diese mit den jeweils mildesten rechtlichen Sanktionen belegen zu können, die notwendig sind, um den jeweils angestrebten Zweck zu erreichen. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass mangelnde Präzisierung der Tatbestände und die daraus folgende Unberechenbarkeit der Rechtsfolgen keinen – sozial oder ökonomisch – motivierenden Einfluss auf seine Adressaten zu entfalten vermag. Mit dem Fehlen der Anreize zum normgemäßen Verhalten bleiben folglich auch die beabsichtigten Wirkungen der Sanktionen aus.386 Andererseits weist die hier vorzuschlagende Einteilung immer noch einen derart weitgehenden Abstraktionsgrad ___________ 383
So zur mitgliedschaftlichen Treuepflicht Immenga, FS-100 Jahre GmbHG, S. 189 (204, 208). Mit Blick auf „die“ gesellschaftsrechtliche Treuepflicht stellt Wiedemann, FS-Heinsius, S. 949 (950) fest: „Die Treuepflicht: Ein Wort – drei Welten!“. Von einer Vielzahl organschaftlicher „Treuepflichten“ bzw. „Treuebindungen“ geht daher Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3, 5 aus. Lutter hingegen, der in GmbHR 2000, 301 ff. (aktualisierte Fassung des Beitrags „Haftung und Haftungsfreiräume des GmbHGeschäftsführers – 10 Gebote an den Geschäftsführer“, in: VGR (Gesellschaftsrecht in der Diskussion) 1999, S. 87-110) grundsätzlich für einen Pflichtenkanon eintritt, fasst ausgerechnet die Treuegebote in einer einheitlichen Generalklausel (9. Gebot) zusammen. 384 Der Begriff „Treuepflichten“ wird hier synonym, jedoch selten verwendet, mit Rücksicht darauf, dass die Geschäftsleiterpflichten im deutschen Recht anders als in Großbritannien nicht auf Analogien zum Treuhandrecht basieren. In der Literatur wird der Begriff vor allem als irreführender Verweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 BGB kritisiert; s. Weisser, Corporate Opportunities, S. 131. 385 In: Pehle/Stimpel, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 15 (18); zustimmend Hüffer, FS-Steindorff, S. 59. 386 Vgl. Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (641).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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auf, dass die einzelnen Loyalitätstatbestände den für „die Treuepflicht“ postulierten Normschöpfungscharakter387 fortführen und in ihrer jeweiligen Auslegungs- und Fortbildungsfähigkeit der Offenheit des Verbandes für künftige Entwicklungen388 Rechnung tragen werden. Sofern den Verhaltenssätzen hierbei zwangsläufig eine größere Wandlungsfähigkeit abverlangt wird, als dem allgemeinen Rechtssatz, beruhigt die Feststellung von Larenz/Canaris: „Je weiter […] die Systembildung zu den einzelnen Regelungsinhalten vordringt, in ihnen […] Konkretisierungen der Prinzipien erkennt und aus ihnen auf diese zurückschließt, um so mehr wird man sich ihrer Vorläufigkeit bewußt bleiben müssen. Die Vorläufigkeit ihrer Erkenntnisse ist jedoch so wenig für die Rechtswissenschaft wie für andere Wissenschaften ein Grund, auf ihre Gewinnung zu verzichten.“389
So verstanden sind die Loyalitätspflichten rechtsdogmatisch in den allgemeinen Haftungstatbeständen der §§ 93 II 1, 116 AktG und 43 II GmbHG verankert und als Korrelat zur Verfügungsmacht über fremde Vermögensinteressen an die jeweilige Organstellung geknüpft.390 Für Vorstandsmitglieder sind sie anderen Inhalts als für Mitglieder des Aufsichtsrats, die ihr Amt zumeist als Nebentätigkeit ausüben und dabei deutlich mehr Interessenkonflikten ausgesetzt sind.391 Ähnliche Loyalitätsverpflichtungen können sich daneben aus dem Anstellungsvertrag ergeben, jedoch werden diese nur bei Nichtigkeit der organschaftlichen Bestellung zum Tragen kommen, da die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen ansonsten als leges speciales anzusehen sind.392 Im Aktiengesetz selbst erfahren die Loyalitätspflichten hingegen keine besondere Ausformung, sieht man einmal vom Wettbewerbsverbot in § 88 oder von § 93 III Nr. 8 ab, der den Interessenkonflikt des Vorstandsmitglieds bei einer Kreditgewährung anspricht. Eine Trendwende stellt insofern der neue Deutsche Corporate Governance Kodex dar, auf den im Rahmen der einzelnen Fallgruppen eingegangen wird. Bei den Loyalitätspflichten ist als Besonderheit zu beachten, dass sich ihr Anwendungsbereich häufig auch auf die Zeit nach Ende der Organstellung erstreckt. Dies gilt nicht für alle Tatbestände und zwingt den Geschäftsleiter nicht dazu, die dann aktuellen Interessen zu wahren, es sei denn, diese beziehen sich ___________ 387
Staudinger/Keßler, BGB, Vor § 705 Rn. 42. Lutter, AcP 180 (1980), 84 (91 f.): „...der Verband ist ‚nach vorne offen‘...“ 389 Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 315. 390 Weisser, Corporate Opportunities, S. 133, 137; a.A. für die GmbH Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, S. 85 (Ableitung aus der Geschäftsführungsaufgabe und der Organstellung). 391 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (301 f.); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (432 f.); Weisser, Corporat Opportunities, S. 138, 181 ff. 392 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); Weisser, Corporate Opportunities, S. 137. 388
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
gerade auf Vorgänge aus seiner Amtszeit. Der ehemalige Geschäftsleiter darf also die Ergebnisse der Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht nachträglich zunichte machen.393 So besteht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne entsprechende Konkurrenzklausel im Anstellungsvertrag zwar nicht. Sonst würde man dem ausgeschiedenen Geschäftsleiter die Sorge für die künftige Geschäftstätigkeit aufbürden und ihn zwingen, zu ihren Gunsten auf die eigene wirtschaftliche Betätigung zu verzichten.394 Jedoch hindert die nachwirkende Geschäftschancenlehre den Geschäftsleiter daran, Informationen und Geschäftschancen der Gesellschaft, von denen er während seiner Amtszeit Kenntnis erlangt hat, für seine neue Tätigkeit einzusetzen.395 Dementsprechend wirkt auch die Verschwiegenheitspflicht über die Amtszeit hinaus.396
II. Tatbestände der Loyalitätspflichten: Fallgruppenbildung 1. Handeln im Interesse des Unternehmens a) Vorstand Die wohl wichtigste und eindeutigste Ausprägung der fiduziarischen Beziehung des Vorstands zur Gesellschaft – die daher oft als die Treue- bzw. Loyalitätspflicht bezeichnet wird – ist das Gebot, sein Leitungshandeln am Unternehmensinteresse397 auszurichten.398 Pflichtwidrig handelt der Vorstand demnach, wenn sein Tun dem Unternehmensinteresse entgegensteht, oder zumindest nicht dem Ausgleich der im Unternehmen widerstreitenden Interessen dient. Weiterhin ist es ihm grundsätzlich verboten, seine Privatinteressen vor das Unternehmensinteresse zu stellen und seine Machtstellung zum eigenen Vorteil oder zu gesellschaftsfremden Zwecken auszunutzen.399 Die damit verbundene Problematik der Interessenkonflikte wird ___________ 393 BGH GmbHR 1977, 43 (44); GK-Hopt, § 93 Rn. 183; KK-Mertens, § 93 Rn. 57, 74; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 156 f.; Voormann, Der Beirat, S. 151 f. 394 BGH GmbHR 1977, 43 (44); BGH, DB 1986, 214; KK-Mertens, § 93 Rn. 74; Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 23; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 134. Zu nachträglichen vertraglichen Wettbewerbsverboten s. KK-Mertens, § 88 Rn. 26 ff.; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 135 ff. 395 BGH GmbHR 1977, 43 (44); BGH WM 1985, 1443 (1444). 396 Hüffer, § 93 Rn. 7; KK-Mertens, § 93 Rn. 74, 84; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 157. 397 Zu diesem Begriff s. ausführlich oben, 2. Kapitel, B. III. 398 Vgl.Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 192 ff.; 421 ff. 399 Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; GK-Hopt, § 93 Rn. 176; Hopt, ZGR 1993, 534 (542); Schlechtriem, in: Kreuzer, Die Haftung der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften, S. 9 (23 f.); zur GmbH BGH BB 1995, 2181 (2182); OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317 (318).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
311
aus systematischen Gründen jedoch unten gesondert erörtert,400 während der hier darzustellende Tatbestand lediglich aufzeigen soll, was im Idealfall der Abwesenheit von Interessenkonflikten von einem loyalen Vorstandsmitglied zur Förderung des Unternehmenswohls erwartet wird.
aa) Missbrauchsverbot oder Förderpflicht? Die Formulierung der Pflicht zum Handeln im Unternehmensinteresse als aktive Förderpflicht bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Hommelhoff401 hat hier für eine Pflicht des Vorstands plädiert, seinen unternehmerischen Gestaltungsspielraum auszufüllen. Danach soll bei allen Aktivitäten des Unternehmens die Handschrift des Vorstands erkennbar sein, der als ständiger Ideengeber im Wettbewerb agiert, auf Marktsignale reagiert, maßgebliche Ideen und Impulse liefert und die künftige Entwicklungsrichtung weist. Obwohl sachlich berechtigt, ist die Forderung nach einem derartigen Qualitätsstandard unternehmerischen Handelns kaum als justitiable Verhaltensanforderung auszugestalten.402 Das vom Vorstand erwartete Mindestmaß an Aktivität und die Beachtung der Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung, die heute schon von der Sorgfaltspflicht diktiert werden,403 sind schon die Grenze dessen, was einer positiven Formulierung zugänglich ist. Alles andere käme einem Erfolgsrezept nahe, das es im Wirtschaftsleben gar nicht geben kann und bürdete dem Vorstand eine Erfolgsgarantie auf, die dieser niemals erfüllen könnte. Die „Treuepflicht im engeren Sinne“ soll daher mit der überwiegenden Ansicht primär negativ, als Verbot, im Amt andere Interessen als die des Unternehmens zu verfolgen, verstanden werden, während die aktive Verfolgung des Unternehmensinteresses dem Ermessen des Vorstands zuordnet wird.404
bb) Gleichbehandlung innerhalb der Gruppen der Aktionäre, Arbeitnehmer und Aufsichtsratsmitglieder Gem. § 53a hat der Vorstand die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Dem Unternehmensinteresse entspricht es aber auch, innerhalb der Belegschaft und des Aufsichtsrats nicht ungerechtfertigt zu diskriminieren und unparteilich zu bleiben. Als Rechtfertigung für eine Ungleichbe___________ 400
s. u., 4. Kapitel, B. II. 4. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 169 f. 402 KK-Mertens, § 93 Rn. 47. 403 s. o., 3. Kapitel, B. I. 3. b). 404 Vgl. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 80 ff., 85; KK-Mertens, § 93 Rn. 47. 401
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
handlung können die Position als Aufsichtsratsvorsitzender oder die Geschäftsverteilung des Gremiums dienen.405
cc) Das Gebot, Privatinteressen zugunsten des Unternehmensinteresses zurückzustellen Das Gebot, Privatinteressen zurückzustellen und das Amt nicht für Privatzwecke zu missbrauchen, mündet vor allem in dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 88 und in der sog. Geschäftschancenlehre. Diese beiden Aspekte werden wegen ihrer Eigenart und Komplexität aber weiter unten gesondert behandelt,406 ebenso wie die Frage des eigennützigen Handelns bei zugrundeliegenden Interessenkonflikten, bei Geschäften mit der eigenen Gesellschaft und bei der Entgegennahme der Vergütung.407 Hier steht zunächst das elementare Verbot im Vordergrund, die mit der Organstellung verbundene Macht zum eigenen Vorteil,408 zur Erhaltung des eigenen Amtes409 oder zugunsten Dritter einzusetzen. Das Vorstandsmitglied darf selbst keine Schmiergelder oder Provisionen seitens Dritter410 und keine Leistungen der Gesellschaft annehmen, auf die er keinen anstellungsvertraglichen Anspruch hat und für die er kein angemessenes Entgelt entrichtet. Es darf ferner seiner Familie, ihm nahestehenden Personen oder Unternehmen, an denen es im nennenswerten Umfang beteiligt ist, keine Begünstigung zukommen lassen, es sei denn, der kurzfristige Nachteil für die Gesellschaft wird durch einen langfristigen Vorteil, beispielsweise eine lukrative Geschäftsbeziehung, aufgewogen.411 Grundsätzlich unzulässig sind demnach neben direkten Zuwendungen auch der Verzicht auf Ansprüche oder deren Nichtgeltendmachung, der Verkauf von Gegenständen unter Wert bzw. der Erwerb zum überhöhten Preis, die Gewährung zinsloser Darlehen oder die Erbringung von Leistungen zum Selbstkostenpreis.412 ___________ 405
GK-Hopt, § 93 Rn. 139; KK-Mertens, § 93 Rn. 30. s. u., 4. Kapitel, B. II. 5., 6. 407 s. u., 4. Kapitel, B. II. 4., 7. 408 Vgl. Ziff. 4.3.3 S. 2 DCGK. Zur GmbH: BGH BB 1995, 2181 (2182); OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317 (318); KK-Mertens, § 93 Rn. 61. 409 Hopt, ZGR 1993, 534 (541 f.); ders., in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (314 f.); KK-Mertens, § 93 Rn. 61. 410 s. u., 4. Kapitel, B. II. 6. a) ee). 411 Zur GmbH: BGH NJW-RR 1995, 669 (671); OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 227; ferner KK-Mertens, § 93 Rn. 62; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 7 f. 412 GK-Hopt, § 93 Rn. 182; KK-Mertens, § 93 Rn. 62; OLG Hamm ZIP 1993, 119 (123); zur GmbH BGH NJW-RR 1995, 669 (671). 406
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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In bestimmten Grenzen müssen Vorstandsmitglieder als Quasi-Treuhänder aber auch ihren Lebensstil an die Organtätigkeit anpassen, um die an sie gestellten Erwartungen sowohl physisch als auch psychisch erfüllen zu können. Zu den Grenzen gehören insbesondere das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit einschließlich des Rechts auf ein Mindestmaß an Privatsphäre und auf die Erhaltung der eigenen Gesundheit.413 Im dienstlichen Bereich wird von dem Vorstandsmitglied aber grundsätzlich erwartet, dass es seine Arbeitskraft, Kenntnisse und Fähigkeiten vorbehaltlos und ggf. über den Anstellungsvertrag hinaus der Gesellschaft anbietet und beispielsweise auf seinen Urlaub verzichtet, wenn die Umstände es erfordern.414 Im Privatbereich obliegt ihm jedenfalls die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Ruf der Gesellschaft in der Öffentlichkeit schädigen könnte, vor allem herablassende Äußerungen über diese.415 Das Vorstandsmitglied muss sich ferner bemühen, in seiner Person selbst keinen Anlass für öffentliche Angriffe zu liefern, die auf die Gesellschaft durchschlagen könnten.416 Die persönlichen Freiheiten stehen demnach erst im Vordergrund, wenn das betreffende Verhalten weder dienstlich noch unmittelbar auf die Gesellschaft bezogen ist. Dann steht aber Nebentätigkeiten wie Engagement in Politik oder in Vereinen nichts entgegen, solange sie das Vorstandsmitglied nicht zeitlich oder körperlich an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben hindern.417 Anders sind nur Nebentätigkeiten zu beurteilen, die typischerweise Interessenkonflikte auslösen oder dem Wettbewerbsverbot gem. § 88 unterfallen.418 Freizeitaktivitäten einschließlich gefährlicher Sportarten sind ebenso erlaubt wie eine – beispielsweise durch das Rauchen – ungesunde Lebensweise, da das Vorstandsmitglied nicht zur Erhaltung seiner Arbeitskraft verpflichtet ist. Der Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten geht aber jedenfalls dann zu weit, wenn er eine mangelhafte Aufgabenerfüllung zur Folge hat, und gilt vorher schon als wichtiger Kündigungs- oder Abberufungsgrund.419 Außergewöhnliche Gefahrensituationen sind schließlich zumindest dann zu meiden, wenn der Ausfall des Vorstandsmitglieds die Existenz der Gesellschaft bedrohen könnte.420 ___________ 413
GK-Hopt, § 93 Rn. 154; KK-Mertens, § 93 Rn. 58. KK-Mertens, § 93 Rn. 58. 415 KK-Mertens, § 93 Rn. 60. 416 GK-Hopt, § 93 Rn. 157; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 80. 417 Für die Übernahme eines Bundestagsmandats wegen Art. 48 II 1 GG noch liberaler BGHZ 43, 384 (386); s. ferner für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 155; enger Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 24 b. 418 KK-Mertens, § 93 Rn. 59. 419 GK-Hopt, § 93 Rn. 157; etwas enger KK-Mertens, § 93 Rn. 58; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 80. 420 KK-Mertens, § 93 Rn. 58. 414
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
dd) Freiwillige Sozialleistungen und Unternehmensspenden Der Förderung des Unternehmensinteresses können durchaus vom Vorstand getätigte soziale Aufwendungen und Spenden421 dienen, solange sie den durch Größe und finanzielle Lage der Gesellschaft vorgegebenen Rahmen nicht überschreiten. Die äußerste Grenze bilden Misswirtschaft und Gefährdung der Unternehmensrentabilität. Im Übrigen steht dem Vorstand aber ein weiter Ermessensspielraum zu.422 Freiwillig erbrachte Sozialleistungen sind dann zulässig, wenn sie der Belegschaft zugute kommen, in einem angemessen Verhältnis zu der an Aktionäre gezahlten Dividende und zur finanziellen Lage der Gesellschaft stehen.423 Auch Spenden zugunsten sozialer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Einrichtungen, die nicht unmittelbar dem Unternehmensgegenstand zugeordnet werden können, liegen gleichwohl dann im Interesse des Unternehmens, wenn sie positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Gesellschaft in der Öffentlichkeit haben.424 Fehlt jedoch ein entsprechender Unternehmensbezug und ist die Spende vielmehr durch persönliche Vorlieben des Vorstands motiviert, – was gerichtlich überprüft werden kann – so ist sie ebenso unzulässig wie bei unausgewogener Mittel-Zweck-Relation oder beim Fehlen einer ordnungsgemäßen Verbuchung bzw. der steuerlichen Abzugsfähigkeit („Rationalprinzip“).425 Ein messbarer, langfristiger Nutzen könne hingegen nicht verlangt werden, da der „Gedanke, dass sich Spenden lohnen müssten, gerade dem Grundgedanken privaten Mäzenatentums“ widerspräche.426 Spenden an politische Parteien sind in üblicher Höhe und in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gesellschaft ebenfalls als zulässig anzusehen, solange der Vorstand das Geld der Aktionärsgesamtheit nicht ___________ 421 Ein umstrittenes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist zum einen die Zulässigkeit der Beteiligung an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern; s. Philipp, AG 2000, S. 62. Anlässlich der sog. „Parteispendenaffäre“ hat ferner erneut die Unterstützung politischer Parteien durch Unternehmen an Brisanz gewonnen; s. Kind, NZG 2000, S. 567. Einen interessanten Aspekt stellen schließlich Medikamenten-Spenden durch Pharmaunternehmen dar: so hat jüngst der Pharmakonzern Pfizer angekündigt, das Aids-Mittel Diflucan in den 50 entwicklungsschwächsten Ländern der Welt kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen. Beim deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim existiert ein entsprechendes Spendenprogramm für das Mittel Viramun bereits seit dem letzten Jahr; s. FAZ vom 8.6.2001 S. 22. 422 BGHZ 23, 150 (157); KK-Mertens, § 76 Rn. 32 ff.; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771 (773 ff.). 423 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 85; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771 (773 f.). 424 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 85. 425 GK-Hopt, § 93 Rn. 120; KK-Mertens, § 93 Rn. 50; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771 (773 f.). 426 MüKoAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 31.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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zu einseitig nach persönlichen Präferenzen einer bestimmten politischen Richtung widmet oder die „soziale Akzeptanz“ der Gesellschaft gefährdet („Zurückhaltungsgebot im politischen Bereich“427). Parteipolitische Neutralität wird mit Blick auf Art. 19 III GG i.V.m. Art. 2, 5 GG weder vom Unternehmen selbst noch vom einzelnen Vorstandsmitglied gefordert.428 Eine Rücksichtnahme auf den (mutmaßlichen) politischen Willen der Gesellschafter sei dabei ebenfalls nicht angebracht, da das Gesetz dem Vorstand in § 76 ausdrücklich eine eigenverantwortliche Ausübung der Unternehmerfunktion zuweise.429
b) Geschäftsführer Auch beim Geschäftsführer lässt sich eine Pflicht zur Leitung des Unternehmens in dessen Interesse kaum positiv formulieren, da es sich bei dieser um „keine angewandte Normwissenschaft“ handelt. So können Juristen ebensowenig als „Vordenker der Unternehmen“ fungieren wie sich wirtschaftswissenschaftliche Lehrsätze eine rechtliche Bindungswirkung anmaßen können.430 Auch hier kann es daher primär nur um die Bestimmung von Grenzen des unternehmerischen Ermessens gehen, und zwar zunächst im Hinblick auf den Stellenwert der maßgeblichen Unternehmensziele.431 Als Formel lässt sich nur festhalten, dass der Geschäftsführer „in jeder Situation das Interesse der Gesellschaft mit Nachdruck verfolgen und seine eigenen Interessen ganz und gar hintanstellen muss“.432 Entgegen dem Unternehmensinteresse handelt der Geschäftsführer in erster Linie dann, wenn er sein Amt und seinen Einfluss gezielt missbraucht, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen, also beispielsweise sich oder Dritten Vermögenswerte zuschiebt oder Arbeiten auf seinem Privatgrundstück von Mitarbeitern der Gesellschaft erledigen lässt.433 Insbesondere Zuwendungen an Gesellschafter und diesen nahestehende Personen unterliegen dem Verbot des § 30, sofern sie aus gebundenem Vermögen erfolgen (s. § 43 III). Auch Zahlungen aus dem nicht gebundenen Vermögen sind aber ohne einstimmigen Ge___________ 427
KK-Mertens, § 76 Rn. 39, 50. BGHZ 23, 150 (157); 69, 334 (339); vgl. auch BVerfGE 73, 40 (79 f.); Fleischer, AG 2001, 171 (179); GK-Hopt, § 93 Rn. 121; KK-Mertens, § 76 Rn. 13, 35 ff.; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771 (777); für die politische Neutralität von Unternehmen hingegen Meilicke, NJW 1959, 409 (410 f.). 429 KK-Mertens, § 76 Rn. 38. 430 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 45. 431 Zu den Unternehmenszielen s. o., 2. Kapitel, B. 432 Lutter, GmbHR 2000, 301 (306). 433 OLG Koblenz GmbHR 1999, 1201; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 142. 428
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sellschafterbeschluss als verdeckte Gewinnausschüttungen unzulässig.434 Zudem hat der Geschäftsführer aber auch in gewissem Umfang Einschränkungen seines Privatlebens hinzunehmen. So sind gehässige Bemerkungen über das Unternehmen oder die Mitwirkung an gewalttätigen Aktionen gegen dieses auch dann pflichtwidrig, wenn sie keinen unmittelbaren Bezug zur Leitungsaufgabe aufweisen. Allgemeine politische Äußerungen hat er zumindest in seiner Funktion als Geschäftsführer zu unterlassen.435 Andererseits kann aber die Übernahme von Nebentätigkeiten – z. B. in politischen Organisationen oder Vereinen – zulässig sein, wenn der geschuldete Arbeitseinsatz der Gesellschaft gegenüber einwandfrei erbracht wird.436 Unbedenklich sind ferner gefährliche Sportarten, da es keine allgemeine Pflicht zur Erhaltung der Arbeitskraft gibt.437 Mit dem Unternehmensinteresse vereinbar sind schließlich freiwillige Sozialleistungen und Spenden an wissenschaftliche oder kulturelle Einrichtungen und an politische Parteien, sofern sie einen örtlichen und gegenständlichen Bezug zum Unternehmen aufweisen, nicht durch persönliche Überzeugungen und Aktivitäten des Geschäftsführers motiviert sind und in einem angemessenen Verhältnis zum Gewinn stehen.438
c) Aufsichtsrat Auch für den Aufsichtsrat ist die wichtigste, aus der Loyalitätsbeziehung zur Gesellschaft folgende Pflicht die, im Unternehmensinteresse zu handeln.439 Diesem gebührt grundsätzlich der Vorrang vor den Privatinteressen des Aufsichtsratsmitglieds und vor den Interessen der von ihm repräsentierten Gruppen
___________ 434
OLG Karlsruhe WM 1984, 656 (659 ff.); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 143. Die legitimierende Wirkung des Gesellschafterbeschlusses setzt aber ihrerseits voraus, dass das gebundene Vermögen nicht angetastet und die Zahlung nicht die Existenz der Gesellschaft gefährdet; s. BGHSt 35, 333 (335); BGH WM 1999, 1565; BGHZ 122, 333 (336). 435 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 121. 436 BGHZ 43, 384; Hachenburg/Ulmer/Stein, § 35 Rn. 310 ff.; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 155. 437 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 155. 438 H.P. Westermann, ZIP 1990, 771; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 66 f.: Unternehmen als „soziale Veranstaltungen mit gesellschaftlichen Verpflichtungen“, 2 % des Bilanzgewinns seien in der Regel unbedenklich. Für die Notwendigkeit einer Satzungsbestimmung oder eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses hingegen Meilicke, NJW 1959, 409 (412). 439 Wegen ihrer Bedeutung oft als die Treuepflicht bezeichnet; zu der abweichenden, hier verwendeten Terminologie s. o., 4. Kapitel, B. I.
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(sog. Sonderinteressen, Partikularinteressen).440 Ausnahmen können sich höchstens in engen Grenzen aus der Natur des Aufsichtsratsamtes als Nebentätigkeit ergeben. Wie aber angesichts dieser eindeutigen Verpflichtung mit den zahlreichen, gerade im Aufsichtsrat institutionalisierten Interessenkonflikten umgegangen werden soll, ist ein anderer Aspekt, der wegen seiner Komplexität und entsprechend der Systematik dieser Darstellung weiter unten gesondert erörtert wird. Hier seien zunächst nur die Fälle angesprochen, in denen an sich kein Interessenkonflikt vorliegt, das Aufsichtsratsmitglied aber dennoch entgegen dem Unternehmensinteresse handelt, beispielsweise weil es dessen Definition bzw. Reichweite missdeutet.441 So wird es regelmäßig dem Unternehmensinteresse widersprechen, wenn der Aufsichtsrat nicht für ein qualifiziertes Management und eine hinreichende Kapitalausstattung der Gesellschaft sorgt, übertriebene Ausschüttungen an Aktionäre und Belegschaft vornimmt, unangemessen riskante Geschäfte der Gesellschaft oder die Vergabe unzureichend gesicherter Kredite fördert, vertrauliche Informationen der Gesellschaft weitergibt oder zu eigenem Vorteil ausnutzt.442 Im Übrigen hat der Aufsichtsrat aber nach eigenem Ermessen zu beurteilen, wie die einzelnen Interessengruppen innerhalb der Generalklausel zu gewichten sind. Es ist deshalb nicht nur zulässig, sondern auch geboten, die Auswirkungen einer Entscheidung auf alle das Unternehmen konstituierenden Interessengruppen zu prüfen, um sicherzustellen, dass die betroffenen Personen und Institutionen mit Rücksicht auf ihre Sonderinteressen auch in Zukunft mit der Gesellschaft zusammenarbeiten werden.443 Erst darauf folgt auf der zweiten Stufe die Abwägung der gegensätzlichen Belange im Einzelfall und ihr angemessener Ausgleich untereinander. Unzulässig ist es hingegen, von vornherein bestimmte Sonderinteressen als einzig förderungswürdig einzustufen und sich einseitig dafür einzusetzen. Dieses Problem wird vor allem dort auftauchen, wo ein Aufsichtsratsmitglied schon aufgrund seiner Herkunft einem Interessenkonflikt unterliegt, wobei auf diese Fallgestaltung weiter unten eingegangen werden soll.
d) Beirat Auch der als Gesamtorgan444 der Gesellschaft eingerichtete Beirat ist grundsätzlich zur Förderung des Unternehmensinteresses verpflichtet und nicht etwa ___________ 440 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch); OLG Hamburg AG 1990, 218; Dreher, JZ 1990, 896 (896 f.); Reichert/Schlitt, AG 1995, 241; Ulmer, NJW 1980, 1603. 441 Zur Definition des Unternehmensinteresses s. o., 2. Kapitel, B. III. 442 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 129. 443 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck). 444 Zum Begriff s. o., 1. Kapitel, Fn. 287.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ausschließlich an die Interessen der Gesellschafter(mehrheit) gebunden.445 Dieses auch als Treuepflicht bezeichnete Grundprinzip folgt schon aus der Organfunktion des Beirats, der seine Rechte und Pflichten aus der Satzung und somit von der Gesellschafterversammlung ableitet und als Repräsentant der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit eingesetzt wurde.446 Dies gilt auch dann, wenn der Beirat Aufgaben der an sich nicht auf das Gesellschaftsinteresse verpflichteten Gesellschafterversammlung wahrnimmt.447 Er kann jedoch von der Interessenausgleichspflicht befreit werden, indem die Entscheidung über die zu berücksichtigenden Interessen durch Gesellschaftsvertrag in sein Ermessen gestellt wird. Die Arbeitnehmervertreter sind indes von vornherein Interessenvertreter und nicht an das Gesellschaftsinteresse gebunden.448 Aus dem Prinzip folgt zum einen das Gebot, seine Befugnisse im Interesse der Gesellschaft auszuüben, zum anderen das Verbot, die Organstellung zu eigenen Zwecken auszunutzen.449 Ferner sind Beiräte an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.450
e) Rechtsvergleich Die Bindung der Quasi-Treuhänder an das Interesse ihres Geschäftsherrn ist in beiden Ländern selbstverständlich, ebenso wie die Erkenntnis, dass sich die entsprechende Pflicht lediglich als Missbrauchsverbot und nicht als positive Verhaltensempfehlung ausgestalten lässt. Jedoch wird die gebotene richterliche Zurückhaltung auf unterschiedlichen Wegen erreicht. In Großbritannien setzt man auf einen „subjective test“, also einen subjektiven Beurteilungsmaßstab, der den Direktoren in der Praxis einen kaum überprüfbaren Ermessenspielraum gewährt. Da die Loyalitätspflichten dazu dienen, den inneren Konflikt des Direktors zwischen dem persönlichen Interesse und dem Wohl der Gesellschaft zu regulieren, geht es ohnehin in erster Linie darum, die bewusste und zielgerichtete Verfolgung des Eigeninteresses zu sanktionieren. Das deutsche Recht hingegen wendet auch hier den strengen objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab an und fragt, ob die getroffene Entscheidung aus der ex ante-Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters als zur Förderung des Unternehmensinteresses und zum Aus___________ 445 Verhoeven, BB 1978, 335; Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 43 f., 75; Voormann, Der Beirat, S. 146 ff. 446 Verhoeven, BB 1978, 335; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 214. 447 Voormann, Der Beirat, S. 147 f., 151 mit dem überzeugenden Argument, dass im Beirat nicht alle Gesellschafter vertreten sind, was dessen Parteilichkeit vermuten läßt, die wiederum durch die Bindung an das übergeordnete Gesellschaftsinteresse einschließlich der Minderheitsinteressen kompensiert werden soll. 448 Voormann, Der Beirat, S. 147. 449 Voormann, Der Beirat, S. 151; Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 44. 450 Voormann, Der Beirat, S. 190.
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gleich der darin kollidierenden Belange geeignet erscheint. Gerade die Vielzahl der zu berücksichtigenden Interessen macht die Entscheidung in vielen Fällen aber ebenfalls unangreifbar. Rechtspolitisch spricht indes vieles für den englischen Ansatz. Er konzentriert sich auf den Schutz der Gesellschafterinteressen und berücksichtigt lediglich, dass auch einer vermeintlich in deren Interesse getroffenen Entscheidung ein Risiko- und Prognoseelement anhaftet. In beiden Ländern werden ferner auch bei nebenamtlich tätigen Organmitgliedern mit Kontrollfunktionen keine Abstriche bei der Bindung an das Gesellschaftsinteresse hingenommen. Lediglich für den fakultativen Beirat sind abweichende gesellschaftsvertragliche Lösungen zulässig, da dieser primär als Ort der Interessenvertretung zur Verfügung stehen soll. Speziell im Bereich freiwilliger Spenden ist im deutschen Recht allerdings die schwache Koppelung der Aufwendungen an das Interesse des Unternehmens bedenklich. Insbesondere den Vorstandsmitgliedern wird hier zusätzlich zur unscharfen Definition des Unternehmensinteresses ein weiter Ermessenspielraum zugestanden. Hinzu kommt, dass als Rechtfertigung – anders als in Großbritannien – eine allgemeine Image-Verbesserung durch die Handlung des Spendens an sich genügt, ohne dass ein positiver Einfluss der konkreten Aufwendung und dessen Empfänger auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft dargelegt werden muss. Eine zweifelhafte Förderung eigener (politischer) Präferenzen seitens des Managements wird sich so kaum vermeiden lassen. Notwendig ist vielmehr eine Verschärfung der an die Beweisführung des Vorstand gestellten Anforderungen: dieser soll einen unmittelbaren, positiven Zusammenhang zwischen der konkreten Art und Höhe der Spende einerseits und dem Unternehmenserfolg andererseits aufzeigen können, ohne sich pauschal auf das hohe Ansehen unternehmerischer Großzügigkeit berufen zu können. Alle freiwillig erbrachten Leistungen sollten ferner den Gesellschaftern gegenüber offen gelegt und vorzugsweise um die soeben präzisierte Begründung ergänzt werden. Ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafter nach britischem Vorbild ist hingegen abzulehnen, da er die Transparenz nicht erhöhen, dafür aber die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands beschneiden würde. Dann drohte aber wiederum die Gefahr, dass zwar nicht mehr die Verwaltung, dafür aber die Gesellschafter ihre Präferenzen an die Stelle des Unternehmensinteresses setzen würden.
2. Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten a) Vorstand: §§ 33, 27, 28 WpÜG Die Verhaltenspflichten des Vorstands bei feindlichen Angeboten werden seit dem 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
(WpÜG, Übernahmegesetz)451 bestimmt. Die aus europäischer Perspektive im Alleingang getroffene Neuregelung spricht sich noch gegen eine strenge Neutralitätspflicht aus, nachdem in Deutschland eine Ungleichbehandlung gegenüber US-amerikanischen Unternehmen befürchtet worden war. Anders als die meisten europäischen Gesellschaftsrechte könne das deutsche Recht solchen Angriffen nur beschränkt durch präventive Abwehrmaßnahmen begegnen.452 Die Umsetzung der 13. EG Richtlinie (Übernahmerichtlinie)453 dürfte insofern keine Änderungen mit sich bringen, da zu erwarten ist, dass sich der deutsche Gesetzgeber für das in Art. 12 der Richtlinie vorgesehene Optionsmodell entscheidet. Die als Grundregel in Art. 9 II, III angeordnete Neutralitätspflicht der Verwaltung käme danach nur dann in Betracht, wenn sie von der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit ausdrücklich in Kraft gesetzt wird.
aa) Rechtslage vor In-Kraft-Treten Bereits vor In-Kraft-Treten des Übernahmegesetzes war nahezu einhellig eine sog. Neutralitätspflicht454 anerkannt, welche dem Vorstand der Zielgesellschaft455 grundsätzlich die Abwehr eines Übernahmeversuchs untersagte.456 Aus der Funktion des Vorstands als Sachwalter des Unternehmensinteresses einschließlich der Aktionärsinteressen folge nämlich, dass dieser keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen dürfe. Die Übernahme sei vielmehr eine freie Transaktion am Kapitalmarkt und damit ein Geschäft auf der Ebene der Aktionäre.457 Bei einem Kontrollkampf unter den ei___________ 451 BGBl. I (2001), 3822; zur turbulenten Entstehungsgeschichte s. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (387) m. w. N. 452 FAZ v. 19.8.2003 S. 18; Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2001, S. 289 (306). 453 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. L 142/12 v. 30.4.2004. 454 Behinderungsverbot/Stillhaltegebot/Vereitelungsverbot/Passivitätspflicht; Zum Streit um die Terminologie s. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 10, 13 m. w. N. Ohne aus der „unpräzisen“ Bezeichnung selbst auf den Inhalt des Gebots schließen zu wollen, wird im Folgen von der „Neutralitätspflicht“ gesprochen. 455 Zur möglichen Haftung des Vorstands des Bieters s. Hübner, Managerhaftung, S. 77. Das WpÜG regelt indes vor allem das Verhalten der Bieter-Gesellschaft, woraus für deren Verwaltungsorgane nur insofern mittelbar Rechte und Pflichten entstehen, als sie zu gesetzmäßigem Handeln verpflichtet sind; s. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (389). 456 Assmann/Bozenhardt, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (112 ff.); Hopt, FS-Lutter, 1361 (1375 ff.); Krause, AG 1996, 209 (214); KK-Mertens, § 76 Rn. 26. 457 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (422); Hopt, FS-Lutter, 1361 (1376); LG Düsseldorf AG 2000, 233 (234) (Mannesmann/Vodafone); Hopt, ZGR 1993, 534 (545 f., 557 f.); KK-Mertens, § 76 Rn. 26; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 145 f.; a.A. Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2001, S. 289 (303).
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genen Aktionären folge das Neutralitätsgebot schon aus § 53a.458 Die Neutralitätspflicht galt ab Abgabe des Übernahmeangebots459 und umfasste nicht die Suche nach einem „white knight“, also einem weiteren Bieter.460 Ein Recht zur Abwehr wurde dem Vorstand der Zielgesellschaft ausnahmsweise dann zugestanden, wenn mit ernsthaften, erheblichen Gesetzesverstößen oder einer dauerhaft rechtswidrigen Tätigkeit der Gesellschaft nach der Übernahme zu rechnen war (mafiaähnliche Organisation als Bieter), desgleichen bei einer Gefährdung der Marktstellung der Gesellschaft (politisch exponierter ausländischer Staat als Bieter).461 In diesen Fällen musste sich der Vorstand innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen, der dann aber beispielsweise den Erwerb eigener Aktien durch die AG (§ 71 I Nr. 1) oder den Bezugsrechtsausschluss zuließ.462 Drohten aber lediglich die Auflösung der Gesellschaft, der Verlust wirtschaftlicher Selbständigkeit, ein völliger Kurswechsel oder die Beeinträchtigung von Arbeitnehmer- bzw. Gemeinwohlinteressen, waren Abwehrmaßnahmen mit Rücksicht auf die entsprechenden Kompetenzen der Aktionäre unzulässig.463 Nicht ausreichend war selbstverständlich das Interesse des Vorstandsmitglieds an der Erhaltung seines Amtes.464 Somit hat die überwiegende Ansicht mit dem Neutralitätsgebot in der Übernahmesituation ein eigenständiges Aktionärsinteresse anerkannt und diesem ggf. Vorrang gegenüber dem Unternehmensinteresse eingeräumt. Demgegenüber hielt ein Teil des Schrifttums auch hier an der unbedingten Verpflichtung des Vorstands auf das Unternehmensinteresse fest und wollte diesem auch im Rahmen einer Übernahmesituation ein weites unternehmerisches Ermessen einräumen. Danach sollte der Vorstand beispielsweise immer dann zu Abwehrmaßnahmen berechtigt und sogar verpflichtet sein, wenn sich die Vermögensund Ertragslage der Gesellschaft aufgrund der Übernahme zu verschlechtern drohte.465 Wie oben bereits dargelegt, verkannte diese Sichtweise aber, dass es ___________ 458
Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (422). Strenger Immenga AG 1992, 79 (81). 460 Hopt, ZGR 1993, 534 (557). 461 Hopt, ZGR 1993, 534 (553 f.); KK-Mertens, § 76 Rn. 26; kritisch Assmann/Bozenhart, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (113 Fn. 595). 462 Hopt, ZGR 1993, 534 (560 ff.); KK-Mertens, § 76 Rn. 26. 463 Hopt, ZGR 1993, 534 (549 ff.); GK-Hopt, AktG, § 93 Rn. 124; für einen weiten Gefahrbegriff nach der neuen Rechtslage Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 16 ff. 464 Hopt, ZGR 1993, 534 (546); KK-Mertens, § 93 Rn. 61, § 76 Rn. 26. 465 Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2001, S. 289 (303 f.); Schneider/Burgard, DB 2001, 963 (967); noch weitergehend Wiese/Demisch, DB 2001, 849 (851), die sogar eine am Aktionärsinteresse orientierte Neutralitätspflicht ablehnen, da sie den Anteilseignern auch eine Renditeerhöhung durch die Unternehmenswertsteigerung vorenthalte. 459
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sich bei der Entscheidung über die Annahme des Übernahmeangebots gerade nicht um eine Leitungsentscheidung des Vorstands, sondern um ein eigenen Regeln folgendes Geschäft auf der Ebene der Aktionäre handelt. Konkrete Regelungen bezüglich des Verfahrens in der Übernahmesituation beschränkten sich zu der Zeit auf den freiwilligen Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission,466 der in vielen Punkten nur das geltende Recht wiedergab. Dessen Art. 19 untersagte dem Vorstand der Zielgesellschaft ab Bekanntgabe eines öffentlichen Angebots die Einleitung von Maßnahmen, die dem Interesse der Wertpapierinhaber am Gebrauchmachen von dem Angebot zuwiderliefen. Dazu zählten ggf. die Ausgabe neuer Aktien, eine Erhebliche Änderung des Aktiv- oder Passivbestandes oder der Abschluss von außergewöhnlichen Verträgen. Ausgenommen waren laufende Kapitalmaßnahmen und die noch zu erfüllenden früheren Verträge. Sonstige Abwehrmaßnahmen konnten aber von der Hauptversammlung genehmigt werden. Schon nach der alten Rechtslage war der Vorstand verpflichtet, die Entscheidungsfindung der Aktionäre durch die unverzügliche Abgabe einer Stellungnahme zu erleichtern.467 Dieser musste eine Prüfung der Angaben des Bieters, der Angemessenheit des Angebots und der Rechtmäßigkeit der Übernahme vorausgehen. Der Vorstand hatte in den Grenzen des § 93 I 3 alle ihm hierzu verfügbaren Informationen bekannt zu geben, einschließlich seiner Vereinbarungen mit dem Bieter, und konnte diese durch Werturteile oder Empfehlungen an die Aktionäre ergänzen.468 Die Pläne hinsichtlich des eigenen Aktienbesitzes konnten hingegen verschwiegen werden.469 In jedem Falle war der Kurswechsel nach einer erfolgreichen Übernahme möglichst reibungslos zu gestalten.470
___________ 466 Abgedruckt in: Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 201. Die Anerkennung des Kodex war zwar Voraussetzung für die Neuaufnahme in den DAX. Im Ergebnis hat ihn ein Großteil der Unternehmen jedoch nicht anerkannt. Hinzu kam das praktische Fehlen von Sanktionen für Verletzungen des Kodex. s. Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1. 467 Vgl. Art. 18 des Übernahmekodex; Assmann/Bozenhart, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (104); Hopt, ZGR 1993, 534 (556); KK-Mertens, § 76 Rn. 26. 468 Assmann/Bozenhart, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (104 f.). 469 Hopt, ZGR 1993, 534 (557). 470 GK-Hopt, § 93 Rn. 131.
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bb) Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG)471 Demgegenüber lässt sich die neue Rechtslage nach § 33 WpÜG formell als Fortgeltung der Neutralitätspflicht und materiell als deren weitgehende Abschaffung durch die weiten Ausnahmetatbestände umschreiben.
(1) Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft: § 33 WpÜG Gem. § 33 I 1 WpÜG darf der Vorstand der Zielgesellschaft472 nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses (§ 23 I 1 Nr. 2 WpÜG) keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Entscheidend ist – anders als bisher nach dem allgemeinen Aktienrecht – deren objektive Eignung und nicht etwa eine Vereitelungsabsicht oder eine tatsächliche Verhinderung.473 Dazu zählen vor allem die Ausgabe eines „nicht unerheblichen Anteils“ von Aktien,474 die Ausgabe von Wandel- oder Optionsanleihen, der Erwerb eigener Aktien „in größerem Umfang“,475 Transaktionen mit wesentlichen Unternehmensteilen (crown jewels),476 die Schaffung kartellrechtlicher Hürden, die Ermächtigung zur Ausgabe von Aktien unter Bezugsrechtsausschluss für den Fall eines Übernahmeangebots (poison pill), die Vereinbarung hoher Abfindungen für Vorstandsmitglieder für den Fall eines Kontrollwechsels (golden parachutes) und sog. stand still-agreements.477 Die Neutralitätspflicht ist somit ___________ 471
BGBl. I (2001), 3822; zur turbulenten Entstehungsgeschichte s. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (387) m. w. N. 472 Der Anwendungsbereich des WpÜG umfasst nach § 2 III, VI Gesellschaften in der Rechtsform der AG oder KGaA mit Sitz im Inland, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. 473 KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 55; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (3 f.); Begr. RegE, ZIP 2001, 1262 (1286). 474 BT-Drucks. 14/7034, S. 57 und S. 30, wo auf eine Erheblichkeitsgrenze von 5 % hingewiesen wird. Verboten ist insbesondere die Aktienausgabe unter Ausschluss des Bezugsrecht, aber auch die mit Bezugsrecht, da sie den Kontrollerwerb zumindest verteuert; s. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 23 f. 475 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. Verboten ist ferner das sog. „Greenmailing“, also der Abkauf von Aktien des Bieters, da es in die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre eingreift und zudem regelmäßig gegen §§ 57, 62 und 71 ff. AktG verstößt; s. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 28. 476 BT-Drucks. 14/7034, S. 58. Wesentlich sind die von den Holzmüller-Grundsätzen erfassten Vermögensbestandteile, ferner solche, deren Wert 10 % der Bilanzsumme, der Marktkapitalisierung oder des Betriebsergebnisses übersteigt.; Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 28. 477 Zum ganzen ausführlich Assmann/Bozenhart, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (112 ff.); Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 20 ff.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
regelungstechnischer Grundsatz.478 Die bisher innerhalb des Gesellschaftsrechts geforderte Durchbrechung der Bindung an das Unternehmensinteresse in Übernahmesituationen wird nunmehr im WpÜG als Teil des spezielleren Kapitalmarktrechts explizit angeordnet, wobei das aktienrechtliche und das kapitalmarktrechtliche Vereitelungsverbot als deckungsgleich anzusehen sind.479 Die Neutralitätspflicht bezweckt den Schutz der Aktionäre und des Kapitalmarkts und nicht etwa der Gesellschaft selbst oder der Arbeitnehmer. Es ist daher als lex specialis zu dem allgemeinen Grundsatz des § 3 III WpÜG anzusehen, nach dem Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft handeln müssen. Der Grundsatz dürfte aber wiederum – wenn auch im eingeschränkten Umfang – bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände zur Geltung kommen.480 Von der Neutralitätspflicht ausgenommen sind in § 33 I 2 WpÜG Handlungen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft vorgenommen hätte (Alt. 1), die Suche nach einem konkurrierenden Angebot (Alt. 2)481 sowie Handlungen, denen der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zugestimmt hat (Alt. 3). Als vierte Ausnahme lässt § 33 II WpÜG sog. „Vorratsermächtigungen“ durch die Hauptversammlung zu. Hinzu kommen als fünfte Ausnahme schließlich die nicht gesondert normierten Ad hoc-Beschlüsse der Hauptversammlung in Betracht. Dabei trägt die erste Ausnahme (§ 33 I 2 Alt. 1) der Tatsache Rechnung, dass die im Interesse der Aktionäre bestehende Neutralitätspflicht mit der grundsätzlichen Verpflichtung des Vorstands auf das gesamte Unternehmensinteresse kollidiert. Als Kompromiss soll der Vorstand daher zumindest das Tagesgeschäft482 führen und eine bereits eingeschlagene Unternehmensstrategie weiterverfolgen dürfen, selbst wenn diese Maßnahmen außergewöhnlicher Natur erfordert, um eine Lähmung der Zielgesellschaft für die Dauer des Angebots zu
___________ 478
Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (3). Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 14; vom „Systembruch“ sprechen aber insofern Wiese/Demisch, DB 2001, 849 (851). 480 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (384 f.); Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 75. 481 Gegen die Einordnung als echte Ausnahme plädiert aber Hopt, ZGR 1993, 534 (557); ders., ZHR 166 (2002), 383 (424), da den Aktionären lediglich eine zusätzliche Handlungsoption eröffenet werde. Zur Problematik der due diligence zugunsten des weißen Ritters s. Fleischer, ZIP 2002, 651. 482 Dazu gehört auch die Erfüllung vertraglicher und sonstiger rechtlicher Verpflichtungen, die vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots begründet worden sind; s. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (426). 479
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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vermeiden.483 Die Strategie muss allerdings vor Abgabe des Übernahmeangebots hinreichend konkretisiert und in Geschäftsberichten oder anderen Dokumenten publiziert worden sein.484 Der Verweis auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter wirft die Frage nach der Übertragbarkeit des § 93 I 2 AktG auf. Für die Gewährung eines weiten Ermessensspielraums spricht zwar die entsprechende Auslegung der §§ 311, 317 II und die Tatsache, dass § 33 I 2 Alt. 1 gerade auf die Nichtexistenz einer Übernahmesituation abstellt.485 Dem steht jedoch der typischerweise vorliegende und im Einzelfall festzustellende Interessenkonflikt entgegen, da die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft für den Fall des erfolgreichen Kontrollwechsels regelmäßig den Verlust ihrer Position befürchten werden. Das Fehlen von Interessenkonflikten ist aber gerade eine unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung eines haftungsfreien Ermessensspielraums.486 Gegen eine business judgment rule im Anwendungsbereich des § 33 WpÜG spricht zudem, dass ein haftungsfreier Raum dem Vorstand die Macht verleihen würde, seine eigenen Vorstellungen von dem Angebot ohne Rücksicht auf den Willen und die Interessen der Aktionäre durchzusetzen.487 Problematisch ist schließlich, ob Alt. 1 auch Handlungen außerhalb der originären Vorstandskompetenz umfasst, also auch solche, zu denen er von der Hauptversammlung ermächtigt worden ist. Wichtigster Anwendungsfall ist insofern die Ausnutzung eines für fünf Jahre genehmigten Kapitals i.S.d. § 202. Hier besteht die bereits im britischen Recht aufgezeigte Gefahr, dass der Vorstand die für den „normalen“ Geschäftsbetrieb erteilte Befugnis nunmehr zu dem Zweck missbraucht, auf die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Dem wird zum Teil entgegnet, bei der Verfolgung einer bereits eingeschlagenen Unternehmensstrategie, beispielsweise bei Beteiligungsakquisitionen mit Hilfe der Ausgabe junger Aktien, sei die Vereitelung der Übernahme ein bloßer Nebeneffekt, der vom Vorstand billigend in Kauf genommen, jedoch nicht angestrebt werde.488 Wie die Erfahrungen der engli___________ 483
Im Gegensatz dazu beschränkten § 33 III Nr. 4 und Nr. 6 WpÜG-RefE die Ausnahme nur auf die Führung der laufenden Geschäfte und die Erfüllung früher begründeter Rechtspflichten. 484 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (6 f.) mit dem Beispiel eines Energieversorgers, der eine Expansion auf den amerikanischen Markt als Geschäftsziel publik gemacht hat und nunmehr ein US-Energieversorgungsunternehmen erwirbt; noch strenger Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 127; a.A. KKHirte, WpÜG, § 33 Rn. 70. 485 KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 69; Drygala, ZIP 2001, 1861 (1867). 486 Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 126; so auch in der Argumentation, jedoch nicht im Ergebnis Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (6 f.). 487 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 15. 488 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (7).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
schen Rechtsprechung mit der proper-purpose-Doktrin aber zeigen, trifft eine derart pauschale Aussage gerade nicht zu. Obwohl die Verfolgung der Unternehmensstrategie in jedem Falle einen der relevanten Zwecke darstellen wird, wird sich nur aus den Umständen des Einzelfalles ergeben, ob die Willensbildung daneben noch von anderen Faktoren beeinflusst wurde und welcher davon letztendlich ausschlaggebend war. Somit müsste den Gerichten die Möglichkeit zur objektiven Beurteilung eröffnet werden, welchen Zweck der Vorstand tatsächlich angestrebt und welchen lediglich als bloßen Nebeneffekt billigend in Kauf genommen hat. Es würde auch nicht reichen, insofern auf die subjektive Motivationslage des Vorstandsmitglieds abzustellen, ist diese doch in der prozessualen Praxis kaum dem Beweis zugänglich. Dennoch hat sich der Gesetzgeber de lege lata gegen diesen Weg entschieden, sodass die Ausnutzung eines vor Bekanntgabe der Übernahmeabsicht genehmigten Kapitals immer dann zulässig sein wird, wenn die Vorstandsentscheidung neben anderen Zwecken zumindest auch der Verfolgung einer im vorhinein eingeschlagenen Unternehmensstrategie liegt.489 Die eigene Ermächtigung der Aktionäre wird schlimmstenfalls gezielt zu dem Zweck eingesetzt werden können, ihnen eine autonome Entscheidung über das Angebot vorzuenthalten. Als einziger Schutz verbleibt ihnen dann nur noch der Einwand, der Vorstand habe nicht im Interesse des Unternehmens gehandelt, der sich jedoch mit Hinweis auf die Unternehmensstrategie entkräften lässt, ohne Rücksicht darauf, dass das primäre Ziel doch die Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises war. In der Literatur wird daher der Nachweis eines „qualifizierten“ Unternehmensinteresse gefordert, also dessen strenge Abwägung gegen das Aktionärsinteresse, in der das Maß des Vorteils der geplanten Maßnahme, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit und dessen Dringlichkeit – also die Frage der Aufschiebbarkeit bis zum Ende der Angebotsfrist – berücksichtigt werden.490 Im Lichte des soeben Gesagten ist die „Wiedergabe des geltenden Rechts“ durch den DCGK kritisch zu betrachten, nach dessen Ziff. 3.7 der Vorstand nach Bekanntgabe eines Übernahmeangebots keine Handlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs vornehmen darf, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, wenn er dazu nicht von der Hauptversammlung ermächtigt ist oder der Aufsichtsrat dem zugestimmt hat.491 Der Kodex umfasst wie § 33 III Nr. 4 WpÜG-RefE nur Maßnahmen des Tagesgeschäfts und lässt außer Acht, dass die gesetzliche Ausnahme später auch auf außergewöhnliche Maßnahmen im Rahmen einer bereits eingeschlagenen Unternehmensstrategie ausgedehnt worden ist. ___________ 489 Begr. BT-Finanzausschuss, ZIP 2001, 2102 (2104); zustimmend Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (8). 490 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 45. 491 s. Schüppen, DB 2002, 1117 (1118).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
327
Die meiste Kritik erntet indes die dritte Ausnahme gem. § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG (Vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats), die in letzter Minute auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags eingeführt wurde, um der Stellung der deutschen Unternehmen als international allzu leichte Ziele für Übernahmen entgegenzuwirken.492 Der Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre stößt hier nicht nur auf aktienrechtliche, sondern auch auf verfassungsrechtliche Bedenken, ist doch die Möglichkeit zur Veräußerung des Anteilseigentums in besonderem Maße von Art. 14 GG geschützt und könne daher nicht in die Hände eines (paritätisch) besetzten Aufsichtsrats gelegt werden.493 Zudem hat sich der Gesetzgeber auch hier für eine Ausdehnung des Ausnahmetatbestandes auf Handlungen außerhalb der originären Vorstandskompetenz entschlossen, zu denen dieser vor Bekanntgabe des Übernahmeangebots von der Hauptversammlung ermächtigt worden ist (§§ 202, 71 I Nr. 1).494 Im Klartext ist die Verwaltung der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat also derzeit in der Lage, ein von den Aktionären für den normalen Geschäftsbetrieb geschaffenes genehmigtes Kapital in der Übernahmesituation einzusetzen und damit weder das Tagesgeschäft zu betreiben noch die eingeschlagene Strategie zu verfolgen (Alt. 1). Als vorrangige Verwendungsmöglichkeit verbleibt dann aber gerade die gezielte Abwehr des Übernahmeangebots, also die Schädigung der Aktionärsinteressen unter Missbrauch ihrer eigenen Kompetenz aus § 202. Aus diesem Grund wird inzwischen gefordert, dem Vorstand im Übernahmefall die Ausnutzung einer „allgemeinen“ Ermächtigung der Hauptversammlung zu verbieten, sofern diese einen direkten Eingriff in die Aktionärsstruktur beinhaltet und nicht den Vorgaben von § 33 II WpÜG entspricht.495 Als weitere Abwehrmaßnahmen kommen ein Gegenangebot auf Aktien des Bieters (pac man), die Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien auf den Bieter (§ 68 II 2) oder auch Rechtsgeschäfte in Betracht, die erst nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots und gerade aus Anlass derselben angebahnt wurden.496 Ein Trost ist die Nichtanwendbarkeit des § 93 I 2 AktG auf Vorstandsmitglieder, bei denen das Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht ausgeschlossen ___________ 492
Begr. BT-Finanzausschuss, ZIP 2001, 2102 (2104); kritisch KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 78; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (8 ff.). 493 Vgl. BVerfGE 50, 290 (Mitbestimmungsurteil); Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (8). 494 Begr. BT-Finanzausschuss, ZIP 2001, 2102 (2104); Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (9). 495 KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 92. 496 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 50 ff.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
werden kann.497 Eine Einschränkung der Machtposition des im Interessenkonflikt handelnden Vorstands kann ferner dadurch erreicht werden, dass man als Rechtfertigung für die Abwehrmaßnahme den Nachweis eines qualifizierten Unternehmensinteresses verlangt, welches das Interesse der Aktionäre an einer eigenständigen Entscheidung über das Angebot eindeutig überwiegt. Auf diese Weise könnten sich ähnliche Ausnahmetatbestände herausbilden, wie die aus dem früheren Recht bekannten.498 Jedoch ist es beispielsweise bei der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien umstritten, ob das bloße Interesse der Gesellschaft an der eigenen Unabhängigkeit die Vereitelung des Angebots rechtfertigt.499 Angesichts der Auslegungsmöglichkeiten wäre dem Vorstand in der Praxis daher dringend zu raten, in Zweifelsfällen einen Hauptversammlungsbeschluss herbeizuführen. Dies wird auch in Ziff. 3.7 a.E. des DCGK angeregt.500 Schließlich wird auch gefordert, den zeitlichen Anwendungsbereich der Ausnahme nach Alt. 3 derart einzuschränken, dass bis zur Veröffentlichung des konkreten Angebotsinhalts (insbesondere Art und Höhe der Gegenleistung) jedenfalls keine irreversiblen Abwehrmaßnahmen vorgenommen werden dürfen.501 Ausreichend dürfte es indes sein, die Geltung der Neutralitätspflicht gem. § 33 I 1 WpÜG generell für den Fall einer offensichtlich missbräuchlichen Angebotsveröffentlichung auszusetzen, um eine mutwillige Lähmung der Geschäftstätigkeit bzw. eine gezielte Schädigung der Gesellschaft zu verhindern. Ein offensichtlicher Missbrauch wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Bieter seiner Ankündigung nicht rechtzeitig eine Angebotsunterlage folgen lässt, oder das Angebot nur zum Schein abgegeben worden ist.502 Als vierte Ausnahme lässt § 33 II WpÜG sog. „Vorratsermächtigungen“ durch die Hauptversammlung zu, in denen diese bereits vor Bekanntgabe der ___________ 497
Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (9 f.); KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 83; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (428). 498 Nach Ansicht von Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (4, 9) dürften unter Alt. 3 auch die bisher im Schrifttum anerkannten – nunmehr aber weitgehend bedeutungslosen – Ausnahmetatbestände für besondere Gefahrensituationen fallen. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 16 f. sieht die Gefahrenabwehr hingegen weiterhin als eine eigenständige, ungeschriebende Ausnahme von der Neutralitätspflicht an, was aber der klaren Systematik des Gesetzes widersprechen dürfte. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (427) sieht die Gefahrenabwehr als von § 33 I 2 Alt. 1 WpÜG umfasst an. 499 So BGH NJW 1987, 1019 f. für eine Familiengesellschaft; LG Aachen ZIP 1992, 924; Hüffer, § 68 Rn. 15; a.A. für börsennotierte Aktiengesellschaften Assmann/Bozenhart, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (117 f.); Immenga, AG 1992, 79 (82 f.). 500 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (10), die sogar die Frage nach einer Vorlagepflicht aufwerfen; ähnlich Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (428), der zumindest eine Ausgestaltung als Empfehlung im DCGK fordert. 501 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (14). 502 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 40.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Übernahmeabsicht im Rahmen der eigenen Zuständigkeit der Art nach bestimmte503 Abwehrmaßnahmen zulassen kann. Der Beschluss gilt für höchstens 18 Monate und bedarf einer Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals. Das Gebrauchmachen von der Ermächtigung bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats504 und soll im Hinblick auf irreversible Maßnahmen nicht erfolgen, solange der konkrete Inhalt des Angebots noch nicht veröffentlicht worden ist.505 Obwohl dieser Ausnahmetatbestand in der Theorie heftig umstritten und für das anfängliche Scheitern der Übernahmerichtlinie verantwortlich war,506 wird dessen praktische Relevanz als sehr gering eingeschätzt. Die Fassung eines derartigen Vorratsbeschlusses würde die Gesellschaft als Übernahmekandidat erscheinen lassen, den Aktienkurs belasten und müsste zudem wegen der zeitlichen Beschränkung bei jeder ordentlichen Hauptversammlung wiederholt werden. Es leuchtet ferner nicht ein, warum sich der Aktionär freiwillig seines Entscheidungsrechts über ein Angebot begeben sollte, das er noch gar nicht kennt, anstatt abzuwarten und seine Entscheidung in Kenntnis aller Vertragsbedingungen zu treffen.507 Vorratsermächtigungen wären schließlich vor allem im Bereich des genehmigten Kapitals und des Erwerbs eigener Aktien zu erwarten gewesen. Wie oben gezeigt, hat der Gesetzgeber dem Vorstand aber mit § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG in letzter Minute erlaubt, entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung mit Zustimmung des Aufsichtsrats auch dann zu Abwehrmaßnahmen auszunutzen, wenn diese für den „normalen Geschäftsbetrieb“ erteilt worden waren.508 Bedeutung werden solche Hauptversammlungsbeschlüsse daher voraussichtlich nur dort erlangen, wo ein überwiegendes Unternehmensinteresse nicht eindeutig ist und der Vorstand dessen Abwägung mit dem Interesse der Aktionäre an einer ungehinderten Entscheidung über das Angebot von den Aktionären selbst vorwegnehmen lassen möchte,509 zumal ihm deren Entscheidung einen Haftungsausschluss gem. § 93 IV 1 beschert. Bisher ist jedoch aus der Praxis kein einziger Fall eines Vorratsbeschlusses bekannt, ob-
___________ 503
Insofern reicht eine allgemeine Umschreibung wie z. B. „Durchführung einer Kapitalerhöhung“, „Veräußerung von Beteiligungen“, „Rückkauf von Aktien“, verbunden mit der Ausdrücklichen Nennung der Abwehr von Übernahmen als Zweck der Ermächtigung; s. BT-Drucks. 14/7477, S. 53; Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 76 f. 504 Diese soll die fehlende Kenntnis der beschließenden Hauptversammlung von dem konkreten Übernahmeangebot kompensieren; s. BT-Drucks. 14/7034, S. 58 f. 505 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (14). 506 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 2, 74. 507 DAV-Handelsrechtsausschuss, ZIP 1736 (1739); Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (12): „Selbstentmündigung der Hauptversammlung“. 508 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (12). 509 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 75.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
wohl bis Februar 2002 bereits mehr als 35 öffentliche Angebote abgewickelt wurden.510 Als fünfte Ausnahme kommen schließlich die nicht gesondert normierten Ad hoc-Beschlüsse der Hauptversammlung („Abwehrhauptversammlung“511) in Betracht, die nach Ankündigung des Angebots gefasst werden. Deren praktische Bedeutung dürfte jedoch im Lichte der zahlreichen sonstigen Ausnahmetatbestände und des Anfechtungsrisikos eher gering bleiben. Sie werden nur dann erforderlich sein, wenn die geplante Verteidigung außerhalb der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands liegt. Öfter werden sie jedoch vermutlich der Absicherung des Vorstandshandelns in Zweifelsfällen dienen, wenn entsprechend den bisher dargestellten Grundsätzen das Unternehmensinteresse an der Abwehr nicht eindeutig überwiegt oder der Vorstand eine „Zweckentfremdung“ eines „normalen“ genehmigten Kapitals vermeiden will.512 Der entscheidende Unterschied zur Zustimmung des Aufsichtsrats gem. § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG ist nämlich die haftungsausschließende Wirkung eines rechtmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses gem. § 93 IV 1, die dem Aufsichtsratsvotum gem. § 93 IV 2 versagt bleibt. In ihrer Entscheidungskompetenz ist die Hauptversammlung zudem nicht an § 33 WpÜG oder eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht gebunden, da hier die Aktionäre selbst über das „Geschäft auf ihrer Ebene“ entscheiden.513 Um dem Vorstand tatsächlich eine realistische Möglichkeit einer derart kurzfristigen Einberufung einer Hauptversammlung zu geben, wird die Einberufungsfrist in § 16 IV WpÜG auf zwei Wochen verkürzt bei freier Wahl des Versammlungsortes. Eine allgemeine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bei Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses besteht aber jedenfalls nicht, da die Aktiengesellschaft als „konzernoffen“ anzusehen ist.514 Für alle Ausnahmen von der Neutralitätspflicht gelten im Übrigen die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze unverändert fort, insbesondere die Bindung an das Unternehmensinteresse, den Unternehmensgegenstand und an das Schädigungsverbot, sodass für die Veräußerung von crown jewels, für die Gründung eines Joint Venture oder für ausgegebene Aktien jeweils eine angemessene Gegenleistung zu fordern ist.515 Das Neutralitätsgebot des § 33 I 1 WpÜG wird in Abs. 3 zusätzlich durch das Verbot der ungerechtfertigten Vorteilsgewährung seitens des Bieters an ___________ 510
von Bülow, FAZ v. 12.2.2003 S. 19. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 57; KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 88. 512 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (13). 513 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 57. 514 BGHZ 119, 1 (7); Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (422). 515 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (15). 511
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Organe der Zielgesellschaft flankiert, welches helfen soll, Interessenkonflikte und Zweifel an der Unabhängigkeit der Verwaltung zu beseitigen.516 Adressaten des Verbots sind neben dem Bieter auch der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, was zugleich schon aus §§ 93, 116 folgt.517 Als ungerechtfertigt gelten Vorteile und Zusagen, mit denen Vorstand oder Aufsichtsrat „zu einem nicht am Interesse ihrer Gesellschaft und ihrer Anteilseigner orientierten Verhalten bewegt werden sollen“. Gerechtfertigt sind demgegenüber auf sachlich nachvollziehbaren Erwägungen beruhende Zusagen, wie zum Beispiel die Zusage der Weiterbeschäftigung gegenüber einem hochqualifizierten Vorstand.518 Die Vorteilsgewährung ist in jedem Falle gem. § 11 II 3 Nr. 4 WpÜG in der Angebotsunterlage offenzulegen. Eine gegen § 33 III WpÜG verstoßende Zusage ist gem. § 134 BGB nichtig.519 Fraglich ist schließlich die Zulässigkeit präventiver Abwehrmaßnahmen im Vorfeld des Geltungsbereichs von § 33 I 1 WpÜG, die von der Norm selbst nicht ausgeschlossen werden, abgesehen von Vorratsbeschlüssen, die unter Abs. II fallen.520 Das überwiegende Schrifttum hält sie für mit dem geltenden Aktienrecht vereinbar.521 In Betracht kommen hier die Schaffung von vinkulierten Namensaktien (§ 68 II), die Ausgabe von Vorzugsaktien (§§ 12 I 2, 139 ff.), die Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen (§ 221 I), das Eingehen von wechselseitigen Beteiligungen, der Rückerwerb eigener Aktien, die Ausgabe von Belegschaftsaktien oder der Abschluss von Stillhalteabkommen (stand still-agreements).522 Eine zeitliche Verzögerung des Kontrollwechsels kann ferner dadurch erreicht werden, dass die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern an qualifizierte Mehrheiten gebunden wird (§ 103 I 3), dessen Amtszeiten gestaffelt oder Entsendungsrechte begründet werden (§ 101 II).523 Zwei wichtige strukturelle Verteidigungsmaßnahmen – und zwar Mehrstimmrechte, bei börsennotierten Gesellschaften auch Höchststimmrechte
___________ 516
Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 81. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (429). 518 BT-Drucks. 14/7034, S. 59; KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 189. 519 BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 520 BT-Drucks. 14/7034, S. 58; Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 61. 521 Hopt, ZGR 1993, 534 (559 ff.) m. w. N.; ders., FS-Lutter, S. 1361 (1399); a.A. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 146; Immenga, AG 1992, 79 (81 ff.). 522 Zu den Einzelheiten s. Assmann/Bozenhardt, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (120 ff.); Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 63 ff.; Schneider/Burgard, DB 2001, 966 f. 523 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 72. 517
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
– stehen deutschen Aktiengesellschaften seit dem KonTraG jedoch nicht mehr zu.524 Besondere Hürden gegen Übernahmen können schließlich auch spezialgesetzlich begründet werden und verdrängen dann § 33 WpÜG.525 Als Beispiele sind die §§ 3, 4, 5 Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz (LuftNaSiG) und vor allem § 2 I des in der Auseinandersetzung um die Übernahmerichtlinie prominent gewordenen sog. VW-Gesetzes526 zu nennen.
