Elbtal und Lösshügelland bei Meissen: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Hirschstein und Meissen [Reprint 2021 ed.] 9783112531143, 9783112531136


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German Pages 274 [281] Year 1980

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Elbtal und Lösshügelland bei Meissen: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Hirschstein und Meissen [Reprint 2021 ed.]
 9783112531143, 9783112531136

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ELBTAL UND LÖSSHÜGELLAND BEI

MEISSEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE UND ARBEITSGRUPPE

DDR

GEOÖKOLOGIE

HEIMATFORSCHUNG

WERTE U N S E R E R HEIMAT Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deutschen Demokratischen Republik

Band 32

ELBTAL U N D LÖSSHÜGELLAND BEI MEISSEN Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Hirschstein und Meißen

Mit 38 A b b i l d u n g e n , 16 K u n s t d r u c k t a f e l n , 1 Ü b e r s i c h t s k a r t e

'Krögis

1979

AKADEMIE-VERLAG

• BERLIN

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats für Heimatforschung des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der D D R Prof. Dr. Dr. eh. E d g a r Lehmann, Leipzig (Geographie, Vorsitzender), Prof. Dr. Heinz Lüdemann, Leipzig (Geographie, Direktor des Instituts), Prof. Dr. Ludwig Bauer, Halle (Geographie, Naturschutz), Dr. habil. Karlheinz Blaschke, Dresden (Geschichte), Dr. sc. Werner Coblenz, Dresden (Ur- und Frühgeschichte), Prof. Dr. Ernst Ehwald, Eberswalde (Bodenkunde), Prof. Dr. Edgar Lehmann, Berlin (Kunstgeschichte), Prof. Dr. Hermann Meusel, Halle (Botanik), Prof. Dr. Günter Möbus, Greifswald (Geologie), Prof. Dr. Hans Nadler, Dresden (Denkmalpflege), Prof. Dr. Ernst Neef, Dresden (Geographie), Prof. Dr. Werner Radig, Berlin (Hausforschung), Dr. sc. Rudolf Weinhold, Dresden (Volkskunde), Dr. Dietrich Zühlke, Dresden (Geographie)

Leitung der wissenschaftlichen Bearbeitung und Redaktion: Dr. Dietrich Zühlke, Akademie der Wissenschaften der D D R , Institut für Geographie und Geoökologie, Arbeitsgruppe Heimatforschung. 801 Dresden, Augustusstraße 2

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3 — 4 © Akademie-Verlag Berlin 1979 Lizenznummer: 202 • 100/122/79 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 753 338 1 (2084/32) • L S V 5235 • P 252/77 Printed in G D R D D R 12,50 M

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

VII

Mitarbeiterverzeichnis . . .

IX

Verzeichnis der Suchpunkte . . .

XI

Überschau

l

Einzeldarstellung .

27

Anhang A. Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert

. . . 201

B. Historische Daten der Städte und Gemeinden . . C. Übersicht über die Gemeinden und Ortsteile

. . . . 215

D. Literaturverzeichnis E. Abbildungsverzeichnis F. Namenverzeichnis G. Sachverzeichnis

. 206

217 . . . .

229 . 231 238

VORWORT Der vorliegende Band der Reihe Werte unserer Heimat erschließt das Gebiet zwischen dem des Bandes 22 (Lößnitz und Moritzburger Teichlandschaft) und dem des Bandes 30 (Um Oschatz und Riesa). In ihm sind die Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme enthalten, die für das Meßtischblatt Meißen aus der Feder des 1964 verstorbenen Heimatforschers Dr. Martin Thielemann vorliegen und 1975 an Ort und Stelle überprüft wurden. Mitarbeiter einer Reihe von natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Institutionen haben bestimmte Sachgebiete ergänzt. Die Stadt Meißen erfuhr eine Neubearbeitung durch mehrere Fach- und Sachkenner. Den Beschreibungen des Meßtischblattes Hirschstein liegt eine völlige Neuaufnahme zugrunde. Die Arbeiten erfuhren mannigfache Unterstützung durch die Räte der Gemeinden sowie durch Leitungen von Betrieben, Genossenschaften und staatlichen Einrichtungen. Besondere Erwähnung verdienen die umfassenden Auskünfte der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und der kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion. Wertvolle Hinweise gaben uns ortsansässige Heimatforscher und -freunde. Ergänzungen zur Regionalgeschichte erhielten wir von Herrn Dr. Hans Brichzin, Staatsarchiv Dresden, sowie zur Kunstgeschichte von Frau Dr. Brunhild Gonschor, Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden. Der Mühe einer Enddurchsicht unterzogen sich Herr Prof. Dr. Ernst Neef, Leiter der Arbeitsgruppe Naturhaushalt und Gebietscharakter der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, und Herr Dr. sc. Rudolf Weinhold, Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der D D R , Wissenschaftsbereich Kulturgeschichte/Volkskunde. Beiden Herren verdanken wir zahlreiche Einzelhinweise, die zur Bereicherung des Inhaltes beitrugen. In Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Neef wurde außerdem versucht, brauchbare und ansprechende Proportionen zwischen den üblichen und unentbehrlichen Ordnungsprinzipien des Gesamtwerkes und der Eigenart der Siedlungsausstattung eines Agrargebietes zu finden. Allen am Zustandekommen des Bandes Beteiligten sei ein herzlicher Dank ausgesprochen. Prof. Dr. H. Lüdemann

Prof. Dr. Dr. eh. E. Lehmann

Dr. D. Zühlke

VII

MITARBEITERVERZEICHNIS Dr. Dieter Beeger, Staatliches Museum für Mineralogie und Geologie Dresden (Geologie) Dr. Hans Brichzin, Staatsarchiv Dresden (Historischer Abschnitt Überschau und Meißen, Abschnitt M 8.4) Dr. sc. Werner Coblenz, Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden (Ur- und Frühgeschichte) Gerhard Ebeling, 8030 Dresden, Richard-Rösch-Straße 27 (Kunstgeschichte Kreis und Stadtteile Meißen sowie Kreis Großenhain) Dr. Peter Findeisen (Afrakirche Meißen), Dr. Brunhild Gonschor (Albrechtsburg Meißen), Dr. Hans-Joachim Krause (Dom Meißen), Institut für Denkmalpflege Dr. Werner Hempel, Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der D D R , Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Zweigstelle Dresden (Botanik Überschau und Mbl. Meißen) Tilo Jobst, 8403 Nünchritz, Karl-Marx-Straße 7 (Botanik Mbl. Hirschstein) Fritz Junge, 8401 Leutewitz, Riesaer Straße 9 (Kunstgeschichte Kreis Riesa) Dr. sc. Bernhard Klausnitzer, Technische Universität Dresden, Sektion Forstwissenschaften (Zoologie: Insekten, Mollusken) Rolf Mäser, 8251 Polenz (Zoologie: Vögel, Wild) Helmut Reibig, Stadtarchiv Meißen (Stadt Meißen) Dr. Werner Schmidt, Arbeitsgruppe Heimatforschung Dresden (physische Geographie; ökonomisch-geographische Beiträge Mbl. Meißen; Ortsbeschreibungen Mbl. Hirschstein) Dr. Martin Thielemann f , Meißen (Mbl. Meißen: historische Ortsbeschreibungen, Beiträge zu Geologie und Botanik) Dr. sc. Hans Walther, Leipziger Namenkundliche Arbeitsgruppe der Karl-MarxUniversität (Ortsnamenerklärungen) örtliche Gewährsleute: Gerhard Langer (Nünchritz), Curt Leber (Merschwitz und Ortsteile), K u r t Schöne (Diera und Ortsteile) Redaktionsmitarbeit: Dr. Werner Schmidt Manuskript zu diesem Band abgeschlossen am 31. 8. 1976

IX

VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE Die N u m m e r n entsprechen denen am R a n d e des Textes sowie denen auf der Übersichtskarte 1 Leutewitz 2 Heyda

• .

27 28

• • • • . . • • • •

29 34 34 36 39 4° 41 41

• • • •

42 43 44 45

• • • . . . . •

46 47 47 49

l Althirschstein • 2 Neuhirschstein • 3 Naundorf • 4 Niederlommatzsch . . . • 5 Merschwitz • 6 Neuseußlitz • 7 Seußlitz • 8 Diesbar . Q NSG Seußlitzer Grund • 10 Böser Bruder • n Goldkuppe . 1 ?, Bohntal •

49 50 52 53 54 56 57 62 63 65 66 67

Elbtal 2 Schänitz Boritz 4 Nünchritz 5 Leckwitzer Schanze 6 Leckwitz 7 Naundörfchen 8 Göltzscha l 2 3 4

Weißig Skassa Medessen Strießen

l 2 3 4

Bahra Kobeln Sieglitz Oberlommatzsch

l 2 3 4 5 6 7

Scheibe Ritzschge Zottewitz Blattersleben Blatterslebener Grund Laubach Kmehlen

. . . . • • •

68 68 68 69 7o 7i 7i

1 2 3 4 H 1 2 3 4 5 6 7 8 q 10 11

Wölkisch Obermuschütz . . . . • Tummeisberg . . . . • Zscheilitz .

1 2 3 4 K 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zeisigberg NSG Winzerwiese Naundörfel Diera

G

I

L

1 2 3 4 5 6 7 8 9

• • • .

74 75 75 76

Göhrisch • • Göhrischberg . . . . • • Eckardsberg . . Burgberg . . Niedermuschütz . . . . . Zehren . . Gosebachtal . . Golk • • Nieschütz . . Löbsal • • Golkwald

77 77 80 80 81 82 84 85 86 87 88 89 89 91 91

. . . . . . . .

Daubnitz • • 93 Wachtnitz • • 94 Prositz . . 96 Piskowitz • • 97 Ketzerbachtal . . . . . . 98 Schieritz . . 101 Pröda . . 102 Kagen • • 103 Mettelwitz • • 103 Pinzchenberg . . . . . . 104 Karpfenschenke . . . . . Dragonerberg . . . . . . Seilitz . . Keilbusch . . Seebschütz . . Jahnabachtal . . . . . . Jesseritz . . Niederjahna . .

106 108 108 109 110 111 111 112

XI

M

1 Rottewitz 113 2 Winkwitz 114 3 Proschwitz 114 4 Knorre 115 5 Heiliger Grund 116 6 Riesensteingranitbruch . . 116 7 Zscheila 117 8 Meißen 118 8.1 Lage 118 8.2 Entstehung der Burg und Mark Meißen 121 8.3 Anfänge der Stadt und geschichtliche Entwicklung 122 8.4 Meißen als regionales Herrschafts- und lokales Verwaltungszentrum. . . 126 8.5 Baudenkmale 129 8.6 Staatliche Porzellanmanufaktur und Industriegründungen 140 8.7 Arbeiterbewegung und antifaschistischer Widerstandskampf 142 8.8 Die Stadt nach dem zweiten Weltkrieg 145 9 Klosterhäuser 149 10 Meisatal . . 150 11 Gasern 152

N

1 2 3 4 5 6 7 8

Käbschütz Sornitz Planitz-Deila Leutewitz Nimtitz Kaisitz Löbschütz Tal des Käbschützer Baches

153 153 154 156 156 157 157 158

O

1 2 3 4 5

Mohlis Oberjahna Schletta Mehren Löthain

159 160 161 162 163

XII

O

6 Dobritz 7 Garsebacher Schweiz

164 . . . 165

P

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Cölln Niederspaar Questenberg Korbitz Lercha Siebeneichen Hohe Eifer Götterfelsen Buschbad Zuckerhut Spittewitzer Diebskeller. Bockwen Bockwener Delle Rehbocktal

Q

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Leippen Porschnitz Mauna Görna Nössige . Barnitz Krögis Soppen Zetta Schrebitz Höllbachtal Wuhsen

R

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Garsebach Robschütz Jokischberg Kleines Triebischtal Sönitz Piskowitz Triebischtal Miltitz Roitzschen

S

1 2 3 4

Polenz Polenzer Linden Riemsdorf Ullendorf

165 166 167 167 168 168 170 171 171 172 . 173 174 175 176 177 178 178 179 180 180 181 183 183 184 185 185 185 186 188 . . 188 189 190 190 193 195 196 197 197 198

Überschau Nähert man sich Meißen von Dresden her auf der Elbe oder auf einer der beiden Uferstraßen, so erblickt man als erstes das Spaargebirge, ein Felsmassiv, dessen Fluren und verstreute Anwesen zur nahen Stadt gehören. Etwas abwärts erhebt sich schräg gegenüber, und zwar hinter den 2 Elbbrücken, der völlig von Gebäuden bedeckte Burgberg, von den Türmen des Doms und dem Bischofsturm überragt. Auf dieser Erhebung unmittelbar an der Elbe ist der historische Ausgangspunkt von Meißen (s. M 8.2) zu suchen, dessen älteste Teile sich zwischen dem Bergabhang und der Triebisch hinziehen. An der Stadtgrenze des nicht zuletzt wegen seiner Porzellanmanufaktur (s. M 8.6) besuchten Touristenziels Meißen schließen sich nach allen Himmelsrichtungen Agrarräume an, die durch an der Oberfläche wasserlose Hohlformen bzw. Täler gegliedert sind. Ihr hügeliges Gelände geht nach Norden im Raum Nünchritz — Skassa in das Nordsächsische Tiefland über. Dieser Wechsel gibt sich vor allem in den natürlichen Bauelementen der Landschaft zu erkennen. Bestimmendes Merkmal ist der allmähliche Abfall des Grundgebirgssockels von Süden nach Norden, der sich in folgenden Geländehöhen widerspiegelt: Soppen 197 m, Dragonerberg 156 m, Elbaue bei Nünchritz 98 m. Die Gesteine gehören überwiegend dem Meißner Syenodiorit-Granit-Massiv an und treten in verschiedenen Varietäten auf (s. Seite 6). Dem Massiv aufgelagert und an mehreren, meist tektonisch vorgezeichneten Stellen und Leitlinien erhalten sind Reste geologisch jüngerer Buntsandsteine (s. G 3), Porphyre (s. H 2) und Gesteine aus der Kreidezeit (s. M 7). Den nördlichen Rahmen des Massivs bilden Gneise (s. B 1) zwischen Großenhain, Skassa und Merschwitz. Sie reichen mancherorts bis zur Oberfläche und liegen auch in Form kleinerer Schollen vor, wie am Timshübel bei MeißenCölln, die aus dem tiefen Untergrund mit den granitischen Schmelzen hochgerissen wurden. Nach Süden und Südwesten schließen sich an das Granitmassiv paläozoische Gesteine an (s. Seite 8), die das Nossen —Wilsdruffer Schiefergebirge aufbauen. Über allen Gesteinen breiten sich lockere Ablagerungen aus den pleistozänen Kaltzeiten aus, und zwar in Form von End- (s. H 3) und Grundmoränen sowie von Bändertonen (s. E 1) und Schmelzwasserablagerungen (s. H 7). Flächenmäßig übertroffen werden diese Areale allerdings von den jungpleistozänen Decken. Ihr räumlich unterschiedlich feinkörniges Material entstammt überwiegend vegetationsarmen bis -freien Schmelzwassersanden und wurde durch den Wind abgelagert. J e nach den natürlichen Bedingungen — Relief des Ablagerungsraumes, Entfernung zwischen Aus- und Aufwehungsgebiet, Korngröße — kann man eine Abfolge von Treibsand, lehmigem Treibsand, Sandlöß, Lößlehm und Löß bemerken. Die Dek1

ken aus Löß (s. Seite 6; H 4) und seinen Abarten bilden die Grundlage einer über weite Strecken zu verfolgenden geschlossenen Gefildezone im Mittelgebirgsvorland, deren agrarische Nutzung vielerorts bis in die urgeschichtliche Zeit zurückreicht (s. Seite 13). In das Hügelland hat sich zwischen Meißen und Leckwitz die Elbe etwa 90 m bis 10 m tief eingeschnitten (s. B 1), wodurch der syenodioritisch-granitische Untergrund — verstärkt durch früheren Steinabbau — aufgeschlossen ist. Die eigentliche Talaue der Elbe beschränkt sich auf einen schmalen Saum zwischen Strom und Steilhängen, deren nach Süden gerichtete Partien zahlreiche wärme- und trockenheitsliebende Pflanzen und Tiere (s. Seite 12) beherbergen. Das von den Botanikern als Meißner Elbhügelland bezeichnete Gebiet gilt dank der Mühen von floristisch interessierten Heimatforschern als einer der am besten erkundeten Räume der sächsischen Bezirke. Hierbei ist vor allem auf die im Rahmen der heimatkundlichen Inventarisation schon um 1955 durchgeführten Erhebungen von Dr. M A R T I N T H I E L E M A N N , Meißen, hinzuweisen. Der floristische Reichtum der Landschaft lieferte die Grundlage für viele pflanzengeographische Arbeiten, deren erste bedeutende O S C A R D R U D E (1885, 1895) durchführte. Die Formenfülle von Rosen und Fingerkräutern veranlaßte A L F R E D M O R I T Z S C H L I M P E R T (1899) und T H E O D O R W O L F (1901) zu entsprechenden systematischen Studien. Die Gefildezone klingt in dem Bereich Nünchritz —Strießen aus, wo der sandige Anteil am Aufbau des Bodens sehr stark zunimmt und schließlich überwiegt. Auch östlich von Wantewitz (außerhalb des beschriebenen Gebietes) setzt das Gefilde aus, weil hier ältere Eisvorstöße weiter nach Süden reichten und ebenfalls sandiges Material vorherrscht. Gleichzeitig gewinnen die grundwassernahen Talauen an Bedeutung. Die unmittelbar angrenzenden, nur wenig höheren Terrassen gehören naturräumlich zwar zu den großen Tälern, besitzen aber im Unterschied zu den Auen trockene Standorte. Diese können ackerbaulich mit Erfolg nur bei gleichzeitiger Bewässerung, überwiegend aber als Kiefernforste genutzt werden. Die klimatischen Verhältnisse weisen entsprechend der geologisch-geomorphologischen Gliederung bedeutende Unterschiede zwischen der Elbniederung sowie dem Hügelland nördlich und südlich der Lößrand- oder Hügellandstufe (s. Seite 5) auf. Nach repräsentativen Klimawerten zählt der Raum zwischen der Großen Röder und der Kleinen Triebisch zu 2 verschiedenen großklimatischen Einheiten. Nördlich der genannten Stufe rechnet man mit durchschnittlichen Jahrestemperaturen von 8,7°C und Jahrestemperaturschwankungen von 18,4°, südlich mit Werten von 7,9°C und 18,1 °C. In dem trockenwarmen Klimabezirk Elbtal liegen diese Werte bei 8,9°C bzw. 18,7°C. Für die Kulturpflanzen wirken sich kaltluftgefährdete Bereiche, wie die Talsohlen (s. K 5), ungünstig aus, weil hier bei bestimmten Wetterlagen um 4°C niedrigere Temperaturen als auf den angrenzenden Hochflächen auftreten können ( K R A M E R 1971). Für frostempfindliche Kulturen ist der Eintritt des durchschnittlich letzten Frostes von Bedeutung. Während dieser Termin im Riesa—Torgauer Elbtal (etwa 100 m ü. NN) auf den 19. April fällt, liegt er in 180 m Höhe 5 Tage später ( H Ä R T E L 1928). Die mittleren Jahresniederschläge steigen von Norden nach Süden mit zunehmender Höhe an. Im Tieflandbereich liegen die Werte zwischen 570 und 590 mm, auf 2

den anschließenden Moränenplatten, im Eibtal und im LöUhügeiiand nördlich des Ketzerbachtales zwischen 600 und 620 mm. In Höhenlagen um 200 m erreicht die Niederschlagsmenge etwa 620 bis 650 mm, im Gebiet der Raußlitz —Soppener Stufe (Abb. 1) sogar 750 mm. Die abweichenden Niederschlagsverhältnisse zwischen dem' Elbtal, dem Oschatzer Hügelland und dem südwestlichen Bereich des Großenhainer Landes einesteils und den übrigen Gebieten anderenteils zeigen sich auch in der Häufigkeit von trockenen (unter 40 mm Niederschlag) und sehr trokkenen (unter 20 mm) gegenüber feuchten Monaten im Jahr. Gilt für die zuerst genannten Landschaften ein Wert von etwa 56 % , so liegt er bei den anderen bei ungefähr 48 % ( H A A S E , J. U. G. 1965). L a n d s c h a f t e n (Abb. 1) Das Nordsächsische Tiefland greift im Riesaer Raum weit nach Süden in das Hügelland ein. Als Bestandteil des E l b e — E l s t e r - T i e f l a n d e s (I) ragt der südlichste Zipfel des Riesa—Torgauer Elbtals (I a) bis Boritz —Merschwitz. Sein Naturraum umfaßt die Elbaue, die unterschiedlich breite Niederterrasse sowie Reste älterer, höher gelegener Terrassen. Die fast ausschließlich als Grünland genutzte, durch Überschwemmungen gefährdete Aue setzt sich in der oberen Bodenschicht aus sandigem Lehm zusammen, in dem braune Aueböden entstanden. Der Grundwasserspiegel beeinflußt die Bodentypenbildung kaum, da er im allgemeinen tiefer als 2 m liegt, auf der Niederterrasse sogar bis 10 m Tiefe erreicht ( H Ä R T E L 1928). Die Niederterrasse bleibt seit den Elberegulierungen (s. B 1) hochwasserfrei. Die Elbaue zeigt heute kaum noch Reste einer natürlichen Vegetation, die sich ehemals aus Auewäldern, Schwemmland-, Ufer- und Altwassergesellschaften sowie unterhalb der markanten pflanzengeographischen Trennlinie zwischen Elbhügelund Elbtiefland bei Seußlitz —Niederlommatzsch aus Sandsteppen- und Sandlößsteppenvegetation zusammensetzte. Der starke Rückgang der Altwasserflora ist auf Regulierungsarbeiten zurückzuführen. Die Steindämme des Elbufers beherbergen eine eigene Flora, in der als Relikt der ehemaligen Schwemmlandvegetation gelegentlich noch der subatlantisch-submediterrane Hirschsprung (Corrigiola litoralis) auftritt. Überall häufig sind der Schnittlauch (Allium schoenoprasum) und verschiedene Kressenarten, so die elbbegleitende österreichische Kresse (Rorippa austriaca), und der Wiesenalant (Inula britannica). Als Rest der ehemaligen Sandsteppenvegetation fand die Frühe Segge (Carex praecox) vor allem im nördlichen Bereich zusagende Lebensbedingungen. Das Grünland der Elbaue besteht aus ertragreichen Fettwiesen, in denen die echten Wiesenpflanzen blaublühender Wiesenstorchschnabel (Ceranium pratense) sowie Wiesenpippau (Crepis biennis) und Bocksbart (Tragopogon pratense) — beide mit gelben Blüten — das Bild bestimmen. Den Artengrundstock bilden hochhalmige Gräser, vor allem Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis), Wiesenlieschgras (Phleum pratense) und Wiesenrispengras (Poa pratensis). Die typischen subkontinentalen Arten der Nassau (s. Bd. 22, Lößnitz, A 6) treten im Bearbeitungsgebiet nur selten auf, bedeutsamer Fundort ist die Winzerwiese (s. J 2).

3

4

A n das Riesa — T o r g a u e r E l b t a l schließt sich nach Süden das E l b d u r c h b r u c h s t a l (I b) bis Meißen an. E s schiebt sich zwischen das Mittelsächsische L ö ß g e b i e t im W e s t e n und das Großenhainer L a n d im Osten und trennt diese ihrer n a t u r r ä u m lichen A u s s t a t t u n g n a c h weitgehend zusammengehörenden R ä u m e . Die E l b a u e weist eine Breite v o n 200 bis 600 m auf. Die steilen T a l h ä n g e (s. L 2) sind durch den Steinabbau, durch terrassenförmige W e i n k u l t u r e n (s. M 5) und durch W a l d n u t z u n g stark verändert worden. Die H ä n g e und die A u e bieten der P f l a n z e n und Tierwelt recht unterschiedliche Lebensbedingungen. Stehende Gewässer gibt es zwischen Meißen und N ü n c h r i t z nur sehr wenige. A r t e n der Stillgewässerverlandung mit Schilfröhrichten und Kleinseggenrasen befinden sich nur a m L e c k w i t z e r Teich m i t bemerkenswerten V o r k o m m e n des subkontinentalen G n a d e n k r a u t e s (Gratiola officinalis) und des subatlantischen Wassernabels (Hydrocotyle vulgaris). Zwischen dem Riesa — T o r g a u e r E l b t a l und dem nach Südwesten anschließenden O s c h a t z e r H ü g e l l a n d (II) markiert ein schmaler Geländeanstieg die Grenze. Diese fällt e t w a m i t der 110-m-Höhenlinie zusammen, ihre E n t s t e h u n g wird auf die E i n t i e f u n g der E l b e seit der Saalekaltzeit z u r ü c k g e f ü h r t (s. B 1). D a s Hügelland reicht m i t der Hirschstein — P r a u s i t z e r Moränenplatte bis zur Elbe. In der Saalekaltzeit h a t das Inlandeis seine Spuren in F o r m v o n E n d m o r ä n e n (s. H 3) und nördlich d a v o n v o n Bändertonen und Grundmoränen (s. E 1) hinterlassen. Die mächtigen, stellenweise ausgewaschenen Moränen treten bis nahe unter die Oberfläche, w o ihr grobes Filtergerüst den jahreszeitlichen A b l a u f des Bodenwasserhaushaltes f ü r die N u t z p f l a n z e n recht negativ beeinflußt. Diesen Nachteil gleicht die D e c k s c h i c h t aus 0,5 bis 1,5 m m ä c h t i g e m Sandlöß nur geringfügig aus, d a ihr Wasserhaltevermögen bedeutend unter dem des Lösses liegt. Gleichzeitig werden aus dem oberen Horizont die tonigen Bestandteile ausgewaschen, so d a ß sich ein fahlbrauner Horizont bildet. Diesen Prozeß bezeichnet der B o d e n k u n d l e r als Lessivierung, den B o d e n t y p als Fahlerde oder Lessivé. V o m Oschatzer Hügelland gelangt m a n nach Süden in das M i t t e l s ä c h s i s c h e L ö ß g e b i e t (III), das im Osten v o m E l b t a l begrenzt wird. Zwischen beiden N a t u r r ä u m e n erstreckt sich die L ö ß r a n d s t u f e , ein 20 bis 30 m hoher Geländeabsatz, der, v o n W e s t e n k o m m e n d , bei Althirschstein die E l b e erreicht und sich in östlicher R i c h t u n g bis Strießen fortsetzt. W i e in W e s t - und Mittelsachsen zieht die Grenze keine Ä n d e r u n g der L a n d n u t z u n g nach sich; denn der A c k e r b a u dominiert sowohl A b b . 1. Naturräumliche Gliederung (nach BILLWITZ, HAASE 1964; HAASE, RICHTER 1965; KRAMER I

Elbtal a Riesa—Torgauer Elbtal b Elbaue und Niederterrasse zwischen Meißen und Seußlitz

II Oschatzer Hügelland Hirschstein—Prausitzer Moränenplatte III Mittelsächsisches Lößgebiet a Lommatzsch — Meißner Lößhügelland b Elbtalrand 2

Elbtal

1971)

c Raußlitz—Soppener Stufe d Naustädter Lößlehmplateau e Spaargebirge IV a b c d

Großenhainer Land Colmnitzer Schotterplatte Leckwitz—Priestewitzer Moränenplatte Kmehlen—Wantewitzer Lößschwelle Diera — Gröberner Moränenplatte

5

im Oschatzer H ü g e l l a n d als a u c h im Mittelsächsischen L ö ß g e b i e t . Die Hiigellandoder L ö ß r a n d s t u f e bildete sich in mehreren zeitlichen A b s c h n i t t e n heraus (s. B d . 30, Oschatz, R 8 ) und t r e n n t überwiegend pleistozäne Moränen und Sandlösse v o n L ö ß und L ö ß l e h m . E i n e Besonderheit bildet das Spaargebirge o s t w ä r t s der Elbe, das — mit gewissen E i n s c h r ä n k u n g e n — ebenfalls dem Mittelsächsischen L ö ß g e b i e t z u z u o r d n e n ist. O s t w ä r t s der E l b e s e t z t sich die L ö ß b e d e c k u n g fort, allerdings m i t w e i t geringerer A u s d e h n u n g und v e r ä n d e r t e n A n t e i l e n der sandigen Bestandteile. D i e B r e i t e des L ö ß g e b i e t e s erreicht westlich v o n Meißen ungefähr 15 k m . D e r d a s Grundgestein verhüllende L ö ß (s. H 4) k a n n m a x i m a l 15 m m ä c h t i g a u f g e w e h t vorliegen. B e i der W i n d v e r f r a c h t u n g während der W e i c h s e l k a l t z e i t k a m es zu einer Differenzierung innerhalb des Lösses, die v o n den K o r n g r ö ß e n des A u s g a n g s m a t e r i a l s und v o n den E n t s t e h u n g s b e d i n g u n g e n abhing. D e s h a l b spricht der F a c h m a n n außer v o n N o r m a l l ö ß a u c h v o n T o n - und Sandlöß. E i n t y p i s c h e s M e r k m a l des unverwitterten Lösses ist sein K a l k g e h a l t , dessen A n t e i l j e d o c h j e n a c h dem Ausblasungsareal erheblich s c h w a n k e n k a n n (HAASE, LIEBEROTH, RUSKE 1970). A u s der Verbreitung v o n L ö ß , Sandlöß und s c h l u f f i g e m Treibsand sowie aus deren A n o r d n u n g zueinander im Bereich des Großenhainer L a n d e s kann auf einen W i n d t r a n s p o r t aus vorherrschend westlichen R i c h t u n g e n geschlossen werden (SCHMIDT 1965). W ä h r e n d im L ö ß h ü g e l l a n d und Oschatzer Hügelland eine S u b s t r a t a b f o l g e v o n Süden n a c h N o r d e n festzustellen ist, erfolgt im Großenhainer L a n d durch das Süd — N o r d gerichtete E l b t a l und die K m e h l e n — W a n t e w i t z e r Lößschwelle eine Ä n d e r u n g dieser A n o r d n u n g . Sie differenziert sich v o n W e s t e n nach Osten, und m a n spricht daher v o n einer L u v a b f o l g e westlich und einer L e e a b f o l g e östlich der Lößschwelle (HUBRICH/SCHMIDT 1968). In den höher gelegenen südlichen Gebietsteilen treten in der D e c k s c h i c h t an die Stelle des Lösses die L ö ß d e r i v a t e , die nach der W i n d a b l a g e r u n g durch verschiedene geomorphologische Prozesse u m g e s e t z t und gleichzeitig oder anschließend durch die B o d e n b i l d u n g ü b e r p r ä g t w u r d e n . M a n spricht deshalb v o n S c h w e m m - , Solifluktions-, G l e y - und K r y o t u r b a t i o n s l ö ß . U n t e r K r y o t u r b a t i o n sind B e w e g u n g e n im F r o s t b o d e n eisrandnaher Gebiete zu verstehen, die durch wechselndes Gefrieren und W i e d e r a u f t a u e n in den oberen Schichten v o r sich gehen. A l s häufigster B o d e n t y p ist auf d e m N o r m a l l ö ß P a r a b r a u n e r d e anzutreffen, die nur eine geringe T o n v e r l a g e r u n g und somit lediglich einen dunkelgrauen H o r i z o n t aufweist. W e r d e n die B ö d e n unter A c k e r k u l t u r genommen, w a s in den Altsiedell a n d s c h a f t e n schon seit Jahrtausenden der F a l l ist, so stellen sich V e r ä n d e r u n g e n

A b b . 2. Geologische Ü b e r s i c h t ( E n t w u r f : D . BEEGER, nach Geologischer Ü b e r s i c h t s k a r t e 1:200000 u. n a c h BEEGER/QUELLMALZ 1965) 1 Holozän

7 Kontaktmetamorphes Altpaläozoikum

2 Plcistozän

S Quarzporphyr, Pechstein, Porphyrite, Tuffe

3 Saalekaltzeitliche Endmoränen 4 Tertiäre Tone

9 Riesensteingranit 10 Granodiorite mit Ganggesteinen

5 Kreide

11 Syenodiorite

f> Trias

12 Gneise

6

ein, die zu einer Humusanreicherung und Dunkelfärbung führen, die ihre Ursache aber auch in klimatischen bzw. bodenkundlichen Verhältnissen haben können. I m Untergrund des Lößhügellandes lagern Tiefen- und Ganggesteine (Abb. 2) des Meißner Syenodioritmassivs, das in mehreren Intrusionsintervallen während des Oberkarbons entstand. Zuerst drangen die Schmelzen der grob- und mittelkörnigen Hornblendesyenodiorite auf, die in Meißen und in den Tälern der Kleinen Triebisch und der Triebisch südlich von Semmelsberg zu finden sind. E t w a s jünger ist der meist mittel- bis feinkörnige Biotitgranodiorit (s. E 10) am Elbtalrand ober- und unterhalb von Meißen. Einen Übergang zwischen den beiden Gesteinstypen bildet nördlich der Stadt Meißen ein Biotit-Hornblendegranodiorit (s. M 4). Mit deutlichem zeitlichem Abstand erfolgte zuletzt die kleine Intrusion des Riesensteingranits (s. M 6) bei Meißen-Cölln. Die Tiefengesteine des Syenodioritmassivs werden von zahlreichen Ganggesteinen durchsetzt, besonders häufig von Apliten, Ganggraniten und Granophyren, weniger von Pegmatiten. Selten sind die Lamprophyre, dunkle basische Ganggesteine. Wahrscheinlich noch im Oberkarbon erfolgte im Gebiet von Meißen eine rege Vulkantätigkeit (s. H 2, O 6, O 7). I m südlichen Abschnitt des Mittelsächsischen Lößgebietes beteiligen sich verschiedene andere Gesteine am A u f b a u des Untergrundes, die besonders an Talhängen bis an die Geländeoberfläche treten. Während der Erdaltzeit bestand zwischen der Lausitzer Hochscholle und dem Erzgebirge eine verhältnismäßig schmale Senke, in der es wiederholt zu Meereseinbrüchen und zur Ablagerung verschiedener Sedimente, aber auch zu vulkanischen Erscheinungen kam. Bis in die Umgebung von Miltitz (s. R 8) reicht von Süden ein Teil dieser paläozoischen Gesteine. Die Schmelzen des Meißner Syenodioritmassivs (s. Seite 6) haben durch die spätere Kontaktmetamorphose gerade hier den ursprünglichen Bestand so verändert, daß nicht mehr in jedem Fall eine sichere Alterseinstufung möglich ist. Tonschiefer sind in Andalusitglimmerschiefer und Knotenschiefer, Grauwacken und quarzitische Schiefer in Quarzglimmerschiefer umgewandelt worden. Die Ausgangsgesteine der Hornblendeschiefer bei Miltitz dürften devonische Diabasgesteine, die der kristallinen K a l k e und Marmore devonische Kalksteine gewesen sein. Vom Lößhügelland, aber auch vom Elbtalrand sind aus dem Tertiär Kiese und Sande, Tone und unbedeutende Braunkohlenflözchen sowie Braunkohlenquarzite bekannt. E s herrschte während dieser Zeit subtropisches K l i m a vor, in dem die Pechsteine und der Dobritzer Quarzporphyr zu Kaolin verwitterten. Aus dieser Umwandlung resultieren die wertvollen Porzellanerden bei Seilitz (s. L 4) und weitere umgelagerte Tone (s. O 4). Die Flußtäler des Mittelsächsischen Lößgebietes — Gleiches gilt für die des Großenhainer Landes (s. Seite 1 1 ) — weisen zahlreiche floristische Besonderheiten und noch Reste einer naturnahen Vegetation auf. Die linkselbischen Seitentäler (s. R 7) und der Seußlitzer Grund (s. E 9) werden von artenreichen Laubmischwäldern eingenommen. Sie zählen pflanzensoziologisch — bedingt durch Landschaft und Höhenstufe — zu den Eichen-Hainbuchen-Winterlinden-Wäldern. Neben den allgemein verbreiteten Gehölzen Hainbuche, Winterlinde, Stiel- und Traubeneiche, seltener Sommerlinde und Buche sowie Kräutern der submontan-collinen Laubwälder mit subatlantischer Bindung treten häufig subkontinentale Arten auf. Das

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Gebiet kennzeichnen die speziell im Elbhügelland verbreiteten Sippen Wiesenwachtelweizen (Melampyrum pratense ssp. vulgatum), Haingreiskraut (Senecio nemorensis ssp. nemorensis) und Knolliger Beinwell (Symphytum tuberosum). Seltener, meist an ausgehagerten Oberhängen bzw. in wärmebegünstigten Lagen, herrscht die Traubeneiche vor, mit der häufig die verwilderte Echte Kastanie und die submediterrane Eisbeere vergesellschaftet sind. Gut ausgebildete xerothermophile Eichen-Elsbeer-Wälder sind nicht mehr vorhanden, ihre Standorte wurden dem Weinbau erschlossen bzw. werden heute vorwiegend von Xerothermgebüschen eingenommen (s. K 5, L 2, M 4 ; Seite 12). In den Schattenlagen der Gründe und Täler (s. P 13, R 7) treten gut entwickelte Ahorn-Eschen-Schluchtwälder bzw. in unmittelbarer Bachufernähe Erlen-Eschen-Säume (s. L 7) auf. Diese Waldtypen beherbergen häufig submontane Arten, wie Wolligen Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus), Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis), oder sogar montane Elemente, wie Hasenlattich (Prenanthes purpurea) und Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), die hier ebenso wie die vorzugsweise im Osterzgebirge verbreiteten südost-mitteleuropäisch-submontanen Arten Waldwicke (Vicia silvatica) und Sterndolde (Astrantia major) Grenzstandorte zum Hügelland einnehmen. Die Bäche zeichnen sich durch eine sommerwärmeliebende Kleinröhrichtflora aus (s. K 5) ; gelegentlich entwickelt sich in kleineren Fließgewässern mit klarem und kaltem Wasser massenhaft die Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale), so in der Umgebung von Neuhirschstein. Größere Fließgewässer (s. R 7), ausschließlich zwischen Krögis und Meißen, zeigen in ihrer Uferflora deutliche floristische Beziehungen zum Erzgebirge, wie sie auf den Plateaulagen bzw. im gewässerfernen Lößbereich nicht nachweisbar sind. Im östlichen und zugleich wichtigsten Bestandteil des Mittelsächsischen Lößgebietes, dem Lommatzsch —Meißner Lößhügelland ( l i l a ) , hat K R A M E R (1971) mehrere Kleinlandschaften (Mikrochoren) ausgegliedert (Abb. 3). Ihnen gemeinsam ist eine Reihe von Geländeformen, die einen flachwelligen Reliefcharakter hervorrufen. Zu ihnen zählen Dellen auf den Plateaus und an den Hängen sowie Kuppen auf den Riedelflächen zwischen den Wasserscheiden. Ähnlich verhält es sich mit den höher gelegenen Lößflächen, auf denen zu den Dellen noch Mulden- und Sohlentäler sowie tilkenartige Kastentälchen hinzutreten. Ihren Böden gemeinsam sind Parabraunerden in unterschiedlicher Ausprägung. Im südlichen Abschnitt des Mittelsächsischen Lößgebietes verändern sich einige natürliche Merkmale, wie Höhenlage und Verlehmungsgrad des Lösses, so daß weitere Naturräume ausgegliedert werden müssen : das Naustädter Lößlehmplateau (IHd) und die Raußlitz —Soppener Stufe (IIIc). Auf dem dichten Lößlehm entwickelten sich Fahlerden sowie infolge höherer Niederschläge und dichter Materialdecke Bodentypen mit Staunässemerkmalen, also mit wassergebleichten hellen und mit durch Eisenanreicherung rostfarbenen dunklen Flecken. Der Lößlehm kann an expositionsbedingten Geländepartien durch Lößderivate (s. Seite 6) ersetzt werden. Zwischen Lößhügelland ( l i l a ) und Elbtal (Ib) schiebt sich der Elbtalrand ( I l l b ) , der — je nach seiner Lage — als Zehren —Göhrischer, Seilitzer oder Scharfenberger Plateaurand bezeichnet wird. Es handelt sich um einen Streifen von wechselnder

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A b b . 3. K l e i n l a n d s c h a f t e n im östlichen Teil des Mittelsächsischen Lößgebietes (nach KRAMER 1971) Diese Kleinlandschaften lassen sich in eine d"r folgenden Kleinlandschaftstypen eingliedern: a Flachwellige Lößhochflächen mit dunkelgrauer Parabrannerde (1) b Stärker wellige Lößhochflächen mit typischer Parabrannerde (5) c Lößplateaus mit Fahlerden und Staunässemerkmalen (S, 10) Pleistozän |

I I Auelehm

I äolische Sedimente ) Holozän

Das recntselbische Gebiet zwischen der Großen Röder im Norden und dem Elbtalrand bei Meißen-Zscheila im Süden (Abb. l) zählt zu dem G r o ß e n h a i n e r L a n d (IV), einem in der natürlichen Ausstattung recht uneinheitlichen Raum. In ihm unterscheidet man je nach den vorherrschenden, meist pleistozänen Ablagerungen zwischen Moränen- ( I V b + d) und Schotterplatten (IVa) und einer Lößschwelle ( I V c ; Abb. 4). Ein besonderes Merkmal des südlichen und westlichen Teiles des Großenhainer Landes ist sein Übergangscharakter, und zwar zwischen dem Nordsächsischen Tiefland und der Hügellandzone. Auf dem Treibsand hat sich eine Podsol-Braunerde als Bodentyp entwickelt mit einem nur wenige Zentimeter mächtigen Bleichhorizont ( S C H M I D T 1965). Auf Sandlöß, Lößlehm und Löß haben sich Fahl- und Parabraunerden gebildet. Die Xerothermvegetation stellt das Charakteristikum des Großenhainer Landes wie auch der anderen Landschaften um Meißen überhaupt dar. Die artenreichen Trocken- und Halbtrockenrasen sowie Gebüschformationen geben ihnen das Gepräge, wodurch sie zu den floristisch reichsten Gebieten Mitteleuropas zählen. 11

Innerhalb dieser Vegetationseinheiten lassen sich deutliche Unterschiede in der lokalen Verbreitung submediterraner und subkontinentaler Arten (s. Bd. 16, Zittau, Überschau, Abb. 4) feststellen. Während submediterrane Arten ihre Hauptverbreitung in den elbnahen Bereichen innerhalb des Weinbaugebietes besitzen (s. L 2, AI 4), sind subkontinentale und kontinentale auf Grund ihrer größeren Verträglichkeit gegenüber stärkeren Temperaturschwankungen im Tages- und Jahresgang und größeren Winterkältegraden vor allem in elbfernen Lagen anzutreffen (s. F 5, K 5, N 8). Der hohe Anteil kontinentaler Arten an der Xerothermvegetation deutet wahrscheinlich auf die klimatische Ungunst für den Weinbau in den sommerwarmen Landschaften, da die Weinrebe als submediterrane Pflanze nur in wintermilden Lagen gedeihen und keine strengen Fröste vertragen kann. Abseits der Elbe fehlt der Weinbau überhaupt. Trocken- und Halbtrockenrasen zeichnen sich gewöhnlich durch ein Gemisch von submediterranen und subkontinentalen Arten aus, denen sich auf flachgründigen Böden zahlreiche Sandpflanzen beigesellen können (s. M 4, K 5). Manche Trockenrasenarten stellen Relikte der Sandsteppenvegetation dar, die früher im Raum zwischen Elbe und Großer Röder sicher stärker verbreitet waren. Xerothermrasen auf tiefgründigen Standorten sind am Rand von Eichen-Hainbuchen-Wäldern meist als Fiederzwenken-Halbtrockenrasen, solche auf flachgründigen Böden im Kontakt zu Xerothermgebüschen und Traubeneichenwäldern als azidophile (bodensäureliebende) Trocken- bis Felsrasengesellschaften ausgebildet. Felsrasen besiedeln sogar die Steilhänge der aufgelassenen Steinbrüche. Trockengebüsche enthalten charakteristische wärmeliebende Arten. Auch die Schutt- und Ackerunkrautflora zeigt einen hohen Anteil wärmeliebender Elemente. Typische Ackerunkräuter sind jedoch selten geworden, und es ist heute ein großer Zufall, wenn man von dem Rittersporn (Consolida regalis), dem Sommeradonisröschen (Adonis aestivalis), der Haftdolde (Caucalis lappula), dem Ackerwachtelweizen (Melampyrum arvense), dem Schwarzkümmel (Nigella arvensis) oder dem Venuskamm (Scandix pecten-veneris) noch ein Exemplar zu Gesicht bekommt. Demgegenüber weist die Schuttflora mit Melden-, Gänsefuß- und Distelgesellschaften sehr viele Arten auf, von denen einzelne auch in Xerothermrasen eindringen. Bekannt sind die Eselsdistel-, Steinklee- und Kratzdistelgesellschaften in Ortslagen, in Steinbrüchen, an Bahndämmen und Straßenrändern. Auf dem Meißner Burgberg fallen, wie in der Umgebung aller ehemaligen Rittergüter im Elbtal, die großen Bestände des Glaskrautes (Parietaria ofjicinalis) auf. Von der Vegetation des elbnahen Raumes und der Lommatzscher Pflege weicht die des Golkwaldes völlig ab (s. H 11). Sie entspricht etwa in ihrer Zusammensetzung mit Eichen-Birken-Kiefern-Wäldern bzw. deren forstlichen Ersatzgesellschaften der des Friedewaldes (s. Bd. 22, Lößnitz, J 4). Eichen-Birken-Waldgesellschaften mit subkontinentalen Waldsteppenelementen treten nur fragmentarisch auf (s. K 5, R 7). Im Elbtal nördlich Dresdens und an den Südhängen seiner Xebentäler halten sich zahlreiche wärmeliebende und trockenheitsliebende Tierarten auf. Einige Geländeabschnitte, wie die Bösel und Knorre (s. M 4), wurden faunistisch verhältnismäßig gut untersucht. Im Vergleich zu anderen Tiergruppen ist die Insektenfauna außer12

gewöhnlich reichhaltig. So wurden bisher allein aus der Familie der Marienkäfer 35 verschiedene Arten festgestellt, ferner 51 Orthopterenarten (Schaben, Grillen, Heuschrecken) und 23 Neuropterenarten (Netzflügler). Eine Reihe von ihnen kommt innerhalb der D D R nur hier vor, so beispielsweise der besonders wärmeliebende Marienkäfer Scymnits subvillosus. Weitere, oftmals seltene bzw. sehr seltene Ameisen, Heuschrecken, Wanzen, Blattwespen und Käfer, von denen auch einige unter Naturschutz stehen, werden bei den Einzelsuchpunkten genannt (s. B 1, E 10, E 12, M 4 , P 8).

Historische Entwicklung Das E l b t a l zwischen Meißen und Riesa sowie das untere Triebischtal gehören zu den interessantesten Siedlungslandschaften Sachsens während der Ur- und Frühgeschichte. Dieser R a u m bildet den Nordabschluß des Paßlandes zwischen den Gebieten jenseits von Erzgebirge/Sächsischer Schweiz und dem offenen Flachland im Norden. E r weist seit dem Neolithikum eine starke Siedlungsintensität auf, so daß bei den Einzelsuchpunkten nur wenige der an die Hunderte zählenden Fundstellen genannt werden können. Die Naturgegebenheiten spielten bei der Auswahl der Siedlungsflächen und bei der Verbreitung von Sippen und Stämmen sowie der durch sie vermittelten kulturellen Neuerungen eine wichtige Rolle. Das gilt vor allem f ü r die Flußtäler. In klimatischer, besonders thermischer Hinsicht verfügt das E l b t a l über Vorzüge. Weitgehend siedlungsbestimmend waren auch die fruchtbaren Bodenarten Löß und Lößlehm sowie Auelehm und die unterschiedlichen Bearbeitungsmöglichkeiten des Bodens mit den anfangs noch primitiven Knochen-, Horn- und Holzgeräten sowie Steinhacken vor der Einführung des ersten Pfluges. Bereits vor dem Seßhaftwerden des Menschen, also in der Zeit der J ä g e r und Sammler, wurde das Meißner Gebiet nicht nur vereinzelt aufgesucht, wie die Funde von Althirschstein (s. E 1) und Baselitz (s. F 7) aus der Altsteinzeit beweisen. Größere Landstriche mit kurzfristig genutzten mittelsteinzeitlichen Niederlassungen befinden sich vor allem auf der rechtselbischen Niederterrasse. Vielfältigste Kleingeräte aus Feuerstein (Mikrolithen) konnten besonders auf Leckwitzer Flur (s. B 5) geborgen werden. Inzwischen war zur J a g d und zum Sammeln als neue Möglichkeit des Nahrungsmittelerwerbs der Fischfang getreten. Auch diese rein aneignende Wirtschaftsweise schuf noch keine Voraussetzung zur Seßhaftigkeit. Sie entwickelte sich erst mit dem Übergang zur eignen Produktion von Nahrungsmitteln, zum Feldbau und zur Viehzucht vor reichlich 6000 Jahren. Die absolute Abhängigkeit des Menschen vom zufälligen Angebot der Natur war nunmehr überwunden. E s konnte schon bald ein Mehrprodukt erarbeitet werden, das man gegen andere Erzeugnisse eintauschte. Im Lauf der Jahrhunderte führte die ungleichmäßige Anhäufung von Gütern zu sozialer Differenzierung, die die Auflösung der Urgesellschaft einleitete. Überall im linkselbischen Lößgebiet und um Kmehlen (s. F 7) rechts der Elbe finden wir Siedlungsreste mit Großhäusern der sogenannten Bandkeramik. Mit der Seßhaftigkeit entwickelte sich die spezialisierte Bearbeitung von Gesteinen 13

zu Geräten, ferner die Töpferei, das Spinnen und Weben. Fraucnidole weisen auf den Fruchtbarkeitskult ebenso hin wie auf Reste des sich nun auflösenden Matriarchats. Hinzu treten Zeichen des Tierkultes (s. Q 1). Wesentlich spärlicher als die Überbleibsel der langlebigen Bandkeramik sind Siedlungen und Gräber der jüngeren Trichterbecherkultur vertreten, so die von Zehren und aus dem R a u m um Riesa. Ebenso verhält es sich mit der Besiedlung am Ende des Neolithikums vor fast 4000 Jahren zur Zeit der Schnurkeramik. Die nunmehr zumindest zeitweise Betonung der Viehzucht deutet sich schon in der Verteilung der Niederlassungen an, denn jetzt wurden vornehmlich zur Weidewirtschaft geeignete Landstriche außerhalb der fruchtbaren Böden aufgesucht. Bereits vom Ende der Steinzeit stammen die ersten Metallfunde. Das neue Material verbesserte die bisherigen Verhältnisse und half, Wirtschaft und Gesellschaft umzugestalten (Bergbau, Metallhandwerk und -handel). Von seinem hohen Wert zeugen die Hortfunde, die anfangs teilweise aus ganzen Sätzen von Ringen bestanden, die auch als Tauschäquivalent (Barren) galten. Später setzten sie sich größtenteils aus unbrauchbar gewordenen Geräten, Gußresten, Fehlgüssen und Barren zusammen und stellen regelrechte Schrottfunde dar (s. C 1). Außer Metall tauschte man Bernstein, aber auch Salz. Die Berührung mit entfernter liegenden Kulturen brachte Fremdformen und Anregungen ins Land. Von 1800/1700 v. u. Z. an treffen wir im Altsiedelland Skelettgräber und Siedlungen der ältesten bronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur an. Die folgende Lausitzer Kultur (etwa ab 1400) zeichnet sich durch Urnenbestattungen in großen Flach- und Hügelgräberfeldern, Siedlungen mit Werkstätten und befestigte Zentralorte aus. Diese wurden nicht nur als Schutzburgen in Zeiten der Gefahr aufgesucht, sondern dienten als Dauersiedlungen mit hervorgehobener Bedeutung innerhalb einer größeren Siedlungskammer. Die wichtigsten dieser Anlagen befinden sich im Elbegebiet, so die 3 Burgen an der Rauhen F u r t (s. E 1 1 , H 2, H 10). Die Lausitzer Kultur weist die größte Funddichte des Meißner Landes und auch die umfangreichsten besiedelten Flächen noch weit über die Mitte des 1. Jahrtausends v. u. Z. auf, als bereits keltische Einflüsse oder die Kelten selbst im Süden und Westen Fuß gefaßt hatten und als schon vom 8. Jahrhundert an das Eisen die Bronze als Werkstoff langsam zu ersetzen begann. Die Gewinnung des neuen Metalls war infolge seiner weiten Verbreitung vielerorts — so auch bei uns — möglich und sparte den kostspieligen Kupfer- und Zinn-,,Import". Keltische Einflüsse verraten beispielsweise die reich verzierten Braubacher Schalen und die Bronzekette von Mettelwitz (s. K 9). Spätestens im 4. Jahrhundert v. u. Z. drangen germanische Gruppen von Nordwesten her ein. Aus der Zeit von vor knapp 2000 Jahren stammt das hermundurische Gräberfeld von Prositz (s. K 3) mit reichlichen Waffen- und Schmuckbeigaben. Die germanische Besiedlung reichte bis ins 6. Jahrhundert, wenn sie auch in den letzten Phasen eine klare Abnahme zeigt, was zweifellos mit den Auswirkungen der Völkerwanderung zusammenhängt. Am Ende des 6. Jahrhunderts kamen aus Böhmen westslawische Siedler friedlich in das teilweise entvölkerte Gebiet. Sie trieben Ackerbau und Viehzucht, daneben Fischfang und Zeidlerei. Schon in den ersten Jahrhunderten der sorbischen Landnahme wurde das Siedlungsgebiet wesentlich erweitert, und spätestens im 8. J a h r 14

hundert hatten sich Stammesverbände mit Wirtschafts-, Verwaltungs- und Kultzentren gebildet. In dieser Zeit entwickelte sich das Meißner L a n d mit der Lommatzscher Pflege zum Kerngebiet des Gaues Daleminze (Glomaci/Lommatzsch). Wiederum entstanden Burgen (s. B 5, E 2, H 10, R 2) als Zentren kleiner Siedlungskammern, spätestens im 9. Jahrhundert. A m Ende des 8. Jahrhunderts und im 9. Jahrhundert waren vom Frankenreich Vorstöße in die slawischen Bereiche unternommen worden, Anfang des 10. Jahrhunderts auch solche der Ungarn. Nach der Unterwerfung des Gaues Daleminze und der Gründung der B u r g Meißen (s. M 8.2) wurde das Gebiet in den jungen deutschen Staat eingegliedert. Zur militärischen Beherrschung der slawischen Einwohner sowie zum Schutz vor fremden Mächten dienten größere Burgen und ein Netz von Burgwarden (s. B 3, H 6, L i ) in strategisch günstiger Lage. Neben dem Burgwardsystem gab es die Supanien als administrative Einheiten, in denen sorbische Supane im Auftrag der deutschen Herrschaft Gerichts- und Verwaltungsfunktionen über die abhängigen und tributpflichtigen Sorben ausübten. Sich den veränderten Verhältnissen jeweils anpassend, sind Supanien als Amtsunterbezirke noch im 16. Jahrhundert vorhanden gewesen. Bei den Burgen, die sich an der Elbe entlang als Grenzfluß häuften, wurden oft Kirchen gebaut. Die Missionierung der Sorben festigte die militärische Herrschaft der Eroberer. Die durch ihre strategische Bedeutung und Größe herausragende Burg Meißen wurde 968 Sitz eines Bischofs, ebenso eines Mark- und eines Burggrafen (s. M 8.4). Bei ihr entwickelte sich im 12. Jahrhundert die einzige Stadtsiedlung des hier beschriebenen Gebietes (s. M 8.3). I m Dienst der dünnen Schicht deutscher Edelfreier und königlicher Dienstmannen standen vor allem in der Burg Meißen sorbische Krieger (Witzessen). Sie wurden mit Dienstlehen ausgestattet und siedelten um Meißen in einem größeren Gebiet, das den Namen Witzessenbezirk erhielt. Der Sorbengau war nach seiner Eroberung Königsgut. Große und häufige Schenkungen an Kirche und Adel und der Niedergang der reichsdeutschen Zentralgewalt ließen es zusammenschmelzen und landesherrschaftlichen Besitz, Klöster und Herrenhöfe entstehen. Letztere sind zum Teil heute noch als Wasserburgen im Flachland (s. C 2, D 4, L 9) oder Turmhügel auf Felsspornen (s. L 3, L 5, P 6 ) , beide mit W r allsicherungen, als Bodendenkmale überliefert. Nachdem Aufstände nicht mehr zu befürchten und polnische Einfälle abgewehrt waren (s. M 8.2), büßte die Burgwardverfassung ihre militärische Funktion ein und verfiel. Könige, Markgrafen, Burggrafen, Bischöfe, Klöster und Adlige zogen bäuerliche Siedler aus dem Westen des Reiches, vor allem Franken und Flamen, in die Mark Meißen. U m 1 1 5 0 erreichte die Kolonisation ihren Höhepunkt. Sie veränderte die Landschaft und das Leben in ihr grundlegend. Neben den WTeilern und Runddörfern der Sorben mit Fluren in Block- und Streifengemenge lag ungenutztes L a n d mit lichtem Heidewald. Die ersten Kolonisten füllten vorzugsweise die slawischen Wohngegenden auf. Spätere Zuzügler schufen in schwerer Rodungsarbeit Siedlungen „aus wilder Wurzel", so Ullendorf (s. S 4). Neben den kleinen unregelmäßigen slawischen Dorf- und Flurformen entstanden planmäßig angelegte Angerdörfer mit Gewannfluren, Straßendörfer, Waldhufensiedlungen und ähnliche

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Abb. 5 Historische Ortsformen (nach BLASCHKE 1957)

Blöcke

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Parzellen

8 Gutsblöcke 9 :

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Blöcke/ Gutsblöcke Blöcke u. Streifen/ Gutsblöcke Gewann e/ Gutsblöcke

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Abb. 6. Historische Flurformen (nach

BLASCHKE

Blöcke/ Parzellen bäuerliche Großblöcke

1957; Ortsnamen s. Abb. ¿)

wirtschaftlich bedingte regelmäßige Formen. Beide Siedlungsarten haben, von unwesentlichen und einzelnen Veränderungen abgesehen, vom Hochmittelalter bis zur Agrarreform und der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts das Landschaftsbild geprägt (Abb. 5). Die Sorben, die von Anfang an nicht zahlreich und durch die zurückliegenden Kriege dezimiert waren, wurden durch die deutsche Massenbesiedlung weder ausgerottet noch verdrängt, zahlenmäßig aber um ein mehrfaches überboten. Die neuen Siedler hatten einen günstigen Rechtsstatus : persönliche Freiheit, Landzuteilung nach dem Hufenmaß bei erblichem Besitzrecht und mäßigem Grundzins an den Feudalherren sowie den Zehnten an die Kirche. Die harte Arbeit des Siedlungswerkes hatte sie in genossenschaftlich organisierten Gemeinden eng zusammengeschlossen. Mit gewählten oder reihum sich ablösenden Dorfvorstehern, mit Dorfordnungen und Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit haben sie durch viele Menschenalter bewiesen, daß sie sich durchaus selbst verwalten konnten. Adel und Geistlichkeit entmündigten zwecks Erhöhung ihrer feudalen Grundrente am bäuerlichen Mehrprodukt allmählich diese Dorfgenossenschaften, rissen die Gerichtsbarkeit gänzlich an sich und drückten die Freiheiten der deutschen Bauern herab. Dadurch verschwanden die Rechtsunterschiede zur sorbischen Bevölkerung. Sie vermischten sich volksmäßig, glichen sich ökonomisch und kulturell an, wobei die deutsche Herrschaft im Land die slawische Eigenständigkeit überwucherte, so daß sich um 1500 im Meißnischen auch die sorbische Sprache verlor. Die extensive Feld-Wald-Wirtschaft mit Getreidebau, Waldmast, Fischerei und Zeidlerei wich mit der Kolonisation der produktiveren Dreifelderwirtschaft auf aufgeteilter Flur bei genossenschaftlich genutztem Gemeindeland an Anger, Wiesen und Wald. Durch Klöster und Pfarrgüter kam es bei günstigen natürlichen Voraussetzungen zur Hebung der Garten- und Obstbaukulturen, zu ausgedehntem Weinbau (s. E 7), auch wurde Bienen- und Fischzucht aufgenommen. E s dominierten Rinder- und Schweinehaltung in den Dörfern, Pferdezucht und Schafherden auf den adligen Wirtschaften. Im 14. Jahrhundert sank während der viele Jahrzehnte anhaltenden Agrarkrise der Wert landwirtschaftlicher Produkte. Hussitenbewegung und Pestzeiten vergrößerten die N o t ; viele Landbewohner wanderten in die Städte ab, so daß Bauernstellen und ganze Dörfer wüst wurden (Abb. 35). Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ergab sich wieder eine günstige Marktsituation. Das und der steigende Geldbedarf des Adels drängten nach Vergrößerung der Rittergüter. Durch Bauernlegen (s. E 5, S 1) versuchte man bis zum Ausgang der Feudalzeit Bauernland zu den Gütern zu schlagen, was trotz bäuerlichen und staatlichen Widerstandes oft gelang. Da die vergrößerten Gutswirtschaften mehr Arbeitskräfte brauchten, wurden ursprünglich im Siedlungsgebiet nicht gebräuchliche Frondienste eingeführt und ständig gesteigert, wobei es aber nicht zur Ausbildung der Leibeigenschaft kam, da die Gesamtheit der Feudalverpflichtungen Reallasten waren, die am Grundbesitz und nicht an der Person hafteten. Diese Grundlasten waren nach Art und Höhe bei den einzelnen Dörfern und Bauern unter den verschiedensten Herren sehr differenziert. Landesherrliche Steuern wurden in Geld- und Naturalienform mit steigender

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Tendenz durch die Jahrhunderte als Bede (Abgabe), Geschoß, Schock- und Quatembersteuer erhoben. Seit 1438 kamen indirekte Konsumtionssteuern hinzu. Rüstungen und Kriege brachten Heeresdienste, Türkensteuern, Kontributionen, Magazingetreide für das Heer, Spannfronen für Marschleistungen u. a. m., abgesehen von schweren Kriegsplünderungen und Zerstörung von Gut und Leben. Drückend waren die Lasten an den Grundherrn. Das konnte der Landesherr bei den Amtsbauern, die Kirche oder ein Rittergutsbesitzer sein. In Geld und Naturalien, wie Getreide, Wein, Honig, Heu, Schlachtstücke, Geflügel, Eier, Brot, Bier, bekam er den Grundzins, bei Besitzerwechsel bis zu 5 % der bäuerlichen Wirtschaft als Lehnware oder das Besthaupt vom Viehbestand. Auch waren Schreib- und Gerichtsgebühren, mitunter Strafgelder und stets der Kirchenzehnt zu zahlen. Die schlimmste Form feudaler Ausbeutung waren jedoch die Fronen, die als Spannoder Handdienste (s. H 5, H 6) in allen Bereichen der Gutswirtschaft geleistet und mitunter auf alle Tage der Woche ausgedehnt wurden, worunter die eigenen Wirtschaften sehr litten. Seit dem 16. Jahrhundert kam außerdem der Gesindezwangsdienst auf : Die erwachsenen Kinder der Untertanen mußten etwa 2 J a h r e als Mägde und Knechte auf dem Gut arbeiten. Die ursprünglich sozial einheitliche Bauernschaft auf gleichen Hufenanteilen begann sich mit dem ausgehenden Mittelalter stark aufzugliedern. Selbst die Vollbauern, die allein Gemeinderechte und -nutzungen besaßen, unterschieden sich nach Landbesitz in Teil-, Ein- oder Mehrhufner. Neben ihnen gab es die Gärtner als eine Schicht von Kleinbauern, die Häusler ohne Ackerland, die nur zur Miete im Dorf wohnenden Hausgenossen (Einlieger) und das Gesinde. Diese starke und zunehmende soziale Differenzierung ließ keine einheitliche antifeudale Klassenbewegung aufkommen. Großbauern befanden sich zum Teil in günstiger Lage. Auf den Wochenmärkten in Meißen, Großenhain und Lommatzsch setzten sie ihre überschüssigen Produkte gewinnbringend ab. Hohe Getreideerträge auf fruchtbaren Böden, Wein und Obst brachten ihnen Wohlstand. Die auf gewerbliche und landwirtschaftliche Lohnarbeit angewiesene Dorfarmut lebte dagegen in drückenden Verhältnissen, wenngleich die stark zunehmende Ausbeutung im 18. Jahrhundert und feudale Mißstände, wie die Wildplage und die ausgedehnten Hutungsrechte der Rittergüter, auch die Bauern beschwerten. Die Landbevölkerung setzte sich mit mannigfaltigen passiven, spontanen, lokalen und individuellen Formen des antifeudalen Widerstandes zur Wehr. Groß ist die Zahl der von den Bauern gegen ihre Grundherrn geführten Prozesse. 1790 kam es unter dem Eindruck der Französischen Revolution zu einem Aufstand (s. E 2, S 1), dessen Zentrum um Meißen und Lommatzsch lag. Gutsherrn und Gutspächter wurden von den Aufständischen vertrieben, gefangengesetzt, gemaßregelt, Abgaben und Dienste eingestellt und schriftliche Verzichtsleistungen darauf von den Grundherrn erzwungen, bis nach Wochen das Militär die revolutionäre Erhebung niedergeschlagen hatte. Die feudalen Verhältnisse, die sich auch in der starken verwaltungsmäßigen Zersplitterung widerspiegeln (Abb. 7), waren zu Fesseln der Produktivkräfte in der Landwirtschaft geworden. Seit der Hungersnot von 1 7 7 1 wurden Kartoffeln zum Volksnahrungsmittel. Die Besömmerung der Brache mit weiteren Spezialkulturen, 19

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Abb. 7. Verwaltungsbezirke in der Mitte des 18. Jahrhunderts (nach einer unveröffentlichten Karte von K . B L A S C H K E , ergänzt von G . M Ü L L E R ; Ortsnamen s. Abb. 5)

wie Raps, Hanf, Klee, Futterrübe, sowie die Stallfütterung, künstliche Düngemittel und neue Arbeitsmethoden drängten zur Aufgabe der Dreifelderwirtschaft und Anwendung effektiver Fruchtwechselfolgen. Der veralteten Wirtschaftsweise ist es mit zuzuschreiben, daß besonders auf den stark geneigten Geländeabschnitten durch Erosion erhebliche Bodenzerstörung stattfand (Abb. 8). E r s t 1832 konnte der Widerstand reaktionärer Feudalherrn überwunden und die sächsische Agrarreform begonnen werden. Die Entlastung geschah aber nur gegen eine 25fache Entschädigung des in Geld umgerechneten Jahresbetrages der Abgaben, Fronen und Privilegien an die Grundherrn, deren wirtschaftliche K r a f t dadurch enorm gestärkt wurde. Gleichzeitig konnten Gemeindeländereien aufgeteilt werden. E s fanden Grundstückszusammenlegungen und Neuverteilung der Fluren nach rationellen landwirtschaftlichen Gesichtspunkten an die alten Besitzer statt. Dies und ein neues Grundsteuersystem, die Neureglung des Hypothekenwesens, die Landgemeindeordnung von 1838 und die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit 1855 führten zum vollen Durchbruch kapitalistischer Wirtschaftsverhältnisse auf dem Lande. Die weitere soziale Differenzierung ging beschleunigt voran, indem Güter und Bauernhöfe in der Regel prosperierten ; der Reichtum der Inhaber kam durch „ s c h ö n e " und protzige Höfe zum Ausdruck, wodurch viel altes Kulturerbe zerstört wurde. Demgegenüber verschuldeten die Kleinbauern häufig, und das proletarische Element nahm zu, das Beschäftigung auf dem Lande fand oder in die Industriebetriebe benachbarter Städte pendelte. Der Kommunikation zwischen dem Land und den Städten diente ein Netz von Schmalspurbahnen mit Lommatzsch als Knotenpunkt, von wo aus Linien nach Riesa (seit 1877), Nossen (1880), Meißen und Wilsdruff (1909) und nach Döbeln ( 1 9 1 1 ) bestanden." Auch die Menschen des Meißner Landes litten schwer unter 2 imperialistischen Weltkriegen, unter Inflation, Weltwirtschaftskrise und faschistischer Diktatur. E r s t mit den Truppen der Roten Armee zog eine Zeitenwende ein. Die antifaschistisch-demokratische Ordnung brachte 1945 die Bodenreform. Die in adligem und bürgerlichem Besitz befindlichen Rittergüter wurden enteignet und entschädigungslos an Landarbeiter, landarme Bauern und Umsiedler aufgeteilt (s. C 2, E 2, E 7, F 3, K 6, L 9, M 1, N 2, N 3, O 5, P 6, Q 2, Q 6, Q 7, R 2, R 8, S 1). Das Gut in Leutewitz (s. N 4) erhielt den Status eines volkseigenen Gutes. Die demokratische Verwaltungsreform im J a h r e 1952 legte die heutigen Kreisgrenzen fest, wie am Beispiel von Großenhain gezeigt werden kann (Abb. 9). Mit dem A u f b a u des Sozialismus gingen auch in Meißen und in den Dörfern der agrarisch bestimmten Umgebung tiefgreifende Veränderungen vor sich. Die Bauern — insbesondere die Neubauern der früheren Rittergutsorte — schlössen sich seit 1952 zu den ersten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammen, um zunächst die Feldflächen, später auch die Viehbestände zu Abbildung 7 1 Kreisamt Meißen

4 Stiftsamt Meißen

2 Prokuraturamt Meißen

5 Amt Großenhain

8 Amt Nossen

3 Schulamt Meißen

6 Amt Zadel

9 Amt Oschatz

3

Elbtal

7 Religionsamt Dresden

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gemeinsam nutzen zu können. Zu den frühesten Gründungen zählen die in Skassa (s. C 2), Niederjahna (s. L 9) und Merschwitz (s. E 5). Bis zum J a h r e 1976 vollzog sich in der Landwirtschaft, begünstigt durch eine starke Mechanisierung und Rationalisierung, eine bedeutende Konzentration in Verwaltung und Bewirtschaftung, so daß nur noch wenige Genossenschaften verblieben. Gleichzeitig spezialisierten sich die meisten von ihnen auf Viehhaltung und -zucht. Einige L P G s (s. B 3, C 1) verfügen über Produktionsabteilungen, die sich mit dem Anbau von Sonderkulturen beschäftigen, beispielsweise von Weinreben (s. J 4, M 2). Besonders kostenaufwendige, industriemäßig betriebene Anlagen errichteten mehrere Genossenschaften in Obermuschütz (s. G 2), Niederjahna (s. L 9) und bei Spittewitz (s. P 12) gemeinsam. U m die Tierzucht weiter voranzubringen, vor allem um leistungsstarke Muttertiere zu züchten, schuf der V E B Tierzucht Dresden neue Gebäude in Korbitz (s. P 4) und bei Buschbad (s. O 6).

Abb. 8. Erosionsgefährdung im 18./ig. Jahrhundert, ermittelt nach Kleinformen (Ausschnitt, nach H E R Z 1964) Auf Flächen, die seit den sechziger Jahren bedeutend vergrößert wurden, betreibt das Volksgut Radebeul bei Diesbar-Seußlitz Weinbau (s. E 7). In seiner Nachbarschaft hat sich ein volkseigener Gartenbaubetrieb auf die Erzeugung bestimmter Blumen spezialisiert (s. H 9). Andere genossenschaftliche Einrichtungen um Meißen nutzen die günstigen Boden- und Klimaverhältnisse zum Obstbau, f ü r den bei Krögis (s. Q 7) und Riemsdorf (s. S 3) neue Flächen erschlossen wurden. 22

Die Spezialisierung in der Landwirtschaft führte seit 1973 zur Schaffung von kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP) und seit 1975 von LPGs Pflanzenproduktion, die zwischen 3000 ha (Riesa-Göhlis, s. A 1) und 9300 ha (Riesa-Kanalgebiet, s. E 5) bewirtschaften. Um höhere Erträge in der Feld- und Grünlandwirtschaft zu erzielen, legten Meliorationsgenossenschaften Stauweiher sowie Rohrsysteme zum Verregnen von Wasser der Elbe (s. E 5), des Lommatzschbaches (s. E 3) und des Jahnabaches (s. O 2) an. An Anbauprodukten herrschen Getreide, im Lößgebiet auch Zuckerrüben vor; außerdem betreibt man Gras- und Feldfuttervermehrung. Diesem Zweig widmet sich von jeher das V E G Leutewitz (s. N 4) und seit etwa I960 die heutige K A P Saatbau Krögis (s. Q 7). Der Feldfutteranbau überwiegt das natürliche Grünland, das an den für den Ackerbau ungeeigneten Hängen der Täler (s. R 2) und bei Merschwitz (s. E 5) in den letzten Jahren eine Erweiterung erfuhr und zum Weideauftrieb genutzt wird.

Abb. 9. Ausdehnung des Amtes, der Amtshauptmannschaft und des heutigen. Kreises Großenhain (nach MÖRTZSCH 1935 u. Übersichtskarte der D D R 1:200000) 3*

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24

Großenhain

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Meißen

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Riesa

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übrigen Orten

Die historisch entstandenen Siedlungen (Abb. 5) besitzen o f t geringe Größe, aber ihre Verbreitungsdichte ist sehr groß. Nur wenige von ihnen, wie Niederjahna (s. L 9), Krögis (s. Q 7), Zehren (s. H 6) sowie Diesbar-Seußlitz (s. E 7), Diera (s. J 4), Merschwitz (s. E 5), konnten sich durch Eingemeindungen zu Zentren mit 1 2 0 0 bis 2500 Einwohnern entwickeln. Einige von ihnen sind Sitz von Gemeindeverbänden, die im Interesse der Bewohner alle Vorteile dieser sozialistischen Organisationsform nutzen, was bei der verstreuten Lage der Ortsteile besondere Schwierigkeiten mit sich bringt. Erste Anfänge reichen in Nünchritz (s. B 4) und Nossen (s. Q 1) bis 1973 zurück. Die relativ gute Erschließung durch Omnibuslinien auch der abseitigen Teile des Lößhügellandes und des Großenhainer Landes ermöglicht den nicht in der Landwirtschaft oder im Ton- und Kaolinabbau (s. L 4, O 4) Beschäftigten, in zumutbaren Pendelzeiten täglich die Industriezentren Riesa, Großenhain, Meißen und Nünchritz zu erreichen (Abb. 12). Die Hauptachsen des Linienverkehrs bilden die Fernverkehrsstraße 6 von Dresden über Meißen nach Leipzig sowie die F 1 0 1 von Nossen über Meißen nach Großenhain. Nachdem der elektrische Eisenbahnverkehr zwischen Dresden und Meißen-Triebischtal aufgenommen wurde, benutzen viele Pendler aus dem Radebeul —Coswiger R a u m diese günstige Verbindung. Meißen als historisch gewachsenes und heutiges Verwaltungszentrum bildet nicht nur einen Verkehrsknotenpunkt, sondern in erster Linie ein Wohngebiet mit je einer rechts- und linkselbischen Industrieanhäufung (Abb. 33). Die Stadt liegt am nordwestlichen R a n d des großen Ballungsgebietes im Elbtal, das nach Südosten über Dresden hinaus bis nach Pirna reicht und das nur durch wenige, meist schmale landwirtschaftliche Nutzflächen unterbrochen wird. Nach Gründung der ersten europäischen Porzellanmanufaktur im J a h r e 1 7 1 0 in Meißen (s. M 8.6) entstanden die ersten Fabriken, die auf der Grundlage der Wasserkraft arbeiteten, 1834 im Triebischtal (s. P 9) und bildeten den Ausgangspunkt einer heute 4 km langen Industriegasse. Hier wie in dem seit Ende des 19. Jahrhunderts sich ausdehnenden rechtselbischen Stadtteil Cölln ließen sich vorzugsweise Betriebe der Ofenkachel-, Schamotte- und Wandplattenherstellung nieder. Ihre Rohstoffe beziehen sie wie früher hauptsächlich aus der näheren Umgebung (s. L 4, O 4). Fabriken der metallverarbeitenden Branche sowie der Textilund Lebensmittelindustrie ergänzen das Produktionsprofil (s. M 8.6). U m wenigstens einen Teil der Arbeitskräfte in Meißen seßhaft zu machen, schufen die Stadt und betriebliche Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaften neue Wohnviertel auf dem Plossen (s. M 8.8) und in Meißen-Cölln. Auch die Dienstleistungs-, Gesundheits- und Verkehrseinrichtungen sowie die Bildungsstätten werden täglich von vielen Menschen aufgesucht. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt Meißen als touristischer Anziehungspunkt (s. M 8.5) sowohl f ü r die Bewohner des Elbtalgebietes als auch Besucher anderer

Abb. 10. Auspendler unter den wirtschaftlich Tätigen in Prozent. Stand 1 9 7 1 (nach Erhebungen der Volks-, Berufs-, Wohnraum- und Gebäudezählung)

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Bezirke der D D R und anderer Staaten. Erholungsfunktionen üben das in die Stadtgrenzen einbezogene Spaargebirge (s. P 2) und die Talhänge der Triebisch aus. Sie sind seit 1974 Bestandteile eines großen Landschaftsschutzgebietes, das auch die Kleine Triebisch umfaßt. Ähnliche Aufgaben übernimmt das Elbtal mit seinen bewaldeten bzw. mit Weinbergen besetzten Hängen (s. B 1). Nördlich von Meißen schließt sich fast ohne Unterbrechung das Diesbar-Seußlitzer Naherholungs-und Urlaubergebiet — einschließlich Golkwald (s. H 11) — an. Den Meißner Einwohnern stehen ferner die östlich gelegenen Wälder zwischen Oberau, Weinböhla und Moritzburg als nahe Ausflugsziele zur Verfügung.

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Einzeldarstellung A 1

Leutewitz, K r e i s R i e s a , l a g bis E n d e des 19. J a h r h u n d e r t s k a u m 300 m v o n einem E l b a r m e n t f e r n t , der hier eine u n g e f ä h r 1,5 k m l a n g e Insel u m f l o ß . B e i der R e g u l i e r u n g des S t r o m e s w u r d e die bei N i e d r i g w a s s e r t r o c k e n f a l l e n d e W a s s e r r i n n e a u s g e f ü l l t , die I n s e l m i t dem heutigen Flurnamen Werder angelandet und somit der Flur zugeschlagen. H o h e , z u m T e i l m i t B ä u m e n b e s t a n d e n e D ä m m e s c h r ä n k e n seither die H o c h w a s s e r g e f a h r ein. D e r S ü d t e i l des O r t e s liegt auf d e m G e l ä n d e einer m i t t e l b r o n z e z e i t l i c h e n S i e d l u n g u n d d e s d a z u g e h ö r i g e n U r n e n g r ä b e r f e l d e s . A n der n a c h R i e s a f ü h r e n d e n S t r a ß e b e f a n d e n sich ein G r ä b e r f e l d der l e t z t e n J a h r h u n d e r t e v. u. Z. u n d eine e b e n f a l l s g e r m a n i s c h e S i e d l u n g der ersten J a h r h u n d e r t e u. Z. S i e d l u n g e n u n d G r ä b e r f e l d e r n a h m e n d e n R a n d des l i n k e n H o c h u f e r s der E l b e ein. 1186/90 t a u c h t der N a m e Lutunewiz i m Z u s a m m e n h a n g m i t einem H e r r e n s i t z e r s t m a l s auf. D i e altsorbische B e z e i c h n u n g ist als die L e u t e des L ' u t o n oder L ' u t a n zu erklären. D a s K l o s t e r Riesa b e t r i e b i m O r t ein V o r w e r k , d a s 1435 in „ P a u r l e h n e " a u f g e t e i l t w u r d e . V o r der A b l ö s u n g der A r b e i t s - , N a t u r a l - u n d G e l d r e n t e n 1838/39 h a t t e n beispielsweise 12 der i n s g e s a m t 16 L e u t e w i t z e r B a u e r n 9 W o c h e n im J a h r b e i m R i t t e r g u t R i e s a A r b e i t e n auf d e m A c k e r z u v e r r i c h t e n (JUNG)-; i960). Die kleine K i r c h e i n m i t t e n des F r i e d h o f s a m n o r d ö s t l i c h e n O r t s a u s g a n g g e h t v e r m u t l i c h auf eine K a p e l l e des 12. J a h r h u n d e r t s z u r ü c k . N a c h e i n e m B r a n d i m J a h r e 1801 w u r d e d a s B a u w e r k 1803 m i t e i n e m T u r m a n b a u w i e d e r h e r g e s t e l l t . Sein f l a c h d e c k i g e r I n n e n r a u m e n t h ä l t einen s c h l i c h t e n K a n z e l a l t a r , den JOHANN GOTTFRIED LÄMMLE a u s M ü h l b e r g / E l b e 1803 schuf u n d der d u r c h beiderseitige H o l z w ä n d e eine kleine S a k r i s t e i a b t r e n n t . I m O b s t g a r t e n a m N o r d r a n d des F r i e d h o f s w u r d e 1945 ein E h r e n m a l f ü r 3 s o w j e t i s c h e S o l d a t e n e r r i c h t e t . A n i n t e r e s s a n t e n B a u f o r m e n erhielten sich i m O r t K u m t h a l l e n : j e eine z w e i b o g i g e im D r e i s e i t h o f S c h ä n i t z e r S t r a ß e 2 u n d i m V i e r s e i t g e h ö f t D o r f s t r a ß e 1 1 , eine d r e i b o g i g e i m V i e r s e i t h o f D o r f s t r a ß e 14. 3 der i n s g e s a m t 4 G e b ä u d e v o n d e m f r ü h e ren B a u e r n g u t D o r f s t r a ß e 12 w e i s e n F a c h w e r k o b e r g e s c h o s s e auf. U m in d e n I n n e n hof z u g e l a n g e n , m u ß m a n ein T o r h a u s m i t d e m S c h l u ß s t e i n v o n 1791 i m R u n d b o g e n passieren. A n der R i e s a e r S t r a ß e s t e h t das S c h u l g e b ä u d e v o n 1909. S e i t d e m alle K i n d e r ihren U n t e r r i c h t i m 2,5 k m e n t f e r n t e n B o r i t z erhalten, d i e n t es als K i n d e r g a r t e n (1967). V o n d e n w i r t s c h a f t l i c h T ä t i g e n des O r t e s a r b e i t e n e t w a 75 % a u ß e r h a l b v o n L e u t e w i t z , insbesondere in den W e r k e n v o n R i e s a ( 4 4 % ) . 27

A 1 N a c h 1953 wurde aus 4 ehemaligen B a u e r n g ü t e r n ein Teilbetrieb des V o l k s g u t e s in Riesa-Göhlis gebildet. Die örtliche, i960 gegründete L P G T y p I schloß sich 1968 m i t der v o m T y p I I I 20. Jahrestag in B o r i t z zusammen. Die F l ä c h e n beider Genossenschaften sowie die der L P G - G ä r t n e r e i in L e u t e w i t z werden seit 1973 v o n der kooperativen A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n m i t Sitz in Riesa-Göhlis bewirts c h a f t e t (s. B 3). In L e u t e w i t z befinden sich Einrichtungen zur A u f b e r e i t u n g und V e r m a r k t u n g v o n Speisekartoffeln : eine Lagerhalle für 2 500 t, ein Schälbetrieb und eine A n l a g e zum A b f ü l l e n v o n 5-kg-Beuteln.

A 2 Heyda, K r e i s Riesa, n i m m t mit seinen Anwesen eine sehr flache, e t w a 1 k m lange Geländemulde der Prausitz —Hirschsteiner Moränenplatte ein. Die B o d e n q u a l i t ä t der F l u r wird v o n einer schwach steinigen Sandlößschicht (Abb. 11) bestimmt, unter der ein mehr oder weniger steiniger, sandiger L e h m , stellenweise lehmiger Sand lagert. B e i sommerlicher Trockenheit zeigt der B o d e n Mangel an der nötigen F e u c h t e . In alten K a r t e n ist als F l u r n a m e östlich v o n H e y d a W ü s t e Mark Miltitz eingetragen. Andere Bezeichnungen für die 135 h a große N u t z f l ä c h e sind Zins-, Erbzins-, Heide-, H o f - oder Herrenfelder b z w . „neue Felder, in H e y d a e r F l u r gelegen". I m Unterschied zu wüstgefallenen Orten handelt es sich bei dieser W ü s t e n M a r k um Land,

das

1565

durch

MERTEN

VON

MILTITZ

aufgeteilt

(EICHLER

U.

WALTHER

1966/67) und gegen E r b z i n s an 12 Personen in L e u t e w i t z , H e y d a und B o r i t z verk a u f t wurde. D e r Z u s a t z Miltitz k a m nachweisbar erst um 1835 auf. W ü s t m a r k Miltitz heißen auch ein paar kleine, nach 1881 erbaute W i r t s c h a f t e n an der Straße v o n H e y d a n a c h Boritz. Bis zum B e g i n n des 20. Jahrhunderts standen in ihrer Nähe 2 Windmühlen.

