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German Pages 88 [176] Year 1881
ENTSCHEIDUNGEN des
Ober-Seeamts und der Seeämter des
Deutschen Reichs. Herausgegeben im
REICHSAMT DES INNERN.
Zweiter
Band.
3. Heft.
Hamburg. Druck und Verlag von L. F r i e d e r i c h s e n & Co. 1881.
J
NH ALT. Seite
92. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 3 1 . März 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 8. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des deutschen Vollschiffes 'Gustav & Oscar« von Bremen 379 93- Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 26. Februar 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom I I . Mai 1880, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg »König Emst August« von Stralsund . « . . . . • . < 389 94- Spruch des Seeamts zu Brake vom 4. Februar 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 12. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners »Wesselina« von Blumenthal 395
Sprüche der Seeämter 95. 96. 97. 98. 99. IOO. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107.
108.
betreffend
zu: die Seeunfälle des {der): vom: Hamburg. . I. Mai 1880 deutschen Schooners »Esperance« . von Blankenese. . 404 » Hamburg. . 3- » » Evers »Dorothea«. . . . » Cranz . . . . 406 » Königsberg. 12. « » Brigg »Jean Paul« . . . » Barth . . . . 409 B Emden . . . i5- » Kuff »Eisina« » Warsingsfehn. 412 » B Emden . . . 'S- » » Schooners »Elisabeth« . » Boekzetelerfehn 416 » Emden . . . IS- » » Schoonergaliote »Emanuel« von Emden . . 419 » Hamburg. . IS- » Schraubendampfers »Britannia« von Hamburg 422 » 2 Stettin . . . IS- » » Brigg »Leopoldine«. . . von Stettin . . . 429 » Stettin . . . IS- » » Galeasse »Sophie«. . . . » Stralsund. . . 432 0 Hamburg. . 24. » » Brigg »Elsabea« » Hamburg. . . 435 » Hamburg. . 24. » » Brigg »Orinoco« . . . . » Hamburg. . . 436 » Bremerhaven 29. » » Vollschiffes »Tamerlane« » Geestemünde. 438 Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 29. November 1879 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 11. Juni 1880, betreffend den Seeunfall der deutschen Bark »Louise Charlotte« von Stralsund 439 Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 23. März 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 12. Juni 1880, betreffend den Seeunfall des deutschen Schraubendampfers »Hansa« von Bremen 443
Sprüche der Seeämter zu: 109. Danzig . . .
vom: 4. Juni
110. Bremerhaven
111, Stralsund. 112, Stralsund. » 3 - Emden . . 114, Emden . .
7712. 12.
betreffend den Seeunfall 1880 des deutschen Schooners »Anna Maria« von Wismar . den Zusammenstoss des deutschen Schraubendampfers »Strauss« von Bremen und des britischen Raddampfers »Leo« die Seeunfälle des (der): deutschen Schooners »Wilhelmine« von Barth . . . . » Bark »Robert Wendt« . » Stralsund. . . » Küstenfahrzeuges »Anna« » Emden . . . . » Kuff »Helene« » Greetsiel . . .
(Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags.)
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92. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 31. März 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 8. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des Vollschiffes „Gustav & Oscar" von Bremen. Schiff an der holländischen Küste festgekommen, mit Hülfe von Schleppdampfern wieder abgebracht.
Das zu Bremen heimathberechtigte Schiff »Gustav & Oscar«, Schiffer Hartmann, passirte auf der Reise von New-York nach Bremen mit einer Ladung Petroleum am 15. Februar 1880 Nachmittags Dover und East Goodwin Feuerschiff, letzteres um 3 Va Uhr ungefähr 2 Seemeilen ab WNW a/C. peilend. Um 4V2 Uhr wurde der Ours, welcher vorher ONO a/C. gewesen war, in NOzO und dieser um 5 Uhr in NOzO l kO geändert. Von 8 Uhr Abends an wurde der Ours ONO a/C. genommen und dieser Curs, nachdem um 8 Va Uhr Abends Nord-Hinder Feuer SSO a/C. etwa 5 Seemeilen entfernt gepeilt worden war, ununterbrochen bis zum andern Morgen beim Winde gesteuert. Nach der Peilung von Nord-Hinder wurde der Schiffsort auf 51 0 45' nördlicher Breite und 2 ° 28' östlicher Länge festgestellt. Die Berechnung wurde nach der Karte und dem Nord-Hinder Feuerschiff gemacht; die Entfernung wurde durch Augenmass abgeschätzt. Die Luft war derzeit leicht neblig, manchmal jedoch etwas heller werdend. Der Wind war hart, erst SO, dann SOzS. Beim gesteuerten Curse wurde 1 Va Strich örtliche Ablenkung gerechnet, auch angenommen, dass der Wind das Schiff vom Lande abtreiben werde und hierauf 1 Strich gerechnet. Der Schiffer glaubte auf dem bezeichneten Curse frei von Texel zu kommen, dagegen war es nicht seine Absicht, bei Egmond am Zee oder Kykduin die Küste zu machen. Die Fahrgeschwindigkeit von 8V2 Uhr Abends an war erst 81/«, dann 8 und 7 Knoten, und waren auf diese Weise bei unverändertem ONO-Curse etwa 86 Seemeilen zurückgelegt, 'als am 16. Februar 7 1 k Uhr Morgens unerwartet Egmond am Zee in Sicht kam und SOV2S a/C. ungefähr 12 Seemeilen
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ab gepeilt wurde. Auch bei dieser Peilung wurde die Entfernung nur nach Augenmass abgeschätzt. Die Luft war die Nacht über neblig gewesen, zuweilen mit feinem Regen; zu der Zeit, als Egmond am Zee in Sicht kam, war es jedoch vorübergehend etwas heller geworden. Der Wind war noch immer südöstlich und lebhaft. Nach dem Erblicken von Egmond am Zee wurde erst einige Minuten NO und dann bis etwa 9 Uhr NOzN gesteuert. Die Thürme von Egmond blieben dabei noch etwa 7 Minuten lang in Sicht. Die Fahrgeschwindigkeit wurde um 8 Uhr durch Loggen auf 8V2 Knoten festgestellt. Etwas nach 9 Uhr, nachdem seit der Peilung von Egmond am Zee etwa 13 Seemeilen zurückgelegt waren, wurde der Feuerthurm von Kykduin in der Peilung ONO a/C. erblickt und die Entfernung desselben vom Schiffer auf 10 bis 11 Seemeilen abgeschätzt. Die Luft war zu dieser Zeit ziemlich unsichtig und ein Nebelstreifen verdeckte den Thurm von Kykduin zur Hälfte. Plötzlich verzog sich jedoch der Nebelstreifen; die Küste lag jetzt klar da, und der Schiffer merkte, dass das Schiff der Küste näher sei, als von ihm angenommen worden war. Er liess daher 1 Strich vom Lande abhalten. Schiffer Hartmann nahm, als er seinen Irrthum in der Abschätzung bemerkte, seiner Angabe nach an, dass das Schiff durch den Strom versetzt worden war, doch taxirte er die Versetzung nicht so hoch, dass er ein stärkeres Abhalten für erforderlich hielt. Er wollte, wie er angiebt, auch zunächst ein weiteres Zeichen sehen und war der Ansicht, dass die Luft hinreichend sichtig sei, um noch immer früh genug nach See abhalten zu können. Nach 20 Minuten weiterer Fahrt kam eine Tonne in Sicht. Es wurde jetzt sofort das Commando »Ruder auf« gegeben, als jedoch das Schiff kaum V2 Strich abgefallen war, sass es bereits auf Grund. Dasselbe lag, als es festkam, NOzO an. Es wurden nun verschiedene Manöver ausgeführt, um das Schiff wieder flott zu machen, mehrere fremde Schiffe, darunter 2 Schleppdampfer kamen zu Hülfe, ferner wurde behufs Erleichterung des Schiffes ein Theil der Ladung ausgeworfen, beziehungsweise auf Leichter übergeladen, alle Versuche waren aber zunächst erfolglos, und erst am 17. Februar Abends gelang es unter Assistenz der beiden Schleppdampfer, den »Gustav & Oscar« wieder vom Strand abzubringen. Der Schiffer Hartmann war von der in Betracht kommenden Zeit am 14. Februar von 3 V2 Uhr Nachmittags bis Mitternacht mit kurzen Unterbrechungen, am 15. Februar von Morgens 4 bis l t k und sodann seit 8 Uhr an Deck und führte das Commando. In
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der Zwischenzeit wurde das Commando vom ersten Steuermann Brünings geführt. Die Peilungen wurden vom Schiffer vorgenommen, ohne dass die Steuerleute dabei zugezogen oder sonst zu Rathe gezogen wurden. Nur bei der Peilung von Egmond am Zee fand insofern eine Verständigung zwischen Schiffer und Steuermann statt, als beide die Entfernung zu 12 Seemeilen abschätzten. Beide sind ihrer Angabe nach der festen Ansicht gewesen, dass man trotz der unklaren Luft 12 Seemeilen weit sehen könne. Ruder und Ausguck waren ordnungsmässig besetzt. Letzterer wurde am 16. Februar von 9 Uhr Morgens an vom Matrosen Sieberns wahrgenommen, welcher ausgesagt hat, dass er von seinem Vormanne unter dem Bemerken, an Steuerbord sei Land, zu gutem Aufpassen aufgefordert sei und das Land auch selbst habe durchscheinen sehen. Die übrigen vernommenen Personen haben von diesem Lande nichts gesehen, auch ist dasselbe nicht ausgerufen worden. Die Compasse waren nach Angabe des Schiffers und der Steuerleute in guter Ordnung und zwar wurde auf der Rückreise der Steuercompass als Normal-Compass angesehen. Die Zuverlässigkeit der Compasse war durch Beobachtungen und Berechnungen seitens des Schiffers und des ersten Steuermanns festgestellt worden. Loth und Lothleine sind am fraglichen Morgen klar gehalten, der Schiffer hat den Obersteuermann nach dessen Angabe am 16. Februar um etwa 7 Uhr 20 Minuten auch ausdrücklich auf diesen Umstand aufmerksam gemacht, gelothet ist aber nicht. Der Schiffer hat das Lothen angeblich nicht für erforderlich gehalten, weil er sich auf Grund seiner Berechnungen ganz sicher gefühlt und es auch hinreichend klar gefunden hat, um zeitig die Landzeichen und Bojen sehen zu können. Es ist in dieser Hinsicht hervorzuheben, dass nach Aussage des Schiffers die Luft zwar nicht ganz klar, jedoch ziemlich sichtig gewesen ist, so dass man 12 Seemeilen weit hat sehen können, dass ferner auch der Obersteuermann ebenfalls der letzteren Ansicht gewesen ist, dass dagegen die übrigen vernommenen Personen dahin aussagen: »die Luft sei neblig gewesen«, »die Luft sei nicht ganz klar gewesen, da feiner Regen fiel«, »die Luft sei erst neblig mit Regen gewesen, nachher habe der Regen nachgelassen, die Luft sei aber neblig geblieben«, »die Luft sei ziemlich neblig gewesen«. Weder zur Zeit des Erblickens von Kykduin noch nachher ist Brandung sichtbar gewesen, noch an der Farbe des Wassers
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etwas aufgefallen, was zu Befürchtungen hätte Veranlassung geben können. Das Hochwasser war vom Schiffer bei seinen Berechnungen berücksichtigt und für den fraglichen Tag nach der Karte auf 11 Uhr berechnet. Segelanweisungen befanden sich an Bord. In denselben sind jedoch nach Angabe des Schiffers keinerlei Mittheilungen über die Stromversetzungen an der fraglichen Küste enthalten. Auch andere Bücher oder Tabellen, aus denen hierüber etwas ersichtlich wäre, hat der Schiffer Hartmann seiner Angabe nach nicht in Besitz gehabt trotz früherer Bemühungen, sich solche zu verschaffen. Bezüglich der Strömung hat der Schiffer angenommen, dass dieselbe der Küste entlang setze. Bei Kykduin will der Schiffer in seinen Schätzungen durch ein vor Anker liegendes Fahrzeug insofern getäuscht sein, als er dasselbe für ein auf der Station liegendes Lootsenfahrzeug gehalten hat. Im Uebrigen glaubt der Schiffer, dass die Ursache der Strandung wesentlich in einem Irrthum seinerseits bei Abschätzung der Entfernung von Kykduin Feuerthurm zu suchen ist, dagegen ist derselbe der Ansicht, dass er sich bei Abschätzung der Entfernung von Egmond Feuerthurm nicht geirrt und sich derzeit wirklich etwa 12 Seemeilen von da NWVaN befunden hat. Bei Feststellung der Ursachen der Strandung auf Grund des vorstehend mitgetheiltenThatbestandes ist Folgendes in Betracht zu ziehen. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Schiffer wahrscheinlich bei der Abschätzung der Entfernung von Nord-Hinder sich in Folge des unklaren Wetters in der Entfernung getäuscht, sich jedenfalls dann aber beim Steuern des darauf eingeschlagenen beziehungsweise beim Feststellen des gutgemachten Curses insofern geirrt hat, als von ihm angenommen worden ist, der Wind werde das Schiff ziemlich erheblich (1 Strich) vom Lande abtreiben. Diesen Irrthum musste er erkennen, als er am Morgen des 16. Februar wider alles Erwarten Egmond Feuerthurm in Sicht bekam. Schiffer Hartmann musste aus diesem Umstände den Schluss ziehen, dass die von ihm vermutheten Einflüsse des Windes durch andere, das Schiff nach dem Lande zu setzende Einflüsse mindestens aufgehoben würden. Worin die letzteren bestanden haben, ist mit Sicherheit nicht festzustellen, doch darf als höchst wahrscheinlich angenommen werden, dass das Schiff hauptsächlich durch Stromversetzung und locale Attraction dem Lande näher gebracht ist.