(2) Stellungnahme und Werbung: §§ 27, 28 WpÜG Wie schon nach alter Rechtslage sind Vorstand und Aufsichtsrat auch gem. § 27 WpÜG zur Abgabe einer begründeten Stellungnahme zum Angebot und zu jeder seiner Änderungen verpflichtet.527 Einzugehen ist unter anderem auf die Art und Höhe der Gegenleistung, die Folgen der Übernahme für die Zielgesellschaft einschließlich ihrer Arbeitnehmer und auf die vom Bieter verfolgten Ziele. Bei konkurrierenden Angeboten ist zu beiden Stellung zu nehmen, jedoch nicht notwendigerweise das höhere zu empfehlen. Die Verwaltung kann die Aktionäre vielmehr darauf hinweisen, dass das mit schlechteren Konditionen verbundene Angebot längerfristig eher dem Interesse der Zielgesellschaft entspricht.528 Obwohl das WpÜG keine Pflicht zur Hinzuziehung externen sachverständigen Rats statuiert, kann eine solche u.U. aus der allgemeinen aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht folgen. Aus der Einholung des Rats kann sich dann wiederum auch die Pflicht ergeben, dessen Kernaussage im Rahmen der Stellungnahme den Aktionären mitzuteilen.529 Neu ist aber vor allem die in § 27 I 2 Nr. 4 normierte Pflicht der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder offenzulegen, wie sie mit dem eigenen Besitz an Aktien der Zielgesellschaft zu verfahren gedenken. Dieser Information kommt eine erhebliche Indizwirkung für die Angemessenheit des Angebots zu, die wiederum entscheidend zur Transparenz des Angebotsverfahrens beiträgt.530 Bei unterschiedlicher Beurteilung des Angebots ___________ 524 s. die Aufhebung von § 12 II 2 und die Neufassung von § 134 I 2; dazu KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 176. 525 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 73. 526 Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand v. 21.7.1960, BGBl. I 1960, S. 585. Nach dessen § 2 I kann kein Aktionär mehr als 20 % der Stimmrechte geldend machen. 527 Vgl. auch Ziff. 3.7 S. 1 DCGK; zu den Einzelheiten s. Geibel/Süßmann/Schwennicke/Grobys, WpÜG, § 27 Rn. 14 ff. 528 Geibel/Süßmann/Schwennicke/Grobys, WpÜG, § 27 Rn. 16. 529 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420); KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 33. 530 Geibel/Süßmann/Schwennicke/Grobys, WpÜG, § 27 Rn. 19; KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 45.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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innerhalb des Vorstands wird die Stellungnahme zudem die abweichenden Erklärungen der Minderheit wiedergeben müssen, da gerade den Divergenzen aus Sicht der Aktionäre erhebliche Aussagekraft zukommt.531 Die business judgment rule ist auch im Rahmen des § 27 WpÜG nicht anwendbar.532 Interessenkonflikte von Vorstandsmitgliedern werden in jedem Falle offenzulegen sein, wobei fraglich ist, ob die befangenen Personen zusätzlich von der Mitwirkung an der Stellungnahme ausgeschlossen werden sollten.533 Die Offenlegungspflicht umfasst ferner Vereinbarungen des Vorstands mit dem Bieter, sofern sie im Zusammenhang mit der Übernahme getroffen worden sind.534 Im übrigen haben die beiden Organe das Angebot objektiv zu würdigen und sachlich darzulegen.535 Ob dies auch das Recht zu einer extensiven Informations- und Werbepolitik nach dem Vorbild der Auseinandersetzung Vodafone/Mannesmann536 deckt, ist unklar. Der vor diesem Hintergrund entstandene § 28 WpÜG zeigt jedenfalls, dass die Untersagung von Werbung durch das Bundesaufsichtsamt537 die Ausnahme darstellen soll.538 Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht folgt andererseits das Verbot der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln ergänzt durch den Loyalitätstatbestand, der eigennütziges Handeln verbietet.539
(3) Rechtsfolgen Eine nicht von § 33 WpÜG gedeckte Abwehrmaßnahme oder Verstöße gegen §§ 27, 33 III WpÜG haben als Verletzung organschaftlicher Pflichten i.S.v. § 76 zunächst einmal eine Haftung gem. §§ 93, 116 zur Folge.540 Hinzu kommt bei § 33 I 1 WpÜG die spezielle Bußgeldvorschrift des § 60 I Nr. 8, III WpÜG, ___________ 531
Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (419). Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (430). 533 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420); ders., FS-Lutter, S. 1361 (1381); KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 34. 534 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420). 535 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (16). 536 Deren Werbeaufwand wird auf zwei Milliarden (Vodafone) und 400-700 Mio. DM geschätzt; KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 10 Fn. 11. 537 Diese Funktion wird vom Bundesamt für den Wertpapierhandel (BAWe) wahrgenommen, das seit 1.5.2002 als Teil der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) als allgemeine Kapitalmarktaufsichtsbehörde fungiert. 538 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 7; KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 13; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (409); gegen die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bereits LG Düsseldorf WM 2000, 528 (Vodafone/Mannesmann). 539 KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 34; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (16). 540 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 18, 87; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (430 f.). 532
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
nach der bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Handeln eine Geldbuße von bis zu einer Million Euro verhängt werden kann. Die Norm ist jedoch kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB zugunsten der Aktionäre.541
b) Aufsichtsrat Anders als beim Vorstand ist die Frage der Geltung der Neutralitätspflicht für Aufsichtsratsmitglieder ungeklärt. Sie stellt sich überall dort, wo dem Aufsichtsrat im Rahmen feindlicher Übernahmen eigene Entscheidungsbefugnisse zustehen, also vor allem in den Fällen der § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG und § 111 IV 2 AktG. Vor In-Kraft-Treten des WpÜG plädierte die Literatur konsequent für die Ausdehnung der Neutralitätspflicht auf den Aufsichtsrat.542 Das Argument des § 53a galt hier gleichermaßen wie die Feststellung, die Übernahme sei ein Geschäft auf der Ebene der Aktionäre. Da es die Leitungsbefugnis des Vorstands überschritt, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluss zu nehmen, konnte für die Mitwirkung des Aufsichtsrates an der Geschäftsführung, aber auch für seine originären Überwachungsaufgaben, nichts anderes gelten. Der Regierungsentwurf des Übernahmegesetzes, der in § 33 I 1 die Neutralitätspflicht des Aufsichtsrats noch explizit erwähnte, deutet darauf hin, dass sich an dieser Rechtslage nichts ändern sollte.543 Fraglich ist nur, ob die Aufsichtsratszustimmung gem. § 33 I 2 Alt. 3 WpÜG eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellen soll, oder ob das Gremium auch hier zur strikten Neutralität verpflichtet ist. Die letztere Auslegung würde den Aufsichtsrat aber dazu zwingen, Abwehrmaßnahmen des Vorstands grundsätzlich zu blockieren, und damit den gesamten Ausnahmetatbestand bedeutungslos machen.544 Somit ist es ihm insofern zu gestatten, von seiner am Aktionärsinteresse orientierten Neutralität abzuweichen und seine Entscheidung am Unternehmensinteresse auszurichten.545 Wie beim Vorstand wird dafür aber ein qualifiziertes Unternehmensinteresse zu fordern sein, welches das Interesse der Aktionäre an einer freien Entscheidung über das Angebot eindeutig überwiegt, oder zumindest der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nicht zielgerichtet den Zweck verfolgte, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluss zu nehmen. Zudem wird ihm das Haftungsprivileg der §§ 116 S. 1, 93 I 2 AktG zu versagen sein.546
___________ 541
Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (16). Mülbert, IStR 1999, 83 (89). 543 Begr. RegE, ZIP 2001, 1262 (1285 f.); KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 49 f. 544 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (11); KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 48, 51. 545 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (11). 546 KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 84. 542
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Ausdrücklich schreibt das WpÜG in § 27 für den Aufsichtsrat nunmehr eine Pflicht zur Stellungnahme vor. Sie folge aus der Gesamtverantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat, verbreitere die Informationsbasis für die Beteiligten und biete insbesondere beim Management Buy Out die einzig unabhängige Einschätzung.547 Aus dem Aktienrecht selbst ergibt sich eine Stellungnahmepflicht nicht, sodass sie in der bisherigen Literatur auch nicht diskutiert worden ist.548 Der eigentliche Grund für das Umdenken dürfte indes das neue Recht des Aufsichtsrates zur Bewilligung von Abwehrmaßnahmen sein, das durch die Pflicht zur Begründung der entsprechenden Entscheidung ergänzt werden sollte.549
c) Rechtsvergleich Verglichen mit der Kombination aus proper-purpose-Doktrin und City Code brachte die alte deutsche Rechtslage den Aktionärsinteressen gegenüber noch ein hohes Maß an Respekt entgegen. Während das Common Law Abwehrmaßnahmen des Board zum Schutze der Company vor Ausverkauf und Ruin zuließ, und ein Teil der deutschen Literatur den Vorstand in vergleichbaren Fällen sogar zum Handeln verpflichten wollte, plädierte die überwiegende Ansicht hierzulande für einen sehr engen „Gefahrbegriff“ und eine weit verstandene Autonomie der Aktionäre. Der Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission ließ als Ausnahmen vom Behinderungsverbot lediglich laufende Kapitalmaßnahmen und die Erfüllung früherer Verträge zu und entsprach darin dem City Code. Die Verpflichtungen litten jedoch allesamt unter ihrer schwachen Verbindlichkeit und Durchsetzungskraft. Das Schrifttum fand weder eine einhellige Position noch eine Bestätigung durch die Rechtsprechung. Der Übernahmekodex hat aufgrund der fehlenden Akzeptanz durch die Betroffenen und der mangelnden Einflussnahme durch die am Kapitalmarkt tätigen Finanzdienstleister und deren Aufsicht nie den Selbstregulierungsstatus eines City Code erreicht, zumal dies auch kaum mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar gewesen wäre. Dem City Code kommt aufgrund der Anerkennung seitens der Regierung, der verschiedenen Aufsichts- bzw. Regulierungsbehörden sowie der betroffenen Finanzkreise geradezu gewohnheitsrechtlicher Status zu. Dementsprechend macht die FSA die Entscheidungen des Panel on Takeovers and Mergers inzwischen zur Grundlage ihres mittelbaren staatlichen Handelns. ___________ 547
Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (418); KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 18. Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 5. Der Grund für die Stellungnahmepflicht des Vorstands liegt nämlich in dessen Leitungsaufgabe gem. § 76 verbunden mit der Informationsherrschaft; s. Assmann/Bozenhardt, ZGR-Sonderheft 9, 1990, 1 (103 ff.). 549 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (419). 548
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Die Gerichte gewähren Rechtsschutz gegen die Feststellungen, Anordnungen und Sanktionen des Panel, als handele es sich um die Ausübung staatlicher Gewalt. Dies verleiht dem privaten Expertengremium aber die Stellung eines Ersatzgesetzgebers, die mit Art. 20 I, II 1 GG nicht vereinbar wäre.550 Daher ist in diesem sensiblen Bereich die Entscheidung des Gesetzgebers für ein Parlamentsgesetz uneingeschränkt zu begrüßen, im Gegensatz zu der Entscheidung für dessen Inhalt. Bei dem neuen § 33 WpÜG lässt sich kaum noch von einer Neutralitätspflicht sprechen. Obwohl das Übernahmegesetz rechtsvergleichend vorbereitet und im Wesentlichen den Maßstäben des City Code nachgebildet wurde, ließ man ausgerechnet die Regelung der Organpflichten weit hinter den europäischen Standard zurückfallen.551 Die Gegner einer strengen „Passivitätspflicht“ für die Verwaltung der Zielgesellschaft weisen darauf hin, dass mit dem fast vollständigen Kompetenzentzug bei den Geschäftsleitern zwar der – von der Principal-Agent-Theorie angemahnten – Verletzung von Anteilseignerinteressen durch eine eigennützig handelnde Geschäftsleitung wirkungsvoll begegnet werden könne. Jedoch werde der Kompetenzentzug zumeist nicht durch einen Kompetenzzuwachs bei den Anteilseignern ausgeglichen, falls eine außerordentliche Hauptversammlung gar nicht stattfindet, unter Informationsdefiziten leidet oder ihre Beschlüsse angefochten werden. Eine Kompetenzlücke und ein völliges Fehlen von Abwehrmaßnahmen können die Folge sein. Dies führe aber wiederum dazu, dass andere Interessen als die der Aktionäre gar nicht berücksichtigt werden können,
___________ 550
Aus dem Demokratieprinzip, konkretisiert duch den Grundsatz der Volkssouveränität, sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt nämlich, dass zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Amtswaltern vom Volk aus eine ununterbrochene Legitimationskette führen muss und der Bürger nicht der normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen unterworfen werden darf. Insbesondere Grundrechtsbeschränkungen müssen im Wesentlichen vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden; s. BVerfGE 64, 208 (214 f.); Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 9, 54. In Grossbritannien gilt hingegen der Grundsatz der Parlamentssouveränität, während die Bürger formal immer noch als Untertanen des Monarchen angesehen werden, in dessen Namen die Exekutive tätig wird. Es fehlt ein einheitliches Verfassungsdokument, während die einzelnen Rechtsquellen des Verfassungsrechts (s. zuletzt den Human Rights Act 1998) den Rang normaler Gesetze haben und vom Parlament aufgrund dessen Souveränität jederzeit geändert oder gar aufgehoben werden können; s. Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 36 ff. Deshalb auch war der Gesetzgeber nicht gehindert, hinsichtlich der Befugnisse der FSA im FSMA 2000 quasi eine „dynamische Verweisung“ auf die Regelungen eines nichtstaatlichen Gremiums einzufügen; s. o., 4. Kapitel, A. II. 2. b) bb) (1). 551 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (384 f.); KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 21.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
337
aber auch die Aktionäre selbst auf den Vorteil verzichten müssen, dass der Kurs der Aktie durch Abwehrmaßnahmen gesteigert wird.552 Auf der anderen Seite lässt sich beim deutschen Weg in § 33 WpÜG kaum noch von einem Vereitelungsverbot in dem Sinne sprechen, dass die betroffenen Aktionäre selbst oder zumindest in der Hauptversammlung über das Schicksal des Angebots entscheiden. Im Hinblick auf die „Aufsichtsratslösung“553 gem. Abs. 1 S. 2 Alt. 3 ist inzwischen vielmehr von einem reinen übernahmerechtlichen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats nach Art des § 111 IV 2 AktG die Rede.554 Nimmt man dann noch die Zuständigkeit für außergewöhnliche Geschäfte nach Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und die Vorratsbeschlüsse nach Abs. 2 hinzu, so ist eine umfassende Abwehrkompetenz des Vorstands nach Vorbild der business judgment rule nicht mehr weit entfernt.555 Am problematischsten erscheint dabei, – wie bereits oben diskutiert – dass die Verfolgung der zuvor eingeschlagenen Unternehmensstrategie sowie das Handeln mit Zustimmung des (mitbestimmten) Aufsichtsrats (Abs. 1 Alt. 1 und 3) nicht auf den originären Kompetenzbereich des Vorstands beschränkt sind, sondern auch die Ausnutzung der von den Aktionären für den normalen Geschäftsbetrieb erteilten Ermächtigungen (z. B. gem. § 202 AktG) beinhalten. Dass der Vorstand hier die mit der Ermächtigung ursprünglich verbundenen Zwecke verfolgt und die Vereitelung der Übernahme lediglich als bloßen Nebeneffekt in Kauf nimmt, ist zwar ein frommer Wunsch, angesichts der britischen Erfahrungen mit der proper-purpose-Doktrin aber alles andere als wahrscheinlich. Schlimmstenfalls ist die Verwaltung der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat also derzeit in der Lage, die Ermächtigung gezielt zur Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu missbrauchen. Das Horrorszenario lautet: die Treuhänder suchen sich ihre Treugeber selbst aus, die Arbeitnehmer entscheiden mit darüber, von wem ihr Arbeitgeber kontrolliert wird. Die Literatur will den Vorstand daher zu einer strengen Abwägung des vermeintlichen Unternehmensinteresses (Maß des erwarteten Vorteils, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit, Dringlichkeit und somit Aufschiebbarkeit bis zum Ende der Angebotsfrist) mit den Aktionärsinteressen verpflichten („qualifiziertes Unternehmensinteresse“).556 Andere gehen von einer Sperrwirkung des § 33 II WpÜG und somit von einem Verbot ___________ 552 So auch schon gegen das engere deutsche Vereitelungsverbot Kirchner, AG 1999, 480 (483 ff.); ders. WM 2000, 1824; Wiese/Demisch, DB 2001, 849 (850). 553 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 75. 554 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 43; KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 79. 555 Drygala, ZIP 2001, 1861 (1865 f.). 556 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 43.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
der Ausnutzung „allgemeiner“ Ermächtigungen der Hauptversammlung aus.557 Noch ausgewogener erscheint indes die Orientierung am britischen Ansatz der proper-purpose-Doktrin.558 Danach müssten die Gerichte aus den Umständen des Einzelfalles alle Motive ermitteln, von denen die Willensbildung der Verwaltung beeinflusst wurde, und anschließend objektiv beurteilen, welches Motiv letztendlich ausschlaggebend war, was hingegen als bloßer Nebeneffekt billigend in Kauf genommen wurde. Somit würde das Erfordernis der Legitimität des tragenden Zwecks für eine fallbezogene und flexible Eingrenzung der weiten Befugnisklauseln sorgen. Abgemildert wird die Machtstellung der Verwaltung in der Praxis im Übrigen dadurch, dass viele der wirksamsten Abwehrmaßnahmen dennoch nach allgemeinen Regeln der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, wie z. B. die unter die Holzmüller-Grundsätze fallende Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände. Dennoch wird das Recht der Aktionäre, ungehindert über die Annahme des Angebots entscheiden zu können, nicht mehr voll respektiert, sondern zum bloßen Abwägungsfaktor reduziert. Wegen der Behinderung des Marktes für Unternehmenskontrolle gilt der übernahmefeindliche § 33 zudem als ökonomisch verfehlt und als Nachteil für den deutschen Kapitalmarkt im internationalen Wettbewerb der Systeme.559 Hier hilft auch die von Hopt aufgestellte Forderung nicht weiter, bei der Auslegung und Kommentierung des WpÜG die Grundsätze des City Code gleichsam als „gemeineuropäische Grundsätze des Übernahmerechts“ und die damit gemachten praktischen Erfahrungen zu berücksichtigen.560 Gerade bei den Verhaltenspflichten der Verwaltung hat sich der deutsche Gesetzgeber in aller Deutlichkeit von diesen Grundsätzen distanziert. Auch beim zeitlichen Anwendungsbereich zeigt sich das deutsche Recht großzügig: Das Verbot der frustrating action im City Code gilt nicht erst ab Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots, sonder bereits ab dem Zeitpunkt, von dem an der Board der Zielgesellschaft vernünftigerweise mit der Abgabe eines Angebots rechnen kann. Als Grund für die Aufweichung des Neutralitätsgebots wurden in der Diskussion um das WpÜG und die Übernahmerichtlinie vor allem die in vielen Mitgliedstaaten der EU existierenden präventiven Abwehrmechanismen genannt, die deutsche Unternehmen bei der Übernahme ausländischer Gesellschaften benachteiligen würden. Deren Zulässigkeit außerhalb des Anwendungsbereichs der jeweiligen Übernahmeregeln ist sowohl in Deutschland als ___________ 557
KK-Hirte, WpÜG, § 33 Rn. 67, 92. s. o., 4. Kapitel, A. II. 2. 559 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (385, 388). 560 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (388). 558
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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auch in Großbritannien grundsätzlich anerkannt. Dennoch ist von deutscher Seite nach Abschaffung von Mehr- und Höchststimmrechten darauf hingewiesen worden, dass solche Rechte wie auch sog. Goldene Aktien weiterhin den staatlichen Einfluss in vielen privatisierten Unternehmen in den Mitgliedstaaten absichern würden. Jedoch unterscheidet sich die damit erzielte Wirkung nicht nennenswert von der des „VW-Gesetzes“, die man in diesem Zusammenhang lieber nicht erwähnt haben wollte. Nachdem der EuGH eine Reihe von Goldenen Aktien in verschiedenen Mitgliedstaaten – darunter in Großbritannien – verworfen561 und die Kommission Ermittlungen gegen das VW-Gesetz aufgenommen hat,562 zeichnet sich eine fortschreitende Angleichung der Spielregeln für alle Marktteilnehmer („level playing field“) ab. Wie die EU-Expertengruppe in ihrem Schlussbericht überzeugend dargelegt hat, ist das der Weg in die richtige Richtung, an dessen Ende eine EU-weite Neutralitätspflicht stehen und einen umfassenden Schutz der Aktionärsinteressen gewährleisten würde.563 Bei der Pflicht der Verwaltungsorgane zur Stellungnahme nach § 27 WpÜG ist die Vorbildfunktion der Rule 25.1 City Code unverkennbar.564 Jedoch hat das Übernahmegesetz – anders als noch § 14 des Diskussionsentwurfs – die den Rules 3.1 und 3.2 City Code entsprechende Pflicht zur Einschaltung externer Berater als Bevormundung abgelehnt.565 Dies ist zu bedauern, hat doch das englische Pendant eine bessere Information der Aktionäre zum Ziel, denen die Kernaussagen der Experten mitzuteilen sind. Eine entsprechende Pflicht zur Selbstinformation könne sich für den Vorstand aber auch schon aus § 93 ergeben.566 Dass ihr jedoch auch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der business judgment rule Bedeutung zukommt,567 ist in diesem Zusammenhang zu bezweifeln, da die Übernahmesituation – wie oben gezeigt – einen Interessenkonflikt des Vorstands indiziert, den dieser erst einmal entkräften müsste. Ferner fehlt im WpÜG die Pflicht, die Aktionäre ausdrücklich auf Divergenzen in der Beurteilung des Angebots innerhalb des Vorstands hinzuweisen und ihnen die abweichenden Erklärungen der Minderheit zukommen zu lassen.568
___________ 561 British Airports Authority plc (BAA), Az.: C-98/01, zu finden unter http:// europa.eu.int/eur-lex/de. 562 FAZ v. 24.7.2003 S. 11. 563 s. o., Einleitung, Fn. 1. 564 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 3. 565 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 3. 566 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (401 Fn. 84); KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 17. 567 So Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (401). 568 Vgl. City Code, Notes on Rule 3.1 (3) und Notes on Rule 25.1 (2); für das Bestehen einer solchen Verpflichtung de lege lata Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (419).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Positiv ist die Übernahme der Rule 25.3. (a) (vi) zu werten, nach der die Verwaltungsmitglieder ihre Pläne hinsichtlich des eigenen Aktienbesitzes offen legen müssen. Hier geht das WpÜG sogar weiter und verlangt gem. § 27 III 1 eine entsprechende Auskunft nach jeder Änderung des Angebots, während sie nach dem City Code nur der ersten Stellungnahme beizufügen ist. Die Bedeutung dieses Unterschieds erscheint auf den ersten Blick gering: Haben Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat zunächst die Absicht geäußert, das Angebot anzunehmen, und wird nach einer Angebotsänderung klar, dass sie diese inzwischen aufgegeben haben, so wird dies theoretisch dennoch nicht gegen die Angemessenheit des Angebots sprechen, da dieses schon kraft Gesetzes nicht nachträglich verschlechtert werden konnte.569 Es wird sich vielmehr um eine Meinungsänderung aus sonstigen Gründen handeln. In der Praxis dürfte aber auch dies für die Aktionäre dennoch ein wertvoller „Stimmungsbarometer“ sein. Im Hinblick auf den Interessenkonflikt des Vorstands der Zielgesellschaft ist in der Literatur lediglich anerkannt, dass das eigene Interesse offenzulegen ist.570 Auch § 27 WpÜG verzichtet auf die konkrete Offenlegung aller wesentlichen Vertragsbindungen der Verwaltungsmitglieder mit der Gesellschaft, insbesondere ihrer Anstellungsverträge, wie sie vom City Code in Rules 25.4 und 25.6 gefordert wird. Entsprechende Pflichten lassen sich de lege lata auch nicht außerhalb des Übernahmegesetzes begründen, da sie mit §§ 93 I 3 und 131 III in Widerspruch stünden.571 Wie wichtig die Offenlegung finanzieller Faktoren, die die Stellungnahme der Verwaltung beeinflusst haben könnten, für die Entscheidung der Aktionäre ist, zeigt sich in der Aufnahme einiger zwingender Publizitäts- und Zustimmungsvorbehalte in den Companies Act. Darin verlangen Sections 313 und 314 für jegliche Abfindungszahlungen – sowohl seitens der eigenen Company als auch des Bieters – im Zusammenhang mit einer Übernahme die Zustimmung der Hauptversammlung. Zu begrüßen ist daher, dass § 33 III WpÜG nunmehr zumindest die ungerechtfertigte Vorteilsgewährung seitens des Bieters an Organe der Zielgesellschaft verbietet. Jede Art der Vorteilsgewährung ist zudem gem. § 11 II 3 Nr. 4 WpÜG in der Angebotsunterlage offen zu legen, wenn auch Rule 24.5 City Code als Vorbild der Publizitätspflicht von jeglichen Vereinbarungen mit den Direktoren der Zielgesellschaft spricht, die im Zusammenhang mit dem Angebot stehen.572 Hier macht sich die deutsche Tradition der Geheimhaltung in Gehaltsangelegenheiten bemerkbar, die jahrelang unter Hinweis auf die andernfalls befürchtete „Neiddiskussion“ ___________ 569
Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 20. Hopt, FS-Lutter, S. 1361 (1381). 571 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 22; a.A. KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 23. 572 Für eine Offenlegung in Rahmen der Stellungnahme des Vorstands der Zielgesellschaft aber Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (420). 570
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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gepflegt wurde. Nach dem Bekanntwerden einiger spektakulärer Missbrauchsfälle zeigt sich aber inzwischen ein Umdenken, dass zunächst die gewöhnliche Gehaltspolitik erfasst hat,573 in Zukunft aber auch im Übernahmerecht berücksichtigt werden sollte. Dabei wäre größere Transparenz nicht nur im Interesse der Anleger zu fordern. Sie könnte auch für die Verwaltungsmitglieder einen Anlass darstellen, um objektiv zu überprüfen, ob ein greifbarer Interessenkonflikt tatsächlich vorliegt und beim Ergreifen von Abwehrmaßnahmen besondere Vorsicht angeraten wäre, oder ob sich dessen Abwesenheit gut belegen lässt und daher ein weiter Ermessensspielraum i.S.d. § 93 I 2 AktG in Anspruch genommen werden kann. Positiv zu werten ist die ausdrückliche Ausdehnung der Pflicht zur Stellungnahme auf den Aufsichtsrat. Wünschenswert wäre aber auch eine entsprechende Klarstellung hinsichtlich der Neutralitätspflicht und der Ausnahmen hiervon gewesen. Festzustellen ist schließlich, dass § 27 II WpÜG mit der Berücksichtigung der Stellungnahme des Betriebsrats auf den besonderen Stellenwert der Arbeitnehmerinteressen im deutschen Recht Rücksicht nimmt und die Aktionäre vor ihrer Entscheidung zumindest über die Haltung der Belegschaft informieren will. Entsprechend den internationalen Standards beschränkt sich der Schutz der Arbeitnehmer – wie auch der anderen Stakeholder – aber nur auf Information und Transparenz, während materiellrechtlicher Schutz den Aktionären als Letztrisikoträger (residual owners) vorbehalten bleibt.574 Die Regelung betreffend Werbemaßnahmen in § 28 WpÜG ist deutlich flexibler angelegt als Rule 19.4 City Code, die Werbung im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot grundsätzlich verbietet, es sei denn es handele sich um eine der dort aufgeführten Katalogmaßnahmen und die Maßnahme wird vom Takeover Panel nach Prüfung freigegeben (clearance). Damit lässt der City Code lediglich sachliche Werturteile der Verwaltungsmitglieder im Rahmen der offiziellen Stellungnahme zu, wo sie inhaltlich begrenzt und von zuständigen Stellen überprüfbar sind, und lehnt eine rein emotionale Einflussnahme auf die Willensbildung der Aktionäre ab. Andererseits wird die autonome Willensbildung aber noch stärker gefährdet, wenn auf die Aktionäre nur einseitig durch massive, unregulierte Werbung des Bieters eingewirkt und der Zielgesellschaft keine angemessene Reaktion ermöglicht wird.575 Die grundsätzliche Freigabe im deutschen Recht ist im Hinblick auf den freien Meinungskampf und die Waffengleichheit zwischen Bieter und Zielgesellschaft zu begrüßen, zumal der ___________ 573
s. u., 4. Kapitel, B. II. 7. a). Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (386). 575 Für eine solche Waffengleichheit Geibel/Süßmann/Grobys/Schwennicke, WpÜG, § 28 Rn. 15 m. w. N.; KK-Hirte, WpÜG, § 28 Rn. 2; Hopt, FS-Lutter, S. 1361 (1382 f.). 574
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
BAFin im Falle von Missständen eine breite Palette an (auch vorbeugenden) Handlungsmöglichkeiten eingeräumt wurde, die sich u.U. auch auf eine Vorprüfung der Werbung erstrecken können.576 Abschließend ist festzuhalten, dass sich das WpÜG an vielen Stellen nicht deutlich genug für eine autonome Entscheidung der Aktionäre über ein Übernahmeangebot ausspricht. Andererseits lässt es keine Zweifel an der Geltungskraft seiner Vorgaben und löst bei Verstößen eine strenge Haftung gem. §§ 93, 116 AktG, § 60 I Nr. 8, III WpÜG aus. Ob dies jedoch ausreichen wird, um die inhaltlichen Schwächen auszugleichen, ist angesichts der schlechten Erfahrungen mit der Durchsetzung der Organhaftung zweifelhaft.
3. Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln a) Vorstand: § 76 I AktG Die in § 76 I normierte Verpflichtung des Vorstands zum eigenverantwortlichen Leitungshandeln sichert mit der Souveränität des Vorstands die Autonomie der Gesellschaft als Wirtschaftssubjekt.577 Sie schützt den Vorstand zum einen vor Weisungen und sonstiger rechtlicher Einflussnahme seitens des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung oder des Mehrheits- bzw. Alleinaktionärs.578 In Erfüllung seiner Leitungsaufgabe ist es ihm zudem verwehrt, sich der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis oder der sonstigen notwendigen Hilfsmittel zu begeben,579 zu denen u.a. die Kontrolle über die Datenverarbeitung (Informationsherrschaft) gehört.580 Sofern er bestimmte Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder oder an nachgeordnete Führungsebenen delegieren darf,581 muss er alle Entscheidungen, die für seine Leitungsentscheidungen präjudiziell sind, an sich ziehen können.582 Von diesem Autonomiegebot kann der Vorstand weder vom Aufsichtsrat, noch von der Hauptversammlung, aber auch nicht von sämtlichen Aktionären befreit werden.583 Auch Verträge, die die Geschäftspolitik des Vorstands festlegen, organisatorische Strukturen der Gesellschaft oder die Besetzung der Führungspositionen zum Gegenstand haben, sind ___________ 576 Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (409); für eine am City Code orientierte Auslegung des Misstandsbegriffs KK-Hirte, WpÜG, § 27 Rn. 22. 577 KK-Mertens, § 76 Rn. 45; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 12. 578 Vgl. auch §§ 111 IV 1 und 119 II. Ausnahmen sind §§ 119 II und 83 für die Hauptversammlung sowie §§ 308, 323 I für den Mehrheits- bzw. Alleinaktionär. 579 KK-Mertens, § 76 Rn. 40; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 12. 580 BGHZ 106, 54 (Opel). 581 s. o., 3. Kapitel, B. I. 3. e). 582 KK-Mertens, § 76 Rn. 43. 583 KK-Mertens, § 76 Rn. 40, 46.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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außerhalb des Unternehmensvertragsrechts verboten. Schuldverhältnisse, die diese Grenzen nicht überschreiten, dürfen die Unternehmenspolitik aber durchaus auch langfristig bestimmen.584 Als zulässig werden ferner in Analogie zu § 292 I Nr. 2 Betriebsführungsverträge zugunsten eines Dritten angesehen, sofern sie diesen zum Einfügen in die Unternehmenspolitik verpflichten und der Eigentümergesellschaft ein Weisungsrecht einräumen.585 Der Vorstand darf sein künftiges Leitungshandeln – außer im Bereich der Geschäftsordnung – aber auch nicht selbst binden und hat stattdessen in der jeweiligen Zusammensetzung und mit Blick auf die aktuelle Beschlusslage zu entscheiden (Selbstbindungsverbot).586
b) Geschäftsführer: §§ 37 I, 45, 46 GmbHG Die Geschäftsführer leiten die Gesellschaft – anders als der Vorstand der AG – nicht unter eigener Verantwortung, sondern unterliegen den Beschränkungen durch Gesellschaftsvertrag oder Beschlüsse (Weisungen) der Gesellschafter (§§ 37 I, 45, 46) und teilen sich die Leitungskompetenz mit diesen.587
c) Aufsichtsrat Obwohl das Aktiengesetz keine § 76 I entsprechende Vorschrift für den Aufsichtsrat enthält,588 wird für ihn aus § 111 V das Gebot eigenverantwortlicher und höchstpersönlicher Amtsausübung abgeleitet,589 welches ihn zu unabhängigem Handeln verpflichtet. Dies bedeutet, dass seine Mitglieder kein imperatives Mandat innehaben, also nicht an Aufträge oder Weisungen gebunden sind.590 Wohl gemerkt wird diese Autonomie auch und gerade von den Arbeitnehmervertretern verlangt, die ihre Rolle als Interessenvertreter der Belegschaft zurückstellen und sich als Teil eines unabhängigen Gesellschaftsorgans verstehen müssen. Gleiches gilt für entsandte Aufsichtsratsmitglieder, die nicht den Weisungen des Entsendungsberechtigten unterliegen. Insofern haben alle Auf___________ 584
KK-Mertens, § 76 Rn. 40, 45. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 285; KK-Mertens, § 76 Rn. 40, 47. 586 KK-Mertens, § 76 Rn. 45. 587 BGHZ 31, 258 (278); OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476 (1478); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 42; zur Bindungs- und Entlastungswirkung von Weisungen s. ausführlich unten, 5. Kapitel, B. III. 2. a). 588 s. aber explizit §§ 4 III MontanmitbestG, 5 IV MitbestErgG; ferner §§ 26 MitbestG. 589 BGHZ 85, 293 (295). 590 BGHZ 36, 296 (306 f.); KK-Mertens, § 116 Rn. 90. 585
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sichtsratsmitglieder gleiche Rechte und Pflichten.591 Unzulässig und unwirksam sind folgerichtig auch jegliche Verträge, die das Aufsichtsratsmitglied hinsichtlich der Art und Weise der Wahrnehmung seines Mandats binden würden. Dazu zählen unter anderem Stimmbindungsverträge und „Koalitionsvereinbarungen“ innerhalb des Aufsichtsrats sowie Vereinbarungen von Vertragsstrafen mit dem Repräsentierten.592
d) Beirat Die Weisungsgebundenheit des Beirats, ihr Umfang und Inhalt hängen von der Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag ab. Dieser kann der Gesellschafterversammlung, einem anderen Gesellschaftsorgan oder einzelnen Gesellschaftern ein Weisungsrecht zusprechen. Bei geschäftsführenden Beiräten bietet sich beispielsweise ein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung bei Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen an. Beratende Beiräte können zu Stellungnahmen und Gutachtenvorlagen auf Weisung der Geschäftsführer oder gegen deren Willen auf Verlangen eines anderen Organs verpflichtet werden. Überwachenden Beiräten kann die Vornahme bestimmter Kontrollmaßnahmen nach Weisung aller oder bestimmter Gesellschafter vorgeschrieben werden.593 Ein derart gebundener Beirat hat die ihm erteilten Weisungen auszuführen, auch wenn er diese für unzweckmäßig oder gar verfehlt hält. Er hat seine Einwände aber in diesem Fall unbedingt kundzutun und ggf. die Gesellschafter zu informieren. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben für den Beirat demnach nur dann entlastende Wirkung, wenn er durch Stellungnahmen und Einwirken auf die Geschäftsführer für ausreichende Information der Gesellschafter gesorgt hat.594
e) Rechtsvergleich In beiden Ländern wird zum Schutze der Interessen der Gesellschaft von deren Treuhändern erwartet, dass sie sich stets ihre uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit bewahren und die Belange der Gesellschaft nicht externen Zwängen zum Opfer fallen lassen. In einer für das englische Recht typischen Weise wird das Gebot anhand einzelner Fallgestaltungen konkretisiert, während die deutsche Dogmatik inzwischen eine umfassende, abstrakte Definition hervor___________ 591
§§ 4 III MontanmitbestG, 5 IV MitbestErgG; BGHZ 83, 151 (154 f.). Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 99 (104 f.). 593 Voormann, Der Beirat, S. 152. 594 Voormann, Der Beirat, S. 152, 154. 592
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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gebracht hat. Unfettered discretion wird demnach insbesondere in Situationen verlangt, in denen die Aktionäre auf einen unabhängigen Rat der fachkundigen Geschäftsleitung angewiesen sind, also vor allem bei der Stellungnahme des Board zu einem Übernahmeangebot. Im Mittelpunkt steht hier wiederum das Anliegen, dem Board die erwartete autonome Entscheidung zu ermöglichen, ohne dass die Company die Folgen eines Vertragsbruchs zu tragen hat. Die englischen Richter haben hier den Weg der Vertragsauslegung gewählt und für den Fall einer Verletzung fiduziarischer Pflichten gegenüber der Gesellschaft ein Rücktrittsrecht als konkludent mitvereinbart angesehen. Diese Argumentation überzeugt indes nicht. Ein Bieter, der den Board der Zielgesellschaft rechtzeitig zu einer Empfehlung in seinem Sinne verpflichten möchte, tut dies auch und gerade für den Fall, dass der Board in freier Ermessensausübung zu einem negativen Ergebnis kommen würde. Ein Rücktrittsrecht für eben diesen Fall widerspricht völlig seinen Interessen und daher auch seinem Willen, was eine stillschweigende Vereinbarung ausschießt, zugleich aber auch eine dahingehende ergänzende Vertragsauslegung durch den Richter verbietet. Im deutschen Recht hilft insofern § 134 BGB weiter, der die Nichtigkeit des Vertrages anordnet, sofern damit ein Verbotsgesetz verletzt wurde. Als solches kommt im Falle der übernahmerechtlichen Stellungnahme § 27 WpÜG in Betracht, in sonstigen Fällen § 76 I AktG. Die no-fettering rule ist ferner theoretisch auf alle denkbaren rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Einschränkungen des Geschäftsleiterermessens anwendbar und stößt daher auf Abgrenzungsschwierigkeiten in der Frage, ob und ggf. wann die Gesellschaft überhaupt zur Erfüllung eingegangener Verträge verpflichtet sein sollte. Sowohl das Common Law als auch die Reformpläne beschränken sich insofern auf den Hinweis, dass der Direktor auf jeden Fall eine Ermessensentscheidung im Interesse der Gesellschaft treffen müsse. Ob dies aber schon im Zeitpunkt der Vertragsbindung oder erst bei Vertragserfüllung geschehen müsse, sei von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig. Mehr Rechtssicherheit bietet demgegenüber die von der deutschen Rechtslehre vorgenommene Eingrenzung eines Bereichs unveräußerlichen Leitungsermessens, der vor allem die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, die Geschäftspolitik, die Organisationsstrukturen der Gesellschaft und die Besetzung der Führungspositionen umfasst. Zu beachten ist schließlich, dass sich die für alle directors vorgegebene Autonomie und Weisungsfreiheit nur bei den Verwaltungsorganen der AG wiederfindet, während Geschäftsführer und Beirat der GmbH den Beschränkungen des Gesellschaftsvertrages und den Weisungen der Gesellschafter unterliegen. Die separate, nicht auf ein breites Anlegerpublikum ausgelegte Rechtsform erlaubt insofern mehr Zugeständnisse an die direkte Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschicke des Unternehmens.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
4. Insichgeschäfte und Interessenkonflikte a) Vorstand aa) Insichgeschäfte: § 112 AktG, § 181 BGB Das Problem des Insichgeschäfts in der Variante des Selbstkontrahierens, das grundsätzlich in § 181 BGB angesprochen wird, stellt sich speziell im Aktienrecht aufgrund der klaren Kompetenzzuweisung in § 112 nicht. Danach wird die Gesellschaft bei allen Geschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern nicht von diesen, sondern vom Aufsichtsrat vertreten. Somit obliegt es einem unabhängigen Organ, darauf zu achten, dass das Geschäft zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen wird und die Gesellschaft aufgrund der besonderen Stellung des Geschäftspartners keine Nachteile erleidet. Mehrvertretung, also das Auftreten eines Vorstandsmitglieds als Vertreter des Geschäftspartners, wird grundsätzlich durch § 88 und den Anstellungsvertrag verhindert, der dem Vorstandsmitglied ein derart zeitaufwendiges anderweitiges Engagement regelmäßig verbieten wird. Die Konfliktlage kann sich aber beispielsweise bei Übernahme von Vorstandsposten im herrschenden und zugleich im abhängigen Unternehmen ergeben (Vorstandsdoppelmandat), die nach Einwilligung des Aufsichtsrats gem. § 88 I 2 im Konzern als zulässig gilt. Hier kommt § 181 BGB zur Anwendung, mit der Folge, dass betroffene Rechtsgeschäfte vom Aufsichtsrat genehmigt werden müssen.595
bb) Interessenkonflikte und Grenzen legitimer Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen: § 136 I AktG Anders als beim Insichgeschäft bietet das Aktienrecht bei sonstigen Arten von Interessenkonflikten kaum Handhabe. Lediglich für den Sonderfall der Stimmrechtsausübung durch ein Vorstandsmitglied in seiner Eigenschaft als Aktionär der Gesellschaft stellt das Gesetz in § 136 ein Stimmverbot auf, das aber ebenfalls an bestimmte formelle Konfliktlagen geknüpft wird. Jedoch folgt hier aus der grundlegenden Pflicht zur Förderung des Gesellschaftsinteresses und aus dem Rechtsgedanken aller Interessenwahrungsverträge, wie z. B. Auftrag oder Treuhand, der sog. Prioritätsgrundsatz (auch Grundsatz der Fremdinteressenwahrung596), der den Vorrang des Gesellschaftsinteresses vor kollidie___________ 595 Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 85; KK-Mertens, § 112 Rn. 14 (ausnahmsweise Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats bei wirtschaftlicher Identität des Vorstands mit dem von ihm vertretenen Dritten); Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (317). 596 GK-Hopt, § 93 Rn. 160 Fn. 551.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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renden Interessen des Vorstandsmitglieds selbst oder eines Dritten, als dessen Interessenvertreter er zugleich auftritt, statuiert.597 Besonders problematisch ist die Lage dann, wenn gegenüber dem Dritten ebenfalls Loyalitätspflichten bestehen, was typischerweise auf Aufsichtsratsmitglieder zutrifft, aber auch beim Vorstand denkbar ist. Zulässig und weit verbreitet ist insofern die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaften, die für das betroffene Vorstandsmitglied insbesondere Fragen hinsichtlich der Verwertung erlangter Informationen aufwirft. Hier ist eine differenzierende Betrachtungsweise geboten. Kenntnisse, die eindeutig während der Tätigkeit für eine der Gesellschaften erworben werden und für diese von Interesse sind, sind nur dieser Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, während im Verhältnis zu der anderen Gesellschaft die Verschwiegenheitspflicht gem. § 93 I 3 zum Tragen kommt. Ein Vorrang des Amtes als Vorstandsmitglied besteht insofern nicht.598 Anders ist es bei einer Informationserlangung, die sich keiner der Tätigkeitssphären zuordnen lässt. Solche Informationen sind an beide Gesellschaften weiterzugeben,599 wobei die Stellung als Vorstandsmitglied eine besondere Behandlung der betreffenden Gesellschaft rechtfertigen dürfte.600 Im Konzern ist nach überwiegender Ansicht schließlich auch das Doppelmandat als Vorstandsmitglied des herrschenden und des abhängigen Unternehmens zulässig. Hierbei gelten besondere Verhaltensanforderungen.601 Als Grundregel hat eine Gleichstellung der beiden Posten zu gelten. Hinsichtlich der Weitergabe wichtiger geschäftlicher Informationen wird nach deren Herkunft differenziert, sodass im Rahmen der Tätigkeit für eine der Gesellschaften erlangte Kenntnisse dieser vorzubehalten sind, während eine neutrale Quelle das Organmitglied zur Unterrichtung beider Gesellschaften verpflichtet. Im übrigen wird man dem Vorstandsmitglied im Hinblick auf den Ausgleich kollidierender Interessen aber einen Ermessensspielraum zugestehen müssen, jedoch mit der Maßgabe, dass er nicht einseitig das Konzerninteresse begünstigt und versucht, beiden Pflichtenbindungen Rechnung zu tragen. Bei nachteiligen Weisungen der Muttergesellschaft wird es beispielsweise im Interesse der
___________ 597 So für den Aufsichtsrat BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch); Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 192 ff., 421 ff.; Hopt, ZGR 1993, 534 (540 f.). 598 Weisser, Corporate Opportunities, S. 187 f.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (437). 599 Weisser, Corporate Opportunities, S. 190 f.; GK-Hopt, § 93 Rn. 150; Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (437). 600 Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (437 Fn. 49); GK-Hopt, § 93 Rn. 150; a.A. Weisser, Corporate Opportunities, S. 189 f. 601 GK-Hopt, § 93 Rn. 152; KK-Mertens, § 93 Rn. 59, § 76 Rn. 112 f.; mit Betonung auf Vorteile des Doppelmandats Martens, FS-Heinsius, S. 523 (532 ff.).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Tochter prüfen müssen, ob es diese umsetzen darf und ggf. einen Nachteilsausgleich verlangen.602 Auch für Geschäfte des Vorstandsmitglieds mit der Gesellschaft ist die Rechtslage alles andere als eindeutig. Die Fallgruppe umfasst nämlich zugleich Musterfälle für die Anwendbarkeit des Prioritätsgrundsatzes, als auch solche, in denen dieser an seine Grenzen stößt und die Versagung eigennützigen Handelns nicht mehr geboten erscheint. Zu den letzteren gehört das Aushandeln der Rechte aus dem eigenen Anstellungsvertrag einschließlich des Vergütungsanspruchs, das aktienrechtlich bereits durch die Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat in § 112 und durch die Grundsätze des § 87 abgesichert ist.603 Obwohl das Thema insbesondere im Hinblick auf die Vorstandsvergütung seit Jahren kontrovers diskutiert wird, konzentriert man sich überwiegend auf die Verhaltensregeln für Aufsichtsratsmitglieder und vernachlässigt die Frage, inwiefern die Begünstigten selbst aufgrund ihrer Loyalitätsbeziehung zur Gesellschaft zur Einflussnahme berechtigt bzw. verpflichtet sind.604 Grundsätzlich wird das Gesellschaftsinteresse hier zugunsten der eigenen wirtschaftlichen Interessen zurücktreten müssen, solange die Vorstandsmitglieder dem Ersteren angemessene Beachtung schenken.605 Dies ist beispielsweise nicht mehr der Fall, wenn sie sich durch Einwirkung auf den Aufsichtsrat übertrieben hohe geschäftliche Aufwendungen erstatten oder eine sonstige Vergütung zahlen lassen, die im krassen Missverhältnis zur erbrachten Leistung steht.606 Die Grenze bildet jedenfalls § 87, da der Vorstand auch für das rechtmäßige Verhalten des Aufsichtsrats verantwortlich ist.607 Verlangt werden ferner gesteigerte Offenlegungspflichten im Vergleich zu Verträgen mit Dritten.608 Auf eine Herabsetzung seiner Bezüge braucht sich das Vorstandsmitglied hingegen auch in der Krise der Gesellschaft nicht einzulassen und kann bei entsprechendem Vorgehen des Aufsichtsrats gem. § 87 II 1 nach § 87 II 3 kündigen.609 Ähnlich ist die Interessenlage beim Management-buy-out zu beurteilen. Das Recht zu eigennützigem Handeln wird hier nur durch die Gebote eingeschränkt, die für die ___________ 602 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 (578 f.); vgl. auch BGHSt NJW 1997, 66 (67). 603 s. dazu auch unten, 4. Kapitel, B. II. 7. a). 604 s. aber Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 345 ff., 351, der die gesetzliche Kompetenzzuweisung alleine für ausreichend hält. 605 BGHZ 20, 239 (246); GK-Hopt, § 93 Rn. 160, der mit der auch für die Gesellschaft vorteilhaften Steigerung des Marktwerts am Markt für Unternehmensleiter und Führungskräfte argumentiert; Hopt, ZGR 1993, 534 (541); KK-Mertens, § 93 Rn. 69 f. 606 GK-Hopt, § 93 Rn. 160; KK-Mertens, § 93 Rn. 69; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 80. 607 Peltzer, JuS 2003, 348 (352). 608 BGHZ 20, 237 (246); KK-Mertens, § 93 Rn. 70. 609 KK-Mertens, § 93 Rn. 71.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Bewertung des Unternehmens relevanten Tatsachen offenzulegen, anerkannte betriebswirtschaftliche Regeln einzuhalten und die Existenz der Gesellschaft nicht zu gefährden.610 Für sonstige Geschäfte, bei denen das Vorstandsmitglied der Gesellschaft wie ein Dritter gegenübertritt, gilt die Gewinnerzielung seinerseits zwar ebenfalls als legitim. Die Grenze der Pflichtwidrigkeit ist hier jedoch bereits erreicht, wenn ihm Vorteile gewährt werden, die ausschließlich auf seine Organstellung zurückzuführen sind und einem unabhängigen Dritten so nicht gewährt worden wären. Pflichtgemäßes Verhalten setzt demnach das Aushandeln marktüblicher Konditionen, also eine Transaktion „at arm’s length“ voraus.611 Im Zusammenhang mit einwilligungspflichtigen Aktivitäten dürfen Vorstandsmitglieder den Aufsichtsrat schließlich nicht zu einer Einwilligung bewegen, wenn diese mit ihren Organpflichten unvereinbar und für die Gesellschaft schädlich ist.612 Das bloße Vorliegen eines Interessenkonflikts hat nach bisherigem Recht somit keine Rechtsfolgen, es sei denn, dass der Prioritätsgrundsatz oder einer der sonstigen anerkannten Pflichtentatbestände verletzt werden. In der Literatur ist zwar seit Jahren anerkannt, dass jeder einzelne aktuelle oder potentielle Interessenkonflikt der Gesellschaft gegenüber offen gelegt werden muss, unabhängig davon, ob sein Vorliegen materiell tatsächlich zu einer Pflichtverletzung führen würde. Zudem hat das befangene Vorstandsmitglied der Abstimmung über das betroffene Geschäft fernzubleiben. Die Transparenz wird zum Teil als „zentrale Pflicht“ des Interessenwalters bezeichnet.613 Es kann jedoch bezweifelt werden, dass die Rechtsprechung den bloßen Mangel der Offenlegung als haftungsauslösenden Tatbestand akzeptieren würde, zumal der Nachweis eines Schadens nicht gelingen dürfte, solange sich die Befangenheit des Vorstandsmitglieds nicht tatsächlich in für die Gesellschaft nachteiligen Geschäftskonditionen niederschlägt. Einen Durchbruch stellt nunmehr die Empfehlung des neuen DCGK dar, wonach jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen legen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren soll (Ziff. 4.3.4). In der Praxis war dies bisher nicht üblich.614 Darüber hinaus erinnert der Kodex daran, dass alle Geschäfte zwischen dem Un___________ 610
Hübner, Managerhaftung, S. 72 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten Rn. 152. 611 GK-Hopt, § 93 Rn. 159. 612 KK-Mertens, § 93 Rn. 69. 613 GK-Hopt, § 93 Rn. 185; KK-Mertens, § 93 Rn. 72; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 17-19, 28. 614 Baums, Personal Liabilities of Company Directors in German Law, S. 8 (abrufbar unter http://www.jura.uni-osnabrueck.de/institut/hwr/pdf/a0696.pdf).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ternehmen einerseits und den Vorstandsmitgliedern, ihnen nahestehenden Personen oder Unternehmungen andererseits branchenüblichen Standards entsprechen müssen und empfiehlt, wesentliche Geschäfte von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen (Ziff. 4.3.4). Insbesondere sollen Vorstandsmitglieder Nebentätigkeiten, darunter externe Aufsichtsratsmandate, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen (Ziff. 4.3.5).
cc) Kredite der AG an den Vorstand: § 89 AktG Kredite der Gesellschaft an Vorstandsmitglieder dürfen nur im Rahmen des § 89 aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats gewährt werden (§ 93 III Nr. 8). Sie sind aber zulässig, wenn kein besonderes Kreditrisiko besteht, sprich auch eine Bank den Kredit gewähren würde. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Gesellschaft ein besonderes Interesse an der Kreditgewährung hat oder eine solche auch bei Angestellten des Unternehmens ohne nähere Risikoprüfung üblich ist.615 Ausgenommen sind ferner Kredite, deren Höhe ein Monatsgehalt nicht überschreitet (Abs. 1 S. 5). Die Einschränkungen gelten auch für Kredite an Ehegatten, Lebenspartner, minderjährige Kinder des Vorstandsmitglieds, an Dritte, die für dessen Rechnung oder für Rechnung der genannten Personen handeln, sowie für Kredite an konzernfremde juristische Personen bzw. Personenhandelsgesellschaften, bei denen das Vorstandsmitglied als gesetzlicher Vertreter, Aufsichtsratsmitglied bzw. Gesellschafter fungiert (Abs. III und IV). Alle gewährten Kredite bzw. Vorschüsse sind schließlich gem. § 285 Nr. 9 c HGB unter Angabe der Zinssätze im Anhang zum Jahresabschluss zu veröffentlichen.
b) Geschäftsführer: § 181 BGB, §§ 35 IV, 47 IV GmbHG Anders als das Aktienrecht kennt das GmbHG keinen obligatorischen Aufsichtsrat, dem es die Vertretung der Gesellschaft gegenüber deren Geschäftsführern zuweisen könnte. Für Insichgeschäfte des GmbH-Geschäftsführers wird deshalb § 181 BGB relevant, der das Selbstkontrahieren und die Mehrvertretung (Doppelvertretung) verbietet. Der Geschäftsführer darf also als Vertreter der Gesellschaft grundsätzlich keine Verträge mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten abschließen. Ein praxisrelevantes Beispiel ist die Mehrfachorganschaft innerhalb eines Konzerns. Betroffen sind ferner Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG, wenn diese mit der Komplementär-GmbH kontrahieren will, ihre eigenen Verträge ändert oder wenn der Geschäftsführer zugleich Kom___________ 615
KK-Mertens, § 89 Rn. 2, 21; § 93 Rn. 62, 66.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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manditist ist.616 Vom Verbot ausgenommen sind nach § 181 nur Rechtsgeschäfte, die ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen oder der Gesellschaft lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen.617 Im Gesellschaftsrecht ist darüber hinaus anerkannt, dass die Norm nicht auf Akte der körperschaftlichen Willensbildung, mithin auf die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung anzuwenden ist.618 Dementsprechend kann sich ein Alleingesellschafter selbst zum Geschäftsführer bestellen. Nur wenn einer von mehreren Gesellschaftern als deren Vertreter in Gesellschafterversammlungen fungiert, steht § 181 seiner Bestellung im Wege.619 Rechtsfolge des Selbstkontrahierungsverbots ist entsprechend § 177 BGB die schwebende Unwirksamkeit der entsprechenden Willenserklärung, die durch Genehmigung des Vertretenen – bei Doppelvertretung der beiden Vertretenen – behoben werden kann.620 Die Wirksamkeit des Insichgeschäfts setzt aber zudem voraus, dass dieses nach außen erkennbar vorgenommen, also beispielsweise schriftlich festgehalten worden ist.621 Die Strenge des Verbots wird durch die Möglichkeit der Gesellschaft aufgewogen, den Geschäftsführer davon zu befreien und somit für eine „Gestattung“ i.S.d. § 181 BGB zu sorgen. Die Befreiung erfolgt durch Satzung oder durch Beschluss des Bestellungsorgans – üblicherweise der Gesellschafterversammlung – und kann entweder generell oder für den konkreten Einzelfall erteilt werden. Für konkrete, ad hoc gefasste Befreiungsbeschlüsse, ist nach richtiger Ansicht keine Satzungsermächtigung zu verlangen,622 wohingegen eine generelle Befreiung in der Satzung verankert und ins Handelsregister eingetragen werden sollte.623 Umstritten war lange Zeit die Anwendbarkeit des § 181 auf die EinmannGmbH, deren Gesellschafter zugleich alleiniger Geschäftsführer ist. Der BGH hat diese zunächst bejaht und lediglich eine Befreiung durch Satzungsänderung zugelassen.624 Sodann verneinte er aber die Schutzbedürftigkeit des geschäfts___________ 616
Bachmann, ZIP 1999, 85. BGHZ 59, 236. 618 BGHZ 52, 316; BayObLG BB 1984, 1117. 619 BGHZ 112, 339. 620 Palandt-Heinrichs, § 181 Rn. 15; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 35 Rn. 66 (Aufsichtsrat oder Gesellschafter). 621 Palandt-Heinrichs, § 181 Rn. 23; BGHZ 75, 358 (363); OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 583. 622 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 35; a.A. BGHZ 33, 189 (191 f.) und BayObLG DB 1984, 1517 für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer; PalandtHeinrichs, § 181 Rn. 19. 623 BGHZ 87, 59 (61); 114, 167 (170); OLG Köln NJW 1993, 1018; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1193. 624 BGHZ 33, 189. 617
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
führenden Alleingesellschafters, erklärte das Verbot für unanwendbar und verlangte lediglich eine schriftliche Aufzeichnung bzw. Verbuchung des betroffenen Rechtsgeschäfts.625 Der Streit wurde schließlich vom Gesetzgeber in dem heutigen § 35 IV 1 beendet, der nunmehr die Anwendbarkeit des § 181 BGB anordnet mit der Folge, dass Insichgeschäfte ohne eine ausdrückliche satzungsmäßige Gestattung bzw. eine Ermächtigung hierzu626 unwirksam sind.627 Sie sind nach Satz zwei ferner unverzüglich in eine Niederschrift aufzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Gesellschafter nicht alleiniger Geschäftsführer ist. Den sonstigen Arten von Interessenkonflikten begegnet der Gesetzgeber – ähnlich wie bei § 136 I AktG – in erster Linie mit Stimmverboten nach § 47 IV. Die Norm beruht auf zwei Prinzipien, und zwar dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, und dass ähnlich § 181 BGB niemand zugleich auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts stehen soll. Beide erübrigen sich in einer Einmanngesellschaft oder bei gleicher Betroffenheit sämtlicher Gesellschafter. Im Einzelnen ist der Gesellschafter-Geschäftsführer von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn er durch den Beschluss entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll (S. 1), bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der Gesellschaft sowie über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn (S. 2). Das erste der o.g. Prinzipien ist aber auch dort betroffen, wo Maßnahmen aus wichtigem Grund gegen den GesellschafterGeschäftsführer zur Debatte stehen, weshalb Rechtsprechung und Literatur § 47 IV auch hier analog anwenden.628 Entsprechend § 136 AktG kann der Betroffene das Stimmverbot nicht umgehen, indem er einen Vertreter bzw. Treuhänder vorschickt629 oder für einen Gesellschafter in Form einer juristischen Person als dessen gesetzlicher Vertreter abstimmt. Analog § 136 II wird man auch solche Gesellschaften von ihrem Stimmrecht ausschließen müssen, die unter dem beherrschenden Einfluss des befangenen Geschäftsführers stehen, sofern zwischen diesen eine Abhängigkeit i.S.d. § 17 AktG besteht.630 Nicht anwendbar ist § 47 IV hingegen auf Akte der körperschaftlichen Willensbildung, namentlich die Bestellung und Abberufung als Geschäftsführer, mit Ausnahme der Abberufung aus wichtigem Grund.631 Ein Gesellschafter soll seine Mit___________ 625
BGHZ 56, 97; 75, 358. Für ausreichend hielt diese das OLG Hamm GmbHR 1998, 683; a.A. Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 79. 627 BGHZ 87, 59 (60); Bachmann, ZIP 1999, 85. 628 Für die Abberufung aus wichtigem Grund s. RGZ 124, 371 (380); 138, 98 (103 f.); OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 1098. 629 OLG München GmbHR 1995, 231 (GmbH). 630 BGHZ 36, 296 (299); BGH GmbHR 1977, 127. 631 RGZ 74, 277 (278 f.); BGHZ 18, 205 (210). 626
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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gliedsrechte selbstverständlich auch im eigenen Interesse ausüben dürfen.632 Dasselbe gilt nach der Rechtsprechung aber auch für den Abschluss und die Kündigung des Anstellungsvertrags.633 Nicht anwendbar ist § 47 IV schließlich auch auf Angehörige des Betroffenen sowie auf sonstige ihm nahestehende oder wirtschaftlich interessierte Personen.634 Über die Stimmverbote hinaus kann auch der Missbrauch der Stimmrechtsmacht die Stimme unwirksam und den entsprechenden Beschluss anfechtbar machen. Dies ist der Fall, wenn mit der Stimmabgabe gesellschaftsfremde Sondervorteile erstrebt werden (§ 243 II AktG), wenn ein Mehrheitsgesellschafter entgegen seiner Treuepflicht und entgegen dem Interesse der Gesellschaft und seiner Mitgesellschafter Maßnahmen beschließt, oder wenn ein Minderheitsgesellschafter solche verhindert. Die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs erfordert im Einzelfall jedoch eine sorgfältige Abwägung aller Umstände und die Abgrenzung der berechtigten Wahrnehmung eigener Interessen vom eigennützigen Missbrauch der Mehrheitsmacht bzw. der Sperrminorität.635 Über das Stimmverbot hinaus kennt auch das GmbH-Recht somit keinen allgemeinen Mechanismus zum Schutz der Gesellschaft gegen Interessenkonflikte, die im Anwendungsbereich des § 181 zulässig sind oder diesem nicht unterfallen. Weitgehend anerkannt ist lediglich, dass das Vorliegen eines Interessenkonflikts das unternehmerische Ermessen des Geschäftsführers einschränkt und seine Entscheidungen einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle zugänglich macht.636 So wird vom Geschäftsführer beim Aushandeln eigener Anstellungsbedingungen bzw. bei der Verfolgung sonstiger eigener Interessen zwar keine völlige Zurückhaltung, aber zumindest eine gewisse Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsinteresse erwartet. Er hat bei der Auswahl seines Dienstwagens, bei Konferenzen, Studienreisen und sonstigen repräsentativen Aufgaben Sparsamkeit oder zumindest Zurückhaltung an den Tag zu legen.637 Er ist ferner in jedem Falle zu rückhaltloser Offenheit gegenüber den entscheidungsbefugten Organmitgliedern verpflichtet.638 Austauschgeschäfte zwischen der Gesellschaft (vertreten durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer) und den Gesellschaftern werden schließlich daraufhin überprüft, ob sie „fair und angemessen“ ___________ 632 Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 225 ff. 633 BGHZ 18, 205 (210); 51, 209 (215 f.); zustimmend Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 143 ff. 634 BGHZ 56, 47 (54); 80, 69 (71). 635 BGHZ 80, 69; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 33 Rn. 68. 636 s. o., 3. Kapitel, B. II. 4.; ferner Scholz/Schneider, § 43 Rn. 152. 637 RGZ 148, 357 (361); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 141 f. 638 BGHZ 20, 239 (246); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 143.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sind, also unter gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen worden wären.639 Darüber hinaus wird zwar auch von einer „Pflicht“ des Geschäftsführers gesprochen, eine Interessenkollision gegenüber den Gesellschaftern offenzulegen.640 Sanktionen können an die Verletzung dieses Gebots zur Zeit jedoch nur dann geknüpft werden, wenn sich der Interessenkonflikt für die Gesellschaft tatsächlich in ungünstigeren Geschäftskonditionen niederschlägt und einen Vermögensschaden begründet, was die Gesellschaft aber erst nachweisen muss.641 Daher fordert Lutter, dass dem befangenen Geschäftsführer die Mitwirkung auf beiden Seiten des Geschäfts verboten wird und dieses von anderen Personen verhandelt wird.642 Kredite dürfen den Geschäftsführern nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der GmbH gewährt werden (§ 43 a).
c) Aufsichtsrat Wie oben gezeigt, wird den Aufsichtsratsmitgliedern eine unbedingte Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse auferlegt, ohne dass das Gesetz Vorschläge zum Umgang mit den zahlreichen, in diesem Gremium geradezu institutionalisierten Interessenkonflikten macht.643 Vorprogrammiert sind hier Unvereinbarkeiten der hauptamtlichen Beschäftigung mit dem Nebenamt als Aufsichtratsmitglied, zwischen mehreren Aufsichtsratsmandaten, zwischen der Rolle als Unternehmensorgan und zugleich Repräsentant der Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Das gesetzliche Modell, das von einer offenen Aussprache über die Interessengegensätze und deren Abstimmung aufeinander ausgeht, ist hier wenig praktikabel und bietet nur punktuell Lösungsmöglichkeiten. Das Problem des Insichgeschäfts stellt sich für den Aufsichtsrat hingegen nicht, da dieser grundsätzlich nicht als Vertreter der AG fungiert. Das erste und strengste Instrument zur präventiven Ausschaltung von Interessenkonflikten stellen die Unvereinbarkeitsregeln des § 100 II dar. Keinen Zugang zum Amt hat danach, wer bereits Aufsichtsratsmitglied in zehn Han___________ 639
Scholz/Schneider, § 43 Rn. 153. Lutter, GmbHR 2000, 301 (306); Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (700). 641 Vgl. OLG Koblenz GmbHR 1999, 1201, wo dem Geschäftsführer ein Verstoß gegen die Interessen der Gesellschaft vorgeworfen wurde, nachdem er Forderungen einer Ingenieur-Gesellschaft, an der er beteiligt war, vor Fälligkeit beglichen hatte. 642 Lutter, GmbHR 2000, 301 (306) mit dem Beispiel des Geschäftsführers, der zugleich (Mit-)Inhaber eines Lieferanten der GmbH ist, mit dem über einen Lieferauftrag verhandelt wird. 643 Ulmer, NJW 1980, 1603. 640
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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delsgesellschaften ist, die einen Aufsichtsrat bilden müssen ( § 100 II 1 Nr. 1). Dabei sind aber bis zu fünf Aufsichtsratssitze nicht anzurechnen, die ein gesetzlicher Vertreter eines herrschenden Unternehmens in den Konzerngesellschaften innehat (§ 100 II 2), wodurch eine einheitliche Konzernleitung erleichtert wird. Doppelt anzurechnen sind seit dem KonTraG hingegen die Ämter, die als Aufsichtsratsvorsitzender wahrgenommen werden (§ 100 II 3). Ausgeschlossen sind auch gesetzliche Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens (§ 100 II 1 Nr. 2) sowie gesetzliche Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört (§ 100 II 1 Nr. 3, sog. Verbot der Überkreuzverflechtung). Der DCGK erwartet von Vorständen börsennotierter Gesellschaften allerdings, dass diese nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften übernehmen (Ziff. 5.4.5). Umstritten ist außerdem, ob über die gesetzliche Regelung hinaus Unvereinbarkeit anzunehmen ist, wenn dieselbe Person Aufsichtsratsmandate in zwei konkurrierenden Unternehmen innehat. Die herrschende Ansicht verneint dies und lässt in besonders krassen Fällen eine Abberufung aus wichtigem Grund zu.644 Dies widerspricht jedoch dem Grundsatz, dass das Aufsichtsratsmitglied das Wohl seiner Gesellschaft fördern soll, da sich die Interessen zweier miteinander konkurrierender Unternehmen nicht gleichzeitig vertreten lassen. Deshalb fordert eine andere Ansicht zurecht die Niederlegung eines der Mandate in einem solchen Fall.645 Dieser Tendenz folgt auch die Empfehlung des DCGK, nach der Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern ausüben sollen (Ziff. 5.4.2). Weiterhin sollen die Unternehmen auf freiwilliger Basis bereits beim Vorschlagen neuer Kandidaten auf potentielle Interessenkonflikte sowie darauf achten, dass dem Aufsichtsrat jederzeit hinreichend unabhängige Mitglieder angehören (Ziff. 5.4.1). Von Vorteil sei ferner, wenn dem Gremium nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören (Ziff. 5.4.2). Ferner trifft das Aufsichtsratsmitglied in seiner Eigenschaft als Aktionär nach der ausdrücklichen Regelung des § 136 I ein Stimmverbot in der Hauptversammlung bei Beschlüssen über seine Entlastung, Befreiung von einer Verbindlichkeit oder die Geltendmachung eines Anspruchs der Gesellschaft gegen ihn. Aber auch im Aufsichtsrat selbst unterliegt das Mitglied in analoger Anwendung des § 34 BGB einem Stimmverbot für den Fall, dass der Beschluss ein Rechtsgeschäft mit ihm oder die Einleitung bzw. Erledigung eines ihn betreffenden Rechtsstreits zum Gegenstand hat.646 Davon umfasst sind u.a. Anstel___________ 644
BGHZ 39, 116 (123). Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 797. 646 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 771; KK-Mertens, § 108 Rn. 49. 645
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
lungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, nicht jedoch körperschaftliche Akte wie deren Bestellung in den Vorstand.647 Ein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkollisionen existiert im Gesellschaftsrecht hingegen nicht. Für den besonders missbrauchsanfälligen Bereich der Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder hat der Gesetzgeber in § 115 eine spezielle, strengere Regelung getroffen. Danach dürfen Kredite an Aufsichtsratsmitglieder (Abs. 1), deren Angehörige und mittelbare Stellvertreter (Abs. 2) sowie an juristische Personen, deren gesetzlicher Vertreter der Betroffene ist, bzw. an Personenhandelsgesellschaften, deren Gesellschafter er ist (Abs. 3), nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewährt werden. Ausnahmen gelten gem. § 115 III 2 lediglich für verbundene Unternehmen und für Abnehmerkredite. Fehlt die Einwilligung, so ist der Kredit sofort zurückzugewähren (Abs. 4), ohne dass das Kreditgeschäft unwirksam wäre.648 Dies gilt nicht, sofern das Aufsichtsratsmitglied nicht selbst Kreditnehmer war, jedoch haftet auch dieses der Gesellschaft gegenüber aus § 116 S. 1 i.V.m. § 93 III Nr. 8.649 Für die Vielzahl der nicht von diesen Spezialregeln umfassten Kollisionsfälle gilt es indes, andere Entschärfungsmöglichkeiten zu finden. Das KonTraG hat hier 1998 auf jegliche Verbote oder Beschränkungen verzichtet und lediglich für die Transparenz der auftretenden Interessenkonflikte gesorgt. So muss der Aufsichtsrat, der den Aktionären einen Vorschlag für die Bestellung eines neuen Aufsichtsratsmitglieds unterbreitet, außer Namen und Wohnort auch dessen ausgeübten Beruf einschließlich des Arbeitgebers angeben (§ 124 III 1, 3). Bei börsennotierten Gesellschaften sind zusätzlich Angaben über dessen Mitgliedschaft in anderen Aufsichtsräten zu machen, die auch Mandate in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien umfassen sollten (§ 125 I 3). Entsprechende Angaben sind im Anhang zum Jahresabschluss zu veröffentlichen (§ 285 Nr. 10 HGB). Krasse Interessenkonflikte, insbesondere Mandate in konkurrierenden Unternehmen, sollen auf diese Weise vermieden oder zumindest der Kontrolle und Billigung durch die Gesellschafter unterworfen werden. Noch weiter geht hier der neue DCGK, nach dessen Ziff. 5.5.2 jedes Aufsichtsratsmitglied Interessenkonflikte – vor allem die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern – dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen soll. Über alle aufgetretenen Interessenkonflikte und deren Behandlung soll der Aufsichtsrat ferner in seinem Bericht an die Hauptversammlung informieren. Wesentliche und nicht nur vorübergehende Konfliktsituationen sollen schließlich zur Beendigung des Mandats führen (Ziff. 5.5.3). ___________ 647
KK-Mertens, § 108 Rn. 50; a.A. Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605). KK-Mertens, § 115 Rn. 6. 649 KK-Mertens, § 115 Rn. 6. 648
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, sind in konkreten Fällen aber auch schon nach geltendem, zwingendem Recht schärfere Sanktionen denkbar. Zu den häufigsten Interessenkonflikten der Anteilseignerseite gehören Mehrfachmandate innerhalb eines Konzerns,650 die hauptberufliche Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, mit dem die Gesellschaft geschäftliche Kontakte unterhält sowie das Mandat in einem staatlichen Unternehmen, das von einem Beamten bzw. Politiker wahrgenommen wird. So hatte das OLG Hamburg651 über den Fall des schleswig-holsteinischen Sozialund Energieministers Jansen zu entscheiden, der der SPD angehörte, ein bekannter Kernkraftgegner war und zugleich im Aufsichtsrat der Hamburgischen ElectricitätsWerke AG saß. Da 79 % des von dem Unternehmen gehandelten Stroms aus Kernenergie gewonnen wurden und die Vertretung der Unternehmensinteressen somit unmöglich schien, hat eine Aktionärsminderheit erfolgreich seine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund gem. § 103 III 3 durchsetzen können.
