Um Oschatz und Riesa: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Wellerswalde, Riesa, Oschatz und Stauchitz [Reprint 2021 ed.] 9783112531167, 9783112531150


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German Pages 294 [297] Year 1978

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Um Oschatz und Riesa: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Wellerswalde, Riesa, Oschatz und Stauchitz [Reprint 2021 ed.]
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UM OSCHATZ U N D

RIESA

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER I N S T I T U T F Ü R G E O G R A P H I E UNI) ARBEITSGRUPPE

DDR

GEOÖKOLOGIE

HEIMATFORSCHUNG

WERTE U N S E R E R HEIMAT Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deutschen Demokratischen Republik

Band 30

UM OSCHATZ UND RIESA Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Wellerswalde, Riesa, Oschatz und Stauchitz

Mit 35 Abbildungen, 20 Kunstdrucktafeln, 1 Übersichtskarte

19 77

AKADEMIE-VERLAG

• BERLIN

.Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats für Heimatforschung des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der D D R Prof. Dr. habil. Dr. eh. Edgar Lehmann, Leipzig {Geographie, Vorsitzender), Prof. Dr. Heinz Lüdemann, Leipzig (Geographie, Direktor des Instituts), Prof. Dr. habil. Ludwig Bauer, Halle (Geographie, Naturschutz), Dr. habil. Karlheinz Blaschke, Dresden (Geschichte), Dr. sc. Werner Coblenz, Dresden (Ur- und Frühgeschichte), Prof. Dr. habil. Ernst Ehwald, Eberswalde (Bodenkunde), P r o f . Dr. habil. Gerhard Heitz, Rostock (Geschichte), Prof. Dr. Edgar Lehmann, Berlin (Kunstgeschichte), Prof. Dr. habil. Hermann Meusel, Halle (Botanik), Prof. Dr. sc. Günter Mobus, Greifswald (Geologie), Prof. Dr. Hans Nadler, Dresden (Denkmalpflege), Prof. Dr. habil. Ernst Neef, Dresden (Geographie^, Prof. Dr. Werner Radig, Berlin (Hausforschung), Dr. sc. Rudolf Weinhold, Dresden (Volkskunde), Dr. Dietrich Zühlke, Dresden (Geographie)

Leitung der wissenschaftlichen Bearbeitung und Redaktion: Dr. Dietrich Zühlke, Akademie der Wissenschaften der D D R , Institut für Geographie und Geoökologie, Arbeitsgruppe Heimatforschung, 801 Dresden, Augustusstraße 2

"Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1977 Lizenznummer: 202 • 100/172/77 Oesamtherstellung: V E B Druckhaus ,,Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 7530690 (2084/30) • L S V 5 2 3 5 * P 207/76 Printed in G D R D D R 12,50 M

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

VII

Mitarbeiterverzeichnis

IX

Verzeichnis der Suchpunkte

XI

Überschau

l

Einzeldarstellung

27

Anhang

219

A . Tabelle der Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert

219

B . Verzeichnis der Nutzungsarten und Tierbestände am Anfang

des 19. Jahrhunderts im damaligen A m t

Oschatz C.

Pflanzengesellschaften

224 des

Döllnitzgebietes

nach

Bodenfeuchtestufen

226

D. Literaturverzeichnis

227

E. Abbildungsverzeichnis

239

F. Namenverzeichnis

241

G. Sachverzeichnis

248

V

VORWORT Mit dem vorliegenden Band finden Arbeiten einen Abschluß, die bereits in den fünfziger Jahren begonnen hatten. Bis etwa i960 sammelten die beiden inzwischen verstorbenen Heimatforscher Gertrud Kretzschmar, Oschatz, und Martin Günther, Riesa, Material über die Ortschaften im Bereich der Meßtischblätter Oschatz und Stauchitz, das jetzt von Vertretern gesellschafts- und naturwissenschaftlicher Disziplinen ergänzt werden konnte. Die kunstgeschichtlichen Beschreibungen von Objekten in den Orten der Kreise Oschatz und Döbeln wurden auf der Grundlage des „Dehio" — Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (1966) — formuliert und dankenswerterweise von Dr. Heinrich Magirius, Institut für Denkmalpflege, überprüft. Eine völlige Neubearbeitung erfolgte für die Darstellung der südlichen Teile der Blätter Wellerswalde und Riesa, die das Gebiet sinnvoll nach Norden ergänzen. Viele Aussagen wären lückenhaft geblieben oder entsprächen nicht dem aktuellen Stand, hätten nicht Räte der Kreise, Städte und Gemeinden sowie weitere staatliche Dienststellen, Leitungen von Industriebetrieben und Institutionen bereitwillig die Arbeit unterstützt. Der Fortgang der Arbeit wurde auch durch die Mithilfe der Leitungen landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und Kooperativer Abteilungen Pflanzenproduktion sehr begünstigt. Vervollständigt werden konnten die historischen Passagen der Überschau durch Ergänzungen, die Dr. Gerhard Schmidt, Staatsarchiv Dresden, und für die Beschreibung Riesa K u r t Donner, Direktor der E O S Max Planck Riesa, anregten. Der Mühe einer Enddurchsicht des Gesamtmanuskriptes unterzogen sich Herr Prof. Dr. Dr. eh. Edgar Lehmann, Leipzig, sowie als guter Ortskenner Herr Dr. Wolfgang Geisler, Oschatz. Ihre vielen Hinweise kamen der endgültigen Fassung des Textes zugute. Allen, die das Gelingen des Bandes als Autoren, Gewährsleute und Gutachter förderten, sei für ihre Arbeit sehr herzlich gedankt. Prof. Dr. Heinz Lüdemann

Dr. Dietrich Zühlke

VII

MITARBEITERVERZEICHNIS Dr. Wolf-Dietrich Beer, Naturwissenschaftliches Museum Leipzig (Zoologie) Dr. sc. Werner Coblenz, Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden (Ur- und Frühgeschichte) Prof. Dr. Ernst Eichler und Dr. habil. Hans Walther, Leipziger Namenkundliche Arbeitsgruppe der Karl-Marx-Universität (Namenkunde Kreise Döbeln und Oschatz) Gert Freyer, Riesa (Botanik Blätter Stauchitz und Riesa) Martin Günther f, Riesa (Beiträge zu den historischen Ortsbeschreibungen Blatt Stauchitz) Werner Halama, Museumsleiter, Riesa (Riesa und Stadtteile) Dr. Heinz Hubrich, Institut für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der D D R (Physische Geographie) Fritz Junge, Leutewitz (Kunstgeschichte der Kreise Riesa und Meißen) Gertrud Kretzschmarf, Oschatz (Beiträge zu den historischen Ortsbeschreibungen B l a t t Oschatz) Konrad Rösel, Riesa (Mundart, Namenkunde und Beiträge zu den Ortsbeschreibungen der Kreise Riesa und Meißen) Dr. habil. Heinz Schlüter, Institut für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der D D R (Botanik Blätter Weilerswalde und Oschatz) Dr. Werner Schmidt, Arbeitsgruppe Heimatforschung (Angaben zur ökonomischen Geographie und Volksbauweise sowie historische Beiträge zu den Natursuchpu nkten) Einzelne Beiträge lieferten die Revierförster H. Hentschel, Oschatz (Oschatzer Stadt- und Kirchenwald) und W. Preiß, Collm (Forstrevier Collm), ferner die Lehrer Siegfried Heidler, Calbitz (Collm), Gottfried Massanek, Neusornzig (Sornzig und Ortsteile), G. Sachs, Hof (Hof und Ortsteile) sowie der Museumsleiter Fritz Thomas, Mügeln (Mügeln, Niedergosein, Hohenwussen und Ortsteile). Beiträge zu weiteren Beschreibungen von Ortschaften in den Kreisen Oschatz und Döbeln wurden von Dipl.-Geograph Margot Schmidt zusammengestellt. Redaktionsmitarbeit Dr. Werner Schmidt Manuskript abgeschlossen am 30. 9. 1975

IX

VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE Die Nummern entsprechen denen am Rande des Textes sowie denen auf der Übersichtskarte A

Collmberg Collm Windmühlenberg . . . . Oschatzer Stadtwald . . .

27 28 29 30

1 Klein-Neußlitz . . . . . 2 Merkwitz 3 Eisenbahnlinie Dresden—Leipzig . . . . 4 Wüste Mark GroßNeußlitz 5 Striesa 6 Hohe Straße

32 32

1 2 3 4 5 6 7 8

Wüste Mark Zschöllau . . Zschöllau Weinberg Mannschatz Schmorkau Döllnitz Wüste Mark Gorau . . . Wüste Mark Praschwitz .

37 37 39 4040 42 44 44

D

1 2 3 4 5 6 7

Schönnewitz Sandbach Bornitz Wadewitz Borna Canitz Schwarzroda

45 45 47 47 48 50 51

E

1 2 3 4 5

Reußener Berge Pochra Espich Merzdorf Weida

52 52 53 54 56

B

C

l 2 3 4

57 60 2.1 Lage und urgeschichtliche Besiedlung . . . 2.2 Das Dorf Riesa . . . 2-3 Vom Dorf zur Industriesiedlung . . 2-4 Gedenkstätten der Arbeiterbewegung . . 2-5 Wirtschaftsstruktur . 2.6 V E B Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk Riesa . . . 2.7 Baudenkmale . . . . Bobersen Röderau Promnitz Elbtal

33 35 35 36

H

J

60 62 63 65 67 72 74 79 81 84 85

1 Hubertusburger Forst 2 Lampersdorf . . . .

87

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Wüste Mark Cunnersdorf Wüstes Schloß Osterland Stranggraben Altoschatz Rosenthal Kreischa Saalhausen Thalheim Eisenbahnlinie Oschatz —Mügeln —Döbeln

90 90 91 92 93 94 95 95

1 Oschatz 1.1 Lage und Ausdehnung

97 97

96

XI

J

2 3 4 5 6 7 8 9

1.2 Historische Entwicklung und alte Gewerbe . . 99 1.3 Industriestruktur . . 1 0 2 1.4 Gedenkstätten der Arbeiterbewegung . . 1 0 4 1.5 Landwirtschaft und Gartenbau 105 1.6 Baudenkmale . . . . 107 1.7 Das heutige Siedlungsbild 109 Kleinforst 112 Kleinragewitz 112 Tonberg 113 Lonnewitz 114 Windberg 115 Rechau 116 Zöschau 116 Wüste Mark Blumenberg . 1 1 7

K

1 2 3 4

Ganzig 118 Wüste Mark Wüstnaundorf 120 Reppen 120 Haage 121

L

1 Weidaer Berg 2 Eisenbahnlinie Riesa—Karl-Marx-Stadt 3 Oelsitz 4 Kalbitz 5 Seerhausen 6 Ragewitz 7 Groptitz 8 Mautitz

M

N

XII

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Pausitz Jahna Mergendorf Poppitz Nickritz Jahnishausen Keppritzbach Böhlen Gostewitz

1 2 3 4 5 6

Seelitz Berntitz Schlatitz Crellenhain Altmügeln Mügeln

121

N

7 8 9 10

Poppitz Nebitzschen Schieben Steinbruch Glossen. . . .

143. 144 144 145,

O

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Limbach Leuben Naundorf Schlanzschwitz Schweta Oetzsch Wetitz Schlagwitz Grauschwitz Niedergosein

146' 147 148 149 150152 152 153. 153. 154

P

1 2 3 4 5 6 7

Kreina 155 Casabra 155 Wüste Mark Gaumnitz . . 156 Stennschütz 156' Zeicha 157 Gastewitz 157 Dreidörfer 158

Q

. 122 122 123 123 124 125 126

1 2 3 4 5 6

Nasenberg Raitzen Hahnefeld Bloßwitz Stauchitz Hof

159 159 161 161 162 164

R

127 129 131 132 133 134 136 136 137

l 2 3 4 5 6 7 8 9

Grubnitz Plotitz Stösitz Mehltheuerbach Panitz Pöhsig Dobernitz Gleina Roitzsch

166 167 167 168 168 169 169 170 173

S

1 Prausitz 2 Pahrenz 3 Mehltheuer

175 176 177

T

1 2 3 4

179 179 180 182

137 138 138 . 138 139 140

Paschkowitz Baderitz Festenberg Hasenbach

•) Kranichau 6 Sornzig 7 Gaudlitz 3 Zävertitz 9 Strecken lO Archengrund . . . .

l 2 3 4 5 b 7 8 9 10

. • • . . .

. • • . . .

182 183 185 186 186 187

. . 188 Mähris Zschannewitz . . . . . . 188 Schwednitz . . 189 Sömnitz 189 Grauschwitzbach . . . . 190 Lüttnitz . . 190 Döhlen . . 190 Görlitz . . 191 Schrebitz . . 191 Däbritz • • 193

l Schillergrund . . . . 2 Hohenwussen . . . . Gaschütz 4 Auerschütz •5 Schmorren 6 Clanzschwitz . . . . 7 Ostrau

• • . . • •

l Binnewitz 2 Jahna 3 Pulsitz

• • 199 . . 200

• • . . • •

193 195 196 196 197 197 198

W 4 5 6 7 8 9 10 X

Y

Ostrauer Kalkbrüche Dösitz Wilschwitz Staucha Prositz Steudten Huthübel

• . . • . .

203 204 204 205 207 207 207

1 Treben . 208 Grauswitz . 208 208 3 Trogen 4 Wüste Mark Wilschwitz . 209 . 209 5 Barmenitz 6 Altsattel . 210 . 211 7 Läusehübel 8 Ibanitz . 212 . 212 9 Marschütz 10 Berntitz 212 11 Dennschütz • 213 1 2 3 4 5 6 7 8

Striegnitz Dörschnitz Lautzschen Paltzschen Scheerau Altlommatzsch Wüst-Albertitz Domseiwitz

• . • • . . . . . . . . . . . .

213 214 215 215 216 217 217 218

XIII

Überschau Das Ackerhügelland zwischen den Städten Oschatz, Riesa und Mügeln wird von den zwei Elbenebenflüssen Döllnitz und Jahna sowie von deren Nebenbächen durchflössen. Obwohl landschaftsästhetisch wirkungsvolle Gehölze großzügigen Wasserlaufregulierungen (s. M 2) an einigen Abschnitten der Döllnitz zum Opfer fielen, verleihen beider streckenweise recht breiter Talböden der Landschaft deshalb eine besondere Eigenheit, weil hier die Grünlandnutzung vorherrscht und Baumreihen als b'elebendes Element hervortreten. Der Elbestrom (s. F 6) berührt nur im Abschnitt zwischen Promnitz und Riesa-Gröba das Gebiet; Dämme schützen seine Talaue weitgehend vor Ausuferungen. Der pleistozäne Untergrund und seine darauf ausgebildeten Böden ermöglichen einen umfassenden Ackerbau. Quert man die Landschaft auf einer der zahlreichen Straßen oder mit der Eisenbahn von Riesa aus nach Oschatz, nach KarlMarx-Stadt oder nach Nossen, so zeugen an mehreren Stellen Gemüsefelder, Foliezelte, Gewächshäuser und Anschlüsse für Beregnungsanlagen von besonders intensiver Nutzung. Auch die gärtnerischen Einrichtungen an den Rändern der Kreisstädte Riesa (s. F 2) und Oschatz (s. J 1) haben sich nach dem zweiten Weltkrieg bedeutend ausgedehnt. Wie andere lößbedeckte Mittelgebirgsvorländer Sachsens weist auch das Hügelland zwischen Lommatzsch und Mügeln durch seine große Anzahl kleiner Wohnplätze und Dörfer eine außerordentlich starke Siedlungsdichte auf, die im Mittelalter noch höhere Werte erreichte (s. Seite 18; Abb. 4). Einige der gegenwärtigen Orte nehmen für ihre Umgebung eine zentrale Stellung ein, so Prausitz (s. S 1), Stauchitz (s. Q 5) und Ostrau (s. V 7). Wenn man von dem historisch früh bezeugten Mügeln (s. N 6) absieht, das heute über eine nur geringe räumliche Ausdehnung und Bedeutung verfügt, dann bleiben allein Oschatz und Riesa als weitere städtische Agglomerationen übrig. So unterschiedlich, wie sich ihre wirtschaftliche Entwicklung vollzog, so differenziert bietet sich auch das heutige Erscheinungsbild dar: Oschatz mit einem jetzt noch erkennbaren planmäßigen Grundriß (Abb. 18) aus der Gründungszeit und mit sehr vielschichtiger Wirtschaftsstruktur (s. J 1.3) — Riesa mit einem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beispiellosen Aufstieg zur unregelmäßig gewachsenen Industrie- und Wohnstadt (s. F2.^, 2.4).

1

Oschatz

L a n d s c h a f t e n (Abb. 1) Die Landschaft zwischen Oschatz, Riesa und Mügeln läßt sich in ihrer natürlichen Differenzierung im wesentlichen aus der geologischen Struktur und der Entwicklung der heutigen Oberflächenformen erklären. Einen Überblick über das gesamte Gebiet erhält man von keiner der Erhebungen, da sie entweder randlich liegen, wie der Collmberg (s. A 1) und der Huthiibel (s. W 10), oder zu niedrig sind, wie der Tonberg (s. J 4). Eine von Hirschstein an der Elbe bis hin zur Saale verlaufende Geländestufe quert unser Gebiet in ost-westlicher Richtung. Sie bildet die Grenze zwischen dem nordsächsischen Tiefland (Abb. 1 ; I bis III) und dem mittelsächsischen Hügelland (IV) und trennt so zwei Naturräume mit unterschiedlicher paläogeographischer Entwicklung besonders während des Pleistozäns. Südlich dieser im allgemeinen deutlichen Hügellandstufe setzt die mächtige Lößbedeckung ein, weshalb der Geländeabsatz auch als Lößrandstufe bezeichnet wird. Nördlich davon treten im Oschatzer Hügelland und im Porphyrhügelland ältere geologische Ablagerungen und Festgesteine, die mannigfachen petrographischen Gruppen angehören und sehr unterschiedliches Alter aufweisen, unter einer nur dünnen äolisclien (vom Wind aufgewehten) Deckschicht aus sandigem Löß und Sandlöß nahe an die Oberfläche und bilden hier stellenweise einzelne oder gruppenweise angeordnete Erhebungen. Diese ragen trotz ihrer geringen relativen Höhe aus der flachen Umgebung meist recht augenfällig heraus. Bei dem geringen Höhenunterschied — der höchste Punkt ist mit 316 m ii.NN der Collm westlich, von Oschatz, der tiefste liegt mit 92 m ü. NN in der Elbaue nördlich von Riesa — tritt das Klima als naturräumlich differenzierendes Moment gegenüber dem geologischen deutlich zurück. Das Jahresmittel der Temperatur liegt bei 8 bis 9°C, die mittlere Jahresschwankung der Temperatur beträgt 19,5 °C. Das Jahresmittel des Niederschlags bewegt sich zwischen 550 und 700 mm. Trotz geringer Höhenabweichungen werden hierbei mancherorts geländeklimatische Unterschiede wirksam, meist als Luv —LeeEffekte. So konnte beispielsweise durch ein hydrometeorologisches Sondernetz für landschaftsökologische Forschungen die Leewirkung des Collm nachgewiesen werden. 1967 fielen in Wermsdorf 660 mm, in Lonnewitz 550 mm, 1968 in Wermsdorf 673 mm, in Lonnewitz 562 mm Niederschlag. Allgemein nehmen die Werte von Westen nach Osten und von Süden nach Norden ab. Das Oberflächenwasser wird in Jahna, Döllnitz und Luppa gesammelt und nach Nordosten der Elbe zugeführt. An dem Aufbau der Böden beteiligten sich vor allem vom Inlandeis und seinen Schmelzwässern abgelagerte Sedimente der Saalekaltzeit sowie periglazial (eisrandnah)-äolische Deckschichten der Weichselkaltzeit, als das Gebiet außerhalb der Vergletscherung lag. Dort, wo das Grundgebirgsgestein bis nahe an die Oberfläche reicht, sind auch dessen Verwitterungsdecken in die Bodenbildung einbezogen. Auenlehme von verschiedener, dem Löß bzw. Sandlöß ähnlicher Körnungsart bedecken die meist sandig-kiesigen Flußschotter in den Tälern.

4

Das besonders in den Talauen höher anstehende Grundwasser wirkt sich als weiterer Faktor auf die Bodenbildung aus. Deckschichten und Untergrund sind also in mannigfaltiger Weise vertikal kombiniert, entsprechende Vielgestaltigkeit herrscht auch in der horizontalen Verbreitung der Böden vor. Innerhalb des nordsächsischen Tieflandes um Oschatz und Riesa lassen sich größere, unterschiedliche naturräumliche Teilbereiche ( B I L L W I T Z und H A A S E 1964) ausgliedern, und zwar die Wermsdorfer Platte (Abb. 1; I), der CollmRücken (IIa) und die Liebschützer Berge (IIb), die Dahlener Bucht (IIc), die Oschatz-Riesaer Moränenplatten (Ild) und die Zeithainer Heide ( l i l a ) östlich der Elbe. Zur W e r m s d o r f e r P l a t t e (I) gehören der Hubertusburger Forst (s. G 1) und die östlich und südlich anschließenden Ackerfluren bis etwa an die Orte Lampersdorf, Limbach und Seelitz. Ihre sanft gewellte bis ebene Landoberfläche weist nur sehr geringe Höhendifferenzen auf und fällt allmählich von 217 m ü. N N im Hubertusburger Forst im Westen auf etwa 180 m ü. N N bei Limbach im Osten ab. Über dem in ganz Nordwestsachsen verbreiteten Porphyruntergrund, mancherorts mit einer kaolinischen Verwitterungsdecke nach oben abschließend, lagern schwer wasserdurchlässige tertiäre Tone und pleistozäne Geschiebelehme. Die äolische Deckschicht darüber ist in der Regel weniger als 1 m mächtig, so daß sich das Material des Untergrundes im Landschaftsbild gut widerspiegelt. Oberflächengestalt und Gesteinsaufbau wirken sich ungünstig auf den Wasserhaushalt aus, besonders auf den des Bodenwassers, so daß hier Böden mit ausgeprägten Merkmalen vorherrschen, die auf einen Wechsel von Staunässe und Austrocknung hinweisen. Der oberflächliche Abfluß erfolgt radial nach Osten, Süden und Südwesten auf die Döllnitz zu, die hier in einem weiten Bogen die Wermsdorfer Platte von Westen nach Norden umgeht. Grenzen oder Übergänge zu den anderen Naturräumen sind fließend und im Landschaftsbild nicht durch einen Wechsel der Geländeformen markiert; eine Ausnahme stellt in Richtung Norden der vjDm Collmberg (s. A 1) beherrschte Grauwackenhöhenzug dar. In dem etwa 3 km breiten C o l l m - R ü c k e n (IIa) und in den nordöstlich davon gelegenen L i e b s c h ü t z e r B e r g e n (IIb) treten Reste des Nordsächsischen Sattels (s. A 1) an die Oberfläche, einer Aufwölbung des varistischen Gebirges zwischen Hohenmölsen, Eilenburg und Oschatz ( E I S Z M A N N 1970). Unmittelbar östlich des Collmberges teilt sich der aus untersilurischen Gesteinen, vorwiegend Grauwacken, aufgebaute Rücken in zwei parallele ungleich hohe Züge. Nordwestlich Oschatz verschwindet das Grundgebirge unter der Sedimentdecke und taucht erst östlich der Luppa in mehreren parallelen Erhebungen von geringerer Höhe, in den Liebschützer Bergen, wieder auf. Hier wie im Collm-Rücken kommen an den Hängen und zwischen den Aufwölbungen Schuttdecken vor. Sie sind von Sandlöß überlagert, dessen Mächtigkeit sich in der Regel mit zunehmender Höhenlage verringert. In Abhängigkeit von der Stärke der Sandlößschicht haben sich entweder Braunerden oder bei Auswaschung der Tonbestandteile aus dem Oberboden als Folge j ahrhundertelangen Ackerbaus Parabraunerden entwickelt. Umrahmt von den Grundgebirgsdurchragungen des Collm-Rückens und der 2*

5

Liebschützer Berge, reicht die D a h l e n e r B u c h t (IIc) im Nordwesten in unser Gebiet herein. Die Einsenkung wurde bereits im Jungtertiär mit marinen Sedimenten aufgefüllt und weist eine 30 bis 50 m, stellenweise sogar 70 m mächtige, sehr mannigfaltige pleistozäne Schichtenserie auf. Ein Anteil entstammt der Saalekaltzeit und steht im engen Zusammenhang mit der Ablagerung des Dahlener Sanders. Dieser sandig-kiesige Fächer wurde von Schmelzwässern des Inlandeises vor den Stauchendmoränen der heutigen Dahlener Heide angeschwemmt. Hauptsächlich glaziiluviale Sande sowie Sandlöß bilden das Ausgangsmaterial für die weit verbreiteten Braun- und Parabraunerden. Kuppen, Oberhänge und Talränder werden von nur dünnen Sandlößdecken überzogen, oder diese fehlen ganz, so daß hier die Braunerden wegen ihrer geringen Wasserbindung zum Austrocknen neigen. An den Collm-Rücken schließen sich nach Osten bis an die Elbe die O s c h a t z R i e s a e r M o r ä n e n p l a t t e n ( I l d ) an. J e nach der Lage unterscheiden wir die Oschatz-Strehlaer (Ildj), die Ganzig-Riesaer (IId 2 ) und die HirschsteinPrausitzer Moränenplatte (IId 3 ) sowie den Weidaer Moränenrücken (IId 4 ). Hier gibt es hügelige Formen, wie beispielsweise nördlich des Döllnitz-Unterlaufs (s. E i ) zwischen Oschatz und Riesa, ferner nahezu völlig ebene Flächen, wie im Raum Ganzig, und flache, weitgespannte Senken, so nördlich von Casabra. Diesen Naturraum charakterisieren der häufige, oft kleinräumige Wechsel von pleistozänem Geschiebelehm und glazifluvialem Sand, ferner das lokale Vorkommen von tertiären Tonen und stellenweisen Durchragungen von Grundgebirgsgestein. Darüber lagert eine unterschiedlich mächtige Sandlößdecke. Das Mosaik der hier verbreiteten Böden ist entsprechend vielgestaltig und umfaßt nahezu alle Bodentypei) der anderen Naturräume außer denen des Lößhügellandes. Mit der Z e i t h a i n e r H e i d e ( l i l a ) greift ein Stück des ausgedehnten ElbeElster-Tieflandes im Nordosten bis zur Elbaue herein. Die Talsande der weichselkaltzeitlichen Niederterrasse liegen nur wenig höher als die Aue. Sie lieferten das Material für die langgestreckten, in schmalen Rücken angeordneten Dünen, die einzigen Erhebungen, die die flache Umgebung um wenige Meter überragen. Eine mächtige Decke aus Löß, die der Wind in mehreren Phasen hauptsächlich während der Weichselkaltzeit hierher beförderte, bestimmt das m i t t e l s ä c h s i s c h e H ü g e l l a n d (IIa und b). Im nordöstlichen Teil dieses Naturraumes, besonders in der Lommatzscher Pflege (s. X 7 ) , sind die Ablagerungen kalkhaltiger, tonärmer und über 10 m mächtig, im südwestlichen Abschnitt dagegen kalkärmer, tonreicher und nur zwischen 3 und 6 m stark. Von der Hügellandstufe nach Süden steigt das Gelände verhältnismäßig rasch an. Bewegte Oberflächenformen überwiegen, ebene Flächen sind selten, da selbst die Bereiche der Wasserscheiden als breite Rücken ausgebildet sind, in die von den Tälern "her breite, zum Teil auch steilhängige Dellen (s. V i ) eingreifen. Die Differenzierung der Bodendecke wird in dieser fast ausschließlich ackerbaulich genutzten Landschaft bei dem überwiegend einheitlichen geologischen Substrat ganz wesentlich vom Relief und der Bodenerosion bestimmt. Nach dem Grad der

6

Tonverlagerung unterscheidet man Fahlerden (starke Verlagerung, weißgrauer Oberboden) und Parabraunerden (geringe Verlagerung, braungrauerOberboden), die Flächen unter l bis 2° Neigung einnehmen. Sie werden in der Lommatzscher Pflege von Griserden er.gänzt, einer grauen Übergangsbildung zwischen Schwarzerde und Parabraunerde bzw. Fahlerde. Auf 2 bis 7° geneigtem Gelände liegen Parabraunerden mit gekapptem, d.h. teilweise abgetragenem Profil vor. Konvexe Oberhänge über 5 bis 7 0 Neigung tragen Rendzinen, meist sehr flachgründige Typen mit einem geringmächtigen Humushorizont über dem mehr oder weniger verwitterten Anstehenden. An Unterhängen sowie in Dellen herrschen Böden mit humosem Abschwemmungsmaterial (Kolluvium) als Auflage und zum Teil mit Stau- oder Grundwasser im Untergrund vor. Die günstigen physikalischen Eigenschaften des Lößes vor allem hinsichtlich seiner Durchlüftung und des Wasserhaltevermögens erklären die hohe Fruchtbarkeit der darauf entwickelten Böden. Die Hügellandstufe (Abb. 1) markiert den Nordrand der Lößsteppe während der Weichselkaltzeit. In ihrem östlichen Abschnitt zwischen Mügeln und Lommatzsch weist sie stellenweise über 40 m Höhenunterschied auf. Westlich von Mügeln deckt sich die Stufe mit dem südlichen Talhang der Döllnitz (s. C7); die mächtigen Lößablagerungen reichen aber an dieser Stelle nach Norden über das Tal des Flusses hinaus, so daß hier eine klare Übereinstimmung von Stufe und Lößgrenze fehlt. Von den naturräumlichen Ordnungsregeln weichen die T a l a u e n (Ile, I l l b ) der größeren Bäche und der Flüsse ab, da sie mehrere Naturräume queren und entwässern: Der die Flußschotter bedeckende Auenlehm zeigt nach der Körnungsart eine enge Beziehung zum Boden des Einzugsgebietes: bei Jahna und Döllnitz überwiegt Löß und bei der Luppa mehr der Sandlöß. Der allgemein höhere Grundwasserstand in den Talauen beeinflußt in entscheidendem Maße die Entwicklung und Ausbildung der Böden. J e nach dem mittleren Grundwasserstand reicht das Spektrum von der grundwasserfreien Vega (brauner Auenboden) über grundwasserbeeinflußten Vega-Gley bis zu den Grundgleyen im Grundwasserbereich und bis zu den An- und Niedermooren.

P f l a n z e n - und T i e r w e l t ' Die Vegetation bestimmt in starkem Maße den Charakter der Landschaft. Da sie durch den Menschen unmittelbar genutzt wird, hat sie sich im Laufe der Zeit ganz wesentlich verändert. Bei dem heutigen Hervortreten von Acke^ flächen erscheint es schwer vorstellbar, daß ursprünglich das gesamte Gebiet geschlossen von Wald bedeckt war, obwohl kein Standort der jetzigen Offenlandschaft im Hinblick auf expositionsbedingte extreme Trockenheit und Wärmeoder infolge von Moorbildungen als waldfeindlich einzuschätzen ist. Aber nicht nur Rodungen zur Gewinnung von Acker- sowie von Grünland — vor allem in Auen und Bachtälern — haben zu einem völligen Vegetationswandel geführt. Auch die 7

Waldflächen des Hubertusburger Forstes (s. G 1) und des Oschatzer Stadtwaldes (s. A 4 ) haben sich gegenüber dem Naturzustand als Folge intensiver Forstwirtschaft tiefgreifend verändert. Seit i960 verursachen die Großflächenwirtschaft, die Meliorationsmaßnahmen, insbesondere im Fluß- und Auenbereich der Döllnitz, sowie die Rodung kleiner Gehölze und des Baumbewuchses von Bachufern erneut starke Wandlungen der Vegetation und damit des Landschaftsbildes. Durch den Ackerbau stellten sich Unkrautgemeinschaften ein, die sich je nach der Kultur von Halm- und Hackfrucht und je nach den Bodenverhältnissen unterschiedlich zusammensetzten. Regionale Unterschiede sind wegen des zumindest im Oberboden allgemein verbreiteten Lößlehms angedeutet, so daß als Leitgesellschaft der Getreideäcker die Kamillengesellschaft überall vorherrscht. Die auffälligste und für die Gesellschaft namengebende Art, die Echte •Kamille (Matricaria chamomilla), zeigt sich vielfach noch in Massenbeständen. Ihre Blüten werden für die pharmazeutische Industrie (s. J 1.3) gesammelt. Dagegen tritt die Geruchlose Kamille (Tripleurospermum inodorum) meist stark zurück, und das bekannteste Ackerunkraut, die Kornblume (Centaurea cyanus), kommt nur sehr vereinzelt vor. Für die Hackfruchtäcker sind neben Gänsefußarten (Chenopodium spec.) vor allem Ackerhellerkraut (Thlaspi arvense) und Sonnen Wolfsmilch (Euphorbia helioscopio) kennzeichnend. Die Abstufung der Bodenfeuchte, die bis zur Vernässung reicht, wird in engem Zusammenhang mit den unterschiedlichen Bodenformen von hygroökologischen Artengruppen angezeigt (s. V 1, Tabelle C). Der Einsatz von Herbiziden bringt es mit sich, daß die Ackerunkrautflora mehr und mehr zurückgeht oder sich in ihrer Artenund Mengenverteilung verändert. Verstärkt durch hohe Düngergaben und den Einsatz moderner Landmaschinen tritt eine immer nachhaltigere Nivellierung der Artenverteilung ein. Die vielfach artenreichen Grünlandflächen der Auen und Bachtäler sind als Folge der Hydromelioration in Verbindung mit wasserbaulichen Maßnahmen in stetem Rückgang begriffen, ein Prozeß, der im Jahnatal (s. M 2) weiter fortgeschritten ist als an der Döllnitz (s. C 6), deren Aue erst seit wenigen Jahren einer intensiven Melioration unterliegt. So stehen jetzt auch hier bereits größere Auenflächen, die noch vor wenigen Jahren Feucht- bis Sumpfwiesen trugen, unter Ackerkultur oder werden als artenarmes Intensivgrünland genutzt. Dazu kommt eine verstärkte Düngung, vielfach auch mit Gülle, so daß die wechselnde Artenzusammensetzung vor allem in Abhängigkeit vom Grundwasserstand und in enger Korrelation mit den Bodentypen immer mehr verschwindet. An einigen Stellen, insbesondere in Seitentälern, hat sich die Abfolge von der mäßig frischen Glatthaferwiese über die frische Fuchsschwanzwiese, die feuchte Wiesenknöterich-Kohldistel-Wiese bis zu nassen Großseggen-, Binsen-, Rohrglanzgras- oder Wasserschwadenbeständen erhalten. Einige Wiesenarten oder auch -gesellschaften weisen auf naturräumliche Differenzierungen hin. So wird das Grünland zwischen Collm und Lampersdorf im Bereich der Wermsdorfer Platte auf wechselfeuchten schweren Böden außerhalb

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von Bachauen und demzufolge ohne Grundwassereinfluß von einer Wiesenkümmel-Kammgras- (Carum carvi-Cynosurus cristatus-) Gesellschaft bestimmt, die für kühl-feuchte Klimalagen, meist in Verbindung mit einem gewissen montanen Einfluß, charakteristisch ist. In der breiten Aue der unteren Döllnitz macht sich der Elbtaleinfluß in einem Feuchtwiesentyp mit dem Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) bemerkbar, gelegentlich auch mit Wiesenstorchschnabel (Geranium pratense) oder selten mit dem Langblättrigen Ehrenpreis (Verónica longifolia). Nur im Jahnatal kommt auch der Braune Storchschnabel (Geranium phaeum) als Besonderheit gelegentlich vor. Besonderes Interesse verdienen die naturnahen Waldbestände, da sie vor allem auf bestimmte Aspekte der naturräumlichen Landschaftsgliederung hinweisen. Für das Lößhügelland gibt es zwischen Mügeln und Lommatzsch nur einen repräsentativen Bestand am Kranichau (s. T 5) mit vorherrschender Rotbuche, begleitet von Stiel-, seltener von Traubeneiche und Hainbuche. Ähnlich, wenn auch wegen des differenzierten Standortsmosaiks etwas abwechslungsreicher, ist die naturnahe Waldbestockung auf den Oschatz-Riesaer Moränenplatten zu beurteilen. Im Bereich der Wermsdorfer Platte kommen im Hubertusburger Forst (s. G 1) und im Oschatzer Stadtwald (s. A 4) Hainsimsen-Eichen-Buchen-Wälder vor, wie sie in verschiedenen expositionsabhängigen Ausbildungen für den Collmberg charakteristisch sind (s. A 1). Vereinzelte, naturnahe Restbestände auf den stauvernäßten Böden lassen einen Stieleichen-Birken-Wald in verschiedenen Ausbildungen erkennen mit der für fast alle Waldgesellschaften typischen Zittersegge (Carex brizoides) als regionaler Differentialart. Andere Pflanzen weisen auf eine ausgeprägte Bodenwechselfeuchtigkeit oder auf Sauerhumus hin, wie Pfeifengras (Molinia coerulea) und Adlerfarn (Pteridium aquilinum). Auf nährstoffreicherem Boden mit ausgeglichenem Wasserhaushalt kommen Laubmischwälder vom T y p der Eichen-Hainbuchen-Wälder vor, in denen gelegentlich die Winterlinde auftritt. Edellaubholzreiclie, fast schluchtwaldartige Ausbildungen mit Esche, Berg- und Spitzahorn und vereinzelt auch Bergulme sowie reichem Unterwuchs charakterisieren die Schattenhänge enger Bachtälchen (s. T 10). Eine große Vielfalt und einen bemerkenswerten Artenreichtum weisen die Restgehölze in den Auen von Döllnitz und Jahna und ihrer Seitenbäche auf. Für die Auenstandorte des Gebietes ist der Traubenkirschen-Eschen-Wald in verschiedenen, vom Grundwasserstand abhängigen Ausbildungen kennzeichnend, der in seiner typischen, edellaubholzreichen Form durch eine Frühlingsflora mit Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava) und Aufrechter Schlüsselblume (Prímula elatior) besonders reizvoll ist. Trockenere Bereiche zeigen Einflüsse vom Eichen-Hainbuclien-Wald, und in Elbnähe erinnert die Artenzusammensetzung vor allem durch das Auftreten der Feldulme bereits an die Hartholzaue der Stromtäler (s. E 3). Diese pflanzengeographisch interessante Holzart dringt in das Jahnatal wesentlich tiefer ein als an der'Döllnitz entlang, jedoch fallen seit einigen Jahren die Ulmen einem Schädling mehr und mehr zum

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Opfer. Nur vereinzelt findet man an anmoorigen Naßstandorten Erlenbrüche mit vielfach seggenreicher, zum Teil röhrichtartiger Krautschicht, für die der Bittersüße Nachtschatten (Solanum dulcamara) und die gelbe Wasserschwertlilie (Iris pseudacorus) neben anderen Sumpfpflanzen kennzeichnend sind. Vor allem in den reichen, frischen Laubmischwäldern kommt als pflanzcngeographisch interessante Art die Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis, Abb. 2) vor, die im Gebiet die Nordgrenze ihres geschlossenen Areals bei uns erreicht, ähnlich wie der südlich verbreitete, geschützte Märzenbecher (Leucojum Vernum) mit seiner absoluten Nordgrenze bei Riesa. Montan-submontane Bergwaldpflanzen, wie der Waldgeißbart (Aruncus sylvestris), dringen vom Erzgebirge nicht bis in das Jahnatal vor. Andere im herzynischen Gebiet als montan zu bezeichnende Arten, wie der Hirschholunder (Sambucus racemosa) mit seinen korallenroten Beerentrauben, der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) oder der Berglappenfarn (Lastrea limbosperma), kommen in den Waldgebieten derWermsdorfer Platte vor, wo sie durch Lokal- und Bodenklima begünstigt werden. Es ist anzunehmen, daß diese genannten und andere Arten ähnlichen Verhaltens erst durch die Forstwirtschaft eingeschleppt worden sind oder geeignete Lebensbedingungen erhalten haben. Die infolge hoher Bodengüte und günstiger Klimavoraussetzungen frühzeitige Umwandlung der ehemals bewaldeten Flächen im Gebiet zwischen Mügeln, Oschatz und Riesa in ein Ackerland hat auch die Tierwelt stark beeinflußt. Die für diese Gegend nur spärlich vorhandenen Quellen nennen den Hamster als Charaktertier des Lößhügellandes und seiner nördlichen Randbereiche. So gehört das Gelände um Oschatz zu den Altsiedelgebieten dieses Nagers, in dem es immer wieder, so 1893, z u Zunahmen dieser Art lind infolgedessen zu beträchtlichen Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen kam ( Z I M M E R M A N N 1923). Ein weiteres typisches Steppentier trat bis zum ersten Weltkrieg im Nordosten des Gebietes auf: die Großtrappe. Offensichtlich haben die wenigen überlieferten Beobachtungen gerade noch das zeitliche Ende des Vorkommens erfaßt. P. MARX (1885 — 1888) berichtet, daß diese Vogelart in Mautitz früher regelmäßig brütete, 1885 nur noch 4 Paare, wohl auch 1886. Im benachbarten Seerhausen wurde 1888 eine Großtrappe geschossen. Später hat M A R X brieflich an HEVDER (1916) berichtet, daß die Großtrappen zwischen Bornitz, Ganzig, Mautitz, Weida und Canitz vorgekommen seien. Aus dem nördlich anschließenden Bereich um Borna und Schönnewitz und weiter aus den ausgedehnten Ackergebieten zur Dahlener Heide und nach Strehla zu sind sie ebenfalls bekannt ( D E T M E R S 1912). Das Vorkommen fand östlich der Elbe seine Fortsetzung um Niinchritz und in der Großenhainer Pflege, wo sich Trappen bis auf unsere Tage gehalten haben. Offenbar erst in unserem Jahrhundert ist eine Art heimisch geworden, die ebenfalls zu den Charaktervögeln der offenen Landschaft gehört, allerdings Baumreihen oder Gehölzränder als Singewarten beansprucht: der Ortolan oder die Gartenammer. Die im Gebiet ansässigen Avifaunisten der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts kennen ihn nur als Durchzügler. Die Jahna bildete etwa die 10

Nordgrenze seines westelbisclien Verbreitungsgebietes (ZTJMPE 1924), doch konnte dies bereits wenige Jahre später durch Brutzeitbeobachtungen bei Malkwitz und weiter westlich als überholt nachgewiesen werden ( H E Y D E R 1928). Bis zur Gegenwart wurde der gesamte nordwestsächsische Raum besiedelt. Von hier aus breitete sich die sehr stark zu Bestandsschwankungen neigende Gartenammer in den westelbischen Bereich aus. Nach dem zweiten Weltkrieg hat die schnelle Ausbreitung der südwesteuropäischsüdwestasiatischen Türkentaube in Fachkreisen und beim Laien erhebliches Aufsehen erregt. Diese Art folgt nicht einer kontinuierlichen Ausbreitungsfront, sondern sie tritt vielmehr sprunghaft an geeigneten Stellen der menschlichen Siedlungen auf. Bereits 1947 ist sie für Oschatz nachweisbar, womit einer der ersten Belege für die deutschen Gebiete erbracht wurde ( E R D M A N N 1965). In Riesa-Poppitz und Schmorkau brütete sie 1950, in Mügeln 1954. Zu den viel beachteten Vogelarten in Siedlungen gehörte von jeher der Weißstorch, der in den letzten Jahrzehnten mehrere auffällige, in ihrer Ursache nicht geklärte Bestandsschwankungen durchmachte. Im Döllnitzgebiet sind Brüten aus Sornzig (um die Jahrhundertwende), Oschatz (etwa 1867 — 1870, Brutversuch 1964) und Lonnewitz/Kleinragewitz (zwischen 1900 und 1906) bekannt ( E R D M A N N 1974). Im Tal der Jahna siedelten Störche früher in Seerhausen (1941 — 1945), in Poppitz (um 1900 2 Horste, dann nach 1940 für einige Jahre) und in Riesa (1920—1922, G Ü N T H E R i960). Heute gibt es im Gebiet kein Brutpaar mehr. Die Vorkommensgrenze liegt westelbisch im Einzugsbereich von Dahle und Luppa. Über die übrige Vogelwelt lohnen wenige Angaben. Die Nachtigall als Brutvogel wärmebegünstigter Laubwälder bleibt weitgehend auf das Elbtal beschränkt, wo sie sich im Stadtpark Riesa bereits 1885 nachweisen ließ ( M A R X 1886). Es herrschen Vögel der offenen Feldlandschaft vor, wie Schafstelze und Grauammer, neben allgemein verbreiteten Arten, wie Feldlerche. An jagdbaren Arten dominieren dem Landschaftscharakter entsprechend die des Niederwildes. Neben dem Hasen wird das Kaninchen in den Streckenberichten oft erwähnt, ebenso Rebhuhn und Fasan. Das Reh scheint außerhalb des Oschatzer Stadtwaldes gefehlt zu haben. Von Fledermäusen konnten in der Umgebung von Mautitz 9 Arten nachgewiesen werden, unter denen die Zweifarbfledermaus eine seltenere Art darstellt ( M A R X 1889). Der Siebenschläfer erreicht im Oschatzer Gebiet die Nordostgrenze seines nordwestsächsischen Teilareals ( Z I M M E R M A N N 1924). E r kennzeichnet recht gut die landschaftliche Übergangsstellung der Moränenplatten und des Lößhügellandes . als wärmebegünstigte Landschaften mit stärkerem kontinentalem Einfluß zum Mittelgebirgsvorland. Charakteristische Arten der Insektenwelt reichen vom Mittelgebirgsvorland bis in das Hügelland. So verläuft die Grenze der Verbreitung der beiden Arten des Laubheupferdes auf der Linie Ostrau —Riesa. Die montane A r t Tettigonia cantans dringt von Südosten her bis dorthin vor und kommt westlich der Jahna nur noch ganz vereinzelt vor, dagegen das Grüne Laubheupferd (Tettigonia 11

viridissima) überwiegend. In Oschatz, Mügeln, Lommatzsch und Leuben werden von Beginn der Neuzeit an und zum Teil bis in das beginnende 19. Jahrhundert hinein Funde der Wanderheuschrecke (Licusta migratoria) mehrfach erwähnt. Trockenheitsliebend sind unter den Heuschrecken ferner die Schnarrschrecke (Psophus stridulus; Leuben und Oschatz) und Chorthippus pullus (Leuben), stark wärmeliebend daneben Sphinginotus caeruleus (Oschatz). Alle drei Arten weisen eine mittel- bis südosteuropäische Verbreitung auf ( S C H I E M E N Z 1966). Schließlich sei noch die seltenere wärmeliebende Wanzenart Legnoius limbosus genannt, von der Fundorte bei Oschatz und Riesa bekannt geworden sind ( J O R D A N 1963, M I C H A L K 1938).

Historischer

Überblick

In dem Gebiet zwischen Oschatz, Riesa und Mügeln kann in ur- und frühgeschichtlicher Zeit eine dichte Besiedlung bereits seit Beginn der Seßhaftigkeit nachgewiesen werden. Bei den Suchpunktbeschreibungen ist nur ein geringer Teil aller bekannten Fundstellen kurz berücksichtigt worden. Die Kenntnis vom Siedlungsbild in ur- und frühgeschichtlicher Zeit weist trotz der verhältnismäßig gut beobachteten Gegend noch Lücken auf, da nur ein geringer Prozentsatz ehemaliger Siedlungen und Gräberfeld'er aufgedeckt wurde oder gar zu wissenschaftlicher Dokumentation gelangte. Wie dicht die tatsächliche Besiedlung war, zeigen systematisch gewonnene Querschnitte, so in Gräben für Ferngasleitungen oder große Flächenuntersuchungen, wie sie beispielsweise- in Verbindung mit der Errichtung des Rinderkombinats in Leuben möglich waren (s. O 2). Auch die heutigen Wälder, wie der Hubertusburger Forst, waren vordem nicht unbesiedelter Urwald, sondern teilweise Offenlandschaften, was Siedlungen, Hügel- und Flachgräberfelder von der Jungsteinzeit an beweisen. Die Kenntnisse über Abschnitte des Gebietes verdanken wir nicht zuletzt der über vier Jahrzehnte währenden mustergültigen bodendenkmalpflegerischen Arbeit des Riesaer Heimatforschers Alfred M I R T S C H I N (gest. 1962). Die verhältnismäßig starke Nutzung unseres Landes geht fast durch alle Jahrtausende und ist mit ein Zeichen für die günstigen Siedlungsbedingungen einschließlich der leichten Bearbeitbarkeit des Bodens. Die Konzentration urund frühgeschichtlicher Funde um Riesa ist bedingt durch die äußerst günstige L a g e im Durchgangsbereich der kulturellen Wechselbeziehungen zwischen dem Südosten und dem Norden, die seit der Tätigkeit der ältesten Feldbauern und Viehzüchter am Beginn der jüngeren Steinzeit nachzuweisen sind. Das hier nicht mehr — wie von der Staatsgrenze zur CSSR bis in die Gegend von MeißenSeußlitz — durch steile Hänge eingeengte Elbtal bot die Möglichkeit zur breiten Inanspruchnahme der fruchtbaren Bereiche zu beiden Seiten des Stromes. Hinzu kommen die Täler des Keppritzbaches, der Jahna und der Döllnitz mit ihren Zuflüssen, ohne daß etwa das Gelände außerhalb der Niederungen ge-

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mieden worden wäre. Eine Bevorzugung der wassernahen Landstriche läßt sich aber, wie auch in anderen Gegenden, nicht übersehen (s. F 2.1). Im Raum um Riesa, Oschatz, Mügeln und Lommatzsch fällt noch besonders auf, daß die Zeit der Bandkeramik am Anfang der Jungsteinzeit mit dem ältesten Getreideanbau und den Anfängen der Viehzucht, die Epoche der Lausitzer Kultur mit den großen Hügel- und Flachgräberfeldern und die slawische Periode etwa seit 600 vertreten sind. Ebenso lieferten die Kulturen vom Ende des Neolithikums — besonders die Schnurkeramik — sowie aus den Anfängen der Bronzezeit mit der Aunjetitzer Kultur (große Depotfunde mit Meisterwerken ältester Bronzetechnik und Skelettgräberfunde) und nach der Mitte des letzten Jahrtausends v. u. Z. die ältesten Germanen in Sachsen mit ihrem Fortleben in der sogenannten römischen Kaiserzeit und schließlich in der Völkerwanderungszeit einen erheblichen Teil des Fundmaterials. Die Bodenurkunden beweisen eine annähernde Siedlungskontinuität in unserem Gebiet, wie wir sie von anderen Gegenden Sachsens nur selten in ähnlicher Lückenlosigkeit vorfinden. Das gilt vor allem auch für die Zeit der weitgehenden Abwanderung der Germanen im 6. Jahrhundert und die anschließende friedliche Inbesitznahme des Landes durch die aus dem Südosten zugewanderten slawischen Sorben, die sich dann im Raum bis östlich von Meißen als Gau Daleminze einen organisatorischen Zusammenhalt schufen. Der Gauname wurde vermutlich von den Sorben als Bezeichnung einer vorslawischen Bevölkerung, vorgefunden. Seit 805 werden die Daleminzier in den ältesten schriftlichen Quellen mehrfach erwähnt. Der sogenannte Bayrische Geograph (Mitte des 9. Jahrhunderts) nennt den Gau mit 14 Bezirken (civitates), von denen jeder •einen befestigten Mittelpunkt besessen haben dürfte, den wir in den slawischen Burgen wiedererkennen können. Als Hauptburg gilt dabei Gana (s. Q 6), die die Forscher mit dem Burgberg zwischen Hof und Stauchitz wiedergefunden zu haben glauben. Nach der Sachsengeschichte aus dem 10. Jahrhundert ( W I D U K I N D 1931) wurde Gana 929 von H E I N R I C H I. nach langer Belagerung erobert und damit der Gau unterworfen. Nun waren die Voraussetzungen gegeben z:ur Eingliederung des Gebietes in den deutschen Feudalstaat, zum Bau der deutschen Burg Meißen als vorgeschobenem Machtzentrum (ebenfalls 929) und zur folgenden Einrichtung (vor 968) der Mark Meißen. Aus der Zeit des freien Slawengaus Daleminze vor 929 haben sich als Bodendenkmale befestigte Orte erhalten, wie der Festenberg (s. T 3) bei Baderitz, vielleicht die Schanze von Rosenthal (s. H 5), der Burgwall bei Staucha (s. W 7) und die Schanze von Paltzschen (s. Y 4), eventuell auch schon Mügeln (s. N 6). Überliefert ist weiterhin der Heilige See (s. Y 4 ) der Daleminzier auf Paltzschener Flur. In dem Altsiedelland gab es Supanien, slawische Verwaltungsgebiete von unterschiedlichem Umfang, in deren Hauptorten (s. Y 6) jeweils ein Supan mit der Verwaltung beauftragt war. Ihre Einzugsbereiche konnten in Ausnahmefällen bis zu 20 km entfernten Orten reichen (Abb. 3). Die deutschen Eroberer scheinen diese Ordnung weitgehend beibehalten zu haben, legten aber seit der Mitte des 10. Jahrhunderts ein eigenes System von Burgwarden und burgwardähnlichen 13

d>

1 Wusscn (s. V 2 ) 2 Altlommatzsch ( s . Y 6) 3 Pulsitz (s.W 3) 4 Baderitz 5 Mockritz 6 Gödelitz 7 Mertitz 8 Raußlitz

Abb. 3. Verbreitung der Supanien, nach Quellen des 14. Jahrhunderts (aus H E R Z i960)

P u n k t e n d a r ü b e r . Die B u r g w a r d e bildeten militärische S t ü t z p u n k t e , so in Gröba (s. F 1), Mügeln (s. N 6) und Schrebitz (s. U 9). Von den im Gelände noch deutlich e r k e n n b a r e n Anlagen ist die von Hohenwussen (s. V 2) nicht geklärt. Seit •der Mitte des 16. J a h r h u n d e r t s können die Supanien als Verwaltungsbezirke nicht m e h r nachgewiesen werden (PANNACH I960), n a c h d e m die kurfürstlichen Ä m t e r neu geordnet worden waren. I n d e m Altsiedelbereich f a n d e n die deutschen feudalen Eroberer u n d die ihnen s p ä t e r folgenden B a u e r n slawische Bewohner mit einer westslawischen Sprache, •dem Altsorbischen, vor. Die Deutschen h a t t e n zunächst die Sprache der Einheimischen nur unwesentlich beeinträchtigt, sie w a r erst im L a u f e der folgenden J a h r h u n d e r t e , vor allem nach d e m Zuzug größerer deutscher Siedlergruppen seit e t w a 1150, allmählich v e r d r ä n g t worden u n d schließlich erloschen. Die Sprache h a t jedoch ihre deutlichen Spuren in den vielen slawischen Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen hinterlassen, die eingedeutscht wurden. Diese bieten heute der Sprachwissenschaft die Möglichkeit, Aussagen über den L a u t - u n d W o r t b e s t a n d des Altsorbischen zu machen, die wiederum Aufschlüsse ü b e r die Stellung dieser S p r a c h e innerhalb der westslawischen S t ä m m e u n d Völkerschaften u n d deren M u n d a r t e n geben (Alttschechisch, Altpolnisch, Altpolabisch). Auch der W o r t s c h a t z unserer deutschen M u n d a r t u n d Schriftsprache e n t h ä l t m a n c h e ursprünglich slawischen W ö r t e r , die m a n h e u t e nicht m e h r als solche erkennt, wie Bäbe f ü r N a p f k u c h e n , Kollatsch f ü r Gebäckstück, Krutsche(l) f ü r verkrüppeltes Wesen, Mauke f ü r Kartoffel- oder Meljlbrei, pietschen f ü r trinken, Kaluppe f ü r baufälliges Gebäude. Die N a m e n f o r s c h u n g rechnet auf G r u n d ihres Sprachmaterials mit einem Verschwinden des Altsorbischen in unserem Gebiet im L a u f e des 14./15. J a h r h u n d e r t s , als H a u s s p r a c h e k a n n es sich auch vereinzelt noch länger gehalten haben. B e w a h r t geblieben ist d a s Sorbische — später auch als Schriftsprache — in der Ober- u n d Niederlausitz. Urkundliche Belege f ü r die Orte gibt es — mit A u s n a h m e von Mügeln (984), Schrebitz (1064) u n d Gröba (1064) — f ü r die Zeit v o m 6. bis 10./11. J a h r h u n d e r t k a u m . Zu den indirekten Zeugnissen f ü r die genaue gebietsmäßige Abgrenzung des. Anteils der slawischen und der deutschen Siedler zählen Ortsnamen, -formen u n d -bilder sowie F l u r n a m e n , -formen u n d -großen, die alle ein Überwiegen slawischer E n t s t e h u n g belegen. Besonders einprägsam spiegeln die O r t s n a m e n diese Feststellung wider. Diejenigen slawischer H e r k u n f t sind zwar im Lößhügelland g e h ä u f t verbreitet, fehlen aber d e m Oschatz-Riesaer Gebiet keinesfalls. E i n e große Anzahl weist auf Besonderheiten des N a t u r r a u m e s hin, so des Bodens, des Geländes, der Wasserverhältnisse u n d der Lage (s. H 7, W 2, Y 3, Y 4). Die Mehrzahl altsorbischer Bezeichnungen aber leitet m a n von Personenn a m e n ab. I n diesen Siedlungen auf (ov)ici w o h n t e wohl ursprünglich nur eine slawische Sippe oder Familie m i t einem O b e r h a u p t (s. J 8, Mg, Q 2 , W 1). Eine weitere G r u p p e von Bezeichnungen e n t h ä l t deutsche Personen (Lokatoren) n a m e n m i t der slawischen Nachsilbe ici, so B e r n t i t z (s. N 2, X 10) u n d Weichteritz (s. P 7). Sie bleibt im wesentlichen auf kleine R ä u m e im Altsiedelland b e s c h r ä n k t , zeigt aber, wie m a n eine bereits ansässige slawische Bevölkerung in d e n K o l o n i s a 15

tionsprozeß des Hochmittelalters im sächsischen Raum einbezog ( B L A S C H K E . 1967). Aus dieser Zeit stammen auch die Wälle auf dem Collmberg (s. A 1) und das Schloß Osterland (s. H 2) bei Oschatz. Rein deutsche Namen für Ortegibt es im Gebiet nur wenige. Es sind entweder Appellativa (s. D 5) oder damalige ,,Mode"namen auf -dorf, -hain, -berg (s. G 2, N 4, Q 1); einige bezeichnen auch die Lage (s. Q 3). Unternimmt man den Versuch, die Orts- und Flurnamen (Abb. 4) in ihrer räumschen Verbreitung darzustellen, so lassen sich einige Beziehungen zum Siedlungsgang und zur natürlichen Ausstattung des Geländes herstellen. Das Altiiedelland, vor allem südlich der Lößrandstufe (s. Seite 4), weist viele Quellen und Quellmulden sowie ein weit verzweigtes Gewässernetz auf. Hier hat sich als. verbreitetste Siedlungsform der Weiler herausgebildet, oft nur mit 2 oder 3 Bauernhöfen (s. V 3, V 4, W 9 ) . Die dazugehörigen Fluren waren in Blöcke eingeteilt, stellenweise durch Streifen abgeändert. Nördlich der Lößrandstufe treten eigentliche Weilerformen stark zurück, Überformungen dagegen hervor. zu Abb. 4



Stadt



1 Babritz

Weiler

2 Bader

(Sack-)Gassendorf

4 Bescowe

3 Beiersdorf 5 Blumenberg 6 Böhla



Straßen(anger)dorf

d

Zeilendorf



Platzdorf

A

Häuslerreihe

12 Klein-Neußlitz

O

Gutssiedlung

14 Kleinteschitz

f

Rittergut

f

Vorwerk

V»/ 2

Wasserburg nicht sichere Wasserburg

!•'.•!•[ Gewanne I

Wüstungen

1 Blöcke

n n i l Blöcke und Streifen i v v v j gewannähnliche Blöcke p ^ j und Streifen I ~ i Gutsblöcke

7 Cunnersdorf 8 Dobernitz 9 Gaumnitz 10 Gorau 11 Groß-Neußlitz 13 Kleinprausitz 15 Krost 16 Kukelitz (Gucklitz) 17 Lusitz 18 Meduitz 19 Petritz 20 Praschwitz 21 Schman 22 Startsche 23 Teschitz 24 Walditz 25 Welknitz 26 Wilschwitz 27 Wüst-Albertitz 28 Wüstnaundorf 29 Zschöllau 30 Wüstung ohne Namen

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Erhielt der Rundweiler später eine aufgelockerte Anordnung, so spricht man von einem Rundangerdorf; schloß man den Zufahrtsweg zu den Gebäuden einseitig ab, von einem Sackgassendorf. Es überwiegen hier also gassendorf-, straßendorfund platzdorfartige Siedlungen, deren Block- und Streifenfluren durch deutschen Einfluß oft gewannähnlich umgelegt wurden. Während der deutschen Besiedlung der Mark Meißeil bildeten sich auch bereits bestehende Orte zu Gutsdörfern um, insbesondere an den Mittel- und Unterläufen von Döllnitz, Jahna und Keppritzbach, die die Oschatz-Riesaer Moränenplatten mit ihren mehr sandigen Böden queren. Wasserburgen (Abb. 4) als frühe deutsche Feudalsitze entstanden am Ende des 12. Jahrhunderts. Ihre Reste sind an mehreren Stellen erkennbar oder zumindest zu erschließen (s. C 5, D 5, M 6). Meist liegt auch eine Erwähnung als Herrensitz in Urkunden vor (s* F 5, J 8). Diese Anlagen entwickelten sich fast alle zu Vorwerken oder Feudalgütern, von denen einige nach Erlangung verschiedener Patronatsrechte sich zu Rittergütern erhoben. Ein Blick auf eine topographische Karte überzeugt uns von der großen Dichte des heutigen Siedlungsnetzes im allgemeinen, von der in der Lommatzscher Pflege und im Mügelner Gebiet im besonderen. Berücksichtigt man alle bisher bekannt gewordenen wüsten Orte bzw. ihre Gemarkungen (Abb. 4), so erhöht sich die Häufigkeit der Ansiedlungen noch erheblich. Wüstungen kommen zwar in allen Teillandschaften vor, doch häufen sie sich auffällig in der Umgebung von Oschatz und im Gebiet nordwestlich von Altlommatzsch. Forscher verschiedener Wissenschaftsdisziplinen bemühen sich, den Prozeß des Wüstvverdens im Spätmittelalter zu ergründen. So stellte B L A S C H K E (1967) nach archivalischen Unterlagen fest, daß zwischen den Jahren um 1300 und 1550 im Kreis Oschatz ein Bevölkerungsverlust von 2 2 , 1 % zu verzeichnen war, also in einer Höhe, wie er im sächsischen Bereich nur noch von den Kreisen Leipzig und Grimma übertroffen wurde. H E R Z (1960) bestimmte in ausgewählten Räumen zwischen Riesa und Lommatzsch den Phosphatgehalt des Bodens und konnte mit •dieser Methode offengelassene, meist kleine Wohnplätze lokalisieren. Für den Wüstungsprozeß müssen mehrere Ursachen vorhanden gewesen sein. An erster Stelle wird eine Krise der ackerbaubetonten Landwirtschaft angeführt. Während der Zeit von 1350 bis 1550 verzogen viele Bewohner in Städte und in ländliche Gebirgsgegenden. Die seit 1348 in Europa verbreitete Pest hatte eine Verringerung der Bevölkerung im gesamten Land zur Folge. Weiterhin kann als sicher gelten, daß Dorfgemarkungen in Stadtfluren einbezogen wurden, wie es offenbar bei Oschatz geschah (s. J 1.1). Außerdem ließ man von deutschen Siedlern gegründete Orte auf, wenn sich die Böden der Fluren als minderwertig erwiesen oder es an notwendigem Wasser mangelte. Manche dieser Plätze überzogen sich im Laufe der Zeit wieder mit Buschwerk (s. G 3), die meisten wüsten Marken aber kamen an benachbarte Bauernhöfe, die dann entsprechende Abgaben an die zuständigen Grundherrschaften zu entrichten hatten. In wenigen Fällen entstand an Stelle eines ehemaligen Ortes ein Einzelhof, meist ein Herrengut oder Vorwerk (s. B 5), oder eine neue Siedlung (s. C 2).