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Die Einwirkung des Stromes wird namentlich auch nach dem Passiren von Egmond am Zee stattgefunden haben, da auf der fraglichen Strecke der Strom zur Fluthzeit zwar meistens ziemlich längs der Küste, bei den Gaten jedoch nach dem Lande zu setzen soll. Nicht zu bezweifeln ist ferner, dass sich Schiffer und Steuermann bei Abschätzung der Entfernung von Egmond Feuerthurm nicht unerheblich geirrt und sich überhaupt in ihrer Annahme über die Sichtigkeit der Luft getäuscht haben. Die Aussagen der vernommenen Personen der Schiffsmannschaft, deren Glaubwürdigkeit in keiner Weise einem Zweifel unterliegt, lässt mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass man überhaupt nicht so weit, als Schiffer und Steuermann glaubten, sehen konnte und dass die Luft überhaupt derart war, dass eine einigermassen sichere Abschätzung von Entfernungen nicht gemacht werden konnte. Bei der Abschätzung der Entfernung von Kykduin Feuerthurm hat der Schiffer in ähnlicher Weise die Entfernung zu gross angenommen. In wie erheblicher Weise der Schiffer sich bei den fraglichen Abschätzungen geirrt haben muss, geht daraus hervor, dass das Schiff, wenn die Abschätzung bei Egmond am Zee richtig gewesen wäre, bei dem von da verfolgten Curse NOzN und bei 8Va Knoten Fahrt zu der Zeit, als Kykduin Feuerthurm erblickt wurde (etwas nach 9 Uhr), letzteren etwa OzS in 10 Seemeilen Fntfernung hätte haben müssen, während er in Wirklichkeit ONO a/C, gepeilt wurde. Ausserdem hätte das Schiff, wenn es beim Erblicken von Kykduin sich wirklich auf dem vom Schiffer angenommenen Punkte, nämlich 10 bis 11 Seemeilen von Kykduin entfernt, in der bemerkten ONO-Peilung befunden hätte, seit der Peilung von Egmond nicht mehr als 9 Seemeilen (anstatt 13) zurückgelegt haben können. Durch diesen Umstand musste es dem Schiffer Hartmann spätestens auch beim Erblicken von Kykduin Feuerthurm klar werden, dass er sich in der Schätzung der Entfernungen geirrt und letztere zu gross angenommen habe. Das Erblicken von Kykduin in ONO würde sich vollständig erklären, wenn man annähme, dass beim Peilen von Egmond am Zee die Entfernung von da nur etwa 7 Seemeilen betragen hätte, indem in diesem Falle bei NOzO-Curs das Schiff nach Zurücklegung von 13 Seemeilen sich in der bezeichneten Peilung von Kykduin Feuerthurm in einer Entfernung von gleichfalls 7 Seemeilen befunden haben würde. Die Frage anlangend, ob der Schiffer bei den fraglichen
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Abschätzungen mit genügender Sorgfalt zu Werke gegangen ist, so ist nicht zu verkennen, dass es mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Wetters nicht unbedenklich war, wenn der Schiffer sich lediglich auf seine Augen verliess und nicht durch andere Mittel eine zuverlässigere Feststellung der Entfernungen herbeizuführen versuchte. In dieser Beziehung trifft denselben namentlich der Vorwurf, dass er vom Loth gar keinen Gebrauch gemacht hat. Auf der fraglichen Strecke verläuft der Grund der Nordsee allerdings ausserordentlich gleichmässig, so dass meistens durch Lothungen etwas Bestimmtes über den Schiffsort nicht wird festgestellt werden können, trotzdem darf aber mit Rücksicht auf die Möglichkeit des Abkommens vom Fahrwasser das Lothen nicht gänzlich unterlassen werden, und hätte im vorliegenden Falle durch Lothungen vielleicht schon bei Egmond am Zee, unzweifelhaft aber zur Zeit des Erblickens von Kykduin Feuerthurm festgestellt werden können, dass das Schiff nicht mehr im richtigen Fahrwasser, vielmehr in gefährlicher Nähe des Landes sei. Dass der Schiffer auch noch auf andere Weise, insbesondere durch eine Kreuzpeilung oder eine Doppelpeilung die Entfernung vom Lande genauer feststellen konnte, ist nicht anzunehmen. Eine Art Ersatz für eine Doppelpeilung wurde übrigens dem Schiffer durch einen Vergleich der Peilungen von Egmond und Kykduin unter Berücksichtigung des gesegelten Curses und der zurückgelegten Distance gegeben, und dieser Vergleich musste ihn — wie bereits hervorgehoben — davon belehren, dass er sich dem Lande erheblich näher befand, als von ihm angenommen worden war. Es war unvorsichtig gehandelt, dass nach dem Erblicken von Kykduin Feuerthurm in einer ganz unerwarteten, mit Sicherheit auf eine grössere Landnähe hindeutenden Peilung nur 1 Strich abgehalten wurde. Hätte der Schiffer mit voller Vorsicht zu Werke gehen wollen, so hätte er gleich nach demErblicken von Kykduin Feuerthurm ganz nach See abhalten müssen. Es ist ferner zu bemerken, dass der von Egmond gesteuerte Curs zu nahe dem Lande gesetzt war, da die Haaks gut 5 Seemeilen hinausragen und mithin das Schiff nur etwa 3'/ü Seemeilen frei davon gekommen wäre. Bei vollständig klarem Wetter würde freilich mit dem fraglichen Curse eine Gefahr wohl nicht verbunden gewesen sein, der Schiffer musste aber berücksichtigen, dass das Wetter jedenfalls ungünstig, die Peilung bei Egmond unzuverlässig, dass das Schiff vorher wider Erwarten stark nach dem Lande gesetzt
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war und dass — wie auch die Segelanweisungen hervorheben — beim Passiren der Haaks mit grösster Vorsicht zu verfahren ist. Dagegen ist hervorzuheben, dass laut Aussagen der Steuerleute dieselben die von dem Schiffer Hartmann angenommene DistanceSchätzung — sowohl von Egmond am Zee, als auch von Kykduin -»so sehr zu ihrer eigenen gemacht hatten, dass auch sie keinerlei Gefahr für möglich hielten und die Mannschaft zur gewöhnlichen Tagesarbeit anhielten. Das Seeamt nimmt auf Grund des Gesagten an, dass bei Anwendung aller Vorsicht der Unfall hätte vermieden werden können, die Verantwortung für die vorgekommenen Unvorsichtigkeiten muss allein den Schiffer treffen, da er allein die Peilungen vorgenommen und die Curse bestimmt hat. Wünschenswerth wäre es zwar gewesen, wenn derselbe — namentlich in solcher Nähe des Landes — die Steuerleute bei seinen Abschätzungen und Cursbestimmungen mehr zugezogen hätte, da durch ein gemeinschaftliches Wirken Mehrerer jedenfalls eine grössere Garantie für die Richtigkeit der Beobachtungen geschaffen wird. Zur Entschuldigung des Schiffers Hartmann, welcher den Beisitzern des Seeamtes als ein pflichtgetreuer umsichtiger Schiffer bekannt ist, kann bis zu einem gewissen Grade dienen, dass derselbe sich in seinen Annahmen über die Sichtigkeit des Wetters getäuscht hat. Das Seeamt hat in dieser Beziehung keine Veranlassung, die vom Schiffer gemachten Angaben über seine damalige Beurtheilung der Sichtigkeit zu bezweifeln, dies um so weniger, als der Obersteuermann sich in einem ähnlichen Irrthum wie der Schiffer befunden hat. Vollständig entschuldigt wird aber das Verhalten des Schiffers Hartmann durch den erwähnten Irrthum nicht, da das Wetter, wenn auch ein Irrthum über die Sichtigkeit möglich, doch jedenfalls so ungünstig war, dass Schiffer Hartmann sich nicht mit Sicherheit auf die Richtigkeit seiner Beobachtungen verlassen durfte. Derselbe verdient daher wegen seines Verhaltens allerdings Tadel, andrerseits ist sein Verhalten aber nicht ein solches gewesen, dass das Seeamt sich zu einer Patententziehung veranlasst sehen könnte. Die nach dem Angrundkommen vorgekommenen Manöver, um das Schiff wieder flott zu machen, geben dem Seeamte zu Bemerkungen keine Veranlassung. Das Seeamt fasst seinen Spruch hiernach dahin zusammen: n.
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Der fragliche Seeunfall ist dadurch verursacht, dass der Schiffer Hartmann aus den im Vorstehenden hervorgehobenen Gründen theils sich mehrfach irrte, theils wiederholt nicht mit aller Vorsicht handelte, beziehungsweise die ihm zu Gebote stehenden Mittel nicht vollständig benutzte. Dem Antrag auf Patententziehung wird nicht stattgegeben. Die E n t s c h e i d u n g des Ober-Seeamts lautet: dass der Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 31. März 1880 lediglich zu bestätigen und die baaren Auslagen des Verfahrens ausser Ansatz zu lassen. Gründe. Der Spruch des Seeamts lautet: Der fragliche Seeunfall ist dadurch verursacht, dass der Schiffer Hartmann theils sich mehrfach irrte, theils wiederholt nicht mit aller Vorsicht handelte, beziehungsweise die ihm zu Gebote stehenden Mittel nicht vollständig benutzte. Dem Antrag auf Patententziehung wird nicht stattgegeben. In den Gründen dieses Spruches hat das Seeamt die einzelnen Irrthümer und pflichtwidrigen Unterlassungen des Schiffers Hartmann dargelegt und ausgesprochen, dass derselbe wegen seines Verhaltens allerdings Tadel verdiene; sein Verhalten sei aber nicht ein solches gewesen, dass das Seeamt sich zur Entziehung der Gewerbebefugniss veranlasst sehen könnte. Zur Entschuldigung des Schiffers hat das Seeamt angenommen, dass derselbe sich in seiner Annahme über die Sichtigkeit des Wetters getäuscht habe; es hat in dieser Beziehung um so weniger Veranlassung gefunden, die von dem Schiffer gemachten Angaben über seine damalige Beurtheilung der Sichtigkeit zu bezweifeln, als der Obersteuermann sich in einem ähnlichen Irrthume befunden habe. Der Reichscommissar stimmt den Ausführungen des Seeamts bezüglich der von dem Schiffer Hartmann begangenen Irrthümer und der pflichtwidrigen Unterlassungen desselben bei, erkennt jedoch die von dem Seeamt angenommenen Entschuldigungsgründe nicht als genügend zur Rechtfertigung der Ablehnung seines Antrags an; er hält vielmehr das Verschulden des Schiffers Hartmann für ein so schweres, dass daraus auf einen erheblichen Mangel der zur Ausübung des Schiffergewerbes erforderlichen Eigenschaften geschlossen werden müsse.