A b b . 11. Bodenprofilschnitt bei H e y d a (vereinfachter A u s s c h n i t t aus HAASE

1965)

i a Ackerkrume; 1 Sandlöß, z. T . kiesig bis schwach steinig; 2 Grundmoräne, schwach bis stark steiniger sandiger Lehm bis lehmiger Sand

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Die bisher bekannte erste Nennung von Heyda liegt von 1214 vor. Der deutsche A 2 Name bezeichnet ein Dorf in der Heide. 1233 wird eine Schenke (taberna) erwähnt, ebenso eine Kirche, die damals 2 Hufen Land besaß. Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wiedererrichtet, erhielt das einfache Kirchengebäude 1798 einen barocken Dachreiterturm, 1861 Chor- und Sakristeianbau und 1901/02 den hohen Turm am Westgiebel. Im Inneren weist die hölzerne Ausstattung mit Kanzelaltar, Emporen und Gestühl auf den Stil des Ausgangs des 19. Jahrhunderts. Im Siedlungsbild von Heyda fallen große Vierseithöfe sowie weit oder eng gebaute Dreiseithöfe auf, während ehemalige Häusleranwesen an Zahl zurücktreten. In einigen Bauerngütern sind dreibogige (Nr. 12, 44) bzw. zweibogige Kumthallen (Nr. 11, 24) an den früheren Pferdeställen erhalten geblieben. Ein Beispiel, wie durch Ausbau eines Stallgebäudes neue Wohnungen geschaffen werden, ohne den Charakter des Vierseithofes zu beeinträchtigen, bietet Nr. 12, zugleich Verwaltungssitz der örtlichen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Eine Veränderung der Nutzung erfuhr das 1898 errichtete, 1903 vergrößerte Schulgebäude, nachdem seit 1971 auch die Klassen 1 bis 3 in Prausitz (s. Bd. 30, Oschatz, S 1) ihren Unterricht erhalten. Außer dem R a t der Gemeinde konnten dem Kindergarten und einer Konsumverkaufsstelle seit 1973 Räume zugewiesen werden. Im Jahre 1955 gründeten 10 Mitglieder mit 80 ha Nutzfläche die L P G T y p I I I Hand in Hand. Als diese sich 1968 mit der i960 ins Leben gerufenen L P G T y p III Heyda zur L P G Einigkeit zusammengeschlossen hatte, zählte man ungefähr 580 ha Land. Außer den Ställen in den früheren Bauernhöfen, so in Nr. 27 und 31, nutzt sie Anlagen von 1962 zur Rinder- und Schweinehaltung, eine 1973 errichtete Lagerhalle und Broilermastställe. Die Nutzfläche wird seit 1973 von der K A I ' Riesa-Göhlis bewirtschaftet (s. B 3). Als seltene Kulturen gedeihen Erdbeeren und Obstbäume in einer großen Plantage.

Elbtal

B

T a l f o r m und g e o l o g i s c h e r U n t e r g r u n d Vom Meißner Stadtteil Niederspaar bis nach Nünchritz durchfließt die Elbe eine Strecke von insgesamt 23 km, bis Zehren in Südost-Nordwest-Richtung, von da an von Süden nach Norden. Lediglich der Göhrischberg (s. H 2) zwingt den Strom auf einem kurzen Abschnitt zum südwest-nordöstlichen Verlauf. Landschaftlich vermittelt das Elbtal von Meißen bis Merschwitz —Althirschstein zwischen dem westlich anschließenden Mittelsächsischen Lößgebiet und dem östlich angrenzenden Großenhainer Land. Unterhalb von Althirschstein spricht man von dem Riesa— Torgauer Elbtal, einem Teil des Nordsächsischen Tieflandes (Abb. 1, s. Seite 3). Stromaufwärts, innerhalb des Lößgebietes, wechseln Form und Aufbau des Tales nur geringfügig. Entsprechend der Nordabdachung des Geländes verringern sich die relativen Höhen der Talhänge von 90 m bei Meißen auf 40 m bei Zehren und weiter unterhalb auf etwa 10 m bei Leckwitz. An den steilen Partien, nur 29

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B 1 unterbrochen durch den flachen Mündungsbereich des Gosebaches (s. H 7), steht das beherrschende Gestein, der Biotitgranodiorit (s. G 3), mit verschiedenen Ganggesteinen an. Es überwiegen Steinbruchwände, nur an wenigen Stellen erhielten sich natürliche Felspartien. Der Fels am Elbufer bei Merschwitz wird von präkambrischen Biotitgneisen gebildet, die von Großenhain über Skassa bis hierher zu verfolgen sind. Die Gesteine setzen sich aus Quarz, Kalifeldspat, Kalknatronfeldspat und Biotit zusammen, sind ausgesprochen diinnlagig und vielfach auch in kleine Falten gelegt. Diese Gefügeformen entstanden infolge stärkerer Temperaturerhöhung bei dem Absinken eines Gesteinskomplexes in größere Tiefen mit teilweiser Aufschmelzung mancher Bestandteile und sind typisch für migmatitische Gesteine. Die Breite der hauptsächlich als Grünland genutzten Talaue schwankt zwischen 250 und 600 m ; ihre intensive Bewirtschaftung wurde erst nach umfassenden Stromregulierungsarbeiten möglich (s. Seite 33). Zwischen Seußlitz und Merschwitz, vor allem aber unterhalb von Althirschstein, breiten sich ausgedehnte Flächen pleistozänen Lockermaterials aus, in die sich die Elbe eingeschnitten hat. Reste einer Mittelterrasse sowie die zusammenhängende Niederterrasse, beide oberhalb der rezenten Talaue, weisen auf verschiedene Perioden der Eintiefung hin. Ihre Entstehung kann den letzten beiden Warmzeiten zwischen den pleistozänen Kaltzeiten zugeschrieben werden. Da die Terrassen von Überflutungen kaum betroffen werden, nutzt man sie zum Feld- und Gartenbau.

Pflanzenwelt Wandert man an der Elbe entlang, dann ist eine Abfolge von Vegetationseinheiten zwischen Ufer und Talhang zu bemerken. Dem meist strauchlosen Uferstreifen schließt sich zum Damm hin ein Auewald an. Die Uferzone wird gekennzeichnet durch den Schnittlauch (Allium schosnoprasum), der als Stromtalpflanze überall auftritt neben dem Gänse- und Kriechenden Fingerkraut (Potentilla anserina, P. reptans), der Grasnelke (Armeriä maritima), verschiedenen Seggen (Carex), dem Geknieten Fuchsschwanz (Alopecurus geniculatus) und dem Wiesenalant (Inula britannica) mit seinen gelben Korbblüten. In den anschließenden Weidengebüschen mit Weidenarten, wie zum Beispiel der Korbweide (Salix viminalis), entfaltet sich eine artenreiche Krautschicht. Der Blutweiderich (Lythrum salicaria), das Rauhhaarige Weidenröschen (Epilobium hirsutum), der Gemeine Beinwell (Sympliytum officinalis), das Echte Seifenkraut (Saponaria officinalis) und viele andere Arten treten in diesem Dickicht auf, welches besonders durch die an clen Büschen hochwachsende Zaunwinde (Calystegia sepium) und den Gemeinen Hopfen (Humulus lupulus) sowie die Brennessel (Urtica dioica) oftmals schwer zu begehen ist. An der Oberkante des Hochufers kommen vor allem die Hartholzarten Stieleiche, Feld- und Flatterulme vor. Oberhalb eines ehemaligen Elbarmes befindet sich an der Straße zwischen Zehren und Niedermuschütz ein Restgehölz, das besonders durch einen Vertreter der montanen Bergmischwälder gekennzeichnet ist, das Waldbingelkraut (Mercurialis perennis),

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welches hier zahlreich a u f t r i t t und an anderen Stellen des Elbhügellandes noch B x nicht weiter nachgewiesen werden konnte. Der Wald setzt sich ansonsten aus Arten des Hainbuchen-Eichen-Mischwaldes zusammen. Neben der Hainbuche, der Stielund Traubeneiche treten die Esche, der Bergahorn und die Rotbuche auf. Die Feldulme und die Winterlinde weisen besonders auf warmes Sommerklima hin. In der Strauchschicht sind die Hasel (Corylus avellana), das Pfaffenhütchen (Euonymus europaea), der Zweigrifflige Weißdorn (Crataegus oxyacantha), der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) und am Waldrand die Schlehe (Prunus spinosa) festzustellen. Die Krautschicht entfaltet einen ausgesprochenen Frühjahrsaspekt mit Lungenk r a u t (Pulmonaria officinalis), Buschwindröschen (Anemone nemorosa), Goldnessel (.Lamium galeobdolon), Vielblütiger W'eißwurz (Polygonatum multiflorum), Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava), Gemeinem Moschuskraut (A doxa moschaiellina), Maiglöckchen (Convallaria majalis) und dem Knotigen Beinwell ( S y m p h y t u m tuberosum). In der wärmeren Jahreszeit sind dann das Hainrispengras (Poa nemoralis), die Echte Nelkenwurz (Geum urbanum), die Dreinervige Nabelmiere (Moehringia trinervia), die Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) und der Süßholztragant (Astragalus glycyphyllos) anzutreffen.

Tierwelt I m Elbtal bei Meißen konnten die Staubhafte, die mit einer Flügelspanne von nur wenigen Millimetern zu den kleinsten Netzflüglern gehören, nachgewiesen werden, und zwar die Arten Coniopteryx csbenpeterseni und Parasemidalis fuscipennis. Ihren deutschen Namen verdanken diese Tiere dem weißlichen Wachsüberzug, der allen Körperteilen puderartig aufliegt und ihnen ein charakteristisches Aussehen verleiht. An Geradflüglern wurden bisher festgestellt: die Waldschabe Ectobius lapponicus, der Zwergohrwurm Labia minor, der seltene Ohrwurm Apterygida albipennis, die Ameisengrille (Myrmecophila acervorum), die unter Steinen in Ameisennestern lebt und sich bei uns parthenogenetisch (Nachkommen entstehen aus unbefruchteten Eiern) fortpflanzt, trockenheitsliebende Heuschrecken, wie Tetrix bipunctata f. kraussi, Stenobothrus lineatus und Chorthippus mollis mollis. Im Elbtal kommen viele seltene Bockkäfer vor, wie Schwarzer Bergbock (Saphanus piceus), Halsbock (Leptura rubra), der sehr seltene Strangalia revestita, Rosthaarbock (Anisarthron barbipes), Holzwespenbock (Xylotrechus arvicola), Finnenbock (Oplosia fennica), Kragenbock (Anaesthetis testacea), Wipfelbock (Pogonocerus hispidulus) und die Pappelbockarten Saperda scalaris, Saperda punctata und Saperda octopunctata. Der Robuste Laufkäfer (Carabus ullrichi) verdient deshalb besondere Beachtung, weil die zahlreichen Funde wahrscheinlich durch Elbehochwasser aus dem böhmischen R a u m hierher verschleppt wurden. An großen Laufkäfern sind weiterhin zu verzeichnen: der Körnige Schaufellaufkäfer (Cychrus caraboides), der Lederlaufkäfer (Carabus coriaceus), der Goldlaufkäfer (Carabus auratus), der in den letzten Jahrzehnten unter dem Einfluß moderner agrotechnischer Methoden er31

B 1 heblich seltener geworden ist, der Körnige Laufkäfer (Carabus gra.nula.tus), einer der häufigsten Laufkäfer, ferner der Kurzgewölbte Laufkäfer (Carabus convexus), die Körnerwarze (Carabus cancellatus), der Hainlaufkäfer (Carabus nemoralis), der Gartenlaufkäfer (Carabus hortensis), der Glatte Laufkäfer (Carabus glabratus) und der Puppenräuber (Calosoma sycophanta). Die südeuropäische Netzwanze Tingis crispata, die sonst nur vom Odertal bekannt ist, konnte R E S S L E R (1968) hier nachweisen. Des weiteren wurden verschiedene Wanzen beobachtet, so die Erdwanze Sehirus morio, die seltene Baumwanze Pinthaeus sanguinipes, die seltene Graphosoma lineatum, die wärmeliebende Rhyparochromus vulgaris, die seltene Rhyparochromus albocuminatus und die weit verbreitete Rhyparochronius lynceus. Die erst seit wenigen Jahren in Mitteleuropa nachgewiesene Nacktschneckenart Boettgerilla vermiformis fand W O L F - D I E T R I C H B E E R um 1964 in einem aufgelassenen Steinbruch am Elbtalhang bei Meißen. An Brutvögeln kommen unter anderem der Mäusebussard, der Buntspecht, der Kernbeißer und die Schwanzmeise vor. Weiterhin ist die Vogelwelt beispielsweise durch Entenarten vertreten, ferner durch Habicht, Turmfalke und Dohle sowie durch Raben- und Nebelkrähe, Eichelhäher und Elster. Das Elbtal bietet auch Rehen, seltener Wildschweinen Lebensbedingungen. Stark vertreten sind — besonders in den aufgelassenen Steinbrüchen — Fuchs, Steinmarder sowie Großes und Kleines Wiesel. Außerdem kommen Hasen und Jagdfasanen vor ; die Bestände an Rebhühnern sind normal.

Strom Als Flußbett der Elbe wurde 1935 der Raum festgelegt, der bei einem Wasserstand von 3 m am Dresdner Pegel mit Wasser gefüllt ist. Auf diese Meßstelle bezogen, gelten für den Strom folgende mittlere Abflußwerte in m3/s (Jahresreihe 1951/60) : Niedrigwasser 85, Mittelwasser 246, Hochwasser 1440. Um die für die Schiffahrt nötige Tiefe möglichst gleich zu halten, bedienen sich die Wasserwirtschaftler der Staustufen in der CSSR. Vor dem Bau dieser regulierbaren Vorrichtungen sowie vor den umfassenden Stromkorrekturen bedrohten sommerliche und winterliche Überflutungen mit Eisgängen fast alljährlich die anliegenden Orte (s. B 3, B 4). In ausführlichen Darstellungen berichten Chronisten und Augenzeugen von den oft verheerenden Folgen solcher hohen Wasserstände. So schildert P Ö T Z S C H (1800) Einzelheiten von dem „Hochwasser mit Eisfahrt" Ende Februar 1799, bei dem allein in Meißen 55 Ställe, 35 Schuppen, 33 Wohnhäuser, 7 Seitengebäude und 2 Scheunen „total ruiniert" wurden. Mit Geschossen versuchte man damals die Eismassen auseinanderzusprengen, um das Wasser zum Ablaufen zu zwingen. Marken in Meißen, Seußlitz (s. E 7), Boritz (s. B 3) und Nünchritz (s. B 4) weisen auf hohe Wasserstände, vor allem in den Jahren 1845 und 1890. Um Boote und Schiffsmühlen vor den Eismassen zu schützen, suchten die Schiffer Zufluchtshäfen auf, sogenannte Weichen oder Mühlhäfen, wie sie in der Ketzerbachmündung bei Zehren und in der Hirschsteiner Lache vorhanden waren. Zur Warnung vor heranschwim-

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mendem Eis gab man akustische und optische Signale stromabwärts, wie sie noch B 1 in Bestimmungen von 1863 enthalten sind. U m die natürlichen Bedingungen für die Schiffahrt zu verbessern und um anliegende Nutzflächen und Anwesen vor Zerstörungen zu schützen, verfügte der Staat schon früh Maßnahmen zur Eindeichung der Elbe, so in einem Mandat von 1563, das ihm auch den uneingeschränkten Besitz von Inseln und Hegern einräumte. Sie blieben aber im wesentlichen Stückwerk, bis Anfang des 19. Jahrhunderts Altwässer und Nebenrinnen systematisch trockengelegt, Inseln angelandet und Schutzdämme errichtet wurden. Besonders umfangreiche Arbeiten erforderten die Abschnitte in der Rauhen Furt bei Niedermuschütz (1822—1823 sowie 1862 — 1863), in der Klosterschwebe bei Meißen (1845—1846), bei Hirschstein und Merschwitz (1860 — 1863) sowie bei Zadel und Zehren (1864—1870). Zwischen der Karpfenschenke und Zehren gewann man durch die Korrektur eine Fläche von 19 ha, bei Hirschstein und Merschwitz von 8,8 ha, wo auch Dämme von je 1200 m Länge entstanden. Schwerpunkte bei der heutigen Erhaltung und Instandsetzung des Strombettes sind die Ufer, deren abgerutschtes oder abgebrochenes Material ersetzt wird. Seitdem die Steinbrüche am Bösen Bruder (s. E 10) und an der Karpfenschenke (s. L 2) ihren Betrieb eingestellt haben, wird ausschließlich Granodiorit aus der Oberlausitz als Baumaterial verwendet. Anhäufungen von Schlamm, Sand und Schottern werden von Schwimmbaggern beseitigt, die das Material anlanden, wie oberhalb der Meißner Eisenbahnbrücke, bzw. Vertiefungen im Flußbett verfüllen. Hochwasserschutzdeiche gibt es linkselbisch ab Boritz, rechtselbisch von Nünchritz an. Veränderungen größeren Ausmaßes erfolgten am Ufer in Meißen 1933/34, a l s die Kaianlagen und der ihnen gegenüberliegende Winterhafen erbaut wurden. Der Strom diente von jeher der Schiffahrt, zunächst Segelbooten, später Kettenschleppschiffen, schließlich dampf- und dieselgetriebenen Transport- und Fahrgastschiffen. Als 1870 die Elbkette von Hamburg bis Böhmen gelegt wurde, erübrigte sich die Arbeit der Schiffszieher, der Bomätscher, die in Merschwitz (s. E 5) einen Hauptsitz hatten und an die heute noch die Leinpfade entlang der Elbe erinnern. Mit welchen witterungsbedingten Schwierigkeiten die Schiffsführcr bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts zu rechnen hatten, zeigt eine Aufstellung mit der mittleren Anzahl von Tagen pro Jahr, an denen die Schiffahrt ruhte. Im Zeitraum von 1876 bis 1880 waren es 74,8 Tage, von 1921 bis 1925 jedoch nur noch 36 ( E B E L I N G 193°) • Seitdem aus Fabriken und Gemeinden in verstärktem Umfang Wässer in die Elbe eingeleitet werden, die mechanische, chemische und biologische Abprodukte enthalten, hat sich die Eisbildung — auch in kalten Wintern — erheblich verringert. So können die Schiffe, die Schlepp- und Schubzüge der D D R und der CSSR fast ganzjährig im Einsatz bleiben. Völlig verschwunden sind seit etwa 1860 die Schiffsmühlen. Auf dem Atlas von O B E R R E I T (zwischen 1821 und 1843) sind solche bei Meißen-Neudörfchen, MeißenNiederfähre, Niedermuschütz, Hebelei bei Niederlommatzsch, Althirschstein (s. E 1) und Boritz (s. B 3) eingetragen. Ebenfalls können keine Holzflöße auf der Elbe mehr gesichtet werden, die früher aus Böhmen und der Sächsischen Schweiz nach

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B 1

Sachsen sowie bis nach M a g d e b u r g g e f ü h r t wurden. Noch 1880 hieß es, daß dieses Gewerbe auf der E l b e v o n großer B e d e u t u n g sei. 1886 erreichten v o n 1633 bei B a d Schandau registrierten F l ö ß e n lediglich 270 die preußische Grenze bei Strehla (KRATZMANX 1888). Somit k a n n auf die hauptsächliche V e r a r b e i t u n g des R o h s t o f f e s innerhalb v o n Sachsen geschlossen werden.

B 2 Schänitz, seit 1935 Ortsteil v o n B o r i t z , liegt wie das Oberdorf seiner H a u p t g e m e i n d e auf der Niederterrasse der Elbe, die bisher nur bei außergewöhnlich hohen Wasserständen ü b e r s c h w e m m t wurde, so 1784 (PÖTZSCH). L e h m in der E l b a u e sowie sandiges und lehmiges Material auf der Terrasse bedecken die Flur. A n der Grenze zur benachbarten G e m a r k u n g H e y d a weist der F l u r n a m e B e i den T a n n e n auf frühere V e g e t a t i o n hin. Der Ort wird in einer U r k u n d e v o n 1311 Scheniz genannt. Der altsorbische N a m e l ä ß t mehrere D e u t u n g e n zu : Dohlenort (cava = Dohle), Sauerampferort (Scava = Ampfer) oder die L e u t e des San oder Can. 1428 verzeichnet eine Aufstellung die zur Parochie B o r i t z zählenden Dörfer, darunter a u c h Czenitz. Seine B e w o h n e r waren — wie die der meisten umliegenden Orte — gehalten, den Garbenzehnt an ihre Grundherrschaft, die Meißner Dompropstei, abzuliefern. Diese N a t u r a l a b g a b e wurde 1791 in eine Geldleistung umgewandelt. V o n den 10 B a u e r n im Jahre 1683 gab es 1764 nur noch 7, v o n denen 1840 m i t der beginnenden kapitalistischen E n t w i c k l u n g auf dem L a n d 2 jeweils 2 G ü t e r besaßen (GÜNTHER 1964). V o n den drei-, weniger vierseitigen früheren Bauernhöfen haben sich die meisten bis in die G e g e n w a r t erhalten. Zur V i e h h a l t u n g n u t z t die L P G 20. Jahrestag B o r i t z (s. B 3) beispielsweise Ställe bei Nr. 2. D u r c h A u s b a u v o n Scheunen bzw. Ställen konnte zusätzlicher W o h n r a u m geschaffen werden, so bei Nr. 11 und Nr. 14. In das G e h ö f t Nr. 3 führen 1 R u n d b o g e n t o r und 2 R u n d b o g e n p f o r t e n . V o n einer Holländerwindmühle an der Straße nach L e u t e w i t z ist lediglich der S t u m p f verblieben.

B 3 Boritz, K r e i s Riesa, wird durch ein als Wiese genutztes altes E l b e h o c h w a s s e r b e t t in ein Nieder- und ein Oberdorf g e t e i l t ; eine Senke f ü h r t den N a m e n Schinderloch. D e r tiefer gelegene Ortsteil schließt unmittelbar an die rezente Ü b e r s c h w e m m u n g s a u e an und setzt sich aus Kirche, Pfarre, Schule sowie wenigen Häusern zusammen. U m den früher fast in j e d e m Jahr eintretenden Hochwassern und Eisfahrten zu entgehen, verlegten die meisten B a u e r n im 19. Jahrhundert ihre Gehöfte an den R a n d des e t w a 5 m höheren Ortsteils. Hochwassermarken, wie die v o n 1890 an der Scheune des früheren Gasthauses nahe der heutigen K a h n f ä h r e Merschwitz — Boritz, legen Zeugnis ab v o n den Überflutungen. A u f z e i c h n u n g e n der ortsansässigen Bauernfamilie Hanefeld über den Zeitraum v o n 1803 bis 1898 (veröffentlicht in A u s z ü g e n durch MARTIN GÜNTHER

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1964) berichten beispielsweise vom 7. September 1890 : „ D e r Friedhof, die Gärten B 3 und Wiesen, ja der ganze Ortsteil um die Kirche standen derart unter Wasser, daß tagelang der Verkehr nur auf Kähnen möglich w a r . " So wie der Ort litten die angrenzenden Teile der Flur unter den Folgen der Überschwemmungen. Viele Gärten und kleine Feldflächen werden von Stützmauern umgeben, die einen geringen Schutz verschaffen. Die übrigen Äcker von Boritz liegen auf der Niederterrasse, die aus teils mehr lehmigem, teils mehr sandigem Material besteht. Flurnamen weisen auf frühere besitzrechtliche Besonderheiten, wie Hofefeld, Zweihufenstücken, oder auf Bewachsung bzw. Nutzung, so Heydegründe, Steinlehden, Mittel- und Großbüsche. Boritz muß sehr früh gegründet worden sein, erscheint doch in einer Urkunde von 983 der Burgward Boruz. Der altsorbische Name kann als Ort am bzw. im Kieferholz oder als Dorf eines Boruch bzw. Borus erklärt werden. Die in derselben Urkunde erwähnte villa Setleboresdorf dürfte als Ortswüstung im Burgward anzusehen sein, ist aber nicht lokalisierbar ( E I C H L E R U . W A L T H E R 1966/67). Dem Domstift zu Meißen unterstand in Boritz ein 8 Hufen umfassendes Vorwerk. Aus einer Aufstellung von 1 7 9 1 ( G Ü N T H E R 1964) geht hervor, daß der bis dahin an das Meißner Domkapitel abzuliefernde Garbenzehnt in Geldabgaben umgewandelt wurde. Die Ufer der etwa 150 m breiten Elbe werden bei Boritz mit Hilfe von Fähren verbunden. Schon die Hohe Straße von der Oberlausitz in das Salzgebiet von L e i p z i g Halle querte im Merschwitz —Boritzer Gebiet die Elbe (s. E 5). Bereits in der Urkunde von 983 erhielt das Bistum Meißen den Zoll der Kaufleute geschenkt, die zwischen Belgern und Meißen den Strom überschritten. Eine weitere Fähre stellte die Verbindung zwischen Boritz und Leckwitz (s. B 6) her. Die Elbe bei Boritz war auch Standort einer Schiffsmühle, die 1594 ihre Mahlkonzession erhielt. 1 7 1 1 mahlte sie mit einem G a n g ; am 1. Februar 1854 sank sie bei einer schweren Eisfahrt. Eine Kirche wird 1259/1260 (?) genannt. Die spätere Pfarrkirche verfügte 1540 über einen bedeutenden Einzugsbereich: Alt- und Neuhirschstein, Bahra, Böhla, Nieder- und Oberlommatzsch, Schänitz, Voraue und Vorwerk. Einer der Pfarrer war Magister J O H A N N F R I E D R I C H U R S I N U S , der — 1 7 3 5 in Meißen geboren — von 1 7 7 2 bis zu seinem Tode 1796 in Boritz lebte. Von seinen gedruckten Schriften sei die 1782 erschienene „Geschichte der Domkirche zu Meißen" genannt; seinen umfangreichen handschriftlichen Nachlaß bewahrt die Sächsische Landesbibliothek in Dresden auf. Das jetzige Bauwerk wurde inmitten eines großen ummauerten Friedhofs 1754/55 über einer kleineren, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirche errichtet. Am Ostabschluß erhebt sich der 1888 geschaffene Turm in neugotischem Stil mit schiefergedeckter hoher Pyramide, dazu mit 2 lebensgroßen Apostelfiguren aus Kalkstein. Im Inneren der Kirche reichen die hölzernen zweistöckigen Emporen bis zur Altarwand und überdecken 2 Betstuben. Der spätgotische Flügelaltar von 1520, der dem Meister des Döbelner Hochaltars zugeschrieben wird, wurde erst 1886 aus den am früheren Kanzelaltar verteilt gewesenen bemalten Schnitzereien wieder aufgebaut. 2 weitere Flügel hängen in der Sakristei im Turm. Unmittelbar neben der Kirche steht das 1863 erbaute Schulgebäude (Nr. 33). Ein

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B 3 Schulmeister wurde erstmals 1577 erwähnt. 1895 erfolgte eine Erweiterung von 2 auf 4 Klassen. Seit 1950 dient die inzwischen zur Zentralschule — jetzt polytechnischen Oberschule — erhobene Einrichtung auch den Schülern aus Bahra und Leutewitz zum Unterricht. 1955 machte sich ein Erweiterungsbau neben dem alten notwendig. Von alter Bauweise hat sich im Dorf nur weniges erhalten. Aus dem Oberdorf seien die dreibogige Kumthalle an der Hofseite des Gasthauses Goldenes Lamm sowie das Fachwerkobergeschoß und der Türschlußstein (1799 G.G.G.) an der Dorfschmiede (Nr. 22) genannt. An der Straße von Boritz nach Schänitz ist inmitten einer kleinen Blumenanlage ein frühmittelalterliches Steinkreuz in Malteserform erhalten. Bei etwa 1,32 m sichtbarer Höhe und 1,08 m Armbreite zeigt es an der Vorderseite 2 Zapfenlöcher, die vermutlich einen körperhaften Zierat festhielten. Ein 1945 enteigneter 40 ha großer bäuerlicher Betrieb bildete die Keimzelle der 1953 gegründeten L P G T y p I I I Immer bereit mit 102 ha Nutzfläche. Mit dieser vereinigten sich 1969 die L P G Freiheit (s. E 2) und die beiden i960 ins Leben gerufenen LPGs T y p I Boritz und Schänitz zur L P G T y p III 20. Jahrestag. Diese nutzt neue Ställe für Milchkühe, Bergeräume und Silos an der Straße nach Schänitz. In der Nähe befindet sich der Maschinen- und Reparaturstützpunkt, der der kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion mit ihrem Sitz in Riesa-Göhlis angeschlossen ist. Aus der Zeit um 1956 stammt das Mehrfamilienwohnhaus Nr. 46, neben dem 1973 ein weiteres bezogen wurde. Die K A P bearbeitet seit ihrer Gründung im Jahre 1973 die landwirtschaftliche Nutzfläche der LPGs 20. Jahrestag Boritz (1246 ha), Einigkeit Heyda (653 ha), Riesa-Poppitz (563 ha) und Frohe Zukunft Nickritz (172 ha) sowie einen Teil der Fläche vom V E G Riesa-Göhlis (375 ha). Um die Erträge steigern zu können, entstanden seit 1969 Anlagen zur Beregnung mit Wasser aus der Elbe und der Jahna. Schwerpunkte beim Anbau von Feldfrüchten waren 1974 Kartoffeln (545 ha), Roggen (460 ha), Weizen (337 ha) und Wintergerste (312 ha). Gut gedeihen auch Feldgemüse, wie Möhren, Rosenkohl und Tomaten, ferner Mohn, Gurken und Erdbeeren. Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel streut das Agrochemische Zentrum in Prausitz (s. Bd. 30, Oschatz, S 1).

B 4 Nünchritz, Kreis Riesa, wird von S C H I F F N E R (1840) mit 612 Einwohnern als größtes Dorf im damaligen A m t Großenhain bezeichnet. Die Länge der nur wenige Meter über der Elbaue liegenden Reihe aus kleinen früheren Bauernwirtschaften beträgt 500 m. 200 bis 700 m abseits der Elbe und 4 bis 8 m über der Niederterrasse ziehen sich Häuserreihen auf knapp 3 km hin. Eine beträchtliche Ausdehnung erfuhr der Ort seit Anfang des 20. Jahrhunderts nach Südosten durch den Aufbau des heutigen V E B Chemiewerk Nünchritz. Zwischen dem Ort und der chemischen Fabrik kam ein Gräberfeld der Bronzezeit und der germanischen Latenezeit (letzte Jahrhunderte v. u. Z.) mit reichen Metall-

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beigaben zum Vorschein. Im Gelände des chemischen Betriebes und der nächsten Umgebung befanden sich Siedlungen der jungsteinzeitlichen Bandkeramik, Grabfunde der Latenezeit und der ältesten Slawen (Urnengräber des sogenannten Prager T y p s vom Ende des 6. Jahrhunderts). Die Bewohner des 1312 Ninckariz ( = die Leute des Slawen Nemochor) genannten Dorfes nutzten die Elbe bis ins 19. Jahrhundert zum Broterwerb, anfangs als Fischer, später — besonders im 17. und 18. Jahrhundert — als Schiffer. Eine 1692 erbaute Schiffsmühle lag in einer Einbuchtung in der Höhe vom Gehöft A m Ufer 11. Eine Fähre wurde 1713 von 2 Nünchritzern bedient. Heute verbindet ein gemeindeeigenes Fährboot den Ort mit dem gegenüberliegenden Leutewitz. An das Schiffergewerbe erinnert ein Stein mit eingemeißeltem Kahn, Initialen und der Jahreszahl 1809, der in der Hochwasserschutzmauer des Anwesens A m Ufer 11 eingelassen ist. Hier wie an der Mauer des Nachbargrundstücks weisen Marken auf das beträchtliche Hochwasser von 1890 hin. In dieser Zeit reichte der Strom bis etwa zur heutigen Meißner und Riesaer Straße, so daß auf der Terrassenoberkante gefahren und gelaufen werden mußte. Als Hochwasserweg lebt die Verbindung noch als Straßenname fort. Von der Flur blieben infolge der Bebauung bis auf den heutigen Tag nur geringe Flächen übrig, besonders auf der weichselkaltzeitlichen Niederterrasse und im Gneiskuppengelände östlich der Eisenbahnlinie. An den nach Südwesten gerichteten Hängen bestanden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Rebanlagen. Bereits 1666 wurde ein Winzerhaus erwähnt. An den zweiten Weltkrieg erinnert ein Friedhof mit Ehrenmal für 15 sowjetische Soldaten, die ihren Verwundungen erlagen, i960 gründeten die Bauern von Nünchritz eine L P G T y p I, die sich 1973 der L P G T y p I I I Vereinte K r a f t Glaubitz anschloß. Aus der früheren MTS ging der Kreisbetrieb für Landtechnik hervor. Eine bauliche Erweiterung und eine tiefgreifende Veränderung der Sozialstruktur erfuhr Nünchritz mit dem Bau des Zweigwerkes Weißig der Firma von Heyden A G (s. Bd. 22, Lößnitz, P 1.11) zur Herstellung chemischer Produkte in den Jahren 1900 bis 1905. Für die Errichtung des Unternehmens waren mehrere Gründe bestimmend. Aus der Elbe entnimmt das Werk Brauchwasser, und auf dem Wasserweg werden Rohstoffe angeliefert, die eine weithin sichtbare Verladebrücke an Land befördert. Von der Bahnstation Weißig der Linie Dresden — Leipzig führt ein Anschlußgleis in den Betrieb. Vorteilhaft wirkten ferner der billige Baugrund sowie die vorhandenen Arbeitskräfte in den rechtselbischen Dörfern. A m 1. Oktober 1909 eröffnete man nahebei einen Füllplatz für Ballons. Nach der Demontage 1945 bis 1946 wurde das Werk neu errichtet. Hergestellt werden heute Schwefel-, Salzund Chlorsulfonsäure, Natronlauge sowie als neue Produkte Silikon- und Fluorkarbonerzeugnisse. Unter den seit vielen Jahren geschaffenen Erweiterungen sei die durch ein polnisches Unternehmen gebaute weitere Schwefelsäureanlage genannt. Aber auch zur Beseitigung von Abprodukten wurden Vorrichtungen geschaffen, so ein Schlammauflandeteich. Moderne Wohnunterkünfte für ausländische Facharbeiter sowie eine neue Betriebsberufsschule mit Internat ergänzen die betrieblichen Einrichtungen. Der Hauptanteil der im Werk Beschäftigten wohnt in Nünchritz, deren Zahl durch 4

Elbtal

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viele Pendler aus umliegenden ländlichen Orten erweitert wird (Abb. 12). Ein gut ausgebautes Straßennetz ermöglicht die An- und Abfahrt entweder mit öffentlichen, betriebseigenen oder privaten Kraftfahrzeugen. Viele Einwohner wählten Nünchritz als Wohnsitz, von dem aus sie täglich die benachbarten Verwaltungsbzw. Industriezentren Riesa und Zeithain erreichen. 1971 betrug dieser Personenkreis etwa 45 % der im Ort wohnenden wirtschaftlich Tätigen.

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Abb. 12. Einzugsgebiet der Arbeitskräfte des V E B Chemiewerk Nünchritz 1967 (nach R A U T E N B E R G 1968) Bo

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U m die Beschäftigten des Chemiewerkes anzusiedeln, bedurfte es umfassender Wohnungsbauten (Bild 18). Die Doppelhäuser an der Gartenstraße, am Hochwasserweg und die Mehrfamilienhäuser an der Friedrich-Ebert-Straße, an der Großenhainer Straße und an der Justus-von-Liebig-Straße — alle aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts — reichten nicht mehr aus. Zunächst entstanden Wohnblocks der Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaft, so am Justus-von-LiebigRing etwa i960. Ein neues Viertel mit 815 Wohnungen sowie mit Kaufhalle,

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zehnklassiger Oberschule und K i n d e r g a r t e n - K i n d e r k r i p p e - K o m b i n a t i o n k a m seit 1968 im G e b i e t v o n K a r l - M a r x - S t r a ß e , K a r l - L i e b k n e c h t - R i n g , W i l h e l m - P i e c k - S t r a ß e und G a r t e n s t r a ß e hinzu, w o d u r c h sich das Aussehen v o n N ü n c h r i t z als sozialistische W o h n s i e d l u n g völlig veränderte. M i t der E i n w e i h u n g der neuen Oberschule k o n n t e die 1904 in der Schulstraße errichtete zu einem weiteren K i n d e r g a r t e n umund a u s g e b a u t werden. Seit 1973 ist N ü n c h r i t z der Sitz eines Gemeindeverbandes, dem Glaubitz, Colmnitz, Peritz, Merschwitz, Diesbar-Seußlitz, G ö l t z s c h a und W e i ß i g angehören. S c h w e r p u n k t e seiner A r b e i t bestehen beispielsweise in der V e r s o r g u n g der B e v ö l kerung, in der Organisierung der politischen Massenarbeit, auf dem Gebiet des k o m plexen W o h n u n g s b a u e s , der B a u r e p a r a t u r e n und des Straßenwesens. A b e r a u c h F r a g e n v o n Ordnung, Sicherheit, B r a n d s c h u t z und Zivilverteidigung h a t der V e r b a n d m i t zu lösen.

Leckwitzer Schanze (Bild 19)

B

Die slawische W a l l a n l a g e — auch Schwedenschanze g e n a n n t — liegt auf der hohen Terrasse über dem E l b u f e r und h e b t sich deutlich v o n der U m g e b u n g ab. E h e m a l s bestand die A n l a g e aus einem geschlossenen ovalen W a l l auf einer Gneisklippe, die elbseitig einem Steinbruchbetrieb z u m Opfer fiel, aber t r o t z d e m noch A u s m a ß e v o n 120 m x 80/90 m a m F u ß e bei W a l l h ö h e n v o n mehr als 10 m an der A u ß e n front besitzt. I m K o r d e n schließt sich etwas flacher eine ebenfalls m i t einem W a l l geschützte V o r b u r g an, die e t w a 70 m in der L ä n g e und bis 140 m in der Breite m i ß t . N a c h den F u n d e n zu urteilen, sind beide A n l a g e n sehr intensiv und o f f e n b a r a u c h über eine verhältnismäßig lange Zeit b e w o h n t gewesen. Die B e f e s t i g u n g wurde im 9. J a h r h u n d e r t errichtet und mindestens bis ins 13. J a h r h u n d e r t benutzt. Sicherlich w a r L e c k w i t z im 9. und noch im A n f a n g des 10. Jahrhunderts, also v o r der deutschen E r o b e r u n g des Gebietes, der M i t t e l p u n k t eines B e z i r k e s (civitas). D i e L e c k w i t z e r Siedlungskammer w ä r e dann einer der 14 Bezirke, die der sogenannte B a y r i s c h e Geograph in der Mitte des 9. Jahrhunderts f ü r den G a u Daleminze verzeichnet. D a s gesamte H o c h u f e r der E l b e v o m Gebiet nordöstlich der Schanze bis n a c h K l e i n l e c k w i t z weist auf einer L ä n g e v o n e t w a 1 k m durchgehend slawische Besiedlungsreste auf. H i n z u k o m m e n für den R a u m südlich der Schanze und u m K l e i n l e c k w i t z Besiedlungsnachweise schon f ü r die Mittelsteinzeit, v o r allem aber f ü r die Jungsteinzeit, die Bronzezeit und die frühe Eisenzeit (auch Gräber). E b e n f a l l s liegen R e s t e seßhafter B e w o h n e r aus den ersten Jahrhunderten unserer Z e i t r e c h n u n g und der slawischen Periode vor. D e r Untergrund der Schanze besteht aus Sandlöß, der hier den Gneis v e r d e c k t u n d einen hohen K a l z i u m g e h a l t aufweist. D a s K l e i n k l i m a der sonnigen H ä n g e begünstigt b e s t i m m t e Pflanzenarten, so daß die E r h e b u n g zu einem botanischen A n z i e h u n g s p u n k t geworden ist. V o r allem Vertreter der H a l b t r o c k e n - und S a n d trockenrasengesellschaften sind hier anzutreffen. Steppensalbei (Salvia nemorosä). Großer Ehrenpreis (Veronica teucrium), Gemeine Sichelmöhre (Falcaria vulgaris) 4*

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B 5 und B u n t e K r o n w i c k e (Coronilla varia) können als Beispiele der Trockenrasengesellschaften g e n a n n t werden. W o Felspartien eines ehemaligen Steinbruches die Schanze begrenzen, finden folgende A r t e n günstige S t a n d o r t b e d i n g u n g e n : der F ä r b e r w a i d (Isatis tinctoria), verschiedene F e t t h e n n e a r t e n und die Feldulme. A m R a n d des angrenzenden Birkenwaldes, der sich auf F l u g s a n d d ü n e n ausgebild e t hat, sind V e r t r e t e r der Sandgrasfluren m i t dem Silbergras (Covynephorus canescens), dem K n o r p e l l a t t i c h (Chondrilla juncea) und dem Kleinen V o g e l f u ß (Ornithopus perpusillus) zu finden. E i n e weitere A r t dieser Gesellschaft, die Violette Königskerze (Verbascum phoeniceum), gedeiht ebenfalls unweit der Schanze.

B 6 Leckwitz, seit 1974 Ortsteil v o n Merschwitz, setzt sich aus 3 verschieden alten Teilen zusammen : dem D o r f k e r n a m Nordufer des Großen Teiches, den jüngeren W o h n h ä u s e r n rings um den Sandberg bis zur R o s e n m ü h l e sowie den Siedlungsreihen a m Schulweg und Schiffersteig, auch K l e i n l e c k w i t z oder K a t z e n j a m m e r genannt. D e r alte O r t mit dem Straßennamen D o r f r i n g w u r d e 1378 Legkewicz geschrieben. Die E n t s t e h u n g des altsorbischen Namens ist ungeklärt, k ö n n t e aber O r t an der K r ü m m u n g , B i e g u n g bedeuten, zu = biegen. A u s den A b l ö s u n g s v e r h a n d l u n g e n m i t dem Lehnhof Hirschstein im Jahre 1844 geht hervor, d a ß es damals im O r t 3 Zweihufen-, 2 E i n h u f e n g ü t e r und 1 Viertelhufengut, ferner 2 Gärtnernahrungen und 1 Häusleranwesen sowie je 1 W i n d - und W a s s e r m ü h l e gab. B e i der W a s s e r m ü h l e h a n d e l t es sich um die Teich- oder Rosenmühle, die — 1547 erstmals genannt — 1721 über einen Mahlgang v e r f ü g t e . D a s Dreiseitgehöft erhebt sich oberhalb der T a l a u e dort, w o der D o r f b a c h die E l b e erreicht. Sein Besitzer w a r im 18. J a h r h u n d e r t gleichzeitig noch Schiffshändler und königlicher Fährenpächter. D a s Antriebswasser k a m v o m Großen T e i c h und setzte bis zur Einstellung des Betriebes um i960 zuletzt die T u r b i n e in B e w e g u n g . F r ü h e r w a r der Mühle eine B ä c k e r e i angeschlossen, die ihr bei den Elbschiffern den N a m e n K u c h e n m ü h l e eing e b r a c h t hatte. V o n der R o s e n m ü h l e aus v e r b a n d seit mindestens 1650 eine F ä h r e den O r t mit B o r i t z . D a s inzwischen abgebrochene F ä h r h a u s sowie die N a m e n Fährweg, E l b w e g und Schiffersteg weisen auf die frühere B e d e u t u n g der E l b e für Verdienstmöglichkeiten der E i n w o h n e r hin. I m Siedlungsbild des alten Ortes herrschen Drei- und Vierseithöfe vor, deren Besitzer sich mit B e g i n n der örtlichen genossenschaftlichen E n t w i c k l u n g , also seit i960, der L P G in W e i ß i g (s. C 1) anschlössen. Neue Ställe für die Schweinezucht errichtete die L P G a m Ortsrand nahe dem umfänglichsten Gehöft, das aus dem 1501 genannten V o r w e r k hervorgegangen sein dürfte. Zwischen dem G a s t h a u s K n o r r e und der Rosenmühle reihen sich an der Rosenmühlstraße Vier-, Zwei- und Einfamilienhäuser aneinander, deren älteste 1909 bis 1914 entstanden. A n der R o s e n m ü h l s t r a ß e befindet sich eine Gärtnerei. Sie gehört zu der 1961 gegründeten G P G Auf der Höhe, zusammen m i t Betrieben in Seußlitz

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(s. E 7), Merschwitz, Zschaiten und Roda. Ihre überwiegend sandige Nutzfläche B 6 auf dem Sandberg und südlich v o m Großen Teich beregnet sie mit Wasser aus dem Großen Teich.

Naundörfchen, seit 1974 Ortsteil von Merschwitz,

B 7

besetzt den südlichen Talrand eines zur Elbe entwässernden Baches. E t w a 500 m südöstlich v o m W o h n p l a t z lag ein größeres Gräberfeld der mittleren bis jüngeren Bronzezeit. In den Urnen befanden sich Tonperlen sowie bronzene Messer, Nadeln und Ringe. Der Ortsname — 1445 Xuwendorf — weist auf eine späte Gründung. Ein Vorwerk wurde hier kurz vor 1520 errichtet, nach dem Dreißigjährigen Krieg durch 6 H u f e n Bauernland und einen Weinberg vergrößert und nach 1840 zu einem selbständigen Rittergut mit Spiritusbrennerei erklärt (MÖRTZSCH 1935). V o n 1920 bis zur Enteignung 1945 unterstanden die Anlagen dem sächsischen Wirtschaftsministerium. Einer Bodenartenkarte von HÄRTEL (1928) zufolge liegt über pleistozänen Kiesen eine 3 bis 15 dm mächtige Sanddecke, worauf der Flurname Sandschläge südöstlich v o m Ort hinweist. Der Flugsand gehört einem zusammenhängenden Saum von Nünchritz über Göltzscha bis nach Strießen an. In Richtung W e i ß i g —Skassa folgt brauner bis gelblich-grauer Flugsand, dessen Lehmgehalt die Bodenqualität verbessert. Nordwestlich von Naundörfchen erhebt sich der Ochsenberg k a u m über seine U m g e b u n g ; er baut sich aus Gneis auf. 1945 erhielten landarme Bauern (1901 gab es nur 4 Gutsbesitzer, aber 10 Rittergutsarbeiter) und Neubauern Grund und Boden. An den W e g e n nach Skassa und nach Göltzscha entstanden neue Gebäude. V o n Beginn der genossenschaftlichen E n t w i c k l u n g an hielten sich die Bauern nach Weißig (s. C 1), dessen L P G im ehemaligen G u t einen Milchviehstall nutzt.

Göltzscha, Kreis Riesa

B 8

D a s knapp 1 k m lange Dorf zieht sich am nördlichen R a n d einer flachen Wiesenmulde hin, deren B a c h an 2 Stellen zu Teichen angestaut wird. Unterhalb des einen Weihers steht die Obermühle, die bis 1963 als elektrisch betriebene Schrotmühle arbeitete. A n die Stelle der zweiten, der Damm-Mühle, trat ein Wohnhaus. Den Mühlteich gegenüber gestalteten die Einwohner zu einem 1971 eingeweihten B a d , das auch von den Urlaubern im Diesbar-Seußlitzer R a u m genutzt wird. Während 1406 von 10 H u f e n Land in Golczkewicz (die Leute des Slawen Goiöek) zu lesen ist, lag der Ort nachweisbar 1465 wüst, ebenso im 16. Jahrhundert. Später muß eine Neubesiedlung erfolgt sein, werden doch 1628 wieder insgesamt 5 Bauern, 1682 sogar 20 Häuser und 2 Mühlen genannt. Interessant erscheint eine Aufstellung von 1901 (LEBER 1974), aus der die damalige sozialökonomische Gliederung hervorgeht. E s wohnten neben 35 Wirtschafts- und Hausbesitzern im Ort 17 Maurer, 4 Zimmerleute, 3 Bahnarbeiter sowie je 2 Müller, Schuhmacher, Handarbeiter,

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B 8 K o r b m a c h e r und Handelsleute, ferner je 1 B ä c k e r , B a h n w ä r t e r , Baumeister, Gasthofbesitzer, B a g g e r e r und Schiffer. B a u l i c h setzt sich Göltzscha aus kleinen W i r t schaften, meist Winkelhöfen, an der D o r f s t r a ß e sowie aus Siedlungshäusern a m W e g n a c h W e i ß i g zusammen. I m Verlauf der B o d e n r e f o r m erhielten 1945 einige B a u e r n zusätzliches L a n d v o m S t a a t s g u t Naundörfchen, dessen G e m a r k u n g im N o r d e n an die F l u r Göltzschas ang r e n z t . i960 schlössen sich die B a u e r n zu 2 L P G s T v p I Göltzscha und B u n d s c h u h zusammen. N a c h ihrer Vereinigung 1964 schufen sie sich eine Trockenhalle. Seit 1970 arbeiten sie in der L P G Frieden W e i ß i g (s. C 1). Die Einwohner, v o n denen die B e r u f s t ä t i g e n f a s t alle einer B e s c h ä f t i g u n g außerhalb des Ortes nachgehen, errichteten ein K u l t u r h a u s , D o r f s t r a ß e 29. I h m gegenüber (Nr. 28) steht ein neues G e b ä u d e , in dem der R a t der Gemeinde, der K i n d e r g a r t e n und ein Arztsprechzimmer untergebracht sind.

C 1 Weißig, K r e i s Riesa, liegt auf einem s c h w a c h n a c h Südwesten geneigten breiten R ü c k e n in 125 m ü. N N . Seine überwiegend dreiseitigen B a u e r n g e h ö f t e begleiten in der m u s t e r h a f t ausgebildeten dichten F o l g e eines Straßendorfes die 500 m lange Ortsstraße. B e a c h t u n g v e r d i e n t eine zweibogige K u m t h a l l e bei Nr. 2 wie bei Nr. 5 a. Die E i n f ü h r u n g v o n H a u s n u m m e r n mit d e m Z u s a t z a m a c h t e sich notwendig, n a c h d e m in den letzten Jahren frühere Stallgebäude zu W o h n u n g e n u m g e b a u t wurden, so bei Nr. 10, 11 u n d 12. D a s renovierte Schulhaus v o n 1877 dient als K i n d e r g a r t e n . E i n bedeutender urgeschichtlicher F u n d k a m 1853 zwischen W e i ß i g und L e c k w i t z zutage. B e i m P f l ü g e n wurde auf dem leicht erhöhten Feld m i t F l u r n a m e n B r u d s c h e ein großes tönernes V o r r a t s g e f ä ß m i t nahezu 300 B r o n z e n gefunden, v o n denen 258 S t ü c k e in das L a n d e s m u s e u m f ü r Vorgeschichte Dresden k a m e n . A n F o r m e n fand m a n Metallbarren in Z u n g e n f o r m und G u ß k u c h e n , Schwertteile, B r o n z e g e f ä ß t r ü m mer, eine große Menge v o n Sicheln, Beilen, Lanzenspitzen, Messern, Ringen, N a d e l n und Meißeln, ferner die W a n g e n k l a p p e eines Metallhelmes. E s handelt sich u m den größten B r u c h e r z h o r t aus Sachsen, der v o m E n d e der mittleren Bronzezeit s t a m m t . Die Metallreste waren zur W i e d e r v e r w e n d u n g als S c h r o t t s a m m l u n g a n g e h ä u f t und d ü r f t e n entweder einem Bronzegießer und -schmied oder einem „ f a h r e n d e n H ä n d l e r " gehört haben. In der ersten b e k a n n t e n N e n n u n g h e i ß t der O r t Wizzok (1378), dessen N a m e v o m slawischen vysoky — h o c h abgeleitet wird und s o m i t hoch gelegene Siedlung bedeutet. D i e F l u r bildet seit 1973 einen Teil der 9300 h a großen landwirtschaftlichen N u t z f l ä c h e der K A P R i e s a - K a n a l g e b i e t m i t ihrem Sitz in W ü l k n i t z . Diese k o o p e r a t i v e A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n konstituierte sich a m 5. F e b r u a r 1976 als L P G P f l a n z e n p r o d u k t i o n , der G l a u b i t z (Vereinte K r a f t ) , W ü l k n i t z (Juri Gagarin), S p a n s b e r g (Vereinte K r a f t ) und F r a u e n h a i n angehören. D i e L P G T y p I I I Frieden in W e i ß i g ist aus dem Z u s a m m e n s c h l u ß der L P G T y p I I I K o m s o m o l (1953 gegründet) und T y p I G u t e H o f f n u n g (i960 gegründet) in W e i ß i g s o w i e der Genossenschaften in Merschwitz (s. E 5), G ö l t z s c h a (s. B 8), Neuseußlitz

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(s. E 6) und Zschaiten (1970) hervorgegangen. Sie bearbeitete 1600 h a landwirt- C 1 schaftliche Nutzfläche, davon 268 ha Grünland. A m nordwestlichen Ortsrand von Weißig entstanden Ställe für Milchkühe sowie Trocken- und Lagerschuppen. Skassa, Kreis Großenhain,

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nimmt den R a u m zwischen der Landstraße von Großenhain nach Riesa und der Talaue der Großen Röder ein, die hier von ihrer bisherigen ost —westlichen Fließrichtung mit einem markanten K n i c k nach Norden umbiegt. U m die Überschwemmungsgefahr zu vermindern, begannen v o r 1900 die Arbeiten am Röderkanal, dessen weiterer Ausbau noch in der Gegenwart fortgesetzt wird. V o n der Skassaer Flur sind 2 Wüstungen überliefert: Burkharsdorf (1350 wüst) und Scharenz. V o n den zahlreichen Flurstücken mit Flurnamen seien die Haingründchenwiese östlich v o m Ort, das Schmiedeland zwischen den Straßen nach Weißig und Naundörfchen sowie die Stockwiese in der Röderaue und der Kreuzberg an der Straße nach Großraschütz genannt. A n dem bedeutenden Straßenübergang über die Röder bestand vor 1190 bereits der Herrensitz Zcassowe ( = Ort des Slawen Skas oder Skas), 1350 als Castrum (Burg) bezeichnet. Mit einem Vorgängerbau, einer frühdeutschen Wasserburg, m u ß im Gelände des ehemaligen Herrenhauses, und zwar östlich v o m Wirtschaftshof, gerechnet werden. Die älteste, 1399 genannte Mühle, die spätere Schloß- oder Hommelmühle, lag unterhalb der B u r g (sub Castro). Sie arbeitete noch während des zweiten Weltkrieges. Heute n u t z t die L P G ihre Ställe zur Schweinehaltung. Eine weitere Mühle, 1445 erstmals genannt, die Neumühle, mahlt Getreide. In der Umgebung der Neumühle sind Biotitgneise in mehreren kleinen auflässigen Steinbrüchen anzutreffen. Die flasrigen Gesteine lassen als Hauptgemengteile die Minerale Quarz, Kalifeldspat, Kalknatronfeldspat und Biotit erkennen. Die Gneise gehören zu einer Gesteinsserie, die am Ostrand des Meißner Syenodioritmassives entwickelt ist und sich im R a u m nordwestlich v o n Großenhain stark verbreitert. Man sieht gegenwärtig in ihnen einen Bestandteil der Lausitzer Antiklinalzone, der als Meißner Block bezeichnet wird. Die Gneise besitzen ein präkambrisches Alter. U m 1440 wird erstmals ein Schloß erwähnt mit einem großen Wirtschaftshof. Nach den Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg zog das Rittergut die unbesetzten Bauernstellen an sich, so daß im 18. Jahrhundert nur ein paar Häusler im Dorf wohnten. Nachdem das Vorwerk Naundörfchen (s. B 7) dem Skassaer G u t angegliedert worden war, sprach man von ,,Skassa alten Theils" ( E N G E L H A R D T 1806). Dieses wurde 1895 v o m sächsischen S t a a t gekauft, zur Unterbringung von jungen Militärpferden bestimmt und baulich erweitert. V o m Ende des ersten Weltkrieges bis 1945 unterstanden die Gebäude und die 323 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche dem sächsischen Wirtschaftsministerium, dessen Generaldirektion hier ihren Sitz hatte. Ehemaliges Staatsgut, Kirche und P f a r r g u t sowie frühere Schule gruppieren sich am Nordostende des Dorfes. V o n einem Kirchlehn ist 1448 die Rede, von einer Kirche 1495. Der heutige B a u entstand v o n 1756 bis 1758. D e m rechteckigen Kirchenschiff ist am W T estgiebel der T u r m vorgelagert. Altarplatz und Gemeinde-

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2 räum teilen sich je zur Hälfte in das Schiff. Über den beiden Längsseiten der Kirche erstrecken sich die seitlichen Emporen, die an der Westwand durch die Orgelempore verbunden werden. Nördlich vom Altarplatz öffnet sich mit 4 Stichbogenfenstern die ehemalige Herrschaftsloge. Eine bis an die Decke reichende Rokokostuckdekoration schließt die 4 Logenfenster zu einer Fassade zusammen. Der Orgelprospekt bildet mit Kanzelaltar, Dekoration der Herrschaftsloge und Deckenornamentik eine stilistische Einheit. Von älteren Grabdenkmalen auf dem Friedhof hat sich das dreier Kinder (f 1709, 1713, 1714) von A D A M F R I E D R I C H Z Ü R N ^ R erhalten, der von 1705 bis 1722 in Skassa als Pfarrer wirkte. Er erlangte Berühmtheit durch die von ihm geleitete Vermessung des sächsischen Straßennetzes und die auf seine Veranlassung gesetzten Postmeilensäulen (s. Bd. 26, Oberes Vogtland, B 4). Ein steinernes Schulgebäude wird 1711 erwähnt. Das Haus von 1856 mit einem Anbau von 1905 dient als Wohnung und Verkaufsstelle, nachdem die schulpflichtigen Kinder seit 1968 im Großenhainer Stadtteil Großraschütz unterrichtet werden. A m Rand des ziemlich geschlossenen Dorfes mit kleinen Bauernwirtschaften und Einzelhäusern bestimmen die Gebäude des ehemaligen Remontedepots sowie die neuen Anlagen der sozialistischen Landwirtschaft das Ortsbild. Ein Beispiel für die Bauweise im Heimatstil mit Fachwerk, auch an den Dachhäuschen, bietet das lange Wohnhaus Wasserturmstraße 17, 18 und 21. Als 1945 der Staatsgutsbesitz durch die demokratische Bodenreform aufgeteilt wurde, erhielten über 20 Umsiedler und landarme Bauern Grund und Boden. Zur Unterbringung der Neubauern nutzte man die vorhandenen Gebäude. 5 von ihnen gründeten am 6. August 1952 die erste Genossenschaft im Kreis Großenhain, die L P G T y p III Edwin Hoernle, benannt nach einem Arbeiterfunktionär und Schriftsteller, der maßgeblich an der Durchführung der Bodenreform in der D D R beteiligt war. 1969 schloß sich die i960 gegründete L P G T y p I Rödertal der L P G Edwin Hoernle an, die sich am südwestlichen Ortsrand Ställe für die Schweinehaltung, Silos, ferner Trockenschuppen schuf. Seit 1972 gehören die Mitglieder der L P G T y p III Rotes Banner in Großenhain-Großraschütz an. Von den berufstätigen Einwohnern fahren fast 90 % zur Arbeit in die Industriezentren Riesa, Nünchritz und Großenhain. 3

Medessen, seit 1973 Ortsteil von Strießen, ist reichlich 300 m lang, nimmt den Platz zwischen der Eisenbahnlinie Dresden — Riesa und einem sehr feuchten Muldental ein, dessen Bach am Ortsrand zu einem Teich aufgestaut ist. Auf der Flur, deren Boden aus sandigem und kiesigem Material der pleistozänen Kaltzeiten aufgebaut ist, betrieben die Einwohner bis 1825 eine gemeinsame Viehhutung. 1254 belehnte Markgraf H E I N R I C H das Großenhainer Kloster mit Medewiz. Der altsorbische Name läßt 2 Deutungen zu : Ort, an dem Honig gewonnen wird, oder Bärenort. Das spätere Amtsdorf betrieb etwas Weinbau, dessen Flächen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Felder umgewandelt wurden.

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Das heutige Dorfbild wird von Dreiseithöfen beherrscht, von denen einzelne Wohn- C 3 stallhäuser Fachwerkobergeschosse aufweisen, so Nr. 9. In mehreren Altställen hat die L P G Blauer W i m p e l Strießen (s. C 4), der die örtliche, 1953 gegründete Genossenschaft angehört, Vieh untergebracht, beispielsweise in Nr. 1. Ein Gartenbaubetrieb sowie ein neues Landwarenhaus vervollständigen den kleinen Ort. E t w a 1 km nordwestlich v o n Medessen stehen seit 1847 2 Wohnhäuser, Neumedessen oder nach einem Bahnwärter Riedel Riedelei genannt.

Strießen, Kreis Großenhain,

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liegt in 140 m Höhe, und zwar unterhalb der um 50 m ansteigenden, südlich anschließenden Kmehlen — W a n t e w i t z e r Lößschwelle. W a l d fehlt der Gemarkung heute völlig ; dagegen wurden 1575 Grundstücke am 30 Scheffel umfassenden Nußbusch, am Schießbusch und vor dem Weidicht genannt (SCHUBERTH/ZSCHILLE 1888 bis 1889), die dem Pfarrer gehörten. Ein P f a r r g u t muß früh bestanden haben, wechselte es doch bereits 1272 seinen Besitzer. Damals schrieb man Stresin, dessen altsorbische Bezeichnung soviel wie Ort des Streza oder Streza bedeutet. A n grundherrlichen Fronen hatten die Bauern beispielsweise bei Jagden im 15 k m entfernten Raschützwald als Treiber zu dienen und die nötigen Hunde heranzufahren. Geht man durch das etwa 370 m lange Dorf, so fallen beiderseits des 50 m breiten, streckenweise durch Mauern begrenzten Angers gepflegte Hausgärten und Dreiseithöfe auf. Bei Dorfstraße 8 weist eine zweibogige, bei Nr. 22 eine dreibogige K u m t h a l l e auf die frühere N u t z u n g als Pferdestall hin. A n der Schulstraße steht neben Wohnhäusern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das 1902 in neugotischen Formen errichtete Schulgebäude (Nr. 8). Hier erhalten die Schüler der Klassen 1 bis 4 ihren Unterricht, die übrigen in der Rainer-Fctsclier-Obcrschnle im benachbarten Priestewitz. Die alte Schule steht neben dem Pfarrhaus, an das sich der Friedhof mit der Kirche anschließt. Sie wurde an der Stelleder 1495 erwähnten Kirche 1852 bis 1853 errichtet. Im Westen ist der quadratische T u r m vorgelagert, der über dem Dachfirst dos Schiffes ins Achteck übergeht. Über das Kirchenschiff spannt sich eine hölzerne Tonne, deren Ränder mit Blumenmalerei aus der Zeit des Jugendstils versehen sind. Die Emporen ziehen sich durch die ganze Länge des Schiffes. Im Chor steht der Kanzelaltar, dessen Architekturteile mit einer Grisaillemalerei geschmückt wurden. Hier hängt auch ein sehr gut erhaltener bemalter Seitenflügel eines Altars aus der Zeit um 1520. A n die Anfangsjahre der durch die Strießener Flur geführten Eisenbalmstrecke erinnert an der Friedhofsmauer in der Nähe des Eingangs eine gußeiserne Schriftplatte mit folgendem T e x t : CHRISTOPH ULRICH HERSING Locomotivführer/bei der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn-Comp./geboren zu Hessen im Herzogthum Braun/ schweig den 8. April 1808, verunglückte im/Dienste den 8. Oktober 1841 bei Priestewitz. Gewidmet von seinen zahlreichen/Freunden am 29. M a y 1842.

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C 4

Die genossenschaftliche E n t w i c k l u n g in der örtlichen L a n d w i r t s c h a f t begann 1954, als einige Strießener B a u e r n eine L P G T y p I gründeten. Seit i960 f a ß t die L P G B l a u e r W i m p e l alle Betriebe zusammen, v o n denen einige nach U m b a u noch der T i e r h a l t u n g dienen, so D o r f s t r a ß e 25. In den neuen Hallen a m nördlichen Ortsrand werden Speisekartoffeln der K o o p e r a t i v e n A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n Priestew i t z eingelagert, die die N u t z f l ä c h e v o n Strießen und K m e h l e n (s. F 7) seit 1973 m i t bewirtschaftet. D u r c h günstige O m n i b u s v e r b i n d u n g e n ist es möglich, daß ungef ä h r 60 % (1971) der B e r u f s t ä t i g e n in anderen Orten arbeiten, so in Priestewitz oder Großenhain. E t w a 300 m nordwestlich v o n Strießen und unmittelbar a m flachen R a n d eines kleinen Muldentales steht das ehemalige Freigut K o l k w i t z , und zwar wahrscheinlich an der Stelle früheren Bauernbesitzes. 1288 gehörten dem Großenhainer K l o ster in Kolanequitz 9 H u f e n L a n d . D e r altsorbische Ortsname ist als die L e u t e des Kolan(e)k zu erklären. 1945 erhielten N e u b a u e r n und landarme B a u e r n aus Strießen v o n dem F r e i g u t Grund und B o d e n (1839 : 98 ha) zugewiesen. A n der Straße v o n Strießen n a c h Medessen entstanden damals 6 E i n d a c h g e h ö f t e , v o n denen N r . 2 und Nr. 5 die ursprüngliche E i n t e i l u n g in Wohn-, Stall- und Scheunenteil 1974 noch erhalten hatten.

D 1 Bahra, K r e i s Riesa, schmiegt sich in eine s c h w a c h nach Nordwesten geneigte Geländemulde. Seine dicht gedrängten Dreiseit- und wenigen Vierseithöfe flankieren den e t w a 200 m langen und 50 m breiten, m i t kleinen W o h n h ä u s e r n b e b a u t e n Anger. A m Stallgeb ä u d e des größten B a u e r n g u t e s (Nr. 4) — vielleicht aus dem 1539 erwähnten Vorw e r k hervorgegangen — h a t sich eine dreibogige K u m t h a l l e e r h a l t e n ; das dazugehörende W o h n s t a l l h a u s b a u t e die L P G 1974 zu einem W o h n h a u s um. Die erste b e k a n n t e N e n n u n g v o n B a h r a liegt v o n 1406 (Paraw) vor. Die altsorbische B e z e i c h n u n g k a n n entweder eine Siedlung a m Morast (bara = Sumpf) oder a m N a d e l w a l d (bor = Kiefer) bedeuten. Die F l u r wurde v o m Leichenweg in R i c h t u n g B o r i t z gequert, dem der O r t kirchlich angegliedert ist. E i n größeres Urnengräberfeld der bronzezeitlichen Lausitzer K u l t u r (ältere Stufe) wurde e t w a 1 k m nördlich des Ortes weitgehend ausgegraben. A u s dem Ablösungsrezeß v o n 1844 m i t d e m Lehnhof Hirschstein geht hervor, daß es 22 B a u e r n sowie 3 Dreschgartennahrungsbesitzer und 6 Häusler gab. Eine bereits 1721 genannte W i n d m ü h l e lag a m südlichen Dorfende. I m ehemaligen Schulgeb ä u d e unterhält die Gemeinde einen K i n d e r g a r t e n , n a c h d e m seit 1968 a u c h die K l a s s e n 1 bis 3 die B o r i t z e r Schule besuchen. T ä g l i c h verlassen f a s t 80 % der B e r u f s t ä t i g e n den Ort, u m in Riesa, aber a u c h in Meißen zu arbeiten. Die A n f ä n g e der E n t w i c k l u n g der L P G T y p I Freiheit — seit 1956 T y p I I I — liegen in Neuhirschstein (s. E 2). U m 1958 errichtete sie a m östlichen D o r f r a n d mehrere Ställe zur Schweinezucht. 1969 erfolgte der A n s c h l u ß an die L P G 20. J a h r e s t a g in B o r i t z (s. B 3).

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V o n seiner Hauptgemeinde B a h r a liegt der Ortsteil B ö h l a etwa 500 m entfernt D 1 und setzt sich aus einem ehemaligen, erstmals 1539 nachweisbaren Vorwerk des Rittergutes Hirschstein, einigen 1946 errichteten Neubauernhöfen sowie einem großen Milchviehstall aus den Jahren 1967 bis 1968 zusammen. Bele wird 1268 erwähnt, w a s soviel wie Ort auf dem hellen, weißen Untergrund bedeutet (bely = weiß). A b e r auch an eine Deutung als Siedlung am oder im feuchten Wiesenland könnte gedacht werden (zu altpolnisch biel = feuchte Wiese). Die Flur des Vorwerks (149 ha) gehörte bis 1945 zu dem insgesamt 360 ha großen Besitz des Rittergutes Hirschstein, darunter 293 ha Ackerland und 41 ha W a l d . Dieser gelangte 1945 in die H ä n d e von 52 landarmen Bauern, 27 Landarbeitern und 20 Umsiedlern sowie 10 Kleinsiedlern und 2 Kleinpächtern. Bewohner der mit ihren Fluren angrenzenden Orte Boritz, Heyda, Prausitz und Niederlommatzsch erhielten ebenfalls Bodenreformland.

Kobeln, seit 1952 Ortsteil von Prausitz,

D 2

lehnt sich mit seinen dicht gestellten Gehöften an den östlichen Talhang des K e p p ritzbaches an. A u s 2 Kiesgruben im nördlichen Dorfteil stammen reichlich bronzezeitliche Gräberfunde. E s handelt sich dabei um Körpergräber der Aunjetitzer und Brandgräber der Lausitzer Kultur, unter anderem mit als Abwehrzauber bei der Bestattungszeremonie verwendeten Vogelklappern (Abb. 13,1). U m 1233 wird in Kobelowe ein Herrensitz erwähnt; 1378 schrieb man Kabelow. Der altsorbische N a m e bedeutet Ort, wo Pferde (kobyla = Stute) gehalten werden. N a c h der Zerstörung der meisten Häuser im Dreißigjährigen Krieg standen 1661 immer noch 4 Güter wüst. Jährlich mußten 5 Schock Korn- und Hafergarben an das Schütthaus in Boritz geliefert werden (s. B 3). D a s heutige Ortsbild wird v o n großen Dreiseithöfen, seltener vierseitigen Anlagen bestimmt; einige ihrer Wirtschaftsgebäude werden v o n der L P G Dorfheimat Prausitz (s. B d . 30, Oschatz, S 1) genutzt. Einen neuen Stall für Rinder mit dazugehörenden Bergeräumen und Silos errichtete die Genossenschaft am südlichen Ortsrand.

Sieglitz, seit 1935 Ortsteil von Dörschnitz,

D 3

besetzt mit seinen 4 Vierseithöfen den östlichen bis 15 m ansteigenden Talhang des Keppritzbaches am Beginn eines genau nördlich gerichteten Laufstückes. Die Flur reicht bis an den 1970 begradigten Wasserlauf, der sein stark verschmutztes Wasser zur Jahna leitet. A u s dem Jahre 1282 ist die erste Ortsnennung bekannt (Zeliz). Die altsorbische Bezeichnung bedeutet die Leute des Zel. Im 16. Jahrhundert verfügten 4 besessene Mann über insgesamt 12 Hufen Besitz. A u c h das heutige Siedlungsbild wird noch v o n den ehemaligen Bauerngütern bestimmt. In einem v o n ihnen haben sich eine zweibogige K u m t h a l l e am früheren Pferdestallgebäude sowie ein Türschlußstein

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u

3

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Tönerne Vogelklapper der Bronzezeit von Kobeln 1 : 6 Jungbronzezeitlicher Pokal l : 8 Gestempelte Bodenmuster latönezeitlicher Schalen La töne zeitliche Schale mit Bodenmuster aus Seebschütz l : 8 Goldberlocke (Anhänger) aus den Gräbern von Prositz l : 2 Germanische Urnen aus Prositz l : 4 Frühmittelalterlicher Schreibgriffel mit Menschenkopf- und Vogeldarstellung vom Questenberg 1 : 2 Silberner Schlafenring 1 : 2 1 aus den slawischen Skelettgräbern Grabbeigabe 1 : 4 J von Altlommatzsch

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von 1824 am Wohnstallhaus erhalten. Die Ställe dienen seit 1974 der L P G Neue D 3 Heimat Jessen vornehmlich zur Schweine- und Rinderhaltung, vorher nutzte sie die L P G Helmut Just in Striegnitz. Von Sieglitz nur durch die Talaue des Keppritzbaches getrennt, liegt K l a p p e n d o r f — seit 1935 ebenfalls Ortsteil von Dörschnitz — an der Fernverkehrsstraße 6. Sein Name — 1286 Clapperndorf — kann als Ort, wo es klappert, also vielleicht Mühlenort gedeutet werden. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ist ein Rittergut nachzuweisen. Sein Besitz muß aus ausgekauften Bauerngütern gebildet worden sein, gab es doch bei der Ablösung von 1852 nur noch je 2 Zweieinhalb- und Zweihüfner statt der früheren 6 (1623). Im ehemaligen Herrenhaus mit angebautem Turm wohnen Lehrlinge aus dem Volksgut Riesa-Göhlis. Sie erhalten ihre praktische Ausbildung als Zootechniker in den benachbarten Ställen. Unmittelbar hinter diesem Lehrbetrieb haben sich bei dem vierseitigen Bauerngut Nr. 1 Fachwerkscheunen und ein Treppenaufgang von der Hofseite aus erhalten.

Oberlommatzsch, seit 1974 Ortsteil von Zehren,

D 4

gehörte seit 1935 zu Wölkisch. Das Dorf breitet sich am nördlichen Talhang des Lommatzschbaches aus. Die meisten der Vier- und Dreiseithöfe gruppieren sich um eine Sackgasse, ähnlich wie in Niedermuschütz (s. H 5). Nur wenige Gebäude zeigen noch Fachwerkobergeschosse zum Hof inneren hin. Einige von ihnen nutzt die L P G T y p III Vereinte Kraft Wölkisch (s. G 1). Fachwerk ist auch an dem Haus Nr. 16 erhalten, einer ehemaligen Gartennahrung mit 4 Fenstern Front. In ihrem Türschlußstein steht die Jahreszahl 1790 eingemeißelt. Erstmals erscheint der Ortsname 1334, damals als Lomnicz superius; später schrieb man Ober Lompnicz (1362). Für die Deutung des altsorbischen Ortsnamens können gelten: Ort an der Lorftnica oder am Windbruch, Bruchholz (niedersorbisch lom). Einer Aufstellung von 1840 zufolge gab es insgesamt 9 Bauern, die zwischen 1/4 Hufe und 2 3/8 Hufen Land besaßen, aber nur 2 Häusler.

Althirschstein, seit 1935 Ortsteil von Boritz

E 1

Die Häusergasse von Althirschstein bildet zusammen mit dem westlich anschließenden Gosa eine einheitliche Siedlung. Während in Althirschstein kleine zwei-, seltener dreiseitige Bauernwirtschaften überwiegen, bestimmen Häusleranwesen das Bild von Gosa. Eines von ihnen, Haus Nr. 29 mit Fachwerkobergeschoß, hat am Giebel eine Kanonenkugel bewahrt, die laut angebrachter Inschrift am 28. August 1813 durch Franzosen vom j enseitigen Elbufer hierher geschossen worden sein soll. Erweitert wurde der Ort in den letzten Jahren durch ein Mehrfamilienwohnhaus und durch einen Kindergarten. An alten Flurnamen sind Hegerspitze an der Elbe und Angstwinkel bekannt, ein Erlengebüsch an der Flurgrenze zu Bahra. Von der Gemarkung stammt ein großes

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E 1 altsteinzeitliches Feuersteingerät; der bearbeitete Klingenabschlag ist etwa ebenso alt wie die berühmte Fundstelle von Markkleeberg bei Leipzig. 1466 schrieb man Alden Heystein, 1518 Aide Hirsstein. Die deutsche Bezeichnung weist auf einen Felsen oder eine Burg hin. Ebenfalls von einem deutschen Wort läßt sich der Ortsname Gosa ableiten (gose = trocken). Haupterwerbszweig der Bewohner war im 19. Jahrhundert die Landwirtschaft. Außerdem gab es eine Windmühle in der Nähe der Ziegelei, in der 1974 Mauerziegel, Langlochziegel und Kabelabdeckhauben hergestellt wurden. Der Brennprozeß erfolgt in einem Ringofen mit einem Fassungsvermögen von 60000 Ziegeln. Dieser Betrieb gehört zum V E B Baustoffwerke Riesa. Seinen Rohstoff entnimmt er einer nahen Grube, deren Abbauwand im unteren Sohlenbereich Bändertone erkennen läßt, die von saaleeiszeitlichen Elbschottern und -sanden überlagert werden. Die meist grauen bis bräunlichen Tone erreichen eine Mächtigkeit von 2 bis 2,5 m. Ihre Bänderung kommt durch einen Wechsel von tonigen und feinsandigen Lagen zustande. Die Bildung der Ablagerungen erfolgte in einem Stausee vor dem Rand des saalekaltzeitlichen Inlandeises. Im Liegenden der Bändertone lagert im Grubenbereich gleichalte Grundmoräne. Geschiebe nordischer von Herkunft sind verhältnismäßig reichlich enthalten. Auch die 2,5 bis 4 m mächtigen tonigen Grundmoränenablagerungen werden für die Ziegelproduktion abgebaut. Den Abschluß nach oben bildet eine Sandlößdecke aus der jüngeren Weichselkaltzeit. Als Bodentyp entstand im Sandlöß eine Fahlerde, in der die Niederschläge rasch versickern. Im Unterboden staut sich das Wasser zeitweilig auf dem lehmigen Material ( H A A S E 1965).

E 2 Neuhirschstein, seit 1935 Ortsteil von Bahra, besteht aus kleinen Häusern, die sich unterhalb des Schlosses Hirschstein von der Elbe aus in 2 tiefe kurze Kerbtäler hineinziehen. In diesen Anwesen wohnten früher die Rittergutsdrescher, Angehörige einer mittellosen dörflichen Bevölkerungsschicht. Die erste Ortsnennung ist von 1551 bekannt (Nau Hirstein, Erklärung s. E 1). Über dem linken Elbufer befindet sich im nördlichsten Zipfel der Ortsflur ein ehemaliger Ringwall, auf Karten Alter Wall bezeichnet, dessen Durchmesser von Krone zu Krone 70 m beträgt. Die größte erhaltene Wallhöhe erreicht außen 5 m, innen 2 m. Wir müssen mit einem slawischen Siedlungsmittelpunkt im linkselbischen Gebiet im Bereich der wichtigen Elbfurt bei Merschwitz rechnen. Sicherlich handelt es sich dabei um den Vorläufer der jüngeren Burg Hirschstein, die, 1205 erstmals urkundlich im Zusammenhang mit einem Herrensitz genannt, zweifellos in Verbindung mit der militärischen Sicherung des weiteren Meißner Landes schon bald nach den Anfängen der deutschen Herrschaft (10. Jahrhundert) Bedeutung gewann. 1427 wird eine Burg (Castrum), 1497 ein Schloß erwähnt. Weithin sichtbar erhebt sich auf einem Biotitgranodioritfelsen, und zwar 25 m über der Elbe, das frühere Schloß mit einem Turm (Abb. 14). Es erhielt seine heutige Gestalt durch einen Umbau nach 1892. Die Spitze des keilförmigen Grundris-

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ses zeigt nach Süden; im Norden schließt eine breite Eingangsfront mit recht- E 2 eckigem Mittelportal über einer beiderseitigen doppelten Freitreppe den Bau ab. Der Schloßturm mit Haube und Laterne von 1687 auf unregelmäßigem Grundriß im südlichen Teil der Burganlage ist der älteste Teil, dem sich seit dem 17. Jahrhundert der Nordteil anschließt. Diesen stattete man Ende des 19. Jahrhunderts mit einer großen Eingangshalle, gebrochener Innentreppe und einer Schloßkapelle aus. An der Treppenwange der Eingangshalle weisen sandsteinerne Wappen von 1721 und Inschrifttafeln von 1628 und 1632 auf die damaligen Schloßbesitzer hin. Die beiden Rundsäle im Südteil sind unter Erhaltung der Barockzierate renoviert worden. Im ersten Stock des Nordflügels erhielt über der Eingangshalle ein großer Saal im Barockstil nach einem Brand den Charakter eines modernen Festsaales.

A b b . 14. Schloß Neuhirschstein. Radierung von

JOHANN GOTTLOB

KARL

LIEBEZEIT (1766 — 1814)

Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges kam das Schloß (heutige Nr. 1 b) in Volkseigentum. E s diente zunächst als Erholungsheim, dann als Kindersanatorium. Sämtliche Räume ließ die Sozialversicherung umbauen und neu einrichten, um in Sechswochendurchgängen etwa 100 schulpflichtige Kinder betreuen zu können. Von der südlichen Gebäudeecke schweift der Blick über frühere Weinbauterrassen am Fuße des Schlosses hinweg elbaufwärts in Richtung auf das Erholungsgebiet Diesbar-Seußlitz. Aus dem dem Schloß vorgelagerten Lehngut, dem die Bewohner aus Althirschstein, Böhla, Bahra, Blattersleben, Fichtenberg, Gosa, Kobeln, Leckwitz, Weißig und Windorf fronen mußten, entwickelte sich seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts eine Rittergutsherrschaft mit weiteren 19 vollständig sowie 2 teilweise abhängigen Dörfern. Jeder Häusler und Tagelöhner hatte 1747 beispielsweise 6 Groschen Erbzins und 6 Pfennige „auf einen Quatember" zu zahlen, ferner 3 Erbtage mit der Sichel, 1 Erbtag beim Kraut- und Rübenpflanzen zu leisten. Diese und weitere geforderte Dienste und Abgaben der insgesamt 1600 Untertanen waren Anlaß genug,

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E 2 sich an den sächsischen Bauernunruhen im Jahre 1790 zu beteiligen. Ihre Anführer entstammten der landarmen bzw. landlosen Bevölkerungsschicht. Am 28. August kam ein Militärkommando nach Hirschstein, trieb alle Einwohner zusammen und ließ sich die Wiederaufnahme der Feudalleistungen bestätigen. Sodann besetzten Truppen das Zentrum des Aufstandes, Lommatzsch, und es wurden viele Aufständische an Futterstricke gebunden und nach Dresden geführt (STULZ U. OPITZ

1956).

Das Rittergut Neuhirschstein sowie seine Schäferei und sein Vorwerk Böhla (s. D 1) kamen durch die demokratische Bodenreform 1945 an Neubauern, landarme Bauern, Landarbeiter und Kleinstsiedler. Diese gründeten am 22. September 1952 als eine der ersten Genossenschaften des Kreises Riesa die L P G Typ I Freiheit, seit 1956 als Typ I I I weitergeführt. 1974 dienten mehrere, teilweise sehr umfängliche Gebäude der L P G 20. Jahrestag Boritz (s. B 3) zur Aufbewahrung von Futter sowie der Viehhaltung. Nördlich des Schlosses erstreckt sich auf eine Länge von etwa 1 km der Hirschsteiner Park, der seit 1974 zum Landschaftsschutzgebiet Elbtal nördlich von Meißen gehört und in dem sich eine Grabstätte und eine künstliche Ruine befinden. E s handelt sich um einen Traubeneichen-Hainbuchen-Wald mit zahlreichen Rotbuchen. E s gedeihen hier Schattenpflanzen, wie Schattenblümchen (Maianihemum bifolium) und Efeu (Hederá helix). I m Frühjahr blühen sehr zahlreich Maiglöckchen ('Convallaria majalis), ferner E c h t e Sternmiere (Stellaria holostea), Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum) und in Elbnähe Lungenkraut (Pulmonaria officinalis). Der Parkcharakter wird neben heimischen Laubbäumen durch Weymouths- und Schwarzkiefer, Späte Traubenkirsche, Gemeine Roßkastanie und Europäische Lärche, unterstrichen. Der nördliche Teil des Parkes im Bereich des Ringwalles ist lichter und beherbergt deshalb Arten der thermophilen Eichenwälder mit Hauptverbreitung in Osteuropa, wie Gemeine Weißwurz (Polygonatum odoratum), Weiße Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum) und Nickendes Leimkraut (Silene nutans). In der Nähe des ehemaligen Forsthauses gedeihen Echte Nelkenwurz (Geum urbanum), Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium), Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa) und Haarhainsimse (Luzula pilosa). Am Rand des Naturparkes, der vom Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Dresden bewirtschaftet wird, erbauten die Bewohner in freiwilligen Arbeitseinsätzen neben dem Sportplatz eine Gaststätte. Die Elbe trieb unterhalb des Parkes, etwa an der Stelle des späteren Forsthauses, bis gegen 1860 eine Schiffsmühle, die sogenannte Quietzschmühle. Auch eine Fähre ist bis 1897 nachzuweisen. Unweit des früheren Anlegeplatzes steht ein Gebäude mit Fachwerkobergeschoß, an dessen Traufseite Hochwassermarken von 1862 und 1890 sowie eine Besitzertafel mit Anker und der Jahreszahl 1 8 5 1 eingelassen sind. E 3 Naundorf, seit 1935 Ortsteil von Niederlommatzsch Weit südlich von Naundorf und südöstlich des Eckardsberges befand sich ein außerordentlich wichtiges Skelettgräberfeld mit Bestattungen aus der Endphase der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik und dem Übergang zur Bronzezeit. Unter den 52

Metallbeigaben ragen ein goldener Noppenring, bronzene Beile, Ösenkopfnadeln und ein dreieckiger D o l c h hervor. D a n e b e n waren noch Steingeräte beigegeben. D a s k n a p p 400 m lange Dorf zieht sich in einer schwach geneigten H a n g m u l d e z u m L o m m a t z s c h b a c h hinab. 1220 nennt eine U r k u n d e Nvwendorf ( = z u m neuen Dorf), 1221 schrieb m a n Nvendorp. D e r O r t m u ß zeitweise ein m i t V o r r e c h t e n ausgestattetes G u t besessen haben, werden doch 1350 ein Allodium, 1404 ein Rittersitz und V o r w e r k erwähnt.