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D a s v o n N a t u r a u s n i c h t sehr d i c h t b e w a l d e t e G e b i e t z w i s c h e n O s c h a t z , M ü g e l n u n d R i e s a w u r d e v o n d e n B a u e r n i m L a u f d e r J a h r h u n d e r t e g e r o d e t . W o h l als F o l g e l a n g a n h a l t e n d e r l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r N u t z u n g b i l d e t e n sich die c h a r a k t e r i s t i s c h e n G e l ä n d e f o r m e n d e r T i l k e n (s. V 1). E i n T e i l d e r G e h ö l z e m u ß t e erst d e m i m 19. J a h r h u n d e r t e i n s e t z e n d e n i n t e n s i v e n L a n d b a u w e i c h e n . So blieb n u r a n sehr w e n i g e n , m e i s t f ü r die B e a r b e i t u n g u n g ü n s t i g e n Stellen z u s a m m e n h ä n g e n d e r W a l d e r h a l t e n (s. T 5). D e r O s c h a t z e r K i r c h e n - u n d S t a d t w a l d (s. A 4) d a g e g e n g e h t auf eine f r ü h e b e s i t z r e c h t l i c h e S o n d e r s t e l l u n g z u r ü c k . H i e r w i e in allen W a l d u n g e n v e r f ü g t e n die a n g r e n z e n d e n D ö r f e r ü b e r gewisse N u t zungsrechte. A Holländerwindmühle A Bockmndmöhle 0 Wassermühle 140 Höhein m Ü.NN

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Getreide, einige auch Lein; später schnitten sie Bretter, so wie es in Wetitz heute noch geschieht (s. O 8). Mit wenigen Ausnahmen, die jetzt mit elektrischem Strom arbeiten (s. C 4, L 3), stellten alle anderen ihren Betrieb im Lauf der Zeit ein. Ihre Gebäude dienen Wohnzwecken, so in Grubnitz (s. R 1), oder als Werkstätten, wie in Seerhausen (s. L 5). Windmühlen erhielten sich bei Collm (s.. A 3) und anderen Orten (s. E 2, P 2, S 2, R 7). Inmitten des dichten dörflichen Siedlungsnetzes entwickelten sich an Übergängen über die Döllnitz die Städte Mügeln und Oschatz. Im Anschluß an eine bereits im 10. Jahrhundert bezeugte Burg der Herren von Mügeln, die wohl Vögte des Bistums Meißen waren, entstand seit etwa i i 2 5 eine Marktsiedlung Mügeln (s. N 6 ) . Der Edelfreie S I E G F R I E D von Mügeln (III.) gründete 1241 in Sornzig ein Kloster (s. T 6 ) . Ein Franziskanerkloster gab es bereits seit 1228 in Oschatz (s. J 1.2). Es schloß sich unmittelbar an eine in den ältesten Teilen auf das 10. Jahrhundert zurückgehende und im 12. Jahrhundert durch eine Kaufmannssiedlung erweiterte planmäßige Ortsanlage an. Ein weiteres Kloster bestand vom Anfang des 12. bis in das 16. Jahrhundert im Dorf Riesa (s. F 2.2), eine Gründung der Naumburger Bischöfe. Während Mügeln und Oschatz bedeutende städtische Vorrechte erlangten, blieb Riesa ein kleiner Marktflecken. Bereits seit demEnde des 15. Jahrhunderts entstanden aus den vorher existierenden Vogteien kurfürstliche Ämter. Der größte Gebietsanteil zwischen Elbe und Döllnitz entfiel in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf das A m t Oschatz; die Orte südlich von Mergendorf und Riesa gehörten zum Kreisamt Meißen. Selbständige kleine Bezirke bildeten innerhalb .des Stiftsamtes Würzen die von Mügeln und Sornzig, die aus bischöflichem Besitz hervorgingen. Einige Orte um Schrebitz unterstanden dem Prokuraturamt Meißen. Das Schulamt Meißen sowie die Ämter Nossen, Leisnig und — östlich der Elbe — Großenhain übten ebenfalls landesherrliche Rechte aus. Verkehrsmäßig gehört der Raum zwischen Oschatz, Riesa und Mügeln zu den ausgesprochenen Durchgangsgebieten, sieht man von der erst in der zweiten Hälfte des ig. Jahrhunderts einsetzenden Konzentration der Eisenbahnlinien in Riesa ab. Im Mittelalter können als Zielorte der durchführenden Straßen Leipzig und die Städte in der Oberlausitz, in Schlesien und Polen gelten. Die größte Bedeutung erlangte im 15./16. Jahrhundert die Hohe Straße (s. B 6), auf der in Merschwitz die Elbe und in Würzen bzw. Grimma die Mulde überquert werden mußte. Somit hielten die wichtigsten Verbindungen einen Südost —Nordwest gerichteten Verlauf ein. Spielte ursprünglich die Route über Mügeln (s. N 6) eine gewisse Rolle, so nahm später die von Zehren über Oschatz, die Vorläuferin unserer heutigen F 6, an Bedeutung zu. Zwischenzeitlich verlagerte sich der Verkehr auf die als Alte Poststraße bekannte Führung (s. B 6) von Klappendorf über Stauchitz nacli dem Schloß Hubertusburg in Wermsdorf. Wie die Fernverkehrsstraße führt auch die 1839 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie Leipzig—Riesa (s. B 3) nördlich der Hügellandstufe entlang. Überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden dievollspurigen Verbindungen von Riesa nach Norden bzw. Süden (s. F 2.3). Zum Knotenpunkt von Sclimal20

spurbahnen entwickelte sich nach 1883 Mügeln. Infolge des erhöhten Einsatzes von Omnibussen und Lastkraftwagen hat sich seit etwa 1965 das Gewicht so verlagert, daß die meisten Schmalspurstrecken stillgelegt werden konnten (s. H 9). Die Orte längs der Eisenbahnlinien und Hauptstraßen sowie die Stadt Riesa fallen fast ganz aus dem alten Mundartgebiet heraus. Hier herrscht die obersächsische Umgangssprache als Mittelschicht zwischen Schriftsprache und Mundart vor. Im allgemeinen gehört das Gebiet zwischen Mügeln, Oschatz, Lommatzsch und Riesa zu dem obersächsisch-meißnischen Sprachraum, und zwar zum sogenannten Nordmeißnischen. Sein Kerngebiet ist die Gegend um Lommatzsch, also der alte Slawengau Daleminze. Die kaum auffallenden Un' terschiede von einem Ort zum anderen weisen im Norden bzw. Nordwesten auf den Mundartbereich des Osterländischen hin, im Süden und Westen auf den des Süd-, Südost- und Westmeißnischen. Daß das Nordmeißnische eine mitteldeutsche Mundart ist, zeigt sich im Festhalten vom Endungs-e, Kennzeichen auch der anderen meißnischen Mundarten im Gegensatz zum Erzgebirgischen, beispielsweise: die Gänse (erzgeb. de Gäns), aber auch bei einsilbigen Wörtern: das Bette, dieTüre. Hauptmerkmale der nordmeißnischen Mundart sind jedoch, obwohl sie immer mehr verflachen und auf einen engeren Kreis um Lommatzsch zurückzugehen scheinen, die unechten öffnenden Zwielaute (Diphthonge), die sich entweder vor Selbstlauten oder nach dem eigentlichen Selbstlaut im Wort zeigen, so in Vuater, Spiäl, Miele für Vater, Spiel, Mühle. Auffällig ist die Entwicklung der Lautgruppe -age(n), so in tragen, sagen, Wagen, die umgangssprachlich, so in Riesa, als trachen, Sachen, Wachen, im Meißnischen als troin, soin, dr Woin erscheinen. Über das Nordmeißnische hinaus und fast allgemein mitteldeutsch ist au anstelle von eu, ebenso der Wandel des 0, das aus dem Mittelhochdeutschen ou stammt und neuhochdeutsch au lautet, zu langem ö in Wörtern wie Baum zu Boom, oder das ei zu ee, wie in Reise zu Reese, nein zu nee. Bei den Mitlauten fällt gelegentlicher ^Vandel des j zu g auf, so in gällchen — gallchen = jählings, jäh, gene = jene. Ins Volkskundliche weisen typisch landschaftlich gebrauchte Bezeichnungen beispielsweise für Blumen, so das Dwwsröschen (Duens-) = Adonisröschen, Garwe — Kümmel. V e r ä n d e r u n g e n in S i e d l u n g s s t r u k t u r u n d L a n d n u t z u n g Im Verlauf der demokratischen Bodenreform 1945/46 wurden der Grund und Boden sowie die Gebäude ehemaliger Rittergüter und Vorwerke sowie der Besitz einiger Großbauern enteignet und neu verteilt. Insbesondere im Oschatzer Hügelland gibt es kaum ein Dorf, in dem nicht Eindachgehöfte an die Ansiedlung von landlosen Bauern und Umsiedlern erinnern, wie in Bornitz (s. D 3) und den bei D 5 , L 5 , L 6 , R l , R 3 genannten Orten. Die ehemaligen Herrenhäuser und Schlösser verfielen teils dem Abbruch, wie in Canitz (s. D 6), Seerhausen (s. L 5) und Naundorf (s. O 3), teils wurden sie gemeinnützigen Zwecken zugängig ge3*

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macht, so in Borna (s. D 5), Ragewitz (s. L 6), Jahnishausen (s. M 6), Prausitz (s. S 1) und Gaudlitz (s. T 7). Einige frühere Gehöfte erhielten den Rang von volkseigenen Gütern, wie in Jahnishausen (s. M 6) und Bobersen (s. F 3). Bereits am Anfang der genossenschaftlichen Entwicklung auf dem Land (1952) schlössen sich Bauern zur gemeinsamen Bewirtschaftung der Nutzflächen und Viehhaltung zusammen. Zu den frühesten Gründungen zählen die L P G Clara Zetkin Pochra (s. E 2), die L P G Fortschritt Seerhausen (s. L 5), die L P G Ernst Thälmann Oschatz (s. J 1.5) und die L P G Thomas Müntzer Altoschatz (s. H 4). Ihre landwirtschaftliche Nutzfläche bearbeiteten sie mit Unterstützung der Maschinen-Traktoren-Stationen, die in verschiedenen Orten Stützpunkte einrichteten und auch Wohnhäuser für ihre Arbeiter bauten, so in Prausitz (s. S l), Striegnitz (s. Y 1) und Hof (s. Q 6). Dem Vorbild der ersten Genossenschaften folgten weitere; seit i960 konnten die Vorteile der sozialistischen^Produktionsverhältnisse auf dem Lande umfassend genutzt werden. Auch Gärtner schlössen sich zu Produktionsgenossenschaften zusammen, so zur G P G Gartenstadt am Collm in Oschatz (s. J 1.5). Aus Vereinigungen von L P G s vom T y p I und III hatten sich bis 1968 einige wenige; wirtschaftlich starke Betriebe gebildet, die neue Ställe und dazugehörige Anlagen schufen. Sie verfügen beispielsweise über Reparatur- und Technikstützpunkte, heute wichtige Bestandteile der Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP). Diese Form genossenschaftlicher Gemeinschaftsarbeit mit industriemäßigen Methoden hat sich seit 1972 entwickelt. Solche Abteilungen bestehen in Oschatz als K A P Ernst Thälmann (s. J 1.5) mit 4425 ha, in Oschatz-West (s. H 4) mit 3045 ha, in Niedergosein (s. O 10) mit 5650 ha, in Ostrau (s. V 7) mit 6427 ha, in Barmenitz (s. X 5) mit 4659 ha, in Stauchitz (s. Q 5) mit 4476 ha und in Prausitz (s. S 1) mit 1 700 ha. U m die Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion von dem Anbau von Sonderkulturen weitgehend zu entlasten und zugleich diese artspezifischen Arbeiten zu konzentrieren, machte es sich notwendig, die Obstbau- und Feldgemüseflächen auszugliedern. So bildeten sich in Gleina (s. R 8) und Jahna-Pulsitz (s. W 3) Zentren des kooperativen Gemüseanbaus. Zur Steigerung der Erträge dienen für die Beregnung Tiefbrunnen und Stauweiher (s. R 9). Ebenfalls neu ist der kooperative Obstanbau in der Umgebung von Sornzig (s. T 6), einem der größten Anbaugebiete der D D R . Seine überregionale Bedeutung ist auf die Entwicklung in den Jahren nach i960 zurückzuführen. Die Viehhaltung nahm nach i960, insbesondere nach 1966, neue sozialistische Formen an, so daß bereits ein wichtiger Schritt zur industriemäßigen Produktion erfolgte. Diese Feststellung schließt nicht aus, daß einige Genossenschaften noch in mehreren Orten Ställe unterhalten. Durch Um- und Ausbau früherer Scheunen und Ställe wurden Garagen, Lagerräume und Wohnungen geschaffen (s. O 9). Völlig neue Stallanlagen entstanden außerhalb geschlossener Siedlungen, wie bei Lonnewitz (s. J 5) für Milchvieh und Schweine, bei Niedergosein (s. O 10) für Läufer, bei Leuben (s. O 2) für Milchvieh, ebenso bei Stösitz (s. R 3) und Pochra (s. E 2), ferner bei Bornitz für Hühner (s. D 3). 22

Das Gebiet zwischen dem Collmberg und der Elbe ist in politisch-administrativer Hinsicht zweigeteilt, nämlich in den Bezirk Leipzig mit den Kreisen Oschatz und Döbeln sowie in den Bezirk Dresden mit den Kreisen Riesa und Meißen. Viele kleinere Dörfer wurden in den letzten Jahren Gemeinden mit zentralen Funktionen zugeordnet. Außerdem bildeten sich einige Gemeindeverbände, in denen vorhandene ökonomische und kulturelle Gegebenheiten noch intensiver zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Land genutzt werden können (s. N 6, V 7). Städtische Mittelpunkte mit zentralen Funktionen bilden Oschatz und Riesa, beide nördlich des Lößhügellandes in günstiger Verkehrslage angesiedelt. Neben einigen Bauten von hohem kunsthistorischem Wert (s. J 1.6) verfügt Oschatz über eine vielgestaltige Industrie, über landwirtschaftliche und Verwaltungseinrichtungen. Einige wenige Fertigungszweige gehen auf mittelalterliche Gewerbe zurück, so die Tuch- und Filzfabrikation (s. J 1.2). Bedeutende Betriebe entstanden neu bzw. wurden modernisiert und erweitert. So erfolgte im Stadtteil Zschöllau (s. C 2) der Aufbau des V E B Glasseidenwerk. Der westliche Stadtrand erhielt ein neues Aussehen durch Wohnblocks sowie dazugehörige Bildungsund Versorgungseinrichtungen (s. J 1.7). Aus dem Mittelpunkt eines Amtes, später der Amtshauptmannschaft, entwickelte sich eine moderne Kreisstadt. Obwohl Riesa in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts infolge der wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen Zunahme der Wohnbevölkerung bereits eine bedeutende Erweiterung erfahren hat, setzte sein entscheidender Aufschwung erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ein. Seit 1952 ist Riesa Verwaltungszentrum des umliegenden Kreises, wodurch der gestiegenen Bedeutung des Ortes auch administrativ Rechnung getragen wurde. Die Wohnbevölkerungszahl vergrößerte sich seitdem so stark, daß der Kreis Riesa zum Unterschied von den benachbarten Kreisen Meißen, Großenhain und Oschatz als einziger eine absolute Zunahme verzeichnen kann, die vor allem auf die Stadt selbst konzentriert ist. Außerdem suchen viele Werktätige der umliegenden Dörfer in Riesa täglich ihre Arbeitsstellen auf, Verwaltungen, Dienstleistungseinrichtungen, Industrie- bzw. Handwerksbetriebe. Das Spektrum der Industrieerzeugnisse reicht von Zündwaren über Autoreifen, Textilien, Waschmittel bis hin zu Futtermitteln und Mahlprodukten. In vieler Hinsicht bedeutendster Betrieb ist der V E B Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk (s. F 2.6), nach dem zweiten Weltkrieg erweitert und modernisiert sowie mit zusätzlichen Produktionsstätten ausgestattet. Ihm verdankt die Stadt völlig neue Wohnviertel (s. E 4, E 5), ferner medizinische, schulische und Versorgungseinrichtungen. Sie dienen auch dem rechtselbisch erbauten Rohrwerk I I I bei Zeithain. Die Werktätigen des Stahlwerkes können auf bedeutende Erfolge im Kampf der deutschen Arbeiterbewegung zurückblicken (s. F2.4). Heute stehen ihnen alle Möglichkeiten offen, während der Freizeit ihren Neigungen nachzugehen, sei es im Klubhaus Joliot-Curie mit seinen verschiedenen Zirkeln, sei es in der Betriebssportgemeinschaft. In mehreren Orten der D D R unterhält das Werk eigene Ferienheime und Kinderferienlager. 23

Eine so große Bevölkerungszahl, wie sie sich in Riesa, aber auch in Oschatz konzentriert, forciert die Befriedigung der Bedürfnisse nach Erholung durch Naturerlebnisse, körperliche Betätigung und Bildung. In unmittelbarer Nachbarschaft von Riesa bieten sich sowohl die Elbniederung stromabwärts als auch Abschnitte des Jahnatales (s. M 2) zwischen Jahnishausen und Bloßwitz und des Döllnitztales bei Merzdorf als Naherholungsgebiete an. Ergänzt werden diese durch den Park und das ehemalige Schloß Strehla an der Elbe sowie durch die Wälder und Teiche bei Koselitz nordöstlich von Riesa. Landschaftliche Eigenheiten und kulturgeschichtliche Zeugnisse in größerer Fülle bietet das Elbtal stromaufwärts um Seußlitz-Diesbar und Neuhirschstein. Die Umgebung von Oschatz besitzt ebenfalls abwechslungsreiche Naherholungsziele,- so den Hubertusburger Forst mit seinen Teichen, das Schloß Hubertusburg in Wermsdorf, ferner den Collmberg (s. A 1) und das große Waldgebiet der Dahlener Heide. Nicht zuletzt kann auch der Oschatzer Stadtpark an der Döllnitz hinzugerechnet werden. Seit urgeschichtlicher Zeit verleiht die landwirtschaftliche Nutzung dem Gebiet zwischen Oschatz, Riesa und Mügeln die Merkmale einer typischen Ackerbaulandschaft. Anfangs lag das Schwergewicht auf der Rodung des lichten Waldes, ein Prozeß, der in unterschiedlicher Intensität bis in das 19. Jahrhundert andauerte. Aus dieser Zeit blieben uns Flurkarten erhalten, auf denen die unterschiedliche Schlageinteilung zwischen den bäuerlichen Blöcken, Streifen und Gewannen einerseits und den Qutsblöcken der Rittergüter andererseits zu erkennen ist (s. Seite 17). Um auf den Böden höhere Erträge zu erzielen, bedurfte es beispielsweise der Konstruktion leistungsfähiger Ackergeräte sowie der Anwendung neuer Erkenntnisse bei Düngung und Kulturartenauswahl. Alle diese Fortschritte werden weit übertroffen von den gesellschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und technischen Veränderungen, die zu den genossenschaftlichen Formen einer sozialistischen Landwirtschaft führten. Zu den entscheidenden Neuerungen zählt die Zusammenlegung kleiner Einzelfelder. Auf den Moränenplatten erfolgt 'tiun der Anbau in erster Linie von Weizen, Gerste, Mais und Zuckerrüben, aber auch von Kartoffeln, auf großen Schlagkomplexen bis über 100 ha, die allerdings eine Beseitigung von Feldwegen und -rainen, von Baum- und Gebüschreihen in der bereits ziemlich offenen Landschaft erforderten. Damit schuf man die Voraussetzungen, um sowohl neue Maschinen und Geräte für Aussaat und Ernte einsetzen als auch eine Spezialisierung und Rationalisierung bei der Bearbeitung durchführen zu können. Zu den neuen Kooperationspartnern der Abteilungen Pflanzenproduktion rechnen die agrochemischen Zentren, die ihre Aufgaben zum Teil mit Flugzeugen lösen, sowie der V E B Getreidewirtschaft. Um weiteres Dauergrünland und Ackerland zu gewinnen, begradigte man Bachläufe und entwässerten Meliorationsgenossenschaften Talauen und stauvernäßte Felder. Das Landschaftsbild erfuhr in einigen kleinen Tälern eine Ergänzung durch neue Stauweiher (s. R 9 ) , die einzigen größeren stehenden Gewässer im Hügelland. Erhöht werden die landschaftlichen Reize — besonders in der Blüte-

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zeit im Frühjahr — durch Kleingartenanlagen um die Städte und durch das Obstanbaugebiet zwischen Sornzig, Paschlcowitz und Zävertitz (Abb. 32). Da das Gelände dort ziemlich große relative Höhenunterschiede aufweist, ergeben sich für den Betrachter abwechslungsreiche Aus- und Durcliblickc, so von der Straße auf der Wasserscheide zwischen Hasen- und Bielbacli bei Zävertitz. Von hier aus läßt sich auch ein Abschnitt des westlich anschließenden Kemmlitzer Kaolinreviers erfassen, erkenntlich an den weißen bis hellgrauen Abbauflächen und an den Abraumhalden (s. N 10).

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Einzeldarstellung

Collmberg (316,1 m)

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7 km westlich von Oschatz liegt der Collmberg (Bild 1), der mit einer relativen Höhe zwischen 100 und 150 Metern gegenüber seiner ilachen Umgebung eine weithin sichtbare Landmarke im nordsächsischen Tiefland darstellt. Der Gipfel wird von einem ovalen Ringwall von etwa 200 m mal knapp 100 m Größe umgeben. Auf der Westseite lassen sich dicht hintereinander 3 Wallzüge deutlich erkennen, deren längster 150 m erreicht. Nach dem spärlichen Fundmaterial und den äußeren Kennzeichen zu urteilen, muß man auf eine mittelalterliche Anlage schließen. Den Gipfel krönen 2 Bauwerke: der 18 m hohe, 1854 erbaute steinerne Aussichtsturm und der Richtfunkturm, welcher in den Jahren 1957 bis 1962 entstand und 64 m Höhe mißt. Seine Anlagen dienen der Verstärkung und Weiterleitung von Ultrakurzwellen sowie als Fernsehrelaisstation, außerdem arbeitet im Turm eine meteorologische Station. Auf die Bedeutung des Collmberges bei der Gradmessung 1865 weist eine granitene Säule hin. A m Nordwesthang des Berges entstand von 1930 bis 1932 ein Geophysikalisches Observatorium, im Volksmund das Weiße Haus genannt, das zur Karl-MarxUniversität Leipzig gehört. Es umfaßt neben dem Hauptgebäude eine Erdbebenstation, eine Erdmagnetwarte und Anlagen für spezielle ionosphärenphysikalische Messungen, hauptsächlich für Windmessungen in der Hochatmosphäre (100 km). Die bewaldete Kuppe und der Sockel sind nicht vulkanischen Ursprungs, sondern sie bestehen aus Gesteinen der ordovizischen Collmberg-Serie, die sich aus Quarziten, Sandsteinen und Grauwacken sowie aus Lagen von Konglomeraten zusammensetzt. Es handelt sich dabei um Reste des Nordsächsischen Sattels des varistischen Gebirges, die hier einen 3 km breiten Höhenzug bilden. In dem aufgelassenen Steinbruch an der Südwestflanke tritt die Collmberg-Serie zutage. Während des Pleistozäns wurde das Festgestein an der Oberfläche geformt, so durch Gletscherschliff geglättet. Der Neigungswinkel der Hänge ist nach Norden steiler als nach Süden, er erreicht stellenweise zwischen 8 und 10 Grad. Infolge der Höhenlage weichen die klimatischen Werte des Collmberges geringfügig vom Gebietsmittel ab. Die mittlere Temperatur des Januar beträgt — 1,2 Grad, des Juli 17,2 Grad und des gesamten Jahres 7,9 Grad. Wegen seiner Exposition treten gewisse Leewirkungen östlich des Berges auf, die sich in der 27

1 Abweichung der Jahressumme des Niederschlags von über 100 mm zwischen . Luv- und Leegebiet bemerkbar machen (s. Seite 4). Für den Collmberg ist der Hainsimsen-Eichen-Buchen-Wald charakteristisch, eine Waldgesellschaft bodensaurer Standorte des Hügel- und unteren Berglandes mit der Schmalblättrigen Hainsimse (Luzula luzuloides). In der Baumschicht, die vor allem durch Anpflanzen von Nadelhölzern forstlich verändert wurde, sind von Natur aus Rotbuche sowie Stiel- und Traubeneiche bestandsbildend. In der Strauchschicht findet man neben Eberesche auch Faulbaum (Rhamnns frangula) und Bergholunder (Sambucus racemosa). Während am Südhang der Kuppe als Zeichen der Verhagerung und Austrocknung die Bodenflora von der Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa) beherrscht wird, begleiten diese Art am Südosthang Sandrohr und Waldreitgras (Calamagrostis epigeios, C. arundinacea), Hainrispengras ( P o a nemoralis), Zittersegge ( Pinnewitz

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Ziegenhain

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A b b . I i . Pendlereinzugsgebiet des Konsum-Zündwarenwerkes Riesa (nach L O R E N Z 1972)

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weist auf die umfänglichen Lagermöglichkeiten hin — das zweitgrößte In- F 2.5 dustriegebiet aus. E s wird flankiert von der Eisenbahnstrecke nach Nossen. 1972 nahmen der V E B Fleischverarbeitung — hervorgegangen aus einer P G H —, 1970 ein Werk des V E B Robotron ihre Arbeit auf. Aus einer 1904 eröffneten Lackfabrik ging der V E B Aropharm-Werk hervor, der Zwischenprodukte für die pharmazeutische Industrie, die Haushaltchemie und die Lebensmittelindustrie herstellt. Auf eine ebenfalls 1904 gegründete Fabrik geht der V E B Riesaer Ölwerke zurück, der Zwischenprodukte für die Nahrungsmittelindustrie liefert. Das räumlich kleinste Industriegebiet findet man zwischen Bahnhofstraße und Elbufer. Eine 1898 geschaffene Dampfmühle arbeitet seit 1972 als V E B Mühlenwerke. Ein erstes Mühlenwerk war schon 1887 entstanden; es dient seit 1968 als V E B Kraftfuttermischwerk, das Mineralstoff- und Wirkstoffmischungen für die Geflügel-, Schweine-, Rinder- sowie für die Fischzucht aufbereitet. Neben dem V E B Bramsch — Herstellung alkoholfreier Getränke — ist der V E B Getreidewirtschaft zu nennen, dessen 40000 t'fassendes Getreidesilo die Stadtsilhouette mitbestimmt. Die hier erwähnten Betriebe gelten als wichtige strukturbestimmende Werke der Stadt. Det Eindruck von der industriellen Vielfalt bliebe aber unvollständig, würde man nicht noch — ohne Vollständigkeit anzustreben — wenigstens auf weitere selbständige Werke oder Betriebsteile hinweisen, auf V E B Beton- und Naturstein, V E B Baustoff, V E Backwarenkombinat, V E B Dresdner Brauereien, V E Dresdner Fleischkombinat, V E B Elbechemie, V E B Feuerverzinkung, V E B Holzbearbeitung, V E B Möbelkombinat Deutsche Werkstätten Hellerau, VdgBMolkereikombinat, V E B Obst- und Gemüsekonserven, V E B Schuhfabrik. Der große Arbeitskräftebedarf der Riesaer Industrie bedingt einen starken Pendlerverkehr aus dem Hinterland, der 1972 täglich mehr als 5 000 Personen umfaßte. Der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen diente eine Reihe von Maßnahmen, vor allem der Bau neuer Wohngebiete und ihrer Nachfolgeeinrichtungen, wie Kaufhallen, Spezialgeschäfte, Gaststätten, Schulen, Kinderkrippen und -gärten, Kultur- und Verwaltungsgebäude. Durch die neuen Wohngebiete Pausitzer Delle, Merzdorf und Weida erhöhte sich auch die Zahl der allgemeinbildenden Schulen durch Neubauten von 6 im Jahre 1952 auf 14 im Jahre 1975, darunter 8 polytechnische Oberschulen, 1 erweiterte Oberschule, 1 Sonderschule und 2 Berufsschulen. 1972 bestanden in Riesa 24 Einrichtungen für die Betreuung vorschulpflichtiger Kinder, davon 16 kommunale und 8 betriebseigene. Seit 1952 gibt es eine Ingenieurschule für Walzwerk- und Hüttentechnik. Außer der Konzentration von Industriebetrieben und Verwaltungsstellen der Kreisebene hat Riesa auch eine beachtliche landwirtschaftliche Produktion auf ungefähr 2500 ha Nutzfläche aufzuweisen. Die erste L P G entstand am 25. Juli 1952 in Pochra (s. E 2). Bis i960 kamen 3 weitere Genossenschaften hinzu. Heute arbeiten die L P G Typ I I I Riesa-Poppitz (s. M 4) und das Volksgut in RiesaGöhlis, wo sich seit 1973 auch die Zentrale der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion befindet. 71

F 2.6 V E B R o h r k o m b i n a t S t a h l - u n d W a l z w e r k R i e s a (Bilder 20 u. 22) Dem Stahl- und Walzwerk gebührt ein besonderer Abschnitt, bewirkte es doch den ersten Impuls für Riesas Industrieentwicklung, und in der Gegenwart bestimmt dieser Betrieb ganz wesentlich das Leben der Stadt. Nach dem Beginn der Dampfschiffahrt von Hamburg stromauf bis Dresden 1835 und der 4 Jahre danach erfolgten Aufnahme des Eisenbahnverkehrs auf der Strecke von Leipzig über Riesa nach Dresden gründete 1843 der Hüttenfachmann Heinrich S C H Ö N B E R G am Kreuzungspunkt der beiden Verkehrswege in frachtgünstiger Lage in Gröba ein Eisenhammerwerk mit etwa 100 Beschäftigten, in der Mehrzahl bis dahin Tagelöhner auf den umliegenden Rittergütern ( M Ü L L E R 1961). Seit 1850 wurde es als Gräflich Einsiedeische Eisenhütte geführt, und um 1910 zählte das nunmehrige Lauchhammerwerk Riesa bereits 2 100 Beschäftigte. In diesen nahezu 7 Jahrzehnten erweiterte sich das Werk immer mehr bis unmittelbar an das Bahnhofsgelände. Mit der wachsenden Zahl der Schornsteine, den weiten Hallen, dem Netz von elektrischen Überlandleitungen (s. F 1) bestimmte es bald nicht nur die Silhouette der Stadt, sondern verlieh auch dem Landschaftsbild seinen besonderen Akzent. Nachdem der Betrieb 1926 an den Flick-Konzern übergegangen war und den Namen Mitteldeutsche Stahlwerke erhalten hatte, wies er 1929 eine Belegschaft von 4281 Personen auf. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise ging die Zahl der Beschäftigten bis 1932 auf 1925 zurück. Der entsprechende Absatzausfall auf dem Binnenmarkt konnte teilweise durch Übernahme von Aufträgen für die Sowjetunion ausgeglichen werden. Während die Konzernverwaltung aus ihrer Einstellung gegen den jungen Sowjetstaat keinen Hehl machte, waren ihr diese Aufträge in der Krisenzeit aus Profitgründen willkommen. Die Arbeiter jedoch begannen, auf das ökonomische Wachstum der Sowjetunion aufmerksam zu werden. Sowjetische AbnahmeIngenieure wurden zu begehrten Gesprächspartnern, und verschiedene MontageSpezialisten des Werkes konnten sich in diesen Jahren mit eigenen Augen von der Wirklichkeit in der U d S S R überzeugen. Weil das Stahlwerk von 1934 an in die Rüstungsproduktion des faschistischen deutschen Staates einbezogen worden war und deshalb als Besitz des Kriegsverbrechers Friedrich F L I C K 1945 der Demontage unterlag, faßte bereits am 29. Oktober 1945 das Präsidium der Landesverwaltung Sachsen den Beschluß, den Inhaber entschädigungslos zu enteignen. Diese vorläufige Handlung erfuhr am 30. Juni 1946 durch "Volksentscheid ihre Bestätigung, in Riesa durch 82% der Wahlberechtigten. Der 9. September 1946 kann als Geburtsstunde des volkseigenen Stahl- und Walzwerkes Riesa gelten; der Befehl Nr. 110 der damaligen Sowjetischen MilitäradministratiDn in Deutschland verfügte die Einstellung der Demontage und den Beginn der Neuanlage des Betriebes. Ein erster Siemens-Martin-Ofen für ein Füllgewicht von 15 t, der am 5. Februar 1947 seinen ersten Abstich erlebte, bildete den Anfang des neuen Stahlwerkes I. Bis 1949 kamen 6 Öfen mit je 100 t Fassungsvermögen hinzu (KEMPE 1966). 72

Der zeitlich fast parallel laufende Aufbau des Stahlwalzwerkes konnte am F 2.6 14. Oktober 1950 mit der Inbetriebnahme einer Blockstraße abgeschlossen werden. Die Einrichtung des Rohrwerkes begann mit Hilfe von aus der UdSSR gelieferten Aggregaten am 20. Februar 1949; schon am l.Mai 1949 konnten die ersten Rohrluppen gewalzt werden. In einem zweiten Stahlwerk, dem Martinwerk II, erfolgte am 27. August 1950 der erste Abstich. Hier entstand 1965 bis 1968 eine Doppelstranggußanlage. Der weitere Ausbau zum Rohrkombinat nahm am 23. Mai 1961 mit der Grundsteinlegung des Rohrwerkes I I I in Zeithain seinen Anfang. Damit überschritt der Betrieb die Stadtgrenzen und griff auf das umliegende Riesaer Land direkt über. Am 1. September 1965 begann dort der Probebetrieb, und heute verläuft die Produktion voll- oder halbautomatisch auf modernen Anlagen wie Drehherdöfen, Schrägwalzwerk, Stopfenwalzwerk, Glättwalzwerk, Maß- und Streckreduzierwalzwerk, Kaltpilgeranlage oder Präzisionszieherei. Vorarbeiten für die Errichtung des neuen Rohrwerkes IV bei Zeithain setzten 1974 ein.. Der V E B Rohrkombinat mit seinen Teilbereichen Stahl-, Walz- und Rohrwerk ist der einzige Hersteller von nahtlosen Stahlrohren in der DDR. Damit sichern die Werktätigen dieses Betriebes den Aufbau von Chemieanlagen, Bergbau- und Schiffsausrüstungen; Walzstahl als weiteres Produkt wird vom Werkzeug-, Textil- und Schwermaschinenbau benötigt. Exportverträge bestehen mit den meisten sozialistischen Ländern, auch mit der B R D , Frankreich, Belgien und Schweden. Hochwertige Ausgangsprodukte und Zuschlagstoffe bezieht das Rohrkombinat aus der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, den USA, aus Japan und der Republik Indien. Mit Roheisen wird es vom Eisenhüttenkombinat Ost, mit Heizöl vom Erdölverarbeitungswerk Schwedt versorgt. Als jüngster Energieträger kam Erdgas direkt über die Verbundleitung aus der Sowjetunion hinzu. Zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen wurden im Rohrkombinat seit dem V I I I . Parteitag der S E D bis 1974 etwa 50 Millionen Mark ausgegeben, Maßnahmen zum Verringern von Beeinträchtigungen durch Hitze, Staub und Lärm standen an erster Stelle, da sie auch für die gesamte Stadt Riesa im Rahmen des Umweltschutzes Bedeutung erlangen. Der Schwefeldioxydausstoß in ¡die L u f t konnte durch Umstellung auf Erdgas als Hauptenergieträger um die Hälfte gesenkt werden. Dadurch ging auch die Staubbelastung zurück; sie wird durch den Einbau von Abhitzekesseln mit Entstaubungsanlagen in Zusammenhang mit der Nutzung des Dampfes für Wärmezwecke weiter verringert werden. Die Verwendung von Erdgas löste auch das Problem der Phenolwassereinleitung in die Elbe. Neutralisierungseinrichtungen, Absetzbecken und ähnliche Anlagen verbessern ebenfalls die Abwässersituation. Abprodukte, wie Aushub-, Ofenabbruchmassen und Schlacke wurden 1974 bereits zu etwa 60% weiterverwendet. Mit dem Bau der Rohrstoßbandanlage wurde die Schüttung eines 5 m hohen Lärmschutzdammes verbunden. In gleicher Weise betreibt die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit anderen Betrieben den Umweltschutz, um beispielsweise die Geruchsbelästigung durch 73

F 2.6 den V E B Aropharmwerk oder die Flugaschebildung durch das Heizhaus RiesaWeida zu beseitigen. Ein großer Abwassersammler, eine zentrale Kläranlage und die Reduzierung des Verkehrslärms, vor allem durch die Autobusse des V E B Kraftverkehr, stehen an vorderer Stelle der gegenwärtigen Bemühungen. Unter den Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Riesaer Stahlwerker kommt der 1954 gegründeten Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Otto Grotewohl eine besondere Rolle zu; mit ihrer Hilfe konnten wesentliche Anteile der Riesaer (s. F 2.7) und Zeithainer Neubaugebiete erdichtet werden. 2 Kinderkrippen — 1951 und 1964 eröffnet — sowie 1 Kindergarten betreuen die Kinder von im Stahlwerk Beschäftigten; in diesem Zusammenhang sei auch auf das Kinderferienlager in Johanngeorgenstadt und das Pionierzeltlager in Zschorna bei Radeburg verwiesen. Betriebseigene Erholungsheime bestehen an der Ostsee, im Elbsandsteingebirge, im Erzgebirge und im Vogtland, eine Bungalow-Siedlung liegt am Moritzburger Mittelteich. Die 1949 gegründete Betriebspoliklinik besitzt zahlreiche Facharztabteilungen. Eine Hauptküche und 6 Betriebsküchen mit zusammen 240 Kräften versorgen eine immerhin auf über 12000 Köpfe angewachsene Belegschaft. Ein besonderer^ Hinweis auf die Betriebsberufsschule Martin Andersen Nexö erscheint gerechtfertigt, obliegt ihr doch mit 1000 Lehrlingsplätzen die Ausbildung für alle Metallurgiebetriebe der D D R ; des weiteren erhalten in ihr 300 Schüler aus Riesaer Schulen den polytechnischen Unterricht. Das Rohrkombinat Stahl- und Walzwerk Riesa — Träger des Ordens „Banner der Arbeit" und des „Karl-Marx-Ordens" — spielt im kulturellen Leben der Stadt eine bedeutende Rolle. Das betriebseigene Klubhaus der Gewerkschaften Joliot-Curie, das 1950 eingeweiht worden ist, steht allen Einwohnern Riesas und der umgebenden Orte mit Vortrags-, Film-, Tanzveranstaltungen, Anrechtskonzerten, Theaterabenden oder seiner Bibliothek offen. Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften finden in seinen Räumen Platz, so Zirkel für Zeichnen und Malen, Foto und Film, für schreibende Arbeiter, für Philatelisten oder für Textilgestaltung. Werktätige des Stahlwerkes und anderer Riesaer Betriebe betätigen sich in einem Blasorchester, in Akkordeon-, Gitarren-, Laienspiel- und Kabarettgruppen, ihre Kinder wirken im Kinderchor und -ballett mit. Das weit über die Grenzen Riesas hinaus bekannte Volkskunstensemble wurde 1949 aus Chor, Tanzgruppe und Werksorchester gebildet. E s trat erfolgreich an die Öffentlichkeit, nicht nur vor der Riesaer Bevölkerung, sondern auch bei Arbeiterfestspielen, mit der Aufführung der Cäcilien-Ode zu den Händelfestspielen in Halle oder der Uraufführung des Balletts „Die Fahne von Kriwoi R o g " .

F 2.7 B a u d e n k m a l e Weist Riesa auch keine bedeutenden Kunstdenkmale auf, so erinnern doch manche Bauten an verschiedene Etappen seiner Entwicklung. Die ehemalige, mehrfach umgebaute Klosteranlage (Abb. 12) auf einem Hügel 74

unweit südlich der Jahnamündung besteht aus 4 Flügeln, mit romanischen Bau- F teilen im Nord- und Ostflügel und dem Kapitelsaal mit Rippennetzgewölben im Westflügel aus dem 15. Jahrhundert. Der Südflügel, bereits 1626 zum Schloß

(1213 zerstört)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

älteste Klosterkirche eingemauertes slawisches Heiligtum Zellen im N - Flügel Zellen im O-Flügel Durchgang zur späteren Klosterkirche Kreuzgang 11 12 Innenhof Klostertor 13 14 Kapitelsaal 15 Wirtschaftsräume im S-Flugel

spatere Klosterkirche uberdachte Holzbrucke zum Wartturm Klostergarten Wirtschaftshcft Steilhang zur Jahna

A b b . 12. Grundriß des früheren Klosters in Riesa (Entwurf: F . JUNGE, nach GURLITT 1914 und anderen Unterlagen) der Rittergutsherrschaft umgebaut und im 19. Jahrhundert abermals stark verändert, wird seit 1874 als R a t h a u s genutzt. V o r seiner Südwestecke steht seit 1968 das Lenindenkmal mit einer-2 m hohen Statue. E s wurde von der sowjetischen Bildhauerin Valentina POPOVA gestaltet und aus A n l a ß des 51. Jahres-

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F 2.7 tages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution als Geschenk der sowjetischen Garnison Riesa-Zeithain dem R a t der Stadt übergeben. Zur alten Klosteranlage gehörte ein Klostergarten. Man erreicht ihn vom Klosterhof her neben dem Chor der Klosterkirche durch ein 1951 eingefügtes Tor mit schmiedeeiserner Tür. Der Wartturm aus Bruchstein zwischen der Jahna und dem Kloster ragt heute noch 12 m hoch auf. Ein restauriertes Spitzbogentor weist auf einen ehemaligen Brückenzugang vom Kloster hin. Nachdem durch den Ankauf des Rittergutes 1874 auch der jenseits der Jahna bis zur Elbe gelegene Auewald, Riesaer Busch genannt, in den Besitz der Stadt gelangt war, ließ sie ihn sogleich zum Stadtpark umgestalten (s. F 6 ) . Zur bequemeren Überwindung des Höhenunterschiedes von 10 m zwischen Stadt und Park wurde eine Freitreppe angelegt, die in der Mitte eine fünfstufige Wasserkaskade erhielt. Die Freitreppe bildete seit 1879 den Haupteingang zum Stadtpark und vermittelt heute zugleich den Zugang zur an der Nordseite des ehemaligen Klosters gelegenen Freilichtbühne, zum Konzertplatz, zu der Parkgaststätte und zu den Freigehegen und den Parkwiesen. Im östlichen Teil des Stadtparkes befindet sich seit 1936 das Schwimmbad mit 2 Becken, Sprunggrube und -türm, eigener elektrisch betriebener Grundwasserversorgung, großer Liegewiese und Umkleidebaracken. A m elbseitigen Rand des Stadtparkes führt ein Promenadenweg stromauf, der als Leinpfad einstmals von den Schiffsziehern beim mühevollen Treideln der Elbkähne begangen worden ist. Die Klosterkirche St. Marien entstand 1244 bis 1261 als gotisches Bauwerk nach einer Feuersbrunst des Jahres 1243, durch die eine ältere Gottesdienststätte innerhalb des Klosters zerstört worden war. Anläßlich einer Erneuerung 1607 bis 1609 kamen die von Christoph R E I C H E R T aus Belgern mit biblischen Szenen bemalten Tafeln an die Emporenbrüstungen, 1742 bis 1745 erhielt die Kirche den heutigen Turm mit barocker Haube, Laterne und Spitze. An das tonnengewölbte Langhaus schließt sich der schmalere Chor mit reichem spätgotischem Sternnetzgewölbe und dreiseitigem Abschluß an. Der Altar mit einem Abendmahlsrelief des 17. Jahrhunderts zeigt einen eindrucksvollen Aufbau mit Schnitzfiguren auf den Rundbogen. Eine Begräbnisgruft unter dem Chor für Angehörige der Riesaer Grundherrenfamilien wurde zwischen 1630 und 1808 genutzt. Als man sie 1828 öffnete, fand man 50 Särge. 1909 beseitigte eine durch den Architekten Richard S C H L E I N I T Z besorgte Restaurierung der Klosterkirche stilwidrige Zufiigungen vorhergegangener Ausbauten. Beispielsweise waren die im 19. Jahrhundert wegen der wachsenden Einwohnerzahl Riesas nach utid nach entstandenen 3 Emporen wieder zu entbehren. Denn nach dem Bau der Trinitatiskirche 1895 bis 1897, einem nach Plänen des Berliner Architekten Jürgen K R Ö N E R in neuromanischem Stil errichteten monumentalen Zentralbau, wird sie nur bei Bedarf genutzt. Die katholische Gemeinde baute sich das ehemalige Offizierskasino Lessingstraße 9 im Jahr 1921 zur Kapelle um und erweiterte sie 1961. Im Inneren erfuhren dabei Altar, Gestühl und Orgel eine sehr moderne Gestaltung. Neben der alten Klostermühle, die erstmals 1233 genannt und 1842 abgebrochen

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wurde, bestand noch die Brückenmülile an der Jahna, Großenhainer Straße 54. F Sie lag nach der Zerstörung durch schwedische Soldaten bis 1748 wüst; der Müller Johann Gottfried R Ö H R B O R N nahm sie um 1769 wieder in Betrieb. Da sie bis heute im Besitz der Familie blieb, heißt sie auch Röhrbornmühle. Als Getreidemühle mit Mahl- und Schrotgang besaß sie 2 Walzenstühle; ihr Antrieb erfolgte durch ein oberschlächtiges und bei Elbwasserrückstau durch ein mittelschlächtiges Rad. Jetzt werden ihre Gebäude von einer Besamungsstatiorf genutzt. Die Geschichte der Röhrbornmühle hat der Müller E. F. R Ö H R B O R N (1859 bis 1905) in einer umfangreichen Familienchronik festgehalten, die interessante Fakten nicht nur zum Müllerhandwerk, sondern auch zur Geschichte der Stadt Riesa und der umliegenden Dörfer enthält. Unter den Riesaer Brücken über Elbe (s. B 3) und Hafen, über die Nebenflüsse Jahna und Döllnitz und über die Bahnlinien ist die älteste und bemerkenswerteste die Brücke über die Jahna im Zuge der Großenhainer Straße. Sie wurde bereits 1554 bis 1557 auf Veranlassung des damaligen Grundherrn Merten von M I L T I T Z an der Stelle einer Furt errichtet. Mit zwei in Sandsteinquadern gewölbten massiven Bögen überspannt sie auch den Mühlgraben der oberhalb von ihr gelegenen Röhrbornmühle. Die Fahrbahnbreite der Brücke betrug nur 3,50 m; deshalb erfolgte 1889/90 der Abbruch der ursprünglichen Brüstung aus Sandstein, und beiderseits der Fahrbahn wurde nach außen ein Fußweg auf Holzbohlen mit Eisengeländer angebaut. In der stadtwärts gelegenen ehemaligen Gaststätte Karpfenschänke erhob man den Brückenzoll für Fuhrwerke aus allen den Orten, die nicht zum Riesaer Patrimonialgerichtsbezirk gehörten. Der Wirt als Zollpächter hatte der Riesaer Schloßherrschaft jährlich 20 bis 25 Taler abzuliefern. Der Friedhof an der Poppitzer Straße wurde 1555 für den älteren Begräbnisplatz an der Klosterkirche auf ehemaligem Weinbergsland Riesaer Bauern angelegt und laufend erweitert. E r nimmt heute eine Fläche von 12 ha ein. In unmittelbarer Nähe bildet der sowjetische Friedhof mit dem Ehrenmal eine von einer Buchenhecke umsäumte Anlage. Er wurde seit i960 durch Leistungen im Nationalen Aufbauwerk zu einer Parkanlage gestaltet. 110 Gräber und das Ehrenmal erinnern an die 1945 in den Kämpfen um Riesa gefallenen und die bis 1946 verstorbenen sowjetischen Offiziere und Soldaten sowie an die während des Krieges gestorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen. Einige Bauernhöfe in der Meißner Straße, durchweg Dreiseitanlagen, kennzeichnen das alte Angerdorf. Die meisten Gebäude wurden für Gewerbe- oder Wohnzwecke umgebaut. Hervorzuheben sind Nr. 6, bezeichnet I C H 1784 über dem Schlußstein, mit einbogiger Kumthalle; Nr. 17 mit gepflegtem Fachwerkobergeschoß und Krüppelwalmdach; ähnlich Nr. 18; gut erhalten Nr. 32 von 1830, ehemals Gasthaus Zum Anker, jetzt eine zum Hengstdepot Moritzburg gehörende Deckstation; Nr. 34, bezeichnet I C M 1787; Nr. 39 mit der Jahreszahl 1804 im Schlußstein der Mauerpforte. Das Gut Feldstraße 12 erwähnen wir wegen'seiner dreibogigen Kumthalle, einem Baudetail, das im Riesaer Gebiet häufig vorkommt ( K I E S E R 1932). Von einem kleinen Bauernhof in Fachwerkbauweise, 77

F 2 . 7 Großenhainer Straße 21, steht ein von Erich M Ü L L E R gefertigtes Modell im Staatlichen Museum für Volkskunst in Dresden. Kleine Gebäude in ländlicher Bauweise, in denen seit jeher Arbeiter wohnen, befinden sich in der Parkstraße (Bild 23), so Nr. 14, 18, 22, 24, 26. In der Regel erhebt sich übe^ einem Bruchsteinerdgeschoß ein meist verputztes Fachwerkobergeschoß, teilweise sieht man Krüppelwalmdäclier. Jahreszahlen an Schlußsteinen der Sandsteintürstöcke verweisen auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts als Bauzeit. Ein Fachwerkständerhaus mit hölzernem Türstock steht Maxim-Gorki-Straße 6. Auch von den seit dem 18. Jahrhundert in Elbnähe errichteten Niederlagen der Schiffs- und Handelsherren künden einige Beispiele. Man erkennt Gehöfte mit Wohnhaus, Ställen, Speichern und Toreinfahrten, so Elbberg 2, bezeichnet mit Anker und G H 1829. In der größten Anlage, Elbstraße 7, mißt das Wohnhaus 8 Fenster Front. Es besitzt Mansarden und Walmdach sowie eine Korbbogentür mit Schlußstein ( I G S T mit Anker) von 1776. Der Schlußstein am Speicher trägt die Jahreszahl 1793. Eine weitere ehemalige Schiffsniederlage befindet sich Elbstraße 8 (CS 1784 mit Anker), und Nr. 10 beherbergte eine Schiffsschmiede (I H S 1758). Niederlagstraße 12 besitzt noch einen dreigeschossigen Speicher im Hof, der sich durch 2 Mansarden, lange Dachgaupen und Ochsenaugen auszeichnet. Auch die Kleinbürgerhäuser — meist schlicht gebaut, eingeschossig und mit Krüppelwalmdach — weisen die für Riesa typischen Sandsteintürstöcke auf, so Ernst-Thälmann-Straße 4, 8, 10, 43 und 61. Eine gute Häusergruppe von 1834 steht Dr.-Scheider-Straße 9/Goethestraße 19/Käferberg 1. Diesen kleinen stehen größere städtische Hausformen aus derselben Zeit gegenüber, in der Regel zwei- bis dreigeschossig, mit Mansardenausbauten, Walmdächern und vielfenstrigen Fronten (Großenhainer Straße 11, 13, 16; Niederlagstraße 1 und 12). Die aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden Mietsgebäude — meist Reihenhäuser für Arbeiter — tragen bis zu 4 Geschosse. Die Haustüren sind als Einfahrten ausgebildet, vielfach wurden in den Hintergebäuden Werkstätten und in den Vorderfronten Läden eingerichtet. Derartige Mietskasernen findet man beispielsweise Ernst-Thälmann-Straße, Goethestraße, Friedrich-Engels-Straße, Klötzerstraße, Breite Straße oder Lessingstraße. Beispiele der Jugendstil-Architektur aus der Zeit von 1900 bis 1910, meist viergeschossig und mit Schmuckelementen versehen, stehen Ernst-ThälmannStraße 68 und 87, Alexander-Puschkin-Platz 4b, Pausitzer Straße 13, desgleichen sind hier zu nennen das jetzige SVK-Gebäude in der Hohen Straße, die Pestalozzi-Sehule in der Haydnstraße, die EOS Max Planck in der Lessingstraße und das alte Krankenhaus in der Weinbergstraße, das 1970 bis 1972 eine Erweiterung durch ein sechsgeschossiges Bettenhaus erfuhr. Die Wohnungsbautätigkeit nach dem ersten Weltkrieg erstreckte sich einmal auf die Errichtung vpn Siedlungshäusern. Man findet sie in Stadtmitte (Felgenhauerstraße, Haydn-, Löns- und Robert-Koch-Straße), vor allem aber auch in den eingemeindeten Stadtteilen Weida, Gröba (s. F 1) und Merzdorf (s. E 4). Mehrgeschossige Häuser in geschlossener Bauweise entstanden durch Wohnungs78

baugenossenschaften, zuerst an der Heinrich-Heine-Straße, Friedrich-List-Straße, F 2.7 d e r K a r l - M a r x - H o f an der Pausitzer S t r a ß e und in G r ö b a an der Oststraße, s p ä t e r a u c h an der D r . - K ü l z - S t r a ß e , Schillerstraße und Maxim-Gorki-Straße. D a s erste N e u b a u v i e r t e l nach d e m zweiten W e l t k r i e g wurde 1949 bis 1950 an der Pausitzer Delle zwischen Pausitzer S t r a ß e und A l t e m Pausitzer W e g geschaffen. Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft des Stahlwerkes (s. F 2.6) errichtete a b 1954 die ersten H ä u s e r in Großblockbauweise in Merzdorf (s. E 4), ähnliche K o m p l e x e entstanden 1961 in W e i d a (s. E 5) u n d an vielen anderen Stellen der S t a d t (Leipziger, Dresdner, Rostocker, Plauener, Franz-Mehring-Straße). Die Grundsteinlegung des neuesten Viertels erfolgte im O k t o b e r 1974 Stadtzentrum, f ü r dessen 2 000 W o h n u n g e n entsprechende Verkaufsanlagen, K u l t u r und V e r w a l t u n g s b a u t e n b e s t i m m t sind.