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In Uebereinstimmung mit den Ausführungen des Seeamtes und des Reichscommissars ist als festgestellt anzunehmen, dass der Schiffer Hartmann sich eine Reihe von schweren Pflichtwidrigkeiten hat zu Schulden kommen lassen. Hierhin gehört der Zeit nach zunächst die nicht genügende Beobachtung seiner Compasse. Der Schiffer Hartmann durfte, als er bemerkte, dass seine Compasse nicht mehr stetig zeigten, sich nicht mit einer oberflächlichen Vergleichung derselben und mit nur gelegentlich genommenen Amplituden begnügen, sondern es war um so mehr seine Pflicht, eingehende Beobachtungen über die locale Abweichung der Compasse und über die Ursache der bemerkten Störung anzustellen, als ihm bekannt war, dass erfahrungsmässig auf Schiffen mit Petroleumladung der Compass nach Süd abgelenkt wird. Die Gelegenheit hierzu bot sich ihm bei dem Verlassen des Hafens von New-York und bei der günstigen Witterung in den ersten Tagen der Reise auf See. Vom Passiren des Nord-Hinder Feuerschiffes an folgt eine Reihe von Schätzungsfehlern, welche als die Ursachen der Strandung des »Gustav & Oscar« angesehen werden müssen und welche in ihrer Continuität Zweifel an der seemännischen Erfahrung und Umsicht des Schiffers Hartmann zu erregen geeignet sind. Die von demselben zur Entschuldigung aufgeführten Umstände, welche auch das Seeamt als Milderungsgründe bei seinem Spruche in Betracht gezogen hat, sind als solche nicht anzuerkennen. Ein erfahrener Seemann, dem die Sorge für Menschenleben und fremdes Gut anvertraut wird, darf sich in seinen Annahmen nicht so andauernd täuschen, wie es der Schiffer Hartmann gethan hat; er darf sich vor allen Dingen nicht mit oberflächlichen Schätzungen hinsichtlich der Bestimmung des Schiffsortes begnügen, sobald ihm noch andere Mittel hierfür zu Gebote stehen. Es ist anzunehmen, dass der Schiffer Hartmann bereits den Abstand von Nord-Hinder Feuerschiff zu weit abgeschätzt hat und dass dasselbe in der angegebenen Peilung in SSO nicht 12, sondern nur 9 Seemeilen entfernt war. Wird diese Annahme bei der ferneren Navigirung des »Gustav & Oscar« zu Grunde gelegt, so erklärt sich ohne Weiteres der später bis Egmond behaltene Curs. Als demnächst die Thürme von Egmond ganz unerwartet in Sicht kamen, war es die Pflicht eines vorsichtigen Schiffers, nunmehr Alles, was in seinen Kräften stand, zur sicheren Feststellung des Schiffsortes zu thun. Dies hat der Schiffer Hartmann unterlassen. Konnten in Folge des unsichtigen Wetters weitere Peilungen nicht erlangt
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werden, so musste gelothet werden. Hätte Hartmann dies gethan, so würde ihm die gefundene Wassertiefe angezeigt haben, dass es zur Rettung des »Gustav & Oscar« nicht mehr genügte, nur um einen Strich nach See abzuhalten. Aber auch bei der Annahme der Schätzung des Abstandes von Egmond auf 12 Seemeilen war der von hier aus gewählte ¡Curs NOzN zum wenigsten kein vorsichtiger; derselbe kann nur einigermassen gerechtfertigt erscheinen durch den ablandigen Wind und durch das unter der Küste herrschende stille Wasser. Dass der Schiffer Hartmann, als er Egmond in Sicht hatte, nicht hat lothen lassen, obgleich Loth und Lothleine klar waren, gereicht ihm zum erheblichen Vorwurf. Als dann ferner in einer ganz unerwarteten Peilung der Leuchtthurm von Kykduin in Sicht kam, beschränkte sich der Schiffer Hartmann ebenfalls wieder auf eine oberflächliche und bei dem herrschenden Wetter vollständig unzuverlässige Abstandsschätzung, ohne auch nur die Peilung von Kykduin sofort in der Karte abzusetzen. Ein Blick in die Karte würde, wenn er den von Egmond aus gelaufenen Curs und die zurückgelegte Distanz mit der letzten Peilung von Kykduin verglichen hätte, ihn sofort belehrt haben, dass seine Schätzung des Abstandes eine unrichtige und es nunmehr die allerhöchste Zeit war, voll nach See abzuhalten. Als er endlich in Folge des schnellen Auswanderns von Kykduin Leuchtthurm anfing unsicher zu werden und nun erst die Karte zu Rathe zog, war es zu spät und die Strandung des Schiffes bereits unvermeidlich. Diese Fehler und Unterlassungen, welche sich der Schiffer Hartmann hat zu Schulden kommen lassen, sind keine leichten, und wenn nichts desto weniger der Spruch des Seeamts bestätigt wird, so geschieht dies lediglich, weil in Rücksicht auf die bisherige 18-jährige tadellose Fahrzeit des Schiffers Hartmann und auf den ihm zur Seite stehenden guten Ruf als Seemann, dessen er sich bei seinen Berufsgenossen erfreut, anzunehmen ist, dass es ihm im Allgemeinen nicht an den zur Ausübung des Schiffergewerbes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen mangelt, sondern dass er nur von diesen Eigenschaften in Folge eines zu grossen und unberechtigten Sicherheitsgefühls im vorliegenden Falle nicht den richtigen Gebrauch gemacht hat. Die baaren Auslagen des Verfahrens bleiben ausser Ansatz, weil die Beschwerde vom Reichscommissar eingelegt ist.
Brigg König Ernst August.
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93. Spruch des Seeamts zu Stralsund vom 26. Februar 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom Iii Mai 1880, betreffend den Seeunfall der deutschen Brigg „König Ernst August" von Stralsund. Strandung und Verlust des Schiffes an der schwedischen Küste in der Nähe von Moruptange.
Der Spruch des Seeamts lautet: dass der Seeunfall, durch welchen die Brigg »König Ernst August«, Schiffer Plath, von Stralsund am 10. December 1879 bei Moruptange-Feuerthurm gestrandet und wrack geworden ist, durch die Verwechselung des Moruptanger Feuers mit Anholt Feuerschiff verursacht worden ist, dass dem Schiffer Johann Joachim Martin Plath von Stralsund die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes als Schiffer entzogen werden soll, dass aber keine Veranlassung vorliegt, dem Steuermann Magnus Scheel die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes zu entziehen. Gründe. Am 10. December 1879 Morgens um 2V2 Uhr ist die Brigg »König Ernst August«, Schiffer Plath, von Stralsund, mit einer Ladung Steinkohlen von Grimsby nach Danzig unterwegs an der schwedischen Westküste Vs Meile nördlich vom Moruptanger Feuerthurm auf Strand gerathen und wrack geworden. — Die Reise ist von Anfang an durch stürmisches Wetter behindert gewesen, so dass das Schiff, welches am 18. November 1879 ausgelaufen war, erst am 7. December sich unter Skagen befand. Nach einem schweren Sturm aus Süden durch den Strom in die Nordostbucht des Kattegat getrieben, passirte das Schiff am 8. December Mittags Mäseskärs-Leuchtfeuer, hatte darauf starken WSW-Wind, dann Sturm und schwere See. Um 12 Uhr Nachts peilte man das Feuer von Marstrand in OzS 10 Seemeilen ab, am 9. December 8 Uhr Morgens das Feuerschiff von Trindelen in WNW 8 Seemeilen und Mittags die Nidingen in NOzO V2O 9 Seemeilen. Nachmittags 4 Uhr bei südlichem Curse, Sturm, sehr dicker Luft und schwerer See von vorne, wurden die Segel verkleinert. Als um Mitternacht der Steuermann den Schiffer von der Wache an Deck ablöste, schickte letzterer zunächst den Jungmann und dann den Steuermann nach oben, um nach dem festen Blickfeuer von
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Anholt zu sehen. Beide wollten das Feuer bemerkt haben und der Steuermann will es OVaS gepeilt, zugleich aber noch ein Feuer erblickt haben, welches er sowohl als der Schiffer für Anholt-Knoben-Feuerschiff gehalten haben wollen, da beiden unbekannt, dass dieses Feuerschiff bereits am 6. December eingezogen war. Ueber die Gründe für diese Annahme und die Richtung dieses Feuers haben weder Schiffer noch Steuermann genügende und bestimmte Auskunft geben können. Dann verliess der Schiffer das Deck und setzte sich in der Cajüte zum Schlafen hin, kam aber wieder an Deck (IVa Uhr), sah noch immer das angebliche Knoben-Feuer und verliess das Deck mit der Order an den Steuermann Süd oder S V 2 W zu steuern, .sobald sie das Feuerschiff passirt hätten. Um 2Va Uhr bemerkte der Steuermann Land voraus und erkannte nun in dem Feuer vor sich den Moruptanger Feuerthurm. Der Schiffer liess die Raaen über Backbord anraffen, rief alle Mann an Deck, setzte alle Segel bei —, da stiess das Schiff auf Grund und drehte sich. Der Wind bisher aus West sprang nördlich, das Schiff erhielt schwere Stösse und um 3 Uhr Morgens waren schon 8 Fuss Wasser im Schiff. Vormittags verliess der Schiffer, Nachmittags 4 Uhr der Steuermann mit der Besatzung das Schiff*, als das Wasser bereits 3 Fuss über Backbord-Schanddeck stand. DasSchiffistvonder amtlich bestellten Besichtigungs-Commission für wrack erklärt und darauf in öffentlicher Auction für 4 008 Kronen verkauft worden. Schon nach dieser Darstellung ist es zweifellos, dass der Seeunfall dadurch verursacht worden ist, dass Schiffer und Steuermann das um 12 V2 Uhr früh in Sicht gekommene Moruptanger Feuer für das Knoben-Feuerschiff gehalten haben. Dieser verhängnissvolle Irrthum muss zunächst und vor allem dem Schiffer Plath als Führer des Schiffes zur Last gelegt werden. 1. Derselbe hat schuldvoll unterlassen, sich über die, die Einziehung der Feuerschiffe im Kattegat während des Winters markirenden Signale durch Einsichtnahme der Karte oder einer Segelanweisung zu orientiren, obwohl er zu einer Jahreszeit das Kattegat passirte, wo er das Fehlen der Feuerschiffe gewärtigen musste. So ist es gekommen, dass er die von ihm wohl bemerkten Signale auf Skagen nicht deuten und deswegen auch den verhängnissvollen Irrthum nicht vermeiden konnte.
