Entscheidungen des Ober-Seeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs: Band 1, Heft 2 [Reprint 2021 ed.] 9783112441985, 9783112441978


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German Pages 155 [194] Year 1880

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Entscheidungen des Ober-Seeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs: Band 1, Heft 2 [Reprint 2021 ed.]
 9783112441985, 9783112441978

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ENTSCHEIDUNGEN des

Oberseeamts und der Seeämter des

Deutschen Reichs. Herausgegeben im

KEICHSKANZLEK - AMT.

Erster

Band.

2. Heft.

Hamburg. Druck und Verlag von L. F r i e d e r i c h s e n & Co.

1879.

I

NH A L T . Seite.

3». Spruch des Seeamts zu Emden vom 20. August 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 24. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Kuff »Aurora« von Karolinensiel 107 39- Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 15. August 1878, betreffend den Seeunfall der britischen Brigg »Brotherly Love« von Shields 121 40. Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 25. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg »Eosc von Stettin 125

Sprüche der Seeämter vom:

zu: 41. Flensburg , 42. Danzig . ,

I I . Septbr. 26. »

43. Stralsund

28.

betreffend die Seeunfälle der:

1878 deutschen Schnigge »Die Eider« . . von Breiholz . . 132 » Schoonerbark »Vertrauen« » Danzig . . . ' 3 4 »

den Zusammenstoss

»

Wolgast und

»

138 •

44 Stralsund . . 45 • Hamburg . . 46. Bremerhaven 47. Bremerhaven 48. Hamburg . . 49' Emden . . . 50. Brake . . . . 5 1 ' Hamburg . . 52- Stralsund . . 53' Emden . . .

28. » 1. Oktober 9. » 9. » 25. » 26. » 30. » 31. »

» » » » » » » »

7. November » 7. » »

Stralsund . . deutschen Schooners »Caroline« . . Hamburg . . » Schoonerbrigg »Bertha« . Bremen . . . » Bark »Carl Georg« . . . » Kahns »Margarethe« . . Brake.... » Brigg »Alida« Elsfleth . . . britischen Brigg »Argyra« Salcombe . . deutschen Kuff »Nicolaus Friedrich Peter« von Barssel » Schraubendampfschiffes »Castor« von Hamburg deutschen Jacht »Elise« von Barth . . . . niederländischen Tjalk »Feika« . . » Veendam . .

139 142 143 145 147 148 154 155 158 160

den Zusammenstoss der deutschen Schiffe »Germania« von Stralsund und

54. Stettin

»Russia« von Stettin

163

den Seeunfall der deutschen Brigg »Superb« von Hamburg

55' Hamburg S

6 . Flensburg

166

den Zusammenstoss 14.

»

»

der deutschen Bark »Emma« von Apenrade und der britischen Bark »The Goolwa« 167

14.

:>

»

des deutschen Schooners »Bertha« von Barth

den Seeunfall 57. Königsberg .

176

die Zusammenstösse: 58. Bremerhaven

des deutschen Schraubendampfschiffes »Neckar« von Bremen und des belgischen Fischerkutters »Aanmoediging« von Ostende 181

59- Hamburg

des deutschen Schooners »Kenna« von Emden und des britischen Dampfschiffes »Monica« 183 der niederländischen Kuff »Nicola van Baarlen« und des dänischen Dampfschiffes »Svend« 191

60. Stettin

.

23.

»

»

(Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlage.)

Kuff Aurora.

107

38. Spruch des Seeamts zu Emden vom 20. August 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 24. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der Kuff „Aurora" von Karolinensiel. Schiff auf der Fahrt von der Jade nach JCarolinensiel beim Aufsegeln auf »Das neue Brack« durchgestossen, voll Wasser gelaufen und wrack geworden.

Der Spruch des Seeamts zu Emden führt aus: Das zu Karolinensiel heimathberechtigt gewesene Schiff KFPV »Aurora« ist im Jahre 1860 zu Hammelwarden, Amts Varel, von Eichenholz mit buchenem Kiel gebaut worden und war dessen NettoRaumgehalt auf 57,9 Kubikmeter = 20,44 britische Register-Tons ermittelt. Im Jahre 1872 ist dasselbe durch Kauf auf den Schiffer Hinrich Janssen Büschen zu Karolinensiel übergegangen. Letzterer hat seit etwa 20 Jahren das Schiffergewerbe betrieben, von einigen Reisen nach England abgesehen, jedoch nur auf Watt- und Küstenschiffen gedient, auch so wenig eine Navigationsschule besucht, als eine Schifferprüfung bestanden. Nach dem Erwerbe der »Aurora« hat er dieselbe als Kapitän gefahren und am 27. Juni 1878 Morgens die letzte Reise mit einer Ladung Stückgüter von Bremen nach Karolinensiel angetreten. Beim Antritt dieser Reise hat sich die »Aurora«, die damals bei dem Kompakte Harmonie zu Emden für 1950 Mark und bei dem Kompakte Concordia zu Karolinensiel für 1050 Mark versichert, übrigens aber bei diesen Kompakten zum Wertlie von 4170 bezw. 4140 Mark eingezeichnet war und die, nachdem sie vor etwa vier Jahren zuletzt verzimmert, im Frühjahre 1878 — jedoch anscheinend nur oberflächlich — nachgesehen war, angeblich in gutem und dichtem Zustande befunden. Das Schiff war voll beladen und hatte bei einem Tiefgange von etwa 4 Fuss angeblich noch eine Auswässerung von etwa 3 k Fuss; unter den geladenen Stückgütern, deren Gesammtgewicht von dem Kapitän Büschen in ungefährer Uebereinstimmung mit den von den Abladern — soweit dieselben ermittelt sind — gemachten Angaben auf ungefähr 60000 & geschätzt wird, befanden sich insbesondere auch 1000 Stück zum Chausseebau bestimmte behauene Pflastersteine.

108

Kuff Aurora.

Nachdem von der »Aurora«, welche auf der hier fraglichen Reise an Besatzung ausser dem Kapitän selbst nur noch einen 14jährigen Schiffsjungen an Bord hatte, am Abend des 28. Juni 1878 das Weser-Feuerschiff passirt war, ging der Kapitän nach der Jade über, lief diese bis zum Minsener-Sand-Feuerschiffe ein und nahm dann bei angeblich starker Briese aus ONO und ziemlich hohem Seegange seinen Kurs westlich nach dem neuen Brack. Beim Auf. segeln auf das letztere — um etwa 8 Va Uhr Abends und etwa zwei Stunden vor Hochwasser — hat die »Aurora« sogleich mehrere Male aufgestossen und dabei einen so schweren Leck bekommen, dass sie trotz angestrengten Pumpens in kurzer Zeit voll Wasser gelaufen war und auf dem Grunde fest sass. Unter solchen Umständen ist dann in Ermangelung der vorschriftsmässigen Nothsignale ein solches mit der halbtops^ geheissten Reichsflagge gegeben und in Folge dessen die Mannschaft von zweien zur Hülfe herbeigekommenen Booten S. M. Schiff »Renown«, welches sich in der Nähe befunden hat, auf das letztere in Sicherheit gebracht, so dass es der Hülfe des Rettungsbootes von Horumersiel, welches auf das gegebene Nothsignal gleichfalls ausgefahren war, nicht mehr bedurfte. Die an den folgenden Tagen unternommenen Versuche, die »Aurora« wieder abzubringen, sind erfolglos geblieben; dagegen ist es gelungen, sowohl einen Theil des Inventars derselben, als auch den grössten Theil der Ladung zu bergen, und hat sich dann bei der darauf vorgenommenen Besichtigung des Schiffes ergeben, dass dasselbe eine Planke aus dem Boden verloren hatte und unten an mehreren Stellen beschädigt war. Wegen der Witterungsverhältnisse am 28. Juni 1878 wird auf den Bericht der Agentur der Deutschen Seewarte in Emden vom 2. August 1878 Bezug genommen, sodann noch bemerkt, dass Seitens des Kapitäns vor dem Aufsegeln auf das neue Brack zur Ermittelung des Wasserstandes überall Nichts geschehen, insbesondere weder gepeilt noch gelothet ist, und ist schliesslich der Antrag des Reichskommissars hervorzuheben, dem Schiffer Büschen wegen des ihn bei dem Untergange der »Aurora« treffenden Verschuldens die Befugniss zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen. Nach dem Ergebnisse der stattgehabten Verhandlungen kann es nun einem Zweifel nicht unterliegen, dass der Untergang der »Aurora« auf das beim Aufsegeln auf das neue Brack erfolgte Aufstossen derselben und den dadurch entstandenen Leck zurückgeführt werden muss, und fragt sich dann, ob bei pflichtmässigem Verhalten

Kiiff Aurora.

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der Schiffsbesatzung der eingetretene Unfall sich habe vermeiden lassen. Dabei wird nun freilich von einer Verantwortlichkeit des kaum der Schule entwachsenen, völlig unerfahrenen 14jährigen Schiffsjungen wohl ohne Weiteres abgesehen werden müssen, aus denselben gegen eine Verantwortlichkeit des letzteren sprechenden Gründen jedoch ein Vorwurf gegen den Schiffer selbst herzuleiten sein, der für eine ausreichende Bemannung seines Schiffes zu sorgen verpflichtet war. Dabei mag j a immerhin auzuerkennen sein, dass für ein Schiff von der Grösse der »Aurora« eine Besatzung von zwei Personen als ausreichend angesehen werden könne, indessen wird alsdann für den zweiten Schiffsmann unter allen Umständen eine Persönlichkeit erfordert werden müssen, von welcher im Falle eintretender Gefahr eine wirksame Assistenz mit Grund sich erwarten lässt. Diese Erwartung war nun bezüglich des an Bord befindlichen Schiffsjungen nicht gerechtfertigt, andrerseits ist jedoch nicht anzunehmen, dass der gerügte Mangel für den im vorliegenden Falle eingetretenen Seeunfall von irgend welcher Bedeutung gewesen sei. Diese würde dagegen einer etwa stattgehabten Ueberladung der »Aurora« zweifellos beizumessen sein, indessen fehlt es an genügenden Gründen für die Annahme, dass eine Ueberladung wirklich erfolgt sei. Denn ergab der durch die Vermessung der »Aurora« ermittelte Netto-Kaumgehalt zu 57,9 Kubikmetern zufolge § 33 der Schiffsvermessungs-Ordnung vom 5. Juli 1872 nach dem Verhältnisse von 4,24 Kubikmetern = 4000 "3 allerdings nur eine Ladungsfähigkeit von 54600 'S und ist dieselbe mit der wirklich eingenommenen Ladung den stattgehabten Ermittelungen zufolge um etwa 4 bis 5000 U überschritten, so kann doch einestheils das Ergebniss der Vermessung für die Ladungsfähigkeit eines Schiffes um deswillen nicht als unbedingt maassgebend angesehen werden, weil die letztere ausser dem wirklichen Raumgehalte wesentlich durch die eigenartige Bauart des einzelnen Schiffes mitbedingt ist — ein Umstand, der namentlich bei kleineren Schiffen von erheblicher Bedeutung ist — und steht anderntheils auch der Annahme einer Ueberladung die Angabe des Schiffers, dass das Schiff bei einem Tiefgange von etwa 4 Fuss noch eine Auswässerung von etwa a k Fuss gehabt habe, entgegen. Diese Angaben zu bezweifeln, liegt aber ebensowenig Grund vor, als diejenigen, welche von dem Schiffer über die Stauung der geladenen Stückgüter gemacht worden sind, und ist dann in letzterer Beziehung noch besonders anzuerkennen, dass der Schiffer beim Verstauen seiner Ladung in

110

Kuff Aurora.

durchaus zweckentsprechender und sachgemässer Weise verfahren habe. Wenn nun fernerweit Grund zu einem Vorwurfe gegen den Schiffer daraus hat entnommen werden sollen, dass derselbe die bereits im Jahre 1860 erbaute »Aurora« seit etwa 4 Jahren nicht mehr habe verzimmern lassen, so kann auch dieser Vorwurf als begründet nicht angesehen werden, da allen vorliegenden Umständen nach die »Aurora« beim Antritt ihrer letzten Reise völlig dicht gewesen zu sein scheint und eine Verpflichtung des Schiffers zu einer neuen Verzimmerung erst dann wird anerkannt werden können, sobald das Hervortreten besonderer Mängel dieselbe als nothwendig ausweiset. So lange das nicht geschehen, liegt aber ebensowenig Grund vor, den Schiffer bezüglich der Art und Beschaffenheit seiner Ladung zu beschränken, und erscheint daher auch die Einnahme der allerdings immerhin gefährlichen Pflastersteine um so weniger bedenklich, als dieselben nur den bei Weitem geringeren Theil der geladenen Stückgüter ausmachten. Somit bleibt dann allein noch zu prüfen, ob der Schiffer sich beim Aufsegeln auf das neue Brack besser, als geschehen, von dem Wasserstande auf demselben hätte überzeugen sollen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es an allen weiteren Merkzeichen für genügenden Wasserstand auf dem neuen Brack, als dem einzigen Thatumstande, dass die Plate von Minsener Oldeoog sich bereits unter Wasser befindet, völlig mangelt, dass ein zuverlässiges Peilen oder Lothen der Wassertiefe vor dem neuen Brack wegen des steil abfallenden Grundes überhaupt nicht thunlich erscheint und somit der Schiffer beim Aufsegeln auf das neue Brack sich stets auf eine ungefähre Schätzung nach der Hochwasserzeit zu verlassen gezwungen ist. Dass nun aber im vorliegenden Falle der Schiffer es insoweit an Ueberlegung nicht hat fehlen lassen, ergiebt sich daraus, dass er nach dem Inhalte der Verklarung noch längere Zeit vor dem neuen Brack gehalten hat, und kann ihm ein gleichwohl vorgekommener Irrthum um so weniger angerechnet werden, als es ihm in der That an der Möglichkeit, sich rechtzeitig von seinem Irrthume zu überzeugen, völlig fehlte. Dass dem Schiffer nach dem Aufsegeln auf das neue Brack eine Versäumniss zur Last falle, ist endlich gleichfalls nicht erwiesen. Das Abtreiben von den Baken findet durch den nachgewiesenen hohen Seegang seine ausreichende Erklärung, die Art der Beschädigung des Schiffes, wie sie sich später nach dem Bergen der Ladung ergeben hat, lässt dabei zugleich

Kuff Aurora.

Ill

die Möglichkeit, die »Aurora« durch Pumpen oder Verstopfen des entstandenen Leckes flott zu erhalten, völlig ausgeschlossen erscheinen, und geht aus allen diesen Gründen der Spruch des Seeamts dahin: Der Untergang der »Aurora« ist auf das beim Aufsegeln auf das neue Brack erfolgte Aufstossen derselben und den dadurch entstandenen Leck zurückzuführen, den Schiffer Büschen trifft jedoch ein Verschulden bei diesem Unfälle nicht, und wird daher der Antrag des Reichskommissars, dem p. Büschen die Befugniss zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen, als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Spruch des Seeamts hat der Reichskommissar Beschwerde eingelegt und zu deren Rechtfertigung ausgeführt: 1. Der Schiffer habe nicht gethan, was ihm obgelegen, um die Seetüchtigkeit seines Schiffs zu erhalten und derselben sicher zu sein. Die »Aurora« sei seit sehr langer Zeit nicht auf der Helling gewesen. Bei dem Alter und der Bauart des Schiffs erscheine die Säumniss des Schiffers als eine Nachlässigkeit, namentlich mit Rücksicht darauf, dass dasselbe hauptsächlich zur Watt- und Küstenfahrt gedient habe, wobei der Schiffsboden viel mehr als bei Fahrten auf offener See strapazirt und beschädigt werde. Wenn die Seiten des Schiffs im letzten Frühjahr nicht mehr ganz dicht gewesen, so habe eine grosse Wahrscheinlichkeit vorgelegen, dass der untere Schiffsboden ebenfalls undichte Stellen gehabt habe, und der Schiffer habe keinen Augenblick säumen dürfen, das Schiff gründlich repariren zu lassen; nicht aber habe er mit dem leckverdächtigen Schiff eine neue Fahrt antreten dürfen. 2. Das Schiff sei übermässig belastet gewesen. Es sei nicht bloss aller vorhandene Laderaum vollständig ausgefüllt und volle Decklast genommen, so dass weiter nichts in das Schiff habe verladen werden können, sondern es habe auch das Gewicht der Ladung die nach derSchiffsvermessungs-Ordnung vom 5. Juli 1872 ermittelte Grenze der Ladungsfähigkeit um 4000 bis 5000 Pfund überstiegen. Das Bewusstsein, dass sein Schiff schon ziemlich alt und lange nicht gründlich nachgesehen und reparirt worden, hätte den Schiffer schon allein abhalten müssen, seinem Schiffe mehr, als die

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Kuff Aurora.

durch die Vermessung festgestellte Ladungsfähigkeit betrug, zuzumuthen, namentlich da die Ueberlastung bei der Wattfahrt doppelt gefährlich sei und bei ungünstiger Witterung oder ungünstigen Wasserverhältnissen habe verhängnissvoll werden müssen. Nach dem Certifikat habe ferner das Schiff eine Tiefe von 1,33 m gehabt. Bei einem Tiefgang von 4 Fuss Hannoverisch (1,25 m) habe demnach die Auswässerung nicht 3U Fuss (0,aa m), sondern nur 0,07 m, also nur etwa V4 Fuss betragen können. Auch diese geringe Auswässerung hätte den Schiffer bestimmen müssen, von der Ladung einen Theil zurückzulassen. 3. Bei der Stauung der Ladung seien Fehler gemacht worden, die einem umsichtigen Schiffer nicht passiren dürfen. Die Ladung der Aurora habe aus Stückgütern bestanden; darunter seien 1000 Pflastersteine gewesen, von denen jeder etwa 12 Pfund Gewicht gehabt, das Gesammtgewicht der Ladung sei ungefähr 60000 Pfund gewesen. Der Schiffer habe keinerlei Garnirung angewendet; die Ladung habe überall den Schiffsboden direkt berührt. Hierdurch sei das Wasser gehindert worden, direkt zu den Pumpen zu gelangen, und der Schiffsboden habe einen Druck und Andrang erlitten, dem derselbe bei den Bewegungen des Schiffs und der Stückgüter nicht habe gewachsen sein können. Der Schiffer habe den schwersten Theil der Ladung, die Pflastersteine, in der Mitte des Schiffs um den Mast herum hoch aufgethürmt, also die ganze Last dieses Gewichts auf den nahe gelegenen Schwerpunkt desselben wirken lassen. Durch diese Stauungsweise habe der Schiffer das Schlingern und Stampfen des Schiffes, welches bei dem niedrigen Wasserstande zum Aufstossen geführt, in hohem Grade veranlasst. Schnelles und heftiges Schlingern greife eben so wie tiefes Stampfen Rumpf und Mast, die dadurch heftig erschüttert würden, sehr an; letzteres bewirke das Uebernehmen von Seen. 4. Der Schiffer habe nicht die nothwendige Vorsicht gebraucht, um sich der erforderlichen Wassertiefe zu versichern, und seine Dispositionen über den Kurs des Schiffes ohne gehörige Berücksichtigung der Umstände eingerichtet. Ein Schiffer, der über das Watt fahren wolle, müsse ganz besonders sorgfältig auf Wind und Wetter achten, da diese

Kuff Aurora.

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von grösserem Einfluss auf den Wasserstand seien; namentlich müsse er in regelmässigen Zwischenräumen lothen oder peilen. Der Führer der »Aurora« habe Loth und Peilstange gar nicht gebraucht, obwohl die dringendste Veranlassung dazu vorhanden gewesen. Der Wind sei ONO gewesen; es habe eine starke Briese geweht, und es sei starker Seegang gewesen. Bei östlichen Winden trete an den Küsten der Nordsee die Fluth sehr spät ein und gebe es wenig Wasser. Es sei daher, namentlich wenn es stark wehe und die See hoch gehe, die grösste Vorsicht geboten; denn es sei dann zweifelhaft, ob der Schiffer das nöthige Wasser vorfinde, um die Fahrt über das Watt wagen zu können. Jedenfalls müsse er bei ungünstigen Wasserverhältnissen, wenn ihm verschiedene Möglichkeiten vorliegen, die tiefste und breiteste Fahrrille aufsuchen, selbst wenn er deswegen einen Umweg machen müsse. Der Schiffer habe, nachdem er das Minsener Sand - Feuerschiff passirt, zwei Möglichkeiten gehabt, über das neue Brack zu kommen : entweder um Minsener Oldeoog in nordwestlicher Richtung herum- und in die blaue Balge einzusegeln, wo er ein tieferes und breiteres Fahrwasser vorgefunden haben würde, oder weiter südwestlich, wo der Grund nach der Jade zu steil abfalle und das Fahrwasser nur etwa eine Schiffslänge breit sei. Die Vorsicht habe geboten, die erstere Richtung zu nehmen; der Schiffer habe die letztere gewählt und nichts gethan, um sich vor dem Aufsegeln auf das neue Brack eines genügenden Wasserstandes zu versichern. Eventuell hätte der Schiffer im tiefen Wasser bleiben, den Anker fallen lassen und eine Tide überschlagen sollen. Statt dessen habe er die Fahrt riskirt und in der That zu wenig Wasser vorgefunden, nämlich nur 4 Fuss, während das Schiff einen eben solchen Tiefgang gehabt. Das Schiff sei aufgestossen. Jedenfalls sei es Anfangs noch Zeit gewesen, ohne Schaden wieder von dem neuen Brack abzukommen. Der Schiffer habe in dieser Richtung nichts gethan; das Schiff habe sich in Folge des seichten Wassers und hohen Seegangs von den Baken entfernt, welche nördlich das Fahrwasser begrenzen; es sei wiederholt aufgestossen und leck geworden und habe Seen übergenommen. Auch in dieser Situation scheine der Schiffer nicht mit der erforderlichen 8

114

Kuff Aurora.

Umsicht gehandelt zu haben. Anstatt die üblichen Mittel zu versuchen, um die Stelle des Lecks zu entdecken und denselben eventuell zu verstopfen, anstatt die Decklast und die schwersten Theile der Ladung im Räume über Bord zu werfen, habe er sich damit begnügt, zu pumpen. Jedenfalls hätte der Schiffer durch Lothen der Wassertiefe vor dem Aufsegeln annähernd auch den Wasserstand auf dem neuen Brack selbst ermitteln können. Der Beschwerdeführer hat hiernach beantragt, dem Schiffer Büschen die Befugniss zur Ausübung des Gewerbes zu entziehen. Der Schiffer Büschen hat hiergegen eingewendet: 1. Die »Aurora« sei zuletzt im Jahre 1878 in Karolinensiel auf der Helling des Schiffsbaumeisters Seemann gewesen und damals gründlich verzimmert, auch später von demselben untersucht und reparirt worden. Ausserdem habe er von dem Schiffszimmermann Warrings im Frühjahr 1878 aus Vorsicht die Seitenwände der »Aurora« nachsehen lassen, und zwar zu der Zeit, als die »Aurora« leer gewesen. Er habe hierzu keinen bestimmten Grund gehabt, da die »Aurora« damals durchaus kein Wasser gemacht habe, auch sonst für die Fahrt vollkommen seetüchtig gewesen sei; deshalb habe er keine Veranlassung gehabt, den Boden des Schiffs untersuchen zu lassen. Bei hölzernen Schiffen müssen die Seitenwände, da sie, abwechselnd unter oder über Wasser, der Luft und Sonne ausgesetzt seien, und da demzufolge die Nähte und Borsten zeitweilig aufspringen, mehr als der Schiffsboden nachgesehen werden, der stets unter Wasser liege und weniger der Gefahr, leck zu werden, unterworfen sei. 2. Die »Aurora« sei durchaus nicht überladen gewesen. Das Schiffs-Certifikat zeige die Tiefe des Schiffs von der oberen Kante des festen Decks und der Binnenbordsbekleidung (Bauchdielen) neben dem Kiel im mittelsten Querschnitt; darin sei also die Dicke der Bauchdielen, der Flachstücke und des Kiels nicht eingeschlossen, mithin die Tiefe des Schiffs um etwa 9 Zoll weniger im Schiffs-Certifikat angegeben, als die wirkliche Tiefe gewesen. Die »Aurora« habe mindestens 3/t Fuss Auswässerung gehabt. 3. Er habe auf den Bauchdielen der »Aurora« anstatt Garnirung zuerst mehrere Zoll hoch Böttcherholz und darauf

Kuff Aurora.

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die Stückgüter verstaut. Die Steine habe er direkt auf den Bauchdielen mittschiffs gut verstaut und darauf wieder etwa 2 Fuss hoch Böttcherholz verstaut. Da das Böttcherholz auf den Bauchdielen als sehr gute Garnirung habe verwendet werden können, so habe er nicht nöthig gehabt, noch anderweit zu garniren, zumal, wenn einmal Wasser in den Schiffsraum gekommen, dies Böttcherholz dasselbe eben so gut wie sonstiges Garnirholz zu den Pumpen habe hinfliessen lassen. Durch die Verstauung der Steine mittschiffs sei das schwere Schlingern des Schiffs nicht befördert, sondern vermindert. 4. Er sei mit der »Aurora« von Bremerhaven gesegelt und ungefähr bei halber Fluth vor das neue Brack in die Nähe des dort ankernden »Renown« gekommen. Ankern habe er derzeit bei der starken Briese und dem hohen Seegang daselbst nicht können; auch sei es ihm unmöglich gewesen, ohne grosse Gefahr für Schiff, Ladung und Leben die blaue Balge zu erreichen. Deswegen habe er die «Aurora« beidrehen lassen und sei nach Verlauf einer Stunde, 2 Stunden vor Hochwasser, auf das neue Brack in der festen Meinung zugesetzt, Wasser genug vorzufinden. Eine Peilung oder Lothung würde ihm in diesem Falle nichts mehr geholfen haben, weil der Aufgang zu dem neuen Brack, die Jadekante, ganz steil sei. Das südwestliche Fahrwasser sei derzeit nicht ausgehakt gewesen; daher habe er dieses nicht passiren dürfen. Wegen des hohen Seegangs und des Ueberstürzens des Wassers über das Deck sei es ihm ferner unmöglich gewesen, den Leck zu entdecken und zu verstopfen. Hiernach hat das Kaiserliche Oberseeamt in seiner Sitzung vom 24. Oktober 1878 entschieden, dass der Spruch des Königlich Preussischen Seeamts zu Emden vom 20. August 1878 in Betreff der Befugniss des Schiffers Büschen zur Ausübung seines Gewerbes lediglich zu bestätigen und die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens ausser Ansatz zu lassen. Gründe. 1. Durch die vom Schiffer Büschen beigebrachte Bescheinigung des Schiffsbaumeisters Seemann zu Karolinensiel vom 2. Oktober 1878, gegen deren Glaubhaftigkeit kein Zweifel obwaltet, ist dargethan, dass die »Aurora« im Jahre

Kuff Aurora. 1873 bei demselben auf der Helling gewesen und daselbst vollständig versehen und kalfatert worden ist, und dass sie in den Jahren 1874 bis 1876 durch denselben Schiffsbaumeister noch einige Reparaturen und einen neuen Mast erhalten hat. Durch das Zeugniss des Experten Mennen zu Emden ist festgestellt, dass er bei einer allgemeinen Besichtigung der »Aurora« im Frühjahre 1877 dieselbe in einem sehr guten Zustande gefunden hat. Durch das Zeugniss des Schiffszimmermanns Warrings zu Karolinensiel ist erwiesen, dass er im Auftrage des Schiffers Büschen im Februar und März 1878 einige Undichtigkeiten an den Seitenwänden der »Aurora« ausgebessert hat. Nach dem vom Schiffer Büschen geführten Schiffstagebuch, dessen Glaubhaftigkeit nicht angefochten ist, war die »Aurora« noch am 27. Juni 1878, dem Tage vor dem Seeunfall völlig dicht. Nach dem Zeugniss des Schiffsjungen Albrecht zu Friedrichsschleuse ist die »Aurora« auch am 28. Juni, als sie aus der Weser herauskam, noch dicht gewesen; erst auf der Jade hat er bei den Pumpen 2 Zoll (0,o4 m) Wasser gefunden. Hiernach hat es der Schiffer an der erforderlichen Sorge für die Seetüchtigkeit des Schiffs nicht fehlen lassen; er hat der Pflicht, welche ihm das Handelsgesetzbuch Art. 480 in dieser Hinsicht auferlegte, durchaus genügt. Seit 1878 hat er Jahr für Jahr das Schiff untersuchen und, soweit sich ein Bedürfniss dazu ergab, in Stand setzen lassen. Dass dabei nichts versäumt worden, erhellt daraus, dass die »Aurora« noch wenige Stunden vor dem Unfall völlig dicht gewesen ist. Wenn das Schiff im Laufe des 28. Juni auf der Jade 0,04 m Wasser machte, so war daraus in keiner Weise auf eine bevorstehende Gefahr für die Fortsetzung der Reise zu schliessen. Die »Aurora« ist vielmehr in seetüchtigem Zustande auf das neue Brack gekommen und hat erst hier die Schäden erlitten, welche die Ursache ihres Untergangs goworden sind. 2. Durch Zeugniss des Geschäftsführers May, des Kaufmanns Gristede, des Handlungsgehülfen Albrecht, des Kaufmanns Wagner, des Kaufmanns Fischer und des Kaufmanns Osmer zu Bremen und durch die von ihnen übergebenen Gewichtsscheine ist festgestellt, dass die »Aurora« für ihre letzte Fahrt geladen hatte:

Kuff Aurora.

117

kg Weizenmehl.., . . 700 Reis . . 1317,50 » Schmalz .. 207,75 » Stärke .. 353,50 » Reismehl .. 1275 » Kaffee .. 327,80 » Graupen . . 101 » Branntwein . . . . 742 » Thran . . 189 » 5 » Piment Rosinen . . 181,50 » Käse 24,50 » Pflaumen .. 10 » Bohnen .. 100 » Mehl ,. 1200 » Aepfel Nüsse .. 10 » Petroleum 173,50 » Speck zusammen 7020,05 kg, sowie 1700 Rumpf-Holzstäbe von 15300 » zusammen 22320,os kg. Ausserdem waren 1000 Stück behauene Flinten (Chausseesteine) geladen. Diese haben nach dem Zeugniss des Arbeiters Müller zu Karosinensiel etwa je 5,os bis 6 kg gewogen. Als zweifellos festgestellt kann das Gewicht des einzelnen Steins nur zu 5,so kg angenommen werden. Die 1000 Steine haben danach 5500 kg gewogen; das Gewicht der gesammten Ladung hat mithin 22320,os + 5500 = 27820,05 kg betragen. Der Netto-Raumgehalt der »Aurora« war durch die amtliche Vermessung zu 57,9 cbm festgestellt; ihre Ladungsfähigkeit wäre mithin nach dem durch die Schiffs vermessungsOrdnung vom 5. Juli 1872 § 33 angenommenen Verhältniss von 2,12 cbm zu 1000 kg auf 27311 kg zu berechnen, und es hätte danach eine Ueberladung der »Aurora« um 509,05 kg stattgefunden, wenn die solchergestalt ermittelte Ladungsfähigkeit überhaupt als Maximalgrenze für die Belastung eines Schiffs anzuerkennen wäre. Dies ist indessen

Kuff Aurora.

nicht der Fall. Nach der Reichsverfassung Art. 54 und der Schiffsvermessungs-Ordnung § 2 ist zwar die Ermittelung der Ladungsfähigkeit der Schiffe Zweck der Vermessung; allein diese Ermittelung hat nicht die Bedeutung, dass dadurch eine unüberschreitbare Grenze für das Gewicht der Ladung festgestellt werden soll. Eine derartige Feststellung kann durch die blosse Vermessung schon deshalb nicht getroffen werden, weil die Tragfähigkeit eines Schiffs nicht ausschliesslich von seinem Raumgehalt, sondern zugleich von seiner Bauart, von seinem Material und noch anderen Umständen abhängt. Die Ladungsfähigkeit ist in jedem einzelnen Fall nach der gesammten Beschaffenheit des Schiffs zu beurtheilen. Für ein Schiff, wie es die »Aurora« war, erscheint eine Ladung von 27820,05 kg nicht übermässig. Für die Annahme, dass die »Aurora« überladen gewesen, hat der Beschwerdeführer auch den Umstand geltend gemacht, dass dieselbe eine unverhältnissmässig geringe Auswässerung gehabt habe. Wenn er jedoch diese zu 0,o7 m angiebt, so beruht das auf einem Rechenfehler. Die Tiefe der »Aurora« ist bei der Vermessung zu 1,33 m festgestellt. Ihr Tiefgang hat 4 Fuss Hannoverischen Maasses betragen. Auf Grund derMaass- und Gewichts-Ordnung vom 17. August 1868 Art. 21 hat der Königlich Preussische Minister für Handel, Gewerbe uud öffentliche Arbeiten die Verhältnisszahlen für die Umrechnung der Hannoverischen Maasse in die neuen durch Bekanntmachung vom 13. Mai 1869 festgestellt. Danach ist 1 Fuss Hannoverisch = 0,29209 m; 4 Fuss Hannoverisch betragen mithin l,i6 m. Zieht man diese Summe von den erwähnten 1,33 m ab, so ergiebt sich, dass die Auswässerung der »Aurora« 0,i7 und nicht 0,o7 m betragen hat. Dies Resultat ist unter Zugrundelegung der bei der Vermessung des Schiffs ermittelten Tiefe des letzteren gefunden. Berücksichtigt man aber, dass, wie die Schiffsvermessungs-Ordnung §§ 2, 7 ergiebt, diese Tiefe nur die innere Hohlraumtiefe des Schiffs darstellt, und dass bei Bemessung des Tiefgangs auch der Aussenkörper des Schiffs in Rechnung zu ziehen ist, so muss die »Aurora« wenigstens die vom Schiffer angegebene Auswässerung von 3Ii Fuss Hannoverisch = 0,21 m gehabt haben, und eine solche Auswässerung deutet bei einem Schiff von der Grösse der

Kuff Aurora.

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»Aurora« nicht auf Ueberladung hin. Es kann hiemach nicht dem Schiffer der Vorwurf gemacht werden, dass er, entgegen der Vorschrift des Handelsgesetzbuchs Art. 481, das Schiff überladen habe. 3. Was die Unterbringung der Ladung im Schiff anlangt, so hat der Schiffer nach dem Handelsgesetzbuch Art. 481 für die gehörige Stauung nach Seemannsbrauch und dafür zu sorgen, dass das Schiff mit der erforderlichen Garnirung versehen wird. Die vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Angaben des Schiffers Büschen über Stauung und Garnirung seiner Ladung in Zweifel zu ziehen, liegt kein Grund vor. Die von ihm angebrachte Holzgarnirung ist als zweckmässig und ausreichend anzuerkennen. Ebenso ist durch die Aussagen der Sachverständigen, des Experten Mennen und des Schiffskapitäns Geerds zu Emden festgestellt, dass gegen die Stauung nichts zu erinnern ist. Sie hat dem Seemannsbrauch entsprochen. Es liegt also auch in dieser Hinsicht kein Grund vor, gegen den Schiffer einen Tadel zu erheben. 4. Der Annahme des Beschwerdeführers, dass der Schiffer den Untergang der »Aurora« hätte vermeiden können, wenn er, statt sich auf das neue Brack zu begeben, in die blaue Balge gefahren wäre, ist nicht beizutreten. Bei dem Wind und dem Seegang, welche zur Zeit des Unfalls herrschten, wäre die Fahrt in die blaue Balge für die »Aurora« und deren Ladung und Besatzung wahrscheinlich von noch schlimmeren Folgen als die Fahrt auf das neue Brack begleitet gewesen. Dass für die »Aurora« auf dem letzteren zu wenig Wasser vorhanden war, erkannte der Schiffer erst, als dieselbe aufgestossen war; es lässt sich daher nicht annehmen, dass er das Schiff noch hätte retten können, wenn er damals den Rückgang in tieferes Wasser eingeschlagen hätte. Den durch das Aufstossen entstandenen Leck alsbald aufzusuchen, um ihn zu verstopfen, war dem Schiffer bei der Stauung der Ladung nicht möglich. Dass er ausser der Anwendung der Pumpen auch das versucht hat, was ihm allein noch übrig blieb, um das Schiff zu erleichtern, nämlich das Auswerfen eines Theils der Ladung, ist durch das Zeugniss des Arbeiters Müller in Verbindung mit der Aussage des Schiffers festgestellt.

Kuff Aurora.

Dagegen hat sich der Schiffer insofern einer Unterlassung vor dem Eintritt des Unfalls schuldig gemacht,- als er das Lothen verabsäumt hat. Bei der herrschenden Windrichtung musste es ihm zweifelhaft sein, ob er auf dem neuen Brack genug Wasser finden Mirde. Er hätte deshalb, ehe er auf das neue Brack segelte, lothen sollen; er würde dann aus der vor dieser Stelle ermittelten Wassertiefe annähernd haben berechnen können, wie hoch das Wasser auf dem neuen Brack stehe, und die hierdurch gewonnene Erkenntniss, dass es dort an genügender Wassertiefe zur Zeit fehle, hätte ihn bestimmen müssen, im tieferen Wasser zu bleiben, bis sich ihm die Möglichkeit bot, die Fahrt mit Sicherheit fortzusetzen. Der Einwand, dass das Lothen wegen der Steilheit der Jadekante nutzlos gewesen wäre, fällt in sich zusammen; denn diese Steilheit ist ein unveränderliches Moment, welches die Zuverlässigkeit der Berechnung der Wassertiefe nicht beeinträchtigen kann. Das Handelsgesetzbuch Art. 487 verpflichtet den Schiffer, von Tag zu Tag die durch das Loth ermittelte Wassertiefe in das Journal einzutragen. Der Schiffer Büschen hat, wie sein Journal ergiebt, gar nicht gelothet oder gepeilt. Insofern ist sein Verhalten nicht ein pflichtmässiges gewesen. Der Schiffer Büschen hat durch diese Unterlassung den Unfall verschuldet; indessen kann aus derselben der Mangel solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung seines Gewerbes erforderlich sind, nicht gefolgert werden. Er hat zwar in Betreff des Lothens die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, welche das Handelsgesetzbuch Art. 478 fordert, vermissen lassen; aber er hat im Uebrigen diese Sorgfalt in ausreichendem Maasse bethätigt, so dass ein Mangel dieser Eigenschaft bei ihm nicht angenommen werden kann. Es ist ihm deshalb die Befugniss zur Ausübung des Gewerbes zu belassen. Die baaren Auslagen des Verfahrens bleiben nach der Geschäftsordnung für das Ober-Seeamt vom 3. Mai 1878 § 1 1 ausser Ansatz, weil die Beschwerde vom Reichskommissar eingelegt worden ist.

Brigg Brotherly Love.

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39. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 15. August 1878, betreffend den Seeunfall der britischen Brigg „Brotherly Love" von Shields. Schiff, auf der Elbe vor Anker liegend, von einer unter der Führung eines Lootsen stromaufwärts segelnden Bark bei Nacht angerannt und gesunken.

Am 6. März 1878 ging die britische Bark »Aethelberht« mit einer Ladung Guano, nach Hamburg bestimmt, aus dem Hafen von Mexillones de Bolivia in See und erhielt nach einer Reise ohne bemerkenswerthe Ereignisse am 14. Juli Nachmittags 12 Uhr in der Nordsee aus dem Hamburger Lootsenkutter Nr. 1 einen Lootsen an Bord. Um 9h 30m passirten sie unter Kommando des Lootsen ohne Unfall die Rhede von Cuxhaven, welche voll von Schiffen lag. Als sie oberhalb Cuxhaven kamen, sahen sie nördlich im Fahrwasser mehrere Ankerlaternen und steuerten südlich im Fahrwasser auf; sie hatten alle Segel beigesetzt, ausgenommen Grosssegel, GafFeltopsegel und einen Theil der Besahn; Wind war NW und NWzN, frische Briese und gutes Wetter, jedoch bewölkt; es war Fluth; das Schiff lief, der geringsten Angabe nach, 6 bis 7 Seemeilen die Stunde. Um 10h 30m kamen sie in Kollision mit der bei der weissen Tonne 16 vor Anker liegenden britischen Brigg »Brotherly Love« und fügten diesem Schiff eine solche Beschädigung zu, dass es innerhalb 15 bis 20 Minuten sank und nur die Besatzung sich retten konnte. Der den »Aethelberht« führende Lootse Feldthusen macht die folgenden Angaben: Als sie die Tonne LL passirt waren, liess er OzS steuern; mit diesem Kurs sahen sie mehrere Ankerlaternen an Backbordseite voraus; als sie in der Mitte zwischen den Tonnen LL und M waren, hatten Wind und Strom sie so viel nach Süden versetzt, dass das Feuer von Altenbruch sich verdunkelte; er liess dann 0 Va S steuern, um nicht zu südlich zu kommen; mit diesem Kurs sahen sie eine Ankerlaterne eben frei an Backbordbug; er gab dem Mann am Ruder Ordre, das Schiff auf diesem Kurs zu halten, und ging, weil sie von dem Hinterdeck schlechte Aussicht hatten, nach vorn zu dem Mann am Ausguck, um sich zu überzeugen, ob vor ihnen Alles klar sei. Als er vorn bei dem Mann auf der Back ankam, sah er, dass mehr angeluvt war; das vor Anker liegende Schiff, welches er vorher am Backbordbug gesehen hatte, sah er jetzt am Steuerbordbug. Er rief sogleich »Backbordruder«, was ihm vom

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Brigg Brotherly Love.

Hinterdeck beantwortet wurde. Da das Schiff nicht abiallen wollte, im Gegentheil eher mehr anluvte, rief er mehrere Male »hart Backbordruder« und gab Ordre, die Besahnschote loszuwerfen. Trotz alledem wollte aber das Schiff nicht abfallen und so liefen sie das vor Anker liegende Schiff, die »Brotherly Love«, am Backbord beim grossen Mast ein. Wäre ihr Schiff nur etwas abgefallen, so wären sie von der Brigg freigekommen, da Wind und Strom ihr Schiff nach Süden setzten. Als er sah, dass die Kollision unvermeidlich war, lief er nach hinten und fand das Ruder hart Backbord liegend. Nach Meinung des auf der »Brotherly Love« die Ankerwache haltenden Matrosen, welcher das Kommando »port« gehört hat, war der »Aethelberht« von der »Brotherly Love« damals vielleicht 74 Seemeile entfernt. Der Mann am Ruder des »Aethelberht« erklärt, der Lootse habe, bevor er nach vorn gegangen, das Kommando »loof« gegeben, etwa anderthalb Minuten später von vorn »port« und gleich darauf »hard a port« kommandirt; in Folge des Kommandos »loof« habe der Kurs des Schiffs um ungefähr 3 Strich sich geändert; vorher habe er 0 Va N angelegen. Das Schiff habe dem Ruder langsam gehorcht. Nach dem Kommando »port« bis zur Kollision sei es etwa 2 Strich abgefallen. Zwischen dem letzten Kommando und der Kollision mögen etwa 3 Minuten verstrichen sein. Nach Angabe des Kapitäns des »Aethelberht« verstrichen von dem ersten Kommando Backbord bis zum Zusammenstoss etwa 3 Minuten. Seiner Erklärung zufolge war er mit dem »Aethelberht« ungefähr 22 Monate unterwegs und hatte das Schiff vor 14 Monaten, so gut es ging, durch die Mannschaft reinigen lassen. Die Ladungsfähigkeit des Schiffs beträgt seiner Angabe nach 768 Register-Tons und gehorcht dasselbe dem Ruder langsam. Nach Angabe des Obersteuermanns verstrichen von dem ersten Kommando Backbord bis zur Kollision vielleicht 4 bis 5 Minuten. Die beiden Letztgenannten -erklären mit Bestimmtheit, dass die Kommandos des Lootsen sofort befolgt seien. Was nun die Ursachen dieses Unfalls anlangt, so bedarf es keiner weiteren Ausführung, dass die »Brotherly Love«, da sie an einer erlaubten Stelle vor Anker lag und das vorgeschriebene Ankerlicht — wie das Beweismaterial ausser Zweifel stellt — in gehöriger Weise zeigte, keinerlei Verschulden trifft. Gleichfalls ist der Besatzung des Schiffes »Aethelberht« ein Verschulden nicht zur Last zu legen. Nach dem Beweismaterial

Brigg Brotherly Love.

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ist als feststehend zu erachten, dass die Kommandos des Lootsen Feldthusen pünktlich befolgt sind. Und wenn auch nach Maassgabe früherer gerichtlicher Entscheidungen dieser Lootse nicht als Zwangslootse im Sinne des Art. 740 des Handelsgesetzbuchs anzusehen ist, mithin der Rheder des Schiffs von der Verantwortung für den Schaden nicht frei wird, welcher durch einen von ihm etwa verschuldeten Zusammenstoss entstanden ist, so durfte doch der Kapitän des »Aethelberht« die Führung des Schiffs dem Lootsen unbedenklich überlassen und die in Rede stehenden Kommandos ausführen. In Frage kommt somit nur, ob dem Lootsen Feldthusen ein Verschulden beizumessen ist. Feldthusen beruft zu seiner Entschuldigung sich darauf, dass das Schiff dem Ruder nicht gehorcht habe, und sucht dies daraus zu erklären, dass das Schiff sehr schmutzig und bewachsen gewesen sein müsse und dieser Umstand, im Ver. ein mit irgend einer Strömung, die Manövrirfähigkeit des Schiffs an jener Stelle ganz besonders beeinträchtigt habe. Diese Entschuldigung des Lootsen kann für völlig durchschlagend nicht erachtet werden. Freilich hat das Seeamt bei dem eingenommenen Augenschein gefunden, dass der Boden des Schiffs vom Besahnsmast nach dem Vordersteven und vom Kiel bis über die Kimme an Steuerbord- und bis an die Kimme an Backbord-Seite, mit Ausnahme einiger Stellen, mit einer dichten Kruste von Muscheln bewachsen ist, wovon einige über 4 Zoll ausstehen, und ist das Seeamt der Ansicht, dass dieser Auswuchs am Schiffsboden die Manövrirfähigkeit des Schiffs bedeutend beeinflusst haben muss, sowohl im Segeln wie im Steuern. Den in nautischen Kreisen allgemein bekannten Umstand, dass auf einer Reise, wie der in Rede stehenden, eiserne Segelschiffe stark anzusetzen pflegen und dadurch in ihrer Manövrirfähigkeit behindert werden, musste aber der Lootse, zumal er seiner eigenen Angabe nach alsbald nach seiner Ankunft an Bord von dem Kapitän des »Aethelberht« darauf aufmerksam gemacht ist, dass das Schiff wahrscheinlich sehr schmutzig sei, gebührend berücksichtigen. Er musste, wenn er mit einem solchen Schiff mit einer Geschwindigkeit von mindestens 6 bis 7 Seemeilen in der Stunde, bei Fluth, das Revier im Dunkeln aufsegelte, einen Platz einnehmen, von welchem er freie Aussicht nach vorn hatte, um der geringeren Manövrirfähigkeit des Schiffes wegen die erforderlichen Kommandos rechtzeitig geben zu können. Das hat der Lootse seiner eigenen Darstellung zufolge offenbar nicht gethan. Obwohl

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Brigg Brotherly Love.

er das Ankerlicht der »Brotherly Love« geraume Zeit vorher bereits gesehen hatte, ist er erst etwa 3 Minuten vor der Kollision, als er also ungefähr V3 Seemeile nur von der »Brotherly Love« noch entfernt war, von dem Hinterdeck, von wo er keinen klaren Ueberblick hatte, nach vorn gegangen, um sich zu überzeugen, ob vorn Alles klar sei. Dort hat er sofort bemerkt, dass sein Schiff zu weit nördlich gekommen war. Nach dieser Darstellung kann es einem Zweifel nicht unterliegen, dass die Kollision vermieden wäre, wenn der Lootse früher einen klaren Ueberblick gehabt hätte; er würde dann das Kommando, das Ruder etwas Steuerbord zu legen, nicht gegeben, dadurch vermieden haben, dass das Schiff zu weit nördlich kam und ohne Unfall die »Brotherly Love« an der Backbordseite passirt haben. Dass aber der Lootse diesen klaren Ueberblick sich nicht zu rechter Zeit verschafft hat, muss ihm, wenn auch nicht als grobes, so doch immerhin als Verschulden angerechnet werden. Da die Kollision Abends 10V2 Uhr stattfand, der Lootse aber seit ein Uhr Nachmittags bereits an Bord war und 9Va Uhr Abends die Rhede von Cuxhaven, die seiner eigenen Anführung nach voll von Schiffen lag, passirt hatte, so musste er bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt über die Steuerfähigkeit des Schiffes soweit instruirt sein, um zu wissen, dass das Schiff in seinem damaligen Zustande nur langsam dem Ruder gehorche, zumal er sich nicht lediglich auf seine eigenen Wahrnehmungen zu beschränken hatte, sondern nach § 4 der Cuxhavener Lootsenordnung vom 20. Dezember 1838 verpflichtet war, nach Ankunft an Bord nach den Eigenschaften des Schiffes, ob es gut wende, halse und sonst gut zu manövriren sei, sich zu erkundigen; mit um so grösserer Vorsicht musste er deshalb verfahren. Demnach giebt das Seeamt sein Urtheil dahin ab: dass der Zusammenstoss der Bark »Aethelberht« mit der Brigg »Brotherly Love« am Abend des 14. Juli 1878 hätte vermieden werden können, wenn der Lootse Feldthusen bei der Führung des ersteren Schiffes mit grösserer Vorsicht verfahren wäre, dass sein Verfahren als grobes Verschulden nicht bezeichnet werden kann, dass auch die Besatzungen beider Schiffe von jedem Verschulden frei zu sprechen sind.

Brigg Eos.

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40. Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 25. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Brigg „Eos" von Stettin. (Der diesen Seeunfall betreffende Spruch des Seeamts zu Stettin vom 22. August 1878 findet sich auf Seite 97 ff.)

Gegen den Spruch des Seeamts zu Stettin vom 22. August 1878 hat der Steuermann Roloff die Beschwerde eingelegt und zur Begründung derselben ausgeführt: 1. Seine Schuld karakterisire sich nicht als eine grobe Fahrlässigkeit, sondern nur als ein Versehen, welches bei schwarkigem Wetter und einigermaassen grosser Entfernung sehr leicht möglich sei, da unter solchen Umständen weisse und rothe Feuer kaum von einander zu unterscheiden seien. 2. An Bord sei kein Peilkompass, noch sonst ein Kompass gewesen, mit dem man auch nur annähernd genaue Peilungen hätte nehmen können. Solches sei aber zur sicheren Navigirung in engen Gewässern unbedingt erforderlich. 3. Die Schuld der Strandung sei nach seiner Ansicht in erster Linie einem Versehen des Kapitän Lasch beizumessen, welcher ihm einen Kurs zu steuern befohlen habe, der direkt auf die gefährlichen Bänke von Kentish-Knock gerichtet gewesen sei. Der Kapitän habe um 10 Va Uhr Abends den Standort des Schiffes nach der Peilung von Orfordness in NNW etwa 11 Seemeilen ab bestimmt. Aber bereits 10a/4 Uhr habe er Galloper-Feuerschiff in S3/4W 7 Seemeilen ab gepeilt und — wenngleich sich hiernach das Schiff in Zeit von Vi Stunde, anstatt in dem gesteuerten Kurse SSWVaW 1,5 Seemeilen zu laufen, von dem ersten Standpunkte in der Richtung Sz03/40 hätte entfernt haben müssen — habe er dennoch den letzten Standpunkt als den richtigen angesehen. Denn, hätte er den ersten Standpunkt als den richtigen angesehen, so hätte er nimmer den gefährlichen Kurs SSW'/aW aufgeben können. Die Peilung von Galloper wäre aber wahrscheinlich nicht S3/4W, sondern vielmehr S3/40 gewesen. 4. Von dem Standpunkte, welchen der Kapitän sonach als fest um 103/4 Uhr angenommen habe, wäre es mit dem

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Brigg Eos.

Kurse SSW l kW gar nicht möglich gewesen, das Sunk-Feuer in Sicht zu erhalten; dieses hätte vielmehr weit an Steuerbord bleiben müssen. Er hätte somit auch nicht auf den Gedanken kommen können, dass das in westlicher Richtung in Sicht gekommene Feuer dasjenige von Sunk sein könnte, da er auf Grund des angenommenen Standortes, des gelaufenen Kurses und der Fahrt das Feuer von Kentish-Knock in dieser Richtung erwartete. Es wäre somit gerechtfertigt gewesen, das Sunk-Feuer für das Kentish-Knock-Feuer und das letztere für einen hellblüsenden Fischer zu halten. Die Gegenerklärung des Reichskommissars auf diese Beschwerde führt aus, dass das Verschulden des p. Roloff von dem Seeamte dahin festgestellt sei, dass 1. derselbe sich vor Uebernahme der Wache, d. h. der selbstständigen Führung des Schiffes nicht über die Position desselben, sowie über die Gefahrlosigkeit des zu steuernden Kurses unterrichtet habe. Er sei zwar zu diesem Zwecke mit dem Kapitän in die Kajüte gegangen, als das Feuer von Orfordness gegen 10 Uhr 15 Minuten NNW gepeilt wurde, aber entweder habe er den Kurs SSWVaW, welcher zu steuern beschlossen wurde, überhaupt nicht abgesetzt, oder er habe denselben für zweckentsprechend gehalten. Dieser Kurs sei ausschliesslich auf Grund der Peilung von Orfordness gewählt und nicht, wie der Beschwerdeführer jetzt angiebt, auf Grund der späteren Peilung vor Galloper in S W 7 Seemeilen ab. Es sei allerdings auffallend, dass der Kurs SSWVaW gewählt sei, da derselbe in geringer Entfernung von den gefährlichen Bänken von KentishKnock vorbeiführe. Auch sei es zweifellos, dass die fragliche Peilung von Galloper sehr ungenau gewesen, aber dieselbe sei auch für Bestimmung des Kurses ganz ohne Einfluss geblieben; 2. dass der Steuermann es unterlassen habe, die Bewegungen des Schiffes durch Peilungen der in Sicht befindlichen Feuer zu kontroliren. Diese Yorsichtsmaassregel sei aber in einem Fahrwasser wie das in Rede stehende, wo starke und unregelmässige Strömungen herrschen, unbedingt erforderlich, um ein Schiff sicher zu navigiren. Der Beschwerdeführer habe dies offenbar ganz unterlassen, denn sonst wäre eine Verwechselung zwischen den Feuern von

Brigg Eoa.

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Sunk und Kentish-Knock nicht möglich gewesen. Der Mangel eines Peilkompasses oder sonstiger Vorrichtungen, worauf sich Roloff jetzt berufe, möge richtig sein, kann jedoch als Entschuldigungsgrund für das Unterlassen aller Peilungen nicht dienen. Thatsächlich seien vorher Peilungen genommen und unterläge es wohl keinem Zweifel, dass solche mit Hülfe des Steuerkompasses genau genug vorgenommen werden konnten, um eine Verwechselung der obengenannten Feuer auszuschliessen; 3. dass der Steuermann die verschiedene Beschaffenheit der Leuchtfeuer nicht beachtet habe. Es möge zweifelhaft sein, ob das Feuer von Sunk der grossen Entfernung wegen mit Sicherheit bezüglich seiner LichtbeschafFenheit erkannt werden konnte; sicher sei dies aber bei dem von KentishKnock möglich gewesen, da dasselbe in einer Entfernung von etwa drei Seemeilen zuerst gesichtet und das Schiff sich demselben fortwährend näherte. Roloff scheine in vollkommener Unkenntniss über die Verschiedenartigkeit der fraglichen Feuer gewesen zu sein. Seine Behauptung, dass es nahe gelegen habe, das fragliche Licht als von einem Fischerfahrzeug ausgehend, anzusehen, welches von den gefahrlichen Bänken von Kentish-Knock ablag, sei nicht zutreffend. Erstens wären diese Bänke seiner Annahme nach bereits passirt gewesen, und zweitens habe er keine Versuche zum Ausweichen machen dürfen, ehe er sicher gewesen, in welcher Richtung sich das Fahrzeug wirklich bewegte. Es sei unerklärlich, wie er geraume Zeit, d. h. nahezu Va Stunde seinen Kurs ändern konnte, ohne zu bemerken, dass das Licht, dem er ausweichen wollte, stationär blieb, und wie während dieser Zeit das regelmässige Blinken des Lichtes ihn nicht auf den Gedanken brachte, dass es sich um ein Feuerschiff handelte. Was die Atmosphäre in der fraglichen Nacht anbeträfe, so sei dieselbe keine derartige gewesen, um das Erkennen und Unterscheiden der einzelnen Feuer sonderlich zu erschweren; alle Feuer mit Ausnahme des Kentish-Knock seien auf grosse Entfernungen gesehen worden. Als das letztere von dem Beschwerdeführer zuerst beachtet wurde, sei es immerhin noch mindestens drei Seemeilen entfernt und bei der herrschenden Windrichtung noch immer

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Brigg Eos.

hinreichend Zeit gewesen, dasselbe zu vermeiden, wenn sich Roloff nicht des folgenschweren Irrthums schuldig gemacht hätte. Der Reichskommissar beharrte daher bei seiner Ansicht, dass der Steuermann Roloff einen Mangel derjenigen Eigenschaften an den Tag gelegt habe, welche zur Ausübung des Steuermannsgewerbes erforderlich seien. Die Vernehmung des als Zeugen vor das Oberseeamt geladenen Schiffers Lasch und die Befragung des Beschwerdeführers ergab, dass, 1. an Bord der »Eos« zwei Kompasse vorhanden gewesen sind, vermittelst deren Peilungen mit genügender, wenn auch nicht mit absoluter Genauigkeit, vorgenommen werden konnten, 2. dass nicht gelothet ist, 3. dass nur sehr unregelmässig geloggt ist, zuletzt etwa gegen 6 oder 6V2 Uhr p. m., 4. dass Schiffer und Steuermann gegen 10V4 Uhr, nachdem der Standort des Schiffes auf Grund der Peilung von Orfordness in NNW etwa 11 Seemeilen ab festgestellt war, über den nun zu wählenden Kurs gemeinschaftlich berathschlagt, und beide denselben als zweckentsprechend angesehen haben, 5. dass sowohl Schiffer wie Steuermann den Unterschied im Standort des Schiffes, wie er sich einerseits aus der oben genannten Peilung und andererseits aus der Peilung vor Galloper-Feuer in Sal*W 7 Seemeilen ab, ergab, nicht beachtet haben, 6. dass die letztgenannte Peilung auf die Bestimmung des Kurses ohne jeden Einfluss geblieben, 7. dass das Ship-Wash-Feuerschiff weder von dem Schiffer, noch von dem Steuermann gesehen worden ist, 8. dass der Steuermann den Schiffer unter Hinweis auf seine Vertrautheit mit dem Fahrwasser bereits um 9 Uhr aufgefordert hat, sich schlafen zu legen. Ferner behauptet der Zeuge mit Bestimmtheit, die GalloperFeuer gesehen und erkannt und der Strömung in der Weise Rechnung getragen zu haben, dass er bei der Bestimmung seines Kurses angenommen habe, es laufe die Fluth mit einer mässigen Geschwindigkeit von 1 bis 1,5 Knoten. Genauere Angaben in letzter Beziehung konnte er jedoch nicht machen.