Bobersen, K r e i s Riesa,

F 3

e r s t r e c k t sich z u s a m m e n m i t Lessa auf einem v o n Südost n a c h N o r d w e s t gerichteten sandigen Höhenrücken, der die Elbniederterrasse u m e t w a 5 m überragt. Dieser Bereich der 225 h a (1900) großen Flur, die früher in B l ö c k e und Gutsblöcke eingeteilt war, gehörte zu den o f t ü b e r s c h w e m m t e n Teilen der Elbeniederung (Abb. 13), besonders dann, w e n n sich das E i s v o r der M ü n d u n g der D ö l l n i t z oder a m K u t z s c h e n s t e i n staute. A n h a l t e n d e Niederschläge f ü h r t e n im D e z e m b e r 1974 seit längerer Zeit wieder einmal zur Ü b e r f l u t u n g des alten Elbea r m e s zwischen Röderau, Bobersen und Gohlis. Ur- und frühgeschichtliche F u n d e sind v o n mehreren Stellen b e k a n n t . In der N ä h e v o n L e s s a breitet sich bei H ö h e 97,2 m ein Gräberfeld der A u n j e t i t z e r K u l t u r v o m B e g i n n der B r o n z e z e i t aus. Eine slawische Siedlung liegt a m W e g e zwischen Bobersen und den Unteren Elbhäusern. Frühgermanische Siedlungen und Gräberfelder der L a t e n e z e i t sind aus der D o r f m i t t e , so ein Gräberfeld zwischen Ortskern und V o l k s g u t , und im Osten v o n Bobersen (Siedlung) b e k a n n t geworden. V o n dort s t a m m e n besonders reiche K e r a m i k - und Eisenfunde. I m W e s t t e i l des V o l k s g u t e s liegt eine g u t erkennbare W a s s e r b u r g m i t zentralem B ü h l (Turmhügel), der einen Durchmesser v o n k n a p p 30 m und eine H ö h e v o n reichlich 2 m aufweist. R i n g s u m v e r l ä u f t ein 8 m breiter Wassergraben. In d e m Dorf B o b e r s e n wird bereits 1308 ein A l l o d i u m erwähnt. A u s d e m V o r w e r k entwickelte sich schließlich ein R i t t e r g u t , das zusammen m i t denen in Strehla und G r ö b a bis in das 19. J a h r h u n d e r t die grundherrschaftlichen R e c h t e ausübte. E r s t e Nennungen des Dorfes liegen v o n 1288 (Pobrese) und 1406 (Bobereuse) vor. D e r altsorbische N a m e b e d e u t e t Uferort. D a s H e r r e n h a u s des früheren Rittergutes, Wiesenstraße 7, s t a m m t v o n 1696. D e n langgestreckten zweigeschossigen B a u v o n 12 Fenstern F r o n t schließt ein W a l m d a c h m i t a u s g e b a u t e m Frontgiebel und a c h t e c k i g e m D a c h r e i t e r t u r m ab. D i e Fenster des Erdgeschosses sind m i t schmiedeeisernen Gittern versehen. Seit 1945 dient das im Inneren modernisierte G e b ä u d e als K i n d e r g a r t e n , Gemeinde-

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F 3

CL Überschwemmungsgebiet b Eisstau im Strom C-B Nebenarme der Elbe f sonstige Eisfläche

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Boritz. o. n. RA,.

-CVAbb. 13. Überschwemmungsgebiet der Elbe bei Riesa 1784 (nach PÖTZSCH 1784) So

Verwaltung und Wohnung. Den Wirtschaftshof nutzt das Volksgut Riesa-Göhlis. F 3 Hier steht ein achteckiges, etwa 3 m hohes Taubenhaus aus Holz, vorgekragt auf einer 2,80 m hohen achteckigen Säule aus Sandsteinquadern. An der Dorfstraße, gegenüber dem Wohnhaus Hauptstraße 2, blieb ein Steinkreuz — etwa 1,15 m hoch und mit abgerundeten Armen — erhalten. Das Siedlungsbild von Bobersen wird von meist schmalen Häusern bestimmt, die mit ihren Giebeln die Straßen säumen und oft dicht aneinandergereiht sind, so an der Sandstraße und am Schmiedeberg. Nur wenige Gebäude heben sich durch besondere Größe heraus. Zu ihnen gehört die Schule mit ihrem Erweiterungsbau an der Hauptstraße, vor dem ein Gedenkstein an Fritz SCHMENKEL (1916—1944) erinnert, einen Jungkommunisten, der in einem sowjetischen Partisanenregiment gegen die faschistische W e h r m a c h t kämpfte. Seinen Namen führt das Schulkombinat Bobersen, Gohlis und Kreinitz seit dem 30. Jahrestag der Befreiung v o m Faschismus durch die R o t e Armee (1975). Lessa liegt dicht v o r dem Eingang in das Dorf Bobersen, dem es seit 1936 angehört. Der Bauernweiler setzt sich aus c großen ehemaligen Gehöften zusammen. Seine Großblockflur von 70 ha (1900) reicht von der Elbe bis z u m D a m m der Eisenbahnlinie Dresden —Riesa. 1289 wird im Ort Lessowe ein Herrensitz erwähnt. Der N a m e bedeutet am Walde gelegen bzw. mit W a l d oder Gebüsch bewachsenes Land. Grundherrschaftlich unterstanden die Bewohner im 16. Jahrhundert dem 12 k m entfernten Rittergut Skassa, seit dem 17. Jahrhundert dem im 5 k m südöstlich gelegenen Grödel. Einen der beiden Vierseithöfe, Hauptstraße 47, nutzt die L P G Einheit Röderau (s. F 4) zur Viehhaltung. Den Innenhof erreicht man durch die Fußgängerpforte oder zwischen den mit Torzierden versehenen Torsäulen hindurch. Eines der Gebäude des Gehöftes, der frühere Pferdestall, besitzt eine dreibogige K u m t halle.

Röderau, Kreis Riesa,

F 4

erstreckt sich auf einem Uferwall am Rand der Niederterrasse. Dieser sandige Höhenzug begleitet einen alten Elbarm, der von Moritz bis Gohlis den heute fast rechtwinklig verlaufenden Elbbogen verkürzte. E r gehört zur 276 ha (1900) großen Flur, die früher in Gewanne und Blockgewanne eingeteilt war. Die -Röderauer Gemarkung ist reich an urgeschichtlichen Fundstellen. Nordwestlich des Ortes und westlich der Eisenbahn wurde in einer Sandgrube ein großer Verwahrfund mit frühbronzezeitlichen goldenen Noppenringen sichergestellt. Zu ihm gehörte als Behälter für alle Metallgegenstände ein Aunjetitzer Henkelgefäß, das durch einen Tonnapf abgeschlossen war. Hinzu kamen Bronzenadeln, Armringe, 1 Armband, 1 Dolchklinge und 24 Bernsteinperlen. D a m i t erbrachte die Flur v o n Röderau einen der wichtigsten Aunjetitzer Funde in den sächsischen Bezirken. Im Gleisdreieck nördlich v o m Ort konnten Gräber der germanischen Latenezeit mit vielen Beigaben gesichert werden. 81

M i t t e n im Dorf, besonders aber südöstlich des Mittelpunktes der hier strahlenförmig abgehenden Straßen, liegen eine größere Siedlung der jungsteinzeitlichen B a n d k e r a m i k und ein Gräberfeld (Abb. 14, 2 bis 5) der mittleren und jüngeren B r o n z e z e i t (Lausitzer K u l t u r ) , das sich o f f e n b a r bis z u m Nordosten des Ortes erstreckte. I m Südostteil w u r d e n germanische Siedlungsreste aus der Kaiserzeit festgestellt. D e r N a m e R ö d e r a u lautete 1185/90 Retherowe. D e r F l u r n a m e Die See Stücken und nasses Wiesengelände im Süden des Dorfes (OBERREIT 1839/40) lassen eine B i l d u n g Redirouwe = O r t in der A u e m i t Schilfrohr, Ried als Grundlage des Ortsnamens möglich erscheinen. 1186 wird ein Herrensitz erwähnt.Grundherrschaftliche R e c h t e ü b t e z u n ä c h s t das R i t t e r g u t in Frauenhain, seit d e m 17. Jahrh u n d e r t das in T i e f e n a u über die B e w o h n e r aus. Die ehemaligen B a u e r n h ö f e ziehen sich als Zeile an der heutigen H a u p t s t r a ß e hin, die einem alten E l b u f e r f o l g t und in früheren Jahrhunderten den oftmaligen Ü b e r s c h w e m m u n g e n des Stromes ausgesetzt war. U n t e r den 5 großen B a u e r n gütern — zumeist u m 1800 erbaute Vier- und Dreiseitgehöfte m i t F a c h w e r k obergeschossen — r a g t das ehemalige Brauereigut, H a u p t s t r a ß e 9, m i t h o h e m M a n s a r d w a l m d a c h , einer F r o n t v o n 11 Fenstern und Haustürschlußstein, bezeichnet m i t M o n o g r a m m C G K 1815, hervor. D e r B r a u b e t r i e b k a m bereits e t w a 1920 z u m Erliegen. Seit 1953 gehört das A n w e s e n zur L P G E i n h e i t R ö d e r a u , die in d e m A n b a u , einer früheren G a s t s t ä t t e , ihren V e r w a l t u n g s s i t z h a t . Die im ges a m t e n G e b i e t verbreiteten K u m t h a l l e n besitzen a u c h in R ö d e r a u dreibogige Vertreter, außer beim B r a u e r e i g u t noch bei H a u p t s t r a ß e 2. U n w e i t der Bauerngüter, aber mindestens 5 m höher gelegen, erheben sich die K i r c h e mitten i m Friedhof und die unmittelbar angrenzende Schule. Die Geb ä u d e der heutigen polytechnischen Oberschule erfuhren nach 1945 eine E r weiterung und Modernisierung. I n ihrer N ä h e v e r f ü g t die Gemeinde seit 1963 über einen neuen K i n d e r g a r t e n . E i n e erste K i r c h e ist in R ö d e r a u bereits 1186 als Filial des K l o s t e r s R i e s a geg r ü n d e t worden. Sie lag auf d e m einstigen D o r f a n g e r an einem v e r s u m p f t e n A l t w a s s e r a r m der Elbe. 1787 bis 1789 e n t s t a n d die jetzige K i r c h e , die erst 1817 anstelle des 1811 v e r b r a n n t e n freistehenden hölzernen Glockenturmes einen S t e i n t u r m erhielt. Seine barocke H a u b e w a r durch K r i e g s e i n w i r k u n g im A p r i l 1945 v e r n i c h t e t und das K i r c h e n d a c h schwer b e s c h ä d i g t worden. Seit 1952 tragen das B a u w e r k selbst wieder ein festes Ziegeldach und der T u r m ein flaches S a t t e l d a c h m i t kleiner Spitze. D a s K i r c h e n g e b ä u d e m i t seinen hohen R u n d bogenfenstern besitzt rechteckigen Grundriß m i t einem dreiseitigen Ostabschluß, a n den noch die niedrige Sakristei a n g e b a u t ist. D e r breite K a n z e l a l t a r v o n 1787 b e f i n d e t sich an der O s t w a n d des Chores. A u f dem Friedhof rings u m die K i r c h e fallen einige klassizistische G r a b d e n k mäler auf. E i n D u r c h b r u c h in der südlichen Friedhofsmauer b i e t e t v o n der halbkreisförmigen B a s t e i eines Ehrenmales f ü r die Gefallenen des ersten W e l t krieges aus einen weiten R u n d b l i c k über die E l b a u e nach Riesa. A n die B a u g r u p p e m i t K i r c h e und Schule sowie an die Gehöftzeile schließen sich

82

i

Bronzebeil der ältesten Bronzezeit von Schweta •2 — 5 Keramik vom Gräberfeld der mittleren bis jüngsten Bronzezeit (Lausitzer Kultur) von Röderau >6

Bronzener Endbeschlag eines Trinkhornes von Hahnefeld (Übergang von der Bronzezur Eisenzeit)

Verkleinerungsverhältnis 1 : 4 ( 1 bis 5) und 1 : 2 (6); (nach Unterlagen des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden)

Abb. 14. Urgeschichtliche Funde

7

Oschatz

83

F 4 nach Norden Reihen von ldeinen Wohnhäusern an, die bis zur Eisenbahnlinie Dresden—Riesa und darüber hinaus bis zum Röderauer Bahnhof an der Strecke Riesa—Berlin zu verfolgen sind. Die Bebauung setzte verstärkt ein, nachdem im nahen Gröba (s. F 1) und in Riesa (s. F 2.5, F 2.6) neue Betriebe Verdienstmöglichkeiten boten. Röderau entwickelte sich seither zu einer Arbeiterwohngemeinde. Unterbrochen werden die Wohnhäuser durch Handwerks- und Gewerbebetriebe, durch das Landambulatorium und durch Verwaltungsstellen. Am Gebäude des Rates der Gemeinde an der Moritzer Straße hält ein Gedenkstein die Erinnerung an 2 Röderauer Antifaschisten wach: Arthur S C H Ö N E (1900 bis 1933) und Walther M E N Z E L (1905 — 1940). Beim R a t der Gemeinde befindet sich eine Abschrift der ausführlichen Ortschronik, die der 1957 verstorbene Oberlehrer Alfred S T A H R erarbeitet hat. Seit dem 1. August 1952 besteht in Röderau die L P G T y p I I I Einheit. Ihr schlössen sich bis 1971 folgende Genossenschaften an: i960 Rotes Banner Zeithain, 1967 Elbflur Röderau, 1970 Immertreu Moritz und 1971 Grüne Aue Bobersen. Als die Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion Elbtal in Kreinitz 1972 die Nutzfläche der L P G Einheit übernahm, umfaßte diese 735 ha. Ein Teil davon ist an Beregnungsanlagen angeschlossen. Die Viehwirtschaft verteilt sich auf Ställe in Röderau, Moritz, Promnitz und Bobersen, wo die L P G Rinder, Schweine und Schafe hält. In Zeithain entstand 1958 eine Schweinemastanlage, die bis 1974 auf 700 Plätze erweitert wurde. F 5 Promnitz, seit 1938 Ortsteil von Röderau (Bild 24), erhebt sich nur wenige Meter über dem Elbspiegel von 95 m ü. NN und war bei Hochwasser und besonders bei Eisstau vor dem Kutzschenstein gefährdet. Nach dem Bau der Elbbrücke (s. B 5) bei Riesa und nach der Einengung des Elbebettes durch die Kaimauern am Hafen (s. F 1) hatte der Ort durch Wasserstau bei „Eisfahrten" (Abb. 13) erheblich zu leiden. Erst Ende des 19. Jahrhunderts konnte der Damm, der sich knapp 3 m über den mittleren Wasserspiegel erhebt, gebaut werden (s. F 6). Der Name — 1186/90 Prominiz — weist auf einen Fährort, von altsorbisch prom = Fähre (S.F2.2), hin. Promnitz war ursprünglich eine Fischersiedlung. 1272 läßt sich ein Herrensitz nachweisen, der im Bereich des ehemaligen Rittergutes zu suchen ist. Eindeutige Hinweise im Gelände fehlen jedoch. 1324 gab es 2 Vorwerke, von denen Klein- oder Oberpromnitz bis 1519 dem Kloster Riesa gehörte, während sich Groß- oder Niederpromnitz im Besitz eines Feudalherrn befand. Seit dem 16. Jahrhundert Rittergüter, kamen beide 1626 in eine Hand. Im Ort wohnten 1764 in Drescherhäusern 14 Häusler, die für das Gut arbeiten mußten. Das dreiflügelige Schloß entstand um 1603 in Renaissanceformen über einem älteren. 1728 wurde der mittlere, an der Elbe gelegene Flügel im Barockstil verändert. Vor der Hofwand des westlichen Teiles erhebt sich der schlanke Treppenturm mit schrägen, gefasten Renaissancefenstern. Den östlichen Turmeingang 84

bildet ein Barockportal aus Sandstein mit Pilastern, Schlußstein, bezeichnet F 5 1728, und geschwungenen Giebelansätzen. An der Nordseite des Turmes ist das frühere Renaissanceportal von 1603 mit profiliertem Rundbogen, Sitznischen, muschelverzierten Kämpfern und Wappen erhalten. Die 161 ha (1900) großen Rittergutsfluren, die in Gutsblöcke eingeteilt waren, wurden im Verlauf der Bodenreform 1945 an 19 Neubauern aufgeteilt. Im ehemaligen Schloß befinden sich jetzt Wohnungen der L P G Einheit Röderau (s. F 4), der die Promnitzer Bauern angehören. Die Wirtschaftsgebäude dienen der Viehhaltung sowie als Technikstützpunkt. Elbtal

F 6

V o n Nünchritz an fließt die Elbe direkt nach Westen und verläßt somit die Hügellandzone. Bei Riesa schwenkt sie in einem großen Bogen, an dessen Prallhang die Stadt liegt, nach Norden um. Unterhalb folgen abermals weit geschwungene Mäanderbögen, wobei der Strom seine allgemeine nordwestliche Lauf-und Talrichtung beibehält. Die breite weichselkaltzeitliche Niederterrasse besteht aus sandig-kiesigen Ablagerungen. Besonders im elbenahen Bereich wurden zum Teil rückenartig angeordnete Dünen aufgeweht. Obwohl der Wechsel von der Niederterrasse zur holozänen, etwa 1,5 km breiten Talaue an der Oberfläche selten wahrnehmbar ist, liegt hier eine wichtige Landschaftsgrenze, weil der Sand den Auenlehm ablöst. Durch die geringe Strömungsgeschwindigkeit bildete die Elbe bei Riesa früher zahlreiche Arme aus, zwischen denen Sumpfland, Bruchwälder und Auen lagen. Als Folge der Flußregulierungen wurde das Elbwasser in einem B e t t zusammengedrängt, sank der Grundwasserspiegel und verschwanden die Brüche immer mehr. Außerdem verhinderte die Anlage der Dämme zunehmend die fast jährlichen Überflutungen der Auenwiesen (Abb. 13), so daß der Schwemmboden zwar keine natürlichen Nährstoffe mehr erhielt, aber als Ackerland umgebrochen werden konnte. Oberhalb von Promnitz liegt gegenüber dem Riesaer Stadtpark ein alter Elbarm. E r dient jetzt als Bootshafen, in dem auch zahlreiche Fische leben. U m 1900 zogen noch Barbe, Blei und A a l elbaufwärts. Die Insel steht mit ihrem artenreichen Baumbestand als Promnitzer Busch unter Naturschutz. Nördlich von Promnitz lag das noch 1477 genannte Vorwerk Dobernitz (Abb. 4), das wahrscheinlich durch eine Hochflut zerstört worden ist. Der Riesaer Stadtpark ging aus einem elbnahen Auenwald hervor. Als die Stadt das Rittergut aufgekauft hatte (s. F 2.7), begann man mit der Umgestaltung des Busches. An den ehemaligen hartholzreichen Eichen-Eschen-Auen-Wald, wie er auf Schlickböden im Überschwemmungsbereich ursprünglich vorkommt, erinnern noch einige Holzarten, so Stieleiche, Feldulme, Winterlinde und Esche. Traubenkirsche, Hasel, Faulbaum und andere Auenwaldsträucher sind hier seltener geworden. Durch Anpflanzungen von einheimischen und fremdländischen Bäumen und durch verschiedene Anlagen hat der Wald immer mehr von 7*

85

F 6 seinem natürlichen Gepräge verloren. A m besten charakterisieren den ursprünglichen Auenwald noch die Frühblüher, so Waldgoldstern (Gagea lutea), Weißes und Gelbes Buschwindröschen (Anemone nemorosa, A. ranunculoides), Märzveilchen und Wald veilchen [Viola odorata, V.reichenbachiana), schmarotzende Schuppenwurz (Lathraea squamaria) und Knotiger Beinwell (Symphytum nodosum). A m rechten Elbufer, in der Nähe von Promnitz bemerkt man im Frühsommer den Schnittlauch (Allium schoenoprasum), der mit seinen hellpurpurfarbenen bis . bläulichen Blüten in großen Mengen die Böschung überzieht. Den Elbdamm besiedelt eine Anzahl lichtliebender Pflanzen. A n pontischen Elementen, die am Elbelauf entlang eingewandert sind, kommen beispielsweise die Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum), die Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleuca) und die giftige Bunte Kronwicke (Coronilla varia) vor. Doldige Vogelmilch (Orniihogalum umbellatum), Taubenkropfleimkraut (Silene cucubalus) und Gemeine Grasnelke (Armeria maritima) sind hier ebenso zu finden wie Reiherschnabel {Erodium cicutarium), Ochsenzunge (Anchusa officinalis) und Natterkopf (Echium vulgare). A n besonders trockenen Stellen stehen Fetthenne-Arten (Sedum spec.), Silberfingerkraut (Potentilla argentea) und Sandthymian (Thymus serpyllum).

Geschiebelehm

Lößlehm

lllllll III Stauwasser

Relief

Grundgestein

Standortsform trockener Ffschendorfer PorphyrBraunpodsol

'mäßig fristhe Leisniger LehmBraunerde

DrahtschmielenDrahtschmielenStandortsTyp des Traubenvegetationstyp Typ des Trauben eichen-Hainbuchen' - e t c h e n - H a i n b u c h e (Buchen)-Waldes (Buchen)-Waldes Standortsformengruppe

unterdurchschnittlich wasserversorgte mittlere Standorte

mäßig frische Nauhainer LößlehmBraunerde Hainsimsen-Typ des Traubeneichen-Hainbuchen(Buchen)-Waldes

durchschnittlich wasserversorgte mittlere Standorte

staufeuchter Lonnewltzer LehmStagnogley

wechselfrischer Wermsdorfer LehmPseudogley

SeegrasZwenken-Typ des StieleichenMischwaldes

Kräuter-Drahtschmielen-Typ des Stielelchen Mischwaldes

feuchte kräftige Standorte

wechselfrische mittlere Standorte

A b b . 15. Abfolge der Standortsformen auf der

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Hubertusburger Forst

Als Hubertusburger Forst wird auf früheren Karten der östliche Teil des Waldgebietes zwischen Wermsdorf im Westen, Collm im Osten und der F 6 im Norden bezeichnet. Die forstliche Verwaltung obliegt seit 1952 dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Oschatz mit Sitz in Wermsdorf, dessen Revierförsterei in Collm den 1470 ha großen östlichen Teil einschließlich des Collmberges (s. A 1) betreut. Im Hubertusburger Forst ist seit 1945 das Schwarzwild heimisch geworden, seit einigen Jahren auch Damwild. Im Unterschied zum westlichen Teil des Waldgebietes, zum hügeligen Wermsdorfer Forst, weist der Hubertusburger bei einer mittleren Höhenlage von 215 m ü. N N ebene Geländeformen auf, was vor allem auf die ausgleichende Wirkung der pleistozänen Grundmoränen zurückzuführen ist. Es herrschen Bodentypen (Abb. 15) mit Merkmalen vor, die auf einen Wechsel von Austrocknung und Vernässung zurückzuführen sind. So sind auf 60% der Fläche Stau- und Humusstaugleye ausgebildet, früher als Pseudogleye bzw. Stagnogleye bezeichnet. Dem Geschiebelehm lagert eine Decke aus sandigem Löß auf, die oft weniger als 5 dm mächtig ist. Nachdem bereits im 17. Jahrhundert die Umwandlung des ursprünglich artenreichen Laubwaldes eingesetzt hatte, erfolgten Aufforstungen seit Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich mit Fichte. Von Ausnahmen abgesehen, entwickelten sich nur kümmernde Wuchsformen, die — neben anderen Ursachen —

staufeuchter Mahliser LehmStagnogley

wechselfrischer Wermsdorfer LehmPseudogley

Naü,galle

wechselfrischer Wermsdorfer LehmPseudogley

wechselfrischer Wermsdorfer Lehm-Braunpseudogley

Kräuter (Schachtelhalm)-Typ des StieleichenMischwaldes

Kräuter-Drahtschmielen-Typ des Stieleichen Mischwaldes

Sumpfreitgras-T. d. BirkenSumpfes

Kräuter-Drahtschmielen-Typ des StieleichenMischwaldes

DrahtschmielenHainsimsen-Typ des Traubeneichen-Hainbuchen,- Buchen-Wald

feuchte mittlere Standorte

wechselfrische mittlere Standorte

arme Sümpfe

wechselfrische mittlere Standorte

schwach wechselfrische mittlere Standorte

Wermsdorfer Platte (nach S C H W A N E C K E 1 9 6 5 ) 87

G l vor allem dadurch zu erklären sind, daß die Fichte hier außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes stockt und die dichten Böden die Entwicklung flacher Wurzelteller begünstigen. Diese fördern ihrerseits wieder die Bodenverdichtung. Das Versagen der Fichtenwirtschaft veranlaßte den Forstmann G . K R A U S S und seine Mitarbeiter (1939) zu komplexen standortkundlichen Untersuchungen, deren Ergebnisse zur Abkehr von dieser Monokultur führten. Seitdem sind die Forstleute dazu übergegangen, wieder standortgemäße Mischbestände aufzubauen. Die Forschungen erbrachten erste grundsätzliche Erkenntnisse über die ,,gleiartigen Böden", wie früher die Staugleye in Anlehnung an die Merkmale der durch das Grundwasser beeinflußten Böden bezeichnet wurden. Der Hubertusburger Forst gilt neben dem Wermsdorfer als das „klassische" Gebiet der Staugley-Forschung. Auf den wechselfeuchten Böden überwiegt der Zitterseggen-Stieleichen-Wald (s. A 4) als ursprünglich vorherrschende Gesellschaft. Sie ist jedoch in diesem intensiv bewirtschafteten Wald vollständig durch Pflanzungen verdrängt, in denen die verschiedensten Holzarten mit wechselndem Erfolg angebaut wurden. So findet man Reinbestände von Kiefer, Fichte, Rot- und Stieleiche, auf dränierten Standorten zuweilen auch Rotbuche. Gegenwärtig nimmt die Kiefer 38% des Collmer Forstreviers ein, gefolgt von der Eiche mit 22%, der Fichte mit 20%, der Birke mit 8%, der Buche mit 3 % sowie verschiedenen Holzarten mit 9%. Je nach der Holzart wurde die Bodenflora mehr oder weniger verändert, vorherrschend blieb aber im wesentlichen trotzdem die Zittersegge (Carex brizoides) ebenso wie die natürliche Bodenflora unter Laubholz (s. A 1). Unter Nadelholz, insbesondere Fichte, treten allerdings tiefgreifendere Veränderungen der Krautschicht ein, sogar gebietsfremde Arten kommen vor, wie Harzlabkraut (iGalium hercynicum) mit Hauptverbreitung in unseren Mittelgebirgen. Auch der Berglappenfarn (Lastrea limbosperma) ist offenbar erst seit der intensiven Forstwirtschaft vorhanden, da er nur gelegentlich die Böschungen der Entwässerungsgräben besiedelt. Im nördlichen Waldrandbereich (Abt. 107 a 4 , 108 a10) gegen Collm befinden sich kleine Bestände von der Stieleiche beherrschter, edellaubholzreicher Eichen-Hainbuchen-Wälder mit Zittersegge und Waldlabkraut. Von dieser Gesellschaft ist auch der Hainsimsen-Eichen-Buchen-Wald gelegentlich beeinflußt (s. A 1), der flache Kuppen und Hänge zuweilen noch einnimmt. Südwestlich des Butterweges (Abt. 66 b 1 , 67 b4) treten im Quellbereich und am Oberlauf des Streitbaches Eschen-Gründchenwälder und Eichen-HainbuchenWälder mit reicher Bodenflora auf, in der stellenweise das Immergrün (Vinca minor) die Vorherrschaft erlangt. Die sich nach Süden anschließende Streitbachwiese zeigt sehr gut die von Bodentyp und Grundwasserstand abhängige Abfolge der Wiesengesellschaften. Sie reicht von der Glatthaferwiese der trockneren Ränder bis zur extrem nassen Seggen-Kohldistel-Wiese. Als Besonderheit für das Gebiet ist hier noch die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), eine wegen ihrer Giftigkeit bekannte Wiesenpflanze, hervorzuheben.

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I m H u b e r t u s b u r g e r F o r s t t r a t e n einige ur- u n d f r ü h g e s c h i c h t l i c h e F u n d e z u t a g e : I n A b t e i l u n g 80 n ö r d l i c h d e r S t r a ß e n a c h M ü g e l n u n d e t w a 250 m osts ü d ö s t l i c h des P u n k t e s 216,8 m zeigen sich s c h n u r k e r a m i s c h e H ü g e l g r ä b e r . B r o n z e z e i t l i c h e G r a b h ü g e l b e f i n d e n sich n o r d n o r d w e s t l i c h d e r H ö h e 180,9 m a m w e s t l i c h e n B a c h u f e r in der A b t e i l u n g 67. I n d e r b e n a c h b a r t e n A b t e i l u n g 66 z w ä n g t sich in eine B a c h s c h l e i f e ein W a l l - u n d G r a b e n s y s t e m , v e r m u t l i c h eine mittelalterliche Teichanlage.

G

Lampersdorf, seit 1974 O r t s t e i l v o n C o l l m ,

G

l i e g t i n m i t t e n seiner 475 h a (1900) g r o ß e n , f r ü h e r g e w a n n ä h n l i c h e n S t r e i f e n f l u r . D i e G e m a r k u n g u m f a ß t a u c h einen T e i l d e r W ü s t u n g P e t r i t z bei L a m p e r s d o r f , „ d i e a u s . . . H o l z u n d L e h d e , die W a l d h u f e n g e n a n n t , u n d a u s . . . W i e s e n l a n d b e s t e h t " (HOFFMANN 1817). D a s F l u r s t ü c k W a l d h u f e n n i m m t d e n R a u m z w i s c h e n d e m O s c h a t z e r S t a d t w a l d u n d d e m H u b e r t u s b u r g e r F o r s t ein u n d w i r d h e u t e als A c k e r l a n d g e n u t z t . W ü s t e M a r k B e y e r s d o r f h e i ß t ein F l u r t e i l zwischen dem Dorf Lampersdorf, dem W e g nach Berntitz und dem Beyerbach. A u c h die s p ä t e r a u f g e f o r s t e t e n A b t e i l u n g e n 84, 85, 106, 107 u n d 108 des R e v i e r s C o l l m n ö r d l i c h v o m H u n g e r b e r g g e h ö r e n d a z u , w i e sich d e r geologischen S p e z i a l k a r t e v o n 1884 e n t n e h m e n l ä ß t . D i e erste b e k a n n t e N e n n u n g eines Beigersdorf (Dorf eines Beier) i s t f ü r 1224 b e z e u g t . A n f a n g des 19. J a h r h u n d e r t s d i e n t e seine F l u r d e n L a m p e r s d o r f e r E i n w o h n e r n als A c k e r f l ä c h e , teils w a r sie a u c h als H o l z l a n d a u s g e w i e s e n . D i e a l t e S i e d l u n g L a m p e r s d o r f g r u p p i e r t sich beiderseits eines B a c h t ä l c h e n s u m eine p l a t z a r t i g e E r w e i t e r u n g . W ä h r e n d zwei R e i h e n v o r w i e g e n d e h e m a l i g e r B a u e r n g ü t e r D o r f w e g e n f o l g e n , b e g l e i t e n kleinere A n w e s e n eines o f f e n b a r j ü n g e r e n A u s b a u s die S t r a ß e v o n O s c h a t z n a c h W e r m s d o r f . D e r O r t w u r d e 1428 als Lampirsdorfj, 1495 als Lamprechstorff b e z e i c h n e t , w a s soviel w i e Dorf des L a m p r e c h t bedeutet, und unterstand früher grundherrlich d e m Ritterg u t Saalhausen. Zu den Frondiensten der B a u e r n gehörte auch das Mähen des G r a s e s auf d e r 8 k m e n t f e r n t e n K a m m e r w i e s e bei M a n n s c h a t z . D a die S a u j a g d e n z u r Z e i t AUGUSTS I I . (des S t a r k e n ) bis auf L a m p e r s d o r f e r G e b i e t ü b e r g r i f f e n , k a m e n z u d e n F r o n e n f ü r die G r u n d h e r r s c h a f t d a m a l s n o c h als weitere L a s t e n Treiber- und Transportdienste. B e i e i n e m B r a n d i m J a h r e 1834 g i n g a u ß e r 7 W i r t s c h a f t e n a u c h die S c h u l e in F l a m m e n a u f . D a s b e r e i t s ein J a h r s p ä t e r neu e r r i c h t e t e U n t e r r i c h t s g e b ä u d e e r h i e l t 1900 e i n e n E r w e i t e r u n g s b a u . D i e K i r c h e v o n L a m p e r s d o r f i s t F i l i a l v o n C o l l m . D e r O s t t e i l m i t d r e i s e i t i g e m S c h l u ß s t a m m t n o c h a u s d e m 16. J a h r h u n d e r t , die V e r l ä n g e r u n g n a c h W e s t e n m i t d e m T u r m e r f o l g t e 1 7 1 9 bis 1 7 2 1 . D e r K a n z e l a l t a r i s t i m 19. J a h r h u n d e r t a u s ä l t e r e n T e i l e n z u s a m m e n g e f ü g t w o r d e n , d e r sechsseitige T a u f s t e i n i s t s p ä t g o t i s c h . B i s 1939 w a r i m D o r f eine k l e i n e B o c k w i n d m ü h l e z u m S c h r o t e n i n B e t r i e b .

89

G 2 Ein Bauer hatte sie 1909 nach Lampersdorf gebracht; im Jahre 1958 versetzte man das Bauwerk in das Mühlenmuseum nach Grimma. Die Einwohner des Ortes arbeiten zum überwiegenden Teil in der Landwirtschaft. 1966 schlössen sich die L P G T y p III mit .100 ha und die des Typs I mit 250 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche zur L P G T y p I Eintracht zusammen, deren Land seit 1975 von der K A P Oschatz-West bearbeitet wird. Der Viehwirtschaft stehen insgesamt 7 alte Ställe für die Unterbringung der Milchkühe und ein neuer Stall für die der 200 Bullen zur Verfügung. An der kooperativ erbauten Schweinemastanlage in Lonnewitz (s. J 5) besitzt auch die Lampersdorfer L P G Anteil. Am Ortsrand zu Oschatz befindet sich ein großes Sägewerk. H 1 Wüste Mark Cunnersdorf Die wüste Gemarkung (Abb. 17) nimmt etwa den Raum ein, der von der Straße Oschatz—Lampersdorf, dem Weg Altoschatz—Striesa und dem Stadtwald begrenzt wird. Ihre Größe betrug 6,25 Hufen (HOFMANN 1785), und ihre Form entsprach gewannähnlichen Streifen und Gutsblöcken. Auf der Flur legte man in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts einen Flugplatz an, der heute von der GST und für agrochemische Flüge genutzt wird. Im Bereich der Wüsten Mark Cunnersdorf breiten sich auf einer größeren Fläche Reste bronzezeitlicher Siedlungen aus. Einen Ort mit Namen Conrestorf = Dorf des Konrad gab es schon zur Zeit der ersten Nennung 1363 nicht mehr, so daß hier offenbar ein sehr frühzeitiges Wüstwerden vorzuliegen scheint. In der Nähe des Stadtwaldes ließ der Oschatzer R a t 1529 eine Ziegelscheune errichten. Nach mehrfachem Brand legte er an ihrer Stelle 1709 ein Vorwerk an, das nach einem früheren Besitzer Papperzhayn bzw. Pappenheim hieß. Nach Verkauf auf Abbruch verschwanden die Gebäude. Später entstand in der Nähe das Gartenhaus Pappenheim (s. J 1.4).

H 2 Wüstes Schloß Osterland Das Wüste Schloß erhebt sich mit seinen spärlichen Ruinen an der Stelle, wo der Weg von Thalheim den Stranggraben in Richtung Wermsdorf überschreitet. Über Bauzeit, Bauherrn, Zweckbestimmung und Zeitpunkt der Zerstörung konnte bisher nichts Genaues ermittelt werden. Wahrscheinlich gehörten die heute unter Bodendenkmalschutz stehenden Reste zu einem Jagdschloß, das, frühestens im 12. Jahrhundert errichtet, bereits 1379 als wüstes steynhus erwähnt wurde. Es darf angenommen werden, daß unter der Ruine noch Teile alter Wälle vorhanden sind. Ausgrabungen brachten einen nahezu quadratischen Grundriß (Abb. 16) von maximal 41,5 m Länge zutage. Zwischen 2 Türmen, dem Bergfried und dem Kapellenturm, befand sich das Herrenhaus, an das sich rechts und links 2 weitere Gebäude 90

anschlössen, Zingel genannt. Auf dem Burghof entdeckte man einen Brunnen H von 3 m Durchmesser. Bei den Ausgrabungen kamen mittelalterliche Gefäßreste sowie je ein Brakteat und Brakteatenstempel Markgraf HEINRICHS des Erlauchten (1221 bis 1288) zum Vorschein.

Abb. 16. Grundriß des Wüsten Schlosses Osterland (aus GURLITT

1905)

Im Verlauf der Bodenreform entstand 1945 in der Nähe des Schlosses ein Neubauerngehöft, zu dem Land vom ehemaligen Altoschatzer Rittergut gehörte. Seit mehreren Jahren dient das Wirtschaftsgebäude der L P G Thomas Müntzer (s. H 4) als Jungviehstall.

Stranggraben

H

Unter den Bächen, die den Hubertusburger Forst (s. G 1) mit mehreren Quelladern entwässern, ist der Stranggraben der längste. Die Lauflänge beträgt bis zur Mündung in die Döllnitz (124 m ü. NN) in Altoschatz über 7 km. In

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H 3 einer H ö h e u m 200 m ü. N N nehmen die fünf fingerartig angeordneten Quellb ä c h e ihren A n f a n g ; nach ihrer Vereinigung nordöstlich v o n Lampersdorf schuf sich der S t r a n g g r a b e n ein deutlich eingetieftes T a l m i t z u n e h m e n d breiter werdender Talsohle. A n den relativ steilen T a l h ä n g e n s t e h t P o r p h y r an der O b e r f l ä c h e an, nur wenig v o n geologisch jungen Sedimenten verhüllt. D e n B o d e n der T a l a u e bilden h a u p t s ä c h l i c h A m p h i g l e y e , unterbrochen v o n einigen grundwassernahen A b s c h n i t t e n m i t H u m u s g l e y (Naßgley).

H 4

Altoschatz, seit 1950 Stadtteil v o n O s c h a t z D a s D o r f , das heute m i t O s c h a t z I I I bezeichnet wird, zieht sich a m linken U f e r und T a l h a n g der Döllnitz bzw. des v o n ihr abgeleiteten, j e t z t zugeschütteten Mühlgrabens hin. Sein eigentliches Z e n t r u m m i t der K i r c h e und dem ehemaligen R i t t e r g u t h a t sich beiderseits der E i n m ü n d u n g des S t r a n g g r a b e n s in die Döllnitz herausgebildet. V o n hier aus e n t w i c k e l t e n sich n a c h mehreren Seiten k u r z e Häuslerzeilen. In der 203 h a großen F l u r (1839), die in G u t s b l ö c k e aufgeteilt war, liegen m e h rere aufgelassene Steinbrüche. Sie lassen unter einer L ö ß - b z w . L ö ß l e h m d e c k e R o c h l i t z e r Q u a r z p o r p h y r erkennen. E i n Teil dieses säulig-dickbankigen, z u m Teil massig abgesonderten Gesteins zeigt an der Oberfläche Gletscherschliffe. A u c h v o m H u t b e r g nordwestlich v o n O s c h a t z sind solche Spuren b e k a n n t geworden. In einem der B r ü c h e befinden sich heute neue G e b ä u d e und L a g e r eines Betriebsteiles des V E B Meliorationsbau Leipzig, der andere dient als A n g e l gewässer und w u r d e als Teil eines Naherholungsgebietes gestaltet. In einer K i e s g r u b e bei A l t o s c h a t z s t e h t ebenfalls Q u a r z p o r p h y r an, der während der E l s t e r k a l t z e i t v o m Inlandeis glattgeschliffen wurde. Dieser R u n d h ö c k e r genießt als geologisches N a t u r d e n k m a l besonderen S c h u t z . Die Kiese und Sande selbst e n t s t a m m e n pleistozänen Schmelzwässern aus der jüngeren E l s t e r k a l t zeit. F r ü h e urkundliche E r w ä h n u n g e n v o n A l t o s c h a t z erfolgten 1330 (Aldossechz) und 1350 (Alden Osschez). Sein N a m e — altsorbisch Osec — b e d e u t e t V e r h a u oder V e r s c h a n z u n g und bezog sich w o h l auf den W a l l bei R o s e n t h a l (s. H 5). Die K i r c h e liegt auf einer v o m S t r a n g g r a b e n umflossenen E r h ö h u n g und bes t a n d schon 1330 als Pfarrkirche. Seit 1540 ist sie eine Oschatzer Filialkirche. D i e als niedriger R u n d b a u an den polygonalen östlichen R a n d anschließende Sakristei k ö n n t e ehemals eine gesonderte romanische K a p e l l e gewesen sein. Die K i r c h e weist spätgotische und barocke Stilelemente auf. D e r K a n z e l altar e n t s t a n d 1819 unter V e r w e n d u n g eines spätgotischen Schnitzaltars v o n 1525. Die Gemälde schuf P a n c r a t i u s GRUEBER, die Schnitzereien e n t s t a m m e n einer Großenhainer W e r k s t a t t . V o n den stattlichen G r a b d e n k m ä l e r n des 16. und 17. Jahrhunderts ist besonders das E p i t a p h des J. v . GRAUSCHWITZ (f 1578) aus einer Meißner W e r k s t a t t zu erwähnen. Ursprünglich g a b es in A l t o s c h a t z zwei V o r w e r k e , v o n denen das eine in der

92

Mitte des 16. Jahrhunderts zum Rittergut erhoben wurde, die Gebäude des H 4 anderen bildeten künftig das Schäfereigut. In dieser Zeit dürfte eine Vergrößerung der Gutsflur auf Kosten der Bauernstellen erfolgt sein, gab es doch 1 5 5 1 insgesamt 19 besessene Mann und 1764 nur noch 6. Außer dem Altoschatzer Rittergut übten noch das in Saalhausen sowie das Oschatzer Hospital grundherrliche Rechte aus. Das Dorf Altoschatz setzte sich Anfang des ig. Jahrhunderts neben dem Rittergut aus 32 weiteren Häusern zusammen, die zum größten Teil mit Stroh gedeckt waren. Eine Ausnahme bildete eine „steinerne Windmühle mit ihrem Haus". Außerdem gab es im Ort eine Wassermühle. Zwischen Döllnitzaue und Straße eingezwängt, diente dieses Dreiseitgehöft 1973 Wohnzwecken. Durch die demokratische Bodenreform wurde die landwirtschaftliche Nutzfläche des Rittergutes 1945 an 53 Neusiedler, 40 Landarme und 36 Neubauern verteilt, für die die sogenannte Neubauernsiedlung entstand. Die genossenschaftliche Arbeit in der Landwirtschaft begann 1952, als Bauern die L P G T y p I I I Thomas Müntzer gründeten. Bis 1973 schlössen sich ihr die L P G T y p I Bergfrieden Kreischa, T y p I Glückauf Thalheim sowie T y p I I I Paul Scholz Oschatz in Striesa an. Die Verwaltung befindet sich im ehemaligen Rittergut, Thalheimer Straße 1, wo seit 1975 auch die Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion Oschatz-West ihren Sitz hat. Außer dem Anbau von Weizen, Wintergerste, Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais betreibt die K A P auf einem großen Teil der über 3000 ha umfassenden landwirtschaftlichen Nutzfläche auch Gras- und Kleevermehrung. Für die Baum- und Rosenschulen, die etwa 40 ha einnehmen, entstanden an der Wermsdorfer Straße in Oschatz neue Wirtschaftsgebäude. Der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Produktion liegt jedoch in der Milcherzeugung. Etwa 1300 Rinder sind in einem neuen Stall für 400 Tiere im ehemaligen Gut Striesa (s. B 5) und in Altbauten untergebracht. Neben dem neuen Rinderstall befindet sich eine nach 1962 erbaute, bis 1970 erweiterte Schweinemastanlage. Die Schafherde der L P G steht in einem Stall des ehemaligen Gutes Saalhausen (s. H 7).

Rosenthal, seit 1950 Stadtteil von Oschatz

H 5

Westlich von Rosenthal liegt auf dem östlichen Hochufer der Döllnitz ein dreifacher Wall, der die Hochfläche abriegelt. Besonders der äußere Teil ist durch Steinbruchsarbeiten verkürzt, trotzdem beträgt der Durchmesser der Anlage noch fast 80 m. Die ursprüngliche Länge des äußeren Walles wird mit 180 m angegeben. Der innere Wall erhielt sich in einer Länge von 70 m bei einer Höhe bis zu 5 m, der mittlere liegt etwa 60 m vor dem inneren und erstreckt sich noch über 1 1 0 m bei einer Höhe bis zu 7 m. Die Besiedlung des Geländes erfolgte bereits in der Jungbronzezeit und in der ersten Phase der Eisenzeit. Die meisten Funde stammen allerdings etwa aus dem 9. bis 12. Jahrhundert.

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H 5 Als Flurname ist für den Wall seit dem Dreißigjährigen Krieg die Bezeichnung Schwedenschanze überliefert. Das sogenannte Berggut mit früherer Ziegelei liegt oberhalb der Döllnitzaue. Dieses große Gehöft gehörte zeitweilig dem Hospital St. Georg zu Oschatz. 1463 wurde es vom dortigen R a t unter dem Vorbehalt verkauft, daß die auf seinem Grund und Boden befindlichen und in die Stadt geleiteten Röhrbrunnen in städtischem Besitz bleiben sollten. Im Unterschied zur Mitte des 18. Jahrhunderts — damals gab es 6 besessene Mann — bestanden um-1840 nur noch 3 Gartennahrungen in dem Zeilendorf. Möglicherweise ist der Rückgang auf das Bauernlegen zurückzuführen. In Rosenthal, dessen Name von einem alten Flurnamen abzuleiten ist, belief sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Anzahl der Häuslerstellen auf 17. 1945 kam der parzellierte Gutsbesitz an Neubauern. E r hatte den überwiegenden Teil der 99 ha (1839) großen, in Gutsblöcke und gewannähnliche Streifen aufgeteilten Flur eingenommen. Durch bauliche Veränderungen können 3 Gebäude des ehemaligen Berggutes zu Wohnzwecken genutzt werden. Von den 4 Neubauernhöfen, die im Anschluß an das Gehöft entstanden, dient heute ein Hof als, KAP-Reparaturstützpunkt. Die Bauern gehören der L P G Thomas Müntzer in Altoschatz (s. H 4) an. Nach dem zweiten Weltkrieg ließ sich in Rosenthal der heutige.VEB Holzverarbeitung nieder.

H 6 Kreischa, seit 1974 Stadtteil von Oschatz, zieht sich als Zeilendorf am rechten unteren Talhang der Döllnitz parallel zur Mügeln—Oschatzer Eisenbahnlinie entlang. Von 1936 bis 1973 w a r der Ort nach Thalheim eingemeindet. Mehrere der Dreiseitgehöfte besitzen einen in den Hang eingebauten Bergkeller. Das Wohnstallhaus des Gutes Thomas-Müntzer-Straße 9 zeigt an den Traufseiten, sein Wirtschaftsgebäude an den Trauf- und Giebelseiten Fachwerk. Die in Blöcke und Streifen aufgeteilte Flur umfaßte 1839 nur 27 ha und nimmt überwiegend die Flächen südöstlich des Ortes ein. Bei der ersten bekannten urkundlichen Erwähnung I486 schrieb man Kreyschaw, ein slawischer Name, der als Ort im Schlupfwinkel gedeutet wird. W i e aus einem Schadenverzeichnis hervorgeht, wurde im Dreißigjährigen Krieg beispielsweise die Wassermühle „ v o n 5 Gängen bis auf 1 Gang nebst Wallcund Bretmühle ruinirt" (HOFFMANN 1817). Sie lag am oberen Ortseingang und bestand Anfang des 19. Jahrhunderts als Mahl- und Brettmühle. Sie w a r 1973 außer Betrieb, nur der Graben blieb erhalten. Von Kreischa aus führt in östlicher Richtung der Kaiserweg zur großen Feldscheune auf Höhe 160,3 m und dann weiter zur Elbe. Sein Name läßt sich mit Kaiser KARL V . in Verbindung bringen, der 1547 auf ihm in die Entscheidungsschlacht des Schmalkaldischen Krieges nach Mühlberg vorrückte.

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H

Saalhausen, seit 1974 Stadtteil von Oschatz, setzt sich aus einer ehemaligen Gutssiedlung mit einer anschließenden Dorfzeile zusammen und zieht sich auf der linken Talterrasse der Döllnitz von 130 bis knapp 140 m ü. N N aufwärts. Politisch gehörte der Ort von 1936 bis 1973 zu Thalheim. Die 178 ha (1839) große Flur bestand früher aus Gutsblöcken und erstreckt sich auf 2'km Länge einseitig nach Westen. Ein Herrensitz läßt sich in Salhusen für das Jahr 1350 nachweisen. Vorher, 1262, hieß die Siedlung Zalesen (altsorbisch Za und lesno = hinter dem Walde). Der Name ist erst nachträglich eingedeutscht worden (Salhusen). Sicherlich ging aus dem Herrensitz das spätere Rittergut hervor, das 1593 für schriftsässig erklärt wurde. Es übte bis in das 19. Jahrhundert die grundherrschaftlichen Rechte über die Bewohner des eigentlichen Dorfes aus. Dieses bestand Anfang des 19. Jahrhunderts aus 11 Wohngebäuden, nämlich 7 Bauerngütern und 4 weiteren Häusern, darunter 1 Schmiede und 1 Schenkwirtschaft an der Gabelung der Straßen Oschatz—Thalheim und Oschatz—Saalhausen. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielten vom Rittergutsbesitz Saalhausen 42 Neubauern landwirtschaftliche Nutzfläche zugewiesen. Für sie errichtete man an der Flurstraße eine eigene Siedlung. In den Gebäuden des Gutes befinden sich seit ihrem weitgehenden Umbau Wohnungen, auch Rinder- und Schafställe sowie Lagerräume, die die L P G s in Naundorf (s. O 3) und Altoschatz (s. H 4) nutzen. An der Flurstraße stehen die Anlagen einer 1929 gegründeten Gärtnerei, die seit i960 der L P G Gartenstadt am Collm (s. J 1.5) angehört. Nachdem sie nach 1945 auch Topfpflanzen und Gemüse angebaut hatte, befaßt sie sich heute ausschließlich mit Staudengewächsen (Bild 9). Zur Bewässerung der Kulturen dient außer Grundwasser seit 1970 das Wasser der Döllnitz. Ein neues Mehrzweckgebäude nahm auch die sozialen und hygienischen Einrichtungen für die Beschäftigten auf.