Das prominenteste Beispiel einer anderweitigen Hauptbeschäftigung sind Vertreter der Hausbanken der Gesellschaft, die sich mit Hilfe des Aufsichtsratsmandats die für die Bank relevanten Informationen über das Unternehmen beschaffen können. Entscheidet sich der Bankvertreter angesichts einer solchen Konfliktlage aber für die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber der Bank und empfiehlt er dem Vorstand den Abschluss eines für die AG schädlichen Geschäfts, so haftet er aus §§ 116, 93. So entschied der BGH im sog. Schaffgotsch-Fall,652 in dem der Aufsichtsratsvorsitzende in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter einer notleidenden Bank dieser einen Wechselkredit der AG i. H. v. 1 Mio. DM verschafft hatte, wohl damit rechnend, dass die Bank dennoch zusammenbrechen werde. Insbesondere sei eine Pflichtenkollision kein Rechtfertigungsgrund in dem Sinne, dass die Pflichterfüllung gegenüber dem einen Unternehmen eine Pflichtverletzung gegenüber dem anderen Unternehmen rechtfertigen könne. „Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, ist, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich“ (sog. Grundsatz der Unteilbarkeit der Aufsichtsratsverantwortung).653
Wie dieser Fall zeigt, ist die bloße Vornahme eines Geschäfts trotz Vorliegens einer Interessenkollision noch kein Haftungsgrund, weil hier nicht automatisch von einer Äquivalenzstörung bei den ausgehandelten Vertragsbedingungen ausgegangen werden dürfe.654 Vielmehr muss das betreffende Geschäft für das Unternehmen nachteilig sein, wobei das Aufsichtsratsmitglied dessen ___________ 650
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 12. OLG Hamburg AG 1990, 218. 652 BGH NJW 1980, 1629. 653 BGH NJW 1980, 1629 (1630); s. auch schon RGZ 165, 68 (82); ferner Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606). 654 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1607). 651
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Zustandekommen in Kenntnis des Nachteils vorsätzlich oder fahrlässig gefördert haben muss. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist es dem Betroffen nicht nur verboten, für das fragliche Geschäft zu stimmen. Er wird ebensowenig durch die bloße Stimmenthaltung bzw. die Stimmabgabe dagegen entlastet, weil der Grundsatz der Gesamtverantwortung gebietet, dass er sich ausdrücklich und mit Begründung gegen die Maßnahme stellt oder – falls er sich aufgrund der Pflichtenkollision außerstande sieht, den Vorrang des Unternehmensinteresses zu wahren – sein Amt niederlegt.655 Diese strenge Sichtweise gilt allerdings nur für Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Aufsichtsratsmandats stehen und Rechtsgeschäfte bzw. unmittelbare Beziehungen zur AG betreffen. Die hauptamtliche oder sonstige Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb der Geschäftssphäre der AG muss sich hingegen nach den dort betroffenen Interessen orientieren dürfen, solange sie die AG nicht willkürlich bzw. unmittelbar schädigt oder mit einer unbefugten Ausnutzung interner Informationen einhergeht.656 Die richtige Balance kann jedoch nur vom Aufsichtsratsmitglied selbst im konkreten Fall und in eigener Verantwortung gefunden werden. Nicht weniger konfliktträchtig ist die Lage der Arbeitnehmerseite. Ihre Vertreter sind mit dem allgemeinen Interessenkonflikt zwischen der Belegschaft, den Aktionären und dem Management belastet. Bei Gewerkschaftsmitgliedern kommt u.U. die Rolle in Tarifverhandlungen und Arbeitskampf hinzu, ergänzt um die Problematik der Mehrfachmandate in konkurrierenden oder im Geschäftskontakt stehenden Unternehmen.657 Das vielleicht krasseste Beispiel aus der Praxis ist Frank Bsirske, der Vorsitzende von Verdi, einer der weltweit größten Gewerkschaften, und zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Deutschen Lufthansa. Während der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes Ende 2002 haben Verdi und Bsirske u.a. Flughafenpersonal zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Der Warnstreik von Sicherheitsdienst, Bodenpersonal und Feuerwehr hat die Lufthansa zur Streichung von rund 360 Flügen gezwungen und dem ohnehin angeschlagenen Unternehmen Umsatzeinbußen im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich beschert. Darauf war der „Aufsichtsrat Bsirske“ zuvor vom Vorstandssprecher Jürgen Weber in einem Brief ausdrücklich hingewiesen worden.658 Inzwischen geht Weber von einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe aus.659 Zu-
___________ 655
Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 131. 656 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605 ff.). Namentlich muss dem Aufsichtsratsmitglied seine hauptamtliche Tätigkeit – beispielsweise als Politiker – möglich sein, ohne dass er auch dort einseitig die Interessen der AG verfolgen muss. Andernfalls würde man gerade qualifizierte Kandidaten von der Übernahme eines solchen Nebenamtes abschrecken. s. auch BGHZ 64, 325 (Bayer); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 131. 657 Hanau, ZGR 1977, 402. 658 s. FAZ v. 18.12.2002 S. 11, 12. 659 FAZ v. 20.6.2003 S. 17.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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dem hat Verdi kurze Zeit später – diesmal ohne die Wortführerschaft Bsirskes, aber auch ohne dessen Widerspruch – in der Tarifrunde der Lufthansa selbst mit neun Prozent plus Ergebnisbeteiligung die höchste Lohnforderung der jüngsten Tarifverhandlungen gestellt, deren Erfüllung das Unternehmen mehr als € 200 Mio. kosten würde.660
In seiner Funktion als Aufsichtsrat ist auch das Gewerkschaftsmitglied an das Unternehmensinteresse gebunden und hat diesem grundsätzlich Vorrang vor den Interessen der von ihm repräsentierten Gruppen einzuräumen. Die Natur des Aufsichtsratsamtes als Nebentätigkeit und das Mitbestimmungsmodell führen aber dazu, dass dieser Grundsatz häufig durchbrochen und ein wissentliches Handeln entgegen dem Unternehmensinteresse zugelassen wird. De lege lata wird aber zumindest zu fordern sein, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die eigene Gesellschaft nicht direkt schädigen, indem sie aktiv zur Bestreikung des eigenen Unternehmens aufrufen.661 Eine indirekte Schädigung, die – wie im Fall des Streiks des Flughafenpersonals – auch noch außerhalb der eigentlichen Organfunktion erfolgt, muss wohl vorerst hingenommen werden.662
d) Beirat Entsprechend der Schaffgotsch-Entscheidung des BGH663 wirken Interessenkollisionen aufgrund der Gesellschafterstellung oder Mitarbeit in anderen Unternehmen bei pflichtwidrigem Handeln des Beiratsmitglieds nicht entlastend. Der Betroffene kann vielmehr zur Niederlegung des Mandats verpflichtet sein.664 Bei Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen gegenüber der Gesellschaft müssen die Beiratsmitglieder aber lediglich darauf achten, dass sie die Grenzen eines angemessenen Interessenausgleichs nicht überschreiten.665 Sie unterliegen der Verschwiegenheitspflicht entsprechend §§ 116, 93 I 3 AktG.666 ___________ 660
FAZ v. 28.1.2003 S. 17. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 778; a.A. Hanau, ZGR 1977, 402 (405 f.). 662 Vgl. aber andererseits Fleck, FS-Heinsius, S. 89 (91), der allgemein für die hauptberufliche Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seiner Organfunktionen zwar den unbedingten Vorrang des Gesellschaftsinteresses ablehnt, von ihm aber die Einhaltung der Gebote des geschäftlichen Anstands und der Fairneß erwartet. Das Aufsichtsratsmitglied soll darauf achten, „die Gesellschaft nicht über das wirtschaftlich gebotene Maß hinaus oder in einer Weise zu schädigen, die zu dem angestrebten Erfolg in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht.“ 663 BGH NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch). 664 Voormann, Der Beirat, S. 191. 665 Voormann, Der Beirat, S. 151. 666 Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 17. 661
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
e) Rechtsvergleich In der Theorie erscheint der englische Umgang mit Interessenkonflikten als sehr rigoros und umfassend. Die Absolutheit des von der no-conflict rule aufgestellten Verbots sorgt für Rechtssicherheit und hat den Vorteil, dass eine zeitraubende und teure Inhaltskontrolle der einzelnen Verträge der Gesellschaft durch Gerichte vermieden wird.667 Die enorme Reichweite, insbesondere die Ausdehnung auf alle materiellen Interessenkonflikte und die Sanktionierung rein potentieller Konfliktlagen,668 sichert den lückenlosen Schutz der Gesellschaft vor externen Einflüssen auf ihre Treuhänder. Eine derart konsequente Ächtung von Interessenkonflikten behindert aber zugleich den Geschäftsverkehr und verweist die Gesellschaft auch dann auf Außenstehende als Vertragspartner, wenn der eigene Geschäftsleiter gerade der einzige oder der beste Lieferant der benötigten Leistung wäre. Sie lässt ferner außer Betracht, dass es oft im Interesse der Gesellschaft liegen wird, Personen mit guten externen Geschäftsbeziehungen als Direktoren zu bestellen.669 In der Rechtswirklichkeit haben diese Schwächen inzwischen dazu geführt, dass in der heutigen dogmatischen Diskussion die satzungsmäßige Freistellung von dem Konfliktverbot den Regelfall bildet und es nur noch die Frage nach den verfahrenstechnischen Mindestvoraussetzungen der Freistellung zu beantworten gilt.670 Der Direktor einer Company, die nicht börsennotiert ist und die Satzungsfreiheit insofern ausgeschöpft hat, darf deshalb bei Vorliegen einer Konfliktlage nicht nur weiterhin sein Amt ausüben, sondern auch an der betroffenen Entscheidung mitwirken und ggf. ein Insichgeschäft abschließen, solange er in der relevanten Board-Sitzung den Interessenkonflikt offen legt. Die Äquivalenz von Austauschverträgen wird daher weder durch ein generelles Verbot, noch durch richterliche Inhaltskontrolle verordnet, sondern in die Verantwortung der Beteiligten gestellt, wobei der Gesetzgeber für die Transparenz der Gefahrenlage sorgt. Wann von einer solchen Gefahrenlage auszugehen ist, richtet sich nunmehr ebenfalls nach der engeren Definition des Gesetzesrechts, sodass neben den Rechtsfolgen auch die Reichweite der dispositiven,671 richterrechtlichen no-conflict rule faktisch erheblich eingeschränkt ist. Insbesondere wird ein latenter Interessenkonflikt erst dann i.S.d. Section 317 CA 1985 rele___________ 667 Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (305); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 393 f. 668 s. die Formulierung von Lord Herschell in Bray v. Ford [1896] AC 44 (51 f.), HL. 669 s. ausführlich Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (300 ff., 305 f.); ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 392. 670 Vgl. Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (302). 671 Zu der Frage, wie eine dispositve Loyalitätspflicht existieren kann, obwohl Section 309A CA 1985 alle Formen der Leitungshaftung für zwingend erklärt, s. ausführlich unten, 5. Kapitel, A. II.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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vant, wenn die Aktivitäten der Gesellschaft in dem davon betroffenen Bereich zumindest das Stadium einer Vereinbarung bzw. eines entsprechenden Vorschlags erreicht haben. Demgegenüber erfasste die rule of equity noch potentielle Interessenkonflikte, wenn auch die Auswertung des Fallmaterials gezeigt hat, dass die gerichtliche Praxis nahezu ausschließlich von Fällen dominiert wurde, in denen die Gesellschaft die Kontrolle eines bestimmten Vertrages und den Ausgleich der ihr daraus entstandenen Nachteile begehrte. Dementsprechend standen Vertragsanfechtung und Schadensersatz als Rechtsfolgen im Mittelpunkt. Es verwundert daher nicht, dass sich das DTI im Rahmen des Company Law Review für eine ausgewogenere Regelung entschieden hat.672 Es bleibt abzuwarten, ob Interessenkonflikte unterhalb der Schwelle einer (geplanten) Transaktion tatsächlich jemals dem Board zur Abstimmung vorgelegt werden, wenn die Möglichkeit der standardmäßigen Abbedingung des Konfliktverbotes durch Satzung entfällt. Bei den übrigen, gewichtigeren Interessenkonflikten wird auf der Rechtsfolgenseite jedenfalls endlich Klarheit herrschen: Die Verletzung der neuen Transparenzregeln hat nur dann zivlirechtliche Konsequenzen, wenn sie das Innenverhältnis Direktor-Gesellschaft betrifft, während im Außenverhältnis der Verkehrsschutz vorgeht. Diese Entwicklung spricht zum Teil für den deutschen Gesetzgeber, der nur bestimmte, an eine formelle Rechtsstellung geknüpfte Interessenkonflikte für regulierbar gehalten hat.673 Dazu gehört vor allem der Bereich der Insichgeschäfte, bei denen die Mitwirkung ein und derselben Person auf beiden Seiten des Geschäfts und somit die Gefahr einer Äquivalenzstörung leicht feststellbar ist. Bei der GmbH drohen bei der alleinigen Anwendung des § 181 BGB indes ähnliche Schwierigkeiten wie in Großbritannien: die Norm ist sowohl im Hinblick auf ihren Tatbestand (materielle Inhaltskontrolle findet nicht statt) als auch auf ihre Rechtsfolgen (schwebende Unwirksamkeit) verhältnismäßig streng, was zu deren zulässigen Abbedingung einlädt. Die dann entstehende Schutzlücke ist nur damit zu rechtfertigen, dass die Gesellschafter der GmbH nach dem gesetzlichen Modell an der Geschäftsführung beteiligt sind und den Abschluss fragwürdiger Geschäfte selbst überwachen können. In der AG, wo dies nicht erwartet werden kann, schafft § 112 Abhilfe, indem er ein Selbstkontrahieren des Vorstands durch die Verlagerung der entsprechenden Entscheidungen auf den Aufsichtsrat verhindert und damit – ähnlich wie das englische Recht – dem Befangenen die Möglichkeit nimmt, die Gesellschaft wirksam zu binden.674 Dies gewährleistet am besten eine objektive, unbefangene ___________ 672
s. o., 4. Kapitel, A. II. 4. e). Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 79; Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (316 Fn. 114). 674 Wirkt der Vorstand entgegen § 112 auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts mit, dann ist dieses trotz seiner gem. § 82 I umfassenden Vertretungsmacht gem. § 134 BGB 673
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
und zeitnahe Kontrolle der Vertragsbedingungen, ohne die Geschäftstätigkeit zu lähmen, wie dies bei einer Kompetenzverlagerung auf die schwerfällige Hauptversammlung der Fall wäre. Hinzu kommen die Wettbewerbsverbote, mit denen der Mehrvertretung vorgebeugt wird. Die Schwäche dieser ausgewogenen Lösung ist aber ihr begrenzter Anwendungsbereich: das gesamte Problemfeld der materiellen Interessenkonflikte wird ausgeklammert. Ähnlich verhält es sich mit der ebenfalls sehr zweckmäßigen aber nur punktuellen Regelung der Stimmverbote in den §§ 136 AktG und 47 IV GmbHG. Sie sorgen für Schutz in der Konstellation, dass der vom Interessenkonflikt belastete Geschäftsleiter zugleich Gesellschafter ist und werden durch die Grundsätze des Missbrauchs der Stimmrechtsmacht, insbesondere in Form der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, ergänzt. Das hier völlig liberale englische Recht steuert zunehmend auf die Einführung ähnlicher Schutzmechanismen zu.675 In allen übrigen Fällen verbleibt einer deutschen Gesellschaft nur die Möglichkeit, den Vertragsinhalt gerichtlich überprüfen zu lassen. Dazu muss sie aber nicht nur die Gefahrenlage erkennen, sondern eine konkrete Verletzung des Prioritätsgrundsatzes behaupten und einen entsprechenden Schaden, also eine Abweichung von den branchenüblichen Konditionen, beziffern können. Da eine solche Prozedur sehr aufwendig und kostspielig ist, wird sie nur in Einzelfällen in Anspruch genommen, während die Masse der von Interessenkonflikten belasteten Transaktionen unentdeckt bzw. quasi legalisiert wird.676 Aber auch bei erfolgreicher Vertragskontrolle – immerhin wird dem Geschäftsleiter bei Vorliegen eines Interessenkonflikt kein haftungsfreier Raum des unternehmerischen Ermessens zugute kommen – ist zweifelhaft, ob die Beurteilung des Nutzens wirtschaftlicher Verträge den Gerichten überlassen werden sollte.677 Zweckmäßiger erscheint vielmehr eine Einschätzung durch die Gesellschaft selbst, solange diese in voller Kenntnis der relevanten Umstände handeln kann. Im Sinne der Transparenz spricht sich die Literatur schon lange für eine Pflicht zur Offenlegung aller aktuellen und potentiellen Interessenkonflikte gegenüber der Gesellschaft aus. Solange zu ihrer Sanktionierung aber nur die allgemeinen Rechtsfolgen für Pflichtverletzungen stehen und einen Schadensnachweis erfordern, fehlt es der Pflicht an eigenständiger Bedeutung gegenüber der Verpflichtung, im Interesse des Unternehmens zu handeln und kollidierende Interessen zurückzustellen. Dementsprechend war eine solche Pflicht ___________ als Verstoß gegen die zwingende aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung nichtig; s. KKMertens, § 112 Rn. 5. 675 Final Report, 7.46; Completing the Structure, 5.85; Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (646 ff.). 676 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 206 ff. 677 Eine hieraus folgende Rechtsunsicherheit befürchet Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 442; kritisch auch Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (289 ff.).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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bisher nicht durchsetzbar und wurde in der Praxis ignoriert. Ein Umdenken könnte nunmehr die Empfehlung des DCGK bewirken, wonach auch potentielle Interessenkonflikte den übrigen Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen zu legen sind (Ziff. 4.3.4). Da Abweichungen hiervon gem. § 161 AktG ebenfalls öffentlich gemacht und in der Praxis auch begründet werden müssen, werden die eigenen Aktionäre und der Kapitalmarkt die ihnen drohenden Gefahren besser einschätzen können und darauf reagieren können, was erstmalig eine Anreizwirkung zur Befolgung der Verpflichtung haben wird. Der Schutzmechanismus der Offenlegung gegenüber dem Aufsichtsrat an sich ist sogar stärker als die englische Transparenzregelung, da ein separates, objektiveres Organ eingeschaltet wird.678 Es wird nur durch die Tatsache geschwächt, dass der Aufsichtsrat, anders als der Board, nicht selbst über das Zustandekommen der Transaktion entscheidet oder diese gar verhandelt. Damit er im Falle einer vermuteten Unfairness des Vertrages nicht auf informelle Unmutsbekundungen beschränkt bleibt, sollte der Aufsichtsrat entsprechende Transaktionen de lege lata seiner Zustimmungspflicht nach § 111 IV AktG unterwerfen. Rechtspolitisch wäre allerdings eine zwingende, gesetzliche Transparenzverpflichtung nach Vorbild der Section 317 CA 1985 einschließlich eines Mitentscheidungsrechts des Aufsichtsrats zu fordern. Aufgrund der britischen Erfahrungen erscheint dabei eine Beschränkung auf wesentliche Interessen sinnvoll, die dann aber detailliert im Hinblick auf Natur, Ausmaß und eventuelle Änderungen offen zu legen wären.679 Zudem müsste klargestellt werden, dass eine Pflichtverletzung Kenntnis oder zumindest fahrlässige Unkenntnis des Geschäftsleiters vom Vorliegen des Interessenkonflikts voraussetzt. Bei den Rechtsfolgen wäre jedoch Vorsicht geboten: die bisher an die equity rule geknüpfte Sanktion der Anfechtbarkeit des Vertrages, die nach dem Company Law Review auch für eine der gesetzlichen Offenlegungspflichten vorgesehen ist, ist für Deutschland mit Rücksicht auf den hohen Stellenwert des Verkehrschutzes abzulehnen. In Betracht käme aber eine moderate Geldbuße, wie sie bisher in Section 317 CA 1985 vorgesehen ist. Ein Blick auf die §§ 399 ff. AktG, darunter insbesondere § 406, zeigt, dass eine strafrechtliche Sanktion nicht nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen sondern auch dort zweckmäßig ist, wo ein bestimmtes Verhalten ohne Rücksicht auf dessen konkrete Folgen unterbunden werden soll. Dies ist bei der Verheimlichung von Interessenkonflikten der Fall, weil diese eine latente Gefahr für die Interessen der Gesellschaft begründen, der Schadensnachweis im Einzelfall sehr schwierig ___________ 678
Zu den Bedenken bezüglich der Objektivität des Board insofern Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 212, wenn auch die steigende Zahl von NEDs zur Angleichung der Gegebenheiten führen dürfte. 679 Vgl. Art. 85, 86 Table A.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
sein dürfte und es ökonomisch nicht einmal sinnvoll wäre, die Beurteilung des wirtschaftlichen Nutzens des betroffenen Vertrages einem Gericht zu übertragen. Es ist daher hinreichend, aber auch notwendig, mittels einer effektiven Transparenzregelung eine eigenverantwortliche Entscheidung der Gesellschaft selbst herbeizuführen. Wird dieses kostengünstige Verfahren tatsächlich verfolgt, so ist zu erwarten, dass die Zahl der in einer Konfliktlage eingegangenen Transaktionen sinken wird und besonders zweifelhafte Geschäfte, bei denen mit dem Widerstand der informierten Organe zu rechnen ist, von vornherein unterbleiben680 oder nur heimlich, unter Risiko des Bußgelds, vorgenommen werden. Die Rolle der Gerichte wird von der unerwünschten und kostspieligen ex post-Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen darauf reduziert, die Einhaltung des vorgeschriebenen gesellschaftsinternen Verfahrens zu überprüfen.681 Sinnvoll erschiene zudem eine ebenfalls aus Großbritannien bekannte Pflicht, die Konditionen eines trotz Interessenkonflikts eingegangenen Vertrages im Jahresabschluss offenzulegen. Dies hätte den Vorteil, dass der Nutzen für die Gesellschaft noch einmal durch die objektiven Aktionäre überprüft werden könnte, jedoch ohne dass die Schwerfälligkeit der Hauptversammlung die Handlungsfähigkeit der Verwaltung während des laufenden Geschäftsjahres behindern könnte. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Transparenzregelung in Großbritannien lediglich einen Mindeststandard für alle Companies statuiert, während von Leitern börsennotierter Gesellschaften grundsätzlich die Freiheit von latenten Interessenkonflikten erwartet und eine weite Kategorie von gefährdeten Transaktionen (related party transactions) rigoros dem Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung unterworfen wird. Die Tatsache, dass die weltweit strengsten verfahrenstechnischen Regeln gegen Interessenkoflikte gerade von der LSE statuiert werden, spricht dabei für einen Zusammenhang von Intoleranz gegenüber Self-Dealing und erfolgreichen Kapitalmärkten.682 In bestimmten, besonders sensiblen Bereichen hält das englische Recht aber auch die Transparenzlösung nicht für ausreichend und ergänzt diese daher durch strengere, gesetzliche Schutzmechanismen, die sich nach Ansicht des Gesetzgebers bewährt haben und daher beibehalten werden sollen. So konnte mit dem grundsätzlichen Verbot von Direktorendarlehen (Sections 330-344 CA 1985) dem Missbrauch dieser Möglichkeit wirksam begegnet werden. Zuvor haben zahlreiche Berichte von Wirtschaftsprüfern große Schwierigkeiten bei der Einschätzung gezeigt, wie hoch die Schulden eines bestimmten Direktors zu einem bestimmten Zeitpunkt waren, solange sich jeder Direktor jederzeit nach Belieben aus dem Gesellschaftsvermögen bedienen konnte. Ferner bietet das Verbot Gläubigern und Minderheitsaktionären besse___________ 680
Vgl. Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 209. Vgl. Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 209. 682 Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (331). 681
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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ren Schutz vor Plünderungen des Gesellschaftsvermögens durch Darlehen, die – wären sie zu Bedingungen gewährt worden, die von unabhängigen, gleichberechtigten Vertragspartnern ausgehandelt worden wären – von den Direktoren auch anderswo zu bekommen gewesen wären.683 Als schutzwürdig haben sich dabei vor allem public companies erwiesen, bei denen der Missbrauch besonders evident und die Anleger – aufgrund ihrer Zahl und der Ferne vom Management – besonders hilflos gewesen sind. Dementsprechend hat auch die deutsche Regelung für Aktiengesellschaften die Kreditgewährung an Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder sowie einen näher definierten Kreis der mit ihnen verbundenen Personen von der Einwilligung des Aufsichtsrats abhängig gemacht (§§ 89, 115 AktG). Bedenklich ist jedoch die Beschränkung auf den engen Begriff des „Kredits“, die reichlich Umgehungsmöglichkeiten bietet. Insbesondere im Falle von Aufsichtsratsmitgliedern ist zudem zweifelhaft, ob die Kontrolle durch die Kollegen für die Gesellschaft ausreichenden Schutz bietet, könnte sich innerhalb des Gremium doch schnell ein System gegenseitiger Gefälligkeiten entwickeln. Überzeugender erscheint im Hinblick auf nicht geringfügige Kredite vielmehr ein gänzliches Verbot, da nicht einzusehen ist, warum ein Organmitglied einen Kredit, der ohnehin branchenüblichen Konditionen entsprechen muss, nicht auch bei einem externen Kreditgeber bekommen kann. Bei Geschäften mit wesentlichen Vermögensgegenständen (Sections 320322 CA 1985) will man in Großbritannien nicht mittels eines Verbots von vornherein ausschließen, dass sich einer der Direktoren für die Gesellschaft als der beste Anbieter bzw. Abnehmer einer Leistung erweist. Da hier aber bereits das Transaktionsvolumen an sich einen sehr intensiven Interessenkonflikt indiziert, der Zweifel an der Verhandlungsfairness des betroffenen Direktors begründet, lässt man die Vertragskonditionen zusätzlich von den Gesellschaftern überprüfen. Die gleiche Gefahr droht auch hierzulande, sodass die vom DCGK empfohlene gegenseitige Kontrolle der Verwaltungsorgane notwendig und längst überfällig ist, was aber wiederum für eine zwingende gesetzliche Regelung spricht. Besonderheiten sind indes bei Interessenkonflikten der Aufsichtsratsmitglieder zu beachten. Aufgrund der traditionellen Rolle als Vertreter diverser Interessengruppen wurde es bei ihnen sogar für denkbar gehalten, den Interessenkonflikt nicht als Pflichtverletzung sondern gar als Rechtfertigungsgrund zu betrachten.684 Die Pflege von Geschäftsbeziehungen des Unternehmens ist häufig oberstes Ziel bei der Besetzung der Aufsichtsräte, die durch Vertreter von Hausbanken, Lieferanten, Kunden oder gar Wettbewerbern685 dominiert wer___________ 683 Law Commission, Company Directors: Regulating Conflicts of Interests and Formulating a Statement of Duties (1998), 6.1. ff. 684 s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. c). 685 Dagegen jetzt aber Ziff. 5.4.2 DCGK.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
den.686 Hinzu kommt die bewusste Wahl des Aufsichtsgremiums als Austragungsort für den Interessengegensatz Arbeit – Kapital durch die Mitbestimmungsgesetzgebung. Die historische Betrachtung zeigt schließlich, dass das Organ auch als Repräsentant der Anteilseignerinteressen fungieren sollte. Gerade diese Tradition des Aufsichtsrats als Repräsentationsorgan für die zahlreichen Unternehmensinteressen und als Verbindungsstelle zur geschäftlichen Umwelt der Gesellschaft hat viele Vorteile und hat sich bisher ökonomisch bewährt. Sie müsste zerstört werden, wollte man mit strengen Regeln das Auftreten von Interessenkonflikten weitestgehend unterbinden. Auch die Forderung nach „Unabhängigkeit“ (independence) der Aufsichtsratsmitglieder nach angloamerikanischem Vorbild würde eine völlige Umwälzung der bisherigen Strukturen, allen voran der Mitbestimmung, voraussetzen. Zur Zeit werden Repräsentanten der Belegschaft, der Aktionäre oder der Hausbanken in den Aufsichtsrat gewählt, nicht obwohl sie von der Gesellschaft „abhängig“ sind, sondern gerade weil sie eine strukturelle bzw. geschäftliche Verbindung zu dieser aufweisen und dazu beitragen können, dass das Gremium als Abbild der das Unternehmen beherrschenden Einflüsse zusammengesetzt wird. Solange dieser Nutzen für die Gesellschaft die von den Interessenkonflikten ausgehenden Gefahren überwiegt, wäre ein generelles Verbot daher unzweckmäßig. Um eine solche gewissenhafte Abwägung im Einzelfall zu erzwingen, erscheinen aber zwingende, gesetzliche Offenlegungspflichten nach Art der Ziff. 5.5.2 DCGK unabdingbar und in besonders krassen Fällen nicht einmal ausreichend: Jedenfalls die aktive Gewerkschaftsmitgliedschaft hindert einen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unvermeidlich am Einsatz für das Unternehmensinteresse. Die Offenlegungspflichten scheitern dabei am Wesen der Mitbestimmung: Transparenz gegenüber dem Aufsichtsrat (Ziff. 5.5.2 DCGK) erübrigt sich, die Doppelstellung ist allseits bekannt. Transparenz gegenüber der Hauptversammlung (Ziff. 5.5.2 DCGK) ist wirkungslos, da die Arbeitnehmervertreter gerade dem Einfluss der Aktionäre entzogen sind. Ihrem Unmut können Aktionäre lediglich in dem eher symbolischen Akt der verweigerten Entlastung Ausdruck verleihen, so geschehen in dem bereits oben dargestellten Fall Bsirske.687 Konsequenterweise müsste man aber von einer derart wesentlichen und nicht nur ___________ 686 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 123 f. 687 FAZ v. 16.7.2003 S. 11 und v. 20.6.2003 S. 17, 20. Der Verdi-Vorsitzende war damit das erste Aufsichtsratsmitglied eines DAX-Unternehmens, das ein solches Misstrauensvotum hinnehmen musste. Dieses war zudem sehr deutlich: für eine Entlastung stimmten nur 41,71 Prozent des vertretenen Kapitals – verglichen mit über 96 Prozent für die Entlastung der übrigen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Zuvor haben dieAktionäre gem. § 120 I 2 AktG erzwungen, dass über die Entlastung eines einzelnen Mitglieds gesondert abgestimmt werden konnte. Auch für die Bestätigung im Amt des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden wurde ein zweiter, auf die Arbeitnehmer beschränkter Wahlgang erforderlich.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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vorübergehenden Konfliktsituation sprechen, dass diese zur Niederlegung des Mandats führen müsste (Ziff. 5.5.3 DCGK).688 Folgt der Betroffene auch dieser Kodex-Empfehlung nicht, zwingt er die Gesellschaft dazu, die Abweichung öffentlich zu begründen und wird die Verantwortung für eventuelle Bewertungsabschläge seitens des Kapitalmarkts übernehmen müssen. Der Gesellschaft wird aber zunächst einmal die Zusammenarbeit mit einer untragbar gewordenen Person zugemutet. Daher ist die Fortsetzung der Aufsichtsratstätigkeit trotz eines derart schwerwiegenden Interessenkonflikts de lege lata zumindest als wichtiger Grund i.S.d. § 103 III anzusehen,689 der eine gerichtliche Abberufung des Betroffenen auf Antrag der Aufsichtsratsmehrheit rechtfertigt. Das heißt nicht, dass das Gericht bei Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung des „wichtigen Grundes“ die Grundsätze des rechtlich unverbindlichen DCGK heranziehen müsste. Vielmehr hat der Mitbestimmungsgesetzgeber selbst mit der Verpflichtung der Arbeitnehmervertreter auf das Unternehmensinteresse zum Ausdruck gebracht hat, dass jemand, dem dessen Förderung von vornherein unmöglich ist, für eine solche Position nicht in Frage kommt. Es geht hierbei also nicht einmal mehr um den vom Mitbestimmungsmodell hingenommenen Fall eines kompromisslosen Kampfes um einen kontroversen Aufsichtsratskandidaten. Es geht vielmehr um den auch vom Mitbestimmungsrecht nicht gedeckten Versuch der Arbeitnehmerseite, einen echten Interessenvertreter als Organmitglied zu installieren. De lege ferenda wäre eine diesbezügliche Klarstellung seitens des Gesetzgebers hilfreich und könnte sich am niederländischen Vorbild orientieren, das Gewerkschaftsfunktionären die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat verbietet.690 Als Besonderheit für die GmbH ist schließlich zu erwähnen, dass hier mangels eines speziellen Kontrollgremiums grundsätzlich nur eine Offenlegung des Interessenkonflikts gegenüber den übrigen Geschäftsführern in Frage kommt, sofern mehrere Geschäftsführer vorhanden sind. Die zum Teil geforderte Befassung der Gesellschafterversammlung würde jedenfalls in Anwendung auf alle noch so kleinen und potentiellen Konflikte die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu sehr beeinträchtigen. Sie wäre jedoch – in Form einer gesetzlichen ___________ 688 Für das Ruhenlassen oder die Niederlegung des Mandats hat sich jetzt auch der Chef des Deutschen Aktieninstituts, Rüdiger von Rosen, ausgesprochen und zudem für die Einführung einer Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten in den DCGK plädiert; s. FAZ v. 14.2.2003 S. 15. 689 Als Beispiel für die Anwendbarkeit des § 103 III AktG s. OLG Hamburg WM 1990, 311 (314) und die Vorinstanz LG Hamburg WM 1989, 1934; für die Anwendbarkeit der Norm bei dauerhaft schwerwiegenden Interessenkonflikten Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 99 (119); für die Anwendbarkeit bei aktiver Mitwirkung an Arbeitskämpfen oder bei Unverträglichkeit im Aufsichtsrat Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 803. 690 So Lutter auf der „Zweiten Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex“ am 26.6.2003 in Berlin; s. FAZ v. 27.6.2003 S. 11.
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Regelung – zumindest für besonders krasse Fälle eines erheblichen, aktuellen Interesses an bestimmten Verträgen anzudenken, insbesondere für Geschäfte mit wesentlichen Vermögensgegenständen.
5. Wettbewerbsverbot a) Vorstand: § 88 AktG Gem. § 88 unterliegen Vorstandsmitglieder einem Wettbewerbsverbot.691 Dogmatisch wird dieses zu Recht als spezialgesetzliche Konkretisierung der Treuebindung mit eigenständiger Bedeutung gegenüber der Geschäftschancenlehre angesehen,692 wobei gerade der erste Aspekt eine entsprechende Anwendung der Regeln des § 88 auf andere Loyalitätspflichten ermöglicht.693 Die Vorstandsmitglieder dürfen nach § 88 – ohne Einwilligung des Aufsichtsrats – kein Handelsgewerbe betreiben694 und im Geschäftszweig der Gesellschaft keine Geschäfte machen, gleich ob für eigene oder fremde Rechnung (Abs. 1 S. 1). Ebensowenig dürfen sie Geschäftsleiter einer anderen Handelsgesellschaft sein (Abs. 1 S. 2). Möglich ist hingegen die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer anderen AG, außer wenn diese das herrschende Unternehmen ist oder wenn sie ihrerseits bereits eines ihrer Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat der fraglichen Gesellschaft entsandt hat (§ 100 II Nr. 2 und 3). Nach dem DCGK sollen Vorstandsmitglieder jedoch alle Nebentätigkeiten, darunter auch externe Aufsichtsratsmandate, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen (Ziff. 4.3.5). Im Anstellungsvertrag kann darüber hinaus ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden, auf das die §§ 74 ff. HGB keine Anwendung finden. Erforderlich ist dann allerdings grundsätzlich die Vereinbarung einer Karenzentschädigung.695 ___________ 691 s. dazu Fleischer, AG 2005, 336; Armbrüster, ZIP 1997, 1269; Kübler, FSWerner, S. 437. 692 GK-Hopt, § 93 Rn. 164; ders., in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (300 f.); Hüffer, § 88 Rn. 1; Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, S. 108 ff.; für die GmbH Scholz/Schneider, § 43 Rn. 287; für die KG BGH ZIP 1989, 980; als bloßen Unterfall der Geschäftschancenlehre sehen das Wettbewerbsverbot dagegen Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 373 ff.; Kübler, FS-Werner, S. 437 (440); Weisser, Corporate Opportunities, S. 147. 693 GK-Hopt, § 93 Rn. 165. 694 Hierbei handelt es sich um ein vom Handelszweig unabhängiges Betätigungsverbot mit dem Ziel, der AG die volle Arbeitskraft der Vorstandsmitglieder zu sichern; Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1269 f.). 695 BGHZ 91, 1 (3 ff.) (GmbH); OLG Düsseldorf NZG 2000, 737; OLG Frankfurt NZG 2000, 738; OLG Köln NZG 2000, 740; KK-Mertens, § 88 Rn. 26.
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Bei Verletzung des Wettbewerbsverbots kann die Gesellschaft Schadensersatz fordern (§ 88 II 1) oder von dem betreffenden Vorstandsmitglied verlangen, dass es die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der AG eingegangen gelten lässt (Eintrittsrecht) und – bei Geschäften für fremde Rechnung – die erlangte Vergütung herausgibt bzw. den Anspruch darauf abtritt (§ 88 II 2).
b) Geschäftsführer Während seiner Tätigkeit für die GmbH unterliegt auch der Geschäftsführer ohne Rücksicht auf Satzung oder Anstellungsvertrag einem umfassenden Wettbewerbsverbot, das aber nicht ausdrücklich geregelt ist, sondern aus dem Treueverhältnis abgeleitet wird.696 Inhaltlich entspricht das Verbot denen der §§ 112, 113 HGB und 88 AktG und untersagt dem Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit im Geschäftszweig der Gesellschaft und die Übernahme leitender Positionen in anderen Handelsgesellschaften desselben Geschäftszweigs.697 Der „Geschäftszweig“ richtet sich nach der satzungsmäßigen Definition des Unternehmensgegenstandes und umfasst neben dem tatsächlichen Tätigkeitsfeld der Gesellschaft und deren Konzernunternehmen auch die Bereiche, in denen die Gesellschaft künftig tätig werden könnte.698 Für das abstrakte Verbot kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft im Einzelfall einen Schaden erleidet oder ob sie selbst die Geschäfte tätigen konnte oder nicht.699 Ist der Geschäftsführer hauptamtlich tätig, so darf er daneben analog § 88 AktG nicht einmal irgendeine weitere berufliche oder gewerbliche Nebenbeschäftigung ergreifen, mit Ausnahme der eigenen Vermögensverwaltung.700 Im Übrigen ergeben sich Umfang und Inhalt des Wettbewerbsverbots aus der Satzung und dem Anstellungsvertrag.701 Vom Wettbewerbsverbot ausgenommen ist nach Ansicht des BGH der geschäftsführende Alleingesellschafter, jedenfalls solange kein gebundenes Vermögen entzogen wird. Während ihm die Gefährdung der Gläu___________ 696 BGHZ 49, 30 (31); BGH GmbHR 1965, 194; BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1276); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 39; Lutter, GmbHR 2000, 301 (306); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 19; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 126; Timm, GmbHR 1981, 177. Vgl. auch § 71 RegE GmbHG 1971. Für den Gesellschafter-Geschäftsführer kommt zusätzlich in seiner Eigenschaft als Gesellschafter ein gesondertes Wettbewerbsverbot mit eigenen Befreiungsvoraussetzungen zur Geltung; s. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 126a ff., 139c. 697 Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1276). 698 BGHZ 89, 162 (170); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 127; enger Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1276). 699 BGH WM 1976, 77; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 126. 700 BGH BB 1997, 1913. 701 BGHZ 80, 69.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
bigerinteressen verboten ist, ist der Einmanngesellschafter nämlich nicht zum Schutze eines von seinem Willen losgelösten Gesellschaftsinteresse verpflichtet.702 Nachträgliche Wettbewerbsverbote können im Anstellungsvertrag vereinbart werden, sind aber nur wirksam, wenn dieser zugleich eine angemessene Karenzentschädigung vorsieht und sie den Geschäftsführer nicht unbillig am beruflichen Fortkommen hindern.703 Als Rechtsfolge der Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot steht der GmbH neben dem Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch704 ein Eintrittsrecht nach §§ 61, 113 HGB, § 88 II AktG analog zu,705 nicht jedoch ein Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem. § 687 II BGB.706 Während die Gesellschaft schon nach § 43 II i.V.m. § 252 BGB den entgangenen Gewinn beanspruchen kann, sofern sie einen eigenen Schaden in entsprechender Höhe nachweisen kann, liegt die Bedeutung des Eintrittsrechts darin, auch ohne den Nachweis eines Schadens vom Geschäftsführer die gesamte aus dem Geschäft bezogene Vergütung oder die Abtretung des Anspruchs hierauf verlangen zu können. Dabei wird die Gesellschaft dem Geschäftsführer die ihm entstandenen Aufwendungen ersetzen, nicht jedoch die aus dem Geschäft entstandenen Verluste übernehmen müssen.707 Die kurze Verjährungsfrist analog § 88 III AktG, §§ 61 II, 113 III HGB gilt zwar für das Eintrittsrecht, nicht jedoch für den Schadensersatzanspruch.708 Die Befreiung vom Wettbewerbsverbot ist (auch nachträglich) möglich, sie obliegt jedoch als Teil der organisationsrechtlichen Pflichtenordnung der Geschäftsführer den Gesellschaftern und nicht etwa den Mitgeschäftsführern. Eine bloß anstellungsvertragliche Befreiung reicht aus diesem Grund ebenfalls nicht aus, während eine Befreiungsklausel in der Satzung durchaus dazu geeignet ist,
___________ 702
BGHZ 119, 257 (262); 122, 333 (336); BFH, NJW 1996, 950; Fleischer, DStR 1999, 1249 (1252); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 127. 703 BGHZ 91, 1 (3 ff.); OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 581; GmbHR 1999, 120 (121); OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376 (378); Rowedder/Schmidt-LeithoffKoppensteiner, § 35 Rn. 106; etwas weiter Scholz/Schneider, § 43 Rn. 135 ff. 704 Anspruchsgrundlage hierfür sind neben § 43 II GmbHG auch oft die §§ 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB und u. U. § 826 BGB. 705 BGHZ 80, 69 (76); BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 22a; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 39; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 131a. 706 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); a.A. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 131b. 707 BGHZ 38, 306 (311); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 131a. 708 BGH WM 1989, 1335 (1338); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 39; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 132; a.A. MüHdbGmbH-Marsch-Barner/Diekmann, § 43 Rn. 65.
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das geltende GmbH-Recht zu ändern.709 Die Satzung kann aber auch mittels einer Öffnungsklausel zulassen, dass über die Befreiung im konkreten Fall durch einfachen Gesellschafterbeschluss entschieden wird, wobei dem betroffenen Gesellschafter gem. § 47 IV das Stimmrecht versagt wird.710 Hat hingegen keinerlei formelle Satzungsänderung stattgefunden, so ist eine nachträgliche Befreiung durch Gesellschafterbeschluss nach überwiegender Ansicht dennoch zulässig, wenn auch unklar bleibt, ob dafür eine einfache Mehrheit711 oder Einstimmigkeit zu fordern ist.712 Einer Befreiung bedarf es aber nicht, wenn die Konkurrenztätigkeit des Geschäftsführers und seine Absicht, diese fortzusetzen, den Gesellschaftern bei der Bestellung bekannt waren.713
c) Aufsichtsrat Aufsichtsratsmitglieder werden bisher unter Hinweis auf den nebenamtlichen Charakter ihrer Tätigkeit keinem allgemeinen Wettbewerbsverbot unterworfen.714 Ein wesentlicher Zweck eines Wettbewerbsverbots, nämlich die Erhaltung der vollen Arbeitskraft und Aufmerksamkeit des Betroffenen zugunsten der Gesellschaft, gehe hier ins Leere. Einem nicht geschäftsführend tätigen Organmitglied oblägen ferner lediglich passive und nicht auch aktive Förderpflichten, was eine Lockerung der Pflichtenbindung rechtfertige. Beschränkt ist lediglich die Zahl der von einer Person wahrgenommenen Aufsichtsratsmandate, ohne jedoch dass die Übernahme solcher Mandate in zwei konkurrierenden Unternehmen untersagt wäre.715 Nur nach Ziff. 5.4.2. DCGK sollen Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben.716
___________ 709
BGHZ 80, 69; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 138; für die Befreiung durch Anstellungsvertrag hingegen Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 42. 710 BGHZ 80, 69; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 Rn. 23; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 138b. 711 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 23 und § 53 Rn. 23a; Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 22. 712 Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1277); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 139b. 713 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 140a. 714 Armbrüster, ZIP 1997, 1269 (1271); Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (301 f.); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (432 ff.); a.A. Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 99 (120 f.). 715 s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. c). 716 Dafür schon Lutter, ZGR 2001, 224 (233).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
d) Beirat Die Frage nach einem allgemeinen Wettbewerbsverbot für Beiratsmitglieder wird sich nicht allgemein beantworten lassen. Vielmehr wird hier entsprechend den bisher dargestellten Grundsätzen danach zu differenzieren sein, ob es sich um ein mit Geschäftsführungsbefugnissen ausgestattetes Gremium oder um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt.717
e) Rechtsvergleich Auf den ersten Blick stellt das Fehlen eines umfassenden Wettbewerbsverbots im englischen Recht eine erhebliche Schutzlücke für die Interessen der Gesellschaft. Grund dafür dürfte wieder einmal die Weigerung der englischen Juristen sein, executives und NEDs unterschiedlichen Pflichten zu unterwerfen, während ein einheitliches Wettbewerbsverbot für die nebenamtlich tätigen Aufseher unangemessen wäre.718 Bei funktioneller Betrachtung wird dieser Befund aber deutlich relativiert. So werden die Anstellungsverträge der managing directors in aller Regel zumindest ein konkludentes Wettbewerbsverbot enthalten, während den executives der Einsatz ihrer gesamten Arbeitskraft zugunsten der Gesellschaft vorgeschrieben und somit wenig Raum für mögliche Nebenbeschäftigungen gelassen wird. Die Problematik konzentriert sich in der Praxis daher vor allem auf die Übernahme von NED-Posten durch einen executive und auf die nebenamtliche Mitgliedschaft einer Person in den Boards mehrerer Konkurrenten. Hier bietet das Common Law aber tatsächlich wenig Handhabe gegen die abstrakte Gefährdung der Gesellschaftsinteressen. Die strengen Transparenzregeln der Sections 317, 232(1) CA 1985 i.V.m. Schedule 6 §§ 15(c) und 16(c) gelten nämlich nur für die sich bei einer konkreten Transaktion manifestierenden Interessenkonflikte. Nur die richterrechtliche no-conflict rule setzt bereits bei der Entstehung einer abstrakten Konfliktlage an und könnte die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit unterbinden. Wie gezeigt, hat das Verbot aber wegen seines dispositiven Charakters inzwischen nahezu jegliche praktische Bedeutung verloren. Statt dessen konzentriert sich das englische Recht darauf, die konkreten Auswirkungen einer solchen Konfliktlage zu überwachen, also sicherzustellen, dass der Geschäftsleiter die Gefährdungslage nicht tatsächlich zum eigenen Vorteil ausnutzen kann. Bevor aber sogleich die___________ 717 BGH WM 1964, 1320 (1321); WM 1977, 476 (477) (Konkurrenzverbot im Gesellschaftsvertrag); für ein generelles Verbot Voormann, Der Beirat, S. 151; kritisch Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 52 Rn. 16 und für Aufsichtsratsmitglieder ablehnend Baumbach/Hueck/Zöllner, § 52 Rn. 40; Hachenburg/Ulmer/Raiser, § 52 Rn. 135. 718 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (301).
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se sog. no-profit rule untersucht wird, kann festgehalten werden, dass jedenfalls der abstrakte Schutz der Company vor den Folgen einer Konkurrenztätigkeit bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung sehr schwach ist. Auch bei dem Problem der Tätigkeit als non-executive in einem Konkurrenzunternehmen konnte sich bisher nicht einmal der Combined Code zu einer Lösung durchringen, während der DCGK nunmehr zumindest eine entsprechende Empfehlung enthält.
6. Geschäftschancenlehre a) Vorstand Eine wichtige, eigenständige Ausprägung der Pflicht, im Interesse des Unternehmens zu handeln, ist die aus dem amerikanischen Recht stammende sog. Geschäftschancenlehre, also das Verbot, Geschäfte, die der Gesellschaft zuzuordnen sind (Geschäftschancen, corporate opportunities), an sich zu ziehen, sowie das Gebot, diese zugunsten der Gesellschaft wahrzunehmen.719 Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf deren Ausnutzung durch dem Vorstandsmitglied nahestehende Personen oder Unternehmen, an denen dieses maßgeblich beteiligt ist.720
aa) Ausnutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft: Geschäftschancenlehre i.e.S. Der Begriff der Geschäftschance ist weit auszulegen, entsprechend dem Grundsatz, dass der Ermessensspielraum des Vorstands im Bereich der Loyalitätspflichten deutlich enger zu ziehen ist als bei der Sorgfaltspflicht.721 Die Zuordnung der fraglichen Geschäfte zur Gesellschaft kann anhand verschiedener Kriterien erfolgen. Relevant sind zunächst alle Gelegenheiten, ein günstiges ___________ 719 Vgl. Ziff. 4.3.3 S. 2 DCGK; BGH WM 1985, 1443 (Druckmittelzylinder, GmbH); 1985, 1444 (Betriebsgrundstück, OHG); 1989, 1216 (Sägewerk, KG); BGH NJW 1995, 1358; OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 298 ff.; GK-Hopt, § 93 Rn. 166 ff.; Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (295 ff.); Kübler, FS-Werner, S. 437 (438 f.); Merkt, ZHR 159 (1995), 423; KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Schiessl, GmbHR 1988, 53; für die Rezeption ins deutsche Recht maßgebend Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 166 ff. und Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 156 ff. 720 BGH WM 1985, 1444 (Betriebsgrundstück, OHG); Goette, in: FS-50 Jahre BGH, S. 123 (130) m. w. N.; GK-Hopt, § 93 Rn. 172; KK-Mertens, § 93 Rn. 67. 721 Hopt, ZGR 1993, 534 (542); KK-Mertens, § 93 Rn. 67.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Geschäft abzuschließen, die in den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft oder verbundener Gesellschaften (line of business) fallen,722 also Geschäftschancen, die zugleich § 88 I 1 Alt. 2 unterfallen (potentielle Geschäftschancen). Problematisch ist bei dieser Fallgruppe vor allem die objektive Bestimmung des Tätigkeitsbereichs, wird dieser doch maßgeblich von den interessierten Vorstandsmitgliedern selbst definiert.723 Abhilfe schafft insofern ein weites Verständnis des Begriffs, sodass dieser sowohl Geschäfte in angrenzenden Tätigkeitsfeldern als auch Folgegeschäfte umfasst.724 Ausreichend ist daher auch ein auf anderen Gründen beruhendes, konkretes Interesse an dem Geschäft, mit dem prominenten Beispiel des Erwerbs eines Betriebsgrundstücks.725 Eine Besonderheit weist insofern der Fall BGH WM 1967, 679 auf, in dem der Geschäftsführer einer GmbH Baugelände für diese erwerben wollte. Nachdem die Gemeinde ein günstiges Angebot unterbreitet hatte, kaufte die GmbH von dieser ca. 2 ha Land. Den von der Gesellschaft nicht mehr benötigten Rest des Grundstücks mit einer Fläche von ca. 40 ha erwarb daraufhin der Geschäftsführer persönlich. Kurze Zeit später verkaufte er das Grundstück weiter an eine Baugesellschaft und machte dabei einen beträchtlichen Gewinn. Der BGH sah dies als treuwidrig an, da der Geschäftsführer die Geschäftschance der Weiterveräußerung zugunsten seiner Gesellschaft hätte wahrnehmen müssen.
Fällt die Transaktion nicht in das Geschäftsfeld der Gesellschaft, hat der Geschäftsleiter aber diesbezüglich bereits Verhandlungen im Namen der Gesellschaft geführt, so ordnet der BGH in Anlehnung an den US-amerikanischen expectancy-Test726 auch diese Geschäftschance kraft konkreter Erwartung der Gesellschaft zu (aktuelle Geschäftschance).727 In diese Kategorie fallen erst recht Transaktionen, deren Vornahme von der Gesellschaft bereits rechtmäßig beschlossen wurde,728 andererseits aber auch Geschäfte, an denen diese lediglich ein Interesse bekundet hat729 oder die ihr angeboten worden sind.730 Eben___________ 722
BGH WM 1985, 1443 (Druckmittelzylinder, GmbH); 1985, 1444 (Betriebsgrundstück, OHG); BGH WM 1989, 1216 (Sägewerk, KG); OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376 (378); für die AG GK-Hopt, § 93 Rn. 168; KK-Mertens, § 93 Rn. 67 („Bereich des tatsächlich wahrgenommenen Unternehmensgegenstandes“); Weisser, Corporate Opportunities, S. 146 f. 723 GK-Hopt, § 93 Rn. 168; ders., in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (299 f.). 724 Weisser, Corporate Opportunities, S. 150 ff. 725 BGH WM 1985, 1444 (OHG); 1989, 1335 (Neue Heimat, GmbH); WM 1989, 2887; zur GmbH BGH GmbHR 1977, 129 (131); GK-Hopt, § 93 Rn. 168; KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Weisser, Corporate Opportunities, S. 156 ff. 726 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 729. 727 BGH WM 1989, 1216 (Sägewerk, KG); GK-Hopt, § 93 Rn. 169; KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Schiessl, GmbHR 1988, 53; Weisser, Corporate Opportunities, S. 165 ff. 728 BGH WM 1989, 1216 (Sägewerk, KG); BGH NJW 1995, 1358 (1359); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (439). 729 GK-Hopt, § 93 Rn. 169; KK-Mertens, § 93 Rn. 67.
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falls ausreichend sind mitunter gesellschaftsinterne Vorgänge, wie z. B. konkrete Planungen hinsichtlich eines Vorhabens oder ein interner Auftrag der Gesellschaft an ein Vorstandsmitglied, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen.731 Als Geschäftschancen der Gesellschaft gelten ferner Geschäftsabschlüsse, die dem Vorstandsmitglied gerade aufgrund seines Amtes angeboten werden.732 Ein typisches Beispiel ist insofern BGH WM 1979, 1328 (1330). Hier war eine AG als Bauherrin für den Bau von Altenwohnungen verantwortlich und hat zu diesem Zweck mehrere Architekten, Ingenieure und Handwerker beauftragt. Dies nutzte eines ihrer Vorstandsmitglieder aus, indem es von denselben Auftragnehmern 24 Altenwohnungen für eigene Rechnung bauen und sich dabei einen „Mengenrabatt“ gewähren ließ.
Auch wenn er das Angebot als Privatmann bekommt, wird eine Zuordnung zur Gesellschaft möglich sein, wenn zusätzlich eines der zuvor genannten Kriterien erfüllt ist. In der sog. Druckmittelzylinder-Entscheidung des BGH733 wurde dem Geschäftsführer einer GmbH ein Patent angeboten, mit dem die Herstellungskosten hätten erheblich gesenkt werden können. Anstatt das Patent für die GmbH zu erwerben, schied der Geschäftsführer aus dieser aus, gründete eine eigene GmbH und nahm dort die kostengünstige Produktion auf. Darin sah der BGH den ersten Loyalitätsverstoß. Der zweite bestand darin, nicht zu verhindern, dass die GmbH einen neuen Konkurrenten bekam, der auch noch über einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verfügte. Hierbei stellte das Gericht die wichtige These von der „Unteilbarkeit der Sorgfalts- und Treuepflicht“ auf, nach der die Kenntnis des Vorstandsmitglieds von einem für die Gesellschaft lukrativen Geschäft nicht auf die Privatperson beschränkt bleibt, sondern immer auch auf den Geschäftsmann durchschlägt. Insbesondere entfällt die so entstandene Pflicht zur Wahrnehmung der Geschäftschance zugunsten der Gesellschaft nicht dadurch, dass der Betroffene sein Amt niederlegt und das Geschäft erst dann an sich zieht.734
Nicht unter die Geschäftschancenlehre fällt hingegen die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats, da ein solches für eine juristische Person gem. § 100 I 1 ohnehin nicht zugänglich ist.735
___________ 730 GK-Hopt, § 93 Rn. 169; KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Schiessl, GmbHR 1988, 53 (54); a.A. Weisser, Corporate Opportunities, S. 166. 731 Weisser, Corporate Opportunities, S. 167 f. 732 BGH GmbHR 1968, 141; GK-Hopt, § 93 Rn. 169; Kübler, FS-Werner, S. 437 (439); KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Schiessl, GmbHR 1988, 53 (54). 733 BGH WM 1985, 1443. 734 BGH WM 1985, 1443 (1444). 735 GK-Hopt, § 93 Rn. 170; Kübler, FS-Werner, S. 437 (447); KK-Mertens, § 93 Rn. 68. Zur Behandlung dabei auftretender Interessenkonflikte s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. c).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
bb) Ausnutzung von Informationen der Gesellschaft: Verschwiegenheitspflicht des § 93 I 3 AktG Als ein Unterfall der Geschäftschancenlehre ist auch die Ausnutzung von Informationen der Gesellschaft anzusehen. Daher verpflichtet § 93 I 3 den Vorstand zum Stillschweigen über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihnen durch ihre Position bekannt geworden sind.736 Zusätzlich wird die Verschwiegenheit durch den Straftatbestand des § 404 AktG737 sowie §§ 203, 204 StGB, § 17 UWG abgesichert. Der Ursprung der explizit im Gesetz geregelten Pflicht liegt nach richtiger Ansicht im Bereich der Loyalitätspflichten,738 genau genommen ist sie dem Tatbestand der Geschäftschancenlehre zuzuordnen. Sie beruht nämlich auf der Überlegung, dass neben dem aktuellen Vermögen der Gesellschaft und ihrem potentiellen Vermögen in Gestalt von Geschäftschancen auch bestimmte Informationen als ihr zuzuordnendes Treugut anzusehen sind.739 Steht ihr Einsatz nicht mit dem Unternehmensinteresse im Einklang, können Wettbewerbsfähigkeit, Ansehen und interne Willensbildung der Gesellschaft beeinträchtigt werden.740 Im Hinblick darauf ist es daher gerechtfertigt, an den Umgang des Vorstands mit diesen Informationen strenge Maßstäbe anzulegen und ihm insbesondere kein unternehmerisches Ermessen einzuräumen.741 Als Geheimnisse der Gesellschaft gelten alle auf sie bezogenen Umstände, die nicht allgemein bekannt sind und nach ihrem Willen nicht weiter verbreitet werden sollen. Zu fordern ist ferner ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung, dessen Fehlen den Vorstand spätestens bei berechtigtem Interesse Dritter an der Information von der Verschwiegenheitspflicht entbindet.742 Beispiele für Geheimnisse sind Informationen über Finanzlage, Herstellungsprozesse, Organigramme, Computerprogramme, Personalentscheidungen, Personaldaten, Geschäftspartner, Kalkulationsunterlagen, Verlauf von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sowie Pläne im Hinblick auf Forschung, ___________ 736
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 7. Mit dem TransPuG wurde dabei der Strafrahmen für Organe börsennotierter Gesellschaften auf zwei bzw. drei Jahre angehoben. 738 Baumbach/Hueck, § 93 Rn. 7; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 15; GK-Hopt, § 93 Rn. 72, 187; für die Zuordnung zur Sorgfaltspflicht hingegen noch Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; vermittelnd auf beide Pflichtenbereiche verweisen schließlich BGHZ 64, 325 (327) (Bayer); Hüffer, AktG, § 93 Rn. 6; KK-Mertens, § 93 Rn. 75. 739 Vgl. dazu den weiten Treugut-Begriff von Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 101 ff. 740 BGHZ 64, 325 (329 ff.) (Bayer). 741 Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 103 ff.; GK-Hopt, § 93 Rn. 187. 742 BGHZ 64, 325 (329) (Bayer); Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 16; GK-Hopt, § 93 Rn. 191; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 7. 737
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Produkte und Investitionen.743 Unter „vertrauliche Angaben“ fallen alle Informationen, deren Bekanntwerden für die Gesellschaft nachteilig sein kann. Beispiele sind vor allem der Inhalt interner Beratungen des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft.744 Von einem „Geheimnis“ unterscheidet sich diese Kategorie dadurch, dass sie auch bereits bekannte Angelegenheiten umfassen kann, deren öffentliche Bestätigung und Erörterung dennoch vermieden werden soll. Ferner steht dem Betroffenen hinsichtlich der Feststellung der Vertraulichkeit ein weiter Ermessensspielraum zu.745 Das Geheimhaltungsbedürfnis ist dabei eine tatsächliche Gegebenheit, die grundsätzlich vom Gesamtvorstand nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der positiven und der negativen Auswirkungen für die Gesellschaft festzustellen ist und nicht etwa durch Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt werden kann.746 Je nach Geschäftsverteilung und Bedeutung der Angelegenheit kann sich die Zuständigkeit für die konkrete Entscheidung jedoch entsprechend der allgemeinen Regeln auf ein einzelnes Vorstandsmitglied oder auf den Aufsichtsrat verlagern.747 Zu beachten ist aber, dass eine solche Entscheidung keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten entfaltet, sodass sie für das einzelne Vorstandsmitglied zwar richtungweisend ist, aber nicht entlastend wirkt.748 Entgegen dem Gesetzeswortlaut („durch die Tätigkeit“) kann sich die Verschwiegenheitspflicht auch auf Informationen erstrecken, die dem Vorstand außerhalb der dienstlichen Tätigkeit bekannt werden. Dies gebieten die Zuordnung der Verschwiegenheitspflicht zum Tatbestand der Geschäftschancenlehre und die konsequente Fortführung des dort geltenden Grundsatzes der Unteilbarkeit der Treuepflicht. So wie das Vorstandsmitglied die Geschäftschancen, von denen es als Privatmann erfahren hat, der Gesellschaft zu unterbreiten hat, so hat es auch Informationen außerdienstlicher Herkunft in ihrem Interesse vertraulich zu behandeln.749
___________ 743
Weitere Beispiele bei GK-Hopt, § 93 Rn. 191. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 258 ff.; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; GK-Hopt, § 93 Rn. 195. 745 GK-Hopt, § 93 Rn. 196; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 145. 746 BGHZ 64, 325 (327) (Bayer, Aufsichtsrat); Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 23; KK-Mertens, § 93 Rn. 77. 747 GK-Hopt, § 93 Rn. 200; KK-Mertens, § 116 Rn. 43, 47. 748 KK-Mertens, § 93 Rn. 77. 749 GK-Hopt, § 93 Rn. 198; KK-Mertens, § 93 Rn. 76; vgl. auch die Formulierung „Geschäftsführer sind immer im Dienst“ bei Scholz/Schneider, § 43 Rn. 115, 144c; ebenfalls für die GmbH Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 46. 744
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Ihre Grenze findet die Verschwiegenheitspflicht zum einen in Informationspflichten, denen die Vorstandsmitglieder vor allem untereinander,750 gegenüber dem Aufsichtsrat,751 gegenüber den Aktionären (§§ 131, 176 I, 337 IV), gegenüber den Arbeitnehmern (§ 110 BetrVG) sowie nach § 15 WpHG unterliegen.752 Mangels ausdrücklicher Regelung kann aber auch das Unternehmensinteresse eine Durchbrechung der Schweigepflicht gebieten, wie z. B. bei der Abwehr von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen, bei der Einschaltung externer Berater mit eigenen beruflichen Schweigepflichten oder bei Verhandlungen mit einem Großaktionär bzw. dem Betriebsrat.753 Hierunter fällt insbesondere die umstrittene Freigabe von strategischen Informationen im Rahmen einer due diligence.754 Mit dem Argument der Unzumutbarkeit ist die Weitergabe vertraulicher Informationen ferner bei der Verteidigung des Vorstandsmitglieds gegen Schadensersatzansprüche oder Abberufung zuzulassen.755 Die Verschwiegenheitspflicht wirkt über die Amtszeit hinaus.756 Sie begründet kein Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozess, während (ausgeschiedene) Vorstandsmitglieder im Zivilprozess ihre Aussage verweigern dürfen.757
cc) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen kann Im deutschen Recht wird häufig die Ansicht geäußert, dass die sichere Unfähigkeit der Gesellschaft zur Wahrnehmung der Geschäftschance als Rechtfertigungsgrund gelten müsse bzw. von vornherein die Zuordnung des Geschäfts zur Gesellschaft verbiete, sei doch eine Schädigung der AG in einem solchen Falle gar nicht denkbar.758 ___________ 750 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 18; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 8; KKMertens, § 93 Rn. 78. 751 s. § 90 und darüber hinaus BGHZ 20, 239 (246). Zum Mißbrauchseinwand s. Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 31; KK-Mertens, § 93 Rn. 79. 752 Zu weiteren Beispielen s. GK-Hopt, § 93 Rn. 207. 753 GK-Hopt, § 93 Rn. 209; KK-Mertens, § 93 Rn. 82 f. 754 Roschmann/Frey, AG 1996, 449; Fleischer, ZIP 2002, 651. 755 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 22; GK-Hopt, § 93 Rn. 215. Für Unzumutbarkeit in jedem Falle der Verteidigung eigener Interessen, also auch bei Durchsetzung eigener Ansprüche KK-Mertens, § 93 Rn. 83, der dabei lediglich ein möglichst schonendes Vorgehen verlangt. 756 OLG Hamm GmbHR 1985, 157; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 7. 757 Zu den Einzelheiten s. GK-Hopt, § 93 Rn. 217 ff.; einschränkend KK-Mertens, § 93 Rn. 85. 758 Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (170); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (443 f.); a.A. Timm, GmbHR 1981, 177 (182).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Gefolgert wird dies aus der bereits skizzierten und in diesem Punkt etwas unklaren Druckmittelzylinder-Entscheidung des BGH zur GmbH.759 Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts war es dem BGH nicht möglich gewesen zu klären, ob bei pflichtgemäßem Verhalten des Geschäftsführers (Offenlegung der Abschlussmöglichkeit gegenüber der Gesellschaft) das Geschäft mit der GmbH zu Stande gekommen wäre oder ob der Geschäftspartner nur mit dem Geschäftsführer persönlich kontrahiert hätte. Mit der Zurückverweisung der Sache haben die Richter aber zumindest deutlich gemacht, dass die Frage entscheidungserheblich sei.