E

I m D o r f b i l d sind sowohl Drei- und Vierseithöfe als a u c h wenige kleinere frühere Gartennahrungsanwesen vertreten. G a n z wesentlichen A n t e i l a m heutigen A u s sehen v o n Naundorf h a t die genossenschaftliche E n t w i c k l u n g seit e t w a 1955. So gruppieren sich an der Straße n a c h N i e d e r l o m m a t z s c h ein R e p a r a t u r s t ü t z p u n k t , e r b a u t als Außenstelle der M T S Schletta (s. O 3), ferner ein Vierfamilienwohnhaus v o n 1957 u n d e i n e große Lagerhalle f ü r K a r t o f f e l n und Gemüse. E t w a s h a n g a b w ä r t s f o l g t ein neuer S t a l l k o m p l e x für Milchkühe, erbaut u m 1968. A u ß e r d e m n u t z t die L P G Vereinte K r a f t W ö l k i s c h (s. G 1) weitere Ställe in den Gehöften. W i e um N i e d e r l o m m a t z s c h und N i e d e r m u s c h ü t z n a h m bei N a u n d o r f der A n b a u v o n Feldgemüse seit den sechziger Jahren einen solchen U m f a n g an, d a ß sich der B a u v o n Beregnungsanlagen als notwendig erwies. Seit 1964 k a n n W a s s e r aus der Elbe, seit 1973 aus den 2 S t a u b e c k e n (Bild 25) a m L o m m a t z s c h b a c h zwischen Naundorf und N i e d e r l o m m a t z s c h e n t n o m m e n werden. 1974 b e b a u t e n die B a u e r n , die seit 1975 der K A P J a h n a - L ö t h a i n zugeordnet sind, insgesamt 190 h a F l ä c h e m i t Gemüse, d a v o n 75 h a m i t Buschbohnen, 45 h a mit Rosenkohl, 35 h a m i t R o t kohl, 25 h a m i t B l u m e n k o h l sowie je 5 h a m i t Radieschen und Porree. F r ü h e R o t kohlsorten, Radieschen und Porree gelangen durch die Handelsorgane z u m sofortigen V e r b r a u c h auf den Markt, die übrigen Gemüsesorten werden in Naundorf für den W i n t e r eingelagert oder in L o m m a t z s c h verarbeitet. Niederlommatzsch, K r e i s Meißen,

E

setzt sich aus einem R u n d w e i l e r auf dem Geländesporn zwischen L o m m a t z s c h b a c h und E l b t a l und einem anschließenden Gassendorf sowie einer Häuserzeile längs der E l b t a l u n t e r k a n t e zusammen. A m A b f a l l zur E l b e t r i t t der Biotitgranodiorit so nahe an die Oberfläche, daß er in früherer Zeit an mehreren Stellen a b g e b a u t wurde. Bronzezeitliche Siedlungen befinden sich südwestlich und nordwestlich v o m Ort. Beide W o h n p l ä t z e gehörten zweifellos zu der v o n den 3 B u r g e n (s. E 11, H 2, H 10) an der R a u h e n F u r t beherrschten Siedlungskammer der Zeit v o n v o r 3 000 Jahren. A l s Lomnicz t a u c h t der Ortsname 1321 erstmals auf (Namenerklärung s. D 4). 1363 erhielt das auf der anderen Elbseite gelegene K l o s t e r Seußlitz die Zinsen v o n der Schiffsmühle zu Nedir Lompnicz übereignet. Diese w a r oberhalb des Ortes in der E l b e v e r a n k e r t und hieß später n a c h einem Besitzer Klingermühle. A u c h ein F ä h r h a u s wird f r ü h genannt. H e u t e betreibt die Gemeinde eine Motorbootfähre, nicht zuletzt, u m die Sommerurlauber nach Seußlitz überzusetzen. A u f altes Schiffergewerbe weist im Giebel des Gasthofes ein Türschlußstein m i t einem A n k e r , eing e r a h m t durch die Jahreszahl 1773 und die Initialen I H C S . 5 Elbtal

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E 4 Eine Aufstellung von 1723 nennt neben 2 Bauern, 8 Halbhüfnern und 19 Häuslern (1839: 25 Häusler) auch eine Wassermühle mit einem Gang. Das Mühlengehöft (Nr. 9) steht oberhalb des tief eingeschnittenen Lommatzschbaches, war ursprünglich mit einer Bäckerei verbunden, mahlte Getreide bis 1923 und schrotete schließlich bis 1970. Nach einem völligen Umbau zeugen nur noch die in die Terrasse eingemauerten Mahlsteine von der früheren Funktion. Wie mehrere andere Anwesen beherbergt die Mühle seit 1973 Urlauber. H e b e l e i — der Name bezeichnet wohl das Gut einer Familie Hebel — ist von Niederlommatzsch nur durch den Lommatzschbach getrennt. Seine Häuser liegen verstreut zwischen der Niederterrasse der Elbe und der 20 m höheren Oberkante des Talhanges. Wie Mauer- und Terrassenreste beweisen, betrieben die Häusler (1840: 7) Weinbau. Er wurde im 19. Jahrhundert durch Obstbaumreihen und -plantagen ersetzt. Die Nähe der Elbe brachte es in früheren Jahrhunderten oft mit sich, daß Schäden an Wiesen und Äckern entstanden. Auch die Schiffsmühle in der Höbeley ( P Ö T Z S C H 1784) litt unter den Auswirkungen der Hochwasser und Eisfahrten. Auf den Wohnsitz eines Schiffers weist der Schlußstein am Haus Nr. 35, wo neben der Jahreszahl 1773 und den Initialen D K ein Anker eingemeißelt ist. Die genossenschaftliche Entwicklung in der örtlichen Landwirtschaft begann i960 mit der Gründung von 3 LPGs T y p I: Elbestrand (34 ha) und Guter Wille (145 ha), ferner Stiller Winkel (31 ha) in der Hebelei. 1966 schlössen sich alle der L P G Vereinte Kraft Wölkisch (s. G 1) an. Den Schwerpunkt des Feldbaus bildet der Anbau von Feldgemüse (s. E 3). Aus dem ehemaligen Schmiedegut entwickelte sich nach 1945 ein metallverarbeitender Betrieb, der — seit 1972 volkseigen — ein weithin sichtbares neues Produktionsgebäude erhielt. Da die Anzahl von Arbeitsplätzen in Niederlommatzsch und seinen Ortsteilen klein ist, arbeiten täglich über 80 % der wirtschaftlich Tätigen in der Kreisstadt. E 5 Merschwitz, Kreis Riesa, zieht sich am östlichen Ufer parallel zur Elbe hin. Ein 5 m hoher Terrassenhang trennt den Ort von der überschwemmungsgefährdeten Aue. Zusätzlichen Hochwasserschutz übernehmen Umfassungsmauern entlang von Grundstücken. Mehrere Ortsteile verschiedener Struktur lassen sich in dem heutigen Dorf erkennen: In der Mitte gruppieren sich um Kirche, ehemaliges Rittergut und Pfarrhaus wenige kleine Wirtschaften; nach Norden reihen sich in der Elbstraße niedrige Häuser bis zum früheren Sägewerk aneinander; im Süden wird ein ähnlicher Siedlungsteil von Teichstraße, Meißner Straße und Luisenstraße eingefaßt. Ergänzt wird die Bebauung durch Wohnhäuser am Münchsberg, benannt nach einem Familiennamen, und Vierfamilienwohnhäuser aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg an der Riesaer Straße sowie durch Neubauernhöfe und neue Landwirtschaftsbauten an der Luisenstraße. Die erste Nennung des Ortes erfolgte ziemlich spät, nämlich 1345, als Merazwitz (slawisch: die Leute des Meras) an das Kloster Seußlitz gelangte. 1350 bestand in Meretschwicz ein Allodium, 1380 ein Vorwerk. Um das 1567 zu einem selbständigen

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Rittergut erklärte Anwesen mit zusätzlichem Grund und Boden auszustatten, E 5 wurden mindestens 3 Bauerngüter ausgekauft ( S C H U B E R T H / Z S C H I L L E 1880 —1889). Ihm gehörten um 1900 bei einer Gesamtfläche der Dorfflur von 331 ha 219 ha Feld, 29 ha Wald, 28 ha Wiese und 5 ha Hutung. Das ehemalige Herrenhaus des Rittergutes liegt oberhalb der Elbe auf einer hohen Terrasse, ein zweigeschossiges Gebäude mit einer Hausfront von 9 Fenstern, Mansarde mit Mittelgiebeln auf Hof- und Elbseite und einem Walmdach. Das Gebäude wurde 1807 aus einer Schloßanlage mit 2 Seitenflügeln zur heutigen Form umgebaut. Das laut Wappenstein 1605 errichtete Gerichtshaus, Mittelstraße 11, mit der Gerichtsstube dient jetzt als zweigeschossiges Wohnhaus, ebenso das kleinere erdgeschossige Jungfernhaus von 1815 an der Fährstraße Kr. 1, früher Wohnhaus der ledigen Mägde der Rittergutsherrschaft. Daß in Merschwitz schon 1901 die nichtbäuerliche Bevölkerung überwog, entnehmen wir einer Aufstellung ( L E B E R 1974), derzufolge im Ort außer 10 Wirtschaftsbesitzern 28 Handarbeiter, 7 Arbeiterinnen, 23 Auszüglerinnen und 4 Auszügler, 4 Schiffseigner sowie über 50 Handwerker und Bauleute wohnten, die einer Beschäftigung innerhalb und außerhalb des Dorfes nachgingen. In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Rittergutes erhielt die Pfarrkirche von 1539, zu der 7 Dörfer und Seußlitz als Filial gehörten, durch einen grundlegenden Umbau im Jahre 1893 den heute kreuzförmigen Grundriß und den Dachreiterturm über dem Ostende des Langhauses. Im rechteckigen Choranbau hängt an der Wand der Schrein eines gotischen Flügelaltars von 1517, der dem Holzbildschnitzer P A N C R A T I U S G R U E B E R , in Großenhain von 1510 bis 1525 tätig, zugeschrieben wird. Die etwa 90 cm hohen vergoldeten Figuren zeigen in der Mitte Maria mit dem Kind, seitlich Johannes den Täufer und Petrus. Auf dem Altarplatz befindet sich ein kniender Taufengel aus Holz aus der Zeit um 1700, der ein gußeisernes Taufbecken hält. Nachdem das 1841 erbaute Schulhaus nicht mehr genügend Platz bot, errichtete die Gemeinde 1901 bis 1902 das heute noch zu diesem Zweck genutzte Gebäude Meißner Straße 22. Bereits zu jener Zeit kamen die Kinder aus Leckwitz, Naundörfchen und Göltzscha hierher. Heute besuchen auch die Schüler der Klassen 9 und 10 aus Neuseußlitz und Diesbar-Seußlitz den Unterricht in Merschwitz. Umfangreiche Erweiterungsbauten machten sich deshalb notwendig. Für Lehrkräfte entstand 1955 das Vierfamilienwohnhaus Neue Straße 1. Im ehemaligen Schloß ist der Schulhort untergebracht. Eine Fähre vermittelte zwischen Merschwitz und Boritz den Überlandverkehr, der sich auf der Hohen Straße von Schlesien und der Oberlausitz über Hain (Großenhain) nach Oschatz — beide Zollstätten — und weiter nach Leipzig abwickelte. 1455 ließ die Stadt Dresden die Straßen und Fähren zu Riesa und Merschwitz überwachen ( G Ü N T H E R 1964). An Fährgeld waren 1704 jeweils 1 Groschen für 1 K u h oder Pferd, jeweils 1 Pfennig für 1 Schaf, 1 Ziege, 1 K a l b oder Schwein sowie 3 Pfennige für 1 Person zu entrichten. Seit dem Bau der Eisenbahnbrücke 1839 und der Straßenbrücke 1877/78 in Riesa verlor der Fährbetrieb an Bedeutung. Der Standort des Fährhauses hat im Lauf der Jahrhunderte oft gewechselt. 2 gekreuzte Kurschwerter im Schlußstein des Hauses Fährstraße 10 weisen hin auf einst landes5*

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E 5 herrlichen B e s i t z (1704 bis 1872) der F ä h r e m i t Beigeleite. Die große Wagengierfähre w u r d e v o r einigen Jahren durch eine M o t o r b o o t f ä h r e f ü r Personenverkehr a b g e l ö s t ; a u c h legen die D a m p f e r der W e i ß e n F l o t t e in Merschwitz an. D e n F u h r leuten dienten das einstige S c h e n k g u t — Gasthof m i t Brauerei und Brennerei und erstmals 1641 urkundlich g e n a n n t — und die alte Schmiede; beide standen an der Fährstraße. I m Dorf h a t t e n die B o m ä t s c h e r einen ihrer H a u p t s i t z c . Ihre A r b e i t bestand darin, Segelschiffe und L a s t k ä h n e s t r o m a u f w ä r t s zu ziehen. U m einen gleichmäßigen R h y t h m u s zu erzielen, bedienten sie sich monotoner Gesänge (Abb. 15). M i t dem A u f k o m m e n der K e t t e n s c h l e p p e r (s. B 1) v e r s c h w a n d dieses Gewerbe. Nordöstlich v o n Merschwitz setzte sich die H o h e S t r a ß e in R i c h t u n g auf Skassa fort. U n m i t t e l b a r an ihr steht eine als B o d e n d e n k m a l geschützte G r u p p e v o n 3 sandsteinernen Malteserkreuzen, die Drei Jungfern genannt. A n sie k n ü p f t sich die Sage v o n einem K n e c h t , der n a c h einem T a n z in Merschwitz auf dem H e i m w e g aus E i f e r s u c h t 3 Mädchen erschlagen haben soll. p q

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A b b . 15. B o m ä t s c h e r s a n g (nach STEGLICH 1930) V o m Grund und B o d e n des R i t t e r g u t e s erhielten 1945 insgesamt 25 Neubauern jeder e t w a 7 h a N u t z f l ä c h e , a u ß e r d e m 4 l a n d a r m e B a u e r n L a n d s t ü c k e . D a s Schloß selbst k a m in den B e s i t z der Gemeinde, während die W i r t s c h a f t s g e b ä u d e , Gerichtsund Jungfernhaus des R i t t e r g u t e s an die N e u b a u e r n aufgeteilt wurden. Beispiele f ü r damals errichtete E i n d a c h h ö f e stehen Meißner S t r a ß e 24 sowie Luisens t r a ß e 3, 7 und 11, letzteres nahe a m früheren V o r w e r k Luisenhof. D i e sozialistische E n t w i c k l u n g b e g a n n a m 16. A u g u s t 1952, als sich bäuerliche B e t r i e b e zur L P G T y p I F o r t s c h r i t t zusammenschlössen. V o n i960 bis 1974 errichtete sie als T y p I I I mehrere Ställe f ü r Milchkühe sowie einen Stall f ü r Färsen a m Luisenhof, w o a u c h ein T e c h n i k s t ü t z p u n k t der früheren M T S N ü n c h r i t z (s. B 4) ü b e r n o m m e n wurde. Seit 1970 bilden die bis dahin selbständigen Genossenschaften v o n Göltzscha, Weißig, Diesbar-Seußlitz, Zschaiten und Merschwitz die L P G T y p I I I Frieden m i t ihrem V e r w a l t u n g s s i t z in W e i ß i g (s. G 1). W i c h t i g s t e Maßnahme, u m sowohl die Felderträge steigern als a u c h Grünland zur F ä r s e n a u f z u c h t gewinnen zu können, w a r die A n l a g e eines unterirdischen Rohrleitungssystems v o n der E l b e bei Merschwitz bis auf Z o t t e w i t z e r F l u r im K r e i s Großenhain. D a d u r c h können seit 1974 e t w a 1000 h a F l ä c h e mit E l b w a s s e r beregnet werden. E 6 Neuseußlitz, seit 1973 Ortsteil v o n Diesbar-Seußlitz — 1268 Nuensuseliz, 1274 Nuemsuseliz (Namenerklärung s. E 7) — , n i m m t die beiden oberen T a l h ä n g e eines kurzen, zur E l b e entwässernden Rinnsales ein, das i m O r t zu mehreren Teichen a u f g e s t a u t wird, darunter dem Gemeindeteich. Zu

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seinen Drei- und Vierseithöfen mit langen Wohnstallhäusern treten wenige kleine E 6 Wirtschaften sowie einige Siedlungshäuser aus den letzten 50 Jahren. Die Flur setzt sich aus 2 von Natur aus recht unterschiedlichen Teilen zusammen: der sandigen Elbeniederterrasse und andererseits der von zahlreichen kleinen Biotitgranodioritkuppen durchragten Hochfläche. A m R a n d der Terrasse, und zwar oberhalb der Hochwasserrinne der Elbe, lag e t w a 1 k m nordwestlich v o m Ort eine jungsteinzeitliche Siedlung der Bandkeramik. D a s Gelände wurde dann nach 4000 Jahren von den Slawen wieder zu einer Niederlassung genutzt. A n mehreren Stellen des kuppigen Landes muß schon frühzeitig Weinbau getrieben worden sein. D a f ü r spricht, daß 1688 insgesamt 12 Eigentümer eine Fläche v o n 60 Pfahlhaufen — 2 Pfahlhaufen ergeben umgerechnet 3 A r — und 1721 sogar 15 Besitzer 83 Pfahlhaufen besaßen (WEINHOLD 1973). E s wurde damals zwischen Weinbergen und Feldweinbergen ( = Weingärten) der Bauern unterschieden. A u c h heute t r i f f t man gelegentlich auf einen R e b g a r t e n ; meist zeugen aber nur noch Mauern in Wiesen und auf Äckern v o n diesem Erwerbszweig. Die örtliche sozialistische E n t w i c k l u n g der L a n d w i r t s c h a f t nahm i960 ihren A n fang, als sich die Bauern zur L P G T y p I Morgenrot zusammenschlössen. Sie schufen sich bei dem ehemaligen G u t Nr. 22 einen neuen Schweinestall. Durch die Vereinigung mit der L P G Fortschritt Merschwitz (s. E 5) im Jahre 1962 wurde es möglich, den gesamten nördlichen Flurbereich an die Beregnungsanlage anzuschließen.

Seußlitz, Ortsteil von Diesbar-Seußlitz,

E 7

besteht aus mehreren Häuslerzeilen, die sich vom früheren R i t t e r g u t und Schloß (Bild 22) aus sowohl nach Nordosten — hier volkstümlich K r e m s j e bezeichnet — als auch nach Osten in den von der B o c k a u durchflossenen Seußlitzer Grund aufwärts sowie nach Südosten zwischen Elbtalhang und Elbaue hinziehen. Neben dem Dauergrünland in der Elbaue, dem Laubmischwald im Seußlitzer Grund (s. E 9) und dem Ackerland auf der Hochfläche gibt es Weinberge an den südexponierten Hängen. Hinter dem heutigen Schloß befanden sich bereits 1545 Rebanlagen, weitere 5 kleine Berge an arideren Stellen der Flur. Die Fläche erfuhr Erweiterungen, so daß es 1721 schon 17 weinbautreibende Bewohner gab, 1812 sogar 33 (WEINHOLD 1973). Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden 6 herrschaftliche Winzerhäuser. Bis in diese Zeit hatten die Untertanen aus den umliegenden Dörfern Steine zu lesen und bei der Weinlese zu helfen. Einige früher benutzte Winzergeräte zeigt die A b b i l d u n g 16. Die geschichtliche E n t w i c k l u n g v o n Seußlitz steht in enger Verbindung mit der des Klosters und späteren Rittergutes. 1205 wird in Suseli(t)z ein Herrensitz erwähnt, das nachmalige Allodium (1272) und Klostervorwerk. Der Ortsname l ä ß t sich mit slawdsch iuzel = Insekt, obersorbisch zuzelica = L a u f k ä f e r in Verbindung bringen und bedeutet Siedlung am Käferwald, K ä f e r b a c h oder ähnliches. V o n 1205 bis 1243 wird eine edelfreie Familie bezeugt. 1250 bis 1265 ließ Markgraf HEINRICH DER ERLAUCHTE ein Landschloß in Seußlitz erbauen, wo er häufig H o f

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hielt. E r stiftete es 1268 mit 17 zugehörigen Dörfern den Klarissinnen als Nonnenkloster. Der Einflußbereich des Klosters hatte sich bis 1383 auf viele Orte zwischen Dresden, Meißen, Oschatz und Großenhain ausgedehnt, darüber hinaus auch auf so weit entfernte Dörfer wie Prosen bei Grimma, Köllitzsch bei Torgau, Berthelsdorf bei Freiberg ( M A R K U S 1906). Das Kloster selbst verfügte über eine Schäferei mit 500 Schafen im Vorwerk R a d e w i t z. Sein vierseitiges Einzelgut in der Seußlitzer

Abb. 16. Winzergeräte aus Seußlitz 1 Hölzerne Starklapper

2 u. 3 Harke

4 Tragebrett zum Misttransport

Flur nimmt einen Platz auf dem schmalen Geländerücken zwischen dem 50 m tieferen Seußlitzer Grund und der 70 m tieferen Elbaue ein. Es hieß 1205 Ratsuwitz ( = altsorbisch, Leute des Rades oder Rados). Das Kloster Seußlitz verfiel 1541 der Sequestration. 1545 wurde es als Vorwerk von dem kursächsischen Kanzler Dr. S I M O N P I S T O R I S (F 1562 in Seußlitz) erworben und 1552 erstmals als Rittergut beurkundet. 1722 fiel der Besitz an den Grafen H E I N R I C H V O N B Ü N A U . Dieser ließ 1725/26 das jetzige Barockschloß nach Plänen des Ratszimmermeisters G E O R G E B A H R aus Dresden erbauen. E s besteht aus einem stattlichen, nach Westen gerichteten zweigeschossigen Hauptbau mit 2 Seitenflügeln. Vor dem Mittelteil erstreckt sich ein von geteilten Sandsteinbrüstungen

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eingefaßter Vorplatz, an den sich nach der Straße abfallend ein großer Wirtschafts- E 7 hof mit Wohn- und Stallgebäuden anschließt. Eine dreiteilige Einfahrt mit 4 hohen, von Sandsteinvasen gekrönten Torpfeilern und schmiedeeisernen Gitterflügeln (ähnliche am 1725 erbauten Zufahrtstor zur Schloßgärtnerei) bildet eine wirkungsvolle Begrenzung. Den Hauptbau des Schlosses mit einer Front von 11 Fenstern, davon 3 im Mittelrisalit, krönt ein flaches Giebelfeld mit Wappen in einer großen Kartusche. Das geknickte Mansarddach besitzt 10 Dachhäuschen, dazu je 5 Dachgaupen und blinde Firstschornsteine. Auf der Rückseite des Hauptbaues schließen die beiden Seitenflügel und die hohe Friedhofsmauer den Innenhof mit Terrasse ein. Das Vestibül im Erdgeschoß nimmt die gesamte Breite des Mittelrisalits ein und ist von Wand- und Treppenbögen eingefaßt. An den Seiten stehen große Schränke in barockem Stil; an der Decke hängt eine große Laterne aus der gleichen Epoche. Über dem Vestibül befindet sich im ersten Stockwerk ein breites Mittelzimmer mit 2 Eckkaminen, Stuckdecke und reich ornamentierten Türen. Im Erdgeschoß des südlichen Seitenflügels hat sich der auch von der Parkterrasse her zugängliche Steinsaal erhalten, ein auf 8 Pfeilern überwölbter hoher Raum. Darüber liegt der 1973 renovierte Festsaal mit einer Deckenkehle und barocken Einlegemustern in den großflächigen Dielenbrettern; er dient zur Durchführung von Veranstaltungen. Die 1726 ebenfalls nach Plänen GEORGE BÄHRS errichtete und ausgestattete Kirche im Ostteil des südlichen Schloßflügels steht an der Stelle einer mittelalterlichen, bereits 1255 erwähnten. Von ihr zeugen noch ein hohes gotisches Maßwerkfenster in der ehemaligen Herrschaftsloge an der Westwand sowie ein Maßwerkteil an der Friedhofsmauer und das Dreiergeläut im Dachreiterturm. Die gesamte innere Ostwand wird von dem barocken Holzaufbau des bemalten geschnitzten Kanzelaltars eingenommen. Darüber befindet sich der halbkreisförmig nach vorn gezogene Orgelchor. Die Messingschüssel des achteckigen Tauftisches zeigt Szenen einer Hirschjagd und ist vermutlich eine Nürnberger Arbeit des 16. Jahrhunderts. Unter dem Nordwandfenster sind die Grabplatte des HERMANN PISTORIS von 1603 und darüber ein etwa 3 m hohes Marmorepitaph des SIMON ULRICH PISTORIS von 1615 eingelassen. Weitere 8 Grabsteine von Angehörigen derselben Familie aus dem 16. und 17. Jahrhundert befinden sich an den WTänden der Vorhalle der Nordfront; an der Westmauer des Friedhofs wurden 15 Grabsteine aus dem 13. bis 18. Jahrhundert aufgestellt. Der nördliche Seitenflügel enthält Wirtschaftsräume und Wohnzimmer. An ihn ist rechtwinklig ein zweigeschossiges Torhaus angefügt. Im Erdgeschoß führt durch ein hohes gotisches Spitzbogentor ein Fahrweg. In den Schloßgebäuden kamen zunächst im Februar 1945 obdachlos gewordene Insassen des Dresdner Maternihospitals unter. Heute dient die Anlage als Feierabendheim des Kreises Riesa. Die den weiten Wirtschaftshof auf beiden Seiten in rechtwinkliger Anlage einfassenden Wohn- und Stalltrakte haben hohe Ziegeldächer mit Dachgaupen. Sie werden jetzt von Genossenschaftsbauern genutzt und sind mit gepflegten Vorgärten versehen. Am nördlichen Trakt hat sich eine Sonnenuhr erhalten; der südliche 59

E 7 Trakt steigt, dem Gelände folgend, bis auf die Parkterrasse hinauf und endet in einer Halle mit 2 Wandfeldern aus Delfter Kacheln. Der ehemalige Schloßgarten im Ausgang des Seußlitzer Grundes besteht aus 3 verschiedenen Teilen. Die Anlage im französischen Gartenstil bestimmt das Bild vor der Südseite des Schlosses und der daran anschließenden Kirche. Hier verläuft eine 15 m breite, mit alten Platanen bestandene Terrasse, am Rand mit Sandsteinfiguren der 4 Jahreszeiten von B A L T H A S A R P E R M O S E R — 2 davon 1962 restauriert — und steinernen Blumenvasen abgegrenzt. 3 Freitreppen führen von ihr in das etwa 1,50 m tiefer liegende Zierparterre mit Blumenbeeten und kugelförmigen Eibenbüschen. Ein Gartenteil liegt etwa 2 m tiefer, und zwar hinter der Weißbuchenhecke an der Westseite. Ein höherer Abschnitt umschließt ein Glashaus mit einem über 100 Jahre alten Weinstock und zieht sich mit Blumenbeeten bis zur Terrasse am Schloß hin. Der Landschaftspark nach englischem Vorbild erstreckt sich nach Osten zu bis zum Dorfausgang mit einem reichen Baumbestand aus Gingko, Sumpfzypresse, Silberahorn, Zerreiche und anderen Arten. Eingeschlossen ist ein Teich mit unregelmäßig geformter Uferlinie. A m nördlichen Hang des Landschaftsparkes wurde 1972 eine Freilichtbühne an der Stelle einer Wassermühle angelegt. Nicht weit vom Parkende entfernt entstand 1974 in der volkswirtschaftlichen Masseninitiative durch Anstau der Bockau ein Gondelteich, an dessen Damm sich 2 etwa 400jährige Winterlinden erheben. V o m Park aus liegt im Blickfeld die früher zum Schloß gehörende Heinrichsburg, benannt nach dem Grafen H E I N R I C H V O N B Ü N A U , der sie nach Plänen G E O R G E B Ä H R S 1725/26 erbauen ließ. Auf der obersten von 6 Terrassen enthält das Gartenhaus im Obergeschoß einen kleinen Saal, der seit 1955 als Kulturraum für die FDGB-Urlauber genutzt wird. Von seinen Fenstern bietet er schöne Blicke ins Elbtal stromauf bis Zehren und stromab bis Boritz. Das Winzerhaus Luisenburg (Bild 22) auf dem nördlichen Hang des Seußlitzer Grundes inmitten des Schloßweinberges ist nach 1725 errichtet worden. Dieser Erdgeschoßbau mit Walmdach dient jetzt dem V E G Weinbau Radebeul, der das ehemalige Weinpressenhaus links hinter dem Schloß oberhalb seines Torhauses als Lager nutzt. An dem langen, hohen Gebäude mit steilem Mansarddach weist ein Schlußstein über dem Korbbogentor auf das Erbauungsjahr 1809 hin. In dem Raum mit einer alten Balkendecke stand eine große Weinpresse mit 2 Holzsäulen (eine bezeichnet C.1836) und eiserner Spindel, die sich jetzt im Stadtmuseum Meißen befindet. Bei Gebäuden der Dorfbevölkerung haben sich Beispiele alter Bauweise erhalten: Bergstraße 7 ein Wohnstallhaus mit Fachwerkobergeschoß und einem Schlußstein von 1837, Elbstraße 20 ein Winkelhof von 1828, heute hier Vermehrungsbetrieb für Erdbeerpflanzgut. Auf hohe Wasserstände von 1845 und 1890 verweisen Marken an der Gartentorsäule zum Grundstück der Ausflugsgaststätte Lehmanns Weinstuben, Elbstraße 58. An der früheren Schule, Bergstraße 4, ist im Schlußstein die Jahreszahl 1796 zu lesen. Das Schulgebäude von 1895 an der Straße nach Merschwitz besuchen nur noch die Kinder der Klassen 1 bis 8. Unmittelbar daneben dient eine frühere Villa als Schulhort; den Kindergarten richtete die Gemeinde im ehemaligen herrschaftlichen Forsthaus ein. Durch die demokratische Bodenreform wurde die 265 ha große Rittergutsflur auf60

A b b . 17. Weinanbaugebiet zwischen Seußlitz und Golk um 1900 und 1974 (Entwurf: W . S C H M I D T und nach der geologischen K a r t e 1125000, 1888)

E 7 geteilt, darunter 102 h a W a l d . 26 N e u b a u e r n erhielten neben L a n d W o h n - und W i r t s c h a f t s r ä u m e im ehemaligen R i t t e r g u t und in seinem Schäfereivorwerk R a d e w i t z zugewiesen, l a n d a r m e B a u e r n k o n n t e n ihre N u t z f l ä c h e n vergrößern, i960 gründeten die B a u e r n in Seußlitz und Diesbar j e eine L P G T y p I. Seit 1970 gehören sie der L P G T y p I I I Frieden in W e i ß i g a n (s. C 1). Die ehemalige Schloßgärtnerei ist seit 1961 Betriebsteil der G P G in L e c k w i t z (s. B 6). In ihrem Gelände steht seit 1946 eine N e b e n k l i m a s t a t i o n des Meteorologischen Dienstes der D D R . D a s ehemalige V o r w e r k R a d e w i t z dient seit i960 d e m V E G W e i n b a u R a d e b e u l als Gerätehof. A u s g a n g s p u n k t seines R e b a n b a u s w a r der 6 h a umfassende Schloßweinberg; durch Neuanlagen wurde das R e b l a n d auf e t w a 32 h a erweitert, so zwischen Seußlitz und R a d e w i t z sowie bei Neuseußlitz (Abb. 17). A u ß e r d e m p f l e g e n die in einer W e i n b a u g e m e i n s c h a f t zusammengeschlossenen P r i v a t w i n z e r insgesamt 10 ha, ausschließlich auf terrassierten Bergen a m E l b t a l h a n g . A n g e b a u t werden vorwiegend W e i ß b u r g u n d e r , Traminer, Riesling, R u l ä n d e r und Müller-Thurgau. E i n herbstliches Weinfest, v o n der Gemeinde Diesbar-Seußlitz als V o l k s f e s t begangen, h a t den früheren Diesbarer H e i r a t s m a r k t abgelöst. D e n W e i n b e r g e n und der in einem weiten B o g e n vorüberfließenden Elbe, d e m gep f l e g t e n Siedlungsbild und dem Seußlitzer Grund v e r d a n k t Diesbar-Seußlitz den großen Zuspruch an A u s f l ü g l e r n und Urlaubern. Seit 1948 schickt der F D G B Urlauber hierher, 1975 waren es insgesamt e t w a 3000, die entweder in Seußlitz, Diesbar, Nieschütz, L ö b s a l oder in N i e d e r l o m m a t z s c h u n t e r g e b r a c h t waren. W e i t höher aber ist die Z a h l der täglichen Besucher aus d e m Dresden — M e i ß n e r und Riesaer R a u m . U m alle F r a g e n der B e t r e u u n g und U n t e r b r i n g u n g der Gäste sowie des B a u e s zentraler Erholungseinrichtungen a b s t i m m e n zu können, w u r d e 1972 ein Z w e c k v e r b a n d m i t dem Sitz in Seußlitz ins L e b e n gerufen. I h m gehören außer den genannten Gemeinden noch die Orte Göltzscha (s. B 8) und Neuhirschstein (s. E 2) an. D e r Urlauberbetreuung, dem Erholungswesen sowie dem W e i n b a u ist es v o r allem zuzuschreiben, d a ß e t w a 40 % der wirtschaftlich T ä t i g e n in Diesbar-Seußlitz und seinen Ortsteilen selbst Verdienstmöglichkeiten finden (1971).

E 8 Diesbar, Ortsteil v o n Diesbar-Seußlitz W o das B o h n t a l und das bachlose B r u m m o c h s e n l o c h das E l b t a l erreichen, gruppiert sich das parallel z u m S t r o m n a c h N o r d e n und Süden erweiterte Diesbar. Die Geschichte des D o r f e s ist eng m i t den Besitzverhältnissen des K l o s t e r s und späteren R i t t e r g u t e s Seußlitz (s. E 7) verbunden, seit 1272 HEINRICH DER ERLAUCHTE alle G ü t e r v o n Divesvere dem K l o s t e r übereignete. F ü r nach Süden gerichtete E l b talhänge m i t ihren günstigen natürlichen V o r a u s s e t z u n g e n ist der W e i n b a u seit dieser Zeit nachweisbar. 1688 w u r d e n 2 G ä r t e n und 4 Dreschgärten m i t Weinbergen genannt (MÖRTZSCH 1935), 1808 g a b es 13 H ä u s e r m i t R e b a n l a g e n . A u s einem A k t e n s t ü c k v o n 1812 g e h t hervor, d a ß in Diesbar insgesamt 10 Weinpressen in bäuerlichen Betrieben (Abb. 18) aufgestellt waren (WEINHOLD 1969). A u c h heute bedecken zahlreiche kleine Rebterrassen die H ä n g e a m Winzerweg, a m B r u m m ochsenloch und an der Diesbar-Seußlitzer Straße.

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E i n e F ä h r e über die E l b e bestand o f f e n b a r frühzeitig, wie eine Schreibart des Ortes E 8 v o n 1406 beweist: Dibisfere. A u f dem W a s s e r w e g erreichen heute viele Besucher m i t den Schiffen der W e i ß e n F l o t t e Diesbar, u m v o n hier aus an der E l b e entlang nach Seußlitz oder z u m nahen G o l k w a l d zu wandern. In Diesbar selbst erwarten mehrere A u s f l u g s g a s t s t ä t t e n ihre Gäste. N a h e beim W e i ß e n R o ß beginnt ein 1958 h a n g a u f w ä r t s zur Schönen Aussicht angelegter Steig, der dem H e i m a t f o r s c h e r MARTIN GÜNTHER a u s R i e s a g e w i d m e t i s t .

A b b . 18. Diesbar. Zweifamilienwinzerhaus Nr. 9/10

Naturschutzgebiet Seußlitzer Grund

E 9

heißt das 20 bis 50 m tief eingeschnittene T a l zwischen dem E i n t r i t t des B l a t t e r s lebener Grundes (s. F 5) und dem Seußlitzer Schloßpark. Die B a c h a u e ist m i t Wiesen, die angrenzenden H ä n g e sind m i t L a u b w a l d bedeckt. V o n der H o c h f l ä c h e zieht sich eine stellenweise mächtige Schicht aus L ö ß mancherorts bis zur Unterk a n t e der H ä n g e . N u r an wenigen Stellen, meist an Weinbergterrassen im unteren T a l a b s c h n i t t , t r i t t der anstehende Biotitgranodiorit zutage. I m T a l g r u n d f l i e ß t die B o c k a u , die bei B a s e l i t z in 195 m ü. N X entspringt und n a c h einer L a u f länge v o n 5,5 k m bei Seußlitz in e t w a 95 m ü. N N die E l b e erreicht. Ihr W a s s e r wird m e h r f a c h zu Teichen gestaut, so im neu angelegten Gondelteich (Bild 23), im Forellenteich und im Seußlitzer P a r k t e i c h . Pflanzengeographisch ( A b b . 19) liegt der 106 h a große Seußlitzer Grund in der Übergangszone zwischen dem Nordsächsischen E l b t i e f - und E l b h ü g e l l a n d und ist wegen seiner landschaftlichen Besonderheiten seit 1961 unter N a t u r s c h u t z gestellt. Hier k o m m e n A r t e n der E i c h e n - H a i n b u c h e n - W ä l d e r vor, so Winterlinde, Feldahorn, H a s e l und W e i ß d o r n (Crataegus spec.). E r g ä n z t wird diese Liste durch V e r -

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treter der submontan-montanen Bergmischwälder, wie Rotbuche, Bergahorn, Bergulme und Hirschholunder (Sambucus racemosa), sowie der Schluchtwälder mit Esche beziehungsweise Spitzahorn. A u c h die Feldschicht weist über die ganze Vegetationsperiode hinweg eine Vielzahl v o n Arten auf, die unterschiedlichen Pflanzengesellschaften und Verbreitungs-

A b b . 19. Vegetationskarte des N S G Seußlitzer Grund (aus: Handbuch der Naturschutzgebiete der D D R . Bd. 5, 1974) 1 Bodensaurer Eichen-Hainbuchen-Wald

4 Xerothermophile Gcbüsche

2 Eichen-Hambuchen-Winterlinden-Wald

5 Talglatthaferwiese

3 Ahom-Eschen-Schluchtwald

gebieten zuzuordnen sind. Während an den Hängen in Elbnähe submediterran- E g zentraleuropäische Arten, wie Astlose Graslilie (Anthericum liliago) und Hirschwurzhaarstrang (Peucedanum cervaria), und subkontinentale Arten mit Traubenwucherblume (Chrysanthemum corymbosum), Schwarzwerdendem Geißklee (Cytisus nigricans), Weißer Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum), Nickendem Leimkraut (Silene nutans), Schwarzer Platterbse (Lathyrus niger) gedeihen, sind es besonders im Gebiet des Forellenteiches und weiter östlich submontan-colline Arten. Der Frühjahrsaspekt mit den weißen Blüten des Buschwindröschens (Anemone nemorosa), des Maiglöckchens (Convallaria majalis), der Echten Sternmiere (Stellaria holostea) und der Vielblütigen Weißwurz (Polygonatum multiflorum), den gelben der Goldnessel (Lamium galeobdolon), des Scharbockskrautes (Ficaria verna), des Knotigen Beinwells (Symphytum tuberosum) und dem Blau des Lungenkrautes {Pulmonaria officinalis) sowie dem Purpur der seltenen Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus) zeigt sich jährlich in schönster Pracht. Aber auch submontan-colline Laubwaldpflanzen haben hier Standorte, so Gegenblättriges Milzkraut (Chrysosplenium alternifolium), Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis), Nickendes Perlgras (Melica nutans), Waldlabkraut (Galium silvaticum), Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus) und im Sommer das Echte Springkraut (Impatiens noli-tangere), der Waldziest (Stachys sylvatica), der giftige Taumelkälberkropf (Chaerophyllum temulum) und der Gewürzkälberkropf (Ch. aromaticum). Im Seußlitzer Grund kommt eine Reihe von Ameisen- und Schneckenarten vor. An besonders wärmeliebenden Ameisen wies man hier Leptothorax ajfinis und Camponotus caryae v. fallax nach. Bei Seußlitz wurde auch die Ameise Stenamma westwoodi gefunden, die mehr schattige Orte ohne Bodenvegetation unter Steinen bevorzugt, so in Buchenwäldern oder an feuchten Waldrändern. An Schneckenarten seien genannt: die Glasschnecken Vitrina pellucida, Eucobresia diaphana und Semilimax semilimax, ferner die Kellerglanzschnecke (Oxychilus cellarius), die Weinbergschnecke (Helix pomatia) und die Kugelmuschel Sphaerium cornenm.

Böser Bruder

E 10

Nähert man sich Seußlitz auf der Elbe oder auf der Landstraße von Diesbar aus, so zieht rechtselbisch eine etwa 40 m hohe Gesteinswand den Blick auf sich. Ihre Entstehung verdankt sie dem Steinabbau, der bis 1965 betrieben wurde. Der Steinbruch ist 1975 vom V E B Bergsicherung Dresden durch einen Damm abgeschlossen worden, um die Gefährdung von Straße und Wohnhäusern auszuschließen. Die Bepflanzung mit Heckenrosen und Pappeln ergibt einen zusätzlichen Schutz. Der Bruch ist Standort einer Brutkolonie von Turmfalken und Dohlen. Im Steinbruch steht Biotitgranodiorit an, der die Elbtalhänge zwischen Diesbar und Althirschstein aufbaut. Das Gestein (s. G 3) wurde hauptsächlich zwischen 1870 und 1900 im Elbtal unterhalb von Meißen in etwa 25 Steinbrüchen abgebaut. Der

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E io damalige Bedarf an Pflastersteinen in den Städten begünstigte zusammen mit dem billigen Transport auf der Elbe seine Erschließung. Aus dem Biotitgranodiorit wurden weiterhin Mauer- und Straßenbordsteine gefertigt. Die Bezeichnung Böser Bruder galt im Volksmund einem Felsvorsprung, dessen Umrisse einem Gesicht ähnelten. Mit diesem Profil verband sich die Sage von 2 Brüdern, die dasselbe Mädchen liebten. Den abgewiesenen Liebhaber verwandelte ein Zauberer in einen Felsen. Sprengungen in den Jahren 1937 u n d !9öi ließen das eigenartige Gesteinsgebilde gänzlich verschwinden. Oberhalb von Seußlitz stockt zwischen dem Bösen Bruder und der Heinrichsburg ein Eichentrockenwald. Als bestandsbildende Art kommt hauptsächlich die Traubeneiche vor, zu der sich Hainbuche, Feldahorn, Winterlinde, Weißdornarten (Crataegus monogyna, C. oxyacantha), Schwarzwerdender Geißklee (Cytisus nigricans) sowie Roter Hartriegel (Cornus sanguinea) gesellen. Die Krautschicht setzt sich besonders zusammen aus Waldklee (Trifolium alpestre), Pechnelke (Viscaria vulgaris), Astloser Graslilie (Anthericum liliago), Hirschwurzhaarstrang (Peucedanum cervaria), Schwarzer Platterbse (Lathyrus niger) und Blaugrünem Labkraut (Galium glaucum).

E 11 Goldkuppe (183,6 m) Zwischen dem Elbtal und dem Seußlitzer Grund erstreckt sich von Südosten nach Nordwesten ein Geländerücken, dessen höchste Stelle als Goldkuppe bezeichnet wird. Von hier bis zur Heinrichsburg bei Seußlitz zieht sich der umfangreichste von 3 großen Burgwällen aus der Bronzezeit unterhalb der Rauhen Furt hin. Es handelt sich um eine der größten Befestigungen aus der Zeit der Lausitzer Kultur mit einer Länge von annähernd 1100 m bei einer maximalen Breite von fast 400 m. Die Befestigungsreste (Wälle) deuten auf eine geschlossene Anlage hin, deren stärkstes Bollwerk sich am einzigen Zugang von der Hochfläche vom Osten her, also an der verwundbarsten Stelle, befindet und Höhendifferenzen zwischen der Grabensohle und der jetzigen Wallkrone bis zu 18 m aufweist. Davor sind noch ein bis zu 50 m breiter Vorgraben und ein Vorwall erkennbar. Der alte Eingang liegt zweifellos über dem geschützten Steilabfall zur Elbe. Darauf sind trotz starker Geländeeinebnung noch eindeutige Hinweise aus dem Wallverlauf abzulesen. Auf der Nordseite finden wir hoch über dem Seußlitzer Grund eine U-förmige Einbuchtung von 90 m Breite und 80 m Tiefe, die in den Wallbereich einbezogen ist. Es handelt sich um eine Quellmulde, die durch einen bis zu 11 m über die Schlucht ragenden Wall gesichert wird und zweifellos zum Aufstauen des Quellwassers und damit zur Wasserversorgung der Burgbewohner und ihres Viehs diente. Am Nordostzipfel des geschützten Geländesporns — bereits über dem Seußlitzer Schloßpark — ist aus dem bronzezeitlichen Wall um 1200 ein Turmhügel herausgegliedert worden. Seine Entstehung hängt mit der Sicherung der Elblinie und der Gründung einer Curia (Rittersitz) im heutigen Schloß- und Parkgelände durch H E I N R I C H D E N E R L A U C H T E N (S. E 7) zusammen.

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Bohntal

E 12

Das Bohntal erstreckt sich von der Hochfläche bei Radewitz (180 m ü. NN) bis zur Elbe (etwa 100 m ü.NN) bei Diesbar. Es ist besonders in seinem östlichen Teil schluchtartig eingeschnitten, weitet sich aber im unteren Abschnitt, wo der Talgrund als Wiese genutzt wird. Im elbferneren Teil stockt Laubwald mit 5 mächtigen, als Naturdenkmale gekennzeichneten Rotbuchen. Als Leitgesellschaft kommt hier der Eichen-Hainbuchen-Wald vor, der reich an Winterlinde, an Rotbuche und Esche in den unteren Hangbereichen ist. Am Oberrand der Hänge treten beispielsweise die Bunte Kronwicke (Coronilla varia) als Art der Magerrasen und Trockenbuschgesellschaften und Arten der thermophilen Eichenwälder mit Hauptverbreitung in Osteuropa auf, wie Hainwachtelweizen (Melampyrum nemorosum), Schwarzwerdender Geißklee (Cytisus nigricans), Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persieifolia), Traubenwucherblume (Chrysanthemum corymbosum), Weiße Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum), Spitzblättrige Malve (Malva alcea) und der Süßholztragant (A stragalus glycyphyllos). Am Rinnsal entlang überwiegen Arten der Bergmisch- und Schluchtwälder, so Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus), Echtes Springkraut (Impatiens noli-tangere), Großes Hexenkraut (Circaea lutetiana), Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicata), Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis), Riesenschwingel (Festuca gigantea), Waldflattergras (Milium effusum). Wandert man vom Gasthof Rosengarten in Diesbar aus in das Bohntal hinein, führt der Weg zunächst am Fuß des Südhanges mit seinen Weinbergen und Obstanlagen entlang. Dann biegt er nach links ab und steigt leicht an. Am Hang oberhalb dieses Wegknies findet der botanisch Interessierte eine Reihe von Arten der Trockenbusch- und Trockenrasengesellschaften. Auffallend ist dabei ein Bestand des Blutroten Storchschnabels (Geranium sanguineum), der zusammen mit weiteren Vertretern des zentraleuropäisch-pontischen Elementes, wie Bergziest (Stachys recta) und Hohem Fingerkraut (Potentilla recta), auch Arten mit zentraleuropäischsarmatischer Bindung aufweist und diesen Hang kontinental getönt erscheinen läßt. Einen besonderen Reiz üben im Mai die weißen Blüten der Astlosen Graslilie (Anthericum liliago) aus; diese submediterrane Art ist im Gebiet um Diesbar-Seußlitz verhältnismäßig häufig anzutreffen. An trockenheißen Standorten kommt bei Diesbar und an anderen Fundorten im Elbegebiet in der Feld- und Strauchschicht die Laubheuschrecke Leptophyes albovittata vor. Ferner konnte der faunistisch besonders beachtenswerte Laufkäfer Carabus ullrichi nachgewiesen werden. An seltenen Wanzen sind Prostemma guttula, die sehr rare Phymata crassipes, Coreus scapha (eine südliche Art) und Aelia rostrata zu verzeichnen. Die nicht häufige südliche Libellenart Ophiogomphus serpentinus fliegt ebenfalls in diesem Gebiet.

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F 1 Scheibe heißt ein Waldgebiet auf der Flur von Zottewitz, und zwar an der Grenze zu den Gemarkungen Medessen und Porschütz. Es reichte um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Osten bis an die Eisenbahnlinie Dresden —Riesa, nach Westen bis an den Elbtalrand bei Neuseußlitz und führte dort Bezeichnungen wie die Langen Streumen, die Hintere und Vordere Metze ( O B E R R E I T 1 8 4 1 / 4 3 , 1 8 5 8 ) . Wichtigste Baumarten sind heute Stieleiche und Kiefer. Infolge der vorherrschenden nordwestlichen Luftströmungen haben sich bei den Kiefern typische Windflüchterkronen herausgebildet. An den Stämmen weist Krüppelwuchs auf Nährstoffarmut im Boden hin, hervorgerufen durch regelmäßige Streunutzung der Bestände in früheren Jahrzehnten. Oer Boden wird von pleistozänen Sanden aufgebaut, die in unterschiedlicher Mächtigkeit dem Verwitterungsschutt des Biotitgranodiorits und Glimmerporphyrits aufliegen. Einzelne Partien neigen zeitweise zur Vernässung, was sich auch in dichtem Graswuchs aus wechselfeuchtigkeitsliebenden Arten ausdrückt. Vom südöstlich anschließenden, 192,8 m hohen Scheibenberg sowie aus der Nähe einer weithin sichtbaren Pappel hat man einen umfassenden Rundblick. Er reicht vom Eckardsberg im Südwesten über die Stadt Riesa im Nordwesten bis nach Großenhain im Nordosten. Besonders eindrucksvoll ist von hier der Geländeabfall zwischen Kmehlen —Wantewitzer Lößschwelle und Elbtal bzw. Großenhainer Land zu beobachten. F 2 Ritzschge Der 6 km lange Bach entspringt östlich von Zottewitz in etwa 180 m Höhe ii. NN. Da er nur wenig und unregelmäßig Wasser führt, sind weite Strecken des Oberund Mittellaufes verrohrt worden, um zusammenhängende Ackerflächen in dem muldenförmigen Tal zu gewinnen. Die aus Biotitgranodiorit bestehenden Anhöhen bei Neuseußlitz zwingen den Bach, von seinem Ost —West gerichteten Verlauf nach Norden umzubiegen. Nach dem Erreichen lockerer Treib- und Geschiebesande beim Luisenhof, wo ein 0,40 ha großer Teich für Beregnungszwecke angestaut ist, nimmt die Ritzschge ihre ursprüngliche Abflußrichtung wieder ein. Kurz vor der Einmündung in die Elbe bei Merschwitz in 95 m ü. NN durchschneidet der Bach in einer tiefen Kerbe die Niederterrasse der Elbaue. Der Name Ritzschge ist mit dem altsorbischen recka für kleinere Wasserläufe in Verbindung zu bringen. F 3 Zottewitz, Kreis Großenhain, liegt am nördlichen Rand der Kmehlen —Wantewitzer Lößschwelle (Abb. 1). Die Geländeformen der nahen und weiteren Umgebung lassen sich vom 157 m hohen Fuß der ehemaligen Holländerwindmühle — 1721 mit einem Gang erwähnt — überblicken. Hinter dem kleinkuppigen Relief bei Neuseußlitz ragt der Schloßturm von Neuhirschstein auf der westlichen Elbseite auf. Im Nordwesten heben sich aus der Elbniederung die Schornsteine von Riesa sowie von Nünchritz und 68

Zeithain heraus. I m Norden schließt der 18 k m entfernte bewaldete H ö h e n z u g bei F 3 Ortrand den Horizont ab. Z o t t e w i t z setzt sich aus einem bäuerlichen D o r f t e i l und einem durch eine B r u c h steinmauer umgebenen ehemaligen G u t s k o m p l e x zusammen. Die erste N e n n u n g eines örtlichen Herrensitzes 1277 bringt a u c h die früheste b e k a n n t e Schreibweise Zoutitz. D e r altsorbische Ortsname b e d e u t e t soviel wie die L e u t e des Sovet(a) oder S o v o t a . D a s hiesige V o r w e r k wurde im 16. J a h r h u n d e r t z u m R i t t e r g u t erklärt, dessen Besitzer Schafe auf bäuerlichem Grund h ü t e n ließen. Deswegen drohten 4 B a u e r n 1625, H a u s und Hof stehenzulassen. I m Siedlungsbild fallen die ehemaligen Dreiseithöfe auf, die vielfach infolge v o n moderner G e s t a l t u n g der W o h n u n g e n und U m b a u zu G a r a g e n ihre alten B a u f o r men verloren haben, aber d a m i t einer z w e c k m ä ß i g e n N a c h n u t z u n g z u g e f ü h r t wurden (Nr. 17). I m früheren Schulgebäude (Nr. 35) h a t die Gemeinde ihren Kindergarten untergebracht. N e u b a u e r n erhielten 1946 die ehemaligen Rittergutshäuser und den 182 h a umfassenden, aufgeteilten Besitz zugewiesen. E i n typischer E i n d a c h h o f aus dieser Zeit blieb mit Nr. 39 erhalten, wenn m a n v o n dem späteren Mansardausbau absieht. Die erste L P G T y p I I I Freie Scholle wurde a m 15. D e z e m b e r 1952 gegründet. Ihre Mitglieder errichteten für Schweine, Milchkühe und Bullen neue Ställe unmittelbar a m R a n d des alten Gutskomplexes. Große F l ä c h e n nordöstlich v o m Dorf werden v o n Apfel- und Sauerkirschplantagen eingenommen, die an das Elbwasserberegnungsnetz angeschlossen sind. Seit 1974 gehört die örtliche Genossenschaft der L P G 25. Jahrestag in Blattersleben (s. F 4) an. Die landwirtschaftliche N u t z f l ä c h e v o n Z o t t e w i t z und v o m benachbarten D ö s c h ü t z h a t die K A P Priestewitz (s. F 7) seit 1973 in Bearbeitung. D a v o r allem die L a n d w i r t s c h a f t in Z o t t e w i t z und Döschütz Verdienstmöglichkeiten bietet, suchen nur e t w a 1/3 der wirtschaftlich T ä t i g e n täglich einen anderen Arbeitsort auf. K a u m 500 m südwestlich v o n Z o t t e w i t z , dem es seit 1950 als Ortsteil zugehört, erstreckt sich D ö s c h ü t z . Seine F l u r reicht in einem schmalen Streifen v o n der O b e r k a n t e des Seußlitzer Grundes im Süden bis z u m ehemaligen V o r w e r k Luisenhof (s. E 5) im Norden. A u f eine E n t f e r n u n g v o n f a s t 3 k m wechseln die Bodenarten v o n L ö ß über lehmigen Sand bis Treibsand. B e i der ersten b e k a n n t e n N e n n u n g v o n 1205 schrieb m a n Didiswitz (— die L e u t e des Dedis). D a s heutige Siedlungsbild wird nur noch teilweise v o n großen Dreiund Vierseithöfen b e s t i m m t ; Stallgebäude wurden in den letzten Jahren abgerissen oder nach U m b a u W o h n z w e c k e n n u t z b a r gemacht, so bei Nr. 1, w o eine dreibogige K u m t h a l l e erhalten blieb. Die frühere L P G in Z o t t e w i t z erbaute a m südöstlichen Ortsrand v o n D ö s c h ü t z einige neue W i r t s c h a f t s g e b ä u d e , so einen Maschinen- und Gerätestützpunkt. Blattersleben, K r e i s Großenhain,

F 4

setzt sich aus 2 bäuerlichen Siedlungsteilen zusammen, beide oberhalb des tief eingeschnittenen Blatterslebener Grundes gelegen und durch eine Straße verbunden. V o n alten B a u f o r m e n h a t sich nur weniges bis in die G e g e n w a r t erhalten, da 6

Elbtal

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F 4 seit dem Ende des 19. Jahrhunderts umfangreiche Um- und Neubauten vorgenommen wurden, wie aus Besitzertafeln und Türschlußsteinen an den Wohn- und Wirtschaftsbauten hervorgeht. Im westlichen Dorfteil fallen im Vierseithof Nr. 23 ein Torhaus, an einem Gebäude des Dreiseithofes Nr. 30 ein gut gepflegtes Fachwerkobergeschoß auf. Im östlichen Dorfteil weist eine dreibogige Kumthalle im Vierseithof Nr. 13 auf die frühere Funktion als Pferdestall hin. Die älteste Nennung des Ortes ist von 1277 bekannt, als bei dem Kauf von Löbsal durch das Kloster Seußlitz ein Zeuge aus Bratersleuen erschien ( = Dorf des Bratroslav). Aus dem 1277 erstmals erwähnten Herrensitz hatte sich ein Vorwerk herausgebildet, das 1712 im Zusammenhang mit einem herrschaftlichen Weinberg als Schenkgut bezeugt ist. Der Anbau von Reben erfolgte jedoch auch früher, gab es doch 1688 eine Anlage von 10 Pfahlhaufen Größe (s. E 6). Reste von Weinbergsmauern findet man überall an südexponierten, heute mit Plantagen aus Süßkirsch-, Pflaumen- und Birnbäumen bestandenen Hängen. 1,5 km nordöstlich von Blattersleben liegt der Ortsteil (seit 1950) P o r s c h ü t z , und zwar am nördlichen Rand der Kmehlen—Wantewitzer Lößschwelle. Ein reiches Urnengräberfeld der mittleren bis jüngsten Bronzezeit befand sich nördlich der Siedlung und ostnordöstlich von Höhe 155,2 m. Den Ortsnamen, erstmals 1205 genannt, schrieb man Boratscuitz ( = Leute des Borac). 1355 ist von dem Verkauf eines Vorwerkes an das Kloster Seußlitz die Rede. Daraus könnte sich das spätere Freigut entwickelt haben, das im Zuge der demokratischen Bodenreform 1945 aufgeteilt wurde. 3 Neubauernhöfe (Nr. 28, 30, 32) an der Straße nach Kmehlen sind Zeugnisse dieses Vorganges. Im Jahre 1953 gründeten Bauern aus Porschütz und Blattersleben die L P G 1. Mai, die sich 1974 m i t der in Zottewitz (s. F 3) zur L P G T y p III 25. Jahrestag zusammenschloß. Ihre Tierbestände — Milchkühe, Bullen und Zuchtsauen — sind überwiegend in neuen Ställen am nordöstlichen Rand von Porschütz untergebracht. Die Läuferschweine werden an das Mastkombinat Baßlitz, die Vormastbullen nach Niederjahna (s. L 9) geliefert. Die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzfläche der L P G obliegt seit 1973 der K A P Priestewitz (s. F 7). F 5 Blatterslebener Grund Wo sich kurz vor Laubach der Seußlitzer Grund verbreitert und als Wiese genutzt wird, zweigt in östlicher Richtung der Blatterslebener Grund ab. Ein Teil seines Südhanges wurde wegen einer Vielzahl von Xerothermpflanzen zum Flächennaturdenkmal erklärt. Die Pflanzengemeinschaften mit kontinentalen oder mediterranen Arten finden hier ein Kleinklima vor, das dem Großklima ihrer Hauptverbreitungsgebiete nahekommt. Neben Arten der Magerrasen und Trockenbuschgesellschaften der collinen Stufe (s. E 12), wie dem sehr seltenen Felsenfingerkraut (Potentilla rupestris), sind es vor allem Arten thermophiler Eichenwälder und Gebüschgesellschaften. Dazu gehören die Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) und der in reicher Zahl auftretende Wilde Dost (Origanum vulgare). Hinzu gesellen sich der Große und der Ährige Ehrenpreis (Veronica teucrium, V. spicata), die Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleucä),

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die Skabiosenflockenblume (Centaurea scabiosa), der Kleine Odermennig (Agrimo- F 5 nia eupatorio) und der Wiesensalbei (Salvia pratensis) als Vertreter der Trockenrasen. Zu den am Rand und in der Hangwiese auftretenden Gehölzen gehören Schlehe (Prunus spinosa), Liguster (Ligustrum vulgare), Trauben- und Stieleiche, Roter Hartriegel (Cornus sanguínea) und Wilde Rosen. Laubach, seit 1957 Ortsteil von Kmehlen,

F 6

nimmt mit seinen überwiegend dreiseitigen Gehöften die Wasserscheide zwischen dem Bockautal im Norden und einem Nebenrinnsal des Gosebaches ein. Alte dörfliche Bauweise hat sich noch in Form von Fachwerkobergeschossen, so bei Nr. 2, und von Kumthallen erhalten, beispielsweise eine dreibogige bei Nr. 16 und eine zweibogige bei Nr. 20. Die L P G Florian Geyer Kmehlen (s. F 7) nutzt eine Reihe von Ställen und Scheunen der Bauernhöfe. Am nördlichen Ortsrand beherbergt ein neuer Stall etwa 100 Jungrinder. Südlich des Oites befanden sich mehrere Gräberfelder und Siedlungsreste aus der Bronzezeit (Abb. 20), die eine ähnlich intensive Nutzung der Flur bestätigen wie im benachbarten Kmehlen (s. F 7), Zu den günstigen natürlichen Voraussetzungen gehörten zweifellos die nahe Lage zu den Bächen und der leicht bearbeitbare, fruchtbare Boden. Die erste bekannte Erwähnung von Laubach fällt in das Jahr 1288. Damals kaufte ein Meißner Domherr den Getreidezehnt in Luboz. Der altsorbische Ortsname ist mit gluboky = tief in Verbindung zu bringen, also Dorf an der Eintiefung. Die im Deutschen ungewöhnliche Form der Bezeichung wurde an das Grundwort -bach angeglichen. Auf der Flur bestanden 1567 bereits 2 Weinberge, 1661 waren es 12. An ihre Stelle traten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Äcker, meist aber Obstplantagen.

Kmehlen, Kreis Großenhain,

F 7

liegt etwa 180 m ü. NN, und zwar im Zentrum der Kmehlen —Wantewitzer Lößschwelle (Abb. 1). Auf der Gemarkung kamen Funde aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit zutage, die eine intensive Besiedlung belegen. Niederlassungen aus der älteren Jungsteinzeit mit Nachweisen von Großhäusern befanden sich an 4 verschiedenen Flurstellen. Vom Ende der Steinzeit zeugen Grabfunde (Schnurkeramik) zu beiden Seiten der Verbindung nach Naundörfel. Germanische Hausgrundrisse liegen vom Ostrand des Dorfes vor, slawische Siedlungsreste südsüdwestlich vom Ort auf einer kleinen Anhöhe südlich des Baches. Zmelin wird 1282 als Herrensitz erwähnt, der wahrscheinlich bis 1574 bestand. Dem Ortsnamen liegt das slawische Wort chmel für Hopfen zugrunde. Eine Aufstellung von 1581 zeigt, welche Lasten auf den Bewohnern ruhten. Sie hatten Wächtergeld und Wachweizen an das Amt Meißen, Schoßgeld und -getreide an das Amt Großenhain, Erbzins sowie Hühner und Eier an das Schulamt Meißen abzugeben. 6*

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F

7

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Abb. 20. Funde der Stein- und Bronzezeit 1 Bandkeramischer Kumpf l : 8 7 2 Tönerner Widderkopf aus Leippen 1:6 8 — 13 3 Torso einer tönernen Venusstatuette von Mauna 1:4 4 — 6 Schnurkeramische Gefäße 1:8 14

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Bronzene Prunkaxt aus der Elbe bei Meißen i : 4 Mittel- bis jüngstbronzezeitliche Keramik (Lausitzer Kultur) 1:8 Bronzefibel von Laubach 1:2

Das heutige Siedlungsbild wird bestimmt von weithin sichtbaren neuen Landwirt- F 7 schafts- und Wohnbauten. Die am 14. Oktober 1952 gegründete L P G T y p I I I Florian Geyer, deren Verwaltung in einem Vierseithof mit Ställen und ausgebautem Wohnraum untergebracht ist, schuf sich seit etwa i960 mehrere Anlagen, so unter Einbeziehung einer ehemaligen Scheune des Dreiseithofes Nr. 13 im Jahre 1964 einen Technikstützpunkt und Ställe für Schweine, Hühner und für 420 Rinder. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitskräfte entstanden 2 Wohngebäude mit insgesamt 24 Wohnungen sowie ein Landwarenhaus. Von den wirtschaftlich Tätigen gehen lediglich etwa 25 % einer Beschäftigung außerhalb Kmehlens und seiner Ortsteile nach. Die 1 200 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche der L P G — davon 176 ha Grünland — hat seit 1973 die Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion Priestewitz zur Bearbeitung übernommen. Ihr anvertraut ist auch der genossenschaftliche Grund und Boden von Großenhain (1021 ha), Zschauitz (1004 ha), Zottewitz (996 ha), Böhla (749 ha), Strießen (669 ha) und Kottewitz (613 ha). Als wichtigste Nutzpflanzen werden auf den Böden mit hoher Fruchtbarkeit Weizen und Gerste sowie Kartoffeln angebaut. 1974 vermehrte man auf 420 ha Fläche verschiedene Grasarten und Rotklee. Die K A P nutzt in Großenhain ein Trockenwerk sowie eine Lagerhalle und einen Schälbetrieb für Speisekartoffeln. E t w a 1 km nördlich von Kmehlen steht auf der Höhe 212,1 m die Polytechnische Oberschule Kmehlen-Gävernitz. Hier werden die Kinder der Klassen 1 bis 8 aus den umliegenden Gemeinden unterrichtet, die älteren Schüler besuchen die RainerFetscher-Oberschule in Priestewitz. An den Hängen nordwestlich und südöstlich der Kmehlener Schule befanden sich Werkplätze zur Feuersteinbearbeitung aus der letzten Phase der Altsteinzeit (rund 10000 Jahre alt). E t w a 800 m nördlich von Kmehlen l i e g t B a s e l i t z , das seit 1923 nach seinemHauptort eingemeindet ist. Es besteht aus einem ehemaligen Rittergut und aus wenigen kleinen Wirtschaften beiderseits der Quellmulde der Bockau. Auf der Flur wurde im 17. Jahrhundert bedeutender Weinbau getrieben, wie die Abgabenliste der Dresdner Zeughauskellerei beweist. Der Ort wird 1205 Boserwitz geschrieben ( = die Leute des Bo£er(a)). Das im 14. Jahrhundert nachweisbare Vorwerk des Klosters Seußlitz führte seit dem 16. Jahrhundert die Bezeichnung Rittergut, im 17. Jahrhundert zeitweilig Kammergut. Ihm gehörte auch die 1617 erstmals erwähnte Windmühle auf der Höhe 212,1 m, die bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitete. Das ehemalige Herrenhaus von Baselitz beherbergt heute außer Wohnungen den Kmehlener Kindergarten. 1945 erhielten durch die demokratische Bodenreform Neubauern und landarme Bauern Land vom 118 ha (1901) großen Rittergutsbesitz. Neubauernhöfe entstanden im Hofraum des Gutes sowie nahe W i s t a u d a in der Baselitzer Flur. Es wurde als Herrensitz 1180 Wistud (= Ort am kalten Quell, von slawisch studa — Kälte) geschrieben, das Vorwerk kam vor 1406 an das Baselitzer Gut. 1551 gab es 4 Bauern, 1764 nur 2 Gärtner.

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G 1 Wölkisch, seit 1974 Ortsteil v o n Zehren, n i m m t die beiden T a l h ä n g e a m Oberlauf des L o m m a t z s c h b a c h e s ein. A m südwestlichen D o r f r a n d kreuzen sich die Fernverkehrsstraße 6 v o n Meißen nach O s c h a t z u n d die alte Ochsenstraße v o n L o m m a t z s c h zu den E l b f ä h r e n bei B o r i t z b z w . bei N i e d e r l o m m a t z s c h . Diese günstige L a g e n u t z t der 1642 erstmals urkundlich erw ä h n t e Gasthof Herr G e v a t t e r , der eine R a s t s t ä t t e f ü r K r a f t f a h r e r geworden ist. D e r O r t w u r d e 1315 erstmals genannt, als das K l o s t e r Seußlitz in Welcosch Zinsen b e s t ä t i g t erhielt. Die altsorbische B e z e i c h n u n g ist als Ort des V e l ' k o s zu erklären. Seit d e m E n d e des 17. Jahrhunderts bestand im D o r f ein L e h n h o f , der 1801 zum R i t t e r g u t bzw. A l l o d i a l - E r b g u t wurde. Eine Besitzaufstellung v o n 1836 nennt eine 3 H u f e n umfassende W i r t s c h a f t , die sicher aus diesem E r b g u t hervorging. Neben 17 Häuslern g a b es einen Müller, der die 1721 bezeugte W i n d m ü h l e an der F 6 zwischen W ö l k i s c h und K l a p p e n d o r f besaß. D a s dazugehörende Mühlengehöft blieb erhalten. G e h t m a n durch das Dorf, so fallen kleine dreiseitige B a u e r n w i r t s c h a f t e n sowie ehemalige G a r t e n n a h r u n g e n als W i n k e l b a u t e n auf. F a c h w e r k im Obergeschoß (Nr. 3, 24, 27, 38, 39, 40) sowie an den Scheunen (Nr. 21, 27), T r e p p e n a u f g ä n g e in das Obergeschoß v o n a u ß e n sind Beispiele interessanter dörflicher B a u w e i s e . A m Schmiedegebäude (Nr. 37) m i t F a c h w e r k o b e r g e s c h o ß erkennt m a n a m Schlußstein der rundbogigen Scheuneneinfahrt die Jahreszahl 1786 sowie ein Sechzeichen (Pflugmesser). Die örtliche L P G T y p I I I Vereinte K r a f t Wölkisch, die beispielsweise einen Rinderstall im größten Vierseithof des Ortes (Nr. 1) unterhält, ging aus der 1953 gegründeten L P G T y p I I I Frohe Z u k u n f t hervor. Die Genossenschaft ist seit vielen Jahren auf die H a l t u n g v o n Färsen und Milchkühen (1972: 300 Stück) spezialisiert. Günstige O m n i b u s v e r b i n d u n g e n ermöglichen es, d a ß 43 % der wirtschaftlich T ä t i g e n täglich eine auswärtige Arbeitsstelle, v o r allem in Meißen, aufsuchen. Die K i n d e r besuchen die polytechnische Oberschule in Zehren. A n der Straße v o n W ö l k i s c h nach O b e r l o m m a t z s c h liegt das E i n z e l g u t W i n d o r f , d a s v o n 1935 bis 1973 zu W ö l k i s c h gehörte. Die G e b ä u d e des geschlossenen Vierseithofes dienen W o h n z w e c k e n sowie der L P G Vereinte K r a f t W ö l k i s c h als Stallund Bergeräume. H i e r h a t sich auch die V e r w a l t u n g der L P G niedergelassen, zu der 1973 die L P G s Freie E r d e P i s k o w i t z und D e r W e g ins L e b e n Zehren hinzuk a m e n . D e n Innenhof erreicht m a n durch das R u n d b o g e n t o r mit steinernen Torzierden als einzigem Zugang. Neue Ställe und ein L a g e r s c h u p p e n stehen nördlich v o m Gehöft. Nordöstlich d a v o n befindet sich eine Insel mit einem Graben, die Hinweise auf eine ehemalige W a s s e r b u r g geben könnte. Urkundliche E r w ä h n u n g e n sind jedoch nicht b e k a n n t . D e r N a m e Wintdorf k o m m t in einem Lehnbrief über das Schloß Hirschstein im Jahre 1461 erstmals v o r und b e d e u t e t W e n d e n d o r f , vielleicht a u c h d e m W i n d ausgesetztes Dorf. Eine ursprünglich v o n Slawen b e w o h n t e Siedlung w a r v o r dem 15. J a h r h u n d e r t w ü s t geworden. N a h e der nördlichen Flurgrenze v o n W ö l k i s c h lagert unter dem geringmächtigen

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saalekaltzeitlichen Geschiebesand tertiärer Ton, der früher in einer Grube abge- G l baut wurde. Bereits 1788 erhielt der Gutsbesitzer von Windorf die Erlaubnis, einen Töpfer ansetzen zu dürfen. Unmittelbar neben der Grube verzeichnet O B E R R E I T (1839/40) Weinberge. G 2

Obermuschütz, seit 1935 Ortsteil von Zehren, nimmt mit seinen wenigen großen Bauernhöfen den oberen Rand des Abschlusses eines Trockentales ein, das zu dem 70 m tiefer gelegenen Niedermuschütz hinabzieht. Am ehemaligen Pferdestall des Gehöftes Nr. 10 erhielt sich eine zweibogige Kumthalle, auf seinem Dach ein Türmchen mit Uhr. Der Name Muchswicz superius (1334) ist nach seiner altsorbischen Bezeichnung als Leute des Muiek oder Musek zu erklären. 1837 wohnten in Obermuschütz 1 Drei-, 2 Zweieinhalb- und 2 Viertelhüfner sowie 1 Häusler. Bis zum ersten Weltkrieg wurde am Südrand des Ortes tertiärer Ton in einem Schacht abgebaut. Eine bedeutende Erweiterung erfuhr der Ort, als die damalige L P G Der Weg ins Leben Zehren 1965 einen Geräte- und Reparaturstützpunkt einrichtete, der — später erweitert — heute der K A P Jahna-Löthain (s. L 9) angegliedert ist. Ebenfalls neu entstanden 1968 bzw. 1972 Ställe, in denen 400 bzw. 1 700 Bullen gemästet werden können. Neben dem eigenen Aufkommen sorgen weitreichende Kooperationsverbindungen zu anderen Genossenschaften, wie zu denen in Sadisdorf und Reinholdshain im Osterzgebirge, für genügend tragende Färsen. Die Haltung von Kuhkälbern und von sogenannten Vormastbullen erfolgte 1972 überwiegend in umgebauten Altställen der Gehöfte mehrerer Ortsteile (s. G 4); die Bullenendmast wird in Obermuschütz selbst durchgeführt.

Tummeisberg (160 m)

G 3

Unmittelbar am südlichen Ortsrand von Wölkisch und in geringer Entfernung von der Fernverkehrsstraße 6 entfernt, ragen Bäume und Buschwerk über den Rand eines früheren Steinbruchs, der an der tiefsten Stelle mit Wasser gefüllt ist und als Löschwasserentnahmestelle in der recht wasserarmen Ackerlandschaft dient. Bereits O B E R R E I T (1839/40) verzeichnet den Bruch in seinem Atlas. In ihm wurde das früher unter der Bezeichnung Meißner Hauptgranit bekannte Gestein abgebaut. Heute spricht man auf Grund der Mineralzusammensetzung, die im wesentlichen aus Kalknatronfeldspat, Kalifeldspat, Quarz und Biotit besteht, von Biotitgranodiorit. Die mittel- und gleichkörnige Beschaffenheit des Gesteins kam der früheren Verwendung als Baustein entgegen. Die steil einfallenden Längs-, die flach einfallenden Quer- sowie die häufig vorhandenen Diagonalklüfte waren allerdings für eine Gewinnung größerer Werksteinblöcke nicht günstig. Die granitischen Schmelzen drangen im Oberkarbon auf. Im Anschluß an ihre Erstarrung kam es auf Klüftungszonen und Spalten zu einer Füllung mit Ganggesteinen, von denen im Bruch die feinkörnigen Aplite anzutreffen sind. Der Tiefengesteinskörper wurde durch Abtragung der Hüllschichten freigelegt, so

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G 3 daß die Verwitterung den Granodiorit angreifen und eine unregelmäßige Gestaltung seiner Oberfläche herbeiführen konnte. Das erkennt man im Ostteil des Bruches, wo 2 m mächtige Buntsandsteinreste vom Biotitgranodiorit durchragt werden. An einer Stelle wird die Grenze zwischen beiden Gesteinen von einer kleinen Störung gekennzeichnet. Buntsandsteinbildungen wurden während der älteren Triaszeit im Raum nördlich von Meißen in einem verhältnismäßig schmalen Streifen abgelagert und vielfach später wieder abgetragen. Lediglich in einer Zone südlich der Lausitzer Störung, wo diese Ablagerungen tektonisch abgesenkt wurden, blieben sie erhalten. Die Triasschichten bestehen vorwiegend aus sehr feinkörnigen roten Sandsteinen mit den Hauptbestandteilen Feldspat, Quarz und Biotit. Zwischengeschaltete Konglomeratlagen bestehen aus Gerollen von Granodiorit, Quarzporphyr und Sandstein.

G 4 Zscheilitz, seit 1935 Ortsteil von Piskowitz, breitet sich am nördlichen Talhang des regulierten Zscheilitzwassers aus und liegt — von wenigen Gebäuden abgesehen — oberhalb des bei Starkregen überschwemmungsgefährdeten Talbodens. Der Untergrund der Flur weist Löß bis über 5 m Mächtigkeit auf, den — besonders in Hohlwegen sichtbar — pleistozäne Kiese und Sande unterlagern. Einen Hinweis darauf, daß Zscheilitz ursprünglich aus 2 getrennten Siedlungsteilen bestanden haben muß, gibt die Nennung von 1378: Beide Schzilcz. Zuvor hatte man 1334 Schilcz (altsorbisch die Leute des Cil oder Cul) geschrieben. Welchen Umfang die sozialökonomische Differenzierung im Lauf der Zeit angenommen hatte, beweist ein Ablösungsrezeß von 1837. Damals gab es 3 Zweieinhalb-, 2 Dreihüfner und 2 Einviertelhüfner, je 1 Fünf-, Vier-, Zwei-, Eineinhalb- und Halbhüfner sowie 8 Häusler. In dem umfänglichsten, vollständig erhaltenen Vierseithof, in den man durch Rundbogentor oder -pforte gelangt, hatte vor 1973 die 1953 gegründete L P G T y p III Freie Erde Piskowitz ihre Verwaltung. Sic nutzte in einigen Höfen Ställe zur Rinderhaltung. Dann befand sich hier von 1973 bis 1975 der Sitz einer K A P . Sie bearbeitete 1974 e i n e landwirtschaftliche Nutzfläche von etwa 2500 ha, davon 650 ha Dauergrünland, der L P G Vereinte Kraft Wölkisch (s. G 1), der früheren LPGs Der Weg ins Leben Zehren und Freie Erde Piskowitz. Seit 1975 bewirtschaftet von hier aus ein Bereich der K A P Jahna-Löthain (s. L 9) den Grund und Boden. Etwa 1,5 km westlich von Zscheilitz liegt L ö b s c h ü t z , seit 1935 ebenfalls Ortsteil von Piskowitz. Es nimmt mit seinen 3 ehemaligen Vierseithöfen den nördlichen Talhang des Zscheilitzwassers ein. Die erste bekannte Nennung liegt von 1216 als Lvbiziz vor, was soviel wie die Leute des L'ubis bedeutet. 1712 gab es 1 Vier- und 1 Einundeinviertelhufengut; die Flur eines weiteren Hufengutes gelangte nach seiner Aufteilung an 11 verschiedene Bauern in Lommatzsch, Zscheilitz, Wachtnitz und Piskowitz. Einige der Gebäude dienen heute der L P G Vereinte Kraft Wölkisch. In einem der Ställe sind Bullen zur Vormast untergebracht. 76

Ein weiterer Ortsteil von Piskowitz ist seit 1935 I c k o w i t z , das sich mit seinen G 4 Häusern und kleinen Wirtschaften in ein Trockental zwängt. Dagegen breitet sich das vierseitige ehemalige Allodialgut auf der 15 m höheren Lößhochfläche aus. Durch die Bodenreform erhielten Neubauern 1945 seinen Grund und Boden, auch entstanden einige Neubauernhöfe. Heute nutzt die L P G T y p I I I Vereinte K r a f t Wölkisch den geschlossenen Vierseithof zur H a l t u n g von Milchkühen. Das frühere Herrenhaus dient dem R a t der Gemeinde Piskowitz als Verwaltungssitz. Ickowitz wurde 1350 erstmals als Eczk(e)wicz genannt (deutsch-slawischer Mischname = Leute des E z z i k o oder Isiko). Damals wechselten ein Vorwerk, 3 Gartennahrungen (1837: 4) und eine Mühle ihre Grundherrschaft. Auf der Flur kamen nordöstlich v o m Ort Reste großer Vorratsgefäße, verbrannter Lehmverstrich v o n den Hauswänden sowie Gruben, Schlacke und weitere K e r a m i k zum Vorschein, die einer Siedlung der Bronzezeit (älterer Lausitzer Typus) angehörten.

Göhrisch, Ortsteil von Niederlommatzsch,

H 1

setzt sich aus dem eigentlichen Göhrischgut (Nr. 1), dem 500 m entfernten Schmiedegut (Nr. 2) und der 1000 m entfernten Gohrisch-Gärtnerei (Nr. 3) zusammen, im Volksmund Gohrisch-Presse genannt, weil es sich um ein ehemaliges Weinberghaus handelt, das unter Denkmalschutz steht. Im Inneren haben sich Reste von farbigen Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Die Gärtnerei untersteht der K A P Jahna-Löthain (s. L 9) und produziert in ihren Gewächshäusern und Frühbeeten Gemüsejungpflanzen, Gurken und Azaleen. Ein Herrensitz Geres wird 1313 genannt, später schrieb man Jerez (1378). Die altsorbische Bezeichnung ist als Ort an der Schlucht, an der Rinne oder am Graben zu deuten. D a s Einzelgut u m f a ß t 2 aneinandergebaute Gebäudetrakte. Bei dem um 1800 errichteten Herrenhaus handelt es sich um einen g-Fenster-Front-Bau mit Mansarddach, der — wie auch ein weiterer — zu Wohnzwecken genutzt wird. Die übrigen Wirtschaftsgebäude dienen der L P G Vereinte K r a f t Wölkisch (s. G l ) zur Futteraufbewahrung und zur Wintereinstallung. In einem 1965 erbauten Stall sind 50 Milchkühe untergebracht, die im Sommer auf den elbnahen Wiesen weiden. In der Nähe v o m Schmiedegut mit seinem Türschlußstein von 1801 gedeihen auf Terrassen Weinreben. Über diese Sonderkultur schreibt SCHIFFNER 1840, daß sie „besonders auf dem vorspringenden Felsen" betrieben würde.

Göhrischberg (152,4 m)

H 2

Den Göhrischberg, den ein Fernsehverstärkermast krönt, baut Biotitgranodiorit auf, durchsetzt v o n zahlreichen, meist feinkörnigen aplitischen Gängen. Bis etwa 1935 wurde das Gestein in 2 großen Steinbrüchen auf der Elbseite gewonnen. Die v o m Göhrischberg durch einen Geländesattel abgetrennte südwestliche Anhöhe (145,1 m) wird von 2 Gängen aus Zehrener Quarzporphyr (Abb. 21) durchzogen, der als jüngstes Glied der Meißner Porphyrbildung gilt. V o m F u ß der Erhebung

77

H

2

Abb. 21. Verbreitung der Porphyre in der Umgebung von Meißen (aus PIETZSCH

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1962)

bei der Rauhen Furt erstrecken sich diese in nordwestlicher Richtung über dem H 2 höchsten Punkt und treten als Felsgrate an die Oberfläche. A m Südwesthang der Anhöhe ist der eine Gang, der mit etwa 50° nach Norden einfällt, unmittelbar der Beobachtung zugänglich. Das säulig abgesonderte Gestein weist in einer mikrokristallinen Grundmasse, die durch Eisenoxid rötlich bis bräunlich gefärbt ist, zahlreiche größere Einsprenglinge von Quarz und Orthoklas in oft gut ausgebildeten Kristallen auf. Untergeordnet sind auch Biotit und Kalknatronfeldspat zu finden. Auf der rechten Elbseite setzt sich am Südwesthang des Golkwaldplateaus nur noch ein allerdings mächtigerer Gang fort. Der Steilabfall des Golkwaldplateaus bei den Orten Golk und Nieschütz und der des südlichen Göhrischberges hängt mit der Hebung des nördlichen Flügels an einer Störung zusammen, die als Fortsetzung der Lausitzer Verwerfung aufzufassen ist. Im abgesenkten Südflügel haben sich Reste der Buntsandsteinbildungen (s. G 3) erhalten, die während des Tertiärs und Quartärs im Gegensatz zu den granitischen Gesteinen in stärkerem Maße ausgeräumt wurden, so daß die Störung im Landschaftsbild recht deutlich in Erscheinung tritt. Die steilen Schutthänge und Felsspalten des Göhrischberges geben günstige Standorte für submediterrane Arten ab, wie für Astlose Graslilie (Anthericum liliago), Blauen Lattich (Lactuca perennis) und Echtes Steinkraut (Alyssum saxatile). Aber auch das pontisch-pannonische Siebenbürgische Perlgras (Melica transsilvanica) und Arten anderer Areale sind teilweise recht zahlreich anzutreffen, so Bunte Kronwicke (Coronilla varia), Bergziest (Stachys recta), Hügelmeister (Asperula cynanchica), Schwarzwerdender Geißklee (Cytisus nigricans), Weiße Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum), Berglauch (Allium montanum), Feldmannstreu (Eryngium campestre), Rispenflockenblume (Centaurea maculosa), Blauer Schwingel (Festuca cinerea). Weiße Fetthenne (Sedum album), Wiesenstorchschnabel (Geranium pratensis) und Wiesenbocksbart (Tragopogon pratensis) haben auf Weinbergsmauern und auf Kulturwiesen ihr Fortkommen. A m Göhrischberg wurden Fundorte von den besonders wärmeliebenden Ameisenarten Camponotus caryae v. fallax, Dolichoderus quadripunctatus und Leptothorax affinis gemeldet. Einen Neufund für Sachsen stellt die seltene Ameise Leptothorax muscorum v. gredleri dar. Auch kommt hier die Schnirkelschnecke Cepaea vindobonensis vor. Auf dem Göhrischberg liegt eine jüngstbronzezeitliche Wallanlage. Durch Steinbruchsarbeiten sind wesentliche Teile der befestigten Siedlung vernichtet worden. Die heutigen Ausmaße betragen nur noch 250 m x 200 m. Die Wallhöhen sind nach den steilen Elbtalhängen im Nordosten und Südwesten relativ gering, nach der Hochebene des Hinterlandes betragen sie über 12 m. Im Nordosten markieren gegeneinander versetzte Torwangen den alten Eingang noch recht gut. Der neue Wegdurchbruch im Norden gibt Aufschlüsse über die lehmgefüllte Holzkonstrulction der Aufschüttung. Nach den bisherigen Funden zu urteilen, gehört der Wall in seiner zeitlichen Gründung zwischen die benachbarten Anlagen auf der Goldkuppe (ältere Befestigung, s. E n ) und auf dem Burgberg Löbsal (jüngere Wehranlage, s. H 10).