Thalheim, seit 1974 Stadtteil von Oschatz

H

Noch heute bestimmen vorwiegend Dreiseit-, weniger Zweiseitgehöfte das Siedlungsbild von Thalheim. Sie ordnen sich beiderseits eines Rinnsals an, lassen aber in der Mitte Platz für zwei Straßen, die eine angerartige Erweiterung mit Obstgärten einschließen. Die 322 ha (1900) große Dorfflur war früher in gewannähnliche Streifen gegliedert. Unter den pleistozänen Ablagerungen steht Ton an, der auf den Feldern zur Vernässung des Bodens Anlaß gibt. Als geologische Besonderheit sind in diesem Raum Brandschieferflöze im Schieferton aus der Rotliegendzeit bekannt geworden. Dieses Gestein gewann man um 1900 in mehreren Schächten

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H 8 auf Thalheimer sowie der benachbarten Limbacher und Saalhausener Flur. Einen Kohlenschacht verzeichnet O B E R R E I T (1839/40) am Weg nach Limbach. Die erste Erwähnung von Thalheim fällt in das Jahr 1350, als man den Ortsnamen Talheym ( = Wohnstätte im Tal) schrieb. Bis ins 16. Jahrhundert ist ein Landrichter- oder Saupengut mit einer Hufe Besitz bekannt. 1552 fällt im Vergleich zu den Bauern die hohe Zahl von 27 Inwohnern auf, offenbar Bedienstete des Saalhausener Rittergutes. Dieses übte die grundherrlichen Rechte über die meisten Untertanen des Ortes aus, einzelne unterstanden dem Oschatzer Amt. In Thalheim bewirtschafteten i960 2 Genossenschaften die landwirtschaftliche Nutzfläche: Die L P G T y p I Glückauf schloß sich mit der von Altoschatz (s. H 4) zusammen, die L P G T y p I 20. Jahrestag vereinigte sich 1973 mit der Naundorf er (s. O 3).

H 9

Eisenbahnlinie Oschatz—Mügeln —Döbeln Im Bahnhof Oschatz (s. B 3) nimmt die Schmalspurbahn nach Mügeln ihren Anfang. Sie nutzt das Tal der Döllnitz, wo sie in mehr oder weniger großem Abstand zum Bach verläuft und diesen bei Kleinforst und Altoschatz überschreitet. Von Mügeln aus führte sie im Tal des Grauschwitzbaches aufwärts bis zur Wasserscheide der Freiberger Mulde. Die Bauarbeiten begannen Ende 1883 auf Saalhausener Flur. Bereits am 15. September 1884 wurde der Betrieb zwischen Mügeln und Döbeln provisorisch aufgenommen, die Einweihung der gesamten Strecke fand am 1. November 1884 statt, so daß Anfang 1885 auch der Postkutschenverkehr zwischen Oschatz und Mügeln seinen Betrieb einstellen konnte. Mügeln entwickelte sich zum Knotenpunkt von Schmalspurbahnen und zum Umschlagplatz landwirtschaftlicher Produkte und von Kaolin, als 1888 die Linie über Wermsdorf nach Neichen und eine Industriebahn über Kemmlitz zum Kaolinwerk Börtewitz eröffnet wurden. Der verstärkte Einsatz von Lastkraftwagen und Omnibussen führte zur Einstellung des Personenverkehrs 1964 und des Gütertransportes 1968 auf der Strecke Mügeln—Döbeln. 1972 wurde die 12 km lange Linie von Mügeln bis Wermsdorf stillgelegt, so daß 1973 nur noch die 9 km lange Industriebahn von Mügeln nach Börtewitz und die 11,4 km messende Verbindung von Oschatz nach Mügeln in Betrieb waren, auf denen seit 1975 nur noch Güter transportiert werden.

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Oschatz, K r e i s Oschatz Lage und

Ausdehnung

Die K r e i s s t a d t Oschatz bildet den Mittelpunkt eines ländlichen Gebietes. Sie liegt m i t ihrem K e r n a m westlichen H a n g der Döllnitz und bis zu 1 0 m über deren überschwemmungsgefährdeter Talaue, die in diesem Bereich 100 m B r e i t e nicht überschreitet. Hier bot die Flußniederung f ü r den Ü b e r g a n g der Hohen Straße (s. B 6) v o n Westen nach Osten ein ziemlich geringes Hindernis.

Jahr der

Eingemeindung

193t

Wüste Marken B Blumenberg C Cunnersdorf G Gorau GN Groß-Seußlitz KN Klein -Neußiitz

OG Oschatzer Großforst OK Oschatzer Kommunholz (Stadt) K

Kreischa

2,

J km

A b b . 1 7 . E n t w i c k l u n g des Territoriums v o n Oschatz

97

J i . i Der regelmäßig gegliederte Stadtkern weist einen fast kreisförmigen Grundriß von etwa 500 m Durchmesser auf (Abb. 18). An diesen schließen sich nach Nordwesten und Südwesten von jeher Siedlungsteile mit vorstädtischem Charakter an, die die Ausfallstraßen nach Würzen—Leipzig bzw. Wermsdorf begleiten. A m östlichen Talhang der Döllnitz, also außerhalb des Altstadtkerns und abseits der Vorstädte, befindet sich eine weitere Gebäudegruppe. In ihrem Mittelpunkt steht das sogenannte Talgut (s. J 1.5) mit landwirtschaftlicher Nutzung. Dieses vom 16. bis 18. Jahrhundert amtssässige Gut erscheint erstmals 1350, und zwar als Allodium Tale, 1511 als Vorwerk aufm Thal. Unter den Flurnamen aus der Umgebung von Oschatz fallen die wüsten Marken besonders heraus (Abb. 17). Seit dem 18. Jahrhundert versuchen Historiker, ihre genaue Lage und die Ursachen ihrer Entstehung zu erforschen (s. Seite 18). Jedoch ist es noch heute schwer zu entscheiden, seit wann diese Gemarkungen zum städtischen Besitz kamen; einzelne Teile gehörten schon seit sehr früher Zeit zur Stadt (s. C 8). Fest steht, daß die ursprüngliche Oschatzer Flur in gewannähnliche Streifen und Großblöcke aufgeteilt war. Neben der landwirtschaftlichen Nutzfläche stellten die Waldgebiete im Mittelalter für die Städte und ihre Einrichtungen eine bedeutende Einnahmequelle •dar. Obwohl der Zeitpunkt des Erwerbs des Stadtwaldes (s. A 4 ) nicht bekannt ist, galt dieser bis in das 20. Jahrhundert als wichtiger Holz- und zeitweise auch Lohelieferant. Betrug die Flurgröße im Jahre 1900 insgesamt 1956 ha, so nahm ihr Umfang infolge der Eingemeindungen bis zum Jahre 1974 um etwa 2900 ha zu, so daß die West—Ost-Ausdehnung der heutigen Flur nahezu 8 km, die Nord—Süd-Erstreckung etwa 7 km erreicht. Jedoch haben sich in Zschöllau (s. C 2), Striesa (s. B 5) und Altoschatz (s. H 4) sowie Thalheim (s. H 8), Lonnewitz (s. J 5), Merkwitz (s. B 2) und Schmorkau (s. C 5) mit ihren Ortsteilen (Abb. 17) die meisten dörflichen Kerne bis auf den heutigen T a g erhalten. Die Stadt selbst erweiterte sich vor allem durch Industriebauten nach Norden und Südwesten, Wohnhäuser kamen im Nordwesten und Kasernen im Osten hinzu.

J 1.2 H i s t o r i s c h e E n t w i c k l u n g u n d a l t e G e w e r b e Lange vor der eigentlichen Stadtgründung siedelten in urgeschichtlicher Zeit Menschen auf Oschatzer Flur, wie Funde an einigen Stellen beweisen. So befand sich nordnordöstlich der Stadt am Katzenberg eine bronzezeitliche Siedlung der Lausitzer Kultur; südlich davon sind Reste eines Gräberfeldes der ältesten Eisenzeit überliefert. In der ehemaligen Gärtnerei Reinhardt traten östlich der Straße nach Merkwitz Siedlungsnachweise von der Jungsteinzeit bis zur slawischen Epoche auf. Im 10. Jahrhundert soll in den Keilgärten oder Keulgharden vor dem späteren Oschatzer Hospitaltor auf dem Gelände des heutigen vorderen Stadtparks eine 98

B e f e s t i g u n g bestanden haben, in deren S c h u t z sich später vermutlich H a n d - J w e r k e r ansiedelten, die sich außer einer gewissen Sicherheit a u c h gewerbliche Vorteile e r h o f f t e n . HOFFMANN (1815) v e r m u t e t , d a ß sich die ersten B e w o h n e r im Gebiet der späteren R o s m a r i n s t r a ß e und des B r ü h l s niederließen (Abb. 18). D e r Ortsteil um den früheren A l t m a r k t h a t in einem Dorf (s. C 8) einen VorgänLeipzigerTor Brüder-Ton'

' Altoschatzer Viertel [ Brüderviertel I Hospitalviertel ( Strehlaisches Viertel

A b b . 18. P l a n der Oschatzer A l t s t a d t im 18. J a h r h u n d e r t (nach einem P l a n in: D a s O s c h a t z e r L a n d 1931; S t r a ß e n n a m e n ergänzt) ger. 1065 soll K a i s e r HEINRICH I V . das O p p i d u m ( = Stadt) dem Bischof EBERHARD zu N a u m b u r g übereignet haben. D a die U r k u n d e nachweisbar im 13. Jahrh u n d e r t Veränderungen erfuhr, e n t s t a m m t a u c h die Schreibweise Oszechs dieser Zeit. D e n N a m e n — 1207 Ozcek — entlehnte der O r t d e m nahen Dorf, das z u m Unterschied v o n der S t a d t den Z u s a t z Alden erhielt (s. H 4). D e r weitere A u s b a u v o n O s c h a t z erfolgte zur Zeit des M a r k g r a f e n OTTOS des Reichen (1156 bis 1190). N e b e n einer straßenartigen K a u f m a n n s s i e d l u n g m i t einem M a r k t (Neumarkt) b e k a m O s c h a t z in der zweiten H ä l f t e des 12. Jahr8

Oschatz

99

2 hunderts eine Befestigung .1228 erlangten Franziskanermönche die Genehmigung, innerhalb des Ortes nahe der Mauer ein Kloster errichten zu dürfen. Die erste sichere Nennung als Stadt ist in einem Ablaßbrief des Meißner Bischofs C O N R A I > von 1246 bekannt. Aus der frühesten Baugeschichte von Oschatz blieben nur wenige Zeugnisse erhalten (s. J 1.6), da während der Hussitenbewegungen die Stadt 1429 gänzlich zerstört wurde. Doch muß sich das Gemeinwesen, wohl auf Grund der günstigen Lage an der Hohen Straße (s. B 6), recht schnell erholt haben, erfolgte doch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine rege Bautätigkeit. Schon damals war der städtische R a t dazu in der Lage, dem Landesherrn neben weiteren Privilegien auch die Gerichtsbarkeit über die Einwohner abzukaufen. 1500 gehörte Oschatz, mit etwa 3 000 Einwohnern zu den größeren Städten des kurfürstlichen Sachsens. V o m Reichtum des Rates zeugen nicht nur die zahlreichen öffentlichen Gebäude der damaligen Zeit, sondern auch der Besitz, den er außerhalb des Befestigungsringes hinzuerwarb. Außer dem Roten Vorwerk vor dem Brüdertor und demjenigen vor dem Altoschatzer Tor kaufte er 1515 auch das von Striesa und 1519 das von Altoschatz im Rosenthal auf. Nach H O F F M A N N (1815) bestanden in Oschatz innerhalb der Mauer 1539 2 Kirchen mit 3 eingebauten Kapellen, 1 K l o ster, 26 Commungebäude, darunter 3 Wassermühlen, 1 Schleif- und 1 Pulvermühle, 4 Gasthöfe, 11 Brau- und 5 Malzhäuser, 3 Färbereien und 4 Torhäuser, das Altoschatzer, das Brüder- oder Leipziger Tor, das Strehlaer und das. Hospitaltor (Abb. 18). Die günstige Verkehrslage bedingte eine reiche Gewerbeentwicklung. Sie erlitt mehrfach Rückschläge, so durch einen Brand am 4. Juli 1616, bei dem von insgesamt 469 Häusern und Scheunen innerhalb der Mauer nur 25 Gebäude vom Feuer verschont geblieben sind. Diese Brandkatastrophe sowie die zahlreichen. Pestjahre (allein 1566 starben 900 Einwohner, 1583, 1611, 1613 und 1630 folgten weitere Epidemien) zogen die Stadt stark in Mitleidenschaft. Spätestens im 14. Jahrhundert führten flandrische Tuchmacher ihr Handwerk in Oschatz ein, wie der älteste erhaltene Innungsbrief der Wollweber und die Bestätigung der Handwerksordnung aus dem Jahr 1391 beweisen. In der Z u n f t waren offenbar recht wohlhabende Bürger vertreten; denn o f t bekleidete einer ihrer Meister das A m t des Bürgermeisters, und die Innung kaufte 1544 nach dem Bau des neuen Rathauses (s. J 1.6) das alte auf, um es als Siegelhaus — d a s fertiggestellte Tuch wurde vor dem Versand geprüft und gesiegelt — zu nutzen. Seine Blütezeit erlebte das Handwerk vor dem Stadtbrand von 1616. In der Mitte des.18. Jahrhunderts bekam das Gewerbe neuen Auftrieb, nachdem Johann Christian N I C O L A I die holländische Wollspinnerei eingeführt hatte und sich selbst als Faktor betätigte. Einen Zweig der Tuchveredlung begründete 1766Christian Gottlob B E Y E R , als er im Gebäude der heutigen August-Bebel-Straße 17 eine sogenannte Schönfärbe, wohl eine Blaudruckerei, einrichtete. Noch 1812 bestanden in der Stadt 2 Schönfärbereien und eine Schwarzfärberei. 1815 gab es in Oschatz, das 1785 mit dem Wollmarkt privilegiert worden war, 126 Tuchmachermeister und 36 Gesellen, sogenannte Tuchknappen. Das beudeutet, daß. 100

jeder dritte Handwerker diesen Beruf ausübte. Ihre Werkstätten befanden sich J 1.2 vorwiegend in der Großen Webergasse, der heutigen Breiten Straße, und in der Seminarstraße, damals Kleine Webergasse genannt. Vor der Herberge der Innung, Breite Straße 20, hing während des Frühjahrsumzugs der Tuchmacher und bei dem anschließenden Tanz, dem Zempern, das Semperschränkchen mit dem Wappen der Zunft, das heute ebenso wie ein Stück Tuch im Oschatzer Stadtmuseum einen Platz gefunden hat. Die wirtschaftliche Lage der in Zünften zusammengeschlossenen Handwerker verschlechterte sich seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmend. Infolge der Schaffung besserer Verkehrsmittel sowie durch staatliche, den Handel begünstigende Maßnahmen war es möglich, billigere, auf Maschinen hergestellte Gewebe aus England einzuführen, so daß die einheimischen Tuchmacher versuchen mußten, ihre erzeugten Waren ebenfalls zu einem geringeren Preis abzusetzen. Diese Entwicklung führte zu einer Verelendung und somit zur Zunahme des Handwerkerproletariats; viele waren gezwungen, als Tagelöhner bzw. als Arbeiter beim Eisenbahnbau ihren Unterhalt zu verdienen. In diese sehr angespannte Situation fiel am 7. September 1842 der Stadtbrand, der 400 Häuser vernichtete. Nicht nur die Tuchmacherinnung erlebte damals ihren Niedergang, sondern auch die anderen für Oschatz wichtigen Gewerbe, vor allem die Bierbrauerei und die Lohgerberei, teilten dieses Schicksal. Das Brauwesen gehörte zu den ältesten Erwerbszweigen innerhalb der Stadt. Durften anfangs nur diejenigen Einwohner Bier herstellen, die kein Handwerk betrieben, so konnte seit 1386 jeder,.angesessene" Bürger brauen. Obwohl in den folgenden Jahrhunderten nur noch einzelne Häuser vom R a t mit diesem Recht belehnt wurden, gibt H O F F M A N N für 1815 immerhin 241 Gebäude innerhalb der Ringmauer an, in denen Bier hergestellt werden durfte. Wie den Tuchmachern, Schneidern und anderen Berufsgruppen kam auch den Brauern das Meilenrecht zugute, über das die Stadt Oschatz verfügte. Danach durften sich im Umkreis von einer Meile ( = 7,5 km) keine Handwerker der städtischen Gewerbe seßhaft machen, und das Ausschenken auswärtigen Bieres war innerhalb dieser Entfernung untersagt. Auch Gerber nutzten das Wasser der Döllnitz. Besonders im Mühlgraben, der innerhalb von Oschatz außerdem 3 Wassermühlen anzutreiben hatte, von denen die Obermühle, August-Bebel-Straße 16, und die Niedermühle an der Schmorlstraße heute noch mittels elektrischen Stromes mahlen und schroten, weichten sie ihre Felle ein. In der Gasse An der Döllnitz erhielten sich Häuser dieser Handwerker, so Nr. 10 und Nr. 12 aus dem Jahre 1812. Ihre hohen Dachböden dienten der Trocknung der gewässerten Felle. Zu den ältesten Handwerkszweigen der StadtgehörtendieSchuhmacher, deren Innungsbrief ausdem Jahre 1451 stammt. Oschatz gehört zu den wenigen Städten, die bereits im Mittelalter über eine Schule verfügten, läßt sich doch schon 1365 ein Schulmeister nachweisen. Seit 1540 standen auf dem Kirchplatz 2 Unterrichtsgebäude, die Knaben- oder lateinische und die Mädchenschule. An gleicher Stelle wurde 1828 eine neue Lehranstalt mit 4 Klassenzimmern für Knaben und Mädchen und 4 Lehrerwohnungen gebaut. 8*

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J 1 . 2 Das Gebäude, das die heutigen polytechnischen Oberschulen an der Bahnhofstraße nutzen, stammt aus dem Jahre 1883. 1948 in zwei selbständige Einrichtungen getrennt, führt die rechte Seite den Namen von Heinrich PESTALOZZI, die linke den von Erich VOGEL, der als Kommunist und antifaschistischer Lehrer aus dieser Schule 1933 fristlos entlassen und verhaftet wurde und an den Folgen seines Aufenthaltes im KZ Buchenwald am 21. Juni 1943 verstarb. Die jetzige erweiterte Oberschule von Oschatz fand 1928, nachdem sie 5 Jahre vorher mit der Realschule vereinigt worden war, in dem 1871 errichteten Gebäude des Lehrerseminars Unterkunft. Sie wurde rekonstruiert und trägt seit 1975 den Namen von Thomas MANN. Den Berufsschulunterricht, der seit 1921 besteht, hielt man zunächst in der alten Schule am Kirchplatz ab, bis er 1923 in das Gebäude der ehemaligen Realschule verlegt wurde, wo er auch heute noch stattfindet. 1950 erhielt diese Lehranstalt einen neuen Nebenflügel. Ein Schulneubau entstand mit der Polytechnischen Oberschule Karl Liebknecht in OschatzWest. 1969 konnte der ferngeheizte Typenbau mit 14 Klassenzimmern, 6 Fachunterrichtsräumen und zahlreichen Nebeneinrichtungen seiner Bestimmung übergeben werden. Nur wenige Monate später folgte Anfang 1970 die Einweihung der Turnhalle gegenüber der Schule. Mit der Entwicklung des Oschatzer Bildungswesens eng verbunden sind die Namen einiger Persönlichkeiten der Stadt. Zu ihnen gehört Carl Samuel HOFFMANN (1749 bis 1826), der neben seiner Tätigkeit als Archidiakonus (Pfarramtsleiter) auch eine umfangreiche Oschatzer Stadtchronik verfaßte und herausgab. 1815 erschien der erste und 1817 der zweite Teil, ein dritter war geplant. Carl Gottlieb HERING (1766 bis 1853) komponierte als Musikpädagoge zahlreiche Kinderlieder. Von seinen Söhnen begründete Constantin (1800 bis 1880) als Arzt, Naturforscher und Schriftsteller in Amerika die Homöopathie.

J 1.3 I n d u s t r i e s t r u k t u r Als das 1,5 km von Oschatz entfernte Dorf Zschöllau (s. C 2) im Jahre 1839 Eisenbahnanschluß erhielt (s. B 3), setzte die industrielle Entwicklung in der Ackerbürgerstadt nur ganz allmählich ein. In dieser Zeit wurde das Wirtschaftsleben fast ausschließlich von Handwerksbetrieben bestimmt. Nur wenige Fabriken siedelten sich an, die im wesentlichen an die traditionellen Gewerbe anknüpften. Der eigentliche Aufschwung ist erst am Ende des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen, als die Stadt durch Nebenlinien (s. B 3, H 9) an die Haupteisenbahnstrecke und an die Rohstoffgebiete angeschlossen wurde. Diesem Umstand ist es besonders zuzuschreiben, daß sich an der Döllnitz entlang eine Industriegasse entwickeln konnte. Zu den ältesten Wirtschaftszweigen gehörten die 1834 von Ambrosius MARTHAUS anstelle der Hutmacherei begründete Filz- und Filzwarenfabrikation sowie die Wollwarenindustrie. Eine völlig neue Branche kam 1845 mit der Waagenpro102

duktion hinzu. 1904 waren von 1 5 3 1 Beschäftigten der 109 Oschatzer Betriebe J 1.3 allein 1044 in diesen 3 Zweigen tätig. Die übrigen verteilten sich auf heute noch vorhandene Branchen, so auf die Schuhwarenfabrikation, die Jalousie- und Rolladenherstellung, die Fertigung von Christbaumschmuck, die Holzindustrie und die Zuckerfabrik. Nach Überführung der Betriebe in Volkseigentum blieben nach dem zweiten Weltkrieg die für Oschatz typischen Industriezweige erhalten. So erzeugt der V E B Technische Filze Würzen, Betriebsteil Oschatz, vor allem Nadelfilz, in geringem Umfang auch gewalkte Spezialfilze. Artverwandt ist der als Filz- und Hausschuhbetrieb gegründete V E B Vereinigte Hausschuhwerke. An der benachbarten Freiherr-vom-Stein-Promenade stellt ein weiterer volkseigener Betrieb Kinderschuhe her. Zu den größten Betrieben der Stadt zählt mit etwa 1000 Werktätigen der V E B Erstlings- und Kinderbekleidung Oschatz mit seinem Hauptwerk in der Strehlaer Straße. 1948 ging das Werk aus 2 Unternehmen hervor. Es erzeugt heute Kindertrikotagen, fast zur Hälfte für den E x port. Ähnliche Artikel produziert der V E B Kindertrikotagen im Westen der Stadt. Der V E B Wägetechnik Rapido, Betriebsteil Oschatz, stellt als einziges Werk der D D R große automatische Schüttwaagen her, außerdem Analysenwaagen für Laboratorien. Völlig neu erbaut wurde der V E B Glasseidenwerk auf der Flur des Stadtteils Zschöllau (s. C 2). An weiteren Oschatzer Industriebetrieben sind zu nennen: der V E B Gasgerätewerk und der V E B Elektrobau, der im Gebäude einer ehemaligen Spinnerei Ausrüstungen für Beleuchtungsanlagen fertigt. Der V E B Metallverarbeitung versorgt verschiedene Betriebe des Kreises mit notwendigen Rationalisierungsmitteln. Eng mit den Landwirtschaftsbetrieben der Umgebung verbunden ist die 1894 von einer Gesellschaft ins Leben gerufene und nach dem zweiten Weltkrieg in Volkseigentum überführte Zuckerfabrik. Der heutige Stammbetrieb des V E B Zuckerkombinat Ernst Thälmann gewinnt Rohzucker (siehe Tabelle), der im Tabelle: Prozentuale Anteile der LPGs und K A P s an den Rübenlieferungen in den V E B Zuckerkombinat Ernst Thälmann Oschatz (1975, mit freundlicher Unterstützung des Betriebes) Kreis Oschatz K A P Niedergosein davon Bereich Naundorf Bereich Niedergosein/ Hohenwussen Bereich Glossen/ V E G Mügeln K A P Ernst Thälmann Oschatz davon Bereich Borna

25,0 7,1 11,0 6,9 14,0 6,6

KAP LPG LPG LPG LPG

Bereich Oschatz Bereich Gaunitz

Ablaß Hof Weilerswalde Laas Thomas Müntzer Altoschatz L P G Luppa L P G Börln V E G Cavertitz

5.0 2,4 8,2 5,1 3,4 3,o 2,9 2,1 i,7 1,6

103

J 1.3

LPG KOP1 LPG LPG LPG LPG LPG LPG

Außig Sornzig Schönnewitz Schmannewitz Collm Cavertitz Salbitz Nasenberg

0,9 0,8

0,8 0,6 o.5 o,3 °,3 0,2

Kreis Riesa LPG LPG VEG LPG LPG LPG

Stauchitz Wülknitz Riesa-Göhlis Prausitz Strehla Kreinitz

10,7 5.3 4.1 3.8 2.9 1,8

Kooperative Obstproduktion Kombinatsbetrieb Brottewitz, Kreis Bad Liebenwerda, zu Weißzucker verarbeitet wird, sowie als Futtermittel Rübenschnitzel. Um die Kapazität des Werkes auch außerhalb der Rübenkampagne zu nutzen, stellt der Betrieb für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften aus Grünmasse getrocknetes Grünmehl her. Ebenfalls auf das agrarische Umland angewiesen sind die Molkerei, der V E B Fleischkombinat Leipzig, Schlachthof Oschatz, sowie der Kreisbetrieb für Landtechnik, der aus einer MTS hervorgegangen ist. Zwischen der Zuckerfabrik und dem Bahnhof entstand um 1970 ein modernes Wasserwerk, dessen Bau durch die Errichtung des Glasseidenwerkes (s. C 2) notwendig wurde. Bei der Filterung des in der Döllnitzaue gewonnenen Grundwassers wendet man neue Methoden an. Seit 1941 besteht in Oschatz eine Firma für Heilkräuter, der heutige V E B Heilkräuter. Außer der Erfassung von Arzneipflanzen von etwa 200 ha Anbaufläche verarbeitet der Betrieb die Arznei- und Teedrogen und liefert Ausgangsmaterial für die pharmazeutische Industrie.

J 1.4 G e d e n k s t ä t t e n d e r A r b e i t e r b e w e g u n g Die fabrikmäßige Produktion setzte in Oschatz kurz vor 1850 ein. Da sie aber auf ziemlich kleine Betriebe mit verhältnismäßig wenigen Beschäftigten beschränkt blieb, begann sich die Arbeiterklasse erst spät zu organisieren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung in den neugegründeten Fabriken verstärkten Umfang an. Mit dem Beginn der sozialdemokratischen Bewegung ist in Oschatz der Name des Zigarrenarbeiters August S T E P H A N ( 1 8 5 5 bis 1 9 2 9 ) verbunden. Ihn wählten die Genossen zum ersten Vorsitzenden der am 26. November 1889 in der Zeit des Sozialistengesetzes gegründeten Ortsgruppe des Arbeitervereins für Oschatz und Umgebung, für die 180 neue Mitglieder gewonnen werden konnten. Eine Kundgebung anläßlich des Reichstagswahlkampfes, auf der August B E B E L ZU über 400 Besuchern gesprochen hatte, fand bereits am 4. Oktober 1889 im Rathaus statt (MORL 1965). Nach der ersten Maifeier und den ersten Streiks in Oschatz im Jahre 1890 nahm die Verfolgung der SPD-Mitglieder zu. Der Bildung eines Gewerkschaftskartells 1896 folgten um die Jahrhundertwende die Grün-

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•düngen des Arbeitergesangvereins und-turnvereins. 1905 streikten Arbeiter der J 1.4 Schuhfabrik Artur Kunze, 1906 die Schmiede der Firma Kopp und Haberland. Als in Deutschland 1918 die Novemberrevolution ausbrach, beteiligten sich daran auch Oschatzer Arbeiter sowie Angehörige des in der Stadt stationierten Ulanenregimentes. A m 10. November bildeten Soldaten einen Rat, der sich 3 Tage später mit dem der Arbeiter zum Arbeiter- und Soldatenrat zusammenschloß und zum Generalstreik aufrief. Nach dem Scheitern der Revolution fanden 1919 weitere Arbeitsniederlegungen statt, und auch die ersten Lohnstreiks der Landarbeiter fielen in diese Zeit. Einen neuen Höhepunkt in der Entwicklung stellte im Oktober 1919 die Gründung einer Ortsgruppe der K P D dar, die von den Genossen Max N A U M A N N und Gustav H E L L E R im „ A m t s h o f " organisiert wurde. Während die K P D bei den Wahlen 1920 erst 57 Stimmen erhielt, waren es 1924 bereits 676. Dadurch konnten die ersten 2 kommunistischen Abgeordneten in das Stadtparlament einziehen. In der Zeit der Weimarer Republik nahmen die Unterdrückung und die daraus resultierende Verelendung der Werktätigen solche Formen an, daß 1927 mehr als 40% der Oschatzer Einwohner auf die öffentliche Wohlfahrtspflege angewiesen waren; auch 1932 empfingen noch 3700 von 11000 Bürgern eine Arbeitslosen- und Wohlfahrtsunterstützung. Nachdem das Naziregime Anfang des Jahres 1933 die Macht übernommen hatte, setzten bereits am 23. Februar die ersten Massenverhaftungen ein. A m 7. April desselben Jahres wurden Hunderte Gegner des Faschismus aus Oschatz und Umgebung in das KZ-Nebenlager Pappenheim — ehemals ein Kinderheim im Oschatzer Stadtwald — gebracht. Nach sechswöchiger Mißhandlung erfolgte der Abtransport in die Konzentrationslager Colditz, Sachsenburg und Hohnstein. A m 11. August 1943 wurde Ernst T H Ä L M A N N bei seiner Überführung aus dem Gefängnis Hannover nach Bautzen durch Oschatz gebracht. A m Gasthaus Gambrinus, heute Veteranenklub, Strehlaer Straße 38, wo eine Rast stattfand, erinnert eine Gedenktafel an diesen großen Führer der deutschen Arbeiterklasse. Ein Denkmal für T H Ä L M A N N steht seit 1975 am Leipziger Platz. Denkmale setzte die Oschatzer Bevölkerung ferner ihren Kämpfern für ein besseres Leben auch mit dem W N - E h r e n m a l im Stadtpark und der Gedenkstätte für 19 weibliche KZ-Häftlinge auf dem Friedhof an der Dresdner Straße. Ebenfalls im Stadtpark befindet sich der sowjetische Ehrenfriedhof mit 94 Gräbern sowjetischer Soldaten. Im Kino-Foyer, Platz der DSF, weist eine Gedenktafel darauf hin, daß sich hier am 14. April 1946 K P D und S P D zur Kreisorganisation der S E D zusammenschlössen.

L a n d w i r t s c h a f t und Gartenbau

J 1.5

Neben der Handels- und Gewerbetätigkeit spielten in Oschatz seit jeher die Landwirtschaft und der Gartenbau eine Rolle. Schon für 1159 sind am Abhang der Keilgärten in Richtung zur Döllnitz 8 Weinberge überliefert, die zunächst

105

J 1.5 dem Georgen-Hospital und später Oscliatzer Bürgern gehörten. In enger Verbindung mit dem Brauwesen stand der Hopfenanbau, dessen älteste von 30 Anlagen rings um die Stadt seit 1331 bestand. Aus Gärten kleinerer Besitzer wie auch der Rittergüter der Umgebung kamen frühzeitig Obst und Gemüse sowie Blumen in die Stadt, die schon seit 1576 in Ziergärten angepflanzt wurden. Auch der Erwerbsgartenbau besitzt in Oschatz Tradition. Sie wird fortgeführt,seitdem sich i960 mehrere Gärtner zu der G P G Gartenstadt am Collm mit Nebenstellen (s. H 7, J 5) vereinigten. Von überörtlicher Bedeutung sind die Oschatzer Baum- und Rosenschulen, die 1904 von Victor G U E R I C K E gegründet wurden. Ihre Anlagen übernahm die L P G Thomas Müntzer (s. H 4), ein mit neuen Hallen und modernen Maschinen ausgerüsteter Betrieb. Heute stelleil besonders Rosen ein nicht unbedeutendes Ausfuhrerzeugnis dar. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges gab es in Oschatz und den heutigen Stadtteilen Altoschatz und Striesa zwar nur 6 Großgrundbesitzer, sie verfügten aber über rund 880 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Im Rahmen der Bodenreform bekamen 124 Neubauern — 17 Kleinstbauern, 62 Landarbeiter,-36 Umsiedler und 9 Arbeiter — durchschnittlich 6 ha zur eigenen Bearbeitung zugewiesen. Wohn- und Wirtschaftsräume erhielten die Neubauern entweder zwischen der Leipziger Straße und dem neu angelegten Neubauernweg oder im Talgut an der Riesaer Straße sowie an der nahen Oststraße. Im ehemaligen Herrenhaus des Talgutes sind heute Verwaltungsstellen untergebracht, so die des V E B Kombinat Getreidewirtschaft. Bereits am Beginn der sozialistischen Entwicklung in der Landwirtschaft 1952 schlössen sich mehrere Bauern zur L P G T y p I I I Ernst Thälmann zusammen. Zum Zeitpunkt der Gründung der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Ernst Thälmann Oschatz am 1. Januar 1974 verfügte die Genossenschaft über 1643 ha Ackerland und 154 ha Grünland; weiterhin bearbeitet die K A P etwa 1500 ha Acker- und 190 ha Grünland der L P G Neues Leben Borna (s. D 5) sowie 840 ha Acker- und 90 ha Grünland der L P G Frohsinn Gaunitz. Ihren Verwaltungssitz richtete sie Riesaer Straße 32 ein. Vor dem Giebel des Wohnstallhauses dieses geschlossenen Vierseithofes stehen 2 Steinkreuze und ein Kreuzstein aus dem 15. Jahrhundert, die vom gegenüberliegenden Galgenberg hierher versetzt wurden. Als Besonderheit des Feldbaus ist die Erzeugung von Gemüse (33 ha), Heilkräutern und Gewürzpflanzen (7,5 ha) zu nennen. Sie erfolgt auf Freiflächen, die sich beispielsweise nahe der Döllnitz hinziehen und mit deren Wasser auch beregnet werden können. Schon 1968 verfügte die L P G Ernst Thälmann über 7000 m 2 Gewächshausfläche und 12500 m 2 Anbaugelände unter Foliezelten (Bild 8). Neben Frühgemüse liefert eine umfangreiche Anlage Treibgurken und Chicorée. In der Viehwirtschaft setzte eine starke Konzentration der Bestände an Milchkühen ein, nachdem die Ställe bei Lonnewitz (s. J 5) ihrer Bestimmung übergeben wurden. Hinzu kommen kleinere Einrichtungen für Milchvieh in Lonnewitz, Kleinragewitz und Ganzig sowie in Oschatz an der Riesaer Straße.

106

J 1.6

Baudenkmale Der unter Markgraf OTTO dem Reichen (s. J 1.2) angelegte doppelte Mauerring um die Stadt Oschatz wurde im 15. Jahrhundert erneuert. Während die 4 Stadttore im ig. Jahrhundert verschwanden, erhielten sich bis heute zwischen Lenin- und Alexander-Puschkin-Straße ein Abschnitt der Mauer sowie 2 runde Warttürme. Einer erhebt sich im Grundstück des jetzigen Kreisgerichts, entstand 1488 und nahm 1589 das Gefängnis auf; der andere, 1377 errichtet,

(aus GURLITT

1905)

1 Stadtmauer

4 Kirche

7 Klosterhof

2 Kirchhof

5 Schülerchor

8 Klostergarten

3 Empore

6 Sakristei

9 Brüdergasse

befindet sich in der Nähe der alten Ratsfronfeste. Dieser Komplex beherbergt das Stadtmuseum. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Stadt außer von der Mauer noch von Zwinger, Graben und Wall umgeben. An ihrer Stelle ließ der Stadtrichter Christian Wilhelm H O F F M A N N 1797 eine Allee, die Vorläuferin der heutigen Freiherr-vom-Stein-Promenade, anlegen. Die Gebäude des Franziskanerklosters (Abb. 19) nahe der Stadtmauer sind nur noch von Abbildungen bekannt. Erhalten blieb lediglich die Kirche, deren Errichtung in drei Epochen vor sich ging: Um 1246 entstand der erste flachgedeckte Bau, 1381 bis 1428 folgte ein einschiffiger Saal und schließlich Ende des 15. Jahrhunderts, nach Süden erweitert, eine symmetrische, zweischiffige

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J i.6 Hallenanlage. Diese zeigt je 5 quadratische Joche mit Sterngewölben, die auf achteckigen Pfeilern ruhen. Zwischen Langhaus und Chor befindet sich südlich der achteckige Turm. Die Annenkapelle mit 2 kreuzrippengewölbten Jochen und Fünfachtelschluß wurde um 1500 an die Nordseite des Chores angebaut. Durch eine eingezogene Wand ist der Chor heute vom Langhaus getrennt. Zweigeschossig unterteilt, nahm er 1924 zwei Gemeindesäle auf. Jünger als die Klosterkirche ist die Friedhofskirche (St.-Georgs-Kirche) an der Dresdner Straße, also außerhalb der Altstadt gelegen. Mit dem Bau des 1891 restaurierten Gebäudes wurde 1583 begonnen. Die Fenster zeigen noch gotische Formen. Im Unterschied zu dem westlichen rundbogigen und einfach profilierten Portal weist das nördliche Pilasterralimung und Giebelrelief auf. An der Nordwestecke befindet sich ein eingebauter runder Treppenturm. Das Innere der Kirche zieren die hölzernen Emporen von 1586 im Westen, von 1667 im Norden sowie der aus der Franziskanerkirche stammende Schnitzaltar aus der Zeit um 1520. In die steinerne Kanzel, datiert mit 1584, ist in die Südwand eine Treppe eingelassen. Grabdenkmäler aus dem 16. und 17. Jahrhundert befinden sich außerhalb der Kirche. Gegenüber der Klosterkirche liegt das jetzige Pfarramt, Alexander-Puschkin-Straße 8. In ihm befindet sich die Elisabethkapelle, ein rechteckiger Bau mit zweijochigem Kreuzrippengewölbe. Die Wandmalereien aus dem späten 14. Jahrhundert wurden 1975 restauriert. Die Stadtkirche St. Ägidien (Bild 5) wurde nach dem Brand von 1842 nach Plänen von Carl Alexander von HEIDELOFF 1846 bis 1849 wiederhergestellt. Die fünfjochige Hallenkirche besitzt 3 Schiffe, einen Hauptchor und 2 Nebenchöre. Das Sterngewölbe des Hauptchores und die Kreuzrippengewölbe der Nebenchöre erhielten sich noch aus dem 15. Jahrhundert. Unter dem Ostschluß des Hauptchores liegt die K r y p t a mit einem Sterngewölbe. Das heutige Aussehen der beiden weithin sichtbaren Westtürme geht auf die Erneuerung der Kirche Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Von der mittelalterlichen Ausstattung des früheren Bauwerkes blieben nur wenige Gegenstände erhalten, so das Altarkruzifix aus der Zeit um 1400. Grabdenkmäler stammen vom Ende des 16. und aus dem 17. Jahrhundert, einige Schnitzfiguren an den Chorwänden und in den Nebenchören aus der Spätgotik. Zu den ältesten erhaltenen Gebäuden der Stadt Oschatz aus dem 15. und 16. Jahrhundert gehören die am Kirchplatz. Sie bewahren teilweise erwähnenswerte Einzelformen, wie Sitznischenportale. Gegenüber dem Siegelhaus (s. J 1.2) Kirchplatz 1 liegt die ehemalige Stadtschreiberwohnung mit einer Renaissancetür aus dem Jahre 1621. An der Westseite des Kirchplatzes stehen die Kirchenkanzlei und die Superintendentur aus dem 16. Jahrhundert. Von den Gebäuden am Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, dem früheren Neumarkt, verdient das neue, 1537 von Bastian KRAMER erbaute Rathaus (Bild 5) vorrangige Erwähnung. Bei dem Brand von 1842 teilweise zerstört, erfolgte seine Wiederherstellung nach Plänen von Gottfried SEMPER, beispielsweise die des Renaissancegiebels. Bemerkenswert ist die Freitreppe

108

mit ihrem geraden Verlauf und der offenen Laube über dem Podest. Die Brü- J 1.6 stung weist Wappen- und Bildnisreliefs von 1538 auf, ergänzt und restauriert im Jahre 1884. In einem Schild finden wir die Initialen des Meisters Christoph W A L T H E R (I). Im Inneren des Rathauses erhielten sich zahlreiche gewölbte Räume, ferner die getäfelte Ratsstube von 1595 im zweiten Obergeschoß. Das Archiv im Turm bewahrt wertvolle alte Urkunden auf, darunter die Abschrift des Sachsenspiegels von 1382 und Reformatorenbriefe. Im Torbogen des Rathauses befinden sich der Pranger mit einem schmiedeeisernen Gitter aus der Zeit um 1616, die um 1526 hergestellten sogenannten Steinernen Flaschen sowie die beiden etwa lebensgroßen Brüderköpfe aus Sandstein und der mit einer Inschrift versehene Schlußstein des unterirdischen Gefängnisses Schwarzer Sack. Zu den bemerkenswerten Bauwerken gehört an der Ecke Sporerstraße der Gasthof Zum Schwan aus dem Jahre 1476. Im alten Amtshaus, Nr. 4, das 1616 Simon H O F F M A N N schuf, sind heute mehrere Dienststellen untergebracht. Seine stattliche Fassade mit Zwerchhaus und Volutengiebel wurde 1952 restauriert. Neben dem Rathaus befindet sich die Alte Wache, 1956 umgebaut und heute als Kreissparkasse genutzt. Das Gebäude entstand nach dem Brand von 1616 im schlichten Renaissancestil. Es beherbergte früher die Fleischbänke, 1676 bis 1912 die Soldatenhauptwache. Gregor R I C H T E R aus Leipzig schuf 1588 den Brunnen auf dem heutigen Platz der DSF, der 1928 erneuert worden ist. Der runde Wasserkasten mit Baldachin ruht auf 4 toskanischen Säulen. Von den Gebäuden am zentral gelegenen Ernst-Thälmann-Platz (Bild 6), sei das ehemalige Gasthaus Zum Weißen Roß erwähnt, das sich urkundlich schon 1477 nachweisen läßt. 1564 erbaut, blieb es von beiden großen Stadtbränden verschont und gehört deshalb mit seinen kandelaberartigen Sandsteinsäulen an den Fensterpfeilern des Gastzimmers und den fein profilierten kräftigen Balken parallel zur Fassade zu den ältesten weltlichen Gebäuden von Oschatz.

Das heutige Siedlungsbild

J 1.7

Die heutige Stadt Oschatz (Abb.20) — abgesehen von den eingemeindeten Dörfern — läßt sich in 5 Bereiche gliedern: Altstadt innerhalb der früheren Ummauerung, alte Vorstädte, Industrieanlagen an der Döllnitz sowie Wohnsiedlungen westlich und südöstlich der Altstadt. In der Altstadt bestimmt geschlossene Bauweise das Bild der oft recht engen Straßen, unterbrochen vom Ernst-Thälmann-Platz, dem früheren Altmarkt, und vom Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, dem ehemaligen Neumarkt. Die Kirche St. Ägidien (s. J 1.6) steht an der Stelle des allmählich ansteigenden Hanges, wo er seine größte Höhe erreicht. Neben ausgesprochenen Wohnvierteln haben sich in der Innenstadt viele Geschäfte, Dienstleistungsund Handwerksbetriebe sowie Verwaltungsstellen konzentriert. Einzelne

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J 1-7

Stadtzentrum Mischgebiet | | | | | Wohngebiet Gesellschaftliche Einrichtungen Landwirtschaftliche 1 Produktionsanlagen i | f t [Friedhof [* , * | Sportfläche

Park

Abb. 20. Karte der Flächennutzung von Oschätz (mit freundlicher Unterstützung des Büros für Städtebau Leipzig, Stand 1974)

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Produktionsstätten der Leicht- und Nahrungsmittelindustrie ergänzen das J 1.7 Bild. Unmittelbar im Anschluß an die Parkanlagen (s. J 1.6) folgen die Vorstädte mit ihren niedrigen, oft eingeschossigen Häuschen. Sie lagen außerhalb der Stadttore und waren deshalb früher in Kriegszeiten besonders gefährdet. Kleingärten und Lagerplätze bilden ihre heutige äußere Begrenzung. Die Hauptfunktion der Vorstädte besteht im Wohnen, doch hat sich gerade hier eine Reihe von kleinen Betrieben entwickelt, auch Verwaltungs- und andere Dienststellen sind — zum Teil aus Platzmangel in der Innenstadt — vertreten. Bäuerliche Bauweise blieb beispielsweise im Bereich vor dem ehemaligen Brüdertor bewahrt. Das zweigeschossige Wohnhaus Vorwerksgasse 6 weist ein Krüppelwalmdach auf, unter demTrauf- und Giebelseiten mit Schiefern behangen sind. Der Schlußstein des Türstockes zeigt die Jahreszahl 1809. Die Industriegasse von Oschatz umfaßt den Raum zwischen dem Stadtpark im Süden und dem Bahnhof im Norden und ist nur an wenigen Stellen von Wohnhäusern unterbrochen. Sie erstreckt sich somit auf eine Länge von etwa 2 km immer parallel zur Döllnitz, überwiegend an deren Westufer. Der Fluß lieferte für verschiedene Fabriken Brauchwasser und konnte deren Abwasser aufnehmen. Besonders konzentriert reihen sich Betriebe unterschiedlichen Produktionsprofils (s. J 1.3) im Gebiet zwischen der Bahnhof-, Industrieund Theodor-Körner-Straße aneinander. Ausschlaggebend für die Wahl dieses Standortes dürfte für die meisten Betriebe ursprünglich der Anschluß an die Gleisanlagen der Leipzig—Dresdner Eisenbahn gewesen sein (s. B 3), der über «ine normal- und schmalspurig zu befahrende Strecke der Linie Oschatz— Mügeln (s. H 9) erfolgte. Ein Grund für die starke Häufung von Anlagen in der Industriegasse besteht darin, daß funktionslos gewordene Werkstätten nicht dem Abbruch verfielen, sondern nach Umbau anderen Verwendungszwecken dienen. So zog beispielsweise in Gebäude des ehemaligen Gaswerkes eine Reparaturwerkstatt des V E B Landbaukombinat ein. An die Industrieanlagen schließen sich Gebäudekomplexe unterschiedlicher Funktionen nach Südosten an, und zwar zwischen Parkstraße, Nossener und Dresdner Straße. E s überwiegen mehrgeschossige Wohnhäuser aus der Zeit vor 1939, doch traten nach 1950 an mehreren Stellen neue Blocks hinzu. Das frühere Schützenhaus dient nach seinem Umbau den Oschatzer Jugendlichen als kultureller Mittelpunkt. Am östlichen Rand dieses Gebietes werden ausgedehnte Flächen von volkseigenen Dienstleistungs- und Industriebetrieben extensiv genutzt, so vom Kraftverkehrskombinat und vom territorial sehr bedeutsamen Landbaukombinat. Kleingartenanlagen lockern die allgemein verbreitete offene Bauweise stark auf und verhalfen, ebenso wie die Gärtnereien, Promenaden und Parks, Oschatz zu dem Namen Gartenstadt am Collm. Im Bereich der früheren Wüsten Mark Blumenberg entstanden seit 1972 insgesamt 44 Eigenheime. Auf dem höchsten Punkt dieses Flurbereiches erhebt sich der weithin sichtbare Wasserturm. 111

7 Zusammenhängende W o h n k o m p l e x e füllen auch den R a u m zwischen Merkwitzer Straße, Friedensstraße, Wilhelm-Pieck-Straße und Leipziger Straße n o r d w e s t l i c h d e r A l t s t a d t . E i n i g e v o n i h n e n s e t z e n sich aus eingeschossigen Zwei- und aus zweigeschossigen Vierfamilienhäusern zusammen, andere V i e r t e l b e s t e h e n aus V i l l e n u n d m e h r g e s c h o s s i g e n W o h n h ä u s e r n . N o c h v o r h a n d e n e L ü c k e n w u r d e n n a c h 1950 geschlossen. So s t a m m e n a u s d e r M i t t e der f ü n f ziger J a h r e G e b ä u d e z w i s c h e n F r i e d e n s s t r a ß e , H e l l m i c h w e g u n d A n d e r Molkerei. N e u a u f g e b a u t w u r d e seit 1962 O s c h a t z - W e s t (Bild 4), ein S t a d t t e i l m i t e t w a 1 5 0 0 W o h n u n g e n sowie m i t v o r s c h u l i s c h e n u n d s c h u l i s c h e n E i n r i c h t u n g e n (s. J 1.2). G e s c h ä f t e u n d D i e n s t l e i s t u n g s b e t r i e b e f ü r die- B e v ö l k e r u n g v e r vollständigen das Viertel. A l s W o h n - u n d W i r t s c h a f t s s t a n d o r t h a t O s c h a t z eine B e d e u t u n g e r l a n g t , d i e a u c h in seiner F u n k t i o n als V e r w a l t u n g s m i t t e l p u n k t i m ö s t l i c h e n T e i l d e s B e z i r k e s L e i p z i g z u m A u s d r u c k k o m m t . I m p u l s e f ü r seine r a s c h e i n d u s t r i elle E n t w i c k l u n g v e r d a n k t O s c h a t z i m w e s e n t l i c h e n e r s t d e r sozialistischen Epoche.

Kleinforst, seit 1879 S t a d t t e i l v o n O s c h a t z A l s K l e i n e n F o r s t b e z e i c h n e t e m a n ein z w i s c h e n der s ü d l i c h e n O s c h a t z e r S t a d t g r e n z e u n d d e m B e r g g u t (s. H 5) g e l e g e n e s W a l d g e b i e t , d a s d e m V o r w e r k in A l t o s c h a t z g e h ö r t e u n d a m A n f a n g d e s 19. J a h r h u n d e r t s g e r o d e t w u r d e . 1804 siedelte sich d e r e r s t e H ä u s l e r an, u m 1840 h a t t e n sich i n s g e s a m t 25. niedergelassen, so d a ß eine n e u e W o h n z e i l e e n t s t a n d . I n d e n z w a n z i g e r J a h r e n d e s 20. J a h r h u n d e r t s k a m e n z u d e r b e s t e h e n d e n S i e d l u n g neue E i n - u n d Z w e i f a m i l i e n h ä u s e r h i n z u . A u f e i n e m T e i l der K l e i n f o r s t e r F l u r ließ O s c h a t z seinen S t a d t p a r k a n l e g e n , ein N a h e r h o l u n g s g e b i e t m i t M u s i k p a v i l l o n u n d F r e i b a d sowie mit Tiergehegen. E b e n f a l l s u n m i t t e l b a r r e c h t s d e r D ö l l n i t z b r e i t e t e sich z w i s c h e n d e m W e g n a c h N a u n d o r f u n d d e m O r t S a a l h a u s e n ein W a l d g e b i e t a u s : d e r 35 h a u m fassende Große Forst oder Oschatzer Großforst. E r gehörte zunächst dem H o s p i t a l S t . G e o r g , s p ä t e r d e r O s c h a t z e r K i r c h e , bis die L a u b h o l z b e s t ä n d e z w i s c h e n 1847 u n d 1861 d e m A c k e r l a n d w e i c h e n m u ß t e n (HARTWIG 1907).

Kleinragewitz, seit 1940 O r t s t e i l v o n G a n z i g , z i e h t sich als p l a t z a r t i g e s D o p p e l z e i l e n d o r f beiderseits d e r 100 m breiten A u e d e s S a n d b a c h e s hin. D e r W a s s e r l a u f erhielt bis 1972 ein b e g r a d i g t e s B e t t , w o d u r c h die N u t z u n g d e r N i e d e r u n g a u c h als W e i d e l a n d m ö g l i c h w u r d e . A n d a s T a l s c h l i e ß e n sich die ü b r i g e n T e i l e d e r 263 h a (1900) g r o ß e n u n d f r ü h e r in g e w a n n ä h n l i c h e S t r e i f e n a u f g e g l i e d e r t e n F l u r an. 112

Die E r w ä h n u n g v o n 2 V o r w e r k e n fällt m i t der ersten N e n n u n g des Ortes 1445 J 3 (Wenigemagewicz) zusammen. D e r N a m e R a g e w i t z e n t h ä l t das altsorbische W o r t rog f ü r Horn, Spitze. Z u n ä c h s t ü b t e n die beiden R i t t e r g ü t e r Naundorf u n d B o r n i t z grundherrliche R e c h t e über die B e w o h n e r aus. Spätestens im 17. J a h r h u n d e r t ü b e r g a b das R i t t e r g u t Naundorf seine Befugnisse an das in Casabra, d e m a m A n f a n g des 19. J a h r h u n d e r t s 6 Hufen-, 2 H a l b h u f e n g ü t e r und 1 V i e r t e l h u f e n g u t sowie 1 H ä u s l e r w o h n u n g und 1 Gemeindehaus unterstanden. N a c h B o r n i t z zinsten nur 1 P f e r d n e r g u t und 1 G a r t e n n a h r u n g . A u c h heute wird das Siedlungsbild v o n den Vier-, Drei- und Zweiseithöfen b e s t i m m t , w o r u n t e r sich das frühere sogenannte T u r m g u t befindet. A n den Vierseithof D o r f s t r a ß e 10 (1834) schließen sich neue Schweineställe an. N a c h d e m die B a u e r n 1952 die L P G T y p I I I 1. Mai g e g r ü n d e t h a t t e n , vereinigten sie sich später m i t der Genossenschaft E i n t r a c h t (s. K 1) in Ganzig.

Tonberg (134,4

m

)

J

ö s t l i c h und nordöstlich v o n L o n n e w i t z durchragen mittelrotliegende Melap h y r e die im allgemeinen m ä c h t i g e känozoische Sedimentdecke. Die m a r k a n t e s t e unter den E r h e b u n g e n stellt der unter N a t u r s c h u t z stehende T o n b e r g dar. Seine O s t f l a n k e ist durch einen aufgelassenen Steinbruch aufgeschlossen, w o sich das teils massig und teils p l a t t i g abgesonderte Gestein beobachten l ä ß t . A n der Oberfläche liegt eine geringmächtige S c h u t t d e c k e m i t d ü n n e m Sandlößschleier. Die 3 bis 5° geneigten H ä n g e gehen in die flache U m g e b u n g über, aus der sich der T o n b e r g u m 15 bis 20 m erhebt. E r bietet, w e n n a u c h n i c h t n a c h allen Seiten im gleichen Maße, gute Aussichtsmöglichkeiten auf die L ö ß h ü g e l l a n d s t u f e und auf die Oschatz-Riesaer Moränenplatten m i t ihren w e n i g eingesenkten Muldentälern. A u f der K u p p e und a m S c h a t t e n h a n g befinden sich V o r w a l d s t a d i e n eines trockenen E i c h e n - B i r k e n - W a l d e s meist m i t vorherrschendem Besenginster (Sarothamnus scoparius) und m i t J u n g w u c h s v o n Stieleiche und H ä n g e b i r k e . N ä h r s t o f f a r m u t , V e r s a u e r u n g und T r o c k e n h e i t des Oberbodens werden durch die A r t e n k o m b i n a t i o n aus H e i d e k r a u t (Calluna vulgaris), B o r s t g r a s (Nardus stricta) und Sandrohr (Calamagrostis epigeios) angezeigt. N o c h e x t r e m e r g e s t a l t e t sich der b ä u m - und strauchfreie S ü d w e s t h a n g m i t seinem Sandtrockenrasen als E r s a t z g e s e l l s c h a f t des E i c h e n - B i r k e n - W a l d e s m i t den kennzeichnenden A r t e n Großes Schillergras (Koeleria pyramidata), Schafschwingel (Festuca ovinä), Kleines und D o l d e n h a b i c h t s k r a u t (Hieracium pilosella, H. umbellata), Bergjasione (Jasione montana), K a r t h ä u s e r n e l k e (Dianthus carthusianorum), Silberfingerkraut (Potentilla argentea), Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias) und E c h t e s L a b k r a u t (Galium verum) sowie v o r allem dessen bleichgelber B a s t a r d m i t d e m W i e s e n l a b k r a u t (Galium mollugo). A n Felsstandorten des Steinbruchs finden wir unter anderem Platthalmrispen-

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4

J 4 gras (Poa compressa), Ackerhornkraut (Cerastium arvense), Kleinen Sauerampfer (Rumex acetosella), Sandstrohblume (Heiichrysum arenarium) sowie die recht seltene Frühe Haferschmiele (Aira praecox). Der Grund des Steinbruches wird von der Glanzmelden- (A triplex nitens-) Gesellschaft, einer typischen, weit verbreiteten Ruderalgeseilschaft, eingenommen.