Dies gelte jedoch nur dann, wenn das Vorstandsmitglied alles getan habe, um der Gesellschaft die Wahrnehmung der Chance zu ermöglichen, z. B. die fehlenden finanziellen Mittel zu beschaffen. An den entsprechenden Nachweis seien zudem strenge Maßstäbe anzulegen. So reicht es beispielsweise nicht aus, wenn der Betroffene nur die Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die ihm im Verhältnis zum Nutzen der Geschäftschance sinnvoll erscheinen, da die Beurteilung der Kosten-Nutzen-Relation ausschließlich dem freigabebefugten Aufsichtsrat zustehe. Einfacher nachzuweisen als die wirtschaftliche Unfähigkeit ist hingegen die rechtliche bzw. tatsächliche Unfähigkeit, wenn die Gesellschaft im konkreten Fall gar nicht kontrahieren darf oder wenn der Geschäftspartner nicht mit ihr kontrahieren will.760 Nach anderer Ansicht ist die Frage, ob die Gesellschaft die Geschäftschance selbst vorgenommen hätte, bedeutungslos. Bei finanziellen Schwierigkeiten und ggf. wirtschaftlicher Unmöglichkeit habe sich der Vorstand intensiv um die notwendigen Mittel zu bemühen. Selbst wenn dies misslinge, oder auch bei sonstigen unüberwindlichen Hindernissen (rechtlicher oder tatsächlicher Art), könne er das Geschäft aber nicht automatisch an sich ziehen.761 Die Gesellschaft könne nämlich schon am bloßen Nichtzustandekommen des Geschäfts interessiert sein, was zwar nicht als „Geschäftschance“ bezeichnet werden könne, aber zumindest unter § 88 I – ggf. in analoger Anwendung – falle. Daher könne das Vorstandsmitglied in einem solchen Falle die Einwilligung des Aufsichtsrats einholen.762 Auch eine solche Einwilligung sei aber zumindest dann unwirksam, wenn die Wahrnehmung des Geschäfts durch einen Dritten für die Gesellschaft einen Nachteil bzw. Schaden zur Folge hätte.763
___________ 759
BGH WM 1985, 1443. Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (170). 761 GK-Hopt, § 93 Rn. 171, ebenfalls unter Verweis auf BGH WM 1985, 1443; KKMertens, § 93 Rn. 67. 762 GK-Hopt, § 93 Rn. 171; KK-Mertens, § 93 Rn. 67. 763 KK-Mertens, § 93 Rn. 67. 760
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
dd) Geschäftschancen, die die Gesellschaft nicht wahrnehmen will: Freistellung im Einzelfall Im Einzelfall ist eine ausdrückliche Freigabe der Geschäftschance zugunsten des interessierten Vorstandsmitglieds durch die Gesellschaft möglich,764 wenn auch an strenge Vorgaben gebunden. Sie ist nur bei klarem Willen der Gesellschaft, die Geschäftschance nicht zu verfolgen, möglich, der besonders gut zum Ausdruck kommt, wenn der Vorstand ohne Mitwirkung des Betroffenen das Geschäft durch Beschluss abgelehnt hat und durch die Freigabe kein Schaden zu befürchten ist.765 Sie setzt eine vollständige Offenlegung aller entscheidungserheblichen Umstände gegenüber der Gesellschaft voraus, insbesondere der Vor- und Nachteile der Wahrnehmung der Geschäftschance.766 Erforderlich ist ferner ein ausdrücklicher Freigabebeschluss.767 Fraglich ist nur, von welchem Organ dieser zu fassen ist. Der Vorstand erscheint hierzu entsprechend dem Rechtsgedanken in § 112 ungeeignet, würde es ihm doch gegenüber einem Kollegen an der nötigen Objektivität fehlen. Eine eventuelle Ablehnung der Freigabe könnte zudem zu Spannungen führen und die Funktionsfähigkeit des Gremiums beeinträchtigen.768 Bei der Hauptversammlung wäre ein Informationsdefizit zu befürchten. Der Entscheidungsprozess wäre zudem derart schwerfällig, langwierig und öffentlich, dass die Geschäftschance selbst gefährdet werden würde. Es bietet sich daher an, die Freigabeentscheidung im Einklang mit dem ähnlichen § 88 I dem Aufsichtsrat zu überlassen. Die Analogie rechtfertigt sich ferner daraus, dass sowohl das Wettbewerbsverbot als auch die Geschäftschancenlehre Ausprägungen der Loyalitätsbindung des Vorstands und in vielen Bereichen deckungsgleich sind.769 Die Freigabe wird im Voraus zu erfolgen haben, da eine nachträgliche Entscheidung einen Verzicht auf Ersatzansprüche der AG bedeuten würde und somit den strengen Voraussetzungen des § 93 IV 3 unterläge. Die überwiegende Ansicht fordert schließlich eine Rechtfertigung der Freigabe durch sachliche Gründe, wie kaufmännische Erwägungen oder Gegenleistung des Geschäftsleiters. Die Freigabe muss im Hinblick auf das Gesellschaftsinteresse erforderlich und verhältnismäßig sein.770 Ob dasselbe Ergebnis ___________ 764
BGH NJW 1989, 2687 (2688); Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (171). GK-Hopt, § 93 Rn. 167; KK-Mertens, § 93 Rn. 67; Timm, GmbHR 1981, 177 (184 f.) (Vereinbarung eines Nachteilsausgleichs bei der GmbH). 766 Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (171); Timm, GmbHR 1981, 177 (185). 767 Weisser, Corporate Opportunities, S. 207. 768 Weisser, Corporate Opportunities, S. 212 f. 769 Kübler, FS-Werner, S. 437 (440); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (445); für eine Analogie nur im Überschneidungsbereich der beiden Tatbestände GK-Hopt, § 93 Rn. 167. 770 BGHZ 80, 69 (74) (GmbH); Timm, GmbHR 1981, 177 (182 f.). 765
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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nicht bereits mit der Bindung des zuständigen Aufsichtsrats an das Gesellschaftsinteresse gem. §§ 116 S. 1, 93 I erreicht würde,771 kann dahingestellt bleiben.
ee) Bestechung der Vorstandsmitglieder Ein Spezialfall der Geschäftschancenlehre ist das an Vorstandsmitglieder gerichtete Verbot, Bestechungsgelder anzunehmen bzw. zu fordern772 oder entsprechende Vorteile ihren Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen bzw. Unternehmen zukommen zu lassen.773 Im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Geschäfts ist es den Vorstandsmitgliedern demnach verboten, jegliche Zuwendungen – Provisionen, Schmiergelder, Vorzugspreise oder die Begünstigung in Form eines Beratervertrages – entgegenzunehmen.774 Grund dafür ist einerseits der im Anstellungsvertrag umrissene Tätigkeitsbereich des Vorstands, der solche Geschäftsabschlüsse voraussetzt und bereits entsprechend vergütet. Andererseits kommt es durch die Bestechung zur mittelbaren Schädigung der Gesellschaft insofern, als ihr Geschäftspartner die dafür aufgewendeten Kosten schließlich in Form von Preiserhöhungen an diese weitergeben wird.775 Eine spezialgesetzliche Regelung der verbotenen Vorteilsgewährung im Rahmen eines Übernahmeangebots findet sich in § 33 III WpÜG.776
b) Geschäftsführer Wie schon den Vorstandsmitgliedern ist es auch den Geschäftsführern aufgrund des Treueverhältnisses verwehrt, die der Gesellschaft oder ihren Konzernunternehmen zustehenden Geschäftschancen (insbesondere Erwerbs- und Veräußerungschancen) persönlich auszunutzen oder durch nahestehende Personen oder beherrschte Unternehmen wahrnehmen zu lassen.777 Zum Teil wird ___________ 771
So Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (172). RGZ 96, 53; BGH WM 1962, 578; 1983, 498. 773 OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 22 (GmbH); OLG Hamm ZIP 1993, 119 (123); BGH NJW-RR 1995, 669. 774 RGZ 96, 53 (54 f.); BGH WM 1962, 578; BGH GmbHR 1968, 141 (142); Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 5; Hopt, ZGR 1993, 534 (542); KK-Mertens, § 93 Rn. 62; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 16, 20. 775 BGH WM 1962, 578 f.; GK-Hopt, § 93 Rn. 181; KK-Mertens, § 93 Rn. 73. 776 s. o., 4. Kapitel, B. II. 2. a) bb). 777 BGH WM 1983, 498; 1985, 1443 (Druckmittelzylinder); 1985, 1444 (Betriebsgrundstück, OHG); 1989, 1335; Lutter, GmbHR 2000, 301 (306); Scholz/Schneider, 772
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
allgemeiner von dem Verbot gesprochen, sich aufgrund der Organstellung persönlich zu bereichern.778 Der Gesellschaft werden zunächst objektiv all die Geschäftschancen zugeordnet, die in ihrem üblichen Geschäftsbereich entstehen oder an denen die Gesellschaft ein nicht unerhebliches Interesse hat („objektive Geschäftschance kraft Gegenstands“).779 „Subjektive Geschäftschancen durch Konkretisierung“ entstehen ferner, wenn die Gesellschaft hinsichtlich einer Transaktion bereits interne Planungen getroffen, einen Gesellschafterbeschluss herbeigeführt, Interesse bekundet bzw. ein Angebot erhalten hat, oder gar in Vertragsverhandlungen eingetreten war.780 Entsprechend dem Grundsatz „Geschäftsführer sind immer im Dienst“ kommt es nicht darauf an, ob sie von der Geschäftschance in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer erfahren.781 Eine Ausnahme für Geschäftschancen, die dem Geschäftsführer höchstpersönlich, also im Familien- oder Freundeskreis angetragen werden, ist indes abzulehnen, da eine Abgrenzung hier – ähnlich wie beim Vorstand – an Beweisproblemen scheitern wird.782 Aus demselben Grund ist nicht darauf abzustellen, ob die Gesellschaft finanziell, personell oder sachlich in der Lage ist, die Geschäftschance wahrzunehmen. Das Verbot soll vielmehr bereits abstrakte Gefährdungen des Gesellschaftsinteresses abwehren mit Blick darauf, dass im konkreten Fall „jeder objektive Maßstab für die jeweils sachgerechte Maßnahme und damit die Frage einer Benachteiligung und deren Ausgleich fehlt“.783 Das Verbot wirkt auch nach Ende des Amtes und Anstellungsvertrages nach.784 Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer wird schließlich nur solche Geschäftschancen der Gesellschaft vorbehalten müssen, die er ihr bereits in für Dritte erkennbarer Weise zugewiesen hat, was z. B. durch Vertragsverhandlungen im Namen der Gesellschaft geschehen könne.785 ___________ § 43 Rn. 144. Zur neueren Rechtsprechung des BFH s. NJW 1996, 950; Fleischer, DStR 1999, 1249; Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 421 ff. 778 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 122. 779 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 144a; OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376 (378). 780 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 144b; BGH WM 1976, 77; BGH GmbHR 1968, 141; 1977, 129; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162 (168); Merkt, ZHR 159 (1995), 439; Schiessl, GmbHR 1988, 53 (53 f.); einschränkend Weisser, Corporate Opportunities, S. 164 ff. 781 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 115, 144c; vgl. BGH WM 1967, 679; 1985, 1443 (Druckmittelzylinder). 782 Schiessl, GmbHR 1988, 53 (54 f.); a.A. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 144c. 783 BGH GmbHR 1981, 189 (191); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (443); einschränkend Scholz/Schneider, § 43 Rn. 145, der aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes danach fragen will, ob die Gesellschaft die Geschäftschance wahrgenommen hätte; a.A. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, S. 129 f. 784 BGH GmbHR 1977, 43 (44); WM 1985, 1443 (Druckmittelzylinder); OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376 (378). 785 Weisser, GmbHR 1997, 429 (431 ff.).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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Obwohl im Recht der GmbH eine § 93 I 3 AktG entsprechende Vorschrift fehlt, sind die Geschäftsführer schon aufgrund des Treueverhältnisses verpflichtet, über vertrauliche Informationen, Geschäftsgeheimnisse und – aufgrund ausdrücklicher Weisung – auch über sonstige Angelegenheiten der Gesellschaft gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren.786 Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht werden in § 85 unter Strafe gestellt, wobei es aber nur bei der Strafnorm darauf ankommt, ob die Information dem Betroffenen gerade in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer oder als Privatmann bekannt geworden ist.787 Die Höhe der Geschäftsführervergütung kann höchstens dann als Geschäftsgeheimnis gelten, wenn sie Rückschlüsse auf Umsatz oder Ertrag der Gesellschaft zulässt.788 Problematisch ist die Einhaltung der Pflicht insbesondere bei der Durchführung einer due diligence vor Veräußerung der Geschäftsanteile bzw. des Unternehmens, wobei die Offenlegung der Unternehmensinterna hier überwiegend den Gesellschaftern vorbehalten bleibt.789 Verboten sind schließlich das Annehmen und das Gewähren von Bestechungsgeldern und überhöhten Provisionen im Zusammenhang mit der Leitungstätigkeit. Die empfangenen Vorteile sind an die Gesellschaft herauszugeben.790 Im Einzelfall kann die Gesellschaft die Geschäftschance zugunsten des Geschäftsführers freigeben, wofür aber ein Gesellschafterbeschluss unter analoger Anwendung des § 47 IV zu fordern sein wird. Beim mehrköpfigen Geschäftsführungsgremium wird zum Teil eine Freigabe durch die anderen Geschäftsführer befürwortet, sofern der Gesellschaft hierdurch kein Nachteil entsteht. Dies sei denkbar, wenn die Gesellschaft ihr Interesse an der Geschäftschance verloren hat, der Transaktion finanziell nicht gewachsen ist oder wenn ihr Nachteil in anderer Weise ausgeglichen wird.791 Als Rechtsfolge tritt neben den Schadensersatz- und den Unterlassungsanspruch ein Eintrittsrecht der Gesellschaft analog § 88 II AktG, § 113 I HGB ___________ 786 BGH WM 1975, 678; BGH GmbHR 1996, 612; OLG Koblenz WM 1987, 480 (481); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 115. 787 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 115: „Geschäftsführer sind ‚immer im Dienst‘ “. 788 BGH GmbHR 1996, 612 (613); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 117. 789 Für die Notwendigkeit einer Satzungsbesimmung oder eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 21; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 118a. 790 RGZ 96, 53; BGH WM 1962, 578; 1967, 679; OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 227; OLG Hamburg GmbHR 1998, 89; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 24; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 69, 148 f. Vgl. auch § 299 StGB. 791 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 147; a.A. Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 40; Lutter, GmbHR 2000, 301 (306); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (445 f.); Schiessl, GmbHR 1988, 53 (55).
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
und somit das Recht, unabhängig vom entstandenen Schaden die Herausgabe der bezogenen Vergütung zu verlangen.792
c) Aufsichtsrat Den nebenamtlich tätigen Aufsichtsratsmitgliedern wird die Ausnutzung von Geschäftschancen zumeist aus denselben Gründen erlaubt, wie sie für das Fehlen eines allgemeinen Wettbewerbsverbots diskutiert werden.793 Andere plädieren in diesen Fällen der konkreten Gefährdung der Gesellschaftsinteressen hingegen für ein Ausnutzungsverbot.794 Um eine Ausnutzung vertraulicher Informationen der Gesellschaft zu deren Nachteil zu unterbinden, untersagt § 93 I 3 i.V.m. § 116 S. 1 dem Aufsichtsrat jedenfalls, vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft preiszugeben. Eine klarstellende Funktion hat dabei der durch das TransPuG eingefügte neue Satz 2 des § 116, der Aufsichtsratsmitglieder insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und über vertrauliche Beratungen verpflichtet.795 Die Verschwiegenheitspflicht ist gem. § 404 strafbewährt und geht dem Informationsbedürfnis Dritter, insbesondere der im Aufsichtsrat repräsentierten Arbeitnehmer, unbedingt vor.796 Die einzige Ausnahme gilt gem. § 394 für die Vertreter von Gebietskörperschaften im Aufsichtsrat, jedoch mit der Maßgabe, dass die Adressaten der weitergegebenen Informationen gem. § 395 selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Diese Strenge ist hier besonders wichtig und nachvollziehbar, da man von dem Vorstand kaum eine vollständige Offenlegung aller geschäftlichen Informationen gem. § 90 in einem Gremium verlangen kann, in dem absolute Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist. Schwierigkeiten bereitet im Einzelfall jedoch die Frage, welche Vorgänge als vertraulich einzustufen sind. Sie muss von jedem Betroffenen eigenverantwortlich beantwortet werden, ohne dass diesbezügliche Satzungsvorgaben oder interne Beschlüsse und Anordnungen verbindlich wären (Verschär___________ 792
Kübler, FS-Werner, S. 437 (440 f.); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (446); Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 21; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 146. 793 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (297); Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (434 ff.). 794 Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1 (5); vorsichtig auch Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, S. 110; einschränkend Weisser, Corporate Opportunities, S. 184 f. (passives Ausnutzungsverbot, aber keine aktive Pflicht, die Geschäftschance der Gesellschaft gegenüber zu eröffnen); mit Ausnahmen für Geschäftschancen, von denen das Aufsichtsratsmitglied privat Kenntnis erlangt Fleck, FS-Heinsius (1991), S. 89 (92). 795 Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (794). 796 s. dazu allgemein Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 121 ff.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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fungsverbot). Als bedenklich gilt beispielsweise die Offenlegung des (eigenen) Abstimmungsverhaltens.797 Verboten ist auch die bloße Verwertung des Geschäftsgeheimnisses ohne Weitergabe an Dritte, sobald es die materiellen oder ideellen Interessen der Gesellschaft berührt.798 Schließlich dürfen Aufsichtsratsmitglieder „hinter dem Rücken der Gesellschaft“ keine Schmiergelder annehmen.799
d) Beirat Auch Beiratsmitglieder dürfen keine eigenen Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft tätigen.800 Die Annahme von Schmiergeldern oder Provisionen ist ihnen ebenso verboten wie die Verfolgung von Geschäftschancen der Gesellschaft.801 Ferner gilt für Beiratsmitglieder auch das Verbot der Ausnutzung von Gesellschaftsinformationen in der weiten Form einer Verschwiegenheitspflicht. Sie lässt sich auf seine Stellung als Organwalter und somit auf den allgemeinen Rechtsgedanken aus den §§ 93 I 3, 116 AktG, 52 I GmbHG, 34 I 2, 41 GenG stützen und hat den gleichen Inhalt wie bei den anderen Organen.802 Das vom BGH803 für den Aufsichtsrat begründete Verbot, die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht durch Satzung oder Geschäftsordnung zu verschärfen, gilt für den Beirat jedoch nicht. Dafür spricht zum einen, dass der BGH mit § 23 V AktG argumentierte, eine entsprechende Norm in GmbH-Recht aber gerade nicht zu finden ist. Zum anderen hatte das Gericht die ungehinderte Aufgabenerfüllung durch die Arbeitnehmervertreter im Auge, die im Beirat in der Regel nicht vertreten bzw. in ihrer Mitarbeit ohnehin durch den Gesellschaftsvertrag eingeschränkt sind.804 Daher wird man es als zulässig betrachten müssen, dass der Beirat bestimmte Informationen durch Beschluss für vertraulich ___________ 797 BGHZ 64, 325 (328, 331 f.) (Bayer); Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 158. 798 Fleck, FS-Heinsius, S. 89 (99 f.). 799 Fleck, FS-Heinsius, S. 89 (106). 800 BGH WM 1964, 1320 (1321); WM 1977, 476 (477) (Konkurrenzverbot im Gesellschaftsvertrag); Voormann, Der Beirat, S. 151; Weisser, Corporate Opportunities, S. 185 f., der aber danach differenziert, ob es sich um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt (nur passives Ausnutzungsverbot) oder um ein geschäftsführendes Gremium (zugleich Pflicht, der Gesellschaft aktiv die Wahrnehmung der Geschäftschance zu ermöglichen). 801 Voormann, Der Beirat, S. 151; Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 44; Hachenburg/Ulmer/Raiser, § 52 Rn. 359. 802 Voormann, Der Beirat, S. 155. 803 BGHZ 64, 325 (Bayer). 804 Voormann, Der Beirat, S. 155 f.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
erklärt, solange die verschärfte Verschwiegenheitspflicht nicht mit anderen gesetzlichen Pflichten kollidiert.805
e) Rechtsvergleich Im deutschen Recht überschneidet sich die Geschäftschancenlehre z.T. mit dem Wettbewerbsverbot, da sie wie dieses an das Geschäftsfeld der Gesellschaft (line of business) anknüpft. Das Wettbewerbsverbot ist in diesem Bereich aber deutlich strenger als die Corporate-Opportunity-Doktrin und zugleich strenger als der englische Ansatz mit den no-conflict und no-profit rules. Im Gegensatz zu diesen knüpft es nämlich nicht an konkrete, potentiell nachteilige Geschäfte, sondern an die abstrakte Gefährdung an806 und verhindert bereits das Entstehen von Interessenkonflikten im Falle der Nebenbeschäftigung. Ferner verbietet es den Betrieb eines Handelsgewerbes auch dann, wenn der Aufwand ausschließlich der Gesellschaft und nicht dem Geschäftsleiter persönlich oder einem Dritten zugute kommen soll. Bei Verletzung des unflexiblen § 88 wird der Vorstand schließlich nicht mit dem in Deutschland überwiegend als Rechtfertigungsgrund anerkannten Einwand gehört, dass die Gesellschaft die betreffende Geschäftschance ohnehin nicht hätte wahrnehmen können.807 Deshalb ist das Wettbewerbsverbot des deutschen Rechts nicht bloß ein Unterfall der Geschäftschancenlehre, sondern ein eigenständiger und wichtiger Tatbestand unter den Loyalitätspflichten.808 Andererseits ist der Anwendungsbereich des Wettbewerbsverbots aber viel kleiner als der der no-conflict und no-profit rules. Er umfasst nicht die Fälle, in denen das Vorstandsmitglied die Geschäftschance für private Zwecke nutzt (z. B. Grundstückskauf für Privathaus). Ebensowenig fallen unter das Wettbewerbsverbot die Fälle, in denen der Geschäftsleiter eine Geschäftschance außerhalb des Tätigkeitsfelds der Gesellschaft an sich zieht,809 über die die Gesellschaft jedoch bereits verhandelt hat („konkrete Erwartung“). Wird im Anstellungsvertrag des Geschäftsleiters kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, vermag ihn § 88 alleine ferner nicht daran zu hindern, seine (An)Stellung aufzugeben und unter Mitnahme der bisherigen Kunden eine Konkurrenzfirma zu gründen. Dasselbe kann sogar bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots passieren, wenn mit der Ausnutzung der ___________ 805 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 40; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 990; Voormann, Der Beirat, S. 155 f. 806 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 144. 807 GK-Hopt, § 93 Rn. 167; Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (300 f.). 808 s. o., Fn. 692. 809 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 144.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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mitgenommenen Informationen erst nach dessen Ablauf begonnen wird.810 Eine solche massive Schädigung des früheren Arbeitgebers kann und muss daher durch eine auch nachträglich wirkende Geschäftschancenlehre unterbunden werden.811 Es fragt sich nur, wie das Verbot der heimlichen Bereicherung aufgrund der Organstellung im Einzelnen am zweckmäßigsten auszugestalten ist. Zunächst einmal bietet sich die gerade verwendete weite Fassung des Verbots, um dessen Anwendungsbereich neben Geschäftschancen im engeren Sinne auch allgemein auf die Ausnutzung von Vermögen und Informationen der Gesellschaft zu erstrecken.812 Während die Vermögensnutzung schon nach allgemeinen Regeln sanktionierbar und hier nur aus systematischen Gründen zu wiederholen ist, erfordert der Schutz der Gesellschaft vor unbefugter Nutzung der ihr zustehenden Informationen eine Ergänzung der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Diese schützt passiv vor der Ausbreitung und Ausnutzung bereits vorhandener, als geheim oder vertraulich einzustufender Informationen. Eine ernstzunehmende Verpflichtung, im Konflikt zwischen dem persönlichen und dem dienstlichen Interesse zugunsten des Letzteren zu entscheiden, verlangt aber konsequenterweise, dass jegliche Informationen, die für die Gesellschaft nützlich sein könnten, dieser zugänglich gemacht werden. Sie ist somit aktiver Natur und begründet für den Geschäftsleiter Offenlegungspflichten auch und gerade hinsichtlich von Informationen, die der Gesellschaft bisher unbekannt waren, für sie aber relevant sein könnten. Dies soll aber nicht bedeuten, dass die engere gesetzliche Schweigepflicht daneben ihre Eigenständigkeit verliert: sie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie für besonders sensible Informationen ein absolutes, von einer eventuellen Bereicherung des Geschäftsleiters unabhängiges Verbreitungsverbot statuiert. Die Bedeutung einer solchen obligation of confidence wird daher zunehmend auch in Großbritannien anerkannt.813 Die genaue Zuordnung von Geschäftschancen und Informationen zur Gesellschaft erfolgt hierzulande und im englischen Schrifttum zu Recht nach einer Kombination aus abstrakten, am Geschäftsfeld der Gesellschaft orientierten Kriterien und konkret entstandenen Erwartungen. Die vom BGH vorgenommene Ausdehnung auf Angebote, die an den Geschäftsleiter als Privatmann gerichtet werden, ist in der Literatur indes teilweise kritisch aufgenommen worden mit dem Argument, sie versperre dem Geschäftsleiter den Weg in die Selb___________ 810
Vgl. BGH WM 1985, 1443 (1444). BGH GmbHR 1977, 43 f.; KK-Mertens, § 93 Rn. 74. 812 Vgl. dazu den weiten Treugut-Begriff von Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 101 ff. 813 Erwähnt bei Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (641); ungenau Boyle, GoreBrowne on Companies, 27.6.1; s. ferner Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (302 f.). 811
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
ständigkeit und wirke damit Unternehmensgründungen und Wettbewerb entgegen.814 Hierbei ist aber zu beachten, dass die Aufnahme einer neuen, ggf. selbständigen Tätigkeit dem Geschäftsleiter natürlich grundsätzlich möglich bleibt, es sei denn, er verbindet diese mit der Mitnahme und Ausnutzung einer der Gesellschaft gehörenden Geschäftschance.815 Betrachtet man gerade den letzteren Aspekt als für eine Existenzgründung wesentlich, so ist diese geringer zu werten als der ansonsten gefährdete, konsequente Schutz der Geschäftschancenlehre gegen Umgehungsmöglichkeiten. Es ist ohnehin kaum denkbar, dass der Dritte, der dem Vorstandsmitglied ein in den Tätigkeitsbereich seiner Gesellschaft fallendes Geschäft anträgt, ausschließlich an dem „Privatmann“ interessiert ist. Er würde ja „zwangsläufig“ von den Kenntnissen und Erfahrungen auf dem betroffenen Markt profitieren, die auch ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied mitbringt. Daher scheint der „Privatmann“ im Geschäftsfeld der Gesellschaft nicht zu existieren und der Grundsatz der „Unteilbarkeit der Treuepflicht“ berechtigt zu sein. Ziel der Geschäftschancenlehre ist es ferner, den vollen Einsatz des Geschäftsleiters für seine Gesellschaft zu erreichen, was nur gelingen kann, wenn Anreize zu eigennützigem Handeln weitestgehend ausgeschaltet werden können. Auch bei einem Angebot an das Vorstandsmitglied als Privatperson besteht noch die Möglichkeit, dass dieses die Geschäftschance durch entsprechende Verhandlungen an die Gesellschaft ziehen kann. Die Motivation hierzu kann aber selbstverständlich nur dann entstehen, wenn man das eigennützige Handeln nicht ohne weiteres für zulässig erklärt. Und sollte einmal tatsächlich der Fall eintreten, dass der Dritte nach Ausschöpfung aller Verhandlungsmöglichkeiten die Gesellschaft keinesfalls an Stelle des Vorstandsmitglieds als Vertragspartner akzeptieren will, kann dieses die Karten auf den Tisch legen und eine Freigabe des Geschäftsabschlusses seitens der Gesellschaft erwirken. Dies wird zwar bei Geschäften, die dem Vorstandsmitglied höchstpersönlich, beispielsweise im Familienkreis oder durch persönliche Freunde angetragen werden, typischerweise der Fall sein, was jedoch nicht die Ausnahme solcher Fälle von dem allgemeinen Grundsatz rechtfertigt. Auch hier wird dem Betroffenen zuzumuten sein, die Abschlussmöglichkeit den zuständigen Gesellschaftsorganen zu eröffnen.816 Im Hinblick auf die Unfähigkeit der Gesellschaft zur Wahrnehmung einer Geschäftschance überzeugt aus Präventionsgründen die in Großbritannien und zum Teil auch in Deutschland vertretene Ansicht, die darin keine Rechtferti___________ 814 GK-Hopt, § 93 Rn. 169 (Fn. 591: Mitwirkung desselben an der entsprechenden Entscheidung der Vorinstanz, OLG Stuttgart, in dem genannten Fall, s. auch BGH WM 1985, 1443). 815 BGH WM 1985, 1443 (1444); i.E. auch KK-Mertens, § 93 Rn. 67. 816 So für die GmbH OLG Frankfurt GmbHR 1998, 376 (378); Schiessl, GmbHR 1988, 53 (54 f.); a.A. Fleischer, NZG 2003, 985 (989); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 145; GK-Hopt, § 93 Rn. 169 Fn. 593.
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gung sieht. Die Gegenauffassung dürfte in der Praxis auf kaum überwindbare Beweisschwierigkeiten stoßen. Ab wann soll sich ein Geschäftsleiter darauf berufen dürfen, alle Möglichkeiten zur Beschaffung fehlender finanzieller Mittel ausgeschöpft zu haben? Ist die Liste solcher Möglichkeiten für einen findigen Geschäftsmann nicht schier endlos? Seine Fantasie und Einsatzbereitschaft werden natürlich gehemmt, solange am Ende auch die Gelegenheit zur Eigenvornahme winkt. Aber auch die tatsächliche Unmöglichkeit dürfte nicht einfach festzustellen sein. Selbst wenn ein Dritter prinzipiell mit dem Geschäftsleiter persönlich und nicht mit der Gesellschaft kontrahieren will, lässt sich nicht sagen, ob er seine Meinung nicht doch noch geändert hätte, hätte die Gesellschaft wenigstens die Chance bekommen, in ernsthafte Verhandlungen mit ihm einzutreten. Dasselbe gilt für rechtliche Hindernisse, hängt doch auch hier der Erfolg bei ihrer Beseitigung in erster Linie von dem dafür betriebenen Aufwand ab. Wenn das Gesellschaftsrecht also sicherstellen will, dass der Geschäftsleiter alles ihm Mögliche tut, um ein vorteilhaftes Geschäft zugunsten der Gesellschaft abzuschließen, muss es dieses Ergebnis als einzig legitimes Ziel des Leitungshandelns definieren. Solange daneben – wenn auch nur in Ausnahmefällen – als zweites Ziel die persönliche Bereicherung zugelassen wird, wird die menschliche Natur immer zugleich die Suche nach einem Weg einleiten, der dorthin führt, und zwar um so zielstrebiger, je größer die Gewinnaussicht. Bleibt nur noch die Frage nach den Möglichkeiten einer Freistellung von einem derart weit verstandenen Verbot der heimlichen Bereicherung aufgrund der Organstellung. Das Common Law verlangte bisher in jedem Einzelfall einen Gesellschafterversammlungsbeschluss, der zudem nicht bloß einen Verzicht der Gesellschaft auf die Geschäftschance, sondern zudem eine ausdrückliche Erlaubnis für den Direktor enthielt, sich persönlich zu bereichern. Damit übertrug es aber eine Geschäftsführungsentscheidung der sachferneren und schwerfälligen Hauptversammlung, deren zeitraubende und öffentliche Befassung mit der Angelegenheit die Geschäftschance praktisch sowohl für alle Interessierten zunichte machte. Will man dem Geschäftsleiter hingegen zwar eine gut abgesicherte aber doch noch tatsächlich realisierbare Chance auf ein Eigengeschäft zugestehen, ist ein anderer Kontrollmechanismus notwendig. Die Commonwealth-Gerichte und der Company Law Review haben daher einen neuen Weg aufgezeigt, an dessen Ende eine Freistellung durch den Board selbst, nach vollständiger Offenlegung aller relevanten Informationen und ohne Mitwirkung des Betroffenen, stehen soll. Aus der Rechtsprechung ergibt sich ferner die Einschränkung, dass die Entscheidung nicht in erster Linie den Zweck verfolgen darf, eine persönliche Bereicherung des Direktors zuzulassen. Es fehlt insofern generell an einer Kompetenz des Board, über das Vermögen der Gesellschaft zugunsten gesellschaftsfremder Zwecke zu disponieren. Er kann aber feststellen, dass das fragliche Geschäft außerhalb des potentiellen und des aktuellen Geschäftsfeldes der Gesellschaft liegt, und somit die Zuord-
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
nung der Geschäftschance zur Gesellschaft aufheben. Die Einschränkung dürfte nur insofern Schwierigkeiten bereiten, als ihre Einhaltung von den Gerichten unter Prüfung der Motive der Direktoren vorgenommen werden müsste. In Deutschland lässt sich die Lösung aufgrund der Existenz eines unabhängigen Kontrollorgans noch angemessener gestalten. Die unternehmerische Einschätzung des Nutzens der Geschäftschance für die Gesellschaft kann hier vom zuständigen Vorstand geliefert und anschließend vom Aufsichtsrat unter dem Blickwinkel des vorhandenen Interessenkonflikts kritisch hinterfragt werden. Selbstverständlich hat der Aufsichtsrat seine Entscheidung ausschließlich am Unternehmensinteresse und nicht etwa an den Vorteilen für den betroffenen Kollegen auszurichten. Anders als in Großbritannien wird in Deutschland aber über die bloße Wiederholung dieser allseits bekannten Verpflichtung hinaus zu Recht gefordert, dass der Aufsichtsrat seine diesbezüglichen Überlegungen darlegt. Mit dem Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung wird nämlich die Beweislast auf den Aufsichtsrat verlagert und der für den Richter schwierige Einblick in die Willensbildung des Gremiums erleichtert. Problematisch ist de lege lata jedoch, dass die Freistellungsmöglichkeit wegen § 93 IV 2 AktG auf die Analogie zu § 88 I AktG gestützt werden muss und somit auf Geschäftschancen im Tätigkeitsfeld der Gesellschaft beschränkt bleibt. Diese eher zufällig gezogene Grenze sollte daher aufgehoben werden, indem sowohl das Verbot als auch der Freistellungsmodus eine eigenständige gesetzliche Regelung erfahren. Beim GmbH-Geschäftsführer erscheint eine Freigabe durch die Gesellschafterversammlung aus den genannten Gründen ebenfalls als unzweckmäßig.817 Sie sollte zumindest bei einem mehrköpfigen Leitungsgremium durch eine Entscheidung der Mitgeschäftsführer ersetzt werden können, die ausschließlich am Gesellschaftsinteresse auszurichten ist. Sollten die Gesellschafter mehr Kontrolle über solche Geschäftschancen wünschen, können sie sich jederzeit durch Satzung oder Anstellungsvertrag Mitspracherechte vorbehalten oder ein absolutes Verbot aussprechen. Zu Recht wird in Deutschland schließlich die Anwendung der strengen Grundsätze der Geschäftschancenlehre auf nicht geschäftsführend tätige Organmitglieder, sei es im Aufsichtsrat oder im Beirat, abgelehnt. Auch in Großbritannien wird die no-profit rule zum Teil als zu streng für non-executives angesehen. Diese schuldeten der Company gerade nicht ihre gesamte Arbeitskraft und hätten angesichts der bloßen Nebenbeschäftigung und geringen Vergütung ein legitimes Interesse an anderweitigen wirtschaftlichen Aktivitäten. Denkbar sei eine Beschränkung des Verbots auf gesellschaftsinterne oder aktiv verfolgte Geschäftschancen. Im Hinblick darauf, dass auch ein executive in einer anderen Gesellschaft als NED fungieren kann, müsste er ferner von der Pflicht befreit werden, die in der letzteren Eigenschaft erlangten Informationen an seinen ___________ 817
A.A. Fleischer, NZG 2003, 985 (990); ders., FS Kilian, S. 645 (658).
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Hauptarbeitgeber weiterzuleiten.818 Dies dogmatisch zu begründen ist indes schwierig, solange das Company Law im Grundsatz an der Gleichstellung von executive und non-executive directors festhält.
7. Vergütung der Organe a) Vorstand: § 87 AktG Die Grundsätze für die Bemessung der Vorstandsbezüge finden sich – nach dem Entfallen des überflüssigen und überholten § 86 durch das TransPuG819 – in § 87. Die vertragliche Vergütung umfasst in der Regel ein Festgehalt, das durch eine kurzfristige, am Geschäftsjahr und Jahresgewinn orientierte Anreizvergütung (Tantieme), eine längerfristige, am Börsenkurs orientierte Anreizvergütung (Stock Options, Phantom Shares),820 Aufwandsentschädigungen und sonstige Nebenleistungen, wie z. B. die Stellung eines Dienstwagens oder eines Wohnhauses, ergänzt wird. Eine Mischung aus fixen und variablen Bestandteilen wird vom DCGK empfohlen (Ziff. 4.2.3. S. 1). Bestimmte Leistungen werden auch dann von der Gesellschaft zu erbringen sein, wenn sie zwar nicht ausdrücklich im Vertrag vorgesehen, aber doch als konkludent mitvereinbart gelten. Dazu gehört der Ersatzanspruch für betrieblich veranlasste Aufwendungen – also Reisekosten, Spesen, Repräsentationskosten – in angemessener Höhe, sofern sie im konkreten Fall nicht schon von der regulären Vergütung abgedeckt werden.821 Das Vorstandsmitglied hat entsprechende Aufzeichnungen, Belege und Abrechnungen zwecks Kontrolle durch die Gesellschaft aufzubewahren.822 Auch von betrieblichen Zuwendungen an Angestellte der Gesellschaft dürfen die Vorstandsmitglieder regelmäßig profitieren, während ihnen andererseits eine sozial motivierte Förderung der Arbeitnehmer vorenthalten bleiben muss, sodass sie auch keinen Anspruch auf Belegschaftsaktien haben.823 Will der Vorstand hingegen Leistungen in Anspruch nehmen, die den in Gesetz und Vertrag vorgesehenen Rahmen überschreiten – beispielsweise den ___________ 818
Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 232. s. Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (793) und Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 41. 820 Der Unterschied zwischen beiden liegt darin, dass Aktienoptionen den Bezug von Aktien unter Börsenkurs ermöglichen, dadurch das Kapital verwässern und keinen steuerlichen Entlastungseffekt haben, während Phantomaktien eine bloß am Börsenkurs ausgerichtete Zusatzvergütung darstellen und als Betriebsausgaben die Steuerlast der AG mindern; s. Peltzer, JuS 2003, 348 (351). 821 GK-Hopt, § 93 Rn. 177; KK-Mertens, § 93 Rn. 65. 822 KK-Mertens, § 93 Rn. 72. 823 GK-Hopt, § 93 Rn. 179; KK-Mertens, § 93 Rn. 66. 819
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Dienstwagen auch privat nutzen – so hat er dafür ein angemessenes Entgelt zu entrichten.824 Er darf seine Privatangelegenheiten daher nicht ohne weiteres von Angestellten der Gesellschaft erledigen lassen. Die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder ist an die strengen Voraussetzungen des § 89 gebunden.825 Der Einsatz dienstlicher Mittel oder Aufwendungen zu privaten Zwecken wird nur dann ausnahmsweise als betrieblich veranlasst einzustufen sein, wenn er zumindest mittelbar das Unternehmensinteresse fördert, sodass das Vorstandsmitglied dessen Billigung seitens der Gesellschaft erwarten durfte.826 Hat die Funktion innerhalb der Gesellschaft beispielsweise zur Folge, dass Leib und Leben des Vorstandsmitglieds gefährdet sind, hat die Gesellschaft die Kosten des Personenschutzes zu übernehmen.827 Die genannten variablen Vergütungsteile sollten nach dem DCGK einmalige sowie jährlich wiederkehrende Komponenten enthalten, die an den geschäftlichen Erfolg gebunden sind, ferner solche mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter (Ziff. 4.2.3 S. 2). Letzteres ist insbesondere bei den mittlerweile sehr populären Aktienoptionsplänen der Fall, die den Bezug von Aktien der Gesellschaft ermöglichen. Die Zulässigkeit der stock options ist allgemein anerkannt,828 während ihre Durchführung mit dem KonTraG erheblich erleichtert wurde.829 Die entsprechenden Ansprüche verjähren in vier Jahren (§ 197 BGB).830 Daneben werden zumeist auch Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung ausgehandelt.831 Für die Festsetzung der Bezüge ist der Aufsichtsrat zuständig, der dafür zu sorgen hat, dass der Gesamtbetrag in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft steht (§ 87 I). Nach der neueren Gesetzesinterpretation des DCGK müssen nicht nur alle Vergütungsbestandteile insgesamt, sondern auch jeder für sich, angemessen sein (Ziff. 4.2.3 S. 3).832 Verschlechtern sich die Verhältnisse der Gesellschaft nachträglich so wesentlich, dass die Weiterzahlung eine schwere Unbilligkeit für die AG bedeuten würde, so ist der Aufsichtsrat sogar zu einer angemessenen Herabsetzung berechtigt (§ 87 II 1). Dem Vorstandsmitglied steht dann aber ein außerordentliches Kündigungsrecht zu (§ 87 II 3). Im Übrigen macht ein Ver___________ 824
GK-Hopt, § 93 Rn. 177; KK-Mertens, § 93 Rn. 63. s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. a) dd). 826 GK-Hopt, § 93 Rn. 178; KK-Mertens, § 93 Rn. 63. 827 GK-Hopt, § 93 Rn. 178; KK-Mertens, § 93 Rn. 64. 828 LG Frankfurt WM 1997, 473 (Deutsche Bank); OLG Stuttgart ZIP 1998, 1482 (Daimler Benz); OLG Braunschweig WM 1998, 1929 (VW). 829 §§ 71 I Nr. 8, 192 II Nr. 3 AktG. 830 BGHZ 36, 142; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 49. 831 Vgl. BGH AG 1984, 150 (151 f.); BGH WM 1997, 68. 832 Eingefügt am 21.5.2003. 825
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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stoß gegen § 87 die betroffene Vereinbarung nicht nichtig, als mögliche Sanktion dient allein die Haftung des Aufsichtsrats gem. § 116.833 Der DCGK gibt für die Bemessung die Einbeziehung der Konzernbezüge und eine Leistungsbeurteilung834 vor. Als Kriterien gelten danach im Einzelnen die Aufgaben des jeweiligen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die Leistung des Vorstands, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie dessen Erfolg und Zukunftsaussichten unter Berücksichtigung seines Vergleichsumfelds (Ziff. 4.2.2). Für Aktienoptionspläne empfahl der Kodex zunächst lediglich vorher festgelegte Vergleichsparameter wie Aktienindices oder bestimmte Kursziele, die einer nachträglichen Änderung („Repricing“) entzogen sein sollten.835 Ferner sollte die konkrete Ausgestaltung der Aktienoptionspläne bekannt gemacht werden (Ziff. 4.2.3).836 Als Reaktion auf den Aktionsplan der Europäischen Kommission837 und nicht zuletzt unter dem Eindruck der Directors’ Remuneration Report Regulations 2002 und des dadurch ausgelösten Debakels838 wurden die Empfehlungen des DCGK zur Vorstandsvergütung in der Sitzung der Regierungskommission vom 21. Mai 2003 jedoch drastisch geändert und vor allem im Hinblick auf die variablen Vergütungskomponenten verschärft.839 Nunmehr sollen für Aktienoptionen, aber auch für alle vergleichbaren Gestaltungen „anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter“ festgelegt werden, wobei eine nachträgliche Änderung weder für die Erfolgsziele selbst noch für die Parameter erfolgen soll. Der Aufsichtsrat soll für außerordentliche, nicht vorhergesehene Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit (Cap, Deckelung) vereinbaren. Die Internetseite der Gesellschaft sowie ihr Geschäftsbericht sollen nunmehr über die Grundzüge des Vergütungssystems, die konkrete Ausgestaltung der Aktienoptionspläne und über deren Wert informieren, während die Grundzüge des Vergütungssystems und deren Änderungen zusätzlich vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Hauptversammlung gegenüber erläutert werden sollen. Hinzu kam die Empfehlung, dass das Aufsichtsratsplenum auf Vorschlag des zuständigen Ausschusses über die Struktur des Vergütungssystems beraten und diese regelmäßig überprüfen soll (Ziff. 4.2.2. S. 1). Die Angemessenheit der Vorstandsbezüge soll weiterhin durch Offenlegungspflichten gewährleistet werden. So sind gem. § 285 Nr. 9 a, b HGB in der ___________ 833
Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (793). Kritisch zu dieser eigenwilligen Gesetzesinterpretation Schüppen, DB 2002, 1117 (1118). Als soll-Bestimmung interpretiert Ziff. 4.2.2 indes Peltzer, JuS 2003, 348 (351 Fn. 27) m. w. N., der ihr jedoch zugleich ein Versagen in der Praxis attestiert. 835 Kritisch Schüppen, DB 2002, 1117 (1118). 836 Kritisch Schüppen, DB 2002, 1117 (1118). 837 s. o., Einleitung, Fn. 1. 838 s. o., 4. Kapitel, A. II. 7. 839 s. dazu Thüsing, DB 2003, 1612. 834
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Fassung des TransPuG im Anhang zum Jahresabschluss jeweils die Gesamtbezüge des Vorstands, die Gesamtbezüge früherer Vorstandsmitglieder und ihrer Hinterbliebenen, sowie die gewährten Vorschüsse und Kredite auszuweisen, wobei klargestellt wurde, dass dazu auch aktienbasierte Vergütungen gehören. Eine Einzelaufschlüsselung war bisher nicht gesetzlich vorgeschrieben, und wurde vom DCGK bis zum 21. Mai 2003 nur angeregt (Ziff. 4.2.4 S. 2). Angesichts des vom Justizministerum und von der Europäischen Kommission ausgehenden Drucks840 wurde die Anregung dann in eine Empfehlung umgewandelt.841 Als sich diese sodann als eine der am seltensten befolgten KodexEmpfehlungen erwies, entschied sich der Gesetzgeber für eine gesetzliche Regelung. Das zum 11. August 2005 in Kraft getretene Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (VorstOG)842 sieht für Vorstandsmitglieder börsennotierter Gesellschaften die individualisierte Ausweisung im Anhang des Jahres- und Konzernabschlusses vor. Zusätzlich erfolgt eine Aufgliederung nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung (§ 285 S. 1 Nr. 9 a S. 5). Die Offenlegungspflicht erfasst erstmals Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2005 beginnen (Art. 59 EGHGB) und kann durch Hauptversammlungsbeschluss mit Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals für höchstens fünf Jahre abbedungen werden (§ 286 V HGB). In der Rechtswirklichkeit843 ist seit 1970 eine Steigerung des Realeinkommens der Vorstandsmitglieder um gut ein Drittel zu verzeichnen. Ihre durchschnittliche Vergütung stieg von 90.000 auf 370.000 Euro bei verdreifachten Lebenshaltungskosten. Das Durchschnittsgehalt in den DAX-30-Unternehmen liegt inzwischen bei 1,6 Mio. Euro,844 mit geschätzten Spitzengehältern von 6,95 Mio. Euro845 und 2,53 Mio. Euro846. Somit kann von einem exzessiven Niveau nicht die Rede sein, auch wenn die öffentliche Wahrnehmung von krassen Einzelfällen bestimmt wird, insbesondere, wenn die Erhöhungen in der Krise der Gesellschaft vorgenommen werden. Gleichwohl können gerade diese Fälle das Ansehen des deutschen Kapitalmarkts erheblich beeinträchtigen. ___________ 840
s. FAZ v. 13.5.2003 S. 11 und v. 22.5.2003 S. 11. Der Empfehlung folgten beispielsweise Kai-Uwe Ricke (Deutsche Telekom AG, Grundgehalt 1,25 Mio Euro, verdoppelbar aufgrund der leistungsbezogenen Komponenten) und Hubertus Erlen (Schering AG, 2,8 Mio Euro); insgesamt wollten acht der 30 DAX-Unternehmen die Vorstandsbezüge individualisiert offen legen; s. FAZ v. 2.1.2003 S. 14 und v. 15.4.2003 S. 20. 842 BGBl. I 2005, 2267 f. 843 s. dazu die Studie der Personalberatung Kienbaum, zitiert nach FAZ v. 7.4.2003 S. 23. 844 Studie der Personalberatung Kienbaum, zitiert nach FAZ v. 7.4.2003 S. 23. 845 Josef Ackermann, Deutsche Bank AG; Quelle: FAZ v. 21.5.2003 S. 15. 846 Hubertus Erlen, Schering AG; Quelle: FAZ v. 21.5.2003 S. 15. 841
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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b) Geschäftsführer Anders als das AktG in § 87 nimmt das GmbHG zur Vergütung der Geschäftsführer keine Stellung, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass hier die Anteilseigner selbst an der Gehaltsfestsetzung mitwirken.847 Das „Ob“ und die Ausgestaltung des Gehalts richten sich daher vollständig nach dem Anstellungsvertrag. Auch wenn eine „Angemessenheit“ gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, kann eine überhöhte Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung angreifbar sein.848 Entsprechend § 87 II kann der Geschäftsführer ferner verpflichtet sein, bei wesentlicher Verschlechterung der Lage der Gesellschaft einer Herabsetzung zuzustimmen.849 Aus der Treuepflicht kann zumindest dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei Gewinnsteigerungen ein Erhöhungsanspruch erwachsen, während eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung begründen kann.850 Für Transparenz der Gesamtbezüge des Geschäftsführergremiums sorgt § 285 Nr. 9 HGB.
c) Aufsichtsrat: §§ 113, 114 AktG Aus der Natur des Anstellungsverhältnisses als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611 ff., 675 BGB oder unentgeltliches Auftragsverhältnis gem. §§ 662 ff. BGB ergibt sich für das Aufsichtsratsmitglied gem. § 670 BGB automatisch ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die es für erforderlich halten durfte.851 Dazu zählen alle mit der Anreise zu Sitzungen bzw. Gruppenvorbesprechungen anfallenden Kosten (sog. Sitzungsentgelt) sowie u.U. Sachverständigenkosten, wenn die betreffende Angelegenheit nicht mehr mit dem Wissen bewältigt werden konnte, das von jedem Aufsichtsratsmitglied üblicherweise verlangt werden darf. Eine über den Auslagenersatz hinausgehende Vergütung erhalten die Kontrolleure hingegen nur dann, wenn diese in der Satzung oder durch die Hauptversammlung festgesetzt worden ist (§ 113 I). § 612 BGB, der eine übliche Vergütung als stillschweigend vereinbart gelten lässt, findet insofern keine Anwendung. Auch Selbstbedienung und gegenseitige Gefälligkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat werden auf diese Weise ausgeschlossen. Zusätzlich bestimmen die §§ 114, 115, dass sog. ___________ 847
Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 Rn. 31. Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 100; BGH GmbHR 1990, 344 (345). 849 BGH GmbHR 1992, 605 (607). 850 Lutter/Hommelhoff, Anh. § 6 Rn. 34; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 35 Rn. 98; BGH GmbHR 1978, 12; KG Berlin GmbHR 1996, 613. 851 KK-Mertens, § 101 Rn. 7. 848
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Beraterverträge mit einem oder Kredite852 an ein Aufsichtsratsmitglied der Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats bedürfen. Unter einem Beratervertrag versteht man den Dienst- oder Werkvertrag eines Aufsichtsratsmitglieds mit der Gesellschaft, durch den es sich zu einer über die Erfüllung seiner Organpflichten hinausgehenden Beratungstätigkeit verpflichtet. Wird das Aufsichtsratsmitglied hingegen für eine Leistung entlohnt, die es der Gesellschaft ohnehin geschuldet hätte, so ist der entsprechende Vertrag nichtig, weil der Betroffene andernfalls eine verdeckte Sondervergütung erhalten würde. Unbedenklich sind daher regelmäßig nur Beraterverträge, die die besondere Sachkunde des Aufsichtsratsmitglieds auf einem technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Gebiet zum Gegenstand haben.853 Die Vergütung soll gem. § 113 I 3 in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. Nach Ziff. 5.4.7 des DCGK hat sie sich nach der Verantwortung und dem Tätigkeitsumfang der Aufsichtsratsmitglieder854 sowie nach der wirtschaftlichen Lage und dem Erfolg des Unternehmens zu richten, wobei der (stellvertretende) Aufsichtsratsvorsitz und der Vorsitz bzw. die Mitgliedschaft in Ausschüssen berücksichtigt werden sollen. In der Praxis ist es bereits üblich, beim Vorsitzenden und seinen Stellvertretern das doppelte bzw. anderthalbfache der normalen Vergütung vorzusehen. Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter sind auch hier gleich zu behandeln. Die Vergütung kann gem. S. 4 auch dann mit einfacher Stimmenmehrheit herabgesetzt werden, wenn sie durch Satzung festgelegt wurde. Sie besteht in der Regel aus festen und variablen Bestandteilen, wobei letztere an den Jahresgewinn bzw. an die Dividende gekoppelt sind (vgl. § 113 III). Die zum Teil erfolgsorientierte Vergütung wird vom DCGK ausdrücklich empfohlen, der auch eine teilweise Koppelung an den langfristigen Unternehmenserfolg anregt (Ziff. 5.4.7). Unzulässig ist allerdings seit dem Grundsatzurteil des BGH vom 16. Februar 2004855 die Gewährung von Aktienoptionen. Sie schaffe falsche Anreize für kurzfristige Steigerungen des Börsenkurses, führe unweigerlich zu Interessenkonflikten und schwäche damit die
___________ 852
s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. c). BGHZ 114, 127; 126, 340; BGH AG 1998, 583 (Tätigkeit als Rechtsanwalt); OLG Köln AG 1995, 90 (Entwicklung von Controlling-Software); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 733 ff.; a.A. Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 266 f. 854 Zu weit geht aber wohl die Satzung der Schering AG, nach der der Gesamtbetrag der Aufsichtsratsvergütung (3,4 Mio. Euro) so auf die Einzelnen Kontrolleure verteilt wird, wie es das Gremium selbst unter angemessener Berücksichtigung der Tätigkeit seiner Mitglieder im Vorsitz und in den Ausschüssen beschließt; s. FAZ v. 10.5.2003 S. 15. 855 II ZR 316/02, abgedruckt in ZIP 2004, 613 („Mobilcom“). 853
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Kontrollfunktion des Aufsichtsrates.856 Um den Interessenkollisionen den Boden zu entziehen, entschließen sich die Unternehmen zum Teil in Abweichung vom Kodex für eine Festvergütung.857 Verstöße gegen §§ 113, 114 können neben der Haftungsfolge des § 93 II auch die Haftung nach § 93 III Nr. 7 auslösen. Für Transparenz sorgt hier § 285 Nr. 9 HGB, nach dem im Anhang zum Jahresabschluss jeweils die Gesamtbezüge des Aufsichtsrats, die Gesamtbezüge früherer Aufsichtsratsmitglieder und ihrer Hinterbliebenen sowie die gewährten Vorschüsse und Kredite auszuweisen sind. Eine Einzelaufschlüsselung ist bisher nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird jedoch neuerdings vom DCGK empfohlen (Ziff. 5.4.7).858 Der Kodex empfiehlt jedenfalls eine gesonderte, individualisierte Aufschlüsselung der Vorteile, die den Aufsichtsratsmitgliedern für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen gewährt wurden. Die Realität zeigt, dass – anders als die Vorstandsvergütung – die Aufsichtsratsgehälter grundsätzlich nicht den Rahmen der Angemessenheit überschreiten und keinen Anlass zu Kritik geben. Eine aktuelle Studie859 stellt sogar fest, dass sich das Realeinkommen der deutschen Aufsichtsräte seit 1970 halbiert hat. Während sich die Lebenshaltungskosten verdreifachten, stiegen ihre Bezüge lediglich von durchschnittlich 7.500 auf 12.000 Euro, verglichen mit der Steigerung von 90.000 auf 370.000 Euro bei Vorstandsmitgliedern. Bekamen die Aufsichtsräte damals also 8 % des Vorstandsgehalts ausbezahlt, sind es heute nur noch 3 % und knapp 5 % bei den DAX-30-Unternehmen, wo als Jahresvergütung 75.000 bzw. 1,6 Mio. Euro anzusetzen sind. Im europäischen Vergleich wuchs das durchschnittliche Jahresgehalt eines Kontrolleurs von 43.000 Euro im Jahr 2001 auf 55.000 Euro im Jahr 2003.860 Dies bestätigt die in früheren Corporate Governance-Debatten geäußerte Vermutung, dass die Vergütung der professionellen Berater und Kontrolleure an die anspruchsvollen Aufgaben angepasst werden müsste, die ihnen heutzutage auferlegt werden. Angemessen seien mindestens 5 bis 10 % der Vorstandsvergütung.861 Dass dieses Verhältnis ___________ 856 Aus britischer Sicht Financial Times v. 18./19.1.2003 S. 2; ganz anders aber Lutter, ZGR 2001, 224 (231). 857 So nach FAZ v. 10.5.2003 S. 15 die Allianz und BASF. Nach einer Studie unter Leitung von Prof. Axel von Werder gehört die Empfehlung erfolgsabhängiger Vergütung zu den unbeliebtesten im Kodex; s. Berlin Center of Corporate Governance, Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex in börsennotierten Gesellschaften: Empirische Erhebung der Entsprechenserklärungen der DAX 30- und MDAX 70Unternehmen – Executive Summary (Berlin, 19.5.2003), abrufbar unter: http://www. bccg.tu-berlin.de/main/publikationen.htm. 858 Geändert am 21.5.2003. 859 Studie der Personalberatung Kienbaum, zitiert nach FAZ v. 7.4.2003 S. 23. 860 Vgl. die Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles (2003), in: FAZ v. 26.5.2003 S. 23. 861 So die Studie der Personalberatung Kienbaum, zitiert nach FAZ v. 7.4.2003 S. 23.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
aber gerade bei den im Rampenlicht stehenden Größen spätestens anlässlich der Umsetzung des DCGK (Ziff. 5.4.7) medienwirksam erreicht bzw. überschritten wurde,862 erklärt die Diskrepanz zwischen der allgemeinen Wahrnehmung und den Ergebnissen der Studie.
d) Beirat Mangels zwingender gesetzlicher Vorgaben können die Gesellschafter nach eigenem Ermessen bestimmen, ob und in welcher Höhe sie die Beiratsmitglieder vergüten wollen, wobei in der Praxis eine Vergütung üblich ist. Beiratsmitglieder erhalten durchschnittlich eine jährliche Vergütung i. H. v. 14 000 Euro bzw. sogar 20 000 Euro, wenn das Gremium Strategie- und Kontrollaufgaben wahrnimmt. Während bei kleineren Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 10 Mio. Euro 5500 Euro üblich sind, beträgt die Vergütung ab einem Umsatz von 500 Mio. Euro bereits 30 000 Euro pro Jahr und Mitglied.863 Rechtsgrundlage der Beiratsvergütung ist der Anstellungsvertrag, aus dem sich ein entsprechender Anspruch – anders als beim Aufsichtsrat – auch stillschweigend, in angemessener Höhe entsprechend § 612 II BGB, ergeben kann.864 Die Höhe der Vergütung kann entweder durch Satzung, Gesellschafterbeschluss (§ 315 BGB) oder Anstellungsvertrag festgelegt werden und ist im letzteren Fall der Disposition der Gesellschafter entzogen.865 Sie kann aber auch in das Ermessen des Beirats selbst oder eines anderen Gesellschaftsorgans gestellt werden, mit Ausnahme der Vergütung eines Kontrollorgans durch die zu kontrollierenden Geschäftsführer selbst.866
e) Rechtsvergleich Wie die Bestandsaufnahme zeigt, ist man in Großbritannien schon lange der Überzeugung, dass die Vergütung der Verwaltungsmitglieder nicht ausschließlich im geschlossenen Kreis der Begünstigten selbst ausgehandelt, sondern zumindest indirekt an den Willen der Aktionäre gekoppelt sein soll. Interessanterweise verzichtete man dabei von vornherein darauf, verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Angemessenheit der Vergütung zu machen. Zum einen ist es ___________ 862
s. FAZ v. 4.5.2003 S. 29; FAZ v. 10.5.2003 S. 11, 15. Studie der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Intes in Bonn, zitiert nach FAZ v. 6.1.2003 S. 19. 864 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 40; Maulbetsch, Beirat und Treuhand in der Publikumspersonengesellschaft, S. 95; Voormann, Der Beirat, S. 157 f. 865 Voormann, Der Beirat, S. 157 f. 866 Maulbetsch, Beirat und Treuhand in der Publikumspersonengesellschaft, S. 95. 863
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
399
ökonomisch fragwürdig, einen solchen Marktpreis abstrakt bestimmen zu wollen.867 Zum anderen nützen auch die akkuratesten Vorgaben nicht, wenn deren Beachtung keiner externen Kontrolle unterliegt, wobei einer richterliche Preiskontrolle von vornherein nicht in Betracht kam.868 Für notwendig aber auch ausreichend wurde daher ursprünglich eine ex post Kontrolle in Form einer öffentlichen Diskussion im Anschluss an die Offenlegung der Gesamtbezüge im Jahresabschluss gehalten. Als die erhoffte Wirkung ausblieb, ergänzte der Gesetzgeber die Einflussmöglichkeiten durch ein ständiges Einsichtsrecht der Gesellschafter in Anstellungsverträge der Direktoren, sowie einen Einwilligungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung bei Verträgen mit mehr als fünf Jahren Laufzeit und bei nicht vertraglich vereinbarten Abfindungszahlungen.869 Für börsennotierte Gesellschaften folgte 1998 die Empfehlung des Combined Code, die Vergütung von einem NED-besetzten remuneration committee festlegen zu lassen und sowohl die Vergütungspolitik als auch das Gehaltspaket jedes einzelnen Direktors gegenüber der Hauptversammlung offen zu legen. Gerade dieser Weg hat sich in der Praxis auch bewährt, naturgemäß aber nur bei den Companys, die die Selbstverpflichtung akzeptiert haben. In seinem jüngsten Schritt hat der Gesetzgeber daher alle börsennotierten Gesellschaften diesem strengen Publizitätsregime (Directors’ Remuneration Report, Section 234B und Schedule 7A CA 1985) und zugleich einem „beratenden Votum“ der Aktionäre (Section 241A CA 1985) unterworfen. Auch auf EU-Ebene wird eine stärkere Beteiligung der Aktionäre an der Vergütungspolitik des Unternehmens angestrebt. Im Jahresabschluss sollen zu diesem Zweck die Vergütungsstrategie, die individualisierten Entgelte der Geschäftsleiter und die Kosten für deren Aktienbezugs- und Aktienoptionsprogramme aufgeführt werden. Über letztere sollen – wie bisher schon im britischen Combined Code vorgesehen – vorab die Aktionäre entscheiden.870 Hinsichtlich der übrigen Vergütungskomponenten ist allerdings keine Abstimmung in der Hauptversammlung vorgesehen. Auch für Deutschland stellt sich deshalb langfristig die Frage, ob zumindest für börsennotierte Gesellschaften eine stärkere Beteiligung der Hauptversammlung an der Vergütungspolitik anzustreben wäre, sei es in Form eines formalisierten Mitspracherechts nach Vorbild Großbritanniens oder gar als echtes gesetzliches Mitentscheidungsrecht. Gegen einen echten gesetzlichen Zustim___________ 867 Zu den damit verbunden Problemen s. o., Fn. 340; ferner Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 221 ff. 868 Hopt, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 285 (293 f.). 869 Sections 312-315, 318, 319 CA 1985. 870 EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1), 3.1.3.; Empfehlung der Kommission zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, 14.12.2004, ABlEG L 385/55.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
mungsvorbehalt zugunsten der Aktionäre871 spricht jedoch zum einen der denkbare Interessenkonflikt, der dazu führen könnte, dass als einziger Maßstab der Managementvergütung die eigene Dividende gesehen wird. Vor allem aber muss der Vergütungsprozess langfristig auf die allgemeine Personalpolitik und Nachfolgeplanung der Gesellschaft abgestimmt werden, was die sachferneren und nur periodisch zusammenkommenden Aktionäre kaum leisten könnten. Auch in Großbritannien, wo die Direktoren von der Hauptversammlung bestellt werden, wollte man die Vergütungsfrage daher nicht von der Zuständigkeit des Board für das Verhandeln und den Abschluss der Anstellungsverträge abkoppeln.872 Insofern wird befürchtet, dass es in der Hauptversammlung zu „Stimmungswahlen“ kommen könnte, die angesichts kurzfristiger negativer Entwicklungen eine unerwünschte „Eigendynamik“ entwickeln und die langfristigen Ziele der Personalpolitik verkennen könnten.873 Es ist daher völlig ausreichend, aber auch notwendig, für völlige Transparenz und somit für die Bildung echter Marktpreise für Leistungen der Unternehmensleiter zu sorgen. Diese beginnt mit der detaillierten und individualisierten Berichterstattung gegenüber den Aktionären. Die Ergänzung der Vergütungstransparenz um eine gesonderte, konsultative Abstimmung in der Hauptversammlung nach britischem Vorbild874 könnte nicht nur im Interesse der Aktionäre und des Kapitalmarkts Klarheit schaffen. Vielmehr käme die Kanalisierung auch den betroffenen Verwaltungsmitgliedern selbst zugute, die ansonsten befürchten müssen, dass die Aktionäre ihrem Ärger über einzelne Vergütungsposten in der Verweigerung der Entlastung freien Lauf lassen. Da an ein solches Mitspracherecht der Hauptversammlung keine Rechtsfolgen geknüpft wären, blieben die Verwaltungsorgane hinreichend flexibel und könnten lediglich nicht mehr darauf hoffen, dass ein krasses Auseinanderfallen ihrer Vergütungspolitik und der Vorstellungen der Aktionäre vor der Öffentlichkeit verschleiert werden kann. Der Unterschied zu bloßer Publizität liegt zugleich darin, dass die Rechtfertigung für die offen gelegten Zahlen sogleich mitgeliefert werden muss und nicht erst auf mühsamen Umwegen, von den Aktionären erkämpft zu werden braucht. Als unverhältnismäßig abzulehnen sind aber ein ständiges Einsichtsrecht der Gesellschafter in Anstellungsverträge der Verwaltungsmitglieder sowie ein Einwilligungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung bei Verträgen mit mehr als fünf Jahren Laufzeit. Beide Schutzmechanismen kompensieren in Großbritannien vor allem das Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für die Bestellung/Abberufung und Anstellung/Kündigung der Direktoren, sodass die ___________ 871
Über die Zweckmäßigkeit eines solchen Votums besteht nicht einmal unter institutuionellen Investoren und Aktionärsvertretern in Deutschland Einigkeit; s. FAZ v. 21.5.2003 S. 15. 872 DTI, Directors’ Remuneration: A Consultative Document (Fn. 353), 2.25. 873 s. FAZ v. 21.5.2003 S. 15. 874 Dafür neuerdings Thüsing, DB 2003, 1612 (1614).
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
401
Gesellschafterversammlung vor einer Vorwegnahme ihrer Entscheidungen durch den Board geschützt werden muss. Sie tragen ferner dem Umstand Rechnung, dass ein Direktor auch bei Fehlen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann und die Company in diesem Falle nicht von einem außerordentlichen Kündigungsrecht profitieren kann, weshalb sie vor allem an rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten einer Vertragsbeendigung interessiert ist. Für eine deutsche Gesellschaft stellen sich die Probleme in dieser Form nicht. Schließlich hat die Praxis gezeigt, dass die wichtigste Sorge der Aktionäre nicht die formell festgelegte Vertragslaufzeit, sondern die immer neuen Arten von deren Umgehung sind, die auch von den britischen Vorschriften nicht verhindert werden. Für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften sowie für GmbHs wird es vorerst hingegen bei der Offenlegung der Gesamtbezüge der Verwaltungsorgane bleiben, da hier kein derart schwerwiegendes öffentliches Interesse an der Kontrolle der Vergütung ersichtlich ist, als dass es einen weitergehenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen rechtfertigen könnte. In der GmbH kommt hinzu, dass die Anteilseigner die Vergütung ohnehin schon selbst festlegen.
8. Loyalitätspflichten im Konzern a) Vorstand aa) Modifizierung der Pflicht, im Interesse des Unternehmens zu handeln Für die Vorstandsmitglieder von herrschenden und abhängigen Unternehmen ergänzt das Konzernrecht die Pflicht, im Interesse des eigenen Unternehmens zu handeln, um die Möglichkeit – und nicht etwa die Pflicht – des Handelns im Konzerninteresse.875 Auch der Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist somit – mit Ausnahme des Handelns nach Weisung im Vertragskonzern – nicht dazu verpflichtet, das Wohl der eigenen Gesellschaft dem der anderen Konzerngesellschaften unterzuordnen, was insbesondere bei nicht hundertprozentigen Tochtergesellschaften von Bedeutung ist. Es ist nicht dessen Aufgabe, ein übergeordnetes Konzerninteresse zu konkretisieren.876 Bei Gefährdung des Gesamterfolgs des Konzerns kann sich die modifizierte Pflicht zum Handeln im Gesellschaftsinteresse jedoch u.U. zum Gebot der Rücksichtnahme auf die an___________ 875 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 227 ff.; GK-Hopt, § 93 Rn. 153; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 269 ff., 450 ff.; strenger Martens, FS-Heinsius, S. 523 (531 f.); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff., 165 ff.; Scheffler, FS-Goerdeler, S. 469 (471). 876 KK-Mertens, § 76 Rn. 56.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
deren Konzerngesellschaften und der „getreuen Konzernleitung“ verdichten und den Vorstand zur Abstimmung mit dem konzernleitenden Unternehmen verpflichten.877
bb) Modifizierung der Pflicht zum eigenverantwortlichen Handeln: §§ 308, 311, 323 AktG Im Vertragskonzern geht die Leitungsmacht gem. § 308 auf das herrschende Unternehmen über, welches das Recht erhält, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen. § 76 wird hier somit zugunsten der Verwirklichung des Konzerninteresses durchbrochen.878 Gleiches gilt im Falle der Eingliederung für das Verhältnis der Hauptgesellschaft zur eingegliederten Gesellschaft, § 323.879 Bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags wird ein Nebeneinander der §§ 311 und 76 angenommen.880 Für den Vorstand des herrschenden Unternehmens erstreckt sich die Konzernleitungspflicht darauf zu berücksichtigen, dass auch abhängige Unternehmen zum Erfolg seiner Gesellschaft beitragen. Zum unveräußerlichen Kern seiner Aufgaben gehören insofern grundlegende Fragen der Konzernstruktur, -strategie, -organisation, die konzernweite Koordination der Finanz-, Investitions-, Bilanz- und ggf. Produktpolitik sowie die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung bei den Konzernunternehmen.881 Im Übrigen ist es jedoch praktikabel und zulässig, die abhängigen Unternehmen weitgehend selbständig, unter der Leitungsverantwortung ihrer eigenen Organe, arbeiten zu lassen. Insbesondere braucht der Vorstand der Obergesellschaft kein umfassendes, detailliertes und konzernweites Kontroll- und Selbstinformationssystem zu installieren.882 Der Vorstand des abhängigen Unternehmens kann sich im faktischen Konzern auf eine gem. § 311 erlaubte Veranlassung als lex specialis zu § 76 berufen, ohne jedoch einer Folgepflicht zu unterliegen. Im Vertragskonzern hinge___________ 877
GK-Hopt, § 93 Rn. 153; KK-Mertens, § 76 Rn. 56; § 88 Rn. 9. KK-Mertens, § 76 Rn. 48; Hier ist auch der Abschluss eines Betriebsführungsvertrages mit dem herrschenden Unternehmen als Betriebsführer unbedenklich; s. KKMertens, § 76 Rn. 47. 879 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 55 Rn. 11. 880 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 10. Ein Betriebsführungsvertrag mit dem herrschenden Unternehmen als Betriebsführer verstößt hier gegen § 76 und löst die Verlustausgleichspflicht analog § 302 aus; s. KK-Mertens, § 76 Rn. 47. 881 KK-Mertens, § 76 Rn. 54. 882 KK-Mertens, § 76 Rn. 54; a.A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff., 104, 165 ff., 184 ff.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 300. 878
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
403
gen steht seine Leitungsmacht unter dem Vorbehalt des Weisungsrechts gem. § 308. Der verbleibende Rest der Leitungsmacht, insbesondere die Pflicht zur Remonstration gegenüber rechtswidrigen Weisungen, ist aber unveräußerlich.883
cc) Besondere Interessenkonflikte Eine besondere Konfliktlage kann sich aus der Übernahme von Vorstandsposten im herrschenden und zugleich im abhängigen Unternehmen ergeben. Ein solches Vorstandsdoppelmandat gilt mit Einwilligung des Aufsichtsrats gem. § 88 I 2 im Konzern als zulässig, rechtfertigt aber angesichts drohender Interessenkonflikte auch besondere Verhaltensanforderungen.884 Als Grundregel hat eine Gleichstellung der beiden Posten zu gelten.885 Hinsichtlich der Weitergabe wichtiger geschäftlicher Informationen bleibt es daher bei der Differenzierung nach deren Herkunft, sodass im Rahmen der Tätigkeit für eine der Gesellschaften erlangte Kenntnisse dieser vorzubehalten sind, während eine neutrale Quelle das Organmitglied zur Unterrichtung beider Gesellschaften verpflichtet.886 Im übrigen wird man dem Vorstandsmitglied im Hinblick auf den Ausgleich kollidierender Interessen aber einen Ermessensspielraum zugestehen müssen, jedoch mit der Maßgabe, dass es nicht einseitig das Konzerninteresse begünstigt und versucht, beiden Pflichtenbindungen Rechnung zu tragen. Bei nachteiligen Weisungen der Muttergesellschaft wird es beispielsweise im Interesse der Tochter prüfen müssen, ob es diese umsetzen darf und ggf. einen Nachteilsausgleich verlangen.887
dd) Verschwiegenheitspflicht Im Vertragskonzern sind die Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft in Ausnahme von § 93 I 3 berechtigt, zum Zwecke der einheitlichen Leitung Informationen an das herrschende Unternehmen weiterzugeben. Dasselbe
___________ 883
KK-Mertens, § 76 Rn. 56 f. GK-Hopt, § 93 Rn. 152; KK-Mertens, § 93 Rn. 59, § 76 Rn. 112 f.; mit Betonung auf Vorteile des Doppelmandats Martens, FS-Heinsius, S. 523 (532 ff.). 885 GK-Hopt, § 93 Rn. 152. 886 s. o., 4. Kapitel, B. II. 4. a) bb). 887 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 (578 f.); vgl. auch BGHSt NJW 1997, 66 (67). 884
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
wird man auch für den faktischen Konzern, nicht jedoch für eine bloße Abhängigkeit oder Mehrheitsbeteiligung i.S.d. §§ 17, 16, gelten lassen müssen.888
b) Geschäftsführer Wie schon im aktienrechtlichen Konzern bleibt auch der Geschäftsführer einer faktisch oder vertraglich herrschenden GmbH an die Leitungsverantwortung gegenüber der eigenen Gesellschaft und somit an deren Unternehmensinteresse gebunden.889 Daraus folgen unter anderem die Pflicht zur ordnungsgemäßen Konzernleitung und das Verbot, Geschäftschancen der Tochtergesellschaft an sich zu ziehen.890 Der Leiter einer abhängigen Gesellschaft darf bei Fehlen einer Weisung oder eines Vertragskonzerns die eigene GmbH nicht zugunsten des Konzerninteresses schädigen.891
c) Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft hat zu berücksichtigen, dass sich der Vorstand neben dem Interesse der eigenen Gesellschaft auch nach dem Konzerninteresse richten wird. Das Überwachungsorgan wird die Einwirkung auf die Tochtergesellschaften in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Haftungsrisiken für die Mutter sowie einer ordnungsgemäße Konzernorganisation zu beurteilen haben. Bei wesentlichen wirtschaftlichen Aktivitäten oder bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Tochteraufsichtsräte wird es aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der abhängigen Gesellschaften unter die Lupe nehmen müssen.892 Für den Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft wird weiterhin das Interesse der eigenen Gesellschaft im Vordergrund stehen, das in den Grenzen des rechtmäßigen Konzerneinflusses jedoch zugunsten des Konzerninteresses zurücktreten kann. Unzulässig ist aber jedenfalls die Bevorzugung der Obergesellschaft, was insbesondere dann zu befürchten ist, wenn deren Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat der Tochter vertreten sind.893 ___________ 888 GK-Hopt, § 93 Rn. 241; Hüffer, § 131 Rn. 38; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, S. 151 ff. 889 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 390. 890 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 43. 891 Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, S. 75, 82 ff., 87 f. 892 BGH ZIP 2001, 1874 (Bremer Vulkan); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 137, 143 ff. m. w. N. 893 BGH DB 1980, 438; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 153 ff. m. w. N.
B. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht
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d) Rechtsvergleich In Großbritannien fehlt es nach wie vor an einem stimmigen Konzept des Konzernrechts. Das Common Law ist noch allzu stark auf die wirtschaftlich selbständige Company fixiert, während das neuere Statutory Law zwar immer häufiger dem Normalfall der konzerngebundenen Gesellschaft Rechnung trägt, dabei aber traditionell auf die punktuelle Erweiterung des vorhandenen Gläubiger- und Minderheitenschutzes setzt und das Konzept eines einheitlichen Haftungsregimes bzw. einer einheitlichen Konzernleitung ablehnt.894 Das bedeutet insbesondere für den Leiter einer abhängigen Gesellschaft erhebliche Rechtsunsicherheiten, da es ihm nicht möglich ist, sein Unternehmen langfristig an dem Erfolg des Gesamtkonzerns teilhaben zu lassen, ohne jede Einzelentscheidung mit dem Interesse seiner eigenen Gesellschaft rechtfertigen zu können. Für ein herrschendes Unternehmen fehlt es wiederum an Möglichkeiten, auf die Leitung der Tochtergesellschaft einzuwirken. Da dies aber eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist, wird die Konzernmutter in die Position eines heimlich agierenden shadow director gedrängt – ein theoretisch geächtetes, aber in der Praxis weit verbreitetes Phänomen, dass vom Gesetzgeber hingenommen und bei neuen gesetzlichen Regelungen einbezogen wird.895 Insofern überzeugen die vom deutschen Konzernrecht gelieferten realitätsnahen und ausgewogenen Lösungswege. Für Großbritannien würde sich aber zumindest der auf EU-Ebene vorgeschlagene Kompromiss anbieten: So rät die Kommission zwar vom Wiederaufgreifen der Neunten Gesellschaftsrechtsrichtlinie und somit von einer gesonderten Regelung des Rechts der Unternehmensgruppen ab. Zur Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sollen die Mitgliedstaaten aber dazu verpflichtet werden, der Leitung eines Konzernunternehmens mittels einer Rahmenbestimmung zu gestatten, eine abgestimmte Konzernpolitik festzulegen und umzusetzen. Als Ausgleich dafür soll für einen wirkungsvollen Gläubigerschutz und für eine langfristig gerechte Verteilung der Vorund Nachteile der Konzernpolitik auf die Aktionäre gesorgt werden.896 ___________ 894
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 202 ff.; ausführlich Dine, The Governance of Corporate Groups, S. 37 ff.; kritisch zuletzt Lee [2003] JBL 449. Als einzige ausdrückliche Anerkennung des Konzerns sind die gesetzlichen Vorschriften zur konsolidierten Konzernrechnungslegung anzusehen; s. Sections 227, 231, 258 und Schedule 10A CA 1985; dazu Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 206 ff. 895 Zum shadow director als Konzept des konzernrechtlichen Gläubiger- und Minderheitenschutzes s. o., 3. Kapitel, A. II. 896 EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1), 3.3. Mittelfristig wird der Erlass einer entsprechenden Rahmenrichtlinie angestrebt. Zur mangelnden Akzeptanz des Vorschlags im englischen Recht s. bereits Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 205.
