261 77 11MB
German Pages 136 [155] Year 1888
Entscheidungen des
Ober-Seeamts und der Seeämter des
Deutschen Reichs. Herausgegeben tm
Reichsamt des Innern.
Siebenter Band. t?eft V
Hamburg. Druck und Verlag von £. Friederichsen & Lo. 188*7.
Inhalt
V Spruch des Seeamts zu Lübeck vom 4. Dezember 1885 und Entscheidung des Kaiser
lichen Ober-Seeamts vom 20. Mai 1886, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Nord" von Lübeck
\
2. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 18. Dezember 1885 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 21. Mai 1886, betreffend den Seeunfall der Schaluppe - ....
„Marie" von Greifswald
....................................................
Z. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 29. Januar 1886
5
und Entscheidung des
Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 22. Mai 1886, betreffend den Seeunfall der Bark „Friedchen" von Stralsund
|0
q. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 6. Mai 1886, betreffend den Zusammenstoß des
Schooners „Auguste" von Ziegenort mit dem Schooner „Mazzini" von Barth 5. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 7. Mai 1886, betreffend den Seeunfall des
Schooners „Emma Auguste" von Barth...............................................................................
25
6. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 8. Mai 1886, betreffend den Seeunfall des Schooners „Ettjea" von Ditzum
27
7. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 21. Mai 1886, betreffend den Seeunfall der Brigg
„Hermann Friedrich" von Rostock
32
8. Spruch des Seeamts zu Emden vom 22. Mai 1886, betreffend den Seeunfall des
niederländischen Schooners „Nieuwediep"
...........
36
9. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 29. Januar 1886 und Entscheidung des Kaiser lichen Ober-Seeamts vom
1. Juni 1886, betreffend den Seeunfall des Schooners
„Martha" von Stralsund
...............................................................................................
40
10. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 6. Januar 1886 und Entscheidung des Kaiser lichen Ober-Seeamts vom 2. Juni 1886, betreffend den Seeunfall der Schoonerbrigg
47
„Christiane" von Kiel
11. Spruch des Seeamts zu Danzig vom 6. Juni 1886, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Annie" von Danzig
54
12. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 12. Juni 1886, betreffend den Seennfall der
Bark „Maria" von Barth
...............................................................
62
13. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 15. Juni 1886, betreffend den Seeunfall der
Jacht „Caroline" von Burg a./F
................
68
Spruch des Seeamts zu Hamburg vom i?. Juni 1886, betreffend den Seeunfall des
Schraubendamxfers „Johann" von Hamburg
........................................
(Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags.)
75
b Spruch des Seeamts zu Lübeck vom 4« Dezember 1885 und Entscheidung des Kaiserlichen Gber-Seeamts vom 20. Mai 1886, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Nord" von Lübeck. Der Spruch des Seeamts lautet: Die am 18. September 1885 erfolgte Strandung des Schraubendampfers „Nord" ist durch eine auf grober Un aufmerksamkeit des Schiffers Faafch beruhende Verwechselung von Seezeichen verursacht. Dem Anträge des Reichscommissars, dem Schiffer Faasch das Schifferpatent zu entziehen, wird nicht stattgegeben. Gründe. Der in Lübeck heimathsberechtigte eiserne Schrauben dampfer „Nord", Unterscheidungssignal PBGD, vermessen zu 558,s cbm gleich 197,’6 britischen Register-Tons Netto-Raumgehalt, Eigenthum der deutsch-schwedischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft, geführt vom Schiffer Faasch, trat am U. September 1885 eine Reise von Kotka in Finnland nach Morsens an. Der Dampfer passirte am 18. September 1885 Nachmittags % Uhr 15 Minuten den an der Nordspitze der Insel Fühnen befindlichen Priesen von Fyenshoved in einer halben Seemeile Abstand, um Uhr 30 Minuten den nächsten priesen in einer Kabellänge Abstand und gerieth bald darauf, in nordwestlicher Richtung steuernd, zwischen dem zweiten und einem dritten Priesen auf der dortigen Untiefe Lillegrund fest. Es war ruhige See und Heller Sonnenschein. Der Schiffer führte das Tommando. Neben ihm befand sich der Steuermann Buckentin auf der Tommandobrücke. Am folgenden Tage wurde der „Nord", ohne wesentlichen Schaden genommen zu haben, durch den Bugsirdampfer „Karteminde" für einen preis von 20000 Kronen abgebracht. In der Strandungsgegend befanden sich damals folgende vier Seezeichen: nahe an der Küste eine Stange mit Doppelbesen; an der Südostseite des Lillegrund eine rothe Bakentonne mit rother Stange und Besen; am Nordende des Lillegrund eine Treibbake mit weißer Stange, Besen und rothem Ballon; bei Bolsaxen Steingrund eine VII. 1
2
Schraubendampfer Nord.
Bake mit Doppelbesen.
Im April
J885 ist
zweite Priesen,
der
welcher bis dahin an der Gstseite des Lillegrund gestanden hatte, an
seine jetzige Stelle, die Südostseite, versetzt.
Gleichzeitig wurde das
dritte Seezeichen, die bis dahin nicht vorhanden gewesene Augelbake, am Nordende des Lillegrund neu ausgelegt.
Das richtige Fahrwasser ist zwischen dem dritten Seezeichen, der Augelbake
und
dem
vierten,
dem Bolsaxen-Pricken,
während
der
„Nord" zwischen den zweiten und dritten priesen gefahren ist. Der Schiffer Faasch giebt behufs Entschuldigung seines falschen
Turses an, er habe von der Versetzung des zweiten und der Auslegung des neuen dritten Priesen keine Aenntniß gehabt, infolge dessen den
zweiten Priesen für den auf der Aarte an der Gstseite des Lillegrund vermerkten Besenprieken, und den dritten priesen für den Bolsaxen-
Doppelbesen gehalten und deswegen seinen Lurs so,
genommen.
wie geschehen,
Das Seeamt bezweifelt nicht die Wahrheit dieser Angaben,
hält aber aus folgenden Gründen den Irrthum des Faasch für un
entschuldbar. Die hiesige
Handelskammer läßt
alle
für die
Gstseeschiffahrt
wichtigen Bekanntmachungen, insbesondere die auf die Seezeichen sich
beziehenden,
abdrucken
kostenfrei zustellen. Faasch
und
einen
Abdruck jedem
hiesigen Schiffer
Das Ende April 1885 ausgegebene, dem Schiffer
geständigermaßen eingehändigte Blatt No. U9 enthält die
Anzeige, daß im Laufe des Sommers die an der Gstseite des Lillegrund
befindliche rothe Bakentonne mit rother Stange und Besen an die Südostseite verlegt und eine Treibbake mit weißer Stange, Besen und
rothem Ball am Nordende des Lillegrund ausgelegt
werden
solle.
Die erfolgte Ausführung dieser Maßregeln ist in der Anfang Juni ausgegebenen
No. [20 angezeigt.
Schiffer
Faasch
behauptet,
die
No. [20 und \2\ — welche während seiner Abwesenheit von hier erschienen sind — vor September nicht erhalten und nicht gelesen zu
haben.
Das mag vielleicht richtig sein.
Aber Faasch hätte, als er
bet seiner am H. August erfolgten Heimkehr nach Lübeck die No. [22
vorfand, das Fehlen der No. [20 und [2[ erkennen und diese Nummern sich verschaffen sollen, was mühelos und kostenfrei im Büreau der Handelskammer
geschehen
konnte.
Er trat am
30. August seine
Reise nach Aotka an und wußte damals bereits, daß er von Aotka direct nach Morsens fahren werde.
dahin noch nie passirt.
Den
großen Belt hatte er bis
Unter diesen Umständen war er in hervor
ragendem Maße verpflichtet, während er vom 2^. bis 30. August in Lübeck sich
aufhielt,
über
die Seezeichen
des ihm unbekannten
5
Schraubendampfer Nord.