J 5 Lonnewitz, seit 1973 Stadtteil von Oschatz Das 125 bis 135 m hoch gelegene platzartige Doppelzeilendorf nimmt die breite Mulde eines kurzen Rinnsals ein. Sein Name (1350 Lonewicz, Lanewicz und Lomwicz) nimmt darauf Bezug, denn die deutsche Übersetzung der altsorbischen Bezeichnung weist auf eine Senke oder Mulde (lono = der Schoß) hin. Die 433 ha (1900) umfassende Flur war in Gewanne eingeteilt. Pleistozäne Geschiebelehme, Kiese und Sande bilden das Ausgangsmaterial für den Boden. Sie werden am 145,5 m hohen Blauen Berg (s. J 6) von silurischen Schiefern sowie am Ostrand von Lonnewitz und an der Straße nach Mügeln von Rochlitzer Quarzporphyr durchragt. Beide Gesteine baute man früher in Steinbrüchen ab. Ebenfalls an der Lonnewitz—Mügelner Straße nutzte eine Ziegelei oligozäne Tone. Heute ist der Abbau in den Gruben neben dem jetzigen V E B Keramik- und Ziegelwerke Mügeln, Werk II, eingestellt. Auf die Zeit der Kolonisation durch die Deutschen geht das Saupen- oder Landrichtergut im Ort zurück. Hier hatte der sogenannte Supan (s. Seite 15) seinen Sitz. Er verwaltete sein Amt bis 1616 unentgeltlich, dafür blieb das Landrichtergut zinsfrei. Die Dorfbewohner unterstanden grundherrlich bis 1840 dem Rittergut in Bornitz, einige auch dem A m t Oschatz. Der Gasthof liegt an der Fernverkehrsstraße 6, der alten Hohen Straße, etwa in der Mitte zwischen Dresden und Leipzig. Er wurde seit 1611 als Posthaus mit Schankgerechtigkeit genutzt. An diese Zeit erinnert das steinerne Posthorn über der Gasthoftür. Die Poststation verlor ihre Funktion, als die Postillone seit dem 1. April 1704 nicht nur in Würzen, Seerhausen und Meißen, sondern auch im nahen Calbitz die Pferde wechseln ließen ( H O F F M A N N 1817). Seitdem der motorisierte Verkehr in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzte, gewann der Gasthof als Raststätte an Bedeutung, besonders nach dem modernen Anund Ausbau. Die dazugehörenden Wirtschaftsgebäude zeugen noch heute von der Bedeutung des Vierseithofes als früherer landwirtschaftlicher Betrieb. Ein königliches Chausseegeldeinnehmerhaus wurde 1803 an der Kreuzung der Straßen Mügeln —Strehla und Ostrau — Oschatz errichtet. Es brannte am 8. Oktober 1813 zusammen mit 12 anderen Gütern ab. Die Ende des 19. Jahrhunderts sowie 1958 restaurierte kleine Dorfkirche geht in ihrer Anlage auf den Anfang des 13. Jahrhunderts zurück. Das flachgedeckte Gebäude setzt sich aus einem rechteckigen Schiff mit Chorquadrat und halbkreisförmiger Apsis zusammen. Aus dem Jahre 1653 stammen die westliche Vorhalle und der Dachreiter. Besondere Erwähnung verdient der um 1510 entstandene

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Schnitzaltar aus einer Großenhainer W e r k s t a t t mit Gemälden von Pancratius GRUEBER.

O b es sich bei dem erhöhten Gelände mit der Kirche und dem umgebenden Friedhof u m eine überbaute Wallanlage handelt, wie bisweilen überliefert ist, kann gegenwärtig noch nicht entschieden werden. A u c h zeitbestimmende Funde fehlen bisher völlig. E i n neues Wohnhaus für 18 Familien fällt an der F 6 auf, wo sich auch ein Gartenbaubetrieb der G P G G a r t e n s t a d t am Collm mit Gewächshäusern und einem Heizhaus befindet. A n gemeinnützigen Einrichtungen gibt es in Lonnew i t z die Ernst-Schneller-Oberschule und einen neuen Kindergarten. In seiner Nähe hält ein Gedenkstein die Erinnerung an E r n s t T H Ä L M A N N wach. I m Ort selbst überwiegen Dreiseithöfe — Ernst-Thälmann-Straße 15 mit einem hölzernen T a u b e n t u r m — , deren Ställe vereinzelt die L P G E r n s t Thälmann Oschatz zur Jungviehhaltung nutzt, wie Ernst-Thälmann-Straße 7. Ein neues Gebäude in der Bauernwirtschaft Thomas-Müntzer-Straße 20 sowie nach 1945 erbaute W e r k s t ä t t e n in seiner N ä h e dienen der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion (s. J 1.5) für Fahrzeug- und Gerätereparaturen. Die Bauern von Lonnewitz arbeiten in der L P G E r n s t Thälmann Oschatz. Ihre 400 Rinder stehen in einer neuen Milchviehanlage zwischen Lonnewitz, dem Sandbachtal und Kleinragewitz. Unmittelbar daran schließen sich die Mastställe f ü r 6000 Schweine an, die 1972 bis 1974 als kooperative Einrichtung erbaut wurden. Die benötigten Läufer werden v o n Niedergosein (s. O 10) geliefert.

Windberg (150,3 m) A m östlichen Talhang des Sandbaches erheben sich gesteinsbedingt einige K u p p e n . U n t e r ihnen ragt der Windberg bei Rechau als Sporn zwischen Sandbach und einem Nebentälchen etwas auffälliger heraus als die anderen A u f wölbungen. In dem Steinbruch an seiner Südseite wurden silurische Kieselschiefer f ü r Straßenschotter abgebaut. Über dem Festgestein befindet sich eine mächtige, wahrscheinlich auch solifluidal, also durch Auftauprozesse bewegte Schuttdecke, überlagert von einem Sandlößschleier. Der hier ausgebildete Boden entspricht einer Schutt-Braunerde. In diesem Bereich mit sandigerem Substrat tritt die Kamillengesellschaft der Ä c k e r stellenweise zurück und wird durch die Lämmersalat-(Arnoseris minima-) Gesellschaft ersetzt, für die auch der Einjährige K n ä u e l (Scleranthus annuus) charakteristisch ist. W e i t weniger m a r k a n t erhebt sich nordöstlich v o m Windberg der Blaue B e r g (145,5 m ) a n der Fernverkehrsstraße 6. Hier finden wir Bestände der Hängebirke als Vorstadium des trockenen Eichen-Birken-Waldes und auch diesen selbst in verhagerten, sehr kleinen Beständen. In der Strauchschicht fällt die Zitterpappel auf, während die grasreiche Bodenflora neben Hainrispengras (Poa nemoralis), Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa) und Weichem Honiggras '9 Oschatz

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J 6 (Holcus mollis) auch wärmeliebende Elemente enthält, insbesondere Pechnelke (Viscaria vulgaris), Purpurfetthenne (Sedum telephium), Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias) und Tüpfelhartheu (Hypericum perforatum).

J 7 Rechau, seit 1973 Stadtteil von Oschatz, hieß 1445 Rechow ( = Ort des Slawen Rech oder Räch). Grundherrliche Rechte übte über den Ort zunächst das Rittergut Stauchitz aus, seit dem 17. Jahrhundert das in Zöschau, die am westlichen Hang des Windberges ein Vorwerk unterhielten. Außer diesem gehörten Anfang des 19. Jahrhunderts nur 1 Viertelhufengut, 1 Windmühle und 7 Häuser zu Rechau, so daß das Dorf die Form einer Gutssiedlung mit einer Häuslerzeile aufwies. Die Bewohner arbeiteten auf dem Vorwerk oder dem Zöschauer Rittergut als Tagelöhner. Eine ehemals vom Abfluß des Mühlteiches (s. J 8) getriebene Wassermühle dient heute Wohnzwecken. Östlich vom Windberg erhebt sich der 167,0 m hohe Weinberg, auf dem früher ein Winzer Rebanbau für die Grundherrschaft betrieb. Seine Fläche gehört zu dem Land, das — zusammen mit dem übrigen Vorwerksbesitz — Neubauern 1945 zugewiesen erhielten. J 8 Zöschau, seit 1973 Stadtteil von Oschatz, gehörte seit 1950 zu Lonnewitz. Seine frühere Dorfform entspricht der einer Gutssiedlung; der Ort besteht genau genommen aus 2 Teilen. Der eine umfaßt die Kirche, die früheren Pfarr-, Schul- und Rittergutsgebäude, zu denen nach 1945 errichtete Neubauerngehöfte hinzukommen, und befindet sich auf einer pleistozänen Erhebung inmitten der 500 m breiten Sandbachaue. Ob es sich bei der Halbinsel in der Niederung um die Reste einer frühdeutschen Wasserburg handelt, die durch Überbauung mit dem Herrenhaus schon frühzeitige Veränderungen erfuhr, war noch nicht mit Sicherheit zu überprüfen. Der andere Teil, eine weilerartige Bauernsiedlung mit dem früheren Gasthof, zwängt sich zwischen die östliche Auenkante des Sandbaches und die Straße nach Salbitz. Dementsprechend gliederte sich die 281 ha (1900, zusammen mit Rechau) große Dorfflur früher in Gutsblöcke und in Blockgewanne der Bauern. Sie umfaßt die Teich-, Grünland- und Laubwaldflächen der Sandbachaue wie die ackerbaulich genutzten Areale am Wind- und Pfarrberg. Vom Pfarrberg stammt ein großes tönernes Prunkgefäß (Nachbildung eines Bronzegefäßes) mit in den Henkeln eingehängten Ringen, plastischer Buckelzier, geometrischer Strichornamentik und gekerbten Leisten aus der jüngeren Kaiserzeit. Es handelt sich um Reste eines Gräberfeldes aus dem 3. Jahrhundert. Nachdem Zöschau 1334 als Zcechsow (der altsorbische Name bedeutet Ort des Ces) zum ersten Male urkundlich erwähnt worden war, läßt sich für 1399 ein Herrensitz im Dorf nachweisen. Vermutlich ging aus ihm das 1606 genannte und

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mit grundherrlichen Rechten ausgestattete Rittergut hervor. Es setzte sich am J 8 Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem Herrenhaus sowie Wirtschaftsgebäuden und Scheunen zusammen. Von ihnen wurden einige zu Wohnhäusern umgebaut, so Nr. 9 mit erhaltenem beidseitigem Fachwerkobergeschoß. Die kleine Kirche mit ihrer halbkreisförmigen Apsis stammt aus romanischer Zeit und wurde seitdem baulich nur geringfügig verändert. Über dem eingezogenen quadratischen Chor mit der Hängekuppel zwischen den kräftigen Gurtbögen ragt der Turm auf, der in seiner heutigen Gestalt mit quergestelltem Satteldach auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Von den ursprünglichen Fenstergewänden erhielten sich nur einige, die übrigen entstanden erst während der spätgotischen und der barocken Stilepoche. Hervorzuheben sind die spätgotische Sakramentsnische und der romanische Taufstein aus Granit beim Haupteingang. Der nahebei gelegene Mühlteich ist das einzige von 5 stehenden Gewässern, das bei Zöschau noch erhalten ist. An seinem Westufer zieht die L P G Ernst Thälmann Enten auf; die Karpfenhaltung in diesem Gewässer betreibt sie mit Unterstützung des V E B Binnenfischerei Wermsdorf. O B E R R E I T (1839/40) verzeichnete außerdem westlich vom Rittergut Olitzsch-, Pfaffen- und Mittelteich sowie südlich den Großen Teich. H O F F M A N N (1817) erwähnt einen Garten mit Behältern, in denen die zum Verkauf bestimmten Fische aufbewahrt wurden. Es besteht auch Grund zu der Annahme, daß die um 1840 in den zahlreichen Teichen gehaltenen und zum Absatz bestimmten Karpfen und Hechte eine bedeutende Einnahmequelle darstellten. An die Stelle der früheren Wasserflächen traten Baumbestände und Wiesen. Sie litten ständig unter großer Feuchtigkeit und wurden deshalb in den Jahren bis 1973 an vielen Stellen mit. neuen Vorflutern versehen, so daß heute der Viehzucht zusätzliches Weideland zur Verfügung steht. Die Entwicklung des Dorfes nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde entscheidend durch die Aufgliederung des Rittergutsbesitzes bestimmt. Zahlreiche Neubauern erhielten damals diejenigen Flächen als ihr Eigentum zugewiesen, die sie bis dahin als Landarbeiter für den Gutsherrn bestellen mußten. Die Neubauern bauten sich frühere Wirtschaftsgebäude aus oder errichteten neue Höfe verstreut um das ehemalige Rittergut. Westlich dieses Dorfteiles, und zwar zwischen der Sandbachaue und der Landstraße, stehen neue Ställe für Kälber und Färsen sowie dazugehörende Futterbergeräume. Sie werden von der L P G Ernst Thälmann (s. J 1.5) bewirtschaftet, der die Bauern von Zöschau angeschlossen sind.

Wüste Mark Blumenberg (Abb. 17)

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Die wüste Mark, von O B E R R E I T (1839/40) als die Blumberger Fluren bezeichnet, ist Bestandteil der Oschatzer Gemarkung und liegt im Südosten der Stadt. Die Fläche war früher in Gewanne eingeteilt. Das Lehnbuch F R I E D R I C H S des 9*

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9 Strengen von 1349/50 verzeichnet villa ( = Dorf) Blumenberg, das in späteren Urkunden von 1358 und 1373 wiederholt genannt wird. Wie Gorau (s. C 7) lag der Ort bereits 1395 wüst.

1 Ganzig, Kreis Oschatz, dehnt sich in einem breiten Geländekessel von Westen nach Osten etwa 800 m lang aus. Seine Anlage erfolgte als Platzdorf, in dessen Mitte sich innerhalb des Friedhofs die Kirche erhebt. Ein solches Bauwerk gab es im Ort schon 1221. Die heutige Kirche stammt mit Ausnahme des älteren Turmes über dem Altarraum aus dem Jahr 1859. Die 636 ha (1900) große Gemarkung schließt zwischen der Fernverkehrsstraße 6 und der Straße nach Riesa einen Teil der Wüstungsflur von Böhla ein und war in Gewanne gegliedert (Abb. 21). Unter einer dünnen Decke aus Lößlehm stehen pleistozäne Sande und Kiese an, am östlichen Ortsrand Melaphyr. Dieses violettbis grünlichgraue Ergußgestein baute man in Steinbrüchen ab und verwendete es als Straßenpflaster. Während des zweiten Weltkrieges stellte der letzte der beiden Brüche seine Tätigkeit ein. Der eine wurde inzwischen mit Müll zugeschüttet, der andere, mit Wasser gefüllte, dient als Feuerlöschteich. Ganzig erscheint 1242 erstmals in einer Urkunde, als Markgraf H E I N R I C H 2 1 Hufen im Dorfe Gancik an das Kloster Altzella verkaufte. Ganzsch schrieb man 1283 bei der Übernahme des Ortes durch das Döbelner Kloster. Wahrscheinlich liegt bei dem Namen eine Ableitung von der altsorbischen Bachbezeichnung der Jahna (s. M 2) vor. Das Dorf setzt sich aus Groß- und Kleinganzig zusammen, deren Flurteile bis 1949 getrennt voneinander bestanden. In Großganzig oder auf der Großen Seite gab es in der Mitte des 19. Jahrhunderts 45 Häuser, darunter Kirche, Pfarre, Schule und Spritzenhaus. Am Westrand dieses Ortsteiles schließt sich Kleinganzig oder die Kleine Seite an. Es ging aus einem ehemaligen Vorwerk des Rittergutes Zöschau hervor, das das dazugehörende Land für 10 Grasgärtner im Jahre 1552 parzellierte. Anfang des 19. Jahrhunderts wohnten hier 70 Einwohner in 12 verschieden großen bäuerlichen Besitzungen, 2 Häuslerwohnungen und einem Gemeindehaus. Während der Zeit des Faschismus wurde der Ort Zeuge der Brutalität des Naziregimes: Kurz vor Beendigung des zweiten Weltkrieges erschoß die SS 9 polnische Zwangsarbeiter, da sie den Vorabend des 1. Mai 1945 feiern wollten. Aus einem Massengrab an einem der Steinbrüche wurden sie nach dem Zusammenbruch des Faschismus auf den Ganziger Friedhof umgebettet. Eine Gedenkstätte hält die Erinnerung an die Opfer wach. Im heutigen Siedlungsbild erhielt sich beim Dreiseithof Mittelweg 6 eine Scheune mit Fachwerk am Obergeschoß und am Giebel. Bei Am Dreieck 3 besitzen sowohl das Wohnstallhaus als auch die Scheune Fachwerkobergeschosse. Wie in Pulsitz

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(s. W 3) und anderen Orten befindet sich hinter dem Gehöft Am Dreieck 1 ein K 1 Kellerberg. An der Straße zur F 6 stehen 6 Neubauernhäuser, die man 1951 mit Hilfe der Dorfbewohner als Ersatz für in Bornitz (s. D 3) abgebrannte Anwesen errichtete. Die gemeinsame Arbeit in der Landwirtschaft begann in Ganzig 1952; die Bauern bildeten damals eine Brigade der L P G Typ I I I Ernst Thälmann Oschatz

Abb. 21. Flurbild von Ganzig, Mautitz und Reppen (aus H E R Z i960) (s. J 1.5). Aus 2 Genossenschaften des Typs I, zu denen sich i960 alle bis dahin noch einzeln arbeitenden Bauern des Dorfes vereinigt hatten, ging 1963 die L P G Eintracht hervor, die sich 1969 der L P G Ernst Thälmann anschloß. Seit 1969 bestehen am Südrand des Dorfes ein Tabaktrocknungsschuppen, eine Tankstelle, eine Maschinenunterstellhalle, ein Düngerschuppen und Garagen. Schon vor 1969 erfolgte die Errichtung eines Milchviehkombinates bei Lonnewitz (s. J 5). Für Bullen und Kälber wurden Altställe modernisiert. Ein Nebengebäude der Ganziger Gaststätte beherbergt den R a t der Gemeinde. Die ehemalige, um 1860 erbaute Schule dient als Kindergarten und -krippe, seitdem die jüngeren Schulkinder ihren Unterricht in Lonnewitz und die älteren ihn in Schönnewitz, Hof und Naundorf erhalten.

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K 2 W ü s t e Mark Wüstnaundorf (Abb. 4) Die Siedlungslücke zwischen den Orten Weida, Mautitz, Ganzig und Canitz beiderseits der Straße Weida — G a n z i g wird als W ü s t e Mark Wüstnaundorf ( = zum neuen Dorf) bezeichnet. Bei dem Dorf, das früher an dieser Stelle lag, handelte es sich dem N a m e n nach offenbar um eine deutsche Gründung. Der südliche Teil der Gemarkung gelangte an Mautitz, der nördliche z u m V o r w e r k Heideberg. 1424 gehörte die Flur Nuwendorff zum R i t t e r g u t Seerhausen, ebenso 1791. D a s V o r w e r k Heideberg wurde vor 1840 v o m R i t t e r g u t Seerhausen auf der M a u t i t z e r Heide erbaut, einem Teil der wüsten Mark. Seit 1938 untersteht es der G e m e i n d e Mautitz, deren L P G die Gebäude zur Viehhaltung n u t z t (s. L 8).

K 3

Heppen, seit 1974 Ortsteil von Hof, ist ein erweitertes Platzdorf, dessen Gehöfte und Häuser sich in einer Geländemulde gruppieren. Seine 296 ha (1900) große Flur (Abb. 21) w a r früher in Blöcke und Streifen eingeteilt. I m Osten umschließt die Gemarkung den 141,1 m hohen Mühlberg, der mit seinen L a u b b ä u m e n einen markanten P u n k t in der L a n d s c h a f t bildet und sich aus altpleistozänen Flußschottern zusammensetzt. A u s einer Sandgrube stammen Reste der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik. I m Zentrum von Reppen befinden sich ein bronzezeitliches Gräberfeld und eine slawische Siedlung. Schon 1198 gab es in Repin, einem Ort, wo offenbar R ü b e n (altsorbisch repa) angebaut wurden, einen Herrensitz. A u s diesem ging vermutlich das V o r w e r k hervor, das 1411 sein Zinsgetreide an das Elisabethhospital Oschatz abzuliefern hatte. Teile des Ortes unterstanden den Rittergütern in Grubnitz, R a g e w i t z und Zschochau, das Vorwerk, ebenso wie ein Stück der W ü s t e n Mark Böhla, nordöstlich v o m Dorf gelegen, dem in Hof. Die Siedlung hat auch heute den Charakter eines Bauerndorfes. Die Gehöfte bestehen vorwiegend aus massiven Gebäuden, und nur noch vereinzelt erhielten sich Fachwerkobergeschosse, so am Dreiseithof Teichstraße 2. Eine Torsäule besitzt hiereinen eingemauerten Schlußstein v o n 1810 mit Initialen. Das Anwesen Teichstraße 8 bewahrt eine zweibogige Kumthalle, ebenso Nr. 14, in dem ehemalige Wirtschaftsgebäude für W o h n z w e c k e nutzbar gemacht wurden, wie auch in anderen Orten zu beobachten ist. Zwischen ihm und Nr. 12 ist ein Kellerberg (s. W 3) anzutreffen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche von Reppen wird von der K A P Stauchitz (s. Q 5) bearbeitet. Die L P G T y p I I I Wilhelm Pieck in Hof n u t z t Altställe zur Viehzucht und einen Trocknungsschuppen, der in R i c h t u n g Bloßwitz neu gebaut wurde.

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Haage Zwischen R a i t z e n , R e p p e n und N a s e n b e r g befinden sich zwei voneinander getrennte kleine "Waldgebiete, v o n denen das eine H a a g e oder die Haag (OBERREIT 1839/40) heißt. Sie werden v o n d e m Staatlichen F o r s t w i r t s c h a f t s b e t r i e b W e r m s d o r f betreut. F ü r dieses Gehölz inmitten der A c k e r l a n d s c h a f t ist ein gemischter Edellaubholzwald charakteristisch, der in seiner A r t e n z u s a m m e n s e t z u n g den feuchten A u e n w ä l d e r n ähnelt (s. E 3 ) . E r v e r d a n k t seine E x i s t e n z und E r h a l t u n g den besonderen Standortbedingungen; denn er b e s t o c k t die feuchte, wasserzügige, wenn auch recht seichte Quellmulde eines kleinen B a c h e s mit verschiedenen A u s p r ä g u n g e n v o n H u m u s g l e y b ö d e n . G u t gewachsene A l t h o l z b e s t ä n d e findet m a n im Nord- bis W e s t t e i l des nördlichen A b s c h n i t t e s , w o E s c h e oder B e r g a h o r n vorherrschen, begleitet v o n Winterlinde, Stieleiche, Spitzahorn, Hainbuche, Vogelkirsche sowie Feldulme, die hier v o n den H a u p t t ä l e r n her besonders w e i t v o r g e d r u n g e n ist. N i c h t standortg e m ä ß e F i c h t e n a u f f o r s t u n g e n haben auf größeren F l ä c h e n zur Rohliumusb i l d u n g und zu einer e x t r e m e n V e r ä n d e r u n g der B o d e n f l o r a geführt. I n der B o d e n f l o r a treten in den L a u b h o l z b e s t ä n d e n nach d e m Frühlingsaspekt, in d e m a u c h der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava) gelegentlich v o r k o m m t , i m Unterschied zu den grundwassernahen A u e n vor allem feuchteliebende A r t e n d e r reichen E i c h e n - H a i n b u c h e n - W ä l d e r hervor, wie E c h t e s L u n g e n k r a u t {Pulmonaria officinalis), Vielblütige W e i ß w u r z (Polygonatum multiflorum) und W a l d k n ä u e l g r a s (Dactylis polygama). Ferner sind A r o n s t a b (Avum maculatum) u n d S ü ß e Wolfsmilch (Euphorbia dulcis) erwähnenswert.

Weidaer Berg (164,4

m )-

L 1

D e r W e i d a e r oder Heideberg grenzt unmittelbar an den südwestlichen Ortsrand v o n R i e s a - W e i d a . A l s nördlichster und zugleich höchster Teil einer v o n Südw e s t e n n a c h Nordosten verlaufenden E r h e b u n g b e s t e h t er aus glazifluvialen Sanden. I h n e n l a g e r t eine nur sehr dünne Sandlößdecke auf, oder sie fehlt ganz. Solche niedrigen R ü c k e n und K u p p e n sind charakteristisch f ü r die OschatzRiesaer M o r ä n e n p l a t t e n (Abb. 1). Östlich des T r i a n g u l a t i o n s p u n k t e s der sächsischen L a n d e s v e r m e s s u n g v o n 1866/70 b e f i n d e t sich auf d e m B e r g der Heidebergfriedhof, der neue Friedhof des Stadtteiles, m i t einer weithin sichtbaren Kapelle. Die 1795 erbaute B o c k w i n d mühle auf der Nordseite des W e i d a e r Berges, die bis nach dem zweiten W e l t k r i e g in B e t r i e b w a r , m u ß t e 1974 abgebrochen werden. Ferner ragen seit e t w a 1925 ein rund 15 m hoher W a s s e r t u r m und die 1919 und 1951 erbauten H o c h b e hälter empor. Sie w u r d e n 1973/74 durch 2 weitere e r g ä n z t und dienen der T r i n k w a s s e r v e r s o r g u n g Riesas. D u r c h ihre exponierte L a g e bieten der W e i d a e r B e r g und die P l a t t f o r m de^

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L 1 Wasserturmes günstige Aussichtsmöglichkeiten, besonders auf das Tal der unteren Döllnitz und auf die S t a d t Riesa, aber auch nach Süden über die Moränenplatten bis zum Lößhügelland.

L 2 Eisenbahnlinie Riesa—Karl-Marx-Stadt Die Strecke f ü h r t von Riesa bis Ostrau fast genau in Nordost—Südwestrichtung. Zwischen Bloßwitz und Stauchitz überwindet sie das J a h n a t a l auf einem k n a p p l km langen Damm, unterbrochen von einigen Brücken. Am Bahnhof Seerhausen querte die Fernverkehrsstraße 6 die Gleise in gleicher Höhe, bis nach dem ersten Weltkrieg eine Brücke f ü r die B a h n errichtet wurde. Aus dieser Zeit s t a m m t auch das neue Stationsgebäude, das alte s t e h t diesem gegenüber. Der Abschnitt von Riesa nach Döbeln wurde 1845 bis 1847, der nach Chemnitz bis 1852 angelegt. I m ersten B a u j a h r r u h t e n die Arbeiten in den Sommermonaten Juni bis August. E t w a 1000 Beschäftigte h a t t e n die Arbeit niedergelegt, weil die Baugesellschaft vom versprochenen Lohn nur nahezu die H ä l f t e zahlen wollte. Durch den Einsatz von Militär aus Dresden wurde der Streik zerschlagen. N a c h Konkurs der privaten Baugesellschaft f ü h r t e der S t a a t die Arbeiten weiter.

L 3 Oelsitz, seit 1952 Ortsteil von Nickritz, ist von seiner Hauptgemeinde durch die Jahna-Aue getrennt. Die Gehöfte reihen sich an der Straße von Riesa nach Seerhausen aneinander, einem Abschnitt der F 169. Bereits 1266 gab es einen Herrensitz in Oelsitz, damals Olsz geschrieben, d a s auf altsorbisch olsa = Erle zurückgeht. Mit diesem Namen war ursprünglich ein Flurstück, etwa bei den Erlen, gemeint. Die Größe der Gemarkung b e t r ä g t 329 h a (1900), ihrer Form nach gliederte sie sich in Gewanne. Grundherrliche Rechte ü b t e das Rittergut Jahnishausen aus, 1820 das von Seerhausen. Zu dieser Zeit wohnten im Ort 22 Bauern, 1 Gärtner und 11 Häusler. Die Mühle, Riesaer Straße 25, an der J a h n a und inmitten des Dorfes arbeitete bereits 1661 mit 3 Mahlgängen und einem ölgang. 1 9 1 1 erweitert, hält sie als einzige ehemalige Wassermühle des Kreises Riesa ihren Betrieb aufrecht, wenn auch mit elektrischem Antrieb. Eigentümer dieser Anlage ist die L P G Fortschritt Seerhausen. Wenige Meter von der Mühle entfernt erhielten sich an der rückwärtigen Traufseite des Fachwerkhauses Riesaer Straße 19 sowie bei Nr. 18 Hausbacköfen. I m Vierseithof Riesaer Straße 22 weist eine dreibogige K u m t halle auf die ursprüngliche Verwendung eines Gebäudes als Pferdestall hin. Dieses Anwesen wie auch einige andere werden von der L P G genutzt, die seit 1973 zu der von Seerhausen (s. L 5) gehört. 122

Kalbitz, seit 1938 Ortsteil von Seerhausen Der Bauernweiler lehnt sich an das linke ansteigende Ufer der Jahna an. Seine Flur von 118 ha (1900) war früher in Bli.cke und Streifen eingeteilt. 1283 fand der Ort als Calewicz Erwähnung, abzuleiten vielleicht von altsorbisch kal = Sumpf. 1350 gab es hier ein Allcdium, welches vermutlich bald verschwunden ist. Die Bewohner, 1820 insgesamt 4 Bauern, 2 Kleingärtner und 1 Häusler, unterstanden der Grundherrschaft des benachbarten Seerhausens. Die Siedlung setzt sich gegenwärtig aus einem Vierseithof, den die L P G Fortschritt in Seerhausen nutzt, sowie aus den ehemaligen Wohnstallhäusern der übrigen Höfe zusammen. Kleine Wirtschaften nahe der F 169 ergänzen den Weiler. Hier hat sich auch ein früheres Gemeindehaus (Nr. 6) erhalten, 4 m x 8 m im Grundriß und mit hohem Satteldach.

Seerhausen, Kreis Riesa

L 5

1 km östlich des Dorfes kamen in einer Sandgrube Siedlungsreste zum Vorschein, die in die jüngere Bronzezeit gehören. Neben Keramik stammen auch Vorratsgruben mit Getreide (Weizen) von diesem Fundplatz. Der ersten Ortsnennung — 1170 Serusne — liegt ein slawischer Pflanzenname zerucha, auch zerus = Hahnenfuß, Kresse, Feldblume, zugrunde. In dieser Urkunde wird ein Herrensitz verzeichnet. Die Flurkarte von 1835 läßt durch Gutsblöcke erkennen, daß sich ein Rittergut entwickelte, während in der insgesamt 338 ha großen Flur die Bauernfelder Gewanngliederung zeigten. Die erste Anlage des Schloßparks erfolgte 1695 nach holländischen Vorbildern. Nach 1744 wurde er im französischen Gartenstil umgestaltet und schließlich im 19. Jahrhundert im Sinne der Romantik verändert, wie Pläne im Staatsarchiv Dresden ersehen lassen. Einige Sandsteinplastiken (Saturnstatue und Hermen) blieben erhalten. Der Park weist im wesentlichen noch seine ursprüngliche Anlage und seinen alten Baumbestand auf, jedoch sind die Kanäle und der Teich teilweise ausgetrocknet. Seit 1955 bemüht sich der R a t der Gemeinde um die Wiederherstellung des Naherholungsgebietes für die Riesaer Gegend. Das Herrenhaus selbst ist 1946 abgebrochen worden. In ihm hatte sich anfangs eine Kapelle befunden, die man 1677 durch einen Neubau an der Dorfstraße ersetzte. Dieses erdgeschossige Gebäude von etwa 7,00 x 15,00 m Größe mit einem Ostabschluß im halben Achteck trägt am westlichen Giebelende ein Dachreitertürmchen. Die jetzt offene Herrschaftsloge an der westlichen Giebelwand im Inneren, zu der ein sehr schmaler Treppenaufgang emporführt, ziert eine reich geschnitzte Front, bezeichnet 1679. Der spätgotische Flügelaltar, ein Werk des Meisters des Brandenburger Altars, der von 1510 bis 1520 in Leipzig tätig war, ist eine vergoldete und bemalte Holzschnitzerei. Er stand bis 1705 in der Kirche zu Bloßwitz und erhielt 1679 Verzierungen im Renaissancestil. Der kleine, runde Taufstein mit Rundbogen-

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L 5 fries weist romanische Stilzüge auf. E r w ä h n u n g verdienen ferner ein ungefähr 2 m breites Ölgemälde neben der K a n z e l mit einem lateinischen T e x t über die E r r i c h t u n g der K a p e l l e 1677 sowie eine e t w a 1 m im G e v i e r t große H o l z t a f e l m i t einer deutschen Inschrift, die v o n B i t t s t u n d e n u m Frieden während des Siebenjährigen Krieges berichtet. In Seerhausen b e s t a n d v o n 1704 bis 1726 eine P o s t s t a t i o n a n der alten S t r a ß e L e i p z i g — D r e s d e n (s. B 6) und nach 1833 eine Chausseegeldeinnahme. H e u t e v e r f ü g t der O r t über einen B a h n h o f m i t Lagerhallen und Speicher an der Eisenbahnlinie R i e s a — K a r l - M a r x - S t a d t (s. L 2 ) . A n ihm h a t sich 1 k m v o m eigentlichen Dorf e n t f e r n t — ähnlich wie in Prausitz (s. S 1) — eine kleine Häuserg r u p p e gebildet. Seerhausen selbst setzt sich aus mehreren Siedlungsteilen zusammen, so d a ß BLASCHKE (1957) v o n einem erweiterten P l a t z d o r f sowie einem Zeilendorf spricht. Eines der Viertel u m f a ß t die kleinen A n w e s e n beim D o r f g a s t h o f , bei der K a p e l l e und beim früheren R i t t e r g u t , d e m ursprünglich a u c h die W a s s e r m ü h l e unterstand. Ihr B e t r i e b r u h t seit 1972; in den G e b ä u d e n sind W e r k s t ä t t e n der L P G F o r t s c h r i t t und K A P S t a u c h i t z eingerichtet. D e r umfänglichste Gewerbebetrieb, die P G H Stahlbau, ging aus einer Schlosserei hervor und k o n n t e sich in den letzten Jahren durch neue Produktionshallen räumlich erweitern. Eine Reihe früherer G a r t e n n a h r u n g e n sowie kleiner A n w e s e n v e r m i t t e l t zu den a m südlichen R a n d der J a h n a - A u e liegenden B a u e r n g e h ö f t e n , v o n denen einige v o n der L P G g e n u t z t werden. Die frühere Schule n a h m den örtlichen K i n d e r g a r t e n auf. Die jüngste Dorferweiterung f ü l l t den R a u m zwischen der V e r b i n d u n g nacli G r o p t i t z sowie den beiden F e r n v e r k e h r s s t r a ß e n 169 und 6, deren heutige E i n m ü n d u n g seit den zwanziger Jahren des 20. J a h r h u n d e r t s b e s t e h t und den O r t v o m D u r c h g a n g s v e r k e h r befreite. D e n K e r n bildet eine doppelte R e i h e v o n 9 ehemaligen Neubauerngehöften, deren Besitzer z u s a m m e n m i t weiteren 21 landarmen B a u e r n 1946 das R i t t e r g u t s l a n d erhielten. N a c h d e m sich einige v o n ihnen a m 20. Juli 1952 zur ersten landwirtschaftlichen Genossenschaft im Kreis R i e s a zusammengeschlossen h a t t e n , errichtete diese im L a u f der Zeit nahebei Ställe, B e r g e r ä u m e sowie technische Anlagen. E i n G e h ö f t w u r d e zum V e r w a l t u n g s s i t z der L P G F o r t s c h r i t t und zu einem K u l t u r h a u s u m g e s t a l t e t . Die landwirtschaftliche N u t z f l ä c h e , die auch die der Ortsteile v o n Seerhausen sowie seit 1973 die v o n Oelsitz m i t u m f a ß t , n a h m die K A P S t a u c h i t z (s. Q 5) in B e a r b e i t u n g . In Seerhausen richtete m a n eine k o o p e r a t i v e zwischengenossenschaftliche B a u a b t e i l u n g ein.

L 6

Ragewitz, seit 1950 Ortsteil v o n B l o ß w i t z Sein N a m e — 1266 Roguiz — geht vielleicht auf eine alte Flurbezeichnung (Erklärung s. J 3) zurück. A n dem ansteigenden linken T a l h a n g der Jahna gruppieren sich das frühere R i t t e r g u t und die B a u e r n g e h ö f t e u m einen P l a t z ,

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der mit Häusleranwesen besetzt ist. Dementsprechend war die 260 ha (1900) L 6 große Flur beiderseits des Flusses in Gutsblöcke und gewannähnliche Streifen gegliedert. Ihre Bewirtschaftung obliegt heute der K A P Stauchitz (s. Q 5). Schon 1287 gab es in Ragewitz einen Herrensitz, das spätere Rittergut. Sein Herrenhaus stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es diente nach der Bodenreform 1945/46 zunächst als Wohnung für Umsiedler. A m 18. März 1954 wurde darin eine Zentralschule für die Gemeinden Bloßwitz, Plotitz und Seerhausen eingeweiht, die später in den umgebauten ehemaligen Wirtschaftsgebäuden weitere Räume erhielt. Zu dieser jetzigen polytechnischen Oberschule gehört auch der an alten Bäumen reiche Gutspark, durch den der Wanderweg entlang der Jahna von Seerhausen nach Bloßwitz führt. In diesem Park steht in der Nähe eines Teiches die sogenannte Mönchssäule. Sie setzt sich aus einer etwa 1,10 m hohen Sandsteinsäule sowie einem 0,98 m hohen Nischenstein zusammen, der bezeichnet 1. 5. 2. o., im Relief einen vor Christus knienden Ritter zeigt. Sie trägt auf der Rückseite eine Inschrift, die auf einen „ R i t t e r Jörg von Sleinitz dieses Gartens Anfänger und Pflanzer" verweist, der von 1464 bis 1501 die Gutsherrschaft Ragewitz mit Grubnitz besaß. Im Parkteil südlich des Jahnatalweges liegt der Verfassungsstein, ein Sandsteinwürfel von 1 m Kantenlänge. Seine jetzt schwer lesbare Inschrift hält die Erinnerung daran fest, daß das Land Sachsen am 4. September 1831 eine Verfassung erhielt und damit die konstitutionelle Monarchie an die Stelle des absolutistischen Königreiches trat. Von dem aufgeteilten Rittergutsbesitz bekamen 1946 insgesamt 13 Neubauern Grund und Boden zugewiesen. 8 von ihnen errichteten an der Straße nach Grubnitz ihre Eindachgehöfte (Nr. 58 bis 65), die eine fast lückenlose Verbindung zum Nachbarort herstellen. Bei den meisten zeigt sich noch die typische Dreiteilung in Wohnung, Stall und hölzerne Scheune unter einem Dach.

Groptitz, seit 1938 Ortsteil von Seerhausen,

L 7

liegt am Südhang des von Mautitz kommenden Rinnsals, das im Ort zu einem Teich gestaut ist. Das Gelände steigt von der Talsohle bis zur Straßengabel am Nordwestausgang um 20 m an. Groptitz weist die Form eines Zeilendorfes auf. Seine Flur gliedert sich in gewannähnliche Blöcke und Streifen sowie in Gutsschläge des Vorwerks. Die Größe der Gemarkung betrug nur 159 ha (1900). Der Ortsname — 1323 Gruptiz — leitet sich vom sorbischen Personennamen Grubota ab. Das erstmals im Jahre 1501 erwähnte Vorwerk kam später als Schäferei zum Rittergut Seerhausen und verfügte um 1817 über 1000 Schafe. Im Verlauf der Bodenreform richtete man 1946 auf dem Vorwerksland 15 Neubauernstellen ein. Ihre Besitzer erhielten entweder Gebäude der Schäferei oder Neubauten an der Straße nach Oelsitz, an der später ein Mehrfamilienwohnhaus (Nr. 2) entstand. Von der Schäferei sind noch das Wohnhaus mit Mansard-Krüppelwalmdach und ein zu Wohnungen umgebauter Stall vorhanden.

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I m D r e i s e i t h o f d a n e b e n (Nr. 18), dessen G e b ä u d e die L P G F o r t s c h r i t t S e e r h a u s e n f ü r die S c h w e i n e h a l t u n g u n d z u W o h n z w e c k e n n u t z t , v e r d i e n t eine d r e i b o g i g e Kumthalle Erwähnung.

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Mautitz, K r e i s R i e s a , f ü l l t m i t seinen D r e i s e i t h ö f e n , a n d e r e n H ä u s e r n sowie einigen R i t t e r g u t s g e b ä u d e n die Q u e l l m u l d e eines R i n n s a l s aus, d a s bei K a l b i t z die J a h n a erreicht. Seine F o r m g l e i c h t d e r eines o v a l e n P l a t z d o r f e s . A n d e r S ü d s e i t e d e s O r t e s s c h l i e ß t sich eine G a s s e m i t G e h ö f t e n an. D i e 307 h a (1900) g r o ß e F l u r ( A b b . 21) h a t sich d u r c h A n t e i l e a n w ü s t e n M a r k e n e r w e i t e r t , v o r a l l e m i m W e s t e n d u r c h die v o n B ö h l a , i m N o r d o s t e n d u r c h die v o n W ü s t n a u n d o r f (s. K 2). D i e G e m a r k u n g z e i g t e g e w a n n ä h n l i c h e S t r e i f e n sowie G u t s b l ö c k e eines V o r w e r k s . A u f ihr b e f i n d e t sich ö s t l i c h d e r S t r a ß e v o n M a u t i t z z u r F e r n v e r k e h r s s t r a ß e 6 ein g e r m a n i s c h e s G r ä b e r f e l d d e r L a t ö n e z e i t m i t v i e l e n U r n e n , D e c k s c h a l e n sowie k e r a m i s c h e n u n d m e t a l l e n e n B e i g a b e n . D i e f r ü h e s t e N e n n u n g aus h i s t o r i s c h e r Z e i t l i e g t v o n 1264 v o r , d a m a l s Muzewicz g e s c h r i e b e n . D i e B e z e i c h n u n g des O r t e s g e h t v i e l l e i c h t auf einen s o r b i s c h e n P e r s o n e n n a m e n M u c z u r ü c k . D i e k l e i n e K i r c h e in d e r D o r f m i t t e s t a m m t e t w a v o m E n d e des 14. J a h r h u n d e r t s . Sie erhielt 1 5 7 0 einen dreiseitigen C h o r a b s c h l u ß u n d w u r d e 1767 bis 1770 u m g e b a u t , w o b e i ein g e d r u n g e n e r T u r m m i t H a u b e auf die einstige V o r h a l l e g e s e t z t w o r d e n ist. D e r K a n z e l a l t a r in e i n f a c h e m B a r o c k v o n e t w a 1690 w u r d e 1 7 1 0 u m g e s t a l t e t . A l s R e s t e eines s p ä t g o t i s c h e n A l t a r s h ä n g e n l i n k s n e b e n d e r S a k r i s t e i t ü r eine f a r b i g b e m a l t e H o l z s c h n i t z e r e i , u m 1500 g e s c h a f f e n , u n d r e c h t s d a n e b e n ein u m 1470 e n t s t a n d e n e s K r u z i f i x . E b e n f a l l s a u s dieser Z e i t s t a m m e n 2 unbemalte Holzfiguren. D a s hiesige V o r w e r k m i t S c h ä f e r e i g e h ö r t e bis 1 6 1 2 z u m R i t t e r g u t R a g e w i t z , s e i t d e m g a l t es als s e l b s t ä n d i g . Sein H e r r e n h a u s w u r d e n a c h e i n e m B r a n d i m J a h r e 1864 als z w e i g e s c h o s s i g e s G e b ä u d e m i t 7 F e n s t e r n F r o n t , W a l m d a c h , d r e i f e n s t r i g e m D a c h a u s b a u m i t U h r u n d ü b e r d a c h t e m E i n g a n g w i e d e r neu e r r i c h t e t . N a c h 1945 k a m e n d a r i n z u n ä c h s t U m s i e d l e r u n t e r , 1 9 5 1 n u t z t e m a n es als G r u n d s c h u l e , 1974 d a n n f ü r die G e m e i n d e v e r w a l t u n g , d a s L P G - B ü r o , als K i n d e r g a r t e n , S c h w e s t e r n s t a t i o n u n d K o n s u m v e r k a u f s s t e l l e . N a c h d e r B o d e n r e f o r m e r r i c h t e t e n N e u b a u e r n 1946 in M a u t i t z 25 H ö f e , teils N e u - , teils U m b a u t e n f r ü h e r e r R i t t e r g u t s g e b ä u d e . A m 3 1 . J a n u a r 1953 w u r d e die L P G T y p I A u f b a u g e g r ü n d e t , die bis M i t t e 1953 z u r F o r m d e s T y p s I I I ü b e r g i n g . B e r e i t s i m A p r i l 1956 schlössen sich die 14 l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n B e t r i e b e u n d w e i t e r e N e u b a u e r n d e r G e n o s s e n s c h a f t an. D i e L P G v e r f ü g t e m i t d e r F l ä c h e des früher z u m R i t t e r g u t Seerhausen gehörenden V o r w e r k s Heideberg über 473 h a L a n d . N a c h 1961 spezialisierte sie sich auf M i l c h w i r t s c h a f t ; ihre l a n d w i r t s c h a f t l i c h e N u t z f l ä c h e w i r d seit 1973 v o n d e r K A P S t a u c h i t z (s. Q 5) b e arbeitet.

126

Pausitz, seit 1950 Stadtteil v o n R i e s a D a s Gassendorf, zu dem v o n R i e s a die A l t e Pausitzer S t r a ß e f ü h r t , wird v o n der 1845 angelegten Chaussee, der heutigen F e r n v e r k e h r s s t r a ß e 169, durchschnitten. Seine A n w e s e n ziehen sich v o m R a n d der J a h n a - A u e n a c h N o r d w e s t e n und gewinnen dabei e t w a 10 m a n Geländehöhe. Die F l u r w a r in G e w a n n e aufgeteilt, sie u m f a ß t e 1900 insgesamt 202 ha. A m W e s t r a n d v o n P a u s i t z liegt nordöstlich v o n P u n k t 109,8 m ein germanisches G r ä b e r f e l d aus der Latenezeit, bronzezeitliche F u n d e der L a u s i t z e r K u l t u r w u r d e n westlich der K r e u z u n g der Eisenbahnlinie R i e s a — N o s s e n m i t der F 169 und ebenso südöstlich derselben S t r a ß e gesichert. Möglicherweise h a n d e l t es sich u m einen größeren z u s a m m e n h ä n g e n d e n Friedhof. I m Ort, 1264 als Pusewiz (wahrscheinlich v o n d e m altsorbischen Personenn a m e n Puz) e r w ä h n t , wird 1540 ein V o r w e r k genannt. N a c h anfänglicher teilweiser Zugehörigkeit z u m K l o s t e r a m t R i e s a unterstand es seit 1543-dem R i t t e r g u t Seerhausen und bald d a n a c h d e m in Jahnishausen. D e r K i r c h b e r g a m erhöhten R a n d der J a h n a - A u e und an der F 169 wird wegen seiner auffälligen H ö h e über der U m g e b u n g als R i n g w a l l bezeichnet. Zeitb e s t i m m e n d e F u n d e fehlen jedoch. A u f d e m H ü g e l erhebt sich die 1328 erstmals e r w ä h n t e Kirche. Ihr heutiges Aussehen als stattlicher barocker N e u b a u m i t m ä c h t i g e m W e s t t u r m erhielt sie 1752 bis 1755. A u s dem früheren G e b ä u d e sind n o c h wertvolle R e s t e mittelalterlicher A l t ä r e vorhanden, so eine u m 1500 g e s c h a f f e n e farbige Holzschnitzerei und ein Ölbild, v e r m u t l i c h eine Predella eines gotischen F l ü g e l a l t a r s aus der Zeit u m 1520. A u s der ersten H ä l f t e des 16. Jahrhunderts s t a m m t ein großes hölzernes K r u z i f i x über d e m K a n z e l a l t a r v o n 1803. A n den W ä n d e n der K i r c h e sind sehr g u t erhaltene, künstlerisch w e r t v o l l e Grabsteine aus d e m 16. und 17. J a h r h u n d e r t in F o r m v o n meist 2 m hohen und e t w a 1 m breiten Sandsteinplatten aufgestellt. E i n G r a b m a l s t a m m t aus der W e r k s t a t t des Bildhauers H a n s KÖHLER, der v o n 1580 bis 1606 in Meißen t ä t i g war. D e r ländliche C h a r a k t e r blieb im P a u s i t z e r Unterdorf noch erhalten, während der Teil jenseits der F 169 einen v o r s t ä d t i s c h e n E i n d r u c k hinterläßt. In der N ä h e der K i r c h e befinden sich K u l t u r d e n k m ä l e r , wie das große vierseitige P f a r r g e h ö f t v o n 1779, Nickritzer Straße 2. D a s ehemalige B r a u g u t , N i c k r i t z e r S t r a ß e 14, schon 1328 als K r e t s c h a m genannt und V o r w e r k des K l o s t e r s R i e s a bis 1540, dient heute der genossenschaftlichen Viehhaltung. U n w e i t d a v o n erh e b t sich ein kleines F a c h w e r k h a u s (Nr. 10) m i t hölzernen Türsäulen. Gegenüber v o m 1847 erbauten Einnehmerhäuschen, in d e m bis 1885 ein Chausseegeld erhoben wurde, ist im F u ß der K i r c h h o f s m a u e r die Ö f f n u n g f ü r das Schlagbaumg e w i c h t noch sichtbar. E i n früheres Dreiseitgehöft, A l t e Pausitzer Straße 2, wird n a c h völligem U m b a u unter B e w a h r u n g des ursprünglichen Grundrisses v o n der P G H G u t e F a h r t , Betriebsteil I I I , genutzt. Besonders e r w ä h n e n s w e r t ist a m ehemaligen P f e r d e s t a l l die zweibogige K u m t h a l l e . Die Wassermühle, N i c k r i t z e r Straße 11 — 1328 erstmals genannt — , arbeitete bis 1954 m i t einem

127

M 1 Schrotgang und mit einem unterschlächtigen Wasserrad. Ein Mühlgebäude wurde seit 1896 als Stanzmesserfabrik genutzt. Heute ist in den Räumen der Y E B Textilzuschneidemaschinenbau untergebracht. 2 Gärtnereien und eine Baumschule gehören heute zur 1962 gegründeten G P G Einigkeit, die am Neubauernweg eine Gewächshausanlage mit Heizwerk für die Blumenzucht sowie ein Yerwaltungs- und Sozialgebäude errichtete. Von aufgeteiltem Land haben 1945 auch 3 Neubauern Grundstücke am Neubauernweg, an der Straße nach Weida, zugewiesen erhalten, auf denen sie Eindachgehöfte errichteten. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat 1973 die K A P Riesa-Göhlis zur Bearbeitung übernommen.

A Bett des Mühlgrabens (links) und der Jahna (rechts) oberhalb von Sirnselwitz

2 Eingedeichtes Bett des Mühlgrabens

bei M/schütz

3 Reguliertes Flußbett bei Binnewitz

4 Flußbett der vereinigten Jahna zwischen

Seerhausen und Jahnishausen

5 Mühlgraben (links! und Jahna (rechts) mit breiter Flußaue zwischen Oelsitz und Jahnishausen

500m

(nach

128

Abb. 22. Querschnitte vom Jahnatal 1954, etwa 6fache Überhöhung)

SCHWOKOWSKI

G e g e n ü b e r d e r K i r c h e s t e h t die D o r f g a s t s t ä t t e , L e i p z i g e r S t r a ß e 12, deren Saal seit 1970 d e m V E B K o m b i n a t R o b o t r o n E l e k t r o n i k als e r s t e r P r o d u k t i o n s r a u m d i e n t e . 1973 w u r d e z w i s c h e n d e r P a u s i t z e r S t r a ß e u n d d e r E i s e n b a h n l i n i e R i e s a — N o s s e n ein n e u e s W e r k s g e b ä u d e e i n g e w e i h t , in d e m ü b e r w i e g e n d F r a u e n a r b e i t e n . G e g e n ü b e r v o m K o m b i n a t R o b o t r o n b e f i n d e t sich d e r 1972 aus einer 1897 g e g r ü n d e t e n O b s t k e l t e r e i , Spirituosen- u n d E s s i g f a b r i k h e r v o r gegangene V E B Fruchtverarbeitung, Pausitzer Straße 71. Früher sprach m a n v o m K u f e n h a u s , w a h r s c h e i n l i c h w e g e n der a n f a n g s b e t r i e b e n e n O b s t w e i n k ü f e r e i .

M

Jahna

M

D e r N a m e J a h n a g e h ö r t z u r S p r a c h w u r z e l a l t e u r o p ä i s c h ja = g e h e n , l a u f e n , f l i e ß e n u n d b e d e u t e t F l u ß . D e r 18 k m l a n g e W a s s e r l a u f , d e r in 95 m ü. N N in R i e s a in die E l b e m ü n d e t , g e h t aus 2 Q u e l l b ä c h e n h e r v o r , d e r G r o ß e n u n d d e r K l e i n e n J a h n a . D i e G r o ß e e n t s p r i n g t m i t m e h r e r e n Q u e l l e n in 260 bis 280 m ü. N N i m G e b i e t v o n M o c h a u , 6 k m ö s t l i c h v o n D ö b e l n . D i e K l e i n e k o m m t aus d e m G e l ä n d e z w i s c h e n Z a s c h w i t z , G r o ß w e i t z s c h e n u n d T r o n i t z aus e t w a 230 m ü. N N . N a c h ihrer V e r e i n i g u n g i n n e r h a l b v o n O s t r a u lassen sich — v o n k u r z e n A b s c h n i t t e n a b g e s e h e n — in d e r A u e 2 W a s s e r l ä u f e v e r f o l g e n , o r t s ü b l i c h B a c h u n d G r a b e n g e n a n n t , die a n m e h r e r e n S t e l l e n m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n sind. D a s W a s s e r des M ü h l g r a b e n s w u r d e n i c h t n u r v o n M ü h l e n , s o n d e r n a u c h v o n k l e i n e n G e w e r b e b e t r i e b e n g e n u t z t . 1953 k o n n t e n n o c h 31 M a h l - u n d S c h r o t m ü h l e n g e z ä h l t w e r d e n , v o n d e n e n 1974 a b e r keine einzige m e h r m i t W a s s e r a n t r i e b a r b e i t e t e ; die m e i s t e n h a t t e n ihren B e t r i e b v ö l l i g eingestellt. Die Jahna folgt von Zschaitz über Ostrau nach Riesa einem pleistozänen L a u f der Freiberger Mulde, der zwischen dem sogenannten Oschatzer Muldelauf (s. C 6) u n d d e m h e u t i g e n , n a c h d e r S a a l e k a l t z e i t a n g e l e g t e n e n t s t a n d e n i s t (EISZMANN 1964). S c h o t t e r u n d g l a z i f l u v i a l e S a n d e , die Gerölle aus d e m E i n z u g s g e b i e t d e r F r e i b e r g e r M u l d e f ü h r e n , sind beispielsweise bei S t a u c h i t z u n d O e l s i t z a n g e s c h n i t t e n . D a s J a h n a t a l ( A b b . 22) b l e i b t o b e r h a l b v o n O s t r a u r e l a t i v s c h m a l ; an d e n steilen r e c h t s s e i t i g e n H ä n g e n t r e t e n n a c h e i n a n d e r a l t p a l ä o zoische p h y l l i t a r t i g e T o n s c h i e f e r , P o r p h y r i t u n d P l a t t e n d o l o m i t des Z e c h s t e i n s z u t a g e . U n t e r h a l b v o n O s t r a u b i e t e t sich ein g a n z a n d e r e s B i l d : D a s T a l w e i t e t sich f l u ß a b w ä r t s u n d h a t einen d e u t l i c h e n B o d e n v o n 300 bis 400 m B r e i t e , u n t e r h a l b v o n H o f s o g a r bis 600 m u n d a n einzelnen B a c h m ü n d u n g e n bis ü b e r 800 m a u f z u w e i s e n . E i n e d e u t l i c h e T a l a s y m m e t r i e l ä ß t sich v o n O s t r a u bis z u r M ü n d u n g n i c h t b e o b a c h t e n ; die H ä n g e g e h e n i m a l l g e m e i n e n s t u f e n l o s u n d a l l m ä h l i c h in die A u e über. V o n d e r G r e n z e z w i s c h e n d e n K r e i s e n D ö b e l n u n d R i e s a bis z u r M ü n d u n g d e r J a h n a in die E l b e e r s t r e c k t sich ein 1 1 0 0 h a g r o ß e s L a n d s c h a f t s s c h u t z g e b i e t . I n d i e s e m B e r e i c h soll d e r A u e n c h a r a k t e r m i t G e h ö l z e n , W ä l d c h e n , W i e s e n , P a r k a n l a g e n u n d S t a n d o r t e n g e s c h ü t z t e r P f l a n z e n e r h a l t e n bleiben. T r o t z d e m m a c h t e n sich w e g e n d e s h o h e n G r u n d w a s s e r s t a n d e s d e r a n g r e n z e n d e n l a n d -

129

M

2

wirtschaftlichen Nutzfläche in den letzten Jahren Flußbegradigungen und Gehölzbeseitigungen notwendig. A m B a c h und am Graben finden wir an Bäumen und Sträuchern vor allem Silberweide, Schwarzpappel, Schwarzerle und Esche, ferner Weißdorn (Crataegus monogyna), Pfaffenhütchen (Evonymus europaea), Hartriegel (Cornus sanguined), Schneeball (Viburnum opulus) und R o t e Heckenkirsche (Lonicera

(nach SCHWOKOWSKI 1954)

xylosteum). In den kleinen Wäldern herrschen Schwarzerle, Hängebirke, Roteiche, Winterlinde, Spitzahorn, Feldulme, Weißbuche, Faulbaum (Rhamnus fvangula) und Traubenkirsche vor. Bemerkenswert reichhaltig ist die Bodenflora in den Gehölzen und Wäldchen. So beobachtet man besonders im Frühjahr an manchen Stellen ein Massenvorkommen an Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava), Weißem und Gelbem Buschwindröschen (Anemone nemorosa, A. ranunculoides), Scharbockskraut (Ficaria verna) und Waldgoldstern (Gagea lutea), denen sich dann noch die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), der

130

Märzenbecher (Leucojum Vernum) und das L u n g e n k r a u t (Pulmonaria officinalis M 2 ssp. maculosa) hinzugesellen können. A l s Überleitung zu den Auenwiesen finden wir an den W a l d s ä u m e n beispielsweise R o t e Nachtnelke (Melandrium rubrum), Flügeljohanniskraut (Hieracium tetrapterum), Wilde K a r d e (Dipsacus silvester) und Hainveilchen (Viola riviniana). Die Qualität des Wassers wurde vor 1900 lediglich v o n der Stauchitzer Pappenfabrik (s. Q 5) sowie von Riesaer Betrieben zeitweise beeinträchtigt ( E N D L E R 1889). Daraus erklärt es sich, daß im Unterlauf Hecht, Döbel und Ukelei vork a m e n ( S T E G L I C H 1895). W i e in der Döllnitz t r a t hinzu der A a l als abwasserresistenter Wanderfisch. E r w a r in der Jahna bis Seerhausen, in der Döllnitz bis Merzdorf häufig, bis Leuben vereinzelt verbreitet. D a s A u f t r e t e n sowie das erfolgreiche Aussetzen der Forelle weisen darauf hin, daß die Oberläufe der Flüsse zur Forellenregion zählten. Als Forellengewässer galten um 1900 auch der Zschochauer B a c h und der Roitzscher B a c h ( = Mehltheuerbach), beides Zuflüsse der Jahna. 1954 wurden für die Jahna lediglich noch K a r p f e n und Schleie angegeben, eine Folge zunehmender Verschmutzung. U m die Hochwassergefahren zu verringern, begann man nach 1945, angefangen a m Oberlauf, verschiedene wasserbauliche Maßnahmen durchzuführen, so die Begradigung der Strecken zwischen Baderitz und L ü t t e w i t z sowie zwischen Obersteina und W u t z s c h w i t z in den Jahren 1946 bis 1948. Später folgten weitere Abschnitte, so von Pulsitz bis Binnewitz und von Hof bis Bloßwitz (Bild 28; S C H W O K O W S K I 1953). Gleichzeitig begann man mit dem B a u von Rückhaltebecken (Abb. 23), v o n denen bis i960 bereits 4 fertiggestellt waren.