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4. Kapitel: Loyalitätspflichten
Vorerst wird die Konzernproblematik aber ein gutes Beispiel dafür bleiben, dass ein durch Richterrecht entwickeltes Gesamtkonzept ungleich schwerfälliger auf neue Gegebenheiten reagiert als Rahmenbedingungen, die ein Gesetzgeber bei Bedarf in regelmäßigen Abständen überdenken und anpassen kann.
5. Kapitel
Rechtsfolgen und Durchsetzung A. Sanktionen im englischen Recht I. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung 1. Sanktionen des Common Law Das für Pflichtverstöße der Direktoren vorgesehene Sanktionensystem des Common Law bietet sechs verschiedene Möglichkeiten des Rechtsschutzes, von denen die Mehrheit jedoch nur bei Verletzungen der Loyalitätspflichten verfügbar ist. Im Einzelnen zählen dazu1: • einstweilige Verfügung bzw. Anordnung (injunction, declaration); • Schadensersatz (damages) oder Entschädigung (compensation);2 • dinglicher Herausgabeanspruch der company (restoration of the company’s property); • Anfechtung des Vertrages (rescission of the contract); • Gewinnabschöpfung (account for profits); • Abberufung (removal from office). Sämtliche Ansprüche gegen Direktoren wegen Pflichtverletzung verjähren gem. Section 21 Limitation Act 1980 sechs Jahre nach der pflichtwidrigen Handlung bzw. nach einem solchen Unterlassen, es sei denn, dass es sich um einen Betrug oder um einen Anspruch auf Herausgabe von Treuhandeigentum handelt.3
___________ 1
s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 425. Der Begriff „damages“ wird traditionell für den Ersatz von Verlusten verwendet, die infolge einer Verletzung der common law-Sorgfaltspflicht entstehen. „Compensation“ bezeichnet demgegenüber den Rechtschutz der equity gegen einen (quasi)Treuhänder bei Verstoß gegen eine Loyalitätspflicht. In der Praxis bestehen jedoch kaum mehr inhaltliche Unterschiede zwischen den beiden Ersatzleistungen, sodass im Folgenden die beiden Begriffe synonym verwendet werden; s. dazu Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 425. 3 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.6. 2
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
a) Einstweilige Verfügung bzw. Anordnung (injunction, declaration) Bei allen Arten von Pflichtverletzungen steht es der Gesellschaft zunächst frei, eine einstweilige Verfügung (injunction) zu beantragen. Dieser vorbeugende Rechtsbehelf wird vor allem dann bevorzugt, wenn die Pflichtverletzung droht, aber noch nicht eingetreten ist, oder wenn die Pflichtverletzung bereits eingetreten ist, ihre Fortsetzung bzw. ihre Folgen aber noch aufgehalten werden können.4
b) Schadensersatz (damages, compensation) Die Standardsanktion für Pflichtverletzungen aller Art ist der Anspruch der Gesellschaft auf Schadensersatz (damages, compensation5). Alle Direktoren, die an dem Verstoß aktiv mitgewirkt oder diesen nachträglich gebilligt haben,6 haften gesamtschuldnerisch mit der Möglichkeit des Innenausgleichs (contribution inter se).7 Der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft setzt den Nachweis der Kausalität zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und dem Schaden voraus. In Re Denham & Co8 verneinte der Richter die Haftung des Direktors unter anderem aus dem Grund, dass der Direktor auch bei ordnungsgemäßen Nachforschungen den Betrug wahrscheinlich nicht entdeckt hätte. Da die spezielle Dogmatik des Schadensersatzanspruchs im Bereich organschaftlicher Sorgfaltspflichtverletzungen im Übrigen aber noch in den Kinderschuhen steckt,9 wird hier häufig die Aussage von Learned Hand J aus dem USamerikanischen Urteil Barnes v. Andrews zitiert: „The plaintiff must, however, go further than to show that [the director] should have been more active in his duties… The plaintiff must accept the burden of showing that the performance of the defendant’s duties would have avoided loss, and what loss it would have avoided… The defendant is not subject to the burden of proving that the loss would have happened, whether he had done his duty or not… No men of sense
___________ 4 Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn ein Direktor unbefugt vertrauliche Dokumente der Gesellschaft an sich genommen hat, und diese herausverlangt werden; s. Measures Bros Ltd v. Measures [1910] 2 Ch 248, CA; Cranleigh Precision Engineering Ltd v. Bryant [1965] 1 WLR 1293. 5 Zur begrifflichen Unterscheidung s. o., Fn. 2. 6 Re Lands Allotment Co [1894] 1 Ch 616, CA; Vgl. auch Joint Stock Discount Co v. Brown (1869) LR 8 Eq. 381, wo trotz eines Protests des Direktors eine Billigung angenommen wurde. 7 Civil Liability (Contribution) Act 1978. 8 (1883) 25 Ch D 752 (767 f.). 9 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 206.
A. Sanktionen im englischen Recht
409
would take the office, if the law imposed upon them a guaranty of the general success of their companies as a penalty for any negligence.“10
Bei der Beweislast ist zwischen der Behauptungs- und Feststellungslast (legal burden/onus of proof) und der Beweisführungslast (evidential burden of proof) der Parteien zu unterscheiden. Nach der ersteren muss jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm vortragen und beweisen, wobei es keine Umkehr der Feststellungslast gibt.11 Die Beweisführungslast hingegen ist beweglich und wechselt vom Kläger zum Beklagten, sobald dieser seine Behauptung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit untermauern konnte und vice versa.12 Zu beachten ist aber, dass das Fehlen der Beweislastumkehr durch die Möglichkeit der discovery im Vorverfahren kompensiert wird, bei der jede Partei nahezu alle entscheidungsrelevanten Urkunden den anderen Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stellen muss.13
c) Abberufung (removal from office) Schließlich kann die Gesellschaft auf pflichtwidriges Handeln des Direktors auch mit dessen Abberufung reagieren, die gem. Section 303 CA 1985 jederzeit durch einfachen Beschluss der Hauptversammlung erfolgen kann. Die articles können ferner vorsehen, dass die Amtsstellung endet, wenn die Mehrheit des Board es verlangt.14 Jedoch muss sich die Company grundsätzlich an die vertraglich vereinbarten Fristen halten und ggf. das gänzliche Fehlen eines Kündigungsrechts bei befristeten Verträgen hinnehmen. Das aus dem allgemeinen Arbeitsrecht bekannte Recht zu fristloser Kündigung des Anstellungsvertrages (summary dismissal), wenn das Fehlverhalten das Stadium einer schweren Pflichtverletzung (serious misconduct) erreicht, steht der Gesellschaft nur ausnahmsweise und nur gegenüber den executive directors zu. Ihm wird im englischen Recht keine große Bedeutung beigemessen, da es der Gesellschaft bei bloßem Fehlen von wirtschaftlichem Erfolg nicht zusteht und dessen Anwendung meist negative Schlagzeilen mit sich bringt, die die Gesellschaft lieber durch einen bezahlten, stillen Abgang abwendet.15 Die Gefahr, trotz Fehlverhaltens aus Kostengründen auf die Entlassung eines Direktors verzichten zu müs___________ 10
(1924) 298 f. 614 (616 f., Learned Hand J). Allgemein Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 168; speziell für die einzelnen Loyalitätstatbestände Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.4 Fn. 1, 27.5, 27.10.1, 27.13 Fn. 11, 27.21.4 Fn. 6. 12 Vgl. zu dieser Unterscheidung Habscheid, FS-Baumgärtel, S.105 (112 f.). 13 Rules of the Supreme Court (RSC), Order 24; Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 163; Kessel, ZVglRWiss 92 (1993), 395 (406 ff.). 14 s. o., 1.Kapitel, C. I. 15 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 428, 312 f. 11
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
sen, ist also groß und erklärt die strengen Offenlegungsvorschriften und Zustimmungsvorbehalte bei deren Anstellungsverträgen.16
d) Dinglicher Herausgabeanspruch der company (restoration of the company’s property, constructive trust) Für den Spezialfall eines Loyalitätspflichtverstoßes17 leiten die Gerichte – sowohl im common law als auch in equity – darüber hinaus aus der fiduziarischen Beziehung einen dinglichen Herausgabeanspruch (restoration of the company’s property) der Gesellschaft gegen die Direktoren ab. Insofern gelten die Direktoren als fiktive Treuhänder (constructive trustees)18 des Gesellschaftseigentums, das sie entweder tatsächlich für die Gesellschaft erlangt haben, hätten erlangen sollen, oder bei dem sie der Gesellschaft die Chance zum Erwerb hätten geben sollen.19 Sie sind folglich dazu verpflichtet, dieses Eigentum herauszugeben, sofern es sich noch in ihrem Besitz befindet. Ferner kann die Gesellschaft – und darin liegt die Besonderheit des Herausgabeanspruchs – auch den Gewinn beanspruchen, den der Direktor mit dem Erlangten erwirtschaftet hat. Ein weiterer Vorteil ist der Vorrang des Herausgabeanspruchs vor ungesicherten Forderungen in der Insolvenz.20 Was genau als „Eigentum“ im Sinne dieser weiten Definition zu verstehen ist, ist indes problematisch. Sicherlich können hierzu nicht alle vom Direktor erlangten Vorteile gezählt werden. Die Vorteile und ihre Surrogate werden vielmehr nur dann dem Gesellschaftsvermögen zugerechnet, wenn sie unter Verwendung von Gesellschaftseigentum erwirtschaftet wurden. Dies führt aber lediglich zu der nächsten, bisher weitge___________ 16 Sections 318, 319 CA 1985; Hannigan, Company Law, S. 263; s. ferner oben, 4. Kapitel, A. 7. 17 Aber ablehnend für den abschließenden Rechtsfolgenkatalog der Section 341 CA 1985 Re Ciro Citterio Menswear Plc [2002] 1 BCLC 672. 18 Im Gegensatz zum rechtsgeschäftlich begründeten „express“ oder „implied“ trust entsteht der constructive trust unmittelbar von Rechts wegen und dient in der Regel nur dem Zweck, den contructive trustee zur Herausgabe des fraglichen Gegenstandes an den Begünstigten zu verpflichten. Hauptanwendungsfall sind Gegenstände, die im Zusammenhang mit einer Geschäftsführung für fremde Rechnung erworben werden und aufgrund des Innenverhältnisses nach Treu und Glauben dem Geschäftsherrn gebühren; s. Graf von Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 151 f. 19 Re Forest of Dean Coal Mining Co (1879) 10 ChD 450; Chan v. Zacharia (1984) 154 CLR 178 (199, Deane J), Aust. HC; Rolled Steel Products (Holdings) Ltd v. British Steel Corporation [1986] Ch 246; Carlton v. Halestrap (1988) 4 BCC 538; AttorneyGeneral for Hong Kong v. Reid [1994] 1 AC 324; JJ Harrison (Properties) Ltd v. Harrison [2002] 1 BCLC 162, CA; Hannigan, Company Law, S. 290 ff.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 425 f.; s. dazu bereits oben, 4. Kapitel, A. II. 6. f). 20 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 426.
A. Sanktionen im englischen Recht
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hend ungeklärten Frage, ob auch bloße Informationen der Gesellschaft, von denen die Direktoren profitiert haben, als deren Eigentum betrachtet werden können.21
e) Anfechtung des Vertrages (rescission of the contract) Ein Vertrag, bei dem das Verbot von Interessenkonflikten missachtet wurde, von dem der Direktor persönlich profitiert hat oder bei dem er nicht bona fide im Interesse der Gesellschaft handelte,22 kann ferner angefochten werden (rescission of the contract), solange die Gesellschaft in Kenntnis der Pflichtverletzung keine Absichten zur Genehmigung des Vertrages geäußert hat (sog. „selfdealing rule“).23 Erforderlich ist aber zudem, dass die Rückabwicklung bzw. die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage (restitutio in integrum) noch möglich ist, und dass nicht in gutgläubig erworbene Rechte Dritter eingegriffen wird.24 In Frage kommt daher in erster Linie die Anfechtung von Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem Direktor.25 Steht hingegen ein Vertrag zwischen der company und einem Dritten in Frage, so kann die company diesen nur anfechten, wenn sie beweisen kann, dass der Dritte von der Unredlichkeit, dem Interessenkonflikt bzw. von dem heimlichen Gewinn Kenntnis hatte, oder sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen hat. Im Falle der Anfechtung muss der persönlich erlangte Gewinn des Direktors nicht an den Dritten zurückgezahlt werden, da er nicht in Erfüllung des Vertrages mit der Gesellschaft geleistet wurde.26
___________ 21 s. Oakley (1995) 54 CLJ 377; Zur Information als Eigentum s. die gegensätzlichen Ansichten der Richter in Boardman v. Phipps [1967] 2 AC 46, HL, die bereits oben, 4. Kapitel, A. II. 6. a), dargestellt wurden; kritisch zum ganzen Konzept Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 199 ff. 22 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.4. 23 s. Lagunas Nitrate Co v. Lagunas Syndicate [1899] 2 Ch 392, CA in Bezug auf Gründerhaftung; Zur Terminologie s. Movitex Ltd v. Bulfield [1988] BCLC 104 (117, Vinelott J) und Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 536 f. 24 Transvaal Lands Co v. New Belgium (Transvaal) Land & Development Co [1914] 2 Ch 488, CA; Ist die Wiederherstellung nicht mehr möglich, so kann das Gericht – jedenfalls in Betrugsfällen – dennoch die Vertragsaufhebung anordnen und den finanziellen Ausgleich selbst festlegen; s. Erlanger v. New Sombrero Phosphate Co (1873) 3 AppCas 1218, HL; Spence v. Crawford [1939] 3 All ER 271, HL; Armstrong v. Jackson [1917] 2 KB 822; O’Sullivan v. Management Agency and Music Ltd [1985] QB 428, CA. 25 Maw, Maw on Corporate Governance, S. 24. 26 Logicrose Ltd v. Southend United Football Club Ltd [1988] 1 WLR 1256 (1260 f., 1263 f.); Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 537.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
f) Gewinnabschöpfung (account for profits) Neben der Anfechtung und von dieser unabhängig hat die Gesellschaft auch das Recht, von dem Direktor die Herausgabe des erlangten Gewinns (account for profits) zu verlangen. Dies gilt für alle Verträge des Direktors mit der Gesellschaft oder mit einem Dritten, die auf der Verletzung einer Loyalitätspflicht beruhen.27 Der Anspruch der Gesellschaft setzt weder Unredlichkeit noch Bösgläubigkeit seitens des Direktors voraus, er erstreckt sich allerdings nicht auf Gewinne anderer Personen.28 Die Gewinnabschöpfung ist ausgeschlossen, wenn die fragliche Transaktion im Verkauf eines dem Direktor gehörenden Gegenstandes an die Gesellschaft bestand und die Gesellschaft sich gegen eine Anfechtung entscheidet bzw. eine solche nicht mehr möglich ist.29 Sie ist hingegen bei Verträgen des Direktors mit Dritten, an denen die company nicht beteiligt ist, immer möglich und auch das einzige Rechtsmittel, da die company einen solchen Vertrag nicht anfechten kann.30 Der Bereicherungsanspruch setzt zwar keinen Schaden der Gesellschaft voraus; bei Verträgen mit Dritten pflegten die Gerichte allerdings, dem Direktor einen vernünftigen Teil des erlangten Gewinns als Vergütung für die gleichzeitige Förderung des Geschäfts der company zu belassen (allowance).31 Dieser Praxis ist jetzt das House of Lords32 entgegengetreten: Zum einen stehe es der Gesellschaft jederzeit frei, den Direktor nach ihrem Belieben zu vergüten. Zum anderen würden die Direktoren durch die automatische Vergütung dazu ermutigt, sich in Konfliktlagen zu begeben, wenn sie wissen, dass sie jedenfalls einen Teil des so möglichen Gewinns werden behalten dürfen. ___________ 27 Imperial Mercantile Credit Association v. Coleman (1873) LR 6 HL 189; Parker v. McKenna (1874) 10 Ch App 96 (118, Lord Cairns LC); Chan v. Zacharia (1984) 154 CLR 178 (199, Deane J), Aust. HC; Logicrose Ltd v. Southend United Football Club Ltd [1988] 1 WLR 1256 (1263); Verträge mit Dritten kommen v.a. in Fällen der unbefugten Verwendung von Geschäftschancen der Gesellschaft durch den Direktor in Betracht. 28 Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134. 29 Re Cape Breton Co (1885) 29 ChD 795, CA; Ladywell Mining Co v. Brookes (1887) 35 ChD 400, CA; Gluckstein v. Barnes [1900] AC 240, HL; Re Lady Forrest (Murchison) Gold Mine Ltd [1901] 1 Ch 582; Burland v. Earle [1902] AC 83, PC; Jacobus Marler v. Marler (1916) 85 LJPC 167n; Hely-Hutchinson v. Brayhead Ltd [1968] 1 QB 549, CA. 30 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 537. 31 Phipps v. Boardman [1964] 1 WLR 993 (1018, Wilberforce J), bestätigt in [1967] 2 AC 46 (104E-G, 112D), HL; O’Sullivan v. Management Agency and Music Ltd [1985] QB 428, CA; Warman International Ltd v. Dwyer (1995) 182 CLR 544, Austr. HC. 32 Guinness plc v. Saunders [1990] 2 AC 663 (701 f., Lord Goff); Dazu kritisch Beatson/Prentice (1990) LQR 365.
A. Sanktionen im englischen Recht
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Bei dem Anfechtungsrecht, dem Herausgabeanspruch und dem Bereicherungsanspruch handelt es sich um Instrumente des Billigkeitsrechts (equitable remedies), die dem Kläger versagt werden, wenn ihre Gewährung unbillig erscheinen würde. Dies ist aber äußerst selten der Fall,33 gelten doch die noconflict rule und die no-profit rule als extrem streng und absolut.34
2. Strafrechtliche Sanktionen (criminal liability) Zu erwähnen sind schließlich strafrechtliche Sanktionen (criminal liability), die ein pflichtwidriges Verhalten nach sich ziehen kann. Zwar führt die oben beschriebene Fiktion der Treuhand (constructive trust) nicht dazu, dass die Erlangung persönlichen Gewinns den Vorwurf des Diebstahls (theft) begründet.35 Versucht der Direktor jedoch, die Herausgabe des Gewinns an die Gesellschaft zu vereiteln, indem er gemeinsam mit Dritten die Verheimlichung des Vorfalls verabredet, so macht er sich wegen Verabredung zum Betrug (conspiracy to defraud) strafbar.36 Hinzu kommen die Bußgelder bzw. Haftstrafen, die in zahlreichen gesellschaftsrechtlichen Spezialnormen vorgesehen sind.37 Von geringer Bedeutung im Hinblick auf die Durchsetzung der Organpflichten sind hingegen Untersuchungsrechte der Exekutive.38
3. Company Directors Disqualification Act 1986 Eine einzigartige Sanktion gegen organschaftliches Fehlverhalten stellt das zeitliche Verbot der Tätigkeit als Direktor dar, das nach dem Company Directors Disqualification Act (CDDA) 1986 verhängt werden kann. Im Zuge des Insolvency Act 1985 vorgestellt, sollte die gerichtliche Untauglichkeitsanordnung („disqualification order“) in erster Linie verhindern, dass Direktoren, die eine Gesellschaft aufgrund betrügerischer Motive oder schlichtweg persönlicher Unfähigkeit in die Insolvenz getrieben haben, diese Art der Geschäftstä___________ 33
So aber Runciman v. Walter Runciman plc [1992] BCLC 1084 (1096 f.). Vgl. Bray v. Ford [1896] AC 44, HL; Aberdeen Railway Co v. Blaikie Brothers (1854) 1 Macq 461, HL; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 538. 35 Attorney-General’s Reference (No. 1 of 1985) [1986] QB 491. Der in diesem Fall relevante Tatbestand des theft i.S.v. S. 5(3) Theft Act 1968 entspricht i.w.S. dem deutschen Tatbestand der Unterschlagung. 36 Adams v. The Queen [1995] 1 WLR 52, PC. 37 s. Sections 222(4), (6), 234B(3), 234C(4), 241(10), 317(7), 318(8), 323(2), 324(7), 329(3), 342, 450(3) (Manipulationen von Gesellschaftsdokumenten) CA 1985; vgl. auch Section 19(1) Theft Act 1968 (irreführende Angaben zur Lage der Gesellschaft). 38 Sections 447, 431, 432 CA 1985; s. dazu Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 467 ff., 480. 34
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
tigkeit nicht sofort bzw. immer wieder aufnehmen, indem sie eine neue Gesellschaft gründen und sich hinter deren beschränkter Haftung verstecken (sog. „phoenix company“-Effekt).39 Sinn und Zweck des CDDA 1986 ist somit der Schutz der Öffentlichkeit und vor allem der potentiellen Gläubiger,40 der mit dem Insolvency Act 2000 durch die Einführung eines außergerichtlichen Untauglichkeitsanerkenntnisses („disqualification undertaking“) gestärkt wurde. Hauptanwendungsfall des CDDA 1986 wurden dementsprechend „unfit directors of insolvent companies“ (Sections 6, 7 CDDA 1996). Der Antrag auf Erlass eines Bestellungsverbots wird hier vom zuständigen Minister41 gestellt, wenn das öffentliche Interesse es erfordert und grundsätzlich nicht später als zwei Jahre nach Eintritt der Insolvenz.42 Zumeist wird dem ein Bericht des mit der Insolvenz befassten Verwalters (receiver, liquidator, administrator) vorangehen, den dieser gem. Section 7(3) an das Ministerium erstatten muss, wenn er die Voraussetzungen der Section 6 für gegeben hält. Sind diese tatsächlich erfüllt, muss das angerufene Gericht gem. Section 6(1) eine disqualification order erlassen. Das mit dem Insolvency Act 2000 in Section 1A CDDA 1986 neu eingeführte Untauglichkeitsanerkenntnis („disqualification undertaking“) gibt den Beteiligten in klaren Fällen im Anwendungsbereich der Section 6 zudem die Möglichkeit zu einer außergerichtlichen Einigung. Der betroffene Direktor wird sich dabei häufig auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem zuständigen Minister einlassen, da diese in Inhalt und Rechtsfolgen der gerichtlichen Anordnung gleicht, ihm aber die Übernahme der Prozesskosten erspart.43 Nachträglich steht es ihm gem. Section 8A CDDA 1986 immer noch frei, die Vereinbarung gerichtlich überprüfen zu lassen. Tatbestandsmerkmale des Abs. 1 sind die Eigenschaft als Direktor44 einer Gesellschaft, die während der Amtszeit oder danach insolvent geworden ist (a), ___________ 39 The Report of the Review Committee on Insolvency Law and Practice (Cork Committee) 1982, Cmnd 8558, para 1813; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 218. Zur Definition einer phoenix company s. Company Law Review, Final Report, 15.55; hier wird vor allem darauf abgestellt, dass das insolvente Unternehmen selbst zu Missbrauchszwecken fortgeführt wird, zwar in Form einer neuen Gesellschaft, aber unter Verwendung derselben oder einer ähnlichen Firma, unter Einsatz des bisherigen (möglicherweise unter Wert erworbenen) Betriebsvermögens und unter Ausnutzung des Goodwill und der Geschäftschancen der früheren Gesellschaft. Zum generellen Umgang mit dem Phänomen s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 200 ff. 40 Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd [1991] Ch 164 (176). 41 Genauer: vom Insolvency Service als Vollzugsbehörde des DTI; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 216. 42 Section 7(1)(2) CDDA 1986. 43 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 212. 44 Erfasst sind auch shadow directors (Section 6(3) CDDA 1986) und de facto directors (Secretary of State for Trade and Industry v. Hickling [1996] BCC 678.
A. Sanktionen im englischen Recht
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und in dieser Eigenschaft ein Verhalten, dass den Betroffenen unfähig zur Leitung einer Company macht (b) („unfit to be concerned in the management of a company“). Bei der Auslegung des weiten Begriffs der Unfähigkeit (unfitness) hat sich der Richter vor allem an den in Schedule 1 CDDA 1986 konkretisierten Merkmalen zu orientieren: Von Bedeutung sind dabei nach Teil I in jedem Falle: • jegliche Pflichtverletzungen gegenüber der company • das Maß der Verantwortlichkeit des Direktors für Rechtsgeschäfte, die nach dem Insolvency Act 1986 anfechtbar sind • das Maß der Verantwortlichkeit des Direktors für die Missachtung von Offenlegungspflichten seitens der company • das Maß der Verantwortlichkeit des Direktors für die Missachtung von Rechnungslegungsvorschriften. Hinzu kommt nach Teil II im Falle einer insolventen Gesellschaft das Maß der Verantwortlichkeit des Direktors für: • die Ursachen der Insolvenz • die Nichterfüllung von Verträgen seitens der company • die Nichtbeachtung des vom Insolvency Act 1986 vorgeschriebenen Verfahrens.
Als Maßstab werden häufig der „Bruch der Geschäftsmoral“45 oder das „Fehlen der kaufmännischen Redlichkeit“46 herangezogen. Grundsätzlich hat sich der Richter aber einfach am Wortlaut des Gesetzes zu orientieren und die Fälle nach eigenem Ermessen einzuordnen, wobei als äußerste Grenzen einerseits der evidente Missbrauch der Haftungsbeschränkung und andererseits bloße unternehmerische Fehlbeurteilungen fungieren.47 Die typischen Unfähigkeitsfälle werden daher durch Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz begründet, während sich die Sachverhalte üblicherweise um Mängel der Rechnungslegung, Insolvenzverschleppung und persönliche Bereicherung ranken.48 Von geringerer praktischer Relevanz ist Section 8 CDDA 1986, wonach eine Disqualification Order vom zuständigen Minister beantragt werden kann, wenn sie sich im Zuge einer offiziellen Untersuchung als im öffentlichen Interesse er___________ 45
Re Dawson Print Group Ltd [1987] BCLC 601 (606). Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477 (486). 47 Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd [1991] Ch 164 (176); Hannigan, Company Law, S. 328 f. 48 Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477; Re Sevenoaks Stationers Retail) Ltd [1991] Ch 164; Secretary of State for Trade and Industry v. Van Hengel [1995] 1 BCLC 545; Re Continental Assurance Co of London plc [1997] 1 BCLC 48; Re Barings plc (No. 5) [2000] 1 BCLC 523. s. ferner Hannigan, Company Law, S. 329 ff. Die umfangreiche und strenge Rechtsprechung zur Inkompetenz führte schließlich auch zur Anhebung des allgemeinen Standards für notwendige Qualifikationen im Rahmen der Duty of Care des Common Law; s. o., 3. Kapitel, A. IV. 46
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
forderlich erweist. Hierbei wird das Gericht die unfitness des Betroffenen feststellen müssen. Daneben kann das Bestellungsverbot auch bei rechtswidrigem Handeln im Zusammenhang mit der Gründung, Leitung oder Liquidation einer Gesellschaft (Verurteilung wegen eines Verbrechens,49 anhaltende Mängel der Berichterstattung gegenüber dem Registrar of Companies,50 im Zuge einer Liquidation auch Gläubigerbenachteiligung, Betrug oder sonstige Pflichtverletzung51)52 und schließlich aus sonstigen Gründen (fraudulent trading bzw. wrongful trading gem. Sections 213, 214 IA 1986,53 Insolvenz des Direktors als Privatperson54) ergehen. Obwohl hier mitunter vom „Bestellungsverbot“ gesprochen wird, ist der Ausschluss einer Person von der Tätigkeit als Direktor zwar die wichtigste, aber nicht die einzige Rechtsfolge der disqualification order. Diese blockiert vielmehr umfassend den Zugang zum Privileg der beschränkten Haftung und verbietet gem. Section 1(1) CDDA 1986 gleichermaßen die Tätigkeit als Insolvenzverwalter und gar jegliches Befassen mit der Gründung oder Leitung von Companies.55 Eine punktuelle Befreiung durch das Gericht ist in Ausnahmefällen möglich und dann in der Regel an besondere Auflagen zum Schutze der Öffentlichkeit gebunden.56 Bei Verstößen gegen die Untauglichkeitsanordnung ___________ 49 Section 2 CDDA 1986. Für ein weites Verständnis des „Zusammenhangs“ zwischen dem Verbrechen und der Leitug der Gesellschaft s. R v. Goodman [1993] 2 All ER 789 (Verurteilung wegen insider dealing). 50 Section 3 CDDA 1986. Insofern reicht eine dreifache Verurteilung wegen Verletzung einer der entsprechenden Normen während der letzten fünf Jahre; s. Re Arctic Engineering Ltd (No 2) [1986] 2 All ER 346; Hannigan, Company Law, S. 341 Fn. 158. 51 Section 4 CDDA 1986; Section 458 CA 1985. 52 Zuständig ist in diesen Fällen das mit der Abwicklung der Company befasste Gericht (Sections 3(4) und 4(2) CDDA 1986), gem. Section 2(2) ferner das den Direktor verurteilende Gericht. 53 Section 10 CDDA 1986. Voraussetzung ist eine Verurteilung zum Nachteilsausgleich gegenüber der Company nach Sections 213, 214 IA 1986. Das Bestellungsverbot kann anschließend von demselben Gericht, und zwar auch ohne einen entsprechenden Antrag, verhängt werden. 54 Section 11 CDDA 1986. Hier ist das Bestellungsverbot zwingend von dem die Insolvenz feststellenden Gericht zu verhängen, sofern sich der Insolvenzschuldner nicht entlasten kann (undischarged bankrupt). 55 Gegen ein Ermessen des Gerichts hinsichtlich der Rechtsfolgen Re Gower Enterprises Ltd (No 2) [1995] 2 BCLC 201; für das Verbot des Handelns als Berater des Managements R v. Campbell [1984] BCLC 83; s. ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 213. 56 Sections 1(1), 17 CDDA 1986; Re Lo-Line Electric Motors Ltd [1988] Ch 477; Re Brian Sheridan Cars Ltd, Official Receiver v. Sheridan [1996] 1 BCLC 327. Die Befreiung bezieht sich dann in der Regel auf die Tätigkeit des Direktors in einer anderen, erfolgreich operierenden Gesellschaft, wobei als Auflage häufig die Bestellung eines un-
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drohen eine Haftstrafe, ein Bußgeld und insbesondere die persönliche Haftung für die während der verbotenen Tätigkeit entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft.57 Die Einzelheiten aller verhängten Disqualifikationen ergeben sich aus dem öffentlich zugänglichen register of disqualification orders beim Companies House.58 Die gerichtliche Untauglichkeitserklärung kann je nach Tatbestand für bis zu fünf,59 für mindestens zwei,60 und maximal für 15 Jahre61 ausgesprochen werden, wobei das Höchstmaß vor allem bei Missachtung einer früheren Disqualifikation in Betracht kommt: Eine derart scharfe Sanktion wurde beispielsweise in Official Receiver v. Vass62 bei einem Direktor verhängt, der trotz einer bereits ergangenen disqualification order faktisch als Direktor handelte, dabei Steuererklärungen fälschte, die Geschäftstätigkeit während der Insolvenz fortsetzte und Mietwagen nicht oder erst nach Manipulationen am Tachometer zurückgab. Sein Kollege wurde zugleich ebenfalls für längere Zeit für untauglich erklärt, denn er hatte als Strohmann Direktorenposten in 1.313 Gesellschaften bekleidet und war in weiteren 513 Firmen zum company secretary bestellt, naturgemäß ohne dass er für die betroffenen Gesellschaften tatsächlich tätig werden konnte.
Auch juristische Personen, die als Direktoren einer Gesellschaft handeln, können nach dem CDDA neben den hinter ihnen stehenden Personen an der künftigen Ausübung eines solchen Amtes gehindert werden. Damit soll verhindert werden, dass sich natürliche Personen hinter einer vorgeschobenen Körperschaft verstecken, um auf diese Weise die Vorschriften des CDDA zu umgehen.63
4. Reform Das aktuelle Reformgesetz verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen lediglich auf die bisherigen common law rules und equitable principles. Das ursprüngli___________ abhängigen Direktors gewählt wird; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 214. 57 Sections 13, 15 CDDA 1986. 58 Section 18 CDDA 1986; Hannigan, Company Law, S. 351. 59 Sections 3(5), 2(3)(a), 5(5) CDDA 1986. 60 Section 6(4) CDDA 1986. 61 Sections 2(3)(b), 4(3), 6(4), 8, 10. 62 [1999] BCC 516; vage Anhaltspunkte für eine angemessene Abstufung bietet Re Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd [1991] Ch 164 (174); die Dauer des Ausschlusses wird sich aber jedenfalls an der Schwere der festgestellten Verfehlungen und nicht etwa an generalpräventiven Gesichtspunkten richten; s. Re Grayan Building Services Ltd [1995] Ch 241, CA; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 215. 63 Official Receiver v. Brady [1999] BCC 258.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
che Ziel, jedes einzelne Gebot um eine klar und ausführlich gefasste Rechtsfolge zu ergänzen, wurde hingegen aufgegeben.64
II. Generelle Freistellung: Section 309A CA 1985 Eine generelle Freistellung eines Direktors von der Haftung für Pflichtverletzungen gegenüber der Company oder eine Haftungsbeschränkung sind gem. Section 309A CA 1985 n.F. (Section 310(1) und (2) CA 1985 a.F.) unzulässig und damit nichtig. Die Regelung wurde erstmals mit dem CA 1929, auf Empfehlung des Greene Committee,65 als Section 152 eingeführt und zuletzt mit dem Companies (Audit, Investigations and Community Enterprise) Act 2004 mit Wirkung zum 6. April 2005 überarbeitet. Davor entsprach es der herrschenden Ansicht, dass solche Freistellungsklauseln in der Satzung die Manager der company wirksam von der Haftung befreien könnten, vorausgesetzt, es handelte sich nicht um Betrug (fraud) oder eine vorsätzliche Pflichtverletzung (wilful default).66
1. D&O-Versicherung (liability insurance) Die erste der geschriebenen Ausnahmen vom Freistellungsverbot betrifft den Fall, dass die Gesellschaft Kosten übernimmt, die im Zuge der Verteidigung in einem Zivil- oder Strafprozess gegen den director entstehen. Neu ist die Differenzierung danach, ob es sich um einen durch Dritte oder durch die Gesellschaft selbst initiierten Prozess handelt. Nur im ersteren Fall (sog. qualifying third party indemnity provision, QTPIP) ist die Übernahme der Gerichts- und sonstigen Kosten auch im Falle des Unterliegens des Direktors in einem Zivilprozess – nicht jedoch im Falle der Verurteilung zu einem Bußgeld oder einer Strafe – zulässig (Sections 309A (4), 309B (1) CA 1985 n.F.).67 In einem Prozess der Gesellschaft selbst darf diese dem Direktor lediglich ein bedingtes Darlehen gewähren, das im Falle einer Verurteilung bzw. eines Unterliegens zurückerstattet werden muss (Section 337A CA 1985 n.F.). Die Gewährung ei___________ 64 Clause 162(1) Company Law Reform Bill; anders noch White paper 2002, Volume I, Part II, 3.18; Final Report, Annex C, Explanatory Notes, 5; Final Report, 15.28 ff.; dafür auch Worthington (2001) 64 MLR 439 (456 f.); kritisch Berg [2000] JBL 472 (478 f.); Sealy (2001) 22 Co Law 79 (81 f.). 65 The Greene Committee on Company Law (1929, Cmnd. 2657), paras. 46 & 47. 66 Re Brasilian Rubber Plantations and Estates Ltd [1911] 1 Ch 425; Re City Equitable Fire Insurance Co [1925] Ch 407; Birds (1976) 39 MLR 394 (395); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 396. 67 Bezweckt wird hierdurch insbesondere ein Schutz vor US-amerikanischen Sammelklagen.
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ner QTPIP ist im jährlichen directors’ report offen zu legen (Section 309C CA 1985 n.F.). Auch der Abschluss einer liability insurance ist seit dem Companies Act 1989 unbedenklich und wird vom Combined Code 2003 ausdrücklich empfohlen.68
2. Art. 85, 86 Table A Was die Existenz von weiteren, ungeschriebenen Ausnahmen von dem Freistellungsverbot der Section 309A n.F. angeht, ist der Wortlaut der Norm auf den ersten Blick eindeutig, indem er jegliche Befreiungen verbietet. Im Geltungsbereich der ähnlich klaren Section 310 a.F. enthielten die Tables A von 1948 und 1985 aber Klauseln, die den Direktoren abweichend von der richterrechtlichen no-conflict rule die Mitwirkung an Verträgen der Gesellschaft gestatteten, an denen sie persönlich interessiert waren (Art. 85, 86 Table A). Die Wirksamkeit dieser Klauseln wurde sogar von den Gerichten ausdrücklich bestätigt.69 Somit stellte sich aber die Frage, wie der entsprechende Art. 85 Table A 1985 und Section 310 a.F. in Einklang gebracht werden konnten.70 Die Rechtsprechung äußerte sich zum Verhältnis der beiden Regelungen zum ersten Mal in dem Fall Movitex Ltd v. Bulfield.71 Laut Vinelott J – der vor dem paradoxen Ergebnis zurückschreckte, dass sich zwei gesetzliche Regelungen widersprechen könnten – sei hier eine besondere dogmatische Einordnung der no-conflict rule angezeigt: • Das vorrangige Prinzip der equity (the overriding principle of equity) – also die sog. no-conflict rule – bestimme lediglich, dass das Gericht bei Vorliegen eines Interessenkonflikts das betroffene Rechtsgeschäft außer Kraft setzen wird, ohne zu fragen, ob eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft überhaupt verletzt wurde. • Davon zu trennen sei die echte Pflicht des Direktors, die Interessen der Gesellschaft zu fördern und falls diese mit seinen eigenen kollidieren, den Gesellschaftsinteressen den Vorzug zu geben.
Nach Ansicht des Richters handelte es sich bei der no-conflict rule somit nicht um eine echte Pflicht (duty), sondern vielmehr um eine bloße Unvereinbarkeitsregel (disability), deren satzungsmäßige Modifizierung nicht dem Wortlaut von Section 310 a.F. unterfiel.72 Eine solche Differenzierung warf aber ___________ 68
Section 309A(5) CA 1985; s. dazu ausführlich Finch (1994) 57 MLR 880; Combined Code 2003, A.1.5; Higgs Report, 14.19. 69 Hely-Hutchinson v. Brayhead [1968] 1 QB 549; Guinness plc v. Saunders [1988] 1 WLR 863. 70 s. dazu C.D. Baker [1975] JBL 181; Birds (1976) 39 MLR 394; Birds (1987) 8 Co Law 31; Parkinson [1981] JBL 335; Gregory (1982) 98 LQR 413. 71 [1988] BCLC 104; Anm. Sealy (1987) 46 CLJ 217; Birds (1987) 8 Co Law 31. 72 [1988] BCLC 104 (120-121d). Damit folgt Vinelott J der Ansicht von Megarry V-C in Tito v. Waddell (No 2) [1977] Ch 106 (248 ff.); so auch noch Gower/Davies, Princi-
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
natürlich als Nächstes die Frage auf, welche der Verhaltensregeln für die Direktoren nun als echte Pflichten, und welche als bloß abdingbare Unvereinbarkeitsregeln anzusehen waren. Das Urteil selbst qualifizierte die no-conflict rule eindeutig als eine disability, während es zugleich das Gebot, in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft zu handeln, als Beispiel für eine Pflicht nannte. Weiterhin sollte laut Vinelott J auch die Anwendung von care and skill eine echte Verpflichtung darstellen.73 Nach überwiegender Ansicht in der Literatur war auch die no-profit rule eine Pflicht, die gem. Section 310 a.F. nicht generell durch Satzung abbedungen werden konnte.74 Ferner ist für die proper-purposeDoktrin vereinzelt die Abdingbarkeit durch Satzung gefordert worden, da sich Inhalt und Umfang dieser Regel auch nur aus der konkreten Satzung ergeben.75 Die einzig klare und überzeugende Lösung war es indes, neben der eindeutigen Regelung der Section 310 a.F. nur den Ausschluss der no-conflict rule als absolute Ausnahme zuzulassen.76 Um dieses Ergebnis zu erreichen, war jedoch nicht auf die fragwürdige dogmatische Konstruktion von Vinelott J zurückzugreifen, führte sie doch bei konsequenter Anwendung zu folgenden Ergebnissen.77 Qualifizierte man das Prinzip, nach dem sich der Direktor nicht in Konfliktsituationen begeben darf, nicht als eine selbständige Pflicht gegenüber der Gesellschaft, so blieb dieser lediglich gem. Section 317 verpflichtet, den Interessenkonflikt unter Androhung eines Bußgelds offen zu legen. Es bedurfte also nicht einmal einer Abbedingung des Verbots durch Satzung. Weiterhin hatte die Gesellschaft in einer solchen Situation mangels Pflichtverletzung keinen außerordentlichen Kündigungsgrund und musste dem Direktor nach dessen Abberufung Schadensersatz aufgrund des Anstellungsvertrages leisten. Alternativ war die company darauf angewiesen, abzuwarten, bis der Interessenkonflikt in einer tatsächlichen Vernachlässigung ihres Wohls resultiert, von der der Direktor oder ein Dritter profitieren. Solche Folgen waren für die Gesellschaft indes unzumutbar und vom Gesetzgeber kaum beabsichtigt. ___________ ples of Modern Company Law, 4. Aufl. (1979), S. 601; Gregory (1982) 98 LQR 413 (419); Sealy (2001) 22 Co Law 79 (80). 73 [1988] BCLC 104 (117 f.); zustimmend Birds (1987) Co Law 31 (32); Sealy (1987) 46 CLJ 217 (219). 74 Birds (1987) 8 Co Law 31 (32 f.); Cranston [1992] JBL 197 (207 f.); Hannigan, Company Law, S. 196 f.; Sealy (1987) 46 CLJ 217 (219); einschränkend Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (146: Wirksamkeit der Ausschlussklausel in Fällen, in denen die Direktoren in gutem Glauben handelten und somit nur einen zufälligen Gewinn erlanten); a.A. unter Hinweis auf das Fehlen einer Pflichtverletzung Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 564; Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.3. 75 Birds (1987) Co Law 31 (32); Sealy (1987) 46 CLJ 217 (219). 76 So auch Hannigan, Company Law, S. 197; Cranston [1992] JBL 197 (207 f.). 77 s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 397.
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Zuzustimmen ist deshalb der Ansicht, wonach Section 310 CA 1985 a.F. und Art. 85, 86 Table A in ihrer damaligen Fassung miteinander unvereinbar waren78, was nunmehr auch für Section 309A CA 1985 n.F. gelten muss. Der Company Law Review sieht deshalb die Ersetzung der richterlichen Unvereinbarkeitsregel durch eine echte gesetzliche Pflicht vor, die dann zugleich besondere Freistellungsregeln als einzig legitime Ausnahmen zu Section 309A n.F. enthalten wird.79
III. Entlastungsbeschlüsse im Einzelfall Die Gesellschafter haben im Einzelfall die Möglichkeit, in die in Frage stehende pflichtwidrige Handlung im Voraus einzuwilligen oder sie später zu genehmigen, mit der Folge, dass darauf gestützte Klagen unzulässig werden.80 Dies folgt aus dem generellen Prinzip des Treuhandrechts, dass die Pflichtenbindung von demjenigen, dem gegenüber sie geschuldet wird, sowohl im Voraus als auch nachträglich aufgehoben werden kann, vorausgesetzt, diesem sind alle relevanten Tatsachen bekannt.81 Eine solche Entlastung bedeutet indes nicht, dass die Gesellschafter die fragliche Entscheidung selbst treffen werden, sondern dass sie der pflichtwidrigen Entscheidung des Direktors entweder zustimmen oder ihre Zustimmung verweigern werden. Dadurch gerät die Hauptversammlung in keinen Konflikt mit der satzungsmäßigen Kompetenzverteilung, falls diese dem Board die umfassende Geschäftsführungsbefugnis übertragen hat.82 Die Entlastung hat eine doppelte Wirkung: Zum einen wird das fragliche Rechtsgeschäft für die company endgültig bindend, sodass z. B. die Anfechtbarkeit im Falle eines Loyalitätspflichtverstoßes entfällt. Zum anderen werden ___________ 78
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 397. Clause 159 Company Law Reform Bill (duty to avoid conflicts of interest); s. o., 4. Kapitel, A. II. 4. e). 80 North-West Transportation Co Ltd and Beatty v. Beatty (1887) 12 App Cas 589; New Zealand Netherlands Society ‘Oranje’ Incorporated v. Kuys [1973] 1 WLR 1126; Multinational Gas and Petrochemical Co v. Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd [1983] Ch 258 (269, Lawton LJ); vgl. auch allgemein Cranston [1992] JBL 197; Eine solche Entlastungskompetenz kommt nach Stimmen aus der australischen und kanadischen Rechtsprechung sogar dem Board zu, wenn dieser im Namen der Gesellschaft eine Geschäftschance ausschlägt, die anschließend von einem der Direktoren legal ergriffen werden kann. Ob sich diese Ansicht jedoch durchsetzen wird, ist fraglich; s. o., 4.Kapitel, A. II. 6. d). 81 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 437. Der notwendige Informationsstand ist aber eben nur bei konkreten Pflichtverletzungen gegeben, weshalb pauschale Freistellungen gem. Section 309A nicht geduldet werden; s. Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 145. 82 Bamford v. Bamford [1970] Ch 212 (223, Plowman J), CA. 79
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
die Direktoren von der Haftung gegenüber der company befreit.83 Nur im Falle ultra vires vorgenommener Rechtsgeschäfte verlangt Section 35(3) CA 1985 zwei separate Beschlüsse, um beide Wirkungen zu erreichen, wobei für die Haftungsbefreiung sogar eine special resolution erforderlich ist.84 Eine so weitreichende Kompetenz kann den Gesellschaftern jedoch nicht völlig uneingeschränkt zustehen. Zu beachten ist nämlich zunächst, dass die Gesellschafter bei deren Ausübung nahezu keinen Beschränkungen ihres Stimmrechts unterliegen, da das englische Recht insbesondere den Eigentumsaspekt des Mitgliedschaftsrechts betont und keine mitgliedschaftliche Treuepflicht anerkennt.85 Ferner können beim Entlastungsbeschluss mangels Stimmverbots auch die betroffenen Direktoren selbst, in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, zu eigenen Gunsten abstimmen.86 Die Entlastung ist deshalb zunächst an die Voraussetzung gebunden, dass sie durch einen Beschluss der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit erfolgt, nicht illegal ist87 und die Gesellschaft ein gut gehendes Geschäft ist.88 Die letzte Einschränkung resultiert aus der Erkenntnis der Gerichte, dass bei drohender Insolvenz das Gesellschaftsinteresse als Summe der Gläubigerinteressen definiert wird,89 über deren Beachtung kaum die Aktionäre urteilen dürfen. Inkonsequent erscheint insofern nur, dass das Entlastungsverbot nicht ebenfalls auf Fälle der Verletzung von Arbeitnehmerinteressen erstreckt wird, obwohl diese mittlerweile in Section 309 CA 1985 gesetzlich anerkannt worden sind. Die Zustimmung kann formell oder informell, durch einstimmigen Entschluss (unanimous consent) aller stimmberechtigten Gesellschafter erfolgen, wobei jedoch nicht ausreichend ist, dass die Gesellschafter die Handlung wahrscheinlich genehmigt hätten, wenn sie davon gewusst oder daran gedacht hätten.90 ___________ 83
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 438. s. dazu Yeung (1992) 66 ALJ 343 (356 f.). 85 Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (646 ff.). 86 North-West Transportation Co Ltd and Beatty v. Beatty (1887) 12 App Cas 589 (593, Sir R Baggally); Pender v. Lushington (1877) 6 Ch D 70; Burland v. Earle [1902] AC 83. 87 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 147 f.; Worthington (2000) 116 L.Q.R. 638 (644). 88 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 437; Auch in Fällen, in denen das Rechtsgeschäft (insbesondere eine Aktienemission) nach dem properpurpose-Test an sich nichtig gewesen wäre, haben die Gerichte grundsätzlich eine Heilung durch Beschluss der Hauptversammlung zugelassen. Voraussetzung ist aber selbstverständlich ein durch die ursprüngliche Mehrheit – und nicht durch die infolge der nichtigen Aktienzuteilung etablierte Mehrheit – gefasster Beschluss; s. Hogg v. Cramphorn Ltd [1967] Ch 254; Bamford v. Bamford [1970] Ch 212; Wedderburn (1967) 30 MLR 77 (81 ff.). 89 s. o., 2. Kapitel, A. III. 1. d. 90 Re D’Jan of London Ltd [1994] 1 BCLC 561 (564, Hoffmann LJ); ferner Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.2, nach dem die Einigung aller Gesellschafter in ei84
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Über die weiteren Schranken der Entlastungskompetenz besteht bisher jedoch wenig Klarheit. Die am häufigsten zitierte Definition – auch unter dem Stichwort „fraud on the minority“ bekannt91 – knüpft an die Aneignung des Gesellschaftseigentums durch die abstimmenden Aktionäre: „… a majority of shareholders may not by resolution expropriate to themselves company property, because the property of the company is something in which all the shareholders of the company have a (pro rata) interest.“92
Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt aber nur dann eindeutig nicht vor, wenn alle Gesellschafter für den Beschluss gestimmt haben und alle Kapitalerhaltungsregeln eingehalten wurden.93 Im Übrigen ist sein Anwendungsbereich wegen des vieldeutigen Begriffs des „Eigentums“ (property) nur schwer bestimmbar. Einen Verstoß hat das Gericht in Cook v. Deeks94 bejaht. Hier haben die Direktoren lukrative Verträge an sich gezogen, die sie für die Gesellschaft hätten abschließen sollen. Als Inhaber einer ¾-Mehrheit in der Hauptversammlung haben sie ihr Vorgehen anschließend von dieser genehmigen lassen. Das Gericht befand, die Direktoren müssten sich so behandeln lassen, als hätten sie die aus den Verträgen erlangten Vorteile zu treuen Händen für die Gesellschaft erlangt. Deshalb sei es ihnen anschließend verwehrt gewesen, dieses Gesellschaftseigentum sich selbst kraft ihrer Kontrollmehrheit zum Geschenk zu machen.95
In den meisten Fällen hingegen, in denen die betroffenen Direktoren selbst an dem Entlastungsbeschluss mitgewirkt haben, wurde dieser dennoch als wirksam angesehen, auch wenn die Direktoren von ihrer Kontrollmehrheit Gebrauch gemacht haben. Das Argument lautete, Stimmrechte seien – wie alle anderen in der Aktie verbrieften Mitgliedschaftsrechte – Eigentumsrechte, die von ihrem Inhaber auch dann egoistisch im eigenen Interesse ausgeübt werden ___________ ner nicht von der Insolvenz bedrohten Gesellschaft gar jegliche Pflichtverletzungen mit Ausnahme von Handlungen ultra vires heilen soll. 91 Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 563; Diese Terminologie entstammt dem Recht der Gesellschafterklagen (derivative actions), die früher nur als zulässig angesehen wurden, wenn ein fraud on the minority vorlag. Heute wird an dieser Stelle gefragt, ob die betreffende Pflichtverletzung genehmigungsfähig wäre, sodass das Problem der Entlastungskompetenz und das Problem der Unredlichkeit gegenüber der Minderheit praktisch ineinander übergehen; s. dazu unten, 5.Kapitel, A. IV. 2. d) aa). 92 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 439. 93 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 439; Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016; Aveling Barford Ltd v. Perion Ltd [1989] BCLC 626 (631); Rolled Steel Products (Holdings) Ltd v. British Steel Corporation [1986] Ch 246 (296). 94 [1916] 1 AC 554 (564), PC; Ein fraud on the minority wurde auch in dem Fall Daniels v. Daniels [1978] Ch 406 angenommen. 95 Das Gleiche muss auch für Geschenke an Dritte gelten; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 439.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
dürfen, wenn dieses dem Interesse der Gesellschaft widerspricht.96 Woran genau der Unterschied zu Cook v. Deeks festzumachen ist, ist seitdem umstritten.97 Man könnte zunächst versuchen, zwischen einer Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens (misappropriation of corporate assets) einerseits und einem bloß zufälligen Gewinn (incidental/windfall profit) des in gutem Glauben handelnden Direktors andererseits, zu unterscheiden.98 In Cook v. Deeks wäre es die Pflicht der Direktoren gewesen, die Verträge im Namen der Gesellschaft abzuschließen. Beim Abschluss im eigenen Namen wurden sie deshalb zu mittelbaren Treuhändern der Gesellschaft in Bezug auf die Vorteile aus den Transaktionen, die sie anschließend veruntreuten. In Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver99 hingegen haben die Direktoren lediglich von einer Information profitiert, die sie während der Amtsausübung erlangt hatten. Damit zu erklären ist auch, dass einfache Fahrlässigkeit grundsätzlich genehmigungsfähig ist, im Gegensatz zur sog. „self-serving negligence“, die mit erheblichen Vorteilen für den Direktor einhergeht und daher als Veruntreuung einzustufen ist.100 Des Weiteren wird vorgetragen, dass jedenfalls die Verletzung der Pflicht zum Handeln in gutem Glauben im Interesse der Company nicht durch einen einfachen Beschluss der Hauptversammlung geheilt werden könne.101 Dies überzeugt, sofern die Pflichtverletzung in der Missachtung von Gläubiger- bzw. Arbeitnehmerinteressen besteht.102 Unklar ist jedoch, warum Aktionäre nicht das Recht haben sollen, das Außerachtlassen ihres eigenen Wohls zu entschuldigen, solange kein Betrug seitens der Direktoren vorliegt.103 ___________ 96
North-West Transportation Co Ltd v. Beatty (1887) 12 AC 589, PC; Burland v. Earle [1902] AC 83, PC; Goodfellow v. Nelson Line (Liverpool) Ltd [1912] 2 Ch 324; Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1967] 2 AC 134 (150, Lord Russell); Northern Counties Securities Ltd v. Jackson & Steeple Ltd [1974] 1 WLR 1133; Harris v. Harris Ltd 1936 SC 183; Wedderburn (1981) 44 MLR 202 (210 f.); Vgl. auch Regal (Hastings) Ltd v. Gulliver [1942] 1 All ER 378; [1967] 2 AC 134, HL, wo die Direktoren nicht gehaftet hätten, hätten sie die Transaktion genehmigen lassen. 97 Wedderburn [1957] CLJ 194; ders. [1958] CLJ 93; Afterman, Company Directors and Controllers, S. 148 ff.; Beck, in: Ziegel, Studies in Canadian Company Law, Vol. II, S. 193 (232 ff.); Sealy [1967] CLJ 83 (103). 98 Hannigan, Company Law, S. 460; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 439; Sealy, Cases and Materials in Company Law, S. 279 ff. 99 [1967] 2 AC 134, HL. 100 Pavlides v. Jensen [1956] Ch 565; Daniels v. Daniels [1978] Ch 406. 101 Drury, in: Kreuzer, Haftung der Leitungsorgane, S. 103 (146); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 440. 102 Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd (1986) 10 ACLR 395; zustimmend Dillon LJ in West Mercia Safetywear Ltd v. Dodd [1988] BCLC 250 (252 f.). 103 Bamford v. Bamford [1970] Ch 212; Atwool v. Merryweather (1868) LR 5 Eq 464 (467 f.).
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Festzuhalten bleibt, dass Verstöße gegen die Pflichten, in gutem Glauben bzw. zu legitimem Zweck zu handeln, Interessenkonflikte zu vermeiden und sorgfältig zu handeln, genehmigungsfähig sind, wenn das fragliche Rechtsgeschäft keine Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens und keinen Betrug beinhaltet.
IV. Prozessuale Durchsetzung der Sanktionen Liegt eine Pflichtverletzung vor, die nicht durch einen Entlastungsbeschluss geheilt worden ist, so stellt sich die Frage nach der gerichtlichen Durchsetzung der Sanktionen, für die grundsätzlich vier verschiedene Klagearten in Betracht kommen. Zunächst kann die Gesellschaft selbst die Verletzung ihrer eigenen Rechte im Wege der sog. corporate action geltend machen. Denkbar ist aber auch, dass durch das Fehlverhalten des Managements nicht die Rechtsposition der Gesellschaft, sondern ein individuelles Recht eines Gesellschafters verletzt wird, wogegen dieser selbst – im eigenen Namen und für eigene Rechnung – mittels einer personal action vorgehen muss. Sind in diesem Falle mehrere Gesellschafter betroffen, kann der Einzelne eine sog. representative action erheben und die Rechtskraft des Urteils auf alle Betroffenen erstrecken. Davon zu unterscheiden ist schließlich die heftig diskutierte Frage, ob der einzelne Minderheitsgesellschafter im eigenen Namen auch die Verletzung von Gesellschaftsrechten rügen kann, wenn die Mehrheit dazu nicht bereit ist. Ob ihm insofern eine von der Gesellschaft abgeleitete Klagebefugnis einzuräumen ist, wird unter dem Stichwort „derivative action“ zu klären sein.
1. Durchsetzung der eigenen Ansprüche durch die Gesellschaft (corporate action) a) Die Aktivlegitimation nach der „Rule in Foss v. Harbottle“ Um festzustellen, wem im Falle einer Pflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht und wer zu dessen prozessualer Geltendmachung berechtigt ist (Aktivlegitimation bzw. Klagebefugnis, sog. locus standi), ist es unerlässlich, eine der bekanntesten Entscheidungen des englischen Gesellschaftsrechts zu kennen, mit ihrer vielzitierten „rule in Foss v. Harbottle“ 104: ___________ 104 (1843) 2 Hare 461; Zu diesem Rechtssatz ferner Wedderburn in [1957] CLJ 194 und [1958] CLJ 93; Zustimmend in letzter Zeit Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch 204, CA; Smith v. Croft (No. 2) [1988] Ch 114; Barrett v. Duckett [1995] 1 BCLC 243, CA.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
In dem zu entscheidenden Fall haben die Direktoren und Gründer einer Gesellschaft an diese Vermögenswerte zu überhöhten Preisen verkauft. Zwei der Gesellschafter haben versucht, dies im Klagewege und im Namen der Gesellschaft zu rügen. Das Gericht stellte jedoch die Regel auf, dass es den einzelnen Gesellschaftern verwehrt sei, im Namen der Gesellschaft Klage zu erheben und dass nur diese selbst richtige Klägerin sei. Von der Regel könne zwar abgewichen werden, allerdings nur angesichts zwingender Gründe. Mittlerweile werden aus dem Urteil zwei grundsätzliche Aspekte des berühmten Rechtssatzes hergeleitet und meistens in der Formulierung durch Jenkins LJ in Edwards v. Halliwell105 zitiert: „First, the proper plaintiff in an action in respect of a wrong alleged to be done to a company or association of persons is prima facie the company or the association of persons itself. Secondly, where the alleged wrong is a transaction which might be made binding on the company or association and on all its members by a simple majority of the members, no individual member of the company is allowed to maintain an action in respect of that matter for the simple reason that, if a mere majority of the members of the company or association is in favour of what has been done, then cadit quaestio.“ Der erste Aspekt, also die ausschließliche Klagebefugnis der Gesellschaft bei Verletzung ihrer Rechte („proper plaintiff principle“), folgt direkt aus Foss v. Harbottle und basiert auf der Anerkennung der Gesellschaft als ein selbständiges Rechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit.106 Der zweite Aspekt versagt dem einzelnen Gesellschafter eine abgeleitete Klagebefugnis (derivative action), wenn die Unregelmäßigkeit von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit genehmigt werden könnte. Er stammt eigentlich aus dem Urteil Mozley v. Alston107 und basiert auf dem Mehrheitsprinzip („majority rule“).108
Die Entscheidung steht für die ablehnende Haltung des englischen Rechts gegenüber individuellen Gesellschafterklagen, motiviert durch die Angst vor einer Prozessflut und vor einer Ressourcenverschwendung durch aussichtslose Klagebegehren. Dementsprechend eng fallen die Kriterien für die Zulässigkeit der derivative action aus. In der Literatur wird diese Rechtsprechung seit Jahren heftig kritisiert. Ihr werden eine Überregulierung dieses Rechtsbereichs sowie eine zu strikte Einschränkung der Gesellschafterrechte vorgeworfen, hinter denen keine schlüssige rechtspolitische Zielsetzung stehe.109 Diese Kritik übersieht jedoch eine wichtige Funktion des Rechtssatzes aus Foss v. Harbottle, und zwar die Erhaltung der körperschaftlichen und kollektiven Natur der Gesellschaft.110 Man darf nicht vergessen, dass die Entscheidung, die Rechte der Ge___________ 105
[1950] 2 All ER 1064 (1066), CA. Hannigan, Company Law, S. 459. 107 (1847) 1 Ph 790. 108 Als Zulässigkeitsvoraussetzung der derivative action wird dieser zweite Aspekt weiter unten besprochen, unter 5. Kapitel, A. IV. 2. d). 109 Sealy, in: Pettet, Company Law in Change, S. 1. 110 Hirt, (2003) 24 Co Law 100 (102 f.). 106
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sellschaft einzuklagen, zugleich immer eine Entscheidung über den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel des Unternehmens ist. Da sich das Prozessrisiko – anders als in den USA – auch nicht durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars minimieren lässt, entspricht es durchaus dem Interesse der Gläubiger und der Gesellschafter, solch eine weitreichende Entscheidung nur ausnahmsweise dem Einzelnen zu überlassen.111 Das Ziel, die Blockade möglicher Ersatzansprüche durch die beschuldigten Direktoren zu verhindern, muss daher stets gegen die Notwendigkeit abgewogen werden, über die Angelegenheiten des Verbandes kollektiv zu entscheiden. Das Einzige, was der Rechtsprechung vorgeworfen werden kann, ist vielleicht eine leichte Überbewertung des zweiten Anliegens.112
b) Der Board als zuständiges Organ Steht fest, dass die Gesellschaft selbst in ihren Rechten verletzt worden ist und dass eine corporate action erhoben werden soll, so stellt sich die Frage, welches Gesellschaftsorgan die Entscheidung für oder gegen eine gerichtliche Durchsetzung der Sanktionen treffen und die Gesellschaft ggf. im Prozess vertreten soll. Die Antwort hängt auf den ersten Blick von der satzungsmäßigen Kompetenzverteilung ab, mit der Folge, dass sofern die Mustersatzung implementiert wurde, gem. Art. 70 Table A der Gesamt-Board eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis innehat und nur er darüber befinden kann, ob er Ansprüche der Gesellschaft geltend macht oder nicht.113 Solange das vermeintliche Fehlverhalten nicht den Direktoren selbst vorgeworfen wird, ist es auch sachgerecht, es bei diesem Ergebnis zu belassen.114
c) Das General Meeting als zuständiges Organ Kaum akzeptabel ist dieses Ergebnis aber im Falle von Ersatzansprüchen aus Pflichtverletzungen der Direktoren. Dass deren Geltendmachung durch die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung möglich sein muss, wird in der Literatur seit Jahren vorgebracht, wenn auch mit divergierender dogmatischer ___________ 111
Vgl. Wallersteiner v. Moir (No. 2) [1975] QB 373, CA. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 463. 113 John Shaw and Sons (Salford) Ltd v. Shaw [1935] 2 KB 113; Alexander Ward & Co Ltd v. Samyang Navigation Co Ltd [1975] 1 WLR 673; Breckland Group Holdings Ltd v. London and Suffolk Properties Ltd [1989] BCLC 100; Mitchell and Hobbs (UK) Ltd v. Mill [1996] 2 BCLC 102. 114 Vgl. Watts v. Midland Bank plc [1986] BCLC 15, wo sich der Vorwurf der Pflichtverletzung gegen einen von der Gläubigerbank ernannten Insolvenzverwalter richtete. 112
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Begründung. Die Position der Rechtsprechung ist hingegen bis heute unklar geblieben. Die erste Entscheidung, in der die Geltendmachung solcher Ansprüche durch die Gesellschafterversammlung ausnahmsweise zugelassen wurde – Marshall’s Valve Gear Co Ltd v. Manning, Wardle & Co Ltd,115 – lieferte gerade keine Begründung und löste damit eine heftige Diskussion aus. Das Schrifttum machte z.T. geltend, der Entscheidung läge die Konzeption einer konkurrierenden Kompetenz von board und Hauptversammlung zugrunde.116 Dem folgte Lord Hailsham in der Entscheidung Alexander Ward & Co Ltd v. Samyang Navigation Co Ltd.117 Der Ansatz wurde jedoch später in der Entscheidung Breckland Group Holdings Ltd v. London and Suffolk Properties Ltd118 verworfen. Harman J verneinte die Zuständigkeit des Mehrheitsgesellschafters für die Erhebung einer Klage im Namen der Gesellschaft – sofern die Geschäftsführungsbefugnis satzungsmäßig auf den Board übertragen wurde – und maß der Entscheidung in Marshall’s Valve Gear angesichts der Fülle an widersprechenden Urteilen keine Rechtserheblichkeit bei.119 „The principle, as I see it, is that [the article] confides the management of the business to the directors and in such a case it is not for the general meeting to interfere… If the board do not adopt it [the unauthorised litigation], a general meeting would have no power whatever to override that decision of the board and to adopt it for itself.“120
Insofern tendiert die Rechtsprechung dazu, die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen mit den übrigen Geschäftsführungsangelegenheiten gleichzusetzen und hält an dem Grundsatz fest, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Board hierfür nur durch die articles oder durch außerordentlichen Beschluss (special resolution) abgeändert werden kann. Ohne dieser Grundannahme widersprechen zu wollen, plädiert die Literatur für eine Reservezuständigkeit (default/residual power of management) der Hauptversammlung in all den Fällen, in welchen die Direktoren selbst als Schädiger und potentielle Anspruchsgegner in Betracht kommen.121 Dafür spricht zunächst der Rechtssatz in der Grundsatzentscheidung Foss v. Harbott___________ 115
[1909] 1 Ch 267 (272). Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 445 und bereits in der 3. Aufl. (London 1969) auf S. 136 f.; Wedderburn (1976) 39 MLR 327. 117 [1975] 1 WLR 673 (679), HL; Besprechung bei Wedderburn (1976) 39 MLR 327; s. auch Wedderburn (1989) 52 MLR 401. 118 [1989] BCLC 100; Besprechung bei Wedderburn (1989) 52 MLR 401; Sealy (1989) 48 CLJ 26. 119 [1989] BCLC 100 (104 f.). 120 [1989] BCLC 100 (106). 121 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 211 f.; Gower, Principles of Modern Company Law (3. Aufl., London 1969), S. 136 f.; Sealy (1989) 48 CLJ 26 (28); Partridge (1987) 46 CLJ 122 (130, Fn. 58). 116
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le,122 wonach im Falle einer Klage, die auf eine Schädigung der Gesellschaft gestützt wird, nur die Gesellschaft selbst Kläger sein kann. Entwickelt, um Gesellschafterklagen (derivative actions) auszuschließen, impliziert dieses Prinzip auch, dass es der Mehrheit der Gesellschafter möglich sein muss, einen sorgfaltswidrig handelnden Direktor zu verklagen. Die Tatsache, dass die Vertretungsbefugnis grundsätzlich auf eben diesen Direktor übertragen wurde, darf somit das Recht der Gesellschaft auf Entschädigung nicht vereiteln.123 Dogmatisch lässt sich die Kompetenz der Hauptversammlung daraus herleiten, dass dieser eine Reserve-Geschäftsführungsbefugnis zusteht, die immer dann zur Geltung kommt, wenn kein funktionsfähiger Board vorhanden ist. Haben die Mitglieder des Board sorgfaltswidrig gehandelt, so ist dieses Organ praktisch gerade nicht imstande, entsprechende Schadensersatzprozesse anzustrengen.124 Ein anderer Begründungsansatz ist die Einschränkung des Art. 70 Table A derart, dass die dem Board übertragene Geschäftsführungsbefugnis ausschließlich die geschäftlichen Außenbeziehungen der Gesellschaft umfasst. Für Entscheidungen bei innergesellschaftlichen Konflikten müssten hingegen die Gesellschafter selbst zuständig bleiben.125 Ungeachtet dieser Debatte bleibt es dem Mehrheitsgesellschafter in der Praxis natürlich unbenommen, die unliebsamen Direktoren abzuberufen, und die Schadensersatzklage dem neuen Board zu überlassen.
d) Der Insolvenzverwalter als zuständiges Organ Die schwierige Konstruktion der Gesellschafterversammlungszuständigkeit für eine solche Geschäftsführungsmaßnahme ist dann entbehrlich, wenn ein unabhängiges geschäftsführungsbefugtes Organ vorhanden ist, dem die Entscheidung über den Schadensersatzprozess anvertraut werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschaft insolvent und bereits ein Insolvenzverwalter bestellt worden ist.126 Dafür spricht insbesondere, dass in dieser Phase alle Entschei___________ 122
(1843) 2 Hare 461. Wedderburn [1957] CLJ 194 (200 f.); Sealy, Cases and Materials in Company Law, S. 207. 124 Alexander Ward & Co Ltd v. Samyang Navigation Co Ltd [1975] 1 WLR 673 (679), HL; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 211 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 304 f. 125 Sealy, Cases and Materials in Company Law, 6. Aufl. (1996), S. 508; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 239. 126 Ferguson & Forrester Ltd v. Wallbridge [1935] 3 DLR 66, PC; Fargro Ltd v. Godfroy [1986] 1 WLR 1134; Barrett v. Duckett [1995] 1 BCLC 243 (250 ff., Peter Gibson LJ), CA; Obwohl sich alle Urteile mit der Zulässigkeit einer derivative action befassten, folgt daraus ebenfalls, dass auch die Hauptversammlung neben dem Insol123
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
dungen am Interesse der Gläubiger auszurichten sind und die Hauptversammlung dieser Tatsache möglicherweise nicht genügend Rechnung tragen würde – wenn auch der Gesetzgeber dieses Argument in Section 309(2) CA 1985 ignoriert und die Arbeitnehmer an der Durchsetzung ihrer Interessen nicht beteiligt hat. Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter im Namen der Gesellschaft auftritt, stellt Section 212 Insolvency Act 1986 ein spezielles, summarisches Verfahren zur Verfügung, dass als „misfeasance procedure“ bekannt ist, mittlerweile aber auf jegliche Pflichtverletzungen im Verhältnis zur company anwendbar ist. Das Gericht kann hierbei die ehemaligen Manager der Gesellschaft dazu verpflichten, Gesellschaftsvermögen zurückzuerstatten oder dieses durch eine Entschädigungszahlung zu ergänzen. In der Praxis ist dieses Verfahren eine der wichtigsten Methoden der Durchsetzung von Geschäftsleiterpflichten.127 Anders als nach § 93 Abs. 5 AktG können die Ansprüche der company gegen die directors hingegen nicht von den Gläubigern selbst eingeklagt werden.128
e) Klage des einzelnen Gesellschafters im Namen der Gesellschaft Kurz anzusprechen ist noch die etwas fernliegende Möglichkeit, dass ein Gesellschafter, ohne vertretungsbefugtes Organ der Gesellschaft zu sein, einen Anspruch der Gesellschaft in deren Namen geltend machen möchte. Anders als bei der derivative action, die im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft erhoben und auf die weiter unten eingegangen wird, ist hier nicht erst die Klagebefugnis bzw. die Aktivlegitimation problematisch. Vielmehr fehlt dem Gesellschafter bereits die Vertretungsmacht, um im Namen der Gesellschaft auftreten zu können. Das angerufene Gericht wird deshalb normalerweise das Verfahren aussetzen, damit eine Hauptversammlung einberufen werden kann, die ggf. über die Fortsetzung des Prozesses im Namen der Gesellschaft entscheidet.129 Ein solches Vorgehen des Einzelnen hat also wenig Sinn, wenn die Schädiger die Hauptversammlung kontrollieren; andernfalls kann es ein wirksames Instrument zur Einberufung der Hauptversammlung sein, wenn der Gesellschafter die dafür sonst vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllt, die Angelegenheit aber von der Gesellschaftergesamtheit diskutiert wissen möchte. Er ___________ venzverwalter nicht zuständig gewesen wäre; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 445 Fn. 8. 127 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 445; ausführlich zu misfeasance Pasban [2001] JBL 33 (49 ff.). 128 Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 731. 129 Danish Mercantile Co Ltd v. Beaumont [1951] Ch 680; Airways Ltd v. Bowen [1985] BCLC 355 (361).