Fahrwassers sich sorgfältig zu unterrichten, nicht schlechthin auf seine
im Jahre s885 erschienene dänische Seekarte sich zu verlassen, sondern auch nach den im Laufe dieses Jahres erfolgten Veränderungen der Seezeichen sich
zu erkundigen und nach Maßgabe
Karte zu berichtigen.
derselben
seine
Die Versäumniß dieser Pflicht ist sehr tadelns-
werth, umsomehr, als Schiffer Faasch sich erinnern mußte, daß im
April die Aenderung der fraglichen Seezeichen als bevorstehend be zeichnet war.
Was sodann das Verhalten des Schiffers Faasch am \8. September
J885 unmittelbar vor der Strandung betrifft, so behauptet derselbe, er habe wegen der Sonnenstrahlen und der glänzenden Wasserfläche
nicht erkannt und nicht erkennen können, daß der von ihm erblickte dritte priesen einen rothen Ballon gehabt, also von dem einen Doppel
besen tragenden Bolsaxen-Pricken sich unterschieden habe.
Die Glaub
würdigkeit dieser Angabe unterliegt erheblichen Bedenken,
jedenfalls
hat Schiffer Faasch geständigermaßen erkannt, daß der von ihm um
Uhr fö Minuten erblickte erste Priesen
der auf seiner Seekarte
vermerkte, nahe an der Nordspitze Fühnens befindliche Priesen war.
Also wußte er bei dem Passiren dieses Prickens genau, an welcher Stelle er sich befand.
Die Stelle, an welcher der Schiffer Faasch
seinen Jahren unter Führung des Schiffers lsermann Weiß aus Brenren. Nach Angabe des Letzteren wurde das Schiff hauptsächlich zu Reisen zwischen l)äfen irr der Nordsee, Ostsee sowie an der spanischen und portugiesischen Rüste benutzt und hat sich auf allen früheren Reisen als ein sehr gutes Seeschiff bewährt. Als der hier fragliche Unfall sich ereignete, war das Schiff auf einer Reise von Lissabon nach Vlaardingen begriffen. Nach Angabe des Schiffers hatte er die näinliche Reife schon häufiger mit dem „Repler" gemacht. Die Ladung bestand aus ^80 Tons Salz und etwa 20 Tons Rorkholz. Der Tiefgang betrug \2 Fuß 7 Zoll vorn und Fuß 5 Zoll hinten, bei reichlich \ Fuß Freibord mittschiffs. Nach Versicherung des Schiffers ist das Schiff nicht zu tief beladen gewesen und hat auf früheren Reisen gleich schwere Ladungen geführt. Die Abreise von Lissabon fand am 2{. April statt. Am 23. April Mittags befand sich das Schiff nach den gehabten Beobachtungen auf ^6 Grad Fuß Nordbreite und 6 Grad H8 Fuß Westlänge. Gs wurde sodann NV VjZx nach dem Rompaß gesteuert und 3k Strich östliche Ablenkung berechnet; eine unt 4 Uhr Nachmittags genommene Länge stimmte mit dem gesetzten Turse. Ferner stimmte eine um l l Uhr Abends genommene Nordsternbreite genau mit der Loggrechnung. Nach Versicherung des Schiffers und des Steuermanns ist die in Rechnung gebrachte Deviation richtig und das benutzte Chronometer
zuverlässig gewesen. Um \2 Uhr 30 Minuten Nachts (24. April) wurde die Luft, welche bis dahin völlig klar gewesen war, etwas nebelig. Um \ Uhr 30 Minuten wurde der inzwischen ununterbrochen gesteuerte NV VrN Curs auf NDzN per Compaß unter Berechnung einer gleichen Deviation wie vorhin umgeändert. Bis etwa um 2 Uhr wurde mit voller Rraft gefahren. Das Schiff hatte dabei einen Fortgang von 7'ii Rnoten. Bald nach 2 Uhr kani dicker Nebel auf, worauf der Schiffer Weiß, welcher feit Mitternacht die Wache hatte, den in der Maschine aus Wache befindlichen ersten Maschinisten Hamann anwies, den Dampf etwas fallen zu lassen. Nachdenr dieser Anweisung stattgegeben war, hatte das Schiff einen Fortgang von etwa 6 Rnoten. Um etwa 3 Uhr (5 Minuten wurde ein Geräusch wie das Rochen eines starken Stromes gehört, weshalb der Schiffer WSW steuern und langsam fahren ließ. Als etwa 5 Minuten später in nördlicher Richtung eine andere Stromkabbelung gehört wurde, ließ der Schiffer SW steuern und die Maschine mit voller Rraft
Schraubendampfer Aepler.
99
arbeiten, auch gab er den Befehl, das Loth klar zu machen. Etwa JO Minuten später erfolgte ein Stoß, welcher ein sofortiges Leckwerden des Schiffes zur Folge hatte. Der Schiffer gab darauf den Befehl, die ganze Mannschaft an Deck zu rufen und die Boote klar zu machen. Der Maschinist, welcher beim Ausstößen des Schiffes die Maschine auf „langsam" gestellt hatte, und dann an Deck gesprungen war, hörte den Befehl zum Alarmachen der Boote, sah auch, daß das Schiff im Sinken war und eilte deshalb in den Maschinenraum zurück, um die Maschine zu stoppen und die Sicherheitsventile zu öffnen. Als dies geschehen war, eilte er mit den noch unten befindlichen Heizern an Deck; dort war man bei dem Alarmachen der Boote beschäftigt. Das Backbordboot wurde zuerst zu Wasser gebracht. Der Steuermann und einige Leute machten sich dann daran, das Steuerbordboot klar zu machen; bevor sie dies jedoch bewerkstelligt hatten, sank der Dampfer und mit ihm das Boot in die Tiefe. Der größte Theil der Besatzung hatte sich vorher in das Backbordboot gerettet. Der erste Maschinist rettete sich in der Meise, daß er in das Wasser sprang und dem Boote nachschwamm. Der Steuermann hielt sich, als das Schiff untersank, an den Pardunen fest, ging zunächst mit unter, ließ sich aber los, als ihm die Luft ausging, kam an die Oberfläche und wurde, nachdem er sich eine Meile schwimmend über Masser gehalten hatte, vom Backbordboot ausgenommen. Die übrigen 3 Leute, welche beim Steuerbordboot beschäftigt gewesen sind, sind nicht wieder zum Vorschein gekommen und ohne Zweifel ertrunken. Es waren dies die Matrosen Mierendorff und Niemeyer aus Lübeck und der Heizer Gehls aus Rostock. Die geretteten Personen blieben noch einige Zeit in der Nähe der Unfallstelle und ruderten dann bei aufklarender Luft denr Lande zu. Der im Vorstehenden dargelegte Sachverhalt ergiebt sich aus den Aussagen des Schiffers Weiß, des Steuermanns Bauer, des ersten Maschinisten Hamann, des Bootsmanns Haefke, des Matrosen Wettermann und des Heizers Möller sowie aus der beim Handels gericht in HLvre abgelegten Verklarung. Durch einen Bericht des Comniissaire de Flnscription Maritime zu Tonquet wird bestätigt, daß in der Nacht vom 23. auf den 24-. April in den Gewässern von Tuessant ein dichter Nebel geherrscht hat. Zn dem Bericht wird ferner angegeben, daß in der nämlichen Nacht auch ein englischer Dampfer, welcher nach Angabe des Schiffers Weiß den Namen „Norham" geführt hat, bei Hueffant untergegangen, und daß auf Grund verschiedener Anzeichen anzunehmen sei, daß der Untergang
100
Schraubendampfer Kepler.