Mergendorf, seit 1961 Stadtteil v o n Riesa,

M 3

liegt 4 bis 10 m über der A u e der Jahna, und zwar dicht am Mühlgraben (s. M 2), der in den Pausitzer Wiesen von dem B a c h abgezweigt wird. Aus der Umgebung des Ortes sind zwei urgeschichtliche Fundstellen bekannt geworden. E t w a 300 m westlich von Mergendorf befindet sich am südlichen Ufer der Jahna ein größeres Brandgräberfeld der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur. 250 m südlich des Dorfes liegt an der Straße nach Prausitz ein umfangreiches Skelettgräberfeld der ältesten Bronzezeit (Aunjetitzer Kultur). Die Bauerngehöfte von Mergendorf ordnen sich um einen P l a t z an. Ihre 277 ha (1900) große Gemarkung zeigte gewannähnliche Streifen, war also eine unter deutschem Einfluß weiterentwickelte Block- und Streifenflur. Mergendorf hieß 1214 Sentemariendorf, eine Form, die vielleicht einen Zusammenhang zu den 1274 als Marienmägde bezeichneten Nonnen des Riesaer Klosters herstellt. 1266 wird ein Herrensitz genannt, in demselben Jahr eine Wassermühle. N a c h der Auflösung des Klosters, dem die Bewohner grundherrlich unterstanden hatten, übernahm das Rittergut Riesa dessen Rechte. Die Gebäude der Mühle liegen am nordöstlichen Dorfausgang. Seit e t w a 1955 10 Oschatz

131

M 3 ist der Betrieb eingestellt. Auf der Flurgrenze zwischen Poppitz und Mergendorf befindet sich die 1892/93 erbaute ehemalige Schule. Sie dient heute Wohnzwecken und dem Kreiskrankenhaus von Riesa. An der Straßengabel erhebt sich am westlichen Dorfausgang eine alte Linde. Die anschließenden Höhen, besonders südlich der Straße Mergendorf—Nickritz, heißen im Volksmund die Mergendorfer Schweiz. Sie sind mit ihren 20 m Höhenunterschied zur Straße ein beliebtes Wintersportgelände für Kinder.

M 4 Poppitz, seit 1950 Stadtteil von Riesa, erstreckt sich mit seinen Dreiseithöfen am südlichen Talrand der Jahna und wird von der 1867 angelegten Straße Riesa—Wölkisch gequert. Aus dem Ortsbereich stammt ein in der Wissenschaft weitbekannter Münzfund. In einem Kugeltopf aus der frühdeutschen Besiedlung vom 12./13. Jahrhundert befanden sich je 95 ganze und halbe Brakteaten und ein silberner Gußkuchen. Bedeutend älter ist der Grabfund der Aunjetitzer Kultur am Südrand des Dorfes. Südlich davon, und zwar in der Straßengabel westlich von Höhe 107,7 m liegt ein Friedhof der Lausitzer Kultur. Am Ostausgang des Ortes weisen zahlreiche Funde auf eine Siedlung der jungsteinzeitlichen Bandkeramik und der frühen Eisenzeit hin. Der Name des Gassendorfes bringt zum Ausdruck, daß in diesem Ort — 1214 Popuwicz — die dem Priester oder Pfarrer unterstellten Leute wohnten, von slawisch pop — Priester, Pfaffe. Grundherrliche Rechte übte das Riesaer Kloster bzw. sein Nachfolger, das Rittergut, aus. Die 389 ha (1900) große Flur war in Gewanne gegliedert. Auf möglicherweise flämischen Einfluß deuten die frühere Einteilung in Beete hin sowie das Vorkommen von Flurnamen wie die Lake, vielleicht auch der Laggengraben. Schon 1233 gab es in Poppitz eine Mahlmühle. Im 19. Jahrhundert war sie mit einer Bäckerei verbunden. Seit der Stillegung 1968 dient das Wohnhaus, Heydaer Straße 1, Wohnzwecken sowie neuerdings der Freien Deutschen Jugend, außerdem für Arztsprechstunden und als Veteranentreffpunkt. Das Bauerndorf Poppitz entwickelte sich seit den zwanziger Jahren zu einer ausgesprochenen Wohnsiedlung mit Ein- und Mehrfamilienhäusern. Die meisten Bewohner gehen einer Beschäftigung in den Fabriken und Verwaltungen der Stadt Riesa nach. Zum Zeitpunkt der Eingemeindung nach Riesa wohnten in Poppitz etwa 1400 Einwohner. Am 7. Juli 1954 gründeten die Bauern eines Mergendorfer Betriebes und aus 4 Poppitzer Wirtschaften die L P G T y p III Lilli Wächter, die durch Anschluß weiterer Anwesen und eines Gartenbaubetriebes i960 über 280 ha Land verfügte. Für den gemeinsamen Viehbestand wurde in Poppitz ein großer Stall errichtet. i960 schlössen sich die übrigen Einzelbauern in einer L P G T y p I Einigkeit zusammen. Am 1. Januar 1972 vereinigten sich die beiden Genossenschaften sowie die L P G T y p III Alt-Riesa zur L P G T y p III Poppitz. Die etwa 90 Mitglieder 132

betreuen u n g e f ä h r 600 R i n d e r und 1000 Schweine. Die L P G n u t z t sinnvoll ältere G e b ä u d e zweckentsprechend. E i n i g e nicht mehr benötigte Scheunen w u r d e n zu Schweineställen u m g e b a u t . D i e pflanzliche P r o d u k t i o n h a t 1973 auf 595 h a die K A P Riesa-Göhlis ü b e r n o m m e n . ö s t l i c h v o n P o p p i t z zieht sich in südöstlicher R i c h t u n g n a c h L e u t e w i t z zu der B u r g b e r g hin, i m V o l k s m u n d B u r g s b e r g oder B u r g s e r genannt. Sein B o d e n b e s t e h t aus pleistozänen K i e s e n und S a n d e n m i t einer sehr dünnen Sandlößdecke darüber. D e r steilere H a n g fällt nach N o r d o s t e n zu a b und ist b e w a l d e t . A u f eine intensive Besiedlung w ä h r e n d der B r o n z e z e i t und der slawischen Periode weisen F u n d e hin. D e n Süd- und S ü d w e s t h a n g b e d e c k t eine K l e i n g a r t e n und Wochenendkolonie, mehrere ältere Mehrfamilienhäuser säumen die S t r a ß e A m Burgberg.

M

Nickritz, K r e i s R i e s a

M

D a s alte B a u e r n d o r f u m s c h l i e ß t eine Sackgasse, die sich v o n Südosten n a c h N o r d w e s t e n a m erhöhten R a n d der T a l a u e hinzieht, w o K e p p r i t z b a c h und J a h n a sich vereinigen. In N i c k r i t z wird 1206 ein Herrensitz e r w ä h n t . D e m O r t s n a m e n Nicracis liegt ein altsorbischer Personenname Nilcras oder N i k r a d zugrunde. Grundherrliche R e c h t e standen n a c h 1500 d e m R i t t e r g u t Jahnishausen zu. 1688 w o h n t e n im O r t 15 Grundbesitzer, d a v o n 11 B a u e r n und 4 Dreschgärtner. 1820 wird eine R e i h e v o n G e b ä u d e n genannt, die d e m G u t unterstanden, so das herrschaftliche Jägerhaus, 1 W e i n b e r g h a u s m i t Presse und 1 Gemeindehirtenhaus. 4 Häusleranwesen v o n i n s g e s a m t 16 w u r d e n auf B a u e r n l a n d , 2 auf ehemaligem Gemeindeland gebaut. D o r f s t r a ß e 10 s t e h t ein G e h ö f t , das an den T r a u f s e i t e n aller 3 G e b ä u d e noch F a c h w e r k besitzt. D e n P l a t z in den B a u l ü c k e n der bäuerlichen D o r f s t r a ß e und a n der D u r c h g a n g s s t r a ß e nehmen jüngere W o h n h ä u s e r ein. D a s neue N i c k r i t z e r s t r e c k t sich n a c h d e m T e m p e l b e r g hinaus, einer H ö h e an der V e r b i n d u n g N i c k r i t z — M e r g e n d o r f . E i n e andere Ortserweiterung erfolgte an der Riesaer S t r a ß e , w o 1972 a u c h eine K l ä r a n l a g e e r b a u t worden ist. A m früheren W e i n b e r g siedelten sich nach 1920 mehrere E i n w o h n e r an, die vorzugsweise einer A r b e i t in R i e s a nachgehen. 1958 schlössen sich einige B a u e r n zur L P G F r o h e Z u k u n f t zusammen, die z u n ä c h s t z u m T y p I gehörte, b a l d aber z u m T y p I I I überging. Ihre N u t z f l ä c h e v o n 172 h a wird h e u t e v o n der K A P Riesa-Göhlis bewirtschaftet. Zwei kleine W ä l d c h e n a m südlichen R a n d der J a h n a - A u e heißen Tscherne, ein N a m e , der v o n slawisch ¿orny = d u n k e l abzuleiten ist. D e r hier vorbeiführende W e g hieß früher der H o c k w e g , u n d z w a r n a c h einer Sage v o m gebannten W e s e n , das sich dem nächtlichen W a n d e r e r a u f h o c k t und mitschleppen l ä ß t .

10*

133

M 6

Jahnishausen, K r e i s R i e s a A m südlichen R a n d der Jahnaniederung liegt die Gutssiedlung Jahnishausen. Ihre westliche B e g r e n z u n g bildet der K e p p r i t z b a c h , der m i t seinem linken A r m u m das Schloß herumfließt. B e i diesem B a c h a b s c h n i t t h a n d e l t es sich u m den u m l a u f e n d e n G r a b e n einer W a s s e r b u r g , deren A b m e s s u n g e n in der heutigen Insel noch e r k e n n b a r sind. N a c h d e m sich der linke und rechte A r m vereinigt haben, m ü n d e n sie z u s a m m e n m i t d e m 1965 zur E n t s u m p f u n g der J a h n a niederung gezogenen K a n a l v o r den P a u s i t z e r W i e s e n in die J a h n a .

3

k m

Dorfraum, Wiese, Gehölz Jahnishausen Böhlen Mehltheuer Heidebirken Heideteich I Heidenbörne j Heide(n) J Stösitzer Pläne Gieren

Wüstung Pruz minor

Prausitzer Fluren (gegen [Groß]Prausitz)

A b b . 24. Flurbild v o n Jahnishausen, Mehltheuer und der W ü s t u n g K l e i n p r a u s i t z (aus HERZ i960) In der 389 h a (1900) großen F l u r (Abb. 24) v o n Jahnishausen, die früher vorwiegend Gutsblöcke, unterbrochen v o n wenigen B l ö c k e n und Streifen der B a u e r n , zeigte, ist die der W ü s t u n g K l e i n p r a u s i t z aufgegangen. D a s verschwundene Dorf l a g bei den Heidebirken. Wahrscheinlich im 17. J a h r h u n d e r t k a m B ö h l e n m i t seiner G e m a r k u n g an Jahnishausen. E i n Verzeichnis v o n 1334 nennt Jahnishausen als Wacswicz. Diese B e z e i c h n u n g s t a m m t w o h l v o m altsorbischen Personennamen V a d ( e ) k oder Vad(e)c. Nachd e m der O r t v o n der Familie v o n Schleinitz erworben worden war, hieß er 1503 n a c h einem Verstorbenen Jhanshaußen, 1506 erklärenderweise Watzewicz iczunder Jhonshausen. A m sächsischen B a u e r n a u f s t a n d beteiligten sich in den letzten A u g u s t t a g e n v o n

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1 7 9 ° auch Jahnishausener. Der Gutsherr m u ß t e in einer von den Bewohnern des M 6 Patrimonialgerichtsbezirkes vorgelegten schriftlichen Erklärung auf alle von ihm geforderten Dienste, Zinsen und sonstigen Forderungen verzichten. Militäreinsatz machte das Erreichte bald wieder rückgängig. I m Schloß betrieb K ö n i g JOHANN (1801 bis 1873) seine Dantestudien. 1970 wurde das Schloß durch einen Dachstuhlbrand beschädigt, so daß Kindergarten und -hört, die zunächst hier untergebracht waren, in der ehemaligen Schule unterkommen mußten. A n das Schloß grenzt der große, von stattlichen Gebäuden mit hohen Ziegeldächern umgebene Gutshof an. Diesen erreicht man durch das Torhaus, das, wie auch der teilweise aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammende B a u daneben, zu W o h n z w e c k e n genutzt wird. Ihm schließt sich das Gebäude mit der ehemaligen Pächterwohnung v o m E n d e des 18. Jahrhunderts an, das seit seinem U m b a u der Agrotechnischen A b t e i l u n g der Betriebsberufsschule L o m m a t z s c h als Internat dient. Der ehemalige, im 18. Jahrhundert entstandene Naturpark wurde von 1968 bis 1970 von den Einwohnern der Gemeinden Jahnishausen und Nickritz zu einem Volkspark ausgestaltet. E r enthält auf einer kleinen Insel einen 1961 restaurierten, sechseckigen offenen Pavillon (Bild 27) mit Türmchen im chinesischen Stil, ferner eine Blumenschale aus Rochlitzer Porphyrtuff auf quadratischem Sockel v o n 1872 und eine Gruppe v o n „araucarites s a x o n i c u m " v o m Sonnenberg bei Karl-Marx-Stadt. E s handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um verkieselte Stämme der Cordaiten, also einer ausgestorbenen Ordnung der Nadelbaumartigen. U n t e r den Gehölzen des P a r k s verdienen einige Besonderheiten Erwähnung. Gegenüber der kleinen B r ü c k e zur Insel steht ein aus Ostasien stammender Ginkgo, der ebenso als Naturdenkmal gilt wie der wenige Meter entfernte Tulpenbaum, eine nordamerikanische A r t . Jenseits des angestauten Keppritzbaches schließt sich das 10 ha große Naturschutzgebiet Auenwald Jahnishausen an. E s handelt sich u m einen Erlen-Eschen- bzw. Stieleichen-Eschen-Wald. In der Krautschicht fällt wie in benachbarten W ä l d e r n des Jahnatals der Märzenbecher (Leucojum Vernum) auf. Neben den beim Jahnatal (s. M 2) erwähnten Bodenpflanzen zeigen sich noch Knolliger Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), Moschusblümchen (Adoxa moschatellina) und Filzklette (Arctium tomentosum). Die Kirche v o n Jahnishausen liegt erhöht in der Mitte des Dorfes. Sie ging aus einer 1663 bis 1666 errichteten Schloßkapelle hervor, die 1779 wegen Baufälligkeit abgetragen werden mußte. 1790 entstand das jetzige Gebäude mit ovalem Grundriß und mit einer 4,50 m tiefen halbkuppeligen Apsis als östlichem A b schluß. Als westlichen A n b a u erhielt die Kirche 1793 einen viereckigen T u r m , der von einer hohen schiefergedeckten H a u b e mit Laterne und steiler T u r m spitze bekrönt wird. Die T u r m t ü r mit Sandsteingewänden stellt einen R e s t aus der früheren Schloßkapelle dar, ebenso vermutlich die einfache K a n z e l im klassizistischen Kanzelaltar. V o n dem 1679 in Dresden von Andreas H E R O L D gegossenen Dreiergeläut blieb nur noch die kleinste Glocke erhalten. 135

M 6 Das Rittergut Jahnishausen ging 1945 in die Hände des Volkes über. Das Vorwerk Großholz, die Schäferei Böhlen sowie 3 Güter in Gostewitz gliederte man dem Volksgut an, das heute zu dem von Riesa-Göhlis gehört. Außer dem Volksgut entstand 1958 auch eine LPG, gegründet von einem Altbauern und den 3 Neubauern von Jahnishausen, deren Häuser an der Straße nach Seerhausen liegen. Heute unterhält die L P G Florian Geyer Mehltheuer (s. S. 4) in Jahnishausen einige Ställe zur Viehhaltung.

M 7 Keppritzbach Ähnlich wie die Jahna (s. M 2) hat auch der Keppritzbach (von altsorbisch koporca = Fenchelort) ein reich verzweigtes Netz von Quellbächen. Die beiden wichtigsten entspringen bei Wuhnitz (200 m ü. NN) und bei Krepta (220 m ü. NN). Der Bach folgt in seinem Lauf der allgemeinen von Süden nach Norden gerichteten Abdachung. Die Länge des Tales beträgt von Lommatzsch bis zur Mündung in die Jahna (105 m ü. NN) bei Nickritz etwa 12 km. Die Breite wechselt häufig, wobei einzelne Engtalstrecken im Hornfels vorkommen, so bei Prausitz und südöstlich von Jahnishausen. Unterhalb der Talengen folgen deutliche Weitungen von maximal 500 m Breite unterhalb Prausitz und von etwa 300 m oberhalb Jahnishausen. Durch das Begradigen des Baches und die damit verbundene Beseitigung von Ufergehölzen hat sich das Landschaftsbild an dem Wasserlauf in den letzten Jahren stark verändert. Aber auch in früheren Jahrzehnten wirkte sich hier schon die intensive landwirtschaftliche Nutzung auf die Pflanzenwelt aus. So wuchs bis um 1924 im Keppritztal beispielsweise die Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis). Die Trollblume (Trollius europaeus) kam früher auf den Wiesen bei Prausitz vor. Durch Einleitung von industriellen und landwirtschaftlichen Abwässern hat sich der Grad der Verschmutzung des Keppritzbaches in jüngster Vergangenheit so erhöht, daß Fische hier kaum noch geeigneten Lebensraum finden.Dagegen lebten um 1895 i m Bach Forelle, Äsche, Hecht, Barsch, Ukelei, Schmerle und Elritze, ferner einzelne Aale.

M 8 Böhlen, Ortsteil von Jahnishausen; steigt von der Keppritzbachaue bei 110 m bis zu 120 m ü. NN in einer Hangdelle an. Die Siedlung setzt sich aus einer ehemaligen Schäferei und einem Bauernweiler zusammen. An der von Böhlen nach dem Bahnhof Prausitz und nach Mehltheuer führenden Straße stehen mehrere ehemalige Drescher- bzw. Gesindehäuser des Rittergutes Jahnishausen, dem die Bewohner früher grundherrlich unterstanden. Der Ortsname Böhlen — 1334 Bulin, 1378 Bolen geschrieben — bedeutet

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Dorf des Bol, Bola, einer Kurzform von Boleslaw. 1688 wohnten hier 5 Dresch- M 8 gärtner zu je 1/4 Hufe, 1748 neben 7 Gärtnern auch 1 Häusler. Die Dreschgärtner entwickelten sich im 18. Jahrhundert, vornehmlich aber im 19. Jahrhundert durch Landzukauf oder -pacht zu Kleinbauern. Die frühere Schäferei, aufgebaut aus Bruchsteinen und mit hohem ziegelgedecktem Krüppelwalmdach, gehört dem Volksgut Jahnishausen (s. M6). Die Alt- und Neubauern schlössen sich zunächst zur L P G Karl Liebknecht zusammen und gehören heute zur L P G Florian Geyer in Mehltheuer (s. S 4), die in Böhlen einen Betriebsteil unterhält. Der Rat der Gemeinde Jahnishausen hat im Ortsteil seinen Sitz.

Gostewitz, seit 1938 Ortsteil von Jahnishausen,

M 9

dehnt sich mit seinen zahlreichen Siedlungshäusern vom alten Kern des Sackgassendorfes bis fast nach Nickritz hin und den Hang hinauf bis zum Weinberg (s. M 5). Der Ort fügt sich zwischen das linke Keppritzbachufer und die Straße von Jahnishausen nach Prausitz. Die Bachaue selbst, die den Namen Seestück führt, wird von Wohnbauten gemieden. Die Flur von 117 ha (1900) Größe zeigte gewannähnliche Streifen. Der altsorbische Ortsname —. 1334 Gostewicz — bedeutet die Leute des Gost, Kurzform von Gostislav. Das Wirtshaus Zum Forsthaus, dicht an einem Steinbruch gelegen und seit etwa 1920 Wohnzwecken dienend, war bis dahin Ausflugsziel von Riesa. Die 3 Vierseithöfe kamen durch die Bodenreform 1945 zum Volksgut in Jahnishausen (s. M 6). Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird seit 1973 von der K A P Riesa-Göhlis bewirtschaftet.

Seelitz, seit 1973 Ortsteil von Glossen,

N 1

erstreckt sich oberhalb der Quellmulde eines Rinnsals, das zum Gatschfluß entwässert und mit diesem bei Altmügeln in die Döllnitz mündet. Einige große frühere Güter und wenige andere Häuser setzen den gassenartig erweiterten Bauernweiler zusammen. Seelitz — 1350 Silicz — gehörte von 1950 bis 1973 als Ortsteil zu Nebitzschen. Die Deutung des altsorbischen Namens ergibt zwei Möglichkeiten: das Dorf am Acker, von selo = Acker, oder Leute des 2el. In Seelitz besaß das Kleinschlatitzer Vorwerk 4 Magazinhufen, von denen Getreide an das kurfürstliche Proviantmagazin abzuliefern war. Die 113 ha (1900) große Flur von Seelitz war in gewannähnliche Blöcke und Streifen gegliedert. Sie zieht sich von der 178 m hohen Bachaue bis zur 217,9 m aufragenden Erhebung unmittelbar westlich vom Ort aufwärts.

137

N 2

Berntitz, seit 1959 Stadtteil von Mügeln, liegt knapp 2 km nördlich von seinem Hauptort oberhalb einer Quellmulde. Seine wenigen ehemaligen Gehöfte bilden den Kern des kleinen Reihendorfes, dessen nur 32 ha (1839) umfassende Flur früher in Blöcke und Streifen eingeteilt war. Berntitz führte 1254 die Bezeichnung Berhartiz, 1350 hieß es Bernharticz, eine slawisch-deutsche Mischbezeichnung, die Leute des Bernhard (t) bedeutet. Grundherrschaftliche Rechte standen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts dem Meißner Bischof zu (s. N 3), 1581 dem neu eingerichteten A m t Mügeln. 1254 gab es in Berntitz einen Herrensitz, 1445 als Rittersitz, 1552 als Vorwerk erwähnt. In diesem wurde 1490 eine Schäferei eingerichtet. Auch heute hält das V E G Mügeln (s. N 6) in Berntitz 700 Schafe. Die örtliche L P G T y p I Bergfrieden betrieb 1973 vorrangig Milchviehhaltung.

N 3 Schlatitz, seit 1959 Stadtteil von Mügeln Groß- und Kleinschlatitz bilden gemeinsam einen lockeren Bauernweiler. Seine kleinen Gehöfte liegen etwa 180 bis 190 m ü. NN in Quellmulden, die sich zur Döllnitz hin neigen. Zum Ort gehört eine nur 24 ha (1839) große Flur, die aus Blöcken und gewannähnlichen Streifen bestand. 1241 fand die Siedlung ihre erste bekannte urkundliche Erwähnung als Zlaweschiz. Der altsorbische Name bedeutet Leute des Slaves. In Großschlatitz bestand 1552 ein Vorwerk. Es gehörte mit dem in Berntitz dem Bischof zu Meißen, nach dessen Tod dem Kurfürsten. Das schon im 15. Jahrhundert erwähnte Vorwerk in Kleinschlatitz wurde ebenfalls in ein Rittergut und nach der Säkularisation im 16. Jahrhundert in ein kurfürstliches Kammergut umgewandelt. Es übte über die Kleinschlatitzer Bewohner grundherrliche Rechte aus, während Großschlatitz bis 1856 als Mügelner Amtsdorf galt. Nach dem zweiten Weltkrieg kam das Kammergut als Betriebsteil an das V E G Mügeln (s. N 6).

N 4 Crellenhain, seit 1959 Stadtteil von Mügeln, liegt 500 m nördlich von Altmügeln und wird von der Straße Mügeln—Wermsdorf durchschnitten. Rechtwinklig zu dieser Verbindung verlaufen zwei Wege in einem Abstand von etwa 250 m parallel zueinander, an denen sich die kleinen ehemaligen Gartennahrungen des Doppelzeilendorfes anordnen. Ihre Flur umfaßte 1900 nur 4 ha und war in Parzellen eingeteilt. 1308, als die Siedlung Grellenhain hieß, gab es hier einen Herren-, 1445 einen Rittersitz. In der deutschen Ortsbezeichnung ist der Lokatorname Grello enthalten. 1764 übte das Amt Mügeln über den Ort grundherrliche Rechte aus.

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W i e schon n a c h d e m ersten Weltkrieg, so entstanden auch n a c h 1945 in Crellen- N 4 hain Einfamilienhäuser. D a die B a u t ä t i g k e i t in R i c h t u n g A l t m ü g e l n erfolgte, sind die beiden Stadtteile heute f a s t miteinander verschmolzen.

A l t m ü g e l n , seit 1959 S t a d t t e i l v o n Mügeln,

N 5

e r s t r e c k t sich unmittelbar a m nördlichen U f e r der Döllnitz, und z w a r auf eine L ä n g e v o n k n a p p 400 m in F o r m einer Gasse. E i n e bauliche V e r b i n d u n g b e s t e h t in südöstlicher R i c h t u n g zu Mügeln. Eine Reihe früherer Häusleranwesen nördlich v o n A l t m ü g e l n f ü h r t den w e i t verbreiteten N a m e n Neusorge. 800 m nordnordwestlich d a v o n liegt ein Lausitzer Gräberfeld der Bronze- und frühen E i s e n z e i t . Die 73 h a (1839) große A l t m ü g e l n e r F l u r w a r ehedem in B l o c k g e w a n n e und große B l ö c k e eingeteilt. Ihre westliche B e g r e n z u n g fällt m i t dem K r e u z g r u n d , einem tiefen K a s t e n t a l , zusammen. A n seinem östlichen R a n d erhebt sich der Zetzschlig, ein H ü g e l , der durch den A b b a u des Rochlitzer Q u a r z p o r p h y r s sein ursprüngliches Aussehen weitgehend verloren h a t . U n w e i t v o n Neusorge w u r d e in einer Grube K a o l i n gewonnen, ein V e r w i t t e r u n g s p r o d u k t des Porphyrs. A l t m ü g e l n hieß 1364 bei seiner ersten urkundlichen E r w ä h n u n g Aldinmugelin. D e r altsorbische N a m e w e i s t auf eine Siedlung bei dem oder den Grabhügel(n) hin. Schon lange v o r der ersten N e n n u n g b e s t a n d eine größere slawische und f r ü h d e u t s c h e Siedlung, v o n der reichliche F u n d e an K e r a m i k stammen. O f f e n b a r h a n d e l t es sich dabei u m den U r s p r u n g v o n A l t m ü g e l n , das n a c h der G r ü n d u n g v o n Mügeln m i t dieser S t a d t ein Gemeinwesen bildete. Beizeiten spielte das Dorf als kirchlicher M i t t e l p u n k t eine Rolle. D e r älteste Teil der stattlichen K i r c h e , der nicht a x i a l stehende W e s t t u r m , d ü r f t e w o h l aus der Zeit u m 1 1 3 5 s t a m m e n , erfuhr j e d o c h 1855 und 1880 bauliche V e r änderungen. D e r n e t z g e w ö l b t e Chor und das L a n g h a u s entstanden 1487 bis 1512. D i e 1956 restaurierte F l a c h d e c k e zeigt Feldereinteilung und als H a u p t w e r k v o n Johannes ROSSBERG aus O s c h a t z Malereien v o n 1720. D i e sterngewölbte Südvorhalle der K i r c h e g e h t auf das Jahr 1522 zurück. A n k u n s t geschichtlich W e r t v o l l e m b i r g t die A n l a g e einen prächtigen K e l c h aus dem 14., ein H o l z k r u z i f i x und G r a b d e n k m ä l e r aus d e m 16. Jahrhundert. Die K i r c h e v o n A l t m ü g e l n g a l t bis zur R e f o r m a t i o n als W a l l f a h r t s o r t , weil sie ein angeblich w u n d e r t ä t i g e s Marienbild a u f b e w a h r t e . Z u r Feier v o n Marias G e b u r t a m 8. Sept e m b e r entwickelte sich ein M a r k t , der A l t m ü g e l n e r S t o p p e l m a r k t , der noch h e u t e alljährlich abgehalten wird. D e r frühere Gasthof v o n A l t m ü g e l n wurde nach 1945 f ü r Unterrichtszwecke u m g e b a u t . D i e seit 1961 zehnklassige polytechnische Oberschule erhielt T u r n und S p o r t a n l a g e n und n a h m a u c h die Glossener Schüler m i t auf. A n der W e g k r e u z u n g südöstlich der Schule s t e h t ein Steinkreuz in Antoniusform. Diesem f e h l t der K o p f , so d a ß es einem Pilz m i t verschieden langen A r m e n gleicht.

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N 5 Die Mühle mit Bäckerei, an der sich Fachwerk und ein interessanter Türstock erhielten, stellte 1970 ihren Betrieb ein. Die Altmügelner Kleinbauern — ursprünglich ausschließlich Gartennahrungsbesitzer — traten der L P G T y p I E i n t r a c h t in Schlagwitz bei, deren Nutzfläche die K A P Niedergosein (s. O 10) bearbeitet und deren Viehbestände von der L P G Vorwärts übernommen wurden.

N 6 Mügeln, Kreis Oschatz, zieht sich als langgestreckte Kleinstadt von Westen nach Osten e t w a parallel zur Döllnitz hin. Der älteste Teil der S t a d t ist nördlich der A l t s t a d t zu suchen (Abb. 25). Hier befindet sich in der sumpfigen Döllnitzniederung im südlichen •Bereich des volkseigenen Gutes eine stark veränderte Wehranlage. E s wird ein Sumpfringwall aus der Zeit der slawischen Besiedlung vermutet, der später in eine Wasserburg umgewandelt wurde. Direkt nordöstlich des schließlich mit dem Schloß überbauten Geländes befanden sich mehrere slawische und hochmittelalterliche Siedlungsreste, die zweifellos im Zusammenhang mit der alten Befestigung, der 984 (Mogelini) und 1003 erwähnten urbs Mogilina, gestanden haben. Die B u r g diente zum Schutz der alten Handels- und Heerstraße, die am Auenrand der Döllnitz verlief und von Leipzig über Grimma, Mügeln und L o m m a t z s c h nach Meißen führte. In der Nähe der B u r g befand sich als dörfliche Ansiedlung Altmügeln (s. N 5), zu dessen Kirchspiel auch die Burgkapelle gehörte. E t w a 1125 gründeten die Bischöfe von Meißen als Herren der B u r g unterhalb der Anlage eine S t a d t mit regelmäßigem Grundriß. Schon Mitte des 13. Jahrhunderts wurde hier ein Marktzoll erhoben, und 1288 wurde sie als civitas Mugelin bezeichnet. Die Marktkirche blieb bis ins 19. Jahrhundert Altmügelner Filialkirche. 1373 wird erstmals eine städtische Befestigungsanlage erwähnt, die aus einer Mauer mit 4 Toren bestand: dem Schloßtor, dem Mühlentor, dem Grimmaischen T o r und dem Lommatzscher Tor. Außerhalb der Befestigung entwickelten sich die Grimmaische und die Lommatzscher Vorstadt. Alle Tore wurden E n d e des 18. bzw. A n f a n g des 19. Jahrhunderts abgetragen, als letztes 1834 das Lommatzscher. Die B u r g diente nach 1241 den Meißner Bischöfen als zeitweiliger Aufenthaltsort. V o n mittelalterlichen Bauteilen ist nichts sicher nachzuweisen. Ihre heutige Gestalt erhielt die 1261 als Castrum Mogelin (Schloß Mügeln) bezeichnete Anlage teilweise um 1572. Auf diese Zeit geht der neue N a m e R u h e t h a l zurück, urkundlich Rugethal. N a c h dem T o d des letzten Meißner Bischofs 1595 k a m e n das Schloß mit dem Wirtschaftshof und die S t a d t Mügeln in kurfürstlichen Besitz. Seit dieser Zeit ist ein A m t Mügeln nachweisbar, dem das K l o s t e r a m t Sornzig angeschlossen war. Die heutige Schloßanlage s t a m m t aus der Spätrenaissance und aus dem 18. Jahrhundert. Sie setzt sich aus 3 Gebäudeflügeln auf hufeisenförmigem Grundriß zusammen. Über der Nordwestecke erhebt sich

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ein quadratischer, in den Obergeschossen runder T u r m (Bild 14), in dem sich N 6 der sogenannte Bischofssaal befindet. Dieses 40 m hohe Bauwerk geht auf das J a h r 1381 zurück. Das volkseigene Gut, das nach 1945 aus dem Wirtschaftshof und späteren K a m m e r g u t mit den Teilbetrieben Schlatitz und Berntitz hervorging, entwickelte

Abb. 25. Planskizze von Mügeln ( n a c h GURLITT 1905)

sich zu einem modernen landwirtschaftlichen Großbetrieb. E s bildet auch Lehrlinge aus, denen das ehemalige Schloß als Wohnheim dient. I n den J a h r e n u m 1970 erhielt das- Volksgut 4 weithin sichtbare Getreidesilos (Bild 14). Schon vorher war in die alten Gebäude eine Zentral-Rohr-Silo-Anlage mit 4 Behältern eingebaut worden. Die Hauptproduktionsrichtung des Gutes ist jedoch nicht der Feldbau, sondern die Rindermast. Auch 1500 Mastschweine zählen zu dem Viehbestand des Landwirtschaftsbetriebes. Die K A P Niedergosein bewirtschaftet das L a n d des Volksgutes.

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N 6 Die ältere Baugeschichte der Stadtkirche St. Johannes (Bild 14) mit Westturm ist ungeklärt; das heutige Gebäude entstand vorwiegend Anfang des 16. Jahrhunderts, wie die mit Jahreszahlen versehenen Schlußsteine im Gewölbe beweisen. Das Langhaus stellt eine Halle von 3 Schiffen und 3 Jochen dar. Hervorzuheben sind die Sakramentsnische aus der Erbauungszeit der Kirche mit Halbfiguren, ferner 2 Flügel eines Altars mit Gemälden (1582) von Matthias KRODEL d. Ä. aus Schneeberg, die Marienfigur aus einer Kreuzigung um 1510/20 sowie ein Kruzifix aus dem 17. Jahrhundert. Erwähnung verdienen ferner das Gitter, bezeichnet mit 1648, vor der südlichen, sterngewölbten Vorhalle, sowie Grabdenkmäler und Epitaphien. Auf dem Friedhof blieb ein steinernes Pestkreuz erhalten. A m Kirchplatz sind die 1608 erbaute Knabenschule und die Pfarre aus dem Jahre 1911 zu beachten. Das Rathaus am Karl-Marx-Platz, dem früheren Markt, diente dem bischöflichen Vogt als Amtshaus, bis es Bischof J O H A N N E S III. 1395 der Stadt Mügeln vererbte. Seitdem wurde es mehrfach umgebaut, zuletzt 1934. Die Häuserzeile an der Nordseite des Karl-Marx-Platzes geht wohl auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurück. A m Altmarkt, auf dem früher Wochen- und Ferkelmärkte stattfanden, stehen noch Häuser vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Beide Mügelner Mühlen wurden 1707 erstmals erwähnt. Die Hasenmühle befand sich vor dem Grimmaischen Tor gegenüber dem „hochnotpeinlichen Halsgericht" und nutzte das Wasser des Hasenbaches. An ihrer Stelle errichtete man nach 1911 3 Wohnhäuser. A m Nordwestufer des Hasenbaches liegt südwestlich vom Ort eine ausgedehnte Siedlung der jungsteinzeitlichen bandkeramischen Kultur. Die andere Mühle, die Stadtmühle, steht in der Döllnitzaue und mahlte bis nach dem zweiten Weltkrieg Getreide. Nachdem Mügeln 1884 Anschluß an die Eisenbahnlinie Oschatz—Döbeln erhalten hatte und sich wenige Jahre später zum Knotenpunkt des Schmalspurbahnnetzes entwickelte (s. H 9), setzte der Aufbau von Industrieanlagen ein. Um 1900 entstanden einige kleinere Betriebe: der heutige V E B Keramik- und Ziegelwerke wurde 1895 als Ofen-, Porzellan- und Tonwarenfabrik eröffnet. Die dort beschäftigten Töpfer gründeten vor dem ersten Weltkrieg eine eigene Gewerkschaft, eine Krankenkasse sowie Turn- und Singgruppen. Als 1928 die Wandplattenarbeiter einen Streik ausriefen, um ihre Forderungen nach höheren Stundenlöhnen durchzusetzen, erklärten sich die Töpfer mit ihnen solidarisch. An der Spitze des Gewerkschaftskampfes stand der Arbeiter Otto K Ö H L E R , der nach der Zerschlagung des Faschismus 1945 zu den ersten gehörte, die die Arbeit im Betrieb wieder aufnahmen. Der V E B Keramik- und Ziegelwerke stellt jetzt Ofenkacheln aus Rohkaolin her. Die Gründung des heutigen Werkes Mügeln des V E B Chemiewerk Bad Köstritz, früher V E B L I P S I A , Chemische Fabrik, geht auf das Jahr 1898 zurück. Der Betrieb erzeugt Calziumkarbonat, Magnesiumoxyd und -karbonat sowie weitere Chemikalien. In den Räumen einer ehemaligen Schuhfabrik produziert der V E B Chemische Fabrik Varia chemischen Büro- und Schulbedarf auch für den Export. Der Betrieb ist an das 1967 errichtete Kesselhaus der Molkereigenossenschaft.Mügeln angeschlossen. Diese

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1898 gegründete Einrichtung hat ihre Anlagen nach dem zweiten Weltkrieg N 6 beträchtlich erweitert, so durch eine Käserei (1973). Die Molkerei verarbeitet die Milch des Südteiles des Kreises Oschatz und mehrerer Orte des Kreises Döbeln. Seit Einführung der zehnklassigen polytechnischen Oberschule erhalten die Schüler der 9. und 10. Klasse aus Altmügeln, Sornzig und Niedergosein ihren Unterricht in Mügeln. Da die Räume der 1884 errichteten Bürgerschule, der heutigen Goethe-Oberschule, nicht mehr ausreichten, wurde das ehemalige Kino für Unterrichtszwecke ausgebaut, und auch die frühere Berufsschule am Anger nahm Klassen auf. Mügeln erhielt als abseitig gelegene Kleinstadt durch den Aufbau des Sozialismus wesentliche Impulse und entwickelte sich zu einem sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zentrum. Ausdruck dieser Funktionen ist die Bildung des Gemeindeverbandes Mügeln, der auch Glossen, Hohenwussen, Kemmlitz, Limbach, Naundorf, Niedergosein und Sornzig umfaßt, Dörfer mit überwiegend landwirtschaftlicher (s. O 10, T 6) und bergbaulicher Produktion (s. N 10). In Mügeln entstanden, auch für Kemmlitzer Bergleute, neue Wohnblocks sowie ein Kindergarten an der Neuen Straße und Einfamilienhäuser an der RosaLuxemburg-Straße. An der Döbelner/Ecke Rosa-Luxemburg-Straße erinnert ein Ehrenmal an die 1945 gefallenen Helden der Sowjetarmee.

Poppitz, seit 1973 Ortsteil von Glossen,

N 7

gehörte seit 1936 zu Nebitzschen. Seine 2 großen und 4 kleinen Bauerngüter bilden einen Rundweiler, der sich von der Höhe 166,8 m bis zum 12 m tieferen Kemmlitzbach abwärtszieht. Die Poppitzmühle in seiner Aue ist heute stillgelegt. Die 99 ha (1900) große Flur war, der Dorfform entsprechend, früher in gewannähnliche Streifen aufgeteilt. Der Ort wurde 1350 erstmals als Popuwicz erwähnt. Grundherrschaftliche Rechte übte, was auch der Name erkennen läßt (s. M4), zunächst die Kirche zu Oschatz aus, bevor Poppitz dem A m t Grimma unterstellt wurde. Am 21. November 1821 brannte das gesamte Dorf bis auf ein Haus nieder. Von den wieder aufgebauten Anwesen besitzt einer der ehemaligen Vierseithöfe als einzigen Zugang zum Inneren eine Scheunendurchfahrt. Am Ortsrand entstand 1967 ein Stall mit Futteraufbewahrungsanlagen für 90 Milchkühe. 1965 waren bereits mehrere Schweineställe für Läufer errichtet worden, die seit ihrem Umbau 1973 der Kälberhaltung dienen. Die Genossenschaftsbauern von Poppitz gehörten bis zu ihrem Anschluß an Glossen 1969 zur L P G T y p I Harmonie Schieben (s. N9).

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N 8 Nebitzschen, seit 1973 Ortsteil von Glossen, liegt am nördlichen Talrand der Döllnitz in 160 m ü. NN. Obwohl nur 3 größere Gehöfte und ein kleineres Anwesen vorhanden sind, bildete der Weiler das Verwaltungszentrum von mehreren ihn umgebenden Ortschaften. Seine 124 ha (1900) umfassende Flur war früher in gewannähnliche Streifen aufgeteilt. Westlich vom Bahnhof Nebitzschen gabelten sich die Schmalspureisenbahnen nach Kemmlitz und nach Wermsdorf (s. H 9). Ein Kaolinlager wurde eine Zeitlang für das Colditzer Steingutwerk abgebaut. Nördlich vom Ort liegt ein größeres Brandgräberfeld der Bronzezeit und der frühgermanischen Latenezeit mit viel Keramik sowie Bronze- und Eisenbeigaben. Die dazugehörige bronzezeitliche Siedlung schließt sich östlich an und nimmt das westliche Ufer des Gatschflusses ein. Die erste bekannte urkundliche Erwähnung des Ortes (Nebetzschin) s t a m m t erst von 1439. Der altsorbische Ortsname kann wohl als Siedlung des Nebych oder Nebys, Nebuch erklärt werden. Mitte des 16. wie auch noch des 18. Jahrhunderts unterstanden die Bewohner grundherrschaftlich dem Rittergut und späteren Kammergut Schlatitz oder den Ämtern Oschatz und Mügeln. Von den früheren Drei- und Vierseitgehöften zeigen nur noch wenige Fachwerk. An einem Wohnstallhaus erhielt sich am Giebel eine Tafel, deren Inschrift auf einen Brand im Jahre 1806 hinweist. Die Ställe im Ort nutzt die L P G Völkerfreundschaft Glossen zur Unterbringung von Kälbern. Wie in anderen Orten (s. A 2, W 3) befinden sich auch in Nebitzschen Bergkeller.

N 9 Schieben, seit 1973 Ortsteil von Glossen Eine größere jungsteinzeitliche Siedlung der Bandkeramik ist von den Feldern südwestlich des Ortes bekannt. Dasselbe Gelände wurde offenbar wegen seines fruchtbaren Bodens auch während der Bronzezeit besiedelt. In historischer Zeit lesen wir von Zwlowin bereits im Jahre 1186, als sich hier ein Rittersitz befand. Der Name enthält den altsorbischen Personennamen Slava. Wie in Berntitz (s. N 2) entwickelte sich in Schieben ein für das J a h r 1445 nachweisbares Vorwerk des Rittergutes in Gröppendorf, die anderen Anwesen unterstanden dem Amt Mügeln. 4 dicht beieinanderliegende Drei- und Vierseithöfe und je ein weiteres Gut an den nach Norden und Westen führenden Straßen bauen mit wenigen kleineren Wirtschaften den Rundweiler auf. Das Dorf liegt oberhalb des nach Süden gerichteten Talhanges der Döllnitz und ist von einer 173 ha (1900) großen, früher in gewannähnliche Blöcke und Streifen gegliederten Flur umgeben. In Schieben gab es die L P G T y p I Harmonie, deren landwirtschaftliche Nutzfläche einschließlich der von Poppitz und Nebitzschen von der K A P Niedergosein bearbeitet wird (s. O 10). 1969 schloß sie sich der Genossenschaft Typ I I I

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Völkerfreundschaft Glossen an. In Schieben haben in einem ausgebauten Alt- N 9 stall etwa 40 Milchkühe Platz, in einem neuen Gebäude ist eine Herde von 400 Schafen untergebracht.

Steinbruch Glossen

N 10

Nordöstlich von Glossen befindet sich ein Steinbruch, in dem Quarzit abgebaut wird, von den Arbeitern als Findlingsquarzit bezeichnet. E r gelangt nach Bad Lausick, wo feuerfeste Silikatsteine daraus hergestellt werden. Den darüberliegenden Löß verwenden Dachziegelwerke der Umgebung. Der Abbau des Quarzits setzte 1923 ein, zuerst auf der benachbarten Gröppendorfer Flur. Ein 1953 errichtetes Verwaltungs- und Sozialgebäude enthält auch einen Speisesaal für die Beschäftigten. Bei dem Gestein handelt es sich um einen sogenannten Tertiär- oder Süßwasserquarzit, der als sekundäre Bildung aus Lockersedimenten entstanden ist und sich aus einzelnen 10 bis 50 cm dicken Bänken mit Sand- oder seltener mit Tonzwischenlagen zusammensetzt. Gelegentlich gefundene Holzreste im Gestein können als zusätzlicher Beweis für die sedimentäre Entstehung herangezogen werden. Von Bedeutung für die Klärung von Problemen der Stratigraphie und Paläogeographie des Jungpleistozäns sind die 5 bis 6 m mächtigen Lößablagerungen über dem Quarzit. E s konnten hier mehrere Phasen der Lößsedimentation und Bodenbildung von der Saalekaltzeit bis zum Holozän nachgewiesen werden. Der Aufschluß ermöglichte in Verbindung mit anderen Vorkommen, so bei Gleina (s. R 8) und Lommatzsch, Klimaablauf und Landschaftsentwicklung im jüngeren Pleistozän zu rekonstruieren. Wenig westlich vom Steinbruch Glossen, zwischen den Orten Gröppendorf und Schieben, begann 1972 die Kaolinförderung in einem Tagebau. Das Kaolin verdankt seine Entstehung der chemischen Verwitterung, die besonders stark während des Tertiärs die Feldspäte des Quarzporphyrs zersetzt hatte. Hier wie an einigen anderen Stellen im Raum Kemmlitz blieb die Verwitterungsdecke von jüngeren Abtragungsprozessen verschont, weil sie in wannenartigen Vertiefungen lagert. Die Mächtigkeit des abbauwürdigen Flözes beträgt in diesem Gebiet 15 bis 25 m. Das Rohkaolin des Tagebaus Gröppendorf wird an Ort und Stelle durch Schlämmen vom Sand befreit und anschließend als Suspension in Rohren nach Kemmlitz zur Entwässerung und Trocknung gepumpt. Hoher Weißgehalt und geringer Eisenanteil machen das Kaolin sowohl für die inländische Porzellanindustrie (Colditz, Kahla) als auch für den Export sehr begehrt. Der für den Abbau zuständige V E B Silikatrohstoffkombinat mit seinem Stammbetrieb Kemmlitz verfügt über die 3 Tagebaue Frieden (westlich von Baderitz), Glückauf (bei Querbitzsch) und bei Gröppendorf, die zusammen das 145

N 10 bedeutendste Fördergebiet Mitteleuropas bilden. 800 W e r k t ä t i g e arbeiten hier. E i n erster A b b a u h a t t e im Jahre 1883 in größerem U m f a n g , zunächst in Schachtund Stollenbetrieb, eingesetzt. N a c h d e m Ü b e r g a n g in V o l k s e i g e n t u m w e n d e t e m a n sich d e m T a g e b a u b e t r i e b zu, v o n d e m weithin sichtbare weiße H a l d e n zeugen.

O 1

Limbach, K r e i s Oschatz, begleitet auf e t w a 800 m L ä n g e den Haidenbach, der westlich des Ortes entspringt und zur Döllnitz entwässert. D i e B a u e r n g e h ö f t e gruppieren sich u m einen Straßenanger, der m i t K i r c h e und D o r f t e i c h b e s e t z t ist und an dessen Nordseite auch ein V o r w e r k steht. Die 380 h a (1900) große F l u r w a r in g e w a n n ähnliche Streifen und Gutsblöcke gegliedert. B e i der ersten urkundlichen N e n n u n g 1243 schrieb m a n Limpach, sein N a m e b e d e u t e t soviel wie O r t a m lindenreichen B a c h g r u n d . V o r der R e f o r m a t i o n gehörten das Dorf und seine K i r c h e einer U r k u n d e v o n 1531 zufolge z u m K l o s t e r Sornzig. Grundherrlich u n t e r s t a n d L i m b a c h n a c h der R e f o r m a t i o n bis auf einige G r u n d s t ü c k e des A m t e s O s c h a t z dem R i t t e r g u t Saalhausen. Die kleine D o r f k i r c h e s t a m m t aus der Zeit u m 1460, ihr T u r m v o n 1822. B e i der R e n o v i e r u n g im Jahre 1964 f a n d m a n im A l t a r einen H o l z k a s t e n , der auf der R ü c k s e i t e das B i l d eines g e w a p p n e t e n R i t t e r s zeigte. I m Innern t r a t ein A l t a r schrein zutage, der Holzschnitzereien, eine Maria m i t K i n d und 2 Bischöfe, enthielt. Die Gruppe w a r n a c h E i n f ü h r u n g der R e f o r m a t i o n 1539 in den A l t a r eingebaut worden. ö s t l i c h des ehemaligen V o r w e r k s , und z w a r in der Niederung des Haidenbaches, liegt die frühere W a s s e r b u r g K e l l e r b e r g m i t einem Durchmesser v o n e t w a 40 m einschließlich des Wassergrabens. Die erhaltene H ö h e des T u r m h ü g e l s b e t r ä g t ungefähr 3 m. 1248 und 1308 w u r d e im O r t ein Herrensitz erwähnt, der spätere Rittersitz, aus dem ein V o r w e r k des Saalhausener R i t t e r g u t e s hervorging. E s wird 1815 als Töpelsches G u t bezeichnet und setzte sich aus dem H a u p t g u t und 4 a b g e b a u t e n G a r t e n n a h r u n g e n zusammen. E s entwickelte sich v e r m u t l i c h zu der Schäferei, die n a c h 1945 aufgelöst wurde. Ihr B e s i t z k a m a n Neubauern, die die L P G T y p I F r e u n d s c h a f t gründeten. 1973 schloß sich die L i m b a c h e r Genossenschaft m i t ihrer 201 h a großen N u t z f l ä c h e der L P G N e u e K r a f t Naundorf an (s. O 3). A l s weiteres Saalhausener V o r w e r k im nördlichen Teil der L i m b a c h e r F l u r ist das E i n z e l g u t H a i d a zu nennen. E s f ü g t sich einer Hangdelle ein, und an seiner Stelle soll d e m Saalhausener Erbregister v o n 1568 zufolge ein Dorf Heinichen oder Haynichen gelegen haben. A n f a n g des 19. J a h r h u n d e r t s g a b es hier eine herrschaftliche Schäferei m i t 715 Schafen. E t w a 500 m v o m G u t e n t f e r n t verzeichnet OBERREIT die H e y d e n , a u ß e r d e m eine W a l d p a r z e l l e die langen H e y d e n u n d einen kleinen W e i h e r H e y d e n Teich. I m Verlauf der B o d e n r e f o r m wurde das ehemalige G u t H a i d a aufgeteilt. I m

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früheren Herrenhaus befindet sich heute die Zentrale Betriebsakademie der O 1 V E Warenhäuser Zentrum, die Wirtschaftsgebäude nutzt die L P G Neue Kraft Naundorf (s. O 3).