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geht dabei allerdings das Risiko ein, mangels Unterstützung durch die Hauptversammlung die Prozesskosten des Beklagten tragen zu müssen.130
2. Die abgeleitete Klagebefugnis des einzelnen Gesellschafters (derivative action) Die Frage, welches Organ über die Geltendmachung der Ersatzansprüche der Gesellschaft entscheiden soll, wird noch schwieriger, wenn die pflichtwidrig handelnden Direktoren nicht nur den Board, sondern auch die Hauptversammlung rechtlich (Stimmenmehrheit) oder faktisch (z. B. Stimmrechtsvertretung im Rahmen des proxy-Systems) kontrollieren. Große Bedeutung kommt insofern der Idee zu, dem einzelnen Minderheitsgesellschafter ein individuelles Klagerecht in Form der Gesellschafterklage (derivative action) einzuräumen.131
a) Abgrenzung von der individuellen Klagebefugnis bei Verletzung von Mitgliedschaftsrechten (personal/representative action) Die Problematik der derivative action wird indes nur dann relevant, wenn der Gesellschafter im eigenen Namen Rechte der Gesellschaft für deren Rechnung einklagen möchte. Davon zu unterscheiden ist der an sich unproblematische Fall, dass individuelle Mitgliedschaftsrechte (personal rights) verletzt worden sind, beispielsweise eine Pflicht, die der Direktor unmittelbar den Gesellschaftern gegenüber schuldet.132 Hier steht es dem Verletzten grundsätzlich frei, seine eigenen Ansprüche durchzusetzen, ohne dass der Rechtssatz aus Foss v. Harbottle anwendbar wäre.133 In Bereichen, in denen ein Verhalten sowohl Rechte der Gesellschaft als auch des einzelnen Mitglieds verletzt, erfolgt die Abgrenzung nach der Genehmigungsfähigkeit des Sachverhalts durch die Gesellschaftermehrheit, die als sog. „majority rule“ den Kern der „rule in Foss v.
___________ 130 La Compagnie de Mayville v. Whitley [1896] 1 Ch 788, CA; Newbiggin Gas Co v. Armstrong (1880) 13 ChD 310, CA, wo die Ersatzpflicht ausnahmsweise sogar auf den Rechtsanwalt des Klägers erstreckt wurde. 131 s. dazu allgemein Poole/Roberts [1999] JBL 99; Hopt [1997/1998] CfiLR 261. 132 Zu solchen Pflichten s. o., 2. Kapitel, A. III. 1. b). 133 Edwards v. Halliwell [1950] 2 All ER 1064 (1067), CA (Änderung der Beitragstabellen bei einer Gewerkschaft); Vgl. auch Heron International Ltd v. Lord Grade [1983] BCLC 244 (261-263), CA; Hannigan, Company Law, S. 454 f.; Wedderburn [1957] CLJ 194; ders. [1958] CLJ 93; Sealy, Cases and Materials in Company Law, S. 493.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Harbottle“ bildet.134 Dies führt dazu, dass persönliche Klagen der Gesellschafter neben reinen Verletzungen von Mitgliedschaftsrechten von vornherein auf rechtswidriges Handeln, Akte ultra vires, und die Missachtung eines satzungsmäßigen Entscheidungsverfahrens beschränkt sind. Die wichtigste Fallgruppe stellen hierbei Verstöße gegen die Satzung der Gesellschaft (memorandum und articles) dar. Gem. Section 14 CA 1985 begründet die Satzung einen Vertrag zwischen der Gesellschaft und jedem einzelnen Gesellschafter, aus dem für ihn bestimmte Rechte erwachsen. Man könnte deshalb denken, dass jeder Verstoß gegen die Satzung automatisch eine Mitgliedschaftsrechtsverletzung bedeutet und von jedem Gesellschafter persönlich eingeklagt werden kann, mithin dass jeder Gesellschafter einen Anspruch auf eine satzungsgemäße Leitung der Gesellschaft hat.135 Die Rechtsprechung lässt jedoch solch einen klaren Schluss vermissen und ordnet Satzungsverstöße teilweise der Kategorie der „internen Unregelmäßigkeiten“ (internal irregularity) zu: In MacDougall v. Gardiner136 hat der Leiter der Hauptversammlung gegen die articles verstoßen, indem er einen berechtigten Antrag auf eine Abstimmung abgewiesen hat, was als bloße „internal irregularity“ qualifiziert wurde. In Pender v. Lushington137 weigerte sich der Hauptversammlungsleiter die Stimmrechte anzuerkennen, die einigen Strohmännern aus den von ihnen gehaltenen Aktien zustanden. Deren persönliche Mitgliedschaftsrechte sahen die Richter nun als verletzt an.
Nimmt man jetzt noch die Entscheidung in Edwards v. Halliwell138 hinzu, so entsteht der Eindruck, dass die Gerichte um so eher gewillt sind, echte Mitgliedschaftsrechte anzuerkennen, je stärker das Eigentumsrecht des Gesellschafters betroffen ist, während sie kein Recht des Einzelnen auf die Einhaltung der satzungsmäßigen Verfahrensvorschriften anerkennen wollen.139 Die Widersprüche resultieren hier wohl aus dem Versuch, sowohl dem vertraglichen Charakter der Satzung, als auch der traditionellen richterlichen Politik der Zurückhaltung bei internen Gesellschaftsangelegenheiten Rechnung zu tragen. Es wäre indes an der Zeit, einem der Ziele, vorzugsweise der Einhaltung der Gesellschaftsverfassung, Vorrang einzuräumen. Es ist nicht einzusehen, warum die ___________ 134 Die „majority rule“ gilt somit sowohl für echte Fälle der Verletzung von Rechten der Gesellschaft, als auch für Unregelmäßigkeiten, die sich sehr wohl gegen die Gesellschafter persönlich richten können; s. Wedderburn [1957] CLJ 194 (198). 135 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 64 f., 450; R.J. Smith (1978) 41 MLR 147 (158); Wise v. USDAW [1996] IRLR 609; Hannigan, Company Law, S. 117 ff. 136 (1875) 1 ChD 13. 137 (1877) 6 ChD 70 (80 f., Jessel MR). 138 [1950] 2 All ER 1064 (1067), CA. 139 Sealy, Cases and Materials in Company Law, S. 493.
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interne Entscheidungsfindung nicht an den Verfahrensregeln gemessen werden soll, die die Gesellschaft selbst in ihrer Satzung als verbindlich festgelegt hat. Solange der Verband keine Mehrheit findet, um solche Verfahrensregeln wirksam abzuändern, muss er sich auch vom einzelnen Gesellschafter daran festhalten lassen.140 Ein Teil der Verwirrung wird ferner beseitigt, wenn man erkennt, dass viele Satzungsverstöße sowohl eine Verletzung der Gesellschaft als auch eine Verletzung von Gesellschafterrechten durch die Gesellschaft beinhalten. Die doppelte Wirkung wird vor allem im Falle des Handelns ultra vires deutlich: Schließen die Direktoren einen Vertrag, bei dem sie den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck überschreiten, so verletzen sie eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft. Zugleich verletzt aber auch die Gesellschaft ihren Vertrag mit den Gesellschaftern, der gem. Section 14 CA 1985 durch Satzung begründet wurde. Die Gesellschaft tritt somit sowohl als Schädiger als auch als Geschädigter auf.141 Der einzelne Gesellschafter kann sich nun unproblematisch auf den ersteren Aspekt berufen und muss lediglich beachten, dass er sich auf die für eine persönliche Rechtsverletzung vorgesehenen Rechtsfolgen beschränkt. Er kann zum anderen auch versuchen, für die Gesellschaft als Geschädigte aufzutreten, wobei er dann allerdings entsprechend der proper plaintiff-Regel die Voraussetzungen von Foss v. Harbottle wird erfüllen müssen.142 Dies führt wiederum im Ergebnis dazu, dass die Kategorien des Handelns ultra vires bzw. unter Rechtsverstoß vom einzelnen Gesellschafter nur vorbeugend mittels einer einstweiligen Verfügung (injunction) angegriffen werden können,143 was aber seitens des Gesellschafters eine Fülle von Informationen über die Handlungsabsichten des Board voraussetzt, was meistens nur in ganz kleinen Gesellschaften denkbar ist.144 Der infolge einer solchen Pflichtverletzungen entstandene Schaden ist hingegen der Gesellschaft zuzuordnen und begründet keine individuelle, sondern höchstens eine abgeleitete Klagebefugnis. Überträgt man diese Argumentation auf die Fälle, in denen ein Hauptversammlungsbeschluss unter Verstoß gegen die articles gefasst wurde, so wird die Gesellschaft einen Vertragsbruch gegenüber den Gesellschaftern begehen, wenn sie aufgrund des Beschlusses handeln möchte. Der Einzelne wird sie mit___________ 140
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 451; R.J. Smith (1978) 41 MLR 147. 141 Section 35(2)(3) CA 1985; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 451; R.J. Smith (1978) 41 MLR 147 (155 f.). 142 Mosely v. Koffyfontein Mines Ltd [1911] 1 Ch 73, CA; Taylor v. NUM (Derbyshire Area) [1985] BCLC 237. 143 Hannigan, Company Law, S. 109. 144 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 425.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
tels einer einstweiligen Verfügung daran hindern können. Er wird jedoch nicht die Kosten einklagen können, die der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten des Versammlungsleiters entstanden sind (z. B. Kosten der Organisation der Hauptversammlung).145 Persönliche Mitgliedschaftsrechte haben aber neben der Satzung auch noch weitere Quellen, wie z. B. die allgemeinen Rechtsvorschriften, mithin die deliktsrechtlichen Normen.146 Daneben können die Gesellschafter eigene Rechte aus solchen Loyalitätspflichten ableiten, die den Direktoren unmittelbar gegenüber den Gesellschaftern obliegen.147 Hier wird deutlich, warum die Gerichte einen so großen Wert darauf legen, dass die fiduciary duties grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber bestehen. Würden die Direktoren nämlich jede ihrer Pflichten auch den Gesellschaftern gegenüber schulden, so könnten diese auch jede Pflichtverletzung selbst einklagen, womit die „rule in Foss v. Harbottle“ gegenstandslos werden würde. Insofern wird es vorerst wohl bei dem einen anerkannten Ausnahmefall bleiben, dass Empfehlungen der Direktoren an die Aktionäre im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot solche „sekundären Loyalitätspflichten“ auslösen können.148 Daneben zeichnen sich Tendenzen ab, die die Ausnahmeregelung zukünftig auch auf das Handeln zu unzulässigem Zweck (improper purpose) erstrecken wollen, bei dem die zulässigen Zwecke von den articles definiert werden.149 Bisher war es üblich, diesen Fall als einen Missbrauch der dem Direktor durch Satzung verliehenen Macht zu betrachten. In Re a Company150 hat Hoffmann J. jedoch in der Aktienemission zu einem unzulässigen Zweck eine nur theoretische Schädigung der Gesellschaft gesehen, während materiell eine Verletzung der individuellen Gesellschafterrechte vorläge. Schließlich überschreite der Direktor die Grenzen der Satzung, also des Vertrages zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern, was zu einer Verletzung der vertraglichen Rechte der Gesellschafter führe. Einer solchen sei aber nicht durch einen Gesellschafterbeschluss, sondern nur durch eine individuelle Gesellschafterklage zu begegnen.151 In diesem Sinne entschied auch der Supreme Court of South Australia, dass der Gesellschafter ein Recht auf die Stimmrechtsmacht seiner Aktien habe, ___________ 145
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 452. Vgl. Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch 204, CA (tort of conspiracy). 147 s. dazu bereits oben, 2. Kapitel, A. III. 1. b). 148 s. o., 2. Kapitel, A. III. 1. b). 149 s. dazu oben, 4. Kapitel, A. II. 2. 150 (No 005136 of 1986) [1987] BCLC 82. 151 Re a Company (No 005136 of 1986) [1987] BCLC 82 (84); In anderen, ähnlichen Fällen haben die Gerichte dagegen zwar die Aktivlegitimation des klagenden Gesellschafters bejaht, den Pflichtverstoß jedoch für genehmigungsfähig erklärt; s. Hogg v. Cramphorn [1967] Ch 254; Bamford v. Bamford [1970] Ch 212, CA. 146
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welches nicht durch unzulässige Maßnahmen seitens des Board geschmälert werden dürfe.152 Festzuhalten bleibt, dass individuelle Klagen der Gesellschafter wegen Verletzung ihrer persönlichen Rechte nicht den Einschränkungen der „rule in Foss v. Harbottle“ unterliegen. Die Problematik dieses Komplexes liegt aber darin, die entsprechenden Mitgliedschaftsrechte gegenüber der company und gegenüber den Direktoren zu identifizieren. Ist der Gesellschafter hierbei erfolgreich gewesen, kann er unproblematisch im eigenen Namen Klage gegen die Gesellschaft bzw. gegen die Direktoren erheben (personal action). Sind durch die fragliche Maßnahme zugleich die Rechte mehrerer Gesellschafter verletzt worden, so steht es dem Kläger frei, für eigene und für Rechnung aller Betroffenen in ähnlicher Lage zu klagen, um die Rechtskraft des Urteils auf die Repräsentierten zu erstrecken (representative action).153
b) Rechtsnatur der derivative action Die Problematik einer Klage, mit der ein einzelner Gesellschafter im eigenen Namen die Rechte der Gesellschaft durchsetzen will, setzt schon bei der richtigen Klageart an. Die Gesellschaft selbst wird im Prozess neben den Schädigern als Beklagte (sog. „nominal defendant“) erscheinen, während auf der Klägerseite nur der Gesellschafter und die von ihm repräsentierten unabhängigen Gesellschafter auftreten werden. Diese Konstruktion ist höchst befremdlich, jedoch notwendig, um die Gesellschaft überhaupt in den Prozess einbeziehen zu können, da für ihr Auftreten als Klägerin die Zustimmung des Board oder der Hauptversammlung notwendig gewesen wäre.154 Die Rechtsprechung hat hier zunächst den Begriff „minority shareholder action“ verwendet, der die Tatsache, dass hier Rechte der Gesellschaft eingeklagt wurden, eher verschleierte. Erst 1975 folgte der Court of Appeal in Wallersteiner v. Moir (No. 2)155 der US-amerikanischen Terminologie und führte die derivative action als eigenständige Klageart ein. Der neue, zutreffende Begriff – er lässt gut erkennen, dass der Gesellschafter kein eigenes Recht geltend macht und seine Klagebefugnis daher von der Gesellschaft ableitet – hat sich inzwischen eingebürgert, wie die Civil Procedure Rules zeigen: ___________ 152 Residues Treatment and Trading Co Ltd v. Southern Resources Ltd (No. 4) (1988) 14 ACLR 569 (574 ff., King CJ). 153 Civil Procedure Rules, 19.6; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 453 f. 154 Civil Procedure Rules, 19.9(2); Spokes v. Grosvenor Hotel Co Ltd [1897] 2 QB 124 (128 f.), CA; Beattie v. Beattie Ltd [1938] Ch 708 (718, Lord Greene MR). 155 [1975] QB 373 (390 f.), CA.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
„This rule applies where a company, other incorporated body or trade union is alleged to be entitled to claim a remedy and a claim is made by one or more members of the company, body or trade union for it to be given that remedy (a "derivative claim").“156
Von einer personal action unterscheidet sich diese neue Klageart ferner dadurch, dass sie auch Vorfälle aus einer Zeit betreffen kann, als der Kläger noch nicht Gesellschafter war.157 Daneben hat die derivative action ihren Ursprung in equity, sodass es im Ermessen des Gerichts liegt, sie dem Kläger zur Verfügung zu stellen. Die Richter werden den Gesellschafter beispielsweise dann zurückweisen, wenn er selbst Redlichkeit vermissen lässt, also an der gerügten Pflichtverletzung selbst beteiligt war158 oder die Klage nicht in gutem Glauben im Interesse der Gesellschaft erhebt.159 Da sich die Problematik der derivative action, insbesondere die „rule in Foss v. Harbottle“, schließlich auf die Klagebefugnis (locus standi) konzentriert, will der Court of Appeal über deren Zulässigkeit gesondert und vorab entscheiden.160
c) Die Kostenfrage Mit der Zulassung der abgeleiteten Klagebefugnis war jedoch noch nicht das praktische Problem der Prozesskosten gelöst, die vom klagenden Gesellschafter zu tragen waren, obwohl der Schadensersatz im Falle des Obsiegens an die Gesellschaft zu zahlen wäre. Diese abschreckende Wirkung der allgemeinen Kostenvorschriften wurde zunächst in dem Urteil Wallersteiner v. Moir (No. 2)161 abgemildert. Der Court of Appeal sprach sich für die Erstattung der Prozesskosten durch die Gesellschaft aus, wenn eines ihrer Mitglieder für ihre Rechnung klagt. Anschließend wurde die neue Kostenregelung in den Civil Procedure Rules formalisiert: Das Gericht erhielt die Befugnis, eine Entschädigung des Klägers aus Mitteln der Gesellschaft nach eigenem Ermessen anzuordnen, zugleich aber auch über die Fortsetzung des Prozesses zu entscheiden, falls der Beklagte Verteidigungsbereitschaft signalisiert.162 Die gerichtliche Überwa___________ 156
Civil Procedure Rules 19.9(1); vorher Order 15, Rule 12A(1) der Supreme Court Rules. 157 Seaton v. Grant (1867) LR 2 ChApp 459; Bloxham v. Metropolitan Ry Co (1868) LR 3 ChApp 337. 158 Whitwam v. Watkin (1898) 78 LT 188; Towers v. African Tug Co [1904] 1 Ch 558, CA; Mosely v. Koffyfontein Mines Ltd [1911] 1 Ch 73, CA. 159 Nurcombe v. Nurcombe [1985] 1 WLR 370, CA; Barrett v. Duckett [1995] 1 BCLC 243, CA. 160 Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch 204, CA. 161 [1975] QB 373 (391 f.), CA. 162 Civil Procedure Rules, 19.9(3)(7); zuvor Supreme Court Rules (SCR) Order 15, rule 12A(2). Die Entschädigungsanordnung wird den Gesellschafter häufig verpflichten,
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chung der Prozessführung kompensiert dabei nicht nur die Kostenerstattungspflicht der Gesellschaft, sie findet vielmehr bei allen derivative actions statt, also auch bei solchen ohne eine Erstattungsanordnung, sodass sie als eine neue Hürde neben Foss v. Harbottle anzusehen ist.163 Die gerichtliche Zustimmung wird ferner zu jeder Art der Beendigung eines einmal angestrengten Prozesses benötigt, was die Wahrscheinlichkeit missbräuchlicher Klagen mit dem Ziel eines „Abkaufs“ durch die Gesellschaft (sog. „gold-digging claims“) verringert.164
d) Zulässigkeitsvoraussetzungen der derivative action nach Foss v. Harbottle Der seit Foss v. Harbottle streng limitierte Zugang zur derivative action wird insbesondere durch drei von der Rechtsprechung entwickelte Hürden begrenzt. In einem ersten Schritt wird die abgeleitete Klagebefugnis versagt, wenn der Gesellschafter eine Pflichtverletzung rügt, die in der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit geheilt werden kann. Bei nicht heilbaren Verstößen wird auf der zweiten Stufe geprüft, ob die Organe der Gesellschaft von den Schädigern kontrolliert werden. Darüber hinaus wird in letzter Zeit sogar gefordert, die Klage nur zuzulassen, wenn diese von der Mehrheit der unabhängigen Gesellschafter unterstützt wird.
aa) Nicht genehmigungsfähige Pflichtverletzung Wenn die Gerichte im Falle einer genehmigungsfähigen Pflichtverletzung Gesellschafterklagen abweisen, verlangen sie von dem Einzelnen, dass er sich mit seiner Rüge an die Hauptversammlung wendet und diese zum prozessualen Vorgehen überredet. Auf diese Weise soll der „majority rule“ aus Foss v. Harbottle Rechnung getragen werden, was nur insofern nicht gelingt, als auf eine tatsächliche Befassung der Hauptversammlung mit der Angelegenheit, d.h. eine erfolgte Genehmigung des Verstoßes gerade nicht abgestellt wird.165 Ein anderes Argument für diese Einschränkung ist die Gefahr der Ressourcenverschwendung aufgrund eines sinnlosen Gerichtsverfahrens. Solange nämlich die ___________ Vergleichsangebote der Gesellschaft dem Gericht zwecks Zustimmung vorzulegen. Damit soll Klagen vorgebeugt werden, die ein Gesellschafter nur erhebt, um sie sich von der Gesellschaft abkaufen zu lassen. 163 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 455; Vgl. auch Cooke v. Cooke [1997] 2 BCLC 28, in dem das Gericht die derivative action zugunsten des Verfahrens gem. S. 459 CA 1985 ausgesetzt hat. 164 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 455. 165 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 458.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Pflichtverletzung genehmigungsfähig ist, kann sie von der Hauptversammlung auch während des Prozesses jederzeit genehmigt werden, was zur Erledigung der Klage führen würde.166 Mittlerweile hat dieser moderne Genehmigungsfähigkeits-Test die früher gebräuchlichen sog. „Ausnahmen zu Foss v. Harbottle“ (exceptions to the rule) ersetzt und die Handhabung des Rechtssatzes wesentlich vereinfacht. Dennoch lassen sich die wichtigsten Fälle, in denen die abgeleitete Klagebefugnis gewährt wird, in drei Fallgruppen unterteilen, die den früheren exceptions entsprechen. Am unproblematischsten sind ultra vires-Maßnahmen, die schon gem. Section 35(3) CA 1985 nicht mit einfacher Mehrheit, sondern nur im Wege einer special resolution genehmigt werden können und vor der Einführung dieser Regelung überhaupt nicht genehmigt werden konnten. Die Kategorie wurde somit für alle Pflichtverletzungen entwickelt, die als nicht genehmigungsfähig galten und umfasst heute alle Überschreitungen der gesetzlichen Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis, wie z. B. der Regeln über die Kapitalrückzahlung.167 Die zweite Fallgruppe der derivative actions umfasst Pflichtverletzungen, die nur mittels einer special resolution (Hauptversammlungsbeschluss, der 21 Tage vorher angekündigt und mit ¾ Mehrheit gefasst wird) genehmigt werden können, heute also auch ultra vires-Akte. Es ist klar, dass die Gesellschaft einen Bruch ihrer Satzung nicht mit einfacher Mehrheit aus der Welt schaffen können soll, während für eine Änderung der Satzung bereits eine ¾ Mehrheit erforderlich ist.168 Die umstrittenste Kategorie der Gesellschafterklagen stellt indes die Unredlichkeit gegenüber der Minderheit (fraud on the minority) dar. Nach überwiegender Ansicht muss die Unredlichkeit – „fraud“ ist in diesem Zusammenhang im Sinne der equity nicht technisch als Betrug, sondern eben als jede Art der Unredlichkeit bzw. des Machtmissbrauchs zu verstehen – nicht in einer direkten Verletzung der Minderheitsgesellschafter bestehen, vielmehr ist eine Schädigung der Gesellschaft selbst ausreichend. Die Abgrenzung gegenüber sonstigen unerheblichen Unregelmäßigkeiten erfolgt im Ergebnis auch nur danach,
___________ 166 MacDougall v. Gardiner [1875] 1 ChD 13 (25, Mellish LJ), CA; Edward v. Halliwell [1950] 2 All ER 1064 (1066, Jenkins LJ), CA; zuerst explizit anerkannt in Mozley v. Alston (1847) 1 Ph 790. 167 Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.1; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 460. 168 Edwards v. Halliwell [1950] 2 All ER 1064 (1067), CA; Cotter v. National Union of Seamen [1929] 2 Ch 58, CA; Boyle, Gore-Browne on Companies, 27.21.1.
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ob die Pflichtverletzung mit einfacher Mehrheit genehmigt werden kann.169 Wann dies der Fall ist, bestimmt sich bei Pflichtverletzungen durch die Direktoren nach den bereits dargestellten Regeln zur Zulässigkeit von Entlastungsbeschlüssen.170 Ältere Entscheidungen erwähnen manchmal noch eine weitere, flexible „exception to the rule“ mit Auffangfunktion, wonach die derivative action auch dann zugelassen werden soll, wenn „Gerechtigkeit es erfordert“.171 Diese Kategorie ist jedoch nie allgemein anerkannt worden und hat heute kaum noch Chancen, jemals angewendet zu werden.172 Festzuhalten bleibt also, dass die früher übliche mühsame Identifizierung der Ausnahmen zu Foss v. Harbottle heute unterbleiben kann, da die einfache Feststellung des Mangels an Genehmigungsfähigkeit einer Pflichtverletzung – als erstes Zulässigkeitserfordernis der derivative action – zum selben Ergebnis führt.
bb) Kontrolle der Schädiger über die Organe der Gesellschaft Die zweite Hürde zielt darauf ab zu ermitteln, welches Gesellschaftsorgan für die Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft am geeignetesten erscheint. Eine so wichtige Entscheidung sollte dabei möglichst kollektiv getroffen werden, solange ein entsprechendes Gremium verfügbar ist. Wird die Hauptversammlung deshalb nicht von den beschuldigten Direktoren kontrolliert, so ist die Ausübung des Klagerechts ihr und nicht dem einzelnen Gesellschafter zu überlassen.173 Das gleiche gilt für den nicht von den Schädigern kontrollierten, also unabhängigen Board.174 Der klagende Gesellschafter wird somit nachweisen müssen, dass die Schädiger die Kontrolle über den Board und über die Hauptversammlung besitzen, wobei die Anforderungen an den Nachweis von der Rechtsprechung immer weiter gelockert werden. Eine tatsächliche Einberufung der Hauptversammlung und deren Weigerung, Klage zu ___________ 169
Hannigan, Company Law, S. 460 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 460; Prentice (1988) 104 LQR 341 (344); Wedderburn [1958] CLJ 93 (96 ff.); Estmanco v. G.L.C. [1982] 1 WLR 2 (11 f., Megarry V.-C.); anders aber noch Alexander v. Automatic Telephone Co [1900] 2 Ch 56. 170 s. o., 5. Kapitel, A. III. 171 Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch 204 (221 f.), CA; Estmanco v. G.L.C. [1982] 1 WLR 2 (10 f.); Ruralcorp Consulting Pty Ltd v. Pynery Pty Ltd (1996) 21 ACSR 161, Victoria SC. 172 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 463. 173 Edwards v. Halliwell [1950] 2 All ER 1064 (1067), CA. 174 Smith v. Croft (No. 2) [1988] Ch 114 (185, Knox J); Prentice (1988) 104 LQR 341 (345).
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
erheben, sind jedenfalls nicht notwendig. Der Einfluss der Schädiger kann auch anderweitig belegt werden, beispielsweise indem man ihre Stimmenmehrheit – ggf. unter Hinzuzählung der Stimmen ihrer Strohmänner – geltend macht.175 Der Court of Appeal geht sogar weiter und will die Stimmenmehrheit anhand der Stimmen ermitteln, die vom Beschuldigten selbst wahrscheinlich abgegeben werden, zuzüglich der Stimmen, die unter seinem Einfluss bzw. aus Apathie der Inhaber in seinem Sinne abgegeben werden.176 Unter „Apathie“ müssten dabei nach Stimmen aus der Literatur insbesondere die Fälle der Stimmrechtsvertretung der abwesenden Aktionäre durch die Direktoren selbst im Rahmen des proxy-Systems fallen.177
cc) Unterstützung der Klage durch die Mehrheit der unabhängigen Gesellschafter Neuerdings ist neben den beiden anerkannten Zulässigkeitsvoraussetzungen die Forderung hinzugekommen, die Einzelklage nur zuzulassen, wenn sie von der „Mehrheit der unabhängigen Minderheit“ unterstützt wird. Darin ist eine Verschärfung der zweiten Stufe zu sehen, wonach – sofern verfügbar – ein kollektives, unabhängiges Gremium entscheidungsbefugt sein soll. Ein solches meint Knox J. in der unabhängigen, also nicht unter Einfluss der Schädiger stehenden Minderheit in der Hauptversammlung gefunden zu haben.178 Dahinter steht wohl die Überlegung, dass der Gesellschafter jedenfalls dann nicht klagen können soll, wenn sich die Gesellschaft selbst wirksam gegen eine Klage ausgesprochen hat. Die Ansichten der vom Schädiger beeinflussten Mehrheit müssten dabei außer Betracht bleiben. Wenn aber sogar die Mehrheit der unabhängigen Minderheit einen Prozess ablehnt, dann spiegele dies den vom Gericht zu akzeptierenden Gesellschaftswillen wider.179 Da die Beweislastverteilung bei dieser Hürde noch unklar ist, ist es gut möglich, dass der Kläger nach dieser Ansicht selbst beweisen muss, dass die Mehrheit der Minderheit sein Vorgehen nicht missbilligt, oder sogar, dass sie die Klage ausdrücklich befürwortet. Sollten die Gerichte in Zukunft diesem Präjudiz folgen, wäre es somit die weitestgehende Verschärfung des Zugangs zur de___________ 175 Pavlides v. Jensen [1956] Ch 565 (577); Atwool v. Merryweather (1867) LR 5 Eq 464 (468); Mason v. Harris (1879) 11 ChD 97 (108); Alexander v. Automatic Telephone Co [1900] 2 Ch 56. 176 Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch 204 (219), CA. 177 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 461. 178 Smith v. Croft (No. 2) [1988] Ch 114 (185 f.); Anm. Prentice (1988) 104 LQR 341. 179 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 462.
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rivative action seit Aufstellung des Rechtssatzes in Foss v. Harbottle in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.180
3. Das Klagerecht der Minderheit aus Section 347I CA 1985 Oben wurde bereits auf die Regulierung politisch motivierter Unternehmensspenden in Teil XA CA 1985 durch den Political Parties, Elections and Referendums Act 2000 eingegangen.181 Noch interessanter ist indes die prozessuale Seite der Neuregelung: zur Durchsetzung der vorgesehenen Organhaftung sieht der Gesetzgeber in Section 347I CA 1985 zum ersten mal ausdrücklich ein abgeleitetes Klagerecht der Gesellschafterminderheit vor. Noch erstaunlicher ist, dass dieses im Gegensatz zur gesamten Tradition der derivative action des Common Law nicht als Einzelklagebefugnis ausgestaltet wurde, sondern dem deutschen Rechtsbehelf nach § 147 III AktG nachgebildet ist und somit einer Gesellschaftergruppe („authorised group“) zusteht.182 Aus dem Verweis auf Section 54 CA 1985183 folgt, dass die Gruppe mindestens 5 % der ausgegebenen Aktien (Nennwert) bzw. einer Aktiengattung besitzen,184 oder aus mindestens 50 Personen bestehen muss. Die richtige Balance zwischen positiven Anreizen und Missbrauchskontrolle wird durch mehrere, z.T. aus dem Recht der derivative action bekannte Mechanismen erreicht: Die Klägergruppe wird denselben Sorgfalts- und Loyalitätspflichten unterworfen, die sonst für klagende Direktoren gelten;185 die Klägergruppe darf nach Beginn des Prozesses ohne richterliche Genehmigung den Rechtsstreit weder beenden noch eine Erstattung ihrer Kosten durch die Gesellschaft akzeptieren;186 der Klägergruppe wird – jedoch erst nach Prozessbeginn – ein spezielles Informationsrecht gegenüber der
___________ 180 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 462; Prentice (1988) 104 LQR 341; Sealy (1987) 46 CLJ 398. 181 s. o., 4. Kapitel, A. II. 1. f). 182 Anders als im deutschen Recht ist die Gruppe aber selbst klagebefugt und nicht bloß auf die Klageerzwingung beschränkt. 183 Hier wird das Quorum definiert, das für die Umwandlung einer public company in eine private company notwendig ist. 184 Bei Gesellschaften, die keine company limited by shares sind, gilt die Grenze von 5 % der Gesellschafter. 185 Section 347I(7) CA 1985; Jedoch bedarf die prozessuale Durchsetzung dieser Pflichten einer besonderen gerichtlichen Zulassung, um missbräuchliche Gegenklagen seitens der Direktoren zu verhindern. 186 Sections 347I(8), 347J CA 1985; Das Verbot soll sog. „gold-digging claims“ entgegenwirken, also Klagen, die nur mit dem Ziel einer baldigen lukrativen Beilegung vorgebracht werden; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 448 f.
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Company zugestanden, bezogen auf alle Informationen, auf die diese vernünftigerweise zugreifen kann.187 In der Literatur ist der Vorstoß des Gesetzgeber indes kritisch aufgenommen worden, nicht zuletzt unter Hinweis auf die schlechten Erfahrungen des deutschen Rechts.188
4. Section 459 Companies Act 1985: the unfair prejudice remedy Besondere Beachtung verdient im System der Sanktionen für organschaftliches Fehlverhalten neben der disqualification die unfair prejudice remedy der Section 459 CA 1985, also ein Rechtsbehelf, der jedem Gesellschafter zusteht, wenn die Angelegenheiten der Gesellschaft in einer Weise besorgt werden, die die Gesellschafter oder einen Teil von ihnen (einschließlich des Antragstellers) in unangemessener Weise benachteiligt.189 Es handelt sich dabei um ein spezifisches und effektives Minderheitenrecht, das zwar theoretisch auch vom zuständigen Minister ausgeübt werden kann, jedoch nie ausgeübt wurde.190 Hält das Gericht die Beschwerde für begründet, ist es gem. Section 461(1) CA 1985 völlig frei in der Wahl der passenden Rechtsfolge. Abs. 2 zählt dabei lediglich beispielhaft die typischen Anordnungen auf, wie Vorgaben zur künftigen Besorgung der Geschäfte der Company, Untersagung von oder Verurteilung zu einer bestimmten Handlung und schließlich die in der Praxis wichtigste Anordnung des Kaufs von Anteilen des Antragstellers durch die übrigen Gesellschafter, seltener durch die Gesellschaft selbst (purchase order). Bei einer derart weiten Fassung der Schutznorm ist es zunächst notwendig, deren Grenzen zu ermitteln. Die „Besorgung der Gesellschaftsangelegenheiten“ (the conduct of the company’s affairs) umfasst tatsächlich jede Art der Kontrolle über diese und macht sowohl die Gesellschaftermehrheit als auch die Direktoren zu Normadressaten.191 Geschützt sind die aus der Verfassung der Company i.w.S.192 folgenden mitgliedschaftlichen Rechte jedes einzelnen Gesell___________ 187
Section 347K; dazu zählen beispielsweise auch die von anderen Konzerngesellschaften erhältlichen Informationen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 449. 188 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 447. 189 Section 459(1) CA 1985. Zur Bedeutung der Norm im Verhältnis zu direktorialen Pflichtverletzungen s. Hirt, (2003) 24 Co Law 100; Boyle, Gore-Browne on Companies, 28.13.7 und 28.13.10. 190 Section 460 CA 1985; Hannigan, Company Law, S. 411 Fn. 25. 191 Scottish Co-Operative Wholesale Society Ltd v. Meyer [1959] AC 324 (366); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 511. 192 Diese ergibt sich aus den Vorgaben der Gesetze, des Common Law und der Equitable Rules sowie der Satzung.
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schafters, aber auch seine mitgliedschaftlichen Interessen einschließlich des weiten Feldes von berechtigten Erwartungen (legitimate expectations), die sich aus der Natur der Gesellschaft und den ihr zugrundeliegenden Abreden ergeben.193 Gerade der letzte Bereich wurde von Anfang an zum Hauptanwendungsfall der Section 459 in der Praxis, da eine solche Durchsetzung bloßer Interessen mit Hilfe der Rechtsordnung nirgendwo sonst möglich ist. Solche legitimate expectations außerhalb des Gesellschaftsvertrages wurden von den Gerichten jedoch nur bei kleinen, personalistisch strukturierten private companies anerkannt, die tatsächlich noch auf gegenseitigem Vertrauen der Beteiligten basieren und die Übertragbarkeit ihrer Anteile beschränken (quasi-partnerships).194 Nur hier sollte es möglich sein, die Ausübung eines bestehenden Rechts nur mit Rücksicht auf Billigkeitserwägungen (wider equitable considerations), mithin auf informelle Abreden zwischen den Parteien, zu beschränken. Als berechtig wurde hier insofern vor allem die Erwartung anerkannt, im Gegenzug für das investierte Kapital an der Geschäftsführung beteiligt zu werden und die Rendite in Form von Vergütung ausgezahlt zu bekommen.195 Unangemessen waren ferner die Übertragung des Unternehmens auf eine andere, von der Mehrheit kontrollierte Gesellschaft196 sowie Insichgeschäfte und exzessive Selbstbedienung seitens des Gesellschafter-Geschäftsführers.197 In großen private companies sowie in public (listed) companies hingegen verlieren die Aspekte des gegenseitigen Vertrauens und der Beteiligung an der Geschäftsführung an Bedeutung. Im Vordergrund stehen das Interesse an einer hohen Dividende und Steigerung des Börsenkurses sowie die Möglichkeit des einfachen Verkaufs der eigenen Anteile. Schützenswerte informelle Abreden der Parteien untereinander werden daher selten existieren und noch seltener von den Gerichten anerkannt. Insofern müssten sich die potentiellen Anleger darauf verlassen können, dass die innergesellschaftlichen Beziehungen in der geschriebenen Satzung abschließend geregelt sind.198 Daran sieht man bereits, ___________ 193 Ebrahimi v. Westbourne Galleries Ltd [1973] AC 360, HL; Re a Company [1986] BCLC 376 (378); Hannigan, Company Law, S. 416 ff. 194 Ebrahimi v. Westbourne Galleries Ltd [1973] AC 360 (379); O’Neill v. Phillips [1999] 1 WLR 1092; Hannigan, Company Law, S. 421. 195 Re a Company [1997] 2 BCLC 739; Re Ghyll Beck Driving Range Ltd [1993] BCLC 1126; Re Saul D Harrison & Sons plc [1995] 1 BCLC 14; R & H Electric Ltd v. Haden Bill Electrical Ltd [1995] 2 BCLC 280. 196 Re Little Olympian Each-Ways Ltd (No 3) [1995] 1 BCLC 636; Re Full Cup International Trading Ltd [1995] BCC 682. 197 Re Elgindata Ltd [1991] BCLC 959. 198 CAS (Nominees) Ltd v. Nottingham Forest Plc [2002] 1 BCLC 613 (627); Re Tottenham Hotspur plc [1994] 1 BCLC 655; Re Blue Arrow [1987] BCLC 585 (590); Hannigan, Company Law, S. 425 f.
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dass Section 459 in erster Linie als ein funktionelles Äquivalent der deutschen mitgliedschaftlichen Loyalitätspflicht fungiert und der Ausübung der Mehrheitsmacht in der personalistischen Gesellschaft Schranken setzt.199 Dementsprechend hat eine Auswertung der 233 zwischen 1994 und 1996 eingereichten Anträge ergeben, dass 96 % der Anträge private companies betrafen, 82 % dieser Companies nur fünf oder weniger Gesellschafter hatten, in 64 % der Fälle ein Ausschluss von der Geschäftsführung gerügt wurde und in 69 % der Fälle der Beschwerdeführer ein Austrittsrecht aus der Gesellschaft beantragte.200 Zumindest in der Theorie lässt die weite Definition der unfair prejudice in der Publikumsgesellschaft aber auch Beschwerden zu, die auf Pflichtverletzungen der Direktoren gestützt werden.201 Das weite Ermessens des Richters hinsichtlich der zu erlassenden Anordnung gibt diesem zudem die Möglichkeit, als Rechtsfolge einen Schadensersatzanspruch oder andere Abhilfe zugunsten der Company selbst festzustellen und somit die gesamte Dogmatik der derivative action ad absurdum zu führen.202 Höchst problematisch ist dabei, dass die Verletzung einer dem Direktor gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflicht in erster Linie die Gesellschaft selbst benachteiligt und nach dem Grundsatz aus Foss v. Harbottle203 nur in deren Namen, ggf. unter den strengen Voraussetzungen der derivative action, gerügt werden dürfte. Ein nach Section 459 vorgehender Gesellschafter macht aber zusätzlich eine indirekte Verletzung persönlicher, mitgliedschaftlicher Rechte geltend, fordert zudem den Ersatz eines bloßen Reflexschadens und verursacht erhebliche Überschneidungen im tatbestandlichen und im Rechtsfolgenbereich.204 Neben der Verwässerung der Eingangsvoraussetzungen der derivative action droht dabei eine doppelte Kompensation des entstandenen Schadens. Dem wird durch eine restriktive Auslegung von Section 459 begegnet: Es müsse strikt zwischen einer nicht unter die Norm fallenden Schädigung der Gesellschaft durch den Geschäftsleiter und einer möglichen hieraus folgenden Verletzung des Gesellschafters durch die Gesellschaft unterschieden werden, wobei im letzteren Falle andere Rechts___________ 199
So bereits Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (165); ders., ZGR 1998, 191. Law Commission: Shareholder Remedies (1997, Cm 3769), Law Com No 246, 3.13, Appendix J. 201 Re Saul D Harrison & Sons plc [1995] 1 BCLC 14; Hannigan, Company Law, S. 420. 202 Re Saul D Harrison & Sons plc [1995] 1 BCLC 14 (18, Hoffmann LJ); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 515; explizit für eine solche Wirkung aber Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 258. 203 (1843) 2 Hare 461; s. o., 4. Kapitel, A. IV. 1. a). 204 Beispiele für Fälle, in denen zugleich eine derivative action als auch eine unfair prejudice remedy einschlägig waren, sind Re Charnley Davies Ltd (No 2) [1990] BCLC 760 und der schottische Fall Anderson v. Hogg 2002 SLT 354 (Inner House) mit der Entscheidung der Vorinstanz in 2000 SLT 634 (Outer House); s. ferner Hirt (2003) 24 Co Law 100 (103). 200
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folgen angemessen und vom Gesellschafter zu beantragen seien.205 Das läuft aber darauf hinaus, dass die für Section 459 erforderliche „Benachteiligung“ (prejudice) des Gesellschafters nicht durch die organschaftliche Pflichtverletzung selbst, sondern nur durch den anschließenden Umgang der Gesellschaftermehrheit mit der Pflichtverletzung (Nichtverfolgung oder gar Genehmigung) begründet werden kann. Als „unangemessen“ (unfair) gilt diese Art der Benachteiligung zudem nur dann, wenn dem Gesellschafter zugleich der Zugang zum eigentlich einschlägigen Rechtsbehelf der derivative action versperrt ist.206 Zu beachten ist jedoch, dass diese klare Abgrenzung bisher nur zögerlich von der Rechtsprechung übernommen wird.207 Einmal anerkannt wird sie aber zur Folge haben, dass Beanstandungen organschaftlichen Fehlverhaltens mittels Section 459 nur in Gesellschaften in Frage kommen werden, in denen die Direktoren zumindest faktisch die Gesellschafterversammlung kontrollieren und eine im Interesse der Gesellschaft liegende Verfolgung von Ansprüchen gegen die Direktoren gerade an dieser Dominanz scheitert. In allen übrigen Fällen werden die Gesellschafter hingegen keine Beschränkungen ihrer Stimmrechtsmacht hinnehmen müssen, zumal das englische Recht keine mitgliedschaftliche Treuepflicht anerkennt.208 Deshalb wird Section 459 grundsätzlich auf kleine, personalistische private companies, also quasi partnerships, beschränkt bleiben, in denen die Direktoren selbst als Gesellschafter die Hauptversammlung kontrollieren. In großen (börsennotierten) Gesellschaften hingegen werden die Direktoren selten zugleich Mehrheitsaktionäre sein. Ferner wird eine faktische Kontrolle der Hauptversammlung, die lediglich auf die Passivität der Kleinaktionäre zurückgeht, nicht ausreichen, um den Vorwurf der unfairness zu begründen.209 Nach dieser tatbestandlichen Einschränkung bleibt nur noch die Frage nach einer passenden Rechtsfolge. Zur Zeit genießen die Richter hierbei ein nahezu grenzenloses Ermessens und werden – wie Section 461(2)(c) zeigt – nicht daran gehindert, eine ausschließlich der company zugute kommende Sanktion (corporate relief) zu verhängen und somit die strengen Voraussetzungen der derivative action auszuhebeln. Es ist daher zu fordern, dass sie sich auf persönliche Abhilfe für den einzelnen Gesellschafter (personal relief) beschränken, dabei aber eine Überkompensation durch Ersatz eines bloßen Re___________ 205 Re Charnley Davies Ltd (No. 2) [1990] BCLC 760 (783 f., Millett J); Hirt (2003) 24 Co Law 100 (103). 206 Vgl. schon die Überlegungen des Jenkins Committee, auf dessen Empfehlung Section 459 zurückgeht, in: Report of the Company Law Committee, Cmnd 1749 (1962), 206; ferner Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 513 f.; Hirt (2003) 24 Co Law 100 (104 ff.); Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 259. 207 Vgl. aber Jermyn Street Turkish Baths Ltd [1971] 1 WLR 1042 (1060, Buckley LJ) und Lowe v. Fahey [1996] 1 BCLC 262. 208 Hirt (2003) 24 Co Law 100 (106 f.). 209 Hirt (2003) 24 Co Law 100 (107).
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
flexschadens vermeiden und dem Antragsteller somit in erster Linie den Ausstieg aus der Gesellschaft ermöglichen.210 Auch diese Einschränkung dürfte ein Vorgehen nach Section 459 indes für Aktionäre von public companies unattraktiv machen, da diese ihre Anteile ohnehin jederzeit problemlos am Kapitalmarkt verkaufen können. Abschließend ist also festzuhalten, dass der Anwendungsbereich von Section 459 als Sanktion für organschaftliche Pflichtverletzungen in dem von der Literatur vorgezeichneten Rahmen sehr klein ist. Auch in der etwas offeneren Rechtsprechung hat die Norm insofern keine eigenständige Bedeutung erlangt, da die bisher verhandelten Fälle allesamt auf vielfältige Vorwürfe der unfair prejudice gestützt waren und somit gerade nicht als bloße Umgehung der derivative action angesehen werden können.211 Leider hat sich aber die Hoffnung, dass der Gesetzgeber etwas Klarheit in die verworrene Dogmatik der Section 459 bringen könnte, zunächst einmal als unberechtigt erwiesen.212
V. Reform Der Company Law Review213 empfiehlt nunmehr auf der Grundlage eines Berichts der Law Commission,214 das bewährte Recht der derivative action im Grundsatz beizubehalten, das Verfahren aber auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und in einigen Punkten zu optimieren (Part 11, Clauses 239-246 Company Law Reform Bill). Der einzelne Gesellschafter wird wie bisher eine derivative action initiieren dürfen, zu ihrer Fortsetzung aber sodann eine gerichtliche Erlaubnis einholen müssen (Clause 240). Das Gericht wird dann nach umfassender Prüfung aller Umstände und insbesondere der vorgegebenen Kriterien nach eigenem Ermessen entscheiden, ob die Klage weiterverfolgt werden sollte, d.h. ob die Weiterverfolgung im Interesse der Gesellschaft215 liegt (Clause 242). Auf der Ebene der Klagebefugnis bedeutet dies, dass der einzelne Gesellschafter zu der Liste der Organe hinzugefügt wird, die für die Durchsetzung von Gesellschaftsansprüchen zuständig sind.216 ___________ 210
Hirt (2003) 24 Co Law 100 (109 f.). Hirt (2003) 24 Co Law 100 (106). 212 s. lediglich Final Report, Volume I, 7.41. 213 Final Report, 7.46-7.50. 214 Law Commission, Shareholder Remedies, Report No. 246 (1997): Appendix A (Draft Bill), Appendix B; Law Commission, Shareholder Remedies, Consultation Paper No. 142 (1996). 215 Zugrundegelegt wird die neue, weite (inclusive) Definition des Gesellschaftsinteresses. 216 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 464. 211
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Die notwendige Balance zwischen dem Minderheitenrecht und der Mehrheitsherrschaft wird aber nicht etwa völlig aufgegeben, sondern indirekt auf einer früheren Stufe herbeigeführt, nämlich durch erhebliche Modifizierungen des Verfahrens, in welchem die Company auf Ansprüche gegen die Direktoren verzichten (ratification) bzw. von der Geltendmachung solcher Ansprüche absehen kann (decision not to sue). Bei einer solchen Haftungsfreistellung im konkreten Fall soll dann die bisher elementare Unterscheidung zwischen genehmigungsfähigen und nicht genehmigungsfähigen Pflichtverletzungen (nonratifiable wrong theory) wegfallen.217 Während die derivative action de lege lata auf eine nicht genehmigungsfähige Pflichtverletzung gestützt werden muss, wird es künftig lediglich darauf ankommen, ob die Pflichtverletzung tatsächlich genehmigt worden ist bzw. die Company wirksam und verbindlich auf die Geltendmachung entsprechender Ansprüche verzichtet hat. Damit wird der Rechtsbehelf – zumindest theoretisch – für die praktisch wichtige Kategorie bloßer Sorgfaltspflichtverletzungen geöffnet.218 Die für den Gesellschafter bisher schwierigste Hürde wird abgeschafft und durch eine ausgewogenere Lösung ersetzt. Die Möglichkeiten der Company, dem Einzelnen den Weg zur derivative action zu versperren, werden zugleich eingeschränkt, da die Entscheidung nur von unbefangenen Gesellschaftern getroffen werden darf, die kein (indirektes) persönliches Interesse an der Entlastung haben.219 Dies wäre der vielleicht wichtigste von vielen Schritten auf dem Weg hin zur Etablierung sog. „unabhängiger Organe“ („independent organs“) in der Verfassung der Company220 – eine Entwicklung, die als Kompliment an das deutsche two-tier-System aufgefasst werden sollte.
___________ 217
Clause 216 Company Law Reform Bill; Completing the Structure, 5.85; Developing the Framework, 4.135. 218 Clause 239(3) Company Law Reform Bill; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 212. 219 Final Report, 7.46; Completing the Structure, 5.85. So zuvor schon Prudential Assurance Co Ltd v Newman Industries Ltd (No. 2) [1981] Ch 257 (307, Vinelott J); zustimmend Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 440. 220 Vgl. Smith v Croft (No. 2) [1988] Ch 114 (185 f., Knox J) und neuerdings vor allem die Vorschläge des Higgs Report und die ihm folgenden Änderungen des Combined Code 2003; dazu oben, 1. Kapitel, C. IV. 3., ferner Hirt, The Enforcement of Directors’ Duties in Britain and Germany, 5.4.2.1.2, der in 5.4.3 jedoch zugleich das dogmatisch unsaubere Konzept kritisiert, dass nunmehr zwei verschiedene Instanzen, eine interne (unabhängige Organe) und eine externe (das Gericht im Klagezulassungsverfahren) über das Interesse der Gesellschaft an der Klage befinden sollen.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
B. Sanktionen im deutschen Recht I. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung 1. Vorstand a) Schadensersatz: § 93 II, III AktG; §§ 117 II, 309 II, 310 I, 317 III, 318 I, 323 I 2 AktG Die in der Theorie wichtigste Sanktion gegen Pflichtverletzung durch Vorstandsmitglieder ist die Pflicht zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft gem. § 93 II, III. Als weitere Anspruchsgrundlagen kommen §§ 823 II, 826 BGB hinzu,221 während eine Anspruchskonkurrenz des § 93 mit der pVV des Anstellungsvertrages von der neueren Rechtsprechung abgelehnt wird.222 Auch Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem. § 687 II BGB bei Loyalitätspflichtverletzungen sind abzulehnen, da der vertraglich an das Gesellschaftsinteresse gebundene Geschäftsleiter nicht ohne Auftrag handelt, sondern entgegen seinem Auftrag.223 Als selbständige Anspruchsgrundlagen der Gesellschaft gelten ferner § 117 II AktG224 und §§ 309 II, 310 I, 317 III, 318 I, 323 I 2 AktG. Neben Pflichtverletzung und Verschulden setzt der Anspruch aus § 93 II einen adäquat kausal verursachten Schaden voraus. Als solchen wollen einige Autoren aber nur eine Vermögensminderung ansehen, die den Zwecken des Vermögenssubjekts nicht entspricht225 oder die pflichtwidrig herbeigeführt worden ist.226 Jedoch ist die theoretische Relevanz dieser Auseinandersetzung auf freiwillige soziale, gesellschaftliche oder politische Aufwendungen der Gesellschaft beschränkt, während in der Praxis alle Theorien gleiche Ergebnisse erzielen227 und hier nicht weiter zu erörtern sind. ___________ 221 Als Schutzgesetze kommen insbesondere § 266 StGB und §§ 404, 405 I AktG in Betracht; s. GK-Hopt, § 93 Rn. 467. 222 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); zustimmend GK-Hopt, § 93 Rn. 21, 26, 226 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 3.; a.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 8 und für Leistungsstörungen BGHZ 10, 187 (1. Leitsatz). 223 BGH WM 1989, 1335 (1338); a.A. KK-Mertens, § 93 Rn. 73; Weisser, Corporate Opportunities, S. 245. 224 Hüffer, § 117 Rn. 10; KK-Mertens, § 93 Rn. 2. 225 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, S. 128 ff., 165 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 23, 103; MüHdbAG-Wiesner, § 26 Rn. 6; MüHdbGmbHMarsch-Barner/Diekmann, § 46 Rn. 15. 226 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 204 Fn. 36; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 28. 227 GK-Hopt, § 93 Rn. 263; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 22; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 160 ff.
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Als Erleichterung der Haftungsdurchsetzung hat der Gesetzgeber in § 93 II 2 eine Beweislastumkehr eingeführt, nach der der Vorstand die sorgfältige Erfüllung seiner Pflichten darzulegen hat. Obwohl die Vorschrift auf den ersten Blick den zivilrechtlichen Regeln in den §§ 280 I 2, 286 IV BGB ähnelt, wird sie von der herrschenden Lehre und einigen Stimmen in der vor allem zur GmbH ergangenen Rechtsprechung extensiver ausgelegt und neben dem Verschulden auch auf die objektive Pflichtverletzung angewendet. Die Gesellschaft hat daher lediglich die Vorstandseigenschaft, den Schaden, dessen adäquate Verursachung und grundsätzlich auch ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen zu beweisen, um anschließend von der „Indizfunktion des Schadens“ zu profitieren.228 Neben der Haftungsfolge des § 93 II enthält auch der Katalog des § 93 III die Androhung einer Ersatzpflicht und ist nicht zuletzt aufgrund seines Wortlauts und Inhalts als eigene Anspruchsgrundlage anzusehen.229 Er sichert die Einhaltung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften seitens des Vorstands, indem er dessen Pflichten aus Abs. 1 konkretisiert.230 Auch die Verletzung des Abs. 3 setzt ein Verschulden voraus, welches nach Abs. 2 S. 2 vermutet wird. Dennoch kommt der Norm in mehreren Punkten eine eigenständige Bedeutung zu: Die Beweiserleichterung zugunsten der Gesellschaft wurde erheblich ausgeweitet, denn hier wird in Höhe des im Gesetz genannten Fehlbetrages – nicht aber hinsichtlich einer eventuell darüber hinausgehenden Vermögenseinbuße – auch ein Schaden vermutet.231 Hinzu kommt ein für die Gesellschaft besonders günstiger Schadensbegriff, der auf das tatsächlich zur Verfügung stehende Vermögen abstellt und etwaige realisierbare Rückgewähransprüche außer Acht lässt.232 Das Vorstandsmitglied kann sich daher nur entlasten, indem es selbst nachweist, dass die Gesellschaft den ausgezahlten Betrag tatsächlich zurückerhalten hat. Schließlich wird durch Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 2 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Gläubiger erleichtert. Anders als bei Pflichtverletzungen, die auf Abs. 1 gründen, dürfen die ___________ 228 BGH WM 1980, 1190; BGH NJW 1992, 1166 (1167); OLG Hamm AG 1995, 512 (513); v. Randow, ZGR 1996, 595 (634 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 276 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 102 ff., nach dem die Gesellschaft jedoch nur die Möglichkeit eines Zurechnungszusammenhangs darlegen muss. 229 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 35; GK-Hopt, § 93 Rn. 233; etwas unklar KK-Mertens, § 93 Rn. 87 einerseits und Rn. 96 andererseits; a.A. noch LG Bochum ZIP 1989, 1557 (1558 f.); nach Schadensposten differenzierend RGZ 159, 211 (231 f.). 230 Zu den einzelnen Fällen des Abs. 3 siehe ausführlich Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 71 ff. 231 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 36, 46; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 22; KK-Mertens, § 93 Rn. 96. 232 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 36; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 11; GK-Hopt, § 93 Rn. 235; KK-Mertens, § 93 Rn. 96.
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Gläubiger danach nicht erst bei grober, sondern bereits bei einfacher Fahrlässigkeit gegen den Vorstand vorgehen. Dies gilt nach heute überwiegender Ansicht für den gesamten entstandenen Schaden und nicht etwa nur für den Fehlbetrag, der unmittelbar durch die verbotene Art der Auszahlung entstanden ist. Insofern wird man den Katalog des Abs. 3 als eine „typisierte Annahme von grober Fahrlässigkeit“ ansehen können, die von der Höhe des entstandenen Schadens unberührt bleibt.233 Für die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gilt die Fünf-Jahre-Frist des § 93 VI, die mit der Anspruchsentstehung beginnt. Wann aber genau die pflichtwidrige Handlung abgeschlossen wurde bzw. der Schaden eingetreten ist, lässt sich in der Praxis nur schwer feststellen, sodass die Gesellschaft häufig vom Bestehen deliktischer Ansprüche profitieren kann, bei denen die Verjährungsfrist der §§ 195, 199 I BGB erst mit der Kenntnis des Aufsichtsrats vom Schaden und vom Schädiger beginnt.234 Die Frist des § 93 VI gilt als gesetzliche Spezialregelung schließlich auch für Ansprüche aus Verletzungen des Anstellungsvertrages.235 Ansprüche aus Verletzung des Wettbewerbsverbotes verjähren gem. § 88 III in drei Monaten ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis, spätestens aber in fünf Jahren, was dann auch für die eventuell daneben bestehenden Ansprüche aus § 93 gelten sollte.236
b) Eintrittsrecht und Gewinnabschöpfung Um insbesondere in Fällen der Entziehung einer Geschäftschance statt einer geldwerten Entschädigung die Übertragung der treuwidrig erworbenen Rechte auf die Gesellschaft zu ermöglichen, greift die Rechtsprechung auf den Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 S. 1 BGB) zurück.237 In Verbindung mit dem Anspruch auf den entgangenen Gewinn gem. § 252 BGB238 steht der Gesellschaft somit ein faktisches Eintrittsrecht zu. Die Literatur bemängelt aber zu Recht, dass der entgangene Gewinn häufig nicht mit dem vom Schädiger tatsächlich erlangten Gewinn übereinstimmen wird und zudem nur schwer zu berechnen ist. Sie fordert daher ein echtes Eintrittsrecht, mit dem der tatsächlich ___________ 233 GK-Hopt, § 93 Rn. 237 f.; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 46; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 28; KK-Mertens, § 93 Rn. 96; a.A. noch RGZ 159, 211 (231 f.). 234 Str., s. zu alten Regelung in § 852 BGB BGHZ 100, 190 (199 ff.) einerseits und RGZ 87, 306 (309) andererseits; ferner KK-Mertens, § 93 Rn. 156; GK-Hopt, § 93 Rn. 428. 235 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat). 236 GK-Hopt, § 93 Rn. 429. 237 BGH BB 1989, 1430. 238 BGH BB 1989, 1430; BGH WM 1985, 1443 (Druckmittelzylinder, GmbH).
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erzielte Gewinn abgeschöpft wird, und das auf den Rechtsgedanken der §§ 61 I, 113 I HGB, 88 II 2 AktG gestützt werden kann. Die Verjährung des Anspruchs soll sich nach § 88 III analog richten, wenn die Vorstandshandlung vom Aufsichtsrat hätte bewilligt werden können und keine unerlaubte Handlung begründet, während es sonst bei § 93 VI bleiben soll.239 Die Herausgabepflicht erstreckt sich gem. § 285 BGB auch auf die erlangten Surrogate.240 Gerade im Anwendungsbereich der Geschäftschancenlehre wird neben dem Eintrittsrecht die Frage nach eventuellen Gegenansprüchen des Vorstandsmitglieds Bedeutung erlangen. Die Rechtsprechung argumentiert hier konsequent mit dem Gedanken der Naturalrestitution, der es verbiete, die Gesellschaft besser zu stellen, als sie bei Wahrnehmung der Geschäftschance in ihrem Namen gestanden hätte. Von dem Anspruch der Gesellschaft sind danach die Auslagen des Geschäftsleiters abzuziehen, die die Gesellschaft auch selbst zur Wahrnehmung der Geschäftschance hätte tätigen müssen. Das gleiche muss aber auch gelten, wenn man ein echtes Eintrittsrecht analog § 88 II 2 anerkennt.241
c) Einstweilige Verfügung (Unterlassungs-, Beseitigungs- und Leistungsklagen) Als vorbeugende Sanktion gegen Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder kommen auch Unterlassungs- und Beseitigungsklagen einerseits, sowie auf ein bestimmtes Organhandeln gerichtete Leistungsklagen andererseits in Betracht, jeweils ergänzt durch einstweiligen Rechtsschutz. Zumeist wird das Problem aus dem Blickwinkel der Kompetenz des Aufsichtsrats oder des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds für solche Klagen, also als Frage der internen Organstreitigkeiten in der AG diskutiert. Jedoch finden sich in der Rechtsprechung und in der herrschenden Lehre bisher kaum Stimmen, die einen solchen Ansatz stützen.242 Ausdrücklich anerkannt ist bisher lediglich die Einklagbarkeit der Berichtspflichten aus § 90 und ähnlicher Pflichten,243 während ein originäres, aus der Organkompetenz des Aufsichtsrats abgeleitetes Klagerecht zur Abwehr rechtswidrigen Vorstandshandelns abgelehnt wird. Als Hauptargument gegen die allgemeine Anerkennung solcher Organklagen fungiert die innere Verfassung der AG, mit welcher Eingriffe des Aufsichtsrats in ___________ 239
KK-Mertens, § 93 Rn. 73, der zugleich eienen Gewinnherausgabe nach § 687 II BGB befürwortet. 240 Merkt, ZHR 159 (1995), 423 (448) zu § 281 BGB a.F. 241 Weisser, Corporate Opportunities, S. 250 f. 242 Offengelassen in BGHZ 106, 54 (Opel); Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265; KKMertens, Vor § 76 Rn. 3 ff.; dafür K. Schmidt, GesR, § 14 IV 2. 243 BGHZ 106, 54 (59 f.) (Opel); OLG Köln AG 1987, 25; LG Düsseldorf AG 1988, 386; Kort, AG 1987, 193 (199 f.); K. Schmidt, GesR, § 14 IV 2 b).
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
den Kompetenzbereich des Vorstands (§ 76 I) unvereinbar seien.244 Darüber hinaus fehle es aber auch angesichts der sonstigen verfügbaren Sanktionen an einem Bedürfnis, die dogmatischen Schwierigkeiten zu überwinden. Einige Stimmen in der Literatur ziehen den Anwendungsbereich der Unterlassungs- und Beseitigungsklagen hingegen zu Recht deutlich weiter und lassen diese bei Verstößen des Vorstands gegen Kapitalerhaltungsvorschriften (§ 93 III), Wettbewerbsverbot (§ 88) und Schweigepflicht (§ 93 I 3) zu.245 Insbesondere Eingriffe des Vorstands in den Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates soll dieser durch einstweilige Verfügung verhindern dürfen, beispielsweise dann, wenn der Vorstand einen Zustimmungsvorbehalt gem. § 111 IV 2 und 3 missachtet und dem Aufsichtsrat bzw. der Hauptversammlung die vorgesehene Mitwirkung verweigert.246 Zum Teil wird gefordert, den einstweiligen Rechtsschutz auf schwere Rechtsbrüche zu erstrecken, die der Vorstand zu begehen droht, also z. B. auf die Missachtung atomrechtlicher Schutzvorschriften.247 Gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern wird schließlich für eine grundsätzliche Zulassung solcher Klagen plädiert, sei doch ihre Selbstverantwortung nur in den Grenzen des § 93 garantiert.248 Als Rechtsgrundlage für solche Organklagen könne zum einen die allgemeine Überwachungspflicht des Aufsichtsrats aus §§ 111 I, 116, zum anderen der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz dienen, nach dem jede nachträgliche Sanktion in Form von Schadensersatz bei Bedarf ein Gegenstück im Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes haben soll.249 Grundsätzliche rechtstheoretische Einwände gegen die Einführung der Organklage im Aktienrecht seien schon deshalb nicht haltbar, weil Organstreitigkeiten bereits de lege lata in § 112 anerkannt seien, auch wenn der Aufsichtsrat hier im Namen der Gesellschaft und nicht im eigenen Namen gegen den Vorstand klagt.250 Gerade das letzte Argument zeigt aber, dass die Debatte als rein theoretisch verworfen werden kann, könnten doch drohende Pflichtverletzungen des Vorstands mit einer Klage des Verbandes selbst, vertreten durch den Aufsichtsrat, abgewehrt werden.251
___________ 244
KK-Mertens, Vorb. § 76 Rn. 4; § 93 Rn. 190 ff. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 96. 246 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 96; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 (282). 247 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 97. 248 GK-Hopt, § 93 Rn. 453. 249 GK-Hopt, § 93 Rn. 453. 250 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 97; a.A. Flume, BGB AT I/2, S. 405 ff. 251 K. Schmidt, GesR, § 14 IV 2 d). 245
B. Sanktionen im deutschen Recht
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d) Abberufung und Entlassung In der Praxis am wahrscheinlichsten und am effektivsten ist indes die Prävention durch den möglichen Verlust des Mandats und des Arbeitsplatzes. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die zugleich einen „wichtigen Grund“ darstellen, muss das Vorstandsmitglied befürchten, gem. § 84 III vom Aufsichtrat abberufen bzw. als Vorstandsvorsitzender abgesetzt oder gar fristlos gekündigt zu werden. Noch häufiger, und zwar auch bei leichtem Fehlverhalten, laufen sie Gefahr, nach Ablauf ihrer Amtsperiode nicht wieder bestellt zu werden.
e) Unwirksamkeit des Vertrages Besteht die Pflichtverletzung im Überschreiten der internen Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis bei gleichzeitig unbeschränkter Vertretungsmacht im Außenverhältnis (§§ 82 I, II AktG und § 37 I, II GmbHG), so kann sie nach den Regeln des Missbrauchs der Vertretungsmacht zur Unwirksamkeit des betroffenen Vertrages führen.252 Hierbei unterscheidet man zunächst den Fall, dass der Geschäftsführer und sein Geschäftspartner bewusst zum Schaden der Gesellschaft gehandelt haben, ob aufgrund einer Verabredung (Kollusion) oder ohne eine solche (Quasi-Kollusion). In beiden Konstellationen ist der Vertrag gem. § 138 BGB nichtig.253 Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt aber auch dann vor, wenn seitens des Geschäftsführers objektiv eine Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis vorlag und sein Geschäftspartner diese kannte oder es sich ihm „geradezu aufdrängen musste, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht zum Schaden der Gesellschaft missbraucht“ (Evidenz).254 Hier ist der Vertrag allerdings nur schwebend unwirksam und kann von der Gesellschaft gem. § 177 BGB genehmigt werden. Diese Kategorie verdeutlicht noch einmal die Bedeutung der §§ 82 I AktG, 37 II GmbHG als Schutzvorschriften für den redlichen Geschäftspartner, dem keine Nachforschungen über die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung zugemutet werden sollen. Seine Schutzwürdigkeit endet konsequenterweise dort, wo die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf der Hand liegt.
___________ 252
Flume, BGB AT I/2, S. 369 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 527 ff. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 22, 25. 254 BGHZ 113, 315; BGH GmbHR 1996, 111 (113); OLG Hamm GmbHR 1997, 999 (1000 f.); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 37 Rn. 28. 253
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
f) Strafrechtliche Sanktionen Bei besonders gravierenden Typen von Pflichtverletzungen greift zusätzlich das wirksame Mittel der Straf- und Bußgeldvorschriften. Zu erwähnen sind hier insbesondere Verstöße gegen Berichts- und Schweigepflichten (§§ 399-405)255 mit dem nunmehr prominenten § 400,256 Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB) sowie die Konkursstraftaten (§§ 283 ff. StGB). Für rechtswidrige Abwehrmaßnahmen bei feindlichen Übernahmen sieht § 60 I Nr. 8, III WpÜG bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Handeln eine Geldbuße von bis zu einer Million Euro vor.
2. Geschäftsführer Die in der Theorie vorrangige Sanktion gegen Pflichtverletzungen stellt der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 43 II dar. Hinsichtlich der Beweislast werden mangels einer ausdrücklichen Regelung die §§ 93 II 2 AktG und 34 II 2 GenG analog angewendet mit der Folge, dass – bei Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten des Geschäftsführers bei gleichzeitiger Schädigung der Gesellschaft –Pflichtwidrigkeit und Verschulden vermutet werden. Um sich zu entlasten, muss der Betroffene dann beispielsweise beweisen, dass er einer verbindlichen Weisung der Gesellschafter folgte und somit nicht pflichtwidrig handelte.257 Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus § 43 beträgt gem. Abs. IV fünf Jahre, kann aber vertraglich verkürzt werden, sofern kein Verstoß gegen §§ 43 III 2 i.V.m. § 9b I vorliegt und der einklagbare Betrag nicht zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.258 Eine verschärfte Haftung zum Schutz des Stammkapitals wird zudem in § 43 III für Verstöße gegen § 30 und § 33 statuiert. Die Besonderheit des selbständigen Schadensersatzanspruchs besteht darin, dass in Höhe der verbotenen Zahlung ein Schaden ___________ 255 Vgl. die Erhöhung der Strafandrohung bei § 404 auf zwei (Abs. 1) bzw. drei (Abs. 2) Jahre bei börsennotierten Gesellschaften durch das TransPuG. 256 Die ersten Verurteilungen wegen unrichtiger Darstellung der Geschäftslage des Unternehmens erfolgten am 8.4.2003 im spektakulären Prozess gegen die ehemaligen Vorstände der EM.TV AG, Thomas und Florian Haffa, vor dem Landgericht München, bei dem diesen Geldstraften i. H. v. 1,2 Mio bzw. 240 000 Euro auferlegt wurden; s. FAZ v. 9.4.2003 S. 13 und das Urteil in der NJW 2003, 2328. 257 Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 36; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 168. 258 BGH GmbHR 2000, 187; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 61; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 207; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (702); dies ist insofern konsequent, als die Gesellschaft unter derselben Bedingung auch gänzlich im Voraus auf den Schadensersatzanspruch verzichten kann; s. u., 5. Kapitel, B. II. 2. a); a.A. Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 2, 29; Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 113; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, S. 75 ff.