des „Kepler" im Fromveur an der Stelle, welche Men—ar—Front! heiße, stattgefunden habe. Schiffer Weiß und Steuermann Bauer haben die Strandungsstelle nicht näher zu bezeichnen vermocht, jedoch lassen ihre sonstigen Angaben es wahrscheinlich erscheinen, daß die im erwähnten Bericht ausgesprochene Ansicht richtig ist. Schiffer Weiß hat noch Folgendes ausgesagt. ic Umstände, unter denen derselbe erfolgte, weichen die Aussagen der beiderseitigen Besatzungen in wesentlichen Punkten von einander ab. a. Nach dem Schiffsjournal des „Georg Becker" und den damit übereinstimmenden eidlichen Angaben des Schiffers Staben und seiner Mannschaft zum Verklarungsprotokolle d. d. Gefle s3. August 1883 sowie nach der Aussage des Schiffers und des Schiffszimmermanns Garloff in heutiger Hauptverhandlung bemerkte der letztere, welcher auf dem Ausguck stand, bald nach p Uhr Abends voraus das weiße Toplicht eines Dampfers. Er ließ dies dem auf dem Quarter deck befindlichen Schiffer durch den Jungen melden. Als letzterer zu ihm zurückgekommen war, gewahrte er auch das rothe Licht des fremden Schiffes und zwar ungefähr 2 Strich an Steuerbord seite. Dies meldete er persönlich dem Schiffer, welcher ebenso wie der am Ruder stehende Matrose Wilken inzwischen gleichfalls das rothe Licht jenes Schiffes 2 Strich an Steuerbordseite, gleich darauf aber auch das Toplicht eines anderen, weiter westlich stehenden Dampfers erblickt hatte. Schiffer Staben ließ nun das Ruder zunächst ein wenig, und als der zuerst gesichtete Dampfer seinen Eurs festhielt, noch weiter nach Backbord legen,
109
Bark Georg Becker.
so daß die Bark ungefähr 2 Strich nach Steuerbord abfiel und der eben erwähnte Dampfer,
welcher noch immer sein rothes
Licht zeigte, an deren Backbordseite zu stehen kanr.
Nach etwa
2 bis 5 Minuten kam plötzlich das grüne Licht dieses Dampfers
in Sicht.
Schiffer Staben ließ jetzt das Ruder der Bark hart
nach Backbord überlegen, so daß 'die letztere bis WSW abfiel;
allein gleich darauf lief der Dampfer, welcher nachher als der „Bajan" erkannt wurde, an Backbordseite, nahe dem Großwant,
fast von hinten in dieselbe ein.
Die Besatzung der Bark, welche
bei der Stärke des Anpralls deren schnelles Sinken befürchtete, enterte auf die Korvette über, kehrte aber,
als sich diese von
der Bark freigemacht hatte, in Begleitung einiger Offiziere des „Bajan" an Bord ihres Schiffes zurück, auf welchem, wie eine
Untersuchung ergab,
vorläufige
die Regeling,
mehrere Stützen
und das Großstängestag gebrochen, diverse Segel zerrissen waren, und
das Deck begeben
fich
hatte, welches aber
kein Wasser
machte. Die vom Schiffer Staben verlangte Assistenz lehnte der
Kommandant der Korvette ab, worauf die letztere ihre Reise fortsetzte. Nachdem die Bark ihre Schäden nothdürftig reparirt
hatte,
setzte auch
sie ihre Reise fort und
sO. August 1(883 glücklich erreicht.
hat sie
Gefle
ant
Ueber den Zeitpunkt, wann
auf dem „Georg Becker" zuerst das Ruder nach Backbord gelegt
worden ist, stimmten die Aussagen des Schiffers Staben und des Zimmermanns Garloff in der Hauptverhandlung nicht völlig
überein.
Schiffer Staben will erst Backbordruder kommandirt
haben, als sich der Dampfer schon */$ Strich an Steuerbordseite
der Bark befand, er bereits dessen Masten erkennen konnte und überzeugt war, daß es nicht mehr freigehen könne. Zimmermann
Garloff meint dagegen, daß das Ruderlegen sofort, nachdem er seinerseits
dem Schiffer das Insichtkommen des rothen Lichtes
gemeldet habe, .geschehen sei, giebt aber zu, daß er die Meldung nicht unmittelbar nach dem Erblicken jenes Lichtes gemacht haben möge.
Der nur im Vorverfahren vernommene Matrose Wilken
hat sich nicht speciell über den in Rede stehenden Punkt aus
gesprochen.
Seine Aussage geht dahin:
Als der Zimmermann gemeldet habe,
daß in Lee ein
rothes Feuer sei, habe er letzteres selbst 2 Strich in Lee gesehen. Auf Anordnung des Schiffers habe er nun das Ruder etwas Backbord gelegt und als das fremde Schiff seinen Lurs
fortgesetzt habe, noch mehr nach dieser Seite hin.
HO
Bark Georg Becker.
b. Nach einem dem Seeamt durch Vermittelung der deutschen Botschaft in St. Petersburg zugänglich gemachten Bericht des obersten Marine-Militärgerichts daselbst über das Verhör der Offiziere und Matrosen des „23a j an" befand sich dieses Kriegsschiff am 3s. Juli ,883 Abends gegen H Uhr auf der Reife von Kopenhagen nach l)avre im Kattegat unweit der schwimmenden Feuerbake Laessoe. Die Korvette verfolgte NlVTurs und lief =• 7 */-> Knoten. Bald nach \ \ Uhr sah man von Bord derselben die grünen Lichter mehrerer Handelsschiffe, welche von Backbord nach Steuerbord kreuzten, weshalb der Kommandant, Kapitänlieutenant Grünwald, das Ruder nach Steuerbord legen ließ, damit die Schiffe an Steuerbordseite vorübersegeln könnten. So passirten die ersten 4 bis 5 Schiffe an Steuerbordseite; als aber das letzte Schiff quer über den Fockwanten der Korvette vorbeiging, sahen der wachthabende Offizier, Lieutenant Charitonow, und der an Bord befindliche Lootse (der englische Küstenlootse Sweeny, in Isavre wohnhaft) von der Kommandobrücke aus, daß sich das grüne Licht des Seglers plötzlich in ein rothes verwandle. 3n demselben Augenblick rief auch der auf der Back stehende Lieutenant Podaschkin, daß vor dem Bug der Korvette ein rothes Licht sei. Da das fremde Schiff schon zu nahe war, um noch das Ruder nach Backbord legen zu können, befahl der Kommandant dasselbe Steuerbord liegen zu lassen, und kommandirte unmittelbar darauf „Stopp" und „Rückwärts." Dies Kommando ward auch sofort ausgeführt, aber die Korvette war noch nicht zum Rückwärtsgehen gekommen, als schon die Kollision erfolgte, wobei das Bugspriet des „Bajan" in die Fock des Seglers fuhr, dessen Besatzung übersprang. Der Kommandant ließ die Bark untersuchen und da sich die Beschädigungen derselben lediglich auf die in der Länge von ungefähr 8 Fuß zwischen Groß- und Besahnmast zerbrochene Schanzkleidung und auf einige zerissene Takelage beschränkte, das Wasser im Raume aber nur = SV» Zoll betrug, die Besatzung zurückbringen, es dieser freistellend, ihre Reise fortzusetzen, Hätte der Führer der Bark deren Turs nicht nach Steuerbord verändert, so würde nach Ansicht der Offiziere des „Bajan" die Kollision vermieden
worden sein. Auartiermann Alexey Saigon hat vor der Untersuchungs kommission des Marine-Militärgerichts bezeugt, ungefähr f ( Uhr 30 Minuten Abends fei befohlen, das Ruder
Bark Georg Becker.