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Hiernach hat das Kaiserliche Oberseeamt in seiner Sitzung vom 25. Oktober 1878 entschieden, dass der Spruch des Königlichen Seeamts zu Stettin vom 22. August 1878 lediglich zu bestätigen und dem Beschwerdeführer die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Gründe. 1. Es ist als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei der der Strandung der »Eos« in der Nacht vom 2. zum 3. August vorhergegangenen Navigirung des Schiffes einen Mangel an den für seinen Beruf erforderlichen Kenntnissen an den Tag gelegt hat. Es war der Schiffer in erster Linie für die Navigirung seines Schiffes stetig verantwortlich. Aber der Steuermann war, wenn ihn der Schiffer hierbei um Rath fragte, verpflichtet, ihm diesen nach sorgfältiger Prüfung aller dabei in Betracht zu ziehenden Umstände zu ertheilen, wozu er die erforderlichen Kenntnisse nach Maassgabe der Anordnungen über die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute vom 30. Mai 1870 sich angeeignet haben musste. Im vorliegenden Falle haben Schiffer und Steuermann über den um IOV4 Uhr einzuschlagenden Kurs gemeinschaftlich berathschlagt, und der Letztere hat den von Ersterem gewählten Kurs für zweckentsprechend erachtet, einen Kurs, welcher selbst, wenn keine Strömung in den in Rede stehenden Gewässern vorhanden, an und für sich schon gefährlich war, da er in eine gewagte Nähe der Kentish-Knock-Bänke führte und somit unzweckmässig gewesen ist. Dieser Kurs ist aber nicht nur ein unzweckmässiger und gefährlicher gewesen, sondern geradezu ein falscher, da es dem Schiffer sowohl, wie dem Steuermann hätte bekannt sein müssen, dass an dem in Rede stehenden Theile der englischen Südostküste in der ersten Hälfte der Nacht vom 2. bis 3. August die Fluth mit einer Geschwindigkeit von etwa 1,5 bis 2 Seemeilen in der Stunde in der durchschnittlichen Richtung nach SWzW setzte, welcher Umstand zur Folge haben musste, dass die Brigg nach Westen, mithin bei dem gewählten Kurse gerade auf die Bänke von KentishKnock gesetzt wurde. Die Behauptung des Schiffers, dass er bei der Bestimmung des Kurses der Strömung Rechnung getragen habe, kann als zutreffend nicht bezeichnet werden, da gegen dieselbe die ganz unbestimmten Angaben desselben über die Strömung und dann auch der gewählte Kurs selbst sprechen. Hätte der Schiffer der Strömung wirklich Rechnung getragen, so 9

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hätte er bedeutend südlicheren Kurs einschlagen müssen. Dies hätte auch dem Beschwerdeführer bei pfüchtmässiger Ueberlegung klar werden müssen. 2. Es ist ferner als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer einen wesentlichen Mangel an Umsicht und Urtheil gezeigt hat, indem er den grossen Unterschied im Besteck, wie solcher einerseits auf Grund der Peilungen von Orfordness um 10V4Uhr, andererseits auf Grund der Peilung des Feuerschiffs von Galloper um 10 V« Uhr gefolgert werden musste, nicht beachtet und sich denselben deshalb auch in keiner Weise zu erklären versucht hat. Hätte er dies gethan, so würde ihm klar geworden sein, dass die Peilung des Galloper Feuerschiffes eine durchaus falsche gewesen ist, und er würde dadurch zu einer wiederholten Peilung dieses Feuers und somit zu einer besseren Bestimmung des Standortes des Schiffes veranlasst worden sein. Derselbe Vorwurf trifft auch den Schiffer Lasch. Wie wohl also die Auffassung des Seeamtes in Betreff des Verhaltens des Schiffers und in Betreff der Navigirung der Brigg »Eos« durch denselben nicht getheilt werden kann, vielmehr auch ihm der Vorwurf eines erheblichen Mangels an Umsicht und Urtheil gemacht werden muss, durch welchen der Schiffsverlust wesentlich mit herbeigeführt worden ist, so ist doch in erster Instanz hierauf ein Antrag auf Entziehung der Befugniss zur Ausübung des Schiffergewerbes gegen den Schiffer nicht gegründet worden, so dass der Beurtheilung des Verhaltens des Schiffers in zweiter Instanz eine rechtliche Folge nicht gegeben werden kann. Durch die konkurrirende Schuld des Schiffers wird aber der Beschwerdeführer nicht entlastet. Der Vorwurf des Mangels an Urtheil und Umsicht trifft den Beschwerdeführer weiterhin in sofern, als es ihm bei sorgfältiger Beobachtung nicht hätte schwer fallen können, das Feuer von Kentish-Knock von dem eines Fischerboots zu unterscheiden, selbst wenn eine solche Verwechselung bei dem ersten Insichtkommen des Feuers möglich war und wohl auch für eine kurze Zeit entschuldbar gewesen wäre. Denn es ist nicht zu rechtfertigen und nur durch Mangel an Urtheil zu erklären, dass der Beschwerdeführer in dem langen Zeitraum von etwa 25 Minuten in dem verhängnissvollen Irrthum über den Ursprung und die Beschaffenheit dieses Feuers verharrt und zur Erkenntniss desselben erst durch die Strandung der Brigg gelangt ist. Fischerfeuer, selbst recht gute, sind kaum auf eine grössere

Brigg Eos.

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Entfernung als zwei Seemeilen zu sehen; dass Schiff hat sich aber in der Zeit von dem Insichtkommen des Feuers bis zur Strandung wenigstens drei bis vier Seemeilen, die Strömung eingerechnet, fortbewegt; daraus allein, ganz abgesehen von dem Stationärbleiben des Feuers und von dem regelmässigen Erscheinen desselben, hätte es dem Beschwerdeführer schon nach längstens 10 Minuten klar werden müssen, dass die Annahme, das Feuer rühre von einem Fischerboote her, auf einer Täuschung beruhte. Hätte er diesen Irrthum rechtzeitig eingesehen, so hätte die Strandung wahrscheinlich noch vermieden werden können. 3. Endlich ist als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer einen Mangel an Vorsicht dadurch bewiesen hat, dass er die in Sicht befindlichen Feuer, namentlich das des Galloper, nicht zum öfteren in Peilung gehalten hat. Es ist eine gebotene Vorsicht bei der Navigirung in so engen und gefährlichen Fahrwassern, sich so oft als irgend thunlich über den Ort des Schiffes durch Peilungen der in Sicht befindlichen Objekte Gewissheit zu verschaffen. Hätte der Beschwerdeführer in der Zeit von 10 Va bis IIV2 Uhr p. m. dies gethan, so hätte ihm aus der gegenseitigen Lage der Feuer, selbst, wenn er die rothen und weissen Blicke des Sunk-Feuerschiffes nicht zu unterscheiden vermochte, klar werden müssen, dass das von ihm für Kentish-Knock-Feuer gehaltene Sunk-Feuer unmöglich das Kentish-Knock-Feuer sein konnte, wodurch er sofort über seinen Irrthum hinsichtlich des Fischerfeuers aufgeklärt worden wäre. Da somit bei dem Beschwerdeführer in dem vorliegenden Falle ein Mangel an solchen Eigenschaften zu Tage getreten ist, welche zur Ausübung des Steuermannsgewerbes erforderlich sind, so war, wie geschehen, zu entscheiden, und da somit die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden ist, so sind dem Beschwerdeführer auch die baaren Auslagen des Beschwerde Verfahrens zur Last zu legen.

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Schnigge Die Eider.

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Spruch des Seeamts zu Flensburg

vom 11. September 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Schnigge „Die Eider" von Breiholz. Schiff mit Steinladung durch Springen einer Planke leck geworden und gesunken.

In der Untersuchungssache des Seeunfalles, welcher die dem Schiffer Johann Jacob Schulz in Breiholz gehörige Schnigge »Die Eider« am 1. Juli 1878 bei Schleimünde betroffen, hat das Seeamt entschieden: dass der Schiffer weder durch Handlungen noch durch Unterlassungen den Unfall verschuldet hat, dass auch Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder Bemannung des Schiffes den Unfall nicht herbeigeführt haben, dass der Unfall dagegen dem unberechenbaren ZufaU des Springens einer Scharfe (Quernaht) zuzuschreiben sei. Am 1. Juli 1878, Nachmittags zwischen zwei und drei Uhr, ist die mit 24000 Ziegelsteinen beladen gewesene deutsche Schnigge L H D T »Die Eider« von 29,41 britischen Register-Tons Ladungsfähigkeit auf der Fahrt von Iiier (bei Ekensund in der Flensburger Föhrde) nach Kiel bei Schleimünde gesunken. Das Schiff wurde geführt von dem Eigenthümer, dem Schiffer Johann Jacob Schulz aus Breiholz bei Rendsburg an der Eider. Ausser dem Schiffer befand sich nur noch dessen 21 Jahre alter Sohn an Bord, welcher bereits seit seinem 11. Lebensjahre den Vater als Schiffsgehülfe begleitet hat. Das Schiff ist später von dem Taucher und Schiffsbaumeister Flohr in Neumühlen bei Kiel entlöscht, dann gehoben und nach Neumühlen gebracht, um reparirt zu werden. Dieser, zeugeneidlich vernommen, hat ausgesagt, dass er bei der ersten Untersuchung des gesunkenen Schiffes keine andere Beschädigung, als eine gesprungene Quernaht auf Steuerbordseite habe wahrnehmen können und dass nach seiner Ansicht das Wasser, welches durch die gesprungene Quernaht i n s Schiff gedrungen sei, das Sinken desselben veranlasst habe. Der gleichfalls zeugeneidlich vernommene Strandvogt Lischke in Schleimünde, welcher den Unfall vom Strande aus angesehen hat und dem Schiffer mit seinen Leuten zu Hülfe gekommen ist,

Schnigge Die Eider.

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sagt aus, dass zur Zeit des Unfalls Nordwestwind geweht habe, aber keine aussergewöhnliche See gewesen sei und sich daher das Sinken des Schiffes nur durch einen plötzlich entstandenen Leck erklären lasse. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Schiffers und seines Sohnes ist bei der um 11 Uhr Morgens erfolgten Abfahrt von Iiier Alles in bester Ordnung und kein Wasser im Schiffsraum vorhanden gewesen. Die Reise ging auch Anfangs glücklich von Statten, der Wind war NW und die See ruhig. Erst als man bei Schleimünde angelangt war, wo man sich ungefähr 2000 Schritte von der Küste befand, gewahrte der Schiffer, indem er die Luke aufhob, dass Wasser im Schiffsraum sei. Er und sein Sohn suchten zunächst das Schiff durch Pumpen über Wasser zu halten, indess vergeblich, das Schiff füllte sich immer mehr mit Wasser und neigte sich bald derartig auf die Seite, dass ein Sinken desselben jeden Augenblick zu gewärtigen war. In dieser Lage machten der Schiffer und sein Sohn rasch das auf dem Deck befindliche Boot klar, rafften einige Kleinigkeiten aus der Kajüte zusammen und verliessen dann in dem Boote das Schiff. Kaum hatten sie das Boot bestiegen, so sank das Schiff bis zu 2 V2 Faden unter Wasser. Die Aussagen des Schiffers und seines Sohnes machten einen durchaus glaubwürdigen Eindruck und finden, was die Beschreibung der Katastrophe selbst anbelangt, in den damit übereinstimmenden Angaben des Strandvogts Lischke ihre Bestätigung. Da, wo zwei Schiffsplanken zusammenstossen und an dem Rundholze befestigt sind, ist eine Scharf (Quernaht), welche mit Werg dicht gemacht wird. Wenn so kleine Schiffe, wie das vom Unfall betroffene, mit schwerer Ladung — Steinen, Eisen und dergleichen — fahren, ereignet es sich leicht und verhältnissmässig nicht ganz selten, dass ein Bolzen oder Nagel, mit welchem die Planke an dem Rundholze befestigt ist, lose wird. Die Quernaht wird dann undicht, weil sich mit der Planke zugleich das zur Verdichtung verwandte Werg löst und lässt Wasser durch. Angesichts der vorliegenden Zeugenaussagen und in Ermangelung jeder anderen Erklärung für das Sinken des Schiffes nimmt das Seeamt als erwiesen an, dass die von dem Schiffsbaumeister Flohr bezeichnete Quernaht auf der Steuerbordseite in der eben beschriebenen Weise undicht geworden ist und dass dieser Umstand das Sinken des Schiffes verursacht hat. Es folgt hieraus, dass der Schiffer nicht durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall verschuldet hat.

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Schoonerbark Vertrauen.

Hätte der Schiffer gleich Anfangs, als er das Wasser im Raum bemerkte, das Schiff auf den Strand zu setzen versucht, was bei der Nähe des Ufers immerhin möglich gewesen wäre, so wären die Folgen des Unfalls vielleicht minder erheblich gewesen. In dieser Richtung kann ihn aber kein Vorwurf treffen, weil einerseits das Setzen auf den Strand so lange zu vermeiden ist, als irgend Hoffnung, das Schiff über Wasser zu halten, vorliegt, und weil andererseits später die Gefahr des Sinkens so überraschend und plötzlich eintrat, dass ihr nicht mehr auszuweichen war. Zumal, da das Schiff nicht versichert war, ist auch anzunehmen, dass der Schiffer alles, was in seinen Kräften stand, zur Erhaltung seines Eigenthums angewandt hat. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Schiffers und seines Sohnes, sowie des Strandvogts Lischke und Schiffsbaumeisters Flohr war das Schiff in gutem Stande; es ist freilich schon 20 Jahre alt, indess erst im vorigen Herbste in Rendsburg auf der Helling gewesen und hier einer gründlichen Reparatur unterworfen. Die Beladung war für seine Grösse und Tragfähigkeit keine übermässige und die Bemannung den Verhältnissen entsprechend.

42.

Spruch des Seeamts zu Danzig von 26. September 1878,

betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbark „Vertrauen" von Danzig. Schiff an der Küste von Jütland in der Nähe von Lemvig gestrandet und wrack geworden.

In der Untersuchungssache, betreffend die Ursachen der am 26. Dezember 1877 an der Küste von Jütland erfolgten Strandung des Schiffs »Vertrauen«, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben. : dass weder der Schiffer noch der Steuermann durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat, und dass auch nicht Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder in der Bemannung des Schiffs, noch Mängel des Fahrwassers oder der für die Schiff fahrt bestimmten Hülfseinrichtungen, noch Handlungen

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Schoonerbark Vertrauen.

Hätte der Schiffer gleich Anfangs, als er das Wasser im Raum bemerkte, das Schiff auf den Strand zu setzen versucht, was bei der Nähe des Ufers immerhin möglich gewesen wäre, so wären die Folgen des Unfalls vielleicht minder erheblich gewesen. In dieser Richtung kann ihn aber kein Vorwurf treffen, weil einerseits das Setzen auf den Strand so lange zu vermeiden ist, als irgend Hoffnung, das Schiff über Wasser zu halten, vorliegt, und weil andererseits später die Gefahr des Sinkens so überraschend und plötzlich eintrat, dass ihr nicht mehr auszuweichen war. Zumal, da das Schiff nicht versichert war, ist auch anzunehmen, dass der Schiffer alles, was in seinen Kräften stand, zur Erhaltung seines Eigenthums angewandt hat. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Schiffers und seines Sohnes, sowie des Strandvogts Lischke und Schiffsbaumeisters Flohr war das Schiff in gutem Stande; es ist freilich schon 20 Jahre alt, indess erst im vorigen Herbste in Rendsburg auf der Helling gewesen und hier einer gründlichen Reparatur unterworfen. Die Beladung war für seine Grösse und Tragfähigkeit keine übermässige und die Bemannung den Verhältnissen entsprechend.

42.

Spruch des Seeamts zu Danzig von 26. September 1878,

betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbark „Vertrauen" von Danzig. Schiff an der Küste von Jütland in der Nähe von Lemvig gestrandet und wrack geworden.

In der Untersuchungssache, betreffend die Ursachen der am 26. Dezember 1877 an der Küste von Jütland erfolgten Strandung des Schiffs »Vertrauen«, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben. : dass weder der Schiffer noch der Steuermann durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat, und dass auch nicht Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder in der Bemannung des Schiffs, noch Mängel des Fahrwassers oder der für die Schiff fahrt bestimmten Hülfseinrichtungen, noch Handlungen

Schoonerbark Vertrauen.

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oder Unterlassungen der zur Handhabung dieser Einrichtungen bestellten Personen den Unfall oder dessen Folgen herbeigeführt haben. Die im Schiffsregister zu Danzig mit dem |UnterscheidungsSignal H P D C eingetragene Schoonerbark »Vertrauen«, Kapitän Johann David Michael Müller, welche Danzig zum Heimathshafen hat, ging am 12. November 1877 von Danzig mit einer Ladung Holz nach Grimsby und nahm dort nach Löschung der Holzladung eine Kohlenladung nach Danzig ein. Am 23. Dezember 1877 verliess das Schiff Grimsby und ist auf der Rückreise nach Danzig am 26. Dezember 1877 an der Küste von Jütland in der Nähe von Lemvig gestrandet und am 2. Januar 1878 als wrack erklärt und aufgegeben. Das Seeamt erhielt von dem Seeunfalle erst am 27. Juni 1878 Nachricht. Auf Grund des Inhalts des Schiffsjournals, der Verklarungs-Verhandlung vom 31. Dezember 1877 und der beeidigten Aussagen des Kapitäns Müller und eines Matrosen hat das Seeamt folgende Thatsachen als festgestellt angenommen. Von dem Abgange des Schiffs von Grimsby bis zu dessen Strandung war so dickes Wetter mit Schnee- und Hagelböen, dass eine Observation unmöglich wurde und der Schiffsführer sich zur Kontrole des Kurses nur auf das Logg und das Loth verlassen konnte. Beides ist vielfach in Anwendung gebracht. Mit dem Logg ist stündlich die abgelaufene Entfernung gemessen worden. Am 23. Dezember 1877, an welchem Tage das Schiff Grimsby verliess, und am 24. Dezember 1877 war der Wind NzW, NW, NWzN und am 25. Dezember 1877 Nord, NNW, Nord, NW, NNW. Der gesteuerte Kurs ist durchschnittlich NOzOVaO gewesen und zwar am 25. Dezember 1877 bis um 5 Uhr Abends ONO mit zwei Strich Abtrift, NOzO mit einem Strich Abtrift, ONO mit einem Strich Abtrift, NO mit vier Strich Abtrift, NOzO mit zwei Strich Abtrift. Am 24. Dezember 1877 Mittags befand sich das Schiff nach dem Logg auf 55° 42,7' nördlicher Breite und 3® 39,5' östlicher Länge, die gelaufene Distanz war 176 Seemeilen, die Lothung ergab 22 Faden Wasser. Am 25. Dezember 1877, Mittags 12 Uhr, ergab das Besteck den Stand des Schiffs auf 57° 20' nördlicher Breite und 6° 18,5' östlicher Länge. Die abgelaufene Distanz betrug 131 Seemeilen. Die Lothung ergab 27—29 Faden Wasser. Am 24. Dezember 1877, Abends, war ein orkanartiger Sturm mitHagelund Schneeböen bei NW- und NWzN-Wind; es war ein sehr hoch

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Schoonerbark Vertrauen.

laufender Seegang, das Schiff nahm sehr viel Wasser auf Deck, so dass sich das grosse Boot wiederholt mit Wasser anfüllte. Am 25. Dezember 1877, Morgens zwei Uhr, war ein Orkan bei nördlichem Winde; die Klüfock flog weg. Die Segelführung war zu dieser Zeit folgende: das dicht gereffte Untermarssegel, die Stagfock, die beiden Treisegel und die dicht gereffte Besahn; letztere wurde durch die See fortgenommen, indem derBesahnsbaum brach. Am 25. Dezember 1877 herrschte im Laufe des Tages ein Orkan; das Schiff war bisweilen vollständig unter Wasser. Am Abende desselben Tages zwischen vier und fünf Uhr hat der Schiffsführer selbst gelothet, jedoch bei sehr schwerem Seegang, und 22 Faden Wasser gefunden; die abgelaufene Distanz vom Mittagsbesteck zwölf Uhr Mittags bis Nachmittags fünf Uhr betrug 16,4 Seemeilen. Gegen fünf Uhr Abends erblickte der Schiffsführer ein Feuer, welches er für das Hanstholmen-Feuer hielt, in OzN, ungefähr zwölf Seemeilen Abstand; er halste nunmehr westlich rund und steuerte WSW mit zwei Strich Abtrift. Von acht Uhr Abends wurde ein anderes Feuer sichtbar, welches der Schiffsführer für das Feuer im Ager-Kanal hielt, das aber, wie sich nachher herausstellte, ein Wachtfeuer am Strande gewesen ist, er steuerte nunmehr, nachdem er nochmals gehalst hatte, NOzN mit zwei Strich Abtrift bis elf Uhr Nachts, halste dann wiederum westwärts und lag bis um zwei Uhr Morgens, den 26. Dezember 1877, mit diesem Kurse fort. In diesem Zeitpunkte stiess das Schiff mit dem Hintertheile auf Grund; die See warf hierauf das Schiff wiederum in tieferes Wasser und demnächst auf das zweite Riff, jedoch wurde zwischen den beiden Riffen durch Brassen der Vor-Raaen erreicht, dass der Vordertheil des Schiffes dem Lande zugekehrt wurde. Schon eine Stunde nach der Strandung wurde am Strande der Raketen-Apparat in Wirksamkeit gesetzt und ist die gesammte Schiffsmannschaft mit dem RaketenApparat gerettet worden. Mit dem Schiffe »Vertrauen« waren noch sechs andere Schiffe an derselben Stelle auf den Strand gelaufen. Der Schiffsführer ist während der ganzen Fahrt von Grimsby bis zur Strandung nicht aus den Kleidern und fast immer auf Deck gewesen. Der Steuermann hat das Kommando des Schiffs während seiner Wachen gehabt, der Schiffsführer hat aber den Kurs bestimmt und die Mittagsbestecke regelmässig mit dem Steuermann zusammen berechnet. Die Lothungen sind stets vom Schiffsführer und dem Steuermann kontrolirt. Der Steuermann hat auf die Navigirung des Schiffs keinen Einfluss geübt, vielmehr hat der

Schoonerbark Vertrauen.

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Schiffsführer selbst alles Erforderliche nach vorheriger Rücksprache mit dem Steuermann angeordnet; auch sind die Kurse ohne den Willen des Schiffsführers seines Wissens niemals verändert worden. Auf Grund dieser thatsächlichen Feststellungen hat das Seeamt den obenstehenden Spruch abgegeben. Bei dem dicken Wetter, in welchem die Fahrt von Grimsby durch die Nordsee ausgeführt ist, war der Schiffsführer zur Kontrole der nach dem Kompass geregelten Fahrt bei der Unausführbarkeit einer astronomischen Beobachtung lediglich auf das Logg und das Loth beschränkt, und bei dem hohen Seegange gewährte auch die Lothung 'einen wenig sicheren Anhalt. Die gesteuerten Kurse sind die richtigen und üblichen, und ist bei denselben schon auf den Umstand Rücksicht genommen, dass erfahrungsmässig bei starken in der Nordsee herrschenden nördlichen Winden sich in der Nähe der Küsten von Jütland eine südliche Strömung geltend macht. Die Stärke dieser Strömung ist abhängig von der Stärke und der Dauer der nördlichen Winde und daher unberechenbar. Der Kraft dieser Strömung allein ist der hier zur Untersuchung vorliegende Seeunfall zuzuschreiben. Wiewohl der Schiffsführer bei seiner Kenntniss dieser in Folge nördlicher Winde sich geltend machenden südlichen Strömung den Kurs nördlicher gehalten hat, als die geographische Lage seines Ziels erforderte, ist dennoch das Schiff in Folge jener Strömung von dem gesteuerten Kurse soviel nach Süden abgetrieben worden, dass es auf die Küste von Jütland gerathen ist. Weder dem Schiffer, noch dem Steuermann kann hierbei Mangel an technischer Kenntniss, noch Mangel an Vorsicht vorgeworfen werden, vielmehr sind die Ursachen des Seeunfalls lediglich in den hervorgehobenen elementaren Ereignissen zu finden. Aus diesen Gründen musste die Frage, ob der Schiffer oder Steuermann durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat, verneint werden. Das Schiff »Vertrauen« ist im Jahre 1864 neu gebaut und ist nach der nicht zu bezweifelnden Aussage des Schiffsführers Müller in jeder Beziehung gut ausgerüstet gewesen. Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder in der Bemannung des Schiffs hat die Untersuchung nicht ergeben, und war daher auch die in Nummer 2 des § 4 des Gesetzes vom 27. Juli 1877 aufgestellte Frage verneinend zu beantworten.

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S c h a l u p p e A l w i n e und J a c h t Elise.

Auch konnte das Seeamt kein Bedenken tragen, die Verneinung der unter Nummer 3 des § 4 des allegirten Gesetzes aufgestellten Frage auszusprechen.

43. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 28. September 1878, betreffend den Zusammenstoss der deutschen Schaluppe „Alwine" von "Wolgast und der dänischen Jacht „Elise". Zusammenstoss zwischen zwei Segelschiffen beim Kreuzen auf der Peene, in Folge dessen das eine Schiff schwer leck wurde und sank.

Der Spruch geht dahin: dass der Untergang der »Alwine« am 8. Juli 1878 im Peenemünder Rack durch Uebersegeln derselben seitens der dänischen Jacht »Elise«, Kapitän Simonsen, erfolgt und durch den diese Jacht führenden Wolgaster Lootsen Otto Fehlhaber und zwar dadurch verschuldet ist, dass er in dem engen Fahrwasser und bei dem nach der Windrichtung gebotenen Kreuzen ein Vorbeisegeln überhaupt unternommen hat. Die Schaluppe »Alwine«, Kapitän Hess, mit einer Ladung Glaubersalz und Theer von Stettin nach Osseken bestimmt, hatte am 8. Juli 1878, Morgens vier Uhr, den Wolgaster Hafen mit WNW-Wind verlassen und gegen 7Va Uhr das Peenemünder Rack erreicht. Hier musste das Schiff kreuzen. Die dänische Jacht »Elise«, Kapitän Simonsen, hatte nach der »Alwine« den Wolgaster Hafen verlassen, wurde von dem Lootsen Fehlhaber geführt, segelte schneller und erreichte die »Alwine« gerade beim Peenemünder Rack an der engsten Stelle des Fahrwassers. Gleichwohl begann die »Elise« zu kreuzen. Als beide Schiffe noch fünf bis sechs Fahrzeug-Längen von einander entfernt waren, kreuzte die »Alwine« auf das Krösliner Ufer zu. Ziemlich gleichzeitig gingen beide Schiffe in entgegengesetzter Richtung über Stag. Die »Alwine« kam dabei in den Wind; die Segel wurden nicht sofort von der anderen Seite gefasst. Hess fürchtete deshalb den Zusammenstoss, rief dem Lootsen zu, er solle scharf an den Wind halten. Statt dessen drehte die »Elise« so, als wolle sie hinten herumsegeln. Dies war unmöglich, weil die »Alwine« mit dem Hintertheile am Peenemünder Grund lag. Plötzlich erfolgte ein Zusammenstoss. Das Bugspriet der »Elise« erfasste die Stagfock der »Alwine«. Letztere erhielt einen Leck

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S c h a l u p p e A l w i n e und J a c h t Elise.

Auch konnte das Seeamt kein Bedenken tragen, die Verneinung der unter Nummer 3 des § 4 des allegirten Gesetzes aufgestellten Frage auszusprechen.

43. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 28. September 1878, betreffend den Zusammenstoss der deutschen Schaluppe „Alwine" von "Wolgast und der dänischen Jacht „Elise". Zusammenstoss zwischen zwei Segelschiffen beim Kreuzen auf der Peene, in Folge dessen das eine Schiff schwer leck wurde und sank.

Der Spruch geht dahin: dass der Untergang der »Alwine« am 8. Juli 1878 im Peenemünder Rack durch Uebersegeln derselben seitens der dänischen Jacht »Elise«, Kapitän Simonsen, erfolgt und durch den diese Jacht führenden Wolgaster Lootsen Otto Fehlhaber und zwar dadurch verschuldet ist, dass er in dem engen Fahrwasser und bei dem nach der Windrichtung gebotenen Kreuzen ein Vorbeisegeln überhaupt unternommen hat. Die Schaluppe »Alwine«, Kapitän Hess, mit einer Ladung Glaubersalz und Theer von Stettin nach Osseken bestimmt, hatte am 8. Juli 1878, Morgens vier Uhr, den Wolgaster Hafen mit WNW-Wind verlassen und gegen 7Va Uhr das Peenemünder Rack erreicht. Hier musste das Schiff kreuzen. Die dänische Jacht »Elise«, Kapitän Simonsen, hatte nach der »Alwine« den Wolgaster Hafen verlassen, wurde von dem Lootsen Fehlhaber geführt, segelte schneller und erreichte die »Alwine« gerade beim Peenemünder Rack an der engsten Stelle des Fahrwassers. Gleichwohl begann die »Elise« zu kreuzen. Als beide Schiffe noch fünf bis sechs Fahrzeug-Längen von einander entfernt waren, kreuzte die »Alwine« auf das Krösliner Ufer zu. Ziemlich gleichzeitig gingen beide Schiffe in entgegengesetzter Richtung über Stag. Die »Alwine« kam dabei in den Wind; die Segel wurden nicht sofort von der anderen Seite gefasst. Hess fürchtete deshalb den Zusammenstoss, rief dem Lootsen zu, er solle scharf an den Wind halten. Statt dessen drehte die »Elise« so, als wolle sie hinten herumsegeln. Dies war unmöglich, weil die »Alwine« mit dem Hintertheile am Peenemünder Grund lag. Plötzlich erfolgte ein Zusammenstoss. Das Bugspriet der »Elise« erfasste die Stagfock der »Alwine«. Letztere erhielt einen Leck

Schooner Caroline.

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der Art, dass drei Planken unter dem Wasser zerstört wurden. Sie begann sofort zu sinken. Obgleich Kapitän Simonsen und Lootse Fehlhaber sich sofort an Bord begaben, blieb jeder Rettungsversuch vergeblich. Sowohl die seitens des Königlich dänischen Polizei-Gerichts eidlich vernommenen Zeugen Kapitän Simonsen und Steuermann Rasmussen, als auch Kapitän Hess und sein eidlich vernommener Steuermann Böttcher haben im Wesentlichen übereinstimmende Aussagen gemacht. Der Lootse Fehlhaber bestreitet zwar seine Schuld. Nach seiner Meinung hätte der Zusammenstoss vermieden werden können, wenn Hess rechtzeitig vor Anker gegangen wäre. Mit seinen Aeusserungen ist er nicht ganz sicher, ob er hinten oder vornherum habe vorbeigehen wollen. Die dänischen Zeugen meinen, Fehlhaber sei im entscheidenden Augenblicke rathlos geworden. Dies scheint in der That richtig zu sein. Eine Untersuchung aber, ob Fehlhaber richtig manövrirt hat, ist entbehrlich. Bei dem überaus engen Fahrwasser hätte er überhaupt nicht durch Kreuzen vorbeisegeln dürfen. Er musste wissen, dass der zuverlässigste Schiffer nicht darauf rechnen kann, dass das Schiff sofort dem Ruder gehorcht. Die hindernden Zufälle sind nicht zu berechnen. Ihm als Lootsen lag deshalb die besondere Pflicht ob, jeden gewagten Versuch, welcher Schaden herbeiführen konnte, zu vermeiden. Es lag gar kein Grund vor, um trotz der vorhandenen Gefahr vorbeisegeln zu müssen. Er hätte deshalb zu Anker gehen müssen, bis die vor ihm segelnde »Alwine« wieder freies Fahrwasser erreicht hatte. Sein Verhalten verletzt die ihm gebotene Vorsicht, ihm allein ist deshalb die Schuld an dem Unfälle beizumessen.

44. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 28. September 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Caroline" von Stralsund. Schiff in der Nordsee mit einer Ladung Steinkohlen schwer leck geworden, von seiner Besatzung verlassen und aufgegeben.

Der Schiffskapitän Maass aus Gramtitz auf Wittow hat am 5. September 1878 bei dem Königlichen Kreisgericht zu Stralsund unter Ueberreichung seines Schiffsjournals Verklarung abgelegt unter

Schooner Caroline.

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der Art, dass drei Planken unter dem Wasser zerstört wurden. Sie begann sofort zu sinken. Obgleich Kapitän Simonsen und Lootse Fehlhaber sich sofort an Bord begaben, blieb jeder Rettungsversuch vergeblich. Sowohl die seitens des Königlich dänischen Polizei-Gerichts eidlich vernommenen Zeugen Kapitän Simonsen und Steuermann Rasmussen, als auch Kapitän Hess und sein eidlich vernommener Steuermann Böttcher haben im Wesentlichen übereinstimmende Aussagen gemacht. Der Lootse Fehlhaber bestreitet zwar seine Schuld. Nach seiner Meinung hätte der Zusammenstoss vermieden werden können, wenn Hess rechtzeitig vor Anker gegangen wäre. Mit seinen Aeusserungen ist er nicht ganz sicher, ob er hinten oder vornherum habe vorbeigehen wollen. Die dänischen Zeugen meinen, Fehlhaber sei im entscheidenden Augenblicke rathlos geworden. Dies scheint in der That richtig zu sein. Eine Untersuchung aber, ob Fehlhaber richtig manövrirt hat, ist entbehrlich. Bei dem überaus engen Fahrwasser hätte er überhaupt nicht durch Kreuzen vorbeisegeln dürfen. Er musste wissen, dass der zuverlässigste Schiffer nicht darauf rechnen kann, dass das Schiff sofort dem Ruder gehorcht. Die hindernden Zufälle sind nicht zu berechnen. Ihm als Lootsen lag deshalb die besondere Pflicht ob, jeden gewagten Versuch, welcher Schaden herbeiführen konnte, zu vermeiden. Es lag gar kein Grund vor, um trotz der vorhandenen Gefahr vorbeisegeln zu müssen. Er hätte deshalb zu Anker gehen müssen, bis die vor ihm segelnde »Alwine« wieder freies Fahrwasser erreicht hatte. Sein Verhalten verletzt die ihm gebotene Vorsicht, ihm allein ist deshalb die Schuld an dem Unfälle beizumessen.

44. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 28. September 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Caroline" von Stralsund. Schiff in der Nordsee mit einer Ladung Steinkohlen schwer leck geworden, von seiner Besatzung verlassen und aufgegeben.

Der Schiffskapitän Maass aus Gramtitz auf Wittow hat am 5. September 1878 bei dem Königlichen Kreisgericht zu Stralsund unter Ueberreichung seines Schiffsjournals Verklarung abgelegt unter

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Schooner Caroline.

der Erklärung, dass er am 1. September 1878, Mittags zwei Uhr, seinen Schooner »Caroline« auf der Reise von New-Castle nach Stettin auf 56° 57' nördlicher Breite und 4° 50' östlicher Länge schwer leck und in sinkendem Zustande verlassen habe. Die von ihm zur Erklärung angegebenen Thatsachen sind von dem Steuermann Schulz, dem Matrosen Heiden, dem Leichtmatrosen Hinz, dem Halbmann Buenning und dem Schiffskoch Staege, welche die Besatzung der »Caroline« bildeten, vor Gericht bestätigt und beschworen. Vor dem Seeamte sind nur der Kapitän und der Steuermann erschienen und vernommen. Nach deren unter einander und mit den verlesenen Eintragungen des Schiffsjournals im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben ist das Schiff mit ungefähr 200 Tons Kohlen keineswegs überladen gewesen, ging vorn 10 Fuss 9 Zoll, hinten 11 Fuss tief, ist im Hafen nicht am Grunde gewesen und hat am 26. August den Hafen von New-Castle durchaus seetüchtig verlassen. Besonders untersucht ist es vorher nicht. Es war im Jahre 1863/64 erbaut, ist von dem Kapitän Maass seit 1867 gefahren, im Jahre 1872 oder 1878 in Friedrichshafen einer gründlichen Reparatur unterworfen und hiernach bei dem Germanischen Lloyd auf fünf Jahre klassifizirt worden. Diese fünfjährige Frist war im Januar 1878 abgelaufen. Der Kapitän hatte beabsichtigt, demnächst nach dem Heimathshafen Stralsund zu gehen und daselbst eine neue Klassifizirung zu suchen. Bei der Reise ist keinerlei Unfall wahrgenommen. Das Wetter war nicht stürmisch, die See aber hoch. Am 30. August wurde zuerst bemerkt, dass das Schiff mehr als gewöhnlich Wasser mache, zunächst ohne zu einer Beunruhigung zu führen. Gleichwohl wurde seitdem regelmässig gepumpt. Am 1. September früh um 5J/a Uhr — nach der Angabe des Kapitäns und Steuermanns ist die im Schiffsjournal dieserhalb gemachte Angabe »6V2 Uhr« ein Schreibfehler — wurde ein auffälliges Steigen des Wassers wahrgenommen. Der Steuermann peilte 17 Zoll. Beide Pumpen arbeiteten l'/a Stunden. Nach halbstündiger Pause ergab eine erneuerte Peilung 21 Zoll. Noch einmal im Laufe des Vormittags wurde gepeilt, nachdem die Pumpen Va Stunde geruht hatten. Während dieser halben Stunde stieg das Wasser um 6 '/a Zoll. Darauf wurde das Nothsignal geheisst. Die Rostocker Brigg » Fanchon « kam in Sicht, deren Kapitän auf Verlangen zusagte, in der Nähe bleiben zu wollen. Auch jetzt war das Wetter nicht stürmisch, aber hoher Seegang. Das durch den Steuermann konstatirte Fallen des Barometers und die Dicke der Luft schienen auf schlechtes

Schooner Caroline.

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Wetter zu deuten. Kapitän, Steuermann und Mannschaften nahmen an, dass das Eindringen des Wassers nicht zu hindern und durch Pumpen für die Dauer nicht unschädlich gemacht werden könne. Es trat ihnen die Befürchtung nahe, dass zur Nachtzeit Sturm eintreten und dann die Möglichkeit zur Rettung, welche jetzt die begleitende Rostocker Brigg bot, fehlen könne. Man beschloss deshalb unter Zustimmung des Kapitäns der »Fanchon« die »Caroline« zu verlassen und an Bord der »Fanchon« zu gehen. Es war damals gegen zwei Uhr. Die Peilung ergab etwa 2ik Fuss Wasser. Man erreichte das Rostocker Schiff gegen drei Uhr. Dies fand etwa 90 Seemeilen von der norwegischen Küste statt. Durch das Fortsegeln verlor man die »Caroline« aus dem Auge; dass sie gesunken sei, ist nicht gesehen und auch sonst nicht festgestellt. Bei dieser Sachlage fehlt jede Grundlage zu einer Feststellung, dass das Schiff etwa seeuntüchtig gewesen; ebenso auch zu einer Annahme, dass das Leckwerden des Schiffes durch Handlungen oder Unterlassungen des Kapitäns oder Steuermanns verschuldet sei. Das Sinken des Schiffes selbst ist nicht einmal erwiesen. Dasselbe ist aufgegeben. Dass zu einem solchen Aufgeben des Schiffes in dem Augenblick, als es geschah, schon eine solche Veranlassung vorgelegen habe, welche dem tüchtigen, erfahrenen Seemanne als zwingend erscheinen müsste, kann nach dem vorliegenden Thatbestande nicht zugestanden werden. Bis dahin war die Möglichkeit, das Schiff durch Pumpen segelfähig zu erhalten, noch nicht widerlegt. Die blosse Befürchtung, dass schlechtes Wetter eintreten könne, durfte den Kapitän nicht zu diesem Entschlüsse führen; denn der Rostocker Kapitän hatte zugesagt, zur Hülfe bereit bleiben zu wollen und diese Zusage nicht zurückgenommen. Auch Seitens der Schiffsmannschaft war die Bereitwilligkeit zur Fortsetzung der Fahrt auf der »Caroline« ausdrücklich zu erkennen gegeben. Es kommt hinzu, dass man auf einer von Segel- und Dampfschiffen sehr befahrenen Wasserstrasse segelte. Das Verhalten des Kapitäns hat deshalb Mangel an Energie und Muth gezeigt. Hiernach geht der Spruch des Seeamts dahin: dass nicht als festgestellt anzunehmen, der Schooner »Caroline« sei bei dem Ausgange aus dem Hafen vonNew-Castle zu seiner letzten Reise am 26. August 1878 seeuntüchtig gewesen, dass ferner nicht als festgestellt anzunehmen, dass der Schiffer oder Steuermann durch Handlungen oder Unterlassungen das Leckwerden des Schiffes verschuldet haben;

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Schoonerbrigg Bertha.

dass aber auch nicht solche Umstände dargethan sind, welche rechtfertigen, dass der Kapitän Maass am 1. September 1878 Nachmittags mit seiner Mannschaft sein Schiff in der Nordsee unter 56° 57' nördlicher Breite und 4° 50' östlicher Länge als unrettbar aufgegeben hat.

45. Spruch, des Seeamts zu Hamburg vom 1. Oktober 1878, betreffend den Seeurifall der deutschen Schoonerbrigg „Bertha" von Hamburg. Schiff durch schweren Sturm und Seegang stark beschädigt und leck im südlichen atlantischen Ozean aufgegeben.

Das oben genannte, in Hamburg registrirte Schiff trat am 8. März 1878 mit einer Ladung Salz die Reise von St. Ybes (Setubal) nach Tamatave auf Madagaskar an. Nachdem das Schiff im atlantischen Ozean mehrfach von stürmischem Wetter betroffen war, wurde es auf 87° südlicher Breite und 0° Länge von einem schweren Sturm befallen und, wiewohl die Segel dicht gerefft waren, auf die Seite geworfen, so dass, um es wieder aufzurichten, beide Masten gekappt werden mussten. Zugleich wurden durch Sturzseen die über Deck befindlichen Schiffstheile stark beschädigt, das grosse Boot zertrümmert und das Schiff — da sich die Nähte theilweise öffneten — in lecken Zustand versetzt. Auch in den folgenden Tagen zeigte sich das Wetter mehrfach stürmisch; man warf von der Ladung, suchte die Leckstellen zu dichten und durch beständiges Pumpen das Wasser aus dem Raum zu entfernen. Da aber die Mannschaft in Folge dieser Anstrengungen völlig erschöpft und theilweise erkrankt war, die Pumpen nicht mehr lenz gehalten werden konnten, zugleich die Anzeichen eines neuen Sturmes sich zeigten und man überzeugt war, dass das Schiff diesen neuen Sturm nicht überstehen werde, so suchte man, als man am 19. Mai 1878 sich auf 36° 36' südlicher Breite und 10° 29' östlicher Länge befand und in der Nähe ein Schiff wahrnahm — wie sich später zeigte, das von New-York nach Yokohama bestimmte britische Schiff »Pym«, Kapitän Stapleton — dieses durch Nothsignale herbeizurufen. Der »Pym« drehte bei, setzte ungeachtet der Gefahr, welche der hohe Secgapg mit sich brachte, ein Boot aus und es

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Schoonerbrigg Bertha.

dass aber auch nicht solche Umstände dargethan sind, welche rechtfertigen, dass der Kapitän Maass am 1. September 1878 Nachmittags mit seiner Mannschaft sein Schiff in der Nordsee unter 56° 57' nördlicher Breite und 4° 50' östlicher Länge als unrettbar aufgegeben hat.

45. Spruch, des Seeamts zu Hamburg vom 1. Oktober 1878, betreffend den Seeurifall der deutschen Schoonerbrigg „Bertha" von Hamburg. Schiff durch schweren Sturm und Seegang stark beschädigt und leck im südlichen atlantischen Ozean aufgegeben.

Das oben genannte, in Hamburg registrirte Schiff trat am 8. März 1878 mit einer Ladung Salz die Reise von St. Ybes (Setubal) nach Tamatave auf Madagaskar an. Nachdem das Schiff im atlantischen Ozean mehrfach von stürmischem Wetter betroffen war, wurde es auf 87° südlicher Breite und 0° Länge von einem schweren Sturm befallen und, wiewohl die Segel dicht gerefft waren, auf die Seite geworfen, so dass, um es wieder aufzurichten, beide Masten gekappt werden mussten. Zugleich wurden durch Sturzseen die über Deck befindlichen Schiffstheile stark beschädigt, das grosse Boot zertrümmert und das Schiff — da sich die Nähte theilweise öffneten — in lecken Zustand versetzt. Auch in den folgenden Tagen zeigte sich das Wetter mehrfach stürmisch; man warf von der Ladung, suchte die Leckstellen zu dichten und durch beständiges Pumpen das Wasser aus dem Raum zu entfernen. Da aber die Mannschaft in Folge dieser Anstrengungen völlig erschöpft und theilweise erkrankt war, die Pumpen nicht mehr lenz gehalten werden konnten, zugleich die Anzeichen eines neuen Sturmes sich zeigten und man überzeugt war, dass das Schiff diesen neuen Sturm nicht überstehen werde, so suchte man, als man am 19. Mai 1878 sich auf 36° 36' südlicher Breite und 10° 29' östlicher Länge befand und in der Nähe ein Schiff wahrnahm — wie sich später zeigte, das von New-York nach Yokohama bestimmte britische Schiff »Pym«, Kapitän Stapleton — dieses durch Nothsignale herbeizurufen. Der »Pym« drehte bei, setzte ungeachtet der Gefahr, welche der hohe Secgapg mit sich brachte, ein Boot aus und es

ßark Carl Georg.

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gelang, mittelst desselben die Besatzung der »Bertha« an Bord des »Pym« überzuführen. Von dem Inventar und der Ladung der »Bertha« konnte nichts gerettet werden. Ein Grund, diesen Angaben nicht vollen Glauben zu schenken, liegt nicht vor. Nach denselben würde der Verlust der »Bertha« den Seeereignissen, ohne dass der Besatzung des Schiffs ein Vorwurf gemacht werden könnte, zuzuschreiben sein und es würde insbesondere anzunehmen sein, dass die Besatzung Alles, wozu sie im Stande war , gethan hat, um Schiff und Ladung zu retten. Auch zu der Annahme, dass das Schiff beim Verlassen des Abgangshafens sich nicht in seetüchtigem Zustand befunden habe, oder überladen gewesen sei, liegt keine Veranlassung vor. Demnach hat das Seeamt sein Urtheil dahin abgegeben: dass der Verlust des Schiffes »Bertha« lediglich dem stürmischen Wetter zuzuschreiben sei.

46. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 9. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Bark „Carl Georg" von Bremen. Schiff in Folge der durch Sturm und Seegang gebrochenen Ankerketten, bei Narwa gestrandet.

Die Bark »Carl Georg«, geführt vom Kapitän Bernhard Friedrich Stöver aus Bremen, verliess am 28. Mai 1878, mit 1273 Ballen Baumwolle beladen, den Hafen von Charleston zu einer Reise nach Cork für Ordre. Im letztgedachten Orte erhielt dieselbe die Ordre nach Narwa. Kapitän Stöver, der das Schiff »Carl Georg« seit neun Jahren führte, hatte mit demselben bereits fünf oder sechs Reisen von Amerika nach Narwa gemacht. Derselbe hatte Karten und Segelanweisungen vom finnischen Meerbusen, sowie von der Bai von Narwa, insbesondere auch die englische Segelan Weisung »Baltic Pilot« an Bord. Als Obersteuermann fungirte Söke Bakker aus Oldersum, seit sieben Jahren Steuermann, als Untersteu ermann Adolph Hasemeyer aus Vegesack. Bis zu der am 19. Juli 1878 erfolgten Ankunft auf NarwaRhede wurde das Schiff von Unfällen nicht betroffen. Auf letzterer ging das Schiff in der Peilung Narwa-Leuchtthurm SOzO und zu-

ßark Carl Georg.

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gelang, mittelst desselben die Besatzung der »Bertha« an Bord des »Pym« überzuführen. Von dem Inventar und der Ladung der »Bertha« konnte nichts gerettet werden. Ein Grund, diesen Angaben nicht vollen Glauben zu schenken, liegt nicht vor. Nach denselben würde der Verlust der »Bertha« den Seeereignissen, ohne dass der Besatzung des Schiffs ein Vorwurf gemacht werden könnte, zuzuschreiben sein und es würde insbesondere anzunehmen sein, dass die Besatzung Alles, wozu sie im Stande war , gethan hat, um Schiff und Ladung zu retten. Auch zu der Annahme, dass das Schiff beim Verlassen des Abgangshafens sich nicht in seetüchtigem Zustand befunden habe, oder überladen gewesen sei, liegt keine Veranlassung vor. Demnach hat das Seeamt sein Urtheil dahin abgegeben: dass der Verlust des Schiffes »Bertha« lediglich dem stürmischen Wetter zuzuschreiben sei.

46. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 9. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Bark „Carl Georg" von Bremen. Schiff in Folge der durch Sturm und Seegang gebrochenen Ankerketten, bei Narwa gestrandet.

Die Bark »Carl Georg«, geführt vom Kapitän Bernhard Friedrich Stöver aus Bremen, verliess am 28. Mai 1878, mit 1273 Ballen Baumwolle beladen, den Hafen von Charleston zu einer Reise nach Cork für Ordre. Im letztgedachten Orte erhielt dieselbe die Ordre nach Narwa. Kapitän Stöver, der das Schiff »Carl Georg« seit neun Jahren führte, hatte mit demselben bereits fünf oder sechs Reisen von Amerika nach Narwa gemacht. Derselbe hatte Karten und Segelanweisungen vom finnischen Meerbusen, sowie von der Bai von Narwa, insbesondere auch die englische Segelan Weisung »Baltic Pilot« an Bord. Als Obersteuermann fungirte Söke Bakker aus Oldersum, seit sieben Jahren Steuermann, als Untersteu ermann Adolph Hasemeyer aus Vegesack. Bis zu der am 19. Juli 1878 erfolgten Ankunft auf NarwaRhede wurde das Schiff von Unfällen nicht betroffen. Auf letzterer ging das Schiff in der Peilung Narwa-Leuchtthurm SOzO und zu-

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Bark Carl Georg.

gleich NO-Spitze der Merikul-Höhen SWVaS in acht Faden Wasser mit 45 Faden Kette zu Anker. Die Barre — auf welcher nach Angabe des Kapitäns Stöver das Wasser nur eine Tiefe von 7V2 Fuss haben soll — konnte das Schiff wegen seines hierfür zu grossen Tiefgangs nicht passiren, und war dasselbe deshalb darauf angewiesen, die Ladung durch Leichter zu löschen. Kapitän Stöver begab sich auch sofort am 19. Juli nach Narwa, um Leichter zu engagiren, erhielt solche jedoch nicht. Auf dem bezeichneten Ankerplatze lag das Schiff zunächst einige Tage vor einem Anker, als jedoch der Wind stürmischer und der Seegang höher zu werden begann, wurde ein zweiter Anker fallen gelassen und wurde ferner bei weiterem Zunehmen von Sturm und Wellenschlag nach und nach vor beide Anker mehr Kette gesteckt. Am 23. Juli, nachdem inzwischen das Wetter in einen Sturm aus NNW und NW, verbunden mit harten Regen- und Hagelböen und hochlaufendem wilden Seegange ausgeartet war, waren schliesslich beide Ketten in voller Länge, jede 90 Faden lang, ausgelassen. Ausserdem war inzwischen der Reserveanker an einer Kabeltrosse befestigt und an den Bug gehängt worden. Auch am 24. Juli dauerte der schwere Sturm, bei dem das Schiff viel Wasser über den Bug bekam, noch an. Um 7 Uhr Morgens brach die Backbord-Ankerkette und das Schiff begann zu treiben. Es wurde darauf der Reserve-Anker in ganzer Länge der Trosse (90 Faden) ausgelassen, wodurch das Schiff wieder fest zu liegen kam. Der von der gebrochenen Backbordkette gebliebene Rest von etwa 40 Faden Länge wurde eingehievt und daran der grössere Warpanker als weiterer Reserve-Anker befestigt. Kaum war diese Arbeit vollendet, als die Kabeltrosse brach, und das Schiff von Neuem in's Treiben gerieth, worin dasselbe nur vorübergehend durch Auswerfen des Warpankers aufgehalten wurde. Das Schiff näherte sich demzufolge, und zwar mit dem Hintertheil voraus, immer mehr dem Strande und stiess schliesslich um etwa elf Uhr Vormittags auf Grund. Jetzt wurden, um das Schiff höher auf den Strand zu bekommen, die Ketten der Anker gekappt, das Schiff schlug in Folge hiervon mit dem Kopfe nach dem Strande zu und wurde, fortwährend heftig stossend, auf letzteren weiter hinauf geworfen. Kurze Zeit darauf kam das Rettungsboot von Hungerburg heran und holte zuerst zehn und bei einer zweiten Fahrt die noch übrigen drei Mann von Bord. Als die Letzteren das Schiff verliessen, war das Wasser im Schiff auf etwa acht Fuss gestiegen.

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Kahn Margarethe.

Das Schiff »Carl Georg« war auf Tecklenburgs Dock in Bremerhaven gebaut und hatte ein Alter von 12 Va Jahren. Die Ankerketten hatten eine Dicke von l 5 / i s Zoll und waren vom Alter des Schiffes, die verwandte Kabeltrosse war ganz neu und etwa 61/s Zoll stark. Auf Grund des obigen nach der stattgehabten Beweisaufnahme als festgestellt anzunehmenden Thatbestandes geht der Spruch des Seeamts dahin: 1. dass das Schiff sich zur fraglichen Zeit in gutem Zustande befunden hat und mit Allem zu einer Seereise Erforderlichen, insbesondere mit den erforderlichen Ankern und Ketten gehörig ausgerüstet gewesen ist; 2. dass das Schiff auf der Rhede von Narwa auf dem gebräuchlichen und richtigen Ankerplatz geankert hat; 3. dass sodann bei eintretendem Sturme seitens des Kapitäns, der Steuerleute und der übrigen Mannschaft die nach Lage der Sache angemessenen Maassregeln getroffen sind und Keinem derselben in Betreff des Unfalls ein Verschulden beigemessen werden kann.

47. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 9. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall des deutschen Kahns „Margarethe" von Brake. Schiff in der Weser in Folge Aufstossens beim Segeln nach der Hohenweg-Balge leck und wrack geworden.

Am 14. September 1878, Abends 11 Uhr, verliess der Kahn »Margarethe«, Schiffer Joh. Bargmann aus Brake, mit 60 Tonnen Roggen beladen den Hafen von Bremerhaven zu einer Reise nach Hooksiel. Der Kahn war von der Bauart der gebräuchlichen Weserkähne, hatte 85,5 cbm Ladungsfähigkeit und wurde seit etwa zwei Jahren von dem Schiffer Bargmann geführt. Ausser letzterem befand sich nur noch ein Schifferknecht an Bord. Der Kahn segelte am gedachten Abend bis unterhalb Blexen und ging dort vor Anker; segelte sodann am 15. September Morgens acht Uhr bei frischem südlichen Winde weiter die Weser abwärts bis in die Nähe des Weserleuchtthurmes, wo er um etwa drei Uhr Nachmittags im Fedderwarder Fahrwasser zwischen demLeuchtthurme 10

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Kahn Margarethe.

Das Schiff »Carl Georg« war auf Tecklenburgs Dock in Bremerhaven gebaut und hatte ein Alter von 12 Va Jahren. Die Ankerketten hatten eine Dicke von l 5 / i s Zoll und waren vom Alter des Schiffes, die verwandte Kabeltrosse war ganz neu und etwa 61/s Zoll stark. Auf Grund des obigen nach der stattgehabten Beweisaufnahme als festgestellt anzunehmenden Thatbestandes geht der Spruch des Seeamts dahin: 1. dass das Schiff sich zur fraglichen Zeit in gutem Zustande befunden hat und mit Allem zu einer Seereise Erforderlichen, insbesondere mit den erforderlichen Ankern und Ketten gehörig ausgerüstet gewesen ist; 2. dass das Schiff auf der Rhede von Narwa auf dem gebräuchlichen und richtigen Ankerplatz geankert hat; 3. dass sodann bei eintretendem Sturme seitens des Kapitäns, der Steuerleute und der übrigen Mannschaft die nach Lage der Sache angemessenen Maassregeln getroffen sind und Keinem derselben in Betreff des Unfalls ein Verschulden beigemessen werden kann.

47. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 9. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall des deutschen Kahns „Margarethe" von Brake. Schiff in der Weser in Folge Aufstossens beim Segeln nach der Hohenweg-Balge leck und wrack geworden.

Am 14. September 1878, Abends 11 Uhr, verliess der Kahn »Margarethe«, Schiffer Joh. Bargmann aus Brake, mit 60 Tonnen Roggen beladen den Hafen von Bremerhaven zu einer Reise nach Hooksiel. Der Kahn war von der Bauart der gebräuchlichen Weserkähne, hatte 85,5 cbm Ladungsfähigkeit und wurde seit etwa zwei Jahren von dem Schiffer Bargmann geführt. Ausser letzterem befand sich nur noch ein Schifferknecht an Bord. Der Kahn segelte am gedachten Abend bis unterhalb Blexen und ging dort vor Anker; segelte sodann am 15. September Morgens acht Uhr bei frischem südlichen Winde weiter die Weser abwärts bis in die Nähe des Weserleuchtthurmes, wo er um etwa drei Uhr Nachmittags im Fedderwarder Fahrwasser zwischen demLeuchtthurme 10

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Kahn Margarethe.

und der schwarzen Tonne »N« wieder zu Anker ging. Es wehte anhaltend lebhaft und Abends gegen 10 Uhr artete der Wind in einen schweren Sturm aus SWzW aus. Die Luft war trübe, der Seegang nahm mehr und mehr an Stärke zu. In Folge dessen beschloss der Schiffer einen besseren Ankerplatz und zwar in der Hohenweg-Balge aufzusuchen. Es wurde deshalb um etwa IOV2 Uhr, nachdem die Fluth eingetreten war, wieder Anker gelichtet, das dicht gereffte Segel und die Fock beigesetzt und sodann beim Winde in der Richtung der Hohenweg - Balge gesteuert. Während der Fahrt wurde öfters das Loth geworfen und zeigte dasselbe während der ersten 15 bis 20 Minuten Fahrt stets 6 bis l l k Faden, dann aber plötzlich nur drei Faden Wasser. Es wurde nun sofort versucht das Schiff durch den Wind zu bringen, dies gelang aber nicht, und als dann nochmals das Loth ausgeworfen wurde, zeigte sich nur ein Faden Wasser. Etwa gleichzeitig gerieth das Schiff auch schon auf Grund und begann zu stossen. Ein Abbringen desselben war bei dem starken Sturm und dem hohen Seegange nicht zu bewerkstelligen. Um jedoch ein weiteres Auftreiben zu verhüten, .wurde der Anker geworfen. Einige Stunden lang hielt der Kahn, welcher fortwährend stark aufstiess, dicht; am 16. September, Morgens 1V2 Uhr, wurde derselbe jedoch plötzlich stark leck und war nach kurzer Zeit ganz voll Wasser gelaufen. In Folge dessen flüchteten der Schiffer und sein Knecht in das Boot, welches sie mittelst einer Leine am Wrack befestigt hatten, hielten sich in diesem bis sieben Uhr Morgens an der Unfallstätte auf und wurden dann vom Geestemünder Lootsenkutter aufgenommen. Nach Ansicht des Seeamts trifft den Schiffer kein Vorwurf, dass er am 15. September Nachmittags zwischen dem Leuchtthurm und der Tonne »N« zu Anker ging, da bei dem zu derselben Zeit herrschenden Wetter dieser Platz als ein guter Ankerplatz gelten musste. Als solcher konnte jedoch der gewählte Platz, insbesondere mit Rücksicht auf die geringe Grösse des Kahns, nicht mehr angesehen werden, nachdem der Wind zu einem schweren Sturm, verbunden mit hohem Seegange, ausgeartet war, und war es daher richtig, dass der Schiffer jetzt jenen Ankerplatz wieder verliess, um einen besseren aufzusuchen. Auf der Fahrt zu einem andern Ankerplatze wurde sodann mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren, insbesondere des Oefteren gelothet, und wenn trotzdem das Schiff auf Grund gerieth, so wurde dies lediglich dadurch verursacht, dass dasselbe in Folge des starken Sturmes das Wenden versagte. Es

Brigg Alida.