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2. Hat dem Schiffer Plath als Verschulden angerechnet werden müssen, dass er von Deck gegangen ist, bevor er das in Sicht gekommene Feuer gehörig festgestellt hatte. — Um so mehr war er zur Vorsicht verpflichtet, als er sich auf einer gefährlichen Fahrstrasse befand, die Luft sehr dick war, er — wie er selbst sagt — kein Vertrauen zu seinem Steuermann hatte und es ihm auffallen musste, dass er das höhere und weiter sichtbare Feuer von Anholt-Land nicht, wohl aber das niedrigere Feuer des Knoben-Schiffs sehen konnte. Aus den schwankenden Angaben über die Richtung, in welcher das Feuer in Sicht gekommen, kann nicht festgestellt werden, wo das Schiff sich zu der Zeit befunden hat. Nach den auf der Karte abgesetzten Segelcursen hat sich das Schiff einige Seemeilen nördlich Anholt-Feuerthurm befanden, es muss aber beim Insichtkommen des Feuers bedeutend östlicher gewesen sein. 3. Ist dem Schiffer Plath als Verschulden anzurechnen, dass er, als er nach annähernd 1 Stunde wieder an Deck kam und noch immer das angebliche Knoben-Feuer vor sich sah, ohne dies auffällig zu finden und ohne die Fahrt während seiner Abwesenheit zu berechnen, wieder von Deck ging. Damals noch hätte er sich überzeugen müssen und überzeugen können, dass er bezüglich des Feuers im Irrthum sei. Das Seeamt hat deswegen die Schuld an dem Seeunfalle dem Schiffer Plath zurechnen müssen, zugleich aber auch die Ueberzeugung gewonnen, dass dem Schiffer Plath diejenige Umsicht und Aufmerksamkeit fehlen, welche ihn den schwierigen Lagen, die das Schiffergewerbe mit sich bringt, -gewachsen erscheinen lassen. In Folge Antrags des Reichscommissars und auf Grund des §. 26 des Gesetzes, betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877, ist deswegen dem Schiffer Plath die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes entzogen worden. Dem desfallsigen Antrage des Reichscommissars bezüglich des Steuermanns Scheel hat das Seeamt dagegen nicht stattgeben zu müssen geglaubt. Es ist freilich nicht verkannt worden, dass auch Scheel die Aufmerksamkeit ausser Acht gelassen hat, welche seine Stellung ihn zu beobachten gebot, dass er namentlich ohne Ueberlegung fast 2 Stunden lang in Sicht des angeblichen Feuerschiffes segelte, es kann ihm dieser Fehler aber nicht zugerechnet werden, da der Schiffer seine mangelhaften und ungründlichen Beobachtungen wiederholt bestätigt und dadurch die Verantwortung für diese Fehler
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auf sich genommen hat, und da er schliesslich nach ausdrücklicher Order des Schiffers gesegelt ist. Aus diesen Gründen ist der Spruch des Seeamts, wie geschehen, gefällt worden. Die E n t s c h e i d u n g des Ober-Seeamts lautet: dass der Spruch des Königlich preussischen Seeamts zu Stralsund vom 26. Februar 1880 in Betreff des Schiffers Plath zu bestätigen, in Betreff des Steuermanns Magnus Scheel in Stralsund aber abzuändern und dem letzteren die Befugniss zur Ausübung des Steuermannsgewerbes zu entziehen, sowie die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens zur einen Hälfte dem Schiffer Plath zur Last zu legen, zur anderen Hälfte aber ausser Ansatz zu lassen. Gründe. In Bezug auf beide gegen den Spruch des Seeamts eingelegte Beschwerden ist den Ausführungen des Reichscommissars beizutreten. I. Dem Schiffer Plath legt das Seeamt zur Last, 1. dass er unterlassen hat, sich über die Einziehung der Feuerschiffe im Kattegat zu orientiren, 2. dass er, nachdem ihm das Feuer von Moruptange, welches er irrthümlich für das Feuer des Anholt-Knoben-Feuerschiffs hielt, in Sicht gekommen, von Deck gegangen ist, ehe er die Bedeutung desselben gehörig festgestellt hatte, 3. dass, als er nach etwa einer Stunde wieder auf Deck kam und noch immer dasselbe Feuer vor sich sah, er in seinem Irrthum beharrt hat, obwohl derselbe durch eine Berechnung der innerhalb dieser Stunde zurückgelegten Fahrt leicht zu entdecken war. Die Richtigkeit dieser Feststellungen, welche nach den Ergebnissen der Verhandlungen beider Instanzen keinem Zweifel unterliegt, hat der Schiffer nicht in Abrede stellen können; er hat jedoch zu seiner Entschuldigung geltend gemacht, dass er während der ganzen Reise körperlich krank und in Folge dessen nicht im Stande gewesen sei, sich mit voller Geisteskraft der Führung des Schiffes zu widmen. Die Angaben des Schiffers über seinen leidenden Zustand und insbesondere darüber, dass er schon vor Antritt der Reise in Grimsby krank gewesen sei, erscheinen allerdings glaubhaft;
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allein sie sind nicht geeignet, das Mass seiner Schuld an dem Seeunfall zu verringern. Nach dem Handelsgesetzbuch Art. 483 hat der Schiffer, wenn er durch Krankheit verhindert ist, das Schiff zu führen, die Anordnung des Rheders einzuholen oder, falls Zeit und Umstände dies nicht gestatten, einen anderen Schiffer einzusetzen. Beides hat der Schiffer Plath unterlassen, obwohl er seiner eigenen Angabe zufolge in Grimsby eine Zeit lang die Absicht gehabt hat, einen anderen Schiffer an Bord zu nehmen. Es trifft deshalb ihn allein die Verantwortlichkeit für die Nachtheile, welche daraus entstanden sind, dass er mit unzureichenden Körper- und Geisteskräften es unternommen hat, den »König Ernst August« auf seiner letzten Reise zu führen. Bei seinem leidenden Zustande war er um so mehr verpflichtet, sich der Schiffsführung zu enthalten, als er von dem Steuermann Scheel die Meinung hegte, dass dieser unzuverlässig und schläfrig sei; er konnte also nicht erwarten, dass dessen Leistungen hinreichen würden, vertretungsweise das Schiff auf einer schwierigen Reise in stürmischer Jahreszeit sicher zu führen. Plath hat hiernach die ihm zufolge des Handelsgesetzbuchs Art. 478 obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers vermissen lassen. Er hat durch diesen Mangel an den zur Ausübung seines Gewerbes erforderlichen Eigenschaften den Seeunfall verschuldet. Das Seeamt hat ihm deshalb mit Recht die Befugniss zur Ausübung des Schiffergewerbes entzogen. Der von ihm in seiner Beschwerde gestellte eventuelle Antrag, ihm äussersten Falls die Befugniss zur Ausübung des Gewerbes als Steuermann zu belassen, findet dadurch seine Erledigung, dass der Reichscommissar die Entziehung dieser Befugniss gar nicht beantragt hat; Plath bleibt also berechtigt, als Steuermann zu fahren. II. Der Steuermann Scheel hat in derselben Weise wie der Schiffer Plath das Feuer von Moruptange mit dem Anholt-KnobenFeuerschiff verwechselt und ist auch seinerseits Stunden lang bis zur Strandung in diesem Irrthum befangen geblieben. Mit Grund nimmt das Seeamt an, dass der Steuermann diesen Irrthum rechtzeitig hätte gewahr werden müssen, wenn er während der fraglichen Zeit die pftichtmässige Aufmerksamkeit und die Kenntnisse angewendet hätte, welche zur Ausübung seines Berufs erforderlich sind; denn es ist nicht möglich, über die Bedeutung eines zwei Stunden lang gesehenen Feuers im Irrthum zu bleiben, wenn man zur Ermittelung derselben die von der Nautik gebotenen Hülfsmittel, namentlich auch die genaue Beobachtung der Fahrt des Schiffes
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und das Loth anwendet. Das Seeamt erachtet zwar den Steuermann deshalb für entschuldigt, weil dieser nur den Irrthum des Schiffers getheilt und nach dessen Anweisung gehandelt habe. Allein diese Auffassung weist dem Steuermann eine zu unselbständige Stellung an. Mit der Pflicht desselben, dem Schiffer Gehorsam zu leisten, ist die Pflicht verbunden, alles, was auf die Sicherheit der Fahrt von Einfluss sein kann, zu beobachten und zu überlegen; denn in der Zeit, in welcher der Steuermann die Wache hat, ist er zur Vertretung des Schiffers, mithin zur Erfüllung der Obliegenheit des letzteren berufen; er hat deshalb in dieser Zeit nicht lediglich nach den ihm vorher vom Schiffer ertheilten Weisungen zu verfahren, sondern er muss, sobald die Umstände eine Abweichung von diesen Weisungen erheischen, deren Aenderung vom Schiffer verlangen. Der Steuermann Scheel war hierzu um so mehr verpflichtet, als er bei der Krankheit des Schiffers voraussetzen musste, dass dieser nicht im Stande sei, den Pflichten seines Berufs völlig zu genügen; statt dessen hat er es an jeder Aufmerksamkeit und Sorgfalt fehlen lassen. Erst in der Gegenerklärung auf die Beschwerde des Reichscommissars hat er die Behauptung aufgestellt, dass er einige Zeit vor der Strandung gegen den Schiffer Zweifel daran ausgesprochen, ob das von ihnen gesehene Feuer von dem Anholt-Knoben-Feuerschiff herrühre, dass der Schiffer aber auf ihn nicht hören wollen und eine nochmalige Peilung des Feuers untersagt habe. Diese Angabe ist durch kein Beweismittel unterstützt; sie charakterisirt sich als eine leere Ausrede, da sie mit den vom Steuermann in erster Instanz abgegebenen Erklärungen nicht zu vereinigen ist; denn nach den letzteren hat dem Steuermann bis zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor der Strandung jeder Zweifel daran, dass er das Feuer von Anholt-Knoben-Feuerschiff in Sicht habe, durchaus fern gelegen. Der Steuermann hat hiernach die Strandung des »König Ernst August« in demselben Masse wie der Schiffer verschuldet, und zwar durch Mangel an Gewissenhaftigkeit, Aufmerksamkeit und Ueberlegung; es kann ihm daher nicht gestattet werden, sein Gewerbe ferner auszuüben. Von den haaren Auslagen des Beschwerdsverfahrens fällt die auf den Schiffer treffende Hälfte diesem zur Last, weil er mit seiner Beschwerde abgewiesen ist; die andere Hälfte bleibt ausser Ansatz, weil die gegen den Steuermann gerichtete Beschwerde vom Reichscommissar eingelegt ist.
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94. Spruch des Seeamts zu Brake vom 4. Februar 1880 und Entscheidung des Kaiserlichen OberSeeamts vom 12. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des Schooners „Wesselina" von Blumenthal. Schiff in der Nordsee leck gesprungen und von der Mannschaft verlassen.