B. Sanktionen im deutschen Recht
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der Gesellschaft vermutet wird.259 Ergänzt wird § 43 durch die §§ 9 a I (Gründungshaftung), 57 IV (Haftung bei Kapitalerhöhung), 64 II (Haftung bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht) und 73 III (Liquidatorenhaftung). Als Haftungsgrundlagen kommen zwar auch noch der Anstellungsvertrag und § 687 II BGB in Betracht, die jedoch neben der Organhaftung keine eigenständige Bedeutung erlangen.260 Zu deliktischen Ansprüchen besteht Anspruchskonkurrenz.261 Als Rechtsfolge der Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot steht der GmbH neben dem Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch262 ein Eintrittsrecht nach §§ 61, 113 HGB, § 88 II 2 AktG analog zu,263 nicht jedoch ein Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem. § 687 II BGB.264 Während die Gesellschaft schon nach § 43 II i.V.m. § 252 BGB den entgangenen Gewinn beanspruchen kann, sofern sie einen eigenen Schaden in entsprechender Höhe nachweisen kann, liegt die Bedeutung des Eintrittsrechts darin, auch ohne den Nachweis eines Schadens vom Geschäftsführer die gesamte aus dem Geschäft bezogene Vergütung oder die Abtretung des Anspruchs hierauf verlangen zu können. Dabei wird die Gesellschaft dem Geschäftsführer die ihm entstandenen Aufwendungen ersetzen, nicht jedoch die aus dem Geschäft entstandenen Verluste übernehmen müssen.265 Die kurze Verjährungsfrist analog § 88 III AktG, §§ 61 II, 113 III HGB gilt für das Eintrittsrecht, nicht jedoch für den Schadensersatzanspruch.266 Auch die GmbH kann statt auf Schadensersatz auf Unterlassung oder Beseitigung klagen, wird dies aber in der Praxis selten tun, kann sie doch die gewünschte Handlung durch Weisung anordnen und ggf. den Geschäftsführer abberufen.267 ___________ 259
Scholz/Schneider, § 43 Rn. 198 ff. BGH NJW 1997, 741 (überteuerte Beratung einer GmbH durch einen Rechtsreferendar); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. 4; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 4; a.A. Hübner, Managerhaftung, S. 37 f.; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 12 c f., 208. 261 BGH GmbHR 1992, 303; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 13 a. 262 Anspruchsgrundlage hierfür sind neben § 43 II GmbHG auch oft die §§ 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB und u.U. § 826 BGB. 263 BGHZ 80, 69 (76); BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 35 Rn. 22a; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 39; Scholz/ Schneider, § 43 Rn. 131a. 264 BGH NJW-RR 1989, 1255 (1256) (Neue Heimat); a.A. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 131b. 265 BGHZ 38, 306 (311); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 131a. 266 Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 39; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 132; a.A. MüHdbGmbH-Marsch-Barner/Diekmann, § 43 Rn. 65. 267 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 210. 260
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
3. Aufsichtsrat Für Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats sind als Sanktion zunächst Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gem. §§ 116 S. 1 i.V.m. 93 II; §§ 117 II, 310 I, 318 II, 323 I 2 AktG vorgesehen, die jedoch angesichts erheblicher Durchsetzungsschwierigkeiten nur selten zum Tragen kommen.268 Daneben besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Abberufung, für die jedoch eine Dreiviertelmehrheit im Wahlgremium oder ein wichtiger Grund in Verbindung mit einem Gerichtsbeschluss erforderlich sind (§ 103 I, III). Schließlich kommen strafrechtliche Sanktionen gem. §§ 399, 400, 404, 405 AktG in Betracht.
4. Beirat Rechtsgrundlage der Organhaftung des Beirats sind die §§ 93 I 1, II, 116 S. 1, AktG, §§ 43 I, II, 52 GmbHG, §§ 34 I 1, II, 41 GenG analog. Eine selbständige Bedeutung vertraglicher Ansprüche ist wie bei den anderen Gesellschaftsorganen abzulehnen.269 Auch hier ist aufgrund von §§ 93 II 2 AktG, 34 II 2 GenG und Gewohnheitsrecht von einer weitreichenden Beweislastumkehr auszugehen.270 Die Verjährungsfrist beträgt analog §§ 93 VI, 116 S. 1 AktG, 43 IV, 52 III GmbHG, 34 VI, 41 GenG fünf Jahre.271
II. Generelle Freistellung 1. Aktienrecht a) Generelle Freistellung durch Satzung, Hauptversammlungsbeschluss oder Anstellungsvertrag Da § 93 – anders als etwa § 276 I 1 BGB – zwingendes Recht enthält, ist eine (teilweise) Freistellung von den darin festgelegten Pflichten für Vorstandsmitglieder nicht denkbar. Betroffen und daher gem. § 241 Nr. 3 bzw. § 134 BGB nichtig sind vor allem pauschale, im Voraus oder nachträglich erteilte Freistellungen durch Satzung, Hauptversammlungsbeschluss bzw. Anstellungsvertrag.272 Aber auch für konkrete Verzichtserklärungen bleibt angesichts ___________ 268
s. u., 5. Kapitel, A. IV. 1. a) aa). A.A. Voormann, Der Beirat, S. 189 f. 270 BGH WM 1977, 1446 (1448) (PublikumsKG); Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 53. 271 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 53. 272 Kust, WM 1980, 758 (762). 269
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des § 93 IV 3 nur nachträglich und nur in engen Grenzen Raum. Diese Strenge ist das Korrelat der dem Vorstand in § 76 gewährten, umfassenden Leitungsmacht und trägt der Schutzrichtung des Aktiengesetzes Rechnung, welches die Interessen der Gläubiger und des Rechtsverkehrs gerade nicht zur Disposition der Gesellschaft stellt.273 Davon zu unterscheiden sind Milderungen des Verschuldensmaßstabs, beispielsweise der Ausschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit. Jedoch werden auch diese aus den oben genannten Gründen und unter Hinweis auf § 23 V in der Literatur überwiegend für unzulässig gehalten,274 während die Rechtsprechung noch keine Gelegenheit hatte, sich zu dem Problem zu äußern. Nach richtiger Ansicht sind auch Verschärfungen des Sorgfaltsmaßstabs, insbesondere die Einführung einer Erfolgshaftung nicht mit dem geltenden Recht vereinbar und nicht erstrebenswert, ließen sie doch nur ein übertrieben vorsichtiges und defensives Verhalten seitens der Geschäftsleiter befürchten.275 Von derartigen Haftungsverschärfungen ist schließlich die Auferlegung neuer Pflichten durch Anstellungsvertrag zu unterscheiden, die Qualität und Intensität des gesetzlichen Pflichtenkreises unberührt lässt, diesen aber quantitativ erweitert. Sie ist grundsätzlich zulässig, solange sie das Gleichgewicht der gesetzlichen Kompetenzverteilung nicht entgegen § 23 V antastet.276
b) Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit Auch eine Haftungserleichterung über die Grundsätze der betrieblich veranlassten (früher: gefahrgeneigten) Arbeit277 steht dem Vorstand nicht zu.278 Der wichtigste Grund hierfür ist – neben den Überlegungen zur fehlenden sozialen Schutzwürdigkeit und zur Arbeitgeberfunktion des Organs – der Schutzzweck ___________ 273
Kust, WM 1980, 758 (762); GK-Hopt, § 93 Rn. 24 ff. GK-Hopt, § 93 Rn. 23 ff.; KK-Mertens, § 93 Rn. 4. 275 BGHZ 64, 325 (Bayer); GK-Hopt, § 93 Rn. 26; KK-Mertens, § 93 Rn. 4 a.A. Godin/Wilhelmi § 93 Anm. 4; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 210. 276 GK-Hopt, § 93 Rn. 227 f.; KK-Mertens, § 84 Rn. 84, § 93 Rn. 4. 277 Auch unter dem Stichwort „innerbetrieblicher Schadensausgleich“ bekannt; s. dazu BAG BB 1994, 2205; BGH NJW 1994, 856. 278 BGH WM 1975, 467 (469); Hüffer, AktG, § 93 Rn. 14; KK-Mertens, § 93 Rn. 4; K. Schmidt, GesR, § 28 II 4 b); mit Ausnahmen für einzelne Pflichten außerhalb der Leitungstätigkeit Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 85; ähnlich Kust, WM 1980, 758 (762) m.w. N. zu der vorangegangenen Diskussion. Gerade in seinen Ausführungen wird aber deutlich, dass die Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze auf den Vorstand die als unbillig empfundene Haftung für unter Zeitdruck getroffene, wirtschaftliche Fehlentscheidungen kompensieren sollte. Diese wird heute mit dem haftungsfreien Raum des unternehmerischen Ermessens wirkungsvoll vermieden. 274
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
der Haftungsnorm des § 93, der über die Beziehung des Vorstands zur Gesellschaft hinausgeht und vor allem die Interessen der Gesellschafter und der Gläubiger umfasst.
c) D&O-Versicherung Angesichts des strengen und – wie eben gezeigt – zwingenden Haftungsregimes des Aktiengesetzes einerseits, und der immensen tatsächlichen Höhe der in Frage kommenden Schadenssummen andererseits, stellt sich die Frage nach der Versicherbarkeit des individuellen Risikos des Geschäftsleiters. Nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Rechtskreises bieten Versicherungsunternehmen inzwischen auch hierzulande eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung an, besser bekannt als „Directors’ and Officers’ Liability Insurance“ (kurz D&O-Versicherung), deren generelle Zulässigkeit heute nicht mehr angezweifelt wird.279 Probleme bereitet jedoch nach wie vor die Erstattung der entsprechenden Versicherungsprämien durch die Gesellschaft bzw. der Abschluss solcher Verträge durch die Gesellschaft zugunsten des Vorstandsmitglieds, da diesem hierdurch jegliches Risiko abgenommen werde und § 93 seine verhaltenssteuernde Wirkung einbüße.280 Das überwiegende Schrifttum teilt diese Bedenken jedoch nicht.281 Zum einen liege der Abschluss des Versicherungsvertrages im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger, da er die Chance auf tatsächliche Vollstreckbarkeit der sehr hohen Ansprüche gegenüber der Vollstreckung ins Privatvermögen des Vorstandsmitglieds deutlich erhöht. Für eine gewisse Verhaltenssteuerung sorgt zudem die Unsicherheit, ob das Versicherungsunternehmen den Schaden im konkreten Fall auch begleichen wird, was beim Vorsatz üblicherweise nicht der Fall ist und auch von sonstigen vereinbarten Haftungsausschlüssen abhängt. Auf ein derartiges Gleichgewicht von realistischer Risikobegrenzung und verbleibender Prävention hat nunmehr auch die jüngste Reformdiskussion gesetzt: Nach einer Empfehlung des neuen DCGK sollen D&O-Versicherungen für Vorstand und Aufsichtsrat einen angemessenen Selbstbehalt enthalten (Ziff. 3.8). Der weite Begriff der „Angemessenheit“ schmälert aber erwartungsgemäß die Bedeutung der Empfehlung: Die darunter verstandenen Beträge schwanken zwischen
___________ 279 Ausführlich Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131; Hübner, Managerhaftung, S. 45. 280 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, S. 170 ff. 281 GK-Hopt, § 93 Rn. 519; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 866 f.; KK-Mertens, § 84 Rn. 83; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 308. So nunmehr auch Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 75.
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€ 5.100 und der Hälfte der jeweiligen Jahresgesamtvergütung. Andere Entsprechenserklärungen bleiben in diesem Punkt sehr vage oder schließen den Selbstbehalt gar völlig aus.282 Im letzteren Fall wird auf das hohe Haftungsrisiko in Deutschland hingewiesen, das in Verbindung mit einer international unüblichen Eigenbeteiligung die Position der Gesellschaft auf dem Markt für Führungskräfte verschlechtern würde. Insbesondere für sanierungsbedürftige Unternehmen und gefahrgeneigte Branchen stünden dann nicht mehr genügend Kandidaten zur Besetzung der Organe zur Verfügung. Übersteige der Selbstbehalt schließlich die Leistungsfähigkeit des einzelnen Organmitglieds, müsse die Gesellschaft befürchten, einen Großteil des Schadenssumme nicht eintreiben zu können.283
Beim Abschluss des Versicherungsvertrages wird die Gesellschaft nach überwiegender Ansicht im Einklang mit § 87 vom Aufsichtsrat vertreten.284 Nach anderer Ansicht sei der Vorstand selbst zuständig, da die Prämienzahlung nicht als Teil der Vorstandsvergütung, sondern vielmehr als organisatorische Maßnahme der Gesellschaft zur Ausstattung des Arbeitsplatzes, ähnlich dem Stellen des Personenschutzes oder eines Dienstfahrzeuges, anzusehen sei. Dafür spreche insbesondere die übliche Ausgestaltung als Gruppenversicherung für alle jeweiligen Vorstandsmitglieder, die somit keinen Bezug zum individuellen Anstellungsvertrag habe.285 Indes ordnet § 87 I Versicherungsentgelte ausdrücklich der Vergütung zu.
d) Freistellung für Aufsichtsratsmitglieder Auch zugunsten einer D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder haben sich schließlich die schon beim Vorstand maßgeblichen Argumente durchsetzen können, obwohl die Ansgst vor noch nachlässigerer Wahrnehmung der Kontrollaufgabe dem Schrifttum große Sorgen bereitet hatte.286 Die überwiegende Ansicht ordnet die Versicherung der Vergütung zu und fordert gem. § 113 I eine Satzungsregelung oder einen Bewilligungsbeschluss der Hauptver___________ 282
Die Empfehlung zählt damit zu denen, deren Befolgung am häufigsten abgelehnt wird; s. die Studie des Berlin Center of Corporate Governance, Umsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex in börsennotierten Gesellschaften: Empirische Erhebung der Entsprechenserklärungen der DAX 30- und MDAX 70-Unternehmen – Executive Summary (Berlin, 19.5.2003), abrufbar unter: http://www.bccg.tu-berlin.de/main/ publikationen.htm. 283 Grauke/Sandmann, FAZ v. 5.2.2003 S. 21. 284 GK-Hopt, § 93 Rn. 520 Fn. 1621; Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWSForum 20, S. 131 (144, 152 f.); Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (166). 285 So für den Aufsichtsrat Mertens, AG 2000, 447 (448 f.); Vetter, AG 2000, 453 (456 f.). 286 Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131 (141 f.).
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
sammlung.287 Hinsichtlich der DCGK-Empfehlung für einen angemessenen Selbstbehalt (Ziff. 3.8) gelten die beim Vorstand geäußerten Bedenken.
2. GmbH-Recht a) Generelle Freistellung durch Satzung, Gesellschafterbeschluss oder Anstellungsvertrag Anders als bei der AG ist bei der GmbH die Frage, ob § 43 eine ausnahmslos zwingende Regelung darstellt und jegliche Haftungsmilderungen durch Satzung, Gesellschafterbeschluss oder Anstellungsvertrag verbietet, höchst umstritten. Denkbar sind insofern beispielsweise die völlige Freistellung von der Haftung für bestimmte Pflichtverstöße oder die Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs durch Beschränkung der Verantwortlichkeit auf grobe Fahrlässigkeit. Allgemein anerkannt ist lediglich, dass die Haftung für Verletzungen der das Stammkapital schützenden Normen oder der Insolvenzantragspflicht zum Schutze der Gläubiger zwingend ist (§§ 43 III 2, 57 IV, 64 II 3 i.V.m. § 9b I).288 Auf die im Interesse der Gesellschafter geltenden Pflichten sollen diese hingegen nach überwiegender Ansicht verzichten bzw. den Sorgfaltsmaßstab herabsetzen dürfen.289 Darüber hinaus plädiert ein Teil der Literatur dafür, § 43 nach dem Vorbild des § 93 IV 3 AktG einen ausnahmslos zwingenden Charakter zuzuerkennen und jegliche generellen Haftungsfreistellungen zu verbieten. Die Leitung eines Unternehmens sei danach in der heutigen Wirtschaftswelt längst nicht mehr eine interne Gesellschafterangelegenheit, sondern vielmehr ein Anliegen, das im gleichen Maße die Gesellschafterminderheit, die Arbeitnehmer, die Gläubiger und die Öffentlichkeit als Ganzes berühre.290 Für die Zulassung ___________ 287
Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131 (144 f.) m.w.N; für eine Vorstandszuständigkeit entsprechend dem Streitstand für die Versicherung der Vorstandsmitglieder hingegen Mertens, AG 2000, 447 (448 f.); Vetter, AG 2000, 453 (456 f.). 288 Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (163); Lutter, GmbHR 2000, 301 (311); Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 2; Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 5. 289 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. 5 (Satzungsregelung); Fleck, GmbHR 1974, 224 (229); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 5; Rowedder/Schmidt-LeithoffKoppensteiner, § 43 Rn. 4 (einstimmiger Gesellschafterbeschluss); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 185 ff. (einfacher Gesellschafterbeschluss oder Anstellungsvertrag); Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 245. 290 Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 90 ff.; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (76); Lutter, GmbHR 2000, 301 (311); Lutter/Hommelhoff, § 43 Rn. 2; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 92; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 4; ähnlich Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 98 (analoge Anwendung des § 93 V 2 und 3 AktG). Vgl. auch die amtliche Begründung zum Entwurf eines GmbHG von 1891, § 44 (heute § 43): „Ein geringerer Maßstab darf an die Verantwortlichkeit derselben nicht ge-
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von Haftungsfreistellungen für den GmbH-Geschäftsführer spricht hingegen die Tatsache, dass außerhalb der §§ 43 III 2, 57 IV i.V.m. § 9b I, 64 II jedenfalls der pauschale nachträgliche Verzicht auf sämtliche denkbaren Ersatzansprüche („Generalbereinigung“) als zulässig gilt,291 was für die Gestaltungsfreiheit auch im Vorfeld der Pflichtverletzung spricht.292 Ferner handele es sich bei der Haftungsfreistellung nicht um eine Änderung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Pflichtenordnung der Geschäftsführer, sondern nur um die Gestaltung der Rechtsfolgen.293 Gerade dem letzten Argument ist aber nicht zuzustimmen, da es zwischen der Freistellung von den Rechtsfolgen und der Freistellung vom gesamten Tatbestand in der Praxis keinen qualitativen Unterschied gibt. Die künstliche Trennung darf auch nicht dazu führen, dass die bloße „Rechtsfolgengestaltung“ dem Kompetenzbereich der Mitgeschäftsführer zugeordnet wird. Vielmehr müssen aufgrund von § 46 Nr. 8 aus gutem Grund sämtliche Entscheidungen über die Inanspruchnahme der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung vorbehalten bleiben.294
b) Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit Auch eine Haftungserleichterung nach den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit ist auf den GmbH-Geschäftsführer, der kein Arbeitnehmer ist, jedenfalls bei Erfüllung amtsbezogener Pflichten weder direkt noch analog anzuwenden. Zwar ist der Geschäftsführer ähnlich einem Arbeitnehmer weisungsgebunden und kann Schäden verursachen, die in keinem Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen.295 Andererseits ist er aber als Organ auf Seiten des Unternehmens selbst für eine sachgerechte Organisation verantwortlich und dem Betriebsrisiko gerade nicht wie ein Arbeitnehmer schutzlos ausgeliefert.296 Eine Haftungsprivilegierung soll nach der im Schrifttum überwiegenden Ansicht aber bei Pflichtverletzungen ohne Amtsbezug in ___________ legt werden, zumal es sich dabei nicht bloß um die Interessen der Gesellschafter, sondern auch um diejenigen der Gesellschaftsgläubiger handelt“. 291 BGH GmbHR 1998, 278; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 188; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (704). 292 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 185a; anders aber Voormann, Der Beirat, S. 199, unter Hinweis auf die psychologische Wirkung eines im Voraus erteilten „Freibriefs für sorgloses Verhalten“. 293 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 186. 294 BGH GmbHR 1998, 278; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (704). 295 Lutter, GmbHR 2000, 301 (311). 296 BGH WM 1975, 467 (469); Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 55; Lutter, GmbHR 2000, 301 (311 f.), der zudem auf die gläubiger- und minderheitenschützende Richtung der Organpflichten hinweist; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 8.
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Betracht kommen, beispielsweise bei Verkehrsunfällen mit einem Dienstfahrzeug.297
c) D&O-Versicherung Als „sicherste Form der Haftungsbeschränkung“ wird auch beim Geschäftsführer der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (D&O-Police) angesehen.298 Dass die GmbH selbst Versicherungsnehmerin ist und die Versicherungsprämien zahlt, gilt heute als unproblematisch. Zuständig für den Abschluss sind aufgrund der Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 die Gesellschafter.299 Gemindert wird der Schutz jedoch durch den Ausschluss für vorsätzliches Handeln, – während die grobe Fahrlässigkeit in der Regel mitversichert wird300 – insbesondere bei großzügiger Definition des Eventualvorsatzes. Üblich sind ferner Ausschlüsse für Produkthaftungsansprüche und Umweltschäden. Beim Gesellschafter-Geschäftsführer ist der Versicherungsschutz zudem üblicherweise um die prozentuale Höhe der eigenen Beteiligung der Gesellschaft gemindert.301 Teilweise werden aber unter Hinweis auf Missbrauchsgefahren alle Innenhaftungsansprüche von der Deckung ausgenommen. Dies kommt insbesondere bei kleineren Unternehmen vor, bei denen eine engere Bindung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern befürchtet wird als beispielsweise bei börsennotierten Aktiengesellschaften.302
d) Freistellung für Beiratsmitglieder Für die Frage von Haftungserleichterungen für Beiratsmitglieder ist der vom BGH aufgestellte Grundsatz zu beachten, wonach die Freiheit, gesetzesfreie Organe zu schaffen, nicht bedeutet, dass auch die notwendige Organhaftung unbeschränkt zur Disposition der Gesellschafter steht.303 Andererseits stellt ___________ 297
Bastuck, Enthaftung des Managements, S. 84 f.; Lutter, GmbHR 2000, 301 (312); MüHdbGmbH-Marsch-Barner/Diekmann, § 46 Rn. 12; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 180 ff.; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (701); offengelassen vom OLG Koblenz GmbHR 1999, 344. 298 Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (704). 299 Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131 (155). 300 Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131 (141); anders Lutter, GmbHR 2000, 301 (312). 301 So werden bei einem mit 25 % an der Gesellschaft Beteiligten nur 75 % des Schadens ersetzt; s. Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (704). 302 Henssler, in: Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, S. 131 (149 f.); Lutter, GmbHR 2000, 301 (312). 303 BGH WM 1975, 767 (769) (PublikumsKG).
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§ 52 I die Haftung der Beiratsmitglieder zur Disposition des Gesellschaftsvertrages, was zumindest eine teilweise Beschränkung der Beiratshaftung zulässt, beispielsweise auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit,304 einen individuellen subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab oder einen Höchstbetrag.305 Für Beiräte ohne Geschäftsführungsaufgaben wird zudem teilweise ein völliger Haftungsausschluss – vorbehaltlich § 276 II BGB – befürwortet.306
III. Entlastungsbeschlüsse im Einzelfall 1. Aktienrecht: § 93 IV 1 AktG a) Die Entlastungskompetenz im Vorfeld der Pflichtverletzung: Ausführung rechtmäßiger Gesellschafterbeschlüsse: § 93 IV 1, § 83 II AktG Im Gegensatz zu einer pauschalen Haftungsfreistellung ist die Entlastung eines Vorstandsmitglieds im Einzelfall möglich, und zwar dann, wenn die konkrete Handlung auf einem rechtmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht (§ 93 IV 1). Eine entsprechende Regelung findet sich auch in den §§ 117 II 3 und 318 III. Der Haftungsausschluss ist das Gegenstück zu der Pflicht des Vorstandes aus § 83 II, Hauptversammlungsbeschlüsse auszuführen,307 und greift dementsprechend nicht ein, sofern eine solche Pflicht nicht besteht. Dies trifft zunächst auf Hauptversammlungsbeschlüsse in Fragen der Geschäftsführung, die ohne ein Verlangen des Vorstands gem. § 119 II zustande kommen, und auf sonstige Fälle der Kompetenzüberschreitung zu.308 Keine Bindungswirkung haben ferner Beschlüsse, die gem. § 111 IV 3 lediglich die unverbindliche Zustimmung des Aufsichtrats ersetzen. Wegen der Beschränkung auf „gesetzmäßige“ Beschlüsse in § 93 IV 1 scheiden auch solche aus, die gem. § 241 nichtig sind oder deren Anfechtbarkeit gem. §§ 243 ff. vom Vorstand geltend zu machen war.309 Denn die Bindung des § 83 II kann dann nicht ___________ 304 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 51; für Beiräte ohne Geschäftsführungsaufgaben Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 19, 75. 305 Voormann, Der Beirat, S. 200. 306 Großfeld/Brondics, AG 1987, 293 (305, 309). 307 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 47; noch weitergehend Canaris, ZGR 1978, 207 (209), der die Norm als Ausprägung des Arglisteinwands und des venire contra factum proprium-Grundsatzes ansieht. 308 s. schon § 83 II: „im Rahmen ihrer Zuständigkeit“; ferner GK-Hopt, § 93 Rn. 308; für eine Bindung nach § 83 II auch bei bloßer Vorlagepflicht hingegen KK-Mertens, § 93 Rn. 117; BGHZ 83, 122 (131) (Holzmüller). 309 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 48; KK-Mertens, § 93 Rn. 117 ff.; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 22; a.A. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 269 f.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
entlastend wirken, wenn sie vom Vorstand selbst pflichtwidrig herbeigeführt worden ist, was auch dann der Fall ist, wenn er die Hauptversammlung falsch oder nicht vollständig über die Reichweite der Entscheidung informiert hat.310 Im umgekehrten Fall, dass nämlich die Hauptversammlung den Vorstand mit gem. § 83 II bindender Wirkung anweist, eine Maßnahme zu unterlassen, greift der Haftungsausschluss auch für die Untätigkeit des Vorstands ein. Davon zu unterscheiden ist aber eine bloße Ablehnung eines vom Vorstand unterbreiteten Vorschlags, die diesem den vollen Handlungsspielraum belässt.311 Aus dem Wortlaut des § 93 IV 1 wird nahezu einhellig das Erfordernis eines vor der Pflichtverletzung ergangenen Beschlusses gefolgert. Eine nachträgliche Billigung reicht ebensowenig aus wie eine lediglich hypothetische oder formlose.312 Die Folgepflicht des § 83 II und somit die Entlastungswirkung des § 93 IV 1 können ferner entfallen, wenn sich die Umstände nach Beschlussfassung wesentlich verändern und das Gesellschaftsinteresse in der neuen Situation ein Abweichen vom Beschluss fordert.313 An dem Entlastungsbeschluss können auch die Verwaltungsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Aktionäre teilnehmen, da § 136 I 1 nur für die nachträgliche Billigung ihrer Tätigkeit gilt.314 Keine entlastende Wirkung kommt dem vorausgehenden Hauptversammlungsbeschluss jedoch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft zu (§§ 93 V 3 Hs. 2, 117 V 2, 318 III). Auf den ersten Blick haftet der Vorstand den Gläubigern gegenüber also auch dann, wenn ihm das pflichtwidrige Verhalten von der Hauptversammlung „aufgezwungen“ worden ist, kann deren Beschluss andererseits aber auch nicht folgenlos ignorieren. Hier könnte man daran denken, die Bindung des Vorstands gem. § 83 II zu verneinen, wenn die Ausführung des Beschlusses zur Haftung gegenüber den Gläubigern führen kann. Dies würde jedoch der Funktion des Entlastungsbeschlusses entgegenwirken. Als Ausweg aus dieser Zwickmühle wird zum einen vorgeschlagen, die Haftung gegenüber den Gläubigern lediglich bei pflichtwidrig vom Vorstand selbst herbeigeführten Beschlüssen zuzulassen, was aber bereits aus den allgemeinen ___________ 310
Hefermehl, FS-Schilling, S. 159 (172); Canaris, ZGR 1978, 207 (213); KKMertens, § 93 Rn. 116. 311 GK-Hopt, § 93 Rn. 313; weiter hingegen Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 55 aE. 312 Baumbach/Hueck, § 93 Rn. 12; GK-Hopt, § 93 Rn. 314 f.; für eine formlose Billigung in der Einmanngesellschaft KK-Mertens, § 93 Rn.112; z.T. abweichend Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 22, die die Berufung auf einen hypothetischen Beschluss in der Einmanngesellschaft ausreichen lassen und im Übrigen eine Billigung bis zu dem Zeitpunkt zulassen, in dem der Schaden und somit der Ersatzanspruch der Gesellschaft entstanden ist. 313 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 53; GK-Hopt, § 93 Rn. 327 ff.; KKMertens, § 93 Rn. 121. 314 KK-Mertens, § 93 Rn. 113.
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Regeln folgt und Abs. 5 S. 3 überflüssig erscheinen lässt.315 Vorzugswürdig ist daher eine Reduktion des Abs. 5 S. 3 auf alle Fälle, in denen der Vorstand den Beschluss gem. § 119 II veranlasst hat, um zu verhindern, dass er sich zu Lasten der Gläubiger von der Haftung befreien lässt.316 Eine Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat hingegen lässt die Haftung nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 93 IV 2 nicht entfallen, und zwar auch dann nicht, wenn dessen Mitwirkung vorgeschrieben ist. Der Beschluss kann im Prozess höchstens als Indiz für die Pflichtmäßigkeit einer vom Vorstand getroffenen Ermessensentscheidung dienen.317 Dies ist auch konsequent, da der Vorstand die Folgen seiner eigenverantwortlichen Leitung nicht auf das Überwachungsorgan abschieben darf.318 Daher wird auch umgekehrt gelten müssen, dass die verweigerte Zustimmung den Vorstand nicht automatisch von der Haftung für die Nichtvornahme der Maßnahme befreit.319 Als Ausnahmen von diesem Grundsatz sind die Freigabe einer bestimmten Tätigkeit (§ 88) oder Geschäftschance (§ 88 analog) zugunsten eines Vorstandsmitglieds anzusehen. Keine entlastende Wirkung hat ein Hauptversammlungsbeschluss ferner bei Pflichtverletzungen der Aufsichtsratsmitglieder.320
b) Nachträgliche Entlastungs- und Verzichtsrechte der Gesellschaft: Das Enthaftungsverbot des § 93 IV 3, 4 AktG Anders sieht es hingegen bei der nachträglichen Billigung pflichtwidrigen Vorstandshandelns aus. Der Verzicht der AG auf bzw. der Vergleich über ihr zustehende Ersatzansprüche unterliegen den strengen Auflagen des § 93 IV 3 und 4 und dürfen frühestens drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs erfolgen.321 Entsprechend den allgemeinen Regeln wird die Gesellschaft dabei vom Aufsichtsrat (bei Ansprüchen gegen den Vorstand) oder vom Vorstand (bei Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat) vertreten. Der Verzicht bzw. Vergleich bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung322 und setzt ferner voraus, dass ___________ 315
Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 83 Rn. 11. GK-Hopt, § 93 Rn. 334. 317 §§ 58 II, 111 IV 2; 172, 204; s. GK-Hopt, § 93 Rn. 347 f. 318 BGHZ 33, 175 (178 f.); Hefermehl, FS-Schilling, S. 159. 319 GK-Hopt, § 93 Rn. 350; a.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 55. 320 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 116 Rn. 22; Hüffer, § 116 Rn. 8. 321 Die Frist enfällt jedoch gem. § 93 IV 4, wenn sich der Schadensersatzpflichtige zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens oder aufgrund eines Insolvenzplanes mit seinen Gläubigern vergleicht. Vgl. auch § 309 III AktG. 322 Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass der Verzicht auf die Wiedergutmachung eines eingetretenen Schadens eine Missachtung der Sorgfalt eines ordentli316
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Minderheitsaktionäre, die zusammen 10 % des Grundkapitals halten, keinen Widerspruch zur Niederschrift erheben. Gem. § 117 IV gilt die Regelung auch für Ansprüche nach § 117. Für verbundene Unternehmen gilt der spezielle § 309 III, auf den die §§ 310 IV, 317 IV, 318 IV und 323 I verweisen. § 93 IV 3 ist nicht anwendbar, wenn ein nach § 93 V vorgehender Gläubiger auf seinen Anspruch – mit Wirkung für sich selbst und das betroffene Vorstandsmitglied – verzichten möchte.323 Ebensowenig schränkt er einen Aktionär in der Verfügung über seine unmittelbaren Ansprüche, u.a. aus § 117 I 2, ein.324 Er gilt auch nicht für den Insolvenzverwalter.325 Auf die zeitliche Beschränkung verzichtet § 93 IV 4 ausdrücklich dann, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht, oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Hinter der Sperrfrist steht die Erkenntnis, dass ein Sachverhalt im Bereich der Organhaftung üblicherweise so komplex und das Schadensausmaß so unüberschaubar ist, dass die AG dazu neigen könnte, die Angelegenheit ohne hinreichende Aufklärung zu bereinigen und sich damit selbst einen Schaden zuzufügen. Andererseits sind aber Fälle denkbar, in denen gerade eine schnelle Erledigung ohne großes, rufschädigendes Aufsehen noch am ehesten dem Unternehmensinteresse entspricht. Hier stößt die starre „Schutzbestimmung“ – die in anderen Rechtsordnungen nur selten zu finden ist – auf berechtigten Widerspruch, verbunden mit der Forderung, zumindest die zeitliche Beschränkung abzuschaffen.326 Als weiteres Argument für die Beibehaltung der Sperrfrist wird angeführt, dass auch ein Vorstand, dessen Pflichtverletzungen von einem Groß- oder Alleinaktionär gedeckt werden, während der langen Zeit mit einem Aktionärswechsel und somit mit einer Inanspruchnahme rechnen soll.327 Dies ist aber eine sehr inkonsequente Anerkennung des Mehrheitsprinzips: Wollte man den Willen der Gesellschaftermehrheit respektieren, müsste man ihr konsequenterweise auch das Recht zugestehen, Pflichtverletzungen des Vorstands zu genehmigen. Setzt man hingegen auf Aufklärung auch im Interesse der Gläubiger, dann kann man der Minderheit auch bessere Rechte zur Geltendmachung der Gesellschaftsansprüche geben. Mit dem Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung soll zudem missbräuchlichen Absprachen der Verwaltungsorgane untereinander vorgebeugt ___________ chen Organwalters darstellt und somit einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Gesellschafter bedarf; s. Voormann, Der Beirat, S. 197. 323 Baumbach/Hueck, § 93 Rn. 14. 324 Mertens, FS-Fleck, S. 209 (217 f.). 325 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 64. 326 Mertens, FS-Fleck, S. 209. 327 Mertens, FS-Fleck, S. 209 (211); KK-Mertens, § 93 Rn. 127.
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werden.328 Das Widerspruchsrecht der Minderheit soll diese schließlich vor der Aushöhlung ihres Rechts auf Durchsetzung von Ersatzansprüchen aus § 147 III schützen. Insofern wäre es nach dem KonTraG angebracht gewesen, das Quorum dem des neuen § 147 III anzupassen, also auf 5 % herabzusetzen.329 In der Zwischenzeit weicht die Praxis auf den Weg der Abtretung des Anspruchs aus, beispielsweise an eine andere Konzerngesellschaft, die dann unter Beachtung des Umgehungsverbots darüber disponieren kann.330 Im Einklang mit dieser strengen Rechtspolitik steht die Regelung des § 120 II 2, nach der die jährlich erfolgende „Entlastung“ der Verwaltungsmitglieder über eine bloße Billigung ihrer Tätigkeit hinaus keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält und somit keine Präklusionswirkung entfaltet. Die Entlastung ist aber ein korporationsrechtlicher Akt von großer symbolischer Bedeutung, durch den die Gesellschafter den Geschäftsleitern Vertrauen aussprechen in dem Sinne, dass an ihrer bisherigen Leistung nichts auszusetzen ist und die Zusammenarbeit unbelastet fortgesetzt werden kann.331 Unter das Enthaftungsverbot fallen zunächst der Verzicht, also ein Erlass i.S.d. § 397 BGB, sowie der Vergleich, also eine Vereinbarung nach § 779 BGB, oder eine Abfindungsvereinbarung, die alle Ansprüche der Gesellschaft für erledigt erklärt.332 Erfasst werden aber auch alle sonstigen Rechtshandlungen der Gesellschaft, die den Anspruch mindern oder ausschließen, wie z. B. die Stundung, der Verzicht auf eine Aufrechnungsbefugnis, der Abschluss eines Schiedsvertrages oder ähnlich wirkende Prozesshandlungen.333 All diese Rechtshandlungen sind bei einem Verstoß gegen § 93 IV 3 nichtig, da das Gesetz insofern die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats (oder bei Ansprüchen gegen diesen: des Vorstands) beschränkt. Ferner schließt der Rechtsgedanke des § 93 IV 3 auch die Möglichkeit der Verwirkung solcher Ansprüche seitens der ___________ 328 Zur Problematik des Stimmrechtsausschlusses bei der Enthaftung einzelner oder aller Organmitglieder s. GK-Hopt, § 93 Rn. 355 ff. 329 Zu einer bereits durchgeführten Anpassung s. Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 25. 330 GK-Hopt, § 93 Rn. 353. 331 Barner, Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts, S. 68 ff. Vgl. insofern die medienwirksame Verweigerung der Entlastung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Lufthansa Bsirske. Der Verdi-Vorsitzende war damit das erste Aufsichtsratsmitglied eines DAX-Unternehmens, das ein solches Misstrauensvotum hinnehmen musste. Dieses war zudem sehr deutlich: für eine Entlastung stimmten nur 41,71 Prozent des vertretenen Kapitals – verglichen mit über 96 Prozent für die Entlastung der übrigen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Zuvor haben dieAktionäre gem. § 120 I 2 AktG erzwungen, dass über die Entlastung eines einzelnen Mitglieds gesondert abgestimmt werden konnte; FAZ v. 16.7.2003 S. 11 und v. 20.6.2003 S. 17, 20. 332 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 58; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 28; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 24. 333 GK-Hopt, § 93 Rn. 375 f.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Gesellschaft aus.334 Keinen Auflagen unterliegt hingegen das bloße Verjährenlassen des Anspruchs.335 Ausgenommen sind ferner Verfügungen, die die Substanz des Anspruchs nicht angreifen, wie Abtretung, Verpfändung und Aufrechnung, solange sie nicht der Umgehung des Abs. 4 S. 3 dienen. Eine solche müsste man aber annehmen, wenn die Abtretung unentgeltlich an einen Dritten erfolgt, damit dieser dann auf den Anspruch verzichtet.336 Nicht unter Abs. 4 S. 3 fallen schließlich Vereinbarungen mit Dritten, zu denen eine den Vorstand schützende Garantie des Großaktionärs zählt, nicht jedoch eine Stimmrechtsbindung der Aktionäre als endgültige Disposition der Gesellschaft über den Anspruch.337 In Bezug auf die Gläubiger der Gesellschaft geht das Gesetz noch weiter, indem es einem eventuellen Verzichts- oder Vergleichsbeschluss der Hauptversammlung gar keine Wirkung beimisst (§§ 93 V 3, 117 V 2, 309 IV 4, 310 IV, 317 IV, 318 IV).
c) Weisung im Vertragskonzern: § 310 III AktG Im Vertragskonzern ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft gem. § 310 III auch dann von der Haftung befreit, wenn seine Handlung auf einer Weisung des herrschenden Unternehmens beruht, die er gem. § 308 II befolgen muss.
2. GmbH-Recht a) Ausführung rechtmäßiger Gesellschafterbeschlüsse und Weisungen Aus der übergeordneten Stellung der Gesellschaftergesamtheit folgt, dass ihre verbindlichen, rechtmäßigen Weisungen338 und Beschlüsse für den danach handelnden Geschäftsführer grundsätzlich entlastende Wirkung haben und die zivilrechtliche, nicht aber die strafrechtliche339 Verantwortlichkeit entfallen lassen. Nur im Hinblick auf die gesetzlichen Aufgaben, die dem Geschäftsführer zur eigenverantwortlichen Erfüllung übertragen wurden,340 kann sich dieser ___________ 334
GK-Hopt, § 93 Rn. 338. GK-Hopt, § 93 Rn. 375. 336 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 67. 337 Mertens, FS-Fleck, S. 209 (212 f.). 338 BGHZ 31, 258 (278); Fleck, GmbHR 1974, 224 (226). 339 BGH in BGHSt 34, 379; 35, 333. 340 s. §§ 43 III 3, 64 II 3. 335
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nicht auf einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung berufen, da dieser insofern gerade kein Weisungsrecht zusteht. Außerhalb dieses Bereichs leitet der Geschäftsführer die Gesellschaft aber nicht unter eigener Verantwortung und ist an die Definition des Unternehmensinteresses durch die Gesellschafter und an die von ihnen festgelegte Geschäftspolitik gebunden, auch wenn er sie persönlich nicht für richtig hält.341 Er kann aber u.U. verpflichtet sein, seine Zweifel den Gesellschaftern entgegenzuhalten.342 Daraus folgt zugleich, dass die Haftung eines geschäftsführenden Alleingesellschafters nach § 43 II grundsätzlich ausgeschlossen ist, mit Ausnahme der Verletzung der o.g. persönlichen, gesetzlichen Spezialpflichten, der Gefährdung der Existenz der Gesellschaft343 und seiner Haftung als Gesellschafter. Zur Haftungsfreiheit ist bei ihm nicht einmal ein förmlicher Beschluss erforderlich, entspricht doch der Wille des Alleingesellschafters dem Willen der Gesellschaft.344 Keine entlastende Wirkung haben rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse, sofern sie für den Geschäftsführer keine Folgepflicht begründen. Dies ist vor allem bei nichtigen Beschlüssen der Fall, die gesetzeswidrig sind und zur Steuerhinterziehung oder zur Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge auffordern, die die Gläubigerschutzvorschriften in §§ 30, 33, 43a verletzen,345 die Existenz oder Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gefährden,346 gegen die guten Sitten verstoßen, ferner bei Weisungen durch unzuständige Gremien und einzelne Gesellschafter,347 nicht aber bei bloßer Verletzung von Verfahrensvorschriften.348 Anfechtbare Beschlüsse sind hingegen nur dann zu befolgen, wenn sie durch Fristablauf unanfechtbar geworden sind oder mit einer Anfechtung nicht zu rechnen ist.349 Wurde die nichtige oder anfechtbare Weisung aber ___________ 341
OLG Frankfurt GmbHR 1997, 346; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (73). Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 90; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 95. 343 Str., offengelassen in BGH GmbHR 2000, 330; dafür Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (408). 344 BGHZ 31, 258 (278); 119, 257 (261); GmbHR 1994, 459 (460); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 271 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 30; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 108. 345 s. § 43 III 3: Unbeachtlichkeit einer solchen Weisung, sofern die Inanspruchnahme des Geschäftsführers zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. 346 Offen gelassen in BGH ZIP 2000, 493 (494). 347 Weisungsberechtigt ist grundsätzlich nur die Gesellschafterversammlung, es sei denn, dass die Satzung die Kompetenz auf den Aufsichtsrat, den Beirat, oder als Sonderrechts auf einen Gesellschafter überträgt; s. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 96 f.; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (699). 348 BGHZ 36, 207 (211); BGH GmbHR 1974, 131 f.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 91; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 98. 349 BGH WM 1965, 425; Fleck, GmbHR 1974, 224 (227 f.); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43 Rn. 29; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 (73); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 101 ff. 342
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durch alle Gesellschafter erteilt und verstieß sie nicht gegen die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung, so kann dem Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer die Einrede der Arglist entgegengehalten werden.350 Der Geschäftsführer kann sich ferner nicht auf die befreiende Wirkung einer Weisung berufen, die er selbst durch pflichtwidriges Verhalten herbeigeführt hat, indem er die Gesellschafter beispielsweise nicht hinreichend informiert und über Risiken aufgeklärt hat, ihre Entscheidung nicht angemessen vorbereitet hat oder ein persönliches Interesse an der fraglichen Maßnahme verschwiegen hat.351 Erforderlich ist in jedem Falle ein Gesellschafterbeschluss, die bloße Kenntnis reicht ebensowenig aus wie eine Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters.352 Ausreichend ist aber sowohl eine Weisung bezüglich einer vom Geschäftsführer vorgeschlagenen Maßnahme, als auch die nachträgliche Zustimmung zu einer Maßnahme.353
b) Nachträgliche Entlastungs- und Verzichtsrechte der Gesellschafter Grundsätzlich entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit darüber, ob ein Anspruch gegen den Geschäftsführer geltend gemacht werden soll.354 Will die Gesellschaft auf ihre Ansprüche gegen den Geschäftsführer gänzlich verzichten oder sich mit ihm darüber vergleichen, so ist dies anders als bei der AG ebenfalls grundsätzlich möglich, und zwar auch bei der mitbestimmten GmbH, da die entsprechenden Gesetze nicht auf § 93 IV, V AktG verweisen. Gem. § 43 III 2 i.V.m. § 9 b I sind Verzicht und Vergleich nur unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.355 Einen ebenfalls zulässigen, punktuellen Verzicht auf einzelne Ersatzansprüche stellt die eben erwähnte „nachgeholte Weisung“, also die nachträgliche Zustimmung zu einer pflichtwidrigen Maßnahme dar. Dementsprechend ist hier eine von den Gesellschaftern beschlossene „Entlastung“ der Geschäftsführung tatsächlich wörtlich im Sinne eines Verzichts auf Schadensersatzansprüche zu
___________ 350
BGH GmbHR 1974, 131 (132); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 30; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 105 ff. 351 Hachenburg/Ulmer/Mertens, § 43 Rn. 74; Rowedder-Koppensteiner, § 43 Rn.26; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 96. 352 Scholz/Schneider, § 43 Rn. 96 f. 353 Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 31; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 96. 354 § 46 Nr. 8. 355 s. dazu BGHZ 97, 382 (389); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 187.
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verstehen.356 Von der Präklusionswirkung betroffen sind alle Ersatzansprüche, Bereicherungsansprüche und Kündigungsgründe, die aus der Geschäftsführung resultieren und der Gesellschafterversammlung „bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben“, mit Ausnahme der auch die Gläubiger schützenden Ansprüche, wie §§ 43 III 2, 9b I, 57 IV, 64 II.357 Die Gesellschafterversammlung entscheidet grundsätzlich nach eigenem Ermessen und ist nur ausnahmsweise verpflichtet, die Entlastung zu verweigern. In ihre Abwägung hat sie insbesondere die Schadenshöhe im Verhältnis zur Größe und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, die Dauer und den Erfolg der bisherigen Geschäftsführertätigkeit sowie die Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Ersatzansprüchen einzubeziehen. Anfechtbar ist der Beschluss bei sittenwidrigem Machtmissbrauch, bei Gewährung von Sondervorteilen entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz und bei Verstoß gegen den Gesellschaftszweck oder die Treuebindung des Gesellschafters.358 Die Bedeutung der Entlastung besteht im Vergleich zum Absehen von der Geltendmachung bereits festgestellter Schadensersatzansprüche darin, dass die Ansprüche im ersteren Fall tatsächlich entfallen und auch nicht im Wege der Gesellschafterklage geltend gemacht werden können.359 Die Abstimmung der Gesellschafterversammlung360 findet gem. § 47 IV unter Ausschluss des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers statt, gleich, ob sie die Entlastung bzw. Befreiung von der Verbindlichkeit selbst betrifft (S. 1), oder die Haftungsfreiheit im Wege eines Rechtsgeschäfts oder dadurch erreicht werden soll, dass die Gesellschaft auf die Einleitung eines Rechtsstreits verzichtet oder diesen für erledigt erklärt (S. 2). Auf diese Weise kann auch der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter von der Minderheit zur Verantwortung gezogen werden.361 Die Einschränkung gilt mangels Interessenkollision nicht für den geschäftsführenden Alleingesellschafter.362 Andererseits ist aber auch der Fall denkbar, dass der Betroffene trotz Stimmverbots offensichtlich zu Unrecht entlastet wird, nur weil auch die Gesellschaftermehrheit unter seinem Einfluss steht. Hier kommt eine Anfechtung analog §§ 243 I oder II AktG in Betracht, vorausgesetzt, der Beurteilungsspielraum der Mehrheit war auch bei einer Gesamtwürdigung aller ___________ 356 BGHZ 94, 324 (327); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 188; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 689 (703). 357 BGHZ 97, 382 (384 f., 389); BGH GmbHR 1985, 356; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 241. 358 OLG Köln NZG 1999, 1228; OLG München GmbHR 1997, 1103. 359 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 33 Rn. 8. 360 Die Mitgeschäftsführer sind in keinem Falle zu einem Erlass befugt, s. BGH WM 1968, 114. 361 BGHZ GmbHR 1989, 329; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 231. 362 BGHZ 105, 324 (333); BGH ZIP 1992, 992 (994).
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Umstände so weit reduziert, dass nur die Verweigerung der Entlastung rechtmäßig erschien.363 Die Gesellschafter können im Namen der Gesellschaft schließlich auch auf Ansprüche gegen Beiratsmitglieder verzichten oder die Geschäftsführer hierzu ermächtigen. In diesem Sinne ist auch eine Entlastung des Beirats auszulegen. Sie unterliegen dabei aber den Schranken der gesellschaftlichen Treuepflicht und dürfen demnach nicht willkürlich handeln.364
IV. Prozessuale Durchsetzung der Sanktionen 1. Aktienrecht a) Klagen der Gesellschaft im eigenen Namen Die Klagebefugnis liegt im Bereich der Organhaftung bei der Gesellschaft als Inhaberin der Ansprüche, § 93 II 1.
aa) Aufsichtsrat und Vorstand als zuständige Organe Gem. § 112 ist es der Aufsichtsrat, der die Gesellschaft dem Vorstand gegenüber vertritt und folglich auch Ansprüche der Gesellschaft gegen diesen geltend macht. Gerade bei diesem Organ sind aber viele Gründe gegeben, die ihn in der Praxis nur äußerst selten gegen Vorstandsmitglieder klagen lassen.365 Zunächst führt schon die strikte personelle und sachliche Trennung der beiden Organe dazu, dass der Aufsichtsrat oft nichts vom Fehlverhalten der Vorstandsmitglieder erfährt oder seine vagen Informationen keine Aufklärung des Sachverhalts ermöglichen.366 Steht die Pflichtverletzung einmal fest, so fällt es ihm dennoch nicht leicht, seinen Kollegen in den Rücken zu fallen und damit die notwendige Zusammenarbeit für die Zukunft erheblich zu erschweren, es sei denn, das beschuldigte Vorstandsmitglied ist bereits im Streit ausgeschie___________ 363
OLG Köln NZG 1999, 1228; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 46 Rn. 28. Zum Anspruch des Geschäftsführers auf Entlastung im umgekehrten Fall einschränkend BGHZ 94, 324; Lutter/Hommelhoff, § 46 Rn. 15; bejahend hingegen RGZ 89, 396 (397); Baumbach/Hueck/Zöllner, § 46 Rn. 29; Hachenburg/Ulmer/Hüffer, § 46 Rn. 68. 364 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 50 f.; Voormann, Der Beirat, S. 197. 365 KK-Mertens, § 76 Rn. 15; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 90; Zu diesem Ergebnis kommt auch Hirt, The Enforcement of Directors’ Duties in Britain and Germany. 366 Hirt [2003] ICCLR, S. 245 (252).
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den.367 Mann kommt daher in die Versuchung, den Vorfall herunterzuspielen, nicht zuletzt um selbst dem Vorwurf zu entgehen, der Überwachungspflicht nicht nachgekommen zu sein, was zu einer Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder gem. §§ 116 S. 1, 93 I 1, II führen kann. Klagen kommen daher praktisch nur in der Insolvenz, im Falle eines Kontrollwechsels oder im Rahmen von Streitigkeiten um Abfindungen oder Ruhegehälter von Organmitgliedern vor.368 Legitim erscheint hingegen die Überlegung des Aufsichtsrats, dass die Durchsetzung eines Anspruchs nicht immer dem Unternehmensinteresse dient: Ein prominenter und bis heute kontroverser Fall ist in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH.369 Darin stellten die Richter zunächst fest, dass dem Aufsichtrat die Pflicht zukomme, das Bestehen und die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen. Dies ergebe sich aus der Überwachungsaufgabe gem. § 111 I, die auch abgeschlossene Geschäftsvorgänge umfasse, sowie aus der Vertretungskompetenz gegenüber dem Vorstand gem. § 112 AktG.370 Verworfen wurde dabei die Ansicht des Berufungsgerichts, welches dem Aufsichtsrat einen ähnlich weiten, unüberprüfbaren Ermessensspielraum zugestehen wollte, wie er beim Vorstand anerkannt wurde. Das OLG Düsseldorf sah die Überwachungsarbeit des Aufsichtsrats noch als einen unternehmerischen Entscheidungsprozess an, da dabei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leitungstätigkeit des Vorstands überprüft würden.371 Dem hielt der BGH aber entgegen, dass die unternehmerische Handlungsfreiheit des Vorstands als notwendiges Gegenstück seiner Führungsaufgabe konzipiert sei, die dem Aufsichtsrat aber grundsätzlich nicht zustehe. Die Entscheidung über die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen sei vielmehr Teil der nachträglichen Überwachungstätigkeit mit dem Ziel, den Vorstand zu disziplinieren und Schäden von der AG abzuwenden, was grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlange.372 Die Pflicht zur Geltendmachung entfällt auch nicht durch die Möglichkeit der Hauptversammlung, gem. § 147 I die Rechtsverfolgung zu beschließen, solange diese nicht tatsächlich gehandelt und die Verfolgung beschlossen oder auf den Anspruch wirksam verzichtet hat (§ 93 IV 3).373
___________ 367
So in BGH WM 1978, 109 (112); aus englischer Sicht spricht Hirt [2003] ICCLR, S. 245 (253) von „social and institutional solidarity“. 368 Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 71. 369 BGHZ 135, 244; zum Sachverhalt s. bereits oben , 3. Kapitel, B. I. 5. 370 BGHZ 135, 244 (252). 371 OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183 (1190). 372 BGHZ 135, 244 (254 f.); Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass der Aufsichtsrat in den Bereichen, in denen ihm das Gesetz unternehmerische Aufgaben überträgt (z.G. Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern; Zustimmungsvorbehalte gem. § 111 IV 2) durchaus ein unternehmerisches Ermessen beanspruchen kann; s. dazu Raiser, NJW 1996, 552 (554). 373 BGHZ 135, 244 (Leitsatz b) und S. 250 f.).
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Ergibt die Prüfung des Aufsichtsrats, dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand besteht, so hat er „aufgrund einer sorgfältigen und sachgerecht durchzuführenden Risikoanalyse“ die Aussichten eines Prozesses abzuschätzen, wobei eine Erfolgsgewissheit nicht verlangt werden könne. Des Weiteren sei die Beitreibbarkeit der Forderung zu analysieren.374 Ergeben sich nach der Prüfung durchsetzbare Schadensersatzansprüche der AG gegen den Vorstand, hat der Aufsichtsrat diese grundsätzlich zu verfolgen. Das Absehen von einer aussichtsreichen Anspruchsverfolgung käme nämlich einem Anspruchsverzicht der AG nahe, der den strengen Beschränkungen des § 93 IV 3 unterliegt und daher die Ausnahme bleiben muss.375 Der Aufsichtsrat darf von der Anspruchsverfolgung daher nur dann ausnahmsweise absehen, wenn „gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprechen und diese Umstände die Gründe, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind“. Erst hier ergibt sich ein enger Beurteilungsspielraum, in dem Aspekte wie negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen der Gesellschaft, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas berücksichtigt werden dürfen.376 Allerdings dürfen außerhalb des Unternehmenswohls liegende Gründe, wie z. B. die Vorstandsmitglieder persönlich betreffende Gesichtspunkte, nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.377 Dies gilt u.a. für die Überlegung, ein verdientes Vorstandsmitglied zu schonen oder die sozialen Konsequenzen für das Mitglied und seine Familie zu erleichtern. Ein Ausnahmefall ist z. B. dann denkbar, wenn einer nicht allzu schwerwiegenden Pflichtverletzung und einem verhältnismäßig geringen Schaden der Gesellschaft einschneidende Folgen für das betroffene Vorstandsmitglied gegenüberstünden.
Die Einschränkung des Aufsichtsratsermessens ist in der Literatur zunächst auf breite Zustimmung gestoßen.378 Inzwischen wird den Gerichten aber die Zuständigkeit zu einer derartigen Zweckmäßigkeitskontrolle geschäftlicher Entscheidungen zum Teil abgesprochen.379 Macht sich ein Aufsichtsratsmitglied gem. §§ 116 S. 1, 93 I 1, II schadensersatzpflichtig, so hat der Vorstand das Recht, jedoch nicht generell die Pflicht, die Ansprüche der Gesellschaft einzuklagen. Die insofern für den Aufsichtsrat entwickelten Grundsätze sind nicht auf den Vorstand übertragbar, da dieser gerade kein allgemeines Aufsichtsorgan ist.380 Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei als entlastender Umstand bei Untätigkeit des Vorstands auch die Gefahr angesehen wird, dass dieser sich durch die Klageer___________ 374
BGHZ 135, 244 (253 f.). BGHZ 135, 244 (256); so auch schon in der ersten Instanz LG Düsseldorf ZIP 1994, 628 (630); s. ferner Raiser, NJW 1996, 552 (554). 376 BGHZ 135, 244 (Leitsatz d) und S. 255). 377 BGHZ 135, 244 (Leitsatz d) und S. 255 f.). 378 Heermann, AG 1998, 201; Henze, NJW 1998, 3309; Horn, ZIP 1997, 1129; Kindler, ZHR 162 (1998), 101. 379 Hoffmann-Becking, WPg-Sonderheft 2001, 121 (128); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 47 Fn. 80 a.E. 380 BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); GK-Hopt, § 93 Rn. 95; KK-Mertens, § 93 Rn. 31, 51. 375
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hebung selbst belasten würde, oder dass die Durchsetzung des Anspruchs durch dessen alsbaldige Abberufung konterkariert würde und daher illusorisch ist.381
bb) Hauptversammlung: § 147 I AktG Neben dem Aufsichtsrat steht gem. § 147 I auch der Hauptversammlung das Recht zu, über die Klageerhebung gegen ein Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied zu entscheiden. Beschließt diese die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs oder verzichtet sie rechtswirksam i.S.d. § 93 IV 3 auf den Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied, so entfällt die Entscheidungspflicht des Aufsichtsrats.382
cc) Minderheitsaktionäre: § 148 AktG Für den Fall, dass weder der Aufsichtsrat noch die Hauptversammlung bereit sind, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, hat der Gesetzgeber zum Schutze der Aktionärsminderheit ein besonderes Klageverfahren vorgesehen und dieses zum 1. November 2005 durch das UMAG383 wesentlich erleichtert. Das neue Konzept beruht auf den Vorarbeiten der Regierungskommission Corporate Governance384 und setzt das nötige Quorum auf einen Aktienbesitz i. H. v. 1 % des Grundkapitals bzw. einen Börsen- oder Marktwert von 100.000 Euro herab. Dem steht allerdings ein zweistufiges Gerichtsverfahren gegenüber. Dessen Kernstück ist ein summarisches Klagezulassungsverfahren vor dem Prozessgericht, welches einerseits aussichtslose, erpresserische Klagen herausfiltern und andererseits eine Freistellung des Antragstellers von den Kosten des verlorenen Hauptsacheverfahrens – nicht aber von den Kosten einer Niederlage im Zulassungsverfahren – ermöglichen soll. Dabei steht dem Kläger trotz Anwendbarkeit des § 91 ZPO ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft zu, sofern er die Zulassung nicht durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Vortrag erwirkt hat. Er hat jedoch in keinem Falle einen Anspruch auf eine „Prämienzahlung“. Das Klagerecht ist weiterhin auf Fälle von Unredlichkeit oder sonstiger grober Verletzungen von ___________ 381
KK-Mertens, § 93 Rn. 31; Mertens, FS-Fleck, S. 209 (214 f.). BGHZ 135, 244 (249 f.) (ARAG/Garmenbeck). 383 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.09.2005, BGBl. I (2005), 2802. 384 Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 73. Als Diskussionsvorlagen dienten insbesondere die Arbeiten von Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 und Baums, Gutachten F für den 63. Deutschen Juristentag, S. 239 ff. sowie die Beschlüsse des 63. Deutschen Juristentags, O, S. 73 ff. 382
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Gesetz oder Satzung beschränkt, wenn auch auf die „Dringlichkeit“ des entsprechenden Verdachts verzichtet wurde. Es steht aber den Aktionären persönlich zu, ohne dass sie die Einschaltung besonderer Vertreter dulden müssen, die ihnen gegenüber weder verantwortlich noch haftbar sind.385 Voraussetzung für die Zulassung der Klage ist schließlich, dass die Gesellschaft zuvor erfolglos zur Klageerhebung aufgefordert worden ist, sowie dass keine gewichtigen Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen.386 Das bisherige Klageerzwingungsverfahren in § 147 III AktG a.F. verlangte neben dem Besitz von 5 % des Grundkapitals oder von Aktien mit einem Nennwert von 500.000 Euro (vor dem KonTraG 10 % oder zwei Mio. DM) auch einen dringenden Verdacht eines durch Unredlichkeiten oder grobe Gesetzes- bzw. Satzungsverletzungen entstandenen Schadens. Die Durchsetzung stand fernder einen vom Gericht bestellten besonderen Vertreter zu, während die Kosten eines von diesem verlorenen Prozesses dem Aktionär zur Last fielen.
b) Abgeleitete Klagebefugnisse zugunsten der Gesellschaft aa) Aktionärsklage (1) Abgrenzung zu Gesellschafterklagen bei Verletzung von Mitgliedschaftsrechten Wie oben gezeigt, steht der Hauptversammlung bzw. einer Aktionärsminderheit – nicht jedoch dem einzelnen Aktionär – das Recht zu, die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft in deren Namen zu erzwingen. Daneben wäre es denkbar, dem einzelnen Aktionär zu gestatten, Ansprüche der Gesellschaft nach Art der im Personengesellschaftsrecht bekannten actio pro socio im eigenen Namen durchzusetzen. Bevor jedoch auf die sog. Aktionärsklage eingegangen wird, ist diese kurz von den Fällen abzugrenzen, in denen ein Aktionär die Verletzung eines eigenen Rechts rügt, in denen es also gerade nicht um die hier interessierende Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft geht. Da sich die Frage der Klagebefugnis in dieser Konstellation nicht stellt, besteht die einzige Schwierigkeit darin, eine geeignete Rechtsgrundlage ___________ 385 Zum Teil wurde in diesem Zusammenhang „Gebührenschneiderei“ befürchtet, wenn die im Rahmen eines einheitlichen Quorums handelnden Kläger mehrere Anwälte einschalten und damit mehrfache Anwaltskosten zu Lasten der Gesellschaft verursachen. Die Regierungskommission empfiehlt insofern aber nur, solche Kosten als leichtfertig verursachte Kosten und somit als nicht erstattungsfähig zu behandelt. 386 Vgl. zum Ganzen Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 253; Thümmel, DB 2004, 471, 473 f.
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zu finden. Das Aktienrecht selbst gibt dem Aktionär einen eigenen Schadensersatzanspruch nur in den Fällen der §§ 117 I 2 und 317 I 2, III AktG. Im Übrigen kommen die allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen der §§ 826,387 823 I,388 und vor allem 823 II BGB in Betracht, sofern ein verletztes Schutzgesetz ausgemacht werden kann. Kein Schutzgesetz ist nach herrschender Ansicht aber § 93.389 Hingegen sind §§ 246, 263, 266, 283 ff. StGB und §§ 399, 400 AktG als Schutzgesetze anerkannt.390 Streit besteht noch hinsichtlich der §§ 92 I, II, 401 I, II, 404 und 405.391 Im neuen WpÜG kommt den §§ 27, und 33 I kein Schutzgesetzcharakter zu.392 Das eigentliche Problem dieser Ansprüche liegt darin, dass der Schaden des Aktionärs vielfach nur mittelbar aus der Schädigung der Gesellschaft resultieren wird (sog. Reflexschaden oder Doppelschaden), sodass seine und ihre Ansprüche miteinander konkurrieren werden. Dass eine doppelte Inanspruchnahme des Vorstands in diesem Falle vermieden werden muss, liegt auf der Hand, auf welchem Wege dies zu geschehen hat, ist aber umstritten.393
(2) Der Spezialfall der Aktionärsklage in § 309 IV, II AktG Einen gesetzlich geregelten Spezialfall der abgeleiteten Klagebefugnis, die es dem Aktionär ermöglicht, einen Anspruch der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen, stellt der konzernrechtliche § 309 IV dar. Gem. Abs. 4 S. 2 kann hierbei nur Leistung an die Gesellschaft verlangt werden. Auf § 309 IV verweisen ferner §§ 310 IV, 317 IV, 318 IV und 323 I 2 AktG. Im faktischen Konzern ist auch außerhalb des Geltungsbereichs von § 318 I zu beachten, dass die Haftung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft aus § 93 durch die Spezialnorm modifiziert werden kann. So können die Aktionäre der ___________ 387
s. dazu BGH GmbHR 1994, 464; Gross, ZGR 1998, 551 (561). Zu der Schwierigkeit, einen Eingriff in den Bestand des Mitgliedschaftsrechts nachzuweisen GK-Hopt, § 93 Rn. 470 ff. und speziell für § 33 I 1 WpÜG Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 89. 389 GK-Hopt, § 93 Rn. 469; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 19. 390 RGZ 157, 213 (216); BGHZ 105, 121 (124); GK-Hopt, § 93 Rn. 475 ff. 391 GK-Hopt, § 93 Rn. 479. 392 Geibel/Süßmann/Grobys/Schwennicke, WpÜG, § 27 Rn. 47 und § 33 Rn. 88. 393 Für den Vorrang des Anspruchs der Gesellschaft: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 97; Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 32; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 19; vgl. auch §§ 117 I 2, 317 I 2: „soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind“. Für einen Anspruch des Aktionärs, sofern die Gesellschaft ihren Anspruch nicht verfolgt: BGH WM 1967, 287 (GmbH); 1969, 1081 (GmbH). Für das überwiegend angenommene Recht des Aktionärs, Leistung an die Gesellschaft zu verlangen: BGH NJW 1987, 1077 (1079 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 487; KK-Mertens, § 93 Rn. 175. 388
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abhängigen Gesellschaft gem. § 93 i.V.m. §§ 317 I 2, 318 I 1 analog ihren eigenen Schaden gegenüber der Gesellschaft geltend machen oder gem. § 318 IV analog i.V.m. § 309 IV die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand durchsetzen.394
(3) Die allgemeine Aktionärsklage Außerhalb des § 309 IV wird eine allgemeine Klagebefugnis des einzelnen Aktionärs für die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft mit Rücksicht auf die abschließende gesetzliche Regelung in den §§ 112, 147 einhellig abgelehnt.395 Ihre Zulassung käme nur de lege ferenda in Betracht,396 was aber zuletzt von der Regierungskommission Corporate Governance zugunsten eines weiteren Verfolgungsrechts gem. § 147 III abgelehnt wurde.397
(4) Unterlassungs- und Beseitigungsklagen der Aktionäre Die Frage der Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsklagen der Gesellschaft lässt das Gesetz hingegen offen, sodass man hier durchaus über ein Durchsetzungsrecht der Aktionäre diskutieren kann. Als maßgebend muss das sog. Holzmüller-Urteil des BGH398 gelten, nach dem auch der einzelne Aktionär Unterlassungsklage erheben kann, allerdings nur, um Eingriffe des Vorstands in die Kompetenzen der Hauptversammlung abzuwehren. Nur in diesem Bereich könne dem Aktionär nämlich nicht vorgeworfen werden, durch Einmischung in Geschäftsführungsangelegenheiten die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung zu stören, denn er handelt gerade mit dem Ziel, eine solche Störung seitens des Vorstands abzuwehren.399 Das Begehren des Aktionärs kann dementsprechend auf Herbeiführung eines Hauptversammlungsbeschlus___________ 394
Hüffer, § 318 Rn. 10; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 318 Rn. 16 f.; KKKoppensteiner, § 318 Rn. 11. 395 s. die Nachweise bei Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (3 Fn. 10); K. Schmidt, GesR, § 21 IV 6 a). 396 Dafür schon Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 427 f.; 445; Müller, WPg-Sonderheft 2001, 129 (133); Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (27 Fn. 66); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (318 ff.). s. auch oben, 5. Kapitel, B. IV. 1. a) cc); dagegen Mertens, in: Fedderson/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 155 (158 ff.). 397 Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 73; s. o., 5. Kapitel, B. IV. 1. a) cc). 398 BGHZ 83, 122. 399 BGHZ 83, 122 (134 f.).
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ses, Feststellung des Jahresabschlusses oder Einberufung der Hauptversammlung gerichtet sein. Er hat jedoch keinen allgemeinen Anspruch auf „rechtmäßige Zustände innerhalb der Gesellschaft“.400 Dem Aktionär sollte auch nicht das Recht zugestanden werden, präventiv und verschuldensunabhängig gegen Pflichtverletzungen des Vorstands i.S.d. § 93 vorzugehen, da die Gefahr einer Lähmung der Geschäftsführungstätigkeit hier deutlich akuter ist. Jedenfalls für Schadensersatzansprüche hat sich auch der Gesetzgeber im Grundsatz deutlich gegen eine solche Aktionärsklage und sonstige Klagebefugnisse Dritter ausgesprochen.401 Ein aktuelles Beispiel für eine Kompetenznorm, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch gewähren soll, ist § 33 WpÜG, der bei Abwehrmaßnahmen im Rahmen feindlicher Übernahmen von einer grundsätzlichen Zuständigkeit der Hauptversammlung ausgeht.402 Auch in dem schmalen Anwendungsbereich der Eingriffe in Hauptversammlungskompetenzen ist zudem die Einschränkung des BGH anzuwenden, wonach die Aktionäre ihre Klagen nur gegen die Gesellschaft und nicht etwa unmittelbar gegen Vorstandsmitglieder richten können. Von einer echten actio pro socio oder auch nur Prozessstandschaft kann also nicht einmal hier die Rede sein.403 Die genannten Hürden gelten schließlich auch für Feststellungsklagen.404
bb) Verfolgungsrecht der Gläubiger: § 93 V AktG Gem. § 93 V kommt auch den Gläubigern das Recht zu, Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand unmittelbar geltend zu machen. Voraussetzung ist nur, dass sie von der Gesellschaft selbst keine Befriedigung erlangen können, und dass entweder eine Pflichtverletzung i.S.d. § 93 III vorliegt oder das Vorstandsmitglied grob fahrlässig gehandelt hat (Abs. 5 S. 2). Ähnliches gilt in den Fällen der §§ 117 V, 309 IV 3, 4, 310 IV, 317 IV, 318 IV. Schwierigkeiten bereitet vor allem die dogmatische Einordnung des Gläubigerrechts, da trotz des auf Prozessstandschaft hinweisenden Wortlauts gute ___________ 400
GK-Hopt, § 93 Rn. 458 f.; KK-Mertens, § 93 Rn. 190 ff. s. §§ 93 V, 147, 309 IV, 310 IV, 317 IV, 318 IV; ferner GK-Hopt, § 93 Rn. 459; Hopt, FS-Mestmäcker, S. 909 (925 f.); Hüffer, AktG, § 93 Rn. 19; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (340 f.); Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (28 f.); für die analoge Anwendung des § 309 IV hingegen Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen, S. 40 ff. 402 Hopt, ZGR 1993, 534 (548 f.); ders., ZHR 166 (2002), 383 (422); Krieger, in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2001, S. 289 (319); Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 (17); so zum RegE WpÜG auch Drygala, ZIP 2001, 1861 (1870 f.); Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256 (1259). Gegen die Einordnung des § 33 WpÜG als Kompetenznorm Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, § 33 Rn. 18, 86. 403 BGHZ 83, 122 (133 f.); GK-Hopt, § 93 Rn. 460; a.A. KK-Mertens, § 93 Rn. 192; vermittelnd Lutter, AcP 180 (1980), 84 (142 ff.). 404 GK-Hopt, § 93 Rn. 462. 401
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Gründe für die Annahme eines eigenen materiellen Anspruchs sprechen. Von seinem Sinn her trägt Abs. 5 der Tatsache Rechnung, dass Gläubiger nur selten einen spezialgesetzlichen Direktanspruch gegen Vorstandsmitglieder haben. Gerät die Gesellschaft durch fehlerhafte Geschäftsführung in eine Krise, können auch ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht unmittelbar aus deren Vermögen befriedigt werden. Den Gläubigern verbleibt nach allgemeinen Regeln also nur der beschwerliche Weg, aufgrund des Titels gegen die Gesellschaft deren Ersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder zu pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Mit Blick auf die besondere Schutzwürdigkeit der Gläubiger in einer solchen Situation bietet Abs. 5 diesen daher einen zusätzlichen Rechtsbehelf, um den Haftungsdurchgriff zu erleichtern.405 Hierbei entfällt die Notwendigkeit von Klage und Vollstreckung gegen die Gesellschaft, gem. Abs. 5 S. 3 verlieren Verzicht und Vergleich i.S.d. Abs. 4 S. 3 ihre Wirkung. Somit können die Gläubiger auch dann klagen, wenn die Gesellschaft ihren eigenen Anspruch längst verloren hat, und dabei Leistung an sich selbst, jedoch lediglich in Höhe der eigenen Forderung, verlangen. Dies spricht eindeutig für einen eigenen Anspruch, der jedoch stark von dem der Gesellschaft abhängt.406 Die dadurch eintretende Anspruchsvervielfältigung ist unproblematisch: Der Ersatzpflichtige kann mit befreiender Wirkung an die Gesellschaft oder an einen nach Abs. 5 S. 1 vorgehenden Gläubiger leisten und damit die anderen Prozesse in der Hauptsache erledigen. Gegenüber dem Gläubiger stehen ihm dabei die gleichen Einwendungen und Einreden zu wie gegenüber der Gesellschaft, mit Ausnahme des Abs. 5 S. 3.407 Die praktische Bedeutung des Verfolgungsrechts leidet indes erheblich unter der Einschränkung, dass von der Gesellschaft keine Befriedigung zu erlangen sein darf. Dies ist bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Fall, die jedoch zugleich die Insolvenzantragspflicht des Vorstands gem. § 92 II auslösen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht zur Geltendmachung des Gläubigeranspruchs (Abs. 5 S. 4) und der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder vollständig auf den Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter über.408 Der eigene Direktanspruch kommt somit nur zum Tragen, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird (§ 26 InsO) oder der ___________ 405 Als Ausgleich für die erleichterte Durchsetzungsmöglichkeit dient die Begrenzung auf grob Fahrlässige Pflichtverletzungen und solche des Abs. 3, da den Vorstandsmitgliedern im Ergebnis doch noch genügend Raum für Entschlusskraft und Verantwortungsfreudigkeit verbleiben soll; s. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 70. Dieses Argument spricht ferner für die Erleichterung der Durchsetzungsmöglichkeiten bei den Aktionären, gilt doch hier die Haftungserleichterung des ARAGPrinzips. 406 GK-Hopt, § 93 Rn. 396 ff.; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 32; KK-Mertens, § 93 Rn. 142; a.A. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 68. 407 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 76; KK-Mertens, § 93 Rn. 146. 408 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 93 Rn. 81; KK-Mertens, § 93 Rn. 151.