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ist ferner anzunehmen, dass bei dem starken Sturme ein Abbringen des Schiffes nicht möglich war. Endlich hat die seeamtliche Untersuchung auch nichts dafür ergeben, dass etwa das Schiff in schlechtem Zustande und nicht mit allem Erforderlichen ausgerüstet war.

48. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 25. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „Alida" von Elsfleth. Schiff in der Nähe von Kap Horn durch eine Sturzsee getroffen und schwer beschädigt, wobei ein Schiffsmann getödtet und ein zweiter schwer verwundet wurde.

Die deutsche Brigg »Alida« von Elsfleth trat am 20. April 1878 mit einer Ladung verschiedener Güter die Reise von Magdalena (in Unter-Kalifornien) nach Hamburg an. Die Reise verlief bis zum 15. Juni ohne bemerkenswerthe Vorfälle. Am letzteren Tage wurde das Schiff, welches sich damals in der Nähe von Kap Horn befand, von einem starken Sturm betroffen. Eine Sturzsee zertrümmerte das Steuerhaus, richtete mehrere Beschädigungen am Hintertheile des Schiffes an und drang durch die geschlossene Kajütsthür in die Kajüte. Der am Steuer stehende Matrose wurde durch das umstürzende Steuerhaus getödtet, der Bootsmann in die Kajüte geworfen, so dass ihm eine Rippe brach, und in der Kajüte der Proviant, die Karten und die nautischen Instrumente beschädigt. Auch an den folgenden Tagen hatte man mehrfach stürmisches Wetter. Unter diesen Umständen und besonders mit Rücksicht darauf, dass der Proviant in Folge des eingedrungenen Wassers verdorben war, beschloss man am 4. Juli nach Bahia abzuhalten. Dort langte man am 23. Juli an und besserte das Schiff, soweit es zu der Weiterreise erforderlich befunden wurde, aus. Die Reise nach Hamburg wurde sodann ohne weitere Unfälle zurückgelegt. Die obigen Thatsachen — welche sich aus der von der Schiffsbesatzung in Bahia belegten Verklarung und dem Schiffsjournal ergeben — lassen den Unfall, von welchem das Schiff betroffen wurde, als einen solchen erscheinen, der lediglich den Ereignissen der See zuzuschreiben ist. Ein Grund zu der Annahme, dass zu dem Unfall ein mangelhafter Zustand des Schiffs beim Antritt der

Brigg Alida.

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ist ferner anzunehmen, dass bei dem starken Sturme ein Abbringen des Schiffes nicht möglich war. Endlich hat die seeamtliche Untersuchung auch nichts dafür ergeben, dass etwa das Schiff in schlechtem Zustande und nicht mit allem Erforderlichen ausgerüstet war.

48. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 25. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „Alida" von Elsfleth. Schiff in der Nähe von Kap Horn durch eine Sturzsee getroffen und schwer beschädigt, wobei ein Schiffsmann getödtet und ein zweiter schwer verwundet wurde.

Die deutsche Brigg »Alida« von Elsfleth trat am 20. April 1878 mit einer Ladung verschiedener Güter die Reise von Magdalena (in Unter-Kalifornien) nach Hamburg an. Die Reise verlief bis zum 15. Juni ohne bemerkenswerthe Vorfälle. Am letzteren Tage wurde das Schiff, welches sich damals in der Nähe von Kap Horn befand, von einem starken Sturm betroffen. Eine Sturzsee zertrümmerte das Steuerhaus, richtete mehrere Beschädigungen am Hintertheile des Schiffes an und drang durch die geschlossene Kajütsthür in die Kajüte. Der am Steuer stehende Matrose wurde durch das umstürzende Steuerhaus getödtet, der Bootsmann in die Kajüte geworfen, so dass ihm eine Rippe brach, und in der Kajüte der Proviant, die Karten und die nautischen Instrumente beschädigt. Auch an den folgenden Tagen hatte man mehrfach stürmisches Wetter. Unter diesen Umständen und besonders mit Rücksicht darauf, dass der Proviant in Folge des eingedrungenen Wassers verdorben war, beschloss man am 4. Juli nach Bahia abzuhalten. Dort langte man am 23. Juli an und besserte das Schiff, soweit es zu der Weiterreise erforderlich befunden wurde, aus. Die Reise nach Hamburg wurde sodann ohne weitere Unfälle zurückgelegt. Die obigen Thatsachen — welche sich aus der von der Schiffsbesatzung in Bahia belegten Verklarung und dem Schiffsjournal ergeben — lassen den Unfall, von welchem das Schiff betroffen wurde, als einen solchen erscheinen, der lediglich den Ereignissen der See zuzuschreiben ist. Ein Grund zu der Annahme, dass zu dem Unfall ein mangelhafter Zustand des Schiffs beim Antritt der

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Brigg Argyra.

Reise, oder ein Versehen der Schiffsbesatzung mitgewirkt habe, liegt nicht vor. Dahin hat sich auch der oben erwähnte Bootsmann, sowie ein zur Schiffsmannschaft gehöriger Leichtmatrose, bei deren jetzt erfolgter Vernehmung ausgesprochen. Das Seeamt kann daher seinen Spruch nur dahin abgeben: dass der oben angegebene Unfall des Schiffs »Alida«, Kapitän Siebje, als eine unvermeidliche Folge der Seeereignisse zu betrachten ist.

49. Spruch des Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der britischen Brigg „Argyra" von Salcombe. Strandung und Verlust des Schiffes auf der Insel Juist an der ostfriesischen Küste. Verlust von fünf Menschenleben bei dem Unfall.

In der seeamtlichen Untersuchungssache, betreffend die am 19. September 1878 auf der Insel Juist erfolgte Strandung der britischen Brigg »Argyra«, Kapitän Luckham, hat das Seeamt zu Emden den nachfolgenden Seeamtsspruch beschlossen und in der öffentlichen Sitzung vom 26. Oktober 1878 verkündet: Thatbestand: Am 19. September 1878 ist am Nordstrande der Insel Juist, am Ende der sogenannten Kalfamer Dünen, eine englische Brigg gestrandet, und sind bei diesem Seeunfalle nicht blos das Schiff selbst, sondern auch fünf Menschenleben verloren gegangen. Das fragliche Schiff hat sich später als die zu Salcombe (Süd-Devonshire) heimathberechtigte Brigg »Argyra« ausgewiesen, und war dieselbe mit einer in Rio de Janeiro eingenommenen Ladung Felle auf der Reise nach Hamburg begriffen. Das nach Angabe des Schiffsführers, Kapitän James Luckham aus Salcombe, vor etwa zwölf Jahren erbaute Schiff gehörte einer dortigen Rhederei, an welcher der Kapitän selbst mit Vs Part betheiligt war, war zu 229 Register-Tons vermessen und soll sich sowohl beim Antritt der Reise von Rio de Janeiro, als auch während der Dauer der letzteren selbst in einem tadellos seetüchtigen Zustande befunden haben. Die in Rio de Janeiro erhaltene Bestimmung lautete für Ordre nach Salcombe, letzteres wurde nach Verlauf von 52 Tagen erreicht und von dort, nachdem daselbst Ordre für Hamburg vorgefunden war, die Reise am 12. September 1878 fortgesetzt.

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Brigg Argyra.

Reise, oder ein Versehen der Schiffsbesatzung mitgewirkt habe, liegt nicht vor. Dahin hat sich auch der oben erwähnte Bootsmann, sowie ein zur Schiffsmannschaft gehöriger Leichtmatrose, bei deren jetzt erfolgter Vernehmung ausgesprochen. Das Seeamt kann daher seinen Spruch nur dahin abgeben: dass der oben angegebene Unfall des Schiffs »Alida«, Kapitän Siebje, als eine unvermeidliche Folge der Seeereignisse zu betrachten ist.

49. Spruch des Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878, betreifend den Seeunfall der britischen Brigg „Argyra" von Salcombe. Strandung und Verlust des Schiffes auf der Insel Juist an der ostfriesischen Küste. Verlust von fünf Menschenleben bei dem Unfall.

In der seeamtlichen Untersuchungssache, betreffend die am 19. September 1878 auf der Insel Juist erfolgte Strandung der britischen Brigg »Argyra«, Kapitän Luckham, hat das Seeamt zu Emden den nachfolgenden Seeamtsspruch beschlossen und in der öffentlichen Sitzung vom 26. Oktober 1878 verkündet: Thatbestand: Am 19. September 1878 ist am Nordstrande der Insel Juist, am Ende der sogenannten Kalfamer Dünen, eine englische Brigg gestrandet, und sind bei diesem Seeunfalle nicht blos das Schiff selbst, sondern auch fünf Menschenleben verloren gegangen. Das fragliche Schiff hat sich später als die zu Salcombe (Süd-Devonshire) heimathberechtigte Brigg »Argyra« ausgewiesen, und war dieselbe mit einer in Rio de Janeiro eingenommenen Ladung Felle auf der Reise nach Hamburg begriffen. Das nach Angabe des Schiffsführers, Kapitän James Luckham aus Salcombe, vor etwa zwölf Jahren erbaute Schiff gehörte einer dortigen Rhederei, an welcher der Kapitän selbst mit Vs Part betheiligt war, war zu 229 Register-Tons vermessen und soll sich sowohl beim Antritt der Reise von Rio de Janeiro, als auch während der Dauer der letzteren selbst in einem tadellos seetüchtigen Zustande befunden haben. Die in Rio de Janeiro erhaltene Bestimmung lautete für Ordre nach Salcombe, letzteres wurde nach Verlauf von 52 Tagen erreicht und von dort, nachdem daselbst Ordre für Hamburg vorgefunden war, die Reise am 12. September 1878 fortgesetzt.

Brigg Argyra.

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Die Besatzung des Schiffes bestand damals ausser dem Kapitän James Luckham aus dem, als Steuermann dienenden 24 Jahre alten Sohn desselben, einem Bootsmann, einem Koch und vier Matrosen, mithin im Ganzen aus 8 Personen. Der Kapitän hatte in Salcombe für die Reise nach Hamburg auch seine Frau und zwei kleinere Kinder im Alter von 14 und 11 Jahren mit an Bord genommen. In den ersten Tagen war die Reise vom Wetter begünstigt; nachdem die »Argyra« in der Nacht vom 15. zum 16. September 1878 aus dem Kanal herausgekommen war, trat jedoch schlechtes Wetter ein; wegen dicker unsichtiger Luft hatte seitdem kein genaues Besteck mehr aufgenommen werden können und trieb die »Argyra« bei vollständiger Unkenntniss der Besatzung, wo man sich eigentlich befinde, als, nachdem am 18. September, Nachmittags vier Uhr, bei 20 Faden Wasser feiner Sand mit Muscheln, sowie um acht Uhr Abends bei 18 Faden Wasser weisser Sand mit Muscheln gelothet waren, am Abend des gedachten Tages, etwa um elf Uhr, ein Feuer und zwar nach Angabe des Kapitäns ein sogenanntes Revolving-Light SO'/stO bei 15 Meilen Abstand in Sicht kam. Wie sich später herausgestellt hat, ist dieses Feuer dasjenige von Norderney gewesen, in den an Bord der »Argyra« geführten Karten und sonst vorhandenen Schiffsnachrichten, welche der Kapitän in Salcombe durch neue zu ersetzen vergeblich versucht haben will, hat sich indessen ein Feuer von Norderney überhaupt nicht verzeichnet gefunden und ist jenes Feuer daher für dasjenige von Helgoland angenommen. Freilich scheint dem Kapitän dabei früher wohl bekannt geworden zu sein, dass das Feuer von Helgoland ein festes Feuer sei; die ihm vorliegenden Schiffsnachrichten sollen jedoch eine Notiz über eine beabsichtigte Aenderung desselben enthalten haben, und will er sodann in seinem Irrthum sowohl durch den bei dem fraglichen Seeunfalle verunglückten Matrosen James Reed, als auch durch einen von ihm zweimal angesprochenen Lootsenschooner noch weiter bestärkt sein, der auf die Frage nach einem Lootsen für Hamburg »Helgoland« zur Antwort gegeben und dabei auf das vorerwähnte Feuer hingewiesen haben soll. Darnach steuerte man bei stürmischem böigen Wetter mit aufkommendem Gewitter SWzS, lothete um zwei Uhr Morgens bei 15 Faden Wasser feinen Sand mit Muscheln und sollte beim Wechsel der Wache um vier Uhr Morgens anderweit gelothet werden, als das Schiff plötzlich heftig aufstiess.

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Brigg Argyra.

Bei der angeblich berghoch laufenden See will der Kapitän nun sofort die Ueberzeugung gewonnen haben, dass das Schiff nicht wieder abzubringen sei und hat demgemäss alles aufgeboten, dasselbe thunlichst hoch auf den Strand zu treiben, um dadurch desto eher die Rettung des Lebens der Besatzung und seiner Familie zu ermöglichen. Nachdem sodann nach Tagesanbruch die Nothflagge geheisst war, übrigens aber nach eingetretener Ebbe die See sich etwas beruhigt hatte, ist auf Anordnung des Kapitäns, welcher seiner Angabe nach die Insel Juist für unbewohnt gehalten hat, um etwa acht Uhr Morgens das eigene Boot der »Argyra« zu Wasser gelassen, um durch den Steuermann und zwei Matrosen die Frau des Kapitäns und dessen beide Kinder a n s Land zu setzen. Dieses Boot ist später in Norderney angetrieben und sind dessen Dimensionen in einem Berichte des Strandvogts Niemeyer daselbst auf 18 Fuss Länge, 5 Fuss 9 Zoll Breite und 2 Fuss 3 Zoll Tiefe angegeben. Es soll zwar etwas leicht, übrigens aber fast neu und in gutem Zustande gewesen sein, die mittelst desselben versuchte Rettung ist indessen misslungen, das Boot vielmehr nach etwa fünf Minuten gekentert und haben sämmtliche Insassen ihren Tod in den Wellen gefunden, mit alleiniger Ausnahme des Matrosen William Brooking, dem es gelang, das Boot wieder aufzurichten und der darauf mit demselben auf der Insel Juist antrieb. Inzwischen hatte man jedoch auf der Insel von der Nothlage der »Argyra« Kenntniss erhalten und waren sofort die nöthigen Vorkehrungen getroffen, derselben Hülfe zu bringen. Alle Anstrengungen der Juister Rettungsmannschaft, mit dem Boote die »Argyra« zu erreichen, blieben jedoch erfolglos und nahm man, als nach den eigenen Angaben der Besatzung der »Argyra« auch der zum sechsten oder siebenten Male unternommene Versuch missglückte, zu dem Raketen-Apparate seine Zuflucht, der unter Leitung des Strandvogts Brinkmann so geschickt bedient wurde, dass bereits mittelst des ersten Schusses die Rettungsleine den Schiffbrüchigen zugeworfen wurde und nunmehr die Bergung der letzteren bewerkstelligt werden konnte. Bezüglich der Witterungsverhältnisse während der Tage vom 15. bis 19. September 1878 wird auf die zu den Akten gelangten Berichte der Agentur der deutschen Seewarte in Emden Bezug genommen und schliesslich sodann noch bemerkt, dass der von der »Argyra« angesprochene Lootsenschooner den stattgehabten Ermittelungen zufolge der oldenburger Lootsenschooner »Friedrich August« von Fedderwarden gewesen, die verfügte Vorladung der

Brigg Argyra.

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betheiligten Lootsen zum Verhandlungstermine jedoch erfolglos geblieben ist und Seitens des Reichskommissars deren Vernehmung nicht mehr für erforderlich erachtet wurde. Entscheidungsgründe: Auf Grund der Aussagen des Kapitäns Luckham und des Bootsmanns Wilson ist nun zunächst als erwiesen angenommen, dass der in der Nacht vom 18. zum 19. September 1878 von der »Argyra« angetroffene und zweimal angesprochene Lootsenschooner »Friedrich August« von Fedderwarden lediglich nach einem Lootsen für Hamburg befragt worden ist und erscheint unter solchen Umständen die von demselben ertheilte Antwort »Helgoland« als eine völlig korrekte. Dabei findet, wenn die laut Bericht des Oberlootsen Wessels von dem betreffenden Lootsen angeblich ferner ertheilte Weisung »peile ONO« von der Mannschaft der »Argyra« nicht gehört sein will, dies durch die stürmische Witterung der fraglichen Nacht seine ausreichende Erklärung, während im Uebrigen der Angabe des Bootsmanns, dass der betreffende Lootse zugleich auf das in Sicht befindliche Feuer hingezeigt haben solle, mit Rücksicht darauf, dass es sich um einen Vorgang im Dunkel der Nacht handelt, ein erhebliches Gewicht nicht beigemessen werden kann. Daneben ist ferner anzuerkennen, dass dem betreffenden Lootsenschooner eine Verpflichtung, sich der »Argyra« weiter anzunehmen, als seine Assistenz ausdrücklich begehrt wurde, um so weniger oblag, als durch die Ansprache der »Argyra« sich ergeben hatte, dass die letztere für keinen der von ihm bedienten Häfen bestimmt war, und erscheint, wenn freilich auch die Frage, ob der fragliche Lootsenschooner unmangelhaft seiner Pflicht genügt habe, in der gegenwärtigen Untersuchung mitzuerörtern war, eine Vernehmung der betheiligten Lootsen doch um deswillen entbehrlich, weil die Angaben des Kapitäns und des Bootsmannes der »Argyra« ein pflichtwidriges Verhalten jener Lootsen in keiner Weise indizirt erscheinen lassen. Eine andere Frage ist es dagegen, ob es nicht für die Besatzung der »Argyra«, da bereits seit mehreren Tagen wegen dunkler Witterung kein zuverlässiges Besteck mehr hatte gemacht werden können, angezeigt gewesen wäre, an den angetroffenen Lootsenschooner die bestimmte Frage zu richten, wo man sich eigentlich befinde, und kann, wenn aus einem gewissen, in der Besorgniss, sich eine Blosse zu geben, begründeten Ehrgefühle eine solche Frage unterlassen sein wird, das letztere unter vorliegenden Umständen um so weniger als berechtigt angesehen werden, als die angeblich

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Brigg Argyra.

in den an Bord der »Argyra« geführten Schiffsnachrichten vorgefundene, durchaus unbestimmt gehaltene Notiz über eine beabsichtigte Aenderung des Feuers von Helgoland zu doppelter Vorsicht hätte mahnen sollen. Mindestens erscheint es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass eine solche bestimmte Frage dem Schiffer sofort über die Situation vollständige Klarheit gegeben hätte und darnach der in Frage stehende Seeunfall überhaupt vermieden worden wäre. Abgesehen davon wäre derselbe vermuthlich aber auch dann vermieden, wenn der Kapitän vor der Abfahrt von Salcombe sich mit zutreffenden Karten und Segelanweisungen versehen hätte, anstatt auf das an Bord der »Argyra« befindliche, bereits 12 bis 13 bezw. 6 bis 7 Jahre alte Material zu vertrauen, durch welches er in der ihm so verhängnissvoll gewordenen Unkenntniss über die Existenz des bereits seit mehreren Jahren eingerichteten Feuers von Norderney, bezw. die Beschaffenheit des Feuers von Helgoland belassen wurde. Es war in solcher Beziehung zweifellos um so grössere Vorsicht geboten, als der Kapitän Luckham seinem eigenen Anerkenntnisse zufolge auf dem für die von ihm beabsichtigte Reise in Frage kommenden Theile der Nordsee vollständig unbekannt war und vermag dabei auch in seiner übrigens als glaubwürdig nicht zu bezweifelnden Angabe, dass er sich in Salcombe wegen Beschaffung einer neueren Karte vergeblich bemüht habe, eine völlig ausreichende Entschuldigung nicht befunden zu werden. Ebensowenig kann zu einer solchen der Umstand dienen, dass der an Bord der »Argyra« befindliche und bei dem fraglichen Unfälle mit um's Leben gekommene, bereits als Steuermann geprüft gewesene Matrose James Reed nicht blos die Versicherung gegeben, dass er aus früheren regelmässigen Fahrten auf Hamburg mit den Feuern der Nordsee genau bekannt sei, sondern insbesondere auch das Feuer von Helgoland als ein »Revolving-Light« bezeichnet haben soll. Eine Entschuldigung damit, dass es an gehöriger Veröffentlichung bezüglich des zu Norderney errichteten Feuers gefehlt habe, ist überhaupt nicht vorgebracht und würde, wenn es auch im Allgemeinen erwünscht erscheinen möchte, die Kenntniss neu eingerichteter Seezeichen durch in regelmässigen Zwischenräumen wiederkehrende wiederholte Bekanntmachung noch mehr, als seither vielleicht geschehen, zu sichern, auch dadurch im vorliegenden Falle zweifellos eine Aenderung nicht bewirkt sein. Dagegen wäre eine solche muthmaasslich dann erreicht, wenn von dem Lothe ein fleissigerer Gebrauch gemacht worden wäre,

Brigg Argyra.

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als es in der That geschehen ist. Es war das aber um so mehr erforderlich, als es einestheils, wie bereits bemerkt, schon seit mehreren Tagen an zuverlässigen Observationen mangelte und anderntheils die Annahme, dass das in Sicht gekommene Feuer dasjenige von Helgoland sei, sich lediglich auf persönliche Yermuthungen stützte, eines wirklich positiven Anhaltspunktes aber in der That entbehrte. Einen solchen möchte nun freilich in der Entfernung, in welcher das fragliche Feuer zunächst gepeilt wurde, auch die Lothung noch nicht sofort ergeben haben, dagegen hätten die Ergebnisse der letzteren im Verlaufe der späteren Stunden die Besatzung der »Argyra« unbedingt zu der Ueberzeugung führen müssen, dass man sich der Küste in bedenklicher Weise nähere und wären darnach auch rechtzeitig diejenigen Maassregeln zu treffen gewesen, die zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich waren. Dass der mit dem eigenen Boote unternommene, indessen misslungene Rettungsversuch vom Schiffer nicht ohne gewissenhafteste Prüfung der Sachlage befohlen sein wird, dürfte einem Zweifel mit Grund wohl nicht unterzogen werden können, dass Seitens der Rettungsstation zu Juist in aufopfernder Pflichttreue das denkbar Mögliche zur Rettung der Schiffbrüchigen geleistet worden ist, erscheint endlich aber durch die stattgehabte Verhandlung mit völliger Evidenz erwiesen und geht aus allen diesen Gründen der Spruch des Seeamtes dahin: Die am 19. September 1878 auf der Insel Juist erfolgte Strandung der »Argyra« ist auf die Unzulänglichkeit der an Bord derselben geführten Karten und Segelanweisungen, ungenügenden Gebrauch des Lothes imd versäumte nähere Erkundigung bei dem wenige Stunden vor der Strandung angetroffenen Lootsenschooner zurückzuführen.

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Kuff Nicolaus Friedrich Peter.

50. Spruch des Seeamts zu Brake vom 30. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Kuff „Nicolaus Friedrich Peter" von Barssel. Schiff, in der Weser' ohne Bewachung vor Anker liegend, auf eine Schienge getrieben und aufgegeben.

In der Sache, betreffend die Strandung der deutschen Kuff »Nicolaus Friedrich Peter« in der Weser, hat das Seeamt folgenden Spruch abgegeben: Die in Barssel heimathberechtigte Kuff »Nicolaus Friedrich Peter«, Unterscheidungs-Signal NBHF, vermessen zu 19,34 RegisterTons, lag seit dem 22. Oktober 1878, mit einer Ladung Steine nach Rüstersiel bestimmt, segelfertig in der Weser bei Boitwarden, unweit des Ufers vor Anker. Der Führer derselben, Schiffer Meinard Lamping aus Barssel, war in der Nacht vom 23./24. Oktober mit einem Schififsknecht an Bord. Der Wind war SW, massig. Gegen Mitternacht, kurz vor Hochwasser, ging der Schiffer zur Koje, nachdem er vorher das Ruder nach Steuerbord gelegt hatte. Als er gegen drei Uhr Morgens erwachte, sass das Schiff mit dem Kopfeauf einer stromabwärts befindlichen Schienge mit dem Hintersteven in der Richtung des Stromes. Es wurde nun versucht, mittelst einer auf einem benachbarten Kahne befestigten Leine das Schiff wieder flott zu machen; dies gelang jedoch nicht und ist das Schiff in jener Lage aufgegeben worden. Das Inventar ist geborgen, von der Ladung hofft man bei niedrigem Wasserstand noch etwas retten zu können. Nach den glaubwürdigen, durch die von dem Schiffer und seinem Knechte abgelegte Verklarung bestätigten Aussagen des Schiffers, auf welche die Ermittelungen sich haben beschränken müssen, ist ein Verschulden derselben nicht hervorgetreten, vielmehr ist anzunehmen, dass der Anker, sei es beim Schwajen, sei es später, unklar geworden, das Schiff durch den Ebbestrom in die Nähe der Schienge und durch die Neerung auf diese getrieben ist. Das Schiff war nach den Aussagen des Schiffers mit etwa 20 Faden Kette verankert und wenn auch die Schätzung des Schiffers, dass die Entfernung vom Ufer etwa 300 Schritte betragen habe, etwas hoch gegriffen erscheint, so liegt doch andererseits nichts vor, wonach die Annahme gerechtfertigt wäre, dass der Ankerplatz in gefährlicher Nähe des Ufers oder der Schienge gewählt sei.

Schraubendampfschiff Castor.

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Hiernach geht der Spruch des Seeamts dahin: dass der Verlust des Schiffes »Nicolaus Friedrich Peter« verursacht ist durch Unklarwerden des Ankers und dem Schiffer Lamping ein Verschulden nicht zur Last fällt.

51. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 31. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraubendampfschiffes „Castor" yon Hamburg. Schiff in Folge Zusammenstossens mit einem in der Nähe von Gunfleet vor Anker liegenden Fahrzeuge leck geworden und auf den Strand von Nore-Sand gesetzt.

Das obengenannte eiserne Dampfschiff, welches zu regelmässigen Fahrten zwischen Hamburg und London benutzt wurde, ist auf der Reise von Hamburg nach London am 29. September 1878 von einem Unfall betroffen worden und in Folge desselben total verloren gegangen. Das Schiff trat mit einer aus Stückgütern bestehenden Ladung und einer Anzahl von Passagieren am 27. September 1878 die Reise von Hamburg an. Ohne besondere Vorfälle gelangte man bis in die Nähe von Lowestoft. Dort wurde am 29., Morgens vier Uhr, ein Lootse angenommen. Es wurde neblig; man liess daher, nachdem man Gunfleet passirt war, die Maschine nur mit halber Kraft gehen, verminderte bei zunehmendem Nebel den Gang der Maschine noch mehr und beschloss sodann, da der Nebel immer stärker wurde, zu Anker zu gehen. Es wurde die Maschine gestoppt, und — da man den zuvor in Bereitschaft gesetzten Backbord-Anker fallen lassen wollte — das Ruder etwas nach Steuerbord gelegt. In dem Augenblicke, in welchem der Anker fallen sollte, wurde man aber zwei bis drei Striche über Steuerbord-Bug einen vor Anker liegenden Dampfer gewahr und es wurde nunmehr, um diesem Dampfer an Steuerbordseite vorbeizugehen, auf dem »Castor« das Ruder hart Steuerbord gelegt und zugleich die Maschine mit voller Kraft vorwärts in Gang gesetzt. Der Versuch, in dieser Weise dem anderen Schiff vorbeizukommen, missglückte aber, die Fluth trieb den »Castor« auf den Vordersteven des zu Anker liegenden Schiffs und es erhielt der »Castor« an der Steuerbordseite etwas nach hinten

Schraubendampfschiff Castor.

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Hiernach geht der Spruch des Seeamts dahin: dass der Verlust des Schiffes »Nicolaus Friedrich Peter« verursacht ist durch Unklarwerden des Ankers und dem Schiffer Lamping ein Verschulden nicht zur Last fällt.

51. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 31. Oktober 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraubendampfschiffes „Castor" yon Hamburg. Schiff in Folge Zusammenstossens mit einem in der Nähe von Gunfleet vor Anker liegenden Fahrzeuge leck geworden und auf den Strand von Nore-Sand gesetzt.

Das obengenannte eiserne Dampfschiff, welches zu regelmässigen Fahrten zwischen Hamburg und London benutzt wurde, ist auf der Reise von Hamburg nach London am 29. September 1878 von einem Unfall betroffen worden und in Folge desselben total verloren gegangen. Das Schiff trat mit einer aus Stückgütern bestehenden Ladung und einer Anzahl von Passagieren am 27. September 1878 die Reise von Hamburg an. Ohne besondere Vorfälle gelangte man bis in die Nähe von Lowestoft. Dort wurde am 29., Morgens vier Uhr, ein Lootse angenommen. Es wurde neblig; man liess daher, nachdem man Gunfleet passirt war, die Maschine nur mit halber Kraft gehen, verminderte bei zunehmendem Nebel den Gang der Maschine noch mehr und beschloss sodann, da der Nebel immer stärker wurde, zu Anker zu gehen. Es wurde die Maschine gestoppt, und — da man den zuvor in Bereitschaft gesetzten Backbord-Anker fallen lassen wollte — das Ruder etwas nach Steuerbord gelegt. In dem Augenblicke, in welchem der Anker fallen sollte, wurde man aber zwei bis drei Striche über Steuerbord-Bug einen vor Anker liegenden Dampfer gewahr und es wurde nunmehr, um diesem Dampfer an Steuerbordseite vorbeizugehen, auf dem »Castor« das Ruder hart Steuerbord gelegt und zugleich die Maschine mit voller Kraft vorwärts in Gang gesetzt. Der Versuch, in dieser Weise dem anderen Schiff vorbeizukommen, missglückte aber, die Fluth trieb den »Castor« auf den Vordersteven des zu Anker liegenden Schiffs und es erhielt der »Castor« an der Steuerbordseite etwas nach hinten

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Schraubendampfscliiff Castor.

ein Loch, durch welches das Wasser in den^Maschinenraum eindrang. Der Leck liess sich nicht stopfen; die Passagiere wurden daher in die Schiffsboote gebracht und das Schiff auf eine in der Nähe befindliche Sandbank — den Nore-Sand — gesetzt. Auch die erneuerten Versuche, welche dort gemacht wurden, um das Schiff zu dichten, schlugen fehl, da die Leckstelle so tief war, dass sie auch bei der Ebbe unter Wasser blieb; man fing daher gegen Abend des 29. an, von der Ladung in die inzwischen angelangten Leichter zu löschen, konnte jedoch nur einen Theil der Ladung retten, da am Abend des 30. das Schiff in der Mitte auseinander barst. Der Name des Schiffs, mit welchem der »Castor« zusammenstiess, ist nicht ermittelt worden. Es kann als erwiesen gelten, dass an der Stelle, an welcher die Kollision mit dem vor Anker liegenden Schiff erfolgte, zur Zeit der Kollision ein so starker Nebel war, dass der Besatzung des »Castor« daraus kein Vorwurf gemacht werden kann, dass dieselbe jenes andere Schiff — welches den Zeugenaussagen zufolge nicht mit der Glocke geläutet haben soll — nicht früher wahrgenommen hat. Da der Nebel erst allmählig so stark geworden sein soll, so wird auch daraus, dass der »Castor« nicht früher zu Anker gegangen ist, dem Führer desselben kein Vorwurf gemacht werden können. Hinsichtlich der Frage, ob die Besatzung des Schiffs durch ein Versehen von ihrer Seite den Zusammenstoss verschuldet habe, kommt es hiernach nur noch in Frage, ob das von dem »Castor« nach dem Erblicken des anderen Schiffs eingeschlagene Verfahren Billigung verdient. In Bezug auf diese Frage muss es besonders erheblich erscheinen, dass der Lootse in dem seiner Behörde erstatteten Bericht, dem Kapitän Meyer vorwirft, dass dieser die von ihm, dem Lootsen, ertheilte Ordre, langsam rückwärts zu gehen, kontremandirt und seinerseits die Ordre: »mit voller Kraft vorwärts« — gegeben habe. Ganz abgesehen nun aber davon, dass der Kapitän, der neben dem Lootsen auf der Kommandobrücke stand, das erwähnte Kommando des Lootsen nicht gehört haben will, muss es höchst fraglich erscheinen, ob nicht unter den gegebenen Umständen das von dem Kapitän angeordnete Verfahren als das richtigere zu betrachten ist. Namentlich kommt es in dieser Beziehung in Betracht, dass das Schiff, wenn auch in dem fraglichen Augenblick die Maschine gestoppt war, nach der nicht unwahrscheinlichen Angabe des Kapitäns noch immer etwas Fahrt nach vorn hatte und dass dasselbe ausserdem

Schraubendampfschiff Castor.

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durch den Fluthstrom nach vorn getrieben wurde. In Rücksicht auf diesen Sachverhalt durfte Kapitän Meyer es für zweifelhaft halten, ob das Rückwärtsschlagen der Maschine zeitig genug wirken werde. Es musste dann ferner allerdings auch Kapitän Meyer befürchten, dass — da wenigstens seiner Angabe zufolge, sein Schiff eine rechtsum schlagende Schraube hatte — beim Rückwärtsgehen der Maschine der Vordertheil des Schiffs nach der Steuerbordseite sich wenden, und somit die Richtung auf das andere Schiff einschlagen werde. Es liegt nun auch für die Annahme kein Grund vor, dass nach dem Zusammenstoss etwas versehen wurde und namentlich, dass nicht Alles, was geschehen konnte, gethan wurde, um das Schiff und auch noch den Rest der Ladung zu retten. Es erübrigt hiernach noch, darauf hinzuweisen, dass nach den Zeugenaussagen das Schiff zwar mit Schotten versehen, und auch der Maschinenraum nach vorn vom Grossraum durch ein Schott getrennt war, jedoch das Schott, welches hinter dem Maschinenraum sich befand, durch den Eingang des Tunnels durchbrochen war. Der letztere Umstand hatte es zur Folge, dass das durch den Leck in den Maschinenraum eindringende Wasser in den Hinterraum fliessen, und so auch diesen Raum füllen konnte. Es muss aber für sehr wohl möglich gehalten werden, dass wenn das eindringende Wasser auf den Maschinenraum beschränkt geblieben wäre, dasselbe, nachdem das Schiff auf den Sand gelaufen war, hätte ausgepumpt und die Leckstelle hätte gedichtet werden können. Bei neueren Schiffen pflegt auch regelmässig der Maschinenraum an beiden Seiten durch feste Schotten abgeschlossen zu sein. Hiernach giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass nach Allem, was vorliegt, der Unfall des »Castor« einem Versehen der Schiffsbesatzung nicht beizumessen ist, die Einrichtung der Schotten des Schiffs aber in der oben angegebenen Beziehung mangelhaft war und dieser Mangel zu dem schliesslichen Ausgang des Unfalls mitgewirkt haben kann.

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Jacht Elise.

52. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 7. November 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Jacht „Elise" von Barth. Schiff in der Ostsee schwer leck geworden und in der Nähe von Trelleborg (an der schwedischen Südküste) gesunken.

In Untersuchungssachen, betreffend das Sinken der Barther Jacht »Elise«, Kapitän Joachim Brandt, — Unterscheidungs-Signal JNQR — hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass die Ursachen für das am 16. September 1878, Morgens gegen 7 i !i Uhr, eine halbe Seemeile südlich von der Landzunge Smyge östlich von Trelleborg erfolgte Sinken der Barther Jacht »Elise», Schiffer Brandt, nicht festzustellen. Gründe. Die Jacht »Elise« trat unter Führung des Schiffers Joachim Brandt am 3. September 1878 mit einer Ladung Eisen bei günstigem Winde die Reise von Stockholm nach Kopenhagen an. Das Gewicht der Ladung betrug etwa 1110 schwedische Zentner gleich etwa 900 deutschen Zentnern; die Besatzung bestand nur aus dem Schiffer und dem Seemann Schütt. Bei dem am 13. September eingetretenen stürmischen Wetter ging die »Elise« in der Nähe der Feuer von Sandhammer zu Anker. Am 15. desselben Monats, an welchem Tage das Schiff Anker gelichtet und seine Reise fortgesetzt hatte, trat Abends gegen 11 Uhr wieder heftiger Sturm mit starkem Seegange ein. Das Schiff hatte bis dahin gewöhnlich nur wenige Zoll Wasser täglich gemacht, welches durch Pumpen leicht beseitigt wurde. Jetzt stieg das Wasser so, dass anzunehmen war, es sei ein Leck entstanden. Anfänglich gelang es zwar durch Pumpen das Schiff flott zu erhalten, am 16. September Morgens waren aber bereits drei Fuss Wasser im Schiffe; es wurde deshalb, da das Wasser stetig zunahm, das Boot klar gemacht. In demselben Augenblicke, als man hiermit fertig war, sank das Schiff; dasselbe war nicht versichert. Gerettet ist Nichts ausser dem Leben. Dem Schiffer und dem Schiffsmanne sind wegen ihres Verhaltens während der Fahrt Vorwürfe nicht zu machen. Irgend eine seemännische Prüfung hat weder der Schiffer selbst, noch der p. Schütt bestanden. Der Schiffer ist nach seiner Angabe von seinem Vater, einem Jachtschiffer, für seinen Beruf ausgebildet, hat die Navigations-Vorschule in Prerow besucht, im Februar 1867 die »Elise« gekauft und seitdem selbstständig gefahren.

Jacht Elise.

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Dass aber der Schiffer mit nur Einem Manne Fahrten von Stettin nach Stockholm und von Stockholm nach Kopenhagen unternahm, erscheint nicht gerechtfertigt. Bei irgend welchen besonderen Vorkommnissen ist die Hülfe eines Mannes ungenügend. Die Annahme, dass die »Elise« hätte über Wasser gehalten werden können, wenn die Besatzung eine stärkere und es hierdurch möglich gewesen wäre, andauernder zu pumpen, ist deshalb nicht ausgeschlossen. Ausserdem ist das Schiff auch in höherem Maasse, als zulässig, beladen gewesen. Dasselbe ist nur zu 23,68 RegisterTons vermessen, seine Belastung hat aber diese Ladungsfähigkeit überschritten. In Betracht kommt noch, dass die »Elise« auf der Fahrt nach Stockholm, von Stettin aus mit Salz- und Schwefelsäure beladen, durch Zerbrechen einiger Ballons im Innern an mehreren Stellen mit Salz- oder Schwefelsäure übergössen gewesen ist. Der Schiffer Brandt ist zwar damals in Stolpmünde für Nothhafen eingelaufen, hat dort die Ladung gelöscht und sich überzeugt, dass eine wesentliche Beschädigung der Holztheile nicht stattgefunden hat. Zu einem Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben, wonach er die Untersuchung in Stockholm wiederholt hat, ist keine Veranlassung. Dennoch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, ja es erscheint fast wahrscheinlich, dass die Eisentheile durch die Säure angegriffen sind, dass bei dem alten, sehr schwer beladenen Schiffe die durch Einwirkung der Säure gelockerten Bolzen nachgegeben haben und dass das Zusammentreffen dieser Umstände in Verbindung mit der ungenügenden Bemannung zu dem Leckwerden bezw. zu dem Sinken die Ursache gewesen sind. Der Zusammenhang ist aber nicht so aufgeklärt, um eine Feststellung dahin treffen zu können, dass Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder solche Thatumstände wie sie im § 4 des Reichs-Gesetzes vom 27. Juli 1877 ausdrücklich der Untersuchung des Seeamts unterworfen sind, zu dem unglücklichen Ausgange geführt haben. Der Spruch war deshalb, wie geschehen, abzugeben,

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T j a l k Feika.

53. Spruch des Seeamts zu Emden vom 7. November 1878, betreffend den Seeunfall der niederländischen Tjalk „Feika" von Yeendam. Schiff in der Nordsee, muthmaasslich durch Aufstossen auf ein Wrackstück, leck geworden , deshalb absichtlich auf den Strand von Norderney gesetzt und gänzlich verloren gegangen.

In der seeamtlichen Untersuchungssache, betreffend die am 1. Oktober 1878 auf Norderney erfolgte Strandung der holländischen Tjalk »Feika« von Veendam, Kapitän Koops, hat das Seeamt nachfolgenden Seeamtsspruch beschlossen und verkündet: Der Verlust der holländischen Tjalk »Feika«, Kapitän Koops aus Veendam, ist lediglich auf einen unglücklichen Zufall zurückzuführen. T h a t b e s t a n d : Das im Jahre 1868 zu Stadtscanal erbaute, dem Schiffsführer, Kapitän H. G. Koops aus Veendam, gehörige Kufftjalkschiff »Feika« , welches laut Klassifizirungs • Certifikats des Germanischen Lloyd vom 12. August 1873 zu 61,74 britischen Register-Tons vermessen und zufolge der durch Vermittelung des Kaiserlichen Konsulats zu Amsterdam eingezogenen Erkundigungen bei einem Versicherungswerthe von fl. 5000 zu fl. 4000 versichert war, lief, nachdem es im Jahre 1875 zuletzt einer grösseren Reparatur unterzogen und darnach das auf Klasse A. I. lautende Klassifizirungs-Certifikat angeblich prolongirt war, am 24. September 1878 mit einer in einem Hafen Bornholm's eingenommenen, nach Brüssel bestimmten Ladung Thonerde die Eider aus und setzte, nachdem es widrigen Windes halber zeitweilig in der Jade gelegen hatte, von dort aus am 30. September 1878 seine Reise fort. Die »Feika« hatte an Besatzung in der früheren Zeit der Regel nach 3, mitunter auch wohl 4 Personen an Bord gehabt, auf der Eider war jedoch ein Mann auf sein Ansuchen entlassen, und bestand die Besatzung seitdem lediglich aus dem Schiffer und einem Steuermann, von welchen ersterer indessen auch noch seine Frau und drei Kinder im Alter von 8, 7 und 4 Jahren an Bord hatte. Das Schiff hat sich sowohl bei der Abfahrt von Bornholm, als auch während der Dauer der Reise in dichtem, seetüchtigen Zustande befunden, die eingenommene Ladung soll im Konnossemente zu einem Gewichte von 2126 Zentnern angegeben sein und mit derselben die »Feika« einen Tiefgang von etwa 6Va Fuss mit einer

Tjalk Feika.

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Aus Wässerung von etwa 10 Zoll gehabt haben. Die Ladung ist nach Versicherung des Schiffers gehörig verstaut gewesen und hat, obgleich Schotten nicht gesetzt waren, völlig fest gelegen. Als am 80. September von der Jade aus die Reise fortgesetzt wurde, hatte man zunächst günstiges Wetter, Abends trat jedoch Gewitter ein, welches sich, nachdem etwa um 8 Uhr das Feuer von Norderney in Sicht gekommen war, in der Nacht wiederholte und stürmisches Wetter im Gefolge hatte. Um 2 Uhr Nachts schlug der Wind nach Nord um, und lag die »Feika«, mit vorschriftsmässigen Lichtern versehen, WzN über Backbord, als dieselbe plötzlich einen heftigen Stoss erhielt. Da das Norderneyer Feuer auf 4 geographische Meilen Abstand gepeilt war, auch bei der kurz vorher stattgehabten Lothung 12 Faden Wasser gefunden waren, so meinen Schiffer und Steuermann, dass der fragliche Stoss durch ein in See treibendes Wrackstück veranlasst sein müsse, übrigens ist sofort die Pumpe angeschlagen, und hat sich dann herausgestellt, dass das Schiff mehr Wasser mache, was sodann V4 Stunde später auch von der an Deck gekommenen Frau des Schiffers bestätigt ist. Schon bald nachher hat sich der entstandene Leck als so erheblich erwiesen, dass gegen das eindringende Wasser nicht mehr angearbeitet werden konnte und wurde daher nach gehaltenem Schiffsrathe beschlossen, auf Strand zu setzen. Darnach wurde um etwa drei Uhr Morgens auf Norderney angehalten, worauf die »Feika« um etwa 57a Uhr zum ersten Male aufstiess und da es zu tagen begann, sofort die Nothflagge geheisst wurde. Da die See nun beständig über das Schiff hinschlug, auch bereits ein Theil des Roofes weggerissen war, so brachte der Schiffer, welcher der Sicherheit seines Schiffes nicht mehr traute, das Boot zu Wasser und befahl dem Steuermann, mittelst desselben seine Frau nebst den Kindern an's Land zu setzen. Dieser Befehl wurde ausgeführt und hatte der Steuermann mit dem Boote bereits so seichten Grund erreicht, dass er glaubte, die Insassen des Bootes an's Land tragen zu können. Er nahm deshalb das jüngste Kind des Schiffers auf den Arm, um mit diesem durch das Wasser zu waten, als ihm von Insulanern zugerufen wurde, dass ihn noch eine tiefe Rinne von der Insel trenne und die Frau des Schiffers sich nun das Kind in's Boot zurückgeben liess. Der Schiffer selbst, Welcher Gefahr für seine Familie befürchtete, holte sodann die Leine, mittelst welcher das Boot noch mit dem Schiffe in Verbindung stand, wieder ein und hatte auf solche Weise das Boot 11

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Tjalk Feika.

bis auf eine geringe Entfernung vom Schiffe wieder zurückgezogen, als das Boot kenterte, und die Frau mit den Kindern im Meere versanken. Darnach stürzte sich der Schiffer selbst halbentkleidet i n s Meer und wurde schliesslich bewusstlos aus dem Wasser gezogen, während es dem Steuermann gelang, die ihn von der Insel trennende Rinne zu durchschwimmen. Bei dem fraglichen Unfälle ist das Schiffsjournal mit verloren gegangen und die »Feika« selbst im Laufe der folgenden Tage von der See vollständig auseinander geschlagen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Die stattgehabte Verhandlung hat keine Thatsachen ergeben, welche die Annahme zu rechtfertigen vermöchten, dass der der »Feika« widerfahrene Unfall auf Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung oder Beladung des Schiffes zurückzuführen sei und erscheinen ferner, da die »Feika« in offener See leck wurde, Mängel des Fahrwassers oder der für die Schifffahrt bestimmten Hülfseinrichtungen ebensowenig angezeigt, als Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns, bezw. eine Nichtbeachtung der Vorschriften über Verhütung des Zusammenstossens von Schiffen, wodurch die eingetretene Beschädigung hätte herbeigeführt sein können. Dagegen ist andererseits festgestellt, dass die Bemannung der »Feika«, welche sonst der Regel nach eine Besatzung von mindestens drei Personen führte, seit dem 24. September 1878 lediglich aus dem Schiffer und Steuermann bestanden hat, und ist als Regel festzuhalten, dass für die in die hohe See gehenden Schiffe eine Bemannung von nur zwei Personen als ausreichend nicht angesehen werden könne, indessen bleibt doch für den vorliegenden Fall zu erwägen, dass die an Bord befindliche Frau des Schiffers nach dem Zeugnisse des Steuermanns nicht blos mit Hand anzulegen im Stande war, sondern solches auch wirklich gethan hat, und kann unter solchen Umständen dem Schiffer nicht gerade ein Vorwurf gemacht werden, wenn er einen Ersatz für den auf der Eider entlassenen Jungen entbehren zu können glaubte. Auch erscheint es ferner einem Zweifel nicht wohl unterliegen zu können, dass bei der Erheblichkeit des entstandenen Leckes selbst die Hülfe eines dritten Schiffsmannes von wesentlicher Bedeutung nicht gewesen sein würde. Im Uebrigen ist zwar die Annahme der Schiffsmannschaft, dass der fragliche Leck durch Aufstossen auf ein in See treibendes Schiffswrack herbeigeführt worden sei, nicht näher nachgewiesen, dieselbe erscheint jedoch um so weniger unglaubwürdig, als eines-

Schiffe Germania und Russia.

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theils die »Feika« zu weit von der Insel entfernt war, um die Annahme, dass sie auf Grund gestossen habe, rechtfertigen zu können und anderenteils treibende SchifFstrümmer in der That häufiger angetroffen werden. Daneben lässt sich sodann mit Rücksicht auf die Erheblichkeit des entstandenen Leckes der nach gehaltenem SchifFsrath gefasste Beschluss, auf Strand zu setzen, nicht bemängeln und ist ebensowenig, wenn der Schiffer nach erfolgtem Aufstosssen seines Schiffes seine Lage für so gefährlich ansah, dass er auf fremde Hülfe nicht mehr warten zu dürfen, vielmehr mit dem eigenen Boote die Rettung seiner Familie versuchen zu müssen glaubte, und dann diese Entschliessung in irriger Beurtheilung der Situation wieder änderte, daraus für denselben ein Vorwurf herzuleiten. Endlich ist der von der Insel aus geleisteten Hülfe wenigstens die Erhaltung des Lebens des Schiffers zu danken, wenn übrigens aber das Rettungsboot der Insel zu spät an Ort und Stelle eintraf, um noch irgend welche Hülfe leisten zu können, dies mit Rücksicht auf das Vorgehen des Schiffers, bezw. den Zeitverlust, welchen die Entfernung der Bootsstation von der Strandungsstelle bedingte, vollständig zu erklären. Aus allen diesen Gründen musste so, wie geschehen, erkannt werden.

54. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 9. November 1878, betreifend den Zusammenstoss der deutschen Schiffe „Germania" von Stralsund und „Russia" von Stettin. Zusammenstoss eines Dampfschiffes mit einem Segelschiffe, in Folge dessen letzteres sank. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1 8 7 1 , Artikel 1 5 , 16 und 18.

In Sachen wegen Untersuchung des Unfalles, von welchem am 27. September 1878 auf dem Swine-Revier die in das Schiffsregister zu Stralsund eingetragene Schaluppe »Germania« betroffen worden, hat das Seeamt zu Stettin seinen Spruch dahin abgegeben: dass der gedachte Unfall durch unrichtiges Manövriren mit dem Schaluppschiffe »Germania« entstanden ist. G r ü n d e . Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes als erwiesen anzusehen:

Schiffe Germania und Russia.

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theils die »Feika« zu weit von der Insel entfernt war, um die Annahme, dass sie auf Grund gestossen habe, rechtfertigen zu können und anderenteils treibende SchifFstrümmer in der That häufiger angetroffen werden. Daneben lässt sich sodann mit Rücksicht auf die Erheblichkeit des entstandenen Leckes der nach gehaltenem SchifFsrath gefasste Beschluss, auf Strand zu setzen, nicht bemängeln und ist ebensowenig, wenn der Schiffer nach erfolgtem Aufstosssen seines Schiffes seine Lage für so gefährlich ansah, dass er auf fremde Hülfe nicht mehr warten zu dürfen, vielmehr mit dem eigenen Boote die Rettung seiner Familie versuchen zu müssen glaubte, und dann diese Entschliessung in irriger Beurtheilung der Situation wieder änderte, daraus für denselben ein Vorwurf herzuleiten. Endlich ist der von der Insel aus geleisteten Hülfe wenigstens die Erhaltung des Lebens des Schiffers zu danken, wenn übrigens aber das Rettungsboot der Insel zu spät an Ort und Stelle eintraf, um noch irgend welche Hülfe leisten zu können, dies mit Rücksicht auf das Vorgehen des Schiffers, bezw. den Zeitverlust, welchen die Entfernung der Bootsstation von der Strandungsstelle bedingte, vollständig zu erklären. Aus allen diesen Gründen musste so, wie geschehen, erkannt werden.

54. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 9. November 1878, betreifend den Zusammenstoss der deutschen Schiffe „Germania" von Stralsund und „Russia" von Stettin. Zusammenstoss eines Dampfschiffes mit einem Segelschiffe, in Folge dessen letzteres sank. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1 8 7 1 , Artikel 1 5 , 16 und 18.

In Sachen wegen Untersuchung des Unfalles, von welchem am 27. September 1878 auf dem Swine-Revier die in das Schiffsregister zu Stralsund eingetragene Schaluppe »Germania« betroffen worden, hat das Seeamt zu Stettin seinen Spruch dahin abgegeben: dass der gedachte Unfall durch unrichtiges Manövriren mit dem Schaluppschiffe »Germania« entstanden ist. G r ü n d e . Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes als erwiesen anzusehen:

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Schiffe Germania und Russia.

Am 27. September 1878 Nachmittags fuhr die Schaluppe »Germania« — Kapitän Friedrich Themlitz — ein Schiff von etwa 14V« Meter Länge, 4 3 /i Meter Breite und 4 Fuss Tiefgang von Swinemünde her mit WNW-Wind, platt vor dem Winde segelnd, die Swine herauf, während der Dampfer »Russia« — Kapitän Albert Hermann Bleckert — ein Schiff von etwa 61 'As Meter Länge, 8V2 Meter Breite und 8 Fuss Tiefgang von Stettin her die Swine herabkam. Die Schiffe, welche beide Lootsen weder hatten noch zu haben brauchten, näherten sich einander in der Gegend des sogenannten Butterholm. Schon in weiterer Entfernung wurden sie einander gewahr. Die »Germania« hielt sich mehr am linken Ufer der Swine, die »Russia« in der Mitte des Stroms. Der Kapitän und die beiden Leute der »Germania« glaubten aber wahrzunehmen, dass die »Russia« sich ebenfalls mehr nach dem linken Ufer der Swine zu befände und sogar festsässe, sie hielten deshalb (der Kapitän selbst führte das Steuer) mit Steuerbord-Ruder nach dem rechten Ufer zu. Die gleiche Richtung mit Backbord-Ruder nahm die »Russia«, um an Backbordseite der »Germania« vorbeizufahren. Die letztere liess sich jedoch in dem von ihr gewählten Kurse nicht stören, obgleich dieser Kurs, wenn er beibehalten wurde, offenbar zu einer Kollision führen musste, auch der Steuermann auf der »Russia« den Leuten auf der »Germania« zuwinkte, dass sie nach dem linken Ufer zu halten sollten und der Kapitän der »Russia« sein Schiff langsamer gehen liess, um der »Germania« Zeit zu einem passenderen Kurse zu gewähren. Diese blieb aber bei ihrem Kurse. Da in Folge dessen die Gefahr einer Kollision beinahe unvermeidlich schien, liess der Kapitän der »Russia« die Maschine seines Schiffes stoppen und rückwärts gehen. Nichtsdestoweniger lief das Schiff noch mit etwa drei Meilen Geschwindigkeit. Inzwischen hatten sich die Schiffe dem rechten Ufer immer mehr genähert und waren nur noch etwa zwei Schiffslängen der »Russia« von einander entfernt, als plötzlich die »Germania«, das Ruder Backbord legend, ihren Kurs änderte, um vor der »Russia« vorbei nach dem linken Ufer der Swine zu gelangen. Hierzu war jedoch, obgleich sie ebenfalls mit zwei bis drei Knoten Geschwindigkeit fuhr, nicht mehr die Zeit, vielmehr wurde sie, als sie' gegenüber dem Butterholm quer vor der »Russia« lag, von dieser erreicht, an der Backbordseite angerannt und bis unter die Wasserlinie durchschnitten, so dass sie sofort sank und die Schiffsbesatzung kaum Zeit behielt, sich in das Boot zu retten, aus welchem sie von der »Russia« aufgenommen

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und nach Swinemünde gebracht wurde, wohin letztere, welche unbeschädigt geblieben war, ihre Fahrt fortsetzte. Nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 15, 16 und 18 der Verordnung vom 23. Dezember 1871, Reichs-Gesetz-Blatt S. 475) muss, wenn ein Dampfschiff und ein Segelschiff in solchen Richtungen fahren, dass für sie Gefahr des Zusammenstossens entsteht, das Dampfschiff dem Segelschiff aus dem Wege gehen und, wenn das Dampfschiff sich dem Segelschiff in solcher Weise nähert, dass dadurch Gefahr des Zusammenstossens entsteht, das Dampfschiff seine Fahrt mindern oder, wenn nöthig, stoppen und rückwärts gehen, das Segelschiff aber seinen Kurs beibehalten. Nach diesen Vorschriften, von welchen abzuweichen die vorliegenden Umstände nicht die geringste Veranlassung gaben, hatte die »Germania« an dem linken Swine-Ufer oder wenigstens in der Mitte des Stromes zu bleiben, die »Russia« ihr an der Backbordseite vorbeizugehen und von dem Augenblicke an, wo nach Ansicht des Kapitäns der »Russia« die Annäherung der beiden Schiffe eine gefährliche wurde, dieser die Fahrt seines Schiffes zu mindern beziehungsweise die Maschine seines Schiffes stoppen und rückwärts gehen zu lassen. Alles dies hat der Kapitän Bleckert aber auch gethan und ist deshalb von jeder Schuld an der Kollision freizusprechen. Der Kapitän der »Germania« dagegen hat zunächst und vor allen Dingen den gesetzlichen Vorschriften insofern nicht genügt, als er den Kurs seines Schiffes nicht beibehalten, vielmehr denselben ohne Grund geändert, und zwar in einer Weise geändert hat, welche, wenn die »Russia«, wie doch zu präsumiren war, ihrerseits den gesetzlichen Vorschriften gemäss handelte, die »Germania« der letzteren geradezu entgegenführen musste. Der Kapitän der »Germania« hat dann aber auch ausserdem noch darin gefehlt, dass er den von ihm einmal gewählten Kurs nicht konsequent festhielt. Er hätte bei demselben sein Schiff vielleicht noch dadurch retten können, dass er dasselbe bei dessen erheblich geringerem Tiefgange näher nach dem rechten Ufer führen konnte, als dies der »Russia« möglich war und so diese an der Steuerbordseite hätte vorbeigehen lassen können. Durch die Aenderung des Kurses verlor er aber auch die letzte Chance zur Vermeidung des Unfalles, führte vielmehr diesen in der ungeschicktesten Weise dadurch herbei, dass er sein Schiff gerade vor den Dampfer brachte. In dieser unrichtigen Manövrirung der »Germania«, welche

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Brigg Superb.

dem Kapitän Friedrich Themlitz zur Last fällt, ist deshalb der alleinige Grund des Unfalles zu finden.

55. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 11. November 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Brigg „Süperb" von Hamburg. Schiff in Folge stürmischen Wetters leck geworden, in der Nordsee aufgegeben und gesunken.

Das obengenannte in das Schiffsregister zu Hamburg eingetragene Schiff verliess am 19. Oktober 1878 unter Führung des Kapitäns C. H. Meier, mit einer Ladung verschiedener Güter nach Santos bestimmt, den Hafen von Hamburg. Am 22. desselben Monats ging das Schiff in See und schlug die Richtung nach dem Kanal ein. Am Mittag des 24. befand man sich der Besteckrechnung zufolge auf 55° 16' nördlicher Breite und 5° 58' östlicher Länge. Inzwischen war das Wetter stürmisch geworden. Vom Nachmittag des 24. ab nahm der Sturm zu; das Barometer fiel allmählig bis auf 729 mm. In der aufgeregten See wurde das Schiff leck, sodann auf die Seite geworfen und wenn auch, nachdem der Fockmast gekappt war, dasselbe sich wieder aufrichtete, so sank es doch, wiewohl mit allen Kräften gepumpt wurde, immer tiefer. Nachdem das Schiff noch mehrfache Beschädigungen erlitten hatte — namentlich das Grossboot zertrümmert worden war und die Marsraa, welche mit der Grossmarsstenge heruntergefallen war, ein Loch in das Deck geschlagen hatte — war am 25. mit Tagesanbruch das Schiff dem Sinken nahe und die Besatzung rettete sich in die Schaluppe, ohne auch nur von ihren Effekten etwas mitzunehmen. Nach einer Viertelstunde gewahrte man in einer Entfernung von ungefähr zwei Seemeilen ein Schiff; dasselbe entfernte sich anfänglich von dem Boote, schlug aber später die Richtung auf dasselbe ein und nahm die Leute aus demselben auf. Von Bord dieses Schiffes — des von Hamburg nach Puerte Cabello bestimmten »Pendle-Hill« von Whitehaven — sah man noch kurze Zeit den »Superb«, dann verschwand derselbe, nachdem er von einer Bö getroffen war. Beim Texel überlieferte der »Pendle-Hill« die Schiffbrüchigen dem auf der Reise von Hull nach Hamburg

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Brigg Superb.

dem Kapitän Friedrich Themlitz zur Last fällt, ist deshalb der alleinige Grund des Unfalles zu finden.

55. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 11. November 1878, betreifend den Seeunfall der deutschen Brigg „Süperb" von Hamburg. Schiff in Folge stürmischen Wetters leck geworden, in der Nordsee aufgegeben und gesunken.

Das obengenannte in das Schiffsregister zu Hamburg eingetragene Schiff verliess am 19. Oktober 1878 unter Führung des Kapitäns C. H. Meier, mit einer Ladung verschiedener Güter nach Santos bestimmt, den Hafen von Hamburg. Am 22. desselben Monats ging das Schiff in See und schlug die Richtung nach dem Kanal ein. Am Mittag des 24. befand man sich der Besteckrechnung zufolge auf 55° 16' nördlicher Breite und 5° 58' östlicher Länge. Inzwischen war das Wetter stürmisch geworden. Vom Nachmittag des 24. ab nahm der Sturm zu; das Barometer fiel allmählig bis auf 729 mm. In der aufgeregten See wurde das Schiff leck, sodann auf die Seite geworfen und wenn auch, nachdem der Fockmast gekappt war, dasselbe sich wieder aufrichtete, so sank es doch, wiewohl mit allen Kräften gepumpt wurde, immer tiefer. Nachdem das Schiff noch mehrfache Beschädigungen erlitten hatte — namentlich das Grossboot zertrümmert worden war und die Marsraa, welche mit der Grossmarsstenge heruntergefallen war, ein Loch in das Deck geschlagen hatte — war am 25. mit Tagesanbruch das Schiff dem Sinken nahe und die Besatzung rettete sich in die Schaluppe, ohne auch nur von ihren Effekten etwas mitzunehmen. Nach einer Viertelstunde gewahrte man in einer Entfernung von ungefähr zwei Seemeilen ein Schiff; dasselbe entfernte sich anfänglich von dem Boote, schlug aber später die Richtung auf dasselbe ein und nahm die Leute aus demselben auf. Von Bord dieses Schiffes — des von Hamburg nach Puerte Cabello bestimmten »Pendle-Hill« von Whitehaven — sah man noch kurze Zeit den »Superb«, dann verschwand derselbe, nachdem er von einer Bö getroffen war. Beim Texel überlieferte der »Pendle-Hill« die Schiffbrüchigen dem auf der Reise von Hull nach Hamburg

Bark Emma und Bark The Goolwa.

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befindlichen Dampfschiff »Tiger«, welches letztere dieselben nach Hamburg brachte. Die obigen, der hierselbst belegten Verklarung entnommenen Angaben sind von den zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen bei ihrer Vernehmung vor dem Seeamt bestätigt worden. Nach diesen Angaben kann der Schiffsbesatzung wegen des Unfalls kein Vorwurf gemacht werden. Namentlich liegt kein Grund zu der Annahme vor, dass dieselbe nicht Alles gethan habe, was verständiger Weise geschehen konnte, um Schiff und Ladung zu retten. Ebensowenig liegen Umstände vor, welche der Vermuthung Raum geben, dass das Schiff beim Antritt der Reise nicht in seetüchtigem Zustand sich befunden habe, oder überladen gewesen sei, oder dass die Ladung ungehörig gestaut gewesen sei. Eine Vergleichung des Messbriefes mit dem Ladungsmanifest berechtigt sogar zu der Annahme, dass das Schiff sehr wohl seine Ladung hat tragen können. Dem Kapitän und dem Steuermann wird unter den Umständen, unter welchen hier die Rettung der Schiffsbesatzung erfolgte, ein Vorwurf auch daraus nicht gemacht werden können, dass sie vergassen, das Schiffsjournal mit sich zu nehmen, und zwar um so weniger, als das Journal über die erheblichsten Ereignisse dieser kurzen Reise, nämlich diejenigen, welche den Verlust des Schiffes herbeiführten, nicht wohl Eintragungen enthalten konnte, auch nach der von ihnen — dem Kapitän und Steuermann — gemachten Angabe nicht enthalten hat. Aus diesen Gründen giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass der Verlust des Schiffes »Superb«, Kapitän C. H. Meier, als eine unvermeidliche Folge der Seeereignisse zu betrachten ist.

56. Spruch des Seeamts zuFlensburgvoml4.Novemberl878, betreifend den Zusammenstoss der deutschen Bark „Emma" von Apenrade und der britischen Bark „The Goolwa". Zusammenstoss zwischen zwei Segelschiffen im chinesischen Meere, wobei das eine Schiff schwer beschädigt, leck wurde und sank.

Kaiserliche Verordnung zur Ver-

hütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember

1871,

Artikel 12, 18 und 19.

In Sachen, betreffend die Untersuchung des Seeunfalls, welcher die dem Kaufmann und Schiffsrheder J. Lorenzen in Apenrade

Bark Emma und Bark The Goolwa.

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befindlichen Dampfschiff »Tiger«, welches letztere dieselben nach Hamburg brachte. Die obigen, der hierselbst belegten Verklarung entnommenen Angaben sind von den zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen bei ihrer Vernehmung vor dem Seeamt bestätigt worden. Nach diesen Angaben kann der Schiffsbesatzung wegen des Unfalls kein Vorwurf gemacht werden. Namentlich liegt kein Grund zu der Annahme vor, dass dieselbe nicht Alles gethan habe, was verständiger Weise geschehen konnte, um Schiff und Ladung zu retten. Ebensowenig liegen Umstände vor, welche der Vermuthung Raum geben, dass das Schiff beim Antritt der Reise nicht in seetüchtigem Zustand sich befunden habe, oder überladen gewesen sei, oder dass die Ladung ungehörig gestaut gewesen sei. Eine Vergleichung des Messbriefes mit dem Ladungsmanifest berechtigt sogar zu der Annahme, dass das Schiff sehr wohl seine Ladung hat tragen können. Dem Kapitän und dem Steuermann wird unter den Umständen, unter welchen hier die Rettung der Schiffsbesatzung erfolgte, ein Vorwurf auch daraus nicht gemacht werden können, dass sie vergassen, das Schiffsjournal mit sich zu nehmen, und zwar um so weniger, als das Journal über die erheblichsten Ereignisse dieser kurzen Reise, nämlich diejenigen, welche den Verlust des Schiffes herbeiführten, nicht wohl Eintragungen enthalten konnte, auch nach der von ihnen — dem Kapitän und Steuermann — gemachten Angabe nicht enthalten hat. Aus diesen Gründen giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass der Verlust des Schiffes »Superb«, Kapitän C. H. Meier, als eine unvermeidliche Folge der Seeereignisse zu betrachten ist.

56. Spruch des Seeamts zuFlensburgvoml4.Novemberl878, betreifend den Zusammenstoss der deutschen Bark „Emma" von Apenrade und der britischen Bark „The Goolwa". Zusammenstoss zwischen zwei Segelschiffen im chinesischen Meere, wobei das eine Schiff schwer beschädigt, leck wurde und sank.

Kaiserliche Verordnung zur Ver-

hütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember

1871,

Artikel 12, 18 und 19.

In Sachen, betreffend die Untersuchung des Seeunfalls, welcher die dem Kaufmann und Schiffsrheder J. Lorenzen in Apenrade

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gehörige Bark »Emma« am 1. August 1878 in den chinesischen Gewässern betroffen hat, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der Seeunfall weder durch Handlungen noch Unterlassungen des Schiffers oder des Steuermanns der »Emma« verschuldet ist, und dass die zur Verhütung des Zusammen stossens von Schiffen auf See erlassenen Vorschriften befolgt worden sind, dass aber der Unfall zu vermeiden gewesen wäre, wenn der Ausguckmann auf dem britischen Schiff »The Goolwa« hinsichtlich des Ausgucks seine Schuldigkeit gethan hätte. G r ü n d e . Am 1. August 1878 gerieth die deutsche Bark »Emma« auf der Reise von Amoy nach Makassar mit der britischen Bark »The Goolwa« in Kollision. In Folge dieser Kollision ist die »Emma«, nachdem sich Mannschaft und Passagiere auf das britische Schiff gerettet hatten, gesunken und total verloren gegangen. Die britische Bark, welche nicht unerheblich beschädigt wurde, war zunächst genöthigt, den Hafen von Amoy aufzusuchen, den sie auch am 2. August glücklich erreichte. Hier wurde sofort seitens des deutschen Seemannsamts eine seemannsamtliche Untersuchung eingeleitet, in welcher der Kapitän und die übrige Mannschaft der »Emma« ausführlich vernommen worden sind. Auf Anhalten des Kapitäns des britischen Schiffes trat auch ein britisches Seegericht zusammen, welches sowohl die britische Mannschaft, wie auch den Kapitän, den Steuermann und den Bootsmann des deutschen Schiffs vernahm, und schliesslich seinen Spruch dahin abgab, dass es den Führer und ersten Steuermann der »The Goolwa« von jeder persönlichen Schuld freisprach, dagegen den Ausguckmann desselben beschuldigte, dass er nicht gehörig am Platze war und keinen gehörigen Ausguck hielt, weil er sonst die »Emma« so zeitig bemerkt haben würde, dass der Zusammenstoss hätte vermieden werden können. Da den angestellten Ermittelungen zufolge weder der Kapitän noch die andere Besatzung der »Emma« für's Erste nach Europa kommen werden, zur Zeit ihr Aufenthalt übrigens auch völlig unbekannt ist, hat deren Vernehmung vor dem Seeamte nicht erfolgen können. Als Zeuge ist nur der Eigenthümer des Schiffs, der Schiffsrheder J. Lorenzen in Apenrade, vernommen worden, welcher indess, weil nicht bei der Katastrophe gegenwärtig, nur über das Schiff und die Persönlichkeit des Kapitäns Auskunft zu geben vermochte.

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In Betreif der festzustellenden Thatsachen in Beziehung auf den Unfall selbst war das Seeamt lediglich auf die demselben übermittelten Verhandlungen des deutschen Seemannsamtes und des britischen Seegerichts in Amoy angewiesen. Die »Emma«, ein Barkschiff von 338 Register-Tons Ladungsfähigkeit, "mit dem Unterscheidungs-Signal LJNV wurde erbaut im Jahre 1864 und erhielt erst im vorigen Jahre zu Amoy eine gründliche Reparatur. Führer war seit dem Jahre 1870 der Kapitän Hans Jürgen Grau aus Norburg auf Alsen. Sie verliess am 31. Juli 1878, Morgens 3 Uhr, den Hafen von Amoy, um mit halber Ladung Stückgüter und 24 chinesischen Passagieren via Honkong nach Makassar zu segeln. Die Besatzung bestand ausser dem Kapitän, aus dem Steuermann Ipland aus Apenrade, dem Bootsmann Christensen aus Nykjöbing auf Falster, acht chinesischen Matrosen und zwei Dienern. Am 1. August Morgens zwischen 3 und 4 Uhr kreuzte die »Emma« etwa 40 Seemeilen von Amoy und 18 Seemeilen von Chapel-Island entfernt bei südsüdwestlichem Winde, hatte den Wind von der Steuerbordseite und hielt ihren Kurs von SO bis SOzO V2O. Um dieselbe Zeit segelte hier die englische Bark »The Goolwa« (717 Register-Tons), Eigenthum des Rheders James Anderson in London, geführt von dem Kapitän Johann Theodor Thorkildsen, den Wind von Backbordseite habend und den Kurs nach WzS haltend. Der Wind war leicht, die Luft allerdings dunkel und durch Staubregen etwas neblig, indess doch so klar, dass man vorschriftsmäßig erleuchtete Schiffe früh genug sehen konnte, um ihnen auszuweichen. An Bord der »Emma« hatte der Kapitän mit dem Bootsmann und vier chinesischen Matrosen die Wache, an Bord der »The Goolwa« der erste Steuermann Edward Northcote mit sechs englischen Matrosen. Der Ausguckmann auf der »Emma«, chinesischer Zimmermann Hsu-chiang, meldete ungefähr eine Viertelstunde vor dem Zusammenstoss dem Bootsmann Christensen, welcher den zeitweilig in der Kajüte sich aufhaltenden Kapitän im Kommando auf Deck vertrat, das grüne Licht eines fremden Schiffes. Nachdem sich der Bootsmann davon überzeugt hatte, dass sich in einer Entfernung von 1 Va Seemeilen in Lee ein grünes Licht befinde, gab er dem am Steuerruder befindlichen Matrosen den Befehl, dicht am Winde zu halten. Dieser Befehl wurde ausgeführt, es segelte die »Emma« so dicht am Winde als möglich, kam dabei aber dem ihren Kurs kreuzenden Schiffe mit dem grünen Lichte immer näher.

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An Bord der »The Goolwa« wurde man der »Emma« erst dann ansichtig, als man ungefähr auf eine Kabellänge sich ihr genähert hatte. Man hatte bis dahin den früheren Kurs beibehalten und wurde nun erst gewahr, dass man geradeswegs auf die »Emma« lossteuere. Sobald man auf der »Emma«, wo mittlerweile auch der Kapitän wieder aufs Deck gekommen war, die Gefahr des Zusammenstossens deutlich erkannte, suchte man derselben dadurch auszuweichen, dass man das Ruder hart Backbord legte und das Schiff in den Wind schiessen liess. Auf der »The Goolwa« legte man das Ruder hart auf und liess die Grossraa backen. Beide Manöver blieben indess erfolglos; nach wenigen Minuten rannte das britische Schiff mit seinem Vordersteven mitten in die Backbordseite der »Emma«, so dass sein Klüverbaum über ihr Deck ragte. Der Klüverbaum brach schon beim ersten Zusammenstoss und fiel auf das Deck der »Emma«. Obgleich man sofort begann, die auf die »Emma« überragenden Taue zu kappen und auf beiden Schiffen alle Mühe aufwandte, die Schiffe von einander zu bringen, gelang solches dennoch erst nach Verlauf einer guten Stunde mit Hülfe eines von der britischen Bark nach hinten ausgebrachten kleinen Ankers. Während dieser Zeit war aber die »Emma« durch das Stossen des britischen Schiffes stark beschädigt worden. Die »The Goolwa« hatte die »Emma« mit ihrem Backbord-Anker und Krahnbalken gefasst, die Verschanzung vom Fockmast bis zum Besahnsmast und grösstentheils die Takelage des Grossmastes an der Backbordseite weggerissen. Bereits eine Viertelstunde nach der Kollision zeigten sich 3 bis 4 Fuss Wasser im Raum. Als es endlich gelungen war, die Schiffe von einander frei zu bringen, stellte es sich heraus, dass die »Emma« so voll Wasser war, dass an eine Rettung nicht mehr gedacht werden konnte. Die Passagiere hatten sich bereits zu Anfang der Kollision an Bord der britischen Bark begeben. Der Kapitän der »Emma« liess nunmehr die Boote aussetzen und darin die Schiffspapiere wie einige andere Effekten bergen. Vom englischen Schiffe, wo man das rasche Sinken der »Emma« bemerkt haben mochte, kam ein drittes Boot zu Hülfe. Es gelang mit diesen drei Booten die gesammte Mannschaft glücklich an Bord der einige Schiffslängen entfernt liegenden »The Goolwa« zu retten. Noch nicht hatten alle Leute der »Emma« die »The Goolwa« erreicht, als erstere zunächst mit dem Bug und gleich darauf vollständig untersank, so dass auch nicht eine Spur mehr von ihr zu sehen war, an einer Stelle, wo die Seekarten 20 bis 30 Faden Wasser zeigen.

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Der Verlauf des Unfalls wird, wie er hier dargestellt worden, von der Mannschaft beider Schiffe durchweg übereinstimmend bekundet. Da der solchergestalt berichtete Hergang in keiner Beziehung demjenigen widerspricht, was erfahrungsmässig in ähnlichen Fällen vorkommt, auch die einzelnen Phasen des Unfalles der Situation der Schiffe entsprechen, so nimmt das Seeamt zunächst als erwiesen an, dass die Position der Schiffe vor und während der Kollision diejenige war, welche sich aus den vorliegenden Verhandlungen des deutschen Seemannsamtes und des britischen Seegerichts in Amoy ergiebt. Eine auf Veranlassung des deutschen Konsulats in Amoy angefertigte Zeichnung giebt darüber ein anschauliches Bild. Sie hat, weil sie in allen Punkten mit den übrigen Beweisverhandlungen übereinstimmt, für die folgenden Erwägungen als Grundlage dienen können. Es liegt auf der Hand, dass Mängel in der Bauart und Ausrüstung des Schiffes hier nicht zur Frage stehen, dass es vielmehr nur darauf ankommen kann, ob man an Bord der »Emma« diejenigen Vorschriften befolgt hat, die zur Verhütung des Zusammenstossens von Schiffen auf See gegeben sind. Diese Frage erledigt sich Angesichts der vorliegenden Zeichnung in Betreff der Innehaltung des Kurses sehr leicht zu Gunsten des deutschen Schiffes. Die »Emma« hatte den Wind von der Steuerbordseite, die »The Goolwa« hatte ihn von der Backbordseite. Nach der Verordnung vom 28. December 1871 zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See musste demnach die englische Bark aus dem Wege gehen, die »Emma« ihren Kurs beibehalten; s. Art. 12 u. 18. An Bord der »Emma« handelte man also richtig, wenn man, wie geschehen, beim Anblick des grünen Lichtes eines fremden, den eigenen Kurs kreuzenden Schiffs den bisherigen Kurs beibehielt und dabei so dicht wie möglich am Winde segelte. Man handelte ferner richtig, als man dann, wo man die englische Bark gerade auf die »Emma« lossteuern sah, das Ruder hart Backbord legte und das Schiff in den Wind schiessen liess; denn dies war unter den gegebenen Umständen das einzige Manöver, wodurch es dem fremden Schiff noch ermöglicht werden konnte, hinter dem Heck der »Emma« herum zu kommen; s. Art. 19 a. a. 0. Das britische Schiff hätte, sobald man an Bord desselben die »Emma«, bezw. das rothe Licht, welches sie an Backbordseite füh'ren sollte, bemerkte, das Ruder hart Backbord legen und den Kurs so

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lange weiter nördlich nehmen müssen, bis es der »Emma« vorbeipassirt wäre und hinter ihrem Heck hätte herum kommen können; s. Art. 12 a. a. 0. Schwieriger wird dagegen die Frage, ob die vorschriftsmässigen Lichter an Bord der »Emma« brannten und ob sie so angebracht waren, dass sie an Bord der britischen Bark bei einiger Sorgsamkeit rechtzeitig hätten gesehen werden müssen. Während nämlich von der Mannschaft der »Emma« bekundet wird, dass die vorgeschriebenen Lichter, ein grünes auf Steuerbordseite und ein rothes auf Backbordseite, die ganze Nacht hell gebrannt haben, wird solches von der Mannschaft des britischen Schiffes theils in Zweifel gezogen, theils behauptet, sie seien so angebracht gewesen, dass man sie nicht habe sehen können. Es ist daher zu untersuchen, was in dieser Richtung als festgestellt angenommen werden muss. Wie der Bootsmann der »Emma«, welcher zur Zeit, als das grüne Licht des britischen Schiffes in Sicht kam, auf Deck das Kommando hatte, aussagt, hat er sich gleich nach der Meldung des grünen Lichts, ungefähr eine Viertelstunde vor der Kollision davon überzeugt, dass beide Lichter auf der »Emma« hell brannten. Es ist dies um so glaubhafter, weil es in seinem allereigensten Interesse liegen musste, die eigenen Lichter brennen zu wissen; denn nur in diesem Falle konnte er hoffen, alle Gefahr zu vermeiden. Von den mit ihm auf Wache befindlichen Matrosen stand einer, der Matrose Pai-lu, hinten am Steuerruder; dieser war mithin nicht in der Lage, die vor ihm brennenden Lichter zu sehen. Die anderen drei, der Zimmermann Hsu-chiang, der den Ausguck hatte, sowie die Matrosen Fuh-wah und Li-hsin-lai stimmen in ihren Angaben mit denen des Bootsmannes überein; sie behaupten, dass beide Lichter, während sie die Wache hatten, von 12 Uhr an, hell gebrannt haben. Der Steuermann der »Emma« und die übrigen an Bord befindlichen Matrosen geben an, dass um 12 Uhr Nachts, als sie die Wache abgaben, beide Lichter hell und vorschriftsmässig gebrannt haben. Der Kapitän der »Emma«, der als er in der Kajüte den Bootsmann das Kommando »Ruder hart Backbord« geben hörte, sofort aufs Deck geeilt war, scheint unmittelbar vor der Kollision auf die Lichter seines Schiffes allerdings nicht Acht gegeben zu haben; wie indess er selbst, der Steuermann und der Bootsmann übereinstimmend bezeugen, führte er den Steuermann unmittelbar nach der Kollision an eine Stelle, wo er die Lichter sehen konnte, und alle drei überzeugten sich, dass sie hell brannten.

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Von den Aussagen der englischen Mannschaft ist unzweifelhaft die des Ausguckmannes die wichtigste. Dieser, James Hopper, halbbefahrener Matrose, sagt aus: Ich sah ein rothes Licht (auf der »Emma«) ungefähr eine Minute vor dem Zusammenstosse. Als ich zuerst das rothe Licht auf dem anderen Schiffe sah, schien es plötzlich von einem schwachen Lichte zu einer Flamme zu wachsen. Hierdurch wird jedenfalls die Angabe der Mannschaft des deutschen Schiffes, es hätten die Lichter vor der Kollision gebrannt, bestätigt. Die damit in Widerspruch stehende Angabe des ersten Steuermanns, er habe vor dem Zusammenstoss keine Lichter gesehen, kann hingegen nichts beweisen, denn da der erste Steuermann auch nach der Kollision keine Lichter gesehen haben will, obgleich solches von fast sämmtlichen übrigen Leuten an Bord der »The Goolwa«, die über diesen Punkt vernommen sind, auf s Bestimmteste bezeugt wird, so müssen seine bezüglichen Angaben entweder inkorrekt sein, oder er hat es an der Sorgfalt mangeln lassen, die nothwendig war, um sich von dem Zustande der Lichter auf der »Emma« zu überzeugen. Der Ausguckmann, welcher ferner aussagt, er habe vorher das rothe Licht der »Emma« nicht gesehen, mag darin völlig Recht haben. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass es nicht vorhanden war. Man ist vielmehr, da der Ausguckmann beim Ausguck nachgewiesenermaassen unachtsam gewesen ist, eher anzunehmen berechtigt, dass er das Licht übersehen hat. Durch sein eigenes Geständniss und die damit übereinstimmenden Aussagen des ersten Steuermanns und des Matrosen William Hill ist es nämlich klar gestellt, dass die »Emma« von dem Steuermann eher gesehen wurde, als von dem Ausguckmann. Der Steuermann stand hinten auf dem Halbdeck, der Ausguckmann vorn auf der Back, also weit näher an dem zu erspähenden Gegenstande; trotzdem musste der Steuermann den Ausguckmann, der bis dahin noch gar nichts gesehen hatte, erst darauf aufmerksam machen, dass ein Schiff vor dem Bug sei. Der Ausguckmann war eigens dazu hingestellt, auf herankommende Schiffe ein wachsames Auge zu haben, und weil man schon mehreren Dschonken begegnet war, noch besonders ermahnt worden, recht sorgfältig zu sein; er sah die »Emma« gleichwohl nicht, während der Steuermann sie zufällig erblickte. Er hätte sie schon früher sehen können, da er kurz vorher zwei Dschonken, weit kleinere Fahrzeuge, so rechtzeitig gesehen und gemeldet hatte, dass man von ihnen klar kommen konnte. Dass er sie dennoch

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nicht sah, beweist nur seine grosse Unachtsamkeit und lässt es erklärlich erscheinen, dass er auch das Licht, das er früher hätte sehen können, als er's sah, eben nicht sah. Liegt hiernach vor, dass die Aussagen der Mannschaften des deutschen Schiffes, die Lichter hätten die ganze Nacht vorschriftsmässig gebrannt, nicht durch die Angaben der englischen Mannschaft haben widerlegt werden können und wird dabei erwogen, dass es im allereigensten Interesse der Schiffsmannschaft der »Emma« liegen musste, ihre Lichter jedenfalls dann im vorschriftsmässigen Stande zu wissen, als man das grüne Licht des fremden Schiffes gewahrte, dass ferner nicht anzunehmen ist, die Lichter würden erst kurz vor der Kollision oder gar während derselben angezündet sein, da hierfür weder bestimmte Thatsachen noch irgend welche Anhaltspunkte vorliegen, so musste das Seeamt zu der Ueberzeugung gelangen, dass die Lichter an Bord der »Emma« mindestens schon zu der Zeit gebrannt haben, wo man von ihr aus das grüne Licht des fremden Schiffes gewahrte. Die Laternenkasten der »Emma« befanden sich ungefähr zwei Fuss vor den Besahnswanten in eisernen Davids; der untere Theil der Kasten war etwa in gleicher Höhe mit dem Kajütendeck. Die Lichter hingen mindestens drei Fuss auswärts von der Bordwand. Oberhalb des Lichtes an der Backbordseite war allerdings ein Boot angebracht, welches ebenfalls in eisernen Davids hing und vorn ein wenig über das Licht hervorragte. So wird übereinstimmend von dem Schiffsbesichtiger Andersen in Amoy, dem Kapitän Grau und dem Bootsmann Christensen die Position der Lichter auf der »Emma« beschrieben; ersterer, der das Schiff noch am 19. Juli 1878, also 14 Tage vorher untersuchte, bemerkt zugleich, dass ihm verschiedene Schiffe bekannt seien, welche die Lichter in ähnlicher Weise führten. Der so beschriebenen Stellung der Lichter ist auch von der englischen Mannschaft, die darüber vernommen worden, nicht widersprochen worden. Der zweite Steuermann der »The Goolwa«, Thomas Newton, die Matrosen John Allin und Jerry B. Hutschings behaupten aber, dass das rothe Licht der »Emma« bei dem Zusammenstosse durch das darüber hängende Boot verdeckt worden sei.. Ersterer bemerkt sogar, dass er von der Back aus das rothe Licht nur sehen konnte, .wenn er über das darüber hängende Boot hinweg sah. Es kann nach dem Erachten des Seeamts dahin gestellt bleiben, ob, wie der Bootsmann der »Emma« behauptete, das Boot über dem rothen Lichte nach Innen gekantet war oder nicht. Auch dann, wenn es nach

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Aussen gekantet gewesen wäre, hätte es nicht verhindern können, dass das Licht in gehöriger Entfernung gesehen wurde, denn es versteht sich von selbst, dass das Licht immer von dem oberhalb liegenden Boote klar bleiben musste. Haben die genannten Personen von der Mannschaft des britischen Schilfes das rothe Licht zunächst nicht sehen können, so ist dies entweder auf die an Bord herrschende Verwirrung oder auf eine momentan ungünstige Stellung zurückzuführen. So mag es sich auch erklären, dass der Kapitän des britischen Schilfes anfangs und der erste Steuermann überall keine Lichter gesehen haben wollen. Während das britische Seegericht auf diesen Punkt kein Gewicht gelegt hat, hat es dagegen die Ansicht ausgesprochen, dass das rothe Licht der »Emma« durch deren Grosssegel möglicherweise verdeckt gewesen sei. Auch diese Möglichkeit kann von dem Seeamte nicht anerkannt werden, weil ein Licht, das mindestens drei Fuss von der Bordwand entfernt ist, nicht von dem Grosssegel verdeckt werden konnte, zumal dann nicht, wenn wie im vorliegenden Falle geschehen, das Schiff dicht am Winde gehalten wird, so dass die Segel in möglichst grader Linie mit der Länge des Schiffes stehen. Die Stellung der Lichter auf der »Emma« war eine solche, wie man sie auf vielen andern Schiffen antrifft und unter gewöhnlichen Umständen dem Zwecke völlig entsprechend. Brannten die Lichter an Bord der »Emma« mindestens zu der Zeit, wo man das grüne Licht des fremden Schiffes zuerst gewahrte, also zu einer Zeit, wo man noch ungefähr IV2 Seemeilen von einander entfernt war und waren die Lichter so angebracht, dass sie von dem andern Schiffe gesehen werden konnten, so ist ohne Weiteres der Schluss gerechtfertigt, dass das rothe Licht von dem Ausguckmann auf der britischen Bark ebenso früh hätte gesehen werden müssen, wie das grüne Licht der »The Goolwa« auf der »Emma«, wenn der Ausguckmann auf der Ersteren im vollen Umfange seine Schuldigkeit gethan hätte. Hieraus folgt dann weiter, dass wenn das rothe Licht der »Emma« rechtzeitig gesehen und gemeldet worden wäre, die »The Goolwa« Zeit genug gehabt hätte, nach Norden hin auszuweichen. Kann aus vorstehenden Gründen dem Kapitän und der Mannschaft des deutschen Schiffes in keiner Richtung ein Verschulden zur Last gelegt werden, so bleibt als einzige Erklärung für den Unfall nur die Unachtsamkeit des englischen Ausguckmanns übrig. Diese Erklärung muss um so unbedenklicher erscheinen, weil nicht

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Schooner Bertha.

nur die eigenen Kameraden ihn der Unachtsamkeit beschuldigen, sondern auch das britische Seegericht, wie bereits erwähnt, gradezu ausgesprochen hat, dass bei gehörig angewandter Sorgfalt desselben der Unfall vermieden sein würde. Das Verhalten des Kapitäns Grau bei und nach dem Unfall giebt zu Ausstellungen keine Veranlassung. Daran, das Schiff durch Pumpen über Wasser zu halten, war bei dem raschen Steigen des Wassers im Raum und Angesichts der Zerstörung der Schanzkleidüng und der Berghölzer überall nicht zu denken. Nach dem glaubwürdigen Zeugnisse des Schiffsrheders hat der Kapitän immer zu seiner vollkommensten Zufriedenheit das Schiff geführt und sich als einer seiner besten Kapitäne bewährt. Es darf daher angenommen werden, dass er auch im vorliegenden Falle das der Situation Entsprechende angeordnet und wahrgenommen hat.

57. Spruch des Seeamts zu Königsberg vom 14. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Bertha" von Barth. Schiff durch Sturm beschädigt und mit übergeschossener Getreideladung an der Pillauer Südermole auf den Strand gesetzt.

In der Seeunfallssache, betreffend den am Morgen des 5. November 1878 an der Südermole bei Pillau auf Strand gerathenen Schooner »Bertha«, Kapitän Borgwardt aus Barth, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass weder Mängeln in der Beladung und Bemannung des Schiffes oder der Hülfseinrichtungen der Seeschifffahrt (der Seezeichen) noch Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns, sondern lediglich den elementaren Ereignissen der Seeunfall der »Bertha« zuzuschreiben ist. Der vor drei Jahren in Barth aus Eichenholz mit eiserner Verbolzung erbaute, von seinem Eigenthümer, Käpitän Borgwardt, geführte Gaffel schooner »Bertha« von 139,6 Kubikmetern Tragfähigkeit, 16 Fuss Breite und 7% Fuss Tiefgang bei voller Ladung, hatte in Königsberg vom 26. Oktober 1878 ab am Kaibahnhof eine Ladung Roggen, an Ordre nach Glückstadt bestimmt, eingenommen. Die Stauung war theils durch Speicherarbeiter, theils durch die Schiffs-

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Schooner Bertha.

nur die eigenen Kameraden ihn der Unachtsamkeit beschuldigen, sondern auch das britische Seegericht, wie bereits erwähnt, gradezu ausgesprochen hat, dass bei gehörig angewandter Sorgfalt desselben der Unfall vermieden sein würde. Das Verhalten des Kapitäns Grau bei und nach dem Unfall giebt zu Ausstellungen keine Veranlassung. Daran, das Schiff durch Pumpen über Wasser zu halten, war bei dem raschen Steigen des Wassers im Raum und Angesichts der Zerstörung der Schanzkleidüng und der Berghölzer überall nicht zu denken. Nach dem glaubwürdigen Zeugnisse des Schiffsrheders hat der Kapitän immer zu seiner vollkommensten Zufriedenheit das Schiff geführt und sich als einer seiner besten Kapitäne bewährt. Es darf daher angenommen werden, dass er auch im vorliegenden Falle das der Situation Entsprechende angeordnet und wahrgenommen hat.

57. Spruch des Seeamts zu Königsberg vom 14. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Bertha" von Barth. Schiff durch Sturm beschädigt und mit übergeschossener Getreideladung an der Pillauer Südermole auf den Strand gesetzt.

In der Seeunfallssache, betreffend den am Morgen des 5. November 1878 an der Südermole bei Pillau auf Strand gerathenen Schooner »Bertha«, Kapitän Borgwardt aus Barth, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass weder Mängeln in der Beladung und Bemannung des Schiffes oder der Hülfseinrichtungen der Seeschifffahrt (der Seezeichen) noch Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns, sondern lediglich den elementaren Ereignissen der Seeunfall der »Bertha« zuzuschreiben ist. Der vor drei Jahren in Barth aus Eichenholz mit eiserner Verbolzung erbaute, von seinem Eigenthümer, Käpitän Borgwardt, geführte Gaffel schooner »Bertha« von 139,6 Kubikmetern Tragfähigkeit, 16 Fuss Breite und 7% Fuss Tiefgang bei voller Ladung, hatte in Königsberg vom 26. Oktober 1878 ab am Kaibahnhof eine Ladung Roggen, an Ordre nach Glückstadt bestimmt, eingenommen. Die Stauung war theils durch Speicherarbeiter, theils durch die Schiffs-

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mannschaft bewirkt worden, welche ausser dem Kapitän aus dem Steuermann und einem Schiffsjungen bestand; Geweling-Schotten wurden bei der Stauung nicht angewendet, wohl aber war der Boden des Schiffes mit Holz und Matten gehörig garnirt, und das Schiff mit 1736 Zentnern voll beladen. Am 80. Oktober segelte Kapitän Borgwardt nach Pillau, langte daselbst am Nachmittage desselben Tages an, und legte sich daselbst auf Strom. Ungünstige Windrichtung und stürmische Witterung hinderten die Weiterfahrt, und zwangen den Kapitän sogar am 2. November innerhalb des Hafens von Pillau besseren Schutz zu suchen. Erst am 4. November Morgens segelte Kapitän Borgwardt ohne Lootsen, und ohne dass mit der Ladung und den über die Luken gelegten Plomben eine Veränderung vorgenommen war, bei flauer ONO-Briese und eingehendem Strom nach See. Um 11 Uhr Vormittags wurde die Aussentonne passirt, und um sieben Uhr Abends befand sich das Schiff nach der Annahme des Kapitäns zwei deutsche Meilen von Pillau, wobei derselbe das Pillauer Leuchtfeuer in OSO peilte. Bis acht Uhr Abends blieb das Wetter flau. Der Wind war allmählig mehr nördlich geworden und nahm gegen acht Uhr Abends plötzlich aus NNW zu, wurde in der Nacht vom 4. zum 5. November zu hartem Sturm aus NW mit noch heftigeren Böen aus NNW, bei dicker Luft mit Regen. Der Kapitän machte deshalb schon um acht Uhr Abends den Klüver fest, und brachte zwei Reffe in das Grosssegel. Bei der zunehmenden Stärke des Windes lag aber das Schiff dennoch zum Kentern über, das Deck des Schiffes war fortwährend unter Wasser, es mussten deshalb Grosssegel, Schoonersegel und Stagfock nach einander dicht gerefft werden, wobei — wegen der fortwährend über Deck schlagenden Sturzseen — die Falle des Schoonersegels und der Stagfock über Wasser gekappt werden mussten. Hierbei war auch das Liek des Schoonersegels gebrochen und in Folge dessen dasselbe theilweise eingerissen, was seine Wiederbeisetzung bedeutend erschwerte und wohl etwa zwei Stunden verzögerte. Die Ladung des Schiffes war inzwischen übergegangen; Kapitän Borgwardt halste deshalb gegen 10 Uhr über Steuerbord, in der doppelten Absicht, die Ladung dadurch in Gleichgewicht zu bringen und womöglich den Pillauer Hafen wieder zu erreichen. Obwohl er durch das Halsen selbstverständlich erheblich von dem nordwestlichen Kurse eingebüsst hatte, sah er nach dem Halsen das Leuchtfeuer noch in OzS. Die vorgedachten Hantirungen mit den Segeln, das Halsen bei dem Toben des Wetters und der 12

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See erforderten die äussersten Anstrengungen des Kapitäns und des Steuermanns, wobei dem Schiffsjungen John das Steuer zum Halten in bestimmt angegebener Lage hatte übergeben werden müssen. Der Kapitän kontrolirte den John hierbei, indem er — so oft es seine Beschäftigung mit den Segeln zuliess —• an das Steuer herantrat und die Stellung desselben regulirte, zeitweise auch selber das Steuer wieder ergriff. Bis etwa gegen Mitternacht befand sich das Steuer in dieser Weise in der Hand des p. John, dann, nachdem es endlich gelungen war, die theilweise gerissenen Segel — Grosssegel gezwicht, Schoonersegel und Stagfock dicht gerefft — gehörig aufzuheissen, übernahm der Kapitän wiederum das Steuer, und der Schiffsjunge verliess das Deck, auf dem es wegen der Sturzseen kaum mehr möglich war sich zu halten. Der Kapitän hatte, um sich möglichst lange vom Lande fern zu halten, nach dem Halsen beigedreht, und das Schiff an den Wind gelegt. Das Leuchtfeuer blieb fortdauernd in Sicht, gegen Morgen wurde die Brandung bemerkbar und der Kapitän hielt nunmehr gerade zu auf den Strand. Am 5. November um 4 Uhr Morgens war das Schiff etwa 300 Fuss von dem Winkel bei der Südermole auf der frischen Nehrung auf den Strand gesetzt, es lag nur etwa 30 bis 60 Schritte vom Lande ab. Gegen 6 Uhr Morgens war das Schiff von der Lootsenwache in Pillau bemerkt. Die Lootsengig ruderte quer über das Pillauer Tief nach dem Bootshafen der frischen Nehrung. Um zur Südermole zu gelangen, war bei dem heftigen Sturm, der jetzt aus WNW wehte und dem stark eingehenden Strom nicht möglich. Die Lootsen brachten deshalb ein Boot aus dem Bootshafen über Land an die Strandungsstelle. Vom Schiffe aus war inzwischen eine Leine mittels Korkschwimmer an Land getrieben und von, an dem Packwerk der Hafenbauverwaltung befindlichen, Arbeitern ergriffen. An diese Leine wurde ein Schiffstau befestigt und längs demselben das Boot an die Schiffsseite und die auf das Aeusserste erschöpfte Mannschaft an Land gebracht. Erst am 11. November hatte sich die See soweit abgestillt, dass das Schiff mittelst zweier Dampfer in den Hafen geschleppt werden konnte. Dasselbe ist in der Verbolzung und den Nähten undicht geworden, im Uebrigen hat nur die Schanzkleidung unerheblichen Schaden gelitten. Der Direktor der betheiligten Versicherungs-Gesellschaft, Kapitän Sodemann, der schon am 6. November in Pillau eintraf, schätzt den durch Abbringung und Reparatur des Schiffes der Versicherungs-Gesellschaft des Franzburger Kreises, bei

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der die »Bertha« mit 10600 it. versichert ist, entstandenen Schaden auf 2500 it. Die Ladung war schon vor der Abbringung des Schiffes bis auf 5 bis 7 Last gelöscht worden. Ein Theil derselben hat durch das in das Schiff eingedrungene Wasser gelitten (als die Mannschaft das Schiff verliess, waren 12 Zoll Wasser bei den Pumpen) und wird im Wege der Auktion in Pillau verkauft, der Ueberrest ist vorläufig in einem Kahn untergebracht. Bei dieser Sachlage hat der Spruch des Seeamts, wie geschehen, abgegeben werden müssen. Dass Mängel in der Beladung des Schiffs den Unfall verursacht haben, hat nicht angenommen werden können. Die Anwendung von Geweling-Schotten (Schotten parallel mit den Schiffswänden, welche aus etwa 4 Fuss tief von der oberen Kante des Laderaums an senkrechte Streben aufgenagelten Brettern bestehen und die Ladung verhindern sollen, nach der Seite zu drängen) ist bei Schiffen von der geringen Breite der »Bertha« nicht üblich, nach der Angabe des Direktors der Franzburger Versicherungs - Gesellschaft, Kapitän Sodemann aus Barth, wo eine grosse Zahl von gleichartigen Küstenfahrern ihren Heimathshafen hat, macht diese Gesellschaft die Anwendung der Stauung mittels Geweling-Schotten bei Getreideladungen nicht allein nicht zur Bedingung, sondern man ist in nautischen Vereinen sogar vielfach der Meinung, dass die durch die Ladung gezogenen Schotten bei kleinen Schiffen die Hantirung beim Einstauen erschweren, das gehörige Einschieben und Einstampfen der Ladung in die Winkel des Schiffskörpers verhindern und deshalb das Sacken, und darnach das Uebergehen der Ladung befördern. Auch das Seeamt hat deshalb in dem Fehlen von Geweling-Schotten einen Mangel in der Beladung nicht erblicken können. Dafür, dass das Einschaufeln und Einstampfen der Ladung mangelhaft besorgt worden, liegt kein Anhalt vor. Der Kapitän Borgwardt ist bei Einnahme der Ladung selbst thätig gewesen. Auch dies ist bei Getreideladungen, namentlich kleinerer Seeschiffe, allgemein üblich und dem Kapitän Sodemann darin gleichfalls beizutreten, dass sich von dem Kapitän und der Mannschaft, deren Leben und Vermögen wesentlich von der richtigen Ladung ihres Schiffes abhängt, zumal, wo dem Schiffer das Fahrzeug ausschliesslich gehört und nicht der mindeste Verdacht einer absichtlichen Gefährdung desselben vorliegt, eine sorgsamere Beladung erwarten lässt, als von gemietheten Stauern. Allerdings

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Schooner Bertha.

hat nach der eigenen Angabe des Kapitäns Borgwardt, bei Oeffnen der Luken nach erfolgter Strandung, die Ladung von der oberen Kante des Laderaums einen Spielraum von vier Zoll gezeigt. Allein dieser Umstand, und dass die Ladung thatsächlich sich nach der Leeseite übergeworfen, erklärt sich nach der Annahme des Seeamts völlig genügend aus dem natürlichen Zusammenfallen (Sacken) der Ladung, welches durch die starke Bewegung des Schiffes, während dasselbe bei stürmischem Wetter zwei Tage lang in Pillau vor Anker auf Strom lag, wesentlich befördert sein musste. Ebensowenig kann die Bemannung des Schiffes eine mangelhafte genannt werden. Wünschenswerth wäre es allerdings, wenn nach der Grösse oder Tragfähigkeit des Schiffes die Bemannung gesetzlich festgestellt, und nicht der Willkür der Rheder oder Schiffsführer überlassen wäre. Allein, sollte dies geschehen, so würde für Küstenfahrzeuge von der Grösse und Betakelung der »Bertha« schwerlich eine grössere Bemannungsziffer als Schiffer, Steuermann und ein Junge normirt werden können. Selbst als die Frachten in den hiesigen Gewässern noch besser waren, ist eine grössere Bemannung nie üblich gewesen. Jetzt würde sie jeden Frachtverdienst verzehren. Die »Bertha« ist — insofern neben dem Kapitän noch ein gleichfalls vielbefahrener Steuermann auf derselben sich befand — sogar gut — und mindestens besser bemannt gewesen, als — unbeanstandet von der Gesetzgebung auch anderer Länder und der dabei zumeist interessirten Assekuranz-Kompagnien — viele Fahrzeuge ähnlicher Art die Ostsee befahren. Dass Kapitän Borgwardt ohne Lootsen den Pillauer Hafen verliess, war — bei dem Tiefgang seines Schiffes — nach dem Gesetz vom 9. Mai 1853 (Ges.-Samml., S. 216) und der AmtsblattVerfügung der hiesigen Regierung vom 16. Juni 1864 zulässig und kann, da er seit vielen Jahren in den Ostseehäfen verkehrte, nicht als Fehler seinerseits bezeichnet werden. Das Mitnehmen eines Lootsen würde auch nach Lage der Verhältnisse kaum Etwas geholfen haben. Aber auch im Uebrigen hat das Seeamt das Verhalten des Schiffers und Steuermanns ohne Tadel befunden, und kann dem Kapitän im Gegentheil das Zeugniss eines einsichtigen und entschlossenen Seemannes nicht versagen. Es war ein Gebot der Nothwendigkeit, dass Kapitän Borgwardt, als der Sturm aus NW sich erhob und das Schiff sich stark überzulegen begann, die Segelkraft verminderte, wenn er das Schiff nicht der Gefahr des Kenterns

Schraubendampfschiff Neckar und Fischerkutter Aanmoediging.

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aussetzen wollte. Ebenso richtig war es aber, dass er mit so geringer Segelkraft seinen Kurs nach West nicht fortsetzte, weil er bei der geringen Fahrt, die sein Schiff auf diese Art nur machen konnte, und bei dem durch Wind und Strömung von Nord her nothwendig starken Abtreiben unzweifelhaft auf die Nehrung getrieben wäre, bevor er die Bucht von Danzig und Heia hätte erreichen können. Richtig war es ferner, dass er nach dem Halsen — statt etwa bei Nacht und Sturm auf den Hafen zu halten — beidrehte und das Schiff an den Wind legte, um dem Lande, dem er wohl ferner zu sein glaubte, als er wirklich war, so lange wie möglich fern zu bleiben und dann wenn möglich bei anbrechendem Morgen und vielleicht stillerem Wetter den Hafen zu gewinnen. Wenn er endlich die Brandung bemerkte und nunmehr, da er mit den Segeln, die das Schiff bei der übergeworfenen Ladung nur tragen konnte, den Hafen nicht erreichen konnte, sondern bei weiteren Versuchen sich nur der Gefahr aussetzte, an einer der Molen zu zerschellen, geradezu auf den flachen Strand steuerte, so war auch dies eine entschlossene und durch die Umstände gebotene Handlung. Derselben ist die Rettung des Schiffes und der Mannschaft unter den obwaltenden Umständen wesentlich zu danken.

58. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 20. November 1878, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Schraubendampfschiffes „Neckar" von Bremen und des belgischen Fischerkutters „Aanmoediging" von Ostende. Durch den Zusammenstoss wurde das Segelschiff schwer beschädigt und sank.

Das Seeamt Bremerhaven hat in Sachen, betreffend die Kollision des Lloyd-Dampfers »Neckar«, Kapitän Willigerod, mit dem belgischen Fischerkutter »Aanmoediging« sowie den Verlust des Letzteren, nach Prüfung der stattgefundenen Verhandlungen und nach Anhörung des Reichskommissars den nachstehenden Spruch abgegeben. Der Lloyd-Dampfer »Neckar« geführt durch Kapitän Willigerod aus Bremen, verliess am 21. Juli 1878 Bremerhaven zu einer Reise via Southampton nach New-York. Am 22. Juli Nachmittags, kurz

Schraubendampfschiff Neckar und Fischerkutter Aanmoediging.

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aussetzen wollte. Ebenso richtig war es aber, dass er mit so geringer Segelkraft seinen Kurs nach West nicht fortsetzte, weil er bei der geringen Fahrt, die sein Schiff auf diese Art nur machen konnte, und bei dem durch Wind und Strömung von Nord her nothwendig starken Abtreiben unzweifelhaft auf die Nehrung getrieben wäre, bevor er die Bucht von Danzig und Heia hätte erreichen können. Richtig war es ferner, dass er nach dem Halsen — statt etwa bei Nacht und Sturm auf den Hafen zu halten — beidrehte und das Schiff an den Wind legte, um dem Lande, dem er wohl ferner zu sein glaubte, als er wirklich war, so lange wie möglich fern zu bleiben und dann wenn möglich bei anbrechendem Morgen und vielleicht stillerem Wetter den Hafen zu gewinnen. Wenn er endlich die Brandung bemerkte und nunmehr, da er mit den Segeln, die das Schiff bei der übergeworfenen Ladung nur tragen konnte, den Hafen nicht erreichen konnte, sondern bei weiteren Versuchen sich nur der Gefahr aussetzte, an einer der Molen zu zerschellen, geradezu auf den flachen Strand steuerte, so war auch dies eine entschlossene und durch die Umstände gebotene Handlung. Derselben ist die Rettung des Schiffes und der Mannschaft unter den obwaltenden Umständen wesentlich zu danken.

58. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 20. November 1878, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Schraubendampfschiffes „Neckar" von Bremen und des belgischen Fischerkutters „Aanmoediging" von Ostende. Durch den Zusammenstoss wurde das Segelschiff schwer beschädigt und sank.

Das Seeamt Bremerhaven hat in Sachen, betreffend die Kollision des Lloyd-Dampfers »Neckar«, Kapitän Willigerod, mit dem belgischen Fischerkutter »Aanmoediging« sowie den Verlust des Letzteren, nach Prüfung der stattgefundenen Verhandlungen und nach Anhörung des Reichskommissars den nachstehenden Spruch abgegeben. Der Lloyd-Dampfer »Neckar« geführt durch Kapitän Willigerod aus Bremen, verliess am 21. Juli 1878 Bremerhaven zu einer Reise via Southampton nach New-York. Am 22. Juli Nachmittags, kurz

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Schraubendampfschiff Neckar und Fischerkutter Aanmoediging.

vor der hier fraglichen Kollision, befand sich derselbe in der Nordsee auf einem südwestlichen Kurse bei östlicher Windrichtung und leicht bewegter See. Es herrschte starker Nebel, zuweilen jedoch etwas aufhellend. Das Schiff fuhr langsam mit einem Fortgange von etwa sechs Meilen in der Stunde. Der Kapitän, der erste Offizier und zwei Lootsen waren auf der Kommandobrücke, vier Mann am Steuer, zwei Mann am Ausguck und ein Mann an der Dampfpfeife. Mit letzterer wurden in Zwischenräumen von weniger als einer Minute Nebelsignale gegeben. Der belgische Fischerkutter »Aanmoediging« lag zur Zeit als der Dampfer» Neckar« sich ihm näherte vor dem Austernetz nach NNW an. Nebelsignale, welche nach der von der Mannschaft desselben abgelegten Verklarung gegeben worden sind, wurden auf dem Dampfer »Neckar« nicht gehört. Von den auf dem Dampfer »Neckar« am Ausguck stehenden Leuten wurde das Fischerfahrzeug in V2 bis 3U Schiffslängen Entfernung etwa grade voraus bemerkt. Dieselben riefen sofort »Schiff voraus« und wurde hierauf ungesäumt vom Kapitän das Kommando »hart Steuerbordruder« und »volle Kraft rückwärts« gegeben. Zu bemerken ist hierbei, dass ein Zeuge angegeben hat, es sei das Kommando »Backbord das Ruder« gegeben, jedoch muss auf Grund der übereinstimmenden Aussagen der übrigen vernommenen Personen, wonach »hartSteuerbordruder« kommandirt ist, angenommen werden, dass jener Zeuge sich geirrt hat. — Die gedachten beiden Kommandos wurden prompt ausgeführt. Kurz nachher erfolgte die Kollision, indem der Vorsteven des »Neckar« hinter die Wanten der Fischerkutters an Steuerbordseite stiess, worauf letzteres Schiff sich an die Backbordseite des Dampfers legte und anfing, sich mit Wasser zu füllen. Die Mannschaft desselben wurde an Bord des »Neckar« gerettet. Der erste Offizier des »Neckar« untersuchte dann noch den Zustand des Fischerfahrzeuges, fand aber, dass dasselbe sich rasch mit Wasser fülle und nicht zu retten sei. Kurze Zeit darauf versank dasselbe auch bereits. Das Seeamt hält auf Grund der obigen als festgestellt anzunehmenden Thatsachen den Sachverhalt für genügend aufgeklärt und hält weitere Vernehmungen, insbesondere die Vernehmung des Kapitän Willigerod darüber, ob er gleich nach dem Unfall der Besatzung des Fischerkutters gegenüber erklärt hat, dass aller Schaden ersetzt werden solle, nicht mehr für erforderlich. Denn hätte Kapitän Willegerod auch eine derartige Erklärung abgegeben, so würde das

Schooner K e n n a und Dampfschiff Monica.

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Seeamt, welches bei Feststellung der Ursache der Kollision sich lediglich auf die der letzteren voraufgegangenen Thatsachen zu stützen hat, hieraus einen Schluss für ein Verschulden desselben doch nicht ziehen können. Das Seeamt hat auf Grund des mitgetheilten Sachverhaltes die Ueberzeugung gewonnen, dass auf dem Dampfer »Neckar« alle in Folge des nebligen Wetters gebotenen Vorsichtsmaassregeln getroffen waren um Kollisionen möglichst zu vermeiden. Insbesondere waren Ausguck und Ruder gut besetzt, die Dampfpfeife wurde gehörig gebraucht und die Fahrt den Umständen nach hinreichend gemindert. Ferner wurden, als das fremde Schiff in Sicht kam, sofort die der Sachlage nach richtigen Kommandos gegeben und ausgeführt. Was namentlich das Kommando »hart Steuerbordruder« anbetrifft, so war dasselbe um deswillen durchaus zutreffend, weil nur ein Versuch, hinter dem Schiffe herum zu gehen, noch Aussicht auf Erfolg versprechen konnte, wogegen der Versuch, vor dem Schiffe vorüber zu gehen, sich als ein falsches Manöver karakterisiren würde. Nach dem Zusammenstosse der Schiffe geschah Seitens des Dampfers Alles um die Mannschaft des sinkenden Schiffes zu retten, auch überzeugte man sich, dass eine Rettung des Fischerkutters nicht mehr möglich war. Das Seeamt ist hiernach der Ansicht, dass Offiziere und Mannschaft des Dampfers »Neckar« ihre Pflicht gethan haben, und keinem derselben ein Verschulden am fraglichen Seeunfalle beizumessen ist.

59. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 20. November 1878, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Schooners „Kenna" von Emden und des britischen Dampfschiffes „Monica". Durch den Zusammenstoss erhielt das Segelschiff einen Leck und musste auf den Strand gesetzt werden. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1 8 7 1 , Artikel 15 und 18.

Der Schooner »Kenna« von Emden (Unterscheidungs-Signal KDHM) ist, nachdem er mit einer nach Vardoe bestimmten Ladung am 24. September 1878, Vormittags 10 Vi Uhr, den Hamburger Hafen verlassen hatte, an demselben Tage Nachmittags zwischen

Schooner K e n n a und Dampfschiff Monica.

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Seeamt, welches bei Feststellung der Ursache der Kollision sich lediglich auf die der letzteren voraufgegangenen Thatsachen zu stützen hat, hieraus einen Schluss für ein Verschulden desselben doch nicht ziehen können. Das Seeamt hat auf Grund des mitgetheilten Sachverhaltes die Ueberzeugung gewonnen, dass auf dem Dampfer »Neckar« alle in Folge des nebligen Wetters gebotenen Vorsichtsmaassregeln getroffen waren um Kollisionen möglichst zu vermeiden. Insbesondere waren Ausguck und Ruder gut besetzt, die Dampfpfeife wurde gehörig gebraucht und die Fahrt den Umständen nach hinreichend gemindert. Ferner wurden, als das fremde Schiff in Sicht kam, sofort die der Sachlage nach richtigen Kommandos gegeben und ausgeführt. Was namentlich das Kommando »hart Steuerbordruder« anbetrifft, so war dasselbe um deswillen durchaus zutreffend, weil nur ein Versuch, hinter dem Schiffe herum zu gehen, noch Aussicht auf Erfolg versprechen konnte, wogegen der Versuch, vor dem Schiffe vorüber zu gehen, sich als ein falsches Manöver karakterisiren würde. Nach dem Zusammenstosse der Schiffe geschah Seitens des Dampfers Alles um die Mannschaft des sinkenden Schiffes zu retten, auch überzeugte man sich, dass eine Rettung des Fischerkutters nicht mehr möglich war. Das Seeamt ist hiernach der Ansicht, dass Offiziere und Mannschaft des Dampfers »Neckar« ihre Pflicht gethan haben, und keinem derselben ein Verschulden am fraglichen Seeunfalle beizumessen ist.

59. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 20. November 1878, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Schooners „Kenna" von Emden und des britischen Dampfschiffes „Monica". Durch den Zusammenstoss erhielt das Segelschiff einen Leck und musste auf den Strand gesetzt werden. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1 8 7 1 , Artikel 15 und 18.

Der Schooner »Kenna« von Emden (Unterscheidungs-Signal KDHM) ist, nachdem er mit einer nach Vardoe bestimmten Ladung am 24. September 1878, Vormittags 10 Vi Uhr, den Hamburger Hafen verlassen hatte, an demselben Tage Nachmittags zwischen

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1 und 2 Uhr etwas unterhalb Teufelsbrück mit dem britischen eisernen Dampfschiff »Monica« zusammengestossen und durch diesen Zusammenstoss erheblich beschädigt worden. In der in Hamburg am 30. September von der Besatzung der »Kenna« belegten Verklarung wird dieser Vorgang folgendermaassen geschildert: »Wir steuerten das Revier mit SO-Wind unter Kommando des ersten Deponenten, Schiffer Zeemann, abwärts, und um l'/a Uhr Nachmittags, als wir uns in der Nähe von Teufelsbrück befanden, sahen wir unter mehreren kleineren Fahrzeugen einen grossen Seedampfer im Tau eines Bugsirdampfers uns entgegenkommen. Wir hielten unser Schiff so nahe wie möglich an der Nordseite der Elbe, und als der besagte Dampfer ungefähr zwei Strich auf unsern Backbord-Bug '/a Meile von uns entfernt war, nahm derselbe eine starke Wendung nach der Südseite des Fahrwassers hin, so dass der Bugsirdampfer fast dwars an seine Backbordseite kam, und darnach, als der Seedampfer noch etwa zwei Kabellängen von uns entfernt war, machte derselbe eine starke Wendung nach der Nordseite des Reviers hinüber, gerade auf uns zu. Als der Seedampfer diese zuletzt erwähnte Wendung machte, war sein Bugsirdampfer einige Striche auf seinem Steuerbord-Bug, warf aber das Bugsirtau los. Als wir dies schlechte Manövriren des Seedampfers gewahr wurden und derselbe, der sich ein paar Striche auf unserer Backbordseite befand, immer mehr auf uns zukam, legten wir unser Ruder hart Backbord, um einer Kollision vorzubeugen, selbst auf die Gefahr hin mit unserm Schiffe auf Grund zu kommen, auch riefen wir dem Dampfer mehrere Male zu, seine Fahrt zu stoppen, aber dessen ungeachtet lief derselbe in unser Schiff an dessen Backbordseite bei den Grosswanten hinein. Wir bemerkten sehr bald, dass unser Schiff sinken werde, und da von dem Seedampfer aus der Bugsirdampfer herbeigerufen wurde, um uns an den Strand zu schleppen, gaben wir dem letzteren unser Schlepptau, worauf uns solcher von dem grossen Dampfer frei zog und uns an den Strand schleppte«. Das Schiff ist hierauf — nach den weiteren Angaben der Verklarung— voll Wasser gelaufen, sodann aber, nachdem durch einen von Hamburg herbeigeholten Taucher die beschädigte Stelle provisorisch dicht gemacht war, das Wasser mit einer Dampfpumpe ausgepumpt und am 26. September das Schiff behufs seiner Reparatur von einem Dampfer in den Hafen von Hamburg geschleppt worden.