Backbord
nach
zu
m
unmittelbar darauf aber wieder
legen,
Steuerbordruder kommandirt, und kurze Zeit nachher sei der Zusammenstoß erfolgt;
Kapitänlieutenant Grünwald hat das als möglich zugegeben, aber versichert, daß die Korvette jedenfalls nicht dazu gekommen fei, Steuerbord abzudrehen,
nach
und Lieutenant Charitonow hat
ausgesagt,
der Lootse habe, als plötzlich das rothe Licht der Bark ungefähr
l bis 2 Vs Minuten vor der Kollision in Sicht gekonimen sei, gerathen, das Ruder nach Backbord zu legen, der Kommandant aber mit lauter Stimme befohlen, dasselbe Steuerbord zu lassen,
und diesen Befehl habe der Mann am Ruder hören müssen, weshalb er das letztere auch nicht nach Backbord gelegt haben
könne.
Die Untersuchungskommission
des Marine-Militärgerichts
ist zu folgendem Schluffe gelangt:
Nach internationalen Grundsätzen müsse ein Dampfschiff einem Segelschiffe
Darnach
ausweichen,
habe
der
dieses aber seinen
Kommandant
des
Curs festhalten.
„Bajan"
gehandelt,
während das Segelschiff mit seinen Manövern jene internationalen Vorschriften verletzt und es so dem „Bajan" unmöglich gemacht
habe, etwas anderes zu thun als Steuerbordruder beizubehalten, um
den nun unvermeidlichen Zusammenstoß thunlichst abzu
schwächen.
Der Kommandant
des „Bajan" sei vollständig
im Recht gewesen, und die Kollision allein auf die falschen Manöver der Bark zurückzuführen. Mit
dieser Ansicht der Untersuchungskommission hat sich
der Chef des Marineministeriums zu 5t. Petersburg einverstanden erklärt.
c.
Der englische Küstenlootse Sweeny zu Havre ist auf
diesseitige
Requisition
von
dem
dortigen Untersuchungsrichter
eidlich vernommen und hat ausgesagt:
Er sei zur Zeit der Kollision auf der Kommandobrücke des
„Bajan" gewesen und habe von dort aus zuerst das grüne Seitenlicht der Bark gesehen. Damals hätten beide Schiffe ungefähr ^00 bis 500 Meter von einander gestanden und fei von der Bark, soweit er das habe erkennen können, D5V
worden. Etwa 5 bis 6 Minuten später sei die Kollision erfolgt, wobei die Bark mitschiffs an Backbordseite gesteuert
zwischen Groß- und Besahiimast getroffen worden sei.
Un-
U2
Bark Georg Becker.
mittelbar vorher habe die Bark gerade nach Steuerbord über gegiert,
so daß er das am Hinterschiff angebrachte
rothe
Licht derselben habe sehen können.
Durch dies Gieren nach Steuerbord sei seiner Meinung nach der Zusammenstoß ver ursacht worden. grünen
Vorher hätten beide Schiffe gegenseitig ihre
Lichter gesehen;
Gurs festgehalten, so
hätten
dieselben ihren damaligen
würde Alles klar gegangen sein.
Um
die Kollision, wenn möglich, noch abzuwendcn, habe er die
und
U laschine stoppen
das Ruder Backbord
legen lassen,
hätte er das nicht gethan, so würde die Bark unzweifelhaft in den Grund gebohrt worden sein.
Die Bark habe richtig
gesteuert, um ihr rothes Licht zu zeigen, und sei darin in ihrem Recht gewesen; aber beide Schiffe hätten einander bereits zu
nahe gestanden,
als daß er das Manöver der Bark
nachmachen sönnen.
hätte
Denn hätte er das Ruder des „Bajan"
nach Steuerbord gelegt, so würde dieser der Bark 2 bis 5 Minuten
früher
die Breitseite eingerannt haben.
Gr habe
deshalb das Ruder nach Backbord gelegt, wodurch derZusammen-
ftoß gemildert worden fei, und erst nach dem letzteren, als der Dampfer bereits rückwärts gegangen, fei dasselbe nach Steuer
bord gelegt worden. II. Nach den Angaben des Lootsen Sweeny hat der Untersuchungs
richter zu Havre das nachstehende Diagramm angefertigt.
Geor
y Bajan
Bark Georg Becker.
H3
No. t, Der „Bajan" bemerkt das grüne Licht des „Georg Becker"; No. 2, der „Georg Becker" in dem Augenblick, wo er das grüne Licht des „Bajan" bemerken mußte; No. 3, der „Bajan" mit dem Ruder Backbord kollidirt mit dem „Georg Becker"; No. der „Georg Becker", wie er eingerannt, zeigt sein rothes Licht; No. 5, der „Bajan" dampft rückwärts mit Ruder nach Steuer bord, um sich los zu machen; No. 6 und 7, Pimft, wo nach Angabe des Lootsen die Kollision stattgefunden haben würde, wenn der „Bajan" das Ruder nach Steuer bord gelegt hätte. Aus dem vorstehenden Diagramm und den Erklärungen zu dem selben ergiebt sich unzweifelhaft, daß der Lootse Sweeny, wenn er von Steuerbord- und Backbordruder spricht, nicht die Ruderpinne, sondern das Ruder selbst im Auge gehabt hat. III. Bei der von dem deutschen Eonsul zu Gefle veranlaßten Besichtigung der Bark durch eine Sachverständigen-Lommission stellte sich heraus, daß dieselbe innen wie "außen bedeutende Beschädigungen durch die Kollision erlitten hatte, welche eine umfassende Reparatur erforderten, deren Kosten sich auf 8^60 Kronen belaufen. B. Zur Strandung. I. Am 30. September s883 ging die Bark nach beendeter Reparatur von Gefle aus mit einer Ladung Planken nach Newcastle in See und am 1,7. November desselben Jahres verließ sie letzteren Hafen mit einer nach Rostock bestimmten Ladung von ^0 Tons Schmiedekohlen, mit welcher das Schiff hinten 153/a und vorne Fuß englisch tief lag. Am 50. November Morgens näherte sie sich dem Hafen von Warnemünde. Der dortige Lootfenkommandeur sandte ihr ein Lootsenboot entgegen, welches aber mit der Anfrage zurückkam, ob das Schiff auch ein laufen könne, da dasselbe [ö3/* Fuß englisch tief gehe. Der LootsenKommandeur erwiderte, das sei zwar tief, aber mit 15 'A Fuß werde es gehen. Im Hafeneingang waren nämlich an jenem Morgen 16 Fuß 7 Zoll Wasser gepeilt worden. Mit dem Lootsenboot sandte der Lootfenkommandeur gleichzeitig den mit dem Fahrwasser ganz genau bekannten Lootsenältermann Micheelsen an Bord der Bark. Dort ward die Ladung getrimmt, so daß der Tiefgang des Schiffes anscheinend durchweg Fuß betrug. Dann nahmen die Dampfer „Phönix" und „Neptun" die Bark ins Schlepptau und VII.
8
IW
Bark Georg Becker.