Der deutsche Schooner »Wesselina«, Unterscheidungssignal KLHV, Heimathshafen Blumenthal, ist 1865 gebaut und zu 317,7 cbm oder 112,15 Register-Tons vermessen, Eigenthümer ist Fr. Tappe in Blumenthal, dessen Sohn Schiffer Hermann Abraham Tappe daselbst seit dem Frühjahr 1879 das Schiff geführt hat. Derselbe ist im Besitz eines in Bremen am 23. Februar "1874 ausgestellten Befahigungszeugnisses zum Steuermann auf grosser Fahrt und war auf Grund dieses und seiner Fahrzeit (gemäss §.11 der Bekanntmachung des Bundesraths, betreffend die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute etc. vom 25. September 1869, Reichsgesetzblatt 5. 660) zum Schiffer für europäische Fahrt zugelassen. Die »Wesselina« war nach Angabe des Schiffers Tappe A. 1. im Germanischen Lloyd classificirt, und weist das von dieser Classifications-Gesellschaft für das Jahr 1880 veröffentlichte Register aus, dass das Schiff.im April 1879, nachdem es in Geestemünde speciell besichtigt, geöffnet und kalfatert worden, diese erste Classe auf 3 Jahre erhalten hatte. Nach dieser Besichtigung hatte sie nur eine Reise nach der Ostsee und zurück nach der Weser gemacht, dann die Reise nach Hernösand, von wo zurückkommend sie von dem nachstehend behandelten Unfall betroffen wurde. Am 20. August 1879 trat die »Wesselina« die Rückreise von Hernösand nach Bremen an, ihre Ladung bestand aus 123 Last Dielen, von welchen ungefähr 24 Last auf Deck gestaut waren; am 3. September nöthigten sehr heftige westliche Stürme, in welchen das Schiff schwer arbeitete, verschiedene Beschädigungen der Takelage erlitt, auch etwas Wasser machte, den Schiffer Tappe, von der Höhe von Dagerort, bis wohin er erst gekommen war, nach Baltish Port abzuhalten, wo er ankerte, seine Schäden reparirte und am 8. September seine Reise fortsetzte. Am 19. September erreichte er den Sund und ankerte auf der Rhede von Helsingör, um seinen Proviant zu ergänzen. Nachdem dann am 21. die Reise fortgesetzt war, hatte man wiederum viel
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mit heftigen Gegenwinden und hohem Seegange, welche die Reise sehr behinderten, zu kämpfen; am 2. October beschädigte eine Sturzsee die Vorluke, wodurch viel Wasser in den Raum drang, ehe es der Mannschaft gelang, sie wieder zu dichten; das Wasser wurde indessen bald ausgepumpt und hielt sich die »Wesselina«, welche nur bei schwerem Wetter etwas Wasser machte, sonst gxit dicht. Am 3. October befand sich das Schiff Abends um 8 Uhr nordöstlich von Norderney, bei schwerem westlichen Winde südöstlich steuernd; man sah um 9 Uhr das Aussenfeuerschiff der Weser in OSO eben in der Kimme und drehte dann vor dichtgerefften Segeln bei. Der nach Südwesten holende Wind nahm in der Nacht beständig zu, furchtbare Seen brachen über das Schiff, es zeitweise ganz bedeckend. Gegen 11V2 Uhr Nachts wurde Wasser im Schiff bemerkt, welches trotz angestrengten Pumpens fortwährend zunahm. Alle Versuche, welche man dann machte, das über Steuerbord liegende Schiff auf den andern Bug zu bringen und nach der Weser abzuhalten, misslangen; es legte sich schiefer und schiefer, so dass die Mannschaft bald genöthigt war, die Segel niederzuholen und es treiben zu lassen. Schon gegen 1 Uhr war die »Wesselina« voll Wasser, trieb mit Steuerbord-Regeling unter Wasser, der Gewalt der See gänzlich preisgegeben, und konnte die Mannschaft, welche jeden Augenblick befürchten musste, über Bord gewaschen zu werden, oder das Schiff kentern zu sehen, nur noch auf Rettung ihres Lebens bedacht sein. Man zeigte die ganze Nacht Fackelfeuer, um Hülfe herbeizu. rufen, jedoch ohne Erfolg, erst nach Anbruch des Tages, um 7 Uhr Morgens, näherte sich ein des Wetters wegen nach der Elbe zurückkehrender Dampfer (»King Moor«, Schiffer Chase), dem die Nothflagge zeigenden Wracke; die Schiffbrüchigen verliessen nach abgehaltenem Schiffsrathe in dem Rettungsbote des Dampfers ihr Schiff und wurden in Cuxhaven gelandet. Der vorstehende thatsächliche Hergang ist festgestellt nach dem Inhalte des Schiffsjournals und der damit übereinstimmenden am 18. October 1879 abgelegten Verklarung und hat der Schiffer Tappe denselben bei seiner Vernehmung in der Hauptsache nochmals bestätigt. Der Steuermann des Schiffes hat nicht vernommen werden können, weil er inzwischen wieder auf eine längere Reise gegangen war. Die Grösse der Ladung und ihre Vertheilung im
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Räume und auf dem Decke ist nach den bei den Akten befindlichen Connossementen berechnet worden. Die »Wesselina« ist an demselben Tage, an welchem sie verlassen war, Vormittags um 11 Uhr von dem Hamburger Lootsenschooner No. 2 etwa 7 Seemeilen südlich von Helgoland aufgefunden und nach Cuxhaven gebracht worden. Im ruhigen Wasser machte sie wenig Wasser, wurde lens gepumpt und, nachdem die Mannschaft wieder an Bord gegangen war, am 9. October durch einen Schleppdampfer nach ihrem Bestimmungsort Brake gebracht. Dort ist die Ladung entlöscht worden und das Schiff dann auf den Helgen des Schiffsbaumeisters Focke in Bardenfleth geschleppt, um reparirt zu werden. Aus den ferneren Verhandlungen ist anzuführen, dass der Führer des Dampfers »King Moor«, Schiffer Chase, das schlechte Wetter und die fürchterliche See, welche ihn zwangen, zur Elbe zurückzuflüchten, bestätigt und ferner erklärt hat, dass er die »Wesselina« Morgens ganz schief und so tief im Wasser liegend gefunden habe, dass die See fortwährend über sie hinweggespült sei. Nach seiner Meinung wäre die »Wesselina«, wenn das Wetter so geblieben, in 4 bis 8 Stunden auf Strand getrieben und halte er in jeder Hinsicht das Verlassen des Schiffes für gerechtfertigt. Die Besatzung des Lootsenschooners hat gegen 11 Uhr Vormittags die »Wesselina« in ähnlichem Zustande voll Wasser und hart über Steuerbord liegend angetroffen; noch beim Einschleppen derselben musste, obwohl inzwischen Sturm und Seegang nachgelassen, stets das Kentern des Schiffes befürchtet und die Böte zur Aufnahme der an Bord gegangenen Leute bereit gehalten werden. Der Schiffsbaumeister Focke endlich sagte aus, dass an der »Wesselina« am festen Buge, zumal am Steven unter dem Bugspriet, offene Stellen sich vorgefunden hätten, dass die Schanddecks, nähte, sowie einige Quernähte des Schiffes offen gewesen seien; der Boden des Schiffes, sowie die aus verzinkten eisernen Bolzen bestehende Verbolzung sei in durchaus gutem Zustande gewesen und eine Verstärkung des Schiffskörpers nicht für erforderlich erachtet worden; dagegen habe sich bei der Reparatur herausgestellt, dass verschiedene Regelingsstützen schlecht gewesen seien, so dass eine Dichtung der Schanddecksöffnungen durch Kalfaterung nicht thunlich war, und sei deshalb das Schanddeck in einer Länge von 30 Fuss an jeder Seite abgenommen und verschiedene neue Stützen eingesetzt worden; ferner hätten sich Bergholzplanken, durch welche
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die Püttingsbolzen gehen, morsch gezeigt und seien durch neue ersetzt worden. Das Volllaufen des Schiffes erklärte er vorzugsweise durch die Oeffnung der Nähte in den oberen Theilen bei dem starken Arbeiten des Schiffs in Verbindung mit den schadhaften Stellen am Steven, zumal der theilweise gänzlich morsche Spiet der schadhaften Regelingsstützen ohnehin nicht mehr habe dicht halten können. Seitens des Reichskommissars ist der Antrag gestellt worden, dem Schiffer Tappe die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes als Schiffer zu entziehen. Nach dem vorstehenden Ergebniss der Verhandlungen ist als die Ursache des Leckwerdens des Schiffes und somit des zeitweisen Verlustes desselben in erster Linie der heftige Sturm und hohe Seegang festzustellen. Das Seeamt ist der Ansicht, dass auf diese in Verbindung mit einzelnen Schäden des Schiffes, wobei auch der seitliche Druck der Deckladung einwirkte, der Unfall zurückzuführen ist, dass aber in Betreff des Zustandes des Schiffes und der Beladung den Schiffer Tappe kein Vorwurf trifft und dass es nicht möglich gewesen wäre, das Schiff länger als geschehen zu halten. Dabei sind folgende Gründe massgebend gewesen: 1. Dass Sturm und Seegang in der fraglichen Nacht einen sehr hohen Grad erreicht haben und die Angaben des Journals und der Verklarung in diesem Punkte in keiner Weise übertrieben sind, wird nicht nur durch die Aussagen der Hamburger Lootsen, sondern auf das Unzweifelhafteste durch die Thatsache bestätigt, dass der Dampfer »King Moor« auf seiner Reise umkehrte, um nach Cuxhaven zu flüchten. 2. Ein Zweifel an der guten Beschaffenheit des Schiffes, welcher den Schiffer Tappe hätte bewegen müssen, eine geringere Ladung, zumal auf Deck, zu nehmen, konnte dem Schiffer Tappe nicht kommen, da wenige Monate vorher die »Wesselina« von dem sachverständigen Experten des Germanischen Lloyd eingehend untersucht und auf 3 Jahre in die erste Klasse gesetzt war; es kann nicht als ein Mangel an Vorsicht angesehen werden, wenn Schiffer Tappe sich auf das Urtheil dieses erfahrenen, sachkundigen Mannes verliess und sein Schiff, welches sich auch früher gut bewährt hatte, als im besten Zustande befindlich ansah. 3. Nach der Natur der nachträglich vorgefundenen Schäden der »Wesselina« ist es allerdings kaum für möglich zu halten, dass das Schiff in 2 bis 3 Stunden voll laufen konnte; nach der
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beschworenen Verklarung ist um 8 Uhr lens gepumpt worden und glaubt das Seeamt, dass schon bald nachher das schwere Lecken des Schiffes, welches erst um HVa Uhr bemerkt wurde, begonnen hat. Es ist aber nicht anzunehmen, dass bei früherem Bemerken das eindringende Wasser hätte bewältigt werden können und kann vollends den Schiffer Tappe kein Vorwurf dieserhalb treffen, da das Schiff bis dahin wenig Wasser gemacht hatte, auch die Ladung derart war, dass sie nicht leicht beschädigt wurde, es also nicht nöthig war, erhöhte Vorsicht anzuwenden und die Pumpen mehr wie sonst üblich zu probiren. 4. In Betreff der Beladung des Schiffes ist bei Begründung des Antrags des Reichscommissars hervorgehoben und dem Schiffer Tappe zum Vorwurfe gemacht, dass die Deckladung zu gross gewesen und dadurch der Unfall mit herbeigeführt sei. Dieselbe betrug rund 24 Last ä 80 Cubikfuss englisch und etwa 19 % der Gesammtladung. Schiffer Tappe hat angegeben, er habe 3 bis 4 Last mehr auf Deck genommen, als das Schiff sonst gefahren; die Deckladung sei aber auch auf dieser Reise nicht zu gross für sein Schiff gewesen, und habe er das Mehr nur genommen, um sein Schiff hinten etwas tiefer zu bringen. Das Seeamt ist der Meinung, dass das Verhältniss einer Deckladung zur Gesammtladung nicht nach einer allgemeinen Regel bemessen werden kann. Es ist die Bauart des Schiffes dabei entscheidend; während scharfe tiefe Schiffe durch Deckladung rank gemacht und so durch ein grösseres Quantum gefährdet werden, erleichtert sie bei plattgebauten flachen Schiffen durch Höherlegung des zu tief liegenden Schwerpunktes das Arbeiten des Schiffes in schwerer See und konnte deshalb die (wie zwei Beisitzern genau bekannt) flache und mit fast ganz plattem Boden gebaute »Wesselina« eine grosse Decklast ohne Gefahr fahren, wie denn auch die tägliche Erfahrung lehrt, dass Schiffe ähnlicher Bauart über ein Fünftel der Gesammtladung auf Deck führen. Zieht man ferner in Betracht, dass die Reise in der guten Jahreszeit angetreten wurde, der Schiffer also annehmen durfte, etwa Mitte September die Weser zu erreichen, dass er, wie oben ausgeführt, sein Schiff als im besten Zustande befindlich ansehen musste, so darf mit Recht gesagt werden, Schiffer Tappe beging keine Unvorsichtigkeit, dass er, weil es mit der Stauung so auskam, ein geringes Quantum — 3 bis 4 Last = 4 bis 5 000 kg Gewicht — mehr auf Deck nahm, als das Schiff früher geführt hatte. Auch der sachverständige Zeuge Hafenmeister Zedelius
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hat ausgesagt, dass ihm die Deckladung der »Wesselina« als besonders hoch nicht aufgefallen sei und vermag deshalb das Seeamt auch in der Beladung einen Mangel nicht zu entdecken. 5. Der Schiffer Tappe hat erklärt, dass er den Versuch, das Schiff durch Werfen der Deckladung zu retten, nicht gemacht habe, weil für die Mannschaft auf dem mit dem Wasser gleichliegenden niedrig verschanzten Decke die Gefahr des Ueberbordspülens eine grössere gewesen wäre und weil er befürchtet hätte, die Gefahr des Kenterns würde dadurch vergrössert. Auch dieses ist als eine schuldvolle Unterlassung bei dem Antrage des Reichscommissars hervorgehoben worden. Der letztere Grund des Schiffers ist nun allerdings ein durchaus irriger, denn die Gefahr des Kenterns wird umgekehrt eine stets geringere, je mehr das Schiff von der Deckladung befreit wird. Dagegen ist der erste, die grössere Gefährdung der Mannschaft stichhaltig. Vor allem aber muss das Seeamt ernstlich bezweifeln, dass der Versuch, die Decklast zu werfen, in der Lage, in welcher sich das Schiff in der fraglichen Nacht befand, hätte zur Ausführung gebracht werden können, und die Aussage des Schiffers Tappe selbst, er glaube, er habe von der Ladung werfen können, vermag diese Zweifel nicht zu beseitigen. Zunächst ist hierbei festzuhalten, dass, so lange vom Leckwerden des Schiffes nichts bemerkt war, eine Veranlassung zum Werfen nicht vorlag und hätte deshalb der Versuch sich von der Deckladung zu befreien, erst vorgenommen werden dürfen, nachdem das Wasser die Pumpen überwältigte. Bedenkt man nun, dass in und nach diesem Momente die Besatzung, nachdem sie in der dunklen Herbstnacht fast stets von den überstürzenden Seen bedeckt, lange Zeit angestrengt gepumpt hatte, jeden Augenblick befürchten musste, ihr Schiff, das auf der Seite lag und voll Wasser war, kentern zu sehen, so kann man nicht annehmen, dass die 5 Personen der Besatzung, während sie genug zu thun hatten, sich festzuhalten, es hätten versuchen sollen, die mit Ketten gezurrte Decklast loszumachen und durch die herumstossenden Dielen sich neuen Gefahren auszusetzen. Ausserdem wäre die Gefahr des Kenterns vergrössert worden, wenn es ihnen nicht gelungen wäre, das Holz auch auf der im Wasser liegenden Leeseite los zu werden. Selbst wenn indessen es möglich gewesen wäre, die Deckladung ganz zu werfen, so wäre dadurch die Lage des Schiffs nicht verbessert, die Mannschaft vielmehr auf dem mit dem Wasser gleich-