Schooner Kenna und Dampfschiff Monica.

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Mit der obigen, aus der Verklarung der »Kenna« ausgezogenen, Schilderung des Unfalls stimmen die Aussagen überein, welche die zur Besatzung der »Kenna« gehörigen Personen bei ihrer Vernehmung vor dem Seeamt gemacht haben. Abweichend lautet dem gegenüber die von der anderen Seite gegebene Darstellung. In der von der »Monica« am 26. September in Hamburg belegten Verklarung wird berichtet, dass dieses Schiff — nachdem dasselbe mit einer Ladung Kohlen von Sunderland kommend, am 22. September auf der Elbe angelangt war und bei der Bosch einen Lootsen angenommen hatte — dreimal an den Grund gerieth, bei Glückstadt, bei Stade und bei Schulau und dass erst, nachdem am 23. 120 Tons Kohlen und am 24. 220 Tons in die von Hamburg requirirten Leichter gelöscht waren, es mit Hülfe eines, ebenfalls von Hamburg herbeigerufenen Dampfschleppers gelang, das Schiff von der zuletzt genannten Stelle abzubringen. Es heisst sodann weiter in dieser Verklarung: »Um l h 45m p. m. während wir unter Dampf aufwärts gingen, die Maschine ganz langsam (dead slow) arbeitend, mit einem Dampfer voraus, kam ein Schooner in Sicht, etwas über unserm Backbord-Bug, unter vollen Segeln das Revier abwärtssteuernd. Es zeigte sich, dass der Schooner etwas Steuerbordruder gab und kurze Zeit hernach das Ruder Backbord legte, indem er versuchte unsern Bug zu kreuzen. Unser Ruder wurde hart Backbord gelegt und unsere Maschine mit voller Kraft rückwärts gestellt, um eine Kollision zu vermeiden. Unser Dampfschlepper war genöthigt, die Bugsirtrosse zu schlippen; unsere Dampfpfeife und die Dampfpfeife des Bugsirdampfers waren rechtzeitig gebraucht worden, um den Schooner hinreichend gewarnt zu haben. Der Schooner stiess mit seinem Backbord-Quarter gegen unsern Vorsteven . . . .« Mit diesen Angaben stimmen wiederum die Aussagen, die von der Besatzung der »Monica« vor dem Seeamt gemacht worden sind. Diese Personen haben bestätigt, dass sie, als sie zuerst auf die »Kenna« aufmerksam wurden, dieselbe etwas über den Backbordbug der »Monica« wahrgenommen haben und dass die »Kenna« damals einen südlichen Kurs eingeschlagen gehabt habe, so dass sie schräge vor der »Monica« gelegen habe und ihr Grossbaum über ihrem Steuerbord sichtbar gewesen sei. Die »Kenna« sei hierauf — so geben diese Deponenten ferner an —• etwas über dem Steuerbord-Bug der »Monica« erschienen, sei aber sodann, sich nach Norden wendend, auf den die »Monica« schleppenden »Vorwärts« in nahezu gerader Linie zugekommen und habe schliesslich den Bug der »Monica«

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gekreuzt; der »Vorwärts« habe, die Bugsirtrosse loswerfend, sich noch durch eine rasche Wendung nach Süden retten können, die »Monica« habe aber, ungeachtet sie sofort, als die »Kenna« sich nach Norden wandte, Backbordruder gegeben und ihre Maschine habe rückwärts schlagen lassen, dem Zusammenstoss nicht vorbeugen können. In Uebereinstimmung mit diesen Angaben nehmen Kapitän Prince von der »Monika« und dessen Mannschaft an, dass die »Kenna« die Kollision und zwar dadurch verschuldet habe, dass sie, anstatt ihren südlichen Kurs beizubehalten — der sie mit ihrer Steuerbordseite der Steuerbordseite der beiden Dampfer vorbeigeführt haben würde — eine nördliche Richtung eingeschlagen habe. Das Backbordruder, welches Kapitän Zeemann erst, als sein Schiff bereits an der Seite des »Vorwärts« und vor dem Bug der »Monica« sich befand, gegeben haben will, um im letzten Augenblick noch thunlichst dem Zusammenstoss vorzubeugen, würde nach der Darstellung des Kapitän Prince und seiner Leute früher gegeben sein und den Zusammenstoss verschuldet haben. Würde nun diese seitens der »Monica« gegebene Darstellung als thatsächlich begründet anzusehen sein, so würde allerdings auch die Annahme gerechtfertigt erscheinen müssen, dass ein Versehen der »Kenna« den Zusammenstoss herbeigeführt habe. An und für sich hatten freilich der »Vorwärts« und die »Monica« der »Kenna« auszuweichen. Der Artikel 15 der Kaiserlichen Verordnung vom 23. Dezember 1871 dahin lautend: »Wenn ein Dampfschiff und ein Segelschiff in solchen Richtungen fahren, dass für sie Gefahr des Zusammenstossens entsteht, so muss das Dampfschiff dem Segelschiff aus dem Wege gehen«, wird nämlich auch auf solche Fälle zur Anwendung kommen müssen, in denen dem Segelschiff ein Dampfschiff und ein von diesem geschlepptes anderes Schiff gegenüber stehen, das letztere Schiff möge ein Segelschiff oder ein Dampfschiff sein und das geschleppte Dampfschiff möge Dampf aufhaben — wie es hier der Fall gewesen sein soll — oder nicht. Denn immer werden das schleppende und das geschleppte Schiff noch so viel Manövrirfähigkeit haben, wie das ihnen entgegenkommende Segelschiff und es wird daher umsoweniger in diesen Fällen eine Ausnahme von der, unbedingt lautenden, gesetzlichen Vorschrift gerechtfertigt erscheinen können (vergl. Romberg, das Strassenrecht auf See, S. 86), wenn auch selbstverständlich hierdurch nicht ausgeschlossen wird, dass im einzelnen Fall es einer Prüfung unterzogen werde, ob unter den gegebenen Umständen

Schooner Kenna und Dampfschiff Monica.

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die Bugsirtrosse, oder die Nähe, in der das bugsirende Schiff und das bugsirte sich befanden, ein rechtzeitiges Ausweichen verhinderte und ob beiden oder einem dieser Schiffe und welchem von ihnen ein nicht rechtzeitig erfolgtes Ausweichen zur Last zu legen ist. Hatten aber »Vorwärts« und »Monica« auszuweichen, so hatte andererseits die »Kenna« die Vorschrift des Artikel 18 der Verordnung zu beachten, nach welcher in allen Fällen, in denen nach den Vorschriften der Verordnung das eine von zwei Schiffen dem andern aus dem Wege zu gehen hat, dieses letztere seinen Kur» behalten muss, und dieser Vorschrift würde die »Kenna« nach der vom Kapitän Prince und seinen Leuten gegebenen Darstellung zuwidergehandelt haben. Dafür, dass die »Kenna« durch irgend welche Umstände verhindert worden sei, von der Stelle aus, aus welcher sie sich dieser Darstellung zufolge nach Norden, gewandt haben soll, ihren Kurs in südlicher Richtung fortzusetzen, liegt nichts vor. Es könnte somit lediglich noch in Frage kommen, ob nicht dieser Fehler der »Kenna« erst in Folge eines späteren Fehlers auf der anderen Seite die nachtheilige Folge gehabt habe. Es würde demnach darauf ankommen, ob die »Monica« nicht früher, als geschehen, Backbordruder hätte geben und ihre Maschine rückwärts gehen lassen können und ob es ein richtiges Manöver des »Vorwärts« war, dass derselbe die Bugsirtrosse abwarf, derselbe nicht vielmehr hätte versuchen müssen, die »Monica« hinter sich her, nach der Südseite hinüber zu ziehen. Von diesen letzteren Untersuchungen wird indessen hier abgesehen werden können, und zwar deshalb, weil die Darstellung des Kapitän Prince und seiner Mannschaft keineswegs als erwiesen gelten kann. Ob es als wahrscheinlich zu betrachten wäre, dass die »Kenna«, als sie sich schon in unmittelbarer Nähe der beiden Dampfer befand, eine Richtung eingeschlagen hat, welche sie vor den Bug beider Dampfer brachte, kann hier dahingestellt bleiben, zu beachten ist es jedenfalls, dass die Aussagen des Hinsch, der als Lootse das Kommando auf der »Monica« hatte und des Grohn, Führers des »Vorwärts«, in einer wesentlichen Beziehung von der obigen Darstellung der »Monica« abweichen. Nach ihnen ist die »Kenna« in der Richtung von Norden nach Süden fahrend, an die Backbordseite des »Vorwärts« gelangt und hat erst als sie neben dem »Vorwärts« und somit vor dem Steven der »Monica« sich befand, — also, wie Kapitän Zeemann behauptet, im letzten Augenblick vor dem Zusammenstoss — Backbordruder gegeben. Nicht

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darin, dass die »Kenna«, nachdem sie mit Steuerbordruder eine südliche Richtung eingeschlagen hatte, sich wieder mit Backbordruder nach Norden wandte, würde hiernach der Fehler der »Kenna« gefunden werden können, sondern nur darin, dass sie die erstere Richtung einschlug. Dafür aber, dass Kapitän Zeemann schon, als er sich nach Süden wandte, hätte befürchten müssen, hierdurch die Gefahr eines Zusammenstosses mit den anderen beiden Schiffen herbeizuführen und dass für die letzteren Schiffe damals nicht genug Zeit verblieb, um auszuweichen, hat die Beweisaufnahme keine ausreichende Anhaltspunkte ergeben. Die Entfernung, in der damals die Schiffe sich von einander befanden, hat sich nicht mit genügender Sicherheit konstatiren lassen. Um so bedenklicher muss es aber erscheinen, aus der Wendung der »Kenna« nach Süden ein Versehen derselben abzuleiten, als Kapitän Prince — wie ausgeführt—-nicht diese Wendung, sondern die spätere, nördliche, der »Kenna« zum Vorwurf macht. Daraus, dass Kapitän Zeemann einräumt, er habe einige Zeit vor der Kollision etwas Steuerbordruder gegeben, um einem Fischerever auszuweichen, lässt sich — zumal da Zeemann meint, dass dies etwa eine Viertelstunde vor der Kollision geschehen sein könne — nichts zu seinen Ungunsten ableiten und ein Gleiches gilt von der ferneren, höchst unbestimmten Aeusserung desselben, dass er möglicherweise auch noch später einmal, um der Richtung des Fahrwassers zu folgen, sein Ruder nach Steuerbord gelegt haben könne. Unbeachtet kann es nun auch nicht bleiben, dass die vom Kapitän Zeemann aufgestellte Behauptung, die »Monica« habe sich schlecht steuern lassen, es aufklären würde, weshalb dieses Schiff, auch wenn demselben genügende Zeit zum Ausweichen geblieben wäre, nicht ausgewichen ist, und dass Umstände, welche eine Vermuthung für die Wahrheit dieser Behauptung begründen können, vorliegen. In dieser Hinsicht wird neben der Thatsache, dass das Schiff dreimal an den Grund gerieth, der Umstand erheblich erscheinen müssen, dass dasselbe, nachdem es von der letzten Stelle abgeschleppt war, den Schlepper bei sich behielt, und wiewohl es mit der Kraft seiner eigenen Maschine sich fortbewegen konnte, sich schleppen liess. Es haben sodann einige von den Arbeitern, welche die Löschung in die Leichter beschafft hatten, und die auch noch bei der Kollision sich an Bord der »Monica« befanden, bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie aus den Manipulationen mit dem Steuerrad geschlossen hätten, dass das Schiff sich schlecht

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steuere, und diesem Zeugniss kann bei dem Zusammentreffen mit den sonstigen Indicien nicht schon deshalb, weil diese Arbeiter keine befahrene Seeleute sind, aller Werth abgesprochen werden. Erheblich scheint es ferner, dass die »Monica« zur Zeit der Kollision erst zwei Monate in der Fahrt war, und es somit nicht als auffällig betrachtet werden könnte, wenn einem Mangel, wie der hier in Rede stehende, noch nicht abgeholfen war. Wäre sodann dieser Mangel auch nur von geringer Erheblichkeit gewesen, so könnte er dadurch erhöht worden sein, dass — wie wenigstens einzelne der erwähnten Arbeiter ausgesagt haben — aus dem Hintertheil des Schiffes etwas mehr von der Ladung gelöscht worden ist, als aus dem Vordertheil. Endlich kann es denn doch nicht übersehen werden, dass in Uebereinstimmung mit dieser Annahme, wie mit der Darstellung, die Kapitän Zeemann von dem Vorfall giebt, der Steuermann des »Vorwärts«, Strusenberg, zuerst die, allerdings später etwas modifizirte Aeusserung machte, dass der Zusammenstoss dadurch herbeigeführt sei, dass der »Vorwärts« sich vergeblich bemüht habe, die »Monica« nach der Südseite hinüberzuziehen. Sprechen nun aber auch diese Erwägungen für die Annahme, dass die »Monica« sich schlecht habe steuern lassen und hierdurch der Zusammenstoss verursacht sei, so liegt doch nicht so viel für diese Annahme vor, dass dieselbe den Aussagen der Besatzung und des Lootsen der »Monica« entgegen als völlig erwiesen gelten könnte, und es fehlt somit auch eine Veranlassung, auf eine Beantwortung der Frage einzugehen, ob, wenn dieses die Ursache des Zusammenstosses sein sollte, insbesondere den Lootsen Hinsch eine Verantwortlichkeit treffen würde. Zu besprechen bleiben hiernach die beiden Thatsachen, dass an Bord der »Kenna« kein Lootse sich befunden hat und dass daselbst von der Back aus kein Ausguck gehalten wurde. Den ersteren Punkt anlangend, würde die Annahme, dass auf jedem s. g. Lootsenfahrwasser — und als solches ist zweifellos die Unterelbe zu betrachten — das Fahren ohne Lootsen als ein Mangel der jedem Schiffer obliegenden Sorgfalt zu betrachten sei, zu weit gehen, vielmehr wird in allen Fällen es als genügend erachtet werden müssen, dass überhaupt eine mit dem Fahrwasser genau bekannte Person sich an Bord befindet (Entscheidungen des R.O.H.-G., Bd. XI., Seite 331—333). Von dem Kapitän Zeemann, der seiner Angabe zufolge vielfach die Fahrt' auf der Unterelbe gemacht haben will, wird es nun zwar nicht als erwiesen, jedoch für sehr

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wohl möglich gehalten werden müssen, dass er eine genügende Kenntniss dieses Fahrwassers besitzt. Jedenfalls könnte von dem hier in Rede stehenden Unfall nicht angenommen werden, dass derselbe durch ungenügende Kenntniss des Fahrwassers herbeigeführt sei, und die Nichtannahme des Lootsen würde demnach ausser allem Kausalzusammenhang mit dem Unfall stehen. Von dieser letzteren Annahme ist auch hinsichtlich der zweiten, oben angegebenen Thatsache auszugehen. Das Seeamt hat sich durch die vorgenommene Besichtigung davon überzeugt, dass Kapitän Zeemann von der Stelle seines Schiifs, auf welcher er seiner und der Zeugen Angabe zufolge bei der Kollision gestanden hat — dem Dach der hinten auf dem Deck befindlichen Kajüte — eine genügende Aussicht, und zwar auch nach vom hatte, und dass diese Aussicht insbesondere auch nicht durch die Breitfock verdeckt gewesen sein kann. Vorsichtiger hätte aber allerdings Kapitän Zeemann gehandelt, wenn er in einer so belebten Fahrstrasse wie die Elbe an der hier in Betracht kommenden Stelle ist, e i n e n seiner Leute auf die Back zum Ausguck aufgestellt hätte; er hatte als Führer des Schiffs auch auf die Segel, das Steuerruder und dergleichen zu achten, so dass seine Aufmerksamkeit zeitweilig vom Ausguck abgezogen werden konnte. Auf Grund der obigen Erwägungen giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass für die Annahme, der Zusammenstoss, welcher zwischen der »Kenna« und »Monica« stattfand und die Beschädigung der ersteren zur Folge hatte, sei durch ein seitens der »Kenna« begangenes Versehen verschuldet, die Beweisaufnahme keinen genügenden Grund ergeben hat, dass aber auch andererseits — wenn auch Umstände vorliegen, welche die Vermuthung begründen können, dass mangelnde Steuerfähigkeit der »Monica« den Zusammenstoss herbeigeführt habe — weder diese Thatsache noch ein sonstiges seitens der »Monica« begangenes Versehen als hinreichend erwiesen gelten kann.

Kuff Nicola van Baarlen und Dampfschiff Svend.

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60. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 23. November 1878, betreffend den Zusammenstoss der niederländischen Kuff „Nicola van Baarlen" und des dänischen Dampfschiffes „Svend". Durch den Zusammenstoss wurde das Segelschiff erheblich beschädigt. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1 8 7 1 , Artikel 1 5 bis 18.

In Sachen wegen Untersuchung des Unfalles, von welchem am 4. September 1878 die niederländische Kliff »Nicola van Baarlen« auf dem Swine-Revier in Folge der Kollision mit dem dänischen Dampfer »Svend« betroffen worden, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der gedachte Unfall dadurch verursacht worden ist, dass die Maschine des Dampfers »Svend« nicht entsprechend den Kommandos des Lootsen gearbeitet hat. Am 4. September 1878 fuhr die niederländische Kuff »Nicola van Baarlen«, Kapitän Nyman, unter Führung des Lootsen Schroeder, von Swinemünde nach Stettin, während der dänische Dampfer »Svend«, Kapitän Aaris, unter Führung des Lootsen Timm, welchem der Lootse Hahn II. am Steuerruder assistirte, von Stettin nach Swinemünde ging. Der Wind war WNW und nicht stark, der Strom ausgehend, aber wenig zu merken. Auf der Swine bei dem sogenannten Quapphahn näherten sich die beiden Schiffe einander. Vor der Kuff in derselben Richtung mit ihr und in einer Entfernung von etwa 800 Schritten segelte ein britischer Schooner. Diesen passirte der »Svend« gut in der Weise, dass beide Schiffe, das rechte Fahrwasser haltend, an der Backbordseite aneinander vorbeifuhren. Schon vor der Annäherung des Schooners fuhr der »Svend« auf Anordnung des Lootsen Timm nur mit halber, später sogar nur noch mit V4 Kraft. Die Schraube des »Svend« schlägt links. Die Folge davon ist, dass schon bei gerader Ruderstellung das Schiff etwas rechts geht. Da nun bei dem Passiren des Schooners der »Svend« g e r a d e Fahrt hatte, lag das Ruder desselben etwas Backbord. In dieser Richtung blieb es auch. Dem Schooner folgte in dessen Fahrwasser die Kuff. Als sich der »Svend« dieser auf etwa 720 Schritte genähert hatte, ertheilte der Lootse Timm dem neben ihm auf der Kommandobrücke stehenden, den Kapitän vertretenden, Obersteuermann das Kommando

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Kuff Nicola van Baarlen und Dampfschiff Svend.

»Maschine ganz langsam«. Davon, ob bezw. wie dieses Kommando ausgeführt worden, hat sich Timm nicht überzeugt, von der Voraussetzung ausgehend, dass solches geschehen. Gleich darauf fiel das Schiff ohne ersichtlichen Grund nach Backbord ab, nahm also die Richtung gerade auf die Kuff zu. Der Lootse Timm kommandirte deshalb: »Ruder mehr Backbord« und als trotzdem der »Svend« seine Richtung nicht änderte: »Hart Backbord«. Diese Befehle führte der am Ruder stehende Lootse Hahn II. sofort aus, wie nicht allein er selbst eidlich bekundet hat, sondern wie auch der Lootse Timm (welcher von der Kommandobrücke aus auf das unter derselben in der Mitte des Schiffes befindliche Steuerrad sehen konnte) und mehrere Personen von der Besatzung des »Svend«, namentlich der Matrose, welcher neben dem Lootsen Hahn II. am Rade stand, bestätigt haben. Auch, nachdem das Ruder des »Svend« hart Backbord gelegt war, fiel das Schiff fortgesetzt nach Backbord ab und näherte sich auf diese Weise der Kuff immer mehr, obgleich diese, um der ihr vom »Svend« drohenden Gefahr zu entgehen, ihr Ruder ebenfalls mehr Backbord, zuletzt hart Backbord gelegt hatte und auf diese Weise nach dem linken Swine-Ufer zu ausbog. Als der »Svend« nur noch ungefähr 200 Schritte von der Kuff entfernt war und nunmehr eine Kollision unvermeidlich erschien, kommandirte der Lootse Timm: »stoppen« und als diese Entfernung sich bei gleicher Richtung des »Svend« auf etwa 150 Schritte verringert hatte, »mit voller Kraft rückwärts«. Eine Kollision konnte jedoch hierdurch nicht mehr verhütet werden, vielmehr wurde kurze Zeit darauf die Kuff, welche inzwischen mit hart Backbordruder auf das linke Swine-Ufer gesetzt war, von dem nunmehr beinahe quer über den Strom liegenden »Svend« zuerst am BackbordKrahnbalken und dann am Vordersteven angerannt. Die ihr in Folge dessen zugefügten, auf etwa 5B00 A geschätzten, Beschädigungen bestanden darin, dass ihr vom Vordersteven die Planken bis unter die Wasserlinie abgesprengt und der Schanddeckel ausgesetzt wurde, so dass die Deckplanken auseinaridersprangen. Vor dem Sinken wurde die Kuff durch vom »Svend« abgegebene Schiffsmannschaft zum Pumpen bewahrt und von dem ganz unbeschädigt gebliebenen »Svend« nach Swinemünde geschleppt. Gleich nach der Kollision parirte der »Svend« wieder dem Steuer, wie er denn als gut steuerndes Schiff bekannt ist und die Verhältnisse für gute Steuerung an jener Stelle der Swine auch vorhanden waren, da jene Strecke des Reviers gerade ist und bei einer durch-

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Kuff Nicola yan Baarlen und Dampfschiff Svend.

gängigen Tiefe von 16 Fuss dem nur 12 Fuss tief gehenden »Svend« mehr als genügende Tiefe bot. Auch sonst ist das Vorhandensein eines Hindernisses in der Steuerführung des »Svend« weder vor noch nach der Kollision bemerkt. Bei dieser Sachlage nun kann zunächst von einer Schuld des Schiffers, Steuermanns oder Lootsen der Kuff »Nicola van Baarlen« nicht die Rede sein, denn dieses Schiff hat über seine gesetzlichen Verpflichtungen hinaus Alles gethan, um einen Zusammenstoss zu verhüten. Auch die Lootsen des »Svend« haben ihren gesetzlichen Verpflichtungen genügt (Artikel 15 bis 18 der Kaiserlichen Verordnung vom 23. Dezember 1871), namentlich was die Steuerung des »Svend« betrifft, diejenigen Kommandos gegeben beziehungsweise ausgeführt, welche geeignet waren, den »Svend«, wie es geboten war, der Kuff an der Backbordseite vorbeizuführen. Wenn dieser Erfolg dennoch nicht erzielt ist, so kann die Ursache hiervon bei dem konstatirten Nichtvorhandensein anderer Hindernisse nur in der Bewegung der Maschine gesucht werden. Nach den Kommandos des Lootsen Timm (halbe Kraft, viertel Kraft, ganz langsam) hätte auch diese den beabsichtigten Kurs nicht hindern können. Es bleibt also nichts anderes als die Annahme übrig, dass seine Kommandos, namentlich das letzte »ganz langsam«, nicht so, wie gegeben, zur Ausführung gelangt sind. Wahrscheinlich ist an Stelle der kommandirten Bewegung »ganz langsam v o r w ä r t s « diejenige »ganz langsam r ü c k w ä r t s « herbeigeführt. Bei dieser Bewegung fände nicht blos der durch die vorhandene Konstruetion der Schraube nothwendig werdende und auch wirklich eingetretene, sonst aber unerfindliche, auch durch die Backbordlage des Ruders nicht zu hemmende linksseitige Abfall des Schiffes seine natürliche Erklärung, sondern auch noch ein zweiter, sonst ebenfalls überraschender Umstand, nämlich die überaus geringe Fahrgeschwindigkeit des »Svend« im Moment des Zusammenstossens, welche sich am besten aus der geringen Gewalt des Stosses ermessen lässt. Bei der Grösse und Schwere des Dampfers gegenüber der Kuff hätte eher ein Zertrümmern oder Durchbrechen der letzteren als Resultat des Zusammenstosses erwartet werden dürfen. Statt dessen ist nur der Bug e i n g e d r ü c k t und sind die Planken nur abgeplatzt. Dieser geringe Effekt hätte bei einer nur dadurch geminderten Fahrgeschwindigkeit, dass in einer Entfernung von 200 beziehungsweise 150 Schritten von der Kuff die Maschine des »Svend« gestoppt beziehungsweise zum Rückgang gebracht wurde, 13

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Schoonerbrigg Johanne.

nicht erreicht werden können, wohl aber dadurch, dass bereits 700 Schritte vor der Kuff die Maschine des »Svend«, wenn auch langsam, rückwärts ging. Erscheint hiernach der gefällte Spruch nach Lage der Sache unbedenklich, so wäre es doch wünschenswert^ gewesen, wenn es weniger auf Schlüsse als auf direkte Bekundungen der Zeugen hätte gestützt werden können, und wird deshalb als Wunsch des Seeamts ausgesprochen, dass für die Folge die führenden Lootsen gleich nach derartigen Unfällen sich sofort von den näheren Umständen und Ursachen derselben genauere Ueberzeugung verschaffen, um dann eingehender als im vorliegenden Falle geschehen hierüber Angaben machen zu können.

61. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 25. November 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbrigg „Johanne" von Hamburg. Schiff bet schwerem Sturm, etwa 20 Seemeilen nordöstlich vom Nord-Hinder-Feuerschiff, sehr leck geworden, von der Besatzung verlassen und gesunken.

Aus den dem Seeamt vorliegenden Schriftstücken und den Aussagen der von dem Seeamt vernommenen Zeugen ergiebt sich folgender Sachverhalt: Die Schoonerbrigg »Johanne«, Kapitän Nietmann — Unterscheidungs-Signal NCSM, Heimathshafen Hamburg, mit einem NettoRaumgehalt von 563,3 Kubikmetern gleich 198.85 Register-Tons — trat mit einer Ladung Thonerde (Bleichererde, china clay) in Bulk am 4. November 1878 die Reise von Plymouth nach Harburg an. Nachdem das Schiff am 7. desselben Monats South-Foreland passirt war, wurde dasselbe um'Mitternacht vom 8. auf den 9. in einer Entfernung von ungefähr 20 Seemeilen nordöstlich vom Nord-HinderFeuerschiff von einem schweren Sturm getroffen. Die Segel wurden zerrissen und fortgeweht, die Takelage stark beschädigt, das Schiff arbeitete schwer und fing an, Wasser zu machen. Bei Tagesanbruch zeigte sich, dass eine Aussenbordplanke gespalten war, die Pumpen, aus denen zuvor schon flüssig gewordene Thonerde ausgepumpt war, wurden alsbald ganz verstopft, und das Wasser stieg in dem Laderaum bis zur Höhe der Ladung. Da das Schiff zu sinken

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Schoonerbrigg Johanne.

nicht erreicht werden können, wohl aber dadurch, dass bereits 700 Schritte vor der Kuff die Maschine des »Svend«, wenn auch langsam, rückwärts ging. Erscheint hiernach der gefällte Spruch nach Lage der Sache unbedenklich, so wäre es doch wünschenswert^ gewesen, wenn es weniger auf Schlüsse als auf direkte Bekundungen der Zeugen hätte gestützt werden können, und wird deshalb als Wunsch des Seeamts ausgesprochen, dass für die Folge die führenden Lootsen gleich nach derartigen Unfällen sich sofort von den näheren Umständen und Ursachen derselben genauere Ueberzeugung verschaffen, um dann eingehender als im vorliegenden Falle geschehen hierüber Angaben machen zu können.

61. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 25. November 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbrigg „Johanne" von Hamburg. Schiff bet schwerem Sturm, etwa 20 Seemeilen nordöstlich vom Nord-Hinder-Feuerschiff, sehr leck geworden, von der Besatzung verlassen und gesunken.

Aus den dem Seeamt vorliegenden Schriftstücken und den Aussagen der von dem Seeamt vernommenen Zeugen ergiebt sich folgender Sachverhalt: Die Schoonerbrigg »Johanne«, Kapitän Nietmann — Unterscheidungs-Signal NCSM, Heimathshafen Hamburg, mit einem NettoRaumgehalt von 563,3 Kubikmetern gleich 198.85 Register-Tons — trat mit einer Ladung Thonerde (Bleichererde, china clay) in Bulk am 4. November 1878 die Reise von Plymouth nach Harburg an. Nachdem das Schiff am 7. desselben Monats South-Foreland passirt war, wurde dasselbe um'Mitternacht vom 8. auf den 9. in einer Entfernung von ungefähr 20 Seemeilen nordöstlich vom Nord-HinderFeuerschiff von einem schweren Sturm getroffen. Die Segel wurden zerrissen und fortgeweht, die Takelage stark beschädigt, das Schiff arbeitete schwer und fing an, Wasser zu machen. Bei Tagesanbruch zeigte sich, dass eine Aussenbordplanke gespalten war, die Pumpen, aus denen zuvor schon flüssig gewordene Thonerde ausgepumpt war, wurden alsbald ganz verstopft, und das Wasser stieg in dem Laderaum bis zur Höhe der Ladung. Da das Schiff zu sinken

Schoonerbrigg Johanne.

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anfing, so gab man ein Nothsignal und es wurde um zwei Uhr Nachmittags — der Sturm hatte inzwischen nachgelassen — von einem der in der Nähe befindlichen Fischerfahrzeuge, dem »Guide« aus Ramsgate, ein Boot ausgesetzt und die Besatzung der »Johanne« in das Boot aufgenommen. Das Boot blieb an Seite der »Johanne« bis dieselbe um 7 Uhr Abends untersank, sodann wurde die Besatzung des Schiffs nach Lowestoft gebracht. Nach diesem Sachverhalt stellt sich der Unfall, von dem die »Johanne« betroffen wurde als eine Folge des Sturmes und der natürlichen Beschaffenheit der Ladung dar. Der Umstand, dass die Ladung in Wasser löslich ist, erklärt die Verstopfung der Pumpen und hatte — da das Wasser in die Ladung eindrang — es zur Folge, dass das Gewicht der letzteren sich vermehrte. In Frage kann es somit nur kommen, ob andere Umstände zu der Herbeiführung des Unfalls mitgewirkt haben. Hier liegt zunächst für die Annahme, dass das Schiff bei Antritt der Reise nicht völlig seetüchtig war, kein genügender Grund vor. Denn, dass das Schiff nach einer Notiz des Journals schon am 7. — also vor Ausbruch des Sturmes — »ziemlich viel Wasser machte«, lässt sich aus dem stürmischen Wetter, welches schon damals geherrscht haben soll, erklären. Der Angabe des Matrosen Tamcke, das Schiff habe in einer Nacht, als dasselbe noch behufs der Einnahme seiner Ladung im Hafen von Plymouth lag, während er, Tamcke, die Ankerwache gehalten habe, in Folge davon, dass dasselbe bei der Ebbe auf Grund gerieth, »geknackt«, kann eine Bedeutung nicht beigelegt werden, da Tamcke seiner eigenen Angabe zufolge von diesem Vorfall nicht einmal dem Kapitän oder Steuermann Meldung gemacht, und noch weniger in seinem und seiner Genossen Interesse darauf bestanden hat, dass vor Abgang des Schiffes dasselbe einer Untersuchung unterzogen werde. Auch zu der Annahme, dass das Schiff überladen gewesen sei, liegt kein genügender Grund vor. In dieser Beziehung kann es freilich nicht unbeachtet bleiben, dass während, wie angeführt, das Schiff zu etwa 200 Register-Tons vermessen war, die Ladung desselben, wie die bezüglichen Dokumente ergaben, ein Gewicht von 280 Tons hatte; indessen kann regelmässig ein Schiff mehr als die Vermessung ergiebt, einnehmen, und es kann selbst nicht einmal als ungewöhnlich betrachtet werden, dass die Vermessung nur zwei Drittheile der wirklichen Tragfähigkeit angiebt. Auch aus dem Umstand, dass das Schiff auf dieser Reise einen etwas

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Schooner Johann August.

grösseren Tiefgang hatte, als auf der früheren, lässt sich kein sicherer Schluss auf eine Ueberladung ziehen und ebensowenig liegen sonstige Anzeichen hierfür vor. Auch dafür, dass die Ladung nicht gehörig gestaut gewesen sei, oder dass die Pumpen besser, als geschehen, gegen das Eindringen von Ladungstheilen hätten geschützt werden können, hat die Beweisaufnahme nichts ergeben. Endlich steht nicht anzunehmen, dass von der Schiffsbesatzung etwas unterlassen worden sei, was zur Rettung von Schiff und Ladung hätte führen können. Die Pumpen würden, wenn man sie bei dem schlechten Wetter hätte herausnehmen können, nach ihrer Reinigung voraussichtlich sofort wieder durch die flüssige Thonerde verstopft sein, und die Luken liessen sich, da das Deck vom Wasser der auch nach dem Sturm noch hochgehenden See bespült ward, nicht öffnen, so dass auch von der Ladung nichts geworfen werden konnte. Demnach giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass nach dem Ergebniss der Beweisaufnahme kein genügender Grund zu der Annahme vorliegt, dass zu dem Verlust des Schiffes »Johanne«, Kapitän Nietmann, eine Untüchtigkeit des Schiffs, eine Ueberladung desselben oder sonstige Versehen der Besatzung mitgewirkt haben und dass somit der Unfall nur den Ereignissen der See zugeschrieben werden kann.

62. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 27. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Johann August" von Stralsund. Schiff auf der Reise von Libau nach London verschollen.

In Untersuchungssachen, betreffend den Seeunfall, in Folge dessen der Stralsunder Schooner »Johann August«, Kapitän Gildemeister, seit seinem Ausgange aus dem Hafen von Libau am 12. Februar 1878 verschollen ist, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass zwar anzunehmen, der Schooner »Johann August«, Kapitän Gildemeister, sei auf seiner am 12. Februar 1878 von Libau aus nach London angetretenen Seefahrt mit seiner

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Schooner Johann August.

grösseren Tiefgang hatte, als auf der früheren, lässt sich kein sicherer Schluss auf eine Ueberladung ziehen und ebensowenig liegen sonstige Anzeichen hierfür vor. Auch dafür, dass die Ladung nicht gehörig gestaut gewesen sei, oder dass die Pumpen besser, als geschehen, gegen das Eindringen von Ladungstheilen hätten geschützt werden können, hat die Beweisaufnahme nichts ergeben. Endlich steht nicht anzunehmen, dass von der Schiffsbesatzung etwas unterlassen worden sei, was zur Rettung von Schiff und Ladung hätte führen können. Die Pumpen würden, wenn man sie bei dem schlechten Wetter hätte herausnehmen können, nach ihrer Reinigung voraussichtlich sofort wieder durch die flüssige Thonerde verstopft sein, und die Luken liessen sich, da das Deck vom Wasser der auch nach dem Sturm noch hochgehenden See bespült ward, nicht öffnen, so dass auch von der Ladung nichts geworfen werden konnte. Demnach giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass nach dem Ergebniss der Beweisaufnahme kein genügender Grund zu der Annahme vorliegt, dass zu dem Verlust des Schiffes »Johanne«, Kapitän Nietmann, eine Untüchtigkeit des Schiffs, eine Ueberladung desselben oder sonstige Versehen der Besatzung mitgewirkt haben und dass somit der Unfall nur den Ereignissen der See zugeschrieben werden kann.

62. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 27. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Johann August" von Stralsund. Schiff auf der Reise von Libau nach London verschollen.

In Untersuchungssachen, betreffend den Seeunfall, in Folge dessen der Stralsunder Schooner »Johann August«, Kapitän Gildemeister, seit seinem Ausgange aus dem Hafen von Libau am 12. Februar 1878 verschollen ist, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass zwar anzunehmen, der Schooner »Johann August«, Kapitän Gildemeister, sei auf seiner am 12. Februar 1878 von Libau aus nach London angetretenen Seefahrt mit seiner

Schooner Marie & Sophie

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gesammten Bemannung gesunken, die Ursachen dieses Seeunfalles, sowie alle damit zusammenhängende Thatumstände aber nicht zu ermitteln. G r ü n d e : Von dem Korrespondent-Rheder des »Johann August«, Kaufmann Franz Böttcher zu Stralsund, ist ein von dem Kapitän Gildemeister an ihn gerichteter Brief, d. d. Libau den 12. Februar 1878, eingereicht worden. Danach beabsichtigte Kapitän Gildemeister in See zu gehen, obgleich ausserhalb »noch ein ganzes Theil Eis« — wie er wörtlich schreibt — stehe. Nach dem amtlichen Schreiben des Kaiserlichen Konsulats zu Libau vom 10. October 1878 unterliegt es keinem Zweifel, dass das bereits am 26. Januar dortseits expedirte Schiff den Hafen wirklich, und zwar mit einer Ladung Gerste, nach London bestimmt, verlassen hat. Das Kaiserliche General-Konsulat zu London hat unter dem 31. Mai 1878 amtlich bescheinigt, dass das Schiff in London nicht angekommen ist. Weitere Nachrichten über den Verbleib des Schiffes fehlen. Die Löschung des Schiffes im Schiffsregister ist unter der Annahme, dass das Schiff gesunken sei, beantragt. Die Untersuchung ist erfolgt, hat aber kein Ergebniss gehabt, um die Ursachen des Seeunfalles und die damit zusammenhängenden Thatumstände festzustellen. Es war dies, wie geschehen, auszusprechen.

63. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 6. Dezember 1878, betreifend den Seeunfall des deutschen Schooners „Marie & Sophie" von Hamburg. Schiff in der Nähe der brasilianischen Küste leck geworden, deshalb auf den Strand gesetzt und gänzlich verloren gegangen.

Das Hamburgische Schiff »Marie & Sophie«, Kapitän Mehring, hatte auf zweien der Reisen, die es in den letzten Monateil an der brasilianischen Küste zurückgelegt hatte, nämlich auf der Reise von Para nach Maranham und auf der Reise von Maranham nach Paranahiba stark auf den Grund gestossen und war leck geworden. In Folge dessen hatte Kapitän Mehring nach seiner letzten Zurückkunft nach Maranham beim dortigen deutschen Konsulate eine Besichtigung des Schiffes veranlasst. Die Besichtigung hat statt-

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Schooner Marie & Sophie.

gefunden. Die Besichtiger haben erklärt, dass etwas Weiteres nicht als die Einsetzung einiger Kupferplatten erforderlich sei, alsdann werde das Schiff in vollständig gutem Zustande und zu jeder Seereise fähig sein. Nun ist es freilich nicht möglich, dass das Schiff durch das Abreissen einiger Kupferplatten leck geworden sein kann, und es scheint daher nicht wohl erklärlich, in wiefern die Besichtigung, nachdem das Schiff leck geworden war, etwas Weiteres nicht, als die Einsetzung einiger Kupferplatten, für erforderlich gehalten hat, es ist auch aus dem beigebrachten Besichtigungsdokumente nicht ersichtlich, ob die Besichtigung eine hinreichend umfassende gewesen ist. Jedenfalls aber kann dem Kapitän nicht ein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er zur Herstellung seines Schiffes etwas Weiteres nicht gethan hat, als dasjenige, was die amtlichen Besichtiger für erforderlich gehalten haben. Nach der Einsetzung einiger Kupferplatten hat der Kapitän sich sodann mit seinem Schiffe auf die Reise und zwar zunächst nach Para begeben. Es ist dies eine Reise von durchschnittlich etwa drei Tagen und um so mehr, als dem Kapitän sich in Para Gelegenheit geboten hätte, fernere Reparaturen des Schiffs vorzunehmen, falls etwa auf der Reise dorthin das Schiff sich trotzdem wieder leck zeigen sollte, lag für ihn keine Veranlassung vor, den Antritt der Reise von Maranham zu unterlassen. Auf der Reise von Maranham nach Para, nachdem das Schiff zwei Tage unterwegs war, hat das Schiff sodann erheblich Wasser gemacht, musste schliesslich in einer Entfernung von etwa 12 Meilen WSW von Salmas auf den Strand gesetzt werden und ist vollständig verloren gegangen. Nach den Umständen der Lage konnte der Kapitän nicht anders, als geschehen, verfahren. Auch lag für ihn kein Anlass vor, zur Zeit als er Maranham noch näher war, dorthin zurückzukehren, weil zu jener Zeit das Schiff noch nicht erheblich Wasser machte. Demnach spricht das Seeamt aus: dass den Schiffer und die übrige Schiffsbesatzung bei dem Unfall ein Verschulden nicht trifft, dass jedoch die Anordnungen, welche die vom deutschen Konsulate zu Maranham bestellten Besichtiger in Bezug auf die vorzunehmende Reparatur des Schiffes »Marie & Sophie« getroffen haben, fiir nicht ausreichende erklärt werden müssen.

Schooner J. Lorenz.

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64. Spruch des Seeamts zu Eostock vom 9. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „J. Lorenz" von Eostock. Schiff mit einer Ladung ßisen leck geworden und in der Nähe der pommerschen Küste, etwa 15 Seemeilen nördlich von Swinemünde, gesunken.

In der Untersuchungssache wegen Untergangs des Rostocker Schooners »J. Lorenz« giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass der am 2. September 1878, unweit Swinemünde stattgehabte Untergang des Schooners, lediglich eine Folge des voraufgehenden schlechten Wetters und des hohen Seegangs . gewesen und dem Kapitän so wenig, wie der Mannschaft ein Verschulden an dem Unfall beizumessen ist. Entscheidungsgründe: 1. Der Rostocker Schooner »J. Lorenz«, im Jahre 1872 in Rostock aus Eichen- und Buchenholz besten Materials erbaut, mit dem Unterscheidungs - Signal MCSQ und zu 58,73 RegisterTons vermessen, ging am 19. August 1878 von Leer mit einer Ladung Spiegeleisen nach Riga in See. Die aus eisernen Platten von verschiedenen Dimensionen bestehende Ladung war in Leer von einem dortigen Stauer in der Weise verstaut worden, dass dieselbe auf einem starken hölzernen Garnir über den ganzen SchifFsboden ausgebreitet und etwa 6 Fuss hoch aufgestapelt war. Nur den Rest der Ladung hatte man durch die grosse Luke eingeschüttet und so in einem Haufen liegen lassen, welcher den übrigen Stapel in der Höhe um etwas überragte. Die Binnenwände des Schiffes hatte man dadurch zu schützen gesucht, dass man einzelne Eisenplatten längs denselben in der hohen Kante aufgesetzt hatte, an welche die Enden der im Räume aufgestapelten Platten stiessen. Die gesammte Ladung wog etwa 1800 Zentner. 2. Geführt wurde der Schooner von dem Eigenthümer, Schiffer Fr. Waack aus Rostock, 39 Jahre alt. Die Mannschaft bestand aus dem Bestmann, Schiffszimmerer Friedr. Zicker, 33 Jahre alt, ebendaher, dem Jungmann August Zarneckow aus Altona, 18 Jahre alt, und dem Halbmann Eduard Schultz aus Junckeracker bei Danzig, 17 Jahre alt. 3. Bis Helgoland war das Wetter gut gewesen, in der Nacht vom 23724. August aber hatte der Schooner einen schweren Sturm

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Schooner J. Lorenz.

zu bestehen, welcher ihn in den Grundvesten erzittern machte. Am andern Morgen fanden sich 12 bis 13 Zoll Wasser im Räume, während das Schiff sonst durchaus dicht gewesen war. Ein bestimmter Leck war nicht zu entdecken, dagegen drang das Wasser überall durch das Garnir ein. Durch häufiges Pumpen gelang es zwar, das Schiff lens zu halten, aber gleichwohl gab der Kapitän die Reise um Skagen herum auf t lief Tönning an und ging durch den Eider-Kanal in die Ostsee. Während der etwa dreitägigen Fahrt durch den Kanal zog das Schiff kein Wasser, was sich aus dem Umstände erklären lässt, dass sich die bei schlechtem Wetter gelockerten Nähte in ruhigem Wasser wieder zu schliessen pflegen. In der Ostsee zeigte sich indessen alsbald wieder Wasser im Räume, so dass die Mannschaft fleissig pumpen musste. Am 1. September erhob sich ein starker SSW-Wind mit schweren Gewitterböen. Der Schooner war damals unweit Rügen und der Leuchtthurm auf Wittmund deutlich zu erkennen. Da das Wasser mehr und mehr zunahm, beschloss der Kapitän, Nachmittags Swinemünde anzulaufen und hielt darauf zu. Um sechs Uhr Abends war das Wasser auf neun Zoll gestiegen, um acht Uhr auf 12 und um neun Uhr auf 15 Zoll. Vom stundenlangen Pumpen ermüdet, fühlte die Mannschaft ihre Kräfte zu Ende gehen und da der Schooner Nachts 12 Uhr sich vorn sehr tief legte, drang sie in den Kapitän, er möge mit ihr denselben verlassen. Dieser wollte sein Schiff jedoch nicht aufgeben und suchte die Leute anfänglich zu beruhigen. Da er sich aber der Ueberzeugung nicht verschliessen konnte, dass der Schooner bald sinken werde und fürchtete, das Boot könne mit in die Tiefe gezogen werden, wenn man das Schiff in bereits sinkendem Zustande verlassen müsste, gab er seinen Widerstand auf und liess das Boot klar machen. Er sowohl, wie die Mannschaft nahmen nur die nothwendigsten Kleidungsstücke mit, während sie das Schiffsjournal, obwohl es der Kapitän an Deck gebracht hatte, in der Erregung des Augenblicks zurückliessen. Als sie den Schooner verlassen hatten, sahen sie, dass derselbe vorn ganz tief lag und die gelbe Leiste schon unter Wasser war. Gegen eine hohe See an erreichten sie nach fünfstündiger harter Arbeit unter höchster Lebensgefahr die pommersche Küste unweit Streckelberg und trafen Abends in Swinemünde ein. 4. Am 2. September fand der Kapitän Kroll aus Swinemünde, Führer des dortigen Bergedampfers »Sequens«, etwa 16 Seemeilen nördlich vom Swinemünder Hafen den gesunkenen »J. Lorenz.«

Schooner J. Lorenz.

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Das Schiff stand aufrecht in einer Wassertiefe von etwa 42 Fuss rheinländisch. Die Toppen der Untermasten und die Stengen ragten aus dem Wasser hervor, mehrere Segel, wie Schoonersegel und Grosssegel, standen noch. Da es gutes Wetter war, gelang es, den grössten Theil der Ladung, Takelage und sonstiges Inventar durch Taucher zu bergen. Der Schiffskörper musste als hebungsunwürdig seinem Schicksale überlassen werden. Die Luken zum grossen Räume waren grösstentheils aufgesprungen und stellenweise aus einander gedrängt, die Bugplanken gelöst und theilweise weit abgesprungen, so dass das ganze Vorderschiff aus dem ursprünglichen Verband gewichen war. Die Ladung war fast ganz nach vorn geschossen. Im Schiffe selbst fand sich schon eine Menge Sand. 5. Kapitän Waack war alleiniger Eigenthümer des Schooners gewesen, welcher im Bau etwa 15000 it. gekostet hatte, eine Summe, welche er allmählig durch regelmässige Abschlagszahlungen bis auf etwa 7000 it. abgetragen hatte. Versichert war das Schiff bei der vaterländischen Transport-Aktiengesellschaft in Elberfeld zu 14000 JH. 6. In dem Benehmen des Kapitäns vor und bei dem Unfall ist der Mannschaft nichts aufgefallen. Er war nach einer Aeusserung des Bestmanns Zicker wie immer ruhig und bestimmt, gab durchaus sachgemässe Kommandos und that bis zuletzt seine volle Schuldigkeit. 7. Bei Beurtheilung des vorliegenden Falles, welcher nach den übereinstimmenden Angaben des Kapitäns und der Mannschaft und auf Grund der sonst erhobenen Ermittelungen in Obigem dargestellt ist, muss es zunächst das Seeamt als vollkommen gerechtfertigte Vorsicht anerkennen, wenn der Kapitän nach dem Sturme in der Nordsee mit dem lecken Schiff nicht um Skagen herum, sondern durch den Eider-Kanal in die Ostsee ging. Ferner muss zugestanden werden, dass Kapitän und Mannschaft durchweg auf See ihre volle Schuldigkeit thaten, insbesondere, dass sie bis zum letzten Augenblicke bemüht waren, den Schooner zu retten und denselben erst dann verliessen, als dessen Sinken unmittelbar bevorstand. Einer eingehenderen Erwägung dagegen müssen die nachstehenden Fragen unterzogen werden: a. ob die Eisenladung richtig verstaut, b. ob das Gewicht derselben nicht ein zu grosses war und c. ob nicht der Versuch gemacht werden musste, das Schiff in der Nacht vom 1./2. September auf den Strand zu setzen.

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Schooner J. Lorenz.

Zu a. Bei der Verstauung von Spiegeleisen wird in der Regel so verfahren, wie beim »J. Lorenz« geschehen ist, und entspricht dies Verfahren durchaus allen Rücksichten auf die Sicherheit des Schiffes. Insbesondere ist das Absetzen der inneren Schiffswände mit aufrecht stehenden Eisenplatten eine anerkannt gute Maassregel, und das Einschütten des Restes der Ladung durch die grosse Luke ohne ein weiteres Aufstapeln der einzelnen Stücke ist ein Verfahren, welches regelmässig beobachtet wird und sich in der Praxis bewährt hat. Immer aber wird aus der Art der Verstauung dem Kapitän Waack schon um deswillen ein Vorwurf nicht zu machen sein, weil er bisher noch kein Eisen geladen hatte, die Art der Verstauung desselben nicht aus eigener Erfahrung kannte und sich daher auf den Stauer verlassen musste. Zu b. Der in Rede stehende Seeunfall ist zunächst herbeigeführt durch das Leckwerden des Schiffes, und das Seeamt nimmt als unzweifelhaft an, dass der Leck durch den heftigen Sturm in der Nordsee vom 23-/24. August 1878 entstanden ist, indem das mit Eisen beladene Schiff den Wellen zu wenig nachgeben konnte und sich so die Nähte lockerten. Die Frage aber, ob etwa das Gewicht der Ladung das Nachlassen der Nähte verursacht oder doch wesentlich befördert hat, mit anderen Worten, ob die Ladung zu schwer gewesen ist, muss verneint werden. Der Schooner »J. Lorenz« ist vermessen zu 166,4 Kubikmeter oder 58,73 Register-Tons Netto-Raumgehalt und würde dies nach den Schlussbestimmungen in § 33 der Schiffsvermessungs-Ordnung vom 5. Juli 1872 (Reichs-Gesetzblatt, Seite 270) eine Tragfähigkeit von rund 1600 Zentnern ergeben. Wenn nun die Ladung des »J. Lorenz« 1800 Zentner wog, so würde er hiernach 200 Zentner mehr geladen gehabt haben, als er tragen konnte, ein Umstand, welcher eventuell von um so grösserer Bedeutung sein musste, als eine Eisenladung, bei welcher das Schiff bekanntlich steif im Wasser liegt und dem Angriffe der See in aussergewöhnlichem Maasse ausgesetzt ist, an sich schon zu den gefährlichsten gehört. Allein, das Ergebniss der Raumvermessung kann für die wirkliche Tragfähigkeit eines Schiffes überall nicht normiren, was schon aus der Erwägung erhellt, dass dieselbe bei übrigens gleichem Raumgehalt eine ganz verschiedene sein muss, je nachdem die Schiffe flach oder scharf gebaut sind. Durchweg laden denn auch die Schiffe nicht nur der deutschen, sondern auch der auswärtigen, insbesondere der britischen Handelsmarine, 10 bis 40 Prozent an Gewicht

Brigg Grossherzog Friedrich Franz.

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mehr, als sie nach der vermessenen Ladungsfähigkeit laden sollten. Jeder Schiffer muss aus der Erfahrung wissen, was sein Schiff tragen kann und wenn der »J. Lorenz« nach der glaubwürdigen Angabe des Kapitäns Waack früher bereits 1900 Zentner geladen hatte, so wird in vorliegendem Falle eine Ladung von 1800 Zentnern selbst in Beihalt der grösseren Gefährlichkeit einer Eisenladung nicht allzu schwer erscheinen können, und nur dann würde den Kapitän mit Recht ein Vorwurf treffen müssen, wenn es reichsgesetzlich oder landesgesetzlich verboten wäre, über das sich aus dem Messbrief ergebende Gewicht hinaus zu laden. Aber ein solches Verbot enthält weder die bereits angezogene SchiffsvermessungsOrdnung des Deutschen Reichs vom 5. Juli 1872, noch die mecklenburgische Verordnung vom 20. März 1867, welche als Zweck der Vermessung die Bestimmung der nach Kommerz-Lasten zu entrichtenden ausserordentlichen Kontribution ausdrücklich anführt. Zu c. Wie Kapitän Waack versichert und vom Bestmann bestätigt ist, hat er bereits am Nachmittage des 1. September versucht, sich durch Laviren der pommerschen Küste mehr zu nähern, um erforderlichen Falles den Schooner auf den Strand zu setzen, was ihm jedoch, weil der Wind konträr war und das lecke, bereits stark mit Wasser angefüllte Schiff nur noch schlecht manövrirte, nicht hat gelingen wollen. Das Seeamt kann nur die Unmöglichkeit, das Schiff unter den erwähnten Umständen an den Strand zu bringen, anerkennen und gegen den Kapitän auch daraus keinen Vorwurf erheben, dass er nicht eher bemüht war, sich der Küste zu nähern. Denn diese Maassregel empfahl sich erst, als das Schiff am Nachmittage des 1. September mehr Wasser zu ziehen begann, worauf sie denn auch sofort in Anwendung gebracht ward.

65. Spruch des Seeamts zu Eostock vom 16. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „Grossherzog Friedrich Franz" von Eostock. Schiff in der Nordsee leck geworden und von der Besatzung aufgegeben.

In der Untersuchungssache, betreffend den im Oktober 1878 auf der Reise von Shields nach Rostock in der Nordsee erfolgten Untergang der Rostocker Brigg »Grossherzog Friedrich Franz« giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab:

Brigg Grossherzog Friedrich Franz.

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mehr, als sie nach der vermessenen Ladungsfähigkeit laden sollten. Jeder Schiffer muss aus der Erfahrung wissen, was sein Schiff tragen kann und wenn der »J. Lorenz« nach der glaubwürdigen Angabe des Kapitäns Waack früher bereits 1900 Zentner geladen hatte, so wird in vorliegendem Falle eine Ladung von 1800 Zentnern selbst in Beihalt der grösseren Gefährlichkeit einer Eisenladung nicht allzu schwer erscheinen können, und nur dann würde den Kapitän mit Recht ein Vorwurf treffen müssen, wenn es reichsgesetzlich oder landesgesetzlich verboten wäre, über das sich aus dem Messbrief ergebende Gewicht hinaus zu laden. Aber ein solches Verbot enthält weder die bereits angezogene SchiffsvermessungsOrdnung des Deutschen Reichs vom 5. Juli 1872, noch die mecklenburgische Verordnung vom 20. März 1867, welche als Zweck der Vermessung die Bestimmung der nach Kommerz-Lasten zu entrichtenden ausserordentlichen Kontribution ausdrücklich anführt. Zu c. Wie Kapitän Waack versichert und vom Bestmann bestätigt ist, hat er bereits am Nachmittage des 1. September versucht, sich durch Laviren der pommerschen Küste mehr zu nähern, um erforderlichen Falles den Schooner auf den Strand zu setzen, was ihm jedoch, weil der Wind konträr war und das lecke, bereits stark mit Wasser angefüllte Schiff nur noch schlecht manövrirte, nicht hat gelingen wollen. Das Seeamt kann nur die Unmöglichkeit, das Schiff unter den erwähnten Umständen an den Strand zu bringen, anerkennen und gegen den Kapitän auch daraus keinen Vorwurf erheben, dass er nicht eher bemüht war, sich der Küste zu nähern. Denn diese Maassregel empfahl sich erst, als das Schiff am Nachmittage des 1. September mehr Wasser zu ziehen begann, worauf sie denn auch sofort in Anwendung gebracht ward.

65. Spruch des Seeamts zu Eostock vom 16. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „Grossherzog Friedrich Franz" von Eostock. Schiff in der Nordsee leck geworden und von der Besatzung aufgegeben.