Leuben, seit 1973 Ortsteil von Limbach,

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setzt sich aus zwei deutlich getrennten Siedlungsteilen zusammen. Wo die Alte Poststraße die Döllnitzaue quert, haben das ehemalige Rittergut sowie die um 1965 stillgelegte Wassermühle und einige Gartennahrungen ihren Platz. Der eigentliche Ort besteht aus Häusleranwesen und ebenfalls Gärtnergütern an der Straße nach Schlanzschwitz. Zu diesem Gassendorf gehörten wenige Blöcke und Streifen der 261 ha (1900) großen Flur; den überwiegenden Anteil der Gemarkung bewirtschaftete das Rittergut in Form von Gutsblöcken. Leuben hieß im Jahre 1312 bei seiner ersten urkundlichen Nennung Lubyl. Sein Name enthält den altsorbischen Personennamen Lubel oder Lubol. Seit mindestens 1445 bestand im Ort ein Rittersitz, der Vorgänger des späteren amtssässigen Rittergutes. Das dazugehörende Schloß geht auf eine Wasserburg zurück, und noch heute wird das ehemalige Herrenhaus von einem Wassergraben umgeben. Im Norden befinden sich Reste eines Außenwalles. Der Durchmesser der Anlage beträgt etwa 50 m, die Grabenbreite erreicht 12 m. Das Schloß, ein zweigeschossiger Bau mit Walmdach, stammt in seiner jetzigen Form aus der Zeit um 1770. An seiner Gartenseite sind 3 Mittelachsen hervorgehoben. Den Schloßpark zieren mehrere Sandsteinfiguren. Die Rittergutsflur wurde im Zuge der Bodenreform an 43 landarme Bauern und Neubauern verteilt. Einige von ihnen erhielten 1945 im früheren Schloß Wohnraum zugewiesen, 1973 nutzten die L P G und die Konsumgenossenschaft das Gebäude. Für die Neubauern entstanden Gehöfte und Häuser an der Hofstraße, die mitten durch das ehemalige Rittergut führt, sowie an der Wiesenstraße. Die Anwesen setzen sich meist aus Wohn- und Stallteil zusammen; Scheunen fehlen, da die Neubauern die Wirtschaftsgebäude des früheren Gutes nutzten. Die L P G T y p III Frohe Zukunft und die des Typs I Döllnitztal in Leuben haben sich mit den Genossenschaftsbauern von Naundorf (s. O 3) zusammengeschlossen. A m südöstlichen Ortsrand stehen 2 neue Viehställe. Auf der Flur von Leuben errichteten mehrere Genossenschaften 1973 bis 1976 als erste im Kreis Oschatz eine industriemäßige Milchviehanlage für etwa 2 000 Kühe. Bei Beginn der Planierungsarbeiten für das Rinderkombinat kamen Nachweise bandkeramischer Besiedlung, ferner ein Grab der Schnurkeramik, Urnenbestattung der Mittel- und Jungbronzezeit und früheisenzeitliche Gruben ans Tageslicht. Aus dem 1. bis 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammen 8 Grubenhäuser mit Größen zwischen 8 und 20 m 2 sowie 2 Backöfen. Ein Vorratshaus enthielt eine starke Schicht verkohlter Getreidekörner. Außer den Grubenhäusern sind Pfostenbauten zu ebener Erde angetroffen worden. Am wichtigsten erscheinen jedoch die Nachweise für die örtliche Eisenverhüttung durch 42 11 Oschatz

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O 2 Schmelzöfen, die bis 1973 freigelegt waren. Die K e r a m i k weist mit der typischen Rädchenverzierung auf den A n f a n g im ersten Jahrtausend u. Z. hin. Die weitere Nutzung des Siedlungsareals ist auch während der slawischen Inbesitznahme des Landes durch Keramikfunde nachgewiesen. I m gleichen Bereich, e t w a 1 k m südlich v o m Ort, wurden bereits früher in einer Kiesgrube 4 jungsteinzeitliche Gefäße der Bandkeramik, Steingeräte und eine größere A n z a h l weiterer keramischer Reste sichergestellt.

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Naundorf, Kreis Oschatz, nimmt mit seinen Gehöften und kleinen Häusern sowie seinem ehemaligen Rittergut die breite Quellmulde des Rinnsals ein, das den Mühlteich bei Zöschau (s. J 8) speist. Die 533 ha (1900) umfassende Dorfflur w a r in Gutsblöcke und gewannähnliche Streifen gegliedert. Der Ort besteht aus mehreren Teilen: Der älteste, das Oberdorf, ordnet sich um einen Platz, ein jüngerer, das Unterdorf, erstreckt sich längs der A l t e n Poststraße. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts k a m eine Siedlung am W e g nach dem Weinberg Oschatz hinzu, und schließlich entstand in Richtung Casabra—Stennschütz die sogenannte Neue Siedlung. Die älteren Bauerngüter, Zwei- bis Vierseit-, überwiegend aber Dreiseitgehöfte, zeigen teilweise noch Fachwerk mit Lehmbauweise. Eine urkundliche E r w ä h n u n g der Siedlung s t a m m t v o n 1243 und lautet Nuendorph ( = zum neuen Dorf). Schon 1241 bestand in Numendorf ein Herrensitz, aus dem wohl das schriftsässige Rittergut am östlichen Ortsausgang des Dorfes hervorging. A n f a n g des 19. Jahrhunderts gehörte zu ihm auch der „ T o r f g r u b e n b o d e n " an der Flurgrenze zu Casabra. Später m u ß der A b b a u dort erloschen sein; hatte doch 1904 die „Torfgräberei . . . längst a u f g e h ö r t " . 1790 beteiligten sich die Fronbauern in besonderem Maße am Sächsischen Bauernaufstand: A m 15. Dezember kündigten 21 v o n ihnen, die aus Naundorf, Zeicha und Niedergosein stammten, der Gutsherrschaft ihre Frondienste und Zinsen. W i e schon vorher 2 K n e c h t e wegen „ ü b l e r " Reden beim K u r f ü r s t e n in Dresden angezeigt und bestraft worden waren, erhielten auch die Bauern am 1. Februar 1791 Gefängnisstrafen zwischen 2 und 8 Wochen. Zu den 3 „geistlichen Gebäuden", die HOFFMANN unter den 53 Häusern von Naundorf angab, befand sich 1817 auch die Pfarrkirche. V o n dem der heiligen K a t h a r i n a geweihten B a u w e r k , das Jacob DECKERS 1579 an Stelle einer kleinen Kapelle schuf, blieben nur die Umfassungsmauern erhalten. D a s jetzige Gebäude s t a m m t hingegen v o m U m b a u der Jahre 1742 bis 1744. I m Westteil dienen 2 quadratische Pfeiler als Stützen des ins Schiff einbezogenen Turmes. Der zweigeschossige A n b a u im Norden besitzt verglaste, innen ausgemalte Logen mit 3 Öfen von 1716 und 1730. Hervorzuheben sind ferner der hölzerne Kanzelaltar aus der Zeit um 1740, der spätbarocke Orgelprospekt sowie mehrere Grabdenkmäler des 16. und 17. Jahrhunderts.

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Eine Schulstube gab es in Naundorf schon 1578. Das 1894 errichtete Schul- O 3 gebäude wurde 1954 v o r L einem neuen abgelöst. Schon 3 Jahre später entstand ein Erweiterungsbau, und schließlich folgte i960 ein Gebäude mit insgesamt 6 Zimmern, so daß nun auch die Kinder von Leuben, Casabra, Limbach und Hohenwussen hier unterrichtet werden können. Der Gasthof Zum Grauen Wolf dient seit seiner Modernisierung als Klubhaus. Bis etwa 1900 hatte östlich von Naundorf, unweit der Alten Poststraße, eine Windmühle ihren Platz. Heute ist nur noch das dazugehörige Wohnhaus vorhanden. Das Schloß, das vom Ende des 16. Jahrhunderts stammte, wurde 1945 bis auf einen Seitenflügel und die Toreinfahrt abgetragen. Von dem Rittergutsbesitz bekamen im Zuge der Bodenreform 32 Neubauern landwirtschaftliche Nutzfläche zugewiesen. Die 1952 gegründete L P G T y p I I I Neues Leben führt seit ihrer Vereinigung mit der Genossenschaft von Casabra im Jahre 1965 die Bezeichnung L P G Neue K r a f t Naundorf. Ihr schlössen sich auch die L P G T y p I Goldene Ähre Naundorf sowie die Genossenschaften von Leuben, Limbach und Thalheim an. Die 1916 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche (1972) bewirtschaftet die K A P Niedergosein ( s . O i o ) . Zu den wichtigsten Anbauprodukten zählen neben den Getreidearten auch Zuckerrüben, Kartoffeln und Gräser in Vermehrungskulturen. Die Genossenschaft beschäftigt sich mit Viehwirtschaft. In Naundorf schuf sie sich einen Schafstall, einen Schweinestall für 400 Tiere und ein Rinderkombinat für 470 Tiere. Nachdem 1970 bereits 32 Familien Wohnungen in einem Neubau beziehen konnten, wurde 1975 ein weiterer, gleichgroßer fertiggestellt. Einfamilienhäuser entstanden an den Straßen nach Casabra, Stennschütz und Oschatz. Wohnhäuser am Naundorfer Teich wurden 1973 bzw. 1974 an Mitglieder der L P G übergeben.

Schlanzschwitz, seit 1973 Ortsteil von Niedergosein,

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wird von seinem ehemaligen Hauptort Schweta durch die 250 m breite Döllnitzaue getrennt. Die wenigen Gehöfte und sonstigen Häuser ziehen sich am linken Talrand entlang und fügen sich zu einem erweiterten Bauernweiler zusammen, dessen 140 ha (1839) große Flur in Streifen gegliedert war. Unmittelbar südlich und südwestlich von Schlanzschwitz liegt eine größere bandkeramische Siedlung mit Hausresten, Siedlungs- und Abfallgruben. E t w a 800 m nordnordwestlich vom Ort befinden sich beträchtliche Reste der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur, die offenbar zu den Siedlungs- und Gräberfunden westlich von Ockritz (s. O 5) vermitteln. Schon 1243 läßt sich- Slonsewiz (die Leute des Slawen Zlonis) nachweisen, und 1272 bestand in Zlansitz ein Herrensitz. Aus den 3 im Jahre 1445 erwähnten Vorwerken gingen vermutlich 3 große Bauerngüter hervor. 9 von 11 weiteren Gebäuden des Ortes waren Drescherhäuser und gehörten zum Rittergut Schweta, das seit mindestens dem 16. Jahrhundert grundherrliche Rechte hier ausübte. 11*

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O 4 Typische Beispiele der erdgeschossigen früheren Drescherhäuser stellen die Wohngebäude Nr. 3 und 4 dar. V o n den 3 Gütern waren a m A n f a n g des 20. Jahrhunderts 2 mit dem Schwetaer G u t verschmolzen. Die ehemaligen Bauerngehöfte werden heute von der L P G in Niedergosein genutzt. A l s Besonderheit verdient eine Baumschule in Schlanzschwitz Erwähnung, die A u f z u c h t von Rosen und Koniferen betreibt. A n ihre Flächen schließen sich am T a l h a n g Obstbaumplantagen an.

O 5

Schweta, seit 1973 Ortsteil von Niedergosein, v e r t r i t t den T y p der Gutssiedlung mit straßenförmigem Häuslerabbau, wie er auch bei Saalhausen (s. H 7) zu erkennen ist. Ebenso ähnelt sich die L a g e beider Orte; sie säumen unmittelbar den R a n d der Döllnitzaue. Jungsteinzeitliche Siedlungen befinden sich östlich der Dorfstraße von Schweta im Bereich der Kiesgrube und östlich der Eisenbahnlinie und Straße. V o n den Feldern nordöstlich v o m Ort s t a m m t ein reichverziertes bronzenes Flachbeil (Abb. 14,1) mit gekerbten Randleisten; dazu kommen ovale Armringe aus dem gleichen Material. Schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts soll an der Stelle des heutigen Schweta ein Dorf gestanden haben, das später eingegangen ist. So nimmt vermutlich auch die 1751 bis 1753 unter dem E i n f l u ß George B Ä H R S als Zentralbau errichtete Kirche den Standort einer früheren, bereits 1 1 1 9 gegründeten ein. Ihr Grundriß zeigt die F o r m eines Vierpasses. Die Treppen und die allseitig umlaufende, an der Nord- und Südseite in der Mitte vorgeschwungene Empore sind geschickt verteilt. Die K a n z e l liegt hinter dem A l t a r in einem nischenartigen Sandsteinaufbau, von Pilastern gerahmt. Die erste sichere urkundliche E r w ä h n u n g v o n Schweta ist von 1241 bekannt. Zu diesem Zeitpunkt läßt sich in Zwete (wohl die Rodung, Lichtung, abzuleiten von altsorbisch svlt = Licht) ein Herrensitz nachweisen. A u s ihm ging das R i t t e r g u t hervor, zu dem Mitte des 19. Jahrhunderts 3 der insgesamt nur 18 W o h n g e b ä u d e des Dorfes als sogenannte Drescherhäuser gehörten. V o n der Vorherrschaft des Rittergutes legt auch die frühere Einteilung der Gemarkung Zeugnis a b ; denn die 263 ha (1839) große Flur war in Gutsblöcke gegliedert. Sie u m f a ß t bedeutende Flächen der 3 Wüstungen Welknitz, worauf der W e l l e r s b e r g hinweist, Lusitz und B a b r i t z ( B E S C H O R N E R 1929a; A b b . 26). N a c h dem zweiten Weltkrieg wurde diese landwirtschaftliche Nutzfläche im R a h m e n der Bodenreform an 64 Neubauern und Kleinsiedler verteilt. Im ehemaligen G u t und in seinen Wirtschaftsgebäuden schuf m a n e t w a 8 Neubauernstellen, weitere 3 befinden sich an der Straße nach Mähris. In einem der 1946 errichteten Neubauerngehöfte (Nr. 7) ist heute der Kindergarten untergebracht. Die polytechnische Oberschule n u t z t einen B a u v o n 1845, der durch einen flachen Verbindungstrakt mit einem Gebäude von 1909 in Zusammenhang steht. Sie dient nur noch den Schülern der Unterstufe.

150

Neben den Altbauten und den Neubauerngehöften besitzt Schweta an der Straße nach Mähris 3 neue Mehrfamilienhäuser, wo auch in der Landwirtschaft Beschäftigte wohnen. Die Genossenschaftsbauern des Dorfes arbeiten seit 1970 in der L P G Vorwärts Niedergosein (s. O 10). In der Döllnitzaue befindet sich hinter dem ehemaligen Rittergut ein Park. Als Flächennaturdenkmal geschützt, besteht er aus Laubmischwald und Wiesen. Als Besonderheiten der Baumbestände seien eine Stieleiche mit einem Umfang von etwa 5,50 m, eine weitere mit 4,50 m und eine Platane mit etwa 5,50 m Stammumfang genannt.

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Abb. 26. Wüstungen zwischen Mügeln und Naundorf (nach B E S C H O R N E R 1929a) A m Rand der Döllnitzaue steht eine Wassermühle (Nr. 18), die bis 1956 ein Wasserrad besaß. Eine außerdem benutzte Turbine kann auf Grund der starken Verschmutzung des Baches (s. C 6) nur noch begrenzt verwendet werden, wichtigste Antriebskraft ist heute Netzstrom. E t w a 1,5 km nordwestlich von Schweta und knapp 1 km westlich der Döllnitzaue liegt Ockritz in einer Geländemulde. E s besteht aus einem Einzelgut, an dessen Stelle früher ein Dorf gestanden haben soll, das während der Hussitenbewegung 1429 wüst wurde. Seine 88 ha (1839) große Flur enthielt Anfang des 19. Jahrhunderts außer Ackerland auch Garten- und Wiesenflächen, Erlen-

151

O 5 gebüsch und eine Obstbaumpflanzung. Seit spätestens 1552 gab es hier ein Vorwerk, das im 18. Jahrhundert zum Rittergut Schweta gehörte. 1945 wurde das Vorwerk in mehrere Neubauernstellen aufgeteilt, woran noch Eindachhöfe erinnern. östlich der Straße Wetitz—Limbach fand man am Südrand der Ockritzer Flur eine als Medaillon umgearbeitete Münze des römischen Kaisers P. L. E. GALLIENUS (260—268). Da Gräberfelder der gleichen Zeit in diesem damals westgermanischen Gebiet (Hermunduren) ziemlich gehäuft vorkommen, läßt sich der Fund in das Besiedlungsbild gut einfügen. Die älteste Schreibweise für Ockritz lautet 1445 Ockernicz (altsorbisch = die Leute des Okora).

O 6 Oetzsch, seit 1973 Ortsteil von Niedergosein, setzt sich aus dem ehemaligen Rittergut und einer 250 m von ihm entfernt gelegenen Häuslerreihe (1815: 26 Häuser) für die Gutsarbeiter zusammen. Beide Siedlungsteile nehmen den schmalen Raum am Rand der Aue zwischen der Döllnitz und dem Verbindungsweg von Schlanzschwitz nach Wetitz ein. Unmittelbar östlich der Dorflage Wetitz liegt nördlich der Pfarrwiesen auf Oetzscher Flur eine größere slawische Siedlung, vorwiegend der jüngeren Phase. Der Ortsname Euschicz enthält das altsorbische ovca — Schaf, was auf eine Schäferei hinweist. 1310 bestand ein Herren-, 1445 ein Rittersitz, aus dem das Rittergut (1552) Oetzsch hervorging. Der Vierseithof, dessen 62 ha (1900) große Flur in Gutsblöcke eingeteilt war, hat sich bis heute erhalten und wird von der L P G in Niedergosein bewirtschaftet (s. O 10).

O 7 Wetitz, seit 1973 Ortsteil von Niedergosein, wurde 1254/71 als Wecuviz ( = die Leute des Slawen Vec, Vet) zum ersten Male erwähnt. Seit mindestens dem 16. Jahrhundert besaßen die Rittergüter in Schweta bei Döbeln und in Stauchitz grundherrschaftliche Rechte im Dorf. Im 17. Jahrhundert traten die Rittergüter Oetzsch und Zöschau an die Stelle des Stauchitzer Gutes. Die 110 ha (1900) umfassende Flur der Bauern war früher in gewannähnliche Streifen gegliedert und zieht sich vom Stadtrand von Mügeln (144 m ü. NN) im Süden bis zur Alten Poststraße (186 m) im Norden auf eine Länge von 2,5 km hin. Die wenigen Vier- und Dreiseithöfe gruppieren sich um eine Sackgasse und meiden die anschließende überschwemmungsgefährdete Döllnitzaue. Nur die nach einem früheren Besitzer Silbermann benannte Mühle, die 1973 noch als Sägewerk und Mahlmühle arbeitete und dazu das Wasser als Antriebskraft nutzte, liegt direkt am Bach. Wetitz kam 1950 mit seinem unmittelbar angrenzenden Ortsteil Oetzsch (s. O 6) zu Schweta. L P G und K A P in Niedergosein sind für das Dorf Wetitz zuständig (s. O 10). 152

Schlagwitz, seit 1959 Stadtteil von Mügeln Auf Schlagwitzer Flur konnte eine Reihe urgeschichtlicher Funde sichergestellt werden. So liegt am nordwestlichen Ortsrand um die Höhe 160,7 m e i n e größere jungsteinzeitliche Siedlung der bandkeramischen Kultur, ebenso westlich des Ortes sowie zwischen Schlagwitz und Wetitz im nördlichen Bahnhofsgelände von Mügeln. Zweifellos handelt es sich dabei um einen zusammenhängenden Komplex. Bronzezeitliche Siedlungsreste treten in weiter Streuung am Hang westlich der Höhe 154,6 m auf. Slawische Hausteile mit Herdstellen befinden sich 200 ni nordwestlich des Ortskernes. Nach den keramischen Resten zu urteilen, geht die Siedlung mindestens bis in das 9. Jahrhundert zurück und kann sicher als Vorläufer des heutigen Dorfes gelten. Schlagwitz wurde erstmalig 1334 urkundlich erwähnt, als es Slakewicz hieß. Sein altsorbischer Name bedeutet die Leute des Slavek oder Slavko. Seit dem 16. Jahrhundert galt der Ort als Amtsdorf von Mügeln mit Anteil des Erbamtes Meißen. Schon 1581 läßt sich nahe am Dorf ein sogenannter Heil- oder Gesundbrunnen nachweisen. Der Name des Gasthauses Zu den Dreizehn Quellen nimmt Bezug auf die im angrenzenden Wiesengelände vorhandenen, heute gefaßten Quellen. Sie gehören zur 197 ha (1857) großen ehemaligen Gewannflur, die im Süden das schmale Tal des Grauschwitz- oder Schrebitzbaches einschließt. Schlagwitz ist ein Platzdorf, das sich mit seinen großen Vier- und Dreiseitgehöften am westlichen Talrand des Schrebitzbaches gruppiert. A m Bach arbeitete bis Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Mühle mit oberschlächtigem Wasserrad. Das Anwesen besteht heute nicht mehr. Häuserzeilen aus der Zeit um 1900 säumen die beiden Straßen, die von der Höhe 160,7 m in nördlicher und nordwestlicher Richtung nachMügeln führen. A m Dreiseithof A m Schrebitzbach 1 erhielt sich ein Torbogen mit einem Schlußstein mit der Inschrift 1787 ICG. Wie sich die Nutzung früherer Bauerngüter seit Beginn der genossenschaftlichen Arbeit auf dem Lande nach 1952 verändert hat, zeigt der ehemalige Dreiseithof Talstraße 3: Das Wohnstallhaus dient heute ausschließlich Wohnzwecken. An der Stelle der einen Scheune befindet sich eine Garagenreihe, und ein Neubau für die kooperative Bauabteilung von Mügeln nimmt den Platz der anderen Scheune ein. Die Bauern, die die L P G T y p I Eintracht gegründet hatten, haben sich der in Niedergosein angeschlossen.

Grauschwitz, Ortsteil von Niedergosein

O9

Im Gelände der ehemaligen Kartoffelflockenfabrik (s. O 10) nördlich des Ortes befindet sich zu beiden Seiten der Straße Mügeln—Schweta eine größere stichbandkeramische Siedlung der Jungsteinzeit. Dort wurden auch Reste eines bronzezeitlichen Gräberfeldes sichergestellt. Eine slawische Ansiedlung reichte vom westlichen Ortsrand bis zur Eisenbahn, wie viele Reste von Häusern und Gruben mit keramischem Material, besonders aus der Zeit kurz nach dem Jahr 1000, bewiesen. 153

O 9 1254/71 wird der Ort als Gruzewiz bezeichnet. Sein Name läßt zwei Deutungen zu : die Leute eines Gruza oder Birnbaumort, abgeleitet von altsorbisch grusa = Birne, Birnbaum. Wie Gaudlitz unterstand des Dorf zunächst dem Kloster Sornzig, später dem A m t Würzen. Der typische Bauernweiler setzt sich aus nur 2 ehemaligen Gütern und einer früheren Wassermühle zusammen. Seine 74 ha (1893) große Flur war in gewannähnliche Blöcke aufgeteilt. 0 10 Niedergosein, Kreis Oschatz, wurde 1334 zum ersten Male erwähnt, damals Cozele geschrieben. Sein Name ist wohl als Spottname „die Ziegenböcke" zu erklären, abzuleiten von altsorbisch kozel = Ziegenbock. Jahrhundertelang übten 3 verschiedene Rittergüter gleichzeitig die Grundherrschaft im Ort aus. Mitte des 17. Jahrhunderts gehörten 3 Hufengüter, 1 Grasgärtnerwirtschaft und 9 weitere Häuser zum Leubener, 4 Untertanenfamilien zum Rittmitzer und 3 zum Naundorfer Gut. Eine umfangreiche Dorfordnung von Niedergosein ist aus dem Jahre 1653 überliefert und enthält beispielsweise Vorschriften über die Viehhaltung, Anweisungen zur Vermeidung von Bränden, Gebote für das Zusammenleben der Dorfbewohner und Hygienevorschriften. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, daß das Gemeindeland unbebaut blieb ( H O F M A N N 1938). Niedergosein besitzt die Form eines Rundweilers, der nach Südosten durch Ausbauten erweitert worden ist. Seine Anwesen liegen in einer muldenförmigen Vertiefung am Rand der Lößhügellandstufe. Auch seine 173 ha (1900) große bäuerliche Flur, die in Gewanne zergliedert war, folgt dem Anstieg von Norden nach Süden, und zwar von 145 m bis zur Höhe 212,8 m ü. NN. Die alte Niedergoseiner Schule von 1837 dient heute Wohnzwecken. Das jetzige Unterrichtsgebäude entstand 1927 und erhielt 1965 einen Anbau. War das Dorf schon vor 1973 Hauptort mehrerer eingemeindeter Siedlungen seiner Umgegend, so nahm seine zentrale Bedeutung nach dem Zusammenschluß mit Schweta und dessen Ortsteilen noch zu. Doch nicht nur auf administrativem Gebiet ist Niedergosein ein Mittelpunkt, sondern hier befindet sich auch der Sitz der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion dès südlichen Teiles des Kreises Oschatz. Die K A P bewirtschaftet die Felder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Vorwärts Niedergosein, Neuer Weg Hohenwussen, Neue K r a f t Naundorf und Völkerfreundschaft Glossen sowie des Volksgutes Mügeln mit insgesamt 5 650 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, die auch die Gemarkungen der eingemeindeten Ortsteile einschließt (s. O 5, O 6, P 4, P 5, U 1, U 2, V 2). Die Kooperation nutzt zur Futtertrocknung die ehemalige Kartoffelflockenfabrik, die — 1908 erbaut — bis 1950 arbeitete. Im gleichen Gelände sind auch der V E B Saat- und Pflanzgut, die Bäuerliche Handelsgenossenschaft sowie eine Großwäscherei untergebracht. In unmittelbarer Nähe zeugt eine neue, von mehreren Genossenschaften erbaute Schweinezuchtanlage (Bild 22), die jährlich über 20000 Ferkel liefert, von der industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft. 154

Kreina, seit 1973 Ortsteil von Naundorf, erstreckt sich reichlich 500 m nördlich von seinem Hauptort in einer Quellmulde. Nicht nur das Straßendorf mit seinen Gehöften, sondern auch ein Teil der Gemarkung liegt inmitten eines feuchten Wiesengeländes. Der überwiegende Flächenanteil der 234 ha (1900) umfassenden Ortsflur, die in gewannähnliche Streifen gegliedert war, unterliegt jedoch der ackerbaulichen Nutzung. Die Gemarkung erreicht im Kuhberg mit 150,1 m ü. N N ihren höchsten Punkt. Hier befindet sich ein Gräberfeld der ältesten Bronzezeit (Aunjetitzer Kultur). Von der gleichen Stelle stammen keramische, Reste und ein Flachbeil der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik, ferner aus der mittleren bis jüngeren Bronzezeit ein Gräberfeld und ein frühgermanisches Grab der vorchristlichen Latenezeit. Der Kuhberg und die nördlich anschließende Flur sind Teile der Wüstung Kleindösitz. Hier deuten Reste auf eine spätslawische und frühdeutsche Siedlung etwa vom 11. bis 13. Jahrhundert hin. Kreina selbst erfuhr 1334 seine erste bekannte urkundliche Erwähnung. Damals schrieb man Cryne, das als Siedlung in (an) der Geländemulde zu deuten ist. Seit der Reformation unterstanden die Bewohner bis zur Ablösung der grundherrlichen Rechte dem Rittergut Hof. Kreina gehörte bis 1973 zu Casabra. Im früheren Gehöft Nr. 10 baute die L P G Neue K r a f t einen Stall für 100 Rinder.

Casabra, seit 1973 Ortsteil von Naundorf,

p 2

hieß 1334 bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung Cozebrode (altsorbisch Kozobrody = Spottname Ziegenbärte). Der Ort liegt in der Quellmulde eines Rinnsals, das in den Sandbach mündet. Die Achse des Straßenangerdorfes wird von der Alten Poststraße gebildet. Die 457 ha (1900) große Flur war in Blöcke des Rittergutes und Blockgewanne der Bauern aufgeteilt. Sie reicht im Nordwesten bis zur versumpften Radewiese am Sandbach. Die im Südosten der Gemarkung befindliche Wüste Mark Gaumnitz (s. P 3) hat die Flur bedeutend vergrößert. Bandkeramische Siedlungsfunde treten in größerer Anzahl auf den Hängen südwestlich von Höhe 136,9 m und südwestlich der Alten Poststraße auf. Nordwestlich des Ortes befindet sich im Bereich einer alten Kiesgrube eine bronzezeitliche Siedlung. Ein großes Gräberfeld aus derselben Epoche mit vielen keramischen Resten und mit Bronzen liegt ostsüdöstlich von Casabra. Das schriftsässige Rittergut mitten im Ort war Anfang des 16. Jahrhunderts mit dem in Naundorf vereinigt worden. Zu ihm gehörten um 1815 außer dem Herrenhaus und den Wirtschaftsgebäuden eine Branntweinbrennerei und eine Schäferei. Die Anfang des 19. Jahrhunderts erwähnte Torfgräberei nahm vermutlich später noch an Umfang zu, wurde sie doch 1840 als bedeutend bezeichnet. U m 1900 betrug die Anzahl der Gebäude in Casabra 42, einschließlich der 1847 155

P 2 errichteten Schule. Seit die Kinder in Naundorf Unterricht erhalten, dient das Casabraer Schulgebäude als Kindergarten und -krippe. Bis 1956 arbeitete an der Straße nach Naundorf eine Holländerwindmühle. Von ihr blieb nur noch der weithin sichtbare Stumpf bestehen, in dem die K A P Niedergosein Düngemittel aufbewahrt. Der Besitz des Rittergutes wurde nach 1945 an 18 Neubauern verteilt. Schon ab 1948 unterhielt die MAS und spätere MTS Hof in Casabra einen Stützpunkt. 4 Jahre später schlössen sich die ersten Bauern des Dorfes zur L P G Vereinte K r a f t zusammen, die bei ihrer Vereinigung mit der Naundorfer Genossenschaft im Jahre 1965 insgesamt 660 ha Nutzfläche bewirtschaftete. In zwei neuen Ställen hält die L P G 600 Schweine. 1957 entstand als sogenanntes MTS-Haus ein Wohngebäude, 1969 folgte ein weiteres für LPG-Mitglieder. Außer den landwirtschaftlichen Einrichtungen bestehen in Casabra 2 kleinere Betriebe: Der V E B Bau sowie ein Zweigbetrieb des V E B Armaturen Dahlen, der Ventile, Hähne und andere Artikel herstellt, beschäftigen je 25 Personen.

P 3 Wüste Mark Gaumnitz (Abb. 4) heißt ein Flurteil südöstlich von Casabra, der sich zum Gaumnitzhügel (167,4 m ) hinaufzieht. Im Bereich des Hügels und nördlich der Höhe 160,8 m traten bandkeramische Siedlungsfunde zutage. Die Wüste Mark umfaßt 9 Hufen und war ursprünglich in Blöcke und Streifen gegliedert. 7 Hufen bearbeiteten Bauern von Casabra, je eine Bauern von Hohenwussen und von den Jahnaischen Dreidörfern. Das alte Dorf hieß 1280 Kunitz. Sein Name (altsorbisch kuna — Marder) kennzeichnet den Ort, wo es Marder gibt. Um 1547 lag das Dorf, in dem ursprünglich das Jungfrauenkloster Staucha (s. W 7) über umfangreichen Besitz verfügte, wüst. östlich an die Wüste Mark Gaumnitz schließt sich die von Krost (Abb. 4) an, die in alten Verzeichnissen wegen ihrer geringen Größe von 4 Hufen immer zu der von Gaumnitz gerechnet wurde.

P 4 Stennschütz, seit 1950 Ortsteil von Hohenwussen, setzt sich im Unterschied zu den Orten der Umgebung mit ihren großen Vierseithöfen aus einem ehemaligen Rittergut, aus mehreren kleinen Wirtschaften sowie früheren Gutsarbeiterhäusern zusammen. Sie liegen alle in einer Geländemulde um einen Platz, und zwar an der Straße von Naundorf nach Hohenwussen. Entsprechend den früheren Besitzverhältnissen war auch die 161 ha (1900) große Flur in Gutsblöcke bzw. Blockgewanne aufgeteilt. Im Bereich des ehemaligen Rittergutes sind Reste einer überbauten Wasserburg zu erkennen. Die Anlage besaß die Form eines befestigten Hofes, dessen umlaufender Graben trotz wesentlicher Verfüllungen in einzelnen Abschnitten er-

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halten ist, teils wasserführend, teils trocken. Anzeichen eines Turmhügels kön- P 4 nen heute nicht mehr festgestellt werden. Ein Herrensitz ist in Stennschütz erst für das 15. Jahrhundert überliefert, doch bestand die Siedlung selbst schon 1290, damals Stenczyn geschrieben, was Ort des Sderik(o) oder Sdenek bedeutet. Wie das Vorwerk, das wohl aus dem Herrensitz hervorging, unterstand auch das Dorf 1551 grundherrlich dem Rittergut Schweta. 1606 verzeichneten Akten das Vorwerk als Rittergut. Vermutlich vergrößerte es seine landwirtschaftliche Nutzfläche auf Kosten der bäuerlichen, gab es doch 1547/51 noch 7 besessene Mann, 1764 nur 12 Gartennahrungen und 4 Häusler. Durch die Bodenreform wurde der 160 ha große Rittergutsbesitz 1945 aufgeteilt, so daß mehr als 50 Neubauern und landarmen Bewohnern landwirtschaftliche Nutzfläche zugewiesen werden konnte. Die Eindachgehöfte stehen jeweils in Gruppen an drei verschiedenen Stellen des Dorfes.

Zeicha, seit 1950 Ortsteil von Hohenwussen

P 5

Nördlich und nordwestlich vom Dorf wurden viele Steingeräte aus neolithischen Siedlungen geborgen. Ein Herrensitz ist in Zcichowe 1241 nachzuweisen, sein altsorbischer Name bedeutet Ort des Cich. In die grundherrlichen Rechte im Dorf teilten sich 1551 wie auch noch 1764 die Rittergüter Naundorf und Saalhausen, einige Bewohner unterstanden dem A m t Meißen. Zeicha wurde nach einem Brand vom Jahre 1833, dem von 11 Anwesen 6 Bauerngüter und 1 weiteres Haus zum Opfer fielen, in seiner Dorfform verändert. Man errichtete die neuen Höfe weiter an der Ortsperipherie, so daß ein stark aufgelockertes Platzdorf entstand. An die früheren Standorte der Gebäude erinnern noch Keller und Brunnen. Die Lage des Ortes und die frühere Flurform (1900 = 187 ha) gleichen denen der Nachbargemeinden, so Gastewitz (s. P 6 ) . Von der sozialistischen Entwicklung in der Landwirtschaft zeugt eine große Schweinemastanlage am Rand von Zeicha, eine Einrichtung der L P G Neuer Weg Hohenwussen.

Gastewitz, seit 1950 Ortsteil von Hohenwussen,

P 6

1334 Gospodicz — leitet seinen Namen von slawisch gospoda = Herberge, Wirtshaus ab. Das lockere Platzdorf nimmt eine Hangdelle und die beiden angrenzenden flachen Rücken ein. Die Flur des Ortes umfaßte 1900 insgesamt 153 ha und war in gewannähnliche Blöcke und Streifen gegliedert. Im 16. Jahrhundert besaß das Meißner Domkapitel Grundrechte am Ort, später kam das gesamte Dorf unter das Prokuraturamt Meißen. Um 1840 gab es in Gastewitz 14 Häuser, darunter auch die zweiflügelige Windmühle, die bald nach 1945 einem Sturm zum Opfer fiel. Die bäuerlichen Anwesen gliederten sich in 2 Halbhufengüter und 3 größere Pferdnergüter.

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P 6 Im Unterschied zu den meisten Orten der Umgebung bestimmten früher in Gastewitz die Großbauern das soziale Gefüge. Von ihrem Besitz erhielten im Zuge der Bodenreform 1945/46 mehrere Neubauern Land zugewiesen. Die L P G Neuer Weg Hohenwussen verfügte 1973 über eine Maschinenhalle und einen Stall für 400 Milchkühe.

P 7

Dreidörfer, seit 1950 Ortsteile von Hof Schon in einem bischöflichen Steuerregister von 1428 wurden Rochzahn, Salbitz und Weichteritz unter dem Namen Drendorffirn (Dreidörfer) zusammengefaßt. Nach dem Flurkroki von 1835 setzte sich jeder der 3 Orte ursprünglich aus 6 Bauerngütern zusammen. Auch die Flurformen ähnelten sich; es lassen sich für Rochzahn und Weichteritz eine Block- und Streifen-, für Salbitz eine gewannähnliche Streifenflur nachweisen. R o c h z a h n wurde 1284 erstmals urkundlich (Roccen) mit einem Allodium (Vorwerk) erwähnt. Der Name hängt mit altsorbisch rohyt für Weide zusammen. Einer Aufstellung von 1549 zufolge hatten die Einwohner dem Rittergut Stauchitz Frondienste zu leisten, wozu auch Heide-, Bau-, Getreide- und Fisch fuhren g e h ö r t e n (GROSZE 1 9 4 1 ) .

Das Dorf setzt sich zum Teil aus Vier- und Dreiseithöfen zusammen, die die Quellmulde eines kurzen Baches einnehmen, der bei Hof die Jahna erreicht. In dem Weiler haben einige bäuerliche Anwesen noch sichtbares Fachwerk in den Obergeschossen aufzuweisen, so das Wirtschaftsgebäude des Vierseithofes Friedensstraße 19 und das 3,50 m breite Haus Friedensstraße 21. Bei Nr. 24 erhielt sich Fachwerk an den Traufseiten des Obergeschosses sowie am Giebel bis zur Spitze. S a l b i t z erfuhr im Urkundenbuch des Hochstifts Meißen 1150 eine erste urkundliche Erwähnung. Damals schenkte Markgraf KONRAD das Dorf Celewiz {= die Leute des Slawen Zal) der Kapelle im Burggrafenhof zu Meißen. Grundherrlich unterstanden die Bewohner teils dem Erbamt Meißen, teils dem Rittergut Stauchitz, 1820 besaß sogar das Rittergut Zöschau Rechte im Dorf. Zu der 118 ha (1860) umfassenden Flur des erweiterten Bauernweilers gehört eine große Fläche der Wüsten Mark Gaumnitz (s. P 3). Die genossenschaftliche Arbeit in der Landwirtschaft begann im Ort 1952. Damals vereinigten sich einige Bauern zur L P G T y p III Ernst Thälmann, die sich 1969 mit der Genossenschaft in Raitzen (s. Q 2) der L P G Wilhelm Pieck anschloß (s. Q 6). An landwirtschaftlichen Neubauten entstanden zwischen Salbitz und Rochzahn vor 1968 Milchvieh- und Schweineställe. Ihnen gegenüber errichtete die Genossenschaft Gewächshäuser und Foliezelte für Salat- und Gurkenanbau sowie um 1963 eine dazugehörende Vermarktungshalle. Alle Anlagen werden seit 1973 von der Kooperativen Gemüseproduktion in Gleina (s. R 8) genutzt. W e i c h t e r i t z , 1253 Wichartiz geschrieben, gehörte dem Burggrafen vonMeißen.

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Er schenkte 1222 eine der Hufen im Ort dem Kloster zu Staucha (s. W 7). Der P 7 slawisch-deutsche Mischname bedeutet die Leute des Wighart. Die grundherrlichen Verhältnisse entsprachen denen in Salbitz. Das Weichteritzer Gemeinderecht von 1655 legt Zeugnis davon ab, welche Vorsicht im Umgang mit Feuer die damalige Holzbauweise der Gebäude erforderte. So wurden das Backen an Sonntagen während der Predigten, das Pfeiferauchen sowie das Flachstrocknen an den Öfen bei Geld- oder Gefängnisstrafe verboten ( G R O S Z E 1941). Im Unterschied zu den weilerartigen Dorf formen von Salbitz und Rochzahn gruppieren sich die Gehöfte in Weichteritz um einen als Sackgasse abgeschlossenen Platz. Sie grenzen unmittelbar an Rochzahn an. Der Besitz des größten Bauerngehöftes wurde 1945 im Zuge der Bodenreform an 13 Neubauern aufgeteilt, die zum Teil in den früheren Wirtschaftsgebäuden unterkamen, zumeist aber an der Jahnaer Straße Eindachgehöfte erbauten. Das Wohnhaus desselben Gutes, Lindenstraße 12, stammt aus dem Jahre 1875 und nahm nach 1945 den Kindergarten auf. Nasenberg, seit 1974 Ortsteil von Hot,

Q 1

gehörte seit 1950 zu Raitzen und besteht aus einigen früheren Bauerngü'ern und kleinen Häusleranwesen, die sich um einen Platz gruppieren, sowie aus einem ehemaligen Vorwerk am südlichen Ortsrand. Auch das Einzelgehöft Juchhöh, etwa l km südlich des Dorfes an der Straße Stauchitz —Oschatz gelegen, gehört zu Nasenberg. Die 176 ha (1900) große Flur umfaßt außer dem Waldgebiet der Haage (s. K 4) ausschließlich Ackerland, das früher in Gutsblöcke des Vorwerks sowie Blöcke und Streifen der Bauern aufgegliedert war. Die von 1334 bekannte Schreibweise des Ortsnamens, der als Siedlung am nasenähnlichen Bergvorsprung zu deuten ist, gleicht der heutigen. Schon an der Wende zum 16. Jahrhundert bestand im Dorf ein Vorwerk. Es gehörte zum Rittergut Hof, das seit mindestens 1551 die grundherrlichen Rechte über die Bewohner von Nasenberg besaß. Die im Vorwerk eingerichtete Schäferei umfaßte um 1815 insgesamt 1370 Tiere. Sie bildete noch gegen 1900 mit dem Rittergut Hof und dem Vorwerk Raitzen einen selbständigen Gutsbezirk. !973 waren die Bauern von Nasenberg noch auf 2 landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften verteilt: Einige bildeten die L P G T y p I Frieden und Wohlstand, die etwa 60 ha Nutzfläche bearbeitete, die anderen gehörten zur L P G T y p III Wilhelm Pieck (s. Q 6), die in modernisierten Altställen von Nasenberg mit der Bullenhaltung begann. Raitzen, seit 1974 Ortsteil von Hof,

Q2

liegt als regellos gestaltete ehemalige Gutssiedlung beiderseits eines kurzen Nebenbaches der Jahna, der in einem Teich im Bornbusch westlich des Ortes entspringt. 1501 wurde das Dorf als Raczen erwähnt. Der altsorbische Name ist wohl als Siedlung eines Rae zu deuten.

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Mehrere Jahrhunderte lang befand sich im. Ort ein Vorwerk, das immer mit dem Rittergut des benachbarten Hof (s. Q 6) verbunden war. Ihm gehörte 1820 fast die gesamte 235 ha große Flur (s. Tabelle B), die in Gutsblöcke aufgeteilt war. Die damals 1 1 3 Einwohner der 14 Häusleranwesen, eines Drescherhauses und einer Mühle waren überwiegend als Tagelöhner des Gutes beschäftigt. Ihre wenigen Parzellen lagen in den benachbarten Fluren von Hof und Reppen. Um 1900 lebten in Raitzen 156 Leute. Im 18. Jahrhundert war es wie heute von kleinen Gehölzen umgeben, in denen früher Fasanen für die herrschaftliche Jagd gehegt wurden, und die dem Gebiet das typische Aussehen einer Auenlandschaft verleihen. Zu den Vorwerksgebäuden zählte die sogenannte Teufelsscheune. Nachrichten über Erneuerungsarbeiten liegen aus den Jahren 1414, 1 5 1 7 , 1697 u n d 1819 vor. Als größte Scheune Sachsens maß sie 64 m in der Länge, 20 m in der Breite und 27 m in der Höhe; die Mauerstärke betrug bis zu 1,50 m. Nach dem Brand vom 8. Dezember 1908 erhielt das Gebäude ein neues Dach, bis es 1935 abgebrochen wurde. Einer Sage nach soll der Teufel an dern Bau der Scheune beteiligt gewesen sein. Das Vorwerk kam nach dem finanziellen Zusammenbruch des letzten Besitzers 1928 zur Zwangsversteigerung. Lediglich ein sogenanntes Restgut blieb mit etwa 90 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche bestehen. Von dieser Vierseitanlage erhielten sich 3 Gebäude bis heute, in einem ist der Kindergarten untergebracht. Einen weiteren Teil des Vorwerklandes kaufte damals die Baugenossenschaft Sächsische Bauernsiedlung und parzellierte ihn in Siedlerstellen. Zwischen der Haage und dem Dorf Reppen erhielten 7 Bauern daraus Nutzfläche und Wald zugeteilt. Sie bauten sich 1935 auch eine neue Siedlung mit dem Namen Haage, die heute als Ortsteil zu Hof gehört. Unweit des Vorwerkrestgutes stehen ehemalige Drescherhäuser, beispielsweise Nr. 6, 6a, 6b und 6c, in denen sich vor allem Wohnungen befinden. Die frühere Mühle von Raitzen, Anwesen Nr. 1, dient ausschließlich Wohnzwekken. Das ehemalige Restgut wird jetzt von der 1952 gegründeten L P G T y p I I I Wilhelm Pieck Hof teilweise als Verwaltungssitz genutzt. Ihr schlössen sich die Bauern der L P G T y p I Juchhöh und Einigkeit sowie die der Ortsteile Haage und Nasenberg (s. Q 1) an. Die landwirtschaftliche Nutzfläche von etwa 700 ha wird seit 1973 von der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion in Stauchitz (s. Q 5) bearbeitet. Für die Milchviehhaltung entstanden 1968 bis 1969 Ställe für 600 Kühe, und auch in dem ehemaligen Restgut sind Kühe untergebracht. Auf der Flur von Raitzen stehen zwei Bäume als Naturdenkmale unter Schutz. Eine Stieleiche mit etwa 4,20 m Umfang hat ihren Standort am südöstlichen Dorfende nahe am Bach und eine in diesem Gebiet seltene Fichte von 2,20 m Umfang am Waldrand an der Straße nach Reppen.

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Hahnefeld, seit 1950 Ortsteil v o n B l o ß w i t z , liegt zwischen der J a h n a und dem H a n g des 122 m hohen Kirschberges. Nördlich dieser E r h e b u n g schließt sich der 132,8 m erreichende K r a h e n b e r g an, v o n d e m wahrscheinlich ein bronzener Trinkhornendbeschlag (Abb. 14,6) aus d e m 7. Jahrh u n d e r t v . u. Z. s t a m m t . D e r F u n d ist gekennzeichnet durch geometrische V e r zierung, einen R i n g m i t eingehängten K l a p p e r b l e c h e n in stilisierter Menschenf o r m und einen B r o n z e a u f s a t z m i t der f ü r diese Zeit typischen V o g e l g e s t a l t . A m S ü d h a n g des e t w a 1 k m entfernten, 141,1 m hohen Mühlberges d e h n t sich nordnordöstlich des Ortes ein Gräberfeld aus. A u s mehreren B r a n d b e s t a t t u n g e n k a m e n zahlreiche keramische B e i g a b e n aus der jüngeren bis j ü n g s t e n B r o n z e z e i t zutage, a u ß e r d e m kleine Bronzeperlen. In Hanveit ist 1296 ein Herrensitz bezeugt, 1496 ein V o r w e r k des R i t t e r g u t e s Stösitz. 1 7 1 4 w a r es ein selbständiges R i t t e r g u t , zu d e m 1830 ein W o h n h a u s , 2 W i r t s c h a f t s g e b ä u d e und ein B a c k h a u s zählten. Dementsprechend w a r die 144 h a (1900) große F l u r überwiegend in G u t s b l ö c k e gegliedert. 1334 schrieb m a n den O r t s n a m e n Haneveld, das soviel wie das F e l d beim H a g e n , W a l d bedeutet. E i n Gehölz beim 1,5 k m entfernten R a i t z e n f ü h r t die Bezeichn u n g H a a g e (s. K 4). Zwischen beiden D ö r f e r n e r s t r e c k t sich ein Wiesental, in d e m K o r b w e i d e n a n g e p f l a n z t sind. Die R u t e n v e r a r b e i t e t eine B e t r i e b s s t ä t t e der Genossenschaft des K o r b m a c h e r h a n d w e r k s . D i e bäuerlichen Dreiseithöfe v o n H a h n e f e l d ordnen sich u m eine Gasse. A n mehreren v o n ihnen, so bei Nr. 16, 17 und 18, haben sich an den TraufSeiten v o n W o h n - und W i r t s c h a f t s g e b ä u d e n Fachwerkobergeschosse erhalten. D u r c h die B o d e n r e f o r m entstanden 1946 in H a h n e f e l d 10 Neubauernstellen. Ihre B e s i t z e r k a m e n in R i t t e r g u t s g e b ä u d e n b z w . in erweiterten früheren Gutsarbeiter- und Drescherhäusern unter. E i n Stall des Gutes diente 1974 der L P G N e u e r W e g in S t a u c h a zur R i n d e r h a l t u n g (s. W 7).

Bloßwitz, K r e i s Riesa, erweckt, v o n der Eisenbahnstrecke R i e s a — K a r l - M a r x - S t a d t aus gesehen, den E i n d r u c k eines hoch gelegenen Ortes, z u m a l w e n n der Zug, v o n S t a u c h i t z k o m mend, bei P a n i t z in die J a h n a - A u e einfährt. V o n hier b i e t e t die Kirche, die sich e t w a 10 m über der B a c h n i e d e r u n g erhebt, einen beherrschenden A n b l i c k . D a s Straßendorf selbst hingegen fällt n a c h S ü d w e s t e n zu ab. D e r V o l k s m u n d bezeichnet B l o ß w i t z w e g e n seiner K i r c h e als K e r c h e n - B l o d s z u m Unterschied v o n Dürren- oder Derrn-Blods f ü r P l o t i t z auf der anderen Seite des Tales. D e r O r t s n a m e — 1226 Blosewitz — g e h t auf eine altsorbische Personenbezeichnung Bloä zurück. D i e erste N e n n u n g verzeichnet einen später wieder v e r s c h w u n d e n e n Herrensitz. Grundherrliche R e c h t e ü b t e z u n ä c h s t das R i t t e r g u t R a g e w i t z , seit d e m 17. J a h r h u n d e r t das in G r u b n i t z über die B e w o h n e r a u s . 1820 lebten im O r t 5 B a u e r n , 3 Gartennahrungsbesitzer und 13 H ä u s -

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Q 4 1er. Die bäuerliche Flur gliederte sich in Blöcke und Streifen; ihre Größe beträgt einschließlich der Anteile an der Wüstung Böhla nur 131 ha. Die im 15. Jahrhundert erbaute Kirche erhielt ihre jetzige Gestalt in den Jahren 1697 bis 1699. Dem breiten Turm setzte man 1870/71 das achteckige Obergeschoß mit gedrungener Haube und zierlicher Laterne auf. Eine Restaurierung 1932 legte Malereien aus dem 17. Jahrhundert auf den unteren Brüstungsfeldern der doppelstöckigen Emporen frei. Den großen Kanzelaltar, einen hohen Holzaufbau mit vergoldeten Schnitzereien, schuf 1705 der Meißner Bildhauer Valentin W A L T H E R . Der Holzbildhauer Pancratius G R U E B E R , der etwa 1510 bis 1525 in Großenhain tätig war, schnitzte die an der Südwand des Kirchenschiffes hängende Vesperbildgruppe. Sie ist der Rest des gotischen Altars der älteren Bloßwitzer Kirche. Aus der Werkstatt des Bildhauers Hans K Ö H L E R , der 1565 bis 1606 in Meißen lebte, stammen zwei sehr gut erhaltene, etwa 2 m hohe Sandsteingrabmäler sowie das 1607 aus Sandstein errichtete große Wandepitaph des Dietrich von S C H L E I N I T Z (f 1592). Unter dem Kirchhof muß ein frühgeschichtlicher Ringwall vermutet werden, für den allerdings noch die bestimmenden Funde fehlen. Im Ortsbild von Bloßwitz fällt das Gebäude Nr. 13 nahe am Friedhof durch sein traufseitiges Fachwerkobergeschoß auf. Es handelt sich um das Schulhaus von 1802, das als Kindergarten genutzt wird, seitdem die Schüler in Ragewitz (s. L 6) ihren Unterricht erhalten. Neben einigen Dreiseitgehöften, oft mit Fachwerkobergeschossen, und kleinen Wirtschaften sei die geräumige vierseitige Anlage Nr. 24 erwähnt. Der von der LPG Freundschaft Stösitz (s. R 3) genutzte Hof bewahrt am Pferdestall eine dreibogige Kumthalle. Alle Gebäude tragen — als Seltenheit in dem Gebiet — eine Schieferbedeckung.

Q 5 Stauchitz, Kreis Riesa Die 248 ha (1900) große Flur von Stauchitz erstreckt sich auffallend weit nach Südosten. Sicherlich gehören zu ihr wüstgefallene Gemarkungen, wie beispielsweise südlich nach Hof zu die von Walditz. Auf der Dorfflur konnten bisher zahlreiche Beweise ur- und frühgeschichtlicher Besiedlung sichergestellt werden. Nordöstlich des Bahnhofs zieht sich rund um die Höhe 126,1 m eine reiche Fundstelle hin. Wir kennen von dort Gräber der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik, ein Körpergräberfeld der Aunjetitzer Kultur aus der ältesten Bronzezeit, ferner ein großes Urnengräberfeld, das von der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur bis in die germanische Latenezeit reicht. Weiterhin kamen Gegenstände der älteren Kaiserzeit zutage, so römische Kasseroiteile, eine Schale aus Weißbronze, eine Eisenaxt und ein Silberring, sowie slawische Keramik. Auf dem 139,6 m hohen Krähenberg nordöstlich vom Ort wurden Gräber der ältesten Bronzezeit, Brandgräber der Latenezeit und slawische Siedlungsreste geborgen. Auf dieser Anhöhe wurde nach 1922 ein parkartig gestalteter Eichenhain mit einem Denkmal aus Quarzporphyr angelegt. 162

Dicht daneben steht auch ein Triangulationsstein der sächsischen Landesvermessung von 1866/71. Frühzeitig treten in Urkunden adlige Grundherren mit dem Namen Stauchitz auf. Die erste sichere Nennung des Ortes liegt jedoch erst von 1428 als Stwchewicz vor (Erklärung s. W 7 ) . An einen befestigten Sitz erinnert vielleicht der Name Wahl für eine Erhebung am Rand der Aue. Die ursprüngliche Anlage zeigt eine Gutssiedlung sowie Straßen- und zellenförmige Häuslerabbauten. Auch heute lassen sich in Stauchitz mehrere Dorfteile unterscheiden. Einer gruppiert sich um das ehemalige Rittergut in der Jahna-Aue mit der früheren Mahl-, Schneide-und Ölmühle, seit 1884 Pappmühle. Ihren Betrieb legte man um 1930 still und baute die „ F a b r i k " zu Wohnungen um. Eines ihrer Gebäude weist Fachwerkobergeschoß und Krüppelwalmdach, im Haustürschlußstein die Jahreszahl 1830 auf. In der nahen Kiesgrube stellte man bronzezeitliche und slawische Siedlungsgruben fest. Ein weiterer Dorfteil zieht sich als Häu'slerzeile in der Aue hin, wo die Alte Poststraße den rechten Arm der Jahnaniederung quert. Als dieser frühe Verbindungsweg (s. B 6) im Jahre 1725 hierher verlegt wurde, erhielt Stauchitz' eine Poststation mit Pferdewechsel. Dieses zweigeschossige Gebäude mit 7 Fenstern Front besitzt ein hohes Ziegelwalmdach mit 2 Reihen Dachgaupen. Nachdem die Station 18 i6 v wieder aufgehoben worden war, richtete man darin einen Gasthof ein, die heutige Konsum-Gaststätte Zur Alten P.ost; das Gebäude steht unter Denkmalschutz. In seiner Nähe siedelten sich Geschäfte an, auch solche mit überörtlicher Bedeutung. Diesen beiden ältesten Ortsteilen schließen sich mehrere jüngere an, so beiderseits der Eisenbahnlinie Riesa—Karl-Marx-Stadt einViertel mit Bahnhof und Post, Rathaus und Gewerbebetrieben, wie dem V E B Früchtever Wertung. Das neue Stauchitz entsteht längs der Riesaer Straße auf dem 'ehemaligen Galgenstück östlich der Bahnlinie bis zum Krähenberg, wo bereits seit 1972 einige Häuser mit je 36 Wohnungen errichtet worden sind. Das anschließende Gelände zwischen der Alten Poststraße und der Riesaer Straße wurde für weitere Gebäude einschließlich einer neuen Schule ausgewählt. A m Westhang des i 4 i , 3 m hohen Weinberges zieht sich ein Komplex aus Ambulatorium und Wohnhäusern hin, 1973/74 durch Wohngebäude für Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft erweitert. Ein bedeutender Teil der werktätigen Bevölkerung fährt aber täglich nach Riesa zur Arbeit in die dortigen Betriebe. Das ehemalige Rittergutsherrenhaus wurde 1946/47 abgebrochen und das Baumaterial an 18 Neubauern verteilt. Die 1828/29 errichteten Wirtschaftsgebäude gestaltete man zu Wohnungen und Ställen um. Der ehemalige Schloßgarten dient jetzt der Kooperativen Gemüseproduktion Gleina (s. R 8) als Gärtnerei. Durch die Bodenreform ging 1945 das Rittergutsland an Neubauern über. Diese schlössen sich nach 1952 zur L P G T y p I I I Neuer Weg zusammen, die bis zur Bildung einer Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion in Stauchitz 12

Oschatz

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Q 5 *973 über 1500 lia landwirtschaftliche Nutzfläche verfügte. Dem KAP-Bereich gehören außerdem die L P G F r e u n d s c h a f t Stösitz, F o r t s c h r i t t Seerhausen, A u f b a u Mautitz sowie im Kreis Oschatz die L P G Wilhelm Pieck Hof an. Seine gesamte Bearbeitungsfläche beläuft sich auf 4 476 ha, von denen nur 323 h a als Grünland dienen. 1974 wurde auf etwa 60% des gesamten Areals Getreide angebaut.