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H 3 Eckardsberg (184,2 m) heißt die höchste Erhebung einer von Südwesten nach Nordosten gerichteten, 1 km langen Hügelkette, die bis zu 40 m über die Umgebung herausragt. Sie trägt auf der Kuppe und ihrem nach Norden gerichteten Oberhang ein Waldkleid aus überwiegend Kiefern, deren Baumkronen verkrüppelt sind oder typische Windflüchterformen aufweisen. Die übrigen Hänge werden als Acker- oder Weideland genutzt. Der Eckardsberg gehört zu einem Endmoränenwall, der bei einer Eisstillstandsperiode aufgeschüttet wurde. In östlicher Richtung sind ähnliche Ablagerungen zwischen Diera und Oberau deutlich entwickelt. Während der Saalekaltzeit drang das Inlandeis von Norden bis in das Gebiet nördlich von Meißen vor. Der Gletscher und die Endmoränen dämmten während dieser Zeit das Elbtal ab. Die Ablagerungen bestehen aus Kiesen und Sanden; an Gerollen sind Quarze, Kieselschiefer, reichlich nordisches Material mit Feuersteinen sowie Grauwacken und aus älteren Elbschottern stammende Sandsteine und Basalte vertreten. Mitunter werden die meist horizontalen, in oberen Partien braun gefärbten Schichten von kleinen Störungen durchsetzt, die als pseudotektonische Erscheinungen durch Sakkungsvorgänge beim Abschmelzen von Toteisblöcken entstanden sind. Darüberlagert eine 40 bis 80 cm mächtige Schicht aus weichselkaltzeitlichem Löß, auf der sich Braunerde bzw. Parabraunerde als Bodentypen entwickelten ( K R A M E R 1971). Von den Waldecken aus lassen sich an Nahzielen die Steinbruchwand am Bösen Bruder, der Göhrischberg, der Golkwald mit den davorliegenden Gewächshäusern in Nieschütz sowie der umfängliche Stallkomplex am Ortsrand von Obermuschütz erkennen. In der Ferne tauchen im Norden das Schloß Hirschstein und im Nordwesten die Türme und Schornsteine von Niinchritz und Riesa auf.

H 4 Burgberg (140,5 m) heißt der schmale, ungefähr 40 m über die angrenzende Elbaue herausragende Rücken, der sich oberhalb vom Gasthof Zehren nach Norden erstreckt. Sein Boden besteht aus Löß, dessen Aussehen und Zusammensetzung als typisch für das gesamte nach Westen anschließende Gebiet der Lommatzscher Pflege anzusehen sind. Der am Burgberg ungeschichtete, stellenweise wellig gestreifte, unterschiedlich gefärbte Löß weist je nach den Geländeformen Mächtigkeiten von 4 bis über 8 m auf. Seine poröse Struktur schafft günstige Bodenhjft- und Bodenwasserverhältnisse, sein Kalkgehalt von 10 bis 15 % verleiht ihm hohen Nährstoffgehalt. Nicht selten können Anreicherungen des Kalkes in Form kleiner zusammengekitteter Kugeln gefunden werden, sogenannter Lößpuppen oder -kindein. Tierische Fossilien kamen bisher nur wenige zutage, so rechtselbisch zwischen Radewitz und Seußlitz sogenannte Lößschnecken ( P I E T Z S C H 1928). Nördlich der Linie Wölkisch — Althirschstein (Abb. 1) tritt an die Stelle des Lösses der weniger als 1,5 m mächtige Lößlehm — ein entkalkter Löß — bzw. Sandlöß. Als Bodentypen überwiegen Parabraunerden. Ihre Entstehung verdanken sie dem 80

seit l a n g e m d u r c h g e f ü h r t e n A c k e r b a u , d e r die u r s p r ü n g l i c h e n F a h l e r d e n w e i t - H 4 g e h e n d v e r ä n d e r t e (SCHMIDT 1966). U n t e r der A c k e r k r u m e f o l g t ein 0,30 bis 0,60 m s t a r k e r H o r i z o n t m i t eingew a s c h e n e m T o n . A n d e r O b e r k a n t e z w i s c h e n B u r g b e r g u n d E l b t a l sowie d e n H ä n g e n p a r a l l e l z u r F e r n v e r k e h r s s t r a ß e 6 h a b e n sich S t a n d o r t e m a n c h e r b o t a n i s c h e r K o s t b a r k e i t e n e r h a l t e n . G r o ß e r Z i r m e t ( T o r d y l i u m maximum), Mauerdoppelsame (Diplotaxis muralis), W e r m u t (Aytemisia absinthium) sind V e r t r e t e r der m e d i t e r r a n e n Pflanzen, besonders ergänzt v o n europäisch-vorderasiatischen Arten, wie Goldk ä l b e r k r o p f (Chaerophyllum aureum), der hier a m R a n d einer S c h l e h e n h e c k e Ü b e r m a n n s h ö h e erreicht, S i c h e l l u z e r n e (Medicago falcata) u n d G e m e i n e Sichelm ö h r e (Falcarai vulgaris). A u f d e m s ü d ö s t l i c h e n R a n d des B u r g b e r g e s e r h e b t sich eine e h e m a l s s t r a t e g i s c h w i c h t i g e S p o r n b u r g (Bild 20), die d e n E i n g a n g d e r V e r b i n d u n g e n v o n W e s t s a c h s e n z u r E l b e u n d n a c h M e i ß e n sicherte. D i e H a u p t b u r g m i t e i n e m h e u t e n o c h m e h r als 5,50 m h o h e n W a l l s c h l i e ß t eine F l ä c h e v o n 50 m x ö o m ein. G r ö ß e r e z u s ä t z liche T e i l e sind d u r c h f r ü h e r e S t e i n b r u c h s a r b e i t e n z e r s t ö r t w o r d e n . D i e V o r d e r f r o n t d e s H a u p t w a l l e s b i l d e t e eine steinerne B l e n d m a u e r i m T r o c k e n v e r b a n d , d a s W a l l innere w a r m i t L e h m g e f ü l l t u n d d u r c h Q u e r l a g e n v o n H ö l z e r n a b g e s i c h e r t (Bild 21). N a c h h i n t e n s c h l o ß d e n 4,50 m b r e i t e n W a l l eine h ö l z e r n e B o h l e n w a n d m i t h i n t e r l e g t e n B r e t t e r n ab, die i m V e r e i n m i t s e n k r e c h t e n P f e i l e r n u n d S c h r ä g s t ü t z e n einen V e r s t u r z v e r h i n d e r n sollten. D e r bis z u 22 m b r e i t e u n d 4,50 m t i e f e G r a b e n schuf ein w e i t e r e s H i n d e r n i s . G e g e n d a s A b r u t s c h e n der V o r d e r f r o n t w a r e n F a s c h i n e n z ä u n e e i n g e s e t z t , die f r e i e n R ä u m e m i t E r d e h i n t e r f ü l l t . I m I n n e r e n der B u r g s t a n d e n H o l z h ä u s e r i m B l o c k b a u m i t H e r d e n , G e t r e i d e m ü h l e n u n d e i n e m B a c k o f e n . D i e V o r b u r g , die e b e n f a l l s d i c h t b e b a u t w a r , e r s t r e c k t e sich ü b e r 1 1 0 m u n d w a r d u r c h einen W a l l gleicher K o n s t r u k t i o n u n d d u r c h einen G r a b e n gesichert. D e r F r i e d h o f l a g a u ß e r h a l b der V o r b u r g . D i e F u n d m a t e r i a l i e n e n t s p r e c h e n der h i s t o r i s c h e n Ü b e r l i e f e r u n g eines 1003 g e n a n n t e n c a s t e l l u m Cirin (s. H 6). Sie reichen nur in die z w e i t e H ä l f t e d e s 10. J a h r h u n d e r t s z u r ü c k u n d enden b e r e i t s i m 1 1 . J a h r h u n d e r t , als d e r B u r g w a r d Z a d e l die Z e h r e n e r Anlage ablöste. II E

Niedermuschütz, seit 1935 O r t s t e i l v o n Z e h r e n , n i m m t m i t seinen H ä u s e r n die N i e d e r t e r r a s s e d e r E l b e beiderseits v o m P f a f f e n b a c h ein, der hier ein 1789 z u g e b a u t e s , h e u t e als G r ü n l a n d g e n u t z t e s E l b b e t t — f r ü h e r S c h l u c h t g e n a n n t — e r r e i c h t u n d d i e s e m bis z u m G ö h r i s c h b e r g f o l g t . E b e n f a l l s auf der T e r r a s s e b e f a n d e n sich 500 m n ö r d l i c h v o m O r t G r ä b e r d e r j ü n g e ren u n d j ü n g s t e n B r o n z e z e i t . E i n e o f f e n b a r d a z u g e h ö r i g e S i e d l u n g , die bis in die l e t z t e n J a h r h u n d e r t e v . u. Z. b e l e g t w a r , k a m reichlich 500 m w e s t l i c h der S c h a n z e auf d e m G ö h r i s c h b e r g (s. H 2) u n d d a m i t z w i s c h e n der o f f e n e n S i e d l u n g u n d d e m Wall zum Vorschein. D e r b ä u e r l i c h e O r t h a t eine u n g e w ö h n l i c h e F o r m , weil er sich a u s 3 S a c k g a s s e n z u s a m m e n s e t z t . E t w a s a b s e i t s d a v o n s t e h t ein u m f ä n g l i c h e s A n w e s e n , v i e l l e i c h t der F o l g e b a u eines 1359 g e n a n n t e n V o r w e r k s . Sein V o r g ä n g e r , ein H e r r e n s i t z , k a n n 81

H 5 in Moskewiz (Ortsnamenerklärung s. G 2) bereits 1180 nachgewiesen werden. Niedermuschütz bildete v o m 14. bis 16. J a h r h u n d e r t eine eigene Supanie ( s . S e i t e i j ) im A m t Meißen. Einige E i n w o h n e r h a t t e n in den Seußlitzer W e i n b e r g e n Frondienste zu leisten (1567). Eine Schiffsmühle lag e t w a 700 m südöstlich v o m O r t in der E l b e . Zu ihrem A u f b a u erhielt ein L o m m a t z s c h e r B ü r g e r 1575 die Konzession erteilt. Zwischen ihrem S t a n d o r t und dem dorfnahen alten E l b b e t t erhebt sich eine S a n d a u f s c h ü t t u n g , „ein W e r t h e r in der E l b e " , auf dem die Gemeinde seit mindestens 1600 Gras und B u s c h h o l z n u t z e n und G ä r t e n anlegen durfte. 1685 ließ K u r f ü r s t JOHANN GEORG I I I . hier ein Fasanengehege und 1695 ß i n F o r s t h a u s f ü r seinen Hegereiter einrichten. A u f der F l u r wurde a u c h W e i n b a u getrieben, worauf 3 W i n z e r h ä u s e r 1723 hindeuten. Zu ihnen gehören die F a c h w e r k h ä u s e r Nr. 35 und 36 an der S t r a ß e v o n N i e d e r m u s c h ü t z n a c h der Hebelei. W e n n HOFMANN 1844 schreibt, der O r t werde „ v o n O b s t b ä u m e n eingehüllt", so t r i f f t diese Feststellung f ü r die nach Süden und Südosten gerichteten H ä n g e noch heute zu. I m Siedlungsbild herrschen Drei- und Vierseithöfe im wesentlichen aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vor, wie die Türschlußsteine an den Wohnstallhäusern beweisen (Nr. 25: 1808; Nr. 19: 1809; Nr. 16: 1 8 1 7 ; N r . 26: 1813). E i n Beispiel dafür, wie G e b ä u d e eines vierseitigen B a u e r n g u t e s der genossenschaftlichen Viehh a l t u n g dienen können, b i e t e t Nr. 10. E i n e ehemalige H o p f e n d a r r e an der W e g gabelung z u m E c k a r d s b e r g n u t z t die K A P J a h n a - L ö t h a i n (s. L 9) als S a a t g u t lager. In der U m g e b u n g v o n N i e d e r m u s c h ü t z fallen v e r h ä l t n i s m ä ß i g tiefe Schluchten auf, die bis in die roten L e t t e n und Sandsteine des B u n t s a n d s t e i n s eingeschnitten sind und durch die an manchen Stellen H o h l w e g e führen. In den Sedimenten h a t m a n früher kleine Schalenabdrücke des K i e m e n f ü ß l e r s Isaura minuta gefunden.

H 6 Zehren, K r e i s Meißen, liegt m i t seinem D o r f k e r n zwischen dem K e t z e r b a c h , der hier in einem Kerbsohlental die E l b e erreicht, und d e m B u r g b e r g . Häuslerreihen und jüngere A u s b a u t e n ziehen sich v o n hier auf e t w a 1 k m L ä n g e nach Norden, und z w a r an der Unterk a n t e des 30 m hohen E l b t a l h a n g e s , sowie in das K e t z e r b a c h t a l hinein. D u r c h eine 600 m lange B e b a u u n g s l ü c k e v o m O r t getrennt, folgen auf e t w a 1 k m A u s dehnung n a c h Südosten die sogenannten Spitzhäuser. Cirin (s. H 4) b e d e u t e t Felsenort oder O r t an der K l i p p e (vergleiche slowenisch cerenje = K l i p p e n , Gestein). 1190 wird Cerin als Herrensitz erwähnt. A l s 1268 das K l o s t e r Seußlitz (s. E 7) m i t B e s i t z ausgestattet wurde, w a r e n a u c h G ü t e r in Zehiryn darunter, 1316 sogar ein Allodium. In den klostereigenen W e i n b e r g e n in Seußlitz m u ß t e n die U n t e r t a n e n Frondienste leisten. B e i der A b l ö s u n g der grundherrschaftlichen A b h ä n g i g k e i t 1835 g a b es 25 Häusler, darunter 4 Schuhmacher sowie j e 2 Schneider und Sattler. In dieser Zeit trieb m a n „ s t a r k e n Obst- und einigen W e i n b a u " (SCHIFFNER 1840). Seit 1792 f ü h r t die damalige P o s t s t r a ß e Dresden — L e i p z i g durch den Ort, die 82

einen starken Fuhrwerksverkehr nach sich zog. Deshalb erneuerte man 1826 den H 6 seit 300 Jahren bestehenden Gasthof mit Ausspanne, von dem aus der 2 km lange Zehrener Berg aus dem Elbtal nach Obermuschütz hinauf erklommen werden muß. In Zehren haben sich einzelne Häuser und Baugruppen mit beachtenswerten Formen erhalten. Die weithin sichtbare Kirche wurde in den Jahren 1756 bis 1775 erbaut. Ihr Schiff, auf dessen Südseite eine Sonnenuhr aufgemalt und ein Wappenstein von 1548 eingelassen ist, hat an jeder Seite 4 Stichbogenfenster, die sich an den 3 Wänden des Chores wiederholen. Der Turm wirkt von der Westseite her besonders kräftig, weil sich aus der ganzen Breite des Schiffs massive Anläufe zum Turm konkav emporwölben. Den 1806 und 1971 bis 1973 erneuerten Kirchenraum unterteilen zweistöckige Emporen. Von der Innenausstattung sei der Orgelprospekt von 1763 genannt. In der Kirche stehen an den Wänden gut erhaltene Epitaphe, vor allem der Feudalfamilie von Schleinitz, die die Kollatur seit 1555 innehatte. Wie die Kirche erlitt während der letzten Kriegstage 1945 auch das ostwärts in halber Höhe gelegene Pfarrgut, Bergstraße 11, beträchtliche Schäden. Zu diesem gelangt man durch Rundbogentor oder -pforte. Der Türschlußstein des Fachwerkwohnhauses ist mit 1825 bezeichnet. Von einem großen ehemaligen Vierseithof an der Leipziger Straße haben sich 2 zu Wohngebäuden veränderte Wohnstallhäuser erhalten. Ihre Obergeschosse — bei Nr. 25/26 auch der Giebel — bestehen aus Fachwerk. A m Rand der Ketzerbachaue reihen sich mehrere kleine Gartennahrungen ebenfalls mit Fachwerkobergeschossen längsseitig an der Lommatzscher Straße auf (Nr. 6, 7, 8, 10, 12, 13). Ihren Schlußsteinen nach zu urteilen, stammen sie aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Nr. 13 von 1791. Ähnliche Anwesen entdeckt man auch an der Niedermuschützer Straße. In der Ortsflur Zehren befinden sich in einer Entfernung von knapp 1 km 2 frühgeschichtliche Wallanlagen: auf dem Burgberg (s. H 4) und bei den Spitzhäusern. Eine vermeintliche dritte Anlage — der Kirchberg mit der heutigen Kirche und dem Friedhof — ist weder durch Funde noch durch Wallreste oder andere Besiedlungshinweise gesichert. Der Wall bei den Spitzhäusern liegt etwas versteckt über dem Elbtalsteilhang in Höhe der Dampferanlegestelle und besitzt Ausmaße von 60 m x 40 m. Wälle und Gräben sind stark verschliffen. Die Ausgrabungen ließen einen Wallaufbau mit Holzversteifungen und Erdfüllungen sowie Resten einer steinernen Blendmauer an der Vorderfront erkennen. Die Funde stammen aus dem 8. und 9. Jahrhundert, eine Vorbesiedlung fand jedoch schon in der Bronzezeit statt. Wir müssen hier den Mittelpunkt einer kleineren sorbischen Siedlungskammer annehmen, vielleicht einen der in den Aufzeichnungen des sogenannten Bayrischen Geographen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts erwähnten Bezirke (civitates). Unterhalb des Walles errichtete 1572 die Stadt Lommatzsch ein Spitzhaus als Verwaltungsgebäude. In seiner Nähe lagerte sie Getreide und auf der Elbe transportiertes Floßholz. Erst 1846 gelangte dieser Lagerplatz zum Verkauf. An eine gleiche Funktion erinnert der Name Niederlage für eine Häusergruppe nördlich von Zehren, wo seit 1885 eine Wagenfähre mit dem Ufer bei Kleinzadel verbindet. 1554 hat es schon eine Fähre zwischen dem Spitzhaus und dem Zuessenhaus (s. L 1) gegeben.

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H 6 Schulisch bildet Zehren den M i t t e l p u n k t f ü r die Orte zwischen Niederlommatzsch, K l a p p e n d o r f , W a c h t n i t z und P i s k o w i t z bei Zehren. D e s h a l b m a c h t e n sich 1970 bis 1972 großzügige E r w e i t e r u n g e n des 1904 errichteten Schulgebäudes an der Leipziger Straße notwendig. 1974/75 entstand die Turnhalle. Die F l u r wird seit 1975 v o n der K A P J a h n a - L ö t h a i n (s. L 9) b e w i r t s c h a f t e t . Die örtliche, 1953 gegründete L P G D e r W e g ins L e b e n h a t sich der in W ö l k i s c h (s. G 1) angeschlossen. A n Industriebetrieben sind in Zehren eine volkseigene Schiffswerft, Niedermuschützer Straße 20, sowie ihr b e n a c h b a r t ein Betriebsteil des V E B R a u m k u n s t Meißen zu nennen. Bereits auf der angrenzenden F l u r Mischwitz, einem Ortsteil v o n Zehren, erheben sich die alten und die 1974 bis 1975 errichteten Produktionsgebäude des V E B Zehren-Meißner Ofenfabrik. T r o t z eigener Industrie- und H a n d werksbetriebe fahren 57 % der wirtschaftlich T ä t i g e n aus Zehren und seinen Ortsteilen nach a u s w ä r t s zur Arbeit, v o r allem nach Meißen. B e g ü n s t i g t wird das tägliche Pendeln durch die dichten Omnibusfolgen auf den Strecken Meißen — L o m m a t z s c h und Meißen — R i e s a , die beide Zehren berühren.

H 7 Gosebachtal Die Quelle des 6,7 k m langen Gosebaches befindet sich nahe bei der Fernverkehrsstraße 101, e t w a 150 m ü. N N . V o m Oberlauf bis zur N e u m ü h l e w u r d e das B a c h b e t t 1969 bis 1971 begradigt, w o d u r c h v e r s u m p f t e W a l d - und Wiesenpartien, so die Winzerwiese (s. J 2), s t a r k an Bodennässe verloren. N a c h lang anhaltenden Regenfällen oder bei Starkniederschlägen fließen bis zu 490 1/s ab, in sommerlichen Trockenperioden nur 16 bis 18 1/s (SCHÖNE 1967). D e r hohe Sauerstoffgehalt ermöglicht Bachforelle, Elritze, B a c h f l o h k r e b s und anderen A r t e n günstige Lebensbedingungen. G e n u t z t wird das W a s s e r zur B e r e g n u n g v o n Feldern der L P G A u f b a u Diera und v o n G a r t e n k u l t u r e n des V E G Zierpflanzen Nieschütz (s. H 9). A m geologischen A u f b a u des Untergrundes sind 10 bis 23 m mächtige Schotter der E l b e und des Gosebaches beteiligt (PRÄGER 1970), bestehend aus einheimischen Granodioriten und P o r p h y r sowie aus B a s a l t , Sandstein und Kieselschiefer. Ihre A b l a g e r u n g erfolgte in der Saalekaltzeit. D a r ü b e r schließen sich T a l s a n d sowie s c h w a c h lehmiger Sand an, die eine fast ebene Terrassenoberfläche in 106 m ü. N N bedingen. In diese Terrasse h a t sich die E l b e e t w a 6 m tief eingeschnitten, der Gosebach a m Unterlauf 3 bis 5 m. D e r N a m e des Wasserlaufs ist m i t Choza in V e r b i n d u n g zu bringen, einem 1205 erstmals erwähnten Weiler, der im W i n k e l zwischen dem Gosebach und der aus R i c h t u n g K m e h l e n k o m m e n d e n Portzschge zu suchen ist. Sein altsorbischer N a m e bedeutet G a n g im Sinne eines regelmäßig b e n u t z t e n Pfades. Flurnamen, wie Gosebornhügel und Dorfwiesen, sowie eine rekonstruierte F l u r v o n 53 h a Größe lassen auf eine W ü s t u n g schließen, die nach den K l o s t e r b ü c h e r n v o n Altzelle 1429, also in der Hussitenzeit, entstand. Die aufgelassene F l u r b e w i r t s c h a f t e t e n später B a u e r n aus Diera, die eine selbständige Gosegemeinde bildeten. I m B e w u ß t s e i n der Menschen erhielten sich lange Zeit Sagen, so v o m Gosereiter, der s p u k h a f t auft a u c h t und seinen K o p f unterm A r m t r ä g t (SCHÖNE 1973). 84

H 8

Golk, seit 1974 Ortsteil von Diera, zieht sich am südlichen Rand des Golkwaldes (Ortsnamenerklärung s. H 11) von Osten nach Westen auf eine Länge von 2 km hin. Der Ort besteht aus locker aneinandergereihten Häusleranwesen und kleinen Wirtschaften. Zur 1828 zum ersten Mal selbständig genannten Golkgemeinde kamen 1928 die bis dahin nach Zadel gerechneten Häusergruppen Raupenberg und Taschenmühle hinzu. Von 1950 bis 1974 hatte Nieschütz die Verwaltung übernommen. S C H I F F N E R schrieb 1840, daß die Golkhäuser „viel und guten Wein" bauen (Abb.22). An dem etwa 40 m hohen Anstieg zum Golkwald gedeihen auch heute Reben.

Abb. 22. Umgebung des Gosebachtales (von K . SCHÖNE umgezeichneter Ausschnitt aus dem Meilenblatt, um 1800) vor allem aber Obstbäume. Am Südhang des Raupenberges legte die L P G Aufbau Diera 6 ha neue Rebflächen an. Wie in Nieschütz eignet sich der sandige Boden am Abfall zum Gosebachtal besonders gut für den Anbau von Erdbeeren. Die 111 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche der i960 gegründeten L P G T y p I kam mit der von Nieschütz an die L P G Aufbau Diera (s. J 4). Das Wasser des Gosebaches nutzten die Neumühle und die Taschenmühle früher zum Antrieb. Der Mahlbetrieb der Taschenmühle ruht seit 1945. Dagegen schrotete die 1584 erstmals genannte Neumühle noch 1975 für die LPG, während der Holzschneidebetrieb um 1950 eingestellt wurde. Eine Gaststätte daneben sowie ein weiteres Anwesen wurden 1871 von diesem Mühlenbesitz abgetrennt. Nahebei hat sich eine unter Denkmalschutz gestellte Bogenbrücke erhalten. 7

Elbtal

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H 8 E i n beliebtes Ausflugsziel ist die Gaststätte Talhaus unmittelbar am R a n d des Golkwaldes. Sie dient gleichzeitig als Betriebsferienheim und Schulungsstätte. Gegenüber dem Gasthof wächst eine Roteiche, die — laut T a f e l — 1930 dem Waldarbeiter ERNST BÖTTCHER aus Golk aus A n l a ß seiner 43jährigen ununterbrochenen Tätigkeit gepflanzt wurde. Im Forsthaus Golk, etwa 500 m westlich v o m Talhaus, wohnte von 1878 bis 1887 der Förster MAX SCHREYER, der hier das erzgebirgische Lied v o m „ V u g e l b ä r b a a m " dichtete.

H 9 Nieschütz, seit 1974 Ortsteil von Diera, setzt sich aus 2 nach Alter und Anlage verschiedenen Siedlungstcilen zusammen, die beide auf der sandigen Niederterrasse liegen, und zwar 5 bis 10 m über der Elbaue. Den älteren Ort durchfließt der Gosebach, dessen Wasser eine 1721 genannte Mühle mit einem G a n g antrieb. Sie wurde e t w a 1955 stillgelegt; die dazugehörende Schankwirtschaft dagegen besteht weiter. Die Nieschützer Flur ist reich an ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsnachweisen, die sich bis zum Burgberg Löbsal (s. H 10) fortsetzen. A u s der Bronzezeit s t a m m t ein Gräberfeld am östlichen Ortsrand auf der Niederterrasse. A m stärksten vertreten sind die aus mindestens 5 Gräberfeldern geborgenen vielfältigsten Beweise der germanischen Besiedlung aus den letzten Jahrhunderten v. u. Z. Eine slawische Siedlung lag auf der Niederterrasse nördlich des 130,6 m hohen Hungerberges. Die erste bekannte Nennung v o n Nieschütz erfolgte in einer Urkunde von 1239, in der Markgraf HEINRICH das Kloster Altzelle bei Nossen mit dem Dorf Nitswaz belehnte. Der altsorbische N a m e bedeutet Ort des Nisvad. Sehr früh wird der Weinbau erwähnt, bevorzugt betrieben am Südwestabfall des Golkwaldes. Bereits 1438 vermachte ein Meißner Einwohner seinen Weinberg in Nischwicz dem Kloster St. A f r a in Meißen (SCHMIDT 1892). A u c h im 17. und 18. Jahrhundert m u ß der Weinbau — nach den Leseergebnissen zu urteilen — bedeutend gewesen sein. 1840 schrieb SCHIFFNER, daß man das parzellierte Gemeindeland damals „ m e i s t mit Reben b e p f l a n z t e " . Eine Erweiterung erfuhr Nieschütz nach 1900 durch eine Landhaussiedlung, im Volksmund Neu-Leipzig genannt. Hier wohnten den Sommer über „mehrere Hundert lieber Gäste, besonders aus der Leipziger Gegend, doch auch weiterher" (Neue Sächsische Kirchengalerie 1902). Diese Häusergruppe liegt etwas abseits v o m alten Dorf, schließt aber unmittelbar an Diesbar an. Sie wurde nach 1950 durch 2 Mehrfamilienwohnhäuser an der Meißner Straße und durch eine Wochenendhaussiedlung am Löbsaler H a n g ergänzt. Der Zweckverband Erholungswesen DiesbarSeußlitz (s. E 7) vermittelt jährlich etwa 500 Urlauber nach dem in landschaftlich schöner U m g e b u n g gelegenen Nieschütz. Als Spezialitäten baut die K A P Meißen rechts (s. J 4) Frühkartoffeln und T a b a k auf Flächen an, die mit Wasser aus dem Gosebach oder der E l b e beregnet werden können. A m südlichen Ortsrand errichteten sich die Nieschützer Genossenschaftsmitglieder 2 Trockenhallen sowie Foliezelte zur Veredlung von Weinreben.

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Wie in Seußlitz gibt es in Nieschütz anerkannte Vermehrungsbetriebe für Erdbeer- H g pflanzgut, so Teichstraße 9 und 11. Zwischen der Teich- und der Meißner Straße erheben sich auf 3,7 ha Fläche Gewächshäuser (Bild 24), die zusammen mit dem 8,2 ha großen Freiland und den 0,5 ha umfassenden Frühbeeten (Stand 1974) zu einem Betriebsteil des V E G Saatzucht Zierpflanzen Erfurt gehören. Dieser Betrieb ging nach 1945 aus einer Gärtnerei hervor, die sich seit 1901 mit der Azaleenzucht beschäftigt hatte. Heute erfolgt hier die Anzucht von Azaleen, Eriken und — seit 1963 in zunehmendem Umfang — von Hortensien. Das für Moorbeetkulturen notwendige Beregnungswasser bezieht der Betrieb aus eigenen Grundwassersammlern und aus dem Gosebach. Ein Heizhaus auf ölbasis, ferner Lehrlingswohnheime und Sozialgebäude vervollständigen den Betriebsteil. Ein bedeutender Teil der Erzeugnisse wird exportiert, besonders nach West- und Südeuropa. Trotz Gartenbaus und Urlauberbetreuung suchen täglich 63 % der wirtschaftlich Tätigen auswärtige Arbeitsplätze auf.

Löbsal, seit 1974 Ortsteil von Diera,

H 10

liegt am Hochflächenrand etwa 70 m höher als Diesbar im unmittelbar benachbarten Elbtal. Die Gebäude seiner Zwei- und Dreiseithöfe gehen im wesentlichen auf den Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. So weist der Türschlußstein beim Gasthof Jägerheim — außer den Erbauerinitialen — die Jahreszahl 1811, bei Nr. 4 die von 1809 auf. Löbsal wurde 1277 erstmals genannt, als H E I N R I C H D E R E R L A U C H T E dem Kloster Seußlitz das Dorf Lubesowe (altsorbisch Ort des L'ubes, L'ubos) übereignete. Auf seiner Flur trieben die Bewohner Acker-, Obst- und Weinbau. Auch heute gedeihen Reben an den Hängen des Elbtales. Wie Nieschütz, dem Löbsal von 1950 bis 1974 eingemeindet war, besuchen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Wanderer und Urlauber auch dieses Dorf. Südlich des Bohntales und westlich von Löbsal erstreckt sich eine zur Elbe hin geneigte Hochfläche, die nach Osten zu durch einen Wall, den Burgberg bei Löbsal, einen weithin sichtbaren Orientierungspunkt besitzt. Hier begegnen wir der wohl jüngsten von 3 ähnlichen Anlagen (s. E 11, H 2) an der Engtalstrecke der Rauhen Furt. Diese Befestigung vom Ende der Bronzezeit bildet ein etwa gleichschenkliges Dreieck mit der Basis 60 m über dem Strom und der Spitze nach Löbsal zu. Es handelt sich um eine strategisch äußerst günstige Geländesituation wie bei der Burg Meißen (s. M 8.2). Der Befestigungswall war ehedem geschlossen, am Zugang zum Hinterland im Osten bis zu 1 1 m hoch. In der Mitte des geschützten Areals markiert eine durchgehende steile Querböschung einen ehemaligen Zwischenwall, der allerdings vielleicht nur bis in slawische Zeit zurückgeht. Nach den Funden zu urteilen, war das geschützte Plateau mit der größten Breite von 180 m und einer Längserstreckung von 250 m in der jüngsten Bronzezeit sowie am Anfang der anschließenden Eisenzeit, dann in der slawischen Epoche und in der frühdeutschen Periode zu Beginn der Ostkolonisation (wahrscheinlich als Turmhügel wie die Heinrichsburg, s. E 11) intensiv besiedelt und genutzt. Der zum befestigten bronze7*

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H io und früheisenzeitlichen Wohnplatz gehörende Urnenfriedhof befand sich südöstlich von Löbsal. Latfenezeitliche Grabfunde kamen südlich des Ortes zutage; sie bilden den zeitlichen Abschluß des Gräberfeldes mit Namen Heidentum. Der Burgberg bei Löbsal beherbergt neben den bereits für die Oberränder der Hänge des Bohntales (s. E 12) genannten typischen Vertretern weitere Arten der Magerrasen und Ginsterheiden mit atlantischer Bindung, wie Bergsandknöpfchen (Jasione montana), Bergplatterbse (Lathyrus montanus), Färber- und Deutschen Ginster (Genista tinctoria, G. germanica), Karthäusernelke (Dianthus carthnsianorum). Eine Reihe von Arten mit kontinentaler Verbreitung vervollständigt das Bild, so Siebenbürgisches Perlgras (Melica transsilvanica), Steinkölme (Calamintha acinos), Heckenwicke (Vicia dumetorum), Unbegrannte Trespe (Bromus inermis), Sichelluzerne (Medicago falcata), Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleuca), Ähriger Ehrenpreis (Veronica spicata) und der sehr seltene Kichertragant (A stragalus cicer).

H 11 Golkwald Zwischen der Streusiedlung Golk im Süden, den Gewächshäusern des V E G Zierpflanzen in Nieschütz im Westen und der hügligen Ackerlandschaft im Norden erstreckt sich auf einer Fläche von 180 ha der Golkwald. 1380 wird ein Holz am Kolke genannt, 1547 heißt es geholtze Kuelck. Die altsorbische Bezeichnung ist mit hol = Pfahl, Pflock in Verbindung zu bringen. Verwaltet wird der Baumbestand heute von der Revierförsterei Zabeltitz im Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Dresden, seit 1974 ist er dem Landschaftsschutzgebiet Elbtal nördlich von Meißen eingegliedert. Der überwiegende Anteil des Golkwaldes setzt sich aus Eichen-Birken-KiefernWald zusammen, in dem entsprechend der collinen Lage die Traubeneiche vorherrscht. Die Kiefer, die Stieleiche, die Birke, die Winterlinde, die Zitterpappel, die Esche und vereinzelt auch die Rotbuche sowie die Hainbuche geben Hinweise auf unterschiedliche Standorte und Pflanzengesellschaften. Fast überall kann man in der Strauchschicht den Faulbaum (Rhamnus frangula) feststellen. Eberesche, Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) und der vereinzelt anzutreffende Traubenholunder (Sambucus racemosa) als Arten der Bergmischwälder sowie Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) vervollständigen das Bild. Waldfrauenfarn (Athyrium filixfemina), Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus), Waldflattergras (Milium effusum) und Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa) gedeihen an feuchten, schattigen Stellen. Der Golkwald bietet mehreren Wildarten günstige Lebensbedingungen. So kann mit 3 bis 4 Rehen auf 100 ha Holzbodenfläche gerechnet werden. Hasen sind zahlreich vertreten; Wildschweine kommen gelegentlich vor. An Raubwild wurden bisher Fuchs, Dachs, Stein- und Edelmarder sowie Großes und Kleines Wiesel festgestellt. Ende der sechziger Jahre setzten Mitglieder der Jagdgesellschaft Heinrich Rau Meißen beim Golkwald Jagdfasane aus, die — wie die Rebhühner — schädliche Insekten vertilgen. Folgende Greifvogelarten sind zu beobachten: Mäuse-

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bussard, Habicht, Turmfalke und Roter Milan. K i e b i t z und vereinzelt auch Storch H 11 suchen die angrenzenden feuchten Wiesen nach N a h r u n g ab. Den W a l d durchzieht ein Schneisen- und dichtes Wegenetz, so der Abtei-, Sandund Raupenbergweg. Einige von ihnen werden seit dem A n f a n g des 20. Jahrhunderts v o n Wanderern und Urlaubern häufig begangen. A n der E i n m ü n d u n g des Zschippengrundweges in den Löbsaler K i r c h w e g steht — wahrscheinlich seit dem frühen 16. Jahrhundert — der Nonnenstein. Mit diesem v e r k n ü p f t sich die Sage von einer aus Seußlitz entflohenen Nonne, die hier den T o d gefunden haben soll, ö s t l i c h v o m K a t e r b a c h — erste bekannte Nennung 1320 cacerbach — liegen Steinblöcke, die seit dem 19. Jahrhundert als Heidengräber bezeichnet werden. Sie bestehen aus Quarz eines Ganges im Meißner Granodioritmassiv. Hier, am sogenannten Bahnhof, einem Wegekreuz, trafen sich während der Zeit des Sozialistengesetzes 1878 bis 1890 Mitglieder der S P D , während der Nazizeit antifaschistische Widerstandskämpfer. E t w a 1,3 k m östlich der Heidengräber befinden sich südöstlich der Wegekreuzung Diera — L a u b a c h und Naundörfel — L ö b s a l bronzezeitliche Hügelgräber der älteren Lausitzer Stufe, im Volksmund Hussitengräber genannt. Mehrere gleichalte Siedlungen gab es in der näheren Umgebung.

Zeisigberg (177,4

m

)

J 1

heißt die Erhebung aus Quarzporphyr, über die die frühere Flurgrenze zwischen L a u b a c h und Kmehlen v o n Norden nach Süden verlief. Der flachgründige, steinund schuttreiche B o d e n auf der K u p p e ist mit einer schütteren Pflanzendecke bestanden, die — wie auch das am Süd-, Ost- und Nordhang anschließende Dauergrünland — als Viehweide der L P G Florian Geyer genutzt wird. W i e den nach Süden gerichteten, ziemlich stark geneigten H a n g zwischen Baselitz und L a u b a c h bedecken Obstplantagen den Mittelhang des Zeisigberges. V o n ihm und seiner U m gebung stammen Nachweise bronzezeitlicher Gräberfelder und Siedlungen. V o n der höchsten Stelle der K u p p e reicht der B l i c k mit Ausnahme nach Norden, wo die K m e h l e n — W a n t e w i t z e r Lößschwelle die Sicht behindert, nach allen H i m melsrichtungen. Auf der linkselbischen Seite markieren die 6 k m entfernten T ü r m e des Meißner Domes sowie einzelne Geländeerhebungen oberhalb des Elbtalhanges zwischen Meißen und Zehren auffallende Sichtpunkte in der Landschaft.

Naturschutzgebiet Winzerwiese

J 2

und Gosebruchwald nehmen zusammen eine 1963 unter Schutz gestellte Fläche v o n 5 h a ein, die Bestandteil des 1974 eingerichteten Landschaftsschutzgebietes E l b t a l nördlich v o n Meißen ist. Einem im A u f t r a g des früheren Rittergutes Baselitz arbeitenden Winzer stand die N u t z u n g der Wiese zu. Der Untergrund der unmittelbar am Gosebach hinziehenden Fläche besteht aus einem roten wasserundurchlässigen Ton, einem Verwitterungsprodukt der anste-

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henden Schieferletten aus der Unteren Buntsandsteinformation. E r wurde früher südöstlich der Winzerwiese abgebaut. Das Gosebachgebiet vereint Pflanzenarten, die im Gebiet des nördlichen Elbhügel- und Elbtieflandes nicht oder sehr selten anzutreffen sind. Es handelt sich dabei um Vertreter der osteuropäischsüdsibirischen Eichen-Birken-Wälder. Zu ihnen gehören das Nordlabkraut (Galium boreale, A b b . 23), der Weidenalant (Inula salicina), die blau blühende Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica, Abb. 23), der Heilziest (Betonica officinalis), die Glänzende Wiesenraute (Thalictrum lucidum), der Vielblütige Hahnenfuß (Ranunculus polyanthemos), die Prachtnelke (DiantJnis superbus) und die Färberscharte (Serratula tinctoria). Diese Arten sind hier allerdings in einem Bereich der Wiese zu finden, den man auch, da das Pfeifengras (Molinia coerulea) in ihm vorherrscht, als Pfeifengraswiese bezeichnen kann. Als Waldsteppenpflanze mit sarmatischer Bindung sei das Weiße Fingerkraut (Potentilla alba, Abb. 23) genannt.

I

/

Neben diesen Vegetationseinheiten treten auch Flachmoorarten auf. Zu ihnen zählen das Breitblättrige Wollgras (Eriophorum latifolium), die dichten Bestände der Sumpfsegge (Carex acutiformis) und die gelb blühende Wasserschwertlilie (Iris pseudacorus). W o die Wiese in einen Eschen-Erlen-Bachwald mit verschiedenen Weidenarten, Zitterpappel, Faulbaum (Rhamnus frangula) und Gemeinem Schneeball (Vibumum opulus) übergeht, sind in der Krautschicht besonders Hochstauden vertreten, wie Akeleiwiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), Große Sterndolde (Astrantia major) und Gemeiner Wasserdost (Eupatorium cannabinum). SCHIEMENZ (unveröffentlichte Arbeit) stellte auf der Winzerwiese 13 Heuschrecken- und 32 Zikadenarten fest. Unter den Heuschrecken überwiegt der Grashüpfer Chorthippus montanus, andere feuchtigkeitsliebende Arten sind der WiesengrasAbb. 23. Pflanzenarten Winzerwiese Sibirische Schwertlilie (oben), Fingerkraut (unten rechts)

Nordlabkraut

(unten links),

Weißes

h ü p f e r (Chorthippus dorsatus), die D o r n s c h r e c k e (Tetrix undulata) u n d die S ä b e l d o r n s c h r e c k e (Tetrix subulata). W e i t e r h i n h a b e n der G r a s h ü p f e r Chorthippus albomarginatus u n d i m E r l e n v o r w a l d die W a l d g r i l l e (Nemobius sylvestris) ihren Lebensraum.

Naundörfel, seit 1950 O r t s t e i l v o n D i e r a D i e ü b e r w i e g e n d dreiseitigen G e h ö f t e v o n N a u n d ö r f e l ziehen sich in einer b r e i t e n G e l ä n d e m u l d e hin, die z u m G o s e b a c h t a l g e r i c h t e t ist. u n d u m s c h l i e ß e n einen s c h m a len A n g e r . B e i N r . 13 h a t sich eine z w e i b o g i g e , bei N r . 15 eine d r e i b o g i g e K u m t halle e r h a l t e n . I n einer U r k u n d e v o n 1344 w i r d Nuwindorff genannt ( = z u m neuen D o r f ) . Seine B e w o h n e r h a t t e n i m 18. J a h r h u n d e r t H o f e d i e n s t e b e i m V o r w e r k B a ß l i t z zu verrichten. D i e L P G A u f b a u D i e r a (s. J 4) n u t z t i m O r t einen 300 S c h w e i n e f a s s e n d e n , 1963/64 e r b a u t e n S t a l l . I m n o r d w e s t l i c h e n u n d s ü d l i c h e n T e i l d e r F l u r t r i e b e n die B a u e r n bis in die M i t t e d e s 19. J a h r h u n d e r t s e t w a s W e i n b a u , w o r a n d e r F l u r n a m e W e i n b e r g erinnert. 2 B ä u m e beiderseits d e r S t r a ß e v o n N a u n d ö r f e l n a c h K m e h l e n seien e r w ä h n t : eine Stieleiche, die s o g e n a n n t e S c h n e d e l e i c h e (schneidein, s c h n e t t e i n = A b h a u e n v o n Ä s t e n ) , u n d eine w e i t h i n s i c h t b a r e P y r a m i d e n p a p p e l .

Diera, K r e i s Meißen, w i r d z u e r s t 1205 e r w ä h n t als Dere. Sein a l t s o r b i s c h e r N a m e b e d e u t e t O r t auf d e r R o d u n g (der = R o d e l a n d ) oder a n d e r B o d e n s e n k e (dera = L o c h ) . D a s D o r f l ä ß t 2 S i e d l u n g s k e r n e e r k e n n e n : i m O s t e n ein größeres G a s s e n d o r f , u n m i t t e l b a r anschließ e n d i m W e s t e n einen w e i l e r a r t i g e n D o r f t e i l , a u c h U n t e r d o r f g e n a n n t , der eine W i e s e n f l ä c h e einschließt. A n i h r e m R a n d s t e h t ein g r o ß e r V i e r s e i t h o f (Nr. 25), v e r m u t l i c h w i e N r . 11 e i n s t m a l s eines d e r i n s g e s a m t 3 A l l o d i e n , die 1406 als b u r g g r ä f l i c h - m e i ß n i s c h e r B e s i t z e r w ä h n t w u r d e n . D a s H o f i n n e r e ist d u r c h ein T o r h a u s z u erreichen. D e m W o h n h a u s m i t M a n s a r d w a l m d a c h s t e h t ein W i r t s c h a f t s g e b ä u d e m i t U h r t ü r m c h e n g e g e n ü b e r . D e r 48 h a g r o ß e B e s i t z des G u t e s w a r d e r A u s g a n g s p u n k t der g e n o s s e n s c h a f t l i c h e n E n t w i c k l u n g in D i e r a . D i e a m 24. M ä r z 1953 geg r ü n d e t e erste L P G T y p I I I A u f b a u b e w i r t s c h a f t e t e 1955 n a c h H i n z u t r i t t v o n 3 w e i t e r e n B a u e r n b e r e i t s 104 h a L a n d . A u c h b e i m V i e r s e i t h o f N r . 15 h a n d e l t es sich u m ein A l l o d i a l g u t , d a s n a c h 1276 a n d a s K l o s t e r A l t z e l l e k a m . D i e B e w o h n e r l e h n t e n sich w i e d e r h o l t w e g e n d e r zu v e r r i c h t e n d e n H a n d - u n d S p a n n d i e n s t e auf (SCHÖNE 1973). S e i t 1554 u n t e r s t a n d N r . 15 als V o r w e r k d e m K a m m e r g u t Z a d e l , v o n 1 6 1 5 b i s 1834 als S c h ä f e r e i g e n u t z t . D a s dazugehörende Hirtenhaus ist heute noch erhalten. B e m e r k e n s w e r t e B a u f o r m e n i m a l t e n G a s s e n d o r f sind d a s T o r h a u s a m V i e r s e i t h o f N r . 7 u n d die z w e i b o g i g e K u m t h a l l e a m D r e i s e i t h o f N r . 43. A n der Stelle d e r B a u e r n g ü t e r N r . 44 u n d 45 l a g u r s p r ü n g l i c h d a s b e r e i t s 1395 e r s t m a l s n a c h g e w i e sene S c h u l z e n g u t . D a s ä l t e s t e S c h u l h a u s v o n D i e r a s t a n d a n d e m P l a t z des j e t z i g e n

91

Abb. 24. Flurplan Diera 1835 (mit Flurnamen von K . 1 Bauernwiese

1 1 Dieraer Hölzchen

2 1 Saudellen

2 Rothenfurt

1 2 Heuweg

22 Galshübel

3 Gänsewinkel 4 Stackelholz 5 Schafbrücke 6 Trebsches Floß

13 Riesens tein 14 Halbenhufen 15 Holzspitze

23 Gosebach 24 Portzschgebach

1 6 Reisigenholz

25 Abtei 26 Abteiweg

7 Teichholz 8 Niederholz

17 Unterm Golk 1 8 Dorfwiesen

2 7 Rietschge 28 Hirtenteile

19 Reiherwiese 20 Salzborn

29 Goseberg 30 Gose

9 Sternholz 1 0 Mühlholz

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SCHÖNE,

1973)

31 Fürthen 32 Gosehof 33 Krickstück 34 Querwiesen 35 Kleine Gose 36 Scheibenholz 37 Rothenhübel 38 Schöpplige 39 Schaftreibe 40 Viehweg

Gasthauses Z u r P o s t . 1882 erbaute m a n eine Schule, in der heute der R a t der J 4 Gemeinde, K i n d e r g a r t e n und das v o n dem örtlichen H e i m a t f o r s c h e r KURT SCHÖNE (gest. 1974) eingerichtete H e i m a t m u s e u m u n t e r g e b r a c h t sind. U n m i t t e l bar daneben k o n n t e n 12 Familien 1967 ein neues W o h n h a u s beziehen. E t w a die H ä l f t e aller w e r k t ä t i g e n E i n w o h n e r arbeitet a u ß e r h a l b v o n D i e r a ; a u c h die Schulpflichtigen gehen n a c h Zadel z u m Unterricht. W i e in den anderen Orten zwischen Meißen-Zscheila und Seußlitz gehörten zu den verschiedenen G r u n d s t ü c k e n in D i e r a W e i n b e r g e a m E l b t a l h a n g , so zu Nr. 11 und 15 im 15. Jahrhundert. SCHIFFNER (1840) spricht v o n einem „ z i e m l i c h e n " W e i n b a u ; u m 1900 g a b es einen „ D i e r a e r H ö l l g r u n d " als Markenbezeichnung. D a s Dieraer H ö l z c h e n (Abb. 24) w u r d e t r o t z ungünstiger Bodenverhältnisse 1926 bis 1929 in Ackerland umgewandelt. 1959 errichtete die L P G A u f b a u a m W e g n a c h der T a s c h e n m ü h l e R i n d e r o f f e n ställe, die n a c h U m b a u heute der J u n g v i e h a u f z u c h t dienen. D i e i960 gegründeten L P G s T y p I Gosetal, G u t e H o f f n u n g und E d e l o b s t schlössen sich 1969 der L P G A u f b a u an, die L P G T y p I F r o h e Z u k u n f t im Ortsteil N a u n d ö r f e l folgte ein Jahr später. A u ß e r Ställen in den B a u e r n h ö f e n , so v o n N r . 7, 42 und 43, dient der Viehh a l t u n g heute das 1967 bis 1968 errichtete K o m b i n a t f ü r 200 Milchkühe. D e r e t w a 1968 geschaffene T e c h n i k s t ü t z p u n k t wird seit 1973 v o n der K A P Meißen rechts m i t ihrem Sitz in Ockrilla genutzt. Mit ihr arbeiten a u ß e r der L P G A u f b a u Diera ( 1 2 1 3 ha) die Genossenschaften F o r t s c h r i t t Ockrilla (1206 ha), Seid Bereit Niederau (729 ha), W e l t f r i e d e n G r o ß d o b r i t z (654 ha), 1. Mai C o s w i g (569 ha) und R o s a L u x e m b u r g W i n k w i t z (333 h a ; s. M 2) zusammen. V o n der G e s a m t f l ä c h e (4700 ha) entfällt ein F ü n f t e l auf Grünland. A u f den durchschnittlich 60 bis 80 h a großen S c h l a g k o m p l e x e n wurden 1974 vorrangig Speisekartoffeln angebaut, weiterhin Weizen, Wintergerste, Zuckerrüben, T a b a k sowie F u t t e r p f l a n z e n . Z u r L a g e rung der Speisekartoffeln dienen der K A P u m g e b a u t e W i r t s c h a f t s g e b ä u d e , so in Zadel, D i e r a und P r o s c h w i t z ; ein eigener Schälbetrieb besteht in Gröbern.

Daubnitz, seit 1935 Ortsteil v o n W a c h t n i t z ,

K 1

wird 1180 in V e r b i n d u n g m i t einem Herrensitz als Duueniz bezeichnet ( = O r t a m oder im Eichengehölz, v o n ober- und niedersorbisch dub = Eiche). 1221/22 g a b es ein A l l o d i u m , 1551 ein V o r w e r k , sicherlich das in der Ortsmitte gelegene, größte ehemalige Vierseitgehöft.

41 42 43 44 45 46 47 48 49

Schanzen Mühlweg Gehlke Neumühlenweg Steingruben Große Hölle Windmühle Wein-, Schulberge Karpfenstein

50 Pfaffensteig 51 Karpfenschenke 52 Droßel 53 Hinterberge 54 Baustücke 55 Fuchsgruben 56 Ziegelscheune 57 Dutzigen 58 Ochsenmarter

59 60 61 62 63 64 65 66

Strumpfhübel Baden Meilenstein Mittelstücke Scherwenzel Meißner Straße Lerchenbergstücke Lerchenberg

67 Grutschge 68 Halbstiefel 69 Fuchsgruben 70 Sanddellen 71 Kirch- und Leichenweg 72 Mittelweg 73 Breitstücke 74 Hinter der Schenke

93

K 1 Die Anwesen von Daubnitz liegen ausschließlich auf der nördlichen Talseite des Ketzerbaches sowie in einem tief eingeschnittenen Seitentälchen. Hier reihen sich überwiegend Dreiseithöfe aneinander; die ehemaligen Gartennahrungs- und Häuslerstellen zwängen sich zwischen H a n g f u ß und überschwemmungsgefährdete Ketzerbachaue. Sowohl bei den Gehöften (Nr. 11, 20, 26) als auch kleineren Häusern (Nr. 29, 30) t r i f f t man auf Fachwerkobergeschosse, beim Vierseithof Nr. 11 auch noch ein Rundbogentor an der Einfahrt. Eine frühere Getreide- und Ölmühle steht an der Straße nach Zöthain; einige ihrer R ä u m e dienten bis 1973 dem R a t der Gemeinde Wachtnitz. A m Gaststättengehöft haben sich von der früheren Dreiseitanlage das Wirtshaus und eine völlig umgebaute Scheune erhalten. K a u m 500 m südwestlich v o n Daubnitz liegt ein weiterer Ortsteil (seit 1935), Z ö t h a i n , beiderseits der Ketzerbachaue an der Mündung des Käbschützer Baches. Hier quert die alte Straße von Meißen über Niederjahna und weiter nach Lommatzsch das T a l und beide Wasserläufe. Nur wenig oberhalb der überschwemmungsgefährdeten A u e reihen sich die großen ehemaligen Bauerngehöfte aneinander; die früheren kleineren Wirtschaften und Häusleranwesen nutzen den höheren Talhang oder kleine Seitenmulden. Die erste bekannte Nennung 1299 überliefert Cethen (altsorbisch Dorf des Ceten oder Cetan -F- deutsches W o r t Hain). V o n der am südlichen Auerand bei OBERREIT (1839/40) verzeichneten Ratsmühle (Antriebswasser aus Käbschützer Bach) steht seit 1945 nur noch das Wohnhaus. Ihr gegenüber auf der anderen Talseite und ehemals v o m K e t z e r b a c h getrieben, erhebt sich die vierseitige Hofanlage der früheren Ketzerbachmühle (Nr. 4). Eine ihrer Scheunen wird, wie die v o m Vierseithof Nr. 1, von der L P G Sieg des Sozialismus Leuben (s. K 2) zur Tierhaltung genutzt. Beim Dreiseithof Nr. 2, dessen Wirtschaftsgebäude in Fachwerk ausgef ü h r t sind, haben sich auf den Torsäulen an der Einfahrt Steinkugeln als Zierden erhalten.

K 2 Wachtnitz, Kreis Meißen, bildet seit 1935 das Zentrum mehrerer kleiner Weiler im K e t z e r b a c h t a l zwischen Leuben und Piskowitz. Seine wenigen Wohnhäuser und seine 2 großen Vierseithöfe reihen sich südlich bzw. südöstlich an den F u ß des Spitzigberges. V o n hier an erweitert sich der Talboden des Ketzerbaches v o n 180 m stellenweise bis auf 400 m Breite. 1259 wird W a c h t n i t z als Herrensitz erwähnt, sicherlich der Vorgänger des 1396 als Rittersitz, 1443 als Vorwerk genannten Wirtschaftshofes. Sein N a m e t a u c h t 1334 als Wakenicz auf, dessen altsorbische Entsprechung soviel wie die Leute des V a k a n oder V a k o n bedeutet. Im Siedlungsbild h e b t sich das Schulgebäude von 1935 heraus. Seine R ä u m e dienen seit 1973 dem R a t der Gemeinde, dem Kindergarten und der Schwesternstation. Die Kinder v o n W a c h t n i t z und seinen Ortsteilen Daubnitz und Prositz besuchen die Schule in Zehren. Beide Vierseithöfe (Nr. 4 und 7) nutzt die L P G Sieg des Sozia-

94

K 2

Abb. 25. Nutzungsartenverteilung im östlichen Teil der K A P X. Bauernkongreß Schleinitz. Stand 1975 (vereinfachter Ausschnitt nach Unterlagen der K A P )

95

K 2 lismus Leuben zu Wohnzwecken und zur Viehhaltung. Bei Nr. 4 erhielten sich am Pferdestall eine dreibogige Kumthalle, an einer massiven Scheune eine Sonnenuhr. Den Innenhof von Nr. 7 erreicht man durch ein Rundbogentor mit einer sandsteinernen Urne auf der Bogenmitte, mit Kugeln auf den Pfeilern und mit einem Schlußstein von 1820. Das Wohnstallhaus mit Fachwerkobergeschoß und Türschlußstein von 1819 dient als Betriebsküche für die LPG-Mitglieder. Bis zur Vereinigung mit der Leubener Genossenschaft (1974) befand sich hier auch der Sitz der 1953 gegründeten L P G T y p I I I Karl Marx, die insgesamt etwa 540 ha Land bewirtschaftete. Auf diese gehen die angrenzenden neuen Ställe, Bergeräume und Silos für Milchkühe sowie ein Technikstützpunkt zurück. Die Landwirtschaft bindet die meisten der im Ort Beschäftigten. Die L P G Sieg des Sozialismus Leuben, der außer der Wachtnitzer Genossenschaft auch die von Mettelwitz (seit 1971) angehört, befaßt sich vor allem mit der Milcherzeugung. Die dazu notwendige Färsenaufzucht betreibt sie nur zum Teil selbst, 70 % der Tiere werden von Genossenschaften im Mittelgebirge geliefert. Neben dem Milchviehkombinat in Wachtnitz verfügt die L P G über ähnliche Anlagen in Raßlitz, Schleinitz und Wahnitz. Die Schweinehaltung hat man in Wauden konzentriert. Schafherden sind in Zöthain, Eulitz und Schleinitz stationiert. Die Tiere beweiden fast ganzjährig vor allem die Magerwiesen und das Ödland in den Lößschluchten und an den Talhängen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird seit 1972 teilweise, seit 1974 vollständig von der K A P X . Bauernkongreß Schleinitz bearbeitet. Grünland ist nur mit 9 % vertreten, da die natürlichen Standortbedingungen in erster Linie intensiven Feldbau begünstigen (Abb. 25). Gute Erträge erzielten die Bauern auch beim Anbau von Sonderkulturen, wie Feldgemüse, dessen Flächen an Beregnungsanlagen angeschlossen sind, ferner von Hopfen (25 ha) und von Obstbäumen.

K 3 Prositz, seit 1935 Ortsteil von Wachtnitz, liegt wie die benachbarten Dörfer nördlich des Ketzerbaches, und zwar am Rand oder auf seiner Talaue. Nordöstlich vom Ort steigt der Tanzberg auf 140,9 m Höhe an, auf dem sich ein großes Gräberfeld der mittleren und jüngeren Bronzezeit (Lausitzer Kultur) mit reichhaltiger Keramik und wichtigen Bronzebeigaben (Ringe, Pfeilspitzen, Messer, Gewandnadeln) ausbreitete. Dasselbe Gelände wurde zu Beginn unserer Zeitrechnung von einer Gruppe aus dem germanischen Stamm der Hermunduren wiederum als Urnenfriedhof genutzt. Von diesem sind mehr als 100 Brandbestattungen bekannt, die guten Aufschluß über Bekleidung und Bewaffnung der seinerzeitigen Bewohner geben. So wurden eine größere Menge einschneidiger Hiebschwerter, sogenannte Saxe, ferner Lanzen und Speerspitzen, Schildreste (Buckel- und Randbeschläge, Metallbelag der Griffe) sowie metallene Trinkhornbeschläge, verschiedenste Gewandhaften, goldene Berlockanhänger (Berlocke ist kleiner Schmuck an Halskette, Abb. 13,5) und Knochennadeln gefunden. Sie waren in den meist schwarzpolierten, mit Rädchenverzierung geschmückten Urnen aufbewahrt. Zwischen Prositz und Piskowitz, konzentriert vom Tanz96

berg bis zum ehemaligen Gasthaus in Piskowitz an der Straße nach Lommatzsch K 3 und zu deren beiden Seiten, lag eine intensiv genutzte Siedlung der jungsteinzeitlichen Bandkeramik. In historischer Zeit taucht 1198 ein Herrensitz(P) Prowestwiz auf. 1350 wird ein Allodium Prostewiz genannt. Dieser deutsch-slawische Name bedeutet die Leute des Propstes, wobei das deutsche Wort Propst in die Sprache der Daleminzier eingedrungen war. Im Siedlungsbild dominieren Drei- und Vierseithöfe, wenn auch ihre Geschlossenheit durch Abbruch von Wirtschaftsgebäuden nicht in jedem Fall mehr erhalten ist. So hat Nr. 2 (1800) von 4 Gebäuden eins verloren. Sein Wohnstallhaus bewahrt im Fachwerkobergeschoß über dem ehemaligen Kuhstall an der dem Hof abgewandten Seite schlitzartige Öffnungen mit Holzjalousien, die auf die früher benutzten Käsekammern verweisen. 2 Gebäude des Vierseithofes Nr. 12 zeichnen sich durch Fachwerkobergeschosse aus. Eine zu einem Stall umgebaute Scheune dient der Färsenhaltung der L P G Sieg des Sozialismus (s. K 2). Wie in anderen Dörfern des Ketzerbachtales liegen abseits der Güter Keller, entweder in den Talhang getriebene Bergkeller oder künstlich aufgeschüttete Kellerberge (s. Bd. 30, Oschatz, W 3). An dem nicht mehr genutzten Mahlhaus der früheren Wassermühle am Ketzerbach ist eine Sandsteintafel mit Angaben zur Baugeschichte eingelassen.

Piskowitz bei Zehren, Kreis Meißen,

K 4

nimmt mit seinen 2 Vier- und 2 Dreiseithöfen sowie mehreren früheren Häusleranwesen den Raum zwischen dem Ketzerbach im Süden und der Meißen—Lommatzscher Straße im Norden ein. An der Straße vom ehemaligen Gasthaus Goldenes Lamm nach Nordwesten in das Tal des Zscheilitzwassers steht abseits vom alten Ort bei einigen neuen Wohnhäusern und einem neuen Landwarenhaus das 1861 erbaute Schulhaus, das seit 1952 als Kindergarten dient. Die Kinder besuchen die Schule in Zehren; 42 % der Werktätigen gehen einer Arbeit vor allem in Meißen nach. Nähert man sich von Prositz aus Piskowitz (1311 Biscopiz = die Leute des Bischofs) auf dem Fußweg durch die Ketzerbachaue, so trifft man zunächst auf einen wasserführenden Mühlgraben, an dem sich das frühere Mühlengehöft erhebt. Die sandsteinernen Türsäulen am Wohnhaus sind mit Blumenmustern geschmückt, der Schlußstein trägt, wie der am Mahlgebäude, die Jahreszahl 1828. Die Tafel eines Vorgängerbaus aus Sandstein mit Mühlrad, Zirkel und der Jahreszahl 1778 schmückt die Außenwand der elektrisch betriebenen Mühle, die für die L P G schrotet. Unweit des Mühlengehöftes erhebt sich der Vierseithof Nr. 4 (1825), dessen Stall von der L P G Vereinte Kraft Wölkisch (s. G 1) und dessen früherer Pferdestall zu Wohnzwecken genutzt werden. Ihm gegenüber stehen am Abhang des Tanzberges Gewächshäuser und Frühbeete der K A P Jahna (s. L 9 ) . Auch der andere große Vierseithof (Nr. 11) mit dreibogiger Kumthalle am früheren Pferdestall und mit villenartigem Herrenhaus dient der L P G . An neuen Landwirtschaftsbauten sind die Hopfendarre (um i960 erbaut) und ein 1975 eingeweihtes Werk zur Futter-

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K 4 pelletierung zu nennen, östlich von Piskowitz bebaute man in der Ketzerbachaue von 1959 bis 1975 etwa 6 ha mit Hopfen. Ein Gebäude aus gelben Klinkersteinen (Nr. 2b) war als Molkerei errichtet worden. Heute teilen sich in seine Räume örtliche Versorgungseinrichtungen und ein Bereich des V E B Glastechnik Lommatzsch, der Gläser für Fahrzeugrückspiegel biegt.

K 5 Ketzerbachtal Im Oberlauf Lißbach genannt, heißt der Ketzerbach auf der Karte von O B E R R E I T (1839/40) Kätzer-Bach oder Lommatzscher Wasser. Sein Name entspricht wohl der deutschen Umbildung einer älteren slawischen Bachbezeichnung, die — eventuell zu altsorbisch kocka, kocor = Katze, Kater — etwa Wildkatzen(kater)bach bedeutet. Die längsten Zuflüsse sind der Kelzbach (9,3 km), das Dreißiger Wasser (8,2 km), der Käbschützer Bach (s. N 8) und der Grutschenbach (4,6 km). Der Ketzerbach entspringt östlich von Wendischbora in 284 m ü. NN und mündet nach 29,5 km Laufstrecke bei Zehren in die Elbe. Sein Einzugsgebiet von 167,5 km 2 beschränkt sich auf lößbedeckte Offenlandschaft, die die Voraussetzung für einen raschen Abfluß der Niederschläge bietet, wodurch der Talboden verschlammt und somit erhöht wird. Diese Beobachtung kann auf oft räumlich eng begrenzten Flächen sommers über gemacht werden. Der 7 km lange Zöthain —Zehrener Abschnitt des Ketzerbaches ist fast völlig begradigt, was eine erhöhte Tiefenerosion nach sich zieht. Diese verringert sich etwas durch mehrere, bis 1,5 m hohe Steinwehre, an denen funktionslos gewordene Mühlgräben abzweigen. Gleichzeitig erfolgt eine biologische Reinigung des relativ schwach verschmutzten Wassers. Bach und Mühlgräben geben sich durch Reihen aus oft sehr hohen Pappeln, aus Weiden, Erlen und Eschen zu erkennen. Als Talform hat sich ein Sohlental herausgebildet, dessen Breite zwischen 200 und 400 m schwankt. Lediglich bei Piskowitz und Zehren verengt sich die Sohle auf kaum 100 m. Umfangreiche Meliorationen ermöglichen, neben Grünlandwirtschaft auch Feld- und Gartenbau zu treiben. Er wird von dem Bodensubstrat begünstigt, einem etwa 1 m mächtigen humosen lehmigen Schluff (Abb. 26), den toniges Material unterlagert. Als Bodentyp entwickelten sich typischer Aueboden bzw. Gley-Aueboden ( K R A M E R 1971). Nachteilig für den Gartenbau wirkt sich die zeitweise Ansammlung von Kaltluft aus. Die offene Ackerlandschaft beiderseits des Ketzerbachtales bietet Rehen genügend Futter, so daß im Winter Rudel bis zu 30 Stück beobachtet werden können. Fasan und Rebhuhn stellen sich sporadisch, Hasen etwas häufiger ein. Fuchs, Dachs, Großes und Kleines Wiesel finden in den Gebüschstreifen zusagende Lebensbedingungen; Mäusebussard, Turmfalke und Habicht suchen ihre Nahrung dagegen auf den Feldern. Seit den Arbeiten O S C A R D R U D E S um die Jahrhundertwende wurde das Ketzerbachtal als reichster Standortkomplex der Xerothermvegetation bekannt. Je ein Hangabschnitt westlich von Prositz und südöstlich von Piskowitz ist seit dem Jahre 98

1920 Flächennaturdenkmal. Trotz starker Bebuschung und randlicher Beeinflus- K 5 sung, beispielsweise durch Düngung der Felder, hat das Gelände bis heute kaum etwas von seinen pflanzengeographischen Werten eingebüßt. Die elbferne Lage bringt es mit sich, daß vor allem eine hohe Anzahl von kontinentalen Arten vorkommt, die flachgründigen und felsigen Böden an den Hängen bedingen eine Reihe von Felsrasenpflanzen. Submediterrane Arten mit geringerer Winterkälteverträglichkeit treten naturgemäß zurück; von ihnen gibt es aber viele Frühjahrsblüher, die die für sie ungünstige Jahreszeit als Samen bzw. im Boden überdauern. Die Xerothermrasen zeigen ihre ganze Blütenpracht im Mai. In großen Mengen erscheinen die weißen Blüten der Astlosen Graslilie (Anthericum liliago), selten geNO

SWlV.'

SW

0|NO

I Unteres Ketzerbachtal

NW

Seilitzer Plateaurandgebiet

2000

Scherbiger Schutt. kiesig-steinig-fc'ockig Schmelz.-rasserDi jungen grobsantiig-kiesig, leitw. geschichtet

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Kolluvium, kiesig

J

Sehlufflehm aus Löß

Hangwatscr Grundwasser

Abb. 26. Abfolge von landschaftsbildenden Faktoren zwischen Ketzerbachtal und südlich angrenzender Hochfläche (nach K R A M E R 1971) worden ist die Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis) mit ihren braunglockigen, filzig behaarten Blüten. Die violetten Blütenstände der kontinentalen Steppenkönigskerze (Verbascum phoenicum, Abb. 27) kontrastieren mit dem Gelb des Sonnenröschens (Helianthemum nummularium) und der Fingerkräuter (Potentilla tabernaemontani, P. opaca, P. arenaria). Neben der häufigen Gelben Skabiose (Scabiosa ochroleucd) findet man hier das einzige sächsische Vorkommen der kontinentalen Grauen Skabiose (Scabiosa canescens, Abb. 27), die aber genauso selten geworden ist wie das schlanke Felsenfingerkraut (Potentilla rupestris) und die Bologneser Glockenblume (Campanula bononiensis, Abb. 27). Den Grundstock der Rasen bildet eine artenreiche Gräserflora mit Walliser und Grauem Schwingel (Festuca vallesiaca, F. cinerea), Knolligem Rispengras (Poa bulbosa), verschiedenen Seggen und dem seltenen Bartgras (Bothriochloa ischaemum). Das Steppenlieschgras (Phleum boehtneri) wird stellenweise von der eindringenden Wehrlosen Trespe (Bromus inermis) verdrängt. Typische Pflanzen der Gebüschränder sind Zartblättrige Wicke (Vicia

99

K 5

xgJife

tenuifolia), Wirbeldost (Calamintha clinopodium), Schwarze Platterbse (Lathyrus niger), Essigrose (Rosa gallica), Aufrechter Ziest (Stachys recta), Echter Ehrenpreis (Veronica teucrium) und Hirschwurz (Peucedanum cervaria), Odermennig (Agrimonia eupatoria) und Bärenschote (Astragalus glycyphyllos). Eine charakteristische Art, der im Herbst am Wurzelhals absterbende Feldmannstreu (Eryngium campestre), ein echter „Steppenläufer", wird als ganze, sehr sparrige Pflanze im verdorrten Zustand v o m W i n d getrieben und verbreitet auf diese Weise seine Samen. Mit ihm sind gern der Ährige Ehrenpreis (Veronica spicata) und verschiedene Pflanzen flachgründiger Sand- und Grusstandorte vergesellschaftet. Einige schon längst verschwundene Seltenheiten traten wohl nur vorübergehend auf, so die schmarotzenden Sommerwurzarten (Orobanche spec.). Die Gebüsche zeigen eine ähnliche Zusammensetzung wie die v o n Knorre (s. M 4 ) , Karpfenschenke (s. L 2), Göhrischberg (s. H 2) und Blatterslebener Grund (s. F 5). In Waldresten herrscht die Traubeneiche vor. Eine Porphyrdurchragung bei W a c h t n i t z zeichnet sich durch Bestände der Stieleiche mit großen Herden v o n Adlerfarn (Pteridium aquilinum) aus. Die Unausgeglichenheit im Wasserhaushalt dieser flachgründigen Böden ermöglicht die Existenz verschiedener osteuropäischer Waldsteppenpflanzen, wie der Färberscharte (Serratula tinctoria), der W a l d h y a z i n t h e (Piatanthera bifolia), des Nordischen L a b k r a u t e s (Galium boreale) und des Teufelsabbisses (Succisa pratensis).

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Im Wasser des Ketzerbaches wachsen das untergetaucht lebende Ährige Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) und die Röhrichtpflanzen Schwanenliesch (Butomus umbellatus) und Geflügelte B r a u n w u r z (Scrophularia alata), also A r t e n der typischen ^Vegetation kleiner Fließgewässer der sächsischen Hügelländer.

A b b . 27. Pflanzenarten Ketzerbachtal Graue Skabiose (oben links), Bologneser Glockenblume Steppenkönigskerze (unten)

100

(oben rechts),

Schieritz, seit 1935 Ortsteil von Zehren,

K 6

setzt sich aus 2 Teilen (Bild 26) zusammen: dem etwa 10 m über der Ketzerbachaue gelegenen früheren Schloß- und Rittergutskomplex sowie der 500 m langen Häuserzeile am Fuße des Talhanges, die durch ehemalige Mühle, Brauerei und Schloßgärtnerei ergänzt wird. Bei der ersten bekannten Nennung 1350 wird Schiricz als Curia und Allodium (Sitz und Vorwerk) erwähnt. Der altsorbische Name nimmt Bezug auf ein Merkmal der Talaue und bedeutet Ort bei oder an der breiten Fläche, von Sir = die Breite. 1533 wird ein Vorwerk, 1696 ein Rittergut erwähnt. Aus den veränderten Besitzverhältnissen zwischen 1551 (9 besessene Mann, 4 Inwohner) und 1723 (8 Gärtner, 12 Häusler) kann mit ziemlicher Sicherheit geschlossen werden, daß die Gutsherrschaft auf Kosten von Bauernland ihr Eigentum durch Auskaufen vermehrte. Das Schloß Schieritz mit seinem über 40 m hohen Turm und dem stilmäßig angeglichenen Wirtschaftsgebäude mit der Pächterwohnung beherrscht weithin das Landschaftsbild des Ketzerbachtales. Von dem großen Gutshof her gesehen, erblickt man die beiden rechtwinklig zueinander stehenden Flügel des Schlosses, in deren Winkel sich der im Grundriß achteckige Treppenturm erhebt. Die Bauzeit des Schlosses liegt im wesentlichen zwischen 1556 und 1601. Das hohe, an den Schmalseiten abgewalmte Dach ist mit Zwerchhäusern durchbrochen, denen Renaissancegiebel vorgesetzt wurden. Dieselbe Form der Giebel wiederholt sich auf dem vermutlich später errichteten Wirtschaftsgebäude. Die Entstehungszeit der Giebel läßt sich aktenmäßig nicht nachweisen, G U R L I T T (1923) gibt die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts an. An der zum Tal abfallenden Seite ist dem Schloß eine breite, ummauerte Terrasse vorgelegt worden, so daß die Kellerräume ebenerdig betreten werden können. An Einzelheiten älterer Bauteile erhielt sich das gequaderte Sandsteingewände des Turmportals, dessen Kämpfer und Schlußstein durch Spitzquader betont sind. Am Sockel sind seitliche Voluten eingefügt. An der Westwand befindet sich eine Sandsteintafel mit den Wappen der Familien von Schleinitz und von Sundthausen sowie der Jahreszahl 1556. Eine weitere Tafel mit den Wappen der Familien von Schleinitz und von Pflug ist über der Tür des Wirtschaftsgebäudes eingelassen. In Verlängerung des Westflügels nach Norden entstand um 1965 ein Wohnbau, der sich an die alten Gebäude anschließt. Neben diesem Neubau wurde ein neues Rundbogenportal mit Renaissanceprofilen eingefügt. Ein achtkantiger Schornstein in der nordöstlichen Hofecke gehörte zu einer Brennerei. Die meisten Gebäude und das 156 ha (1901) große Land des Rittergutes kamen im Verlauf der demokratischen Bodenreform 1945 an landarme Bauern im Ort und an Neubauern. Eine doppelte Reihe von kleinen, durch Nebengebäude erweiterten Wirtschaften, so Nr. 18 bis 21, zeugt von diesem Prozeß. Nachdem die genossenschaftliche Entwicklung in Zehren und seinen Ortsteilen fortgeschritten ist, wird noch der frühere Schweinestall des Rittergutes für Vormastbullen durch die L P G Vereinte Kraft (s. G 1) genutzt. Das Schloß selbst ist der LPG-Hochschule in Meißen (s. M 8.8) angegliedert. In dem früheren Pächterhaus hat die Gemeinde Zehren einen Kindergarten eingerichtet. 8

Elbtal

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K 6 Im übrigen Siedlungsbild von Schieritz herrschen Wohnhäuser und kleine frühere Bauernwirtschaften aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vor. Obergeschosse und nicht selten auch Giebel zeigen Fachwerk, so bei Nr. 4 und 29. Das vierseitige Mühlengehöft mit separatem Sägegatterhaus hat den Betrieb um 1970 eingestellt. Geht man etwa 400 m am Mühlgraben aufwärts, so trifft man auf eine dreibogige Steinbrücke vom Anfang des 19. Jahrhunderts, ein unter Denkmalschutz stehendes Bauwerk. Zwischen Mühlgraben und Dorfstraße erheben sich 2 Mehrfamilienhäuser von 1956 und ein Wohnblock von 1974/75.

K 7 Pröda, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain, gehörte seit 1935 zunächst zu Kagen. Etwa 400 m nordöstlich sowie 700 m südöstlich vom Ort wurde auf Teilen bandkeramischer Siedlungen später ein bronzezeitliches Grabfeld angelegt. In historischer Zeit weist die erste bekannte Schreibweise Preudowe (1205) auf ein Dorf des Pravda, vielleicht auch auf einen Gerichtsort, von pravda = Recht. 1296 wird Prevdowe als Allodium erwähnt, ebenso 1402. Ein Vergleich zwischen der Karte von O B E R R E I T (1839/40) und einer vom Ende des 19. Jahrhunderts zeigt, daß von ehemals 7 Gütern durch Zusammenlegung nur noch 4 im Ort sowie 1 Gehöft zwischen Pröda und Mohlis bestanden. Ein zum Grutschenbach entwässerndes Rinnsal entspringt in einer tief eingesenkten Mulde. Oberhalb von ihr finden 2 Vierseithöfe am Nordrand sowie 2 ehemalige Vier-, jetzt Zweiseithöfe am Südrand Platz. In der Muldenmitte stehen der Gasthof und wenige Wohnhäuser. Das Gut Nr. 1 besteht aus einem Torhaus, vor dem 2 hohe Winterlinden weithin sichtbar sind, und dem früheren Wohnstallhaus von 1834, einem Bau mit hofseitigem Fachwerkobergeschoß. Die Gehöfte Nr. 6 und 7, 2 weiträumige Anlagen mit Massivbauten, lassen ihre früheren Pferdeställe durch dreibogige Kumthallen erkennen. Ihre Bauzeit fällt in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (Nr. 6 von 1863/64). Der zum Anwesen Nr. 6 gehörende Brunnen durchteufte 15 m mächtigen Löß und lehmigen Sand, bevor er das Grundgestein mit dem Grundwasserhorizont erreichte. Die Wirtschaftsgebäude beider Gehöfte dienen nach Umbau der L P G (s. O 5) zur Tierhaltung bzw. der K A P Jahna (s. L 9) als Lagerhallen. Beim 1 km nördlich gelegenen Ortsteil P r i e s a haben sich im nördlichen Abschnitt der Dorfflur, wie beim nahen Eichberg, langgestreckte Hohlformen erhalten, die voneinander isoliert liegen und mitBuschwerk bewachsen sind. O B E R R E I T (1839/40) zeichnete in diese Vertiefungen einen zusammenhängenden Bachlauf ein und gibt somit Hinweise auf ihre Entstehung. 1371 hieß der Ort Pryszer bzw. Prißer (altsorbisch = Dorf an der breiten Fläche). Bis auf ein Vierseitgehöft auf einem Geländerücken schmiegt er sich an den Rand einer Quellmulde, deren Rinnsal durch die Fuchslöcher zum Ketzerbach entwässert. 3 vollständig erhaltene vierseitige Hofanlagen — ihre Ställe werden teilweise von der L P G Jahna-Löthain genutzt — bestimmen das Siedlungsbild. Nr. 2 und Nr. 4 liegen sich gegenüber und weisen mehrere gemeinsame Merkmale auf: die Torhäuser in Fachwerk mit Schlußsteinen von 1827 und die Wohnstallhäuser mit Fachwerk102

obergeschossen. Die Scheunen tragen meist Schiefersatteldächer. In den H o f Nr. 3 K 7 g e l a n g t m a n d u r c h eine P f o r t e o d e r ein R u n d b o g e n t o r , v o r d e m eine W i n t e r l i n d e steht. E i n Gürtel aus Obstbaumreihen und -plantagen umschließt den Ort f a s t völlig.

Kagen, seit 1974 O r t s t e i l v o n J a h n a - L ö t h a i n ,

K 8

b i l d e t e v o n 1935 bis 1965 d e n S i t z einer s e l b s t ä n d i g e n G e m e i n d e , bis es m i t J a h n a zu J a h n a - K a g e n v e r e i n i g t w u r d e . D e r O r t s e t z t sich a u s G r o ß k a g e n u n d d e m 800 m s ü d ö s t l i c h gelegenen K l e i n k a g e n z u s a m m e n . G r o ß k a g e n z i e h t sich v o m j e t z i g e n K u l t u r h a u s a n der a l t e n M e i ß e n — L o m m a t z scher S t r a ß e n u r w e n i g h a n g a b w ä r t s u n d n i m m t die O b e r k a n t e des T a l h a n g e s v o m K l e i n e n K e t z e r b a c h ein. Z w i s c h e n die 3 g r o ß e n B a u e r n h ö f e s c h i e b e n sich ä l t e r e u n d neuere Wohnhäuser, umgeben v o n umfangreichen Obstanlagen. V o n den vierseitig g e s c h l o s s e n e n G e h ö f t e n ist n u r n o c h N r . 2 v o l l s t ä n d i g e r h a l t e n . I m w e s t l i c h s t e n G e h ö f t (Nr. 4) u n t e r h ä l t die K A P einen M a s c h i n e n - u n d R e p a r a t u r s t ü t z p u n k t , d e r a u s einer M a s c h i n e n - T r a k t o r e n - S t a t i o n h e r v o r g e g a n g e n ist. E t w a 20 m t i e f e r l i e g t i m T a l die K e t z e r m ü h l e v e r s t e c k t . A n ihre f r ü h e r e F u n k t i o n erinnern a l t e M ü h l steine u n d d e r M ü h l g r a b e n . K l e i n k a g e n n i m m t seinen P l a t z b e i d e r s e i t s des K l e i n e n K e t z e r b a c h t a l e s ein, w o b e i sich die 2 e h e m a l i g e n V i e r s e i t h ö f e , 1 V i e r f a m i l i e n w o h n h a u s v o n 1956 u n d w e n i g e ä l t e r e W o h n h ä u s e r w e s t l i c h , die ü b r i g e n ö s t l i c h des W a s s e r l a u f e s e r s t r e c k e n . I m g r ö ß t e n d e r b e i d e n H ö f e h a t sich die G e m e i n d e eine K i n d e r k r i p p e u n d e i n e n K i n d e r g a r t e n e i n g e r i c h t e t , die S t ä l l e n u t z t die L P G J a h n a - L ö t h a i n . B e i G e h ö f t N r . 7 h a b e n sich 2 E i n g a n g s p f o r t e n v o n 1832 e r h a l t e n . B i s 1972 b e s u c h t e n d i e K i n d e r v o n K a g e n u n d U m g e b u n g die S c h u l e (Nr. 1 0 b ) in K l e i n k a g e n ; h e u t e f a h ren sie m i t d e m L i n i e n b u s n a c h N i e d e r j a h n a . S c h r ä g g e g e n ü b e r v o m f r ü h e r e n S c h u l h a u s s t e h t P e c h s t e i n (s. O 7) in e i n e m a u f l ä s s i g e n B r u c h an. D i e erste b e k a n n t e N e n n u n g beider O r t e ist in d e r G r ü n d u n g s u r k u n d e des K l o s t e r s St. A f r a v o n 1205 e n t h a l t e n . D a m a l s w e r d e n E i n k ü n f t e a u c h a u s Kagan b e z o g e n ( a l t s o r b i s c h : d e r O r t des K a g a n o d e r C h a g a n ) . 1334 w i r d z w i s c h e n Kagan parvum ( = klein) u n d magnum ( = groß) u n t e r s c h i e d e n .