schleppten sie von NN) her auf den trafen zu. Der N)ind war damals iPSH) flau, eine Küstenströmung nicht bemerkbar. Als die Bark, welche nur Klüver, Besahn und Stagsegel stehen und bis dahin SOzS gesteuert hatte, gerade mit Südcurs in die 6afen mundung einbiegen wollte, frischte der N)ind plötzlich aus N)NN) auf, und gleichzeitig begann eine Küstenströmung von IDeft nach Vst zu laufen, welche die Bark auf ein erst unlängst vor der Dstmoole entstandenes Riff drängte, auf welchem sie festkam. Zwar gelang es, dieselbe vom Spill aus mittelst einer Trosse wieder abzuziehen, worauf die Bugsirdampfer sie eine kleine Strecke weiter schleppten, aber die Küstenströmung drängte sie von neuem auf das Riff, auf welchem sie nun zum zweiten Male und zwar mit dem Hintertheile festkam und bei der zunehmenden See heftig zu stoßen begann. Bald zeigte sich denn auch ein Leck und trotz angestrengten Pumpens war das Schiff bereits nach einer Viertelstunde voll N)affer. Die wiederholten Versuche, dasselbe abzubringen, erwiesen sich vergeblich, weshalb der Lootsen-Kommandeur einen Anker mit 50 Faden Kette nach Osten ausbringen ließ, damit die sich stark auf die Seite neigende Bark nicht in der Fahrrinne sinke. Zn der Nacht vom ^./5. Dezember verschwand das Wrack bei einem schweren NNOSturm gänzlich und nur einzelne Trümmer wurden demnächst angeschwemmt und geborgen. II. Die Bark „Georg Becker" ist im Jahre 1862 in Rostock aus Eichenholz erbaut und zu 840,s cbm — 296,so britischen RegisterTons Netto-Raumgehalt vermessen worden. Im Jahre 1878 ist sie gründlich nachgesehen und sodann bei Veritas zu 5/6 I. 1. auf vier Zahre klassifizirt, 1881 aber nach Abnahme des Kupfers sowohl oberhalb wie unterhalb der Wasserlinie kaltfaltert. Sie befand sich zur Zeit der in Rede stehenden beiden Unfälle in entern durchaus seetüchtigen Zustande, obwohl die Klasse bei Veritas nach deren Ab lauf int Jahre 1882 nicht wieder erneuert worden war. III. Was nun — A. zunächst die Kollision anlangt, so hat das Seeamt die Aussage des Schiffers Staben seiner Beurtheilung grundleglich gemacht. Dieselbe ist bestimmt und in sich wahrscheinlich und steht mit den Aufzeichnungen zum Schiffsjournal des „Georg Becker" wie mit der eidlichen Verklarung der gefantmten Be satzung dieses Schiffes int Einklangs Der Zimmermann Garloff und der Matrose Wilken haben sich zwar, der letztere im Vor verfahren, der erstere in der Hauptverhandlung über die Zeit, um welche auf deut „Georg Becker" Backbordruder kommandirt
115
Bark Georg Becker.
wurde, abweichend von den desfalsigen Angaben des Schiffers Staben ausgesprochen, allein das Seeamt hat nichtsdestoweniger
den letzteren vollen Glauben beigemessen.
Denn die genannten
beiden Schiffsleute haben bei der Verklarung in völliger Ueber
einstimmung mit dem Schiffer deponirt, zwischen ihrer damaligen Vernehmung und ihrer spätern
Abhörung vor
dem Seeamt
liegt ein Zeitraum von ungefähr 4 beziehungsweise 20 Monaten,
in welchem sich die Erinnerung nothwendig abgeschwächt haben
muß,
und
Garloff
hat
schwankend ausgesagt.
in
der
Hauptverhandlung
durchaus
Demnach ist als thatsächlich festgestellt
angesehen:
s.
daß man von der Bark aus zuerst das weiße Toplicht der „Bajan"
und
bald
darauf
desfen rothes Seitenlicht, und
zwar letzteres 2 Strich an Steuerbordseite voraus erblickte;
2. daß die Bark
damals SSDTurs verfolgte,
der
„Bajan"
aber um jene Zeit ungefähr NzD und jedenfalls ein wenig über Nord hinaus nach Mst zu steuerte;
3.
daß beide Schiffe diese Turse ohne wesentliche Veränderung festhielten, bis sie einander so nahe standen, daß man von der
Bark aus die Masten des „Bajan" erkennen konnte und dieser nur noch Vs Strich an Steuerbordseite derselben stand;
4-
daß jetzt Schiffer Staben überzeugt, daß ein Zusammenstoß unvermeidlich sei, das Ruder der Bark Backbord legen ließ,
worauf die letztere bis etwa N)SA) nach Steuerbord abfiel; 5.
daß gleich darauf das Ruder auf dem „Bajan" nach Steuer bord gelegt wurde und so liegen blieb, bis die Kollision erfolgte.
Zu 1 ist von der gesummten Besatzung der Bark gleichmäßig und constant bezeugt worden, daß man zuerst das rothe Seitenlicht
des Dampfers erblickt und andauernd gesehen habe, bis kurz vor der
Kollision plötzlich dessen grünes Licht sichtbar geworden,
ebenso
daß das gesichtete rothe Licht dasjenige des „Bajan" gewesen sei. Schiffer Staben hat zwar damals noch einen anderen Dampfer an Steuerbordseite voraus
bemerkt,
aber dieser hat, wie er versichert,
weiter westlich gestanden und für die Annahme, daß das gesichtete rothe Licht dasjenige dieses Dampfers und nicht dasjenige des „Bajan"
gewesen wäre, hat die Untersuchung keinerlei Anhalt geboten. Zu 2.
Der „Bajan"
soll nach Aussage
der Besatzung des
selben, als er die Bark gewahrte, NlVTurs verfolgt haben.
Aussage kann nicht richtig sein.
Diese
Denn dann hätte man von der Bark
aus nicht sein rothes Seitenlicht sehen können, vielmehr sein grünes
N6
Bark Georg Becker.
sehen müssen.
Daraus aber, daß man von der unbestritten südsüd
östlich steuernden Bark aus an Steuerbordseite voraus das rothe
Licht des „Bajan" sah, folgt mit Nothwendigkeit, daß dieser damals einen mehr oder weniger östlichen (£111*5 gehalten hat, weil erst bei NzDTurs-sein rothes Licht von der Bark aus nach deren Position
erblickt werden konnte. Diese Feststellung entspricht bezüglich des „Bajan" den
Zu 3.
Angaben der Besatzung der Bark, welche eine Tursveränderung des ersteren Schiffes erst
nommen hat.
unmittelbar vor dem Zusammenstoß wahrge
Wenn nun nach der Aussage der Offiziere des „Bajan"
auf letzterem das Ruder schon früher nach Steuerbord
gelegt sein
soll, so kann dies doch nur in ganz geringem Maße der Fall gewesen sein, da man sonst auf der Bark schon eher das grüne Seitenlicht des Dampfers hätte sehen müssen. Daß Schiffer Staben das Ruder seines Schiffes erst dann
Zu 4.
nach Backbord legen ließ, als ihm der Dampfer bereits so nahe war,
daß er dessen Masten erkennen konnte, ist auf Grund der bezüglichen Aussage des p. Staben umsomehr für erwiesen erachtet, als sowohl
die Offiziere des „Bajan" wie
der Küstenlootse Sweeny in völliger
Uebereinstimmung hiermit bekundet haben, daß das rothe Licht des Seglers plötzlich erschienen sei, als sich beide Schiffe bereits einander ganz nahe gestanden hätten.
Endlich beruht die Feststellung auf der von der Besatzung
Zu 5.
der Bark bezeugten Thatsache, daß unmittelbar vor der Kollision das
grüne Seitenlicht des „Bajan" sichtbar geworden ist, eine Thatsache, welche sich nur daraus erklären läßt, daß
man auf dem „Bajan"
das Ruder kurz vor dem Zusammenstoß Steuerbord gelegt hatte.
Wie weit beide Schiffe von einander abstanden, als man von der Bark aus zuerst das rothe Licht des „Bajan" wahrnahm, hat nicht mit Sicherheit
festgestellt werden
können.
Da aber in jener
Nacht die Luft klar war, und die Seitenlichter der Schiffe auf min destens 2 Seemeilen sichtbar sein sollen, so nimmt das Seeamt an,
daß die Entfernung
damals
ungefähr
2 Seemeilen
betragen hat.
Daß man aber an Bord des „Bajan" um dieselbe Zeit das grüne Licht der Bark bemerkt hat, ist nicht zu bezweifeln. Nach
internationalem Straßenrecht auf See
muß,
wenn ein
Dampfschiff und ein Segelschiff in solchen Richtungen fahren, daß
für sie Gefahr des Zusammenstoßens entsteht, das Dampfschiff dem Segelschiffe aus dem Wege gehen, während das letztere seinen Turs
beizubehalten
hat; Vorschriften,
welche
für deutsche Schiffe in den
Bark Georg Becker.