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liegenden Decke der See noch mehr exponirt gewesen. Auch dann wäre das Schiff, wenngleich es sich mehr aufgerichtet hätte, in demselben Masse unregierbar geblieben und mit einsetzender Fluth hülflos den Bänken der Elbe zugetrieben. 6. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass das Verlassen des Schiffs den Verhältnissen nach durchaus geboten war. Nachdem das Schiff voll Wasser war und auf der Ladung trieb, während das Wetter keine Aussicht auf Besserung bot, blieb der Besatzung nichts übrig, als das Schiff gänzlich aufzugeben und auf Rettung ihres Lebens bedacht zu sein. Hätte Schiffer Tappe die ihm durch den Dampfer »King-Moor« gebotene Gelegenheit nicht benutzt, so konnte er nur gewärtigen, in nicht langer Zeit auf den benachbarten gefährlichen Sänden zu stranden, und würde er dann das Leben der Besatzung nutzloser Weise gefährdet haben. Nach dem Ergebniss dieser Erwägungen, besonders des zu 4 und 5 Angeführten, ist das Seeamt der Ansicht, dass es einer Beantwortung der Frage nicht bedarf, ob der Schiffer Tappe bei dem Unfall den Mangel solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung seines Gewerbes erforderlich sind, bewiesen hat. Nach §. 26 des Gesetzes vom 27. Juli 1877, betreffend die Untersuchung von Seeunfallen, kann das Patent entzogen werden, wenn sich ergiebt, dass ein deutscher Schiffer den Unfall oder dessen Folgen in Folge solchen Mangels verschuldet hat. Es wird also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verfahren des Schiffers und dem den Gegenstand der Untersuchung bildenden Unfall erfordert. Nachdem aber, wie ausgeführt, sich ergeben hat, dass die Handlungsweise des Schiffers Tappe, soweit dabei ein Vorwurf begründet erscheint, weder die Ursache des hier fraglichen Unfalls, noch auf diesen oder dessen Folgen von Einfluss gewesen ist, fällt eine der gesetzlichen Voraussetzungen weg, welche die Zulässigkeit der Patententziehung bedingen. Aus diesem Grunde ist der Antrag des Reichscommissars abzulehnen. Der Spruch des Seeamts geht dahin: Das Leckwerden des Schiffes »Wesselina«, in Folge dessen es auf der Ladung treibend verlassen wurde, ist verursacht durch starken Sturm und Seegang sowie einige schadhafte Stellen an den Obertheilen des Schiffs, für welche indessen Schiffer Tappe nicht verantwortlich zu machen ist. Das IL
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Verlassen des Schiffs seitens der Besatzung war durch den hoffnungslosen Zustand des Schiffs und dringende Lebensgefahr geboten. Mängel in der Beladung des Schiffs sind nicht hervorgetreten, insbesondere war das Deck nicht überladen. Dass der Versuch, die Deckladung zu werfen, nicht gemacht worden ist, ist auf den Unfall und dessen Folgen ohne Einfluss gewesen ; es ist nicht anzunehmen, dass das Werfen überhaupt ausführbar war, und würde es auch den Verlauf des Unfalls nicht geändert haben. Den Schiffer Tappe trifft dabei nur der Vorwurf einer irrigen Ansicht über den Erfolg des Werfens einer Deckladung. Der Antrag des Reichscommissars, dem Schiffer Tappe die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes als Schiffer zu entziehen, wird daher abgelehnt. Die E n t s c h e i d u n g des Ober-Seeamts lautet : dass der Spruch des Grossherzoglich oldenburgischen Seeamts vom 4. Februar 1880, soweit er sich auf den darin irrthümlich als Schiffer bezeichneten Steuermann Herrmann Abraham Tappe in Blumenthal bezieht, aufzuheben, dem Steuermann Tappe die Befugniss zur Ausübung des Steuermannsgewerbes zu belassen und die haaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens ausser Ansatz zu lassen. Gründe. Der Schooner »Wesselina« ist nach dem Schiffsregister ein Segelschiff von 317,7 cbm Netto-Raumgehalt; seine Ladungsfähigkeit beträgt mithin 149,85 Tonnen zu je 1000 kg; die letzte Reise hat er von Hernoesand aus nach dem Bestimmungshafen Bremen angetreten. Tappe, welcher das Schiff auf dieser Reise geführt hat, besitzt, kein Schifferzeugniss, sondern nur ein Zeugniss über die Befähigung zum Steuermann auf grosser Fahrt, welches ihm die bremische Senatscommission für Schifffahrtsangelegenheiten am 23. Februar 1874 ertheilt hat. Gleichwohl hat er und mit ihm sowohl der Reichscommissar als auch das Seeamt angenommen, dass er berechtigt sei, mit der »Wesselina« in europäischer Fahrt als Schiffer zu fahren. Diese Auffassung ist unrichtig. Die Vorschriften über den Nachweis der Befähigung als Seeschiffer und Seesteuermann vom 25. September 1869 §.11 bestimmen,
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dass für die Zulassung als Schiffer auf europäischer Fahrt mit Segelschiffen unter 250 Tonnen zu 1000 kg Tragfähigkeit die Ablegung der Steuermannsprüfung und die Zurücklegung einer auf die Zulassung als Steuermann folgenden mindestens 36-monatlichen Fahrzeit zur See als Steuermann, von welcher mindestens 24 Monate als Einzelsteuermann zugebracht sein müssen, genügt. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass die Erfüllung dieser beiden Erfordernisse für sich allein hinreiche, die Befugniss zur Ausübung des Schiffergewerbes zu begründen, die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 §. 31 bestimmt vielmehr, dass Seeschiffer sich über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse durch ein Befähigungszeugniss der zuständigen Verwaltungsbehörde ausweisen müssen. Demgemäss bestimmen die Anordnungen über die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute für grosse Fahrt vom 30 Mai 1870 §. 17: Steuerleute, welche auf Grund des §.11 der Vorschriften als Führer von Segelschiffen unter 250 Tonnen Tragfähigkeit in europäischer Fahrt zugelassen zu werden wünschen, haben die Zurücklegung einer auf die Zulassung als Steuermann folgenden mindestens 36-monatlichen Fahrzeit als Steuermann von welcher wenigstens 24 Monate als Einzelsteuermann zugebracht sein müssen, nachzuweisen. Auf Grund dieses Nachweises und Befähigungszeugnisses als Steuermann wird denselben sodann von der Behörde ein weiteres Befahigungszeugniss nach dem Formular F ausgefertigt. Dies letztere Befähigungszeugniss hat Tappe nicht erhalten; er war deshalb nicht berechtigt, die »Wesselina« zu führen, und ist überhaupt nicht Schiffer sondern lediglich Steuermann. Der vom Reichscommissar in erster Instanz gestellte Antrag, dem Schiffer Tappe die Befugniss zur Ausübung seines Gewerbes als Schiffer zu entziehen, beruht hiernach auf einer unrichtigen Voraussetzung und ist deshalb gegenstandslos. Der Spruch des Seeamts aber ist, soweit ihm die gleiche Voraussetzung zu Grunde liegt, aufzuheben, da durch ihn das Gesetz verletzt ist. Darüber, ob Tappe den Seeunfall durch den Mangel solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung des Steuermannsgewerbes erforderlich sind, verschuldet hat, ist in zweiter Instanz nicht zu befinden, weil in der Beschwerde ausdrücklich erklärt ist, es sei nicht ermittelt, dass dem Genannten die für einen Steuermann erforderlichen Eigenschaften fehlen. Das Gewerbe eines Steuermanns darf er daher auch ferner betreiben.
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95. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 1. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des deutschen Schooners „Esperance" von Blankenese. Schiff im mexikanischen Meerbusen leck gesprungen, von der Mannschaft verlassen und gesunken.
Der in Blankenese heimathberechtigte, zu 354,» cbm oder 125,04 Register-Tona netto vermessene, Schooner »Esperance«, Unterscheidungssignal LDRM, verliess Carmen an der Ostküste von Mexiko mit einer hauptsächlich aus Farbholz, daneben auch aus Gedern- und Mahagoniholz bestehenden Ladung, für Hamburg bestimmt, am Nachmittage des 2. Februar 1880. Geführt wurde das im Gänzen mit 7 Personen bemannte Schiff von dem Schiffer J. Kröger, der zu Vi Part Mitrheder des Schiffes war. Schon am ersten Tage der Reise fing das Schiff, welches noch beim Einnehmen der Ladung dicht gewesen war und damals nur ungefähr 5 Zoll Wasser täglich gemacht hatte, an, mehr Wasser zu ziehen und zwar 1 Zoll in der Stunde. Um Mittag observirte man 18 0 50' nördlicher Breite und 91 0 48' westlicher Länge und rechnete nun bei von West über Nord nach Nordost umlaufenden, wechselnden Winden sein Besteck weiter. In der Nacht wurde der Wind stürmisch, und arbeitete das Schiff bei hoher und unruhiger See heftig. Das Schiff begann nun mehr und mehr Wasser zu ziehen, anfänglich 2 Zoll in der Stunde, dann etwa 12 Zoll in jeder Wache, so dass die Mannschaft genöthigt war, zwei Mal auf jeder Wache, ungefähr eine Viertel Stunde lang, zu pumpen. Doch gelang es auch am 3. Februar noch, das Schiff lens zu halten. Am Morgen des 4. Februar machte das Schiff aber so viel Wasser, dass von 7 Va Uhr ab die ganze Mannschaft an die Pumpen beordert werden musste, ohne doch das Wasser bewältigen zu können. Schiffer Kröger hielt es unter solchen Umständen für gerathen, seinen Ours nach der Küste zurückzunehmen und liess um 7 Uhr nach Süd wenden. Der Wind war aber bei fortdauernd hohem nördlichen Seegang flau aus OSO geworden, und machte das Schiff, welches trotz angestrengten Pumpens tiefer und tiefer im Wasser wegsank, nur wenig Fahrt. Mittags befand man sich auf 19° 54' nördlicher Breite und 91 0 46' westlicher Länge. Das Wasser im Raum war inzwischen auf ungefähr 5 Fuss gestiegen. Das Leck
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war nicht aufzufinden und ein Versuch, dasselbe zu dichten, in Folge dessen unmöglich. Die Mannschaft war durch das angestrengte Pumpen erschöpft und erklärte, nicht fortarbeiten zu können. Schiffer Kröger, welcher bezeugt, dass er einen Versuch durch Werfen von Ladung das Schiff zu erleichtern, einmal der hohen See halber, welche häufig über sein Schiff wegbrach, dann aber wegen der Erschöpfung seiner Leute, nicht habe unternehmen können, liess jetzt, da sich kein Mittel mehr bot, Schiff und Ladung zu retten, das Boot zu Wasser bringen und begab sich unter Mitnahme der Schiffspapiere und werthvollsten Inventarstücke mit seiner Mannschaft in dasselbe. Es war inzwischen Windstille eingetreten, und konnte man sich in der Nähe des sinkenden Schiffes halten. Um 4 Uhr Nachmittags war Schiffer Kröger nochmals an Bord der »Esperance« und fand das Schiff jetzt ganz voll Wasser. Um 6 Uhr Abends sah die Mannschaft ihr Schiff wegsinken und gelangte dann nach 48stündiger mühevoller Fahrt nach Campeche. Die vorstehende Darstellung, welche dem Schiffsjournal, der sich an letzteres anschliessenden, vor dem Gerichte in Campéche belegten Verklarung und den eidlichen Aussagen der auf hier zurückgekehrten Personen der Schiffsbesatzung, Schiffer, Steuermann und Schiffskoch, entnommen ist, bietet zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit keinen Anlass. Aus der über den Unfall stattgehabten Beweisaufnahme bleibt noch Folgendes hervorzuheben: Die »Esperance« war im Jahre 1861 in Finkenwärder aus Eichenholz mit Kupferhaut erbaut worden und hatte damals erste Classe bei Veritas auf 10 Jahre erhalten. Diese Classe war dann noch wiederholt prolongirt worden. Im Juni 1878 hatte das Schiff nach abermaligem Ablauf der prolongirten ersten Classe 5/6 Classe auf 4 Jahre erhalten und war diese Classe, nachdem das Schiff im Winter 1878/79 auf der Elbe durch Eisgang beschädigt und dann einer Reparatur unterzogen, insbesondere vollständig neu kalfatert worden war und neuen Kupferbeschlag erhalten hatte, im Januar 1879 bestätigt worden. Vor Antritt seiner letzten Ausreise von hier war das Schiff dann nochmals nachgesehen und theilweise mit neuem Verdeck versehen worden. Auch in Laguna ist von der Besatzung, ihrem Zeugnisse zufolge, die übliche Fürsorge, um das Schiff für die Heimreise in durchaus seetüchtiger Beschaffenheit zu erhalten, nicht verabsäumt worden. Insbesondere hat der Steuermann solche
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Ever Dorothea.