Mettelwitz, seit 1974 O r t s t e i l v o n L e u b e n ,

9

g e h ö r t e v o n 1935 bis 1 9 7 4 z u W a h n i t z . D i e erste b e k a n n t e N e n n u n g d e s O r t e s s t a m m t v o n 1305. D a m a l s schrieb m a n Mecelwicz, dessen a l t s o r b i s c h e B e z e i c h n u n g als L e u t e des M e t i s l a v o d e r Meöislav z u e r k l ä r e n ist. E i n e a u s g e d e h n t e j u n g s t e i n z e i t l i c h e S i e d l u n g d e r B a n d k e r a m i k e r s t r e c k t e sich n ö r d l i c h d e s O r t e s f a s t bis z u r H ö h e 1 6 1 , 9 m u n d w e s t l i c h d a v o n . H a r t n o r d w e s t l i c h d e r g e n a n n t e n E r h e b u n g w u r d e eine s c h w e r e B r o n z e k e t t e m i t Z w i s c h e n g l i e d e r n und einem E n d h a k e n gefunden, der mit einem Tierkopf abschließt. Der für Sachsen e i n m a l i g e F u n d s t a m m t a u s d e n l e t z t e n J a h r h u n d e r t e n v . u. Z . 8*

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K 9 Mettelwitz nimmt den Abschluß einer sich gabelnden Hangmulde ein, die sich von Nordost nach Südwest erstreckt und zwischen Mertitz und Zöthain das Ketzerbachtal erreicht. Neben wenigen kleineren Anwesen bestimmen 6 Vierseithöfe — einige heute nur noch dreiseitig umbaut — das Ortsbild. Ihre Ställe und bei mehreren auch die Scheunen werden von der L P G Sieg des Sozialismus Leuben genutzt. Meist sind Kühe, manchmal Färsen untergebracht, für die am südwestlichen Ortsrand auch eine neue Anlage entstand. Während der Sommermonate beweiden die Tiere vorwiegend die stark geneigten Talhangpartien des Käbschützer Baches. An bemerkenswerten Bauformen erhielten sich neben Fachwerkobergeschossen und -giebeln, besonders an Scheunen, beim jetzigen Dreiseithof Nr. 3 eine einbogige Kumthalle am früheren Pferdestall, über der sich ein Uhrturm erhebt. Der Innenhof des vierseitigen Gehöftes Nr. 2 ist nur durch ein Torhaus zu erreichen.

K 10 Pinzchenberg (176,4 m), bei O B E R R E I T Pinzgenbevg, heißt eine Erhebung südöstlich von Zöthain. Ihre kaum bewaldeten Hänge steigen 40 bis 50 m aus den Tälern des Käbschützer Baches bzw. des Ketzerbaches an. Der Pinzchenberg zeichnet sich durch eine artenreiche Xerothermflora aus, wie sie in ähnlicher Art im Ketzerbachtal (s. K 5) vorhanden ist. Er bietet das letzte reiche Vorkommen der wärmeliebenden Elbhügellandflora an der Grenze zur Lommatzscher Pflege. In einem Steinbruch auf der Kuppe lassen sich verschiedene Stadien der pflanzlichen Wiederbesiedlung erkennen. Von den Elementen der Halbtrockenrasen tiefgründiger Standorte seien Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), Alpenklee (Trifolium alpestre), Grindflockenblume (Centaurea scabiosa) und Rosenmalve (Malva alcea) genannt; weiterhin treten submediterran-zentraleuropäische Arten auf: Färbemeister (Asperula cynanchica), Steinquendel (Calamintha acinos), Aufrechte Trespe (Bromus erectus), Sichelmöhre (Falcaría vulgaris) und Kleiner Wiesenknopf (Sanguisorba minor). Hier befindet sich einer der beiden Standorte des kontinentalen Wiesenhafers (Helictotrichon pratense) in den sächsischen Bezirken, für dessen Existenz besonders hohe sommerliche Wärmegrade vonnöten sind. Mit ihm vergesellschaftet gedeihen die typischen Vertreter der Xerothermflora, wie Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleucä) und die subatlantische Kammschmiele (Koeleria pyramidala), sowie Arten der Sandfluren, wie Sandstrohblume (Heiichrysum arenarium), Katzenpfötchen (Antennaria dioica) und Silbergras (Corynephorus canescens).

L 1 Zadel, seit 1974 Ortsteil von Diera Mit seinem südlichen Rand reicht Zadel bis an die 50 m über den Elbtalboden emporragende Oberkante heran. Unweit davon erhebt sich der Kirchturm, eine weithin sichtbare Landmarke. Die überwiegend dreiseitig, nur in 2 Fällen vierseitig umbauten Bauernhöfe — eine dreibogige Kumthalle bei Nr. 16 — flankieren eine kurze Gasse mit Anschluß an die Durchgangsstraße Diera—Kleinzadel, an der die 104

Schule, die Schmiede sowie jüngere Wohnhäuser angesiedelt sind. Das von 1876 L 1 stammende Schulgebäude, ergänzt durch Anbauten und durch ein neues Nebengebäude, wird von Kindern der Orte Zadel, Diera und Nieschütz besucht. Mehrere neu angelegte Sport- und Übungsplätze stehen zur Verfügung. Klein- oder Unterzadel zieht sich mit seinen locker aneinandergereihten ehemaligen Gartennahrungen und Weinberghäusern an der Unterkante des Elbhanges hin. Auf ein hohes Alter des Ortes weisen eine Urkunde von 1074, in der der Burgwardsmittelpunkt ZacLili genannt wird, und eine von 1079 (castrum Zalin) hin. E r lag zweifellos auf dem Rand des langen Geländesporns über der Elbaue, und zwar östlich der steil hinabführenden Straße. Dort befinden sich Reste eines Walles und eines verschliffenen Vorwalles. Man muß auch hier mit Haupt- und Vorburg rechnen, ähnlich wie bei dem Burgberg Zehren (s. H 4). Vor allem keramische Funde sind, besonders vom 11. Jahrhundert an, vertreten. Sehr früh, nämlich 1213, besaß das Kloster Altzelle im Ort einen eigenen Hof, dem 1276 auch ein Winzer angehörte, nachdem von Weinbau im Dorf schon 1218 die Rede war. Zwischen 1615 und 1834 bestand das Anwesen zunächst als Vorwerk, später als kurfürstliches Kammergut. 1834/35 wurde sein bis dahin von 28 Fronwinzern bearbeiteter Weinberg in Feld verwandelt, so daß schließlich von etwa 20 Acker Rodeland (2 Acker = 1 Hektar) nur noch 4 bestehen blieben. Zusätzliche Arbeitskräfte waren für die Landwirtschaft schwer zu bekommen, da die Männer „mit Schiffeziehen, als Schiffsknechte und Steinbrecher" beschäftigt waren ( P A L M 1845)Die Südwestgrenze der Flur fällt auf 4 km mit der Elbe zusammen, in der bis zur Regulierung (s. B 1) 2 Inseln lagen, darunter der Werd ( O B E R R E I T 1839/40) oder die Fasaneninsel von 1375 Ellen Länge ( S C H I F F N E R 1840). 2 Fähren verbinden beide Elbufer, eine Fahrzeugfähre von Kleinzadel nach Niederlage, einem Ortsteil; von Zehren, sowie eine Kahnfähre vom Zuessenhaus nach den Spitzhäusern. D a s Zuessenhaus im Ortsteil Kleinzadel wurde 1900 von K A R L O E M I G anstelle eines älteren, 1898 abgebrannten strohgedeckten Anwesens erbaut, der hier Gaststätte, Fähre und Elbhandel von 1893 bis etwa 1923 betrieb. Der Besitzer kündigte sich den stromauf fahrenden Schleppzügen durch sein Trompetensignal an und fuhr mit seinem Kahn, später mit Motorboot, zu Schleppdampfern und Frachtkähnen und verkaufte Lebensmittel, Getränke und Gebrauchsartikel. Solche Anfahrer oder Provianter gab es auch an anderen Plätzen am Elbstrom, zum Beispiel am Hafen Dresden-Pieschen. An der Stelle einer älteren Kirche entstand 1841 bis 1842 der jetzige Bau, der sich aus dem Kirchenschiff, dem ostwärts anschließenden eingezogenen Chor und dem westlich vorgelagerten Turm zusammensetzt. Chor und Schiff sind durch einen neugotischen Triumphbogen voneinander getrennt. An Emporen, Orgelprospekt und Decke erhielt sich noch die Ausmalung von 1892. Das Geläut im Turm setzt sich aus 3 Bronzeglocken zusammen (Ende des 15. Jahrhunderts, 1672, 1742). Im Turminnern ist eine steinerne Plastik eingelassen, eine Fratze, die bisher nicht zu deuten war und in der älteren Literatur als sorbisches Götzenbild bezeichnet wurde. Möglicherweise handelt es sich um den Wasserspeier eines gotischen Bauwerks.

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L i In Zadel begannen die Bauern i960 mit der gemeinsamen Bewirtschaftung zunächst in den L P G s T y p I I I Hoffnung mit 625 ha und T y p I Elbtal mit 19 ha. 1969 schlössen sie sich der L P G Aufbau im Nachbarort Diera (s. J 4) an, die in Zadel mehrere Scheunen und einige Ställe nutzt, beispielsweise die des großen Vierseithofes Nr. 11. Vor seinem Wohnhaus hat sich elbwärts eine Terrasse erhalten, von der der Blick bis auf den gegenüberliegenden Elbhang reicht. An Neubauten wurden 2 Lagerhallen errichtet. Günstige Wärme- und Einstrahlungsverhältnisse sowie mit Löß vermengte Biotitgranodiorit-Verwitterungsböden lassen in Ortsnähe eine garten-, obst- und weinbauliche Nutzung zu. Gemüseerzeugung erfolgt auch unter Glas und Folie.

3L 2 Karpfenschenke Die 1811 als Bierniederlage gegründete Karpfenschenke sowie die wenigen benachbarten ehemaligen Winzerhäuser gehören zu der Gemeinde Diera. Die Anwesen erhielten 1937 Straßenanschluß im Elbtal nach Meißen und Zadel, während vorher die wichtigste Verbindung durch die Ochsenmarterschlucht über Diera verlief. Die Gaststätte verdankt ihren Namen dem karpfenähnlichen Aussehen von Steinblöcken, die bis zur Elberegulierung aus deren Strombett ragten. Ursprünglich rasteten hier die elbaufwärts treidelnden Bomätscher (s. E 5). Zwischen der Karpfenschenke und Zadel steht in einem Steinbruch Biotitgranodiorit an, der früher abgebaut und zu Pflastersteinen, Schotter und Bruchsteinen verarbeitet wurde. Im Nordwestteil des Bruches durchsetzt ein bis zu 10 m mächtiger Gang aus Zehrener Quarzporphyr (s. H 2) mit einer auffälligen horizontalen Klüftung, einer plattigen Absonderung ähnlich, die granodioritischen Gesteine. Die feinkörnige bis dichte Grundmasse des Porphyrs enthält größere Mineraleinsprenglinge von Quarz, Feldspat und Biotit. Der Steinbruch ist vor allem deshalb besonders interessant, weil die aus Schmelzen erstarrten granodioritischen und porphyrischen Gesteine von Konglomeraten, Sandsteinen und Tonen überlagert werden, die während der Trias (Buntsandstein) in einem flachen Meeresraum gebildet wurden. Die deutlich geschichteten Bänke besitzen eine Gesamtmächtigkeit von knapp 7 m. In den Gerollen der Konglomerate liegen die abgetragenen Gesteine der engeren Umgebung, nämlich Porphyrit, entglaster Pechstein, Biotitgranodiorit und Quarzporphyr, vor. Eine 1,25 m mächtige Schicht aus Löß bildet den Abschluß im Hangenden. Wie der beschriebene Steinbruch liegen auch die Brüche bis zur Knorre still. In kleineren wird der Grund gartenbaulich oder für Lagerzwecke genutzt. Es bestehen Vorstellungen, in einem größeren eine geordnete Deponie von Formsand und Schlacke eines Coswiger Gießereibetriebes vorzunehmen; nach Auffüllung und Aufbringen von Mutterboden soll der entstandene Hang einmal durch Weinbau genutzt werden. Die Hänge zwischen den früheren Steinbrüchen bei der Karpfenschenke tragen nahezu undurchdringbare Gebüsche der typischen Elbhügellandgehölze aus Rotem Hartriegel (Cornus sanguinea), Schlehe (Prunus spinosa), Liguster (Ligustrum vul-

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gare), Feldahorn (Acer campestre), Robinie (Robinia pseudacacia) sowie aus Weiß- L 2 dorn-, Rosen- und Brombeerarten. Zwischen ihnen zeigen sich an lichten Stellen und an den Rändern wärmeliebende Arten subkontinentaler Verbreitung, wie Schwarzwerdender Geißklee (Cyiisus nigricans), Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum), Traubenwucherblume (Chrysanthemum corymbosum), Echter Ehrenpreis (Veronica teucrium), und die seltenen Arten Siebenbürgisches Perlgras (Melica transsilvanica), Echtes Mädesüß (Filipendula hexapetala), ferner das vom Aussterben bedrohte Felsenfingerkraut (Potentilla rupestris). Vertreten sind typische Elbrandhöhenpflanzen, meist von submediterranem Verbreitungscharakter, wie Wiesensalbei (Salvia pratensis), Blutstorchschnabel (Geranium sanguineum), Aufrechte Waldrebe (Clematis recta), Aufrechter Ziest (Stachys recta) und Bunte Kronwicke (Coronilla varia) sowie die stattliche Mehlige Königskerze (Verbascum lychnitis). Auf alten Mauern wachsen neben den häufigeren Mauerpfefferarten die seltenen Arten Felsenmauerpfeffer (Sedum rupestre) und der kleine Weiße Mauerpfeffer (Sedum album), eine Art von subatlantisch-dealpiner Verbreitung. Bemerkenswert sind weiterhin Restvorkommen der Eisbeere und der Felsenmispel (Cotoneaster integerrima) an den Hängen in Richtung Zadel. Im Gebüsch tritt weiterhin der kontinentale Knollenkälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) auf, eine in Mitteleuropa typische Stromtalpflanze. In der von der Karpfenschenke nach Diera hinaufziehenden Ochsenmarterschlucht befinden sich zahlreiche pflanzengeographisch bemerkenswerte Arten, so der seltene submediterrane Spreizende Storchschnabel (Geranium divaricatum), die ostsubmediterranen Arten Behaarter Alant (Inula hirta) und Hirschwurz (Peucedanum cervaria), sowie das subkontinentale Weiße Fingerkraut (Potentilla alba) in Gesellschaft von Schwarzwerdendem Geißklee, Echtem Salomonssiegel (Polygonatum officinale) und Grauem Labkraut (Galium glaucum). In unmittelbarer Nachbarschaft gedeihen submontane Arten untergrundfrischer Laubmischwälder, wie Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis) und Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus langinosus), neben der montanen windblütigen Akeleiblättrigen Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium). Die Abhänge und ehemaligen Steinbrüche bei Zadel bieten ein floristisch ähnliches Bild wie die südöstlich der Karpfenschenke. In den bewaldeten Partien existieren gutwüchsige Exemplare von Feld- und Flatterulme. Als floristische Besonderheiten der Gebüschvegetation sind die sarmatischen Arten Gedenkmein (Omphalodes scorioides) und Wenigblütiges Vergißmeinnicht (Myosotis sparsiflora) sowie das osteuropäische Bunte Perlgras (Melica picta) an seinem einzigen Fundort in Sachsen zu erwähnen. Die Xerothermrasen sind besonders in der Nähe von Zadel typisch ausgebildet. Neben den Arten oberhalb der Karpfenschenke gibt es noch Steppensalbei (Salvia nemorosa), einen Neueinwanderer aus Südosteuropa, die Kleinblütige Wiesenraute (Thalictrum minus) und Dost (Origanum vulgare). Die Rasenfragmente zeichnen sich vor allem durch die kontinentale Frühsegge (Carex praecox) und das winzige, im Frühjahr blühende Durchwachstäschelkraut (Thlaspi perfoliatum) aus; die Erdsegge (Carex humilis) bildet dichte Polster. Im Sommer dominieren hier das Blau des Heidegünsels (Ajuga genevensis) und das Gelb der Färberhundskamille (Anthemis tinctoria), durchsetzt vom Blaßgelb der Gelben Skabiose (Scabiosa ochroleuca).

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L 3 Dragonerberg (156,2 m) D e m Ort Schieritz gegenüber erhebt sich am jenseitigen Talrand der Ketzerbachaue der bewaldete Dragonerberg, der an der Ostflanke zum Grutschenbach und nach Westen zum Eiskeller abfällt, einem Kastentälchen, dessen volkstümlicher Name mit mehreren kleinen Teichen zusammenhängt, in denen früher Eis für die gutsherrschaftliche Brauerei in Schieritz gewonnen wurde. Dicht oberhalb des Eiskellers befindet sich auf dem Westsporn des Dragonerberges eine mittelalterliche Wehranlage mit einem Turmhügel und mit 2 Gräben und Wällen als Vorsicherung. Die geschützte Geländezunge hat eine Gesamtlänge von 100 m bei einer Breite von 20 bis 25 m. Steilabhänge zum Grutschenbach und zum Ketzerbach begrenzen das Gebiet, so daß nur im Ostsüdosten ein durch einen W a l l geschützter Zugang vorhanden ist. Offenbar s t a m m t die Feudalbefestigung aus dem 13./14. Jahrhundert.

L 4 Seilitz, seit 1935 Ortsteil von Zehren, liegt mit seinen wenigen Gehöften und übrigen Häusern (insgesamt 10 Hausnummern) in einer breiten Geländemulde, die — nach Nordwesten gerichtet — in ein K a s t e n t a l übergeht. Ackerterrassen sowie Bruchfelder v o m Kaolinabbau verleihen der Landschaft einen unruhigen Charakter, der durch Gehölz- und Gebüschgruppen betont wird. Südwestlich v o m Ort befand sich eine große bandkeramische Siedlung mit außerordentlich reicher Keramik, mit Steingeräten und anderem Siedlungsinventar. Die Niederlassung zog sich offenbar bis nach Pröda hin (s. K 7). In historischer Zeit taucht der N a m e Sylicz ( = die Leute des 2ila) erstmals 1334 auf. Seilitz weist einige große Vierseithöfe auf, so Nr. 2, wo neben dem Wohnstallhaus mit Fachwerkobergeschoß ein neuer Stall an der Stelle einer alten Scheune steht. A n der Einfahrt hat sich an einer Seitenmauer ein hierher versetzter Schlußstein von 1742 erhalten. Wie hier wird im schräg gegenüberliegenden Vierseithof der Stall von der L P G Vereinte K r a f t Wölkisch (s. G 1) genutzt. A m südlichen Ortsrand entstand 1975 ein neuer Bullenstall. In der U m g e b u n g von Seilitz steht im Untergrund Kaolin an, der — 6 bis 13 m mächtig — nach dem Liegenden allmählich in die unveränderten Ausgangsgesteine übergeht. Seine Entstehung ist wie folgt zu erklären: Pechsteine und die aus ihnen hervorgegangenen Quarzporphyre waren schon zumindest während der Kreidezeit an der Erdoberfläche einer stärkeren Verwitterung ausgesetzt, wodurch sie zunächst eine tiefgründige Vergrusung erfuhren. Begünstigt durch ein feuchtwarmes Klima, unterlagen im Tertiär insbesondere die Feldspäte einer Umwandlung, bei der es nach W e g f ü h r u n g von Natrium, K a l i u m und K a l z i u m zur Neubildung des Tonminerales Kaolinit kam. Huminsäuren ließen die beigemengten oxidischen Eisen Verbindungen verschwinden, so daß die oberflächennahen Gesteinsbereiche zusätzlich stark ausbleichten. Die Kaolinlager wurden zunächst von Bauern in kleinen Tagebauen ausgebeutet, 108

und das gewonnene Material k a m v o n 1764 an in die Meißner P o r z e l l a n m a n u f a k t u r (s. M 8.6) zur Massebereitung. Die alleinigen A b b a u r e c h t e gingen 1814 v o n den Grundbesitzern an die M a n u f a k t u r über. A u c h gegenwärtig unterhält sie im O r t noch einen v o n 2 Arbeitern betriebenen bergbaulichen Betrieb. E i n weiterer S c h a c h t a m Nordostrand v o n Seilitz gehört zu d e m V E B Vereinigte K a o l i n - und T o n w e r k e Seilitz-Löthain (s. O 4). Sein A b b a u f e l d wird noch v o r 1980 in einen T a g e b a u u m g e w a n d e l t werden. V o n der Förderstätte transportiert eine Seilbahn das Material an der Ostseite des Dragonerberges a b w ä r t s zur Schlämmerei am Unterlauf des Grutschenbaches, dem früheren fiskalischen W e i ß e r d e w e r k . Hier erfolgt, wie es mit den R o h s t o f f e n aus dem anderen S c h a c h t in der M a n u f a k t u r geschieht, auf nassem W e g e die T r e n n u n g des K a o l i n s v o m Q u a r z und v o n anderen störenden Bestandteilen. A b n e h m e r der weißbrennenden T o n e m i t ihren hohen Trockenbiegefestigkeitswerten sind die Porzellan- und Elektroporzellanindustrie.

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Keilbusch, seit 1935 Ortsteil v o n Zehren,

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w a r ursprünglich die B e z e i c h n u n g f ü r ein keilförmiges W a l d s t ü c k (1402 Kylepusch). Die jetzigen A n w e s e n s t a m m e n frühestens v o m A n f a n g des 19. Jahrhunderts. V o n der Stelle, w o der J a h n a b a c h die E l b e erreicht, bis e t w a 1 k m nach N o r d w e s t e n zieht sich unmittelbar a m F u ß des E l b t a l h a n g e s eine Zeile v o n ehemaligen Häusleranwesen hin. Jüngere A u s b a u t e n reichen v o n der R a s t s t ä t t e Güldene A u e an der F 6 bis zur früheren Schloßmühle im J a h n a t a l a u f w ä r t s . D e r G a s t s t ä t t e unmittelbar gegenüber steht die Nikolsmühle, ein Dreiseithof m i t F a c h w e r k im W o h n m a h l haus. D e r zuletzt als Schrotmühle arbeitende B e t r i e b wurde v o r dem zweiten W e l t krieg stillgelegt. E t w a 300 m t a l a u f w ä r t s f o l g t die ehemalige Ankerschmiede, der heutige V E B Schulkreidefabrik. A n die 400 m oberhalb liegende Schloßmühle erinnert nur noch ein W o h n h a u s im L a n d h a u s s t i l v o n 1844. Ihr gegenüber befindet sich — bereits auf der F l u r der Meißner Klosterhäuser — über einer engen Schleife des Jahnabaches auf einem Geländevorsprung die frühdeutsche W a l l a n l a g e Schloßberg Keilbusch, v o l k s t ü m l i c h das alte Schloß. E s handelt sich um einen T u r m h ü g e l (Kegelwall) kurz v o r der N o r d w e s t s p i t z e des Geländespornes m i t einer Grabensperre a m südöstlichen Zugang. D a s geschützte A r e a l h a t eine L ä n g e v o n reichlich 60 m und eine m a x i m a l e Breite v o n 20 m. K e r a m i k , eiserne Bolzenspitzen und andere F u n d e datieren die A n l a g e in das 13./14. Jahrhundert. E s h a n d e l t sich zweifellos um eine befestigte W a r t e zur Sicherung der T a l z u g ä n g e zur Elbe. A m Schloßberg selbst findet m a n noch R e s t e einer X e r o t h e r m v e g e t a t i o n des Eichenmischwaldes m i t T r a u b e n - und Stieleiche sowie den typischen A r t e n der W a l d r ä n d e r und H a l b t r o c k e n r a s e n : F i e d e r z w e n k e (Brachypodium pinnatum), Steppenlieschgras (Phleum boehmeri), Erdsegge (Carex humilis). D a s I m m e n b l a t t (Melittis melissophyllum) und das im E l b h ü g e l l a n d sehr seltene subkontinentale W a l d Windröschen (Anemone süvestris) sowie der Riesenschachtelhalm (Equisetum maximum) auf Tonmergelböden unweit v o n Jesseritz vervollständigen die Artenliste.

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L 6 Seebschütz, seit 1935 Ortsteil v o n Zehren, und seine U m g e b u n g sind reich an ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen, um deren E r f o r s c h u n g sich der örtliche Heimatforscher MAX ANDRÄ (F 1946) verdient g e m a c h t hat. Eine eingeebnete und ü b e r b a u t e W a l l a n l a g e wird mitten im O r t angenommen, w o sich eine slawische Siedlung befand. Hinweise f ü r den W a l l sind v o r allem im Gelände nordwestlich des südlichen G e h ö f t e s erkennbar. Südlich desselben Gutes sind reiche frühgermanische K e r a m i k - (Abb. 13,4) und Metallfunde aus den letzten Jahrhunderten v . u. Z. zum Vorschein g e k o m m e n . D a s dazugehörende Gräberfeld lag a m westlichen H a n g der H ö h e 216,0 m, e t w a 300 m südöstlich v o m Dorf. Diese E r h e b u n g m i t ihren flachen H ä n g e n w a r schon zu B e g i n n der Jungsteinzeit dicht besiedelt gewesen (Bandkeramik). Ihr westlicher H a n g erbrachte zusätzlich reichlich schnurkeramische F u n d e , so verzierte T o n ware, Tonlöffel, Feuerstein- und Felsgesteinsgeräte und feinmuschlig geschlagene Feuersteinpfeilspitzen. E s handelt sich zweifellos sowohl um Grab- als a u c h Siedlungsreste. Seebschütz — 1334 Sevschicz — die L e u t e des Sebes — setzt sich aus 3 großen Vierseithöfen sowie aus wenigen W o h n h ä u s e r n zusammen, die alle e t w a 30 bis 40 m über dem Grutschenbach, und z w a r auf der leicht abfallenden H o c h f l ä c h e , liegen. I m 16. J a h r h u n d e r t werden noch 6 besessene Mann g e n a n n t ; bis zum E n d e des 19. Jahrhunderts h a t t e n 3 v o n ihnen den B e s i t z der anderen in ihre H a n d gebracht. 2 Vierseithöfe werden v o n der L P G in W ö l k i s c h (s. G l ) genutzt. In einer umgebauten Scheune des einen sind mehrere tausend Legehühner u n t e r g e b r a c h t (Gehöft v o n 1898, A n d r ä — l a u t Inschrift). W i e bei Mohlis stehen v o r allem Süßkirsch- und A p f e l b ä u m e in den Obstplantagen. Sie ziehen sich v o n der O b e r k a n t e des westlichen Talhanges des Grutschenbaches bis nach Seebschütz hin und gehören wie a u c h die zahlreichen S t r a ß e n o b s t b ä u m e der K A P J a h n a (s. L 9). A u c h auf der F l u r des 1 k m entfernten Zehrener Ortsteiles M i s c h w i t z k a m e n zahlreiche ur- und frühgeschichtliche F u n d e zutage. A u f dem e t w a 172 m hohen Steinhübel westlich v o m O r t befand sich ein reiches bronze- und früheisenzeitliches Urnengräberfeld, an seinem S ü d o s t h a n g ein slawisches Skelettgräberfeld aus der Zeit v o r der Jahrtausendwende m i t wichtiger K e r a m i k , die dem T y p in A l t l o m m a t z s c h (Abb. 13, 8 u. 9) zuzurechnen ist. D e r altsorbische N a m e (1258) Missewitz f ü r das k a u m 100 m lange Dorf an der O b e r k a n t e des E l b t a l h a n g e s b e d e u t e t L e u t e des Mis. D e r größere der beiden Vierseithöfe besteht aus F a c h w e r k g e b ä u d e n ; seinem Haustürschlußstein nach s t a m m t er v o n 1822. Seine W i r t s c h a f t s g e b ä u d e und die des benachbarten H o f e s werden v o n der zuständigen L P G (s. G 1) genutzt. Gegenüber f ü h r t eine T ü r in einen Bergkeller (Schlußstein S 1807). A m A n s t i e g z u m Steinhübel erhebt sich eine frühere Feldscheune, die u m 1968 durch flache A n b a u t e n nach 2 Seiten erweitert wurde und der Unterbringung v o n Bullen dient. U n w e i t d a v o n ziehen sich bis z u m Galgenberg oberhalb v o n Zehren O b s t p l a n t a g e n hin.

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Jahnabachtal D e r 7,4 k m lange J a h n a b a c h setzt sich aus mehreren Quellästen zusammen, die westlich v o n Mehren in e t w a 210 m ü. N N ihren A n f a n g nehmen. Bereits a m Oberlauf s t a u t ein D a m m das W a s s e r in einem W e i h e r ; in sommerlichen Hitzeperioden fällt das a b f l u ß s c h w a c h e Rinnsal o f t sogar trocken. B e i O b e r j a h n a (s. O 2) und N i e d e r j a h n a (s. L 9) halten weitere Teiche das W a s s e r zurück. V o n N i e d e r j a h n a f l i e ß t der J a h n a b a c h in einem überwiegend begradigten L a u f nach Norden. A n seinen steilen H ä n g e n treten G l i m m e r p o r p h y r i t a m Großen Jahneberg, w o früher a u c h W e i n r e b e n an Südlagen standen, und weiter t a l w ä r t s B i o t i t granodiorit zutage, f a s t ausschließlich in auflässigen Steinbrüchen. E t w a 400 m oberhalb der früheren Schloßmühle (s. L 5) erreicht v o n Südosten ein kurzes, aber stark eingetieftes Sohlental das H a u p t t a l . Beider A u e n werden als Grünland genutzt. D e r J a h n a b a c h wird vorzugsweise v o n Erlen und Eschen g e s ä u m t und e n t h ä l t die U f e r v e g e t a t i o n der Fließgewässer des Lößhügellandes (s. K 5). A l s bemerkenswerte s u b m o n t a n - m o n t a n e A r t des Erzgebirges t r i t t im F r ü h j a h r h ä u f i g das Alpentäschelk r a u t (Thlaspi alpestre) auf, das hier fast die Nordgrenze seiner V e r b r e i t u n g erreicht. Ä h n l i c h v e r h ä l t es sich a u c h m i t dem B e h a a r t e n K ä l b e r k r o p f (Chaeropliyllum hirsutum). Besonders unterhalb des Schloßberges bei K e i l b u s c h bilden a m B a c h A r o n stab ( A r u m maculatum), R o t e P e s t w u r z (Peiasites hybridus), H o h e Schlüsselblume (Primula elatior) und der südosteuropäische Knollige B e i n w e l l (Symphytum tuberosum) dichte B e s t ä n d e .

Jesseritz, seit 1974 Ortsteil v o n J a h n a - L ö t h a i n , gehörte wie Sieglitz seit 1935 zur Gemeinde J a h n a und w u r d e 1292 Jesseherycz geschrieben (altsorbisch jezer = O r t a m kleinen See). W i e in anderen D ö r f e r n des Meißner Gebietes (s. K 7, L 6) verringerte sich die A n z a h l der B a u e r n w i r t s c h a f t e n . Die G e h ö f t e sowie die wenigen ehemaligen Häusleranwesen stehen auf einem s c h w a c h n a c h Osten abfallenden Geländesattel, der zwischen 2 tief eingeschnittenen N e b e n t ä l c h e n des J a h n a b a c h e s vermittelt. V o n den beiden Vierseithöfen ist Nr. 2 durch ein F a c h w e r k t o r h a u s m i t einem Schlußstein v o n 1792 zu erreichen. Über dem früheren K u h s t a l l im W o h n s t a l l h a u s v o n 1791 d e u t e t dichtes F a c h w e r k auf Ö f f n u n g e n der ehemaligen K ä s e k a m m e r hin. I m u m g e b a u t e n Pferdestall betreibt die L P G J a h n a - L ö t h a i n Schweinezucht (s. O 5). In diesem G u t gründete MAX GEBHARDT im Jahre 1888 die Zuchtgenossenschaft f ü r das Meißner Schwein. Die älteste b e k a n n t e N e n n u n g v o n Sieglitz (1205) schreibt Scedelicz = altsorbisch die Neusiedlung, der Ansitz. Die L a g e der A n w e s e n an einer Quellmulde entspricht der v o n P r ö d a (s. K 7) und Priesa. D a s nordöstliche G e h ö f t (Nr. 4), eine Vierseitanlage, h a t a m früheren Pferdestall eine zweibogige K u m t h a l l e b e w a h r t . A n die Stelle einer Scheune t r a t ein neues flaches Gebäude, hinter dem sich ein K o m p l e x aus Bergeräumen, Silos und Ställen f ü r Rinder der L P G J a h n a - L ö t h a i n erhebt. A l s Beispiel für die im O r t überwiegend dreiseitig u m b a u t e n G e h ö f t e sei Nr. 3 III

L 8 genannt. Ins Hofinnere gelangt man durch ein Rundbogentor oder eine Pforte, in das verputzte Wohnstallhaus durch ein Portal (Schlußstein mit Krone, Jahreszahl 1812 und Initiale K) aus Sandstein. Vom Ort ziehen sich nach Osten 2 Tälchen zum Jahnabach hin, deren steile Kanten eine Einbeziehung in die benachbarten Ackerflächen nicht zulassen und die deshalb beweidet werden.

L 9 Niederjahna, Kreis Meißen, gehören insgesamt 21 Ortsteile mit zusammen etwa 2000 Einwohnern an. Die heutige Großgemeinde heißt Jahna-Löthain. 1965 hatten sich schon Jahna und Kagen vereinigt. Von 1926 bis 1937 w a r Jahna nach Meisatal bzw. mit diesem nach Meißen eingegliedert gewesen. Niederjahna nimmt die Aue und den westlichen unteren Hang des Jahnabachtales ein, wenige Anwesen zwängen sich zwischen den Fuß des Großen Jahneberges und den Wasserlauf. Hier querte die alte Straße von Meißen nach Lommatzsch das Tal. Wohn- und Wirtschaftsbauten aus der Zeit nach 1945 begleiten diese Verbindung beiderseits in westlicher Richtung. Direkt südöstlich an Niederjahna anschließend, befanden sich zu beiden Seiten der Straße nach Oberjahna bronzezeitliche Siedlungen von größerer Ausdehnung. Aus der Hölle stammt ein umfangreicher Bronzedepotfund mit 15 schweren Ringen und Ösenhalsringen sowie einer Armspirale. Die Insel nordöstlich vom früheren Rittergut bildet mit dem umgebenden Teich sicherlich den Rest einer frühdeutschen Wasserburg, der 1309 ein Allodium folgte. Die früheste Nennung von Jahna liegt von 1205 vor (in utroque Kanin = Ort des Slawen Kana oder Ivanja). 1285 taucht superior Canin für das 1 km entfernte Oberjahna auf, i486 erstmals Nyder Khayne. Das seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Rittergut vergrößerte seinen Besitz offenbar auf Kosten von Bauernland, gab es doch 1764 nur noch 2 Gartennahrungen sowie 16 Häusler gegenüber 5 besessenen Mann im Jahre 1551. Im Rittergut, dessen Gebäude und 132 ha großes Land durch die demokratische Bodenreform 1945 aufgeteilt wurden, haben sich das frühere Herrenhaus (Nr. 1) sowie für Wohnzwecke umgebaute Wirtschaftsgebäude (Nr. 30, 31) erhalten, begrenzt von einem Park mit 2 Teichen. Am Giebel des Herrenhauses ist ein Inschriftenstein von 1691 eingelassen; über der Haustür befindet sich ein Schlußstein mit einem Engelskopf, darüber ein Relief von 1691 und daneben Wappensteine. Außer einer Konsumverkaufsstelle nutzt seit 1975 die örtliche Kinderkrippe Räume des Hauses; im angebauten Seitentrakt hat der Kindergarten Platz gefunden. Niederjahna weist im heutigen Siedlungsbild wie auch in der genossenschaftlichen Landwirtschaft viele typische Merkmale der Entwicklung der Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges auf. Zunächst erhielten insgesamt 54 Neubauern und landarme Bauern Grund und Boden in einer Größe von durchschnittlich 5 ha zugewiesen. Am 8. August 1952 gründeten 68 Einwohner mit etwa 240 ha Land eine L P G Typ I, die 1953 den Status des Typs III annahm und den Namen Walter Ulbricht führte. Aus dieser Zeit stammen Eindachhöfe mit und ohne Stallbauten, 112

d a die V i e h h a l t u n g f r ü h z e i t i g auf g e n o s s e n s c h a f t l i c h e r G r u n d l a g e erfolgte. D i e L 9 A r b e i t d e r M i t g l i e d e r w u r d e 1959 m i t d e m V a t e r l ä n d i s c h e n V e r d i e n s t o r d e n in Silber g e w ü r d i g t . A l s i 9 6 0 die N u t z f l ä c h e n v o n K a g e n u n d seinen O r t s t e i l e n h i n z u k a m e n , e r h ö h t e sich d a s G e s a m t a r e a l auf 1900 h a , v o n d e n e n 350 h a als G r ü n l a n d dienten, u n d z w a r a n S t e i l h ä n g e n , auf T a l s o h l e n u n d in Q u e l l m u l d e n . I n F r ü h b e e t e n i m O r t u n d in der L P G - e i g e n e n K l o s t e r g ä r t n e r e i in M e i ß e n e r f o l g t die A n zucht von Gemüsepflanzen. D a s D a u e r g r ü n l a n d u n d ein v e r s t ä r k t e r F e l d f u t t e r b a u r e c h t f e r t i g t e n 1956/57 d e n B a u v o n S t ä l l e n f ü r M i l c h k ü h e , an die sich ein R e p a r a t u r - u n d T e c h n i k s t ü t z p u n k t a n s c h l i e ß t . E i n e b e d e u t e n d e E r w e i t e r u n g e r f u h r e n die L a n d w i r t s c h a f t s b a u t e n d u r c h ein K o m b i n a t (Bild 27) f ü r 3000 Tiere, d a s seit 1972 m i t nur 8 A r b e i t s kräften Bullen mästet. I n d e m s e l b e n J a h r ü b e r n a h m die neu g e g r ü n d e t e K o o p e r a t i v e A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n J a h n a die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e N u t z f l ä c h e z u r B e a r b e i t u n g , die 1975 d u r c h d e n A n s c h l u ß d e r K A P O b e r m u s c h ü t z auf 5 100 h a a n w u c h s , d a v o n 870 h a G r ü n l a n d , d a s z u f a s t 2/3 a b g e w e i d e t w i r d . A u f den S c h l a g k o m p l e x e n v o n d u r c h s c h n i t t l i c h 130 h a G r ö ß e w e r d e n v o r r a n g i g G e t r e i d e , F e l d f u t t e r u n d Z u c k e r r ü b e n angebaut. Feldgemüsearten gedeihen vor allem zwischen Niederlommatzsch, N i e d e r m u s c h ü t z u n d N a u n d o r f (s. E 3); eine F l ä c h e v o n 70 h a bei O b e r j a h n a ist a n einen 1967 a n g e s t a u t e n T e i c h i m J a h n a b a c h t a l zur B e r e g n u n g angeschlossen. E i n e n U m f a n g v o n 150 h a n e h m e n O b s t p l a n t a g e n ein, so östlich v o n N i e d e r j a h n a , s ü d l i c h v o n Mohlis, w e s t l i c h v o n S e e b s c h ü t z u n d östlich v o n G r o ß k a g e n . L a n g j ä h r i g e r H o p f e n a n b a u bei P i s k o w i t z (s. K 4) u n d N i e d e r j a h n a w u r d e bis 1975 b e t r i e b e n . D i e n o t w e n d i g e n M a s c h i n e n u n d G e r ä t e h a t die K A P in N i e d e r j a h n a , O b e r m u s c h ü t z (s. G 2), G r o ß k a g e n (s. K 8) u n d L ö t h a i n s t a t i o n i e r t . S c h a f h e r d e n in K a i s i t z , G r o ß k a g e n u n d P a u s c h ü t z w e i d e n die G r a s r ä n d e r u n d S t o p p e l f e l d e r ab. D i e K o n z e n t r a t i o n der L a n d w i r t s c h a f t in J a h n a u n d seinen O r t s t e i l e n g i b t e t w a 65 % der W e r k t ä t i g e n V e r d i e n s t m ö g l i c h k e i t e n .

Rottewitz, seit 1939 O r t s t e i l v o n W i n k w i t z

M 1

N a c h d e m die S c h e n k u n g s u r k u n d e v o n 1074 als F ä l s c h u n g aus d e m 12. J a h r h u n d e r t e r k a n n t w u r d e (EICHLER u. WALTHER 1966/67), g e h t die erste b e k a n n t e N e n n u n g auf d a s J a h r 1079 z u r ü c k (Rokeborthorf = a l t s o r b i s c h die L e u t e des R a t i b o r ) . W i e in G a s e r n (s. M 11) k o m m t ein 1350 A l l o d i u m , 1487 V o r w e r k b e z e i c h n e t e s A n w e s e n später nicht mehr vor. A u s d e m E l b t a l f ü h r t der H e u w e g auf die 50 bis 70 m höhere, m i t L ö ß l e h m u n d S a n d l ö ß b e d e c k t e H o c h f l ä c h e , a n d e r e n R a n d sich die w e n i g e n V i e r - u n d D r e i s e i t höfe v o n R o t t e w i t z gruppieren. Die 2 größten Anwesen, Ernst-Thälmann-Straße 5 u n d 6, w e r d e n v o n d e r L P G R o s a L u x e m b u r g W i n k w i t z (s. M 2) g e n u t z t , teils z u r V i e h h a l t u n g , teils als B e t r i e b s k ü c h e . A n d e m n a c h S ü d e n bis S ü d w e s t e n gericht e t e n G e l ä n d e a b f a l l b e d e c k e n seit einigen J a h r e n 22 h a g e n o s s e n s c h a f t l i c h e R e b felder die e h e m a l i g e n A c k e r f l ä c h e n ; sie w e r d e n v o n O b s t p l a n t a g e n aus S ü ß k i r schen-, A p f e l - u n d B i r n e n b ä u m e n f l a n k i e r t .

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M 2 Winkwitz, Kreis Meißen Von dem Gasthaus Knorre an der Elbe zieht sich der dicht bewaldete Knorrgrund 1 km nach Nordwesten hin. Ein steiler Fußweg f ü h r t an seinem westlichen Talhang vorbei an neueren Siedlungshäusern — amtlich Am Knorrberg bezeichnet — zu einer abseits gelegenen Häusergruppe, die durch jüngste Wohnbauten an das alte Dorf Winkwitz angeschlossen ist. Dessen erste bekannte Nennung s t a m m t von 1241 und lautet Wingozwiz, eine deutsch-slawische Mischform, die die Leute des Deutschen Wingoß bedeutet. In den Weinbergen der im J a h n a t a l bei Riesa gelegenen Rittergüter Seerhausen und Jahnishausen mußten die Winkwitzer Untertanen ihre Frondienste leisten. Bei der Zusammenlegung der Fluren 1865 bis 1868 blieb das am Elbhang befindliche Rebland der Bauern ausgeschlossen. Kleine, meist terrassierte Flächen haben sich bis heute erhalten. Die fast ausschließlich dreiseitig u m b a u t e n Höfe begleiten die westliche Oberkante des oberen Knorrgrundes und reihen sich beiderseits der alten Dorfstraße, der Rosa-Luxemburg-Straße, aneinander. Einige Gehöfte werden von der a m 28. August 1952 in Proschwitz als T y p I gegründeten heutigen L P G T y p I I I Rosa Luxemburg zur Viehhaltung genutzt (Nr. 13), andere nehmen Fahrzeuge und Geräte der L P G sowie der K A P Meißen rechts (s. J 4) auf, so Nr. 9 und 12. Auf die Zeit, als sich in Winkwitz ein Stützpunkt der Maschinen-Traktoren-Station befand, geht das Mehrfamilienwohnhaus Rosa-Luxemburg-Straße 21 zurück. Unweit davon steht das Schulgebäude. Seitdem die Kinder Unterricht in Meißen erhalten (1954), dient es dem R a t der Gemeinde und der L P G als Verwaltungssitz.

M 3 Proschwitz, seit 1939 Ortsteil von Winkwitz, n i m m t die Hochfläche sowie den Geländesattel zwischen dem Knorrgrund im Westen und dem Heiligen Grund im Osten ein. Der Ort setzt sich aus dem früheren Schloß, aus umgebauten Rittergutsgebäuden, aus Neubauerngehöften und wenigen ehemaligen Bauernwirtschaften zusammen. Sein erster bekannter N a m e — 1250 Proszwiz — läßt sich auf eine altsorbische Bezeichnung zurückführen (die Leute des Pro§). 1380 war der Ort Rittersitz. Spätestens seit dem 17. J a h r h u n d e r t gab es ein Rittergut, das sich im Lauf der Zeit fast die gesamte Dorfflur angeeignet hat. Zusammen mit seinem Vorwerk Nassau (s. Bd. 22, Lößnitz, A 6) gehörten ihm 155 ha Acker, 59 ha Wiese, 15 h a Wald, 7 ha H u t u n g und 5 ha Weinberge (HOFMANN 1901), so daß es 1945 außer dem Rittergut nur noch 2 andere Grundbesitzer im Ort gab. Neben der Bauernwirtschaft auf dem 170 m hohen Bocksberg stand von 1906 bis 1945 eine weithin sichtbare Holländerwindmühle. Der Rittergutsbesitz k a m durch die demokratische Bodenreform 1945 an Neubauern, die sich an der Straße der Befreiung Eindachgehöfte erbauten, so Nr. 2 bis 9 sowie Nr. 23, 25 und 27, und an Kleinsiedler. Frühere Rittergutsgebäude dienen nach Umbau heute Wohnzwecken. Seit dem Beginn der genossenschaftlichen E n t wicklung arbeiten die Bauern mit denen aus Winkwitz zusammen (s. M 2). Vom südlichen Ortsrand zieht sich bis zur Oberkante des Elbtalhanges genossenschaft-

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liches Rebland (Bild 17), dem sich an manchen Stellen Obstplantagen anschlie- M 3 ßen. A m beginnenden Abfall zum Knorrgrund erhebt sich die frühere Schloßanlage, die sich aus einem Hauptgebäude mit T-förmigem Grundriß, dem 1776 renovierten Dienerwohnhaus — jetzt mit 2 Wohnungen — und einem Park zusammensetzt. Das Schloß entstand 1707, erfuhr aber im 19. Jahrhundert sowie 1914 erhebliche Umbauten und Erweiterungen. Vasen und anderes Schmuckwerk aus Sandstein zieren sowohl die Dachsimse als auch die Torsäulen der Einfahrten. Westlich und südlich begrenzen Gruppen und Reihen alter Bäume, so von Eiben, Blutbuchen, verschiedenen Eichenarten, sowie Hecken, Blumen- und Rasenbeete das Schloß. Zwischen 2 mächtigen Linden erhebt sich die Sandsteinfigur eines Bacchus, hinter der sich im Buschwerk der Eingang zum früheren Weinkeller verbirgt. Im Schloß war seit 1947 ein Kurheim, seit 1951 ist ein Krankenhaus für Tuberkulosekranke untergebracht.

Knorre

M 4

Nur 300 m nordwestlich vom Meißner Winterhafen entfernt, ragt rechtselbisch die Knorre auf. Dieses Felsmassiv ist ein Teil des fast genau von Osten nach Westen verlaufenden Hanges, der hier bis an die Elbe herantritt und der sich vor den Stromregulierungen (s. B 1) als Schiffahrtshindernis im Flußbett fortsetzte. Hier erwarteten früher die Bomätscher aus dem heutigen Stadtteil Niederfähre die Kähne, um sie elbaufwärts weiterzutreideln. Vielleicht geht das Gasthaus zur Knorre auf diese Zeit zurück. Der Felsen der Knorre wird von Hornblende-Biotitgranodiorit aufgebaut, der hinsichtlich der Mineralzusammensetzung und Verbreitung zwischen Biotitgranodiorit und Syenodiorit steht. Das granitische Gestein weist verhältnismäßig große Feldspäte neben kleineren Quarzen, Hornblenden und Biotiten auf. Nach der Erstarrung des granitischen Hauptschmelzkörpers wurden auf Rissen und Spalten zu unterschiedlichen Zeiten Restschmelzen von abweichender chemischer Zusammensetzung eingepreßt, die heute als Ganggranite, Aplite, Pegmatite, Granophyre und Lamprophyre bezeichnet werden. Ihre gegenseitige Durchdringung gestattet Hinweise auf die Altersfolge. Die Hänge der Knorre sind mit dichtem Buschwerk von Schlehe (Prunus spinosa) und vor allem der aus Nordamerika stammenden Robinie (Robinia pseudoacacia) besetzt; ihre Vegetation ähnelt der des Elbtalhanges bei der Karpfenschenke (s. L2). Auf den Steinbruchhalden leuchten im Sommer die gelben Blüten der alten Kulturpflanze Färberwaid (Isatis tinctoria). Daneben erscheinen viele weitere Xerothermpflanzen, wie Bartgras (Bothriochloa ischaemum) und Mehlige Königskerze (Verbascum lychnitis). Weit verbreitet ist die wärmeliebende Stumpfblättrige Melde (A iriplex oblongifolia), eine Charakterart des Elbhügellandes um Meißen. Die Knorre beherbergt einen beachtlichen Bestand der osteuropäischen Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis) im Elbhügelland, einer seltenen, geschützten und immer mehr in ihrer Verbreitung zurückgehenden Art.

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M 4 A n den n a c h Süden bis Südwesten gerichteten H ä n g e n k o m m e n wärmeliebende Insekten vor, so die W e i ß f l e c k i g e Zartschrecke (Leptophyes albovittata). A u c h die B o c k k ä f e r a r t e n S p i e ß b o c k (Cerambyx scopolii), Zierbock (Anaglyptus mysticus) und Linienbock (Oberea erythrocephala) leben hier. O b w o h l der P u r p u r b o c k (Purpuricenus kaehleri) seit mehr als 70 Jahren nicht mehr gefunden wurde, dürfte er heute noch an der K n o r r e heimisch sein. Die K n o r r e ist ferner reich an thermophilen Ameisenarten, beispielsweise Leptothorax affinis und Camponotus caryae v. fallay. D e n robusten L a u f k ä f e r (Carabus ullrichi) t r i f f t m a n hier auch an. Die Schnirkelschneckenart Cepaea vindobonensis liebt den w a r m e n S t a n d o r t ebenfalls.

M 5 Heiliger Grund heißt ein e t w a 800 m langer Geländeeinschnitt, der auf der l ö ß b e d e c k t e n H o c h fläche östlich v o n Proschwitz ansetzt und an der früheren Grundmühle das T a l des Fürstengrabens erreicht. Die F o r m des oberen A b s c h n i t t s zeigt die Merkmale einer wasserlosen Lößschlucht, deren Sohle 6 bis 10 m Breite und deren H ä n g e bis 25 m H ö h e erreichen. E t w a in der Mitte des Grundes entspringt ein Rinnsal, das im Bennoteich angestaut wird — b e n a n n t nach einem Meißner Bischof des 11. Jahrhunderts. V o n hier a n verbreitert sich die Talsohle auf 20 bis 30 m, und einzelne Partien aus Hornblende-Biotitgranodiorit (s. M 4) unterbrechen die an dieser Stelle schwächer geneigten H ä n g e . 500 m westlich v o n der A u s m ü n d u n g des Heiligen Grundes setzen die K a t z e n s t u f e n ein, e t w a 200, im J a h r 1667 teilweise in den anstehenden Felsen gehauene A b s ä t z e , die in einer eng wandigen R i n n e z u m B o c k s b e r g hinaufführen. Beiderseits des A n stiegs ordnen sich Weinterrassen übereinander. 2,5 h a des als Proschwitzer K a t z e n sprung bekannten Reblandes, das besonders wegen seiner T r a m i n e r - E r t r ä g e einen guten N a m e n hat, werden v o n der Meißner Winzergenossenschaft bearbeitet (s. M 8.8).

M 6 Riesensteingranitbruch K l e i n e Steinbrüche legte m a n erstmals u m 1830 im J o a c h i m s t a l bei Zscheila zur G e w i n n u n g v o n Mauersteinen an. A m E n d e des 19. Jahrhunderts setzte d a n n der A b b a u im Gebiet der Riesensteine beiderseits des Niederauer D o r f g r a b e n s ein, der sich unweit westlich d a v o n m i t dem G a b e n r e i c h b a c h z u m Fürstengraben vereinigt. Hier staute m a n v o n 1404 bis 1763 den F ü r s t e n t e i c h an, a u c h Meißnischer See genannt, aus dem neben anderen Felsklippen die 2 H ü n e n - oder Riesensteine herausragten. Sie fielen 1860 dem B a u der Eisenbahnlinie C o s w i g — M e i ß e n z u m Opfer. Z u n ä c h s t lieferten die Steinbrüche hauptsächlich Pflaster- und Mauersteine, P a c k lagersteine und Steinschlag; später traten W e r k - und M o n u m e n t a l s t ü c k e v o r allem wegen der guten Polierfähigkeit in den Vordergrund. A l s Sockel zahlreicher D e n k mäler, so des B ö t t g e r - D e n k m a l s in Meißen, in repräsentativen Gebäudeteilen und

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in Brücken, wie der Autobahnbrücke bei Siebenlehn, fand der Granit häufig Ver- M 6 wendung. Der V E B Elbenaturstein, zu dem der Betriebsteil Roter Granit Meißen seit 1956 gehört, lieferte unter anderem Material für zahlreiche sowjetische Ehrenmale und zu Wandverkleidungen am R G W - G e b ä u d e in Moskau. Der Riesensteingranit stellt den jüngsten granitischen Schmelznachschub des Meißner Massivs im Oberkarbon dar. Quarz, Kalifeldspat und Kalknatronfeldspat bilden die Hauptgemengeteile des Gesteins, dessen rötliche Farbe durch fein verteiltes Roteisen auf Rissen und Korngrenzen der genannten Minerale hervorgerufen wird. In den Steinbrüchen siedeln zahlreiche Pflanzenarten sommerwärmeliebender Ruderalgesellschaften, wie Glanzmelde (Atriplex nitens), Filzklette (Arctium tomentosum), Waldkarde (Dipsacus silvester) und Hohe R a u k e (Sisymbrium altissimum). Auf alte Weinbauwirtschaft weist die aus Südeuropa stammende Osterluzei (Aristolochia clematitis).

Zscheila, seit 1914 Stadtteil von Meißen

M 7

In Zscheila wurde früher der H a y n e r (Großenhainer) Straßenzoll erhoben, an der Elbbrücke ein 1436 erstmals erwähnter Brückenzoll. Der Ort liegt als Sammelpunkt mehrerer Verbindungswege rechtselbischer Dörfer am F u ß des Fürstenberges. Der Name dieser Erhebung wie auch der der Cöllner Fürstenberge (s. B d . 22, Lößnitz, G 1) ist auf kurfürstliche Weinberge zurückzuführen. A m Fürstenberg werden die Riesensteingranite (s. M 6) von Gesteinen der oberen Kreidezeit überlagert. In der Brandungszone des Kreidemeeres wurden die obersten Bereiche des granitischen Untergrundes aufgearbeitet und die dabei entstandenen Gerölle mit Durchmessern bis zu teilweise 2 m zu einem Konglomerat verkittet. Darüber lagern blutrote sandige Mergel, die, wie auch das sandige Bindemittel der Konglomerate, früher zahlreiche gut erhaltene Fossilien lieferten, vorwiegend Korallen, Brachiopoden, Austern und Schnecken. Aus dem Faunenkreis und der kräftigen Schalenausbildung der Schnecken kann man schlußfolgern, daß es sich um eine Lebensgemeinschaft der bis in Nähe des Meeresspiegels aufragenden Felsklippen handelte. Die genannte Schichtenfolge, zu der in der Umgebung von Zscheila noch Pläner und Plänerkalke zählen, gehört stratigraphisch in die cenoman —turonc Übergangszone. Auf dem Fürstenberg befinden sich Kirche und Friedhof, unter denen eine überbaute, zeitlich bisher nicht bestimmte Wallanlage angenommen wird. Nordwestlich der Kirche lag eine größere früheisenzeitliche Siedlung. Zscheila war ursprünglich eine bäuerliche Ansiedlung, die 1180 als Csilowe ( = Ort des Slawen Cil oder Cul) erwähnt wird. Bereits 1226 galt sie als Curia (Rittersitz); im weiteren Verlauf der E n t w i c k l u n g sind Allodium (1311), Vorwerk (1406) und schließlich ein Rittergut (1696) bezeugt. Die weithin sichtbare heutige Trinitatiskirche ging 1512 aus einer Kapelle hervor, die dem heiligen Georg geweiht und schon A n f a n g des 13. Jahrhunderts mehrmals erwähnt wurde. Mit den 2 sich durchdringenden Satteldächern, mit achteckiger Laterne und Turmspitze weist der T u r m eine charakteristische Silhouette auf. 9

Elbtal

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M 7 A n d a s K i r c h e n s c h i f f , dessen g o t i s c h e F e n s t e r an der A u ß e n s e i t e eine a u f f ä l l i g tiefe L e i b u n g besitzen, s c h l i e ß t sich der i m R e c h t e c k e n d e n d e C h o r an. D a s I n n e r e der K i r c h e w u r d e 1938 u n d 1966 restauriert. I n d a s f r ü h e r f l a c h g e d e c k t e z w e i j o c h i g e S c h i f f ist der g l e i c h b r e i t e T u r m r a u m als d r i t t e s J o c h e i n g e z o g e n w o r den, so d a ß n u n m e h r 3 K r e u z g r a t g e w ö l b e v o n 1667 u n d 1669 d a s S c h i f f ü b e r s p a n nen. D e r C h o r liegt u n t e r 2 K r e u z g r a t g e w ö l b e n aus der M i t t e des 13. J a h r h u n d e r t s , u n d seine D e c k e n u n d W ä n d e sind m i t g o t i s c h e n W a n d m a l e r e i e n b e d e c k t . A n der N o r d s e i t e des C h o r e s t r i t t m a n in die f r ü h g o t i s c h e Sakristei, ü b e r d e r sich die S c h a t z k a m m e r b e f i n d e t . D e r z w e i g e s c h o s s i g e h o h e A l t a r a u f b a u v o n 1655 m i t Gem ä l d e n u n d S c h n i t z f i g u r e n soll v o n VALENTIN OTTE s t a m m e n . D i e h ö l z e r n e K a n z e l w u r d e 1938 d u r c h eine f a r b i g b e h a n d e l t e S a n d s t e i n k a n z e l e r s e t z t . D e r w a p p e n g e s c h m ü c k t e n L o g e d e r f r ü h e r e n P a t r o n a t s h e r r s c h a f t v o n P r o s c h w i t z g e g e n ü b e r lieg e n die G e s i n d e l o g e n . U n m i t t e l b a r n e b e n d e m K i r c h h o f r u h e n in 143 E i n z e l - u n d G e m e i n s c h a f t s g r ä b e r n g e f a l l e n e s o w j e t i s c h e S o l d a t e n auf e i n e m E h r e n f r i e d h o f . A l s a m E n d e d e s 19. J a h r h u n d e r t s die I n d u s t r i e v e r s t ä r k t a u c h auf r e c h t s e l b i s c h e m G e b i e t F u ß f a ß t e , e r h ö h t e sich d i e E i n w o h n e r z a h l (s. A n h a n g A ) v o n Zscheila durch Z u z u g auswärtiger Arbeiter bedeutend. Dieser Zeit entstammen auch d i e W o h n z e i l e n beispielsweise a n d e r N i e d e r f ä h r e r S t r a ß e u n d der K o h r o c k s t r a ß e .

M 8

Meißen, K r e i s M e i ß e n ( B i l d e r 5 u. 6)

M8.1

Lage D e r S t a d t k e r n v o n M e i ß e n e n t s t a n d i m M ü n d u n g s k e s s e l d e r T r i e b i s c h , in d e m d a s G e l ä n d e v o n E l b e u n d T r i e b i s c h z u n ä c h s t a l l m ä h l i c h , a n d e n R ä n d e r n j e d o c h ziemlich steil z u d e n u m g e b e n d e n H ü g e l n B u r g b e r g , A f r a b e r g , J ü d e n b e r g , P l o s s e n u n d M a r t i n s b e r g a n s t e i g t . W ä h r e n d d i e E l b u f e r u n g e f ä h r 100 m ü. N N , d e r M a r k t p l a t z u n d d e r B a h n h o f e t w a 1 1 0 m ü. N N liegen, e r h e b e n sich d e r M a r t i n s b e r g bis z u 145 m u n d d e r J ü d e n b e r g bis z u 165 m ü. N N . D i e S t a d t e n t w i c k e l t e sich a u s v e r s c h i e d e n e n S i e d l u n g s e i n h e i t e n ( A b b . 28). I n d e n e r s t e n J a h r e n n a c h 929 g a b es n u r die m i l i t ä r i s c h e A n l a g e auf d e m B u r g b e r g . Z w i s c h e n B u r g b e r g u n d E l b e w a r eine U n t e r b u r g , d i e s o g e n a n n t e W a s s e r b u r g , a n g e legt, u n d z w a r als V o r b u r g z u d e m d a m a l s b e s t e h e n d e n O s t z u g a n g z u r O b e r b u r g , w e i t e r h i n z u r Ü b e r w a c h u n g des V e r k e h r s auf d e r E l b e u n d a n d e r F u r t . D i c h t u n t e r dem S ü d a b h a n g des Burgberges und nicht weit v o r dem Südausgang der Wasserb u r g b i l d e t e sich — v i e l l e i c h t n o c h i m 1 0 . J a h r h u n d e r t — ein R a s t p l a t z f ü r d u r c h z i e h e n d e K a u f l e u t e , der sich z u e i n e m H a n d e l s p l a t z e n t w i c k e l t e . E s ist d e r h e u t i g e T h e a t e r p l a t z . A u f d e m A f r a b e r g ließen sich K l e r i k e r u n d D i e n s t r i t t e r nieder, u n d schließlich w u r d e n z w i s c h e n 1 1 5 0 u n d 1200 d e r M a r k t p l a t z u n d die v o n i h m ausg e h e n d e n S t r a ß e n a n g e l e g t . D a m i t h a t t e M e i ß e n b e r e i t s die A u s d e h n u n g erreicht, die es bis in d a s 19. J a h r h u n d e r t hinein behielt. A u s d e m S t a d t k e r n ( M a r k t p l a t z ) s t a m m e n r e i c h h a l t i g e S i e d l u n g s r e s t e d e r Z e i t seit 1200 m i t d e u t l i c h e n N a c h w e i s e n f ü r H a n d w e r k e r s i t z e . E i n e hölzerne W e g e f ü h r u n g u n t e r d e m M a r k t g i n g in R i c h t u n g B u r g s t r a ß e u n d ü b e r b r ü c k t e s u m p f i g e s G e l ä n d e

118

Abb. 28. Grundriß d Straßen und Plätze 1 2 3 4 5 6 7 8 g 10 11 12 13 14 15 16 17 18 9«

Markt Elbstraße Burgstraße Fleischergasse Marktgasse Görnische Gasse Hundewinkel An der Frauenkirche Rosengasse Große Webergasse Kleinmarkt (Salz- oder Frauenmarkt) Holzmarkt Lorenzgasse Baderberg Schloßberg Leipziger Straße Theaterplatz mit Tuchmacherhaus Hohlweg

mittelalterlichen Stadt 19 20 21 22 23 24 25 26

Freiheit Schloßbrücke Seelensteig Superintendenturstufen Frauenstufen Leinewebergasse Kleiner Hohlweg Stadtgraben

Burg I Markgraf II Bischof III Burggraf

Siedlungskerne IV V VI VII

Suburbium, Wasserburg Burggräflicher Jahrmarkt Afranische Freiheit Markgräfliche Marktstadt

n (aus REICHEL

1964)

Kirchen A Dom B Afrakloster C Frauenkirche D Lorenzkirche mit Hospital E Franziskanerkloster F Jakobskapelle

Tore G Görnisches Tor H Fleischertor J Juden tor K Elbtor L Mittleres Wasser tor M Lommatzsch er Tor N Äußeres Burgtor O Mittleres Burgtor P — W Eigenbefestigungen stadtherrlicher Beamter und Adliger

119

M8.i

a m Triebischufer. Viele Hufeisen und K e r a m i k gestatten, die Anlage, die mehrfach erneuert wurde, ebenfalls in die Zeit seit 1200 zu datieren. W e n n Meißen auch schon sehr f r ü h D u r c h g a n g s v e r k e h r und H a n d e l an sich zog, so w a r doch das v o n schmalen Tälern und tiefen H a n g k e r b e n gegliederte Gelände um B u r g und S t a d t f ü r eine großzügige E n t w i c k l u n g der Siedlung und der Verkehrswege nicht günstig. Ursprünglich zählten zu Meißen nur wenige, im heutigen B a u bestand o f t an S t r a ß e n n a m e n noch erkennbare V o r s t ä d t e : Görnitz (Görnische Gasse), v o r m L o m m a t z s c h e r T o r (Am L o m m a t z s c h e r Tor), R a u h e n t a l (Rauhentalstraße). Dieses alte Meißen blieb im wesentlichen bis in das 19. Jahrhundert unv e r ä n d e r t auf den linkselbischen R a u m beschränkt. A u c h die ersten kleinen Industriebetriebe (s. M 8.6) lagen links der Elbe, und zwar im T a l der Triebisch, weil m a n viel B r a u c h w a s s e r benötigte. D o r t wurde auch d u r c h spätere Erweiterungen und Neugründungen der G r u n d s t o c k f ü r die gegenwärtige W i r t s c h a f t s b a l l u n g (s. P 9) gelegt. I m letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ergriff die Industrialisierung ebenfalls die der S t a d t auf dem anderen E l b u f e r gegenüberliegenden, bis dahin überwiegend bäuerlichen Dörfer. Z u n ä c h s t h a t t e sich 1887 V o r b r ü c k e bereits an Niederfähre und dieses sich 1898 dem benachbarten größeren Cölln (s. P 1) angeschlossen, einem B r ü c k e n k o p f o r t an der Elbe, wo seit Jahrhunderten die Straßen aus dem Großenhainer L a n d mündeten. Seit 1860 endete hier a u c h die Eisenbahnlinie aus Coswig. Dieses unter kapitalistischen Verhältnissen g u t ausgebaute Territorium k a m 1901 an die S t a d t Meißen. D a m i t wurde in diesem rechtselbischen R a u m eine E n t w i c k l u n g eingeleitet, die bald weitere Eingemeindungen brachte, so im Jahre 1908 von Niederspaar (s. P 2), 1912 v o n Zaschendorf (s. B d . 22, L ö ß n i t z , G 2) und Oberspaar (s. P 2), 1914 v o n Zscheila (s. M 7) und B o h n i t z s c h (s. B d . 22, L ö ß n i t z , A 5). I m Unterschied zu dieser raschen A u s d e h n u n g nach Osten konnte sich Meißen in der unmittelbaren N ä h e der A l t s t a d t nur unbedeutend erweitern. N a c h d e m sich 1921 aus den ehemaligen Häuslersiedlungen Fischergasse, Hintermauer, Ober- und Niedermeisa die Gemeinde Meisatal (s. M 10) gebildet hatte, erfolgte 7 Jahre später deren Anschluß an das unmittelbar angrenzende Meißen. 1923 griff die S t a d t mit Questenberg (s. P 3) und K o r b i t z (s. P 4) erstmals auf die linkselbische H o c h f l ä c h e über. E s folgten 1928 L e r c h a (s. P 5) sowie 1937 Klosterhäuser (s. M g ) . Mit der E i n b e z i e h u n g der Fluren dieser neuen Stadtteile g e w a n n Meißen vor allem B a u und Gartenland. N a c h dem zweiten W e l t k r i e g k a m e n 1950 Dobritz ( s . O ö ) und 1973 Siebeneichen (s. P 6) hinzu. T r o t z d e m zeigt es sich, daß Meißen eine gewisse Grenze in seiner räumlichen E n t w i c k l u n g nicht überschreiten kann. F ü r eine E r w e i t e r u n g des Siedel- und Industrieraumes stellen die natürlichen Verhältnisse erhebliche Hindernisse dar. Unter sozialistischer V e r w a l t u n g konnten in den Jahren nach dem zweiten W e l t k r i e g mehrere kleine W o h n g e b i e t e und zentrale Schulen geschaffen werden, Industrieanlagen wurden modernisiert, und es entstanden neue soziale und kulturelle Einrichtungen und Sportanlagen (s. M 8.8).

120

M 8.2

E n t s t e h u n g d e r B u r g u n d Mark M e i ß e n Die Besiedlung des Burgbergplateaus war bereits in der jüngeren Bronzezeit erfolgt, doch fehlen für diese Zeit noch jegliche Befestigungshinweise, so daß wohl mit einer offenen Siedlung gerechnet werden muß. Bis zur Zeit H E I N R I C H S I . kann aufgrund der fehlenden archäologischen Reste eine stärkere Nutzung des Areals ausgeschlossen werden. A m F u ß des Berges wurde aus der E l b e eine reich verzierte Prunka x t (Abb. 20,7) donauländischer H e r k u n f t geborgen. Die bronzene S c h a f t l o c h a x t gehört in das 13. Jahrhundert v . u. Z. und ist sicher durch Austausch in unser Gebiet gelangt. ließ nach der Eroberung der slawischen Hauptbefestigung Gana (s. Bd. 30, Oschatz, Q 6) 929 zur Sicherung der Ostgrenze seines Territoriums die B u r g Meißen erbauen. Der Burgberg besitzt eine hervorragende strategische L a g e auf dem hohen Felsmassiv, das im Nordosten v o m Elbtal, im Nordwesten v o m tiefen Tal derMeisa und im Südosten von der Triebischaue begrenzt wird. Das langdreieckige Felsplateau verfügte lediglich im Südwesten über einen schmalen natürlichen Zugang. Zur Zeit der Burggründung und noch nach 1015/18 war deshalb ein Tor offenbar von der Elbe her über eine Vorburg zu erreichen. Die 968 verbürgten Schreibweisen Misna, Misina hängen offensichtlich mit dem Bach- oder Geländenamen Meisa zusammen. Bisher konnte jedoch sprachwissenschaftlich noch keine befriedigende Erklärung — entweder aus dem Vorslawischen, Slawischen oder dem Germanischen — vorgelegt werden. A m A n f a n g des 15. Jahrhunderts hatte sich die Form Meissin herausgebildet. H E I N R I C H I.

Die B u r g beherbergte in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehen lediglich eine kleine, von einer sorbischen W a c h m a n n s c h a f t unterstützte deutsche Besatzung. V o m 10. bis zur ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gab es nur in der Meißner B u r g D e u t s c h e (Kleriker und Militärpersonen), das L a n d ringsum war ausschließlich von Sorben bewohnt. Aus der Zeit des Markgrafen E K K E H A R D (985—1002) s t a m m t ein Denar, der in Schweden gefunden wurde. E s ist erwiesen, daß die Markgrafen v o m 10. bis A n f a n g des 11. Jahrhunderts eine Münzstätte betrieben haben, die ihren Rohstoff Silber den benachbarten Scharfenberger Bergwerken verdankte (nach Mitteilung von Dr. P A U L A R N O L D , Münzkabinett Dresden). Bis in das letzte Viertel des 11. Jahrhunderts fanden um den Besitz der Mark Meißen K ä m p f e zwischen deutschen, polnischen und tschechischen Feudalherren statt, doch wurde dabei die deutsche Herrschaft k a u m in Frage gestellt. So führte der Polenherzog B O L E S L A V C H R O B R Y 1002 und 1015/18 Feldzüge nach Meißen durch. K ö n i g H E I N R I C H IV. nahm 1074 den Bischof B E N N O gefangen und gab die Mark seinem Bundesgenossen, Herzog W R A T I S L A V von Böhmen, da Markgraf und B i schof die gegen ihn aufständischen Sachsen unterstützt hatten. Bereits die ersten Jahre der deutschen Machtausübung haben bis zur erneuten Verstärkung der Ostpolitik unter O T T O I. von der Mitte des 10. Jahrhunderts an deutliche, doch nicht so intensive archäologische Spuren hinterlassen. W i e Ausgrabungen auf dem Burgberg in den Jahren 1959 bis 1964 ergaben, s t a m m t aus der Zeit von etwa 950 bis zum 11. Jahrhundert eine 3,20 m breite Holzstraße (Bild 8) m i t 121

M8.2 vierfacher Erneuerung. An beiden Seiten standen Holzhäuser, eine dritte Häuserreihe schloß sich direkt an die südliche an. Ein weiterer Weg dürfte die Bebauung gegen den Wall abgegrenzt haben. Die Breite der Häuser nördlich dieser Holzstraße schwankte zwischen 2,50 m und 4,50 m bei einer gleichmäßigen Tiefe von 4 m. Ein Großhaus auf der Südseite erreichte im Grundriß fast 12 m x 6 m. Die Wallkonstruktion konnte infolge der modernen Überbauung nicht untersucht werden. Ihre Mächtigkeit und äußere Absicherung dürfte der vom Burgberg Zehren (s. H 4) kaum nachgestanden haben. Vor der südwestlichen Ecke des heutigen Domes, auf der seinerzeit höchsten Stelle des Burgberges, erbaute man im 1 1 . Jahrhundert einen massiven Steinturm mit einer Grundfläche von 12,50 m X 12,50 m bei einer Mauerstärke von 2,50 m bis 2,90 m und einer Gründung von reichlich 2,50 m. Dieser Kampfturm von vermutlich 30 m Höhe wurde im Zusammenhang mit der Errichtung des gotischen Domes in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts planmäßig abgetragen. Im Hof zwischen der Albrechtsburg und dem Dom konnte der Grundriß eines großen trapezförmigen mehrstöckigen Wohnturmes freigelegt werden, dessen Kellergewölbe vierjochig konstruiert waren. Der Bau stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und wurde im 15. Jahrhundert, sicherlich im Zusammenhang mit dem Aufbau der Albrechtsburg (s. M 8.5), abgebrochen. M8.3 A n f ä n g e d e r S t a d t u n d g e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k l u n g In der Triebischaue, wo sich um den Rast- und Handelsplatz unter der Burg bereits eine Art städtischen Wohnplatzes entwickelt hatte, bestand etwa 200 m davon entfernt zwischen 1 1 5 0 und 1205 ein Marktplatz (Abb. 28). In einer Ecke dieses Platzes, jedoch nicht unmittelbar an ihm, erhob sich die Kirche; eine Seite blieb dem Rathaus vorbehalten. In Meißen hatten die neuen Siedler das abfallende Gelände und bereits vorhandene Verteidigungsanlagen und Straßenzüge zu berücksichtigen, so daß der Marktplatz einem unregelmäßigen Viereck glich und die von seinen Seitenenden rechtwinklig ausgehenden Straßen nicht ganz gerade geführt werden konnten. Erste größere Steinbauten entstanden: bereits nach 1 1 5 0 die Martinskapelle, die Nikolaikapelle, eine Marienkapelle am Markt, und nach 1 2 1 7 die Anlagen des Klosters zum Heiligen Kreuz (s. M 9) unterhalb der Stadt. Um 1260 wurde das Franziskanerkloster gegründet. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaute man die mächtige Steinbrücke, die den Burgberg mit dem Afraberg verbindet, die Stadt erhielt eine Brücke über die Elbe. Im Gegensatz zu den auf gleichmäßig zugeteilten Grundstücken eng aneinandergerückten Bürgerhäusern in der Stadt sind die auf dem Afraberg errichteten Höfe sehr weitläufig und willkürlich angelegt, und jeder Hof ähnelt einer kleinen Festung. Diese Höfe entstanden vermutlich vor dem Bau der Mauer, die Stadt und Afraberg umschloß und kaum vor 1200 geschaffen worden sein kann. Um 1250 wurde ein neuer Markt außerhalb der Mauern nötig. Hier am Neumarkt gab es auch eine jüdische Gemeinde mit einer Synagoge. Mit der Vernichtung der Judengemeinde im Jahr 1349, deren Mitglieder als Brunnenvergifter und Kinder122

mörder diffamiert wurden, und einem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang M8.3 bildete sich der Neumarkt zu einer unbedeutenden, von Gärtnern und Töpfern bewohnten Vorstadtsiedlung zurück. Schon im 14. Jahrhundert kauften die Handwerker, vertreten durch die Fleischer, feudale Steuerrechte ab, und 1446 erwarb der R a t durch Kauf vom Markgrafen die volle Gerichtshoheit über die Marktsiedlung. Ihre Grenze verlief unterhalb von Burg und Afraberg zum Jüdenberg, von dort zum Beginn des Rauhentales, dann über die Triebisch zum Plossen und zur Elbe. Das Straßennetz war im 12. und 13. Jahrhundert so angelegt worden, wie es sich in seinen Grundzügen noch heute zeigt. Im 15. Jahrhundert begannen die Bürger, ihre Fachwerkhäuser durch Steinbauten zu ersetzen, und im Stadtgebiet erschienen weitere größere Gebäude: die Frauenkirche (1450—1500), das Rathaus (nach 1472), die nach einem Brand (1447) wiedererrichtete Franziskanerkirche. Es erfolgte auch die Verstärkung der Stadtmauer (Abb. 28) durch eine doppelte Befestigung, von der heute noch ein Stück an der Hintermauer erhalten ist. Ein weiterer Rest ist an der Kerbe zwischen Straße der Befreiung und Görnischer Gasse zu sehen. Die Stadttore und der größte Teil der Mauern wurden in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts beseitigt. Mit der frühbürgerlichen Revolution im 16. Jahrhundert erreichten die mittelalterlichen bürgerlichen Produktivkräfte den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Das gilt auch für Meißen, wo die 1539 durchgeführte Kirchenreformation einen neuen Abschnitt einleitete. Mit dem ökonomischen Erstarken des Bürgertums ergab sich eine Besitzdifferenzierung, die das frühere einheitliche Kollektiv der Stadtgemeinde zerstörte und zu Spannungen zwischen dem von den reichsten Familien besetzten R a t und den kleinen Handwerkern führte. So gab es 1520 eine Beschwerde der Handwerker beim Herzog über die jährlichen Scheinwahlen des Rates. Die Reformation stärkte die Stellung des Rates, gab ihm Befugnisse im Kirchenwesen und übertrug ihm einen Teil des früheren Kirchenvermögens, das jedoch nur teilweise für das Gemeinwohl Verwendung fand. Große Stücke der Kirchenländereien kauften die reicheren Familien weit unter dem Wert auf. In dem aufgehobenen Franziskanerkloster richtete der R a t eine städtische Lateinschule ein. E r schuf damit die Möglichkeit für eine bessere Ausbildung der Bürgersöhne. Die ökonomische Blüte führte auch zu einem Aufschwung der bürgerlichen Kultur. Neben der Knabenschule wurde wenige Jahre später eine Mädchenschule eingerichtet. Das Afrakloster ließ Herzog M O R I T Z in eine Schule umwandeln (1543), die als Fürsten- und Landesschule vorwiegend Kinder des Bürgertums ausbildete. Der vom Kaiser mit dem Dichterlorbeer gekrönte G E O R G F A B R I C I U S (1516—1571) war hier Rektor und gleichzeitig Historiograph der Stadt. Zu den Schülern zählen G O T T H O L D E P H R A I M L E S S I N G (1729—1781), C H R I S T I A N F Ü R C H T E G O T T G E L L E R T (1715 — 1769) und der Begründer der Homöopathie F R I E D R I C H S A M U E L H A H N E M A N N (1755-1843). Die Stadt hatte im 16. Jahrhundert eine gut ausgebildete Verwaltung und ein organisiertes Gesundheits- und Wohlfahrtswesen. Es gab ein Hospital, einen Stadtarzt und 2 Hebammen. Die Wasserversorgung erfolgte durch Röhrleitungen, die Wasser aus Brunnen im Meisatal und aus dem Goldgrund in die Stadt brachten.

123

M8.3 Auch innerhalb der Stadt gab es Brunnen, von denen der noch erhaltene Walthersbrunnen am Kleinen Hohlweg bereits im 15. J a h r h u n d e r t erwähnt wird. Von ihm f ü h r t eine Röhrleitung in das Haus Markt 9. Die Straßen innerhalb der Stadt waren gepflastert. Es gab eine Bauordnung und eine vorbildliche Feuerordnung. Die Häuser standen zu dieser Zeit noch mit den Giebeln zur Straße, doch sind diese bis auf wenige dem Dreißigjährigen Krieg zum Opfer gefallen. Trotz der Besitzdifferenzierung wohnten in Meißen hauptsächlich Handwerker. Die am besten gestellten unter ihnen waren die Tuchmacher, die vorwiegend den R a t besetzten. Neben den reichen Handwerksmeistern bildeten Tagelöhner und • Gesellen, ja selbst die Lehrer und der Stadtarzt eine ziemlich gleichgestellte Schicht mit Tageseinkommen von 1 bis 3 Groschen. 1598 und 1608/09 zeigten Beschwerden aus der Bürgerschaft gegen den R a t an, daß das soziale Gefüge der Bürgergemeinde gestört war. Die ökonomischen Krisen und Pestzeiten beschleunigten den Verfall des bürgerlichen Gemeinwesens, der im Dreißigjährigen Krieg mit einem Zusammenbruch endete. Viele Einwohner fielen 1626 oder 1630 der Pest zum Opfer. Schlimmes widerfuhr Meißen am 6. Juni 1637, als schwedische Truppen in die Stadt eindrangen und einen Brand anlegten, wodurch innerhalb der Mauern 104 Häuser völlig niederbrannten; 71 lagen wüst, und lediglich 102 waren noch bewohnbar. Eine Überprüfung der Stadt, die bis 1726 dauerte, brachte ihr eine neue Ratsverfassung, die von der mittelalterlichen Selbstverwaltung Abstriche machte und den Stadtorganismus mehr dem absolutistischen System anpaßte. In diese Zeit fiel die Gründung der Porzellanmanufaktur (s. M 8.6). Im zweiten Schlesischen Krieg (1744/45) erwuchs Meißen ein Schaden, der sich auf die für einen so kleinen Ort erhebliche Summe von 116743 Talern belief. Während des Siebenjährigen Krieges waren beinahe ständig Preußen als Besatzung anwesend. 1757 wurde die Elbbrücke zerstört. Seit 1805 erlebte Meißen als strategisch wichtiger Elbübergang alle Schrecknisse des Napoleonischen Krieges. Der französische Kaiser kam am 22. Juli 1807 nach Meißen. Nach Vernichtung seiner Armee in Rußland zog die französische Besatzung aus der Stadt ab, verbrannte aber noch am 12. März 1813 die überdachte hölzerne Elbbrücke. Die nun einrückenden Kosaken wurden von den Einwohnern freundlich aufgenommen. Doch nach dem Sieg bei Großgörschen und Lützen ließ NAPOLEON Meißen wieder befestigen und kam selbst einige Male in die Stadt, zuletzt am 7. Oktober 1813. Nach 1813 h a t t e man die verbrannten Joche der Elbbrücke zwar wieder in Holz, aber ohne die Überdachung aufgebaut. Nach der Zerstörung der Brücke im Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 ersetzte man die vernichteten Joche durch eine Eisenkonstruktion, die bis 1934 bestand. Die Brücke wurde im Lauf der Zeit wiederholt durch Elbehochwasser (s. B 1) beschädigt, insbesondere im Winter bei sogenannten Eisfahrten. Fast alljährlich t r a t der Fluß über seine Ufer, setzte Straßen und Gebäude der Stadt unter Wasser und richtete erhebliche Schäden an Bauten und Fluren an. Die Elbe gab manchem Bewohner aber eine Erwerbsmöglichkeit, sei es als Flößer oder Schiffer, sei es als Fischer (ZÖLLNER 1934). Zu den Fangmethoden mit Netzen zählt die auf der Abbildung 29 wiedergegebene. Einige Türschlußsteine (Abb. 32) an elbnahen Häusern weisen auf frühere Wohnsitze von Fischern hin.

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Erläuterung (von oben nach unten): Fischerkahn mit Wurfnetz, dem sogenannten Schmeißer. Das Wurfnetz hing in Falten an einem mit Netz bespannten eisernen Reifen, an dem der untere (äußere) Teil des Netzes befestigt war. Dieser Netzteil war am Rand mit Bleistücken, sogenannten Bleikulern, beschwert. Durch Anziehen der Leine a wurde der äußere Netzteil nach innen emporgezogen. Beim Loslassen der Leine a schwangen die Bleistücke nach unten und außen, so daß sich das äußere Netz voll ausbreitete. Unmittelbar danach wurde auch die Leine b losgelassen, damit das Netz in voller Ausdehnung ins Wasser tauchte. Durch Anziehen der Leine a wurde das Netz geschlossen und nach oben gezogen.