U7
Artikeln \7 und 22 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar J880 ihren besonderen gesetzlichen Ausdruck gefunden haben. Vorliegend war also der „Bajan" verpflichtet, dem „Georg Becker" aus dein Wege zu gehen, und hatte dieser seinen Eurs fest zuhalten. Der „Bajan" konnte bei der anfänglichen Entfernung beider Schiffe von einander, welche ungefähr 2 Seemeilen betrug, nach An sicht des Seeamts sowohl mit Backbordruder wie mit Steuerbordruder ohne Gefahr einer Kollision die Bark passiren, wenn er sofort und entschieden das Ruder nach Backbord oder nach Steuerbord überlegte und so der Bark keinen Zweifel über die von ihn; beabsichtigten Manöver ließ. Das that er aber nicht, sondern er näherte sich, wie oben festgestellt ist, der Bark mit wesentlich unverändertem Eurse und veranlaßte es hierdurch, daß man auf letzterer, den Zusammenstoß für unvermeidlich haltend, und in der Annahme, daß der „Bajan", welcher immer noch sein rothes Licht zeigte, auf Backbordseite passiren wollte, das Ruder nach Backbord legte. Diese Maßregel hat der Küstenlootse Sweeny seinerseits als eine richtige bezeichnet, weil es indicirt gewesen sei, daß auch die Bark ihr rothes Licht zeigte. Aber diese Maßregel, welche nur geeignet war, das Manöver des „Bajan", falls derselbe, wie man auf der Bark glauben mußte, die letztere an deren Backbordseite passiren wollte, zu unterstützen, vermochte nicht mehr die Kollision abzuwenden. Denn beide Schiffe standen damals bereits einander zu nahe, als daß der „Bajan" die entsprechenden Rudermanöver noch mit Erfolg hätte ausführen können. Das Seeamt nimmt an, daß er, die Unmöglichkeit erkennend, mit Backbordruder hinter der mehr und mehr nach Westen abfallenden Bark vorüber zu kommen, schließlich versuchte, mit Steuerbordruder vor deren Bug zu passiren, und daß auch hierfür die zwischen beiden Schiffen noch vorhandene Distanz nicht mehr ausreichte. Schiffer Staben verstieß gegen die Vorschrift des Artikels 22 der allegirten Kaiserlichen Verordnung vom 7. Januar 1880, indem er seinen Eurs nicht festhielt, sondern nach Steuerbord veränderte. Daß er hierdurch zum Eintritt des Unfalls beigetragen habe, nimmt das Seeamt, wie bereits oben erwähnt worden, nicht an, da der Zusammenstoß, auch wenn die Bark ihren ursprünglichen Eurs festge halten hätte, wahrscheinlich doch erfolgt sein würde. Aber auch, wenn das Gegentheil angenommen werden müßte, so würde dem Schiffer dennoch ein Vorwurf nicht zu machen fein, da die Gefahr des Zusammenstoßens, als er die Lursveränderung vornahm, bereits
Bark Georg Becker.
US
eine unmittelbare war, welche er durch das von ihm ausgeführte
Manöver mindestens abzuschwächen hoffen konnte.
Er wird daher
durch Artikel 23 der vorcitirten Kaiserlichen Verordnung vollkommen gedeckt.
Nach Vorstehendem hat das Seeamt die Ursache des Zusammen
stoßes
darin
erblicken
erforderlichen
müssen,
Rudermanöver
daß
nicht
man
auf
rechtzeitig
dem „Bajan" ausführte,
und
die
hat
dasselbe ein Verschulden an dem Unfälle weder dem Schiffer Staben, noch jemandem von der Mannschaft der Bark zur Last legen können.
B. Die Strandung der Bark am 30. November s883 war nach den Feststellungen in ratio I B lediglich auf elementare Er
eignisse, nämlich auf die Enge
des Fahrwassers, den unerwarteten
Eintritt einer nach Osten setzenden Meeresströmung und stürmische Witterung zurückzuführen.
Das Fahrwasser ist am Eingang des
Warnemünder Hafens
sehr schmal, indem es durch 2 Sandbänke, welche sich vor den Köpfen der Ostmoole und der westmoole gebildet
haben,
eingeengt wird
Zn die so entstandene schmale Fahrrinne bog die Bark in vollkommen richtiger weise ein, als der infolge des nach WNW umgesprungenen
und stürmisch gewordenen Windes plötzlich auftretende, nach Osten setzende Küstenstrom sie in östlicher Richtung wegdrängte und auf die
Bank vor dem Kopfe der Ostmoole schob, wo sie festkam.
dort
wieder
abgezogen war,
Als sie
erfaßte jene Küstenströmung sie von
neuem, sie kam zum zweiten Male fest und konnte jetzt nicht wieder
abgebracht werden, weil sie bei dem inzwischen eingetretenen hohen
Seegange heftig stieß,
leck wurde und sich schnell mit Wasser füllte.
Da Warnemünder Lootsen an Bord waren und diese Zwangslootsen sind, so war Schiffer Staben für die Art und weise der Ein-
segelung nicht verantwortlich, und es kann sich nur noch fragen, ob er bei dem Tiefgang
seines Schiffes
durfte, ohne zuvor geleichtet zu haben.
überall
eine solche versuchen
Nach Ansicht des Seeamts
trifft ihn indeß in dieser Beziehung kein Vorwurf, da der Lootsen-
commandeur die Einsegelung ausdrücklich gestattet hatte und in jener Jahreszeit das Ankern auf der Rhede dem Schiffe leicht gefährlich
werden konnte.
Daß die Lootsen es bei der Einbringung an der
nöthigen Vorsicht hätten fehlen lassen, dafür hat die Untersuchung ebensowenig etwas ergeben wie angenommen ist, daß die Einsegelung nach
dem Tiefgänge des Schiffes und dem wafferstande int Fahr
wasser nicht zulässig gewesen wäre.
Denn da die Tiefe des Fahrwassers
den Tiefgang des Schiffes um ungefähr einen Fuß überstieg, bei
Bark Georg Becker.
U9
Beginn der Einsegelung der Wind noch flau und noch keine Küstenströmung benierklich geworden war, so durfte der Lootsencommandeur mit Grund hoffen, daß die Einbringung des Schiffes ohne jede Gefahr für dasselbe werde bewerkstelligt werden.
Die Entscheidung des Dber-Seeamts lautet: Auf die Beschwerde des Reichskommissars ist nach mündlicher Verhandlung der Sache entschieden: daß die gegen den Spruch des Großherzoglich Mecklenburg - schwerinschen Seeamts vom 17. April 1885 von dem Reichscommissar eingelegte Beschwerde als rechtlich unwirksam zu betrachten und deswegen zurückzuweisen und die baaren Auslagen des Verfahrens außer Ansatz zu lassen. Gründe. Der Reichscommissar hat, laut des Protokolls über die Hauptverhandlung erster Instanz seine Ausführungen über die Ursachen des vorliegenden Seeunfalls der von dem Schiffer Staben geführten Bark „Georg Becker" mit der Erklärung geschloffen: „es sei an sich von der Stellung eines Antrages abzusehen; jedoch müßte für den Fall, daß das Seeamt befinden sollte, daß den Schiffer ein Vorwurf treffe und daß die Kollision eine Folge der un befugt ausgeübten Eursveränderung gewesen sei, der Antrag auf j)atententziehung gestellt werden." Es kann dahingestellt bleiben, ob ein derartig bedingt gefaßter Antrag der Absicht der Bestimmung im §. 26 des Gesetzes, betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 (Reichs-Gesetz blatt S. 5^9) überhaupt entspricht; denn im gegenwärtigen Falle ist die Voraussetzung, unter welcher der Antrag von dem Reichscommissar gestellt worden, zweifellos nicht eingetroffen, da das Seeamt positiv dahin sich geäußert hat, daß den Schiffer Staben ein Vorwurf, den Seeunfall zu verschulden, nicht treffe, daß insbesondere — im Hinblick auf die Vorschrift im §. 23 der Kaiserlichen Verordnung zur Ver hütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar 1880 (Reichs-Gesetzblatt 5. 1) — die durch den Schiffer Staben vor dem Zusammenstoß der Bark mit der russischen Korvette „Bajan" vor genommene Eursänderung die Abwendung bezw. Abschwächung unmittelbar bereits drohender Gefahr bezweckt habe, so daß Staben als durch die letztgedachte Vorschrift „vollkommen gedeckt" erscheine. Unter diesen Umständen befindet sich die Angelegenheit in derselben Lage, wie wenn der Reichscommissar von vornherein einen Antrag auf Entziehung der Befugniß zur Ausübung des Gewerbes gegen den Schiffer nicht gerichtet hätte. Ein solcher, seitens des Seeamts
{20
Schoonerbrigg Undine.