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Insolvenzverwalter den Anspruch freigibt.409 Viel wichtiger ist deshalb die Bedeutung des Verfolgungsrechts im Rahmen des Vorgehens des Insolvenzverwalters: Wenn und soweit dieser den Gläubigerdirektanspruch geltend macht, kann sich der Ersatzpflichtige gem. Abs. 5 S. 3 nicht auf einen Enthaftungsbeschluss der Hauptversammlung berufen.410
cc) Insolvenzverwalter Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird das Verfolgungsrecht der Gläubiger gegen den Vorstand gem. §§ 93 V 4, 117 V 3, 309 IV 5, 310 IV, 317 IV, 318 IV vom Insolvenzverwalter ausgeübt.
2. GmbH-Recht a) Klagen der Gesellschaft im eigenen Namen aa) Aufsichtsrat: § 52 GmbHG i.V.m. § 112 AktG Obwohl § 52 GmbHG auf § 112 AktG verweist, ist dessen Anwendungsbereich hier mit Rücksicht auf die Zuständigkeitsordnung in der GmbH stark eingeschränkt. Für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer ist daher – vorbehaltlich einer anderen Satzungsregelung – grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig.411
bb) Gesellschafterversammlung: § 46 Nr. 8 Ist kein Aufsichtsrat vorhanden, sind gem. § 46 Nr. 8 in jedem Falle die Gesellschafter dafür zuständig, Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer geltend zu machen und die Gesellschaft in Prozessen gegen diese zu vertreten. Über das „Ob“ wird üblicherweise in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit entschieden.412 Die Besonderheit des Gesellschafterbeschlus___________ 409
GK-Hopt, § 93 Rn. 408; KK-Mertens, § 93 Rn. 141. GK-Hopt, § 93 Rn. 421; KK-Mertens, § 93 Rn. 153. 411 Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 47 und zu den Ausnahmen § 46 Rn. 21; s. ferner MüHdbGmbH-Marsch-Barner/Diekmann, § 48 Rn. 60; Rowedder/Schmidt-LeithoffKoppensteiner, § 46 Rn. 44 f.; a.A. Baumbach/Hueck/Zöllner, § 46 Rn. 43. 412 BGHZ 28, 355 (357 f.); BGH WM 1992, 224 (225). Bei einvernehmlicher Mitwirkung aller Gesellschafter (sog. „Universalversammlung“) kann die entsprechende Entscheidung auch formlos gefasst werden; BGH GmbHR 1999, 921. 410
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
ses liegt aber vor allem darin, dass er nicht bloß im Innenverhältnis bedeutsam, sondern eine echte materielle Anspruchsvoraussetzung ist, deren Fehlen die Klage unbegründet macht. Er kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt werden.413 Da es sich bei der Klageentscheidung um eine Geschäftsführungsmaßnahme mit Prognosecharakter handelt, genießen die Gesellschafter einen weiten Ermessensspielraum.414 Sie sollen die praktischen und ökonomischen Auswirkungen einer Klage, insbesondere deren Erfolgsaussichten und ggf. die der Gesellschaft trotz Obsiegens drohenden Nachteile, berücksichtigen dürfen. Ihre Stimmrechtsausübung ist daher nur in krassen Ausnahmefällen, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist und die mitgliedschaftliche Treuepflicht zum Tragen kommt, gerichtlich überprüfbar. Im Prozess selbst wird die Gesellschaft jedoch grundsätzlich von den nicht beschuldigten Geschäftsführern vertreten, sofern die Gesellschafterversammlung keinen besonderen Vertreter bestellt hat.415
cc) Geschäftsführer Bei Pflichtverletzungen durch Beiratsmitglieder ist der Geschäftsführer für die Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft zuständig.416
b) Abgeleitete Klagebefugnisse im Namen der Gesellschaft Im Recht der Personengesellschaften ist die actio pro socio gegen (geschäftsführende) Mitgesellschafter seit langem anerkannt. Ihrer Übertragung auf Kapitalgesellschaften scheint vor allem die hier übliche Drittorganschaft im Wege zu stehen. Jedoch lässt sich argumentieren, dass die Rechtsordnung mit der Erlaubnis, gesellschaftsinterne Funktionen durch Dritte wahrzunehmen, keinen Rechtsverlust der Gesellschafter, insbesondere der Minderheitsgesellschafter, herbeiführen wollte.417 Sie wird für die GmbH von einem Teil der Literatur daher als actio pro societate nicht nur gegen Mitgesellschafter,418 sondern auch ___________ 413
BGH GmbHR 1999, 714; Weber/Lohr, GmbHR 2000, 698 (701 f.). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Schadensersatzanspruch vom Insolvenzverwalter geltend gemacht oder von den Gläubigern mit Hilfe eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 829, 835 ZPO) durchgesetzt wird. 414 OLG Düsseldorf ZIP1996, 1083 (1087 ff.); Grooterhorst, ZIP 1999, 1117 (1121 f.). 415 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 46 Rn. 42. 416 Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 44. 417 Voormann, Der Beirat, S. 202. 418 So aber Krieger, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, S. 149 (174).
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung
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gegen Drittorgane befürwortet,419 von der Rechtsprechung aber bisher generell abgelehnt.420 Die Gesellschafterklage ist in jedem Falle subsidiär zu einer entsprechenden Klage der Gesellschaft und kann nur erhoben werden, wenn der Gesellschafter zuvor vergeblich auf ein Vorgehen der Gesellschaft eingewirkt hat oder ein solches aussichtslos erschien.421 Nicht notwendig ist die Anfechtung eines negativen Beschlusses der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG.422 Die Geltendmachung eines Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs der Gesellschaft durch den einzelnen Gesellschafter wird von der überwiegenden Ansicht hingegen für einen Eingriff in die innergesellschaftliche Zuständigkeitsordnung und somit für unzulässig gehalten.423 Anders als nach § 93 V AktG steht den GmbH-Gläubigern kein eigenes Verfolgungsrecht gegen den Geschäftsführer zu. Sie werden stattdessen auf den umständlicheren Weg verwiesen, den Anspruch der Gesellschaft zu pfänden und sich diesen überweisen zu lassen.424 Bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Beiratsmitglieder wird die Gesellschaft in analoger Anwendung des § 46 Nr. 8 GmbHG durch die Gesellschafter vertreten.425 Die Zulässigkeit der Gesellschafterklage wird entsprechend dem allgemeinen Streitstand nur von einem Teil der Literatur befürwortet.426
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung Die Bestandsaufnahme der Rechtsfolgen für Pflichtverletzungen der Geschäftsleiter hat ergeben, dass beide Rechtsordnungen viele ähnliche oder zumindest funktionsverwandte Sanktionsarten eingeführt haben. Dazu zählen Ansprüche der Gesellschaft auf Schadensersatz, Gewinnherausgabe, Unterlassung bzw. Beseitigung und auf Vertragsauflösung, ferner Abberufungsrechte und als ultima ratio strafrechtliche Sanktionen. Bei näherem Hinsehen fällt die konkre___________ 419 Lutter, AcP 180 (1980), 84 (138 f.); Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 47; Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (2 f.); Wiedemann, GesR I, S. 462. 420 BGH WM 1982, 928. 421 Voormann, Der Beirat, S. 203. 422 Hölters, Der Beirat der GmbH, S. 54 f.; Voormann, Der Beirat, S. 204. 423 Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, § 43 Rn. 54; a.A. Scholz/Schneider, § 43 Rn. 210 (gesetzes- und satzungswidrige Eingriffe in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung) im Anschluss an BGHZ 83, 122 (134) (Holzmüller). 424 BGH WM 1990, 548 (555); Scholz/Schneider, § 43 Rn. 209a. 425 Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 38. 426 Voormann, Der Beirat, S. 202.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
te Ausgestaltung dieser Instrumente aber durchaus unterschiedlich aus, was sich wiederum auf deren Stellenwert in der Rechtspraxis auswirkt. Die vorbeugende Kontrolle des Leitungshandelns durch Unterlassungsklagen bzw. einstweilige Verfügungen wird zwar in beiden Ländern prinzipiell als Spiegelbild der Haftung anerkannt, jedoch mit Rücksicht auf die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsleitung restriktiv angewendet. Ein enger Rahmen für die entsprechende Kompetenz des Aufsichtsrats wird bisher nur von der Literatur anerkannt, während die Rechtsprechung das Vorgehen des Aktionärs auf drohende Verletzungen der Hauptversammlungskompetenz beschränkt. Der klagewillige englische Gesellschafter wird einen schwerwiegenden, sein Eigentumsrecht beeinträchtigenden Satzungsverstoß, zumeinst ein Handeln ultra vires, darlegen müssen. Wird der einstweilige Rechtsschutz allerdings von der Gesellschaftermehrheit im Namen der Gesellschaft beantragt, können diese tatsächlich auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen, ohne dass ihnen insofern ein allgemeines Weisungsrecht zustünde. Dies erklärt sich daraus, dass die Kompetenzordnung der Company gerade nicht zwingend vorgegeben ist, sondern von den Gesellschaftern durch Satzung abgeändert werden könnte. Insofern ähnelt die Situation der bei der GmbH, nur dass bei dieser von vornherein ein Weisungsrecht besteht. Die in deutscher Rechtspraxis wichtigste Sanktion, nämlich die Abberufung in Verbindung mit einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages, erfreut sich in Großbritannien keiner großen Beliebtheit. Da ein Direktor – anders als ein Vorstandsmitglied – auch bei Fehlen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann, steht die Company viel öfter vor dem Problem, den Direktor für die Verletzung seines Anstellungsvertrages entschädigen zu müssen. Die Entlassung ist daher häufig sehr kostspielig und erhöht den Druck auf die Gesellschaft, zumindest Gegenansprüche zu erheben. Dies erklärt die Existenz vielfältiger, sehr weitreichender Ersatzansprüche: Die Company kann den Ersatz eines kausal verursachten Schadens fordern, profitiert dabei aber nicht von einer Beweislastumkehr. Die Vorteile des § 93 II 2, III AktG werden nur partiell von der vorbereitenden Beweisaufnahme im Vorverfahren mit der Besonderheit der discovery aufgewogen. Dafür muss der treuwidrig handelnde Direktor den gesamten tatsächlich erzielten Gewinn herausgeben, ohne Rücksicht auf einen Schaden bzw. einen entgangenen Gewinn der Gesellschaft selbst. Zwar wird dies auch für deutsche Gesellschaften gefordert, die sich aber nach der Rechtsprechung zur Zeit mit einem ggf. kleineren und schwer zu beziffernden entgangenen Gewinn begnügen müssen.427 Schließlich steht der Company als Ausgleich für Verletzungen der Loyalitäts___________ 427 Für die deutlich stärkere prophylaktische Wirkung der Gewinnabschöpfung im Bereich der Interessenkonflikte aus rechtsvergleichender Sicht Enriques (2000) 2 ICCLJ 297 (303).
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung
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pflicht ein dinglicher Herausgabeanspruch aufgrund eines fingierten Treuhandverhältnisses zu, dessen weiter Anwendungsbereich die Herausgabe nahezu aller Vorteile anordnet, deren Erlangung der Direktor der Company hätte ermöglichen sollen. Im Ergebnis wird die Company also in dem weiten Bereich der Loyalitätspflichten trotz der fehlenden Beweiserleichterungen einen besseren Ausgleich erzielen können, während zugleich für den Direktor, der im Falle der Aufdeckung des Sachverhalts jedweder Bereicherung beraubt wird, der Anreiz zu eigennützigem Handeln deutlich schwächer ausfallen dürfte. In der Frage der Außerkraftsetzung eines pflichtwidrig zu Stande gekommenen Vertrages scheint das britische Recht sehr weit zu gehen, indem es die Anfechtbarkeit seitens der Gesellschaft für alle Fälle von Interessenkonflikten und persönlicher Bereicherung anordnet. Seine Grenze findet das Anfechtungsrecht aber in der Gutgläubigkeit des Vertragspartners, die nur bejaht wird, wenn es sich bei ihm nicht um den Direktor selbst handelt, er keine Kenntnis von dem Interessenkonflikt bzw. dem heimlichen Gewinn hatte und sich dieser Kenntnis auch nicht bewusst verschlossen hat. Demgegenüber sieht das deutsche Recht die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages für alle Fälle des Insichgeschäfts vor, ferner in sonstigen Fällen der Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis, sofern der Vertragspartner diese kannte oder sie für ihn zumindest evident sein musste. Bei bewusster Schädigung der Gesellschaft ist gar Nichtigkeit des Vertrages die Folge. Strenger ist somit nicht die englische Sanktion an sich, sondern die Tatsache, dass sie entsprechend den strengen Tatbeständen der noconflict und no-profit rules schon an das bloße Vorliegen eines Interessenkonflikts bzw. eines heimlichen Gewinns geknüpft wird. Im Hinblick auf strafrechtliche Sanktionen besteht in beiden Ländern ein theoretischer Konsens darüber, dass sie als ultima ratio lediglich dort Anwendung finden sollten, wo andere Mittel versagen oder eine besondere Schwere des Fehlverhaltens es gebietet. Obwohl der Gesetzgeber aber dementsprechend nur bestimmte, einzelne Verhaltensweisen kriminalisiert hat, zeichnet sich in Deutschland der Trend zu einer extensiven Inanspruchnahme der entsprechenden Tatbestände ab, der möglicherweise auf ein weitgehendes Versagen der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe in der Praxis hindeutet. So hat die Staatsanwaltschaft unter anderem bei der Entlassung des Telekom-Chefs Sommer,428 beim Untergang von EM.TV429 und im Anschluss an die Übernahmeschlacht Vodafone/Mannesmann430 eine ihr nicht zugedachte, führende Rolle übernommen. Insbesondere in dem prominenten „Mannesmann-Fall“ lässt der Umweg über die Staatsanwaltschaft in dieser Fragestellung aus dem Kernbereich des Gesell___________ 428
FAZ v. 5.8.2002 S. 1, 9 und v. 11.2.2003 S. 17. FAZ v. 9.4.2003 S. 13. 430 FAZ v. 18.2.2003 S. 14. 429
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
schaftsrecht die erforderliche Sachnähe vermissen. Der einzige in Frage kommende Straftatbestand (§ 266 I,II i.V.m. §§ 263 III, 27 StGB) schießt deutlich über das eigentliche Ziel – nämlich die Überprüfung der Angemessenheit der Organvergütung – hinaus. Mangels effektiver aktienrechtlicher Rechtbehelfe für Minderheitsaktionäre bot sich für diese jedoch keine andere Kontrollmöglichkeit an. Das Gefährliche an diesem „Umweg“ ist aber vor allem, dass es eben nicht nur von enttäuschten Minderheitsaktionären als „Notlösung“ in Anspruch genommen wird. Gerade im Fall Esser wurde die Anzeige vielmehr von zwei Anwälten431 gestellt, die gleichsam als selbstlose Kämpfer für eine bessere Aktienrechtskultur in Deutschland eintreten. In diesem Sinne folgte im August 2002 eine Anzeige derselben Anwälte gegen den früheren TelekomVorstandsvorsitzenden Ron Sommer und die Telekom-Aufsichtsratsmitglieder wegen einer Erhöhung der Vorstandsbezüge um bis zu 90 Prozent und einer Abfindungszahlung. Eine derart professionalisierte und von den Interessen der (Minderheits-)Aktionäre losgelöste Kontrolle des Organhandelns durch die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit außenstehenden „Beratern“ ist in keinem Falle sachgerecht und sollte daher in die Hände des Aktionärs und somit des sachnäheren und kompetenteren Zivilrichters zurückkehren. Die richtigen Anreize dürften mit den inzwischen erleichterten Klage- und Informationsmöglichkeiten für Minderheitsaktionäre geschaffen worden sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Anleger dennoch auf die Staatsanwaltschaft zurückgreifen werden, um durch deren Ermittlungen die eigene Beweislage zu verbessern. Eine gravierende Abweichung gegenüber der deutschen Rechtslage stellt auf der englischen Rechtsfolgenseite aber der Company Directors Disqualification Act 1986 mit seiner Möglichkeit dar, ungeeignete Persönlichkeiten gänzlich von der Übernahme verantwortungsvoller Posten in Companies auszuschließen. In ihrem Anwendungs- und Rechtsfolgenbereich geht die Regelung dabei weit über die Eignungsvoraussetzungen der §§ 76 III 3, 4 AktG, 6 II 3, 4 GmbHG hinaus. Diese knüpfen in erster Linie an die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§§ 283-283d StGB) an und beschränken die Rechtsfolge auf einen fünfjährigen Ausschluss von der Mitgliedschaft im Vorstand. Gerade das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein Strafgericht bedeutet aber, dass nur die vom Gesetz starr vorgegebenen Verhaltensweisen berücksichtigt werden und als Beweismaßstab eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit verlangt wird. Daneben führt die Verhängung eines gerichtlichen oder behördlichen Berufsausübungsverbots gegen eine Person dazu, dass diese während dessen Geltungsdauer auch nicht als Vorstandsmitglied eines in der betroffenen Branche tätigen Unternehmens agieren kann. Hinzu kommt, dass der Hauptanwendungsfall der englischen Regelung, nämlich zu verhindern, dass ___________ 431
Es handelt sich dabei um Mark Binz und Martin Sorg; s. FAZ v. 11.2.2003 S. 17 („Rächer der Enterbten“).
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung
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eine Person wiederholt das Privileg der beschränkten Haftung in Anspruch nimmt und all diese Experimente in der Insolvenz enden, im deutschen Recht zum Teil schon durch das Mindestkapital-Erfordernis verhindert wird. So ist eine unseriöse oder missbräuchliche Gesellschaftsgründung zumindest ein teures Vergnügen. Demgegenüber stellt der CDDA 1986 lediglich auf die Insolvenz der Gesellschaft ab und gibt dem Richter ein weites Ermessen in der Frage, ob sich aus dem Verhalten des Direktors im Zusammenhang mit der Insolvenz eine generelle Unfähigkeit zur Leitung von Gesellschaften ablesen lässt. Ist das der Fall, dann wird der Betroffene nicht nur von künftigen Board-Mitgliedschaften ausgeschlossen, sondern von allen verantwortungsvollen Aufgaben im Zuge der Gründung und Leitung von Gesellschaften. Dabei kann das Gericht die Verbotsdauer selbst festlegen und auf bis zu 15 Jahre ausdehnen. Schließlich wird die Befolgung der richterlichen Anordnung durch eine Straf- und Haftungsandrohung sowie durch völlige Transparenz in Gestalt des öffentlich zugänglichen register of disqualification orders sichergestellt. Somit ist die Regelung des CDDA sehr streng und umfassend, durch den richterlichen Beurteilungsspielraum aber dennoch flexibel. Zu ihrer Effektivität in der Praxis432 trägt aber allem die erleichterte Durchsetzbarkeit bei: die Verhängung der Sanktion wird vom Wirtschaftsminister, zumeist auf Anraten des Insolvenzverwalters, beantragt und kann nicht durch die Gesellschaftermehrheit verhindert werden; und – was vielleicht noch wichtiger und im Ergebnis entscheidend ist – die Kosten des Verfahrens werden von der Staatskasse getragen.433 Schließlich dürfte die Abschreckungswirkung eines Tätigkeitsverbots spürbarer sein als die der zivlirechtlichen Haftung, welche in den meisten Fällen von einer D&OVersicherung aufgefangen wird.434 Damit ist die Disqualifikation heute das wichtigste Instrument zur Durchsetzung organschaftlicher Qualitätsstandards.435 Zu Recht hat daher der 64. Juristentag 2002 gefordert, zum Schutze der Gläubiger und der Öffentlichkeit ebenfalls eine derart präventive und nicht mehrheitsgebundene Sanktion einzuführen,436 zumal sich nunmehr auch die ___________ 432 Zwischen 1997 und 2001 wurden jährlich zwischen 1.250 und 1.500 disqualification orders alleine aufgrund von unfitness registriert; in den Folgejahren, also mit Hinzurechnung der neuen disqualification undertakings, betrug die Gesamtzahl aller Ausschlüsse 1.929, 1.777, 1.527 und schließlich 1.317 zum Stichtag 31.03.2005, vgl. DTI, Companies in 2004-2005, S. 23. 433 Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 234 f.; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 199. 434 Fleischer, WM 2004, 157 (163). 435 Arsalidou (2002) 23 Co Law 107 (114); Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 220; Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 234. 436 Ziff. 1.16 der Beschlüsse des 64. Juristentages 2002, abrufbar unter www.djt.de.; Fleischer, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, S. 108; ders. WM 2004, 157.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
EU-Kommission für ein Verbot der Tätigkeit als Direktor mit EU-weiter Wirkung ausspricht.437 Eine generelle Freistellung von der Organhaftung ist bei der Company und der AG nicht möglich. Ausgenommen ist lediglich die indirekte Entlastung durch Abschluss einer D&O-Versicherung. Ferner kann die Company ihre Direktoren zur Zeit noch durch Satzung nach Belieben von der Verpflichtung befreien, Interessenkonflikte zu meiden, was nach dem Company Law Review aber an die Voraussetzung einer Genehmigung durch den Board geknüpft wird. Dabei handelt es sich allerdings eher um ein Problem der Reichweite des Tatbestandes und nicht um eine spezifische Rechtsfolgenregelung. Besonderheiten gelten hingegen nach richtiger Ansicht für die GmbH, deren Geschäftsführer nach der Konzeption des Gesetzgebers ohnehin dem Gesellschafterwillen und deren Weisungen unterworfen ist, und daher zumindest von den im Interesse der Gesellschafter bestehenden Pflichten befreit werden kann. Anders sieht es hingegen bei der Entlastung im Einzelfall aus. Diese kann im konkreten Einzelfall sachgerecht sein und wird daher von beiden Rechtsordnungen grundsätzlich für zulässig gehalten. Jedoch bevorzugt das Aktienrecht eindeutig die Billigung der Aktionäre im Vorfeld der Pflichtverletzung, da sie hierbei nicht vor „vollendete Tatsachen“ gestellt werden, sondern eine objektive, unvoreingenommene Entscheidung treffen können.438 Die Company hingegen lässt zwar theoretisch sowohl die vorherige als auch die nachträgliche Freistellung zu, wobei in der Anwendungspraxis das Schwergewicht aber eindeutig auf den nachträglichen Beschlüssen liegt. Grund dafür dürfte vor allem die dann bessere Informationslage der Gesellschafterversammlung sein, da der Board sie im Vorfeld einer Geschäftsführungsentscheidung üblicherweise nicht in seine Pläne einweihen wird. Zudem unterliegt der aktienrechtliche Freistellungsbeschluss erheblichen Einschränkungen: im Vorfeld ist er auf den eigenen Kompetenzbereich der Hauptversammlung beschränkt, im Nachhinein unterliegt er der dreijährigen Sperrfrist und kann von 10 % der Aktionäre blockiert werden. Den Gläubigern gegenüber entfaltet er keine Wirkung – ein zu weit geratenes Zugeständnis, haben doch deren Verfolgungsrechte einen deutlich engeren Anwendungsbereich. Somit ist es nicht nur für die Verwaltungsorgane faktisch unmöglich, Rechtssicherheit zu erlangen, sondern auch für die Gesellschaft selbst, die auch noch nach Jahren negative Schlagzeilen durch unbereinigte Sachverhalte befürchten muss und nicht einmal im Interesse des Unternehmens auf dessen Ansprüche verzichten darf. Es spricht deshalb einiges dafür, den ausufernden Schutz des Aktionärs vor einer vorschnellen Entscheidung und somit vor sich selbst lediglich durch eine Missbrauchskontrolle der Mehr___________ 437 Die Vorgabe ist allerdings erst mittelfristig zu verwirklichen; EU-Aktionsplan (s. o., Einleitung, Fn. 1), 3.1.3. 438 KK-Mertens, § 93 Rn. 115.
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung
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heitsmacht zu ersetzen. Eine solche wird schon durch die gesetzlichen Stimmverbote und die flexiblen Stimmrechtsschranken, allen voran die mitgliedschaftliche Treuepflicht, gewährleistet. Das Vetorecht einer Minderheit, die eine Klage erzwingen könnte, wird sich hingegen nicht aufrechterhalten lassen, wenn – wie sogleich gezeigt werden soll – eine Herabsetzung des Quorums des § 147 III AktG auf 1 % oder gar die Einführung einer Einzelklagebefugnis durchgesetzt werden kann. Die Minderheitsklage müsste vielmehr immer dann entfallen, wenn sich eine unbefangene Mehrheit gegen die Geltendmachung der Ansprüche entscheidet, wobei die Anforderungen an die „Unbefangenheit“ über § 136 I AktG hinaus verschärft werden könnten.439 In Großbritannien räumt man den Gesellschaftern insofern weitgehende Entscheidungsfreiheit ein, ohne Rücksicht auf die Minderheit und ohne Stimmrechtsbeschränkungen, es sei denn, dass der Beschluss die Grenzen der Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens überschreitet oder den anerkannten Interessen der Gläubiger bzw. Arbeitnehmer zuwiderläuft (non-ratifiable wrong). Ein derart weites Ermessen wäre zwar nicht mit dem Aktienrecht vereinbar, welches das Unternehmensinteresse gerade nicht zur Disposition der Gesellschafter stellt. Jedoch wird diesem schon dadurch Rechnung getragen, dass die Freistellungsentscheidung zwar vom Votum der Aktionäre abhängt, jedoch tatsächlich vom Aufsichtsrat im Namen der AG getroffen wird, und damit von einem dem Unternehmensinteresse verpflichteten Organ. Ein „egoistischer“ Verzicht der Gesellschafter auf Ansprüche der Gesellschaft zulasten der übrigen Stakeholder-Interessen ist somit außerhalb der von § 93 IV 3 vorgeschriebenen Prozedur mangels eigener Initiativ- und Vertretungsbefugnis nicht möglich.440 Dass dies der richtige Weg ist, zeigen im Übrigen die englischen Reformpläne, wonach die konturlose Theorie von nicht genehmigungsfähigen Sachverhalten durch die Regel ersetzt werden soll, dass die Freistellung von dem jeweils unbefangenen Teil der Gesellschafterversammlung bzw. des Board vorgenommen werden kann – eine vertraute Mischung aus Stimmverbot, Einschaltung eines unabhängigen Organs und Bindung an das Gesellschaftsinteresse.441 ___________ 439
Vgl. Final Report, 7.46. Vgl. GK-Hopt, § 93 Rn. 338 aE. Mit dem Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung zu einer Entscheidung des Aufsichtsrats bzw. des Vorstands gem. § 93 IV 3 stellt das AktG nur sicher, dass die Vertretungsorgane nicht gegen den Willen der Gesellschafter auf die Durchsetzung der Ansprüche verzichten. Ist es aber ausnahmsweise das Vertretungsorgan, welches im Namen der Gesellschaft eine Haftungsklage anstrebt, so haben die Gesellschafter keine Möglichkeit, dieses daran zu hindeRn. Anders sieht es insofern in Großbritannien aus, wo die Gesellschafter verbindlich eine sog. negative litigation decision treffen können. 441 Zwar kann man nicht sagen, dass die Gesellschafterversammlung „an das Gesellschaftsinteresse gebunden“ ist; da sich dieses aber ausschließlich über das Wohl der Gesellschaftergesamtheit definiert, ist deren Wille als Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses anzusehen. 440
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Wie schon an anderen Stellen gesehen, fällt die Lösung des deutschen Rechts schon deshalb ausgewogener aus, weil für die nicht am Kapitalmarkt auftretende Gesellschaftsform gesonderte Regel aufgestellt werden können. Daher ist die Entlastungskompetenz in der GmbH nur durch allgemeine Schranken des Machtmissbrauchs, wie gesellschaftliche Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz, eingeschränkt. Mit der prozessualen Durchsetzung der festgestellten Ansprüche hat das Aktienrecht theoretisch ein jeweils objektives, unabhängiges Organ (Aufsichtsrat bzw. Vorstand) beauftragt. Im Falle des Aufsichtsrats hat das ARAG-Urteil die Geltendmachung gar zu einer selbständigen Aufsichtspflicht erhoben und den Gerichten zumindest die Prüfung ermöglicht, ob sich die Ablehnung einer Klage am Unternehmensinteresse orientiert hatte. Das englische Recht hat insofern Schwierigkeiten, den notwendigen Übergang der Vertretungsbefugnis auf die Gesellschafterversammlung dogmatisch zu begründen, wenn auch über das Ergebnis an sich Einigkeit besteht. In der Praxis funktionieren beide Lösungswege indes unzureichend, wobei die Aufsichtsratslösung unter den bereits aufgezeigten strukturellen Interessenkonflikten leidet und die Gesellschaftermehrheit als Kläger gerade dann versagt, wenn sich die Verwaltung im Schutze der Mehrheit wähnt und sich dadurch zu besonders schwerem Missbrauch hinreißen lässt. Um eine realistische Rechenschaftspflicht der Verwaltungsorgane auch außerhalb von Kontrollwechseln und Insolvenzen zu gewährleisten, sind effiziente Minderheitenrechte daher unerlässlich. Üblicherweise wird jedenfalls die englische derivative action aber als viel zu weitgehend und missbrauchsanfällig kritisiert und generell abgelehnt – ein Eindruck, den die hier vorgenommene Bestandsaufnahme nicht bestätigen konnte. Das Vorgehen des einzelnen Gesellschafters im Wege der derivative action wurde entsprechend den Grundsätzen aus Foss v. Harbottle schon immer restriktiv gehandhabt, was sich in absehbarer Zeit auch kaum ändern dürfte. Vielmehr tendieren die Gerichte immer stärker dazu, die abgeleitete Klagebefugnis als ultima ratio und nicht als einen normalen, zusätzlichen Rechtsbehelf anzusehen. Dazu gehört vor allem das zusätzliche Erfordernis, dass das Klagebegehren durch die von der Geschäftsleitung unabhängige Minderheit unterstützt wird. Die Entwicklung wurde in letzter Zeit durch einige Fälle beeinflusst, in denen die Gesellschafterklage für die Gesellschaft im Ergebnis mehr Schaden als Nutzen mit sich brachte, sodass die Richter glaubten, dem Handeln gegen den Mehrheitswillen zusätzliche Riegel vorschieben zu müssen, und es den Anschein hatte, als hätten sie das andere wichtige Ziel des Gesellschaftsrechts, die effektive Durchsetzung der Geschäftsleiterpflichten, etwas aus den Augen verloren.442 Das größte Problem dürfte dabei das Fehlen von positiven, nicht zuletzt finanziellen Anreizen für die Bemühungen des Ein___________ 442
Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 463.
C. Rechtsvergleich zu den Rechtsfolgen und deren Durchsetzung
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zelnen sein, von denen ja in berechtigten Fällen alle Gesellschafter gleichermaßen profitieren. Die bestenfalls zu erlangende Kostenerstattung reicht nicht aus, um das Problem des sog. „free riding“ oder der „rational apathy“ zu überwinden.443 Während sich die derivative action also im Grundsatz bewährt hat und die englischen Juristen über eine Optimierung der einzelnen Aspekte diskutieren können, hat das Klageerzwingungsverfahren des § 147 III AktG a.F. nie praktische Relevanz erlangt.444 Als Grund hierfür wurde häufig die völlig unverhältnismäßige Kostenregelung des § 147 IV a.F. AktG genannt.445 Als eher zufällig gewählte Hürden stellen sich die Erfordernisse einer groben Pflichtverletzung und eines Mindestquorums dar, haben sie an sich doch nichts mit der Frage zu tun, ob die Anspruchsverfolgung im konkreten Fall dem Interesse der Gesellschaft entspricht oder einem Rechtsmissbrauch gleichkommt.446 Deshalb ist auch der Vorstoß des britischen Gesetzgebers in Section 347I CA 1985 (abgeleitetes Klagerecht von 5% des Kapitals oder 50 Gesellschaftern bei illegalen politischen Spenden) weder im Schrifttum auf Zustimmung gestoßen noch in die Reformvorschläge der Law Commission und des DTI aufgenommen worden. Die neuen, massiv herabgesetzten Schwellenwerte des § 148 I AktG sind in jedem Falle ein guter Anfang und dürften in dem Klagezulassungsverfahren ein hinreichendes Gegengewicht finden. In Großbritannien bewährt sich die gerichtliche Kontrolle der Prozessführung jedenfalls als effektivstes Mittel gegen Missbrauch.447 Im Ergebnis zeigen jedoch die – nicht vorhandenen – Erfahrungen mit der konzernrechtlichen Aktionärsklage des § 309 IV AktG, dass ein Minderheitenklagerecht im Ergebnis doch mit der Regelung seines finanziellen Aspekts steht und fällt.448 Ob die insofern umgesetzten Vorschläge der Regierungskommission Corporate Governance ausreichende Anreizwirkung entfalten werden, bleibt abzuwarten.449 ___________ 443
Etwas weiter geht die vorsichtige Einführung von Erfolgshonoraren für Rechtsanwälte nach US-amerikanischem Vorbild durch die Conditional Fee Agreements Regulations 2000 (SI 2000 No 692), deren Anwendbarkeit auf derivative actions jedoch noch bezweifelt wird; s. Boyle, Gore-Browne on Companies, 28.9.2; Hirt [2003] ICCLR, 261 (268); ferner Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 241 f. 444 Hirt, The Enforcement of Directors’ Duties in Britain and Germany, Chapter 6. 445 Trescher, DB 1995, 661 (662). 446 So zuletzt aus englischer Sicht Hirt, The Enforcement of Directors’ Duties in Britain and Germany, 6.4.3.1, 6.4.3.2. 447 Vgl. die Vorschläge des Company Law Review für ein zweistufiges Gerichtsverfahren, die, zusammen mit den Vorschlägen der Regierungskommission Corporate Governance zu einer deutlichen Konvergenz der Rechtsordnungen in diesem Bereich führen könnten; Law Commission, Shareholder Remedies, Report No 246 (1997), 6.69 und Appendix B (Rules 50.5-50.6); Law Commission, Shareholder Remedies, Consultation Paper No 142 (1996), 16.18; Final Report 7.48. 448 Trescher, DB 1995, 661 (664); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (300). 449 Kritisch Hirt, The Enforcement of Directors’ Duties in Britain and Germany, 6.5.6.
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5. Kapitel: Rechtsfolgen und Durchsetzung
Im Recht der GmbH wäre dann konsequenterweise die actio pro societate auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen, zumal deren Anwendungsbereich schon durch die umfassenden Weisungs- und Verzichtsrechte der Gesellschaftermehrheit eingeschränkt wird. Abschließend ist im Zusammenhang mit prozessualer Durchsetzung noch auf Section 459 CA 1985 einzugehen. Zwar hat die Auseinandersetzung mit der Norm gezeigt, dass sie nicht auf organschaftliche Pflichtverletzungen zugeschnitten ist und nur in den seltensten Fällen im Anwendungsbereich der derivative action bemüht werden kann. Ihre Bedeutung als Minderheitenrecht zur Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft gegen pflichtwidrig handelnde Direktoren ist daher äußerst gering. Nichtsdestotrotz haben die zahlreichen komplexen Sachverhalte des Missbrauchs der Mehrheitsmacht den Gerichten oft den Einstieg in eine umfassende Prüfung der innergesellschaftlichen Machtausübung ermöglicht, im Zuge derer viele bedeutsame Aussagen zum Inhalt der Geschäftsleiterpflichten gemacht wurden. Der Einfluss der unfair prejudice remedy auf den Gegenstand dieser Untersuchung macht sich somit nicht im Bereich der Durchsetzung, sondern vielmehr bei der Konkretisierung der Geschäftsleiterpflichten bemerkbar und zwar positiv, im Sinne einer größeren Rechtssicherheit, da die hier interessierenden Verhaltensanforderungen in großem Maße verbindlich von den Gerichten formuliert und nicht auf die theoretische Behandlung im Schrifttum beschränkt bleiben. Da diese Wirkung der Section 459 jedoch fast nur auf personalistisch strukturierte private companies beschränkt ist, kann man schließlich auch sagen, dass ein ihr funktionsverwandtes Institut im deutschen Recht bereits existiert, und zwar in Gestalt der mitgliedschaftlichen Loyalitätspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH. Als Gesamtergebnis des Rechtsfolgenvergleichs einschließlich deren Durchsetzbarkeit lässt sich festhalten, dass das englische Haftungssystem jedenfalls bei großen Publikumsgesellschaften eine stärker disziplinierende Wirkung zu entfalten vermag als das deutsche Äquivalent. Dieses setzt vor allem auf den Schadensersatzanspruch, der zwar von der Beweislastumkehr gestärkt wird und auf den die Aktionärsmehrheit nur schwerlich verzichten kann, der aber außerhalb der Insolvenz praktisch nicht durchsetzbar ist. Die Gesellschaft behilft sich statt dessen mit der Verweigerung der Wiederbestellung bzw. Abberufung und Entlassung des Vorstandsmitglieds, was für den Betroffenen aber eine relativ gut zu verkraftende Einbuße darstellt und die Gesellschaft zwar vor künftigen Nachteilen schützt, jedoch die bereits entstandenen nicht in angemessener Weise ausgleicht. Der enttäuschte Gesellschafter sucht demgegenüber Schutz bei der Staatsanwaltschaft und stürzt sich auf jede auch nur entfernt an ein Schutzgesetz erinnernde Norm, um den nicht kompensierten Schaden der Gesellschaft zumindest indirekt, als Einbuße des eigenen Aktienwertes geltend zu machen. Die Company verfügt hingegen vor allem im Bereich der Loyalitätspflichten über starke Sanktionen in Gestalt der Abschöpfung jeglicher treuwidriger Be-
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reicherung und der Anfechtbarkeit von Verträgen bei allen Arten von Interessenkonflikten. Zudem bemüht sich das britische Recht um ein ausgewogenes System der Haftungsfreistellungen und gewährt dem Einzelnen mit der derivative action einen effektiven Rechtsbehelf in allen Fällen, in denen er einer voreingenommenen Gesellschaftermehrheit gegenübersteht. Hinzu kommt die realistische Gefahr für jeden Geschäftsführer, der seine Gesellschaft in die Insolvenz wirtschaftet, für bis zu 15 Jahre von allen verantwortungsvollen Positionen in einer Company ausgeschlossen zu werden. Die Aussicht hierbei – der dauerhafte Entzug der Existenzgrundlage – ist um einiges wirkungsvoller als die bloße Erkenntnis, dass das Fehlverhalten zu einer Entlassung führen und die Suche nach einer neuen Anstellung notwendig machen kann. Gerade weil die vorliegende Untersuchung ein präventiv wirkendes, pflichtenbasiertes Haftungssystem favorisiert, muss sie zugleich für eine Verbesserung der Effektivität des Sanktionensystems plädieren, jedoch nur in dem Maße, wie dies notwendig ist, um ein realistisches und wahrnehmbares Risiko der Durchsetzbarkeit von Sanktionen zu begründen.
6. Kapitel
Gesetzlicher Pflichtenkatalog Wie eingangs angedeutet, können konkrete rechtliche Rahmenbedingungen für das Leitungshandeln aus Sicht des pflichtenbasierten Kontrollsystems (dutybased controls) per se verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, indem sie erstens als normativer Kodex eine Orientierungshilfe für den Geschäftsleiter darstellen und zweitens einen Standard festlegen, an dem die Öffentlichkeit dessen Verhalten beurteilen kann.1 Beide Wirkungen setzten aber ein hinreichendes Maß an Kommunikation voraus, und zwar sowohl bezüglich der rechtlichen Erwartungen selbst als auch bezüglich deren tatsächlicher Erfüllung. Nachdem also zuvor der Inhalt der rechtlichen Rahmenbedingungen festgelegt worden ist, wird im Folgenden auf die Zweckmäßigkeit eines gesetzlichen Pflichtenkatalogs (Erwartungen) in Verbindung mit darauf bezogenen Offenlegungspflichten (Erfüllung) eingegangen. Die Frage, wann Corporate Governance eines regulierenden Eingriffs des Gesetzgebers bedarf, hat die Regierungskommission unter anderem mit dem Hinweis auf ein Marktversagen beantwortet, in dessen Folge Minderheitsaktionäre rechtlos gestellt werden und Gläubiger die ganze Härte der korporationsrechtlichen Haftungsbeschränkung zu spüren bekommen. Abhilfe könnten hier zwar nur zwingende Normen schaffen, die jedoch zugleich den Nachteil hätten, wenig Spielraum für Differenzierungen zu lassen und eine flexible und zeitnahe Reaktion auf tatsächliche Veränderungen zu verhindern.2 Anschließend hat man für den Bereich der Geschäftsleiterpflichten ein Übergewicht der Nachteile festgestellt und die Chance verspielt, mithilfe der denkbar mildesten Änderung des Haftungssystems eine deutliche Erhöhung des Schutzniveaus für Anleger und Gläubiger herbeizuführen. Wie schon eingangs erwähnt, würde eine gesetzliche Fixierung der herausgearbeiteten Prinzipien nicht nur die Lösung des Einzelfalls erleichtern, sondern in Verbindung mit effektiver Kommunikation an die Normadressaten diesen einen neuen Anreiz zu pflichtgemäßem Verhalten geben. Dies würde sowohl für den ohnehin schon ordentlichen Geschäftsleiter gelten, der die an ihn gestellten Erwartungen um so besser einschätzen und erfüllen könnte, als auch ___________ 1
Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 93. Baums, Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts – Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 1. 2
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für den weniger ordentlichen, dem das Gefahrenpotential seiner Tätigkeit noch deutlicher vor Augen treten würde. Eine aktuelle Studie3 zum Zusammenhang zwischen einer (aus Investorensicht) guten Corporate Governance und der Eigenkapitalrendite eines börsennotierten Unternehmens zeigt zudem, dass die Qualität der beherzigten Standards in den fünf untersuchten Kategorien (Grundsätzliche CG-Verpflichtung, Aktionärsrechte, Transparenz, Management/Aufsichtsorgane und Abschlussprüfung) erheblich schwankt. Während die Unternehmen in den Kategorien Transparenz und Abschlussprüfung am besten abschneiden, fällt die Bewertung im Bereich Management/Aufsichtsorgane tendenziell am schlechtesten aus, was damit erklärt wird, dass die ersten beiden Kategorien stark durch komplementäre gesetzliche Vorschriften und durch die Regelwerke einzelner Marktsegmente geprägt werden. Wo solche Regeln fehlen, soll zwar in der Theorie der Grundsatz gelten, dass der Kapitalmarkt die freiwillige Einhaltung hoher Standards mit niedrigeren Eigenkapitalkosten belohne, während er Abweichungen mit Kurszu- und -abschlägen bestrafe. Eine brisante neue Ereignisstudie zur Kapitalmarktrelevanz des Deutschen Corporate Governance Kodex4 bescheinigt dem Selbstregulierungsansatz indes ein Totalversagen. Die (Nicht)Befolgung der Kodex-Empflehlungen sei für den Börsenkurs irrelevant. Es ist zwar richtig, dass die Neuordnung der Verhaltensrichtlinien an sich noch keine Gewähr für „richtiges Verhalten“ liefert, zumal die Vorgaben gerade im ermessensgeprägten Sorgfaltsbereich vage bleiben müssen. Gerade im bereich der „absoluten“ Loyalitätstatbestände ist aber ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu erreichen.5 Bezeichnend ist hierbei der Vorstoß Großbritanniens, das trotz (oder gerade wegen?) der international einzigartigen Erfahrungen mit freiwilligen Verhaltenskodices6 im Bereich der Geschäftsleiterpflichten ein Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit festgestellt hat, welches vom deutschen Juristen zwar kritisch hinterfragt, aber nicht pauschal mit dem beliebten Hinweis auf staatliche Überregulierung abgetan werden sollte. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass dem englischen Gesetzgeber keine Vorreiterrolle zukommt, folgt er mit seinen Reformplänen doch nur dem Beispiel Australiens, Kanadas und Neusee___________ 3 Studie der WHU – Otto-Beisheim-Hochschule in Kooperation mit der Deutschen Börse AG, in: FAZ vom 13.1.2003 S. 20. 4 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252. 5 Vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301 (309). 6 s. die Codes of Best Practice des Cadbury Committee (1992) und des Greenbury Committee (1995), den Combined Code des Hampel Committee (1998) sowie den City Code on Takeovers and Mergers. Die Regelwerke sollen auch neben dem Reformgesetz nicht an Bedeutung verlieren; s. White paper 2002, Volume I, Part II, 3.26 ff.
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lands, die bereits über einen gesetzlichen Pflichtenkatalog für Geschäftsleiter verfügen.7 Als Antwort hierauf ist der Deutsche Corporate Governance Kodex selbst dann unzureichend, wenn man die nunmehr vorgebrachten Zweifel an seiner Kapitalmarktrelevanz einmal außer Acht lässt. Gerade bei kontroversen Fragen beschränkt er sich auf unverbindliche „Anregungen“, während er die Effektivität seiner „Empfehlungen“ zwar mit dem Grundsatz „comply or explain“ besiegelt, dessen haftungsrechtliche Dimension jedoch alles andere als absehbar ist.8 Die präventive Wirkung von Verhaltensregeln setzt aber erstens eine klare, berechenbare Sanktionsandrohung und zweitens eine unmissverständliche Formulierung der Erwartungen und deren Kommunizierung an den Adressaten voraus.9 Auch die zweite Voraussetzung gehörte indes nicht zu den selbsterklärten Zielen des Deutschen Corporate Governance Kodex. Man hatte vielmehr die Anleger, insbesondere die ausländischen Pensions- und Versicherungsfonds im Auge, die nicht imstande bzw. nicht willens seien, sich in dem komplizierten Regelwerk aus Gesetzes-, Richterrecht und einschlägiger Literatur zurechtzufinden.10 Das Ziel, ihnen den Einstieg in den deutschen Kapitalmarkt zu erleichtern, dürfte daher auch mit einem nur für börsennotierte Gesellschaften geltenden Kodex erreicht worden sein. Das wichtige Anliegen, durch Transparenz der Organpflichten ihre Adressaten selbst zum rechtmäßigen Handeln zu motivieren,11 wird hingegen lediglich reflexartig unterstützt, wobei die Beschränkung auf Geschäftsleiter börsennotierter Gesellschaften insofern völlig ungerechtfertigt erscheint. Im Stich gelassen werden nämlich die Leiter kleinerer Gesellschaften, einschließlich der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, obwohl gerade sie oft nicht genügend Fachkenntnisse aufweisen, um sich selbst über die gesetzlichen Anforderungen zu informieren, und obwohl
___________ 7 s. Worthington 64 (2001) MLR 439 (456 Fn. 118); Paton [2000] ICCLR 309; Santow (1999) 73 Aust LJ 336. 8 In der Disussion sind zur Zeit vor allem die Ansichten, dass der Kodex keine Haftungsverschärfung nach sich ziehe, ein Verstoß hiergegen die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung begründe, oder aber dass seine Grundsätze von den Gerichten mittelbar bei der Auslegung der aktienrechtlichen Generalklauseln herangezogen werden; s. FAZ v. 22.4.2002 S. 18; FAZ v. 9.3.2002 S. 21; FAZ v. 2.3.2002 S. 23; FAZ v. 22.2.2002 S. 20; FAZ v. 23.2.2002 S. 14; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 (792); Seibert, BB 2002, S. 581 (584); Seibt, AG 2002, 249 (250 f., 254 ff.); Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (166 ff.). Für die letztere Ansicht sprechen nicht zuletzt die britischen Erfahrungen; s. Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, S. 436 und bereits oben, 3. Kapitel, A. III. 4. 9 Vgl. Final Report, 1.18. 10 s. Seibert, BB 2002, 581; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (151). 11 Diese Notwendigkeit erkennt aber Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (253).
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gerade sie durch die geringe Kapitalisierung ihrer Unternehmen daran gehindert werden, allzu oft den teuren Rechtsrat externer Juristen einzuholen.12 Hier könnte ein gesetzlicher Katalog nach englischem Beispiel Abhilfe schaffen, der alle interessierten Organmitglieder und Anleger über die wichtigsten Grundsätze des Leitungshandelns und die Rechtsfolgen für deren Missachtung verständlich informieren würde. Er müsste – um Brüche in der stetigen Entwicklung des Rechts zu vermeiden – auf die Wiedergabe des geltenden Rechts beschränkt bleiben, und das auf hohem Abstraktionsniveau, in Form von generellen Prinzipien, die flexibel, also der Ausformung und Verfeinerung durch die Rechtsprechung zugänglich sind. Entsteht so einmal Klarheit über die rechtlichen Erwartungen, so wird deren Erfüllung am besten durch gesteigerte Transparenz kontrolliert. Wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, entwickelt sich Offenlegung auch im Zusammenhang mit einzelnen Pflichtentatbeständen immer häufiger zu einem der wichtigsten Regelungsinstrumente. Dahinter steht die Erwartung, dass menschliches Verhalten alleine durch dessen Publizität beeinflusst werden kann, ohne dass es durch Ge- oder Verbote gesteuert werden müsste. Idealerweise werden auch Manager ihre Handlungen derart an den Erwartungen der Öffentlichkeit ausrichten, dass es nicht zu einer öffentlichen Missbilligung kommt.13 Auch auf EU-Ebene wird Publizität für ihre Eigenschaften gelobt, ein leichteres, flexibles und anpassungsfähiges regulatorisches Umfeld zu schaffen und zugleich einfach durchzusetzen und somit praktisch effektiv zu sein.14 Auf die Zweckmäßigkeit der Einführung bestimmter pflichtenspezifischer Offenlegungsmechanismen im deutschen Recht wurde bereits oben an entsprechenden Stellen hingewiesen. Abschließend ist daher festzuhalten, dass es im Hinblick auf künftige Reformen der Corporate Governance als interessante Alternative erscheint, anstatt auf die bisher wenig erfolgreiche Durchsetzung der Geschäftsleiterpflichten im prozessualen Wege zu vertrauen, eine Systematisierung derselben in einem gesetzlichen Pflichtenkatalog anzustreben. In Verbindung mit einem funktionie___________ 12 Vgl. auch die von der Deutschen Bank vorgestellte Studie des Institut für Demoskopie in Allensbach, wonach 65 % der Führungskräfte des Mittelstands von der Übertragbarkeit des DCGK auf größere Mittelständler ausgehen und sich von mehr Transparenz Erleichterungen bei der Kapitalbeschaffung erhoffen. Als positives Signal gegenüber Kapitalgebern, Lieferanten und Abnehmern hält die Einhaltung bestimmter Mindeststandards auch der „Bremer Initiativkreis Corporate Governance für den deutschen Mittelstand“; s. FAZ v. 10.4.2002 S. 24. 13 Loss, in: Hopt/Teubner, Corporate Governance and Directors’ Liabilities, S. 327 ff.; Stevenson, Corporations and Information – Secrecy, Access and Disclosure, S. 79 ff., 157 ff.; kritisch hingegen Sealy (1981) 2 Co Law 51. 14 Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe (2002),Chapter II.3.
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renden Offenlegungssystem, das den Grad der Erfüllung dieser Pflichten für jeden Gesellschafter transparent macht, entstünde damit ein ex ante wirkender Kontrollmechanismus, der sich die selbstregulierenden Kräfte der Märkte zu Nutze macht. Bei Umsetzung der Vorschläge im Rahmen eines gesetzlichen Pflichtenkatalogs für Geschäftsleiter wäre daher die Hoffnung berechtigt, dass Rechtsklarheit und Transparenz in Verbindung mit den Kräften des Kapitalmarktes die präventive Wirkung des Haftungssystems und damit das Investitionsklima in Deutschland nachhaltig verbessern werden.
7. Kapitel
Zusammenfassung und Ergebnisse Die abschließende Zusammenfassung läßt sich mit dem für rechtsvergleichende Untersuchungen so typischen Hinweis auf die grundsätzlich vorgefundene Ähnlichkeit der Rechtssysteme einleiten. Die Fülle der diskutierten Geschäftsleiterpflichten – mag sie in der konkreten Art der Darstellung und Systematisierung zunächst unübersichtlich und länderspezifisch erscheinen – läßt sich bei genauem Hinsehen auf eine Hand voll gemeinsamer Fallgruppen zurückführen. Dies sind neben der Sorgfaltspflicht die Loyalitätstatbestände: Handeln im Unternehmensinteresse, Verhalten bei Übernahmeangeboten, eigenverantwortliches Handeln, Interessenkonflikte, Wettbewerbsverbot, Geschäftschancenlehre, Vergütung und konzernspezifische Loyalität. Dies verwundert nicht, denn „darauf, daß die Lösungen einer positiven Rechtsordnung häufig Antworten auf allgemeine Rechtsprobleme sind, die sich in gleicher oder vergleichbarer Weise allen oder den meisten Rechtsordnungen stellen, beruht die Möglichkeit und die Fruchtbarkeit der Rechtsvergleichung…“1 Erst im Detail schlagen sich die unterschiedliche Tradition, Entstehungsgeschichte sowie rechtlicher Kontext nieder und geben Anlaß, die eigenen Lösungsansätze zu überdenken. Angefangen bei der Grundsatzfrage der Unternehmensziele fällt auf, dass das Festhalten an dem konturlosen und kaum justiziablen Begriff des Unternehmensinteresses zur Zeit noch die Rolle schwächt, die den deutschen Organpflichten bei der Kontrolle der Geschäftsleiter zukommen könnte. Die Trennung von Leitung und Aufsicht kommt der deutschen Dogmatik hingegen ebenso zugute, wie die Sonderregeln für die typischerweise kleineren, geschlossenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Differenzierung führt idealerweise zu maßgeschneiderten Verhaltenssätzen, die eine unangemessene Belastung der Adressaten vermeiden, diese aber zugleich in ihren typischen Aufgabenbereichen um so stärker in die Pflicht nehmen. Während die Company also beispielsweise nach einem Kompromiss zwischen der traditionellen Satzungsfreiheit und der Herrschaft der Gesellschaftergesamtheit einerseits sowie der vom Kapitalmarkt geforderten autonomen Verwaltungsspitze andererseits verlangt, stellt das deutsche Recht zwei unterschiedliche Gesellschaftsformen mit der jeweils passenden Pflichtenbindung zur Verfügung. Während man in England auf der Gleichbehandlung aller Direktoren besteht, dabei aber die Überforderung der non-executive directors durch den neuen ___________ 1
Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 15.
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Combined Code 2003 und die immer schärferen Sorgfaltsanforderungen fürchtet, kann das deutsche Recht die Sorgfalt der Aufsichtsratsmitglieder auf die eines ordentlichen Kontrolleurs beschränken und ihm zudem spezifische Kontrollaufgaben zuweisen. Im Bereich der Sorgfaltspflicht setzt sich ebenfalls der deutsche Ansatz durch, der den Tatbestand einheitlich objektiv formuliert und dabei einen Mindeststandard an fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, an Intensität des Arbeitseinsatzes und an Überwachungspflichten bei Aufgabendelegation festlegt. Zugleich ist die hier vorgesehene Haftungserleichterung des „unternehmerischen Ermessens“ an konkrete, justiziable Kriterien geknüpft und bereits in den Tatbestand integriert, was für Rechtssicherheit und genügend Anreize für unternehmerische Risikofreude sorgt. Ganz anders fällt die Auswertung im Bereich der Loyalitätspflichten aus: mit dem Common Law und den Erkenntnissen des Company Law Review eröffnet sich dem Kontinentaljuristen eine Schatztruhe dogmatischer Raffinessen, die schon bei der grundsätzlichen Trennung in einzelne Unterlassungs- und Handlungspflichten mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen anfangen. Hinzuweisen ist vor allem auf den strengen Umgang mit politschen Spenden, das mehrfach abgesicherte Behinderungsverbot bei Übernahmeangeboten, die extreme Transparenz im Umgang mit Interessenkonflikten und die starke Bindung der Direktorenvergütung an den Willen der Gesellschafter. Hinzu kommt das umfassende und rigorose Verbot der heimlichen Bereicherung aufgrund der Organstellung, welches sich zu Recht auf die Verwertung von Informationen erstreckt und die Unfähigkeit der Gesellschaft zur Wahrnehmung einer Geschäftschance als Rechtfertigungsgrund ablehnt. Nicht überzeugen kann lediglich der britische Umgang mit konzernrechtlichen Fragestellungen, der nur punktuell den herkömmlichen Gläubiger- und Minderheitenschutz erweitert, ohne den Beteiligten ein Instrument zur Verfügung zu stellen, mit dem sie sich zum Preis eines verschärften Haftungsregimes für eine einheitliche Konzernleitung entscheiden könnten. Die Darstellung der Geschäftsleiterpflichten im Kontext der Freistellungsmöglichkeiten hat ferner ergeben, dass die Strenge des englischen Ansatzes nur geringfügig durch die Möglichkeiten der Haftungsfreistellung durch einfachen Gesellschafterbeschluss – nach neuesten Reformplänen gar durch BoardBeschluss – relativiert wird. Grund dafür ist zum einen die immer stärkere Koppelung der Haftungsfreistellung an die Unbefangenheit des jeweiligen Entscheidungsorgans. Zum anderen kommt hier die Prämisse der Untersuchung zum Tragen, dass die beste Wirkung einer Haftungssystems präventiver, disziplinierender Natur ist und auf der Wahrnehmung der Pflichten durch deren Adressaten beruht. Dieser dürfte die bloße Möglichkeit einer nachträglichen Entlastung kaum als Freibrief für ein an sich pflichtwidriges Verhalten empfinden, zumal er in Zeiten gesteigerter Transparenz mit einer irreparablen Schädigung seiner Reputation im Verlauf eines solchen Verfahrens rechnen muss. Daraus folgt allerdings nicht, dass die präventive Verhaltenskontrolle auch ohne jede
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Sanktionsandrohung auskommt. Die Auseinandersetzung mit den Rechtsfolgen der Organhaftung hat vielmehr gezeigt, dass vor allem in den schwer greifbaren Bereichen der Interessenkonflikte und Geschäftschancen die Herausgabe aller vom Geschäftsleiter persönlich erlangten Vorteile angeordnet werden muss, um die Verbote nicht schon aufgrund eines für die Gesellschaft nahezu unmöglichen Schadensnachweises völlig leer laufen zu lassen. Notwendig ist ferner eine zumindest kleine, aber doch realistische Möglichkeit der Durchsetzung solcher Sanktionen. Davon kann hierzulande zur Zeit nicht die Rede sein, sieht man von der unsachgemäßen Verlagerung der Organhaftungsprozesse auf die Strafgerichte ab. In diesem Zusammenhang ist hier auf die wichtigen Rechtsbehelfe der derivative action, disqualification und unfair prejudice hingewiesen worden, mit denen nicht nur ein Haftungsrisiko geschaffen wird, sondern auch höchstrichterliche Standards gesetzt werden, deren verhaltenssteuernder Effekt deutlich größer ist als bei rein wissenschaftlicher Aufarbeitung. Die Untersuchung hat schließlich gezeigt, dass das tatsächlich wahrnehmbare und somit disziplinierende Risiko um so größer ist, je klarer der Betroffene die entsprechende Verhaltensregel und seinen Verstoß hiergegen vor Augen hat, und dass das Risiko verschwimmt, solange sich der Adressat in einer rechtlichen Grauzone wähnt. Zu bevorzugen ist deshalb die Kommunikation der Erwartungen durch Aufstellung eines hinreichend abstrakten gesetzlichen Pflichtenkatalogs. Zwar kommt bei Strukturfragen der Corporate Governance im weiteren Sinne grundsätzlich auch ein unverbindlicher Verhaltenskodex in Betracht. Jedoch erscheint in dem juristisch heiklen und ökonomisch bedeutenden Bereich der Geschäftsleiterhaftung ein besonders hohes Maß an Rechtssicherheit und demokratischer Legitimation erforderlich, weshalb hier auch die britischen Juristen von ihrer bevorzugten Regelungstechnik des Soft Law abzuweichen gedenken. Überregulierung sollte auch bei kleineren Gesellschaften nicht als Argument gegen einen solchen Pflichtenkatalog gelten: Bei den Grundsätzen der Geschäftsleiterhaftung handelt es sich ohnehin um zwingendes, unflexibles Recht, das lediglich zugunsten von mehr Rechtssicherheit und -klarheit, auf dem Weg zu einer effektiveren Unternehmensleitung, in eine neue Form gegossen werden soll.
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Sachwortverzeichnis Actio pro societate 483 Aktionärsklage 478 Aufsichtsrat 82 – Abberufung 86 – Anstellungsverhältnis 92 – Beratungsfunktion 89 – Bestellung 85 – Geschäftsführungsbefugnisse 92 – Mitbestimmung 82, 101 – Überwachungsaufgabe 88, 210 – Vorsitzender 87 – Zugangsvoraussetzungen 83 – Zustimmungsvorbehalt 90 Aufsichtsrat der GmbH siehe Beirat Aufsichtsratssystem 97 Außenhaftung 34 Beirat 93 – Funktion 94 – Mitbestimmung 93 Bestechung 294, 297, 381 Bezugsrechtsausschluss 247, 257 Board of Directors 49 – Cadbury Report 61 – Combined Code 63, 65, 144, 145 – Greenbury Report 63 – Hampel Report 63 – Higgs Report 65 – Smith Report 65 – Verfahren 54 Business Judgment Rule 159, 193, 208, 217, 227, 230 City Code on Takeovers and Mergers 144, 248 Combined Code 63, 65, 144
Company 44 – Articles of association 48, 143 – Board of Directors 49 – Company Secretary 56 – General Meeting 50, 57 – Gewaltenteilung 57 – Limited 38, 45 – Limited by guarantee 44 – Limited by shares 44, 45 – Listed 250 – Organe 50 – Phoenix Company 414 – Private (Limited) Company 38, 45 – Public (Limited) Company 45 – Table A 49 – Unlimited 44 Company Law Reform Bill 40 Company Law Review 39 – Company Law Reform Bill 40 – Steering Group 39 Company Secretary 56 Compensation 408 Competing directorships 282 Constructive Trust 410 Corporate Governance 25 – Großbritannien 37 Corporate Opportunity Doktrin siehe Geschäftschancenlehre Corporate reputation 131 Corporate social responsibility 128, 130 D&O-Versicherung 418, 458, 462 Damages 408 Derivative Action 431, 490 – Definition 425, 431, 435 – Kosten 436
522
Sachwortverzeichnis
– Reform 446 – Zulässigkeitsvoraussetzungen 437 Deutscher Corporate Governance Kodex 177 Director 50, 105 – Abberufung 52, 409, 484 – Als Agent 106 – Als Fiduciary 108 – Als Treuhänder 105, 106 – Anstellungsvertrag 299 – Bestellung 51 – Chairman 55 – Chief Executive Officer 55 – De Facto Director 139 – Delegationsbefugnis 59 – Entstehungsgeschichte des Amtes 105 – Executive Director 54 – Leitungsfunktion 50 – Managing Director 55 – Nominee Director 236, 261 – Non-Executive Director 55, 61, 220 – Shadow Director 138, 221 – Unabhängigkeit 63, 66 – Und das General Meeting 57 Disqualification 116, 144, 413, 486 Durchsetzung der Rechtsfolgen 425, 472, 490 Einstweilige Verfügung 451, 484 Eintrittsrecht 450 Enlightened shareholder value 43, 123, 131 Entlastung 421, 463 Entsprechenserklärung 171 Financial Services Authority 64, 248 Fraudulent trading 116, 142 Funktionale Konvergenz 97 General Meeting 50, 57 – Reserve-Zuständigkeit 60 Geschäftschancenlehre 283, 373, 387 Geschäftsführer 76
– Abberufung 79 – Anstellungsvertrag 81 – Bestellung 78 – Rechtsstellung 80 – und die Gesellschaftergesamtheit 77 Gewinnabschöpfung 412, 450 Gläubigerinteressen 114 Gleichbehandlungsgebot 125, 235, 311 Großbritannien – Corporate Governance 37 – Reform des Gesellschaftsrechts 39 – Selbstregulierung 37, 48 Haftung 32 – Versus pflichtenbasierte Kontrolle 32, 38, 494 – Wirkungen 32 Haftungsfreistellung 418, 456, 488 Injunction 408 Insolvenz 115, 142, 413 Interessenkonflikt 261, 278 Klagezulassungsverfahren 475, 491 Legalitätspflicht siehe Rechtmäßiges Handeln Limited 38, 45 Listing Rules 64 Loan 276 Loyalitätspflichten 109, 307 Misfeasance proceedings 116 Missbrauch der Vertretungsmacht 453 Mitbestimmung 82, 101 Neutralitätspflicht 248, 320, 323, 334, 336 Non-frustration rule siehe Neutralitätspflicht Objects clause 143 Officer 139
Sachwortverzeichnis Panel on Takeovers and Mergers 248 Partnership 44 Pflichten – Abschließende Regelung 42 – Anwendungsbereich 138, 167, 200, 220 – Arbeitseinsatz 182, 204, 213, 218, 225 – Aufgabendelegation 183, 205, 213, 218, 226 – Business Judgment Rule 159, 193, 208, 217, 227, 230 – Care 145 – Diligence 153 – Duties of care and skill 135 – Duty not to accept benefits from third parties 297 – Duty to act within powers 164, 255 – Duty to avoid conflicts of interest 279, 296 – Duty to declare interest in proposed transaction or arrangement 278 – Duty to exercise independent judgment 261 – Duty to exercise reasonable care, skill and diligence 164 – Duty to promote the success of the company 239 – Eigenverantwortliches Handeln 342 – Fachkenntnisse 182, 204, 211, 224 – Fiduciary Duties 109, 229 – Finanzierung 179 – Fraudulent trading 142 – Frühwarnsystem 180, 203 – General Duties of Directors 41 – Geschäftschancenlehre 283, 373, 387 – Geschuldet gegenüber der Gesellschaft 109 – Gesetzliche Spezialpflichten 142, 170, 201, 209, 223 – Gesetzlicher Katalog 41, 494 – Gleichbehandlungsgebot 125, 235, 311 – Handeln im Unternehmensinteresse 310
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– Handeln in gutem Glauben 231 – Im Konzern 189, 207, 215, 226, 306, 401, 405 – Interessenkonflikt 261, 278, 346, 360 – Justified reliance 155 – Konkretisierung 35, 219 – Konkurrenzen 170 – Kredit 350, 354, 356 – Loyalitätspflichten 109, 307 – Modifikation durch Verhaltenskodizes 144, 176, 224 – Neutralitätspflicht 248, 320, 323, 334, 336 – No-competition rule 280 – No-conflict rule 261 – No-fettering rule 258 – No-profit rule 283, 296 – Objektiv-subjektiver Sorgfaltsmaßstab 150 – Organisationspflichten 147, 174, 180 – Proper-purpose-Test 239 – Rechtmäßiges Handeln 140, 169, 201, 209, 223 – Rechtsfolgen 407 – Skill 147 – Sorgfaltspflicht 165, 200, 209, 217 – Subjektiver Sorgfaltsmaßstab 147 – Systematik 165, 219, 229, 307 – Überwachungspflicht 157, 186, 206, 226 – Verschulden 191, 207, 216, 219, 227, 230 – Verschwendungsverbot 181 – Verschwiegenheitspflicht 171, 376, 383, 384 – Wettbewerbsverbot 280, 368, 386 – Wrongful trading 115, 142 Pflichtenkatalog 41, 494 Principal-Agent-Problem 28 Private (Limited) Company 38, 45 Public (Limited) Company 45 Quasi-Loan 276
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Sachwortverzeichnis
Rechtsfolgen 448, 483 – Durchsetzung 425, 472, 490 Register of Directors 142 Related Party Transactions 274 Rescission of contract 411 Schadensersatz 448, 484 Shadow Director 138 Shareholder-Modell 110, 126, 234 Spenden 237, 314, 319, 441 Stakeholder-Modell 122, 127 Steering Group 39 Strafrechtliche Sanktionen 413, 454, 485 Substantial Property Transactions 274 Table A 49 Treuepflichten siehe Loyalitätspflichten Übernahmeangebot 248, 320 Übernahmegesetz 320, 323 Übernahmekodex 177 Übernahmerichtlinie 320 UMAG 196, 475 Unfair Prejudice 442, 492 Unterlassungsklage 478, 484 Unternehmensgegenstand 174 Unternehmensinteresse 35, 127 – Arbeitnehmer 120, 125 – Auswirkungen auf Geschäftsleiterhaftung 131 – Corporate reputation 131
– Einzelne Gesellschafter 112 – Enlightened shareholder value 43, 123, 131 – Gesellschaftergesamtheit 110 – Gläubiger 114 – Konzerngesellschaften 114 – Shareholder primacy 111 – Shareholder-Modell 110, 126, 234 – Stakeholder-Modell 122, 127 – Vorrang der Gesellschafterinteressen 122, 128 Vergütung 297, 391, 398 Verschulden 145, 191, 207, 216, 219, 227, 230 Vorstand 69, 70 – Abberufung 72, 484 – Anstellungsvertrag 74 – Bestellung 71 – Faktisches Organ 167 – Fehlerhaftes Organ 167 – Gesamtgeschäftsführung 73 – Gesamtvertretung 73 – Kollegialprinzip 73 – Leitungsfunktion 75 – Organisationsmodelle 183 – Vorsitzender 72 VorstOG 394 Wettbewerbsverbot 280, 368, 386 Wrongful trading 115, 142