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M8.4 M e i ß e n a l s r e g i o n a l e s H e r r s c h a f t s - u n d l o k a l e s

Verwaltungszentrum

Nachdem König H E I N R I C H I . den Sorbengau Daleminze erobert und 929 die Burg Meißen mitten im Slawenland angelegt hatte, war der Grund für die Eingliederung des Gebietes zwischen Saale und Elbe, ja bis zur Oder und Neiße in das deutsche Reichsgebiet gelegt. Sein Sohn, O T T O I . , gründete zur Sicherung der Herrschaft 968 die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meißen und als weltliche Einrichtungen die drei gleichnamigen Marken, von denen aber nur die Mark Meißen ihre Eigenständigkeit wahrte. Markgrafen aus verschiedenen Geschlechtern waren Träger der königlichen Macht. König H E I N R I C H III. (1039—1056) hielt Hoftage in Meißen. 1089 wurde H E I N R I C H V O N E I L E N B U R G aus dem Geschlecht der Wettiner Herr der Mark. Ihm folgte sein Sohn H E I N R I C H bis 1123. Dessen Vetter, K O N R A D V O N W E T T I N , beanspruchte die Nachfolge und erhielt sie 1124. Damit wurde die Mark Meißen erblicher Besitz der Wettiner, die auf dieser Herrschaftsbasis ihren Landesstaat aufbauten. Ebenso reichsunmittelbar wie die Markgrafen waren die Burggrafen von Meißen. Neben ihrer militärischen Funktion in der Mark sprachen sie als königliche Amtsträger auch Recht. Mit der Befriedung des Landes und der deutschen Besiedlung verlor sich die militärische Funktion der Burgwardverfassung. Bei gleichzeitigem Aufstieg der Markgrafen zur Landesherrschaft ging der Einfluß der Burggrafen zurück, deren Amtsfunktionen erloschen waren. Der Burggrafschaft blieb ein ansehnlicher Eigen- und Lehnsbesitz der Grafen von Hartenstein, die ebenfalls ihre Territorialmacht auszubauen suchten (s. Bd. 31, Zwickauer Mulde — Geyerscher Wald, L 1). Die dritte Feudalmacht auf dem Burgberg zu Meißen war der Bischof mit dem Domkapitel. In ihm saßen 15 Domherren, deren ursprüngliche Aufgaben im Kirchendienst zu bloßen Würden und einträglichen Pfründen geworden waren. Der Bischof war Landesherr über verstreut liegenden Grundbesitz und formell gleichrangig mit dem Markgrafen. In seinen weltlichen Angelegenheiten stand das Bistum anfangs unter kaiserlicher Oberschutzherrschaft, geriet aber bald unter die des Markgrafen, der von ihm Steuern und Heerfolge forderte. Meißen blieb nicht lange Sitz dreier reichsunmittelbarer Gewalten. Seit dem 13. Jahrhundert residierten die Markgrafen auch an anderen sächsischen Orten. Nach der 1485 erfolgten Teilung des Wettiner Staates wählte die Albertinische Linie, der Meißen gehörte, endgültig Dresden als Hauptstadt. 1426 war das Geschlecht der Burggrafen von Meißen ausgestorben. 1439 zog der schon 1423 zum Kurfürsten von Sachsen avancierte Markgraf die burggräflichen Besitzungen an sich. Die Bischöfe hatten sich bereits 1400 vor der Ubermacht des Markgrafen aus Meißen zurückgezogen, saßen 100 Jahre in der Burg Stolpen und seit 1500 in der Stadt Würzen. Die Besitzungen des Bistums wurden 1559 säkularisiert, d. h. dem Staat einverleibt. 1587 trat der letzte Bischof von Meißen offiziell von seinem A m t zurück. Das Domkapitel wurde reformiert und lebte unter der Administration des Kurfürsten als unselbständiges evangelisches Stift weiter. Damit war Meißen nur noch eine Stadt der Lokalverwaltung des umliegenden Territoriums, dessen Bezeichnung seit dem Ausbau der Lokalverwaltungen im 15. Jahrhundert A m t lautete.

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Im 16. Jahrhundert stand im Erb- oder Kreisamt Meißen neben dem adligen Amt- M8.4 mann ein Schösser als studierter Finanz- und Verwaltungsfachmann, dessen Funktionen zunahmen und auf den schließlich alle Amtsgeschäfte übergingen, weshalb seit 1680 die Bezeichnung Schösser durch Amtmann ersetzt wurde. Als Steuerbezirk hatte das Amt von allen Einwohnern, mit Ausnahme des Adels und der Geistlichkeit, die staatlichen Steuern einzuziehen. Geleite und Zölle wurden auf der Elbe, der Elbbrücke und auf den Landstraßen erhoben. Das Amt war des weiteren Grundherrschaft der unmittelbaren Amtsdörfer und Amtsbauern. Zur landesherrlichen Grundherrschaft gehörten die amtseigenen Güter und Vorwerke. Vorrangige Bedeutung erlangten die Weinberge, beispielsweise in Zscheila (s. M 7), Proschwitz, Ober- und Niedermeisa. Das Amt verfügte über die Fischerei in dem Mühlteich und in der Triebisch, die Wiesen, Obstgärten und kleinen Wälder, so Spaar, Keilbusch, Schrägen. Die amtseigene Wirtschaft war insgesamt klein, so daß von den Bauern relativ wenig Frondienste verlangt wurden. Auf ihnen lasteten vor allem die Grundzinsen in Geld und Naturalien, wobei aber die Höhe bei den einzelnen Zinspflichtigen aufgrund besonderer historischer Bedingungen Abweichungen aufwies. In die Aufgaben und Dienste waren Teile der Meißner Bürger und der Bevölkerung der Vorstädte einbezogen durch Schiffs- und Holzstapeldienste, Verladearbeiten, Jagddienste, Geldzinsen, Naturalabgaben der Fleischer und Leineweber, Jahrmarktsgelder. Das Amt übte drittens eine gerichtsherrschaftliche Funktion aus. Es hatte in den Amtsdörfern die Obergerichtsbarkeit und die Nieder- bzw. Erbgerichtsbarkeit inne. Bis auf wenige Ausnahmen lag die Obergerichtsbarkeit über die Ritterguts- und Kirchenuntertanen ebenfalls beim Amt, die jedoch dem Niedergericht (Patrimonialgericht) ihrer Grundherrschaft unterstanden. Mit der Erbgerichtsbarkeit war die Polizeigewalt verbunden, die Amt, Adel oder Geistlichkeit über ihre jeweiligen Untertanen ausübten. Der Ausbau der „inneren Verwaltung" war Hauptentwicklungstendenz des Amtes. Es hatte für Sicherheit der Orte und Straßen, für Brückenbau, Uferbefestigungen, Bauüberwachung und Gesundheitsschutz zu sorgen, Fremde zu überwachen, Kriminalfälle zu klären. Gefangene zu verwahren und antifeudale Unbotmäßigkeit zu ahnden. Das Amt hat trotz rivalisierender Momente zusammen mit Adel und Geistlichkeit tief in das Leben der Menschen eingegriffen und die feudale Klassenherrschaft zwecks Aneignung des bäuerlichen Mehrprodukts im lokalen Bereich ausgeübt. Das Amt bildete auch einen Militärbezirk und hatte für die mit dem Kriegswesen zusammenhängenden Abgaben und Dienste zu sorgen sowie das militärische Aufgebot an Fußknechten, Pferden, Heerwagen, Kriegsgeräten und Proviant zu organisieren. Über den sogenannten amtsässigen Rittergutsadel übte es als Mittler zwischen Landesherrn und Vasallen Lehnrechtsfunktionen aus, während der schriftsässige Adel direkt mit den Zentralbehörden verkehrte. Die Reformation brachte nach 153g das landesherrliche Kirchenregiment. Dem Amt wurde das Patronat über die Kirchen seines Gebietes übertragen. Bei der mit der Reformation einhergehenden Säkularisation des großen Meißner Kirchenbesitzes entstanden neue Ämter. Das Prokuraturamt Meißen verwaltete

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M8.4 die Lehen, Zinsen und Dienste sowie die Justiz des Bistumsbesitzes zugunsten des Geheimen Finanzkollegiums in Dresden, dem es direkt unterstand. Zum Prokuraturamt gehörten etwa 80 sehr verstreut liegende Dörfer und in der Stadt Meißen neben dem Prokuraturgebäude das Bischofsschloß, die Fürsten- und Jakobskapelle, ein Hospital und 18 Häuser. Die Pfründen der 8 verbliebenen Kapitularen (Propst, Dechant, Kantor, Kustos, 4 Domherren) flössen aus einem Restbesitz des Domstiftes, der nicht zum Prokuraturamt geschlagen worden war, sondern separat als Stiftsamt Meißen verwaltet wurde. In den ebenfalls weit verstreut liegenden Stiftsdörfern (früher Dompropstei-, Baumeisterei- und Präbendendörfern) zinsten und dienten 1805 ungefähr 2 100 Einwohner. Dazu kamen Abgaben aus einigen Dörfern im E r b a m t Meißen. Was das Kreuz- und das St.-Afra-Kloster zu Meißen an Zinsen, Zehnten, Diensten, Kirchenlehngütern und sonstigen Einnahmen besaßen, kam als säkularisierter Klosterbesitz an das Schulamt Meißen, auf dessen materieller Grundlage 1543 die Fürstenschule errichtet wurde. Dazu gehörten 1805 insgesamt 22 Dörfer mit Oberund Niedergerichten über etwa 3 200 Einwohner. 1838 wurde im Zusammenhang mit der Staatsreform die territoriale Abgrenzung der Ämter vereinfacht. Die Ämter Meißen und Großenhain gehörten zur Kreisdirektion Dresden. In Meißen saß ein Amtshauptmann, der über sie im A u f t r a g der Kreisdirektion Aufsicht und Kontrolle führte. Mit der Durchführung der Agrarreform, dem neuen Grundsteuersystem von 1843 und der Abschaffung der feudalgrundherrlichen Gerichtsbarkeit von 1855 verloren die Ämter ihre Hauptfunktionen, die in der Ausübung dieser Gerichtsbarkeit über die Amtsuntertanen und der Verwaltung der landesherrlichen und grundherrlichen Natural- und Geldeinkünfte bestanden hatten. Deshalb wurde 1855/56 die aus dem Mittelalter stammende Ämterverfassung aufgelöst. Territorial neu gegliederte Gerichtsämter traten an ihre Stelle, die jetzt rein staatliche Behörden, aber noch Justiz- und Verwaltungsinstanzen in einem waren. Der Amtshauptmann zu Meißen stand nun über den Gerichtsämtern Meißen, Großenhain, Nossen, Lommatzsch und Riesa. Meißen war gleichzeitig Sitz eines Bezirksgerichts. 1873 wurden Kreisdirektionen und Gerichtsämter und mit ihnen die Einheit von Justiz und Verwaltung auf der lokalen Ebene beseitigt. Von 1874 an unterstand das beschriebene Gebiet den Amtshauptmannschaften Meißen und Großenhain, die durchorganisierte bürokratische Staatsbehörden der inneren Verwaltung waren. An Stelle der Gerichtsämter wurden außerdem 1879 Amtsgerichte aufgebaut. Die Stadt Meißen trat 1923 aus der Amtshauptmannschaft aus, wurde „kreisfrei" und unterstand der Kreishauptmannschaft Dresden direkt. I m Zuge des Aufbaus antifaschistisch-demokratischer Verwaltungen fanden 1946 erstmals Kreistagswahlen statt. 1950 änderte sich die Gebietseinteilung der Kreise sehr stark und erhielt die noch heute gültige Form. A m beschriebenen Gebiet haben seitdem die Kreise Meißen, Großenhain und Riesa Anteil.

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Baudenkmale

M8.5

Burgberg (Bilder 1, 2 u. 7) Die A l b r e c h t s b u r g , seit 1 6 7 6 zur Erinnerung an den Bauherrn Herzog A L B R E C H T so genannt, wurde an Stelle der alten Markgrafenburg als Schloß für die gemeinsame Hofhaltung der Brüder Kurfürst E R N S T und Herzog A L B R E C H T 1 4 7 1 unter der Leitung von A R N O L D V O N W E S T F A L E N begonnen. Der um 1489 weitgehend vollendete Bau fand erst 1 5 2 5 unter Herzog G E O R G D E M B Ä R T I G E N seine endgültige Fertigstellung. Das Schloß diente jedoch niemals den Wettinern als Residenz, da während seiner Errichtung Dresden zur ständigen Residenz erhoben wurde. Die Mittel für den Bau lieferte der im 15. J a h r h u n d e r t aufblühende Silberbergbau des Erzgebirges. Zwischen 1 7 1 0 und 1864 war in der Burg die Porzellanmanufaktur (s. M 8.6) eingerichtet. In den sechziger und siebziger Jahren des 19. J a h r h u n d e r t s erfolgte eine umfassende Restaurierung der Anlage. In dieser Zeit schufen Professoren der Dresdner Kunstakademie Wandbilder aus der sächsischen Geschichte. Der epochemachende Bau, der mit der Tradition der deutschen Burgenarchitektur bricht und, ausgerichtet auf Ideale französischer Architektur, am Beginn einer neuen Schloßbaukunst steht, zeigt im Grundriß annähernd im rechten Winkel zueinander angeordnete Flügel: den Hauptflügel im Osten und den kurzen Seitenflügel im Norden. Der Hauptflügel der dreigeschossigen Anlage wird zum Hof hin durch den nicht axial gestellten, sondern zum Dom hin verschobenen Großen Wendelstein ausgezeichnet. Die Hof- (Bild 3) und Außenfassaden sind durch Geschoß bezeichnende Horizontalgesimse, große Fenster in Vorhangbogenform und steile Dachaufbauten mit Dreiecksgiebeln, sogenannte Lukarnen, gegliedert. Xur in den Fensterbahnen klingt noch Vertikaleinteilung an. Hierin, wie auch in der Verwendung der Lukarnen, wird der Einfluß des französischen Schloßbaues deutlich. Der Große Wendelstein (Bild 3) mit rundem Kern bildet den H a u p t a k z e n t der Hoffassade und ist ebenso wie der an den Dom anschließende Schloßteil von einem offenen Loggienumgang in 3 Geschossen ummantelt. Das vierte Geschoß mit Helm wurde in seiner jetzigen Gestalt erst im 19. J a h r h u n d e r t aufgesetzt. Die Brüstungsfelder der Loggien zeigen Renaissancereliefs von C H R I S T O P H W A L T H E R (I) um 1 5 2 5 . Das Innere des Wendelsteines wird s t a t t von einer festen, die Treppenstufen tragenden Spindel von 3 dünnen, stark gekehlten, den hohlen runden Spindelkern umstehenden Sechseckstäben gebildet, um die sich schraubenförmig Sockel und Handlauf winden. Für die deutsche Renaissancearchitektur ist der Wendelstein das erste Beispiel des für sie so wichtigen Motivs, die Fassade durch einen vorgestellten Treppenturm zu betonen. Die innere Raumaufteilung erfolgte nach einem einheitlichen Plan. In jedem Stockwerk liegen alle Räume in gleicher Höhe. Die Mauerstärke nimmt von unten nach oben zu. Das erste Obergeschoß mit den H a u p t r ä u m e n (Großer Saal mit Kapelle, Großer und Kleiner Bankettsaal) ist mit figurierten Rippengewölben versehen; die polygonalen Stützen und Wandvorlagen zeigen vorgelegte Runddienste, aus denen die Gewölberippen herauswachsen. Die Widerlager für die Gewölbe sind nach innen

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M8.5 gezogen, so daß sich tiefe, wie Erker erscheinende Nischen bilden. Die R ä u m e des zweiten Obergeschosses (Abb. 30) sind mit reichen Zellengewölben ausgebildet. Der Wappensaal erhielt 1525 wahrscheinlich durch J A C O B H E I L M A N N von Schweinf u r t ein Schlingrippengewölbe. Die Gewölbeanfangssteine bilden hier Büsten von C H R I S T O P H W A L T H E R (I). Das dritte Obergeschoß zeigt nur in den Fensternischen Zellengewölbe, sonst Holzbalkendecken. Seit 1963 sind an der Burg Restaurierungsmaßnahmen durch das Institut f ü r Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden, im Gange. Von 1965 bis 1 9 7 1 wurden die Fassaden nach originalen Befunden neu geputzt und grau gefärbt. In den Jahren

Abb. 30. Albrechtsburg, Grundriß des zweiten Obergeschosses (aus M R U S E K

1957)

1963 bis 1971 wurden die Säle im dritten Obergeschoß instandgesetzt, nach Befunden neu ausgemalt und als Museumsräume mit der Darstellung der Entwicklung der Wettinischen Lande ausgestattet. Im zweiten Obergeschoß, in dem auch der 1970/71 restaurierte Wappensaal sich befindet, kamen die 1945 geretteten Kunstwerke des ehemaligen Sächsischen Altertumsmuseums zur Aufstellung. Im ersten Obergeschoß blieb die Ausmalung des 19. Jahrhunderts weitgehend erhalten. Bereits im 10. Jahrhundert gab es an der Stelle des heutigen D o m s (Abb. 3 1 ) eine Bischofskirche. Sie wurde in der ersten H ä l f t e des 12. Jahrhunderts durch einen romanischen Neubau ersetzt, von dem der Grundriß durch Ausgrabungen bekannt ist. Wiederum ein reichliches Jahrhundert später — gegen 1260 — begann der B a u des gotischen Doms. Nach dem ursprünglichen Plan sind nur der langgestreckte Chor und das Querhaus errichtet worden, das Langhaus hingegen, das man als Basilika mit hohem Mittelschiff und niedrigen Seitenschiffen bereits angefangen

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hatte, wurde als Halle von 7 Jochen weitergeführt: Alle 3 Schiffe erhielten die M8.5 gleiche Höhe. Trotz dieses Planwechsels und anderer Korrekturen und trotz der stilistischen Wandlungen während der langen Bauzeit ist der Dom ein gotisches Bauwerk von großartiger künstlerischer Geschlossenheit geworden. Im Hinblick auf den Innenraum bemerkte G O E T H E , es sei „das schlankste, schönste aller Gebäude jener Zeit". Als älteste Teile entstanden im ersten Bauabschnitt bis 1298 der Chor und das Querhaus, ferner die Untergeschosse der in den Winkeln von Chor und Querhaus eingefügten Osttürme, von denen nur der südliche später vollendet wurde, und das erste östliche Langhausjoch mit dem reizvoll gestalteten Achteckbau. In die gleiche Zeit gehört auch der Mittelteil des Lettners. Der Chor setzt sich aus einem fünfseitigen Polygon und 2 Rechteckjochen zusammen, von denen das größere, westliche ohne Fenster blieb und ein sechsteiliges Gewölbe besitzt, das wie auch viele andere Einzelheiten auf die unmittelbare Vorbildlichkeit des Naumburger Westchors hinweist. Die Wände hinter dem Chorgestühl werden von eng gereihten, mit zierlichen Säulchen versehenen Blendarkaden geschmückt, die von steinernen Baldachinen überfangen sind. An der Rückseite des Lettners befindet sich ein prachtvoll gearbeiteter Laubfries. Blattwerk haben auch die meisten übrigen Kapitelle an den Pfeilern und Diensten des Doms. Sind die älteren Stücke im Chor und am Lettner noch durch eine größere Naturnähe und Lebendigkeit ausgezeichnet, so wirken die Blattformen der späteren, vor allem im Langhaus, starr, trocken und schematisch. An den Wänden des schmalen, östlichen Chorjochs stehen erhöht und einander paarweise zugeordnet die überlebensgroßen Figuren der Dompatrone, Johannes des Evangelisten und Donatus, und des kaiserlichen Stifterpaares, O T T O S I . (Bild 11) und seiner Frau A D E L H E I D . Nahm man früher an, daß sie zusammen mit den 3 Standbildern (Maria, Johannes dem Täufer und Diakon) in der Portalvorhalle des Achteckbaus ursprünglich für ein Portal vorgesehen waren, das dann nicht zur Ausführung kam, so darf durch neue Forschungen als erwiesen gelten, daß sie von Anfang an für den Platz konzipiert waren, an dem sie heute stehen. Von der Naumburger Werkstatt im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts geschaffen, vertreten die 7 Meißner Statuen eine jüngere Stilstufe als die Naumburger Stifterfiguren. In den Formen bewegter und schon stark stilisiert, ist ihr Ausdruck im ganzen ins Pathetisch-Großartige gesteigert. Die Standbilder zählen zu den größten bildhauerischen Leistungen, die uns die mittelalterliche deutsche Plastik hinterlassen hat. Der Weiterbau des Langhauses mit Bündelpfeilern zog sich durch das 14. Jahrhundert hin. A m Ende dieses Jahrhunderts wurden auch die Untergeschosse der beiden Westtürme mit dem mächtigen, figurenreichen Portal dazwischen errichtet, etwas früher schon wurde der Lettner durch seitliche Emporen erweitert. Damals erhielt die neue Lettnerbrüstung ihr Blendmaßwerk mit Wappenbildern und Figuren. Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts entstand der Figurenschmuck des Südportals, danach der schlanke Südostturm mit dem durchbrochenen steinernen Helm. Um 1423, wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Erringen der Kurwürde, faßte Markgraf F R I E D R I C H den Entschluß, den Meißner Dom zur Grablege

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der Wettiner zu machen. Dafür ließ er vor der Westseite der Turmfront die spät- M8.5 gotische Fürstenkapelle erbauen, die mit ihrem reich figurierten Gewölbe in den vierziger Jahren vollendet war. Das Westportal des Doms wurde nun zur Verbindungsöffnung zwischen Langhaus und Kapelle. Zu einer größeren Bautätigkeit am Dom kam es nochmals, als zwischen 1470 und 1480 gleichzeitig mit dem Bau der Albrechtsburg das hohe dritte Turmgeschoß errichtet wurde. Dieses Geschoß — eine der genialen Schöpfungen A R N O L D S V O N W E S T F A L E N — besteht aus einem geschlossenen, mit Lisenen und Blendmaßwerk gegliederten Mittelteil und 2 seitlich anliegenden Treppentürmen. In ihren weiten nischenartigen Öffnungen steigen frei sichtbar die beiden Treppenläufe empor. Das folgende Geschoß und die lichten achteckigen Turmaufbauten (Bild 4) hat man erst zwischen 1903 und 1907 nach dem Entwurf von C A R L S C H Ä F E R hinzugefügt. Gegen diese Ergänzung sind zahlreiche Einwände erhoben worden. Doch hat sich der hochragende Abschluß des Westbaus inzwischen dem allgemeinen Bewußtsein so eingeprägt, daß man ihn heute als Krönung der Silhouette von Dom und Burgberg nicht mehr missen möchte. Im Winkel zwischen Fürstenkapelle und Südwestturm steht eine kleine spätgotische Kapelle, die als Grabstätte für Herzog G E O R G D E N B Ä R T I G E N und seine Frau zwischen 1521 und 1524 angebaut wurde. Kunstgeschichtlich bedeutend ist das Frührenaissanceportal in ihrem Innern. Südöstlich vom Chor erhebt sich die Allerheiligenkapelle — früher fälschlich als Maria-Magdalenen-Kapelle bezeichnet — ein rechteckiger gotischer Bau vom Ende des 13. Jahrhunderts. Westlich an diese Kapelle und südlich an den Domchor mit seinem zweigeschossigen Umgang schließt der Kreuzgang an. Ost-, Süd- und Westflügel des Kreuzgangs wurden 1470/71 neu errichtet und mit Zellengewölben überspannt. Im Osten ist an den Chorumgang das Stiftsarchiv angefügt und zwischen Chor und Albrechtsburg kurz nach 1500 noch die Sakristei eingeschoben worden, ein im Grundriß unregelmäßiger Raum, dessen spätgotisches Rippengewölbe von einer Rundsäule getragen wird. Der Dom besitzt eine Fülle von Grabdenkmälern des 13. bis 16. Jahrhunderts. Sie waren früher zumeist in den Boden eingelassen und sind jetzt bis auf wenige an den Wänden aufgestellt. Zu den künstlerisch wertvollsten Denkmälern zählen die Bronzeplatten in der Fürstenkapelle, von denen mehrere in der Vischerschen Werkstatt in Nürnberg gegossen wurden. Einige Platten im Langhaus und in der Grabkapelle Herzog G E O R G S dürften von der Freiberger Gießhütte der Hillger hergestellt worden sein. In der Mitte der Fürstenkapelle erhebt sich die bronzene Grabtumba F R I E D R I C H S D E S S T R E I T B A R E N (gest. 1428), des ersten sächsischen Kurfürsten. Die Gemälde des Laienaltars vor dem Lettner, mit der Kreuzigung im Mittelteil und Darstellungen der Kreuzauffindungslegende auf den Flügeln, werden als Arbeiten der Cranach-Werkstatt angesehen. Der wenig ältere Altar im Chor ist vielleicht niederrheinischer oder niederländischer Herkunft. Ein kleineres Triptychon von 1534, mit dem Schmerzensmann in der Mitte und Herzog G E O R G und seine Frau auf den Flügeln, hängt in deren Grabkapelle. Es ist im wesentlichen ein Werk LUCAS CRANACHS d.

Ä.

Der Bau des jetzt als Kreisgericht genutzten B i s c h o f s s c h l o s s e s begann wenige Jahre nach dem der Albrechtsburg und wurde zwischen 1511 und 1518 vollendet. 10 Elbtal

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M8.5 Die R ä u m e im Erdgeschoß haben Zellengewölbe, die des Obergeschosses meist flache Decken. Über der Eingangstür ist in spätgotischem Rahmen eine Inschrifttafel mit dem Wappen des Bischofs J O H A N N V O N W E I S S E N B A C H eingelassen, der den B a u begann. Zum Schloß gehört der Liebenstein oder Bischofsturm, zweifellos ein alter E c k t u r m der Burganlage, der erst beim Errichten des Schlosses seine spätgotischen Fenster und Gewölbe erhielt. Die Südseite des Burgberges zwischen Bischofsschloß und ehemaligem Burggrafenhof wird von einer Reihe ehemaliger K a p i t e l - oder K u r i e n h ä u s e r eingenommen. Die bemerkenswertesten sind: die alte Domdechantei, Domplatz 5, von 1526 mit Sitznischenportal, darüber Oberlicht und eine Johannesstatue, ferner das Domherrenhaus, Domplatz 6, das 1726 bis 1728 auf älteren Mauern erbaut wurde und an der Fassade die Wappen der Domherren von 1726 mit dem Stiftssiegel trägt (1971 farbig gestaltet), sowie die 1497 bis 1503 errichteteDompropstei, Domplatz 7. Diese Kurie besteht aus 3 Flügeln um einen Hof. Vor dem Obergeschoß zieht sich im Hof auf dreiteiligen Kragsteinen und dazwischengespannten Bögen ein Umgang hin. Die Fenster sind Vorhangbogenfenster. Nach dem Domplatz führen 2 Türen mit Sitznischen, deren Baldachine aus spätgotischem Astwerk gebildet sind. Freiheit Das beherrschende Bauwerk der Freiheit ist die S t . - A f r a - K i r c h e , zuerst Pfarr-, dann Klosterkirche. Sie hat ihre heutige Gestalt durch mehrere Umbauten erhalten. Die dreischiffige, zunächst flachgedeckte Basilika weist einen gestreckten, langen Chor auf, der anders gewölbt ist als das Schiff und dem Kapellen, wie Taubenheimund Schleinitzkapelle (Bild 12), angefügt sind. Das die basilikale F o r m verdekkende Dach des Schiffes ist über die nachträglich überhöhten Seitenschiffe und die spätgotische Vorhalle im Süden herabgezogen. Den umfassenden Wiederherstellungsarbeiten in den Jahren von 1965 bis 1972 durch das Institut f ü r Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden, gingen Bauuntersuchungen voraus, die wesentliche Punkte der frühen Baugeschichte zu klären vermochten. Die Frage galt vor allem der Verbindung der Basilika, die mit der Gründung des Augustiner-Chorherrenkonvents 1205 entstanden sein mag, mit dem für diesen B a u t y p u s ungewöhnlich langen Chor, unter dessen geradem Ostschluß sich ein kryptenartiger R a u m befindet. Chor und Schiff waren, wie sich nachweisen ließ, baueinheitlich entstanden. Die Grabung ( F I N D E I S E N 1973) belegte einen Vorgängerbau, eine langgestreckte Saalkirche mit einer hufeisenförmigen Apsis im Osten unter dem flachen Ostschluß des heutigen Langchores, der sich bis in die Mitte der Basilika erstreckt hatte. Dieses Gebäude entspricht der mittelalterlichen Pfarrkirche St. Afra, die vermutlich nach der Mitte des 1 1 . Jahrhunderts hier errichtet worden war. Ihre auffällige, über den Hang nach Osten hinausgerückte Stellung, die im 13. und 14. Jahrhundert den B a u der Klosteranlagen ausnahmsweise westlich der Kirche gebot, hat sicher die Bezeichnung in monte sita ( = auf dem Berg gelegen) bewirkt. In der Kirche wurde die spätgotische Farbigkeit aufgefunden, freigelegt und rekonstruiert. Die rot gestrichenen Pfeiler, Bögen und Rippen vor den weißen Wänden erhielten diese Farbigkeit — bereichert durch mächtige Rosetten um die

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Schlußsteine herum —, nachdem am Ende des 15. Jahrhunderts das Mittelschiff MS.5 der noch flachgedeckten Basilika Pfeilervorlagen und ein einfaches Kreuzrippengewölbe bekommen hatte. Die Farbigkeit der Basilika aus dem 13. Jahrhundert wurde ebenfalls nachgewiesen. Der Altar V A L E N T I N O T T E S mit dem gegeißelten Christus in der mittleren Nische und die Kanzel, 1657 wohl vom gleichen Meister, erscheinen nach Restaurierung wieder als Höhepunkte der Ausstattung. Neben dem Tauf stein W O L F E R N S T B R O H N S von 1647 (Zuschreibung durch W A L T E R H E N T S C H E L ) ist vor allem eine Reihe vorzüglicher Grabplatten des 15. Jahrhunderts zu erwähnen, ferner Grabsteine und Epitaphien, die sich im 16. Jahrhundert Angehörige der Familie Schleinitz von den Bildhauern C H R I S T O P H W A L T H E R (I) 1523 und 1526, H A N S W A L T H E R 1554 und anderen setzen ließen. Zu den Arbeiten V A L E N T I N O T T E S gehört auch das große hölzerne Epitaph des H E I N R I C H V O N S C H L E I N I T Z von 1654. Vom ehemaligen A f r a k l o s t e r sind noch Remter, Kreuzgang, Küche und der Wirtschaftshof erhalten, die zur Hochschule für L P G gehören. Der spätgotisch ausgemalte Kreuzgang und die Küche aus der Mitte des 15. Jahrhunderts sind wiederhergestellt worden und dienen jetzt der Hochschule als Klubgaststätte. Der Ostteil des Kreuzganges, die Barbarakapelle, war schon in der Fürstenschule (s. M 8.3) Speisesaal gewesen. Die 1963 bis 1964 restaurierte S c h l o ß b r ü c k e oder von alters her Das Gewölbe genannt, wird um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Sie beginnt mit einer Rampe gegenüber dem Chor der Afrakirche am Ende der Roten Stufen. Auf dieser Rampe, hinter einem Graben, steht das erste Burgtor, das noch Falze und Schlitze für die Balken einer früheren Zugbrücke besitzt. Dahinter beginnt die eigentliche zweibogige Brücke, deren südlicher Bogen zur Hälfte vom Burglehen und dem Haus Hohlweg 3 verdeckt ist und an dessen Ende sich vor dem zweiten Burgtor ebenfalls eine Zugbrücke befand. In eine der westlichen Zinnen ist ein stark verwitterter Stein mit dem Wappen der Markgrafen von Meißen eingelassen. Von den D i e n s t r i t t e r - und K l e r i k e r h ö f e n an der Freiheit sind einige besonders bemerkenswert. Der Jahnaische Hof, Freiheit 1, ist eine spätgotische Anlage, die beim Umbau 1609 bis 1610 mit 2 Sitznischenportalen versehen wurde, von denen das innere mit 2 Löwen als Wappenhaltern im Bogen geschmückt ist (Bild 10). E s wurde 1610 von M E L C H I O R K U N Z E geschaffen. Die geschnitzte Holztür mit aufgemaltem Wappen stammt aus dem Jahre 1609. Die beiden Portale wurden 1965 bis 1967 von Bildhauer W E R N E R H E M P E L , Dresden, durch Kopien ersetzt. Das Burglehen, Freiheit 2, wurde nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg 1649 wiedererrichtet, 1743 erweitert und 1914 zu einem Wohnhaus mit mehr als 20 Wohnungen umgebaut. Das Sitznischenportal mit Schleinitzer Wappen und die alte Holztür weisen Renaissanceformen auf. In diesem Haus wohnte der Maler L U D W I G R I C H T E R von 1828 bis 1835. Vor dem Haus steht der Rest eines Steinkreuzes, das vermutlich vom romanischen Dom stammt. Der Jahnsche Hof, Freiheit 6, ein ehemaliger Domherrenhof von 1346, wurde 1780 umgebaut. Im Garten befindet sich auf einem Rundbau ein im Grundriß aus 7 Seiten eines Achtecks bestehender, zweistöckiger Fachwerkerker. Die Afrapfarre, Freiheit 7, ist ein burgartiges Gebäude aus mehreren Teilen vom 14. (Vorderhaus und Torgebäude) bis zum 10*

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M8.5 17- Jahrhundert. A m Vorderbau hat sich ein stark verwitterter Erker von 1535 erhalten. Die Superintendentur, Freiheit 9, geht in das 13. Jahrhundert zurück. Im Garten steht die sogenannte Tausendjährige Eibe (Naturdenkmal). A m Gebäude Freiheit 11 hat sich ein spätgotisches Portal mit der Jahreszahl 1485 und 2 Wappen erhalten. Freiheit 12, ein spätgotisches Wohnhaus, stammt vom Ende des 15. Jahrhunderts. Stadt Die F r a u e n k i r c h e (Bild 13) in der Innenstadt wird 1205 zum ersten Mal als Kapelle, aber auch als Kirche am Markt erwähnt mit erheblichem Einkommen aus Dörfern zwischen Gröbern, Proschwitz, Gävernitz und dem Laubachtal. Die Kapelle könnte wie die Martins- und die Nikolaikirche um die Mitte des 12. Jahrhunderts, d. h. bei der Anlage des Marktes, errichtet worden sein. Das gotische Bauwerk entstand zwischen 1450 und 1500, nachdem der Vorgänger 1447 und 1455 bei Stadtbränden starke Schäden erlitten hatte. Einige Formen lassen vermuten, daß bereits im 14. Jahrhundert die ehemalige romanische Kapelle durch gotische Bauteile erweitert und ergänzt worden ist. Das Langhaus der spätgotischen Hallenkirche besteht aus 3 Jochen. Die Gewölbe werden von 4 achteckigen, schmucklosen Pfeilern getragen, aus denen die Gewölberippen ohne Dienste und Kapitelle aufsteigen. Der Chor ist bedeutend höher als das Langhaus. Er wird von einem Rippengewölbe mit 3 Schlußsteinen überspannt, die die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks bilden. Südlich am Chor ist die Sakristei angefügt, über der eine Empore die gesamte Chorsüdwand einnimmt. Das Innere der Frauenkirche wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erneuert. Der Altar erhielt wieder den spätgotischen Schrein. Nach H E N T S C H E L (1934) stammt er aus einer Meißner Werkstatt der Zeit um 1500. Erhalten ist nur noch der Mittelteil mit einer Marienkrönung und 4 Reliefs aus dem Leben Christi und Mariae unter reichem Rankenschmuck, dazu die Predella mit einer Grablegung. Von den übrigen Kunstwerken der Kirche sind beachtenswert das Grabbild für H A N S S C H A U W A L T (F 1496), das für Bürgermeister G E O R G W A L D K L I N G E R ( J 1549), der Altar aus der Nikolaikirche (um 1480) und die alte Kopie des Schmerzensmannes von L U C A S C R A N A C H im Meißner Dom (s. Seite 133). Das Außere der Frauenkirche zeigt wenig Schmuckformen. Das mittlere Chorfenster trägt an den Übergängen der Gewände in den Spitzbogen 2 Musikantenköpfe mit Laute und Geige. Unter der Fensterbank ist ein schmiedeeisernes Kreuz (15. Jahrhundert) angebracht. Nach Osten springen kräftige Strebepfeiler mitDurchgängen vor. Der mächtige Turm erhielt im 15. Jahrhundert zu den älteren unteren Geschossen ein viertes gotisches Geschoß als Glockenstube mit großen Fensteröffnungen. Über diesen Fenstern befinden sich Wasserspeier, die anzeigen, daß hier ursprünglich ein schräges Turmdach ansetzte. Diese Turmspitze fiel 1547 einem Blitzschlag zum Opfer. 2 Jahre später erhielt der Turm den achteckigen Aufbau mit Umgang, Türmerwohnung, Kupferhaube und Laterne. 1929 wurde in das nach dem Markt weisende Fenster des Glockengeschosses ein Glockenspiel mit 37 Glokken aus Meißner Porzellan eingebaut. Es ist die erste spielbare derartige Anlage der Welt und wurde von Prof. E. P. B Ö R N E R geschaffen (s. M 8.6).

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Das heutige Stadtmuseum ist der Rest der Kirche eines um die Mitte des 13. Jahr- M8.5 hunderts gegründeten F r a n z i s k a n e r k l o s t e r s . 1539 richtete der R a t der Stadt nach der Aufhebung des Klosters in den Gebäuden eine städtische Lateinschule ein. 1855 bis 1857 wurde anstelle der alten Klostergebäude durch den Zittauer Architekten A U G U S T S C H R A M M die Rote Schule im neugotischen Stil errichtet (1972 bis 1973 restauriert). Die Kirche des Klosters stammt mit ihren Hauptteilen aus dem 14. Jahrhundert. Der Wiederaufbau nach einem Brand 1447 dauerte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Das Bauwerk war nach der Reformation Predigt- und Begräbniskirche, später auch Lagerschuppen und Turnhalle, wozu Zwischenböden eingezogen wurden. Den baufällig gewordenen Chor trug man 1823 ab. Ein Teil seiner Nordwand mit 2 Fenstern blieb in der Rückwand des Hauses Rathenauplatz 2 erhalten. Seit 1900 wurde ein Teil der Kirche, seit 1934 das ganze Gebäude als Stadtmuseum eingerichtet. Das Gebäude ist eine dreischiffige Halle, deren nördliches Seitenschiff breiter als das südliche ist. Das östlichste Joch des Südschiffs hat man nach dem Einsturz im Mittelalter nicht wieder aufgebaut. In den unteren Teil des Südschiffes ist der Nordteil des Kreuzgangs einbezogen; zu der darüber entstandenen Empore führte im Osten eine gotische Tür. Dieser Nordflügel des Kreuzgangs ist noch in seiner alten Form erhalten. Das Gewölbe der Kirche wird durch quadratische, abgefaste Pfeiler getragen. Im Kreuzgang stehen mehrere wertvolle Grabsteine, von denen einige aus der Kirche, einige vom alten Johannisfriedhof (heute Käthe-KollwitzPark) und aus der Afrakirche stammen. Das interessanteste Stück ist das Grabmal für R E B E C C A S C H L E G E L von J O H A N N J O A C H I M K A E N D L E R (signiert) aus dem Jahre 1736. Auch der Grabstein für G O T T F R I E D und C H R I S T I N A K E I L wird K A E N D L E R zugeschrieben. 1929 wurde durch das westliche Eingangstor ein Durchgang nach dem Kleinmarkt angelegt. Darin befinden sich ein Stadtplan (Sgraffito) und eine Darstellung des alten Klosters auf Keramikplatten, 1969 nach einem Entwurf von H E R B E R T A S C H M A N N durch den Keramikzirkel des Plattenwerks angefertigt. Das Stadtmuseum wurde 1945 sehr beschädigt; seine Wiederherstellung geschah 1946 undi947. Die N i k o l a i k i r c h e ist wahrscheinlich um 1150 als Kirche für die Neumarktsiedlung entstanden. St. Nikolaus war der Schutzpatron der Kaufleute. Ursprünglich eine romanische Kapelle vom T y p der Martinskirche mit quadratischem Chor und quadratischem Langhaus, wurde ihr Haupteingang von Süden erst 1929 nach der Westseite verlegt. Der Chor wurde nach der teilweisen Zerstörung der Kirche im Jahre 1429 verlängert und dabei mit geradem Abschluß und 3 gotischen Chorfenstern versehen. An den aus romanischer Zeit stammenden Teilen des Chores sind noch Reste von Wandmalereien erhalten. 1929 hat Prof. E. P. B Ö R N E R die Kirche in eine Gedenkstätte für die Toten des ersten Weltkriegs umgewandelt. Sie erhielt dazu eine einzigartig in der Welt dastehende Porzellanausstattung mit den größten bisher hergestellten Statuen. Die Kirche wird seit 1975 restauriert. Die M a r t i n s k i r c h e auf dem Martinsberg aus der Mitte des 12. Jahrhunderts zeigt noch fast unverändert den T y p der kleinen romanischen Kirchen in unserem Gebiet: rechteckiges Langhaus, hinter dem Triumphbogen der kleinere quadratische Chor mit der gewölbten, ursprünglich dreifenstrigen Apsis. Die Fenster

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M3.5 wurden später zugesetzt, aber das mittlere öffnete man bei der Restaurierung 1 95 3/5 4 wieder. Nicht zur alten Anlage gehören der spätgotische Wohnungsanbau im Süden, die Westerweiterung und der Dachreiter (19. Jahrhundert). Die Kanzel ist 1 5 1 6 aus der Nikolaikirche hierher versetzt worden. Der spätgotische Martinsaltar s t a m m t aus der abgebrochenen Kirche von Weinböhla und wurde 1953 hier aufgestellt. Außen an der Apsis sind 2 Kanonenkugeln eingemauert. I m Mai 1813 h a t t e n Preußen und Russen die französischen Stellungen an der Martinskirche beschossen. Die kleine J a k o b s k a p e l l e an der Leipziger Straße wird 1221 erwähnt. Die starken Mauern des Kellers und des Erdgeschosses lassen auf sehr hohes Alter schließen. Die eigenartige Gestaltung der Vorderseite gab zu der Vermutung Anlaß, daß es sich bei dieser Kapelle um ein altes Tor der Wasserburg handele. Um 1480 erhielt die Kapelle die spätgotischen Blendbögen der Vorderseite. 2 mit Vorhangbögen versehene Fenster der Südseite sind durch ein breites Fenster ersetzt worden. 1889 bis 1890 wurde die Kapelle als Eingangshalle in das damals errichtete Logengebäude — heute Altersheim der Inneren Mission — einbezogen. Der Bau des R a t h a u s e s begann 1472. Unterschiedliche Geschoßhöhen im westlichen und östlichen Teil des Erdgeschosses und der den Obergeschossen nicht entsprechende Grundriß der Keller lassen vermuten, daß in den Bau bereits früher vorhandene Gebäude teilweise einbezogen wurden. Vor dem mächtigen Dach stehen 3 Schmuckgiebel. Das Wappen über dem Eingang ist 1865, der kleine Balkon 1910 und die Sonnenuhr (Entwurf HERBERT ASCHMANN) 1969 angebracht worden. Im Ratssitzungssaal haben sich die alte Holzbalkendecke und ein steinerner W a n d schrank mit eiserner Tür erhalten. Das an den Saal anschließende Steinerne Kämmerlein besitzt als einziger R a u m ein Zellengewölbe (früher Archiv). Die große Halle im ersten Stock ist in mehrere R ä u m e unterteilt worden. Das Treppenhaus h a t RUDOLF BERGANDER mit einem Wandbild geschmückt. Teile der S t a d t m a u e r (Abb. 28) befinden sich noch an der Kerbe — mit vermauerten Schießscharten —, längs der Straße Hintermauer — dort auch W a c h t u r m und Bastion mit später aufgesetzter Brüstung —, am Ausgang zur Nossener Straße — W a c h t u r m mit spätgotischem Ziegelschmuck (Pönitzenturm) — und an der Ecke Hochuferstraße/Fischergasse, wo am Gasthaus Onkel Toms H ü t t e der Rest eines W a c h t u r m s steht. Das jetzige Stadttheater wurde als G e w a n d h a u s (Kaufhalle der Tuchmacher) nach 1545 errichtet. Bei dem Wiederaufbau von 1689 nach einem Brand von 1637 erhielt das Gebäude ein Walmdach, das bei dem letzten Umbau 1956 durch Aufbauten verändert wurde. In der großen Halle fanden schon immer Theateraufführungen statt. 1851 baute man in die südliche Hälfte ein festes Theater ein, während in der Nordhälfte die Zuckerraffinerie von Langelütje untergebracht war. Später ist das ganze Gebäude für die Zwecke des Theaters eingerichtet worden. U m b a u t e n erfolgten 1951 und 1956, wobei vor die Südseite ein Foyeranbau gesetzt wurde. Die ursprünglich dort angebrachten Wappensteine befinden sich jetzt an der Ostseite. Das T u c h m a c h e r t o r (Bild 9) ist der Überlieferung nach u m 1600 von der Tuchmacherinnung als Eingangstor zum Stadtfriedhof hinter der Frauenkirche errichtet 138

worden. Der Friedhof ist allerdings zu dieser Zeit nicht mehr belegt worden, nur einige reiche Familien hatten dort noch Grabstätten. Wegen des starken Verfalls ist das Tor 1955 bis 1956 durch eine Kopie ersetzt worden, die Bildhauer W E R N E R H E M P E L , Dresden, ausführte. Eine Stadt wie Meißen verfügt über interessante B ü r g e r h ä u s e r . Das alte Brauhaus, An der Frauenkirche 2, wurde 1569 bis 1571 erbaut. 3 Engelfiguren und 2 Vasen, die auf dem Giebel standen, mußten wegen Baufälligkeit entfernt werden und sind durch Kopien von W E R N E R H E M P E L ersetzt worden. Das Portal, eins der wertvollsten in Meißen, stammt von dem Bildhauer H A N S K Ö H L E R d. Ä. 2 korinthische Säulen tragen den verkröpften Architrav, auf dem ein Relief ,,Simsons Kampf mit dem Löwen" steht. Zwischen den Säulen befindet sich das Sitznischenportal mit der alten, reich geschnitzten Holztür. — Die Häuser Burgstraße 8 und 28 besitzen einfache Barockfassaden und in ihren Portalen Schlußsteine, die als Minervaköpfe gebildet sind. Im Hof von Nr. 8 befinden sich barocke Holzgalerien mit Säulen und gesägten Brüstungen vom Ende des 17. Jahrhunderts. — Burgstraße 9: Das Sitznischenportal hat im Schlußstein (Abb. 32) einen Krebs, darüber das sächsische Wappen und die Jahreszahl 1536. In diesem Jahr beendete K O N R A D K R E B S , sächsischer Weinmeister, den Bau des Hauses. — Burgstraße 27: Die Fassade

Abb. 32. Türschluß- und Wappensteine Meißner Häuser (von oben nach unten: Burgstraße 9, Wilhelm-PieckStraße 10, Marktgasse 5, WilhelmPieck-Straße 12) 139

M8.5 dieses Handwerkerhauses mit Sitznischenportal von 1605 ist kaum verändert worden. In diesem Gebäude wird seit dem A n f a n g des 19. Jahrhunderts eine Zinngießerwerkstatt betrieben. — Markt 4 wurde 1560 von Apotheker C H R I S T O P H L E U S C H NER errichtet und ist seit dieser Zeit Apotheke. Die Eingangstür steht zwischen 2 Säulen mit Architrav, und darüber baut sich ein barocker E r k e r von 1717 auf. Der gut gestaltete Hauptgiebel des Hauses blickt nach der Marktgasse, daneben bestehen ein kleiner Schmuckgiebel, 2 weitere an der Marktseite und einer an der Hofseite, alle in Renaissanceformen. — M a r k t 5 wurde, wie eine Inschrift an der Fassade sagt, von T H O M A S B E R W A L D T 1548 erbaut. Der prächtige Giebel entspricht etwa dem des Brauhauses. — Markt 9 ist gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden. A m E n d e des 16. Jahrhunderts wurden seine Fassade und die R ä u m e in den Obergeschossen verändert. Das Erdgeschoß besitzt Zellengewölbe. Eine gotische Wendeltreppe führt in die Obergeschosse. Im Erdgeschoß entdeckte man bei der Restaurierung Reste von Wandbildern und im ersten Stock bemalte Holzbalkendecken. Einige Bauteile lassen einen romanischen Vorgängerbau vermuten. Das Sitznischenportal aus der Zeit um 1600 wurde 1974 durch Bildhauer W ^ E R N E R H E M P E L wiederhergestellt. — Rathenauplatz 7 wurde 1533 erbaut, 1900 um ein Stockwerk erhöht und mit dem Nachbarhaus verbunden, wobei jedoch der alte Giebel und der Erker erhalten blieben. Der Erker von C H R I S T O P H W A L T H E R trägt 4 Medaillons (Kaiser KARL V., Herzog GEORG, K u r f ü r s t MORITZ und seine Frau, A G N E S V O N H E S S E N ) und 4 W a p p e n (zweimal Sachsen sowie Polen und Hessen). — R o t e Stufen 3: D a s spätgotische Haus von 1510 mit backsteingotischen Giebeln besitzt Rundbogenblenden und Vorhangbögen an den Giebelfenstern. Der Westgiebel wurde 1972 wieder in der alten Form hergestellt und mit Fialen versehen.

M8.6 S t a a t l i c h e P o r z e l l a n m a n u f a k t u r u n d

Industriegründungen

Die Wirtschaft der Handwerkerstadt Meißen erfuhr eine bedeutende Bereicherung, als AUGUST DER STARKE im Jahre 1710 die erste europäische Porzellanmanufakturin der Albrechtsburg (s. M 8.5) gründete. Zuvor hatte J O H A N N F R I E D R I C H B Ö T T G E R (f 1719; s. B d . 1, Königstein, H 1) das Herstellungsverfahren von F a y e n c e und rotem Steinzeug und zusammen mit W A L T H E R V O N T S C H I R N H A U S das von weißem Porzellan gefunden. Seit 1731 war in der Manufaktur J O H A N N J O A C H I M K A E N D L E R (t 1775< s - B d . 17, Stolpen, A 3 ) tätig, der als bedeutendster Porzellanplastiker des 18. Jahrhunderts gilt. J O H A N N G R E G O R H Ö R O L D T (f 1775) entwickelte die Porzellanmalerei und war künstlerischer Leiter der Manufaktur. E r trat aber bei der Niederhaltung und Zerschlagung von Lohnkämpfen, ja selbst von begrenzten Streiks unrühmlich hervor (Akten des Gerichtsamtes Meißen). Verschiedene Gruppen v o n Manufakturarbeitern schlössen sich zusammen und gründeten 1736 bzw. 1775 Sterbekassen sowie 1756 bzw. 1766 Witwenkassen. Alle Erzeugnisse tragen seit e t w a 1725 die gekreuzten Schwerter als Markenzeichen. Im Siebenjährigen Krieg betrachtete FRIEDRICH II. von Preußen die Manufaktur als Kriegsbeute. E r verlangte von ihr nicht nur umfangreiche Lieferungen, sondern auch hohe Pachtsummen für die erlaubte Weiterarbeit. U m größere und zweckmäßi140

gere Gebäude zur Verfügung zu haben, wurde ein Neubau im Triebischtal errichtet. M8.6 Bei den Ausschachtungsarbeiten fand man eine Siedlung aus der frühesten Eisenzeit. 1863 erfolgte die Verlegung der Manufaktur, die auch die unweit gelegene Angermühle (s. P 5) aufkaufte. Die vorbeiführende Talstraße, die heutige Leninstraße, wurde 1 8 7 1 / 7 2 angelegt, als weitere Fabriken die Triebischtalaue für ihre Standorte zu nutzen begannen. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erreichte die Manufaktur unter ihrem Generaldirektor M A X A D O L F P F E I F F E R einen neuen Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens, besonders auf dem Gebiet der Plastik durch die Arbeiten der Professoren P A U L S C H E U R I C H (f 1 9 4 5 ) , E . P A U L B Ö R N E R (j 1 9 7 0 ) und P A U L E S S E R . Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ging die Manufaktur für einige Monate in die Verwaltung des Rates der Stadt Meißen über. Seitdem entwickelte sich der heutige V E B Staatliche Porzellanmanufaktur zu einem bedeutenden Exportunternehmen, der Erzeugnisse sowohl in traditionellen Formen (Bilder 15 u. 16) als auch mit neuen Dekors und Formen produziert. Besonderen Anteil daran hat ein junges Künstlerkollektiv mit R U D I S T O L L E , P E T E R S T R A N G , H E I N Z W E R N E R und L U D W I G Z E P N E R . Um technologische Verbesserungen, beispielsweise des Brennprozesses (Bild 14), in die Praxis umsetzen zu können, erweiterte man die Gebäude und veränderte ihre Einrichtungen. Einen Einblick in verschiedene manuelle Arbeitsgänge sowie einen Überblick über die figürliche Plastik, über Vasen und Speisegeschirr gewinnen die Besucher, deren Zahl 1 9 7 5 insgesamt etwa 3 0 0 0 0 0 erreichte, in den Schauräumen. Als Rohstoffe verwendete B Ö T T G E R für sein Steinzeug roten Ton aus Ockrilla bei Meißen. Die für die Herstellung von weißem Porzellan notwendige „Weiße Erde" (Kaolin) forderte der Kurfürst von verschiedenen Bergwerksbesitzern an. A m besten eignete sich die von der Zeche St. Andreas bei Aue (s. Bd. 20, Aue, A 13). Seit dem 19. Jahrhundert lieferten Schächte in der näheren Umgebung Meißens den Rohstoff, gegenwärtig kommt er aus Seilitz (s. L 4). Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Stadt ihre mittelalterlichen Grenzen nur unwesentlich überschritten. Erst die industrielle Revolution leitete mit dem Jahre 1834 einen neuen Abschnitt der Meißner Geschichte ein. Bis dahin hatte es neben der Porzellanmanufaktur und der Ratsziegelei nahe der heutigen Eisenbahnbrücke nur Handwerksbetriebe gegeben, darunter eine Kattundruckerei, eine Spielkartendruckerei, Töpfereien und Buchdruckereien. Im Jahre 1834 wurden die ersten Industriebetriebe gegründet: eine Eisengießerei im Triebischtal (s. P 9 ) , eine Zuckersiederei im Gewandhaus und die Pianofortefabrik von F E R D I N A N D T H Ü R M E R . 1 8 5 7 begann der Töpfermeister C A R L T E I C H E R T die Fabrikation der von dem Manufakturangehörigen G O T T F R I E D M E L Z E R erfundenen feuerfesten Ofenkachel und legte damit den Grundstein zur örtlichen Ofen- und Wandplattenindustrie. In den Jahren nach 1871 erfolgten rasch hintereinander zahlreiche Fabrikgründungen. Zunächst schob sich die Stadt weit in das Triebischtal vor, das sich bis zur Jahrhundertwende bis zum Buschbad (s. P 9) mit Fabriken und Wohnhäusern füllte. Es gab mehrere keramische Werke für Klinker, Schamotte, Öfen und Tonwaren sowie eine Zünderfabrik im Goldgrund (bereits seit 1846) und Maschinenfabriken, die zunächst für den Bedarf der keramischen Industrie arbeiteten. Außer

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M8.6 einer Nähmaschinenfabrik (1914 abgebrannt) produzierte eine Papierwarenfabrik. Sie war schon 1834 a l s kleiner Betrieb in der Stadt entstanden; eine Jutespinnerei und -Weberei (1872) entwickelte sich zum größten Betrieb der Stadt. Die Brauereien in der Altstadt gingen auf die alten Brauhäuser zurück. Als Triebischtal und Altstadtgebiet zu eng geworden waren, ließen sich weitere Unternehmen auf den Feldern der rechtselbischen Gemeinden Cölln (s. P 1) und Niederfähre nieder, darunter 3 größere keramische, weiterhin Fabriken für keramische Farben und Glasuren, für Maschinen, 2 Schuhfabriken, eine Essigfabrik und noch manch anderer Betrieb. In wenigen Jahrzehnten verwandelten sich diese 2 Gemeinden zu städtischen Wohn- und Industriegebieten. Die erste sächsische Eisenbahnlinie Leipzig —Dresden von 1839 konnte von Meißen aus nur über eine besonders dazu gebaute Straße bei Niederau erreicht werden. Erst 1860 erfolgte der Anschluß Meißens durch eine Stichbahn von Coswig nach Cölln an die Strecke Dresden —Leipzig. 1868 wurde diese Bahn über eine neue Elbbrücke bis Döbeln und dann bis Leipzig weitergeführt.

M8.7 A r b e i t e r b e w e g u n g u n d a n t i f a s c h i s t i s c h e r W i d e r s t a n d s k a m p f Der Einzug der Industrie in Meißen änderte die soziale Struktur der alten Handwerkerstadt. Seit der Jahrhundertwende war die Einwohnerzahl von etwa 4 500 bis auf 8941 im Jahre 1849 gewachsen. Als neue Klasse war ein Industrieproletariat entstanden, das sich 1848 in einem Arbeiterverein organisierte und Verbindung zum Bund der Kommunisten hatte. Auch zu L O U I S E O T T O - P E T E R S , der im Haus Baderberg 2 am 26. März 1819 geborenen Begründerin der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung, bestanden vereinspolitische Beziehungen. Der Arbeiterverein rief eine „Leinewand- und Brotassoziation" ins Leben zur Beschaffung billiger Kleidung und Nahrungsmittel für die Arbeiter, eine Vorläuferin des 1869 von Manufakturangehörigen gegründeten Konsumvereins. Die Fabrikgründungen nach 1871 brachten eine sprunghafte Erhöhung der Einwohnerzahl, namentlich der Zahl der Proletarier. Im Jahre 1849 gab es in Meißen erst 263 Industriearbeiter, aber noch 1248 im Handwerk beschäftigte Meister, Gesellen und Lehrlinge, 1876 waren es schon 2296 und 1900 sogar 5287 Industriearbeiter. Damit erstarkte auch die Arbeiterbewegung in Meißen. Der Zinngießergeselle T H E O D O R K R A U S E war um 1848/50 erster Sekretär des Lokalkomitees für Arbeiter in Meißen und Korrespondent des Zentralkomitees der Arbeiterassoziation in Leipzig. Neue Anregungen für die Bildung einer Arbeiterorganisation kamen von Großenhain, wo die Arbeiterbewegung schon größere Fortschritte zu verzeichnen hatte. Dort war es vorwiegend F R I E D R I C H G E Y E R (bis 1924 Reichstagsabgeordneter der SPD), der 1876 die Gründung eines Sozialdemokratischen Arbeitervereins in Meißen anregte. Vorsitzender dieser Organisation wurde K . T. T H I E M E . 2 Jahre später wurde der Verein aufgrund des Sozialistengesetzes verboten. Aber dieses Verbot weckte eine neue Aktivität in der Meißner Arbeiterschaft. Es hatte schon vorher Fachverbände der verschiedensten Berufsgruppen gegeben. Nun entstanden als politische Tarnorganisationen neue Fach- und Unterstützungsvereine. A m 142

31. Januar 1885 sprach F R I E D R I C H G E Y E R in Meißen vor etwa 200 Personen für die M8.7 Gründung eines Arbeiterschutzvereins, der kurz danach unter dem Vorsitz des Händlers A R T H U R K Ü H N E L Wirklichkeit wurde. A m 1. Juli 1885 sprach W I L H E L M L I E B K N E C H T vor etwa 500 Menschen in Meißen, aber schon im September wurde der Arbeiterschutzverein auf Veranlassung der Stadtverwaltung von der Kreishauptmannschaft verboten. 1887 gründeten die sozialdemokratischen Genossen als neue Tarnorganisation einen „Verein zur Beförderung volkstümlicher Wahlen", der die Mitglieder des verbotenen Schutzvereins übernahm. Kurz vor der Aufhebung des Sozialistengesetzes sprach A U G U S T B E B E L in der überfüllten Altenburg im Triebischtal. 1891 wurde der Sozialdemokratische Arbeiterverein neu gegründet, dem etwa 200 Genossen beitraten. Bis 1906 stieg die Zahl der Mitglieder auf ungefähr 1 000. A b März 1908 erschien eine sozialdemokratische Zeitung für den 7. Unterbezirk, die ,,Volkszeitung für Meißen, Riesa, Großenhain, Lommatzsch", deren Redaktion ihren Sitz und seit 1921 eine Druckerei in Meißen hatte. Die Sozialdemokratie wurde immer einflußreicher unter der .Arbeiterschaft, aber aufgrund des reaktionären Wahlgesetzes war sie in der Meißner Stadtverordnetenversammlung nur mit einem Abgeordneten vertreten. Ein Antrag auf Übertritt der gesamten Meißner Organisation zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei wurde abgelehnt, und so bildete sich im Juli 1917 eine eigene Organisation der Unabhängigen Sozialdemokraten. Als nach der Revolution von 1918 Wahlen nach dem allgemeinen Wahlrecht durchgeführt wurden, gelang es der S P D und den Unabhängigen, bei den Stadtverordnetenwahlen am 9. Februar 1919 24 Sitze gegenüber 12 Sitzen der Bürgerlichen zu erhalten. Da auch in der Meißner Sozialdemokratie die revisionistischen Kräfte bestimmten, gründeten klassenbewußte Arbeiter am 16. Mai 1920 im damaligen Kaisergarten (heute Kulturhaus der Plattenwerker Max Dietel) eine Ortsgruppe der K P D , die sich stets durch revolutionäre Aktivität auszeichnete. Bis 1933 konnten die Arbeiterparteien bei allen Wahlen die absolute Mehrheit gegenüber den bürgerlichen Parteien und den Faschisten erringen, selbst bei der bereits unter faschistischem Terror durchgeführten Wahl am 5. März 1933. Auch in Meißen mußten die Arbeiter zwischen 1918 und 1933 mit zahlreichen Streiks gegen die ständige Verschlechterung ihrer Lage kämpfen. Zu den bedeutendsten Erhebungen zählen die in der Ofenindustrie, so 1925 und 1929 und 1932. Im Jahre 1931 streikten 1500 Hilfsarbeiter, wobei es auf dem Neumarkt wiederholt zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. Die Stadt schuf zwischen den beiden Weltkriegen trotz der Schwere der Zeit einige neue Einrichtungen. 1928 erhielt Meißen einen modernen Bahnhof nach einem Entwurf von W I L H E L M K R E I S , 1929 ein Gebäude für die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv, 1930 ein Krematorium. Außerdem entstanden mehrere Wohnblocks, so im Triebischtal, an der Großenhainer Straße, und eine Siedlerkolonie an der Nossener Straße. 1932 begannen die Vorarbeiten für den Bau einer neuen Elbstraßenbrücke. Einen beachtlichen Stand erreichte das kulturelle Leben durch Veranstaltungen im Stadttheater und in der Volkshochschule. Mit der faschistischen Machtergreifung im Jahre 1933 wurden die Arbeiterparteien in die Illegalität gezwungen. Die K P D führte ihren auch in Meißen sehr opferrei-

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M8.7 chen Kampf gegen den Faschismus ohne Unterbrechung weiter. Die von den K o m munisten vorgeschlagene Aktionseinheit zwischen S P D und K P D zum Kampf gegen die faschistische Gefahr war nicht zustande gekommen, nur die Jugendverbände von K P D und S A P fanden sich zu gemeinsamen Diskussions- und Bildungsabenden zusammen. Im Februar 1 9 3 3 wurde eine neue, von den Genossen W I L H E L M W A L K H O F F , E R I C H S T E R L und J O H A N N E S E S C H E geleitete Parteileitung der K P D gebildet. Noch im Sommer 1933 führte sie größere geheime Versammlungen auf den Korbitzer Schanzen durch. Als im Herbst 1933 die führenden Genossen verhaftet wurden, setzte eine noch von W A L K H O F F vorbereitete Leitung die Arbeit fort, wurde dann aber auch am 23. J a n u a r 1934 verhaftet. Die politische Arbeit geschah daraufhin dezentralisiert in kleineren Gruppen, die den Zusammenhalt der Genossen in Wohngebieten und Betrieben gewährleisteten. Immer wieder kam es zu Verhaftungen, und mehrere der Meißner Genossen fielen den faschistischen Henkern zum Opfer. E i n Mahnmal im Käthe-Kollwitz-Park verzeichnet 250 Opfer für den Kreis Meißen. Mancher Straßenname erinnert an die K ä m p f e r gegen den F a s c h i s m u s , so an M A X DIETEL, M A X KAMPRATH u n d K A R L

NIESNER.

Gegen Ende des zweiten Weltkrieges verstärkten die in Meißen verbliebenen Genossen ihre Tätigkeit. Als sich die Front Meißen näherte und als im Nordosten beim Stadtteil Bohnitzsch bereits K ä m p f e zwischen der Roten Armee und der faschistischen Wehrmacht stattfanden, wurde Meißen in Verteidigungsbereitschaft gesetzt. Schließlich sprengten die Faschisten am 26. April 1945 die beiden Elbbrücken und zwei Eisenbahnüberführungen, obwohl die sowjetische Armee die E l b e bereits unterhalb der Stadt überschritten hatte. In diesen Tagen ersuchte der Superintendent H E R B E R T B Ö H M E den Kampfkommandanten in der Albrechtsburg, die Stadt nicht zu verteidigen. E r wurde verhaftet und zum Tode verurteilt. Zur Vollstrekkung des Urteils brachte man ihn am 2. Mai nach Dresden, wo er am 7. Mai von der Roten Armee befreit wurde. A m 6. Mai gelang es Meißner Antifaschisten, eine Einwohnerversammlung auf dem Markt zustandezubringen. Genosse W I L L Y A N K E R verlangte von der nazistischen Stadtverwaltung, zu den Versammelten sprechen zu dürfen. Ihm wurde mit sofortigem Erschießen gedroht, wenn er etwas gegen den Räumungsbefehl sage. Trotzdem forderte A N K E R die Versammelten vom Balkon des Rathauses auf, die Stadt nicht zu verlassen und die Rote Armee würdig zu empfangen. Meißen blieb so vor weiteren Zerstörungen bewahrt. A m 8. Mai wurde eine antifaschistische Stadtverwaltung mit A L B E R T M Ü C K E als Oberbürgermeister und W I L L Y A N K E R als zweitem Bürgermeister gebildet. A L B E R T M Ü C K E , ein Meißner Lehrer, hatte mit der illegalen Leitung der K P D zusammengearbeitet und war der Kopf einer der Widerstandsgruppen geworden. Mit dem Genossen B R U N O S T E U D T E und der Pianistin G R E T E M A C G R E G O R hatte er vom Februar 1 9 4 5 an bis zum Mai 2 tschechische Genossen und den Arzt Dr. G I E T Z E L T verborgen und verpflegt, die zum Tode verurteilt worden waren, aber bei der Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 aus dem Gefängnis hatten fliehen können.

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Die S t a d t nach dem zweiten W e l t k r i e g

M8.8

Die neue Stadtverwaltung ging mit sehr viel Energie und auch mit Begeisterung an den Aufbau eines neuen Lebens in Meißen. Die Brückensprengungen hatten fast die gesamte Innenstadt in Mitleidenschaft gezogen, und die Kämpfe bei Meißen hatten in allen Stadtteilen Schäden verursacht. Sowjetische Einheiten bauten sofort nach dem Einmarsch eine Schiffsbrücke über die Elbe, die bald durch eine hölzerne Behelfsbrücke ersetzt wurde. Im Oktober 1945 begannen die Meißner mit dem Wiederaufbau der Straßenbrücke. Mit ständiger Unterstützung der sowjetischen Kommandantur haben sich große Teile der Einwohnerschaft in praktischer Arbeit, aber auch mit Spenden am Bau beteiligt. Bereits im Dezember konnte die Brücke wieder teilweise benutzt werden, am 3. Februar 1946 war sie als erste Großbrücke Deutschlands in der alten Form wiederhergestellt. Als Ausdruck gemeinsamer Bemühungen erhielt die Brücke den Namen Brücke der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Die folgenden Jahre brachten eine allmähliche Umgestaltung Meißens. Die sozialökonomische Struktur und das Leben in der Stadt wandelten sich. Meißen wurde eine moderne sozialistische Stadt. Die Grundlagen dazu wurden durch die Bodenreform, die Schulreform und durch den sächsischen Volksentscheid zur Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher geschaffen. Mit der Vereinigung von K P D und S P D zur SED, die am 14. April 1946 im Hamburger Hof erfolgte und an die eine Gedenktafel erinnert, war auch hier das Instrument für die einheitliche Führung geschaffen. Am 14. Mai 1945 nahmen die meisten Meißner Betriebe ihre Arbeit wieder auf. Für Fabriken, die von ihren Besitzern verlassen worden waren, die belasteten Nationalsozialisten gehörten oder die für die Rüstung gearbeitet hatten, wurden Treuhänder eingesetzt. 1946 gingen die-4 großen Werke der Ofen- und Wandplattenfabrikation in Volkseigentum über. Im Jahre 1951 schlössen sie sich zum V E B Plattenwerk zusammen, dem 1956 der Name M A X D I E T E L verliehen wurde. Damit wurde ein ehemaliger Arbeiter im Teichertkonzern geehrt, der sich als Mitglied der S P D für die Aktionseinheit aller Antifaschisten eingesetzt hatte und der den von ihm mitgegründeten Arbeiter-Mandolinisten-Verein zu einem illegalen Kampfbund gegen den Faschismus gemacht hatte. MAX DIETEL wurde am 1. November 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Das Plattenwerk als gegenwärtig größter Betrieb Meißens verfügt über mehrere Werkteile im Stadtteil Cölln. Ihm zugeordnet ist ein Zentrallabor. Volkseigene Glasuren- und Farbenfabriken beliefern das Plattenwerk; die benötigten Tone kommen aus der Umgebung Meißens (s. O 4). Eine Reihe von volkseigenen Betrieben im rechtselbischen Meißen spiegelt die Vielfalt der Industriestruktur wider. Sie reicht vom Turbowerk mit eigener Betriebsberufsschule über das Kabelwerk — beide an der Niederauer Straße — bis zur Schuhfabrik in der Hermann-Grafe-Straße. Aber auch Anlagen und Betriebe mit landwirtschaftlicher Zweckbestimmung ließen sich hier nieder, so der V E B Getreidewirtschaft mit seinen Hochsilos, die Zwischengenossenschaftliche Einrichtung Meliorationsgenossenschaft und die Zwischengenossenschaftliche Bauorganisation Agrobau. Im zweiten Ballungsraum, im Triebischtal zwischen Manufaktur und

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146

M 8.8 Stadtzentrum Gesellsch. Einrichtungen 1 u. Denkmalsobjekte Wohn- u. Mischgebiet tandwirtsch. u. gärtn. Produktionsan lagen

;en des Büros des Bezirksarchitekten beim R a t des Bezirkes Dresden)

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M8.8 Buschbad, haben größere Werke, wie der V E B Rationalisierung L u f t - und Kältetechnik und der V E B Textile Verpackungsmittel — ehemals Jutespinnerei und -Weberei —, ihre Standorte. Auch Lebensmittelbetriebe fehlen nicht: Brauerei, Molkerei, Mühlenwerk. Neben der G P G Blühende Welt mit ihren 1974 bis 1976 errichteten Gewächshäusern nimmt die V d g B Sächsische Winzergenossenschaft am Bennoweg deshalb eine besondere Stellung ein, weil sie die traubenverarbeitende Tradition Meißens fortsetzt. Die Anfänge reichen bis zur 1799 gegründeten Weinbaugesellschaft zurück, die 1 9 1 2 von dem Rebschulverein Meißen, dem späteren Weinbauverein, abgelöst wurde. Dieser ging 1938 einen Zusammenschluß mit dem Kleinweinbauverein ein und nannte sich Sächsische Weinbaugenossenschaft, seit 1955 Sächsische Winzergenossenschaft. Sie keltert nicht nur die Reben ihrer 5 ha großen Weinberge, sondern die der gesamten Erzeuger im E l b t a l : der L P G R o s a Luxemburg Winkwitz (s. M 2) u n d ' A u f b a u Diera (s. J 4), des V E G Radebeul sowie der Weinbaugemeinschaften Diesbar-Seußlitz, Meißen, Merbitz, Niederau, Radebeul und Winkwitz. Hinzu kommen bedeutende Mengen an Importtrauben. D a das Fassungsvermögen der Fässer aus Eichenholz nicht mehr ausreichte, vergrößerte man 1973 die K a p a zität durch Stahltanks in einem neuen Kellerraum sowie durch 2 stählerne Türme am R a n d des Joachimstals mit je 15000 1 Inhalt. Von der früheren Kelterei zeugt eine hölzerne Weinpresse am Eingang des Betriebes. Der Weinbau selbst ist in Meißen seit 1 1 6 1 bezeugt; an den ratseigenen Weinbau erinnern der Hügel- und Straßenname Ratsweinberg sowie das alte Preßgebäude von 1780, ebenso eine kleine Rebanlage in diesem Bereich. Auf dem Gebiet des Sozial- und Gesundheitswesens kann der R a t der Stadt einige neue Einrichtungen vorweisen. In allen Stadtteilen waren 1975 insgesamt 8 Kinderkrippen und 1 7 Kindergärten vorhanden, teilweise als moderne Neubauten. E s gibt eine Poliklinik und moderne Arztpraxen. Von den 5 Feierabendheimen erhielten 2 Heime Erweiterungsbauten. Zu den vorhandenen Sportstätten kamen einige hinzu: ein Sportplatz am Juteplan im Triebischtal, eine Sandbahn f ü r internationale Speedwayrennen und ein großes Sportzentrum mit dem Stadion der Freundschaft, einer Gewichtheberhalle, einer Mehrzwecksporthalle und einem Hallenschwimmbad. Obwohl Meißen nicht über viel freies Baugelände verfügt, sind doch moderne Wohnviertel entstanden, so an der Ossietzkystraße, seit 1954 durch die A W G des Plattenwerkes auf dem Plossen und in Meißen-Cölln. Zuletzt mußte sich der Wohnungsbau auf die Ausnützung von Baulücken beschränken. Größere Wohnkomplexe entstanden dagegen im benachbarten Coswig. Schon in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg erhielt Meißen 3 zentrale Schulen: 1953 wurde hier die Hochschule der L P G gegründet, die leitende K a d e r für die Landwirtschaft ausbildet und das Promotionsrecht besitzt; in das Schloß Siebeneichen (s. P 6) zog die Schule f ü r Klubleiter ein, und in Meißen-Cölln entstand 1 9 5 1 die Ingenieurschule f ü r K r a f t - und Arbeitsmaschinenbau Rudolf Diesel mit Sportplatz, Schwimmbecken und Internatsgebäude. 1974 schuf die Stadt in Cölln einen weiteren Komplex, der aus einer polytechnischen Oberschule, einer Sonderschule und einem Internat besteht, so daß es 1975 insgesamt 8 polytech-

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nische Oberschulen, je eine erweiterte Oberschule, Sonder-, Sprachheil- und Musik- M8.8 schule gab. Sie werden ergänzt durch Betriebsberufsschulen sowie je eine kommunale Berufsschule, Kreislandwirtschaftsschule und Außenstelle der Agrar-Ingenieurschule Bautzen. Ein besonderes Anliegen der neuen Verwaltung war die Arbeit auf kulturellem Gebiet. Nachdem die Kriegsschäden behoben waren, begann das Stadttheater im Sommer 1946 wieder zu spielen. Im Herbst 1946 ging man an die Wiederherstellung und die Neueinrichtung des stark beschädigten Stadtmuseums, das ein Jahr später mit einer Ausstellung Meißner Künstler seine Pforten öffnete. Die bildenden Künstler hatten sich zu einer sehr aktiven Gruppe zusammengeschlossen, in der R U D O L F B E R G A N D E R , der spätere Rektor der Dresdner Hochschule für bildende Künste und einer der profiliertesten Maler der D D R , eine maßgebende Rolle spielte. 1953 wurde die erste Verkaufsgenossenschaft bildender Künstler in der D D R gegründet. Das Stadttheater wurde später einem neugebildeten Kreiskulturzentrum angeschlossen und wird von größeren Theatereinrichtungen bespielt. Außerdem ist das Kulturzentrum Heimstätte zahlreicher künstlerischer Laienzirkel geworden. Im Kulturhaus der Plattenwerker Max Dietel wirken ebenfalls mehrere künstlerische Laienzirkel, darunter das 1952 entstandene Arbeitertheater. Meißen ist wegen seiner Lage und seines Stadtbildes, seiner historischen und kunsthistorischen Bedeutung ein bevorzugtes Ziel in- und ausländischer Touristen. Die Stadtverwaltung hat es deshalb auch immer als ihre Pflicht angesehen, die Bau- und Kunstdenkmale zu erhalten und zu pflegen. Seit Kriegsende sind erhebliche Summen für die Pflege ausgegeben worden, so beispielsweise für die Wiederherstellung des Tuchmachertores in den Jahren 1955/56, der Sitznischenportale am Jahnaischen Hof (s. M 8.5), der Schloßbrücke, des Walthersbrunnens und der Roten Schule. Das größte Objekt der Denkmalpflege während der letzten Jahre war die Restaurierung der Albrechtsburg (s. M 8.5) 1966 bis 1971, in der 1975 etwa 225000 Besucher gezählt wurden. Bei dieser Restaurierung wurde das dritte Geschoß für die Öffentlichkeit zugängig gemacht und in ihm ein Museum zur sächsischen Landesgeschichte und zur Baugeschichte der Burg eingerichtet.

Klosterhäuser, seit 1937 Stadtteil von Meißen

M 9

Die Ruinen des ehemaligen Benediktinernonnenklosters zum Heiligen Kreuz liegen etwa 1,5 km elbabwärts der Meißner Straßenbrücke, und zwar zwischen der Leipziger Straße und dem Dr.-Wilhelm-Külz-Ufer im Zuge der F 6. Eine aus Bruchsteinen aufgesetzte Umfassungsmauer entspricht dem Viereck des ehemaligen Klosters, das 1127 aus der Stadt hierher verlegt wurde. Die Ruinen des Ostflügels lassen nach wie vor das nach der Zisterzienserregel erbaute Kloster gut erkennen. Professor F R I T Z R A U D A untersuchte die Ruinen sorgfältig und legte die gewonnenen Erkenntnisse in einer Monographie nieder (1917). Die Mauern der erhaltenen Bauteile bestehen aus Meißner Biotitgranodiorit. Für Eckverbände, Fenster- und Türgewände, Dreiviertelsäulen samt deren bescheidener Plastik am oberen und unteren Ende wurde Sandstein verwendet. An dem auf11

Elbtal

149

M 9 gehenden Mauerwerk, an Konsolen und Gewölbeanfängen läßt sich ablesen, daß das Raumprogramm des Klosters ziemlich dem des Zisterzienserklosters Altzelle bei Nossen gleicht, wenn auch im Kloster zum Heiligen Kreuz alle Maße wesentlich bescheidener waren. Im Süden der Ruinen ist der Rest der Kirche erkennbar mit Apsiden im Hauptschiff und im südlichen Nebenschiff; dagegen wurde der nördlich anschließende Raum nicht als Nebenschiff, sondern als abgeschlossene Kapelle ausgebaut. Eine steile Treppe führt auf die Decke der östlich der Kapelle liegenden Schatzkammer, ursprünglich wohl als Verbindung zwischen Kirche und Dormitorium (Schlafraum) benutzt. Nach Norden folgt ein mit einer Tonne eingewölbter Raum, anschließend der große Kapitelsaal, der in seinen Architekturteilen am besten erhaltene Teil der Ruine. Rechts und links des Rundbogenportals ist die Wand durch ein Drillingsfenster unterbrochen. Ein rechteckiger Rahmen faßt jeweils die 3 Fensteröffnungen zusammen. Nördlich grenzen Refektorium und Wärmestube an. Nach der Aufhebung des Klosters 1568 verfielen die ohnehin schon schadhaften Gebäude. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Bemühungen um die Erhaltung der Ruine. Das Klostergut nahe bei den Ruinen kam 1568 an die damalige Landesschule St. Afra zu Meißen. Sein im Jahre 1901 insgesamt 70 ha umfassender Besitz bestand auch aus einem Landstreifen mit Weinbergen am linken Elbufer zwischen Fischergasse und Jahnabachtal und aus Steinbrüchen. Die anfallenden Arbeiten hatten die Bewohner der Klosterhäuser zu verrichten, 1840 Klostergasse, 1881 Schulholzgemeinde genannt. Der Gartenbaubetrieb, der auf ehemaligem Klostergutsbesitz arbeitet, befindet sich in den Händen der K A P Jahna (s. L 9).

M 10 Meisatal, seit 1928 Stadtteil von Meißen, faßte die bis 1921 selbständigen Vorstädte Fischergasse (mit Klosterstraße), Hintermauer sowie Nieder- und Obermeisa zu einem Gemeinwesen zusammen. Es handelte sich um Häuslerreihen und -zeilen sowie um 6 Einzelgehöfte mit sehr kleinen Fluren, die sich zwischen dem Jüdenberg im Süden und dem Drosselgrund im Norden sowie zwischen dem westlichen Elbtalrand im Osten und dem hinteren Meisatal im Westen erstrecken. Kleingartenanlagen sowie Weinberge an den südexponierten Hängen wechseln mit alten und seit dem 19. Jahrhundert errichteten Wohnhäusern ab, so daß kaum noch Platz für landwirtschaftliche Nutzung blieb. An Industriebetrieben seien 2 Ziegeleien des V E B Baustoffwerke Riesa genannt: das Rote Haus an der Nossener Straße und eine Fabrik im oberen Drosselgrund. Eine große Grube (Abb. 34) zwischen dem Lehmbergweg und dem früheren Gut Obervogelgesang liefert das benötigte Rohmaterial. Unter der abbauwürdigen 6 bis 12 m mächtigen Lößschicht, in der Lößkindel ( = Kalkkonkretionen) gefunden wurden, folgen pleistozäne Schotter einer Ur-Triebisch. Die einzelnen Siedlungsteile sind relativ spät bezeugt: Fischergasse 1428 als in der Fischergasse, Hintermauer 1752 als hinter der Mauer, Niedermeisa 1428 als in der Mittel Meissen und Obermeisa 1428 als in der obern Meissen. Ob die älteste bekannte

150

V

v

v

L i t h o l o g i s c h e s Profil (linke Seite)

v

M

Parabraunerde typischer Löß

0,95

Lamellenfieckenzone

1,5

schwache Verbraunung Frostgley

1,7 2,05 2,7 2,9

(Frostgley)

/

/

schluffiger Schwemmlöß schluffiger Solifluktionslöß

O o " sandig-kiesige Moräne o/o/o. P e d o l o g i s c h e s Profil (rechte Seite) < y K > X

pseudovergleyter Tonverarmungshorizont schwachausgebildeter Verbraunungshorizont Rosthorizont Lamellenfleckenhorizont Tcnhäutchenhorizont pseudovergleyter Tonhäutchenhorizont Tonverarmungshorizont

W s /

7,8

8,45 8,7

O Frostgley

/

Frostgleyhorizont kräftig ausgebildeter Verbraunungshorizont

•in Roststreifen, Rostbänder Naßbleichflecken (Fe.Mn) Konkretionen

' '

/

/

/

• /

/

/

/

'

/ /

/

13,25 13,85 14,05 14,4

' y / / y

braunerdeartiges Bodensediment podsoliger FahlerdePseudogley

(Lamellenfieckenzone) Geschiebelehm

Abb. 34. Profil von der Ziegeleigrube am Roten Haus bei Meißen (aus HAASE, LIEBEROTH, RUSKE

11*

1970)

151

io

M 10 Angabe yn der Mysen (1392) als Bachname zu deuten ist, bedarf noch einer Klärung (s. M8.2). Geht man von der Leipziger Straße im dicht mit Wohnhäusern bebauten Meisatal aufwärts, so trifft man nach etwa 600 m auf ein ehemals bäuerliches Anwesen A m Lommatzscher Tor 1. Im Fachwerk eines seiner Gebäude fallen Andreaskreuze ins Auge. K a u m 200 m weiter erhebt sich in der Straßengabel Jahnastraße/Röhrenweg unter alten Bäumen die turmlose St.-Wolfgangs-Kirche, von der Bevölkerung als Kapelle bezeichnet. Sie ist im Osten und Westen mit je 3 Seiten geschlossen. In den 3 Seiten des Ostchors öffnet sich je ein Fenster mit gotischem Maßwerk. Besonders kräftig ausgebildet sind die Strebepfeiler und ein Eckverband. An der Südseite wurde ein zweistöckiger Bau angefügt, in dessen Erdgeschoß die Sakristei mit Zellengewölbe und ein Nebenraum liegen. Die Kassettendecke erhielt ihre Ausschmückung vermutlich bei der Renovierung im 19. Jahrhundert. Der Altar von V A L E N T I N O X T E (1596—1673) wurde aus der Kirche von Krögis hierher versetzt. Reiche Barockornamente umschließen den gesamten Aufbau, ebenso die kleine Orgel. A n der Nordwand in Altarnähe hängt ein großes spätgotisches Kruzifix, ihm gegenüber ein geschnitztes Wappen der Familie von Schleinitz. A m nördlichen Hang des oberen Drosselgrundes, früher auch Vogelgesanggrund genannt, stand bis zu seinem Abbruch das Gut Vogelgesang von 1704. E t w a 500 m westlich davon, aber 30 m höher hat das Rote Gut, ein Vierseithof, seinen Platz. Östlich schließen sich an das Grundstück 3 neue Schweineställe an, südöstlich folgt ein Stall für 400 Mastrinder. Die Anlagen wurden von der ehemaligen L P G in Jahna (s. L 9) errichtet. Oberhalb einer Quellnische des Drosselgrundes steht das Kynastgut, das seinen Namen einem früheren Besitzer aus Dresden verdankt. Dieser kaufte um 1550, also nach der Säkularisation, den Rest eines der Meißner Klostergüter. Die nordöstlich angrenzende Siedlung aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat den Namen des Gutes übernommen. Von einer der Querstraßen, von der Neuen Hoffnung, führt ein Weg zum früheren Ober- oder Galgengut, auch Neue Sorge genannt.

M 1 1 Gasern, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain, gehörte bereits seit 1935 z u r Gemeinde Jahna. Seine erste bekannte Nennung fällt in das Jahr 1252, als das Meißner Kloster zum Heiligen Kreuz den Ort Ketzerin {— die Ziegenhirten, von altsorbisch kozaf) geschenkt erhielt. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in Gäsem ein Vorwerk, das offenbar in 3 Bauernstellen aufgeteilt wurde, wie die Erhöhung von 8 auf 11 besessene Mann nach 1551 zu beweisen scheint. Die Anwesen des Dorfes gruppieren sich hufeisenförmig um einen riedelartigen Geländeabfall. Die beiden Huf eisen-,, Enden" überragen den Ort und werden von je einem Vier-, jetzt Dreiseithof markiert. A n die Stelle einer Scheune trat bei Anwesen Nr. 1 ein neuer Stall für etwa 90 Kühe, die sommers über das teilweise mit Obstbäumen bestandene Grünland in den nahen Tilken und Schluchten abweiden.