In der Untersuchungssache, betreffend den im Oktober 1878 auf der Reise von Shields nach Rostock in der Nordsee erfolgten Untergang der Rostocker Brigg »Grossherzog Friedrich Franz« giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab:

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Brigg-Grossherzog Friedrich Franz.

dass der Untergang der Brigg lediglich dem Sturm und dem hohen Seegang am 9. und 10. Oktober 1878 zuzuschreiben ist und weder den Kapitän noch die Mannschaft ein Verschulden an dem Seeunfall trifft. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e . 1. Die Rostocker Brigg »Grossherzog Friedrich Franz«, Unterscheidungs-Signal MBPQ, zu 196 RegisterTons vermessen, ist im Jahre 1848 in Rostock aus Eichenholz erbaut worden. Trotz ihres Alters war sie noch in gutem seetüchtigen Stande und so dicht, wie dies nur von älteren Schiffen erwartet werden kann. Seit vier Jahren wurde sie von dem Kapitän August Peters aus Daendorf geführt, welcher 31 Jahre alt ist und die vorschriftsmässige Schifferprüfung bestanden hat. Kapitän Peters hatte 7/64 Antheil im Schiff und sein Part bei einer Rostocker SchififsVersicherungs-Gesellschaft zu 2295 «Mi. versichert. Von den übrigen Rhedern sind nur wenige versichert gewesen. 2. Am 9. Oktober 1878, Morgens 5 Uhr, ging die Brigg aus Shields mit einer Ladung Kohlen nach Rostock in See. Die Ladung wog 5920 Zentner und war ordnungsmässig in der Art verstaut, dass sie übrigens bis zu einer gleichen Höhe im ganzen Räume aufgeschüttet und nur in der Mitte des Schiffes etwas höher aufgehäuft war. Die Besatzung bestand ausser Kapitän Peters aus dem geprüften Steuermann Gustav Dade aus Daendorf, 25 Jahre alt, dem Zimmermann Schacht, dem Koch Wack, dem Matrosen Mellhörn, dem Jungmann Madsen und dem Jungen Bunge. Der Wind war SSW und das Wetter Anfangs gut. Gegen Abend wurde es jedoch stürmisch und liess daher der Kapitän die Segel bis auf die beiden Untermarssegel, das Fock- und Vorstagsegel wegnehmen. Die See ging sehr hoch und das Schiff schlingerte, weil die oberen Segel fehlten, stark. Wie man vom Kohlenkeller unter der Piek aus wahrnahm, zog dasselbe viel Wasser, gegen Mitternacht schlugen jedoch die Pumpen lens. Bald aber stieg das Wasser wieder und die Mannschaft musste nun dauernd bei den Pumpen stehen, ohne dass es ihr gelang, das Schiff wieder lens zu bekommen. Im Verlaufe der Nacht war der Wind mehr östlich gegangen, und hatte der Sturm sich zum Orkan gesteigert. Bei Tagesanbruch — am 10. Oktober — ergab sich, dass der Grossmast im Deck gebrochen war. Er schwankte sichtbar und da, wo er aus dem Deck hervorkam, zeigten sich Splitter. Der Mast war nicht mehr neu; Kapitän Peters hatte ihn, als er die Führung des Schiffes vor vier Jahren übernahm, bereits vorgefunden. Nach seiner und der

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Mannschaft Versicherung hatte sich derselbe indess bis dahin immer gut gehalten und hatten sich insbesondere an der jetzigen Bruchstelle bisher keine Risse gezeigt. Kapitän Peters dachte daran, ihn kappen zu lassen, aber er unterliess es, weil er befürchtete, dass der zweite Mast mit fortgehen könne. Der Sturm hielt im Verlaufe des 10. Oktober in gleicher Heftigkeit an, und das Wasser stieg trotz angestrengten Pumpens immer höher. Nachmittags zwei Uhr stand es vier Fuss hoch im Raum. Unter diesen Umständen sah sich der Kapitän veranlasst, mit der Mannschaft einen Schiffsrath zu halten, und da sie des Wassers nicht Herr werden konnten, ein fremdes Schiff zu ihrer Aufnahme in der Nähe war und sie ihr Leben für gefährdet hielten, wenn sie Nachts mitten auf der Nordsee die Brigg verlassen mussten, beschlossen sie, dies sofort zu thun. Nachdem das grosse Boot bei einer heftigen Bewegung zerschellt war, gelang es ihnen, das kleine Boot zu Wasser zu bringen und mit demselben die schwedische Bark »Condor« zu erreichen, welche sie aufnahm und nach viertägiger Fahrt in Dover landete. Die Mannschaft hatte von ihren Effekten nur wenig geborgen, der Kapitän nur, was er auf dem Leibe trug. 3. Die Darstellung unter 2. entspricht den übereinstimmenden Angaben des Kapitäns und der Mannschaft. Der Zimmermann Schacht und der Koch Wack haben ihre Aussagen vor dem Seeamt beschworen. 4. Darüber, ob und wann die Brigg demnächst gesunken ist, hat sich etwas Bestimmtes nicht ermitteln lassen. Kapitän Vischer von dem niederländischen Schiffe »Pax« hat sie am 11. Oktober in der Nordsee auf 56" 55' nördlicher Breite entmastet treiben sehen. Bei der Stärke des Lecks unterliegt es indess kaum einem Zweifel, dass ihr Untergang schon bald nachher erfolgt sein wird. 5. Anlangend nun die Beurtheilung des in Rede stehenden Seeunfalles so muss zunächst a. das Seeamt auf Grund der vorliegenden Ermittelungen annehmen, dass die ordnungsmässig bemannte Brigg, als sie am 9. Oktober Shields verliess, sich in einem seetüchtigen Zustande befunden hat. War auch dieselbe bereits 85 Jahre alt, so ist doch ein solches Alter bei einem, aus gutem Material erbauten, sorgsam erhaltenen Schiffe an sich kein zu hohes und es ist kein Umstand erbracht, welcher zu der Annahme berechtigte, dass beim Bau oder bei der demnächstigen Unterhaltung derselben etwas vernachlässigt worden sei. Auch aus dem in der Nacht vom 9./10. Oktober

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erfolgten Bruch des Grossmastes ist eine Seeuntüchtigkeit der Brigg oder ein Mangel an deren Ausrüstung nicht herzuleiten, da der Mast bisher stets gesund und fest gewesen war und somit der Bruch lediglich dem stürmischen Wetter und dem starken Schlingern des Schiffes zugeschrieben werden muss. Was sodann b. das 5920 Zentner betragende Gewicht der Ladung betrifft, so kann dasselbe als ein zu grosses nicht angesehen werden. Ueberschreitet es zwar die sich aus dem vermessenen Netto-Raumgehalt nach den Bestimmungen in § 33 der deutschen SchiffsvermessungsOrdnung vom 5. Juli 1872 ergebende Tragfähigkeit des Schiffes um etwa 680 Zentner, so ist doch einerseits in Betracht zu ziehen, dass die vermessene Tragfähigkeit in der Regel erheblich hinter der Wirklichkeit zurück bleibt und andrerseits, dass die Brigg früher bereits 20 Tons mehr geladen, mithin ihre effektive Tragfähigkeit noch nicht einmal erreicht hatte. Dazu kommt, dass die aus Kohlen bestehende Ladung, eben weil sie gleichmässig über den ganzen Raum verstaut wird, keineswegs zu den gefährlichen zu zählen ist und somit dem Schiffer nicht die Verpflichtung auferlegte, hinsichtlich des Gewichts derselben eine besondere Vorsicht walten zu lassen. Das Seeamt ist auch überall nicht der Ansicht, dass der Leck der Brigg wesentlich durch die Schwere der Ladung verursacht worden, nimmt vielmehr an, dass derselbe zunächst durch das Schlingern des Schiffes entstanden und sodann durch das starke Schwanken des gebrochenen Mastes bis zu dem Umfange vergrössert ist, welcher das Sinken des Schiffes zur Folge haben musste. c. Das Verhalten des Kapitäns und der Mannschaft auf See bietet zu keinerlei Ausstellungen Anlass. Alle thaten ihre volle Schuldigkeit und die Anordnungen des Kapitäns waren durchaus der Sachlage angemessen. Insbesondere kann es nicht getadelt werden, wenn derselbe den gebrochenen Mast nicht kappen liess; denn einmal wurde das Schiff hauptsächlich durch die hinteren Segel an den Wind gehalten, würde also mit dem Verlust des Grossmastes seine ohnehin durch den Leck bereits sehr beeinträchtigte Manövrirfähigkeit vollends eingebüsst haben und zweitens lag die Befürchtung nahe, dass der Grossmast beim Kappen den Fockmast mit umreissen konnte und dann war das Schiff der See gänzlich preisgegeben. Eben so wenig lässt sich dem Kapitän und der Mannschaft daraus ein Vorwurf machen, dass sie nicht versuchten, das Schiff

Schoonergaliote Wodan.

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noch länger zu halten, sondern dasselbe bereits am Nachmittage des 10. Oktober verliessen. Ihre Situation war schon damals eine in hohem Grade kritische, da die Brigg mit dem schweren Leck und dem gebrochenen Mast nicht mehr zu retten, ihrem Sinken jeden Augenblick entgegen zu sehen war. Sie wäre aber geradezu aussichtslos geworden, wenn sie bei längerem Warten, etwa Nachts, mitten auf der sturmerregten Nordsee, die Brigg hätten verlassen müssen, ohne dass ein fremdes Schiff zu ihrer Aufnahme bereit gewesen wäre. Sie folgten daher nur dem Gebote der Selbsterhaltung, wenn sie die Brigg im Stiche liessen, um sich auf den »Condor« zu retten. Nach Vorstehendem trifft weder den Kapitän noch die Mannschaft eine Schuld an dem Untergang des »Grossherzog Friedrich Franz«, und konnte der Spruch des Seeamts nur dahin ergehen, dass derselbe lediglich der Macht der Elemente beizumessen sei.

66. Spruch des Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 13. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonergaliote „"Wodan" von Papenburg. Strandung an der niederländischen Küste in der Nähe von Scheveningen.

Der Spruch des Seeamts zu Emden führt aus: Die zu Papenburg heimathberechtigt gewesene Schoonergaliote »Wodan« KCVW ist im Jahre 1861 auf der H. W. Meyer'schen Werft zu Papenburg aus Eichenholz gebaut; bei der in Gemässheit der Schiffsvermessungs-Ordnung vom 5. Juli 1872 stattgehabten Vermessung des Schiffes war der Netto-Raumgehalt desselben zu 410,3 Kubikmeter = 144,84 britischen Register-Tons ermittelt. Das Schiff gehörte einer Rhederei, bei welcher der Schiffsführer, Kapitän Anton Jongebloed in Papenburg, zu 11/3« betheiligt war, der Versicherungswerth des Schiffes betrug 23944 M., während dasselbe mit 20950 it. versichert war. Der »Wodan« trat seine letzte Reise am 1. August 1878, von Riga nach Rotterdam bestimmt, an; seine Besatzung bestand ausser dem

Schoonergaliote Wodan.

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noch länger zu halten, sondern dasselbe bereits am Nachmittage des 10. Oktober verliessen. Ihre Situation war schon damals eine in hohem Grade kritische, da die Brigg mit dem schweren Leck und dem gebrochenen Mast nicht mehr zu retten, ihrem Sinken jeden Augenblick entgegen zu sehen war. Sie wäre aber geradezu aussichtslos geworden, wenn sie bei längerem Warten, etwa Nachts, mitten auf der sturmerregten Nordsee, die Brigg hätten verlassen müssen, ohne dass ein fremdes Schiff zu ihrer Aufnahme bereit gewesen wäre. Sie folgten daher nur dem Gebote der Selbsterhaltung, wenn sie die Brigg im Stiche liessen, um sich auf den »Condor« zu retten. Nach Vorstehendem trifft weder den Kapitän noch die Mannschaft eine Schuld an dem Untergang des »Grossherzog Friedrich Franz«, und konnte der Spruch des Seeamts nur dahin ergehen, dass derselbe lediglich der Macht der Elemente beizumessen sei.

66. Spruch des Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 13. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonergaliote „"Wodan" von Papenburg. Strandung an der niederländischen Küste in der Nähe von Scheveningen.

Der Spruch des Seeamts zu Emden führt aus: Die zu Papenburg heimathberechtigt gewesene Schoonergaliote »Wodan« KCVW ist im Jahre 1861 auf der H. W. Meyer'schen Werft zu Papenburg aus Eichenholz gebaut; bei der in Gemässheit der Schiffsvermessungs-Ordnung vom 5. Juli 1872 stattgehabten Vermessung des Schiffes war der Netto-Raumgehalt desselben zu 410,3 Kubikmeter = 144,84 britischen Register-Tons ermittelt. Das Schiff gehörte einer Rhederei, bei welcher der Schiffsführer, Kapitän Anton Jongebloed in Papenburg, zu 11/3« betheiligt war, der Versicherungswerth des Schiffes betrug 23944 M., während dasselbe mit 20950 it. versichert war. Der »Wodan« trat seine letzte Reise am 1. August 1878, von Riga nach Rotterdam bestimmt, an; seine Besatzung bestand ausser dem

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Kapitän Jongebloed aus dem Steuermann Wolbert Möhlmann, zwei Vollmatrosen, einem Leichtmatrosen und einem Koch, mithin im Ganzen aus 6 Personen, von denen Kapitän und Steuermann 18 bezw. 10 Jahre zur See gefahren, die Navigationsschule zu Papenburg besucht und dort ihre Steuermannsprüfung, der Kapitän ausserdem auch die Schiiferprüfung — und zwar als Schiffer für grosse Fahrt —, bestanden haben. Die Ladung des »Wodan«, welcher zuletzt in Gothenburg im Jahre 1877 nachgesehen war, bestand auf der fraglichen Reise aus 861 Stück Balken von zusammen 10061 Kubikfuss Rauminhalt, von denen sich 41 Stück auf Deck befanden; der Kapitän hatte ausserdem für eigene Rechnung noch 50 Stück Sparren mitgenommen , welche zur besseren Stauung der Ladung verwendet worden waren. Mit dieser Ladung hatte das Schiff angeblich einen Tiefgang von 9 Fuss mit einer Auswässerung von 3Va bis 4 Fuss, und soll sich dasselbe bei der Ausfahrt von Riga 'im Uebrigen in einem seetüchtigen Zustande befunden haben. Der Kapitän giebt dabei zwar zu, dass es nicht mehr völlig dicht gewesen sei, bemerkt jedoch zugleich, dass nach Verlauf von 12 Stunden mit 100 bis 150 Schlägen lens gepumpt sei, und unter solchen Umständen das Wasser auch niemals an die Ladung habe gelangen können. Bis zum 17. August 1878 ist nun die Reise des »Wodan« ohne bemerkenswerthe Ereignisse verlaufen; man war am gedachten Tage nach dem Mittags — übrigens bei dicker Luft — aufgemachten Besteck auf 52 0 35' nördlicher Breite und 2 0 28' östlicher Länge angekommen, hatte auch damals 18 Faden Wasser gelothet. Abends um 6 Uhr war, nachdem während des ganzen Tages böiges Wetter geherrscht hatte, so gut als möglich lens gepumpt, beim Lothen fand man 16 Faden Wasser und steckte zwischen 7 und 8 Uhr des heftigen Windes aus WzN und hohen Seeganges wegen zwei Reffe in's Schoonersegel. Etwa 8 Uhr Abends, um die Zeit des Wechsels der Wache, kam sodann bei angeblich dicker diesiger Luft ein Feuer in Sicht, in welchem der Kapitän an seinem rothen Blicke dasjenige von Scheveningen erkannte, und wurde dasselbe OzS bei etwa 10 Seemeilen Abstand gepeilt. Um vom Lande frei zu bleiben, wurden nun die Reffe wieder aus dem Schoonersegel genommen, und lag das Schiff bis 9 l h Uhr Abends NzW über Steuerbord beim Winde, gleichwohl soll dasselbe, da der Wind mehr nach Norden herumging, durch die heftige Strömung immer mehr dem Lande zugetrieben sein, und ging man deshalb wieder über

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Backbord, worauf Abends um 11 Uhr, oder etwas später, das Schiff zum ersten Male aufstiess. Der Kapitän, der sich damals mit zwei Matrosen auf Wache befand, liess darauf und nachdem auch die übrige Mannschaft an Deck gekommen war, wieder über Steuerbord halsen, und gehorchte dabei das Schiff zwar dem Ruder, noch während des Halsens stiess dasselbe jedoch wiederholt heftig auf und wurde durch die heftige Strömung, obgleich man den Anker hatte fallen lassen, immer weiter dem Lande zugetrieben, so dass man sich nach kurzer Zeit mitten in der Brandung befand. Bereits nach Verlauf einer halben Stunde war das Schiff voll Wasser, auch ging das Ruder verloren und wurden Nachts etwa um 2 Uhr, als das Schiff in der heftigen Brandung zu kentern drohte, die Taljereepen gekappt, worauf beide Masten brachen. Darnach richtete sich das Schiff zwar wieder auf, und suchte man sich während der Nacht durch Flammboyen bemerklich zu machen, überzeugte sich jedoch bei Tagesanbruch, dass man auf die Aussenbänke von Brielle gerathen und das Schiff nicht mehr zu retten war. Es wurde daher Morgens um 7 Uhr die Nothflagge geheisst und um IOV2 Uhr Morgens der »Wodan« mittelst des Rettungsbootes von Maassluis verlassen. Schliesslich wird noch bemerkt, dass die mit dem Kapitän bezw. dem Steuermann auf Wache befindlich gewesenen Personen alle Stunde am Ruder bezw. auf dem Ausguck abgewechselt haben sollen, sowie dass der »Wodan« bei der fraglichen Gelegenheit total verloren gegangen und das angeblich durchnässte und zum Theil zerrissene Schiffsjournal nicht mehr hat herbeigeschafft werden können, endlich dass seitens des Reichskommissars für den Fall der Annahme eines den Schiffer treffenden Verschuldens Entziehung der Gewerbefugniss beantragt wurde. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e . Auf Grund der stattgehabten Verhandlungen, insbesondere der eigenen Angaben des Schiffsführers ist nun freilich als festgestellt anzusehen, dass der »Wodan« beim Antritt seiner Reise von Riga nicht mehr völlig dicht gewesen, der vorhandene Leck erscheint indessen als ein durchaus unerheblicher und war insbesondere mit Rücksicht auf die von dem »Wodan« eingenommene Holzladung für die Seetüchtigkeit desselben von keiner Bedeutung. Ferner hat sich nach dem Resultate der Verhandlungen das am Mittage des 17. August 1878 aufgemachte Besteck als ein völlig unrichtiges ausgewiesen, da einestheils der Wasserstand an dem 14

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durch dasselbe bestimmten Punkte 28 Faden beträgt, bei der Lothung dagegen nur 18 Faden gefunden sind und anderntheils die Entfernung jenes Punktes von Scheveningen zu gross ist, als dass der »Wodan« von dort aus bis Abends 8 Uhr in Sicht des Feuers von Scheveningen hätte gelangen können. Uebrigens wäre zur näheren Beurtheilung jenes Bestecks eine Vergleichung des Schiffsjournals rücksichtlich der Eintragungen der vorhergehenden Tage von besonderem Interesse gewesen, und ist es als ordnungswidrig zu tadeln, dass nicht für die Aufbewahrung der noch vorhandenen Reste des angeblich durchnässten und theilweise zerrissenen Journals gesorgt ist. Ueber die Unrichtigkeit seines Bestecks hätte sich nun aber auch der Kapitän sofort durch Einsicht der Karte, sowie fleissigeren Gebrauch des Lothes überzeugen können, hätte dadurch rechtzeitig in Erfahrung gebracht, dass er sich zu sehr dem Lande nähere und somit auch .rechtzeitig der drohenden Gefahr begegnen können. Dass nach einmal erfolgtem Aufstossen richtig manövrirt sei, ist zwar anzuerkennen, nach dem Vorbemerkten der Schiffer indessen von allem Verschulden an dem dem »Wodan« widerfahrenen SeeUnfälle nicht freizusprechen. Letzteres erscheint jedoch nicht erheblich genug, um den eventuellen Antrag des Reichskommissars auf Entziehung der Gewerbebefugniss rechtfertigen zu können, und geht darnach der Spruch des Seeamts dahin: Die am 17. August 1878 erfolgte Strandung des Schiffes »Wodan« ist auf ungenügenden Gebrauch des Lothes zurückzuführen, der Schiffer Jongebloed daher nicht ohne alles Verschulden, der Antrag des Reichskommissars auf Entziehung der Gewerbebefugniss jedoch unbegründet.

Gegen diesen Spruch des Seeamts hat der Reichskommissar Beschwerde eingelegt, und hat das Kaiserliche Oberseeamt in seiner Sitzung vom 13. Dezember 1878 entschieden, dass der Spruch des Königlich preussischen Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878 dahin abzuändern, dass dem Schiffer Anton Jongebloed aus Papenburg, die Befugniss zur Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen, ihm aber die Befugniss zur Ausübung des Steuermannsgewerbes zu belassen und die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens ausser Ansatz zu lassen.

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Gründe. Das Verschulden, welches das Seeamt dem Schiffer zur Last legt, hat es darin gefunden, 1. dass derselbe am Mittage des 17. August 1878 ein völlig unrichtiges Besteck aufgemacht, da einestheils der Wasserstand an dem durch dasselbe bestimmten Punkte 28 Faden betrage, bei der Lothung dagegen nur 18 Faden gefunden seien, anderntheils die Entfernung jenes Punktes von Scheveningen zu gross sei, als dass der »Wodan« von dort aus bis Abends 8 Uhr in Sicht des Feuers von Scheveningen habe gelangen können, 2. dass der Schiffer für die Aufbewahrung der Reste des angeblich durchnässten und theilweise zerrissenen Schiffsjournals nicht gesorgt habe, 3. dass derselbe nicht durch Einsicht der Karte und durch fleissigeren Gebrauch des Lothes sich überzeugt habe, wie sehr er sich dem Lande nähere, und dass er in Folge dessen der drohenden Gefahr nicht rechtzeitig begegnet habe. Der Reichskommissar hat dem Schiffer ausserdem zur Last gelegt, 4. dass derselbe sich um die Ebbe- und Fluth-Verhältnisse nicht gekümmert, 5. dass er dem Steuermann gegenüber, als dieser nach dem ersten Aufstossen des Schiffs ohne Zustimmung des Schiffers die Beisetzung aller Segel befohlen, sich passiv verhalten habe, 6. dass die Dispositionen des Schiffers in Bezug auf den Kurs und das Manövriren des Schiffs meistens unrichtig gewesen seien, 7. dass der Schiffer sich hinsichtlich des Feuers von Scheveningen vollständig geirrt habe, 8. dass derselbe es mit dem Auguck nicht genau genommen habe, 9. dass der Schiffer nach dem ersten Aufstossen des Schiffs und nach dem Verlust des Steuerruders nicht die richtigen Vorkehrungen getroffen habe, 10. dass der Schiffer mit dem »Wodan« die letzte Reise angetreten habe, obwohl das Schiff nicht mehr völlig dicht gewesen sei. Bei der erheblichen Zahl dieser Beschuldigungen ist in zweiter Instanz eine theilweise Wiederholung der Beweisaufnahme vorgenommen worden. Es hat sich dabei ergeben, dass der Leck, welchen der »Wodan« bei Antritt seiner letzten Reise hatte, durchaus unerheblich war und bei der Grösse des Schiffs und bei der Beschaffenheit seiner lediglich aus Holz bestehenden Ladung die Seetüchtigkeit des Fahrzeugs in keiner Weise beeinträchtigen konnte. Desgleichen

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hat sich herausgestellt, dass der Schiffer, als er sich am Abend des 17. August 1878 der niederländischen Küste näherte, das Feuer von Scheveningen ganz richtig erkannt hat. Auch auf dem Ausguck ist nichts versäumt worden, und die Befehle, welche der Schiffer vom ersten Aufstossen des Schiffs an ertheilte, sind durchaus sachgemäss gewesen; namentlich hatte er keinen Anlass, dem Steuer mann entgegenzutreten, als der letztere nach diesem Ereigniss das Beisetzen aller Segel anordnete. In diesen Punkten trifft mithin den Schiffer kein Vorwurf. Dagegen hat er sich folgender Pflichtverletzungen schuldig gemacht: I. In der von dem Königlich niederländischen Cantongericht zu Brielle am 20. August 1878, also am dritten Tage nach dem Seeunfall, aufgenommenen Verklarung hat die gesammte Schiffsbesatzung des »Wodan« mit Ausnahme des Kochs Springfeld ausgesagt und beschworen, dass das Schiff sich am 17. August 1878, Mittags, nach dem damals aufgemachten Besteck unter 52° 35' nördlicher Breite und 2° 28' östlicher Länge befunden und dass man zu dieser Zeit 18 Faden Wasser gelothet habe. Bei ihrer Vernehmung in erster Instanz haben der Schiffer die erreichte geographische Länge und Breite, der Steuermann Moehlmann die gelothete Wassertiefe für den Mittag des 17. August 1878 genau in Uebereinstimmung hiermit angegeben. Erst in zweiter Instanz ist der Schiffer mit der Behauptung hervorgetreten, dass diese Angaben aus dem Gedächtniss gemacht seien und deshalb keinen Anspruch auf Genauigkeit hätten, möglicher Weise auch nicht das Ergebniss des Bestecks vom Mittag des 17., sondern dasjenige des Bestecks vom Mittag des 16. August 1878 darstellten. Indessen kann nicht angenommen werden, dass die gedachten Angaben über die Ortsbestimmung und die Wassertiefe auf einer andern Grundlage als der genauen Erinnerung an das Ergebniss einer wirklich erfolgten Besteckaufmachung beruhen. Denn wenn man erwägt, dass, abgesehen von den Aussagen in der Verklarung, der Schiffer und der Steuermann von dem Vorsitzenden des Seeamts vor der Hauptverhandlung erster Instanz zu ganz verschiedenen Zeiten, nämlich der Schiffer am 7. Oktober, der Steuermann am 81. August 1878 vernommen worden sind, und dass sie damals trotz ihrer getrennten Vernehmung Aussagen gemacht haben, welche unter einander und mit der Verklarung übereinstimmten und ohne jeden Vorbehalt einer möglichen Unsicherheit der Erinnerung abgegeben wurden, so erscheint es völlig unglaublich,

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dass die erwähnte Bestimmung der geographischen Breite und Länge und der Wassertiefe von jenen beiden Personen nicht auf Grund einer thatsächlich vorgenommenen Besteckaufmachung angezeigt worden, sondern das Resultat einer blossen ungefähren Erinnerung gewesen sein soll. Berücksichtigt man weiter, dass der Schiffer und der Steuermann, wie sie einräumen, sowohl am 16. als am 17. August 1878, Mittags, gemeinschaftlich das Besteck aufgemacht haben, so kommt man mit Nothwendigkeit zu dem Schluss, dass sie jedenfalls an einem von diesen beiden Tagen bei Aufmachung des Bestecks den Ort des Schiffs auf 52° 35' nördlicher Breite und 2° 28' östlicher Länge bestimmt und 18 Faden Wassertiefe gelothet haben. Aber eben so unzweifelhaft ist es, dass diese Feststellung eine unrichtige War. Hat sie am Mittag des 17. August stattgefunden, so war sie deshalb falsch, weil, wie das Seeamt zutreffend ausgeführt hat, einerseits an dem Punkte, in welchem die angegebenen Breitenund Längen-Grade einander schneiden, die Wassertiefe nach den Seekarten nicht 18, sondern 28 Faden beträgt, andererseits der »Wodan« bei dem Maasse seiner Fahrgeschwindigkeit von diesem Punkte aus unmöglich sich bis zum Abend desselben Tages so weit der niederländischen Küste hätte nähern können, dass er das Feuer von Scheveningen in Sicht bekam. Wollte man aber annehmen, dass die fragliche Feststellung am Mittag des 16. August erfolgt sei, so käme in Betracht, dass der »Wodan«, da er am Abend vorher das Feuer von Terschelling gesehen hatte, nach dem von hier aus laut der Verklarung gewählten Kurse (SSW und dann SzWViW) unfehlbar nicht an die niederländische, sondern an die britische Küste gelangt sein würde. Das erwähnte Besteck ist hiernach unter allen Umständen ein unrichtiges gewesen. Um es zu prüfen, war nur erforderlich, dass der Schiffer das Ergebniss der Lothung mit der Wassertiefe verglich, welche sich auf der Seekarte an dem durch das Besteck ermittelten Punkte angegeben fand. Diese Vergleichung hat er zweifellos entweder ganz unterlassen oder so flüchtig ausgeführt, dass dieselbe dadurch werthlos wurde, denn sonst hätte ihm die beträchtliche Differenz zwischen 18 und 28 Faden Wassertiefe sofort zeigen müssen, dass das Besteck falsch war. II. Die hauptsächlichste Ursache der Strandung des »Wodan« ist darin zu finden, dass der Schiffer, nachdem er sich entschlossen hatte, die flache niederländische Küste bei Nacht anzusteuern, sich über die zur Zeit dort herrschenden Strömungsverhältnisse, sowie

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über Zeit und Richtung von Ebbe und Fluth in keiner Weise unterrichtet hat, wie dies unter allen Umständen seine Pflicht gewesen wäre. Es geht dies mit voller Klarheit aus den Manövern hervor, welche er, nachdem das Leuchtfeuer von Scheveningen in Sicht gekommen, mit dem Schiffe ausgeführt hat. Nach den Aussagen des Schiffers, des Steuermanns Moehlmann und der Vollmatrosen Eissen und Bollen ist das Feuer von Scheveningen am 17. August 1878, Abends, entweder kurz vor oder bald nach 8 Uhr zuerst auf dem »Wodan« gesehen worden. Wenn der Schiffer hierauf, wie er angiebt, zunächst über Steuerbord nach Norden hinauflag, so handelte er damit ganz richtig, und wenn er im weiteren Verlauf der Nacht, selbst als der Wind, wie er angiebt, von WzN nach NW herumging, bis zum Eintritt der Fluth über Steuerbord liegen geblieben wäre, so würde bei der stark laufenden Ebbe die Strandung muthmaasslich vermieden worden sein. Statt dessen hat der Schiffer nach seiner und des Steuermanns Aussage das Schiff um Uhr Abends über Backbord gelegt. Als Grund dafür giebt der Schiffer an, dass er, da das Feuer von Scheveningen nicht durchgesegelt worden, geglaubt habe, der Küste zu nahe zu kommen, zumal der Wind nach Nordwest herumgegangen sei. Dieser Grund kann indessen das Verfahren des Schiffers nicht rechtfertigen. Wenn er die Ebbe- und Fluth - Verhältnisse in Rechnung gezogen hätte, so hätte ihm klar werden müssen, dass ein erhebliches Durchsegeln des Leuchtfeuers bei dem Kurse, der Abtrift, der geringen Fahrt des Schiffes von 4V4 Seemeilen und bei einer starken Strömung auf dem Leebug nicht stattfinden konnte, dass aber auch eine gefährliche Annäherung an die Küste in der Richtung auf Scheveningen noch nicht zu befürchten war. Anders gestaltete sich die Sache, sobald das Schiff über Backbord gelegt wurde. Der Kurs, welchen das Schiff über Backbord bei Nordwestwind über den Grund gehen musste, kann bei der Abtrift, welche unter den damaligen Wind- und Wetter-Verhältnissen mit zwei Strich sehr gering berechnet wird, und bei der herrschenden Ebbeströmung höchstens SWzS gewesen sein. Berücksichtigt man dabei, dass das Schiff, als das Feuer von Scheveningen in Sicht kam, von diesem nach dem Zeugniss des Steuermanns sich in 10 Seemeilen Abstand OzS befand, und zieht man ferner den von diesem Zeitpunkt an gesegelten Kurs in Betracht, so gelangt man zu dem Ergebniss, dass der um 9V2 Uhr Abends eingeschlagene Weg mit

Schoonergaliote Wodan.

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Nothwendigkeit das Schiff gerade auf die Stelle führen musste, an welcher es um 11 Uhr Abends vor Brielle strandete. Genau haben zwar weder der Schiffer noch die vernommenen Zeugen diese Stelle angeben können, allein dieser Mangel in dem Ergebniss der Beweisaufnahme ist für die Beurtheilung des vom Schiffer beobachteten Verfahrens ohne Erheblichkeit. III. Nach den übereinstimmenden Angaben des Schiffers und des Steuermanns ist auf dem »Wodan« zum letzten Male am 17. August Abends 6 Uhr und seitdem nicht mehr gelothet worden. Diese Unterlassung fällt um so schwerer in's Gewicht, als das Schiff sich von 6 Uhr ab dem Lande stetig näherte. Hätte der Schiffer nach diesem Zeitpunkt in gewissen Zwischenräumen gelothet, so würde er, namentlich als das Schiff über Backbord mit südwestlichem Kurse anlag, ersehen haben, dass seine Erwartung, auf diesem Wege vom Lande abzukommen, ungerechtfertigt war und er besser gethan hätte, wieder über Steuerbord zu gehen und sich nordwärts zu wenden. IV. Das Schiffsjournal des »Wodan« ist nach Angabe des Schiffers in Folge der Strandung nass geworden und theilweise zerrissen. Der Steuermann sagt aus, er habe dasselbe, als die Besatzung des »Wodan« nach dem Unfall von einem Rettungsboote abgeholt worden, in das letztere geworfen. Die weiteren Auslassungen beider Personen lassen keinen Zweifel darüber, dass das Journal aus dem Rettungsboot an's Land gebracht worden ist; über seinen ferneren Verbleib aber ist keine Auskunft zu erlangen gewesen. Der Schiffer hat nur hinzugefügt, das Journal sei wegen seines beschädigten Zustandes nicht weiter zu brauchen gewesen und deshalb nicht mehr beachtet worden, so dass es verloren gegangen sei. Bei Ablegung der Verklarung ist das Journal nicht vorgelegt worden. Das Schiffsjournal ist ein wichtiges Beweismittel für die Feststellung der Begebenheiten, welche sich während der Reisen eines Schiffes ereignet haben (Handelsgesetzbuch Art. 486—488); für manche Fälle ist es durch andere Beweismittel überhaupt nicht zu ersetzen. Es ist zur Beurkundung nicht nur für Ereignisse, welche das Schiff und die darauf befindlichen Personen und Güter betroffen haben, sondern auch für Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft bestimmt (Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 §§ 34, 46, 47, 57, 77, 80, 85). Deshalb legt die Strandungsordnung vom 17. Mai 1874 § 11 besonderen Nachdruck darauf, dass bei einem Unfall das Journal alsbald in Sicherheit gebracht werde,

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Schoonergaliote Wodan.

indem sie den Strandvogt verpflichtet, im Falle der Bergung »zun ä c h s t die Schiffs- und Ladungspapiere, i n s b e s o n d e r e das Schiffsjournal an sich zu nehmen, das letztere so bald als möglich mit dem Datum und seiner Unterschrift abzuschliessen und demnächst sämmtliche Papiere dem Schiffer zurückzugeben«. Für den Schiffer ergiebt sich daraus die Verpflichtung, alles aufzubieten, damit bei einem Seeunfall das Journal gerettet werde. Der Schiffer Jongebloed ist dieser Pflicht nicht nachgekommen. Sein Einwand, dass das Journal in Folge der Strandung durchnässt und theilweise zerrissen gewesen, ist nicht geeignet, sein Verhalten zu rechtfertigen; denn er hat nicht einmal behauptet, dass das Journal dadurch in allen Theilen vollständig unlesbar geworden sei. Selbst wenn aber letzteres wirklich der Fall gewesen wäre, so hätte es ihm obgelegen, die Ueberreste des Journals einer Behörde zu übergeben, um durch diese feststellen zu lassen, dass das Journal für seinen Zweck, als Beweismittel zu dienen, nicht weiter verwendbar war. Es trifft hiernach den Schiffer Jongebloed der Vorwurf, dass er ein unrichtiges Besteck gemacht und die Anwendung der zur Prüfung und Richtigstellung desselben geeigneten Mittel nachlässiger Weise versäumt, dass er ferner, als er sich der niederländischen Küste näherte, das Lothen ganz unterlassen, dass er sodann am 17. August 1878 Abends von 9'As Uhr ab, ohne die für die richtige Wahl des Kurses unbedingt maassgebenden Verhältnisse in Ueberlegung zu nehmen, dem Schiffe eine Richtung gegeben hat, welche dasselbe zur Strandung führen musste, und dass er endlich nach der letzteren für die Bewahrung des Schiffsjournals nicht Sorge getragen hat. Unter diesen Umständen kann der Annahme des Seeamts, das Verschulden des Schiffers an dem Seeunfall erscheine nicht erheblich genug, um den Antrag des Reichskommissars auf Entziehung der Gewerbebefugniss zu rechtfertigen, nicht beigetreten werden. Die festgestellte vierfache Verschuldung des Schiffers zeigt, dass er sich der Verantwortlichkeit nicht genügend bewusst gewesen ist, welche sein Beruf ihm auferlegte. Das Handelsgesetzbuch Art. 478 verpflichtet den Führer eines Schiffs, bei allen Dienstverrichtungen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Diese Sorgfalt ist die wesentlichste Pflicht des Schiffers, und gerade an ihr hat es der Führer des »Wodan« in mehrfacher Beziehung fehlen lassen. Es mangelt ihm mithin die hauptsächlichste Eigenschaft, welche zur Ausübung des Schiffergewerbes erforderlich ist; die letztere kann ihm deshalb nach dem Gesetz, betreffend die

Schooner Diogenes.

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Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 § 26 nicht ferner gestattet werden. Dagegen liegt kein Anlass vor, dem Schiffer Jongebloed zugleich die Ausübung des Steuermannsgewerbes zu untersagen. Dass er die hierzu erforderlichen Eigenschäften in ausreichendem Maasse besitzt, unterliegt nach dem Eindruck, welchen seine Vernehmung bei der Hauptverhandlung zweiter Instanz gemacht hat, in keiner Beziehung einem Bedenken. Die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens bleiben nach der Geschäftsordnung für das Oberseeamt vom 3. Mai 1878, § 11, ausser Ansatz.

67. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Diogenes" von Swinemünde. Schiff in der Ostsee gesunken.

In Sachen wegen Untersuchung des Seeunfalles, von welchem im Anfange des Jahres 1878 das Schiff »Diogenes« betroffen worden, hat das Seeamt für festgestellt erachtet: dass das Schiff »Diogenes« Anfang des Jahres 1878 auf der Reise von Pillau nach Christiania in Folge eines Seeunfalles, welcher dasselbe an der pommerschen Küste in der Nähe von Kolbergermünde betroffen hat, gesunken und nebst der ganzen Besatzung zu Grunde gegangen, die Art dieses Unfalles aber nicht zu ermitteln ist. Gründe. Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes als erwiesen anzusehen. Am 31. Dezember 1877 verliess der Schooner »Diogenes« mit einer nach Christiania bestimmten Ladung Erbsen unter Führung seines Eigenthümers, des Schiffskapitäns Georg Behrns, mit 3 Mann Besatzung den Hafen von Pillau, hat aber Christiania nicht erreicht. Anfangs Februar 1878 sahen Lachsfischer an der pommerschen Küste an einer Stelle der See, ungefähr eine deutsche Meile von Kolbergermünde entfernt, das Heck eines Schiffes aus dem Wasser ragen. Des hohen Wellenganges wegen konnten sie sich zwar nicht dicht bis zu demselben begeben, doch aber so nahe, dass sie auf

Schooner Diogenes.

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Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 § 26 nicht ferner gestattet werden. Dagegen liegt kein Anlass vor, dem Schiffer Jongebloed zugleich die Ausübung des Steuermannsgewerbes zu untersagen. Dass er die hierzu erforderlichen Eigenschäften in ausreichendem Maasse besitzt, unterliegt nach dem Eindruck, welchen seine Vernehmung bei der Hauptverhandlung zweiter Instanz gemacht hat, in keiner Beziehung einem Bedenken. Die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens bleiben nach der Geschäftsordnung für das Oberseeamt vom 3. Mai 1878, § 11, ausser Ansatz.

67. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Diogenes" von Swinemünde. Schiff in der Ostsee gesunken.

In Sachen wegen Untersuchung des Seeunfalles, von welchem im Anfange des Jahres 1878 das Schiff »Diogenes« betroffen worden, hat das Seeamt für festgestellt erachtet: dass das Schiff »Diogenes« Anfang des Jahres 1878 auf der Reise von Pillau nach Christiania in Folge eines Seeunfalles, welcher dasselbe an der pommerschen Küste in der Nähe von Kolbergermünde betroffen hat, gesunken und nebst der ganzen Besatzung zu Grunde gegangen, die Art dieses Unfalles aber nicht zu ermitteln ist. Gründe. Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes als erwiesen anzusehen. Am 31. Dezember 1877 verliess der Schooner »Diogenes« mit einer nach Christiania bestimmten Ladung Erbsen unter Führung seines Eigenthümers, des Schiffskapitäns Georg Behrns, mit 3 Mann Besatzung den Hafen von Pillau, hat aber Christiania nicht erreicht. Anfangs Februar 1878 sahen Lachsfischer an der pommerschen Küste an einer Stelle der See, ungefähr eine deutsche Meile von Kolbergermünde entfernt, das Heck eines Schiffes aus dem Wasser ragen. Des hohen Wellenganges wegen konnten sie sich zwar nicht dicht bis zu demselben begeben, doch aber so nahe, dass sie auf

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D a m p f e r Pacific and Galeasse Anna.

seiner Hinterfläche die in weisser Oelfarbe geschriebenen Worte »Diogenes aus Stralsund« lesen und wahrnehmen konnten, dass menschliche Wesen auf dem Wrack sich nicht befanden. Eine solche Aufschrift und auch in weisser Oelfarbe trug aber das fragliche Schiff. Polizeiliche und von der Ehefrau des Kapitäns Behrns angestellte Ermittelungen über den Verbleib der Schiffsbesatzung sind fruchtlos geblieben, desgleichen die zu 2 Malen in einem Zeitraum von 6 Wochen durch das Seeamt in den gelesensten Handels-Zeitungen Stettins, Königsbergs nnd Hamburgs erlassenen Aufforderungen, über den Verbleib von Schiff und Besatzung Mittheilung zu machen. Das Schiff selbst, die Frachtgelder und Effekten des Kapitäns und die Ladung sind bei 3 verschiedenen Gesellschaften versichert gewesen. Dieselben haben die Versicherungsgelder theils schon ausgezahlt, theils nur aus formellen Gründen dies bisher nicht gethan, aber auch diese Letzteren zweifeln an dem Untergange des Schiffes nicht und seitens des Königlichen Seeund Handels-Gerichts zu Stettin ist dasselbe als verschollen im Schiffsregister gelöscht. Auch dem Seeamte konnte hiernach ein Zweifel darüber, dass das fragliche Schiff in Folge eines Seeunfalles gesunken und die ganze Besatzung zu Grunde gegangen sei, nicht aufkommen. Betreffs der Art dieses Unfalles fehlt es aber in Ermangelung von Beweismitteln an jedem Anhalte, weshalb nur übrig blieb, die e r s t e r e Thatsache zu konstatiren, in l e t z t e r e r Beziehung aber die Resultatlosigkeit der Untersuchung auszusprechen.

68. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreifend den Zusammenstoss des britischen Dampfers „Pacific" und der deutschen Galeasse „Anna" von Stralsund. Zusammenstoss auf der Oder, bei welchem das Segelschiff erheblich beschädigt wurde. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1878, Art. 1 5 .

In Sachen wegen Untersuchung des Unfalles, von welchem am 20. März 1878 die Galeasse »Anna« in der Oder betroffen worden, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der Unfall, von welchem am 20. März 1878 die Galeasse »Anna« auf der Oder in Folge einer Kollision mit dem

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D a m p f e r Pacific and Galeasse Anna.

seiner Hinterfläche die in weisser Oelfarbe geschriebenen Worte »Diogenes aus Stralsund« lesen und wahrnehmen konnten, dass menschliche Wesen auf dem Wrack sich nicht befanden. Eine solche Aufschrift und auch in weisser Oelfarbe trug aber das fragliche Schiff. Polizeiliche und von der Ehefrau des Kapitäns Behrns angestellte Ermittelungen über den Verbleib der Schiffsbesatzung sind fruchtlos geblieben, desgleichen die zu 2 Malen in einem Zeitraum von 6 Wochen durch das Seeamt in den gelesensten Handels-Zeitungen Stettins, Königsbergs nnd Hamburgs erlassenen Aufforderungen, über den Verbleib von Schiff und Besatzung Mittheilung zu machen. Das Schiff selbst, die Frachtgelder und Effekten des Kapitäns und die Ladung sind bei 3 verschiedenen Gesellschaften versichert gewesen. Dieselben haben die Versicherungsgelder theils schon ausgezahlt, theils nur aus formellen Gründen dies bisher nicht gethan, aber auch diese Letzteren zweifeln an dem Untergange des Schiffes nicht und seitens des Königlichen Seeund Handels-Gerichts zu Stettin ist dasselbe als verschollen im Schiffsregister gelöscht. Auch dem Seeamte konnte hiernach ein Zweifel darüber, dass das fragliche Schiff in Folge eines Seeunfalles gesunken und die ganze Besatzung zu Grunde gegangen sei, nicht aufkommen. Betreffs der Art dieses Unfalles fehlt es aber in Ermangelung von Beweismitteln an jedem Anhalte, weshalb nur übrig blieb, die e r s t e r e Thatsache zu konstatiren, in l e t z t e r e r Beziehung aber die Resultatlosigkeit der Untersuchung auszusprechen.

68. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreifend den Zusammenstoss des britischen Dampfers „Pacific" und der deutschen Galeasse „Anna" von Stralsund. Zusammenstoss auf der Oder, bei welchem das Segelschiff erheblich beschädigt wurde. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schiffe auf See vom 23. Dezember 1878, Art. 1 5 .

In Sachen wegen Untersuchung des Unfalles, von welchem am 20. März 1878 die Galeasse »Anna« in der Oder betroffen worden, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der Unfall, von welchem am 20. März 1878 die Galeasse »Anna« auf der Oder in Folge einer Kollision mit dem

Dampfer Pacific und Galeasse Anna.

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britischen Dampfer »Pacific« betroffen ist, in einem Irrthum des Lootsen des »Pacific« seinen Grund hat. Der von dem Reichskommissar gegen den Schiffer der »Anna« (Kapitän Hoffschild) gestellte Antrag auf Konzessionsentziehung ist abgelehnt. G r ü n d e . Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes als erwiesen anzusehen: Am 20. März 1878 ging der britische Dampfer »Pacific« unter Führung des Lootsen Trettin II. von Stettin nach Swinemünde. Der Wind war aus NNW, der Strom ausgehend und stark. Als das Schiff etwa eine Meile unterhalb in die Nähe des Kavelwischer Kruges gekommen war, wo die Oder vorzugsweise schmal ist, kreuzte vor ihm die ebenfalls stromabwärtsgehende Galeasse »Anna« — Kapitän und Steuermann Hermann Hoffschild —. Dieselbe lag an der rechten Seite des Stromes mit dem Hintertheile nahe an dessen Ufer, hatte die Klüverschote aufgefiert und das Stagfocksegel back. So blieb sie etwa vier Minuten liegen. Der Lootse schloss aus diesem Stillliegen der »Anna« in Verbindung damit, dass er schon 600 bis 800 Schritte vorher die Dampfpfeife seines Schiffes hatte ertönen lassen, dass die »Anna« festgerathen sei und nicht fortkommen k ö n n e , nahm aber auch ausserdem an, dass sie jedenfalls so lange an ihrer Stelle liegen bleiben würde und müsse, bis der Dampfer sie passirt hätte. Er liess deshalb sein Schiff, welches er ganz langsam hatte gehen lassen, als es nur noch etwa zwei Schiffslängen von der »Anna« entfernt war, wieder etwas schneller gehen und zwar mit einer Wendung nach links. Beinahe gleichzeitig jedoch liess auch die »Anna« Stagfocksegel fliegen, stellte die anderen Segel voll und hielt nach der anderen Seite hinüber. Sobald dieses Manöver auf dem »Pacific« bemerkt wurde, liess der Lootse desselben zwar sofort die Maschine stoppen und rückwärts gehen. Bei der Kürze der Entfernung aber — etwa eine Schiffslänge — konnte diese Maassregel den Zusammenstoss der Schiffe nicht mehr hindern. Die »Anna« trieb dem »Pacific« vor den Bug und stiess an ihrer Backbordseite so stark mit diesem zusammen, dass ihr sofort ein Mann über Bord fiel und Regeling, Schanzkleidung, Stützen, Leibholz und vier Gänge Planken zerbrachen, auch ein Segel zerriss. Der Mann wurde vom Dampfer aus gerettet. Die Galeasse kehrte zu ihrer Reparatur nach Stettin zurück, während der ganz unbeschädigt gebliebene »Pacific« seine Reise fortsetzte.

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Dampfer Pacific und Galeasse Anna.

Bei dieser Sachlage muss es zunächst als eine unrichtige Auffassung des Lootsen bezeichnet werden, wenn er annimmt, dass die Galeasse durch die Pfeife des Dampfers gewarnt an der rechten Seite des Ufers hätte warten müssen, bis der Dampfer sie passirt ibatte. Es fehlt für ein derartiges an die Galeasse zu stellendes Verlangen an jeder gesetzlichen Vorschrift. Auch die Umstände geboten ein solches Liegenbleiben der Galeasse nicht, im Gegentheil hätte ihr dasselbe geradezu gefahrlich werden müssen. Das Schiff' war in der Wendung begriffen. Es hätte dieselbe nur durch Fallenlassen der Segel oder durch Ankerwerfen unterbrechen können. In dem ersten Falle war für das Schiff Gefahr, dass es festkam oder die Fahrt sperrte, das Letztere war auch im zweiten Falle zu befürchten. Nach Art. 15 der Kaiserlichen Verordnung vom 23. Dezember 1871 muss ein Dampfschiff einem Segelschiff aus dem Wege gehen. Dass solches auch hier geschehen würde, durfte die Galeasse um so mehr annehmen, als sie sich in dem schwierigen Manöver des Kreuzens befand. Ihren eigenen Kurs aber, d. h. hier also das Wenden, d u r f t e sie nicht blos, sondern m u s s t e sie sogar fortsetzen, da besondere Umstände, durch welche sie sich hiervon hätte abhalten lassen müssen, nicht vorlagen, ihr Führer vielmehr mit Grund annehmen durfte, dass der »Pacific« so lange stoppen würde, bis sie die Wendung vollendet und an ihm vorbei nach dem anderen Ufer gegangen sei, der »Pacific« aber hinter ihr passiren würde. Daran, dass dieses nicht geschah, ist lediglich die Annahme des Lootsen Trettin II. Schuld, die »Anna« sei auf Grund gerathen und liege fest. Diese Annahme hat aber der Wirklichkeit nicht nur nicht entsprochen (denn sonst hätte eben die Galeasse nicht wenden können), sondern es hätte auch bei richtigerer Erwägung der Umstände dem Lootsen Trettin II. garnicht entgehen können, dass ein solsches Hinderniss für die »Anna« garnicht vorliege. Vor allen Dingen nämlich braucht ein Schiff von der Beschaffenheit der »Anna« überhaupt nicht weniger Zeit zum Wenden als ungefähr vier Minuten, sodann schloss auch schon die Lage der »Anna« mit dem Vordertheil in den Strom die Annahme, dass sie mit dem Hintertheil festgefahren sei, geradezu aus, da sie in diesem Falle durch den starken Strom längs Ufer hätte gelegt werden müssen. Den Schiffer und Steuermann Hoffschild trifft hiernach an der Kollision nicht die geringste Schuld und konnte somit auch von einer auf Grund des § 26 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877

Bark Camilla.

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gegen ihn auszusprechenden Konzessionsentziehung nicht die Rede sein, wiewohl seitens des Reichskommissars (allerdings nur um die Prüfung dieser Frage dem Seeamte zu e r m ö g l i c h e n ) der Antrag auf Konzessionsentziehung gestellt worden ist. Vielmehr ist als einzige Ursache des Unfeiles der dahin gehende Irrthum des Lootsen Trettin II. anzusehen, dass die Galeasse »Anna« so lange an dem rechten Ufer liegen bleiben würde oder müsse, bis der »Pacific« sie passirt habe. Nicht zu verkennen ist, dass bei vollständigster Anwendung von Aufmerksamkeit und Ueberlegung Trettin II. diesen Irrthum als solchen hätte ansehen müssen. Auf der anderen Seite gereicht ihm aber wieder zur Entschuldigung, dass längeres Stoppen beziehungsweise Zurückgehen der Maschine des »Pacific« bei dem starken Aussenstrom und widrigen Winde seinem eigenen Schiffe insofern nicht ungefährlich war, als es auf das Ufer hätte getrieben werden können, dass also die Sorge um sein Schiff es ihm wünschenswerth machen musste, so schnell wie möglich bei der »Anna« vorbeizukommen und aus diesem Grunde sein Urtheil wohl etwas befangen sein konnte.

69. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Bark „Camilla" von Greifswald. Strandung an der pomraerschen Küste, in der Nähe von Gross-Horst.

In Sachen wegen Untersuchung des Seeunfalles, von welchem in der Nacht zum 18. April 1878 die Bark »Camilla« bei Dievenow betroffen worden, hat das Seeamt zu Stettin seinen Spruch dahin abgegeben: dass die Strandung des gedachten Schiffes in der Nacht zum 18. April 1878 an der pommerschen Küste darin ihren Grund hat, dass das Schiff durch eine Strömung versetzt worden ist. Der von dem Reichskommissar gegen den Kapitän des Schiffes gestellte Antrag auf Konzessionsentziehung ist abgelehnt. G r ü n d e . Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes ais erwiesen anzusehen:

Bark Camilla.

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gegen ihn auszusprechenden Konzessionsentziehung nicht die Rede sein, wiewohl seitens des Reichskommissars (allerdings nur um die Prüfung dieser Frage dem Seeamte zu e r m ö g l i c h e n ) der Antrag auf Konzessionsentziehung gestellt worden ist. Vielmehr ist als einzige Ursache des Unfeiles der dahin gehende Irrthum des Lootsen Trettin II. anzusehen, dass die Galeasse »Anna« so lange an dem rechten Ufer liegen bleiben würde oder müsse, bis der »Pacific« sie passirt habe. Nicht zu verkennen ist, dass bei vollständigster Anwendung von Aufmerksamkeit und Ueberlegung Trettin II. diesen Irrthum als solchen hätte ansehen müssen. Auf der anderen Seite gereicht ihm aber wieder zur Entschuldigung, dass längeres Stoppen beziehungsweise Zurückgehen der Maschine des »Pacific« bei dem starken Aussenstrom und widrigen Winde seinem eigenen Schiffe insofern nicht ungefährlich war, als es auf das Ufer hätte getrieben werden können, dass also die Sorge um sein Schiff es ihm wünschenswerth machen musste, so schnell wie möglich bei der »Anna« vorbeizukommen und aus diesem Grunde sein Urtheil wohl etwas befangen sein konnte.

69. Spruch des Seeamts zu Stettin vom 30. November 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Bark „Camilla" von Greifswald. Strandung an der pomraerschen Küste, in der Nähe von Gross-Horst.

In Sachen wegen Untersuchung des Seeunfalles, von welchem in der Nacht zum 18. April 1878 die Bark »Camilla« bei Dievenow betroffen worden, hat das Seeamt zu Stettin seinen Spruch dahin abgegeben: dass die Strandung des gedachten Schiffes in der Nacht zum 18. April 1878 an der pommerschen Küste darin ihren Grund hat, dass das Schiff durch eine Strömung versetzt worden ist. Der von dem Reichskommissar gegen den Kapitän des Schiffes gestellte Antrag auf Konzessionsentziehung ist abgelehnt. G r ü n d e . Durch die stattgehabte Beweisaufnahme ist Folgendes ais erwiesen anzusehen:

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Bark Camilla.

Am 17. April 1878, 9 Uhr Morgens, verliess das Schiff »Camilla« (Kapitän Robert Beckmann) in durchaus seetüchtigem Zustande mit einem Lootsen an Bord und einer leichten SSO-Briese den Hafen von Swinemünde. Um 9 '/a Uhr passirte es den Feuerthurm der Ostmole und um 93/4 Uhr verliess der Lootse das Schiff. Während des Tages segelte dasselbe mit dem Kurse NOzOVaO in Sicht der Küste. Der Wind kam aus Ost und war flau. Um 4 Uhr wurde die Bake nordöstlich von Swinhöft SzW, ungefähr 12 Seemeilen ab gepeilt. Das Schiff führte seit dieser Zeit alle Segel mit Ausnahme der Oberbramsegel, der Bramstagsegel und des Aussenklüvers. Um 8 Uhr Abends liess der Kapitän, welcher jetzt selbst die Wache hatte, das Schiff wenden, um den Adlergrund zu vermeiden, dem er sonst zu nahe zu kommen fürchtete. Hierauf steuerte das Schiff SOzS, also der Küste zu. Um 10 Uhr wurde 6 Faden Wasser gelothet, die Luft wurde dick, neblig mit Regen und hemmte jede Aussicht. Das Lothen wurde auch später noch mehrere Male wiederholt und ergab eine ziemlich gleichbleibende Wassertiefe. Um l l ' / a U h r setzte der Kapitän die Segelung auf der Karte ab und fand, dass das Schiff, welches seit 8 Uhr 18 Meilen Fahrt gemacht hatte, noch etwa 11 Meilen von dem Lande entfernt sein musste. Um 12 Uhr beabsichtigte der Kapitän das Schiff wiederum wenden zu lassen. Er wollte gerade diesen Zeitpunkt abwarten, weil dann die neue Wache käme und alle Mann zu Hülfe da wären. Zehn Minuten vor zwölf Uhr jedoch stiess das Schiff auf. Es war auf den Strand der Küste bei Dievenow gerathen und zwar nicht weit von dem Leuchtthurme zu Gross-Horst, von dessen Licht aber des dicken Wetters wegen nichts zu sehen war. Sofort nach dem ersten Aufstossen des Schiffes kam auf Rufen des Kapitäns die Backbord-Wache an Deck, es wurden die Raaen vorn und achter zugleich back geholt. Das Schiff hatte aber zu viel Fahrt und parirte den Segeln nicht, ging vielmehr immer mehr auf den Strand. Es wurde sogleich der Backbord-Anker mit zwölf Faden Kette fallen gelassen, alle Segel aufgegeit und einige festgemacht. Das Schiff stiess jedoch von Minute zu Minute immer heftiger durch und die See, welche den Kopf des Schiffes immer mehr dem Lande zu drängte, brach 1 */a Uhr plötzlich die BackbordKette. Die Pumpen wurden alle 10 Minuten gepeilt und ergaben, dass das. Schiff nur sehr wenig Wasser machte. Nachdem um sechs Uhr die Sachen der Leute an Land gebracht worden waren und um neun Uhr der Strandvogt an Bord gekommen war, aber

Galeasse Marie Caroline.

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wegen zunehmender Brandung Hülfeleistung abgelehnt hatte, verliessen Kapitän und Mannschaft das Schiff und gingen an's Land. Von dort aus wurde zuerst mit Hülfe der Mannschaft des Kanonenbootes »Delphin«, dann des Dampfers »Verein« aus Greifswald und endlich des Bergungsdampfers »Kattegat« aus Kopenhagen daran gearbeitet, das Schiff wieder flott zu machen. Am Mittage des 25. April 1878 endlich gelang dies und das Schiff konnte, wenngleich selbst beschädigt und nach Verlust von vielem Gut, ohne fremde Hülfe in seinen Heimathshafen Greifswald geführt werden. Der Kapitän Beckmann giebt selbst als Ursache der Strandung seines Schiffes an, dass dasselbe durch die Küstenströmung weiter, als er annahm, westlich und südlich versetzt sei. Diese Annahme erscheint bei der Vertrauen einflössenden Persönlichkeit des p. Beckmann und unter Berücksichtigung der konkurrirenden Umstände, namentlich auch nach Eintragung des von ihm gesegelten Kurses in die Karte als durchaus glaublich. Es ist ihm ferner auch darin beizustimmen, dass es für ihn kein Mittel gab, sich über diesen Irrthum aufzuklären, da das Wetter so dick war, dass Gegenstände am Ufer, namentlich das Feuer .von Gross-Horst nicht wahrzunehmen waren und das einzige in ähnlichen Fällen anwendbare, hier übrigens auch versuchte Mittel des häufigeren Lothens im vorliegenden Falle wegen der gleichmässigen bis zum Strande reichenden geringen Tiefe der See sich nicht wirksam erwies und nicht erweisen konnte. Das Seeamt kann deshalb die Ueberzeugung von einer Schuld des Kapitäns Beckmann nicht gewinnen, woraus sich von selbst die Ablehnung des von dem Reichskommissar gegen den p. Beckmann übrigens auch nur aus formellen Gründen gestellten Antrages auf Konzessionsentziehung — § 26 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 — ergab.

70. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 14. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Galeasse „Marie Caroline" von Stralsund. Schiff sehr leck geworden und deshalb bei Goos auf Wittow (Insel Rügen) absichtlich auf den Strand gesetzt.

In Untersuchungssachen betreffend den Seeunfall des Kauffahrteischiffes »Marie Caroline«, Kapitän Carl Freiholz, Unter-

Galeasse Marie Caroline.