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Stellen, wo das Holz durch die Sonnenhitze eingetrocknet und in Folge dessen die Nähte undicht geworden waren, neu kalfatert. Die Ladung des Schiffes auf seiner letzten Reise hatte ein Gewicht von ungefähr 170 Tons dead weight, während dasselbe auf früheren Reisen nach dem Zeugniss des Schiffers schon mit 180 tons beladen gewesen war. Die Versicherung des Schiffes war theilweise in Hamburg, theilweise beim Blankeneser Compact zu im Ganzen 26 400 JVt. geschlossen. Auf Grund der vorstehenden Beweiserhebungen hat das Seeamt seinen Spruch dahin abgegeben: Der am 4. Februar d. J. im Golf von Mexiko erfolgte Untergang des Blankeneser Schooners »Esperance« ist, soweit sich dessen Ursachen haben ermitteln lassen, einem auf der Heimreise des Schiffes gesprungenen Leck zuzuschreiben. Schiffer und Mannschaft kann in Beziehung auf diesen Unfall ein Verschulden nicht beigemessen werden; ebenso wenig ist anzunehmen, dass die Rhederei es in irgend einer Hinsicht an der gehörigen Fürsorge für die Instandhaltung des Schiffes in seetüchtiger Beschaffenheit habe fehlen lassen.
96. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 3. Mai 1880, betreffend den Seeunfall des deutschen Evers „Dorothea" von Cranz. Fahrzeug durch Beschädigung der Klüse leck geworden, in der Elbe gestrandet und gesunken.
Der in Cranz, Amts Jork, heimathsberechtigte, zu 89,8 cbm oder 31,69 Register-Tons netto vermessene Ever »Dorothea«, Unterscheidungssignal LQSV, hatte unter Führung des Schiffers Johann Nikolaus Ralfs, welcher zugleich alleiniger Rheder des Evers war, seinen Ladeplatz in der Flensburger Föhrde am Morgen des 28. November 1879 verlassen. Die Ladung des Schiffes bestand aus Steinen und war für Hamburg bestimmt. Eises halber konnte die »Dorothea«, nachdem sie Rendsburg am 30. November erreicht hatte, ihre Reise nicht fortsetzen, musste vielmehr in Rendsburg überwintern. Erst am 8. März 1880 konnte der Ever wieder, unter
Ever Dorothea.
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Segel gehen. Am 11. März früh verliess derselbe die Eider. Um 1 Uhr Nachmittags musste man eingetretener Ebbe halber unter Scharhörn in 6 Faden Wasser vor Anker gehen. Der aus OSO wehende Wind hatte während des Tages immer mehr an Heftigkeit zugenommen und war Abends zu einem Sturm angewachsen, der auch während der Nacht und am folgenden Tage andauerte. Als Schiffer Ralfs Abends mit einsetzender Fluth wieder unter Segel gehen wollte, um die Elbe aufzukreuzen, gelang es nicht, den Anker einzuhieven. Man sah sich demzufolge genöthigt, auch noch während der Nacht zu ankern und liess um 3 Uhr Morgens zur besseren Sicherung des Fahrzeuges auch noch den zweiten Anker fallen. Als man bei Tagesanbruch mit der Fluth abermals den Versuch machte, die Anker einzuhieven, riss in Folge des schweren Stampfens die Klüse an Steuerbordseite aus und musste man schliesslich die Steuerbordsankerkette schlippen, da es auch jetzt nicht möglich war, den Steuerbordsanker einzuhieven. Beim Ausbrechen der Klüse war auch ein Theil des Bugs mit weggenommen und das Schiff dadurch schwer leck geworden. Man dichtete das Leck so gut wie möglich mit altem Segeltuch und Werg und kreuzte unter häufig über das Schiff wegbrechenden Sturzseen, durch welche auch das Boot nach Lee hinübergeschlagen wurde und der zum Verschluss der Luke dienende Schlussbalken zerbrach, die Elbe auf. Um 1 Uhr Nachmittags musste man aber bei eintretender Ebbe abermals und zwar unter Vogelsand auf 4 Faden Wasser ankern. Es waren da bereits 1V2 Fuss Wasser im Schiff. Um 3 Uhr Nachmittags brach die Ankerkette und sah sich Schiffer Ralfs nunmehr genöthigt, sein bei der schweren Ebbe und bei dem Sturme aus Ost abwärts treibendes Fahrzeug, welches beide Anker eingebüsst hatte, auf Scharhörn auf Strand zu setzen. Auf das Nothsignal des Evers kam jetzt ein Boot des damals auf Station des 3. Feuerschiffes liegenden »Neptun« heran, dessen Mannschaft das Schiff wieder auspumpen half, so dass man mit Wiedereinsetzen der Fluth nochmals unter Segel gehen konnte. Der Versuch nach Eitzenloch einzusegeln misslang aber in Folge des Brechens des Fockstag und der herrschenden Dunkelheit. Der Ever gerieth vielmehr eben unterhalb des Eitzenlochs in die Brandung und blieb dort festsitzen. Obwohl die Lage des Evers schon zu dieser Zeit eine hoffnungslose war, wollte Schiffer Ralfs sein Fahrzeug doch noch nicht verlassen und kehrte die Mannschaft des »Neptun« allein zu ihrem Fahrzeug zurück. In der Nacht
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Ever Dorothea.
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verlor dann der Ever, über den die See fortwährend wegbrach, sein Ruder und ein Schwert und musste die Besatzung, welche neben dem Schiffer aus einem in Rendsburg angenommenen 17jährigen Bestmann bestand, ihr Fahrzeug am Morgen des IB. März in dem abermals an den Ever zur Hülfeleistung herangekommenen Boote des »Neptun« verlassen. In der folgenden Nacht zum 14. März ist dann der Ever nochmals flott geworden und darauf gesunken. Die vorstehende Schilderung des Unfalles ergiebt sich aus dem vom Schiffer Ralfs geführten Journal, der vor dem Amtsrichter in Ritzebüttel belegten Verklarung, den Aussagen der im Requisitionswege vernommenen, zur Besatzung des »Neptun« gehörig gewesenen Personen, welche bei dem Rettungswerk betheiligt waren, und den Aussagen der vom Seeamte zeugeneidlich vernommenen Schiffer Ralfs und seines Bestmanns. Aus der Beweisaufnahme bleibt noch hervorzuheben, dass der im Jahre 1855 erbaute Ever Classe B I beim Germanischen Lloyd hatte, nach dem übereinstimmenden Zeugniss des Schiffers und Bestmanns beim Verlassen Rendsburgs vollständig dicht war und bei einer Ladung im ungefähren Gewichte von 96000 S d. i. 47'/s tons dead weight, nach der glaubhaft erscheinenden Angabe des Schiffers, in der Mitte noch eine Auswässerung von ungefähr 6 " hatte, während Schiffer Ralfs auf früheren Reisen Ladungen in beträchtlich höherem Gewichte eingenommen zu haben bezeugt. Hiernach konnte das Seeamt eine Annahme dahin, dass der Ever auf seiner letzten Reise überladen oder seiner baulichen Beschaffenheit nach in seeuntüchtigem Zustande gewesen sei, nicht für gerechtfertigt halten, musste vielmehr mit dem Schiffer Ralfs davon ausgehen, dass der lecke Zustand des Evers in dem beim Einhieven des Steuerbordankers erfolgten Ausreissen der Klüse seine Ursache gehabt hat. Dass Schiffer Ralfs den Versuch, mit dem in dieser Weise leck gewordenen Fahrzeuge wieder in See zu gehen, um womöglich die Eider oder Jahde zu gewinnen, nicht gewagt hat, kann ihm zum Vorwurf nicht gereichen. Der Spruch des Seeamts konnte hiernach nur dahin lauten: dass der Untergang der »Dorothea« den Ereignissen der See, insbesondere dem zur Zeit des Unfalles herrschenden Oststurm zuzuschreiben ist, ohne dass die Besatzung des Evers in Bezug auf den Verlust ihres Fahrzeugs ein Vorwurf träfe.
Brigg Jean Paul.
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97. Spruch des Seeamts zu Königsberg vom 12. Mai 1880, betreffend den Seeunfall der Brigg „Jean Paul" von Barth. Schiff bei Rossitten (kurische Nehrung) gestrandet und wrack geworden. Mannschaft umgekommen.
Der Spruch des Seeamts lautet: dass der Seeunfall durch elementare Ereignisse (Umschlagen des Windes) verursacht worden sei, und dass nach Lage des Falles nicht hat festgestellt werden können, ob ausserdem noch andere Umstände (§. 4 ad 1 bis 4 des Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877) den Unfall und dessen Folgen herbeigeführt haben. G r ü n d e . Am 19. März 1880 strandete bei Rossitten ein Schiff, welches in kurzer Zeit von den Wellen vollständig zerschlagen wurde, die sämmtliche Mannschaft, augenscheinlich aus 5 Mann bestehend, ertrank vor den Augen des Strandvogts und der Hülfsmannschaft. Trotz der mit eigener Lebensgefahr angestrengten Versuche gelang es nicht, die Unglücklichen zu retten, wiewohl auch sämmtliche Apparate der von dem Verein zur Rettung Schiffbrüchiger in Rossitten angelegten Rettungsstation rechtzeitig in Funktion traten. Wegen der Eiswälle, welche längs dem Strande sich gebildet, war eine Bergung der nach Süden treibenden Ladung und Schiffstrümmer nicht möglich. Die Ladung bestand aus Kistenbrettern, und das Strandamt nahm an, dass das verunglückte Schiff die am 18. März 1880 aus Memel ausgegangene Brigg »Jean Paul« aus Barth, geführt vom Schiffer Bunck, gewesen sei. Diese Annahme hat sich durch die späteren Ermittelungen bestätigt. Unter den bei Sarkau, ungefähr drei Meilen südlich von Rossitten geborgenen, zweifellos von dem am 18. März gestrandeten Schiffe herrührenden Gegenständen befindet sich auch ein Kleidersack mit einem Paar alten Oelhosen, drei alten Jacken und sonstigen Kleidungsstücken, gezeichnet mit H. Stellmann — Memel. Auf der Brigg »Jean Paul« war als Steuermann Edwin Stellmann aus Memel am 18. März mit ausgegangen. Auch ein Brett, mit dem eingeschnittenen Namen A. Stellmann, anscheinend von einer Matrosenkiste herrührend, wurde bei Rossitten angespült. Ebendaselbst sind demnächst einige Tage nach der Strandung die Leichen
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Brigg Jean Paul.