152

Die genossenschaftliche Entwicklung der Landwirtschaft ist von A n f a n g an mit der M 11 von Jahna (s. L 9) verbunden. V o n einer ehemaligen Ziegelei am westlichen Ortsrand überkamen nur das veränderte Wohnhaus und Reste von Fundamenten des Brennhauses. F o l g t man einem steilen F u ß w e g v o m Ort hinab ins Elbtal, so stößt man auf den einstigen Gesundbrunnen (1714), dessen Wasser weithin verschickt wurde.

Käbschütz, seit 1935 Ortsteil v o n Planitz-Deila,

N 1

schmiegt sich mit seinen wenigen Dreiseithöfen an den westlichen Talhang des Käbschützer Baches. Mitten in der stark überschwemmungsgefährdeten Talaue erhebt sich die 1975 nicht mehr genutzte frühere Wassermühle; zu der ihr angeschlossenen Bäckerei führte früher der Brotweg. E t w a 10 bis 20 m höher haben sich 2 Vierseithöfe erhalten, die Wohnzwecken dienen. Das eine Gehöft — die Gebäude mit Fachwerkobergeschossen und Krüppelwalmdächern — s t a m m t von 1836. I m anderen Anwesen weist ein nur noch selten zu sehendes K u m t d a c h auf den früheren Pferdestall hin. Vielleicht handelt es sich bei K ä b s c h ü t z um den 1198 genannten Herrensitz Kesebiz. Die erste sichere Nachricht liegt jedoch von 1334 vor, damals Cabacswicz ( = die Leute des Chabaz) geschrieben. W o der Kleine Ketzerbach in den K ä b s c h ü t z e r B a c h mündet, erheben sich die Gebäude der Neu- oder Jentschmühle, etwa 800 m nordwestlich von K ä b s c h ü t z gelegen und früher zu Kleinkagen gehörend. Ihr Mahlwerk wird von elektrischem Strom angetrieben, der etwa zur Hälfte von einer Wasserturbine erzeugt wird. Über der Mahlhaustür mit 2 geschnitzten Müllerwappen sind die Initialen J G M sowie die Jahreszahl 1840 eingemeißelt.

Sornitz, seit 1935 Ortsteil von Planitz-Deila,

N 2

wird 1334 Surnewicz geschrieben, dessen altsorbische Entsprechung Mühlort bedeutet. A n eine Wassermühle an der Einmündung eines linksseitigen Rinnsals in den Käbschützer B a c h erinnern heute nur noch Wohngebäude. Wenig talaufwärts quert die Straße D e i l a — K ä b s c h ü t z das schmale Tal, begleitet von ehemaligen Gutsarbeiterhäusern und Rittergutsbauten sowie von 2 Neubauernhöfen. Wie in anderen Dörfern (s. O 5, Q 2) dürfte sich das Rittergut auf Kosten von Bauernland entwickelt bzw. erweitert haben (s. A n h a n g A). Von der 92 ha großen Dorfflur besaß um 1900 das Gut allein 80 ha. Im Verlauf der Durchführung der demokratischen Bodenreform konnten 1945 von diesem Land 13 Neubauernstellen eingerichtet werden. Ihre Besitzer nutzten vorhandene Wirtschaftsgebäude, nach U m b a u auch für Wohnzwecke. Im Verlauf der E n t w i c k l u n g der sozialistischen Landwirtschaft schlössen sich die Bauern der L P G in Planitz-Deila an (s. N 3). V o n der ehemaligen Gutsanlage, einem schmalen, nach Südosten offenen Viereck, hat sich außer einem kleinen Gebäude mit gebrochenem D a c h neben dem ehemaligen Hofeingang nichts erhalten. D a s kleine, außerhalb des Gutshofes stehende und

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N 2 aus dem 16. Jahrhundert stammende Herrenhaus wurde 1945 in eine Neubauernstelle umgewandelt. Ein Turm wurde zugunsten eines angebauten Stalles abgebrochen, der andere verlor die Haube. Gewölbe und auch die Schießscharten blieben erhalten. Der in der älteren Literatur erwähnte Pfeiler mit jonischem Kapitell im engen Treppenhaus steht unverändert. Die ehemalige Wasserfläche rings um das Anwesen ist schon lange zugeschüttet.

N 3 Planitz-Deila, Kreis Meißen Planitz und Deila verfügen seit 1913 über eine gemeinsame Gemeindeverwaltung, die ihren Sitz 1975 in Deila hatte. 1935 wurde dem Ort eine Reihe kleiner Wohnplätze der Umgebung unterstellt. Nordwestlich von P l a n i t z lag eine größere jungsteinzeitliche Siedlung der Bandkeramik. In historischer Zeit wird das Dorf im Jahre 1264 erstmals genannt (Plauneuuiz = Ort mit oder an der Viehschwemme, niedersorbisch plawnja). Als 1444 das Brauprivileg der Meißner Bürger durchbrochen wurde, erhielt Planitz die Braugerechtigkeit zugesprochen. Beiderseits eines Rinnsals, in dessen Talaue früher ein Teich angestaut war, ziehen sich die Anwesen hin: links die großen Vierseithöfe und rechts ehemalige Häuslerstellen, die Kirche sowie jüngere Ausbauten. Die umfänglichste Anlage (Nr. 1) befindet sich nachweisbar seit 1530 im Besitz der Bauernfamilie Roßberg. Ihre Zufahrt mit Schlußstein von 1789 im Korbbogen wird von Torsäulen mit Sandsteinkugeln flankiert, an die sich unmittelbar rechts und links je ein Haus anschließt. In eine Längsseite des einen, zu Wohnzwecken umgestalteten Gebäudes mit Krüppelwalmdach und Dachgaupen ist ein Schlußstein von 1764 eingemauert. Auf dem früheren Pferde-, jetzt Schweinestall hat sich ein Türmchen mit einer Uhr erhalten. Außerhalb der geschlossenen Anlage hat sich die LPG weitere Gebäude für die Viehhaltung geschaffen. Ein eigenes Schulgebäude (Nr. 17b) besitzt Planitz seit 1879. Seine Räume dienten 1975 nur den Klassen 1 und 2 zum Unterricht. Für ältere Klassenstufen sind die Einrichtungen in Ziegenhain bzw. Leuben zuständig. Wer von Westen nach Planitz kommt, sieht einen steilen, aus Syenodiorit bestehenden Talrand. Er wird überragt von der 1729 an der Stelle eines älteren Bethauses errichteten Kirche mit Turm über dem Westgiebel. Ein 1770 abgetragener Turm wurde 1802 durch einen neuen ersetzt, der bis zur Firsthöhe des Kirchenschiffes quadratischen Querschnitt hat, dann ins Achteck übergeht und mit Haube, Laterne, Spitze endet. Das Schiff ist im Inneren an allen 4 Seiten mit 2 übereinanderstehenden Emporen umgeben. 3 Logen der nördlichen ersten Empore waren den Gutsherrschaften in Deila, Sornitz und Leutewitz vorbehalten, deren Monogramme zu lesen sind im Scheitel der Korbbogen, die die Logenfenster zum Kirchenraum hin abschließen. Die Füllungen der Emporenbrüstung sind hier mit Kränzen und Laubgehängen im Stil der Zeit um 1800 geschmückt. 800 m östlich von Planitz kreuzen sich am Übergang eines Rinnsals, das zum Käbschützer Bach entwässert, mehrere Straßen. Hier hat das Gasthaus von D e i l a

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seinen Platz, früher mit Schmiedewerkstatt. I h m schließen sich einige ehemalige N 3 Häuslerstellen, ein 1956 erbautes Mehrfamilienwohnhaus und das ehemalige Kittergut an. V o n der Deilaer G e m a r k u n g sind mehrere urgeschichtliche Fundstellen b e k a n n t geworden. V o n der Flur zwischen ehemaligem G u t und Planitz stammen R e s t e einer größeren Siedlung der jungsteinzeitlichen B a n d k e r a m i k und G r a b f u n d e der ältesten Eisenzeit. E i n bronzezeitliches Gräberfeld k a m auf halbem W e g e nach L e u t e w i t z zum Vorschein; G r a b f u n d e der ältesten Eisenzeit stammen von einem P l a t z südlich des Ortes. Die früheste bekannte Schreibweise des Ortsnamens liegt von 1256 vor und steht im Z u s a m m e n h a n g mit einem Herrensitz Dylowe, dessen altsorbische E n t s p r e c h u n g Ort des D y l bedeutet. 1368 h a t t e es den R a n g eines Allodiums, in der Mitte des 16. Jahrhunderts den eines Rittergutes. Diesem w a r a u c h eine Brennerei angeschlossen. Der einzige baulich bemerkenswerte R e s t des ehemaligen R i t t e r g u t e s ist das turmartige Torhaus. W e r v o n außen k o m m t , sieht rechts der Mittelachse den K o r b bogen der D u r c h f a h r t . Oberhalb der T r a u f k a n t e des rechts und links anschließenden zweigeschossigen Gebäudes ragt der Giebel noch 2 S t o c k w e r k e empor. Auf der Spitze des Mansardzeltdaches sitzt ein Dachreiter. In der W a n d der D u r c h f a h r t ist ein Schlußstein mit J G W 1776 eingemauert. Ü b e r der H a u s t ü r des Wohnhauses, in dem der örtliche K i n d e r g a r t e n untergebracht ist, h a t ein Schlußstein mit dem Relief eines W o l f e s seinen Platz, der ein mit W ( = Wolf) und 1793 bezeichnetes O v a l hält. Die genossenschaftliche E n t w i c k l u n g der L a n d w i r t s c h a f t n a h m ihren Beginn, als die L P G T y p I I I E i n h e i t mit 188 ha N u t z f l ä c h e 1954 gegründet und das Deilaer R i t t e r g u t dem V o l k s g u t L e u t e w i t z (s. N 4) als Teilbetrieb angeschlossen wurde. 1960 k a m die L P G T y p I I I Goldene Ä h r e mit anfangs 127 ha hinzu mit Sitz im Ortsteil Niederstößwitz Nr. 4. N a c h d e m bereits 1966 die L P G E i n h e i t sich m i t dem V o l k s g u t L e u t e w i t z vereinigt hatte, übernahm im Jahre 1975 die K A P S a a t b a u Krögis (s. Q 7) die N u t z f l ä c h e n und die L P G Florian G e y e r H e y n i t z die Viehbestände der L P G Goldene Ähre. Ü b e r 50 % der W e r k t ä t i g e n gehen einer A r b e i t in PlanitzDeila nach (Stand 1971), w a s die B e d e u t u n g der örtlichen L a n d w i r t s c h a f t unterstreicht. N i e d e r s t ö ß w i t z liegt e t w a 800 m südlich v o n Planitz, mit dem es seit 1935 administrativ verbunden ist. Südwestlich v o m O r t befand sich eine ausgedehnte Siedlung der jungsteinzeitlichen B a n d k e r a m i k . E i n großer B r a k t e a t e n f u n d wurde im G u t Nr. 3 geborgen. Die erste bekannte N e n n u n g ist von 1334 überliefert, als der Ort Stisewicz hieß. Sein altsorbischer N a m e l ä ß t 2 D e u t u n g e n z u : die L e u t e des Sdes oder der O r t a m Balkenholz, Stangenholz, v o n alttschechisch stei = B a l k e n . V o n den ursprünglich 6 Anwesen erhielten sich bis 1975 insgesamt 2 Vierseithöfe und 3 ehemals kleinbäuerliche W i r t s c h a f t e n . D a s G e h ö f t Nr. 4 mit einem neuen Stall für die genossenschaftliche R i n d e r h a l t u n g an der Stelle eines alten W i r t schaftsgebäudes besitzt an der Außenseite des früheren Wohnstallhauses je 2 schmale, übereinander angeordnete Schlitze mit Holzjalousie, Reste einer K ä s e kammer. V o r dem eigentlichen W o h n h a u s mit steilem M a n s a r d k r ü p p e l w a l m d a c h erhebt sich hofseitig eine Winterlinde.

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N 4 Leutewitz, seit 1935 Ortsteil von Planitz-Deila, ist 1323 als Luteticz überliefert ( = die Leute des Slawen L'ute(n)ta). Ein Kittergut ist im Ort seit der Mitte des 16. Jahrhunderts nachweisbar. Von den zu dieser Zeit vorhandenen 3 besessenen Mann, also Bauern, gab es 1764 nur noch einen sowie 3 Gartennahrungsbesitzer mit geringem Grundbesitz. D a s Rittergut hatte — wie in anderen Orten — Bauernland a u f g e k a u f t und besaß um 1900 118 ha von der 149 ha umfassenden Dorfflur. Leutewitz setzt sich aus 3 Siedlungsteilen zwischen der Talaue des Käbschützer Baches und dem um 30 m ansteigenden linken Talhang zusammen. Je eine Häuserzeile schließt sich nördlich und südlich an den Rittergutskomplex an, der als dritter Teil im Nordwesten durch Neubauten bedeutend erweitert wurde. 2 ehemalige Wassermühlen, die Busch- und Obermühle, am Käbschützer B a c h vervollständigen das Siedlungsbild. Das Rittergut befand sich seit 1764 im Besitz der Familie Steiger, die durch Züchtung von Merinoschafen und durch Erzeugung neuer Weizen-, Hafer- und Runkelrübensorten bekannt war. Dieselben A u f g a b e n übernahm 1950 das Volksgut, dessen Nutzfläche sich von 150 ha auf 500 ha im Jahre 1975 vergrößerte. Seit der Gründung der K A P Saatbau in Krögis (s. Q 7) verbleiben dem inzwischen zum Saatzuchthauptbetrieb erklärten Volksgut noch rund 150 ha Frei- (Bild 30) und Gewächshausflächen. Zum gegenwärtigen Aufgabenbereich zählen Neu- und Erhaltungszüchtungen, Wertprüfungen und Vorvermehrung von verschiedenen Kulturpflanzen, so von Klee, Erbsen, Wicken, Gras- und Getreidearten. U m die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern, entstanden 1966 ein Mehrzweckgebäude sowie Gewächshäuser, 1974/75 ein Heiz- und ein Lagerhaus. D a s Volksgut beschäftigt sich auch mit Viehzucht und -haltung, so mit der Herdbuchvermehrung von Merinofleischschafen (500 Stück), mit der Haltung von Zuchtsauen und von Milchkühen.

N 5 Nimtitz, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain, gehörte seit 1935 zur Gemeinde Kagen. Seine erste bekannte Nennung, Nimotitz, ist für das Jahr 1205 bezeugt, sie bedeutet soviel wie die Leute des Slawen Nemota. Im 15. Jahrhundert kann in Nimtitz ein Allodium (Vorwerk) nachgewiesen werden, sicherlich stand es an der Stelle des heute noch vorhandenen großen Vierseithofes. Dessen Wirtschaftsgebäude dienen der L P G Jahna-Löthain zur Viehhaltung, ebenso die neuen Ställe in seiner Nähe. Mehrere ehemalige Bauerngüter sowie Wohnhäuser schließen sich an den Vierseithof an und füllen Teile einer Quellmulde. E r g ä n z t wird Nimtitz durch 2 abseits gelegene Anwesen an der früheren Meißen — L o m m a t z s c h e r Straße. Oberhalb eines tiefen Hohlweges steht das Gasthaus Blaue Schürze mit einer hohen Linde vor seinem Westgiebel und mit der Jahreszahl 1785 im Haustürschlußstein. E t w a 500 m westlich davon und nur wenig höher liegt ein stattlicher Vierseithof, ebenfalls mit Linden, hier vor der Hofeinfahrt.

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Vom Gasthaus Blaue Schürze an neigt sich das Gelände zum Tal des Kleinen Ketzer- N 5 baches, an dessen westlichem Hang sich die 4 Gehöfte von T r o n i t z , einem weiteren Ortsteil von Jahna-Löthain, anordnen. Bereits 1428 verwendete man die heutige Schreibweise. Der altsorbische Name nimmt auf die Lage der Siedlung Bezug und könnte Ort am Abhang bedeuten. 2 Bauerngüter weisen vierseitige Umbauung auf; von den 2 übrigen Vierseithöfen sind nur einzelne Gebäude erhalten geblieben.

Kaisitz, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain,

N 6

hatte seit 1935 der Gemeindeverwaltung in Kagen unterstanden. Von dem 1228 erwähnten Herrensitz ist aus späterer Zeit keine Nachricht mehr über einen Nachfolgebau bekannt. Die Schreibweise Quaskewicz vom Jahre 1249 läßt sich als die Leute des Slawen Kvasek erklären. Als 1810 ein Brand den gesamten Ort — mit Ausnahme zweier kleiner Anwesen — vernichtet hatte, errichteten die Bauern ihre Gehöfte weiter voneinander entfernt an den heutigen Standorten. Die 4 vierseitig umbauten Wirtschaften sowie die übrigen wenigen, kleinen Häuser säumen den östlichen und südlichen Rand der Quellmulde des Kleinen Ketzerbaches. Als Beispiel für die veränderte Nutzung eines Vierseithofes seit i960 sei Nr. 3 genannt. Der ehemalige Pferdestall wurde für Wohnzwecke umgebaut, in einer ausgebauten Scheune lagert die K A P Jahna (s. L 9) Gemüse ein, und in dem früheren Stallgebäude betreibt die L P G JahnaLöthain (s. O 5) Schweinezucht wie auch in einem neuen Stall beim Gehöft Nr. 7. Ebenfalls der genossenschaftlichen Tierhaltung dienen einzelne Gebäude der Gehöfte Nr. 1 (Schafe) und Nr. 8 (Bullen). Kaum 500 m südlich von Kaisitz erreicht man S t r o i s c h e n , das seit 1935 Löthain verwaltungsmäßig angegliedert war und seit 1974 nach Jahna-Löthain eingemeindet ist. 1205, als die Abgaben an das neu gegründete Kloster St. Afra in Meißen zu liefern waren, hieß der Ort Strossin ( = Dorf des Slawen Stroch oder Stros). Rings um eine Quellmulde des Jahnabaches ordnen sich 3 Vierseithöfe sowie 2 Zweiseithöfe an, von denen jeweils ein Hof früher vier- bzw. dreiseitig umbaut war. Zu den Vierseithöfen zählt das sogenannte Erbrichtergut, vor dessen Pferdestall von 1848 — jetzt Wohnhaus — mit dreibogiger Kumthalle 4 Linden stehen. Auf dem Krüppelwalmdach mit Schieferbedeckung sitzt ein Turm, den Wetterfahne und Uhr zieren. Die L P G Jahna-Löthain nutzt Wirtschaftsgebäude des Erbrichtergutes und des benachbarten Gutes für Milchviehhaltung. Neue Stallbauten errichtete die Genossenschaft 1965 für Schweine und Kühe.

Löbschütz, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain,

N 7

gehörte von 1935 an mit Pauschütz und Canitz zur Gemeinde Löthain. Der Ortsname — 1205 Leutsitz — bedeutet Leute des Slawen Levek. Von den 3 infolge ihrer Lage oberhalb eines Tälchens weithin sichtbaren Vierseithöfen haben sich 2 bis heute vollständig erhalten. Das westliche und zugleich größte Gehöft wird an der

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N 7 Wetterseite von 2 Winterlinden flankiert. Seine Wirtschaftsgebäude, teils mit Fachwerk aufgebaut, dienen der genossenschaftlichen Viehhaltung und Futteraufbewahrung. Am Fuß der Bauernwirtschaften, und zwar versteckt in einem Trockentälchen, zieht sich eine Reihe von 9 Häusern und kleinen ehemaligen Gartennahrungen hin, einige mit Fachwerkobergeschossen. Von der Straße zwischen Löbschütz und Pauschütz erhält man einen Überblick über das südöstlich, südlich, südwestlich, westlich und nordwestlich anschließende Gelände. Unweit des Aussichtspunktes ziehen sich Windschutzstreifen (s. N 8) aus Pappeln sowohl den Hang zum Käbschützer Bach hinab als auch an den Rändern der Apfelbaumplantagen entlang. An markanten Zielen können genannt werden: die Polenzer Linden (5 km) jenseits des Großen Triebischtales, die Bayerhöhe (8 km) südlich von Taubenheim, die Kirche von Planitz (3,5 km), der Ort Krögis (2 km) mit der Raußlitz —Soppener Lößstufe (Abb. 1) im Hintergrund sowie einige Häuser von Soppen (4 km). Im Südosten taucht in ig km Entfernung der Sendemast bei Wilsdruff auf. Am Rand alter Obstgärten stehen die 2 Anwesen von P a u s c h ü t z : ein ehemaliger Vier-, jetzt Dreiseithof und ein Winkelhaus. In der Scheune des Gehöftes ist eine Schafherde der K A P Jahna (s. L 9) untergebracht, in den übrigen 2 Gebäuden sind Wohnungen eingerichtet. Als der Weiler 1205 erstmals genannt wurde, schrieb man Budesitz ( = die Leute des Budes). 500 m östlich von Pauschütz, aber 20 m tiefer, steht in der Mitte von C a n i t z ein großer Vierseithof, umgeben von wenigen älteren Bauernwirtschaften, von Neubauernhäusern, von einem Komplex aus 3 Ställen und einem Melkhaus sowie aus einer Lagerhalle und einem Freilandsilo. Diese Landwirtschaftsbauten wurden in den Jahren zwischen i960 und 1968 von der L P G Löthain errichtet. Wie beinahe alle Orte der Umgebung führt Canitz einen Namen, der sich von einer altsorbischen Form ableiten läßt: 1205 hieß der Weiler Konenuitz — die Leute des Konen.

N 8 Tal des Käbschützer Baches Der Käbschützer Bach entspringt in einem Teich beim früheren Löthainer Rittergut in 205 m ü. NN und fließt zunächst bis Görna nach Südwesten, wo er den 5,5 km langen Löbschbach aufnimmt. Kaum 1 km talwärts mündet der 5,1 km lange Schrebitzer-Bach ein. Nach insgesamt 9,5 km Laufstrecke erreicht der Käbschützer Bach bei Zöthain den Ketzerbach. Sein 41,9 km 2 großes Einzugsgebiet umfaßt fast ausschließlich landwirtschaftliche Nutzfläche. Messungen eines früheren Müllers in Käbschütz führten zu dem Ergebnis, daß sich die Ufer jährlich um etwa 1,5 cm erhöhen, da bei verstärkter Wasserführung Schwebstoffe des Lösses mitgeführt und abgelagert werden. Um die Bodenerosionsgefahr auf den Feldern der angrenzenden Hochflächen zu vermindern und die Windgeschwindigkeiten herabzusetzen, pflanzte man in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts Schutzgehölze aus verschiedenen Laubbaumarten an, so bei Planitz-Deila und bei Löbschütz.

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Von Leutewitz an hat sich der Käbschützer Bach so stark eingetieft, daß am Ost- N 8 hang sehr steile Hänge entstanden. Hier wurden bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts mehrere Steinbrüche betrieben. Aber auch natürliche Felspartien gestatten einen Einblick in den geologischen Aufbau. So hat der Bach zwischen Leutewitz und dem Zschanscher Loch vor allem auf seiner rechten Talseite quarzführenden Porphyrit freigelegt, der einer 90 m mächtigen Decke (Abb. 21) über den syenitischen und granitischen Gesteinen des Meißner Massivs angehört. An manchen Stellen bestätigt eine Absonderung in senkrechte Säulen den flächenhaften Erguß. Bereits während des Aufdringens der Schmelze schieden sich Kristalle von Feldspat, Hornblende, Biotit und Quarz aus und vergrößerten sich, noch bevor es nach dem Ausfluß auf der Erdoberfläche zu einer raschen und deshalb feinkristallinen Erstarrung der Grundmasse kam. Vielerorts widerspiegeln eine Einregelung der Kristalle und eine Streifung das Fließen der Lava. Im Gegensatz zum Ketzerbachtal (s. K 5) mit seiner wärmeliebenden Flora zeichnet sich das Tal des Käbschützer Baches durch mehrere montan-submontane Uferpflanzen aus, von denen einige hier ihre Tiefengrenze zum Hügelland erreichen, so der Behaarte Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum). Sehr häufig und bestandsbildend treten Aromatischer Kälberkropf (Chaerophyllum aromaticum) und Rote Pestwurz (Petasites Jiybridus) auf. Die Gehölze am Wasserlauf beherbergen — teilweise bis hinauf nach Görna — den südosteuropäischen Knolligen Beinwell (Symphytum tuberosum). Die pleistozänen Schotter bei der ehemaligen Eisenbahnhaltestelle Görna-Krögis heben sich durch azidophile (stark Bodensäure vertragende) Arten der Kies- und Sandflora mit allgemeiner Verbreitung und wärmeliebende Ruderalpflanzen deutlich von der Umgebung ab. Hier tritt noch recht häufig der stark giftige Gefleckte Schierling (Conium maculatum) zusammen mit dem zum Verwechseln ähnlichen Knolligen Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) auf.

Mohlis, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain,

O 1

setzt sich aus Alt-Mohlis und der 1 km nordöstlich gelegenen Häuserzeile Neu-Mohlis zusammen. Beide Siedlungsteile gehörten von 1935 an zur Gemeinde Kagen. Die erste bekannte Nennung von Mohlis fällt in das Jahr 1328, damals Müldawicz ( = die Leute des Slawen Mlodava) geschrieben. Alt-Mohlis umfaßt 3 Vierseithöfe und 1 Zweiseithof, die sich an den Rändern der Quellmulde des Grutschenbaches anordnen und zwischen denen sich Obstgärten ausbreiten. Weitere Plantagen aus Süßkirsch- und Apfelbäumen ziehen sich vom Ort bis zur Höhe 221,6 m nahe bei der Straßengabelung nach Kaisitz und Pröda hinauf. Das umfangreiche, vierseitig umbaute Gehöft im östlichen Dorfteil besitzt am früheren Pferdestall eine dreibogige Kumthalle. Das Wohnstallhaus mit Ziegelwalmdach dient der K A P Jahna (s. L 9) und der L P G Jahna-Löthain als Betriebsküche; in seinem Stallteil sind Kühe untergebracht. Südöstlich von Mohlis erheben sich die Gebäude des August-Bebel-Schachtes (Bild 29), der tertiären Ton fördert (s. O 4). Westlich bis nordwestlich von Mohlis

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O i

wird die Wüstung Melin (Abb. 35) vermutet, deren Gemarkung bis zum Käbschützer Bach reichte (BESCHORNER 1929). Früher führte ein Grüner Weg zwischen Mohlis und Kaisitz hindurch nach Mehren.

9 V unklarer Grenzverlauf

0

500 m

Abb. 35. Vermutliche Anteile von Fluren umliegender Orte an der Wüstung Melin (nach BESCHORNER 1929)

O 2 Oberjahna, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain, gehörte seit 1935 zur Gemeinde Jahna, worunter das etwa 1 km talabwärts gelegene Niederjahna (s. L 9) zu verstehen ist. I m Unterschied zu seinem Hauptort, einem typischen Rittergutsdorf, setzt sich Oberjahna (1285 superior Canin, Erklärung s. L 9) fast ausschließlich aus großbäuerlichen Höfen zusammen, die ihren Platz am westlichen Ufer des Jahnabaches einnehmen. Die Gebäude der 3 großen Vierseithöfe sowie das dazugehörende Land kamen im Verlauf der demokratischen Bodenreform 1945 an Neubauern. Umbau und Abriß ließen 2 Dreiseithöfe und 1 Zweiseithof entstehen, die jeweils von mehreren Fami-

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lien bewohnt werden. Der mittlere Hof erhielt 3 Hausnummern, Nr. 17 entspricht O dem früheren Pferdestall und hat Fachwerkobergeschoß und eine Besitzertafel von 1837 in einem Giebel. D e m Anwesen steht auf der anderen Straßenseite gegenüber eine Schrotmühle der L P G Jahna-Löthain. A m nordwestlichen und nordöstlichen Ortsrand errichteten nach 1945 mehrere Neubauern teils Eindachhöfe mit Scheunenteil, teils Wohnstallhäuser (Nr. 11, 12, 13). In ihrer Nähe hat die L P G um 1967 den Jahnabach zu einem Weiher aufgestaut, mit dessen Wasser die angrenzenden Feldgemüseflächen bei Bedarf beregnet werden können. Zwischen dem Staudamm und einem neuen Stall für Mastrinder quert eine Ortsverbindungsstraße den Wasserlauf. Hier haben 2 hohe Pappeln mit je 4,50 m U m f a n g ihren Platz. E t w a 500 m südlich von Oberjahna steht an der Straße nach Löthain das einzige Anwesen v o n K a s c h k a . In diesem Vierseithof h a t die L P G Niederjahna das turmartige E c k g e b ä u d e als Hopfendarre errichtet; es wird heute von der K A P Jahna (s. L 9) als Lager genutzt. Südlich und westlich davon werden die Feldfluren von Halden unterbrochen, die v o m früheren Ton- und Kaolinabbau herrühren. Mit ihren dichten Gehölzgruppen verleihen sie dem Geländeanstieg einen Parkcharakter. Zusammen mit Mehren (s. O 4) war K a s c h k a 1205 erstmals erwähnt worden (Kascowe = der Ort des Slawen Kaska).

Schletta, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain,

0

unterstand seit 1935 der Gemeindeverwaltung von Jahna. Südöstlich v o m Ort liegt ein bronzezeitliches Gräberfeld. In 2 verschiedenen Urkunden von 1205 erfährt der Ort seine ersten bekannten Schreibweisen: Zletowe und Sletouue ( = Dorf des Zlet). Ein Rittergut, am östlichen Ortsrand und 20 m über einer Geländeeintiefung gelegen, wird im 16. Jahrhundert erwähnt und entstand offenbar nach Auskaufen von Bauernbesitz wie das Löthainer (s. O 5). Das vierseitig umbaute jetzige Anwesen mit einem Kuhstall der L P G Jahna-Löthain besitzt an der hofseitigen Traufseite des Wohnhauses getreppte Renaissancegiebel, die auf eine Bauzeit im 17. bis 18. Jahrhundert schließen lassen. D a s Innere des ehemaligen Pferdestalles — heute Wohnhaus — erreicht man durch eine dreibogige Kumthalle. Der zweite große Vierseithof von Schletta liegt am westlichen Dorfende und bildete nach 1945 den A n s a t z p u n k t für den heutigen Kreisbetrieb für Landtechnik. Noch aus der Zeit einer Maschinen-Traktoren-Station (i960) stammen mehrere Wohnhäuser (Nr. 26 bis 29) für die Beschäftigten. V o n dem ehemaligen Gehöft steht nur das Wohnhaus, jetzt Betriebsküche, dem sich moderne Werkhallen, ein Heizhaus sowie betonierte Freiflächen anschließen. Die Umgebung von Schletta ist reich an nutzbaren Steinen und Erden. Schon 1823 brach man Pechstein nordwestlich v o m Ort, und von 1861 bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts förderte im Dorf ein Schacht Kaolin. Tertiären Ton verarbeitete eine Ziegelei, an die noch lange das Gasthaus Schlettaer Ziegelscheune — jetzt Wohnhaus — an der Meißen —Nossener Straße erinnerte. Geht man auf

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O 3 dieser stark befahrenen Fernverkehrsstraße 101 etwa 500 m nach Südwesten in Richtung Görna, so erreicht man bei 253,3 m ü. NN die höchste Stelle der Korbitzer Höhe mit 2 weithin sichtbaren Roßkastanien.

0 4 Mehren, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain, zählte seit 1935 zu den nach Löthain eingemeindeten Dörfern. In der Gründungsurkunde des St.-Afra-Klosters zu Meißen vom Jahre 1205 sind unter den zinspflichtigen Wohnplätzen auch utrumque Meran ( = beide Mehren) genannt; der Name ist als Ort eines Slawen Meran oder Miran zu deuten. Nachweisbar war das Dorf bis etwa in das 15. Jahrhundert in Ober- und Niedermehren zweigeteilt. Auf dem Geländeriedel zwischen den 2 Quellmulden des Jahnabaches erhebt sich der weitläufige Yierseithof Nr. 3, und zwar nordwestlich und abseits vom übrigen Dorf. Als einziges erhalten gebliebenes Anwesen von Obermehren soll er die Stelle mehrerer kleiner Höfe einnehmen. Vor dem südöstlichen Giebel seines Wohnstall hauses mit Fachwerkobergeschoß hat sich ein runder Pavillon mit neugotischen Fenstern und Kegeldach als Abschluß erhalten. An der Stelle einer alten Scheune errichtete die L P G ein Mehrfamilienwohnhaus, in einem anderen Wirtschaftsgebäude hat man Plätze für 60 Milchkühe geschaffen. Auch die frühere Brennerei am Rand der Anlage wurde für Wohnzwecke ausgebaut. Von der Talaue des Jahnabaches, an dessen Rand die Schachtgebäude des Glückauf-Schachtes stehen, erstreckt sich in einem Seitentälchen aufwärts das Zentrum von Mehren. Es setzt sich aus mehreren Vierseithöfen zusammen, deren neuerbaute Ställe ebenfalls von der L P G Jahna-Löthain (s. O 5) zur Jungvieh- und Milchviehhaltung genutzt werden. Im Haus Nr. 11 hat der V E B Vereinigte Ton- und Kaolinwerke Löthain-Seilitz seinen Verwaltungssitz, dem eine neue Reparaturwerkstätte und der Grubenrettungsdienst angeschlossen sind. Zur Ansiedlung von Bergleuten wurden um die Jahrhundertwende einige Mehrfamilienhäuser im Ort errichtet. Die volkseigenen Kaolin- und Tonwerke unterhalten Schächte und Werkanlagen in Löthain, Mehren, Mohlis und Seilitz. Der umfangreiche Bergbau gründet sich mit Ausnahme der Kaolingewinnung von Seilitz (s. L 4) auf Tonvorkommen, die zusammen mit tertiären Kiesen sowie früher untergeordnet angetroffenen Braunkohlenflözchen auftreten. Diese Ablagerungen aus dem Miozän, deren maximale Gesamtmächtigkeit bis zu 56 m beträgt, füllen eine flache Mulde aus, die durch eine Grundgebirgsschwelle in 2 Becken zerlegt wird. Die Tone selbst waren bis zu 18 m mächtig; sie verdanken ihre Entstehung einer Umlagerung der aus den porphyrischen Gesteinen des Untergrundes hervorgegangenen kaolinisierten Verwitterungsprodukte. Die Gewinnung der Tone — C H A R P E N T I E R bezeichnete sie 1778 als „altbestehend" — erfolgte von Anfang an unter Tage und wird durch Methanschlagwetter, Schwimmsandeinbrüche und hohen Gebirgsdruck erschwert. Die früher unter den Bergleuten häufig verbreitete Silikose konnte durch prophylaktische Untersuchun162

gen nahezu ausgeschaltet werden. Zusammensetzung, Beschaffenheit und Farbe O 4 der Tone sind recht unterschiedlich. Steinguttone von Löthain und Mehren für die Steingutindustrie und Sanitärkeramik machen heute 65 bis 70 % der Gesamtproduktion aus. Mit rund 25 % folgen die Mohliser Ofentone als Rohmaterial zur Herstellung von Kacheln. 5 % Glashafentone aus Mehren dienen zur Produktion von Glasschmelzöfen. Größte Abnehmer der weißbrennenden Tone sind in der D D R keramische Betriebe in Annaburg (Bez. Cottbus), Velten (Bez. Potsdam) und Wallhausen (Bez. Halle).

Löthain, seit 1974 Ortsteil von Jahna-Löthain,

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liegt, wie das nördlich benachbarte Mehren (s. O 4), im Zentrum einer Tongewinnung, die von Schächten aus betrieben wird, so vom Ernst-Thälmann-Schacht südöstlich des früheren Bahnhofs, vom Steiger-Schacht sowie von den Karl-Liebknecht-Schächten V I und VII. Das geförderte Material wird seit der Stillegung der Schmalspurstrecke Meißen —Lommatzsch im Jahre 1966 ausschließlich auf Lastkraftwagen abtransportiert. Dem Tonabbau verdankt Löthain einige Neubauten aus den fünfziger Jahren: ein Mehrzweckgebäude mit einem Raum für kulturelle Veranstaltungen und 5 Mehrfamilienwohnhäuser. Die meisten Dorfbewohner finden im Ort eine Beschäftigung, so daß nur 37 % der 307 Werktätigen täglich vor allem nach Meißen zur Arbeit gehen. Der Ortsname Löthain (1334 Lethen) bedeutet in seiner altsorbischen Form Dorf des Leten, Letan oder Leton; die Endung ist an das deutsche Wort Hain angeglichen worden. 1438 gab es ein Vorwerk, seit dem 16. Jahrhundert ein Rittergut, das sich offenbar auf Kosten von Bauernland stark vergrößerte (s. Anhang A). Um 1900 verfügte es über mehrere von insgesamt 6 Tonschächten sowie über 195 ha Ackerland, über Wiesen und Wald (4 ha). Im Jahre 1945 erhielten durch die demokratische Bodenreform Neubauern und landarme Bauern Ritterguts- und Vorwerksland. Die Gebäude des Vorwerks — laut Türschlußstein von 1797 — und des Rittergutes kamen nach Umbau an neue Siedler, andere errichteten sich in den folgenden Jahren Eindachhöfe teils mit (Nr. 49), meist aber ohne Scheune (Nr. 48, 50, 51, 53, 54), und zwar an der Verbindung zwischen dem Ort und der F 101. Eine weitere neue Siedlung entstand etwa l km nordöstlich von Löthain in Richtung Schletta. Der Quarantänestation des V E B Tierzucht Dresden gegenüber befinden sich 2 Mehrfamilienhäuser aus den fünfziger Jahren. Von den bäuerlichen Bauten kann das Dreiseitgehöft Nr. 41 als Beispiel älterer Bauweise gelten: alle Gebäude fallen durch ihre Fachwerkobergeschosse auf. Im Schulhaus von 1897 erhielten 1975 die Klassen 1 bis 4 ihren Unterricht, alle anderen Schüler besuchten die Krögiser Schule. Kindergarten und -hört sind im früheren Herrenhaus (Nr. 27) eingerichtet, das am Rand eines Parks mit bemerkenswert alten Bäumen steht, so mit Roßkastanien, Blut- und Weißbuchen, Eschen. 163

O 5 A m Beginn der genossenschaftlichen E n t w i c k l u n g dienten die Wirtschaftsgebäude des Rittergutes der Viehhaltung und zur Futteraufbewahrung. Mit 390 ha Nutzfläche gründeten B a u e r n im Jahre 1953 die L P G T y p I I I Freiheit, der i960 die L P G T y p I Glückauf mit 265 ha folgte. Beide Genossenschaften arbeiteten seit 1970 unter dem N a m e n Meißner L a n d zusammen, bis 1973 der Zusammenschluß mit der damaligen L P G W a l t e r Ulbricht Jahna zur L P G Jahna-Löthain erfolgte. Neue Lager- und Gerätehallen sowie der Yerwaltungssitz der inzwischen auf Tierhaltung spezialisierten Genossenschaft befinden sich zwischen dem alten Dorf Löthain und der Neubauernsiedlung.

0 6 Dobritz, seit 1950 Stadtteil von Meißen, erfuhr seine erste bekannte Nennung 1220 als Dvbrawitz = die Leute des Slawen Dobrava. Damals erhielt das Heilig-Kreuz-Kloster bei Meißen den Ort mit 8 Hufen, mit einem Waldstück, einer Mühle (Clausmühle) und einem Allodium. Der W a l d am Triebischtalhang heißt deshalb Klosterholz. Nahe dem Vorwerk, das ebenfalls im Triebischtal liegt und später als Meierei unter der Bezeichnung Buschhaus bekannt war, errichtete der V E B Tierzucht Dresden nach 1945 eine Besamungsstation. Das eigentliche Dorf Dobritz zieht sich parallel z u m Oberlauf des tief eingekerbten Tälchens hin, das unweit der früheren Clausmühle die Triebisch erreicht. A u ß e r wenigen kleinen Zweiseitwirtschaften bestimmen 4 vierseitig umbaute Hofanlagen das Siedlungsbild. Wie beim Gehöft Nr. 1 auf der anderen Straßenseite h a t sich bei Nr. 3 eine dreibogige K u m t h a l l e am früheren Pferdestall erhalten. Die Ställe beider Höfe werden v o n der L P G A u g u s t Bebel Garsebach (s. R 1) genutzt, ebenso neue Ställe und Bergeräume in einem weiteren Gehöft an der Dorfstraße. Aus einer kleinen Gärtnerei ging nach 1945 ein genossenschaftlicher Gartenbaubetrieb hervor, in dessen Nähe eine Lagerhalle für landwirtschaftliche Produkte errichtet wurde. Der Untergrund der Umgebung von Dobritz wird von porphyritischen Gesteinen mit meist rötlichen Farbtönen aufgebaut, für die sich in der geologischen Literatur der N a m e Dobritzer Quarzporphyr eingebürgert hat. Feldspat, Quarz und Biotit sind seine wesentlichen mineralischen Bestandteile, die in zumeist feinkörniger Ausbildung vorliegen. Der Quarzporphyr v e r d a n k t seine Entstehung einer tiefgreifenden U m w a n d l u n g des Pechsteins (s. O 7), die zunächst mit einer stellenweisen Rekristallisation zu felsitischen Partien begann und schließlich das gesamte Gestein erfaßte. Parallel zum Dobritzer Tälchen h a t sich ein Rinnsal tief in den Triebischtalhang eingeschnitten und die Gähserigschlucht geschaffen. In ihrem unteren A b s c h n i t t betreibt der V E B B a u s t o f f w e r k e R a d e b u r g einen Steinbruch im Quarzporphyr. D a s Gestein wird in Mahlwerken zerkleinert, danach aufbereitet und verschiedenen Fliesenwerken als Feldspatrohstoff zugeführt.

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Garsebacher Schweiz Zwischen der F i c h t e n m ü h l e und den Obergarsebacher Häusern erheben sich a m linken T a l h a n g der Triebisch Felsklippen, die als Garsebacher Schweiz b e k a n n t sind und dem L S G Großes Triebischtal (1630 ha) zugehören. Sie bestehen aus grünem Pechstein m i t nachträglich entglasten felsitischen Partien (s. P 8). D a s Gestein wurde früher bei der F i c h t e n m ü h l e in einem Steinbruch a b g e b a u t und als F l u ß mittel zur Flaschenglasherstellung verwendet. In der U m g e b u n g v o n Garsebach liegen über dem syenitischen Grundgebirge vulkanische Gesteine aus dem Oberkarbon. D e n ältesten Teil dieser Serie bilden weißlichgraue bis graugrüne T u f f e , die ursprünglich als feinkörnige lockere Aschen, mitunter v e r m i s c h t m i t erbsen- bis eigroßen Gesteinsbruchstücken (Lapilli), ausgeworfen wurden. D a s lockere vulkanische Material b e d e c k t die Oberfläche des flachwelligen Untergrundes meist in horizontalen Schichten; an geneigten Auf] agerungsflächen k a n n es ein Einfallen bis zu 35° aufweisen. Die B e d e c k u n g des Syenodiorits m i t „älteren T u f f e n " ist beispielsweise im Eisenbahneinschnitt nordöstlich des früheren B a h n h o f s Garsebach zu beobachten. Die d i c k b a n k i g e n T u f f e t r i f f t m a n mancherorts noch als lockere und poröse Massen, meist aber als feste, hornsteinartig dichte Gesteine an, deren Beschaffenheit und vorwiegende Z u s a m m e n s e t z u n g aus Chalzedon einer nachträglichen Verkieselung zu v e r d a n k e n ist. I m A n s c h l u ß an die Aschenförderung flössen im Meißner P o r p h y r e r u p t i v g e b i e t (Abb. 21) Schmelzen aus, die bei rascher U n t e r k ü h l u n g zu den als Pechstein bezeichneten Gesteinsgläsern erstarrten.

Cölln (Bild 6), seit 1901 S t a d t t e i l v o n Meißen,

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bildete seit 1890 m i t d e m nördlich angrenzenden Niederfähre ein Gemeinwesen a m rechten U f e r der E l b e (s. M 8.1). E i n Friedhof der ältesten Eisenzeit liegt in Cölln südlich der Bahnlinie Meißen —Coswig, ein zweiter nördlich der Strecke im S t a d t t e i l Zscheila. A n der Dresdner Straße f a n d m a n 58 B r a k t e a t e n aus dem 12. Jahrhundert und 1 Denar. D e r Ortsname l a u t e t in verschiedenen U r k u n d e n aus der Zeit zwischen 1233 und 1291 Colonia, das mehrere D e u t u n g e n z u l ä ß t : Dorf bei oder m i t den Schuppen, Ställen, v o n altsorbisch hol = Pfahl, Stange, oder Neusiedlung, v o n dem ursprünglich lateinischen colonia. 1255 zinste das Allodium, das durch Zusammenlegung v o n 3 bäuerlichen Hofstellen entstanden war, dem Laurentiushospital zu Meißen. 1487 hörte m a n v o n einem R i t t e r g u t , das damals v o m D o m k a p i t e l verk a u f t wurde. D a s übrige Dorf bestand aus 2 Teilen, einer Häuserreihe beim Ritterg u t und einer rundlingsartigen Bauernsiedlung u m den heutigen L u t h e r p l a t z . Die 2 kleinen, ehemals bäuerlichen A n w e s e n L u t h e r p l a t z 2 und 3 sind letzte dörfliche Zeugen. Z u m früheren R i t t e r g u t zu Cölln gehörten u m 1900 lediglich noch 7 h a L a n d , weil es B a u g r u n d für Industrie- und W o h n b a u t e n seit e t w a 1880 v e r ä u ß e r t h a t t e . Die G e b ä u d e des G u t e s stehen a n der Dresdner S t r a ß e / E c k e Badgasse. D e r W a p p e n stein im T r e p p e n t u r m des ehemaligen Herrenhauses enthält die Jahreszahl 1710. 12 Elbtal

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P i Gegenüber erhebt sich die ehemalige Dorfkirche St. Urban, deren Name als Beleg für das Patronat des Weinheiligen dient. Schon im 13. Jahrhundert konnte ein Bauwerk nachgewiesen werden, das jetzige stammt von 1691 bis 1701. Auf die Erbauungszeit weist der Schlußstein des Westportals mit J G ( = J O H A N N G E O R G I V . , Kurfürst von Sachsen). Die Ecken der Fenstergewände des Bauwerkes sind durch leicht hervorstehende Quader betont. Der Turm über dem Westgiebel ist mit einer Haube mit Zwiebel und Spitze versehen. Die ausgebaute Sakristei an der Nordseite enthält ein niedriges Sterngewölbe. Eingeschossige Emporen ziehen sich an den Längsseiten hin; der Altar stammt von 1701. Die Johanniskirche unmittelbar ostwärts der Urbanskirche wurde 1898 im neugotischen Stil erbaut. Auffällig ist der Kapellenkranz um den Chor. In Stil und Form weicht von der übrigen Ausstattung der „Triumph des Kreuzes im Weltgericht" ab, der 1 9 0 8 von S A S C H A S C H N E I D E R auf die Schrägung des halbkreisförmigen Triumphbogens gemalt wurde. P 2 Niederspaar, seit 1908 Stadtteil von Meißen, und Oberspaar, das 1912 zur Stadt kam, führen ihre Namen auf das bis unmittelbar an das östliche Elbufer heranreichende Spaargebirge zurück. Dessen frühest bezeugte Nennung liegt von 1352 vor. Die Namenerklärung sowie die ausführliche geologische und botanische Beschreibung des Spaargebirges und seiner höchsten Erhebung, der Bösel, können dem Band 22, Lößnitz, G 6 und G 7, entnommen werden. Die Häuslerreihen und die dazugehörende kleine Flur von Niederspaar schließen sich an den südlichen Rand von Cölln an, steigen aber von der etwa 106 m hohen Talsandterrasse um 40 m zum Gebirgsmassiv aus Biotitgranodiorit an. 1696 tritt erstmals der Name Spaar für Häuslerstellen auf. Ursprünglich führte am Elbufer von Cölln nach Sörnewitz nur ein Leinpfad, den die Bomätscher (s. E 5) bei ihren Schleppzügen als Fußweg benutzten. 1807 trat an seine Stelle eine erhöhte und abschnittsweise durch Mauern gesicherte Chaussee. Auf Niederspaar folgen elbaufwärts die Häuslerreihen von O b e r s p a a r . Ihnen schließen sich über das gesamte Gebirge verstreute Weingüter und Winzerhäuser an. Als von der Dresdner Straße her die Oberspaarer Straße ausgebaut wurde, konnten neue Flächen für Wohnsiedlungen erschlossen werden. Die Alte Spaargasse, an die teilweise steil aufsteigende Weinberge angrenzen, führte ursprünglich als Pfad bis auf die Hochfläche, mündet aber jetzt in die Oberspaarer Straße. Hier haben sich die Gaststätte Bauernhäusel sowie vereinzelt Weingüter und Winzerhäuser erhalten, so Oberspaarer Straße 19 mit Fachwerkobergeschoß hinter dichten Spalierweinstöcken. Früher gab es die Form des Reiheschankes bei den Winzern, die ihr Sonderrecht den Fremden durch Heraushängen von Strohbüscheln anzeigten. Die Weinstuben Spaar an der Dresdner Straße (Nr. 77) besitzen einen großen Sommergarten mit einer alten hölzernen Weinpresse. Unmittelbar anschließend haben die Bevölkerung des Wohngebietes und die Wohnsportgemeinschaft Einheit 1965 ein Freizeitzentrum insbesondere für Kinder geschaffen.

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Questenberg, seit 1923 Stadtteil v o n Meißen, besteht aus einer Zeile früherer Häuslerstellen auf einem Geländeriedel zwischen dem R a u h e n t a l und dem Triebischtal. Sein N a m e bezeichnete ursprünglich ein Flurstück. 1446 hieß der W o h n p l a t z vnter dem Questenberge, w a s als Ort a m B u s c h holzberge, v o n Quaste = Laubbüschel, abzuleiten ist. V o m Questenberg s t a m m t ein bronzener Schreibgriffel (Abb. 13,7), dessen Oberteil mit einer Menschenmaske verziert ist und dessen durchbohrter A b s c h l u ß v o n einer V o g e l f i g u r gekrönt wird. D a s S t ü c k s t a m m t aus d e m frühen Mittelalter. W i e das benachbarte Ruenthal (Rauhental) mit d e m 1431 genannten A l l o d i u m befand sich Questenberg 1286 im B e s i t z des K l o s t e r s B u c h bei Leisnig. Seit 1327 gehörte das V o r w e r k z u m S t . - A f r a - K l o s t e r in Meißen, das an den nach Süden gerichteten H ä n g e n W e i n b a u trieb. A u c h gegenwärtig t r i f f t m a n zwischen den städtischen W o h n h ä u s e r n aus dem 19. J a h r h u n d e r t verschiedentlich auf R e b terrassen, ebenso a m anschließenden Jüdenberg. Diese E r h e b u n g h a t t e bis 1349 teilweise als jüdischer Friedhof gedient und k a m 1457 in städtischen Besitz.

Korbitz, seit 1923 S t a d t t e i l v o n Meißen,

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ist zu F u ß v o m Triebischtal, v o m Juteplan bei der volkseigenen Jutespinnerei und -weberei aus, durch die Ochsendreheschlucht zu erreichen. Hier h a t sich ein Rinnsal so tief in den Dobritzer Q u a r z p o r p h y r (s. O 6) eingeschnitten, d a ß es auf 500 m L a u f s t r e c k e f a s t 100 m Höhenunterschied überwindet. A m nördlichen R a n d des K e r b t a l e s reihen sich die kleinen ehemals bäuerlichen Betriebe aneinander, im Norden begrenzt v o n dem Vierseithof des früheren V o r w e r k s . V o n hier aus schließen sich Siedlungshäuser aus den Jahren 1920 bis 1925 an, die das Gelände zwischen T r i f t w e g , Questenberger Straße und Nossener Straße ausfüllen. Die erste b e k a n n t e N e n n u n g v o n K o r b i t z liegt aus dem Jahre 1336 vor. Seine damalige Schreibweise Corewicz l ä ß t mehrere D e u t u n g e n z u : die L e u t e eines Slawen Chor, K o r oder der Ort, w o B a u m r i n d e n geschält werden (kora = Rinde). 1350 b e f a n d sich in K o r b i t z ein Herrensitz, seit A n f a n g des 15. Jahrhunderts ein V o r w e r k , im 18. J a h r h u n d e r t zeitweise ein R i t t e r g u t . D e r B e s i t z des V o r w e r k s u m f a ß t e u m 1900 insgesamt 153 h a L a n d , d a v o n 59 h a W a l d . I m K o r b i t z e r V o r w e r k befindet sich ein V o l k s g u t , das, wie auch die A n l a g e n in L ö t h a i n (s. O 5) und beim früheren B u s c h h a u s (s. O 6), d e m V E B T i e r z u c h t Dresden untersteht. A m A b z w e i g der Schlettaer v o n der Nossener Straße erheben sich neue Mehrfamilienwohnhäuser, ein Heizhaus sowie Gebäude, die der zentralen B u l l e n a u f z u c h t s t a t i o n angegliedert sind. 1974/75 errichtete die L P G J a h n a - L ö t hain in der N ä h e des V o l k s g u t e s mehrere Ställe für Rinder. Schließlich unterstreicht der V e r w a l t u n g s s i t z der Zwischenbetrieblichen E i n r i c h t u n g L a n d b a u (s. R 9) in K o r b i t z die große B e d e u t u n g der L a n d w i r t s c h a f t im Hinterland v o n Meißen.

12*

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P 5 Lercha, seit 1928 Stadtteil von Meißen, ist seit i960 durch eine städtische Omnibuslinie über den Plossenberg mit Meißen verbunden. Vom Buswendeplatz steigt eine doppelreihige Zeile von Häusern nach Süden zu einer Erhebung 40 m an; nach Nordwesten zieht sich eine einseitig bebaute Straße, die Dreilindenstraße, ohne bedeutenden Höhenunterschied hin. Von hier aus nach Westen ist die neugotische Huttenburg von 1857 z u erreichen, im unteren Abschnitt des Triebischtalhanges und etwa 50 m tiefer als Lercha gelegen. Südöstlich von Lercha befindet sich ein größeres bronzezeitliches Gräberfeld. Offenbar ist der Ort selbst eine späte Gründung, wie die geringe Flurgröße und die früher ausschließlichen Häuslerstellen beweisen. 1410 wird eine Mühle mit Namen Lerche im Triebischtal erstmals erwähnt. Diese Lärch(en)mühle könnte mit der Angermühle, benannt nach dem nahen Meißner Anger, identisch sein. Diese kam 1858 an die Staatliche Porzellanmanufaktur (s. M 8.6). Die erste sichere Nennung des Dorfes Lercha liegt von 1723 vor (Lerche = Ort am oder im Lärchenholz). Die meisten Bewohner arbeiteten als Tagelöhner auf dem Siebeneichener Rittergut. 6 Kleinstbauernstellen wurden 1945 durch die demokratische Bodenreform auf je 5 ha vergrößert. Das erforderte einen Ausbau ihrer Anwesen, so daß an ihre alten giebelständigen Wohnhäuser rechtwinklig Wirtschaftsgebäude angefügt werden mußten, so Bockwener Weg 9. Je 0,5 ha Boden bekamen 6 weitere Einwohner, je eine Parzelle insgesamt 28 Kleingärtner an der Dreilindenstraße. Die Bauern gründeten i960 die L P G T y p I Frischer Wind, die, zunächst durch die L P G T y p I Am Wiesengrund Siebeneichen erweitert, sich 1969 mit der L P G Bockwen vereinigte (s. P 12).

P 6 Siebeneichen, seit 1973 Stadtteil von Meißen Wenn man Meißen elbaufwärts verläßt, gelangt man bald zu Reihen früherer Häusleranwesen, die bis zur Eingemeindung nach der nahen Stadt im Jahre 1914 zu N e u d ö r f c h e n zusammengefaßt waren. Seine Gründung geht auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück, als der Siebeneichener Gutsherr einen Teil der Wiese an der Oberziegelscheune an den Rat zu Meißen abgetreten hatte. In Neudörfchen wohnten sowohl dem R a t als auch dem Rittergut unterstellte Drescher, von hier führte der Drescherweg hinauf zum Gut. Die ehemalige Ziegelwiese dient jetzt als Sportplatz. Auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem nahen Wasserwerk, steht am unteren Ende des Siebeneichener Schloßparks ein kleines Forsthaus. Ein behäbiges Walmdach liegt auf dem Erdgeschoß, in dem rechts und links des Sitznischenportals je ein Vorhangbogenfenster mit flachgekehltem Gewändeprofil angeordnet ist. Wohl hauptsächlich wegen dieser Formen wird häufig das 16. Jahrhundert als Bauzeit genannt, es könnte sich aber auch um eine Stilnachahmung aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts handeln. Vom Forsthaus führt aus dem Elbtal ein Weg am Rand des Kleinen Küchengrundes entlang. Er berührt dabei Wiesen und den ehemaligen Schloßpark, bevor er das

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Schloß und frühere R i t t e r g u t Siebeneichen erreicht. Oberhalb der Wiesen ist der Steilhang durch Mulden und R ü c k e n gegliedert. Diese Oberflächenformen setzen sich im. Schloßpark, w o beiderseits des K ü c h e n g r u n d e s wertvolle B a u m a r t e n stehen, fort. D i e ersten A n l a g e n aus Obst-, L a u b - und N a d e l b ä u m e n gehen auf das Jahr 1591 z u r ü c k und wurden in den Jahren 1816 bis 1818 und 1830 bis 1842 ausgestaltet. D a s Schloß steht auf einem Geländevorsprung 60 m über dem E l b s t r o m . E s n i m m t den R a u m einer ehemaligen, in deutlicher Spornlage befindlichen mittelalterlichen W e h r a n l a g e ein. A n d e u t u n g e n sind lediglich für den V o r g r a b e n gegeben, andere Hinweise v e r s c h w a n d e n durch die Terrassierung des Vorgeländes. Eine Schenkungsurkunde des K l o s t e r s z u m Heiligen K r e u z bei Meißen v o m Jahre 1220 nennt a u c h den O r t B o c k w e n , bei dessen 4 H u f e n u m f a s s e n d e m F r e i g u t es sich w o h l u m das v o n Siebeneichen handelt, 1374 als K l o s t e r g u t bezeichnet. 1394 wird ein A l l o d i u m Sebineychin erwähnt, dessen deutscher N a m e als O r t bei oder m i t den 7 E i c h e n zu deuten ist. D a s V o r w e r k , das an der Stelle des späteren Rittergutes gestanden hat, k a m im Jahre 1543 an ERNST VON MILTITZ, den Gutsherrn im b e n a c h b a r t e n B a t z d o r f . D a sich die gutsherrliche F a m i l i e viele Dörfer der U m g e b u n g durch T a u s c h und K a u f aneignete, p r ä g t e m a n seit dem 16. Jahrhundert den Begriff des Miltitzer Ländchens, der als A u s d r u c k f ü r das territoriale Machtstreben im Feudalismus gelten kann. Sowohl die Tagelöhner als a u c h die B a u e r n h a t t e n bis ins einzelne festgelegte Arbeiten zu verrichten und A b g a b e n zu liefern (s. P 12). V o n 1554 liegt die erste Nachricht v o n einem Schloß ,,sampt seinem F o r w e r g k " in Siebeneichen vor. W ä h r e n d des Siebenjährigen Krieges brannte es 1745 aus, w u r d e aber 3 Jahre später m i t einem neuen W e s t f l ü g e l wieder aufgebaut. D a s Schloß besteht aus einem älteren südöstlichen dreigeschossigen Teil mit h o h e m W a l m d a c h . A u f den breiten Schrägen der Renaissancefenstergewände befinden sich jeweils in der Mitte linsenförmige W ö l b u n g e n . D e r Nord- und der Ostecke des älteren Schloßteiles sind 2 im Grundriß rechteckige T ü r m e m i t Zeltdach a n g e f ü g t worden. D e r Mittelachse des A l t b a u e s schließt sich nach Nordwesten ein langgestreckter H o f an, dem der W e s t f l ü g e l vorgelagert ist. Diese zweigeschossigen B a u teile tragen ein gebrochenes, ausgebautes D a c h m i t b a r o c k e n Gaupen. D e m Wiedera u f b a u v o n 1748 e n t s t a m m t beispielsweise das P o r t a l mit einem Ornamentfeld unter der V e r d a c h u n g . 1963 wurden die Sandsteinarbeiten erneuert. WERNER LIPPMANN (1966) zufolge beschränkten sich die Beziehungen des Professors CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT auf wenige Briefe an seinen früheren Studenten ERNST HAUBOLD VON MILTITZ und einen kurzen B e s u c h in Oberau (1769), w o damals die Familie wohnte. D e r „ h e r r s c h a f t l i c h e " K u h j u n g e JOHANN GOTTLIEB FICHTE a u s R a m m e n a u w u r d e u m 1 7 7 2 d u r c h E R N S T H A U B O L D VON MILTITZ „ e n t -

d e c k t " und auf dessen K o s t e n — 7 T a l e r m o n a t l i c h K o s t - und Schulgeld — in Meißens Stadtschule untergebracht. Schloß und R i t t e r g u t Siebeneichen sowie der dazugehörende B e s i t z gingen 1945 durch die demokratische B o d e n r e f o r m in die H ä n d e des V o l k e s über. 205 ha L a n d , d a v o n 79 h a W a l d (Stand 1926), k a m e n an E i n w o h n e r in L e r c h a (s. P 5) sowie a n 8 Neubauern, 2 Gärtner und 2 Arbeiter. N a h e beim G u t h a b e n sich E i n d a c h gehöfte, — teilweise um- und ausgebaut — erhalten, so Nr. 6 und 7. In der benach-

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I' 6 barten früheren Schloßgärtnerei mit 4 000 m 2 Fläche, die zeitweise der LPG-Hochschule in Meißen angegliedert war, und auf einem 1 ha großen Areal der K A P Karl Marx Bockwen prüft der Y E B Chemiekombinat Bitterfeld seit 1965 in mehrjährigen Versuchen die Wirkung neuer Herbizide zur Bekämpfung von Unkräutern und Fungizide zur Vernichtung von Pilzkrankheiten bei verschiedenen Kulturpflanzen. Das Schloß beherbergte seit 1950 die Landesvolkshochschule Sachsen. 1958 wurde die Schule dem Ministerium für Kultur unterstellt, das diese Einrichtung seit 1963 als Fachschule für Klubleiter Martin Andersen Nexö weiterführt. Seit dieser Zeit ist fortgesetzt daran gearbeitet worden, um das Bauwerk als Kulturdenkmal zu erhalten. Die Raumaufteilung im Inneren mußte den neuen Zwecken entsprechend geändert werden. Manche wertvollen Kunstwerke fanden hier ihren Platz. Erwähnt seien beispielsweise die Bronzebüste der Partisanin von E U G E N H O F F M A N N (1892 bis 1955), die Bronzefigur des Mitbegründers der K P D H E R M A N N D U N C K E R (1874 bis i960) von Professor W A L T E R H O W A R D und die Bronzebüste des Dichters M A R TIN A N D E R S E N N E X Ö ( 1 8 6 9 — 1 9 5 4 ) v o n F R I E D R I C H

ROGGE.

P 7 Hohe Eifer (213,9 m) An der Hohen Eifer heißt eine Meißner Straße, die am Fuß der gleichnamigen Erhebung entlangführt. Von ihr zweigt der Kirchsteig ab, die kürzeste Verbindung zwischen der Kirche St. Afra in Meißen und dem ihr zugeordneten Dobritz. Der Weg folgt zunächst einem tiefen Bachtälchen, in dem sich die Meißner Einwohner eine Freilichtbühne schufen, und umgeht im weiteren Verlauf die Hohe Eifer im Westen in einem Trockental. Die Erhebung wird an 3 Seiten von steil abfallendem Gelände begrenzt. Umgeben von Laubmischwald, befindet sich auf der höchsten, als Acker genutzten Kuppe über dem linken Ufer des Triebischtales ein stark verflachter Abschnittswall, der ein Areal von reichlich 1 ha schützt. Vor dem Wall sind noch Reste eines Grabens erkennbar. Die größte Gesamterstreckung der unter Bodendenkmalschutz gestellten Anlage beträgt 100 m x 120 m. Die genaue Zeitstellung ist bisher nicht geklärt, doch liegt Keramik der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur und des hohen Mittelalters vor. Anstehender Felsen, von dem aus der Blick in das dicht bebaute, 80 m tiefere Triebischtal reicht, begrenzt das Kuppenplateau nach Osten hin. Das Gestein zählt zu den porphyritischen Schmelzen, die südlich von Meißen auf einem mindestens 2 km langen Gang in einer späten Phase des Vulkanismus im jüngsten Oberkarbon aufdrangen. Die maximale Breite des Gangzuges beträgt bei der Hohen Eifer 300 m. Während des Abkühlungsprozesses konnten Einsprenglinge von Biotit und Kalknatronfeldspat auskristallisieren, bevor eine feinkörnige Grundmasse erstarrte. Die schmutzig-violette bis tief rotbraune Farbe dieser Glimmerporphyrite rührt von reichlich beigemengten Eisenoxiden her. Der Steilhang zwischen der Hohen Eifer und dem Götterfelsen (s. P 8) ist durch Steinbruchbetrieb sowie durch natürliche morphologische Prozesse stark gegliedert. 170

E s handelt sich u m Geländehohlformen m i t dauernd oder periodisch fließen- P 7 den W a s s e r l ä u f e n sowie u m trockene Hangrunsen. D a s 1 k m lange Rinnsal nördlich der H o h e n Eifer h a t sich in einem K e r b t a l so stark eingetieft, daß es bisher k a u m zur A u s b i l d u n g einer Sohle k a m , die nur auf schmalem W e g zu begehen ist. E i n e episodisch, das heißt nur bei Starkregen wasserführende K e r b e h a t sich nahe der Kleingartenanlage Götterfelsen in den bewaldeten H a n g geschnitten. Sie m i ß t e t w a 300 m L ä n g e und wird a m U n t e r h a n g v o n einem 2 m tiefen und 10 m langen Strudelloch im Gehängelöß unterbrochen.

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Götterfelsen D e r Götterfelsen r a g t a m linken Triebischtalhang 60 m auf und ermöglicht infolge niedrigen B e w u c h s e s einen Ausblick n a c h Südwesten, der sowohl das T a l selbst als auch die angrenzenden H o c h f l ä c h e n erfaßt. E i n hohes K r e u z aus Eisen erhebt sich seit 1843 an der oberen Felskante. Seine lateinische Inschrift n i m m t auf die Gründ u n g der früheren Landesschule St. A f r a (s. M 8.3) B e z u g . W i e die benachbarte Garsebacher Schweiz (s. O 7) besteht der Götterfelsen aus Pechstein, eine Bezeichnung, die der Geologe ANTON GOTTLOB WERNER (f 1817) erstmals für eine glasige Masse gebrauchte, die aus porphyrischer L a v a hervorgegangen ist. Diese drang während des O b e r k a r b o n s im Gebiet südwestlich v o n Meißen auf und erstarrte durch U n t e r k ü h l u n g verhältnismäßig schnell. In dem T e m p e raturbereich, in welchem sich in der abkühlenden Schmelze die Kristalle ausschieden, w a r schon eine so hohe V i s k o s i t ä t erreicht, daß sich Frühausscheidungen und Kristallkeime nicht mehr weiterentwickeln k o n n t e n und die glasige E r s t a r r u n g einsetzte. Die Pechsteine des Götterfelsens weisen eine schwarze F ä r b u n g auf, andernorts k o m m e n grüne (s. O 7), braune, rote und gelbe Pechsteine vor. B e i den Gesteinsgläsern setzt m i t der Zeit — ausgehend v o n Sprüngen, v o n K l u f t - und A b s o n derungsflächen — eine E n t g l a s u n g ein, die zur E n t s t e h u n g felsitischer Massen führt. Solche feinkristallinen A g g r e g a t e nehmen im Pechstein unregelmäßige oder kugelige Partien v o n unterschiedlicher Größe ein. A m Götterfelsen w u r d e n der S p i t z d e c k e n b o c k (Stenopterus ritfus), der N e t z f l ü g l e r Hemerobius atrifrons und die wärmeliebende W e i ß f l e c k i g e Zartschrecke (Leptophyes albovittatä) beobachtet.

Buschbad

P 9

D e n N a m e n B u s c h b a d erhielt das „ ä u ß e r e " Triebischtal nach einem Badehaus, das der Meißner A r z t Dr. PETER JOHANN DANIEL LUTHERITZ nach der E n t d e c k u n g einer eisenhaltigen Quelle im Jahre 1797 errichten ließ. D a s G e b ä u d e (Abb. 36) im klassizistischen Stil, das bis zur M i t t e des 19. Jahrhunderts f ü r K u r e n diente, blieb bestehen. Die Industrialisierung setzte im Triebischtal 1834 ein, als CARL und FRANZ LUDWIG JACOBI in der früheren L e d e r w a l k m ü h l e a m F u ß e der H o h e n E i f e r eine Eisengie-

171

P 9 ßerei mit Maschinenfabrik gründeten, den ersten größeren Betrieb Meißens überhaupt. Auf seinem Gelände errichtete man um 1954 ein neues Wohnviertel. Etwas weiter triebischaufwärts ließen sich in der Talaue seit 1875 fast ausschließlich Werke für Ton- und Schamottewarenherstellung nieder. Aus diesen gingen nach 1945 das Institut für Feuerfest-Industrie und der volkseigene Wissenschaftlich-Technische Betrieb Keramik hervor. Beide errichteten

i

Abb. 36. Das Busclibad im Triebisclital. Radierung von J O H A N N G O T T L O B K A R L L I E B E Z E I T (1766—1814) umfangreiche Neu- und Erweiterungsbauten. Hier werden neue Werkanlagen projektiert, Technologien weiterentwickelt und im keramischen Betrieb auch neue Muster für die Porzellanindustrie der D D R entworfen. Nahebei erheben sich die Produktionsstätten des V E B Rationalisierung Luft- und Kältetechnik. Diese Betriebe bauen im Triebischtal ein zentrales Heizwerk auch für kommunale Einrichtungen. Damit erfüllen sie einen Beschluß des Kreistages Meißen von 1975, kostenaufwendige Investitionsbauten rationeller zu nutzen.

P 10 Zuckerhut (205,2 m) Der Zuckerhut steigt vom rechten Triebischufer beim Buschbad aus etwa 80 m nach Osten an. Seine Kuppe ist von einem tief eingeschnittenen, bewaldeten Kerbtälchen zu erreichen, dessen Bach am Oberlauf für Beregnungszwecke gestaut wird. 172

Die morphologischen und hydrographischen Merkmale des Grundes ähneln denen des Spittewitzer Diebskellers (s. P 11). An steilen Unterschneidungskanten t r i t t der Biotitgranodiorit in Felspartien zutage. Am westlichen Rand der abgeplatteten K u p p e eröffnet eine stillgelegte Grube einen Einblick in den geologischen Aufbau des Zuckerhutes. Es handelt sich um eine Kiesmoräne, die von Schmelzwässern vermutlich in der Saalekaltzeit abgelagert wurde. Das 5 bis 6m mächtige Profil zeigt unsortierte Gerolle, denen in etwa 2,50 m Tiefe eine Bank aus gröberem Material zwischengeschaltet ist. Die Gerolle entstammen zu 35 % dem Meißner Massiv, zu 26 % nordischen Re-

km

P

g i o n e n (HART.MAXN 1 9 6 5 ) .

Spittewitzer Diebskeller heißt ein 1,3 km langer, von Südosten nach Nordwesten gerichteter Grund, der südwestlich von Spittewitz ansetzt und 80 m tiefer bei Meißen-Buschbad die Triebisch erreicht. Folgt man ihm von Spittewitz abwärts, so wechseln Talform und Nutzung in einer Folge, wie sie derart auf engem R a u m nur selten beobachtet werden können (Abb. 37)Das Rinnsal im Diebskeller richtet bei auf der Hochfläche niedergehenden Starkregenfällen bedeutende Schäden an den Ufern durch Abb. 37. Schematische Profile vom Spittewitzer Diebskeller (Entwurf: W . SCHMIDT)

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10

P 11 erhöhte Seitenerosion an. Die mitgeführten Gerölle lagern sich in den Kleingärten am Talaustritt ab, was Anlaß gegeben hat, das Wasser in einem künstlichen Bachbett um die Anlage herumzuleiten. In halber Höhe des Hanges führt ein Naturlehrpfad durch den Grund, den der damalige Polenzer Lehrer R O L F M A S E R um 1955 anlegte und der danach von der Arbeitsgruppe Ornithologie der Meißner Natur- und Heimatfreunde betreut wurde. Wegen der Vielfalt botanischer und zoologischer Arten ist der Diebskeller als Flächennaturdenkmal geschützt. Allein 60 Vogelarten konnten hier bisher nachgewiesen werden, darunter alle Meisenarten, der Große und der Kleine Buntspecht, der Grün- und der Schwarzspecht, der Wendehals sowie alle Laubsänger und Finken. An Greifvögeln sind Mäusebussard, Habicht und Turmfalke bekannt. Die bewaldeten Talhänge zwischen der Triebisch, dem Diebskeller und dem Rehbocktal werden von etwa 15 Stück Damwild aufgesucht, nachdem dieses 1973 aus dem Gatter bei Siebeneichen ausgesetzt wurde. Wildschweine wechseln vom Grillenburger Wald oder im Sommer von den Elbleiten herüber; der Rehwildbestand entspricht dem im Rehbocktal (s. P 14). Hase und Wildkaninchen sind häufig, Fasan und Rebhuhn sporadisch anzutreffen.

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Bockwen, seit 1973 Ortsteil von Polenz-Bockwen Im oberen, noch nicht stark eingesenkten Abschnitt der Bockwener Delle (s. P 13) sind die überwiegend vierseitig umbauten Gehöfte von Bockwen angesiedelt; Dreiseit- und kleine Winkelhöfe schließen sich nach Südwesten nach Reichenbach zu an. Auf halbem Wege dorthin steht an der Kreuzwiese ein Steinkreuz von 122 cm mal 84 cm mal 35 cm Ausmaß, das 1923 ausgegraben und aufgestellt wurde. Die Straße vermittelte früher den Verkehr zwischen Meißen und Wilsdruff. Von Bockwen liegt eine sehr frühe Nennung vor: 1180 Bukewen, was Ort oder Leute am Buchenwald bedeutet (altsorbisch buk = Buche). Zu diesem Zeitpunkt war das Dorf Herrensitz, 1227 Allodium. Die Bewohner kamen 1543 zur Gutsherrschaft Siebeneichen, der sie in jedem Jahr bestimmte Frondienste zu leisten hatten. So mußte jeder Bauer unter anderem 16 Fuder Holz fahren, 2 Fuder Heu in Sieglitz bei Lommatzsch holen sowie je einen Tag ackern, zur Saat ackern und Mist fahren. Die Gartennahrungsbesitzer hatten das Getreide zu hauen und später auszudreschen. Die genossenschaftliche Entwicklung setzte in der Landwirtschaft i960 ein, als die L P G T y p III Freie Erde mit 233 ha Nutzfläche gegründet wurde. 1967 schlössen sich die Bockwener und Polenzer Genossenschaften zur L P G VII. Parteitag zusammen. Ihr 604 ha umfassendes Land kam an die 1975 ins Leben gerufene K A P Karl Marx, ihre Viehbestände übernahm die L P G T y p III Friedrich Engels Scharfenberg mit Sitz in Riemsdorf (s. S 3). Die K A P Karl Marx bearbeitete 1975 insgesamt 4275 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, davon 800 ha Grünland, auch der Genossenschaften Rotes Banner Röhrsdorf und Neues Leben Sora. Auf den überwiegend tiefgründigen Lößböden werden außer Roggen alle Getreidearten, Zuckerrüben und Grünfutter auf Schlagkom-

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plexen von. etwa 150 ha angebaut. Schwierigkeiten bei der Zusammenlegung der Flurstücke bereiten die zahlreichen Tilken und Tälchen, die erst nach Melioration einbezogen werden können. Auf etwa 100 ha stehen Apfel-, Süß- und Sauerkirschbäume, insbesondere bei Riemsdorf und im Scharfenberger Gebiet (s. Bd. 22, Lößnitz, N 5). Die Fingerhutpflanze wird zur Gewinnung von Drogen für den Y E B Arzneimittelwerk Dresden auf Feldern angebaut. Die Nähe von Meißen veranlaßt etwas weniger als die Hälfte aller Werktätigen, täglich einer Arbeit in der Stadt nachzugehen.

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Beherrschendes Bauwerk in Bockwen ist seit 1975 ein Wohngebäude für 12 Familien. Ihm steht schräg gegenüber ein drei-, ehemals vierseitiges Gehöft, dessen Wohnstallhaus (Nr. 14) zur Betriebsküche der K A P Karl Marx Bockwen umgebaut wurde. Das frühere Wohnstallhaus des Dreiseithofes Nr. 1 nimmt die Verwaltung der K A P auf; in einem benachbarten neuen Stall sind Rinder zur Mast untergebracht. Einige der früheren bäuerlichen Anwesen haben interessante Details erhalten, so Nr. 1 und 7 Sandsteinkugeln auf den Hoftorsäulen, Nr. 5 und 6 je eine dreibogige Kumthalle. Seit 1950 sind die 4 Grundstücke von S p i t t e w i t z nach Bockwen eingemeindet. Sie nehmen ihren Platz, 1,5 km südwestlich vom Hauptort entfernt, am oberen östlichen Talhang des Spittewitzer Diebskellers ein. Die erste bekannte Nennung erfolgte in Verbindung mit einem Allodium im Jahre 1350: Spitewicz = die Leute des Slawen Spyt(a). Von Polenz führte früher nach Spittewitz ein 1,5 km langer Feldweg, auch Schulweg genannt, denn die Kinder beider Dörfer und auch von Bockwen erhielten zunächst in einer alten und seit 1870 in einer neuen Schule bis 1962 ihren Unterricht. Im stattlichen, vierseitig umbauten Gehöft Nr. 1 unterhält die L P G Friedrich Engels 2 Rinderställe. Im Schlußstein des langgestreckten ehemaligen Pferdestalles ist neben den Besitzerinitialen die Jahreszahl 1787 eingemeißelt. Bekannt wurde Spittewitz durch die Rindermastanlage (Bild 28) an der Meißen — Wilsdruffer Straße, deren 10 Aluminiumtürme für Anwelksilage weithin sichtbar sind. Der 1970 eingeweihte landwirtschaftliche Großbetrieb entstand als zwischengenossenschaftliche Einrichtung der L P G Friedrich Engels Scharfenberg und der L P G Neues Leben Sora.

Bockwener Delle

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A m westlichen Ortsrand von Bockwen nimmt ein Tal in einer flachen Hangdelle seinen Anfang. Das darin fließende Rinnsal tieft sich im weiteren Verlauf so stark ein, daß stellenweise der anstehende Biotitgranodiorit zutage tritt. Da das Gefälle infolge des geologisch jungen Alters sehr unausgeglichen ist, können kleine Kaskaden auf dem Talboden beobachtet werden. Bei Starkregen führt der sonst wasserarme Bach erhebliche Mengen Geröll zum Elbtal. Der Einmündung der Delle fast gegenüber steht in der Elbaue etwas stromaufwärts ein sandsteinernes Steinkreuz in Malteserform.

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P 13 In der Bockwener Delle und an ihren Hängen gedeihen auf frischen bis feuchten Standorten artenreiche Laubmischwälder, die an besonders schattigen und mit Wasser günstig versorgten Stellen in Ahorn-Eschen-Schluchtwaldpartien übergehen. Die reichhaltige Pflanzenwelt zeigt ein typisches Bild der Flora entsprechender Gründe in den mittleren Lagen der Mittelgebirge. Die Vorkommen von anspruchsvollen Stauden und Kräutern, wie Christophskraut (Actaea spicata), Waldgeißbart (Aruncus dioicus), Türkenbundlilie (Lilium mariagon), Weißer Teufelskralle (Phyteuma spicatum), Sumpfpippau (Crepis paludosa), Akeleiblättriger Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium) und Großem Springkraut (Impatiens nolitangere), widerspiegeln die natürlichen Verhältnisse. Der montane Hasenlattich (Prenanthes purpuvea) steht hier an einem der wenigen Hügellandstandorte. Das submediterrane Immenblatt (Melittis melissophyllum), der größtblütige einheimische Lippenblütler, bevorzugt besonders reiche und tiefgründige Mullhumusböden mit sommerwarmem Geländeklima.

P 14

Rehbocktal oder Batzdorfer Grund heißt der mittlere und untere Abschnitt des tief eingeschnittenen Rehbockbaches; das Wasser erreicht nahe der Rehbockschenke (s. Bd. 22, Lößnitz, G 5) die Elbe. Das 4 km lange Rinnsal entspringt bei Riemsdorf in 237 m ü. NN, durchfließt zunächst ein muldenförmiges Wiesental und durchbricht im weiteren Verlauf in einer Kerbe, später auf einer Sohle mit 50 m breitem Talboden den Biotitgranodiorit. Dieses gleichkörnige Gestein tritt an den Hängen des Rehbocktales sowie am linken Elbtalhang unterhalb von Meißen überwiegend nur in auflässigen Steinbrüchen zutage. Meist wird es jedoch von grusigem bis lehmigem Material verdeckt, unter dem ein grober Grus den Übergang zum festen Gestein vermittelt. Das Grünland im unteren Abschnitt des Rehbocktales setzt sich aus Glatthaferwiesen (s. Seite 3) zusammen, die im ganzen Grund von Spitzahorn begleitet werden. Zahlreich treten wärmeliebende Arten der Laubmischwälder colliner Lagen auf, wie Taumelkälberkropf (Chaerophyllum temulum), Lauchkraut (Alliaria officinalis) und vor allem der Neueinwanderer aus Südeuropa, der Pyrenäenstorchschnabel (Geranium pyrenaicum), der hier schon seit Jahrzehnten heimisch ist. Haselwurz (Asarum europaeum) und Mittlerer Lerchensporn (Corydalis intermedia) bilden große Bestände. Im Laubwald fällt vor allem die Sommerlinde bei Batzdorf auf. Dieser vorwiegend submontan verbreitete Baum fehlt weiter nördlich fast völlig und wird nur gelegentlich angepflanzt. Von submontan-montan verbreiteten Arten, die hier Grenzstandorte zum Hügelland erreichen, seien Waldgeißbart (Aruncus dioicus), Weiße Teufelskralle (Phyteuma spicatum) und Hasenlattich (Prenanthes purpurea) genannt. Im Mittelholz gedeihen weiterhin Vierblättrige Einbeere (Paris quadrifolia) und Frühlingsplatterbse (Lathyrum vernus) auf frischen Laubholzböden. Der Laubmischwald mit stellenweise dichtem Unterholz, die eingeschalteten Wiesenparzellen und das relativ saubere Wasser sind die wichtigsten Vorausset-

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z u n g e n f ü r eine g r o ß e A n z a h l v o n V o g e l - u n d W i l d a r t e n . N e b e n d e m S c h w a r z w i l d P 14 u n d d e m e i n g e b ü r g e r t e n D a m w i l d k a n n m i t 3 bis 4 R e h e n auf 100 h a H o l z b o d e n fläche gerechnet werden. Fasanen und Rebhühner k o m m e n sporadisch vor, häufiger d a g e g e n F u c h s , D a c h s , Iltis, K l e i n e s u n d G r o ß e s W i e s e l s o w i e S t e i n m a r d e r . D e r A r t e n r e i c h t u m a n S i n g v ö g e l n erreicht n i c h t g a n z d e n des D i e b s k e l l e r s (s. P 1 1 ) . M ä u s e - u n d W e s p e n b u s s a r d sowie T u r m f a l k e v e r t r e t e n die G r e i f v ö g e l , die Schleiereule g e h ö r t z u d e n N a c h t r a u b v ö g e l n . D e r s t a t t l i c h s t e h e i m i s c h e B o c k k ä f e r , d e r H e l d b o c k (Cerambyx cerdo), w u r d e i m R e h b o c k t a l in 4 E x e m p l a r e n a m E n d e des 19. J a h r h u n d e r t s g e f u n d e n . D a er sich v o r w i e g e n d in sehr a l t e n E i c h e n e n t w i c k e l t , ist er selten g e w o r d e n . D i e fingerd i c k e n L a r v e n erreichen L ä n g e n bis zu 10 c m u n d d u r c h b o h r e n die S t ä m m e alterss c h w a c h e r B ä u m e , so d a ß diese bei s t a r k e m B e f a l l W i p f e l d ü r r e zeigen u n d schließl i c h e i n g e h e n . A n w e i t e r e n B o c k k ä f e r n w u r d e n der R e i s i g b o c k (Obrium cantharinum), der seltene H a l s b o c k (Leptura rufipes), der S c h ö n b o c k (PhymatocLes glabratus) u n d der seltene W i p f e l b o c k (Pogonocherus hispidus) beobachtet.