unberücksichtigt gebliebener Antrag ist aber nach §. 27 Absatz \ des Leeunfall-Gesetzes die unerläßliche Vorbedingung für die Zulässigkeit der Ginlegung des Rechtsmittels der Beschwerde an das Gber-Seeamt gegen einen Leeamtsspruch. Da es an dieser Vorbedingung fehlt, ist im vorliegenden Falle die Beschwerde nicht statthafterweise und daher ohne rechtliche Wirkung eingelegt. Auf diese Feststellung, aus welcher folgt, daß die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens außer Ansatz bleiben, hatte das Gber-Leeamt, ohne in eine sachliche Prüfung der Angelegenheit einzutreten, seinen Ausspruch zu beschränken.
19* Sprud? des Seeamts zu Rostock vom 5. März 1886 und Entscheidung des Kaiserlichen Mber-Seeamts vom 8. Juli 1886, betreffend den Seeunfall der Schoonerbrigg „Undine" von Rostock. Der Spruch des Leeamts lautet: Die am Juni >(885 auf Lorkholm-Riff erfolgte Strandung der Schoonerbrigg „Undine" ist dadurch ver ursacht, daß Schiffer Schmidt den Eurs zu sehr westlich be rechnete und den Abstand des Schiffes von der Insel Sorkholm überschätzte. Dem Schiffer Schmidt wird die Berechtigung zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes nicht entzogen. Gründe: I. In heutiger Hauptverhandlung ist Nachstehendes
thatsächlich festgestellt: f. Am 1% Juni 1885, Morgens 6 Uhr 30 Minuten, verließ die in Rostock beheimathete, vom Schiffer Friedrich Schmidt ebendaher geführte Schoonerbrigg „Undine", Unterscheidungssignal MEU)F, die Rhede von pernau in Livland, um mit einer Ladung Flachs nach Bremerhaven zu segeln. Die Mannschaft bestand mit Einschluß des geprüften Steuermanns Abshagen aus 7 Personen. Ein Lootse war nicht an Bord, da die in pernau vorhandenen Lootsen ausgehende Schiffe nicht über die Rhede hinausbringen und es Revierlootsen dort nicht giebt. Schiffer Schmidt besaß weder eine Specialkarte zur Ein- und Aussegelung nach und von Pernau, noch eine Segelanweisung, insbesondere nicht das von dem hydrographischen Amt der Kaiserlichen Admiralität zu Berlin herausgegebene Segelhandbuch für die Ostsee, welches im
{20
Schoonerbrigg Undine.
unberücksichtigt gebliebener Antrag ist aber nach §. 27 Absatz \ des Leeunfall-Gesetzes die unerläßliche Vorbedingung für die Zulässigkeit der Ginlegung des Rechtsmittels der Beschwerde an das Gber-Seeamt gegen einen Leeamtsspruch. Da es an dieser Vorbedingung fehlt, ist im vorliegenden Falle die Beschwerde nicht statthafterweise und daher ohne rechtliche Wirkung eingelegt. Auf diese Feststellung, aus welcher folgt, daß die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens außer Ansatz bleiben, hatte das Gber-Leeamt, ohne in eine sachliche Prüfung der Angelegenheit einzutreten, seinen Ausspruch zu beschränken.
19* Sprud? des Seeamts zu Rostock vom 5. März 1886 und Entscheidung des Kaiserlichen Mber-Seeamts vom 8. Juli 1886, betreffend den Seeunfall der Schoonerbrigg „Undine" von Rostock. Der Spruch des Leeamts lautet: Die am Juni >(885 auf Lorkholm-Riff erfolgte Strandung der Schoonerbrigg „Undine" ist dadurch ver ursacht, daß Schiffer Schmidt den Eurs zu sehr westlich be rechnete und den Abstand des Schiffes von der Insel Sorkholm überschätzte. Dem Schiffer Schmidt wird die Berechtigung zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes nicht entzogen. Gründe: I. In heutiger Hauptverhandlung ist Nachstehendes
thatsächlich festgestellt: f. Am 1% Juni 1885, Morgens 6 Uhr 30 Minuten, verließ die in Rostock beheimathete, vom Schiffer Friedrich Schmidt ebendaher geführte Schoonerbrigg „Undine", Unterscheidungssignal MEU)F, die Rhede von pernau in Livland, um mit einer Ladung Flachs nach Bremerhaven zu segeln. Die Mannschaft bestand mit Einschluß des geprüften Steuermanns Abshagen aus 7 Personen. Ein Lootse war nicht an Bord, da die in pernau vorhandenen Lootsen ausgehende Schiffe nicht über die Rhede hinausbringen und es Revierlootsen dort nicht giebt. Schiffer Schmidt besaß weder eine Specialkarte zur Ein- und Aussegelung nach und von Pernau, noch eine Segelanweisung, insbesondere nicht das von dem hydrographischen Amt der Kaiserlichen Admiralität zu Berlin herausgegebene Segelhandbuch für die Ostsee, welches im
Schoonerbrigg Undine.
X2\
2. ^eft, Theil II die Bucht von Pernau mit der Insel Sorkholm und den südlich derselben belegenen Steinbänken enthält. Dagegen befand sich unter den zum Schiffe gehörigen Karten eine dänische vom nördlichen Theile der Ostsee, aus dem Jahre s869, mit Nachträgen bis 1881, welche Schiffer Schmidt am Morgen des H. Juni benutzte und welche dem Seeamt vorliegt. Schiffer Schmidt war bereits im Jahre s88s in petnau gewesen, und war ihm somit das dortige Fahrwasser nicht unbekannt. 2. Die Bucht von Pernau erstreckt sich von letzterer Stadt aus nach SW. Gerade vor derselben, etwa s3 Seemeilen vom Hafen eingang entfernt, liegt die kleine Insel Sorkholm, auf welcher eine thurmartige \6,& Meter hohe Bake als Leitmarke für das Fahrwasser errichtet ist. Etwa zwei Seemeilen südlich von dieser Insel befindet sich das Sorkholm-Riff, welches aus einzelnen mit Steinen bedeckten Bänken besteht, mit Tiefen von 2 Meter. Vor der südlichsten dieser Bänke steht in [2 Meter Tiefe eine verankerte Stange mit rothangestrichenem Korbe, welche sich nach Mittheilung des deutschen Tonsulats zu pernau 9 Meter über den Wasserspiegel erhebt und bei klarem Wetter 2 bis 2''t Seemeilen weit sichtbar ist. Der Wind wehte, als die „Undine" unter Segel ging, aus NNW, zog sich aber im Laufe des Vormittags nach NW und wuchs zu einer steifen Briese an. Die „Undine" hatte fast alle Segel bei und lief ungefähr 6 Knoten. Die Luft war, wie vom LootsenKommandeur Meybaum zu Pernau bezeugt ist, klar mit starkem Sonnenschein und stark dunstigem Horizont. Nach Aussage des Matrosen Michaelsen, welcher ant Ruder stand, blendete sie etwas. Schiffer Schmidt hatte die Wache und stand auf deut Quarterdeck unweit des Ruders, während Steuermann Abshagen vorne mit dem Klaren und Wegstechen der Ankerketten beschäftigt war und sich dann in die Tajüte begab, um das Journal zu schreiben. Schiffer Schmidt ließ seiner Angabe nach zuerst SW'/^S steuern, bis er die Bake auf der Insel Sorkholm in NW in ungefähr 5 See meilen Abstand peilte und dann SW'/rW, so daß der bekommene Turs, unter Berücksichtigung einiger Abtrift, seiner Ansicht nach SW gewesen sein wird. Matrose Michaelsen hat bei seiner Ver nehmung im Vorverfahren ausgesagt, daß man die Bake auf der Insel Sorkholm an Steuerbordseite, wie er meine, in einer Ent fernung von einer halben Seemeile passirt habe. Er sowohl wie Schiffer Schmidt schauten nunmehr eifrig und zwar letzterer unter Benutzung eines guten Fernrohrs nach dem Priesen an der Südspitze
\22
Schoonerbrigg Undine.