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zweier Matrosen angespült worden, die eine derselben war bekleidet mit einem blauen Wollhemde, gezeichnet Lemtis; der Arm der andern war mit einem Herz, in dem die Buchstaben A. S., sowie die Jahreszahl 1861 eingezeichnet sind und mit einem Anker tätovirt, die Leichen sind als die des Halbmannes J. Lemtis aus Bommelsvitte und des Matrosen August Schlobies aus Bommelsvitte erkannt worden, welche Personen nach der Musterrolle zu der mit dem »Jean Paul« ausgegangenen Mannschaft gehört haben. Endlich ist auch das Schiffscertificat des »Jean Paul« nachträglich an den Strand gespült und aufgefunden worden. Diese Ermittelungen werden, sofern sie noch einen Zweifel an der Identität des gestrandeten Schiffes mit der, am 18. März 1880 von Memel ausgegangenen Brigg »Jean Paul« aus Barth aufkommen lassen, dadurch bestätigt, dass die Ladung des gestrandeten Schiffes mit derjenigen des »Jean Paul« übereinstimmt, welche aus, nach New-Castle zur Verarbeitung als Heringstonnen bestimmten Brettern bestanden hat, und dass über den Verbleib des »Jean Paul« und der Mannschaft desselben nach ihrem Ausgange von Memel nichts weiter zu erfahren gewesen ist. Der Correspondent des Schiffers Bunck zu Barth, Schiffer und Kaufmann Sodemann sowohl, als auch die zu Potsdam wohnhafte Ehefrau des Schiffers Bunck haben keinerlei Nachrichten weiter von demselben erhalten, die letztere, nachdem ihr am 18. März 1880 ihr Ehemann angezeigt hatte, dass er am folgenden Tage in See gehen werde. Die Brigg »Jean Paul« war im Jahre 1839 zu Dammgarten aus Eichenholz in Kravel-Art mit plattem Gatt und Deck gebaut, auf welchem letzteren sich das Volkslogis befand, ohne Metallhaut, hatte eine Länge von 28,33 m, Breite von 7,70 m, Tiefe von 4,35 m und einen Netto-Raumgehalt von 641,8 cbm oder 226,56 britischen Register-Tons. Dieselbe war Alleineigenthum seines Führers, des Schiffers Johann Friedrich Bunck aus Barth, welcher das Schiff im Jahre 1874 in öffentlicher Licitation von der bisherigen Rhederei für 4 525 erstanden und zu der unter Aufsicht des Schiffsversicherungs-Vereins zu Barth bewirkten Reparatur des Schiffes im Jahre 1875 zwischen 2 500 und 3000*$ aufgewendet hat. Das Schiff war bis zum Betrage von 12 000 it. bei dem Schiffsversicherungs-Verein zu Barth versichert. Die Ladung, von Mason Smith & Co. in Memel abgeladen, war — so viel ermittelt — mit 550 £ , der Frachtvorschuss mit 120 £ in London, der Rest der Fracht in Copenhagen versichert.
Brigg Jean Paul.
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Ueber die Classification des Schiffes ist nichts festgestellt; ebenso wenig hat über den Zustand des Schiffes unmittelbar vor seinem Ausgange aus Memel, sowie über etwaige Mängel bei der Beladung etwas ermittelt werden können. Die Mannschaft bestand ausser den schon Genannten aus dem Zimmermann Gustav Szimetat aus Schmelz, dem Koch Robert Kochelberg aus Memel, dem Jungmann Ausas Schlolis und dem Matrosen Hermann Ilian aus Memel. Das vorstehende Sachverhältniss — soweit dasselbe bei dem Tode des Schiffers und der gesammten Mannschaft hat festgestellt werden können — beruht auf den Berichten der Strandbehörden zu Memel, Rossitten und Sarkau, der Auskunft des Correspondenten Sodemann in Barth, der Ehefrau des verunglückten Schiffers Bunck und den Auszügen aus Musterrolle und Schiffsregister. Als die Ursache des Seeunfalles hat das Seeamt bei dem Mangel jeden Anhaltes für die Mitwirkung anderer Umstände, nur die Gefahren der See annehmen können. Nach dem Witterungs-Journal des Königlichen Seelootsen-Bureaus zu Memel herrschte am Morgen des 18. März und bis zur sechsten Abendstunde klares Wetter bei nordöstlicher Windrichtung. Erst am Nachmittage um 3 Uhr ging der Wind nach Nordwesten herum, und um 6 Uhr Abends bedeckte sich der Himmel mit Wolken. Auch am 19. März blieb die Windrichtung vorherrschend westlich, und ging — Morgens mit WzN beginnend — allmählich bis zu Nord herum. Dabei verstärkte sich der Wind vom Morgen des 18. bis zum Morgen des 19. zum Sturm. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Schiffer, durch die günstige Windrichtung und das klare Wetter bewogen, schon am 18. März auszugehen, obwohl er nach dem am 18. März an seine Frau geschriebenen Briefe erst am folgenden Tage auszugehen beabsichtigte, der Wind schlug dann plötzlich nach Nordwesten, beziehungsweise Westen um, der — bei der Formation der Küste der kurischen Nehrung, welcher das Schiff noch ganz nahe sein musste — denkbar ungünstigsten Windrichtung. Offenbar hat Schiffer Bunck die Küste nicht freizusegeln vermocht. Ob die Manövrirfähigkeit seines Schiffes schon vor der Strandung durch irgend eine Beschädigung Einbusse gelitten, ist — da Niemand von der Mannschaft hat vernommen werden können — nicht aufgeklärt. Bei dem herrschenden Sturme und hohen Seegang würde eine solche Beschädigung noch keineswegs für die Seeuntüchtigkeit des allerdings schon alten Schiffes sprechen.
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Kuff Eisina.
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Auch im Uebrigen fehlt es bei dieser Sachlage an irgend welchen Anhaltspunkten darüber, ob Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung oder Beladung des Schiffes, oder gar Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder Steuermanns den Unfall verschuldet haben. Dass die Rettungsanstalten, welche übrigens in Rossitten zum überwiegenden Theile private, von dem Deutschen Verein zur Rettung Schiffbrüchiger beschaffte sind, in ihrer Ausrüstung Mängel gezeigt, oder die zur Handhabung derselben bestellten Personen, beziehungsweise die Strandbehörden (der Strandvogt), durch Handlungen oder Unterlassungen den Tod der Mannschaft mit herbeigeführt haben, kann nach den vorliegenden Berichten nicht angenommen werden. Zur näheren Prüfung fehlt es, da keiner von der betheiligten Mannschaft am Leben geblieben, an Beweismitteln. Uebrigens ist der Strandungsfall auch in dem hiesigen Verein zur Rettung Schiffbrüchiger kürzlich zur Erörterung gezogen, und auch da keinerlei Einwand gegen die Tüchtigkeit der RettungsAnstalten und der sie bedienenden Personen erhoben worden. Es muss deshalb angenommen werden, dass der am 19. März 1880 herrschende Sturm und hohe Seegang, sowie vor Allem die dem Strande bei Rossitten damals noch vorgelagerten Eiswälle das Rettungswerk unmöglich gemacht haben.
98. Spruch des Seeamts zu Emden vom 15. Mai 1880, betreffend den Seeunfall der Kuff „Eisina" von Warsingsfehn. Schiff in der Nordsee in Folge eines Lecks von der Mannschaft verlassen und gesunken.
Der Spruch des Seeamts lautet: Der Verlust der Kuff »Eisina« — KFGW — von Warsingsfehn ist auf die am 1. April 1880 und an den folgenden Tagen herrschende stürmische Witterung und hohen Seegang zurückzuführen. T h a t b e s t a n d . Die zu Warsingsfehn heimathberechtigt gewesene Kuff »Eisina« — KFGW — ist am 7. April 1880 in der Nordsee von der Mannschaft in sinkendem Zustande verlassen.
Kuff Eisina.
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Ausweislich der Acten zum amtlichen Schiffsregister war die »Eisina« im Jahre 1862 zu Groningen erbaut, im Jahre 1872 aber von dem Schiffer Harm Hinrichs de Freese zu Warsingsfehn käuflich erworben und seitdem von dessen Sohne, dem Schiffer Harm Harms de Freese daselbst, welcher selbst mit V 77-
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Seite
1880 I der deutschen Bark »Die Schwalbe« von Rostock und des britischen Dampfschiffes »Glenavon« 472 die Seeunfälle der (des): deutschen Brigg »Thetis« von Elsfleth. . . . 479 » » Kuff »Harmonie« . . . . » Grossefehn. . 483 » j> Schooners » A l w i n a « . . . » Stralsund. . . 486 » Schooners »August & Marie« von Barth . . 487 » » Schaluppe »Caroline« . . von Barth 488 J> » Schooners »Concordia« . » Stralsund. . . 490 » » Brigg »Idalia« » Stralsund. . . 491 » » Schraubendampfers »Astronom« von Hamburg 492 > » Schoonerbrigg »HenrietteBurchard« v. Rostock 505 » » Schoonerbrigg »Catharina« von Blankenese. 5 1 1 den Zusammenstoss des deutschen Vollschiffes »Union« von Hamburg und »
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betreffend den Zusammenstoss
vom:
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des britischen Dampfschiffes »Sandsend« 5'2 die Seeimfalle der (des): deutschen Schoonerbrigg »Inca« . . von Elsfleth. . . . 523 » Brigg »Henriette«. . . . » Papenburg . . 5 2 7 » Schooners »Brillant« . . » Blankenese. . 531 j Schooners »Catharina« . » Blankenese. . 536 » Brigg »Albert Fesca« . . » Wolgast . . . 539 » Schooners »Adolph« . . » Barth . . . . 546 » Schooners »Levinus« . . » Cranz . . . . 548 » Schooners »Catharina« . » Jheringsfehn . 549
Verlag von L. Friederichsen & Co. in Hamburg. Entscheidungen des Ober-Seeamts und d e r S e e ä m t e r des Deutschen Reichs. Herausgegeben im Reichsamt d e s Innern. Band I, 1879—80 (5 Hefte nebst Beilage enthaltend:
Sach- und sonstige Register zu den im ersten Bande
veröffentlichten Entscheidungen)
«Mi. 11,85.
Preise der einzelnen Hefte:
Erster Band: Heft I JH. 1,50, I I JH.2,10, III JH.2,75, I V JH.2,40, V JH.2,50, Beilage JH. 0,60. Drei Weltkarten gleicher
Zweiter Band: Heft I JH. 2,75, II JH.2,10.
in Merkator's Projektion zur Yeranschaulichung d e r Linien
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Variation,
gleicher
magnetischer
gleicher magnetischer Horizontal-Intensität 1880. Deutschen Seewarte.
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und
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Verträge und Uebereinkünfte des Deutschen Reichs mit den Samoa-Inseln und anderen unabhängigen Inselgruppen der Südsee nebst 7 Karten, erläuternder Denkschrift mit begleitenden Aktenstücken des Auswärtigen Amts, Berichten und Aeusserungen deutscher, englischer und amerikanischer Autoritäten über die Bedeutung der Südsee-Inseln für den Welthandel. Dem Bundesrath und dem Reichstag im Mai/Juni 1879 vorgelegt. wärtigen Amts herausgegeben 1879.
Mit Genehmigung des Aus-
JH. 12.
Die ethnographisch-anthropologische Abtheilung d e s Museum GodefTroy. Beitrag
zur Kunde
der
Südsee-Völker.
Von J. D. E. Schmeltz
Ein und
Dr. med. R. Krause. 8°, 687 Seiten, mit 46 Tafeln und einer ethnologischen Karte des Grossen Oceans.
1881.
JH. 25.
Schiffsmodelle zur Veranschaulichung von Kollisionsfallen und des Strassenr e c h t s auf See. Die Einführung
der
Jakob Ahlers.
JH. 35. York 1878.
and
Antwerp
Rules of General
Ueberseeische
1878. Politik,
Von
JH. 3.
Schiffs- und Flaggenkarte, gezeichnet von C. F. Steinhaus, 2. Auflage.
Average.
Marine-Ingenieur.
JH. 7,50. eine culturwissenschaftliche
von Hübbe-Schl6iden, D. J. U.
1881.
Studie mit
Zahlenbildern,
JH. 5.
Ethiopien, Studien über West-Afrika, mit einer neu entworfenen Specialkarte des Handelsgebiets von West-Aequatorial-Afrika. 1879.
JH. 10.
Von Hübbe-Schleiden, D. J. U.