Leippen, seit 1935 O r t s t e i l v o n Z i e g e n h a i n ,

Q 1

liegt a n d e r K u h b e r g s t r a ß e , einer v o n N o r d e n n a c h S ü d e n g e r i c h t e t e n a l t e n V e r b i n d u n g v o n L o m m a t z s c h n a c h N o s s e n . S ü d l i c h des O r t e s z o g sich in u r g e s c h i c h t licher Z e i t eine g r ö ß e r e b a n d k e r a m i s c h e S i e d l u n g hin, in d e r v i e l e S t e i n w e r k z e u g e u n d K e r a m i k , d a r u n t e r als G r i f f a n s ä t z e v e r z i e r t e „ W i d d e r h ö r n e r " ( A b b . 20,2), geb o r g e n w u r d e n . D i e S i e d l u n g reichte m i n d e s t e n s a m s ü d ö s t l i c h e n O r t s r a n d bis a n die S t r a ß e n k r e u z u n g , v o n w o a u c h s l a w i s c h e S i e d l u n g s r e s t e s t a m m e n . W e n i g nordw e s t l i c h liegen d e u t l i c h e S p u r e n einer b r o n z e z e i t l i c h e n S i e d l u n g v o r . G l e i c h a l t e G r ä b e r f e l d e r d a g e g e n lieferten d a s G e b i e t n o r d ö s t l i c h v o m O r t u m H ö h e 214,6 m u n d ein O s t h a n g m i t d e m F l u r n a m e n P f a f f e n a c k e r 500 m n o r d w e s t l i c h d a v o n . I n historischer Z e i t t a u c h t der O r t s n a m e 1286 als Lipen ( = L i n d e n o r t , z u s l a w i s c h lipe) e r s t m a l s auf. L i n d i g t — 1547 Lyndicht — h e i ß t a u c h ein E i n z e l g u t 500 m w e s t lich v o n L e i p p e n . D u r c h d e n O r t z i e h t sich v o n S ü d o s t e n n a c h N o r d w e s t e n eine f e u c h t e W i e s e n m u l d e , in der ein T e i c h a u f g e s t a u t ist. I n seiner u n m i t t e l b a r e n N ä h e s t e h e n die A n w e s e n der f r ü h e r e n H ä u s l e r . I h n e n g e g e n ü b e r , a m e r h ö h t e n n o r d ö s t l i c h e n T a l r a n d , reihen sich 5 g r o ß e V i e r s e i t h ö f e a n e i n a n d e r , d a r u n t e r d a s e h e m a l i g e E r b r i c h t e r g u t (Nr. 3) n e b e n d e m h e u t i g e n G a s t h o f . D i e m e i s t e n ihrer S t ä l l e w e r d e n v o n d e r L P G E r n s t T h ä l m a n n R a u ß l i t z (s. Q 9) g e n u t z t . S c h r ä g g e g e n ü b e r , auf der a n d e r e n S t r a ß e n s e i t e , b e f i n d e n sich neue U n t e r s t e l l h a l l e n d e r K A P D e u t s c h e n b o r a - R a u ß l i t z s o w i e ein L a g e r p l a t z d e s Z w e c k v e r b a n des S t r a ß e n w e s e n d e s G e m e i n d e v e r b a n d e s N o s s e n . D e m 1972 g e g r ü n d e t e n Gem e i n d e v e r b a n d g e h ö r t e n 1975 D e u t s c h e n b o r a , H e y n i t z , R a u ß l i t z , R h ä s a , R ü s s e i n a u n d Z i e g e n h a i n an. 600 m s ü d ö s t l i c h v o n L e i p p e n l i e g t d a s seit e t w a 1860 a n g e s c h l o s s e n e S c h ä n i t z . 1069 i s t d a s D o r f als Sanice b e u r k u n d e t ( = L e u t e des S l a w e n S a n o d e r ö a n ) . V o n d e n u r s p r ü n g l i c h 4 G e h ö f t e n — so n o c h bei OBERREIT — b l i e b e n d u r c h Z u s a m m e n -

177

Q l legung nur 2 Vierseithöfe übrig. Das nördliche Gut erlitt in letzten Kampfhandlungen des zweiten Weltkrieges starke Schäden; an seine Stelle traten später 2 neue genossenschaftliche Schweineställe und ein Wohnhaus. Auch der andere Vierseithof dient der L P G Ernst Thälmann Raußlitz zur Unterbringung von Vieh. Q 2 Porschnitz, seit 1935 Ortsteil von Krögis, nimmt mit seinem früheren Rittergut und wenigen Häuslerstellen die Talaue eines Nebenlaufes des Käbschützer Baches ein. Wie Funde belegen, war der Ostteil des Ortes in der Bronzezeit stark besiedelt und auch später von den Slawen bewohnt. Die älteste Niederlassung auf Porschnitzer Flur lag jedoch ostsüdöstlich, im wesentlichen am Westhang von Höhe 204,3 m, und gehört der bandkeramischen Kultur an. Porschnitz mit einem Herrensitz ist das erste Mal sicher 1231 genannt. In der Bezeichnung Borsnitz verbirgt sich der altsorbische Name Borznica = schnell fließender Bach. Aus dem Rittersitz ging eine Gutsherrschaft hervor — 1519 Vorwerk, 1696 Rittergut —, die auch das Land der wenigen bäuerlichen Betriebe an sich brachte (s. Anhang A). Um 1900 ließ sie 87 ha Grundbesitz, davon 78 ha Ackerland, bewirtschaften. Die Wirtschaftsgebäude des Gutes nutzt heute die K A P Saatbau Krögis (s. Q 7), die eine große Scheune von 1884 zu einem Lagerhaus für Äpfel umbaute. Auf dem rechtwinklig anschließenden früheren Pferdestall hat sich ein Uhrturm erhalten. Wenig östlich vom Gehöft weisen Terrassen am südexponierten Talhang auf Weinbau hin. 300 m nördlich von Porschnitz und seit 1910 diesem angeschlossen, gruppieren sich die Häuser von K l e i n p r a u s i t z um eine Quellmulde. Der Ortsname — 1356 Prüz minor — nimmt auf eine Besonderheit in der Flureinteilung Bezug, denn das slawische PruZk(a) bedeutet ein streifenförmiges Feldstück (s. Bd. 30, Oschatz, S 1). Gebäude und Grundbesitz der 2 ehemaligen Vierseithöfe gelangten 1945 durch die demokratische Bodenreform in die Hände von Neubauern. 2 Eindachhöfe (Nr. 2 und 3) mit Wohn-, Stall- und Scheunenteil von 1946/48 sowie 2 Wohnstallhäuser (Nr. 8 und 9) von 1952/54 sind Zeugen dieses Prozesses. Wenige neue und alte, mit Fachwerk versehene Wohnhäuser vervollständigen den kleinen Wohnplatz.

Q 3 Mauna, seit 1935 Ortsteil von Krögis Die Flur von Mauna ist reich an urgeschichtlichen Funden. So liegen bronzezeitliche Gräberfelder nordwestlictaeowie südöstlich des Dorfes. Eine Reihe bandkeramischer Siedlungen zog sich östlich von Mauna oberhalb des Käbschützer Baches bis annähernd zur Höhe 215,4 m nordnordwestlich von Mauna hin. Neben zahlreicher Keramik und vielen Steingeräten ist hier besonders der Torso einer sitzenden weiblichen Tonplastik (Abb. 20,3), der sogenannten Venus von Mauna (mit Spiralbandverzierung), hervorzuheben. 178

1286 wird eine Familie Munen im Zusammenhang mit einem örtlichen Herrensitz Q 3 erwähnt; der erste bekannte Ortsname lautet Munen (1350), seine altsorbische Entsprechung ist als Ort des Muna zu deuten. Der Kern des alten Dorfes, 3 große ehemalige Vierseithöfe, liegt auf der Talaue bzw. am Talhang eines Nebenbaches des Käbschützer Baches. Das größte Anwesen, Nr. 1, kam durch die demokratische Bodenreform 1945 an Neubauern. Heute nutzt die K A P Saatbau Krögis (s. Q 7) seine Wirtschaftsgebäude teils zur Futteraufbewahrung, teils zur Unterstellung einer Schafherde. An der Hofeinfahrt hat sich eine unter Naturschutz gestellte Winterlinde erhalten. Seit 1934 i 11 Mauna eine Süßmostkelterei (Nr. 2) seßhaft, eine frühere Gartennahrung; ihr Wohnhaus zeigt hofseitig ein Fachwerkobergeschoß. Ergänzt wird der Ort durch eine neuere Wohnhauszeile an der Straße nach Krögis sowie durch eine Siedlung von 5 Neubauernhöfen aus den Jahren 1952 bis 1955 an der Straße zum früheren Bahnhof Mauna. Neben diesem führt ein von Eschen und Weiden eingefaßter Graben zur Maunaer Mühle, die — im 16. Jahrhundert erstmals nachweisbar — im Tal des Käbschützer Baches liegt. Dem 1970 stillgelegten Mahlbetrieb waren früher Bäckerei und Schankwirtschaft angeschlossen.

Görna, seit 1935 Ortsteil von Krögis,

Q 4

hieß 1334 und 1336 Kyrnen, was Ort an der Wasserrinne, an der Talschlucht bedeutet. Diese Erklärung nimmt auf den nahen Käbschützer Bach Bezug, der früher wohl Kyrna hieß (altsorbisch kyrna — Einschnitt im Gelände, in dem Wasser fließt). Während sich der zentrale Siedlungsteil — 1 Vierseithof, mehrere Dreiseitgehöfte sowie 1 Neubauernhof — zwischen die Fernverkehrsstraße 101 und den Käbschützer Bach zwängt, reichen ältere und jüngere Dorferweiterungen über die Aue des einmündenden Löbschbaches hinweg bis zum ehemaligen Bahnhof der Schmalspurbahn Meißen —Lommatzsch. Am großen Dreiseithof Nr. 3, in dem die L P G Florian Geyer Heynitz (s. Q 7) Milchvieh und Zuchtschweine hält, haben sich am Pferdestall eine dreibogige Kumthalle mit einem Schlußstein von 1844 sowie an der nach dem Feld gerichteten Ausfahrt ein Rundbogentor von 1800 erhalten. Eine Obstlagerhalle für Äpfel der Plantagen der K A P Saatbau Krögis steht zwischen Görna und Canitz. Nur durch einen Lößrücken von Görna getrennt, schmiegen sich die wenigen Dreiund Vierseithöfe sowie Häusleranwesen von S c h ö n n e w i t z an die Hänge des Löbschbachtales. Der Ort, der ebenfalls seit 1935 nach Krögis eingemeindet ist, hieß 1334 Schineuticz ( = die Leute des Slawen Cen oder Cin). Die Gehöfte Nr. 10 — dieses mit einer zweibogigen Kumthalle — und Nr. 9 dienen der genossenschaftlichen Kuh- und Schweinehaltung. Beim kleinen vierseitig umbauten Hof Nr. 4 hat sich ein Torhaus als Fachwerkbau mit einem Ziegelsatteldach erhalten. Benutzt man die Straße von Schönnewitz am Rand eines Kastentälchens aufwärts, so erreicht man nach 1 km L u g a (1334 Lug = Dorf an der Sumpfwiese), seit 1935 ein weiterer Krögiser Ortsteil. Seine Dreiseit- und Vierseithöfe sowie Winkelhöfe 179

Q 4 schmiegen sich an den Osthang des Tales. 2 große Gehöfte sowie der frühere Gasthof stehen weithin sichtbar auf der schmalen Wasserscheide zwischen Triebisch und Löbschbach. Bei dem G u t Nr. 2 hat sich ein Rundbogentor erhalten. W i e im benachbarten Gehöft Nr. 1 nutzt hier die L P G die Ställe zur Rinderhaltung.

Q 5 Nössige, seit 1935 Ortsteil von Krögis Zwischen Nössige und dem nordwestlich benachbarten Schänitz lag eine zusammenhängende jungsteinzeitliche Siedlung der B a n d k e r a m i k mit reichem Fundertrag. Hierzu gehört die Handhabe (ein Griff) eines Gefäßes in F o r m eines Tierkopfes. Weiterhin kamen bronzezeitliche Grabfunde zum Vorschein. Mehr nach Schänitz zu befinden sich frühgermanische Bestattungen der letzten Jahrhunderte v . u. Z., mehr nach Nössige zu, v o r allem direkt am westlichen Dorfrand, deutliche Hinweise auf slawische Siedlungen. Auf die Zeit der Slawen geht auch der Ortsname — 1334 Nescow — zurück (Dorf des Nesek). Nössige setzt sich aus ehemaligen Gehöften und Häuslerstellen zusammen, die sich v o n der alten Kuhbergstraße nach Nordosten hinziehen. Unter den ziemlich dicht angeordneten Anwesen fällt das frühere Brauschenkgut auf, dessen dazugehöriger Gasthof 1893 abbrannte und durch einen neuen gegenüber ersetzt wurde. Noch bis 1954 stellte man in Nössige Braunbier her. D a s Innere des früher vier-, jetzt dreiseitig umbauten Hofes Nr. 15 ist durch ein Torhaus aus Fachwerk zu erreichen. Hier, wie auch bei Nr. 14 und Nr. 17, n u t z t die L P G Florian Geyer H e y n i t z (s. Q 7) alte bzw. neu erbaute Ställe. Ebenso dient der Vierseithof Nr. 9 der Viehhaltung. Sein Wohnstallhaus mit Fachwerkobergeschoß besitzt ein interessantes Haustürgewände: kannelierte Säulen, darüber Pilaster und anschließend Gesims, einen Schlußstein von 1814 im Segmentbogen, den Lorbeerkranz und Ranken zieren. Nachdem sich die örtliche L P G im Jahre 1962 der von Krögis (s. Q 7) angeschlossen hatte, errichteten die Bauern am südlichen Ortsrand neue Ställe. In diesen hält die L P G Florian Geyer Läuferschweine.

Q 6 Barnitz, seit 1935 Ortsteil von Krögis, füllt mit seinen gedrängt stehenden kleinen Häusern und früheren Bauernwirtschaften und mit dem ehemaligen Rittergut sowie mehreren Neubauernhöfen eine Quellmulde, deren Rinnsal nach Nordosten in Richtung Porschnitz abfließt. Die älteste bekannte Nennung — 1323 Bornewic — läßt die Erklärung Leute des Slawen Boren oder Boran zu. Obwohl das Rittergut erst 1696 in einem Verzeichnis genannt ist, hatte es bereits vorher seinen Besitz durch A u f k a u f von Bauernland im unmittelbar benachbarten M e s c h w i t z vergrößert, wo es ein als Schäferei genutztes B e i g u t einrichtete. Dieser kleine Ortsteil — 1466 Meczschewicz = die Leute des Meö(a) — gehörte schon immer zu Barnitz.

180

Der B e s i t z des R i t t e r g u t e s k a m durch die demokratische B o d e n r e f o r m 1945 in die H ä n d e v o n Neubauern, die sich nahe beim früheren Herrenhaus E i n d a c h g e h ö f t e errichteten. D u r c h Aus- und U m b a u entstanden daraus in der Folgezeit W o h n häuser, so Nr. 29 für 2 Familien. Die langgestreckten W i r t s c h a f t s g e b ä u d e des G u t e s nahmen die Maschinenausleihstation T h o m a s Müntzer, die spätere Maschinen-Traktoren-Station, auf. H e u t e arbeitet hier ein Kreisbetrieb für L a n d t e c h n i k (Bild 31), in einem G e b ä u d e sind W o h n u n g e n und eine Verkaufsstelle untergebracht. D a s Herrenhaus, an dem eine unter N a t u r s c h u t z gestellte Allee aus L ä r c h e n vorbeiführt, nutzen der K i n d e r g a r t e n und eine Außenstelle der Krögiser staatlichen Arztpraxis.

Krögis, K r e i s Meißen, ist V e r w a l t u n g s z e n t r u m v o n 13 Ortsteilen, ferner Schul- und K i r c h o r t sowie Sitz einer kooperativen A b t e i l u n g Pflanzenproduktion. E s erstreckt sich beiderseits der Fernverkehrsstraße 101 auf der relativ schmalen Wasserscheide zwischen H ö l l b a c h im W e s t e n und L ö b s c h b a c h im Osten, dessen stark geneigten westlichen T a l h a n g locker aufgereihte Anwesen einnehmen. Neue W o h n - und W i r t s c h a f t s b a u t e n haben den Ortsrand weit n a c h Südwesten verschoben. 1183 wird im Z u s a m m e n h a n g m i t einem Herrensitz eine Familie Creuz, Chriguz genannt. 1311 ist der O r t als Crijuz beurkundet, w a s auf eine A b l e i t u n g als Siedlung des Slawen K r e g u s oder K r e g u c h verweist. A n welcher Stelle der 1227 nochmals bezeugte Herrenhof sich befunden hat, konnte bisher nicht ermittelt werden. D e r D o r f k e r n b a u t sich aus 2 in A n l a g e und A l t e r unterschiedlichen Teilen auf, wie dem F l u r k r o k i v o n 1839 zu entnehmen ist. I m Norden ist ein slawischer R u n d w e i l e r zu erkennen, später durch 2 Güter mit je 2 H u f e n B e s i t z erweitert. I m Bereich der jüngeren Siedlung befinden sich a u c h das P f a r r g u t und das Erbrichtergut, das alte Schenkengut. Gegen 1800 erfolgte die T r e n n u n g der S c h a n k w i r t s c h a f t v o m bäuerlichen Betrieb, und der heutige Gasthof unmittelbar an der D u r c h g a n g s s t r a ß e w u r d e errichtet. B e n a c h b a r t dazu erhielt der große Vierseithof Nr. 1 seinen jetzigen P l a t z nach einem B r a n d im Jahre 1834, die dazugehörige Brauerei stellte um 1920 ihre P r o d u k t i o n ein. Sein früheres Gutsbesitzerwohnhaus, j e t z t staatliche A r z t p r a x i s und Kindergarten, wird v o n einem W a l m d a c h abgeschlossen. E i n Mittelrisalit m i t wappenverziertem Dreiecksgiebel s c h m ü c k t die z u m P a r k hin gerichtete Seite. Z u den n a c h i960 meist neu a u f g e b a u t e n W i r t s c h a f t s g e b ä u d e n , so einer Hopfendarre, gesellte sich das V e r w a l t e r h a u s der K A P S a a t b a u . A n der R ü c k s e i t e des H o f e s entstand eine genossenschaftseigene R e p a r a t u r w e r k s t a t t mit Tankstelle, Garagen sowie H a l l e n zur L a g e r u n g v o n landwirtschaftlichen P r o d u k t e n . A m B e g i n n der sozialistischen E n t w i c k l u n g in der L a n d w i r t s c h a f t stand in K r ö g i s die G r ü n d u n g der L P G T y p I I I K a r l Reinhold im Jahre 1952, der sich 1962 die beiden L P G s T y p I Zur l i n d e und G u t e H o f f n u n g anschlössen. D a sich die Genossenschaft auf die F u t t e r p f l a n z e n v e r m e h r u n g spezialisiert hatte, erfolgte 1968 die U m b e n e n n u n g in L P G T y p I I I S a a t b a u ; sie w a r A u s g a n g s b e t r i e b der 1973 ins L e b e n gerufenen gleichnamigen kooperativen A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n . Diese be13

Elbtal

181

arbeitet eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 3647 ha (1975), die die LPG Saatbau (1736 ha), die L P G Florian Geyer Heynitz (1508 ha) sowie das Volksgut Leutewitz und die L P G Aufbau Burkhardswalde einbrachten. Hauptproduktionsrichtung ist auf 75 % der Ackerfläche der Anbau von Mähdruschfrüchten, so Winterweizen, Winter- und Sommergerste, ferner von Futterpflanzen für die Saatgutgewinnung. Es fallen aufschlagen von durchschnittlich 60 ha Größe während der Blütezeit Rotklee, Futtererbsen, Ackerbohnen, Winterwicken und Büschelkraut (Phazelie) auf. Durch bessere Sorten und Bodenbearbeitung stiegen die Hektarerträge zwischen den sechziger Jahren und 1972 bei Futterpflanzensamen und Getreide zum Teil erheblich, so bei Erbsen von 18 auf 27, bei Ackerbohnen von 10 auf 33, bei Getreide von 36,5 auf 52 dt. E t w a 420 ha Grünland stehen der Weidewirtschaft und der Heugewinnung zur Verfügung. Die Arbeitskräfte eines speziellen Bereiches beschäftigen sich mit den 225 ha großen Obst- und 24 ha umfassenden Hopfenanlagen. Um 1970 legte die damalige L P G zwischen Krögis, Görna, Pauschütz und Mauna Apfelplantagen an. Die ausgesprochen landwirtschaftlich orientierte Struktur drückt sich auch in der relativ niedrigen Zahl von 44 % der Werktätigen aus, die auswärts einer Beschäftigung, vor allem in Meißen, nachgehen. Die Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft spiegelt sich in den Wohnhausneubauten von Krögis wider. Schufen sich nach 1952 die Genossenschaftsbauern noch Einfamilienhäuser, so folgten um 1956 2 Vierfamilien- und 1965 sogar 2 Zwölffamilienwohngebäude. 1969 konnte unterhalb der Neubauten, im Tal des Löbschbaches, ein neues Freibad eingeweiht werden. Auch eine Kinderkrippe richteten die Einwohner in einem früheren Gehöft ein. Von welcher Seite aus man sich dem Dorf auch nähert, immer zieht die Kirche mit dem steilen Ziegeldach und dem 47 m hohen schieferbeschlagenen Turm den Blick auf sich. Restaurierungen in den Jahren 1909 und 1938 folgte 1968 bis 1971 erneut eine äußere und innere Wiederherstellung. Die 1783 erbaute Kirche hat an ihrer Längsseite 5 Fenster, über die sich ein Stichbogen mit Schlußstein wölbt. Über der Westseite ragt der später hinzugefügte Turm empor. In den etwa 35 m langen, flach gedeckten Kirchensaal sind 2 hölzerne Emporen und die Orgelempore eingefügt worden. Die durchgehende Verglasung der ehemaligen Betstuben unter den Emporen entspricht dem klassizistischen Stil von 1835, der vor allem auch im Aufbau des Kanzelaltars zum Ausdruck kommt. Im Schlußstein der Tür des benachbarten Pfarrhauses ist zwar die Jahreszahl 1822 zu lesen, doch läßt die Längsseite mit vorspringendem Obergeschoß auf ein höheres Alter schließen. Die Baugeschichte führt bis in das Jahr 1571 zurück. In die untere Reihe der Fachwerkfelder sind balusterartig ausgeschnittene Bretter eingefügt. Unmittelbar am Kirchhof steht die alte Schule (Nr. 9), deren Räume noch dem Unterricht dienen. Die neue von 1925 schräg gegenüber mußte 1969 erweitert werden, da außer den Kindern aus Krögis und seinen Ortsteilen auch die aus Raußlitzer und Jahna-Löthainer Ortsteilen hierherkommen. Können in Krögis an mehreren Gebäuden Fachwerkobergeschosse und -giebel (Xr. 10, 11) festgestellt werden, so trifft das in erhöhtem Umfang auch für die großen Vierseithöfe von G ö r t i t z zu, einem seit 1924 eingemeindeten Ortsteil. Wie 182

die A b l e i t u n g seines O r t s n a m e n s — 1334 Gorenczg, zu s l a w i s c h gora — B e r g — belegt, z i e h t sich d a s a u s s c h l i e ß l i c h b ä u e r l i c h e D o r f den steilen w e s t l i c h e n T a l h a n g des L ö b s c h b a c h e s bis auf die H o c h f l ä c h e hinaus. B e s o n d e r s g u t e r h a l t e n b l i e b d e r vierseitig u m b a u t e Hof a m südlichen Ortsende. D a s Innere mit 2 großen K a s t a nien ist e n t w e d e r d u r c h eines der b e i d e n R u n d b o g e n t o r e (1832) oder d u r c h eine P f o r t e z u erreichen. A u ß e r b e i m W o h n s t a l l h a u s b e s t i m m t an allen G e b ä u d e n sichtb a r e s F a c h w e r k d e n B a u s t i l . S c h r ä g g e g e n ü b e r e r r i c h t e t e die L P G einen n e u e n S t a l l f ü r 250 M i l c h k ü h e sowie B e r g e r ä u m e .

Soppen, seit 1935 O r t s t e i l v o n K r ö g i s , n i m m t d e n ö s t l i c h e n T a l h a n g des H ö l l b a c h e s u n d eine a n s c h l i e ß e n d e f l a c h e Gel ä n d e k u p p e ein, z u g l e i c h W a s s e r s c h e i d e z w i s c h e n H o l l - u n d L ö b s c h b a c h . S ü d ö s t lich v o m O r t b e f a n d sich ein L a g e r v o n k r i s t a l l i n e m K a l k s t e i n d i r e k t a m L ö b s c h bachtalhang. D e r O r t s n a m e S o p p e n (1254 Schopun) ließ sich b i s h e r n o c h n i c h t e i n w a n d f r e i erk l ä r e n . I m M i t t e l a l t e r g a b es in S o p p e n ein L a n d r i c h t e r - o d e r S u p a n g u t m i t B r a u u n d S c h a n k g e r e c h t i g k e i t . V o n hier a u s w u r d e eine S u p a n i e (s. Seite 15) m i t e t w a 20 D ö r f e r n v e r w a l t e t . I m V e r l a u f v o n V e r w a l t u n g s n e u o r d n u n g e n k a m die S u p a n i e i m 16. J a h r h u n d e r t a n d e n östlich u n d s ü d l i c h a n g r e n z e n d e n W i t z e s s e n b e z i r k (s. Seite 15). N e b e n w e n i g e n kleinen W o h n h ä u s e r n f a l l e n u m f a n g r e i c h e G e h ö f t a n l a g e n auf. V o n d e n e h e m a l s v o r h e r r s c h e n d e n V i e r s e i t h ö f e n ist N r . 2 n o c h v o l l s t ä n d i g e r h a l t e n . V o r d e m E i n g a n g m i t R u n d b o g e n t o r v o n 1823 u n d m i t 2 F u ß g ä n g e r p f o r t e n — eine d a v o n ist z u g e m a u e r t — s t e h e n 2 U l m e n . A m W o h n s t a l l h a u s b e e i n d r u c k e n v o m H a u s t ü r g e w ä n d e die T ü r s ä u l e n m i t G i r l a n d e n m u s t e r u n d der S c h l u ß s t e i n m i t B l a t t m u s t e r sowie der J a h r e s z a h l 1822. D i e L P G F l o r i a n G e y e r b z w . der K A P S a a t b a u (s. Q 7) n u t z e n alle G e b ä u d e , eins d a v o n als B e t r i e b s k ü c h e .

Zetta, seit 1935 O r t s t e i l v o n R a u ß l i t z , hieß bei seiner e r s t e n b e k a n n t e n N e n n u n g Zcetkow (1334), dessen a l t s o r b i s c h e E n t s p r e c h u n g als O r t des C e t ( e ) k e r k l ä r t w i r d . Seine in g r o ß e n A b s t ä n d e n v o n e i n a n d e r a n g e o r d n e t e n G e h ö f t e u n d n i c h t b ä u e r l i c h e n A n w e s e n f ü l l e n eine b r e i t e G e l ä n d e m u l d e i m L ö ß h ü g e l l a n d aus. D e r u m f ä n g l i c h s t e V i e r s e i t h o f (Nr. 6) liegt a m n ö r d l i c h e n O r t s r a n d u n d g i n g w a h r s c h e i n l i c h aus e i n e m 1762 e r w ä h n t e n V o r w e r k h e r v o r . I n seinen H o f r a u m g e l a n g t m a n d u r c h ein R u n d b o g e n t o r o d e r d u r c h eine F u ß g ä n g e r p f o r t e . A l l e G e b ä u d e w e r d e n v o n der L P G E r n s t T h ä l m a n n R a u ß l i t z gen u t z t : eine u m g e b a u t e S c h e u n e u n d der v e r ä n d e r t e P f e r d e s t a l l als S c h w e i n e s t ä l l e , d e r S t a l l t e i l des W o h n h a u s e s f ü r K ü h e . A m ö s t l i c h e n O r t s a u s g a n g n a c h G a l l s c h ü t z e r r i c h t e t e sich die i 9 6 0 g e g r ü n d e t e L P G G l ü c k a u f L a g e r h a l l e u n d W a a g e . 1973 e r f o l g t e der A n s c h l u ß a n die L P G K l e m e n t G o t t w a l d R a u ß l i t z m i t S i t z in P i n n e w i t z , d e r e n l a n d w i r t s c h a f t l i c h e N u t z 13*

183

Q 9 fläche etwa 1100 ha betrug. Sie vergrößerte sich 1974 um weitere 1000 ha, nachdem sich die L P G s Friedenstaube Höfgen und Ernst Thälmann Ziegenhain mit ihr vereinigt hatten. Seit 1975 bewirtschaftet die K A P Deutschenbora-Raußlitz (Gesamtumfang 5000 ha) diese 2 100 ha, davon 1900 ha als A c k e r in Schlägen zwischen 80 und 100 ha. E s werden etwa 55 % der Fläche mit Getreide, 14 % mit Zucker- und Futterrüben, 14 % mit Klee und Feldfutter sowie 12 % mit Feldfuttervermehrungsarten bestellt. U m große Schläge mit modernen Maschinen bearbeiten zu können, mußten erhebliche Bodenwasser- und Reliefmeliorationen durchgeführt werden. D a m i t erreichte man eine günstige unterirdische A b f ü h r u n g des Bodenwassers sowie einen Ausgleich in den Hohlformen. 500 m östlich von Zetta liegt das bereits seit 1858 eingemeindete G a l l s c h ü t z . Sein N a m e (1334 Golschicz) bedeutet: die Leute des Slawen Golek oder Golis. Der große Vierseithof Nr. 1 — 1762 als Vorwerk erwähnt — ist durch ein Rundbogentor zu erreichen, das im Schlußstein neben Besitzerinitialen eine Krone und stilisierte Pflanzenzweige aufweist. In beiden Torsäulen sind Inschriftentafeln aus dem 18. Jahrhundert eingelassen. Sowohl der frühere Pferdestall mit einem vorgezogenen Mittelgiebel über der dreibogigen K u m t h a l l e als auch die übrigen Gebäude dienen der genossenschaftlichen Schweinehaltung. Ergänzt wird die kleine Siedlung durch ein Gasthaus, eine frühere Wassermühle sowie wenige, an den H a n g f u ß gestellte Wohnhäuser.

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Schrebitz, seit 1935 Ortsteil von Raußlitz, schmiegt sich an den nördlichen R a n d einer Geländedelle, die im weiteren Verlauf in eine Tilke, also ein T a l mit scharf ausgeprägter Oberkante und nicht ständig wasserführendem Rinnsal, übergeht. Der N a m e — 1334 Screpicz — läßt 2 verschiedene Deutungen zu, die beide auf slawisches W o r t g u t zurückzuführen sind: Scherbenort von crep oder Ort am schädelähnlichen Berg von cfop = Hirnschädel. Das Siedlungsbild wird von kleinen, eng benachbarten Zwei- und Dreiseitwirtschaften bestimmt, ergänzt von großen Vierseithöfen im Nordosten und Südwesten. Der nördlichste Hof (Nr. 1) mit Fachwerk im Obergeschoß des Wohnstallhauses und an der Scheune unterliegt der genossenschaftlichen Viehhaltung der L P G Ernst Thälmann Raußlitz (s. Q 8). Das benachbarte, jetzt nur noch dreiseitig umbaute Anwesen läßt einen Haustürstock mit ornamentierten Säulen und der Jahreszahl 1825 im Schlußstein erkennen. 1 k m südwestlich von Schrebitz neigt sich eine Quellmulde nach Norden, in der sich die Zwei-, Drei- und Vierseithöfe sowie Häuslergrundstücke von K a r c h a ausbreiten. K a r c h a — seit 1935 ebenfalls Ortsteil von Raußlitz — wird 1435 erstmals erwähnt (Corschaw = Ort des Slawen Korch). I m Jahre 1800 gab es 4 Bauern-, 4 Gartennahrungs- sowie 12 Häusleranwesen. Diese Anzahl hat sich bis zur Gegenw a r t nicht verändert, jedoch wurden Wirtschaftsgebäude beseitigt, so daß frühere Vierseithöfe jetzt nur noch Wohnzwecken dienen. I m kleinen vierseitig umbauten Anwesen Nr. 12 nutzt die L P G einen Viehstall.

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Höllbachtal Südwestlich von Soppen entspringt der Höllbach in einer breiten Mulde. Im weiteren Verlauf hat er den östlichen Talhang durch Unterschneidung sehr stark versteilt und ein asymmetrisches Profil geschaffen. Nach 4,5 km mündet das Rinnsal in den Käbschützer Bach. Das Quellgebiet des Baches beherbergt einige Pflanzenarten, die sowohl in montanen Lagen als auch in der Niederung verbreitet sind und von denen wir hier ihren einzigen Fundort in der Umgebung von Meißen besitzen. Hierzu zählen Berglappenfarn (Lastrea oreopteris), Spitzblütige Binse (Juncus acutiflorus) und Buchenfarn (Phegopteris connectilis). Der mittlere Teil des Höllbachtales weist kleine Waldstücke auf, die sich aus den in solchen Geländeformen üblichen Gebüsch- und Baumarten aufbauen (s. Seite 9). Große Bestände bilden vor allem Traubenkirsche (Prunus padus) und Schneeball (Viburnum opulus). Neben den allgemein verbreiteten Laubwaldpflanzen (s. E 9, P 13, R 7) findet man auch subkontinentale Wechselfeuchtezeiger, wie Weidenalant (Inula salicina) und Heilziest (Betonica officinalis).

Wuhsen, seit 1935 Ortsteil von Heynitz,

Q 12

liegt oberhalb einer feuchten Wiesendelle, die zum Löbschbach hinabzieht, und 800 m südöstlich von Soppen. Sein Name — 1334 Ugest — geht auf das altsorbische Wort ujezd im Sinne von durch Umreiten abgegrenztes, für die Rodung bestimmtes Land zurück und bedeutet Rodungssiedlung. Lediglich 3 Yierseithöfe, deren alte oder neu erbaute Ställe der genossenschaftlichen Viehhaltung dienen, und 3 Wohnhäuser setzen den Ort zusammen. Im Gehöft Nr. 4 wurde in dem früheren Pferdestall mit Fachwerkobergeschoß eine zusätzliche Wohnung eingebaut.

Garsebach, Kreis Meißen,

R 1

umfaßt mehrere Siedlungsteile im Tal der Triebisch (Niedergarsebach, Altrobschütz; s. R 2 ) , der Kleinen Triebisch (Niedersemmelsberg) sowie an ihren steil aufsteigenden Hängen (Obergarsebach, Obersemmelsberg, Neurobschütz). Garsebach (1228 Cozzebuc) verdankt seinen Namen einem slawischen Wort und bedeutet Ort an den Zwergbuchen, im Slowakischen heißt noch heute Krsek = Zwerg. Später erfolgte die Angleichung an das deutsche Grundwort -bach. 1350 wird in Korzeburg ein Allodium erwähnt, möglicherweise einer der beiden Vierseithöfe in O b e r g a r s e b a c h . Dieser bäuerliche Ortsteil liegt 40 bis 60 m über der Triebischaue. Ihn ergänzen einige ältere und neue Wohnhäuser. Den Vierseithof Nr. 39 erreicht man durch ein Torhaus von 1863, an dem eine zweibogige Kumthalle auf seine frühere Bedeutung als Pferdestall hinweist. Heute sind darin Wohnungen eingerichtet. Dieses Gehöft sowie der benachbarte Berghof (Nr. 40) werden von der L P G August Bebel zur Unterbringung von Milchvieh genutzt, nahebei steht ein neues Stallgebäude.

185

R 1

Die Häuslerzeile m i t wenigen zweiseitigen G e h ö f t e n (Kr. 4, 10), mit dem Schulgeb ä u d e und mehreren W a s s e r m ü h l e n an der linken U n t e r k a n t e des Triebischtalhanges h e i ß t seit 1588 N i e d e r g a r s e b a c h . E i n eigenes Schulgebäude (Nr. 17) errichteten sich die E i n w o h n e r 1832, später als B ä c k e r e i bis 1973 genutzt. E i n neues Schulhaus k o n n t e 1869 eingeweiht werden, dem 1905 ein weiteres folgte (Nr. 14). In dieser p o l y t e c h n i s c h e n Oberschule erhalten die Schüler, a u c h die aus Polenz, in den K l a s s e n 1 bis 8 Unterricht, die 9. und 10. K l a s s e n besuchen eine Meißner Schule. V o n den ehemals 4 Mühlen, die das Triebischwasser als A n t r i e b s k r a f t nutzten, arbeiteten 1975 noch die B a r t h - und die Fichtenmühle. In der Fichtenmühle erzeugt eine W a s s e r t u r b i n e elektrischen Strom, der zusammen m i t L e i t u n g s s t r o m die A g g r e g a t e antreibt. Diese mahlen täglich f ü r verschiedene Brauereien e t w a 12 t Braugerste und Reis. W i e in der B a r t h m ü h l e wird a u c h Schrot hergestellt. Die W a l k m ü h l e , neben der früher eine Ziegelei arbeitete, stellte u m i960 ihren B e t r i e b ein, die Mittelmühle erst 1973. A n ihrem Mahlhaus erinnert eine G e d e n k t a f e l an den A u f e n t h a l t d e s D i c h t e r s OTTO LUDWIG in d e n J a h r e n 1844

UND

1845.

V o n Niedergarsebach triebischtalaufwärts erreicht m a n das j e t z t als K i n d e r h o r t g e n u t z t e frühere B a h n h o f s g e b ä u d e der 1909 bis 1966 betriebenen Schmalspurbahnen nach W i l s d r u f f und nach L o m m a t z s c h . U n m i t t e l b a r daneben erhielt die Gemeinde 1974 ein neues E i n k a u f s z e n t r u m . V o n hier aus zieht im T a l der K l e i n e n Triebisch a u f w ä r t s als 1 k m lange Reihe aus ehemaligen Häuslerstellen und Gartennahrungen N i e d e r s e m m e l s b e r g , dem sich a m T a l h a n g in R i c h t u n g Polenz O b e r s e m m e l s b e r g anschließt. D e r N a m e t a u c h t erstmals 1551 auf, als „ L e u t e y h m Semeis Grunde" genannt werden, und ist als O r t a m Semmel(mühl)grund zu deuten, v o n mittelhochdeutsch semel = feines Weizenmehl. 1826 kennzeichnet ein B e r i c h t (PÄTZOLD U. HÄHNEL 1957) DAS Dorf als v o n armen Häuslern und Leinewebern bewohnt. Die meisten der inzwischen modernisierten W o h n h ä u s e r s t a m m e n aus der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts. Die G r u n d m ü h l e (Nr. 19) stellte ihren B e t r i e b A n f a n g der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Die Preiskermühle (Nr. 41) a m Dorfende v o n Niedersemmelsberg liegt seit dem ersten W e l t k r i e g still. N a c h einer A n g a b e im Schwellenbalken des F a c h w e r k s a m H a u p t g e b ä u d e zu urteilen, wurde sie 1723 erbaut. 1843 e r k a u f t e sich der Besitzer den Reiheschank v o n der Gemeinde Semmelsberg und legte somit den Grundstein f ü r den heutigen Gaststättenbetrieb. Die G e b ä u d e des Dreiseithofes stehen wegen ihres F a c h w e r k e s unter D e n k m a l s c h u t z . In einem turmartigen D a c h a u s b a u m i t W e t t e r f a h n e ist ein T a u b e n s c h l a g eingebaut.

R 2 R o b s c h ü t z , seit 1950 Ortsteil v o n Garsebach, zieht sich v o n der Triebischbrücke a m ehemaligen Garsebacher B a h n h o f i m T a l a u f w ä r t s bis z u m früheren R i t t e r g u t A l t r o b s c h ü t z . W e s t s ü d w e s t l i c h v o m O r t liegt auf einem Felssporn, dem B u r g b e r g , hoch über dem linken Ufer der Triebisch ein slawischer A b s c h n i t t s w a l l , der v o n der westlich anschließenden H o c h f l ä c h e einen

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Z u g a n g hat. Der Durchmesser der geschützten A n l a g e erreicht m a x i m a l 65 m, die R 2 größte W a l l h ö h e an der A u ß e n b ö s c h u n g 10 m. Die W a l l k o n s t r u k t i o n setzt sich aus einer äußeren steinernen Blendmauer, inneren Holzsicherungssystemen m i t E r d und L e h m f ü l l u n g und einem inneren A b s c h l u ß durch H o l z k o n s t r u k t i o n zusammen. Die F u n d e , hauptsächlich slawische K e r a m i k , gehen mindestens bis ins 10. Jahrhundert zurück. Die B e f e s t i g u n g ist nach der deutschen E r o b e r u n g des L a n d e s 929 sicherlich noch b e w o h n t und g e n u t z t worden. In der Periode der deutschen Ostexpansion wurde ein Herrensitz gegründet, 1228 als Robatsitz e r w ä h n t ( = L e u t e des R o b a k oder Robaö). I m 16. J a h r h u n d e r t wurde das A n w e s e n als V o r w e r k , seit dem 17. Jahrhundert als R i t t e r g u t geführt. In einem Steinbruch g e w a n n m a n seit 1806 K a l k t u f f , der in einem K a l k o f e n geb r a n n t wurde. D a s fast völlig a b g e b a u t e V o r k o m m e n , welches bereits 1565 KENTMANN erwähnte, befindet sich zwischen dem B u r g b e r g und der Triebisch. Sickerwässer, die K a l k aus dem benachbarten L ö ß a u f g e n o m m e n hatten, schieden ihn in jüngster geologischer Zeit als K a l k t u f f an der E i n m ü n d u n g des Tälchens in die Triebisch wieder aus. V o r allem im 19. Jahrhundert f a n d m a n zahlreiche Versteigerungen, so A b d r ü c k e v o n B l ä t t e r n , Schneckengehäusen und K n o c h e n kleiner Landtiere. R o b s c h i i t z u m f a ß t mehrere Siedlungsteile. Der älteste Teil m i t Zwei- und Dreiseithöfen sowie Häuslerstellen z w ä n g t sich zwischen die Eisenbahnlinie Meißen — D ö b e l n und das frühere R i t t e r g u t , dessen W o h n h a u s seit 1947 als K i n d e r g a r t e n d i e n t ; die W i r t s c h a f t s g e b ä u d e sowie das dazugehörende L a n d k a m e n durch die demokratische B o d e n r e f o r m 1945 an Neubauern, v o n denen einige sich E i n d a c h g e h ö f t e erbauten, so Nr. 41 und 42. E i n weiterer Dorfteil, Neurobschütz, besteht aus je einem Drei- und Vierseithof — dieser m i t einer dreibogigen K u m t h a l l e a m früheren P f e r d e s t a l l — sowie einer Häuslerstelle. Hier n u t z t die L P G A u g u s t B e b e l A l t b a u t e n und neu errichtete Ställe für K ä l b e r a u f z u c h t und Schweinemast. A m Südo s t h a n g des Großen Angstberges errichtete sie u m 1954 g r ° ß e N e u b a u t e n f ü r die Kuhhaltung. Die L a n d w i r t s c h a f t bildet den S c h w e r p u n k t der örtlichen W i r t s c h a f t , deren genossenschaftliche E n t w i c k l u n g 1953 m i t der G r ü n d u n g der L P G T y p I I I Neuer W e g begann. I m Jahre 1970 vereinigte sich diese m i t der L P G T y p I I I A u g u s t B e b e l in Miltitz, die seitdem ihren Sitz in R o b s c h ü t z hat. V o n ihrem 816 h a umfassenden L a n d sind e t w a 240 h a als Dauergrünland ausgewiesen, darunter zu Wiesen umgewandeltes A c k e r l a n d an den steilen H ä n g e n der Triebischtäler. Der hohe Grünlandanteil ermöglicht eine intensive F ä r s e n a u f z u c h t , auch auf W e i d e n . A m 1. J a n u a r 1976 ü b e r n a h m die K A P S a a t b a u K r ö g i s die landwirtschaftliche N u t z f l ä c h e zur Bearbeitung, die L P G Florian G e y e r H e y n i t z die V i e h w i r t s c h a f t . D e r E i s e n b a h n d a m m t r e n n t die beiden älteren R o b s c h ü t z e r Häusergruppen v o n noch jüngeren. So entwickelte sich bei der oberen Papierfabrik, seit 1932 T a l k u m vermahlungswerk und heute Betriebsteil des V E B D a c h p a p p e n - und Isolierstoffw e r k e Coswig, ein kleiner W o h n p l a t z . E b e n f a l l s zwischen Eisenbahn und Triebisch z w ä n g t sich die untere Papierfabrik. N a c h 1962 zogen der T e c h n i k s t ü t z p u n k t der L P G A u g u s t B e b e l in ein Gebäude, der R a t der Gemeinde in ein anderes ein. A m R a n d des Fabrikgeländes entstanden

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R 2 eine Traktorenhalle (1962), eine Sporthalle mit Bibliothek und eine Gemeindeküchc (1967). Nahebei hat die Omnibuslinie von Meißen nach Garsebach ihren Endpunkt. Mit Hilfe dieser günstigen Verbindung geht die Mehrzahl der Werktätigen von Garsebach und seinen Ortsteilen einer auswärtigen Arbeit nach.

R 3 Jokischberg (202 m), im Volksmund auch Gucksch oder Kokisch genannt, läßt sich mit der slawisierten Form des Namens Jakob, nämlich Jokus oder Jakus, in Verbindung bringen. Die Erhebung fällt nach Westen, nach Süden und nach Norden ab. Der natürliche Zugang zum Jokischberg ist lediglich von Osten möglich. Dort finden wir einen verflachten Wall mit Vorgraben und zusätzlichen Sicherungsanlagen bis an den Rand des Triebischtales. Die größten Ausmaße des geschützten Geländes betragen 200 m mal 200 m. Dazu kommt noch ein vorgelagerter Abschnittswall. Den Funden nach zu urteilen, stammt die Schanze wie die Befestigung auf der gegenüberliegenden Seite bei Robschütz (s. R 2) aus der slawischen Periode. Das Gelände war vorher teilweise als bronzezeitliches Gräberfeld genutzt worden, Befestigungsanzeichen aus dieser Zeit fehlen jedoch. Der westliche und nördliche Hang des Jokischberges sind infolge ihrer sehr starken Neigung mit Laubmischwald bestanden. Dagegen bieten die übrigen Flächen Möglichkeiten zur landwirtschaftlichen Nutzung, die von der K A P Triebischtal in Rothschönberg besorgt wird. Auf der Kuppe stehen 2 Dreiseithöfe, deren Gebäude vorwiegend in Fachwerk aufgeführt sind und Schieferdächer tragen.

R 4 Kleines Triebischtal Die Kleine Triebisch als wasserreichster Zufluß der Triebisch nimmt in einer Wiesenmulde zwischen den Dörfern Herzogswalde und Grumbach ihren Anfang. Auf ihrem 17,8 km langen Lauf verzeichnet man einen Höhenunterschied von etwa 150 m bis zur Einmündung bei Garsebach. Das Einzugsgebiet von 35,2 km 2 umfaßt im wesentlichen offene Ackerbaulandschaft (s. N 7). Der von Südosten nach Nordwesten verlaufende untere Talabschnitt, der einem 270 ha großen Landschaftsschutzgebiet angehört, weist eine 35 bis 80 m breite Sohle auf, Verengungen fallen mit steilen Gefällspartien zusammen. Hier sind auch Hänge mit Neigungswinkeln von über 15 0 ausgebildet, insbesondere an Süd- und Südwestseiten ( H A R T M A N N 1965). Mehrere Mühlen (s. R 1, S 4) nutzten früher die Wasserkraft der Kleinen Triebisch. Die Helmmühle wurde 1975 zu einem Betriebsferienheim ausgebaut. In ihrer Nähe steht eine Hütte der Meißner Jagdgesellschaft Heinrich Rau, ein früheres Bahnhofsgebäude an der Strecke Meißen—Wilsdruff. Von hier aus erfolgt auch Wildhege, so von Fasanen, die für den Kreis Meißen zentral ausgesetzt werden. Während 4 bis 5 Rehe im Durchschnitt auf 100 ha Holzbodenfläche als Standwild vorkommen, 188

wechseln Wildschweine von der Struth bei Wilsdruff und aus dem Grillenburger R 4 Wald herüber. Die Kleine Triebisch ist das einzige Gewässer des Kreises Meißen, in dem noch Forellen leben. Am Wasser kommen Wildenten vor, Wasseramsel und Eisvogel ebenso, jedoch nur als Durchzügler. Erwähnung verdienen auch Waldschnepfe und Steinkauz. Schließlich kann man Bisamratten und verschiedene Raubwildarten beobachten.

Sönitz, seit 1974 Ortsteil von Taubenheim,

R 5

war seit 1938 das administrative Zentrum der Orte zwischen den tief eingeschnittenen Tälern der Triebisch und der Kleinen Triebisch. Es schmiegt sich mit seinen 3 ehemaligen Gehöften an den westlichen Talhang des Gallenbaches und erfuhr eine bedeutende Erweiterung nach Süden und Westen durch Stallneubauten. Der Name Zenizi aus dem Jahre 1018 ist als Heu(macher)ort zu deuten (altsorbisch seno = Heu). Die ausgesprochen landwirtschaftlich orientierte Produktion in der Umgebung von Sönitz sowie die relativ ungünstige Verbindung nach der Kreisstadt Meißen bewirken, daß 66 % der Beschäftigten im Ort arbeiten. Fast ausschließlich Wohnzwecken dienen die früheren Gehöfte, Nr. 1 noch mit einer einbogigen Kumthalle an dem ausgebauten Pferdestall. Im Vierseithof Nr. 3, wo 1974 ein Wirtschaftsgebäude abbrannte, hat in dem nach Süden gerichteten und 1884 erbauten Wohnhaus die L P G T y p III Einheit ihren Sitz. Sie wurde am 20. Oktober 1952 als L P G T y p I gegründet und umfaßte nach dem Anschluß der Taubenheimer Genossenschaft 1400 ha Nutzfläche. Die Boden- und Anbauverhältnisse des seit 1974 von der K A P Triebischtal Rothschönberg bearbeiteten Landes entsprechen etwa denen von Bockwen (s. P 12). Die Genossenschaftsbauern halten Milchkühe und treiben Schweinezucht. Sie nutzen gegenwärtig neue Ställe in Sönitz, Ullendorf (s. S 4) und Seeligstadt. Nach der Fertigstellung der Anlage können 5000 Zuchtsauen gehalten und 26000 Läufer geliefert werden, und zwar an Mastbetriebe in Deutschenbora, Gröbern und Streumen bei Gröditz. Kaum 800 m nordöstlich von Sönitz erheben sich auf der schmalen Wasserscheide zwischen Gallenbach im Westen und Kleiner Triebisch im Osten die Gehöfte und wenigen Wohnhäuser von K e t t e w i t z , seit 1974 Ortsteil von Taubenheim. Sein Name Katenwicz von 1428 bedeutet in der altsorbischen Entsprechung die Leute des Choten. Unter den Bauern — im 18. Jahrhundert noch 9 besessenen Mann — vollzog sich unter kapitalistischen Bedingungen im 19. Jahrhundert eine starke Differenzierung, so daß nur 5 große Vierseithöfe übrigblieben. In dem kleinsten von ihnen (Nr. 1) mit einem Haustürschlußstein von 1785 arbeitete seit 1924 eine Molkerei, gegenwärtig sind in dem Dreiseitgehöft 2 Wohnungen eingebaut.

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R 6 Piskowitz, seit 1974 Ortsteil von Taubenheim, unterstand von 1938 an der Gemeinde Sönitz, die zuletzt ihren Verwaltungssitz in Piskowitz hatte. Der Ortsname wurde 1239 bei der ersten Nennung Bizcopiz geschrieben (Erklärung s. K 4). Die Anzahl der Gehöfte hat sich im 19. Jahrhundert, wie in anderen Orten (s. R 5), durch Zusammenlegung verringert. Die Gebäude stehen am erhöhten östlichen Talhang des Gallenbaches, einige kleine frühere Häuslerstellen zwängen sich zwischen den Wasserlauf und die Dorfstraße. Als einziges Haus am westlichen Ufer errichteten die damals selbständigen Gemeinden Piskowitz, Sönitz, Weitzschen und Kettewitz im Jahre 1835 eine gemeinsame Schule, heute Kindergarten, seitdem die Kinder Unterricht in Taubenheim erhalten. Der umfänglichste Vierseithof und sein Besitz kamen durch die demokratische Bodenreform 1945 an 13 Neubauern, von denen einige Eindachgehöfte errichteten. Daneben erhielten 11 Kleinsiedler Land zugewiesen. Gegenwärtig sind in dem Gehöft Wohnungen und öffentliche Einrichtungen untergebracht. Auf der Straßenseite gegenüber konnte 1974 e i n Wohnhaus an 12 Familien übergeben werden. Auch in ehemals bäuerlichen Wirtschaften erweiterte man den Wohnraum auf Kosten von nicht mehr benötigten Ställen und Scheunen. Knapp l km südwestlich von Piskowitz, aber 20 bis 30 m höher, liegt das Bauerndorf W e i t z s c h e n , ebenfalls seit 1974 Ortsteil von Taubenheim. Sein Name — 1334 Wicschen — nimmt auf die Geländehöhe Bezug, denn er wird als Bewohner der Anhöhe, von altsorbisch vysoky = hoch, gedeutet. Im Dorfbild steht den 2 großen Vierseithöfen (Nr. 8 und 9) eine Reihe von dreiseitig umbauten Anwesen gegenüber, so Nr. 7 mit einer dreibogigen Kumthalle. Nr. 8 mit einem Haustürschlußstein von 1798 und mit Schweinestall der L P G Einheit Sönitz (s. R 5) wurde für Wohnzwecke ausgebaut. Am südlichen Ortsrand nutzt man unweit eines Vierseithofes von 1851 2 neue offene Ställe für den sommerlichen Weideauftrieb.

R 7 Triebischtal In der Nähe von Grillenburg im Tharandter Wald entspringt in 420 m Höhe die Faule Pfütze, der wichtigste Quellbach der Triebisch. Für 1012/18 ist der Name Tribisa fluvius und für 1269 Trebescha belegt; er geht auf slawischen Ursprung zurück und bedeutet Bach, der durch das Rodungsland fließt. Die Triebisch, mancherorts auch als Große Triebisch bezeichnet, besitzt ein Einzugsgebiet von 177 km 2 und mündet nach einer Laufstrecke von 36,8 km in Meißen in die Elbe. Talform Von Miltitz bis nach Meißen hat sich die Triebisch ein Tal geschaffen, dessen Sohlenbreite zwischen 30 und 250 m schwankt. Engtalstrecken, so bei der Neidmühle, bei der Einmündung der Kleinen Triebisch und bei der Fichtenmühle, wechseln mit Abschnitten breiterer Bereiche ab. Die Abfolge der Talformen ist weniger in 190

unterschiedlichen Gesteinsarten begründet als in Aufschotterung oder Ausräumung R 7 in dem geologisch jungen Tal. In Höhe des früheren Garsebacher Bahnhofs fließt der Bach über den anstehenden Syenodiorit. Dann nimmt unterhalb des markanten Gefälleknickes bei Garsebach die Mächtigkeit der Schotter zu und erreicht an der Mündung 18 m. Für eine geomorphologische Untersuchung des Triebischgebietes entnahm H A R T MANN (1965) bei Miltitz und unterhalb des Götterfelsens Schotter. Bei Miltitz dominierten die Gerölle aus Schiefergesteinen mit 60 % , am Götterfelsen die aus Syenodiorit (31 %) und Porphyr (23 %). Der als Leitgeröll bezeichnete Basalt aus dem Tharandter Wald umfaßte jeweils 3 % . Die Untersuchungen ergaben weiterhin, daß sich die Triebisch in mehreren pleistozänen Perioden eingetieft hat, wie Terrassenreste in verschiedenen Höhenlagen beweisen. Sie sind nicht überall markant ausgeprägt und daher nicht immer eindeutig zu verfolgen. Bisher konnten 3 Terrassen an der Triebisch mit den von G R A H M A N N (1932/33) an der Elbe beschriebenen parallelisiert werden. Die flachen Hangteile zwischen Miltitz und Robschütz werden landwirtschaftlich genutzt. Von der Neidmühle an abwärts bestimmen Hänge mit über 15° Neigung das Bild bis in den Mündungsbereich. Dort treten baumlose Felsvorsprünge und -wände vereinzelt an die Oberfläche; im übrigen bedeckt dichter Laubmischwald die Hangpartien. H y d r o g r a p h i e (Abb. 38) Die mittlere Abflußmenge (0,36 m3/s, Meßreihe 1963/65) der Triebisch erhöht sich vom Mundloch des Rothschönberger Stollens auf etwa das Doppelte (0,69 m3/s). Der Rothschönberger Stollen — 1844 bis 1877 als Tiefer Freiberger Erbstollen angelegt — führt von den einzelnen Betriebsstätten des ehemaligen Freiberger Bergbaureviers die Bergwässer ab. Seit Auflassung dieser Bergwerke um 1968 pegelt sich über einen längeren Zeitraum hin der Grundwasserspiegel auf einen gleichmäßigen Abfluß ein. Das steigende und den Stollen füllende Wasser löst Sulfide aus dem anstehenden Gestein der Stollenwände, die nach einer Reihe chemischer Reaktionen als rote bis orange Eisenhydroxide ausgefällt werden. In diesem Zustand erreicht das Stollenwasser die Triebisch, deren Bachsohle im Lauf der Zeit durch die sedimentierten Rückstände verfestigt wird. In einer hydrologischen Untersuchung hat F Ü G N E R (1972) die Schwebstofführung, -fracht und den Schwebstoffabtrag der Triebisch oberhalb und unterhalb des Stollenmundloches gemessen. Dabei ergaben sich stark schwankende Werte, die vom Witterungsablauf in den verschiedenen Jahreszeiten abhingen. Die Triebisch läßt sich in Abschnitte mit verschiedener Abwasserbelastung einteilen. Ihr Oberlauf ist der besten Nutzungsklasse zuzuordnen. Dagegen weisen die Bereiche unterhalb von Mohorn sowie nach Einmündung der Bergwässer bei Rothschönberg sehr schlechte Qualität auf, was beispielsweise zum Verschwinden der Fische geführt hat. Schon in einer Beschreibung vom Anfang des 19. Jahrhunderts ( L I N D A U ) wird die Triebisch als „ o f t verheerend anschwellender B a c h " bezeichnet. Auch heute führen 191

R 7 besonders sommerliche Starkniederschläge, die von den waldarmen bis waldfreien Hochflächen dem Wasserlauf zufließen, zu Ausuferungen und zu Überschwemmungen. So riß die Hochflut im Juli 1897 nicht nur Brücken und Stege weg, sondern lagerte auch Sand und Gerölle auf den bachnahen Feldern ab. Früher nutzten mehr

Abb. 38. Monatsabflüsse der Triebisch, Pegel Meißen. Reihe 1912 bis 1936 (aus KRAMER 1971, nach Unterlagen der WWD Obere Elbe — Mulde Dresden) H H Q = absoluter Höchstwert,

NNQ = absoluter Niedrigstwert,

MHQ = höchster

Mittelwert,

MQ =

mittlerer

Abfluß, MNQ = niedrigstes Mittel

Mühlen als heute das Wasser als Antriebskraft. Gegenwärtig arbeiten nur noch die Furkertmühle in Miltitz (s. R 8), die Fichtenmühle in Garsebach (s. R 1), die Buschmühle in Meißen-Buschbad und das LPG-Mischfutterwerk in Meißen, Mühlenweg 21, teilweise mit wassergetriebenen Turbinen. Fast überall erhalten geblieben sind jedoch die oft langen Gräben, die an Steinwehren abzweigen und in den Orten teilweise auch als Abwasservorfluter dienen.

192

Tier- und Pflanzenwelt Die Tierwelt im T a l der Triebisch, entspricht e t w a der an der K l e i n e n Triebisch (s. R 4). H i n z u treten noch Sperber, die allerdings seit mehreren Jahren keine Jungvögel mehr aufgezogen haben, ferner Waldohreule und W a l d k a u z . A l s Besonderheit k a n n in der N ä h e des Götterfelsens die N a c h t i g a l l gehört werden. Die mannigfaltige orographische G e s t a l t u n g des Triebischtales spiegelt sich in den unterschiedlichsten Laubwaldgesellschaften wider, wie sie f ü r die linkselbischen Seitentäler t y p i s c h sind. Standorte mit mittleren natürlichen Verhältnissen werden v o n Eichen-Hainbuchen-Winterlinden-Wäldern und E i c h e n - B u c h e n - W ä l d e r n eingenommen. Ihre B o d e n f l o r a setzt sich aus den allgemein verbreiteten P f l a n z e n der collin-submontanen L a u b w ä l d e r zusammen, so Vielblütiger W e i ß w u r z (Polygonatum officinale), Maiglöckchen (Convallaria majalis), Hainrispengras (Poa nemoralis), H a s e l w u r z (Asarum europaeum) und Mittlerem Lerchensporn (Corydalis intermedia). A n O b e r h a n g k a n t e n und auf Plateaus treten dagegen T r o c k e n w a l d p a r t i e n mit vorherrschender Traubeneiche bzw. E i c h e n - B i r k e n - W a l d t y p e n auf, denen sich auf Felsen gelegentlich die K i e f e r beigesellt. A n solchen Stellen gedeihen lichtliebende Pflanzen, wie S c h w a l b e n w u r z (Cynanchum vincetoxicum), Schwarzwerdender Geißklee (Cytisus nigricans) und Deutscher Ginster (Genista germanica), a m B r a n d b e r g selbst die subatlantische Ä s t i g e Graslilie (Anthericum ramosum). H i n und wieder t r i f f t m a n auf verwilderte E c h t e K a s t a n i e n . Ahorn-Eschen-Schluchtwälder und sogar m i t diesen eng v e r z a h n t e Erlen-EschenW ä i d e r sind an der L a n g e n Leite ausgebildet, dem T a l h a n g gegenüber der Miltitzer Mühle. Hier befinden sich zahlreiche A r t e n der Quellstandorte und der submontanen bachbegleitenden L a u b w a l d f l o r a , wie Gegenblättriges Milzkraut (Chrysosplenium oppositifolium), B e h a a r t e r K ä l b e r k r o p f (Chaerophyllum hirsutum), Sumpfdotterblume (Caltha palustris), S u m p f p i p p a u (Crepis paludosa), Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium) und W a l d g e i ß b a r t (Aruncus dioicus). Die Triebisch selbst besitzt mit Quellschaumkresse (Cardaminopsis halleri), A l p e n t ä s c h e l k r a u t (Thlaspi alpestre), H o l u n d e r b l ä t t r i g e m B a l d r i a n (Valeriana sambucifolia) und B e h a a r t e m K ä l b e r k r o p f typische m o n t a n - s u b m o n t a n e Flußbegleiter. Einen besonderen S c h m u c k stellt die aus N o r d a m e r i k a s t a m m e n d e gelbblühende G a u k l e r b l u m e ( M i m u l u s moschatus) dar. L e t z t e R e s t e der X e r o t h e r m f l o r a befinden sich a m R a n d der Gähserigschlucht bei Dobritz, ferner beim B u s c h b a d , a m Jokischberg und besonders ausgeprägt an der Hohen Eifer. D i e V e g e t a t i o n ähnelt der an den H ä n g e n bei der K a r p f e n s c h e n k e (s. L 2 ) . B e a c h t e n s w e r t sind die submediterran-dealpine Felsenmispel (Cotoneaster integerrima) und das nördlichste V o r k o m m e n des montanen Hasenlattichs (Prenanthes purpurea) im Elbhügelland.

Miltitz, K r e i s Meißen,

R 8

steigt m i t einigen älteren und m i t in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts erbauten W o h n h ä u s e r n in einem kurzen Seitentälchen der Triebisch bis z u m Dorfz e n t r u m u m die K i r c h e und das frühere R i t t e r g u t an. D a b e i überwindet die Straße

193

R 8 auf 800 m Länge einen Höhenunterschied von 50 m. Diese teilt sich am ehemaligen Rittergut; ein Abzweig führt in nordwestlicher Richtung nach Krögis. An dieser Verbindung liegt das Bauerndorf Z w u s c h w i t z , das seit dem 16. Jahrhundert dem benachbarten Miltitz angeschlossen ist. Seinen Namen führt der Ort nach einem Slawen Svos (1334 Zcwoswicz). Von seinen 5 Vierseithöfen ist Nr. 11 mit einer dreibogigen Kumthalle besonders gut erhalten. Eine Familie Miltitz wird 1186 im Zusammenhang mit einem Herrensitz genannt, der Ort selbst hieß 1334 Milticz ( = die Leute des Milota oder Miiata). 1457 bestand ein Ritterhof, der später die Rechte eines Rittergutes ausübte. Nach dem Ort führten Feudalherren im Meißner Gebiet ihren Namen, so die auf Siebeneichen (s. P 6). Das Miltitzer Rittergut hatte sich bis um 1900 insgesamt 156 ha Land angeeignet, darunter 18 ha Wald sowie 1 ha Weinberge bei Winkwitz an der Elbe. Schon bevor im Verlauf der demokratischen Bodenreform nach 1945 am Bauzustand von Schloß und Rittergut manches verändert wurde, war durch An- und Zwischenbauten nur noch wenig von der ursprünglichen Anlage übriggeblieben. In dem nach Osten offenen Gebäudewinkel erhielten sich 2 gequaderte Rundbogenportale und ein Wappenstein. Der angrenzende Park mit hohen Stieleichen, Platanen, Linden und Eschen sowie der im 16. Jahrhundert angelegte Hain aus Echten Kastanien stehen unter Naturschutz. Von älteren Teilen ist im Gutshof nur noch das östliche Wohngebäude erhalten. An der Stelle einer Scheune errichtete man um 1973 ein Sechsfamilienhaus. Dicht daneben beherbergen ein neuer und ein modernisierter alter Stall Kühe der L P G Florian Geyer Heynitz (s. R 2 ) . Ursprünglich bestand in Miltitz die L P G August Bebel, 1953 mit 256 ha Nutzfläche gegründet. Sie erweiterte sich bis 1969 durch den Anschluß der beiden L P G s T y p I Goldene Ähre und Grüner Weg um 130 ha. Zur Kirche führt der Weg durch das von 2 alten Blutbuchen flankierte Friedhofstor. Dem 1710 errichteten, mit einem Walmdach gedeckten Bauwerk wurde 1816 ein nahezu quadratischer Turm an der Südseite angefügt. Durch den rechteckigen Kirchensaal ziehen sich doppelte Emporen mit Feldern, deren Bemalung 1968 erfolgte. Zwischen dem Korb des Kanzelaltars und dem Altartisch steht der sandsteinerne Altaraufsatz, den 1622 M E L C H I O R K U N Z E für den 1539 erstmals erwähnten, wohl viel kleineren Vorgängerbau geschaffen hat. Die Sandsteingrabplatten der in Miltitz begüterten Feudalgeschlechter aus dem 16. bis 18. Jahrhundert sind gut erhalten wie auch außen an der Südwand ein hoher barocker Grabmalaufbau. Ein großer Stein steht über dem Grab von 17 ermordeten sowjetischen und polnischen KZ-Häftlingen des Lagers Miltitz, die im Kalkwerk hatten arbeiten müssen. Der Kirche gegenüber erhebt sich die ehemalige Kirchschule (Nr. 3) von 1886 mit einem Klassenraum. Nach 1945 entwickelte sich Miltitz zu einem zentralen Schulort, heute auch für Sönitz sowie für die 9. und 10. Klassen aus Robschütz und Munzig. Nach einer Übergangszeit, als in Baracken zusätzliche Unterrichtsräume genutzt worden waren, konnte 1957 am Rand des Triebischtales, auf Weitzschener Flur, die Thomas-Müntzer-Schule eingeweiht werden. A m benachbarten Aspebach hatte der örtliche Arbeiterturnverein 1933 das Jahnbad errichtet. Wie die Fichtenmühle (s. R 1) wird die Miltitzer oder Furkertmühle, ein Bau von 1890, von Wasserturbinen angetrieben. Das alte zweiseitige Mühlengehöft mit Fachwerkoberge-

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schössen und -giebeln steht daneben und stammt — dem Türschlußstein nach zu R 8 urteilen — von 1792. Im Gebiet von Miltitz stehen altpaläozoische Gesteine an, die zum sogenannten Nossen—Wilsdruffer Schiefergebirge gehören. Die Hitzewirkung des syenitischgranitischen Schmelzkörpers im Oberkarbon veränderte bei Berührung die devonischen Diabase zu Hornblendeschiefern und die zwischengeschalteten Kalksteine zu kristallinen Kalken. Der Kalk wurde im 18. Jahrhundert im Tagebau, später im Tiefbau gewonnen und zu Bau-, Dünge- und Industriekalk weiterverarbeitet. Einer der ältesten Stollen war der Heynitz-Stollen (1876 bis 1964); ein anderer hieß Wiesen-Stollen (1923 bis 1963). Nach dem zweiten Weltkrieg lieferte das Werk gebrannten Rohkalkstein, unter anderem nach dem V E B Stahlwerk Riesa, bis der Abbau 1967 völlig zum Erliegen kam.

Roitzschen, seit 1935 Ortsteil von Miltitz,

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heißt urkundlich 1264 Reschen. Sein Name weist auf die Lage an einem Wasserlauf von slawisch reka = Bach. Tatsächlich nimmt auch das alte Bauerndorf seinen Platz nur wenig über der überschwemmungsgefährdeten Triebischtalaue ein; die frühere Ober- oder Korkmühle und der Ortsteil Roitzschwiese befinden sich in der Aue zwischen dem wasserführenden Mühlgraben und dem Fluß. Die Häuslerzeile Roitzschwiese kam 1925 von dem 1,5 km entfernten Robschütz zur damaligen Gemeinde Roitzschen. Im bäuerlichen Siedlungsteil ist der nördlich gelegene Yierseithof Nr. 1 hervorzuheben. Das Hofinnere mit einem steinernen Trog von 1783 erreicht man durch eine der beiden Rundbogenpforten oder durch das Tor mit einem geschweiften Bogen und der Jahreszahl 1833 im Schlußstein. In einer zu einem Stall umgebauten Scheune sowie in einem neuen Gebäude daneben betreibt die L P G Florian Geyer Heynitz Schweinezucht. Halbwegs zwischen Roitzschen und der Miltitzer Mühle steht an der Eisenbahnstrecke Meißen —Döbeln ein Bahnhofsgebäude, an das sich neue Lagerhallen und -plätze sowie eine Tankstelle anschließen. Sie wurden von den Genossenschaften der Umgebung als Gemeinschaftseinrichtung 1961 errichtet und dienen seit 1973 dem neu gegründeten agrochemischen Zentrum. Eine Zeitlang arbeitete hier auch die Zwischenbetriebliche Bauorganisation (ZBO) Aufbau Miltitz, bevor sie um 1967 in die knapp 2 km triebischtalabwärts gelegene Neidmühle übersiedelte. Dieses Anwesen wurde 1 5 1 6 angelegt. An den 1965 eingestellten Betrieb erinnern das hölzerne oberschlächtige Mühlrad sowie einige am Giebel aufgestellte Mühlsteine. Die ZBO baute sich Teile der Gebäude für Verwaltungs- und Wohnzwecke um und errichtete in der Nähe moderne Werkstätten. 1975 schloß sie sich mit entsprechenden Betrieben in Lommatzsch und Meißen zur Zwischenbetrieblichen Einrichtung (ZBE) Landbau Meißen zusammen.

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S 1 Polenz, Kreis Meißen, vereinigte sich 1973 mit Bockwen zur Gemeinde Polenz-Bockwen. Die umfangreiche Flur von Polenz gipfelt in einer Erhebung mit den Polenzer Linden (s. S 2). Das Dorf nimmt die 2 Quellmulden und die dazwischenliegenden bzw. angrenzenden Geländeriedel ein, die sich am unteren Südosthang der Polenzer Linden ausbreiten. Auf eine Besonderheit des Geländes nimmt auch der Ortsname Bezug, der Ort an der Hochebene, auf dem Feld, von slawisch pol'e = Feld, bedeutet. 1180 wird ein ritterlicher Dienstmann von Polenzke, 1334 das Dorf Polenczg erwähnt. Nur in wenigen Orten östlich der Triebischtäler kann die Vergrößerung der Gutsherrschaft und des Gutsbesitzes, mit der zugleich die Verringerung von Bauernstellen einherging (s. Anhang A), so deutlich verfolgt werden wie in Polenz. 1198 ist ein Herrensitz, 1350 ein Allodium und 1443 ein Vorwerk bekannt. Seine Privilegien übernahm später ein Rittergut, das 1588 in je eines in Ober- und Niederpolenz zerfiel. Als 1790 Bauern einiger Dörfer (s. E 2) zwischen Lommatzsch und der Elbe nördlich von Meißen gegenüber ihren Grundherren die Aufkündigung der Dienste erklärten und die Abschaffung der herrschaftlichen Hutungsrechte verlangten, schlössen sich auch einige Polenzer der Erhebung an. Der wichtigste Zugang nach Polenz zweigt von der Meißen —Wilsdruffer Straße bei Riemsdorf ab. Abseits vom eigentlichen Ort gelegen, erreicht man zunächst einen Dreiseithof, der nach einem Dorfbrand 1828 an diesem Platz neu aufgebaut wurde und heute teilweise der L P G Friedrich Engels Scharfenberg (s. S 3) dient. An der Straße nach Oberpolenz folgt eine Neubauernsiedlung, teils mit voll ausgebauten Eindachgehöften (Nr. 33, 39, 40, 41), teils mit Wohnstallbauten ohne Scheune, so Nr. 38, 38a, aus der Zeit um 1955. Das frühere Rittergut Oberpolenz befindet sich etwa in der Dorfmitte, ebenso die ihm gegenüberstehende Kapelle und die alte Schule von 1830. Die Kapelle neben dem sogenannten Kapellgarten — heute Hausgarten — wurde 1402 erstmals genannt. Ihr jetziger Bau stammt von 1737, der Dachreiter mit glockenartiger Haube und Spitze kam erst später hinzu. Das ursprüngliche Herrenhaus von Oberpolenz wird von einem gebrochenen Dach abgeschlossen. Seine Räume dienen örtlichen Verwaltungsstellen und Kultureinrichtungen. Auf der anderen Seite der Dorfstraße haben sich an einem Dreiseithof (Nr. 22) von 1829 an dem Wohnstallhausobergeschoß und den Nebengebäuden die Fachwerkkonstruktionen gut erhalten. An der höchsten Stelle des alten Dorfes erhebt sich der vierseitig umbaute Hof des ehemaligen Niederpolenzer Rittergutes. Hier unterhält die K A P Bockwen (s. P 12) einen Gerätestützpunkt, und die L P G Friedrich Engels betreibt Rindervormast. Neuer Wohnraum konnte durch den Umbau eines Nebengebäudes geschaffen werden. In der Nähe liegt ziemlich exponiert eine zweite, aber kleinere Neubauernsiedlung. Viele der Polenzer Einwohner — 63 % der Werktätigen (Stand 1971) — gehen täglich einer Arbeit in anderen Orten nach. Am Ende des zweiten Weltkrieges verteilte sich der Grundbesitz in Polenz auf 2 Rittergüter mit 221 ha, 3 Mittelbauern mit 70 ha, 10 Kleinbauern mit 51 ha und auf 4 Häusler. Die demokratische Bodenreform schuf 1945 insgesamt 41 Kleinbauernstellen, darunter viele für Neubauern. Seit 1954 bearbeiteten die meisten

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von ihnen in der L P G T y p I I I Neuer W e g die Flächen gemeinsam. Nachdem i960 S 1 2 L P G s T y p I mit etwa 60 ha gegründet worden waren, vereinigten sich im Jahre 1967 die Polenzer und Bockwener Genossenschaften zur L P G T y p I I I V I I . Parteitag (s. P 12).

Polenzer Linden

S 2

Zwischen dem Ort Polenz im Süden und dem Triebischtal im Norden erhebt sich eine abgeflachte K u p p e bis 264,4 m ü. N N mit 2 Linden. V o n dieser weithin sichtbaren L a n d m a r k e lassen sich große Teile des Mittelsächsischen Lößgebietes (Abb. 1), des Wilsdruffer Lößlehmplateaus sowie einige ihrer Talsysteme einsehen. So erstreckt sich nach Nordosten das tief eingekerbte T a l der Triebisch mit seinen Fabrik- und Wohngebäuden v o m Buschbad bis zur Meißner Altstadt. Die B a u w e r k e auf dem Meißner Burgberg markieren die Begrenzung des Lößhügellandes zum Elbtalgraben. N a c h Südosten steigt die Geländeoberfläche allmählich zum Naustädter Lößlehmplateau an, und nach Süden ist der Taleinschnitt der Kleinen Triebisch mit Auenwiesen und Hangwäldern einzusehen. F a s t ausschließlich ackerbaulich genutztes Gelände reicht im Südwesten und Westen bis zum Horizont. In diesem Bereich ist die Raußlitz — Soppener Stufe (s. Seite 9) zwischen Krögis und Schrebitz entwickelt, die die niedrigeren Abschnitte des Hügellandes v o n den höheren trennt und damit eine deutliche Gliederung hervorruft. Eine A n z a h l meist abflußschwacher B ä c h e hat hier ihr Quellgebiet in breiten Mulden. Ähnliche natürliche Verhältnisse kennzeichnen auch das Terrain im Nordwesten und Norden, das durch den Käbschützer B a c h und seine Nebenrinnsale z u m Ketzerbach entwässert wird.

Riemsdorf, seit 1950 Ortsteil von Scharfenberg,

S 3

hat am südlichen Ortsausgang im Nordwestwinkel des Straßenkreuzes ein bronzezeitliches Gräberfeld aufzuweisen. In geschichtlicher Zeit erfolgte die erste bekannte Nennung 1350 als Rywensdorf ( = Dorf des deutschen Lokators Richwin). 1465 gab es ein Vorwerk, vermutlich an der Stelle des nördlichen Bauerngutes, das dem Scharfenberger Gutsherrn gehörte. Der größte Teil von ursprünglich 9 Gehöften fiel 1820 einem B r a n d zum Opfer, so daß die meisten Gebäude aus diesem Jahr bzw. der Folgezeit stammen. Sie stehen aufgelockert etwas abseits der Straße als Zeile am Oberlauf und am R a n d der Quellmulde des Rehbockbaches. A l s Beispiel für einen weiträumigen Dreiseithof sei Nr. 2 genannt, dessen Wohnstallhaus sowohl im Obergeschoß als auch im Giebel aus Fachwerk besteht. Sein Türschlußstein von 1820 wird von Rankenmustern im Segmentbogen flankiert. Bei Nr. 4 bemerkt man a m Pferdestall eine dreibogige Kumthalle, deren mittlerer Bogen einen Schlußstein mit Besitzerinitialen, springendem Pferd und der Jahreszahl der Erbauung, 1846, enthält. Über das Satteldach ragen die Giebelspitzen hinaus, geschmückt mit je einer Sandsteineichel. Der Zeit um 1955 entstammt eine Ortserweiterung durch 3 Mehrfamilienwohnhäuser. 14 Elbtal

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S 3 Im größten Vierseithof des Ortes (Nr. 1) hat die L P G T y p III Friedrich Engels Scharfenberg (s. Bd. 22, Lößnitz, N 4) ihren Yerwaltungssitz, außerdem sind hier Wohnungen und die Betriebsküche eingerichtet. Im Anschluß an die zu verschiedenen Zwecken genutzten Wirtschaftsgebäude befinden sich ein 1968 errichteter Rindermaststall sowie Gewächshäuser. Außer in Riemsdorf unterhält die LPG, der sich 1975 die L P G VII. Parteitag Polenz-Bockwen anschloß, weitere Ställe für Milchkühe und Zuchtfärsen in Ullendorf (s. S 4), Reichenbach sowie in Reppnitz, Naustadt und Pegenau. Am südlichen Ortsrand von Riemsdorf nutzt die K A P Karl Marx Bockwen (s. P 12) einen Technikstützpunkt, der früher der MaschinenTraktoren-Station Taubenheim als Außenstelle unterstellt war. Etwa 1 km nordöstlich von Riemsdorf mündet von Osten her ein kurzes Rinnsal in den Rehbockbach. In seinem Tal zieht sich R e i c h e n b a c h hin, seit 1950 ebenfalls Ortsteil von Scharfenberg. Auf die natürlichen Verhältnisse nimmt der Ortsname Bezug, denn Richenbach (1271) bedeutet Siedlung am wasserreichen Bach oder am fruchtbaren Talgrund. Wie in den Nachbardörfern hat es in Reichenbach zeitweise ein Allodium (1334) gegeben. Die 4 Vierseithöfe, von denen 2 durch Abbruch von Wirtschaftsgebäuden ihre frühere Form und Funktion verloren haben, folgen dem südlichen Hang, die kleineren Bauernwirtschaften dem nördlichen. Kommt man von Westen, von der Meißen—Wilsdruffer Straße, in den Ort, so fällt rechts ein großer Vierseithof mit 3 Winterlinden an der Einfahrt auf. Eine dreibogige Kumthalle verweist auf die frühere Nutzung eines seiner Gebäude als Pferdestall. Auf der gleichen Dorfseite weiter talaufwärts konnte 1974 an der Stelle eines früheren Vierseithofes eine Lagerhalle für Obst eingeweiht werden. Unweit dieser Halle steht ein 1959 errichteter Stall, der für die Rindermast genutzt wird. Weitere Neubauten für Milchkühe ließ die L P G am östlichen Ortsrand von Riemsdorf erbauen.

S 4

Ullendorf, seit 1950 Ortsteil von Taubenheim, zieht sich 1 km lang am Oberlauf des Kesselbaches hin, eines Zuflusses der Kleinen Triebisch. Als Hauptachse zwischen den weit auseinander liegenden Gehöften hat sich die Straße von Meißen nach Wilsdruff entwickelt. Die östliche Gemarkungsgrenze und der südliche Ortsrand werden von der alten Silberstraße berührt, die von Scharfenberg nach Freiberg führte. Der Ort ist in einer Urkunde von 1186 erstmals schriftlich als Everberrindorf belegt. In ihr schlichtete Markgraf O T T O einen Streit zwischen seinem Vasallen A D E L B E R T V O N T A U B E N H E I M und dessen fränkischen Untertanen zu Taubenheim, Sora, Ullendorf und Hasela. Das Siedlungsbild von Ullendorf wird fast ausschließlich von vierseitigen Gehöften sowie von neuen Wirtschaftsbauten an der Straße nach Taubenheim bestimmt. Östlich der Meißen —Wilsdruffer Verbindung fällt das fast völlig in Fachwerk errichtete Bauerngut Nr. 21 auf. Hinter 2 Kastanienbäumen führen 3 Stufen zu einer kleinen Plattform, von der aus der mit einer Krone und mit Initialen geschmückte Haustürschlußstein von 1804 am Wohnstallhaus zu erblicken ist. Die Wirtschafts198

gebäude — Pferdestall m i t dreibogiger K u m t h a l l e — dienen wie die des benachbarten Vierseithofes Nr. 20 der L P G Friedrich E n g e l s Scharfenberg zur Unterbringung v o n Vieh. In einigen G e h ö f t e n an der Straßenseite gegenüber k o n n t e durch A u s b a u zusätzlicher W o h n r a u m gewonnen werden, so beim Dreiseithof Nr. 16. In der benachbarten vierseitigen A n l a g e weist eine runde Pflastersteinbahn auf den ehemaligen S t a n d o r t eines Dreschgöpels. Diese D o r f h ä l f t e gehört zur L P G E i n h e i t Sönitz (s. R 5), die seit e t w a 1970 a m westlichen Ortsrand Schweinezuchtställe errichtete, deren F a s s u n g s v e r m ö g e n in den Jahren 1974 bis 1977 auf das D o p p e l t e v e r g r ö ß e r t wurde und somit 5000 Zuchtsauen P l a t z bietet. Die günstige Verkehrslage v o n Ullendorf und den übrigen T a u b e n h e i m e r Ortsteilen wird v o n 57 % der W e r k tätigen ausgenützt, um v o r allem in Meißen einer A r b e i t nachzugehen. V e r l ä ß t m a n in H ö h e v o n Riemsdorf die Meißen — W i l s d r u f f e r Straße n a c h W e s t e n , so t a u c h e n n a c h 1,5 k m eine Siedlung v o n 4 ehemaligen Neubauernhäusern sowie ein großes vierseitiges E i n z e l g u t v o n K o b i t z s c h auf, seit 1937 Ortsteil v o n Ullendorf. D e r N a m e Quabs (1334) l ä ß t sich m i t dem alttschechischen kovac = Schmiede in V e r b i n d u n g bringen. Die im 18. Jahrhundert nachweisbaren 3 besessenen M a n n , also B a u e r n w i r t s c h a f t e n , können später nicht mehr belegt werden. A n ihre Stelle ist ein bei OBERREIT (1821) als „ S t i f t s D . " (Stiftsdominium) bezeichnetes G r o ß g u t getreten. A u s diesem erhielten durch die demokratische B o d e n r e f o r m im Jahre 1945 insgesamt 7 Neubauern L a n d und Gebäude zugeteilt. I m G u t k o n n t e durch den B a u eines neuen Stalles an der Stelle eines abgebrochenen P l a t z f ü r eine J u n g v i e h herde geschaffen werden, die v o n Mitgliedern der L P G E i n h e i t Sönitz b e t r e u t wird. Zu K o b i t z s c h rechnen a u c h 2 Mühlen an der K l e i n e n Triebisch. V o n der Oberoder Langenmühle, die u m 1955 noch arbeitete, blieb nichts mehr erhalten. D i e b a c h a b w ä r t s gelegene Nieder- oder Fritzschenmühle, um 1955 ebenfalls in B e t r i e b , besteht seit mindestens 1726, wie ein in einen Scheunengiebel versetzter T ü r schlußstein beweist.

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