des Riffes aus, welcher nach Peilung der Insel Sorkholm und dem von da an gesteuerten Turse an Steuerbordseite voraus in der Richtung der Sonne in Sicht kommen sollte; sie konnten ihn jedoch nicht finden. Das Loth wurde nicht geworfen. Erst etwa 9 Uhr 30 Minuten Vor mittags entdeckte Matrose Michaelsen den priesen, aber nicht, wie von ihnen vorausgesetzt war, an Steuerbordseite, sondern ungefähr 4 Strich an Backbord voraus, etwa in S5ID V4W und in einer Entfernung von ungefähr einer halben Seemeile. Auch Schiffer Schmidt und Steuermann Abshagen, welche gerade wieder an Deck gekommen waren, sahen ihn jetzt, wiewohl sie, weil die Sonne sehr blendete, die Farbe nicht zu erkennen vermochten. Schiffer Schmidt ließ sofort das Ruder hart Steuerbord legen, worauf denn auch die „Undine" Strich nach Backbord abfiel. Dann befahl er, den nunmehr südlichen Eurs festzuhalten, als das Schiff gleich darauf stieß und auf den südöstlichen Ausläufern von Sorkholm-Riff festkam. Alle Versuche, dasselbe mit den Segeln sowie mittelst eines Warpankers wieder abzubringen, waren vergeblich, auch zeigte sich bald Wasser im Saum, welches trotz energischen Pumpens schnell bis zur äußeren Wasserlinie anstieg. Mittags sandte Schiffer Schmidt ein Boot nach Pernau mit der Bitte um Assistenz und Abends sandte der dortige Lootsenkommandeur Meybaum 2 Dampfer, mehrere Leichter und zahlreiche Hülfsmannschaft, welche alsbald mit dem Löschen der Ladung begann und damit während der Nacht und am folgenden Tage fortfuhr, an welchem der Lootsenkommandeur selbst mit neuer Hülfsmannschaft und 8 Pumpen eintraf. Die letzteren wurden in Gang gesetzt, auch versucht, die Leckstellen durch Futtern mit Heede und Flachsschäwen abzustopfen, allein das Wasser nahm nicht merklich ab. Am s6. Juni erhob sich ein frischer Wind aus SSW und das Schiff begann heftig zu stoßen, legte sich auch mehr und mehr nach Backbord über. Jetzt nahm ein Bugsirdampfer die Schoonerbrigg ins Schlepptau und gegen 9 Uhr Morgens gelang es diesem, dieselbe in tiefes Wasser zu ziehen, worauf er sofort mit ihr nach Pernau-Rhede abdampfte, wo man Vormittags U Uhr ankam. Da die Schoonerbrigg aber 14 Fuß tief lag und auf der Barre nur b3'Ai Fuß Wasser standen, so ver ließ der Dampfer sie, um frische Pumpenleute herbeizuholen, während die „Undine" selbst vor Anker ging. Inzwischen hatte der Wind sturmartig aus SWzW zu wehen angefangen und da die immer noch energisch bedienten Pumpen häufig von Ladung unklar wurden, mehrte sich das Wasser im Raume derartig, daß die „Undine" zum Kentern lag. Der Lootsenkommandeur ließ daher, um das Leben
Schoonerbrigg Undine.
123
der am Bord befindlichen \ 1*1 Personen zu retten, die Ankerketten schlippen und das Schiff auf den Strand setzen, worauf es am
19. Juni, nachdem auch der Rest der Ladung gelöscht war, in den Hafen von pernau gebracht wurde. Dort ist es von einer Sach verständigenkommission besichtigt worden, welche fand, daß die Stützen an Deck gebrochen, ein Theil der Verschanzung ausgehauen, Heck und Luken beschädigt, *1 Fuß vom Vordersteven ganz fort, die Enden der unteren Planken gelöst und theilweise zerbrochen, der Kiel beim Hinter- und Vordersteven zersplittert und der Metallbeschlag beschädigt seien. Die Sachverständigen schätzten die Reparaturkosten auf 20 591, den Werth des Schiffes in dessen damaligem Zustande auf 5000 Silber rubel, worauf Wrack und Inventar für zusammen 3850 Silberrubel öffentlich meistbietend verkauft worden find. *1. Von den zum Pumpen und Bergen der Ladung verwandten Arbeitern ist am 16. Juni ein Mann ertrunken. Ueber diesen Unglücks fall ist nur ermittelt, daß der Mann die Schoonerbrigg, als diese eben in flottes Wasser gezogen war, in einem kleinen Boote verlassen hat, um sich an Bord eines der in der Nähe befindlichen Dampfer zu begeben, daß hierbei das Boot umgeschlagen und dessen Insasse
ertrunken ist. 5. Die „Undine" ist in den Jahren 1872/7*1 zu Rostock aus Eichenholz erbaut worden und zu 657/2 cbm 231,9» britischen Register Tons Netto-Raumgehalt vermessen. Sie befand sich im besten see tüchtigen Zustande, war 1882 in Wismar gezimmert und hatte dann beim Büreau Veritas die Masse: 2/3 A. 1. 1. mit Stern auf 8 Jahre erhalten. Im November 1883 ist sie zu Liverpool kalfatert und mit neuem Metallbeschlag versehen worden. Schiffer Schmidt war mit -69/3«o Part als Rheder an derselben betheiligt und mit seinen Parten bei mehreren Rostocker Assekuranz gesellschaften zu im Ganzen etwa 20 000 «H. versichert. II. Nach Ansicht des Seeamts ist der Unfall durch die int Spruch bezeichneten beiden Umstände, nämlich 1. dadurch, daß Schiffer Schmidt den Turs zu sehr westlich berechnete, und 2. dadurch, daß derselbe den Abstand der „Undine" von der Insel Sorkholm überschätzte, herbeigeführt. Schiffer Schmidt ließ zu 1 zunächst SXÜ'/aS steuern bis die Insel Sorkholm in NW gepeilt wurde, und nahm dabei eine Abtrift
Wk
Schoonerbrigg Undine.
von Vg Strich an. Wäre letztere Annahme richtig gewesen, so würde jener (Lurs in seiner Verlängerung gut frei von Sorkholm-Riff geführt haben, und der jDricken würde dann an Steuerbordseite des Schiffes in Ächt gekommen sein. Die Annahme von V2 Strich Abtrift war aber nach Ansicht des Seeamts eine irrthümliche. Denn da der A)ind, wie auf Grund der amtlichen Erklärung des Lootfenkommandeurs zu pernau festgestellt ist, am Morgen des Juni ^885 aus NNW und vormittags aus NW wehte, so konnte bei dem gesteuerten (Lurse 5H) A/