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wegen zunehmender Brandung Hülfeleistung abgelehnt hatte, verliessen Kapitän und Mannschaft das Schiff und gingen an's Land. Von dort aus wurde zuerst mit Hülfe der Mannschaft des Kanonenbootes »Delphin«, dann des Dampfers »Verein« aus Greifswald und endlich des Bergungsdampfers »Kattegat« aus Kopenhagen daran gearbeitet, das Schiff wieder flott zu machen. Am Mittage des 25. April 1878 endlich gelang dies und das Schiff konnte, wenngleich selbst beschädigt und nach Verlust von vielem Gut, ohne fremde Hülfe in seinen Heimathshafen Greifswald geführt werden. Der Kapitän Beckmann giebt selbst als Ursache der Strandung seines Schiffes an, dass dasselbe durch die Küstenströmung weiter, als er annahm, westlich und südlich versetzt sei. Diese Annahme erscheint bei der Vertrauen einflössenden Persönlichkeit des p. Beckmann und unter Berücksichtigung der konkurrirenden Umstände, namentlich auch nach Eintragung des von ihm gesegelten Kurses in die Karte als durchaus glaublich. Es ist ihm ferner auch darin beizustimmen, dass es für ihn kein Mittel gab, sich über diesen Irrthum aufzuklären, da das Wetter so dick war, dass Gegenstände am Ufer, namentlich das Feuer .von Gross-Horst nicht wahrzunehmen waren und das einzige in ähnlichen Fällen anwendbare, hier übrigens auch versuchte Mittel des häufigeren Lothens im vorliegenden Falle wegen der gleichmässigen bis zum Strande reichenden geringen Tiefe der See sich nicht wirksam erwies und nicht erweisen konnte. Das Seeamt kann deshalb die Ueberzeugung von einer Schuld des Kapitäns Beckmann nicht gewinnen, woraus sich von selbst die Ablehnung des von dem Reichskommissar gegen den p. Beckmann übrigens auch nur aus formellen Gründen gestellten Antrages auf Konzessionsentziehung — § 26 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 — ergab.

70. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 14. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Galeasse „Marie Caroline" von Stralsund. Schiff sehr leck geworden und deshalb bei Goos auf Wittow (Insel Rügen) absichtlich auf den Strand gesetzt.

In Untersuchungssachen betreffend den Seeunfall des Kauffahrteischiffes »Marie Caroline«, Kapitän Carl Freiholz, Unter-

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Galeasse Marie Caroline.

scheidungs-Signal JNGQ, Heimathshafen Stralsund, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass die Ursachen für den am 1. Oktober 1878 stattgehabten Seeunfall der »Marie Caroline«, welcher zur Strandung derselben bei Goos auf Wittow geführt hat, und besonders nicht festzustellen, dass der Schiffer durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat, sowie, dass Mängel in Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder Bemannung des Schiffes den Unfall herbeigeführt haben und dass daher der Antrag des Reichskommissars, dem Schiffer die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes zu entziehen, abzulehnen. G r ü n d e : Der Schiffer Freiholz hat nach seiner in der Hauptverhandlung abgegebenen, in allen wesentlichen Punkten mit den protokollarischen Auslassungen in den polizeilichen Verhandlungen vom 20. und 23. Oktober und in der gerichtlichen Verklarung vom 30. Oktober übereinstimmenden Erklärung am 16. September 1878 in Ueckermünde eine Ladung Mauersteine und Kalk eingenommen, welche er bei Vitte zum Bau des Nebel-Signal-Apparats abzuliefern hatte. Er war binnen bis Posthaus gesegelt und ging von dort am 30. September Morgens in See. Der Wind, Anfangs flau und nordwestlich, ging im Laufe des Tages nach Süd. Nachmittags gegen 4 Uhr befand sich das Schiff auf der Höhe von Vitte, etwa Vi Meile vom Lande. Jetzt ging der Wind mit frischer Briese nach SO um. Schon seit Mittag hatte das Schiff viel Wasser gemacht. Bei Vitte konnte des Windes wegen nicht geankert werden. Der Schiffer beschloss daher zurückzusegeln und warf Abends gegen 9 Uhr bei Dranske Anker. Gegen 10 Uhr ging er wieder unter Segel, um am Tage bei Posthaus zu löschen und durch ein anderes Fahrzeug die Ladung weiter zu befördern. Der Wind hatte sich nach WNW gedreht, wurde immer stärker und ging dann nach NO über. Das Schiff lag über Backbord nach NNW, Klüver und Segel mussten gerefft werden. Trotz fortgesetzten Pumpens ergab die Peilung zwei Fuss Wasser im Schiffsraum. Die See ging sehr hart; — das Wasser stieg weiter. Der Schiffer befürchtete dessen Sinken und beschloss deshalb, das Schiff auf den Strand zu setzen. Es geschah dies Morgens gegen 3 Uhr bei Goos in dunkler Nacht. Mit Mühe gelang es dem Schiffer, sich mit seinem Schiffsmann an das Land zu retten. Das Schiff ist noch an demselben Tage völlig zerschlagen, die Ladung grösstentheils, von dem Inventarium wenig gerettet.

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Galeasse Marie Caroline

Dass das Schiff auf den Grund gekommen und dadurch leck geworden, behauptet der Schiffer nicht. Nach seiner Angabe ist lediglich in Folge der harten See das Leckwerden eingetreten. Der Reichskommissar hält diese Angabe für unrichtig. Nach seiner Ausführung würde, da ein Aufstossen nicht stattgefunden, zu schliessen sein, dass das Schiff seeuntüchtig oder überladen gewesen. Möge man das Eine oder das Andere annehmen: in beiden Fällen sei der Schiffer für den Unfall und dessen Folgen verantwortlich zu machen. Diesen Ausführungen ist das Seeamt nicht beigetreten. Es ergiebt sich zwar aus den verlesenen Eintragungen des Schiffsregisters und dem zur Information verlesenen Gutachten des Schiff baumeisters Mohr, dass das Schiff ein sehr altes gewesen. Es ist 1869 und 1874 gründlich reparirt. Irgend eine Thatsache, aus der sich mit Sicherheit schliessen lässt, dass es wirklich nicht mehr seetüchtig gewesen, liegt nicht vor. Die Erfahrung zeigt oft, dass ein Leckwerden eintritt, ohne dass die Ursachen zu erklären sind. Selbst bei der grössten Aufmerksamkeit 'des Schiffers kann demselben irgend ein Umstand entgehen, welcher die Widerstandsfähigkeit der Schiffswand beeinträchtigt. Ebensowenig lässt sich behaupten, dass das Schiff überladen gewesen. Es ist zwar nicht gelungen, das Gewicht der Ladung genau festzustellen. Der zu diesem Zwecke geladene und vernommene Zieglermeister Oldenburg hat Sicheres über das Gewicht der Ladung nicht aussagen können. Dieselbe hat bestanden aus 16500 Mauersteinen und 16 Tonnen Kalk. Nimmt man auch an, dass die Ladung ein Gewicht von mehr als 1300 Zentner gehabt hat, wozu die verlesene schriftliche Auslassung des Maurermeisters Teichen einigen Anhalt bietet, so folgt daraus zwar, dass das Gewicht die amtliche Vermessung von 37,m Register-Tons überstiegen hat, aber noch nicht, dass thatsächlich ein solches Ueberladen stattgefunden, welches das Leckwerden herbeiführen musste und in dem vorliegenden Falle herbeigeführt hat. Unter diesen Umständen konnte eine der Auffassung des Reichskommissars entsprechende Feststellung nicht getroffen werden. Da im Uebrigen gegen das Verhalten des Schiffers Vorwürfe nicht zu erheben waren, vielmehr anerkannt werden musste, dass ihm bei Lage der Sache wirklich nur übrig blieb, dass Schiff auf den Strand zu setzen, so musste der Antrag des Reichskommissars, dem Schiffer auf Grund des § 26 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 die 15

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Schraubendampfer Tiger.

Befugnies zur Ausübung seines Gewerbes zu entziehen, abgelehnt werden.

71. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 28. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraiibendampfers „Tiger" von Bremen. Schiff im Revier der Weser auf Grund gekommen und leck geworden.

Das Seeamt hat in Sachen, betreffend die Untersuchung des am 15. November 1878 stattgehabten Aufgrundkommens und dadurch verursachten Leckwerdens des deutschen Dampfers »Tiger«, Kapitän Matthies, folgenden Spruch abgegeben: Am 10. November 1878 ging der Dampfer »Tiger«, geführt von dem Kapitän Matthies mit einer nach Bremen bestimmten Ladung Kaufmannsgütern von Amsterdam in See. Am 11. November musste derselbe auf der Rhede von Vlie zu Anker gehen, um die Kolbenstange der Speisepumpe, die gebrochen war, zu repariren. Dies war am 12. November besorgt, jedoch sah sich das Schiff wegen des vorherrschenden Sturmes genöthigt, noch vor Anker liegen zu bleiben und konnte erst am 13. November, nachdem inzwischen der Sturm nachgelassen hatte und der Wind umgegangen war, die Reise fortsetzen. Die Fahrt durch die Nordsee verlief sodann ohne bemerkenswerthe Vorfälle. Am 14. November Abends lief das Schiff in die Weser ein und ging oberhalb des zweiten Feuerschiffes zu Anker. Als das Schiff am andern Morgen 8 Uhr die Fahrt fortsetzte, wehte ein starker Wind aus SSW, die Luft war Anfangs noch klar, jedoch begann es bald zu schneien. Wind und Schneegestöber nahmen während der Fahrt an Heftigkeit zu, letzteres so sehr, dass man nur noch auf ganz kurze Entfernungen sehen konnte. Das Kommando führt« ununterbrochen der Kapitän Matthies, das Steuer führte der Matrose Peters, der Steuermann Vosshall besorgte den Ausguck und das Lothen, welches letztere in Zwischenräumen von ungefähr 10 bis 15 Minuten geschah und der Matrose Bömermann besorgte die sonstigen an Deck vorkommenden Arbeiten.

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Schraubendampfer Tiger.

Befugnies zur Ausübung seines Gewerbes zu entziehen, abgelehnt werden.

71. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 28. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraiibendampfers „Tiger" von Bremen. Schiff im Revier der Weser auf Grund gekommen und leck geworden.

Das Seeamt hat in Sachen, betreffend die Untersuchung des am 15. November 1878 stattgehabten Aufgrundkommens und dadurch verursachten Leckwerdens des deutschen Dampfers »Tiger«, Kapitän Matthies, folgenden Spruch abgegeben: Am 10. November 1878 ging der Dampfer »Tiger«, geführt von dem Kapitän Matthies mit einer nach Bremen bestimmten Ladung Kaufmannsgütern von Amsterdam in See. Am 11. November musste derselbe auf der Rhede von Vlie zu Anker gehen, um die Kolbenstange der Speisepumpe, die gebrochen war, zu repariren. Dies war am 12. November besorgt, jedoch sah sich das Schiff wegen des vorherrschenden Sturmes genöthigt, noch vor Anker liegen zu bleiben und konnte erst am 13. November, nachdem inzwischen der Sturm nachgelassen hatte und der Wind umgegangen war, die Reise fortsetzen. Die Fahrt durch die Nordsee verlief sodann ohne bemerkenswerthe Vorfälle. Am 14. November Abends lief das Schiff in die Weser ein und ging oberhalb des zweiten Feuerschiffes zu Anker. Als das Schiff am andern Morgen 8 Uhr die Fahrt fortsetzte, wehte ein starker Wind aus SSW, die Luft war Anfangs noch klar, jedoch begann es bald zu schneien. Wind und Schneegestöber nahmen während der Fahrt an Heftigkeit zu, letzteres so sehr, dass man nur noch auf ganz kurze Entfernungen sehen konnte. Das Kommando führt« ununterbrochen der Kapitän Matthies, das Steuer führte der Matrose Peters, der Steuermann Vosshall besorgte den Ausguck und das Lothen, welches letztere in Zwischenräumen von ungefähr 10 bis 15 Minuten geschah und der Matrose Bömermann besorgte die sonstigen an Deck vorkommenden Arbeiten.

Schraubendampfer Tiger.

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Die Arbeiten an der Maschine wurden durch den Maschinisten Rorup und den Heizer Thomas wahrgenommen, während der Heizer auf der Heide krank zu Bett lag und der Koch Harms in der Küche beschäftigt war. Bald nach 11 Uhr Vormittags hatte das Schiff die rothe Spierentonne bei Wremen in ziemlicher Nähe auf Steuerbord. Der Kurs, welcher bis dahin SO'/aO gewesen war, wurde hier zu SO geändert. Das Schiff fuhr mit beinahe voller Kraft und hatte einen Fortgang von etwa V k Meilen. Etwa eine halbe Stunde nach dem Passiren der Spierentonne stiess das Schiff plötzlich auf Grund. Es wurde dann sofort das Kommando »back« gegeben und etwa nach 5 Minuten war das Schiff wieder flott. Nachdem dasselbe sodann wieder in richtigen Kurs gekommen war, setzte es die Fahrt fort, ging jedoch vor dem Kaiserhafen auf kurze Zeit vor Anker, weil die Stange in der Speisepumpe gebrochen war und lief sodann, nachdem inzwischen trotz ununterbrochen fortgesetzten Pumpens das Wasser im Raum fortwährend gestiegen war, in die Geeste ein und wurde dort auf Grund gesetzt. In der Zeit vom Passiren der Spierentonne bis zum Aufgrundkommen waren vom Schiffe aus keine Fahrzeichen bemerkt worden. Gelothet war während dieser Zeit 3 bis 4 Mal, zuletzt etwa 10 Minuten vor dem Aufstossen, wobei sich 8 oder 9 Faden Wasser fanden. Die Fluth trat am fraglichen Tage um 12 Uhr Mittags ein. Einen Lootsen hatte der Kapitän zur Einfahrt in die Weser nicht angenommen, weil er seiner Angabe nach das Fahrwasser genau kennt. Kapitän Matthies ist seit 5 Jahren Kapitän und führt seit 2 Jahren den Dampfer »Tiger«. Der Dampfer »Tiger« ist im Jahre 1866 in Hüll gebaut, ist seitdem mehrfach reparirt und im Register Veritas mit 3/a I. 1.1. in der zweiten Abtheilung klassifizirt. Auf Grund des dargelegten Thatbestandes nimmt das Seeamt an, dass der Dampfer »Tiger« unter Mitwirkung des Umstandes, dass derselbe einerseits wegen des geringen Fortganges nicht sicher steuerte und dass andrerseits wegen des dicken Schneegestöbers eine hinreichend sichere Kontrole über das Innehalten des richtigen Kurses nicht mehr möglich war, durch Wind und Strom vom Kurse ab auf Grund getrieben ist. Die Beschaffenheit des Schiffes hat hierbei eine Wirkung nicht ausgeübt, und kann das Seeamt bei dieser Sachlage den Umstand, dass das Schiff nur für die innere Fahrt klassifizirt ist, bei Beurtheilung des vorliegenden Falles umsoweniger in Betracht ziehen,

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Schoonerbrigg Alma.

als dasselbe sich zur Zeit des Unfalls in der Weser, also auf der inneren Fahrt befand. Auch aus dem Umstände, dass der Kapitän einen Lootsen nicht angenommen hat, kann ein Grand zu einem Tadel nicht hergeleitet werden, da der Angabe des Kapitäns, dass er das Fahrwasser der Weser genau kenne, Glauben beigemessen werden darf und die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass auch im Falle der Führung des Schiffes durch einen Lootsen der Unfall in ganz gleicher Weise hätte passiren können. Dagegen hält das Seeamt dafür, dass Kapitän Matthies mit Rücksicht auf den Umstand, dass er sich in Folge der Wetter-, Wind- und Strom-Verhältnisse und insbesondere auch in Folge des geringen Fortganges des Schiffes auf ein Innehalten des richtigen Kurses nicht verlassen konnte, früher hätte zu Anker gehen müssen und unvorsichtig handelte, indem er, dies unterlassend, die Fahrt fortsetzte.

72. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 3. Januar 1879, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbrigg „ Alma" von Blankenese. Bruch der Ankerkette des auf der Rhede von East - London liegenden Schiffes durch Sturm, hierdurch erfolgter Zusammenstoss desselben mit zwei Leichterfahrzeugen und Leckwerden, weshalb das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt wurde.

Die Blankeneser Schoonerbrigg »Alma«, Kapitän Tiemann, verliess im Juli 1878 Gothenburg, mit einer Bretterladung nach EastLondon bestimmt, traf ohne Unfall im Oktober 1878 zu East-London ein und ging auf der dortigen Rhede zu Anker. Am 28. Oktober, nachdem das Schiff den grössten Theil der Ladung bereits gelöscht hatte, erhob sich, während das Schiff unter dem Kommando des Steuermanns war, da der Kapitän sich am Lande befand, allmählig ein heftiger Sturm; das Schiff, welches auf 12 bis 16 Faden Wasser vor einem Anker lag, stiess so heftig in die Kette, dass die Kette brach, in Folge dessen gerieth das Schiff in eine Kollision mit zwei hinten am Schiff befestigten Leichtern. Während die Mannschaft mit dem Segelsetzen beschäftigt war, stellte sich plötzlich heraus, dass, während das Schiff vorher dicht gewesen war, jetzt

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Schoonerbrigg Alma.

als dasselbe sich zur Zeit des Unfalls in der Weser, also auf der inneren Fahrt befand. Auch aus dem Umstände, dass der Kapitän einen Lootsen nicht angenommen hat, kann ein Grand zu einem Tadel nicht hergeleitet werden, da der Angabe des Kapitäns, dass er das Fahrwasser der Weser genau kenne, Glauben beigemessen werden darf und die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass auch im Falle der Führung des Schiffes durch einen Lootsen der Unfall in ganz gleicher Weise hätte passiren können. Dagegen hält das Seeamt dafür, dass Kapitän Matthies mit Rücksicht auf den Umstand, dass er sich in Folge der Wetter-, Wind- und Strom-Verhältnisse und insbesondere auch in Folge des geringen Fortganges des Schiffes auf ein Innehalten des richtigen Kurses nicht verlassen konnte, früher hätte zu Anker gehen müssen und unvorsichtig handelte, indem er, dies unterlassend, die Fahrt fortsetzte.

72. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 3. Januar 1879, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonerbrigg „ Alma" von Blankenese. Bruch der Ankerkette des auf der Rhede von East - London liegenden Schiffes durch Sturm, hierdurch erfolgter Zusammenstoss desselben mit zwei Leichterfahrzeugen und Leckwerden, weshalb das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt wurde.

Die Blankeneser Schoonerbrigg »Alma«, Kapitän Tiemann, verliess im Juli 1878 Gothenburg, mit einer Bretterladung nach EastLondon bestimmt, traf ohne Unfall im Oktober 1878 zu East-London ein und ging auf der dortigen Rhede zu Anker. Am 28. Oktober, nachdem das Schiff den grössten Theil der Ladung bereits gelöscht hatte, erhob sich, während das Schiff unter dem Kommando des Steuermanns war, da der Kapitän sich am Lande befand, allmählig ein heftiger Sturm; das Schiff, welches auf 12 bis 16 Faden Wasser vor einem Anker lag, stiess so heftig in die Kette, dass die Kette brach, in Folge dessen gerieth das Schiff in eine Kollision mit zwei hinten am Schiff befestigten Leichtern. Während die Mannschaft mit dem Segelsetzen beschäftigt war, stellte sich plötzlich heraus, dass, während das Schiff vorher dicht gewesen war, jetzt

Schooner Maria.

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4Va Fuss Wasser im Raum stand. Die Schiffsbesatzung musste sich entschliessen, das Schiff auf den Strand zu setzen. Das Schiff ist sodann als Wrack kondemnirt worden. Es hat nicht ermittelt werden können, welches die spezielle Ursache des dem Schiff gesprungenen Lecks gewesen ist. Der Schiffsbesatzung aber ist keinerlei Vorwurf aus ihrem Verhalten zu machen. Namentlich kann derselben auch nicht etwa ein Vorwurf gemacht werden, dass nicht versucht worden ist zu pumpen, denn bei dem rapiden Wachsen des Wassers im Schiffsraum wäre offenbar jedes Pumpen erfolglos gewesen. Notori&ch ist, dass die Rhede von East-London zu den gefahrvollsten Ankerplätzen gehört. Demnach spricht das Seeamt aus: dass der Seeunfall, ohne dass die Schiffsbesatzung irgend welcher Vorwurf trifft, lediglich den Ereignissen der Schifffahrt zuzuschreiben ist.

73. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 6. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Maria" in Hamburg. Strandung und Verlust des Schiffes an der niederländischen Küste in der Nähe von Zandvoort.

Das obengenannte Schiff — welches in das Schiffsregister zu. Hamburg eingetragen war und das Unterscheidungs-Signal RBNG führte — strandete am Morgen des 1. Januar 1878 an der niederländischen Küste bei dem in der Nähe von Haarlem belegenen Ort Zandvoort. Ueber den Unfall und die demselben voraufgehende Reise ergiebt sich aus der in Haarlem von der Schiffsbesatzung belegten Verklarung, sowie aus den vom Führer des Schiffes, Kapitän J. J. Feindt, bei seiner Vernehmung gemachten Aussagen Folgendes: Das Schiff ging, nach Angostura bestimmt, mit einer in Hamburg eingenommenen Ladung Stückgüter am 19. Dezember 1877 von Cuxhaven in See. Am 26. desselben Monats, als man auf der Höhe von Dünkirchen sich befand, wurde das Schiff von stürmischem Wetter betroffen und auf die Seite geworfen, richtete sich aber, nachdem es seine, aus verschiedenen gefährlichen Gütern

Schooner Maria.

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4Va Fuss Wasser im Raum stand. Die Schiffsbesatzung musste sich entschliessen, das Schiff auf den Strand zu setzen. Das Schiff ist sodann als Wrack kondemnirt worden. Es hat nicht ermittelt werden können, welches die spezielle Ursache des dem Schiff gesprungenen Lecks gewesen ist. Der Schiffsbesatzung aber ist keinerlei Vorwurf aus ihrem Verhalten zu machen. Namentlich kann derselben auch nicht etwa ein Vorwurf gemacht werden, dass nicht versucht worden ist zu pumpen, denn bei dem rapiden Wachsen des Wassers im Schiffsraum wäre offenbar jedes Pumpen erfolglos gewesen. Notori&ch ist, dass die Rhede von East-London zu den gefahrvollsten Ankerplätzen gehört. Demnach spricht das Seeamt aus: dass der Seeunfall, ohne dass die Schiffsbesatzung irgend welcher Vorwurf trifft, lediglich den Ereignissen der Schifffahrt zuzuschreiben ist.

73. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 6. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Maria" in Hamburg. Strandung und Verlust des Schiffes an der niederländischen Küste in der Nähe von Zandvoort.

Das obengenannte Schiff — welches in das Schiffsregister zu. Hamburg eingetragen war und das Unterscheidungs-Signal RBNG führte — strandete am Morgen des 1. Januar 1878 an der niederländischen Küste bei dem in der Nähe von Haarlem belegenen Ort Zandvoort. Ueber den Unfall und die demselben voraufgehende Reise ergiebt sich aus der in Haarlem von der Schiffsbesatzung belegten Verklarung, sowie aus den vom Führer des Schiffes, Kapitän J. J. Feindt, bei seiner Vernehmung gemachten Aussagen Folgendes: Das Schiff ging, nach Angostura bestimmt, mit einer in Hamburg eingenommenen Ladung Stückgüter am 19. Dezember 1877 von Cuxhaven in See. Am 26. desselben Monats, als man auf der Höhe von Dünkirchen sich befand, wurde das Schiff von stürmischem Wetter betroffen und auf die Seite geworfen, richtete sich aber, nachdem es seine, aus verschiedenen gefährlichen Gütern

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Schooner Maria.

bestehende, Deckladung verloren hatte, wieder auf. Das stürmische Wetter hielt an; daß Schiff trieb bei NW-Wind der niederländischen Küste zu. Am 31. Dezember wurde vom heftiger werdenden Sturm ein grosser Theil der Segel zerschlagen und zerrissen, auch die Schote des Grosssegels zerschlug und in Folge davon liess das Schiff sich nicht mehr steuern und über den anderen Bug legen. Am 1. Januar 1878, Morgens 6 Uhr, stiess das Schiff auf den Grund, um 7 Uhr blieb es, wie sich später zeigte, in der Nähe von Zandvoort festsitzen. Die See brach über das Schiff, 60 dass die Besatzung sich in die Wanten flüchten musste. Eine halbe Stunde später ermöglichte es ein Boot der Nord- und SüdHolländischen Rettungsgesellschaffc — durch Blaufeuer, welche man von dem Schiff hatte aufsteigen lassen, auf daßselbe aufmerksam gemacht — nach zweimaligem vergeblichen Versuch, an das Schiff zu gelangen. Das Boot nahm die Besatzung auf und brachte dieselbe nach Zandvoort. Daß Schiff legte sich alsbald auf die Seite und fiel in den nächsten Tagen auseinander. Gerettet wurden nur einzelne Theile von dem Zubehör des Schiffs, einige von den Ladungsgütern und einige Effekten der Besatzung, und zwar dadurch, dass diese Gegenstände, alle mehr oder weniger beschädigt, an's Land trieben. Ein Grund, diesen Angaben der Schiffsbesatzung keinen Glauben zu schenken, liegt nicht vor. Dieselben werden, insoweit sie sich auf Richtung und Stärke des Windes beziehen, durch eine von der Deutchen Seewarte ertheilte Auskunft bestätigt. Dafür, dass das Schiff bei Antritt der Reise im guten Zustand war, sprechen die Aussagen der Zeugen Kappäus und von Appen, die Aussagen des Letzteren — der alsbald nach der Strandung im Auftrag des Assekuradeurs sich an die Strandungsstelle begab — auch dafür, dass das Schiff, nachdem es festgerathen war, nicht wieder abgebracht werden konnte. Auch für ein sonstiges 'Versehen der Schiffsbesatzung liegt nichts' vor. Das Seeamt giebt daher sein Urtheil dahin ab: daßs der Unfall des Schooners »Maria«, Kapitän Feindt, lediglich den Ereignissen der See zuzuschreiben sei.

Schraubendampfer Hababurg und Leichterfahrzeug Tomas.

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74. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 18. Dezember 1878, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Schraubendampfers „ Habsburg" von Bremen und des Leichterfahrzeuges „Tomas". In Folge des Zusammenstossens sank das Leichterfahrzeug.

Das Seeamt hat in Sachen, betreffend die Untersuchung des Zusammenstossens des Dampfers »Habsburg« mit dem Leichterfahrzeuge »Tomas« auf der Rhede von Buenos - Aires folgenden Spruch abgegeben: In der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1878 um Mitternacht lichtete der Dampfer »Habsburg« auf der Rhede von Buenos-Aires Anker, um die Rückreise anzutreten. Das Kommando führte, da der Kapitän krank zu Bette lag, der 1. Offizier, neben ihm auf der Kommandobrücke standen die Lootsen Jebsen und Pertica. Der 2. Offizier überwachte die Ausführung der von der Brücke kommenden Befehle am Steuer, während der 3. Offizier die Mannschaft beim Anker beaufsichtigte. Am Steuer befanden sich vier Mann, der Ausguck war besetzt, jedoch ist nicht festgestellt, ob mit ein oder zwei Mann. Top- und Seitenlichter brannten am richtigen Platze. Der Dampfer drehte, nachdem Anker gelichtet war, langsam unter Backbordruder gegen die Ebbe auf, um auf seinen Kurs zu kommen. Ehe er diese Drehung vollständig vollendet hatte, wurde vom Ausguckmann ein vor Anker liegendes Leichterfahrzeug, der »Tomas«, kaum eine Schiffslänge voraus gesehen. Dasselbe hatte diesen Ankerplatz erst am Abend bei Dunkelheit eingenommen, konnte also nicht schon am Tage bemerkt werden. Ausserdem muss auf Grund der bestimmten Aussagen einiger Leute vom Dampfer »Habsburg« — deren Glaubwürdigkeit durch den Protest des Schiffseigners, insbesondere mit Rücksicht auf die Zweideutigkeit der im letzteren gebrauchten Ausdrücke nicht beeinträchtigt werden kann — angenommen werden, dass auf dem »Tomas« die vorschriftsmässige Ankerlaterne nicht brannte und eine Wache nicht bestellt war. Nachdem der »Tomas« vom Dampfer »Habsburg« aus gesehen war, wurde sofort das Kommando »Volle Kraft rückwärts« gegeben und auch augenblicklich unter Beibehaltung von Backbordruder ausgeführt. Trotzdem liess sich bei der geringen Entfernung der Schiffe die Kollision nicht vermeiden, in Folge welcher der »Tomas« sank.

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Schraubendampfer Habsburg und Leichterfahrzeug Tomas.

Es wurde hierauf vom Dampfer »Habsburg« sofort ein Boot heruntergelassen, welches unter Befehl des 2. Offiziers das sinkende Schiff aufsuchte und welchem es gelang, drei Mann von der aus fünf Personen bestehenden Mannschaft zu retten. Ein Mann wurde durch ein Boot des in der Nähe liegenden Dampfers »Niger« aufgenommen, während in Betreff des Führers des Schiffes sich nicht mit Sicherheit hat ermitteln lassen, ob derselbe bei dem Unfälle umgekommen ist oder nicht. Nach Ansicht des Seeamts sind bei der fraglichen Gelegenheit seitens des Dampfers »Habsburg« alle den Umständen nach erforderlichen Maassregeln getroffen, um Kollisionen zu verhüten: durch Aufziehen der Segelflagge am vorhergegangenen Tage und durch das Ertönen der Dampfpfeife vor der Abfahrt war den umliegenden Schiffen die vorstehende Abfahrt des Dampfers »Habsburg« genügend signalisirt; Kommandobrücke, Steuer und Ausguck waren ordnungsmässig besetzt; die vorschriftsmässigen Laternen und Lichter brannten; die Fahrt des noch im Wenden begriffenen Schiffes war nur eine geringe. Dagegen sind seitens des Fahrzeuges die zur Vermeidung von Kollisionen erforderlichen Vorsichtsmaassregeln ausser Acht gelassen, indem weder die vorschriftsmässige Ankerlaterne brannte, noch eine Wache bestellt war. Unter Berücksichtigung sodann der Luftverhältnisse — dass es nämlich dunkel, jedoch feuersichtig war, so dass man ein Licht auch auf weitere Distanzen gesehen haben würde — nimmt das Seeamt an, dass lediglich der Umstand, dass auf dem Leichterfahrzeuge »Tomas« die vorschriftsmässige Ankerlaterne nicht brannte, als Grund der Kollision anzusehen ist. Was das Verhalten nach dem Zusammenstosse betrifft, so ist seitens des Dampfers »Habsburg« Alles geschehen, um die Mannschaften des verunglückten Fahrzeuges zu retten.

Bark E b e a e z « .

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75. Spruch des Seeamts zu Danzig vom 28. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Bark „Ebenezar" von Danzig. Schiff in der Nähe von Dungeness von der Besatzung sinkend verlassen und, aufgegeben.

In der Untersuchungssache, betreffend die Ursachen des Seeunfalls, von welchem das Schiff »Ebenezar« am 10. November 1878 betroffen worden ist, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben : dass weder der Schiffer noch der Steuermann durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat, und dass auch nicht Mängel in der Bauart, Beschaffenheit , Ausrüstung, Beladung oder in der Bemannung des Schiffs, noch Mängel des Fahrwassers oder der für die Schifffahrt bestimmten Hülfseinrichtungen noch Handlungen oder Unterlassungen der zur Handhabung dieser Einrichtungen bestellten Personen den Unfall oder dessen Folgen herbeigeführt haben. G r ü n d e . Die in das Schiffsregister zu Danzig mit dem Unterscheidungs - Signal HFRM und dem Heimathshafen Danzig eingetragene Bark »Ebenezar«, Kapitän Carl August Benjamin Apreck, ging am 4. November 1878 mit einer Ladung Stückgütern von Havre nach Buenos-Aires in See, ist auf dieser Reise am 10. November 1878 in der Nähe von Dungeness leck geworden und wurde deshalb von der Schiffsmannschaft aufgegeben und verlassen. Durch die Vernehmung des Miteigenthümers und KorrespondentRheders des Schiffs wurde festgestellt, dass von den zehn Personen, welche die Besatzung des Schiffs zur Zeit des Seeunfalls gebildet haben, sieben Personen ihrem Aufenthaltsorte nach nicht zu ermitteln waren; die übrigen drei Personen, nämlich der Kapitän Apreck, der Steuermann Manzey und der Zimmermann Missling sowie der Rheder wurden zu ihrer Vernehmung durch das Seeamt vorgeladen. Durch die Vernehmung der genannten vier Personen, sowie durch Einsicht der Schiffsregister-Akten des Schiffs »Ebenezar« und der über den Seeunfall vor dem deutschen Konsulate zu Sunderland zu Protokoll gegebenen nicht beeidigten Verklarung hat das Seeamt folgende Thatsachen als festgestellt angenommen.

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Bark Ebenezar.

Das Schiff »Ebenezar« ist im Jahre 1863 in Kingston in Amerika erbaut und bei seinem Uebergange in den Besitz der letzten Eigenthümer, nämlich des Kaufmanns Hornemann und des Schiffskapitäns Apreck, im November 1877 in das Register Veritas eingetragen und Inhalts des beigebrachten Certifikats 5/6 A. 1. 1. für drei Jahre in der ersten Abtheilung klassifizirt. Das Schiff ging im November 1877 von Danzig nach Antwerpen, von dort nach dem Golf von Mexiko und von dort nach Havre. In Havre wurde das Schiff en rouge nach Buenos-Aires befrachtet. Vor der Beladung ist das Schiff in Havre durch einen Agenten der Veritas besichtigt und seetüchtig befunden; nach eingenommener Ladung hat eine aus zwei Agenten der Veritas und einem Vertreter der Kaufmannschaft in Havre bestehende Kommission das Schiff einer nochmaligen Besichtigung unterworfen, dasselbe für zu tief beladen erachtet und angeordnet, dass ein Theil der Ladung wieder ausgeladen werden solle. In Folge dieser Anordnung sind 27000 Stück Backsteine gelöscht worden. Nach Entlöschung dieses Theils der Ladung lag das Schiff hinten 12 Fuss 3 Zoll und vorn 11 Fuss 9 Zoll tief. Die von dem Kapitän Apreck vorgenommene Messung der Auswässerung ergab bis zum oberen Rand des Schanddeckels 4 Fuss 7 Zoll. Die Ladung bestand aus Backsteinen, Stückgütern aller Art und Gartenerde. Als Decklast hatte das Schiff ungefähr 40 Kisten Dynamit eingenommen. Am 4. November 1878 verliess das Schiff Havre. Vom Tage des Ausgehens aus dem Hafen bis zum Verlassen des Schiffs war fortwährend dickes Wetter, so dass eine astronomische Beobachtung nicht ausgeführt werden konnte. Die durchlaufene Distanz ist nach Seemannsbrauch stündlich mit dem Logg gemessen, auch ist, wo es die Umstände erforderten, gelothet worden. Beim Ausgehen des Schiffs war der Wind West und SW. Am folgenden Tage, dem 5. November, war starker Sturm und hoher Seegang, der Wind von Nord nach West umspringend. Am 9. November machte das Schiff mehr Wasser als gewöhnlich, jedoch nicht mehr Wasser, als durch das Schlingern und Wracken des Schiffs erklärlich war. Am 10. November war der Wind WSW; es wehte ein Orkan und war hoher Seegang; durch Sturzseen wurde ein Theil der Schanzkleidung fortgeschlagen und wurde demzufolge die Decklast geworfen. Die Ladung im Schiffsräume blieb fest. Nach

Bark Ebenezar.

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den Sturzseen nahm das Wasser im Räume zu. Während früher beim Sondiren der Pumpen, wie der Kapitän Apreck sagt, 10 bis 11 Zoll, oder wie der Zimmermann Missling bekundet, 8 bis 15 Zoll Wasser gefunden wurde, ergab ein Peilen der Pumpen am 10. November, Nachmittags, 4 Fuss und später 5 Fuss Wasser. Der Kapitän Apreck will wahrgenommen haben, dass das Wasser in der Nähe des Bugs unter der Kupferhaut in das Schiff eingedrungen ist. Die Entstehung des Lecks wird von den vernommenen Personen der Schiffsbesatzung dadurch erklärt, dass wahrscheinlich durch das heftige Schlingern und Wracken des Schiffs eine Naht oder ein Lasch gesprungen ist. Das Schiff war am 10. November, Vormittags, bei der Insel Wight vorbeigetrieben und befand sich am Nachmittage desselben Tages nach der Annahme des Kapitäns Apreck ungefähr in der Mitte des Kanals, jedoch näher der englischen Küste. Der Kapitän Apreck liess nunmehr nach Rücksprache mit dem Steuermann Manzey nach Dungeness zu steuern in der Absicht, das Schiff an der englischen Küste auf den Strand zu setzen. Während in dieser Lage das Wasser im Schiffsräume ungeachtet des Pumpens fortdauernd zunahm, kam der Dampfer »Ferndale« und zwar ungefähr um 8 Uhr Abends in Sicht, drehte in Folge eines von dem Schiffe »Ebenezar« gegebenen Nothsignals bei und schickte ein Boot ab. Mit diesem Boote verliess die Schiffsmannschaft mit Ausnahme des Kapitäns und des Steuermanns das Schiff; der Kapitän und der Steuermann blieben noch ungefähr eine Stunde auf dem Schiffe zurück. Da sich aber bereits 8 Fuss Wasser im Schiffe befanden und das Deck des Schiffs nur noch wenig über den Wasserspiegel emporragte, wurde ungefähr um 10 Uhr in Folge eines von dem Schiffe »Ebenezar« aus gegebenen wiederholten Nothsignals der Kapitän und der Steuermann durch ein zweites Boot des in der Nähe des Schiffs gebliebenen Dampfers »Ferndale« abgeholt. Beim Verlassen des Schiffs reichte der Steuermann Manzey das Schiffsjournal den Leuten im Boote zu, dasselbe fiel aber zwischen dem Boote und dem Schiffe in das Wasser und konnte bei der herrschenden Dunkelheit nicht mehr aufgefischt werden. Der Kapitän Apreck hat den Kapitän des Dampfers »Ferndale« gebeten, das Schiff »Ebenezar« in's Schlepptau zu nehmen, der Kapitän des Dampfers hat diese Bitte aber wegen Mangel an Kohlen abgelehnt, auch aus demselben Grunde es verweigert, länger in der Nähe des

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Bark Ebenezar.

sinkenden Schiffs zu bleiben, vielmehr nach Aufnahme der Schiffsmannschaft seine Reise nach Sunderland fortgesetzt und dort die Schiffsmannschaft gelandet. Die vernommenen drei Personen der Schiffsbesatzung haben darüber keinen Zweifel, dass das Schiff »Ebenezar« bald nach dem Verlassen desselben gesunken sein muss. Auf Grund dieser thatsächlichen Feststellungen hat das Seeamt den obenstehenden Spruch abgegeben. Das Schiff »Ebenezar« ist vor seinem Ausgange aus Havre durch einen Agenten der »Veritas« untersucht worden und ist seetüchtig befunden, dasselbe hat bis zum Tage des Unfalls nicht mehr Wasser als gewöhnlich gemacht, es muss daher das starke Steigen des Wassers im Schiffsräume am Nachmittage des 10. November 1878 einem plötzlich eingetretenen Vorfalle zugeschrieben werden. Als im hohen Grade wahrscheinlich muss angenommen werden, dass das Eindringen des Wassers in den Schiffsraum in Folge einer Verletzung des Schiffsbodens entstanden ist, und dass diese Verletzung verursacht ist durch das heftige Schlingern und Wracken des Schiffs und durch die Sturzseen, welche das Schiff getroffen haben, dass dieselbe mithin elementaren Ereignissen zuzuschreiben ist. — Bei dieser Sachlage konnte die Willensthätigkeit des Schiffers und des Steuermanns nur dahin gerichtet sein, die Folgen des durch elementare Ereignisse verursachten Unfalls soweit möglich abzuwenden und es muss anerkannt werden, dass der Schiffsfiihrer die geeigneten Mittel ergriffen hat, indem er den Versuch machte, das Schiff an der englischen Küste auf den Strand zu setzen, und als dies nicht zu erreichen war, sich bestrebte, den Führer des passirenden Dampfers »Ferndale« zu bewegen, das sinkende Schiff in das Schlepptau zu nehmen. Hiernach musste die im § 4 des Gesetzes vom 27. Juli 1877 unter Nummer 1 aufgesteltte Frage verneint werden. Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder in der Bemannung des Schiffs hat die Untersuchung nicht ergeben, auch hat der Fall keine Veranlassung zu einer Prüfung geboten, ob Mängel der im § 4 des allegirten Gesetzes unter Nummer 3 gedachten Art bei dem Unfälle mitgewirkt haben und war hiernach die Verneinung der unter den Nummern 2 und 3 des § 4 des allegirten Gesetzes aufgestellten Fragen auszusprechen.

Tjalk Gesina.

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76. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 8. Januar 1879, betreffend den Seeunfall der deutsehen Tjalk „Gesina" von Bhauderwyk. Schiff auf Hohenwegsand leck gestossen und verloren gegangen.

In Sachen, betreffend die Untersuchung des am 9. November 1878 erfolgten Unterganges der deutschen Tjalk »Gesina«, Kapitän A. H. Freese aus Rhauderfehn, hat das Seeamt folgenden Spruch abgegeben: Die Tjalk »Gesina«, 20 Jahre alt und Eigenthum des Schiffers Freese, trat in der Nacht vom 8. zum 9. November 1878 mit einer aus 15000 Ziegelsteinen bestehenden Ladung die Reise von Brake nach Rüstersiel an. Der Wind war SO und flau, so dass der Schiffer, da er bei entgegenkommender Fluth nicht mehr weiter kommen konnte, sich veranlasst sah, am 9. November, Vormittags 9 Uhr, im Wremer Loch zu Anker zu gehen. Um 11 Uhr wurde jedoch der Anker wieder gelichtet und das Schiff segelte auf die Hohenwegsbalge zu. Der Wind war inzwischen von SO nach NO umgelaufen und war von Hagel- und Regenböen begleitet. Auf der weiteren Fahrt sah der Schiffer zunächst die Flügeltonne und darauf noch eine weitere Tonne, er wusste dann aber nicht, ob er etwa eine Tonne übersehen habe und irrte sich insofern in den Tonnen, als er glaubte, dass die von ihm gesehene »P«-Tonne bereits die »0«Tonne sei. Er suchte nun den Eingang in die Hohenwegsbalge zu gewinnen, indem er seitens des Schiffsjungen durch Staken mit einer Peilstange die Wassertiefe messen liess. Der Schiffsjunge wurde jedoch auf kurze Zeit von dieser Arbeit abgerufen, um beim stark zunehmenden Winde das Gaffeltop-Segel herunterzuholen. Während er hierbei beschäftigt war, stiess die Tjalk plötzlich auf. Es war dies etwa grade mit Hochwasser. Die Versuche, durch Herunterlassen der Vorsegel das Schiff durch den Wind zu bringen und durch Hülfe eines Warpankers dasselbe wieder abzubringen, waren ohne Erfolg. Auch die weiteren unter Zuhülfekommen der Schiffer Ulpts und Jelden gemachten Versuche misslangen in Folge des zu hohen Seeganges. Mit dem Steigen des Wassers gegen Mitternacht fing das Schiff, welches bis dahin dicht geblieben war, an zu stossen und wurde so leck, dass es verlassen werden musste. Die am folgenden Tage angestellten Bergungsversuche hatten nur insofern Erfolg, als das Inventar gerettet wurde.

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Schraubendampfer Newa.

Das Seeamt glaubt, das dem Schiffer Freese hinsichtlich seines Verhaltens Vorwürfe nicht zu machen sind. Insbesondere kann demselben um deswillen, weil er nicht genauer auf die Tonnen achtete-, ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden, da kleine Schiffe, welche in die Hohenwegsbalge einfahren wollen, sich hierbei regelmässig nicht genau nach den Tonnen richten, sondern, nachdem sie die Hohenwegsbalge ungefähr erreicht zu haben glauben, durch Staken mit Peilstangen in das richtige Fahrwasser zu gelangen suchen. In gleicher Weise wollte der Schiffer Freese in dem hier fraglichen Falle verfahren.

77. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 8. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraubendampfers „Newa" von Lübeck. Schiff auf dem Steintrendel bei Thiessow fest gerathen und leck geworden.

In Untersuchungssachen, betreffend den Seeunfall des Kauffahrteischiffes »Newa«, Kapitän Nevermann, Unterscheidungs-Signal PBGT, Heimathshafen Lübeck, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der Seeunfall, von welchem der Lübecker Dampfer »Newa« am 16. November 1878 auf dem sogenannten Steintrendel bei Thiessow betroffen ist, durch Mängel in den für die Schifffahrt bestimmten Hülfs-Einrichtungen, und zwar dadurch herbeigeführt ist, dass weder auf den amtlichen Seekarten die den sogenannten Steintrendel bildende Steingruppe als eine solche, sondern nur als »ein Stein« bezeichnet, noch örtlich eine für die Schiffer sichtbare Begrenzung der Steingruppe vorgenommen; dass somit der Unfall durch Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns nicht herbeigeführt und dem Kapitän Nevermann die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes n i c h t zu entziehen ist. G r ü n d e . Am 16. November 1878, Mittags 12V2 Uhr, ist der Lübecker Dampfer »Newa«, Kapitän Nevermann, auf der AussenRhede von Thiessow auf dem sogenannten Steintrendel festgerathen und durch den Seegang derart leck geworden, dass Hinter- und

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Schraubendampfer Newa.

Das Seeamt glaubt, das dem Schiffer Freese hinsichtlich seines Verhaltens Vorwürfe nicht zu machen sind. Insbesondere kann demselben um deswillen, weil er nicht genauer auf die Tonnen achtete-, ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden, da kleine Schiffe, welche in die Hohenwegsbalge einfahren wollen, sich hierbei regelmässig nicht genau nach den Tonnen richten, sondern, nachdem sie die Hohenwegsbalge ungefähr erreicht zu haben glauben, durch Staken mit Peilstangen in das richtige Fahrwasser zu gelangen suchen. In gleicher Weise wollte der Schiffer Freese in dem hier fraglichen Falle verfahren.

77. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 8. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraubendampfers „Newa" von Lübeck. Schiff auf dem Steintrendel bei Thiessow fest gerathen und leck geworden.

In Untersuchungssachen, betreffend den Seeunfall des Kauffahrteischiffes »Newa«, Kapitän Nevermann, Unterscheidungs-Signal PBGT, Heimathshafen Lübeck, hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: dass der Seeunfall, von welchem der Lübecker Dampfer »Newa« am 16. November 1878 auf dem sogenannten Steintrendel bei Thiessow betroffen ist, durch Mängel in den für die Schifffahrt bestimmten Hülfs-Einrichtungen, und zwar dadurch herbeigeführt ist, dass weder auf den amtlichen Seekarten die den sogenannten Steintrendel bildende Steingruppe als eine solche, sondern nur als »ein Stein« bezeichnet, noch örtlich eine für die Schiffer sichtbare Begrenzung der Steingruppe vorgenommen; dass somit der Unfall durch Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns nicht herbeigeführt und dem Kapitän Nevermann die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes n i c h t zu entziehen ist. G r ü n d e . Am 16. November 1878, Mittags 12V2 Uhr, ist der Lübecker Dampfer »Newa«, Kapitän Nevermann, auf der AussenRhede von Thiessow auf dem sogenannten Steintrendel festgerathen und durch den Seegang derart leck geworden, dass Hinter- und

Schraubendampfer Newa.

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Maschinenraum voll Wasser waren. Das Schiff war zum Theil mit Roggen, zum Theil mit Stückgütern beladen, kam von Petersburg, sollte die Roggenladung nach Wolgast, die übrige Ladung nach Lübeck bringen. Mit Hülfe dreier Bergungs-Dampfer ist das Schiff am 21. November Mittags flott gemacht und nach Greifswald gebracht. Verklarung ist am 3. Dezember vor Gericht in Greifswald abgelegt. Durch dasselbe Gericht sind am 12. Dezember der Kapitän Nevermann, der Maschinist Stein und der Steuermann Erich vernommen worden. — Kapitän Nevermann lehnt jede Verschuldung an dem Unfälle ab. Nach seiner Angabe hat er um 12 Uhr Mittags Greifswalder-Oie und Nordpeerd in Sicht bekommen und die Lootsenflagge aufgesteckt, um einen Lootsen nach Wolgast zu erhalten. Inzwischen fuhr das Schiff langsam weiter. Gegen 1 Uhr sah man den auf 10 Fuss liegenden Pricken bei Thiessow und hielt südwärts 1 Va Kabellänge von demselben. Etwa eine Viertelstunde später gerieth das Schiff auf Grund. Nach Behauptung des Kapitäns ist der Unfall Mängeln des Fahrwassers und der Seezeichen in Verbindung mit Ungenauigkeiten der Seekarten zuzuschreiben. Er hat nach seiner Angabe die auch in der Hauptverhandlung vorgezeigte dänische Seekarte von 1848, berichtigt 1871, geführt, hatte nach derselben angenommen, dass da, wo der Pricken liegt, Ein Stein von geringem Umfange befindlich und an der Strandungsstelle eine Tiefe von 3 Faden sei. Nach seiner Aeusserung liegt dort nicht blos Ein Stein, wie auf der Karte verzeichnet, sondern ein Riff, dessen Anfang und Ende durch Seezeichen hätte bezeichnet werden müssen. Der Steuermann hat sich in gleicher Weise ausgelassen. Beide erklären, dass sie früher diesen Kurs noch nicht gesteuert haben. Ueber die Stelle, an welcher der Unfall stattgefunden hat, ist auch nach Vernehmung des Lootsen-Kommandeurs Müller kein Zweifel. Sie befindet sich auf der vorgelegten Segelkarte des südlichen Theils der Ostsee, zu Preussens See-Atlas, herausgegeben von dem Königlich preussischen Handelsministerium, revidirt 1858 und 1859 nach den im Auftrage der Kaiserlichen Admiralität ausgeführten Peilungen, berichtigt 1873 und 1875 südlich von dem daselbst bezeichneten »Stein«. Nach der Karte muss man annehmen, dass dort völlig freies Fahrwasser ist. Es sind sogar bei dem Steine vorbei vom Landtief aus zwei Fahrwasser bezeichnet, das eine westlich davon, das andere südlich. Nach der Karte erscheint das südliche als das freiere. Dies hat Kapitän Nevermann gewählt. In Uebereinstimmung mit

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Dampscbiff Malaga.

den Ausführungen des Reichskommissars ist zwar nicht zu billigen, dass Kapitän Nevermann sich in ein ihm unbekanntes LootsenFahrwasser überhaupt begab, ohne die Ankunft des Lootsen abzuwarten. Andererseits war die Gefährlichkeit dieser Stelle und die Ausdehnung des Steinriffs oder der Steingruppe, deren Durchmesser von dem Lootsen-Kommandeur auf etwa 300 Meter angegeben wird, in keiner Weise bekannt gemacht. Die seemännischen Beisitzer des Seeamts, sonst mit dem hiesigen Fahrwasser wohl vertraut, haben von Ausdehnung dieser Steingruppe selbst keine Kenntniss gehabt. Es ist anzunehmen, dass, wenn die Gefährlichkeit dieser Stelle zur öffentlichen Kenntniss gebracht worden wäre, sei es durch Aufnahme in die Karte, sei es durch öffentliche Bekanntmachung, auch Kapitän Nevermann davon unterrichtet worden wäre. Da auf seiner Seekarte und örtlich jede Bezeichnung fehlte, so hatte er keinen Grund, eine Gefahr zu vermuthen. Unter diesen Umständen lässt sich das Vorgehen des Kapitäns nicht als ein unseemännisches und ein derartiges bezeichnen, welches ihn als unfähig zur Ausübung seines Gewerbes darstellt. Das Seeamt hat vielmehr angenommen, dass lediglich die Unrichtigkeit der Karte, die mangelnde Bezeichnung jener Steingruppe als einer solchen und die fehlende örtliche Kennzeichnung der Grenzen dieser Steingruppe den Kapitän verleitet hat, diesen Kurs zu steuern. Eine örtliche Kennzeichnung der Grenzen wäre grade deshalb geboten gewesen, weil in der Karte nur Ein Stein markirt und dadurch eine Irreleitung ermöglicht ist. Den Lootsen ist keine Schuld beizumessen; sie haben nicht gezögert, der aufgesteckten Flagge zu folgen. Dass sie verspätet bei dem Dampfer angekommen sind, war durch den herrschenden Wind und das dadurch gebotene zeitraubende Kreuzen erklärlich.

78. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des britischen Dampfschiffes „Malaga", Kapitän Mawer. Schiff in der Elbmündung unterhalb der Kugelbake an Grund gerathen und versandet.

Das obengenannte Dampfschiff verliess, mit einer Ladung Gerste in Säcken nach Grimsby bestimmt, am 25. September 1878, Nachmittags Vk Uhr, den Hamburger Hafen unter Führung des Patent-Lootsen Mackrodt. Als man an demselben Tage, Abends

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Dampscbiff Malaga.

den Ausführungen des Reichskommissars ist zwar nicht zu billigen, dass Kapitän Nevermann sich in ein ihm unbekanntes LootsenFahrwasser überhaupt begab, ohne die Ankunft des Lootsen abzuwarten. Andererseits war die Gefährlichkeit dieser Stelle und die Ausdehnung des Steinriffs oder der Steingruppe, deren Durchmesser von dem Lootsen-Kommandeur auf etwa 300 Meter angegeben wird, in keiner Weise bekannt gemacht. Die seemännischen Beisitzer des Seeamts, sonst mit dem hiesigen Fahrwasser wohl vertraut, haben von Ausdehnung dieser Steingruppe selbst keine Kenntniss gehabt. Es ist anzunehmen, dass, wenn die Gefährlichkeit dieser Stelle zur öffentlichen Kenntniss gebracht worden wäre, sei es durch Aufnahme in die Karte, sei es durch öffentliche Bekanntmachung, auch Kapitän Nevermann davon unterrichtet worden wäre. Da auf seiner Seekarte und örtlich jede Bezeichnung fehlte, so hatte er keinen Grund, eine Gefahr zu vermuthen. Unter diesen Umständen lässt sich das Vorgehen des Kapitäns nicht als ein unseemännisches und ein derartiges bezeichnen, welches ihn als unfähig zur Ausübung seines Gewerbes darstellt. Das Seeamt hat vielmehr angenommen, dass lediglich die Unrichtigkeit der Karte, die mangelnde Bezeichnung jener Steingruppe als einer solchen und die fehlende örtliche Kennzeichnung der Grenzen dieser Steingruppe den Kapitän verleitet hat, diesen Kurs zu steuern. Eine örtliche Kennzeichnung der Grenzen wäre grade deshalb geboten gewesen, weil in der Karte nur Ein Stein markirt und dadurch eine Irreleitung ermöglicht ist. Den Lootsen ist keine Schuld beizumessen; sie haben nicht gezögert, der aufgesteckten Flagge zu folgen. Dass sie verspätet bei dem Dampfer angekommen sind, war durch den herrschenden Wind und das dadurch gebotene zeitraubende Kreuzen erklärlich.

78. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9. Januar 1879, betreffend den Seeunfall des britischen Dampfschiffes „Malaga", Kapitän Mawer. Schiff in der Elbmündung unterhalb der Kugelbake an Grund gerathen und versandet.

Das obengenannte Dampfschiff verliess, mit einer Ladung Gerste in Säcken nach Grimsby bestimmt, am 25. September 1878, Nachmittags Vk Uhr, den Hamburger Hafen unter Führung des Patent-Lootsen Mackrodt. Als man an demselben Tage, Abends

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Dampfschiff Malaga.

gegen 8 Uhr, in der Nähe von Cuxhaven sich befand, wurde es neblig, man konnte jedoch, nachdem man die Kugelbake passirt hatte, das Licht des 4. Feuerschiffes erkennen. Der Lootse glaubte indessen, dass man dem Feuerschiff näher sei, als es wirklich der Fall war, und liess demzufolge früher, als es hätte geschehen sollen, den Kurs nach NW nehmen. In Folge hiervon kam das Schiff mit dem Hintertheil ausserhalb des Fahrwassers auf den Grund, stiess heftig auf und legte sich gänzlich auf die Steuerbordseite. Der Besatzung blieb eben noch Zeit, sich in eines der Schiffsboote zu retten. Sie wurde sodann in ein Boot, welches das Feuerschiff in Folge der gehörten Hülferufe abgesandt hatte, übergenommen und nach Cuxhaven gebracht. Ausser einigen unerheblichen Theilen vom Zubehör des Schiffes konnte von Schiff und Ladung nichts gerettet werden, da das Schiff an der Stelle, an welcher es umgefallen war, alsbald in den Sandgrund versank. Der obige Sachverhalt ergiebt sich aus der in Cuxhaven von der Besatzung der »Malaga« belegten Verklarung und den Aussagen des Lootsen Mackrodt; es werden diese Angaben theilweise auch durch die Aussagen der in Ritzebüttel vernommenen Zeugen, des Kommandeurs und Lootsinspektors Krulle und des Führers des genannten Feuerschiffs, Peyn, bestätigt. Nach diesen Angaben ist der Unfall dem Irrthum des Lootsen über die Entfernung, in welcher man sich von dem Feuerschiff befand, zuzuschreiben. Dieser Irrthum wird aber in Folge des damaligen nebligen Wetters als entschuldbar angesehen werden müssen. Dagegen würde die von Mackrodt vermuthete Ungenauigkeit des Kompasses ihm nicht zur Entschuldigung gereichen können, da es ihm als Lootsen oblag, sich von der Richtigkeit des Kompasses zu überzeugen und er hierzu auf der Fahrt nach Cuxhaven genügende Gelegenheit hatte. Ebensowenig kann die Bemerkung Mackrodt's Beachtung finden, dass er gegen den Steuermann geäussert habe, es sei bei dem nebligen Wetter rathsam, zu Anker zu gehen, dass aber der Steuermann geantwortet habe, der Kapitän werde hierzu sich nicht verstehen, da, wenn es wirklich so dick von Nebel gewesen wäre, dass ein Stillliegen des Schiffs hätte geboten erscheinen müssen — was nach Allem, was vorliegt, nicht als begründet anzusehen sein würde —, Mackrodt dem Kapitän gegenüber auf die Ausführung seiner Ansicht hätte bestehen müssen. Welchem Umstände es zuzuschreiben ist, dass das Schiff, nachdem es auf den Grund gerathen war, sofort auf die Seite fiel, ist 16

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Jacht Haniel.

nicht hinlänglich aufgeklärt worden. Es mag sein, dass die hierauf bezügliche Angabe des Mackrodt, dass das Schiff nicht gehörig mit Ballast versehen gewesen sei, richtig ist; das Umfallen dürfte jedenfalls schon daraus sich erklären lassen, dass in Folge des Backbordruders, welches Mackrodt seiner Angabe zufolge sofort nach dem Festgerathen hat geben lassen, der Vordertheil des Schiffs, sich nach NO wendend, von dem Fluthstrom erfasst worden ist. Anzuführen bleibt hiernach nur noch, dass daraus, dass das Schiff zur Zeit des Unfalls mit voller Dampfkraft ging, dem Kapitän sowenig, wie dem Lootsen, ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn man auch annehmen wollte, dass dieser Umstand das Umfallen des Schiffs verursacht, oder dazu beigetragen habe. Denn da das Schiff den an dieser Stelle besonders starken Fluthstrom gegen sich hatte, so konnte es, um soviel Fahrt über den Grund zu erhalten, als es zu seiner gehörigen Steuerfähigkeit bedurfte, nicht wohl die Maschine langsamer gehen lassen. Hiernach geht der Spruch des Seeamts dahin: dass der Unfall des Dampfschiffes »Malaga«, Kapitän Mawer, einem Irrthum des Lootsen über die Entfernung in der das Schiff von dem Feuerschiff sich befand, zuzuschreiben ist, dieser Irrthum aber in Folge des nebligen Wetters als entschuldbar anzusehen ist.

79. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9. Januar 1879, betreffend den Seeunfall der schwedischen Jacht „Haniel", Kapitän Märtensen. Schiff auf dem Scharhörn-Riff in der Elbmündung gestrandet und verloren gegangen.

Aus der von der Besatzung des obengenannten Schiffs bei dem schwedischen und norwegischen Yice-Konsulat in Cuxhaven belegten Verklarung ergiebt sich Folgendes: Das Schiff verliess mit einer Ladung Eis nach Hamburg bestimmt, am 10. September 1878 den norwegischen Hafen Skien. Nachdem dasselbe auf der Reise vielfach von stürmischem Wetter betroffen war, gelangte es am Abend des 27. September 1878 vor die Elbmündung und sah, obschon es stürmisches und dunkles

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Jacht Haniel.

nicht hinlänglich aufgeklärt worden. Es mag sein, dass die hierauf bezügliche Angabe des Mackrodt, dass das Schiff nicht gehörig mit Ballast versehen gewesen sei, richtig ist; das Umfallen dürfte jedenfalls schon daraus sich erklären lassen, dass in Folge des Backbordruders, welches Mackrodt seiner Angabe zufolge sofort nach dem Festgerathen hat geben lassen, der Vordertheil des Schiffs, sich nach NO wendend, von dem Fluthstrom erfasst worden ist. Anzuführen bleibt hiernach nur noch, dass daraus, dass das Schiff zur Zeit des Unfalls mit voller Dampfkraft ging, dem Kapitän sowenig, wie dem Lootsen, ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn man auch annehmen wollte, dass dieser Umstand das Umfallen des Schiffs verursacht, oder dazu beigetragen habe. Denn da das Schiff den an dieser Stelle besonders starken Fluthstrom gegen sich hatte, so konnte es, um soviel Fahrt über den Grund zu erhalten, als es zu seiner gehörigen Steuerfähigkeit bedurfte, nicht wohl die Maschine langsamer gehen lassen. Hiernach geht der Spruch des Seeamts dahin: dass der Unfall des Dampfschiffes »Malaga«, Kapitän Mawer, einem Irrthum des Lootsen über die Entfernung in der das Schiff von dem Feuerschiff sich befand, zuzuschreiben ist, dieser Irrthum aber in Folge des nebligen Wetters als entschuldbar anzusehen ist.

79. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 9. Januar 1879, betreffend den Seeunfall der schwedischen Jacht „Haniel", Kapitän Märtensen. Schiff auf dem Scharhörn-Riff in der Elbmündung gestrandet und verloren gegangen.

Aus der von der Besatzung des obengenannten Schiffs bei dem schwedischen und norwegischen Yice-Konsulat in Cuxhaven belegten Verklarung ergiebt sich Folgendes: Das Schiff verliess mit einer Ladung Eis nach Hamburg bestimmt, am 10. September 1878 den norwegischen Hafen Skien. Nachdem dasselbe auf der Reise vielfach von stürmischem Wetter betroffen war, gelangte es am Abend des 27. September 1878 vor die Elbmündung und sah, obschon es stürmisches und dunkles

Jacht Haniel.

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Wetter war, — da man den Wind in der Richtung von WNW und dicht in Lee Land hatte — sich zu dem Versuch, die Elbe einzulaufen, genöthigt. Am 28. September, Morgens 2 Vi Uhr, passirte man das erste Feuerschiff, bemühte sich aber vergeblich, das zweite in Sicht zu bekommen, verlor die Richtung und stiess auf den Grund. Das Schiff blieb — wie sich später ergab — auf dem Scharhörn-Riff festsitzen, verlor das Ruder, erhielt mehrere weitere Beschädigungen, füllte sich mit Wasser und gerieth schliesslich bei der Fluth gänzlich unter Wasser, so dass die Besatzung genöthigt war, sich in das Schiffsboot zu retten. Die Leute wurden sodann in das Boot eines der Feuerschiffe aufgenommen und nach Cuxhaven gebracht. Die vorstehenden Angaben der Verklarung hat das Seeamt seiner Entscheidung zu Grunde legen müssen, da die Besatzung des »Haniel« sofort nach dem Unfall in ihre Heimath zurückgekehrt ist, ohne dass zuvor ihre Vernehmung hätte bewirkt werden können. Hinzuzufügen ist diesen Angaben nur noch, dass nach dem über den Unfall von dem Kommandeur und Lootsinspektor Krulle in Cuxhaven erstatteten Bericht — abgesehen von einigen Stücken des Schiffsinventars, die auf Neuwerk geborgen sein sollen, — sowenig von dem Schiff, wie von der Ladung, etwas gerettet ist. — Nach diesen Angaben der Verklarung stellt sich aber der Verlust des Schiffs als eine Folge des stürmischen Wetters dar. Namentlich geben dieselben keinen Grund zu der Annahme, dass Mängel des Fahrwassers oder der für die Schifffahrt bestimmten Hülfseinrichtungen den Unfall verschuldet oder mitverschuldet haben. Demnach giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass, soweit sich die Umstände haben ermitteln lassen, unter denen der Unfall der schwedischen Jacht »Haniel«, Kapitän Märtensen, erfolgte, dieser Unfall dem damaligen stürmischen Wetter zuzuschreiben ist.

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Tjalk Yier Gebrüder.

80. Spruch des Seeamts zu Emden vom 12. September 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 12. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Tjalk „Vier Gebrüder" von West-Rhauderfehn. Schiff mit Torfladung auf der Reise von Westkanal (Amt Friesoythe) nach der schleswig-holsteinischen Westküste in leckem Zustande bei Westerhever absichtlich auf den Strand gesetzt und zerschellt.

Der Spruch des Seeamts zu Emden führt aus: Das zu West-Rhauderfehn heimathberechtigt gewesene TjalkschifF »Vier Gebrüder« — KFTS — ist laut Auszuges aus dem Schiffsregister im Jahre 1852/53 zu West-Rhauderfehn aus Eichenholz erbaut und war bei der in Gemässheit der SchiffsvermessungsOrdnung vom 5. Juli 1872 stattgehabten Vermessung der NettoRaumgehalt desselben auf 61,9 Kubikmeter = 21,86 britische Register-Tons ermittelt. Im Jahre 1864 ist dasselbe von dem Schiffer Harm Kahlor zu West-Rhauderfehn, der es angeblich bereits vorher mehrere Jahre gefahren hatte, käuflich erworben und sodann hauptsächlich zu Reisen nach Helgoland und der schleswig-holsteinischen Westküste benutzt worden. Der Schiffer Kahlor, welcher weder eine Schifferprüfung bestanden, noch auch eine Schifferschule besucht hat, übrigens seit etwa 30 Jahren zur See gefahren haben will, hat mit dem genannten, bereits seit mehreren Jahren nicht mehr versicherten Schiffe, welches vor etwa 3 Jahren zum letzten Male verzimmert sein soll, die letzte Reise mit einer aus 36000 Stück Torf bestehenden, ihm selbst gehörigen Ladung Ende Juni 1878 von Westkanal im Grossherzoglich oldenburgischen Amte Friesoythe angetreten; das nach der schleswigschen Westküste bestimmte Schiff war damals mit seiner vom Schiffer auf 45000 5 geschätzten Ladung nach Meinung des letzteren gut halb beladen, hatte bei einem Tiefgange von etwa 4 Fuss eine Auswässerung von etwa 2 Fuss und bestand die Besatzung ausser dem Kapitän selbst lediglich aus dem 16jährigen Schiffsjungen Alarich Jacobs aus Ost-Rhauderfehn. Obgleich das Schiff der eigenen Angabe des Kapitäns zufolge bereits beim Antritt der letzten Reise etwas leck war und nach Beendigung derselben verzimmert werden sollte, glaubte derselbe doch, dass es für diese Reise, auf welche der noch vorhandene letzte Rest des vorigjährigen Torfes verwerthet werden sollte, wohl

Tjalk Vier Gebrüder.

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noch halten werde und nahm dann seinen Kurs durch die Jümme, Leda und Ems auf Norderney, von wo am 30. Juni 1878 die Reise über See — und zwar zunächst bei ruhigem Wetter — fortgesetzt wurde. In der Nacht zum 1. Juli 1878 trat indessen schlechteres Wetter ein, und verschlimmerte sich der bereits bei der Ausfahrt vorhandene Leck des Schiffes in Folge des durch die unruhige See veranlassten Stampfens desselben bis zum Morgen des 1. Juli, als man etwa um 10 Uhr in der Nähe des Aussenfeuerschiffs der Eider angekommen war, so bedeutend, dass das Schiff nicht mehr gehalten werden konnte. Dasselbe wurde daher bei Westerhever vom Schiffer auf den Strand gesetzt und ist im Laufe der folgenden Tage von der See zerschlagen, während der geladene Torf wegtrieb, das Schiffsinventar einschliesslich des Bootes jedoch nach und nach geborgen wurde. Wegen der Witterungsverhältnisse am 30. Juni und 1. Juli 1878 wird auf den zu den Akten gelangten bezüglichen Bericht der Agentur der deutschen Seewarte hierselbst Bezug genommen und bleibt schliesslich zu erwähnen, dass seitens des Reichskommissars der Antrag gestellt wurde, dem Schiffer Kahlor die Befugniss zur ferneren Ausübung des Schiffergewerbes zu entziehen, während der Schiffer Kahlor zwar weitere Anträge nicht stellte, jedoch der Meinung war, dass ihn irgend welches Verschulden beim Verlust des Schiffes »Vier Gebrüder« nicht treffe. G r ü n d e . Auf Grund der stattgehabten Verhandlung wird als erwiesen angenommen, dass das Schiff »Vier Gebrüder« beim Antritt seiner letzten Reise reparaturbedürftig, insbesondere leck gewesen sei, indessen vermag, was den vorhandenen Leck anbetrifft, derselbe, selbst wenn die Aussage des Schiffsjungen Jacobs, dass das Schiff im Laufe von 24 Stunden 6 Zoll Wasser gemacht habe, als ein irgendwie erheblicher nicht angesehen zu werden und kann daher aus dem Umstände, dass der Schiffer Kahlor trotz jenes Leckes die beabsichtigte Reise antrat, ein Vorwurf für denselben an sich ebensowenig hergeleitet werden, wie ihn ein solcher wegen Beladung des Schiffes, insbesondere mangelnder Garnirung treffen kann. Dasselbe gilt von dem unterlassenen Gebrauche des Lothes, zu dem es, da dem Schiffer der Schiffsort sowohl, als das Vorhandensein ausreichenden Wassers bekannt war, an jeder Veranlassung fehlte, sowie a\ich von dem unterlassenen Peilen des Wasserstandes bei den Pumpen. Denn letzteres erscheint erst dann erforderlich, wenn der Gebrauch der Pumpen den Eintritt unge-

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Tjalk Vier Gebrüder.

wohnlicher Verhältnisse vermuthen lässt und würde übrigens nach der hier in Frage stehenden Beschädigung der »Vier Gebrüder« völlig nutzlos gewesen sein. Dagegen ist andererseits anzunehmen, dass Schiffe von der Grösse der »Vier Gebrüder« überhaupt den Gefahren der hohen See nicht gewachsen sind, wenigstens nur bei gutem Wetter soweit in die See hinausgehen dürfen, dass ihnen beim Eintritt schlechterer Witterung die Möglichkeit verbleibt, rechtzeitig Schutz finden zu können und fallen diese Rücksichten um so erheblicher in's Gewicht, wenn es sich um Schiffe von dem Alter der bereits im Jahre 1852/53 erbauten »Vier Gebrüder« handelt. Dazu kommt, dass für Schiffe in hoher See bei eintretendem schlechten Wetter eine Bemannung von zwei Personen unter allen Umständen unzureichend ist und wird insbesondere der Verlust der »Vier Gebrüder« darauf zurückgeführt werden müssen, dass bei ungenügender Bemannung des Schiffes demselben die nöthige Manövrirfähigkeit fehlte, dasselbe bei dieser Sachlage seines hohen Alters wegen der Gewalt des darauf andringenden Seeganges nicht mehr Stand zu halten vermochte und dadurch der erhebliche Leck desselben entstand, welcher die Nothwendigkeit, das Schiff auf den Strand zu setzen, herbeiführte. Darnach lässt sich denn nicht verkennen, dass den Schiffer, welcher sich die vorstehend erwähnten Gefahren hätte vergegenwärtigen sollen, allerdings ein Verschulden an dem Verlust seines Schiffes treffe, und dass derselbe insbesondere in nicht gerechtfertigter Weise das Leben des Schiffsjungen Jacobs aufs Spiel gesetzt habe; wenn er jedoch andererseits ebenso das eigene Leben wagte und übrigens beim Mangel einer Versicherung für Schiff und Ladung nur sein persönliches Eigenthum in Gefahr brachte, so bleibt ferner zu erwägen, dass ihm die seitherigen Usanzen der Küstenschifffahrt entschuldigend zur Seite stehen und eine vollständige Beseitigung der gerügten Missstände das Fortbestehen der Küstenschifffahrt Überhaupt erheblich in Frage stellen müsste. Somit kann denn aber der den Schiffer Kahlor treffende Vorwurf nicht als so gewichtig angesehen werden, um den vom Reichskommissar gestellten Antrag auf Entziehung der Gewerbebefugniss als gerechtfertigt erscheinen zu lassen und geht der Spruch des Seeamts dahin: Der Verlust des Schiffes »Vier Gebrüder« ist darauf zurückzuführen, dass es bei ungenügender Besatzung seines hohen Alters wegen der Gewalt des andrängenden Seeganges

Tjalk Vier Gebrüder.

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nicht Stand zu halten vermochte und ist der Schiffer Kahlor zwar von allem Verschulden bei demselben nicht freizusprechen, der Antrag des Reichskommissars auf Entziehung der Gewerbebefugniss jedoch zurückzuweisen. Gegen diesen Spruch des Seeamts und dessen Begründung hat der Reichskommissar Beschwerde eingelegt und zu deren Rechtfertigung angeführt: 1. Es kann weder das Fortbestehen der Küstenschifffahrt in Frage stellen, wenn eine von Sachverständigen anerkannte grobe Fahrlässigkeit, die nicht blos den Untergang eines Schiffes zur Folge gehabt, sondern auch Menschenleben in Gefahr gebracht hat, mit der Strenge des Gesetzes geahndet wird, noch kann von entschuldigenden Usanzen die Rede sein, wenn gefahrliche Missstände eingerissen und ungeahndet geblieben sind, weil dafür weder Kläger noch Richter vorhanden waren. 2. Was den Schiffer Kahlor bewog, Schiff, Ladung und das Leben seines Schiffsjungen neben dem seinigen auf das Spiel zu setzen, war ein äusserst geringfügiger Gewinn, ihm zu Liebe entschlug er sich der Vorsicht, vor Antritt seiner Fahrt sein leckes Schiff erst repariren zu lassen. 3. Offenbar war die Angabe des Schiffsjungen über die Höhe des durch den Leck eintretenden Wassers nur eine auf ungefähre Schätzung beruhende; vielmehr fällt ins Gewicht, dass der Schiffsjunge vor dem Antritt der Reise seinen Kapitän auf den auffälligen Leck aufmerksam gemacht und dass dieser ihm Stillschweigen auferlegt hat. 4. Bei der Beschaffenheit des Schiffes war der Antritt einer Seereise höchst gefährlich und mehr als leichtsinnig, da das Schiff bei nur einigermaassen hohem Seegange und Sturm untergehen musste. 5. Der Schiffer hätte den Unfall vermeiden können, wenn er rechtzeitig das Schiff in Sicherheit gebracht hätte. Er konnte und musste nach Lage der Sache in Helgoland anlaufen, statt dessen setzte er seine Reise in See weiter fort und dachte auch dann nicht daran, diese Zuflucht aufzusuchen, als die Zunahme des Wassers im Raum die Gefahr drohender vor Augen stellte. Der Schiffer Kahlor hat hiergegen eingewendet: 1. Leichtsinnig habe er die letzte Reise von Westkanal nach der schleswigschen Küste mit dem Schiffe »Vier Gebrüder« nicht

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Tjalk Vier Gebrüder.

angetreten. Der vorhandene Leck des Schiffs war keinesfalls so bedeutend, den stattgehabten Unfall darauf zurückführen zu können, zumal die Reise im Mittsommer angetreten worden. 2. Die Vorsicht, das wenig lecke Schiff vor Antritt der Reise zu repariren, würde er keinenfalls verabsäumt haben, wenn dadurch fremdes Eigenthum der Gefahr der Beschädigung durch Nässe ausgesetzt gewesen wäre. 3. Dass er auch in schwierigen Fällen wohl die Fähigkeit besitze, über ein Schiff zu disponiren, dafür spräche seine langjährige, ohne besondere Unfälle bestandene Fahrzeit. 4. Unter den damals obwaltenden Umständen sei es sowohl unmöglich gewesen, als er Helgoland passirte, diese Insel anzulaufen, als auch mit einer fachmännischen Auffassung unvereinbar, wenn der Reichskommissar meine, dass er, nachdem er Helgoland passirt hatte, nochmals hätte bei wachsender Gefahr den Versuch machen müssen, nach dieser Insel zurückzukehren. Das erstere verhinderte die Witterung und die damals herrschende Fluth, das letztere der herrschende Wind und die Absicht der Tjalk. Ein die Erreichung Helgolands erstrebendes Verfahren wäre unter den Umständen geradezu ein leichtsinniges zu nennen gewesen. Hierauf hat das Kaiserliche Oberseeamt in seiner Sitzung vom 12. Dezember 1878 entschieden, dass der Spruch des Königlich preussischen Seeamts zu Emden vom 12. September 1878 lediglich zu bestätigen und die Kosten des Verfahrens ausser Ansatz zu lassen. Gründe. 1. Der durch die Aussage des Schiffers Kahlor und des Schiffsjungen Jacobs konstatirte Leck der »Vier Gebrüder« war nicht beträchtlich genug, um das Auslaufen des Schiffes als in leichtsinniger Weise unternommen bezeichnen zu können. Es rechtfertigt sich diese Annahme durch die Thatsache, dass der auf 6 Zoll in 24 Stunden angegebene Betrag von Leck-Wasser sich während der mehrere Tage dauernden Fahrt durch die ostfriesischen Kanäle und durch den Dollart bis nach Norderney und während des zweitägigen Aufenthalts bei dieser Insel nicht erhöhte Und erst in beunruhigender Weise am Morgen des letzten Tages der Reise, des ersten Juli 1878, als der Wind von NW auffrischte und ein mässiger Seegang auf das Schiff einwirkte, zunahm. 2. Die Witterungsverhältnisse und der Zustand der See waren bis nach dem Verlassen Norderney's von Seiten der »Vier Gebrüder«,

Tjalk Vier Gebrüder.

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am 30. Juni, sehr günstig gewesen; das ruhige und von keinem erheblichen Seegang begleitete Sommerwetter gab keine Veranlassung, bei dem Schiffer Kahlor besondere Befürchtungen für die sichere Fortsetzung der Reise auf hoher See hervorzurufen, und es ist aus dem Umstände an sich, dass diese Reise unternommen wurde, unter den obwaltenden Umständen ein ernster Vorwurf wegen Mangel an Umsicht und seemännischer Tüchtigkeit gegen den Schiffer Kahlor nicht zu erheben. 8. Ebensowenig kann aus dem Unterlassen des Peilens der Pumpen, um die Zunahme des Leck-Wassers und dadurch die Gefahr zu erkennen, bei einem Schiffe von der Art der »Vier Gebrüder« der Vorwurf des Leichtsinns oder Mangels an Umsicht gegen den Schiffer Kahlor abgeleitet werden, sowie auch bei seiner Bekanntschaft mit der Lokalität und den Wassertiefen ein häufiges Lothen im vorliegenden Falle nicht gerade als unerlässlich nothwendig erachtet werden kann. 4. Bei den herrschenden Witterungs- und Stromverhältnissen würde zur Zeit, als der Schiffer Kahlor die Gefahr erkannte, in welche sein Schiff durch die von dem zunehmenden Seegang gelösten Verbindungen und in Folge davon durch das Zunehmen des Leck-Wassers versetzt wurde, ein Versuch Helgoland zu erreichen, um das Schiff zu bergen, aller Wahrscheinlichkeit nach von verderblichen Folgen begleitet gewesen sein. Der zur Zeit herrschende NW-Wind, sowie die Stromversetzung bei Schiffen von so flacher Art, wie die »Vier Gebrüder«, lassen den von dem Schiffer Kahlor ausgeführten Versuch, sein Schiff an der schleswigholsteinischen Küste auf den Strand zu setzen, vom seemännischen Standpunkt aus als gerechtfertigt erscheinen. 5. Wenn hiernach in dem Verhalten des Schiffers Kahlor während der Reise der »Vier Gebrüder« von Westkanal bis zur Strandungsstelle an der schleswig-holsteinischen Küste ein Grund zur Entziehung der Gewerbebefugniss nicht gefunden werden kann, so muss doch andererseits hervorgehoben werden, dass durch die Art der Bemannung des alten Fahrzeugs mit nur einem Jungen äusserndem Führer, Grund zum Tadel gegeben ist, indem eine solche Bemannung als durchaus ungenügend erscheint, wenn die hohe See gesucht werden soll. Die Auffassung des Seeamtes, welche für die Unzulänglichkeit der Besatzung der »Vier Gebrüder« in den seitherigen Usanzen der Küstenschifffahrt einen Entschuldigungsgrund finden zu dürfen geglaubt hat, kann nicht getheilt werden.

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Dampfschiff Pommerania und Bark Moel Eilian.

Das Handelsgesetzbuch, Artikel 480, verpflichtet den Schiffer ausdrücklich, vor Antritt der Reise dafür zu sorgen, dass das Schiff gehörig bemannt ist. Wenn sich eine von dieser Vorschrift abweichende Gewohnheit gebildet hat, so kann die letztere nur als ein Missbrauch bezeichnet werden, welcher ein gesetzwidriges Verhalten niemals zu entschuldigen vermag.

81. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 10. Februar 1879, betreffend den Zusammenstoss des deutsehen Dampfschiffes „Pommerania" von Hamburg und der britischen Bark „Moel Eilian." In Folge des im Kanal bei Dover stattgehabten Zusammenstosses wurde das Dampfschiff erheblich beschädigt, füllte sich mit Wasser und sank, wobei 3 8 Passagiere und I 7 Personen der Schiffsbesatzung ertranken. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung desZusammenstossens der Schiffe aufSee vom 23. Dezember 1871, Art. 15 bis 18.

Die »Pommerania« —ein eisernes Dampfschiff mit einer Maschine von nominell 600 Pferdekraft und einem Brutto-Raumgehalt von 9580 Kubikmeter (3381,74 Register-Tons) — ward für Rechnung der »Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft« zu Hamburg im Jahre 1873 erbaut und von dieser Gesellschaft zu regelmässigen Fahrten zwischen Hamburg und Nordamerika benutzt. Am 14. November 1878 trat das Schiff unter Führung des Kapitäns H. F. Schwensen die Reise von New-York nach Hamburg an, gerieth in der Nacht vom 25. auf den 26. November im Kanal, ungefähr 7 Seemeilen westlich von South-Foreland, Dover gegenüber, mit einer britischen Bark, der von Rotterdam nach Cardiff bestimmten »Moel Eilian«, in Kollision und erlitt bei dem Zusammenstoss eine Beschädigung, in Folge derer es sich mit Wasser fällte und untersank. Vön den an Bord befindlichen 111 Passagieren wurden 73, von den zur Schiffsbezatzung gehörigen 111 Personen 94 gerettet, 38 Passagiere und 17 Personen von der Schiffsbesatzung ertranken. Ausserdem ging mit dem Schiff dessen werthvolle Ladung, sowie die für Deutschland bestimmte Post verloren. Ueber diesen Unfall hat eine umfassende Beweisaufnahme stattgefunden. Namentlich ist eine grosse Anzahl von den geretteten

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Dampfschiff Pommerania und Bark Moel Eilian.

Das Handelsgesetzbuch, Artikel 480, verpflichtet den Schiffer ausdrücklich, vor Antritt der Reise dafür zu sorgen, dass das Schiff gehörig bemannt ist. Wenn sich eine von dieser Vorschrift abweichende Gewohnheit gebildet hat, so kann die letztere nur als ein Missbrauch bezeichnet werden, welcher ein gesetzwidriges Verhalten niemals zu entschuldigen vermag.

81. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 10. Februar 1879, betreffend den Zusammenstoss des deutsehen Dampfschiffes „Pommerania" von Hamburg und der britischen Bark „Moel Eilian." In Folge des im Kanal bei Dover stattgehabten Zusammenstosses wurde das Dampfschiff erheblich beschädigt, füllte sich mit Wasser und sank, wobei 3 8 Passagiere und I 7 Personen der Schiffsbesatzung ertranken. Kaiserliche Verordnung zur Verhütung desZusammenstossens der Schiffe aufSee vom 23. Dezember 1871, Art. 15 bis 18.

Die »Pommerania« —ein eisernes Dampfschiff mit einer Maschine von nominell 600 Pferdekraft und einem Brutto-Raumgehalt von 9580 Kubikmeter (3381,74 Register-Tons) — ward für Rechnung der »Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft« zu Hamburg im Jahre 1873 erbaut und von dieser Gesellschaft zu regelmässigen Fahrten zwischen Hamburg und Nordamerika benutzt. Am 14. November 1878 trat das Schiff unter Führung des Kapitäns H. F. Schwensen die Reise von New-York nach Hamburg an, gerieth in der Nacht vom 25. auf den 26. November im Kanal, ungefähr 7 Seemeilen westlich von South-Foreland, Dover gegenüber, mit einer britischen Bark, der von Rotterdam nach Cardiff bestimmten »Moel Eilian«, in Kollision und erlitt bei dem Zusammenstoss eine Beschädigung, in Folge derer es sich mit Wasser fällte und untersank. Vön den an Bord befindlichen 111 Passagieren wurden 73, von den zur Schiffsbezatzung gehörigen 111 Personen 94 gerettet, 38 Passagiere und 17 Personen von der Schiffsbesatzung ertranken. Ausserdem ging mit dem Schiff dessen werthvolle Ladung, sowie die für Deutschland bestimmte Post verloren. Ueber diesen Unfall hat eine umfassende Beweisaufnahme stattgefunden. Namentlich ist eine grosse Anzahl von den geretteten

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Mitgliedern der Schiffsbesatzung von dem Seeamt vernommen worden, und ebenso auch einzelne von den geretteten Passagieren. Von anderen Passagieren sind notarielle Depositionen zu den Akten gelangt. Es sind ferner verschiedene, auswärts aufgenommene, auf den Unfall bezügliche Protokolle, sowie eine grosse Anzahl von deutschen, englischen und nordamerikanischen Zeitungen, welche den Unfall betreifende Berichte enthalten, zu den Akten genommen. Schliesslich haben 11 Personen von der Besatzung der »Moel Eilian« sich erboten, in Hamburg in dieser Angelegenheit Zeugniss abzulegen und sind demzufolge von dem Seeamt verhört worden. Dagegen ist eine Ausfertigung der Aussage, welche der Führer der »Moel Eilian«, Kapitän David Pritchard, alsbald nach dem Unfall vor dem Strandbeamten (Receiver of Wreck) in Dover gemacht hat, nicht zu erlangen gewesen, und ebensowenig hat eine Vernehmung des Kapitäns Pritchard und seiner beiden Steuerleute zu der gegenwärtigen Untersuchung sich erwirken lassen. Eine eingehende Darstellung des Unfalls enthält die seitens der »Pommerania« am 14. Dezember im Handelsgericht zu Hamburg belegte Verklarung. In derselben wird, nachdem angeführt ist, dass man den, behufs Landung von Passagieren und Abgabe der für Frankreich bestimmten Post angelaufenen Hafen von Cherbourg am 25. November 30 Minuten nach Mittag wieder verlassen habe, der Vorgang mit folgenden Worten geschildert: »Wir steuerten den Kanal aufwärts und passirten in der Nacht vom 25. auf den 26. November um ungefähr 20 Minuten vor 11 Uhr p. m. die Feuer von Dungeness. Nachdem Dungeness passirt war, ward Kurs gesteuert für South-Foreland; die Signallaternen der »Pommerania« befanden sich hell brennend an ihrer reglementsmässigen Stelle; die Nacht war sehr dunkel und die Luft öfter dick von Regen, im Uebrigen war die Luft feuersichtig. Als 7 Glasen angeschlagen wurde, also um 111k Uhr p. m., befand sich der Deponent Kapitän Schwensen auf der Kommandobrücke und mit demselben auch der erste Offizier, Deponent Franzen, der vierte Offizier, Deponent Hiller, befand sich auf dem Quarterdeck bei dem Standard-Kompass, der Deponent Maschinist Rose im Maschinenraum bei der Maschine, der Deponent Bootsmann Walter auf dem Deck an Steuerbordseite unter der Brücke, der Deponent Quartiermeister Rudow im Ruderhause, der Deponent Segelmacher Vogt mittschiffs auf Deck, der Deponent Matrose Jost in der Küche und gleich hernach mittschiffs auf Deck, der Deponent Matrose Kurre

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im Spardeck an der Treppe, die Deponenten Matrose Boje und Matrose Nicolai auf Ausguck, die Deponenten Matrosen Petersen und Steinken mittschiffs auf Deck und der Deponent Matrose Köster in der Küche. Bald nachdem die 7 Glasen angeschlagen waren, also etwas nach 11 Vt Uhr p. m., kam von der Ausguckwache der Meldungsruf: »Feuer recht voraus!« und der erste Offizier, Deponent Franzen, indem er das Licht sogleich durch den Nachtgucker beobachtete, erkannte, dass es ein grünes Licht sei, und sah er zugleich, dass dasselbe schwächer wurde und dann verschwand; und um dieselbe Zeit sahen beide Deponenten, Kapitän Schwensen und der erste Offizier Franzen, einen mit der »Pommerania« ostwärts steuernden Dampfer etwas vorlicher als dwars ab an Steuerbordseite. Der Deponent Kapitän Schwensen revidirte hiernächst vermittelst des Nachtgucker die Umgebung der »Pommerania«, und da ihm dabei kein Licht sichtbar wurde, so begab er sich von der Kommandobrücke in das Kartenhaus, um die Position des Schiffes zu bestimmen und den Kurs auf der Karte abzusetzen. Wenige Minuten nachdem der Deponent Kapitän Schwensen die Kommandobrücke verlassen hatte, um 11 Uhr 45 Minuten nach der Schiffsuhr, erblickte der erste Offizier, Deponent Franzen, plötzlich an der Steuerbordseite der »Pommerania«, nur etwa anderthalb bis zwei Schiffslängen entfernt, ein rothes Licht, und da es ihm klar war, dass die »Pommerania«, wenn auf derselben Backbordruder werde gegeben werden, unvermeidlich in das andere Schiff hineinrennen müsse, so gab er das Kommando, das Ruder hart Steuerbord zu legen, geleitet von der Ueberzeugung, dass allein auf diese Weise die Möglichkeit gegeben sei, einer Kollision zu entgehen, oder doch wenigstens dieselbe abzuschwächen. Der Befehl, das Ruder hart Steuerbord zu legen, ward von dem am Ruder stehenden, hier nicht mit erschienenen Quartiermeister Plöhn in Gegenwart des Deponenten Quartiermeister Rudow sofort ausgeführt, leider aber gelang es nicht, den Zusammenstoss abzuwenden, und es Hef das Segelschiff mit solcher Gewalt in die Steuerbordseite der »Pommerania« hinein, dass die Seitenplatten mittschiffs durchgestossen wurden; zugleich stiess der Segler vermittelst seines Klüverbaums den Schornstein der «Pommerania« weg, zertrümmerte zwei ihrer Boote und riss mittelst seiner Stage die Ventilatoren fort. Nachdem dies geschehen war, ging der Segler von der »Pommerania« klar und verschwand in der Dunkelheit.

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Der Deponent Kapitän Schwensen, als er das Krachen des Zusammenstosses vernahm, sprang sofort auf die Kommandobrücke, hörte von dem ersten Offizier was geschehen war und empfing fast in demselben Augenblicke, durch den auf die Brücke kommenden ersten Maschinisten Helms die Meldung, dass das Wasser mit Macht aus dem Kesselraum in den Maschinenraum ströme und dass deshalb, um eine Explosion zu vermeiden, der Dampf abgeblasen und die Maschine gestoppt sei. — Ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren ertheilte Kapitän Schwensen den Offizieren und Mannschaften den Befehl, die Boote klar zu machen, gab dem dritten Offizier Wilhelm Detlef H, Zarnow die Anweisung, durch Abbrennen von Blaulichtern und Steigenlassen von Raketen Nothsignale zu geben und bewirkte, dass sämmtliche Passagiere geweckt und auf Deck gerufen, sowie, dass die an den Aufgängen befindlichen Rettungsgürtel abgenommen wurden, um jeden Passagier mit einem solchen zu versehen. Jeder Mann der Besatzung that seine Schuldigkeit; die Offiziere, nämlich der erste, der zweite und der vierte Offizier leiteten das Ausschwingen und Zuwasserbringen der Boote und die Einschiffung der Passagiere, wie denn überhaupt alle Anordnungen des Kapitäns von Seiten der Offiziere und der Mannschaften mit Ruhe und Besonnenheit in kürzester Frist ihre Ausführung erhielten, soweit die Dunkelheit und die Umstände es möglich sein Hessen. — Von den unbeschädigt gebliebenen sechs Booten füllte sich das BootNo. 8 beim Hinunterlassen mit Wasser und ging verloren, die übrigen fünf Boote wurden zu Wasser gebracht und mit Passagieren gefüllt. In dem zuletzt bei dem Schiffe verbliebenen Boote befand sich der erste Offizier, Deponent Franzen, welcher mit dem Boote noch liegen geblieben war, um noch mehrere auf dem Schiffe sichtbare Personen und so auch den Kapitän aufzunehmen. Kapitän Schwensen bemühte sich vergebens, die in seiner Nähe befindlichen Passagiere zu bewegen, über Bord zu springen, da man sie vom Boote aus aufnehmen würde, und als er dann das Sinken der »Pommerania« in wenigen Augenblicken bevorstehen sah, wobei es ihm nicht zweifelhaft war, dass das ganze Boot mit allen darin befindlichen Menschen unaufhaltsam mit in den Strudel werde hinabgerissen werden, wenn das Boot dem Schiffe nahe geblieben wäre, so befahl Kapitän Schwensen dem ersten Offizier nachdrücklichst, dass er sich unverzüglich vom Schiffe entfernen solle, was demgemäss geschehen musste. Wenige Augenblicke später sank die »Pommerania« in die Tiefe hinab; mit ihr, ausser den noch auf

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ihr verbliebenen Passagieren der Kapitän Schwensen, der zweite Offizier Otto Fokkes, der noch im letzten Momente zum Kapitän herangetreten war und sich nicht von ihm trennen wollte, und der dritte Offizier Zarnow, welcher bis zuletzt unaufhörlich mit dem Abfeuern von Nothsignalen fortgefahren hatte. — Von dem Momente des Zusammenstosses bis zum Sinken der »Pommerania« waren nur fünfzehn bis höchstens zwanzig Minuten verflossen und so konnten weder das Schiffsjournal, noch die SchifFspapiere, noch auch die an Bord befindliche Post geborgen werden; alle Anstrengungen konnten allein darauf gerichtet sein, Menschenleben zu retten. — Die in den Booten befindlichen Personen wurden zunächst von dem zur Stelle gekommenen britischen Dampfer »Glengarry«, Kapitän Hogg, aufgenommen und später in Dover gelandet, von wo die geretteten Leute der Besatzung der »Pommerania« nach Hamburg befördert worden sind. Der Deponent Kapitän Schwensen ward, nachdem er in die Tiefe hinabgerissen war, von einer Rückströmung wieder auf die Oberfläche des Wassers geworfen und dann, nachdem er ungefähr anderthalb Stunden auf Wrackstücken sich treibend gehalten hatte, von dem britischen Dampfer»City ofAmsterdam«, Kapitän Walsh, aufgenommen und zu Rotterdam gelandet und ist von dort am 3. dieses laufenden Monats Dezember hier in Hamburg angekommen«. Die Beweisaufnahme hat diese Darstellung der Verklarung im wesentlichen bestätigt. Dieselbe hat sodann besonders noch folgende Thatsachen ergeben. Der Kurs der »Pommerania« vor dem Zusammenstoss war ONOV2O (missweisend); sie hatte eine Fahrt von 18 bis 18 Va Knoten, ihre Maschine ging nahezu mit voller Kraft, der Wind war nordöstlich. Das vor der Kollision vom Steuermann Franzen wahrgenommene grüne Licht hat auch Kapitän Schwensen seiner Angabe zufolge, bevor er in's Kartenhaus ging, wahrgenommen und verschwinden sehen. Er schätzt die Zeit, welche von dem Verschwinden dieses Lichts bis zu dem Zusammenstoss verstrich, auf 10 bis 15 Minuten, Franzen auf ungefähr 6 Minuten; andere Personen von der Schiffsbesatzung meinen, dass von dem Augenblick, in welchem der Ausguck das Licht rapportirte, bis zu dem Zusammenstoss ungefähr 5 Minuten vergangen seien. — Die »Moel Eilian« wird als ein Schiff von 1080 Tons angegeben. Sie fuhr in Ballast, Bei der Kollision wurde sie am Vordersteven beschädigt, das Eindringen von Wasser in den Schiffsraum aber durch das Schott im Vordertheil des Schiffs verhindert. Nach den Berichten in den

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Times vom 27. und dem Standard vom 28. November hat Kapitän Pritchard die Fahrt seines Schiffes auf 5 Knoten, den Kurs desselben auf WzS angegeben. Mit der letzteren Angabe stimmen auch die Aussagen der von der Besatzung der Bark verhörten Personen überein. Besonders erheblich erscheint es aber, dass der Mann, welcher bei dem Zusammenstoss am Steuerrad der Bark stand, Frederic Crozier, behauptet, er habe, nachdem man das Dampfschiff wahrgenommen hatte, auf Befehl des Kapitäns Pritchard erst zwei Striche und sodann noch drei Striche anluven lassen, und dass diese Angabe auch noch durch die Aussagen der übrigen Leute — namentlich durch die Aussage, dass Crozier diese Thatsache bereits am Morgen nach der Kollision ihnen mitgetheilt habe — unterstützt wird. Sind nun auch die Aussagen dieser Leute mit Vorsicht aufzunehmen, so ist doch nicht zu übersehen, dass ihre Depositionen in anderen wesentlichen Beziehungen zu Gunsten der »Moel Eilian« lauten. So geben dieselben freilich an, dass die Lampen der »Moel Eilian« während der Nacht mehrere Male nachgesehen werden mussten und zu diesem Behuf von ihrem Stand genommen wurden, ohne dass sie inzwischen durch Reservelampen ersetzt seien, es wird aber andrerseits von diesen Leuten angegeben, dass in der letzten Zeit vor der Kollision die rothe Lampe sich gut brennend an ihrer Stelle befunden habe, dieselbe auch nicht etwa von Segeln bedeckt gewesen sei. Insbesondere kommt aber hier in Betracht, dass, da die Schiffe nahezu denselben Kompassstrich in entgegengesetzter Richtung steuerten, es ohne die von den Zeugen behauptete Kursveränderung der »Moel Eilian« unerklärlich wäre, wie dieses Schiff in schräger Richtung auf die Steuerbordseite der »Pommerania« zukommen, und wie es dieselbe, wiewohl sie — wie namentlich auch der damals am Steuer stehende Quartiermeister Plöhn angegeben hat — nur »um einen guten Strich« abfiel, beinahe im rechten Winkel treffen konnte. Es würde auch für dieses vom Kapitän Pritchard eingeschlagene Verfahren nicht an einer Erklärung fehlen, der Irrthum, dass man bei der Annäherung eines anderen Schiffes stets Backbordruder geben müsse, oder doch dürfe, ist unter Schiffsführern immer noch stark verbreitet. Darüber, dass dieses Verfahren der »Moel Eilian« ein verkehrtes war, kann kein Zweifel obwalten. Nach den allgemein geltenden Regeln zur Verhinderung des Zusammenstossens von Seeschiffen hat, wenn ein Dampfschiff und ein Segelschiff sich begegnen, das Dampfschiff auszuweichen, und es hat ferner jedes Schiff, welches

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die gesetzlichen Vorschriften nicht zum Ausweichen verpflichten, regelmässig seinen Kurs beizubehalten. Die »Moel Eilian« durfte also ihren Kurs nicht verändern. Klar zu Tage liegt es auch, dasa wenn dieselbe ihren Kurs beibehalten hätte, die beiden Schiffe ohne einander zu berühren, die Steuerbordseite des einen der Steuerbordseite des andern zugekehrt, einander * vorbeigegangen wären.. Die Schuld an dem Zusammenstoss ist somit nach Allem, was vorliegt, der »Moel Eilian« beizumessen und es kann nur noch in Frage kommen, ob die »Pommerania« ihrerseits den nachtheiligen Folgen des von der »Moel Eilian« begangenen Versehens noch rechtzeitig hätte vorbeugen können. In dieser Beziehung ist nun zwar dem Steuermann Franzen darin beizustimmen, dass in dem Augenblick, in welchem er das rothe Licht des anderen Schiffes zuerst wahrnahm, das von ihm kommandirte hart Steuerbordruder das Richtigste war, was unter den obwaltenden Umständen geschehen konnte; zu prüfen bleibt jedoch noch, ob das rothe Licht, welches die »Moel Eilian« bei der zweiten Kursveränderung — dem Anluven um die ferneren drei Striche — der »Pommerania« zugekehrt haben muss, auf dieser letzteren nicht früher, als geschehen, wahrgenommen werden konnte. Diese Frage anlangend, wird zunächst davon auszugehen sein, dass, da es trübes Wetter war, die Lichter beider Schiffe schwerlich auf eine grössere Distanz sichtbar gewesen sein werden, als dieselben nach den angezogenen Reglements bei klarem Wetter hätten sichtbar sein sollen, und somit, wenn auch wohl das Toplicht der »Pommerania« auf 5 Seemeilen, doch die Seitenlichter der Schiffe auf nicht mehr als 2 Seemeilen. Bei der oben angegebenen Fahrgeschwindigkeit der Schiffe von zusammen 18 bis 18 Va Seemeilen würden aber 7 Minuten ausgereicht haben, um sie, wenn sie 2 Seemeilen von einander entfernt waren, an einander zu bringen. Hiernach scheint — wenn man nicht etwa annehmen will, dass das von Schwensen und Franzen gesehene grüne Licht nicht der »Moel Eilian«, sondern einem anderen unbekannt gebliebenen Schiffe angehört habe — die Zeit zwischen dem Erscheinen des grünen Lichtes und der Kollision erheblich kürzer gewesen zu sein, als sie von den genannten Schiffsführern veranschlagt wird. Ein Irrthum bei der Schätzung einer abgelaufenen Zeit kommt erfahrungsgemäss leicht vor; hier würde für das Vorhandensein eines solchen Irrthums die oben angeführte Annahme der zur Mannschaft der »Pommerania« gehörigen Leute sprechen,

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nach welcher nur ungefähr 5 Minuten von dem Ausruf des Ausgucks bis zu dem Zusammenstoss verstrichen sein sollen. Von welcher Annahme man aber auch hinsichtlich dieses Punktes ausgehen mag, immer müsste, wenn die fragliche Kursveränderung erfolgte, nachdem die Lichter der Bark in den Gesichtskreis der »Pommerania« gelangt waren, das rothe Licht nicht nur unmittelbar nach dem Verschwinden des grünen sich gezeigt haben, sondern schon vor dem Verschwinden desselben, so dasa für einen Moment beide Lichter auf der »Pommerania« sichtbar gewesen wären und es müsste ferner, wenn man annimmt, dass die Bark die Wendung machte, bevor die Lichter derselben auf der »Pommerania« sichtbar wurden, das rothe Licht gleichfalls früher, als es von Franzen bemerkt wurde, sich gezeigt haben. Ueber die Ursachen, in Folge derer das rothe Licht nicht früher auf der »Pommerania« bemerkt worden ist, lässt sich aber eine genügende Aufklärung aus dem Beweismaterial nicht entnehmen. Die Vermuthung des Franzen, dass während der Wendung der »Moel Eilian« das rothe Licht durch Segel bedeckt gewesen sei, wird nach der Angabe, welche die Matrosen der »Moel Eilian« über die Segel des Schiffes gemacht haben, als unbegründet betrachtet werden müssen. Andere Umstände könnten indessen sehr wohl die Besatzung der »Pommerania« an dem rechtzeitigen Entdecken der Lichter der Bark verhindert haben. Undenkbar würde es namentlich nicht sein, dass andere Gegenstände als Segel, insbesondere Anker und Ankerdavids nebst den dazu gehörigen Blöcken, oder etwa der Lee-Fockhals das rothe Licht zeitweilig bedeckt haben. Hat doch keiner der auf dem Verdeck der »Pommerania« sich befindenden Matrosen das rothe Licht früher wahrgenommen und giebt insbesondere der Steuermann Hiller an, dass er nicht einmal, nachdem er in Folge des von der Bark ausgehenden Zurufs sich nach der Richtung gewandt habe, aus welcher der Zuruf kam, sofort das rothe Licht habe entdecken können. Unmöglich wäre es auch nicht, dass in dem ersten Augenblick, in welchem das rothe Licht der Bark zum Vorschein kam, dasselbe zu dem Toplicht des nach der Verklarung damals etwas vorlicher als dwars von der »Pommerania« sich befindenden Dampfers Glengarry eine solche Stellung einnahm, dass man auf der »Pommerania« das rothe Licht für dasjenige des Dampfers halten konnte, das Backbordlicht des Dampfers aber der Zeit von der »Pommerania« aus noch gar nicht sichtbar war. Ein genügender Grund, der Besatzung der »Pommerania« in der hier in Rede stehenden Beziehung 17

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den Vorwurf zu machen, dass sie es an der gehörigen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen, liegt somit nicht vor. In Folge der obigen Annahme, dass das trübe Wetter die Feuersichtigkeit beeinträchtigte, muss es noch in Frage kommen, ob dem Kapitän Schwensen ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Maschine seines Schiffs mit nahezu voller Kraft gehen liess. Dass das Wetter trübe war, ergiebt sich schon aus der Verklarung, in welcher es als dunkel und — worauf es hier wesentlich ankommt — regnicht bezeichnet wird. Dass es regnicht war, ist auch durch die Beweisaufnahme bestätigt worden, dafür dass die Luft damals in der Gegend, in welcher die Kollision stattfand, so dick war, dass man Nebel als damals vorhanden annehmen kann, giebt aber die Beweisaufnahme keinen Anhalt, wenn auch, wie es scheint, an anderen Stellen des Kanals es wirklich neblig war. Namentlich bezeichnet auch Kapitän Hogg vom »Glengarry«, der auf diesseitige Veranlassung von dem deutschen Konsulat in Middlesborough vernommen worden ist, das Wetter nur als »dark and showery«. Nach den Aussagen des Matrosen Furre, welcher auf der »Moel Eilian« von 10 Uhr bis zur Kollision auf dem Ausguck stand, hat freilich dieses Schiff bis 10 Uhr Nebel gehabt, von 10 Uhr ab, also bei der Annäherung an die Stelle der Kollision, soll es aber klarer geworden sein, man auch das Nebelhorn nicht mehr gebraucht haben, und es soll sogar zur Zeit der Kollision ganz klar gewesen sein. Auch sprechen die Angaben, welche die übrigen Leute von der »Moel Eilian« über die Zeit machen, welche von dem Erblicken der Lichter der »Pommerania« bis zu dem Zusammenstoss verstrich, gegen die Annahme, dass zur Zeit und in der Gegend der Kollision es wirklich neblig war. Unter diesen Umständen kann ein Zuwiderhandeln gegen die Vorschrift des § 1 6 der mehrerwähnten, auf SchifFskollisionen bezüglichen Verordnung : »Bei Nebelwetter (im Englischen: »when in fog«) muss jedes Dampfschiff mit gemässigter Geschwindigkeit fahren«, dem Kapitän Schwensen nicht zur Last gelegt werden. Gewiss ist es wünschenswerth, dass auch bei einem Wetter, wie demjenigen zur Zeit des hier fraglichen Zusammenstosses, Dampfschiffe ihre Fahrt mässigen, und nach dem Entwurf zu schliessen, welcher jetzt für ein internationales Gesetz zur Verhütung von Schiffskollisionen in die Oeffentlichkeit gelangt ist, scheint man auch an massgebender Stelle auf eine Ausdehnung der obigen Vorschrift Bedacht zu nehmen;

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dem einzelnen Kapitän kann aber kein Vorwurf daraus gemächt werden, wenn derselbe auf die Ihnehaltung der jetzt geltenden gesetzlichen Vorschrift sich beschränkt, dieser Vorschrift auch eine weitere Bedeutung, als ihr allgemein beigelegt wird, nicht beilegt. Insoweit es die Gesetze zulassen,- wird er das Interesse seiner mit anderen Unternehmern konkurrirenden Rhederei berücksichtigen dürfen, der Gesetzgeber aber wird seinerseits zu erwägen haben, wie die Anforderungen des Verkehrs auf rasche Beförderung von Passagieren, Briefen und Gütern mit der Aufgabe, Leben und Eigenthum vor Gefahr zu sichern, in Einklang zu bringen sind. Der Reichskommissar — welcher auch seinerseits annimmt, dass eine genügende Veranlassung nicht vorliege, um der Besatzung der »Pommerania« ein Verschulden an dem Zusammenstoss beizumessen — hat noch darauf hingewiesen, dass zur Zeit der Kollision ohne genügenden Grund der Eingang sämmtlicher Bunker (Kohlenräume) offen stand, die vor den Eingängen befindlichen Schotten also nicht heruntergelassen waren. Dass es richtiger gewesen wäre, diejenigen Bunker, au s denen damals Kohlen für die Heizung der Kessel nicht genommen wurden, zu verschliessen, wird nicht fraglich erscheinen können, wenn auch daraus, dass auch diese Schotten offen standen, dem Kapitän und den Ingenieuren ein Vorwurf nicht gemacht werden soll. Auf das rechtzeitige Verschliessen dieser Schotten pflegt nemlich allgemein nicht streng gehalten zu werden, während selbstverständlich die grossen durch das ganze Schiff gehenden Schotten auf der Reise niemals geöffnet werden, und die Angabe einzelner Zeitungen, dass dieses hier der Fall gewesen sei, auf einem Missverständniss beruht. Es ist aber auch nicht etwa davon auszugehen, dass die »Pommerania«, wenn die nicht benutzten Bunker verschlossen gewesen wären, sich eine erhebliche Zeit länger über dem Wasser gehalten hätte, so dass mehr Personen, als jetzt der Fall, hätten gerettet werden können. Nach den Aussagen der Zeugen ist anzunehmen, dass zur Zeit der Kollision aus dem ReserveBunker und dem vorne an der Steuerbordseite befindlichen Bunker Kohlen genommen wurden; der Reserve-Bunker hat aber seinen Eingang durch den an der Backbordseite nach hinten liegenden Bunker und der vordere Steuerbord-Bunker ist von dem vorderen Backbord-Bunker nur durch eine leichte, lediglich zur Verhinderung des Ueberschiessens der Kohlen bestimmte, auch gar nicht bis zum Zwischendeck reichende Scheidewand getrennt — so pflegt es auf allen grösseren Dampfschiffon zu sein und so war eß nach der per-

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Dampfschiff Pommerania und Bark Moel Eilian.

sönlichen Kenntniss eines der Beisitzer des Seeamts auch auf der »Pommerania«; das Wasser würde somit immer in alle Bunker, mit alleiniger Ausnahme des hinteren Steuerbord-Bunker, eingedrungen sein. — Empfehlen würde es sich übrigens, wenn die in neuerer Zeit mehrfach getroffene Vorrichtung, mittelst welcher die Schotten vor den Bunkern vom Verdeck aus geschlossen werden können, auf allen Dampfern getroffen würde; sie würde namentlich dann, wenn, wie es hier der Fall war, die Leute schleunig aus dem Maschinenraum flüchten müssen, sich bewähren. Schliesslich ist anzuerkennen, dass an Bord des Schiffs die geeigneten Vorkehrungen getroffen waren, um bei einem Unfall Passagiere und Besatzung zu retten, und dass hier, nachdem die Kollision erfolgt war, die Besatzung mit kaltblütiger Besonnenheit darauf Bedacht genommen hat, die Passagiere zu retten. In erster Beziehung wird hervorzuheben sein, dass jedem einzelnen Schiffsboot bestimmte Personen von der Mannschaft zugetheilt waren und dass auch Schwimmgürtel in erforderlicher Zahl bereit lagen; in letzter Beziehung ist anzuführen, dass über das feste und umsichtige Benehmen des Käpitäns Schwensen, der, bis er mit dem Schiffe unterging, das Kommando behielt, völlige Uebereinstimmung unter den Passagieren herrscht, es ist ferner an die in der Verklarung angegebenen Thatsachen zu erinnern, dass der Steuermann Fokkes in treuer Anhänglichkeit an seinen Kapitän, der Steuermann Zarnow in gewissenhafter Erfüllung des ihm zum Besten Aller ertheilten Auftrags ihrenTod fanden, und es ist endlich zu erwähnen, dass eine grosse Anzahl von Passagieren der Mannschaft nachrühmt, dass sie vor Allem darauf Bedacht genommen habe, Frauen und Kinder zu retten. Ein abfälliges Urtheil ist ausschliesslich von dem Steuermann Blight, der in Southampton als Passagier an Bord des Schiffes kam, geäussert worden, indem dieser der Mannschaft vorwirft, dass sie zunächst sich selbst und ihre Effekten zu retten gesucht habe; dieses Urtheil muss aber als völlig unbegründet betrachtet werden; namentlich hat auch die Mannschaft von ihren Effekten nichts gerettet. Dass, des obigen Sachverhalts unerachtet, nicht sämmtliche Passagiere gerettet sind, wird man vornehmlich dem Umstände zuzuschreiben haben, dass der Unfall zur Nachtzeit sich ereignete, und ferner der kurzen Zeit, die bis zum Untergang des Schiffes verstrich — sie kann jedenfalls nicht viel über die in der Verklarung angegebenen 20 Minuten betragen haben. Hinzu kam, dass die Passagiere, wie in der Verklarung angegeben, sich scheuten,

Dampfschiff Pommerania und Bark Moel Eilian.

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um in die Boote aufgenommen zu werden, vom Schiffsbord i n s Wasser zu springen und dass mehrere Passagiere von den Schwimmgürteln in einer unrichtigen Weise Gebrauch machten. Um dem letzteren Uebelstand in Zukunft vorzubeugen, möchte es sich empfehlen, auf Passagierschiffen an geeigneten Stellen Abbildungen aufzuhängen, durch welche die Art, in der die Schwimmgürtel zu benutzen sind, veranschaulicht wird. Hiernach giebt das Seeamt seinen Spruch dahin ab: dass soweit 6ich der Sachverhalt hat ermitteln lassen, anzunehmen ist, dass der Zusammenstoss der »Pommerania« mit der »Moel Eilian« durch ein unrichtiges Manöver des letzteren Schiffes verschuldet worden sei, auch ein Beweis dafür nicht vorliegt, dass die Besatzung der »Pommerania« in Folge ungenügender Aufmerksamkeit das erwähnte Manöver der »Moel Eilian« zu spät entdeckte, um noch ihrerseits dem Zusammenstoss vorbeugen zu können, dass ferner das Benehmen, welches Kapitän, Steuerleute und Mannschaft der »Pommerania« nach dem Zusammenstoss beobachtet haben, volle Anerkennung verdient.

Berichtig'ung'en. 1 . Auf Seite 2 , unterste Zeile, und Seite 3 , erste und zweite Zeile von oben, ist zu lesen: »Wasserlinie hinab gebrochen war, durch das heftige Schlagen« statt: »Wasserlinie hinab deshalb gebrochen w a r , weil das Ruder festgemacht war und daher der See nicht nachgeben konnte, durch das heftige Schlagen«. 2. Auf Seite 229 ist in der Ueberschrift »73. Spruch Hamburg pp.« zu lesen: »»Maria« von Hamburg« statt: »»Maria« in Hamburgs.

des Seeamts zu

Inhalt (Fortsetzung von Seite 2 des Umschlags).

Sprüche der Seeämter

61. 62. 6364. 65. 66.

betreffend die Seeunfälle der (des) : vom: zu: 25. Novbr. 1878 deutschen Schoonerbrigg »Johanne« von Hamburg . . Hamburg » Schooners »Johann August« » Stralsund . . 27. » » Stralsund » s »Marie & Sophie« von Hamburg 6. Dezember » Hamburg 9 » » "]. Lorenz« von Rostock . . . . Rostock . 9. » 16. » » ' Brigg »Grossherzog Friedrich Franz« vonRostock Rostock . Spruch des Seeamts zu Emden vom 26. Oktober 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 13. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Schoonergaliote »Wodan« von Papenburg

Seite.

194 196 197 199 203

207

Sprüche der Seeämter

67. 68.

69. 70. 7i72. 73' 74.

75 76 77. 78. 7980.

81.

betreffend den Seeunfall vom: zu: 30. Novbr. 1878 des deutschen Schooners »Diogenes« von Swinemünde Stettin den Zusammenstoss Stettin des britischen Dampfers »Pacific« und der deutschen 30. » Galeasse »Anna« von Stralsund die Seeunfälle der (des): deutschen Bark »Camilla« von Greifswald . Stettin . . . 30. » Galeasse »Marie Carolines » Stralsund. . Stralsund . . 14. Dezbr. Bremerhaven 28. » Schraubendampfers »Tiger« » Bremen . . » Hamburg . . 3. Januar 1879 » Schoonerbrigg »Alma« . . » Blankenese. Hamburg . . 6. ». » Schooners »Maria« . . . . » Hamburg . den Zusammenstoss Bremerhaven 18. Dezbr. 1878 des deutschen Schraubendampfers »Habsburg« von Bremen und des Leichterfahrzeuges »Tomas« . . . die Seeunfälle der (des): Danzig . . . 28. » » deutschen Bark »Ebenezar« von Danzig. . . Bremerhaven 8. Januar 1879 » Tjalk »Gesina« » Rhauderwyk Stralsund . . 8. » » » Schaubendampfers sNewa« » Lübeck . . Hamburg . . 9. » » britischen Dampfschiffes »Malaga«, Kapitän Mawer. . Hamburg . . 9. » » schwedischen Jacht »Haniel«, Kapitän Märtensen. . . Spruch des Seeamts zu Emden vom 12. September 1878 und Entscheidung des Kaiserlichen Oberseeamts vom 12. Dezember 1878, betreffend den Seeunfall der deutschen Tjalk »Vier Gebrüder« von West-Rhauderfehn Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 10. Februar 1879, betreffend den Zusammenstoss des deutschen Dampfschiffes »Pommerania« von Hamburg und der britischen Bark »Moel Eilian«

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Heft XIV.

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Redaction: L. F r i e d e r i c h s e n . 1879.

M. 60.

Mit 6 Holz-

(Enthält unter Anderem:

oder die Schifferinseln, von Dr. E d . G r ä f f e .

Samoa

I V . Abschnitt: Die Ein-

geborenen in Bezug auf Rassencharäkter und Krankheiten. — Die hauptsächlichsten

auf den Yiti-Inseln

vorkommenden

Krankheiten,

nach

Dr.

M a c G r e g o r und T h . K l e i n s c h m i d t . — T h . K l e i n s c h m i d t ' s Reisen auf den Yiti-Inseln, mit 6 Tafeln 5 etc.)

Hamburg, im März 1879.

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