Q 6 Hof, Kreis Oschatz, b e s t e h t aus einer Gutssiedlung m i t einem ehemaligen R i t t e r g u t in der Aue der J a h n a sowie aus Häuslerzeilen a n zwei Wegen. Die ehemaligen schmalen Häusleranwesen J a h n a t a l g a s s e 1, 3, 5, 6 u n d 1 4 ' u n d H a u p t s t r a ß e 19 besitzen sichtbares Fachwerkobergeschoß o f t n u r noch hofseitig. I h r e Giebel sind teilweise v e r b r e i t e r t . An den Häusern J a h n a t a l g a s s e 5 und 6 weisen Ausbauten im Erdgeschoß auf früheres Umgebinde hin. Der übrige O r t l ä ß t neben verstreuten Einzelgehöften einen Rundweiler erkennen. W ä h r e n d die einzelnen Bauernhöfe sicli insbesondere beiderseits der Dorf Straße hinziehen, liegt der Weilerkern n a h e der Kirche. Die Einteilung der 506 h a (1900) großen Flur zeigte die f ü h r e n d e Stellung des Rittergutes. I h m gehörten im Süden u n d Osten des Ortes Blöcke, die bäuerliche Gemarkung lag dagegen im Norden des Dorfes u n d war in blocltgewannähnliche Streifen eingeteilt. Beide Teile u m f a ß t e n Wüstungsflächen von Krost (nordwestlich vom Ort) und Walditz (östlich v o m Dorf). Zwischen Hof und Stauchitz befindet sich im Gelände südwestlich der früheren Pappenfabrik, und zwar zwischen der Straße und einem N e b e n a r m der J a h n a , die Wallanlage Burgberg. D u r c h Überackern des Geländes u n d den Kiesabbau ging ein Teil des geschützten R a u m e s verloren, der an sumpfiges Gelände angrenzt und nach Südosten zu einen Vorwall besitzt. Viele F u n d e aus altslawischer Zeit, die Lage in der J a h n a - A u e sowie die Größe von etwa 5 h a und die historische Überlieferung deuten darauf hin, d a ß es sich bei der Wallanlage u m die H a u p t f e s t u n g G a n a der Daleminzier handeln d ü r f t e , die HEiNRiCHl.ini J a h r e 929, vor der G r ü n d u n g der Burg Meißen, nach langer Belagerung einnahm und vernichten ließ (WIDUKIND 1931). I n demselben Gelände befinden sich im Bereich der H ö h e 129,7 m auch bronzezeitliche und jungsteinzeitliche Siedlungshinterlassenschaften . Südlich des Burgberges t r a t e n in größerer Anzahl bronzezeitliche u n d eisenzeitliche Siedlungsfunde auf. Slawisches Material weist auch auf eine N u t z u n g des Vorgeländes der B u r g hin. In dasselbe Gebiet gehören reiche Gefäßfunde vom E n d e der Jungsteinzeit, so von der Glockenbecherkultur, u n d von der anschließenden ältesten Bronzezeit (Aunjetitzer Kultur). I m westlichen Bereich des ehemaligen Rittergutes Hof befindet sich eine ü b e r b a u t e und veränderte Wasserburg m i t einem noch teilweise wasserführenden Graben. In die Anlage ist zweifellos der Wirtschaftsbereich mit einbezogen. Die

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früheste urkundliche Überlieferung des Dorfes von 1264 verweist durch die Q 6 Schreibung Hove vermutlich auf diesen Herrenhof. 1790 beteiligten sich die Hofer Gutsuntertanen am sächsischen Bauernaufstand. A m 25. August forderten die empörten Bauern vom Rittergutsbesitzer schriftlich den Verzicht auf alle Zinsen, Dienste und Fronen sowie auf den Gesindezwang. Als Abgeordnete der Untertanen mit dem Schreiben nach Dresden reisten, um die kurfürstliche Bestätigung zu erlangen, wurden 4 von ihnen in Arrest genommen. Der letzte Rittergutsbesitzer geriet 1928 in Konkurs. Aus dem L a n d gingen 6 Bauerngüter mit je 1 5 bis 20 ha und 4 Gärtnereien mit je 3 ha Fläche hervor. D a s ehemalige Schloß Hof setzt sich aus zwei getrennten, aber benachbarten Gebäudekomplexen zusammen, dem alten und dem neuen Schloß. Die alte Anlage besteht aus zwei im Winkel zueinander befindlichen Flügeln, entstammt der Zeit um 1570 und wurde im Renaissancestil errichtet. Von einem Vorgängerbau erhielten sich an ihrem Nordgiebel einige Mauerreste. Das alte Schloß dient jetzt ausschließlich Wohnzwecken. Das neue Schloß (Bild 1 1 ) , eine Barockanlage aus der Zeit nach 1750, besteht aus zwei im rechten Winkel aneinandergebauten Flügeln. Der zwischen ihnen befindliche 7 Geschoß hohe Treppenturm stammt vermutlich aus dem 1 7 . Jahrhundert. Das Schloß dient als Schule, seitdem das alte Unterrichtsgebäude mit seinen 2 Räumen im J a h r e 1947 den Kindergarten aufnahm. Zum Einzugsbereich dieser polytechnischen Oberschule, die den Namen von Richard S O R G E trägt, gehören außer Hof mit den Dreidörfern noch Raitzen und Nasenberg. V o m ehemaligen Schloßpark wurde der größere Teil nach 1945 f ü r die MaschinenTraktoren-Station abgetrennt, heute ein Betriebsteil des Kreisbetriebes f ü r Landtechnik Oschatz. Eine ebenfalls nach dem zweiten Weltkrieg geschaffene Kleingartenanlage dehnt sich im Anschluß bis zur Mühlaue aus. Die verbliebene Parkfläche steht unter Naturschutz und enthält alte Baumbestände. Von den zahlreichen Sandsteinfiguren aus der Zeit von 1730 bis 1780 erhielten sich Bacchus und Bacchantin sowie die Andromeda. Nachdem der ehemalige Schloßpark der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, entstanden eine Freilichtbühne und durch Umbau einer Baracke 1966 die Parkgaststätte. Die stattliche Kirche — von 1692 bis 1697 erbaut — erhebt sich im nördlichen Teil des Dorfes. Sie wurde vermutlich von Johann Gregor F U C H S errichtet. Der rechteckige Saal besitzt einen eingezogenen polygonalen Chor und einen Westturm. Den mächtigen Altar schuf wahrscheinlich Andreas S C H U L T Z E aus Torgau im J a h r e 1624. E s handelt sich dabei um einen zweigeschossigen Sandsteinaufbau mit Säulengliederung, Alabasterreliefs und Gemälden auf Zinkblech. Die Kanzel der Kirche ist mit der Jahreszahl 1573 datiert; der Taufstein, eine achteckige Schale, geht auf die Zeit um 1600 zurück. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert erhielten sich mehrere Grabdenkmäler. I m P f a r r g u t neben der Kirche fallen das 1 7 3 3 errichtete Fachwerkwohnhaus sowie die Fachwerkscheune auf. E i n weiteres Beispiel früherer ländlicher Bauweise bietet der ehemalige Gasthof an der Hauptstraße, ein Gebäude mit Fachwerkobergeschoß auf massivem Unterbau und mit hohem, abgewalmtem 12*

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Q 6 Ziegeldach. Die ehemalige Wassermühle an der F 169 arbeitete 1973 m i t elektrischem Strom als Schrotmühle. U m die Wohnverhältnisse der E i n w o h n e r zu verbessern, errichtete die Gemeinde Hof an der Salbitzer Straße und an der H a u p t s t r a ß e 1953/54 u n ( l 1963 Häuser mit je 18 W o h n u n g e n . E i n Freibad b e f i n d e t sich im J a h n a t a l in R i c h t u n g Stauchitz. In Hof gründeten B a u e r n i960 die L P G T y p I Neue Zeit, die sich später mit der Genossenschaft in Salbitz zur L P G T y p I I I W i l h e l m P i e c k vereinigte. 1 1 8 0 h a gehörten 1972 der Genossenschaft, die 200 Mitglieder zählte. Seit 1973 bearbeitet die K A P Stauchitz, Kreis Riesa, die landwirtschaftliche N u t z f l ä c h e . Neben d e m A c k e r b a u k o m m t in Hof dem Gemüseanbau besondere B e d e u t u n g zu. i960 ging aus 6 p r i v a t e n Gartenbaubetrieben die G P G J a h n a t a l hervor, deren 16 Mitglieder anfangs 16 h a N u t z f l ä c h e bewirtschafteten. Die Gemüsefelder können mit W a s s e r der J a h n a beregnet w e r d e n ; in den Gewächshäusern w e r d e n J u n g p f l a n z e n und Treibgemüse erzeugt. Seit 1973 werden die Gemüseflächen der L P G W i l h e l m Pieck und die der G P G J a h n a t a l v o n der K o o p e r a t i v e n Gemüseproduktion Gleina b e w i r t s c h a f t e t (s. R 8).

R 1

Grubnitz, seit 1950 Ortsteil v o n B l o ß w i t z Südwestlich v o n G r u b n i t z befand sich zwischen der Eisenbahnlinie Riesa — K a r l - M a r x - S t a d t und d e m J a h n a t a l eine germanische Siedlung der älteren Kaiserzeit. Die sichergestellten K e r a m i k r e s t e sind m i t R ä d c h e n m ä a n d e r n verziert. D e r O r t s n a m e — u m 1320 Grobanuwicz — l ä ß t sich v o n einer altsorbischen Personenbezeichnung ableiten und b e d e u t e t L e u t e des Gruban. 1350 wird im Dorf ein Herrensitz e r w ä h n t , der sich später zum R i t t e r g u t entwickelte. D e m entsprechend w a r auch die F l u r v o n 122 h a (1839) überwiegend in Gutsblöcke aufgeteilt. 1748 w o h n t e n in der Gutssiedlung, die den ziemlich steilen N o r d h a n g des J a h n a t a l e s einnimmt, 2 B a u e r n und 14 Häusler, v o n denen die meisten als Drescher für das R i t t e r g u t arbeiteten. Zu den Häuslern zählten a u c h der Schmied und der Stellmacher. Eine W a s s e r m ü h l e geht auf das Jahr 1378 zurück. Sie stellte ihren B e t r i e b in der Mitte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein und wurde d a n n f ü r W o h n z w e c k e u m g e b a u t . Die R i t t e r g u t s a n l a g e u m f a ß t e 1820 Wohn-, Schütte und Brauhaus, ferner Ställe, Schäferei, Scheunen sowie Spritzenhaus. V o n den G e b ä u d e n blieben nur noch wenige erhalten. D a s frühere Gutsland k a m an 13 Neubauern, die sich später der L P G in Stösitz anschlössen (s. R 3). Mehrere E i n d a c h g e h ö f t e sowie Einfamilienhäuser füllen die L ü c k e zwischen Grubnitz und R a g e w i t z . G r u b n i t z z ä h l t auf Grund der N ä h e zum J a h n a t a l (s. M 2) zu den Naherholungszielen der Riesaer Einwohner. Sie können den O r t auf einem F u ß w e g erreichen, der a m Fluß entlangführt.

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Plotitz, Kreis Riesa Ursprünglich bildete P l o t i t z nur ein kleines bäuerliches R u n d p l a t z d o r f a m H a n g des Mehltheuerbaches, w e n i g oberhalb v o r dessen M ü n d u n g in die J a h n a . N a c h Süden schließt sich eine später errichtete Zeile früherer Gartennahrungen und Häusleranwesen an, deren B e w o h n e r grundherrlich dem R i t t e r g u t Stösitz unterstanden. D e r P l o t i t z e r D o r f f o r m entsprechend, w a r die 265 h a (1900) große F l u r in gewannähnliche Streifen und B l ö c k e aufgeteilt. Sie schließt vielleicht einen Teil v o n W ü s t u n g e n a m E i c h b e r g und a m S ü d h a n g des B l a u e n Berges über d e m L a n g e n Teich ein, den OBERREIT auf seiner K a r t e a m Mehltheuerbach eingetragen hat. V o r 1190 g a b es in Biotitz einen Herrensitz. D e r O r t s n a m e gehört zum altsorbischen bloto = S u m p f , K o t , w a s sich auf die B o d e n b e s c h a f f e n h e i t der T a l a u e z u r ü c k f ü h r e n l ä ß t . A l s umgangssprachliche F o r m ist Dürren-Plotitz (s. Q 4) bekannt. I m Jahre 1820 w o h n t e n im O r t 5 Bauern, 14 G ä r t n e r und 9 Häusler, außerdem g a b es eine Schenke, ein B a c k - u n d ein Hirtenhaus. N a c h der B o d e n r e f o r m 1945 h a t sich das Dorf durch Neubauernhöfe in R i c h t u n g Seerhausen erweitert, deren Besitzer R i t t e r g u t s l a n d v o n Stösitz erhielten. 9 Betriebe gehörten zur ersten u m 1955 gegründeten L P G . H e u t e arbeiten die B a u e r n in der L P G F o r t schritt Seerhausen (s. L 5), viele B e w o h n e r gehen täglich einer B e s c h ä f t i g u n g in Riesaer Betrieben nach.

Stösitz, seit 1937 Ortsteil v o n P l o t i t z

R 3

Die ältesten b e k a n n t e n schriftlich überlieferten F o r m e n sind Stesciz (1283) und Steschicz (1334). D e r N a m e des D o r f e s g e h t auf eine altsorbische Personenbezeichnung Sdech, Stes oder S t a s = K u r z f o r m v o n Stanislaus zurück. Nordöstlich v o m ehemaligen R i t t e r g u t liegt in der sumpfigen A u e des Mehltheuerbaches eine Insel m i t einem Durchmesser v o n 20 m, umgeben v o n einem 2 bis 3 m breiten wasserführenden Graben. E s handelt sich dabei u m den R e s t einer frühdeutschen W a s s e r b u r g und o f f e n b a r u m den für 1283 erwähnten Herrensitz. A u c h der ältere zugehörige W i r t s c h a f t s h o f ist, nach alten K a r t e n zu urteilen, v o n einem Graben in V i e r e c k f o r m umgeben gewesen. D a s spätere R i t t e r g u t gruppierte sich z u s a m m e n m i t den wenigen G e h ö f t e n und Häusleranwesen zu einem Gutsweiler. D a s Dorf t r e n n t der unterste Mehltheuerbach v o n seinem H a u p t o r t . V o n den R i t t e r g u t s a n l a g e n b e s t e h t j e t z t noch das frühere Brennereigebäude, n a c h U m b a u ist es der Sitz des R a t e s der Gemeinde P l o t i t z geworden. D a n e b e n arbeitet seit 1972 eine R e p a r a t u r w e r k s t a t t der K A P S t a u c h i t z (s. Q 5). Die 100 h a große F l u r w a r früher überwiegend in Gutsblöcke aufgeteilt und gehörte bis 1945 dem R i t t e r g u t . D u r c h die B o d e n r e f o r m erhielten 1946 i n s g e s a m t 22

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R 3 Neubauern Land zugewiesen, von denen 10 die typischen Eindachgehöfte erbauten, 5 davon am Weg nach Dobernitz (Nr. 33 bis 37). Die L P G Freundschaft, die den Gasthof 1973/74 z u einem Kulturhaus umgestaltete und erweiterte, beschäftigt sich mit Rinderzucht und Milchwirtschaft. Im Anschluß an die Reihe von Neubauernhöfen errichtete sie 1969 einen Stall für 480 Kühe, dem Bergeräume und Silos angegliedert sind.

R 4 Mehltheuerbach Der etwa 7 km lange Mehltheuerbach entspringt zwischen Barmenitz und Striegnitz in i 5 o m ü . NN und fließt zunächst nach Norden. Bevor er die Alte Poststraße kreuzt, sperrt bei Roitzsch ein Erddamm das Tal ab und staut das Wasser (s. R 9 ) . Südwestlich von Mehltheuer wendet sich der Lauf vor dem Höhenrücken des Blauen Berges zum Jahnatal (112 m ü. NN) hin. Der Mehltheuerbach erreicht bei Plotitz ein Wäldchen, das im Wegenetz und in den Resten steinerner Plastiken teilweise noch den ehemaligen Gutspark verrät. Hier zeigt sich im Frühling ein ausgesprochen reichhaltiger Pflanzenteppich aus Hoher Schlüsselblume (Primula elatior), Weißem und Gelbem Buschwindröschen (Anemone nemorosa, A. ranunculoides) und Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava) mit seinen beiden Varietäten purpurn oder weißlich gefärbter Blüten. Den Wasserlauf entlang finden wir Mädesüß (Filipendula ulmaria), Braunen und Sumpfstorchschnabel (Geranium phaeum,. G. palustre), Gelbe Wasserschwertlilie (Iris pseudacorus) sowie den Quellmerk (Sium erectum), der im Park bei Plotitz besonders häufig wächst.

R 5 Panitz, seit 1937 Ortsteil von Plotitz, ist ein Bauernweiler, dessen altsorbischer Ortsname — 1279 Panitz — Leute des Pan, des Herrn, bedeutet. Die Bewohner standen unter der Grundherrschaft des Rittergutes Stösitz, einige auch unter der der Rittergüter Hof und Staucha. Das 135 ha (1860) große Bauernland war in gewannähnliche Streifen eingeteilt. Die Panitzer Anwesen lagen zunächst am rechten Jahna-Arm im „Loch". Nach 1870 wurden 3 Gehöfte weiter abseits, und zwar an die vorbeiführende Straße Stauchitz —Plotitz verlegt. Als Ursache dafür können Brände gelten, wie auf einer Steintafel in einem der Torpfeiler an Haus Nr. 12 zu lesen ist. Gleichzeitig mag man aber von den neuen Plätzen aus mit größeren Maschinen einen leichteren Zugang vom Hof auf die Felder erreicht haben. An ihrer alten Stelle verblieb die ehemalige Mahl-, Öl- und Schneidemühle. Sie hieß auch Klostermühle, da sie zeitweise Eigentum des Stauchaer Klosters (s. W 7) war. Die Bauern arbeiten seit Beginn der genossenschaftlichen Entwicklung auf dem Lande in der L P G Freundschaft Stösitz (s. R 3).

168

Pöhsig, seit 1935 Ortsteil von Staucha An der Alten Poststraße (s. B 6) von Stauchitz nach Klappendorf liegt das frühere Vorwerk Pöhsig des Rittergutes Oberstaucha. Sein Bestehen läßt sich urkundlich erstmals für 1541 nachweisen. Vorher bestand ein Waldstück Besekowe (1261), 1544 die Beske genannt, dessen Name möglicherweise auf altsorbisch bez = Holunder zurückzuführen ist. O B E R R E I T (1839/40) verzeichnet den Pösig Wald, der bei Erscheinen des Atlasses bereits abgeholzt war, westlich davor das Pösig Haus und dicht am Ostrand von Dobernitz den Poesig Berg. Nordöstlich von Pöhsig befinden sich am Rand einer Quellmulde die vollständig eingeebneten Reste einer mittelalterlichen Wasserburg. Die Anlage war am Anfang des 18. Jahrhunderts vermessen und lokalisiert sowie von O B E R R E I T als altes Schloß in einem Gehölz gekennzeichnet worden. Nach der Bodenreform 1945 kamen zu dem früheren Vorwerk 2 Neubauernhöfe hinzu. Die Wirtschaftsgebäude des Gutes übernahm die L P G Neuer Weg in Staucha (s. W 7).

Dobernitz, seit 1935 Ortsteil von Staucha

R 7

Durch den Ort, dessen Bauerngehöfte in der Form eines Gassendorfes angelegt waren) fließt der Schieritzbach, der von Gleina kommt, die Alte Poststraße quert und bei Stösitz in den Mehltheuerbach mündet. Bei Dobernitz staut man den Bach, um sein Wasser auf den Feldern der Kooperativen Gemüseproduktion Gleina (s. R 8) verregnen zu können. Die Flur von 162 ha (1900) Größe gliederte sich früher in gewannähnliche Streifen. 1334 schrieb man den Ortsnamen Dobranwicz. Er bedeutet Leute des Dobromir, abzuleiten von altsorbisch dobry = gut und mir = Frieden. Die Bewohner unterstanden grundherrlich zunächst dem Rittergut Stauchitz, seit dem 17. Jahrhundert dem von Hof. 1822 (Meilenblatt) setzte sich das Dorf aus einem Gemeindehaus, 7 Bauern- und 5 Häusleranwesen zusammen. Dobernitz gehört zu den Orten, in denen sich die Einwohnerzahl am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts merkbar rückläufig entwickelte, ein Vorgang, der sich auf die Abwanderung von Arbeitern nach Riesa zurückführen läßt. Die Dobernitzer Bauern arbeiten heute in der L P G Neuer Weg (s. W 7), die hier Schweinezucht betreibt. Südwestlich vom Dorf befindet sich der Rest eines seltenen technischen Denkmals: eine vollständig in Holz konstruierte Holländerwindmühle. Der runde, etwa 5 m im Durchmesser große Turm ist mit Brettern verkleidet, er wird als Schuppen benutzt.

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R 8 Gleina, seit 1935 Ortsteil von Staucha Die großen Gehöfte der Siedlung bilden ein Platzdorf in einer Quellmulde, in der der Schieritzbach unmittelbar a m R a n d der Lößhügellandstufe entspringt. A n diesen K e r n schließt sich nach Norden eine später hinzugefügte Gasse mit Gartennahrungen an. In Glynen ist 1296 ein Herrensitz belegt; 1329 gab es in Gleina ein Allodium. Der Ortsname weist auf die vorherrschende Bodenart hin; er läßt sich von altsorbisch glina = L e h m ableiten. Grundherrliche Rechte übte seit mindestens dem 16. Jahrhundert das Rittergut Oberstaucha aus; kirchlich gehörte das Dorf seit jeh nach Staucha. Die 193 ha (1900) große Flur von Gleina zeigte, dem bäuerlichen Besitz entsprechend, gewannähnliche Blöcke und Streifen. In ihrem Nordteil und in dem der Trogener Gemarkung kann ein wüst gewordener Siedelplatz vermutet werden. A n der Straße von Gleina nach Stauchitz stehen unmittelbar am südwestlichen Dorfrand die Gebäude einer früheren Ziegelei. Ihre Trockenschuppen n u t z t j e t z t die Kooperative Gemüseproduktion Gleina. Diese Einrichtung ging 1973 aus der G P G Sonnenschein in Staucha und der G P G Jahnatal in Hof hervor (beide i960 gegründet). Ihre Nutzfläche von insgesamt 365 ha umfaßte 1973 auch 80 ha Gelände für Freilandgemüse der L P G "Neuer W e g Staucha und 60 ha der L P G Wilhelm Pieck Hof. Bei den Anbauprodukten stand 1973 Blumenkohl auf 160 h a an der Spitze; es folgten Weißkohl, Salat, R o t k o h l und R e t t i c h sowie Zwiebeln und Petersilie. Die Felder sind an eine Beregnungsanlage (Bild 25) angeschlossen, die Oberflächen- und Grundwasser verwenden kann. "Jungpflanzen sowie Gurken und Tomaten werden unter Glas und in Foliezelten gezogen, von denen in Hof und Gleina mehrere stehen. In Gleina kann eine 1965 bis 1969 erbaute Vermarktungsstation bis zu 800 t Gemüse kühllagern; 1973 k a m eine weitere Halle für 1500 t südöstlich von Hof dazu. In der kooperativen Einrichtung arbeiten etwa 300 Mitglieder. Ein modernes Gebäude zur Unterbringung von Saisonkräften sowie mit sozialen und Verwaltungseinrichtungen vervollständigt das neue Viertel bei der Ziegelei. Der Ort ist im Zusammenhang mit der Lößforschung in der D D R deshalb bek a n n t geworden, weil an der A b b a u f r o n t der nahen Lehmgrube eine mehr als 15 m mächtige, vollständige Abfolge mittel- und jungpleistozäner Lösse aufgeschlossen ist, die als Idealprofil für die stratigraphische Gliederung der Lösse in Sachsen gelten kann (Abb. 27). Die Forschungen erfolgten im R a h m e n der internationalen Gemeinschaftsarbeit zur Lößstratigraphie Europas, die v o n der Internationalen Quartärvereinigung (INQUA) organisiert und geleitet wird. A u s den Profilmerkmalen und durch Vergleich mit anderen Aufschlüssen ließen sich für die Stratigraphie der Lösse und f ü r die paläogeographischen Verhältnisse folgende Erkenntnisse ableiten (HAASE, LIEBEROTH, RUSKE U. a. 1970): Der auf Moräne und L ö ß aus der Saalekaltzeit entwickelte eemwarmzeitliche Boden kann als ein ausgeprägter Waldboden aufgefaßt werden. Den ältesten Abschnitt der Weichselkaltzeit kennzeichnen starke Umlagerungs- und

170

R ;

A. Lithologisches Profil Löß

typisch sandhaltig

V S Ä

/ / / / s 5chwemmlöß,schluffig Soliflaktionslöß, schluffig





.* »>.Yx,< * ;

Tonverarmungshorizorct

.. pseudovergleyter 9 Tonverarmungshorizont • , Verb'raunungshorizont, v schwach ausgebildet „ Verbraunungshorizont, kräftig ausgebildet Bfe ^ o s ^ o r i z o n ^ (Eisenumverteilung) Lamellenfleckenhorizont Frostgleyhorizont Tonhäutchenhorizont

g ^ pseudovergleyter Tonhäutchenhorizont Frostgleyhorizont

Unterbringung der Geräte und technischen Ausrüstungen dienen die Gebäude der früheren MTS sowie die 1972 in Betrieb genommene W e r k s t a t t und Traktorenhalle der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Ostrau.

Däbritz, Ortsteil von Schrebitz,

U 10

fand 1243 als Dowertiz ( = die Leute des Slawen Dovert) seine erste urkundliche Erwähnung, 1268 schenkte Markgraf HEINRICH dem Kloster Seußlitz den Ort Durizh. Der heutige Bauernweiler liegt am linken Talhang des Grauschwitzbaches. Östlich des kleinen Wasserlaufes, der einst eine Wassermühle antrieb, und des B a h n d a m m s der stillgelegten Linie Döbeln—Mügeln befinden sich ehemalige Dolomitkalkbrüehe und Kalköfen sowie eine Ziegelei. Am Südwesthang des 231,3 m hohen und benachbarten Kiebitzberges zieht sich östlich der Ortslage eine jungsteinzeitliche Siedlung der Bandkeramik hin. 1840 bestanden in Däbritz außer 3 Kalköfen ein Bauerngut, 4 Gärtnergüter und 5 Häuser. Die Kalkwerke stellten ihre Tätigkeit nach dem zweiten Weltkrieg ein, und die Ziegelei, die tertiären Ton verarbeitete, wurde nach einem Brand 1954 nicht wieder aufgebaut. Die 61 h a (1900) große Dorfflur war in Blöcke gegliedert, von denen der 45 ha umfassende Besitz eines ehemaligen Gutes 1945 an 7 Neubauern verteilt wurde.

Schillergrund

V I

heißt der mittlere u n d untere Abschnitt einer 3,5 km langen, stark verzweigten Delle südwestlich von Zeicha. Diese steigt von der Hügellandstufe von 145 m ü. N N nach Süden bis auf etwa 190 m ü. N N an. Unter Dellen versteht m a n flache, muldenförmige und langgestreckte Hohlformen, die sich häufig auch verzweigen und denen im Unterschied zu flachen Tälern eine ebene Sohle und ein ständig fließender Bach fehlen. Das gesamte Lößhügelland ist von einem teilweise recht dichten Netz von Dellen überzogen, die sich von den Tälern aus gegen die Wasserscheiden hin entwickeln und ganz wesentlich das Landschaftsbild bestimmen. Für die E n t s t e h u n g dieser Hohlformen gibt es im wesentlichen zwei Erklärungen. Einmal werden sie als das Ergebnis pleistozäner eisrandnaher Abtragungsvorgänge gedeutet, bei denen Wasser aus der aufgetauten Bodenschicht und von der Schneeschmelze auf einem nur schwach geneigten H a n g abfließt und sich eintieft. Zum anderen haben sich Dellen aus Tälern dadurch gebildet, d a ß sich nach der Rodung zunächst breitsohlige, steilhängige und zeitweilig durchf l ö s s e n Hohlformen, sogenannte Tilken, unter einer Grasdecke halten konnten. E r s t mit dem weiteren Vordringen des Ackerbaus und der damit verbundenen Zerstörung der Grasnarbe entwickelten sich daraus die mulden-

193

förmigen Dellen. Mit ziemlicher Sicherheit dürften beide Entstehungsarten eine Rolle gespielt haben. Noch heute läßt sich beobachten, daß Tilken und Dellen innerhalb einer Hohlform ineinander übergehen, so beispielsweise beim Anger südlich von Niedergosein. Die Dellen verändern sich in der Gegenwart ständig. Durch die Bodenerosion wird von den Hängen humoses Bodenmaterial in sie eingespült. J e größer das Einzugsgebiet und je geringer das Gefälle der Hohlform ist, desto mächtiger erscheint im allgemeinen dieser kolluviale (abgeschwemmte) Auftrag. Mit zunehmender Neigung können sich bei stärkeren Niederschlägen oder während der Schneeschmelze zeitweilige Abflußrinnen bilden, wodurch ein Teil des Bodenabtrags bis in die Wasserläufe gelangt oder bis zum Dellenausgang, wo sich das Material als Schwemmfächer absetzt. Auf den großen Schlagkomplexen der sozialistischen Landwirtschaft können Hohlformen bei der Bearbeitung stören. Ihr Einfluß wird jedoch durch leistungsfähige Traktoren und Geräte vermindert, außerdem füllen sie sich allmählich auf. Stellenweise veränderten sich durch die Großflächenbewirtschaftung die Bedingungen für die Dynamik von Hängen und Dellen. Die durch das Gelände bedingte Abfolge der Bodentypen und der Bodenfeuchteverhältnisse spiegelt sich in der Artenkombination der Ackerunkrautgesellschaften wider, insbesondere der Kamillengesellschaft. Dabei bleibt der Grundbestand der Pflanzengesellschaft erhalten, so daß die Feuchtezeiger sogenannte hygroökologische Trennarten (Tabelle C) darstellen. Im Oberhangbereich der Delle finden wir die typische Ausbildung; größere Bodenfrische, vor allem erhöhte Krumenfeuchte mit Neigung zur Verdichtung wird durch Sumpfruhrkraut

Abb. 33. Pflanzenarten im Schillergrund (von oben nach unten: Sumpfruhrkraut, Krötenbinse, Ackerminze)

(Gnaphalium uliginosum, A b b . 33), K l e i n e n W e g e r i c h (Plantago intermedia) und H u f l a t t i c h (Tussilago farfara) angezeigt. A u f merklich höhere F e u c h t i g k e i t weisen K r ö t e n b i n s e (Juncus bufonius, A b b . 33) und Liegendes M a s t k r a u t {Sagina procumbens) hin. B e i deutlichem B o d e n w a s s e r s t a u k o m m e n v o r allem ausdauernde Feuchtezeiger vor, wie S u m p f z i e s t (Stachys palustris), A c k e r m i n z e (Mentha arvensis, A b b . 33), K r i e c h h a h n e n f u ß (Ranunculus repens) oder a u c h G ä n s e f i n g e r k r a u t (Potentilla anserina).

Hohenwussen, K r e i s Oschatz,

V

s e t z t sich aus einem Sackgassendorf und einem Bauernweiler zusammen. D i e 289 h a (1900) große F l u r w a r früher in gewannähnliche Streifen aufgeteilt. Die erste urkundliche E r w ä h n u n g erfuhr die Siedlung 1243 als Wossin (Ort des Slawen Vusa). A u f d e m K i r c h b e r g (199,4 m) nordwestlich der D o r f l a g e b e f i n d e t sich ein viereckiger W a l l (Bild 29), dessen Seitenverlauf den Himmelsrichtungen entspricht und der heute v o n K i r c h e — einer L a n d m a r k e der Gegend — und Friedhof g e n u t z t wird. Die Seitenlänge der quadratischen A n l a g e b e t r ä g t e t w a 60 m. Die spärlichen Scherbenfunde gehören verschiedenen ur- und frühgeschichtlichen E p o c h e n an. Die V i e r e c k s c h a n z e h a t keine Vergleichsstücke in der weiteren U m g e b u n g , die eine klare F u n k t i o n s - und Z e i t b e s t i m m u n g zuließen. M a n k a n n m i t der Möglichkeit rechnen, d a ß es sich u m eine nach und nach veränderte ur- oder frühgeschichtliche K u l t s t ä t t e handelte, deren heidnischer C h a r a k t e r d a n n d u r c h die Ü b e r n a h m e des Geländes f ü r die K i r c h e verlorenging. W e s t l i c h des W a l l e s befinden sich Siedlungsspuren der Jungsteinzeit (Bandkeramik und Schnurkeramik) sowie bronzezeitliche Hinterlassenschaften. B e r e i t s 1261 ist in H o h e n wussen die E r r i c h t u n g einer steinernen K i r c h e nachzuweisen. Die v e r m u t l i c h in ihrem K e r n spätgotische, j e d o c h im 17. J a h r h u n d e r t u m g e b a u t e K i r c h e s e t z t sich aus einem rechteckigen Schiff m i t fünfseitigem O s t s c h l u ß und q u a d r a t i s c h e m W e s t t u r m zusammen. A n der Südseite des T u r m e s b e f i n d e t sich ein rundbogiges P o r t a l in rechteckiger R a h m u n g , datiert v o n 1607. D e r K a n z e l a l t a r , ein hölzerner A u f b a u , und die b e m a l t e F l a c h d e c k e s t a m m e n v o m A n f a n g des 18. Jahrhunderts, der achtseitige T a u f s t e i n m i t A k a n t h u s o r n a m e n t t r ä g t die Jahreszahl 1703. V o m K i r c h t u r m b i e t e t sich ein umfassender R u n d b l i c k : I m Süden ü b e r s c h a u t m a n die kleinen Weiler, n a c h O s t e n und N o r d o s t e n reicht der B l i c k z u m J a h n a t a l und darüber hinaus bis zu den Schornsteinen des V E B Stahl- und W a l z w e r k Riesa. I m N o r d w e s t e n k a n n m a n den L a u f der Döllnitz v o n Mügeln bis O s c h a t z verfolgen. D a h i n t e r e r h e b t sich in einem W a l d g e b i e t der Collmberg. Hohenwussen b e s t a n d als Bauerndorf A n f a n g des 19. Jahrhunderts aus 8 H u f e n - und 5 H a l b h u f e n g ü t e r n , 7 Häuslerwohnungen und einem Gemeindehaus; die W i n d m ü h l e w u r d e in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in die N ä h e v o n Döbeln versetzt. A n ihrer Stelle erhebt sich seit 1967 ein 28,5 m hoher 14 Oschatz

V

195

V 2 Hydroglobus als zweites weithin sichtbares Wahrzeichen, der erstgebaute in der D D R . Von diesem kugelförmigen Wasserturm mit 100 m 3 Inhalt werden Holienwussen und seine Ortsteile mit Trinkwasser versorgt. Die Entnahme erfolgt aus den unteren Partien des Buntsandsteins. Eine Schule des Dorfes wurde schon 1578 genannt. Das Unterrichtsgebäude von 1905 dient Wohnzwecken, seitdem die Hohenwussener Kinder die polytechnische Oberschule in Naundorf (s.O 3) besuchen. Der Besitz eines der größten Güter des Dorfes wurde nach 1945 an 11 Neubauern aufgeteilt. Diese sowie 2 weitere Bauern gründeten die L P G T y p III Neuer Weg, deren landwirtschaftliche Nutzfläche 700 ha umfaßte. V 3 Gaschütz, seit 1950 Ortsteil von Auerschiitz, fand 1268 als Cossewiz seine erste urkundliche Erwähnung. Der Name ent hält die altsorbische Personenbezeichnung Kos(a). Seit dem 16. Jahrhundert standen dem Schulamt Meißen grundherrliche Rechte zu. Seit 1843 gehörte der Ort zum A m t Mügeln. Der Weiler, der nur aus 2 ehemaligen Bauerngütern besteht, nimmt die Quellmulde eines kurzen Nebenbaches der Jahna ein. Ein Wirtschaftsgebäude des einen Gehöftes dient der L P G in Auerschütz als Stall für etwa 200 Schafe. Die 83 ha (1863) große Flur war in Blöcke und Streifen aufgeteilt. Sie reicht im Süden bis zum Winter- und im Norden bis zum Sommerberg; beide Namen beziehen sich auf den Grad der Sonneneinstrahlung. V4

Auerschütz, Kreis Döbeln, wird von seinem Ortsteil Delmschütz nur durch einen Bach getrennt, der in Pulsitz in die Jahna mündet. Es setzt sich aus zwei Siedlungsteilen zusammen, einem älteren Bauernweiler und einer jüngeren Häuslerzeile. Bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung hieß es 1264 Uberaswiz, was Siedlung eines Urac oder Uras bedeutet. Delmschütz bildet lediglich einen etwas größeren Bauernweiler, dessen Bauern auch als Pferdegütner bezeichnet wurden. In seiner ersten bekannten Nennung 1311 als Telmaschiz ist altsorbisch telmac = Dolmetscher enthalten. Unmittelbar östlich der Ortslage konnten bronzezeitliche Grabfunde sichergestellt werden. 600 m nordwestlich Delmschütz barg man an der Straße nach Mähris eine römische Münze des Kaisers H A D R I A N (117 bis 138). Übereinstimmend besaßen die ebenfalls durch den Bach getrennten Fluren von Auerschütz (1869: 116 ha) und Delmschütz (1839: 204 ha) die gleiche Blockund Streifeneinteilung. Beide Orte unterstanden bis 1590 dem Kloster Döbeln und danach dem Erbamt Meißen, nur in Delmschütz verfügte auch das Rittergut Hirschstein über Anteile. Die genossenschaftliche Arbeit begann 1953, als sich 5 Bauern zur L P G Wilhelm 196

Pieck zusammenschlössen. Bis 1970 hatte sich die Anzahl der Mitglieder auf 145 V4 erhöht. Seit 1973 gehört die Genossenschaft zur LPG' Thomas Müntzer Gallschütz, die K A P Ostrau (s. V 7) bewirtschaftet die 720 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche. Unter den 5 Ställen für die Milch Viehhaltung befindet sich ein 1956 bis 1958 errichteter in Delmschütz für 90 Kühe. Als Besonderheit in der Viehwirtschaft sind die kooperativen Beziehungen zu Genossenschaften im Erzgebirge anzusehen. Dorthin werden Kälber verkauft und später Färsen zurückerworben. Für die Schweinehaltung entstanden in Auerschütz je ein neuer Aufzucht- und Maststall. Ein neues Gebäude in Delmschütz enthält neben Kindergarten und -krippe auch die Schwesternstation und einen Raum für die Arztsprechstunde. Die Schulkinder werden in der neuerbauten polytechnischen Oberschule in Obersteina unterrichtet.

Schmorren, seit 1937 Ortsteil von Jahna-Pulsitz,

•V 5

liegt am nördlichen Talhang eines Nebenbaches der Jahna. Die 3 großen ehemaligen Bauerngüter des Weilers verfügten über eine 178 ha (1900) große Flur, die in gewannähnliche Blöcke und Streifen gegliedert war. Der Ort erfuhr 1313 als Smordin seine erste urkundliche Nennung, zu erklären als die Siedlung des (der) Smurden (s. F 1). Grundherrlich unterstand das Dorf vom 16. bis 19. Jahrhundert dem Amt Mügeln. An eine frühere Försterei erinnert nur noch der Flurname Tiergarten. 1945 entstanden im Ort einige Neubauerngehöfte. Bis an den Dorfrand reichen die beregenbaren Feldgemüseflächen der Kooperativen Einrichtung Jahnatal (s. W 3 ) .

Clanzschwitz, seit 1937 Ortsteil von Jahna-Pulsitz,

V 6

besteht aus zwei Bauernweilern, die sich ähnlich wie Delmschütz und Auerschütz links und rechts desselben Baches kurz vor seiner Einmündung in die Jahna gruppieren. Das ehemals burggräflich-meißnische Lehndorf hieß 1280 Clanswitz ( = die Leute des Slawen Klanis oder Klanek). Grundherren waren im 16. Jahrhundert das Rittergut Stauchitz und das Prokuraturamt Meißen, im 17. und 18. Jahrhundert die Rittergüter Stauchitz und Zschochau. Mit Pulsitz ist der Ort heute durch Wohnhäuser und eine Kleingartenanlage verbunden. Von den früheren Vierseitgehöften dient eines nach Umbau der K A P Ostrau (s. V 7) als Reparaturwerkstatt. Die 183 ha (1900) große Flur, die gewannähnliche Blöcke und Streifen erkennen ließ, reicht bis an die Pillenstraße heran, die Hohenwussen mit Jahna verbindet. Am Anfang des 19. Jahrhunderts bestand der Ort aus insgesamt 9 Anwesen: je 2 Drei-, Zwei- und Halbhufengütern sowie 2 Häuslerwohnungen und einem Gemeindehaus. Unter den 137 Einwohnern in: Jahre 1840 befanden sich viele 14*

197

V 6 Personen, die einen Handwerksberuf ausübten (s. U 9). Die Ziegelei im Ort besteht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, gehört seit 1972 zum V E B Ziegelwerk Ostrau und baut in einer Grube in der Nähe L ö ß l e h m ab.

V 7

Ostrau, Kreis Döbeln, reicht von der Großen Jahna aus auf den westlichen Talhang, während sich der unmittelbar angrenzende Ortsteil Gohris v o m Mündungsbereich der Kleinen Jahna zum östlichen Talrand hin erstreckt. Die gewannähnliche Streifenflur des Bauernweilers umfaßte 323 ha (1900). Ostrau besitzt einen Bahnhof an der Eisenbahnlinie Riesa — K a r l - M a r x - S t a d t (s. L 2), die hier auf einer 1866/67 erbauten, 17 m hohen und 151 m langen B r ü c k e das Jahnatal passiert. Die 1964 bis 1966 abschnittsweise neuerrichtete Fernverkehrsstraße 169 umgeht Ostrau im Westen. Ostrau gehört zu den ältesten Erwerbungen des Klosters Altzella bei Nossen, das hier schon vor 1187 L a n d kaufte. Bereits 1190 bestand in Ostrom ( = Ort auf dem Werder, der Insel) ein Vorwerk, aus dem schließlich das Kloster- und spätere Brauschenkengut hervorging. A u s ihm entwickelte sich die Gaststätte Wilder Mann. Nach der Säkularisation des Klosters k a m Ostrau zum Nossener, später zum Mügelner A m t . Eine Kirche erhielt der Ort erst 1901. Zu den 46 Gebäuden, die das Dorf mit Gohris 1872 umfaßte, gehörten neben 5 Gütern und einer Mühle auch 4 K a l k w e r k e . Schon 1785 hatte der Ortsrichter die Erlaubnis zum B a u eines Kalkofens erhalten, dessen P r o d u k t e beispielsweise auf der K a l k s t r a ß e in Richtung Niedergosein transportiert wurden. 1495 erhielt das K l o s t e r das Recht, für seine Mühle auf der benachbarten Wutzschwitzer Flur ein W e h r und einen Graben an der Jahna anlegen zu dürfen. Sie lebte später in einer der 3 Mühlen fort, die in Ostrau bis ins 20. Jahrhundert in Betrieb waren. D a s Mahlgebäude Karl-Marx-Straße 19 wird seit 1973 v o n der Kooperativen Einrichtung Gemüsebau (s. W 3) als Lager benutzt. Die Mühle an der Döbelner Straße wurde e t w a 1950, die Nagelmühle, Lommatzscher Straße 19, 1955 stillgelegt. Beide enthalten noch Wohnungen. Ostrau bildete seit jeher mit Gohris und Schmorren (s. V 5) einen Schulbezirk. N a c h einer Aufzeichnung von 1792/93 gab es in der Reiheschule — die Bauern mußten der Reihe nach einen Unterrichtsraum bereitstellen — nur 3 Klassen ( G R O S Z E 1941). Diese A r t zu unterrichten verschwand erst 1831 nach dem B a u eines Schulhauses, das bereits 10 Jahre später durch einen Neubau ersetzt wurde. Diese 1927 erweiterte alte Schule, Oschatzer Straße 7, enthält j e t z t Wohnungen. Nahebei befindet sich der 1959 errichtete Kindergarten. Die Schüler erhalten ihren Unterricht in der 1962 eingeweihten zehnklassigen Polytechnischen Oberschule E r n s t Thälmann. In den dazugehörenden Gartenanlagen hält ein Denkstein die Erinnerung an den Arbeiterführer wach. Unweit v o m Unterrichtsgebäude steht die 1965 aufgestockte Volks- und Schulsternwarte „ J u r i Gagarin". V o n den Anwesen in Ostrau verdienen einige genannt zu werden, da sie alte B a u -

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formen b e w a h r e n : D a s W o h n h a u s zwischen den K a l k ö f e n und d e m Dolomit- V 7 Steinbruch besitzt an der vorderen Traufseite und an einem Giebel bis zur Spitze F a c h w e r k und t r ä g t ein steiles K r ü p p e l w a l m d a c h m i t Ziegeln. I m Türsturz f i n d e t m a n die Jahreszahl 1798. A m ehemaligen G e h ö f t Oschatzer S t r a ß e 1 erhielt sich ein T o r b o g e n m i t Initialen aus d e m Jahre 1797, das frühere Ausgedinge zeigt F a c h w e r k und ein Ziegelkrüppelwalmdach. In der ehemaligen Scheune des G e h ö f t e s Oschatzer Straße 2 schuf m a n 1973 W o h n u n g e n . Die des G e h ö f t e s B a h n h o f s t r a ß e 3 wurde 1972/73 durch einen W o h n u n g s n e u b a u ersetzt. U m g e b e n v o n Grünanlagen, entstanden 1956/57 und um 1965 an der Oschatzer S t r a ß e 9 Häuser m i t insgesamt 68 W o h n u n g e n , ein Teil v o n ihnen f ü r die A W G des volkseigenen K a l k w e r k e s (s. W 4 ) . Ostrau ist der Sitz eines Gemeindeverbandes, d e m beispielsweise Jahna-Pulsitz und Schrebitz zugehören. A n gewerblichen A n l a g e n n u t z t der V E B Arzneimittelwerk Dresden ein v o n der örtlichen L P G gebautes W e r k z u m T r o c k n e n v o n F i n g e r h u t p f l a n z e n . A m Güterbahnhof stehen ein hohes Silo des V E B Getreidewirtschaft, eine Molkerei, ferner die neue Lagerhalle der B H G sowie das 1968 bezogene V e r w a l t u n g s g e b ä u d e der B H G u n d der K o o p e r a t i v e n A b t e i l u n g P f l a n z e n p r o d u k t i o n . Diese wurde 1973 v o n den Genossenschaften in A u t e r w i t z , Schrebitz, Gallschütz, A u e r s c h ü t z , Ostrau und J a h n a - P u l s i t z sowie dem V o l k s g u t B e i c h a gegründet. Gleichzeitig schloß sich die L P G T y p I I I A u g u s t B e b e l Ostrau der Jahnaer Genossenschaft an. D e r v o n dei k o o p e r a t i v e n A b t e i l u n g betreute Bereich entspricht e t w a dem der früheren Maschinen-Traktoren-Station in Münchhof, einem Ortsteil v o n Ostrau. D i e A b t e i l u n g b e w i r t s c h a f t e t e 1973 insgesamt 6427 h a l a n d w i r t s c h a f t liche N u t z f l ä c h e , d a v o n e t w a 550 h a W i e s e n und W e i d e n , 3 000 h a m i t Getreide, je 600 h a m i t K a r t o f f e l n und Zuckerrüben sowie 500 h a m i t Vermehrungsk u l t u r e n (Rotklee, Wiesenrispe, Weidelgras, Futtererbse). Seit 1973 b e s t e h t die K o o p e r a t i o n s g e m e i n s c h a f t f ü r die tierische P r o d u k t i o n O s t r a u - J a h n a . Sie b e t r e u t die 1970 in B e t r i e b genommene Milchviehanlage in der N ä h e des Ortsteiles W u t z s c h w i t z . U n m i t t e l b a r daneben stehen ein T r o c k e n w e r k und die 1973 fertiggestellte Kartoffellagerhalle.

B i n n e w i t z , seit 1950 Ortsteil v o n Jahna-Pulsitz,

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bildet m i t seinen 5 ehemaligen B a u e r n g ü t e r n , einem Mühlengut und 4 Häusern einen lockeren Weiler, der sowohl die A u e als auch die beiderseitigen Terrassen der J a h n a einnimmt. Seine schmale, 121 h a (1900) große F l u r gliederte sich in B l ö c k e und Streifen. D e n N a m e n schrieb m a n 1313 bei der ersten urkundlichen E r w ä h n u n g des Ortes Binewitz. Die altsorbische B e z e i c h n u n g weist auf die L e u t e des Bin. U m 1815 gehörten die 20 B e w o h n e r v o n 2 sogenannten Pferdnergütern und einem weiteren H a u s grundherrlich z u m R i t t e r g u t Stauchitz, die übrige D o r f b e v ö l k e r u n g unterstand dem A m t Mügeln. F ü r die Zeit u m 1840 sind in B i n n e w i t z je ein Müller, K o r b m a c h e r und L e i n w e b e r nachzuweisen.

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W L E i n i g e W o h n - und Stallgebäude der überwiegend großen Vierseithöfe tragen über massiven U n t e r b a u t e n noch Fachwerkobergeschosse. V o r den ehemaligen Pferdeställen erhielten sich zwei- und dreibogige K u m t h a l l e n . Eines dieser G ü t e r n u t z t die L P G R o t e s B a n n e r Jahna-Pulsitz (s. W 3) als Gänsebrüterei. E i n e ehemalige W a s s e r m ü h l e schrotete 1973 Getreide elektrisch.

W 2 Jahna, K r e i s Döbeln, e r s t r e c k t sich m i t seinem K e r n in der T a l a u e der Jahna. Die größeren G e h ö f t e des regellos angelegten Dorfes nehmen hauptsächlich den ansteigenden rechten T a l h a n g ein. Ihre Nebengebäude besitzen teilweise noch L e h m f a c h w e r k . E i n Hof w e i s t einen Türschlußstein m i t der Jahreszahl 1828 auf. Südlich v o m Ortskern erstreckt sich k u r z v o r der Eisenbahnlinie R i e s a — K a r l - M a r x - S t a d t ein Urnengräberfeld der jüngeren Kaiserzeit. Die älteste b e k a n n t e Schreibweise (Erklärung s. M 2) l a u t e t Gan (1203). E i n Herrensitz ist im Dorf f ü r 1206 b e z e u g t und d ü r f t e als U r s p r u n g des späteren R i t t e r g u t e s Goldhausen anzusehen sein, das sich unmittelbar a m nördlichen R a n d v o n J a h n a anschließt und seit 1922 zu J a h n a gehört. E s hieß 1584 Gut zur Jahna, 1649 erstmalig Goldhausen zur Jahna. A l s bischöfliches L e h n g u t unterschied es sich nur wenig v o n größeren B a u e r n w i r t s c h a f t e n . E n d e des 16. Jahrhunderts gehörten zu ihm als U n t e r t a n e n lediglich je 1 Pferdner und Müller sowie 4 Dreschgärtner. U m die A n z a h l der Zins- und Dienstpflichtigen zu erhöhen, setzte die Gutsherrschaft innerhalb des Ortes J a h n a Häusler an. B e s t a n den 1592 nur 2 dieser Anwesen, so g a b es 1795 insgesamt 18. Ü b e r die Fronleistungen, Zinsen und A b g a b e n der B e w o h n e r in der Zeit u m 1800 g i b t eine A u f stellung v o n GROSZE (1941) A u s k u n f t . Zu den 20 U n t e r t a n e n gehörte damals a u c h der Jahnaer Müller. D a s R i t t e r g u t Goldhausen und seine 74 h a (1900) große F l u r k a m e n 1946 durch die B o d e n r e f o r m an N e u b a u e r n und landarme B a u e r n . Einige G e b ä u d e des weiträumigen Vierseithofes werden heute v o n der L P G R o t e s B a n n e r (s. W 3) als Rinderstall und zur A u f b e w a h r u n g v o n F u t t e r genutzt. A u ß e r d e m dienen mehrere R ä u m e W o h n z w e c k e n . In J a h n a setzte sich E n d e des 18. Jahrhunderts die B e w o h n e r s c h a f t aus 7 Bauern, 6 Gartennahrungsbesitzern und 11 Häuslern zusammen. V o n 30 Häuslern im Jahre 1840 b e s c h ä f t i g t e n sich viele m i t einem H a n d w e r k . E i n e Mühle, die 1973 außer B e t r i e b war, f a n d schon 1469 E r w ä h n u n g , der Gasthof Jahnatal, die sogenannte Erbschenke, bereits 1366 beim V e r k a u f a n das D o m k a p i t e l Meißen. Sein W o h n s t a l l h a u s zeigt Fachwerkobergeschoß, auf d e m ein Ziegelkrüppelwalmdach ruht. D e r sandsteinerne T ü r s t o c k schließt m i t einem Stein v o n 1800. Die erste K i r c h e v o n J a h n a entstand zwischen 1131 und 1203. Der heutige, spätgotische B a u — ein R e c h t e c k r a u m m i t eingezogenem, dreiseitig geschlossenem Chor — s t a m m t v o m A n f a n g des 16. Jahrhunderts. D e r W e s t t u r m , der nicht a x i a l steht, t r ä g t ein Satteldach. Die gewölbte Sakristei an der Nordseite des 200

W 2

A b b . 34. Flurplán von Jahna 1839 ( n a c h LEIPOLDT 1932)

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W 2 Chores ist in ihrem Kern älter, die T ü r zum Chor zeigt die Jahreszahl 1491. I m Schiff verdient die bemalte Felderdecke, 1679 datiert und mit Johann Simon L U C A S bezeichnet, besonders erwähnt zu werden. V o n den beiden Emporengeschossen von 1701 und 1719 weist die obere eine Brüstungsbemalung auf. Die steinerne T a u f e von 1794 besitzt Vasenform. Ein lebensgroßes K r u z i f i x aus der Zeit um 1700 steht auf der Siidempore. Der Friedhof liegt abseits der Kirche, westlich des Dorfes rund 10 m über der Jahnaniederung. Offenbar in erster Linie wegen des Ortsnamens Jahna wurde verschiedentlich versucht, dorthin die slawische B u r g Gana zu verlegen und das erhöhte Gelände als W a l l mit Abschnittsgraben zu deuten. F ü r eine größere Volksburg müßte aber ein wesentlich umfangreicheres Areal zur V e r f ü g u n g gestanden haben, außerdem fehlen jegliche Bodenfunde (s. Q 6). E t w a 500 m westlich v o m Friedhof steht an der Straßenkreuzung J a h n a — Hohenwussen und Pulsitz —Weichteritz eineWinterlinde, volkstümlich Pest- oder Leichenlinde genannt, wie auch der W e g von Pulsitz Pest- oder Leichenweg heißt. Beide Bezeichnungen gehen auf den Dreißigjährigen Krieg zurück, als allein 1637 Kirchspiel e t w a 400 Menschen starben, was fast einem Drittel der damaligen Bewohner entspricht. Die ehemalige Großblockflur (Abb. 34) von Jahna u m f a ß t einen Teil der W ü s t u n g Bader und betrug 281 ha (1840). V o n ihr wird die größte Fläche für den Ackerund Feldgemüsebau genutzt. V o n der Bedeutung der Gemüseproduktion zeugen die neuen Gewächshäuser und Foliezelte des Pulsitzer Gemüsebaus (s. W 3).

W 3 Pulsitz, Kreis Döbeln, ist seit 1961 mit Jahna (s. W 2) zur Gemeinde Jahna-Pulsitz, Sitz Pulsitz vereinigt. V o n den 4 großen ehemaligen Vierseitgehöften gruppieren sich 3 um den am linken Talhang der Jahna angelegten Dorfplatz. I m früheren Obstgarten des einen der Gehöfte steht der Neubau eines Kindergartens. In der Jahna-Aue befindet sich außer einigen kleinen Anwesen auch die Mühle, die mit elektrischem Antrieb für die L P G schrotet. Wegen des hohen Grundwasserstandes in der Bachniederung besitzen die tiefgelegenen Häuser keine Keller. Man behilft sich mit aufgeschütteten sogenannten Kellerbergen oder mit Bergkellern, die in die Talhänge hineingetrieben wurden. V o n Pulsitzer Wohngebäuden besitzen Nr. 6 und Nr. 10 an den Traufseiten der Obergeschosse Fachwerk. Bei dem kleinen Dreiseitgehöft Nr. 10 handelt es sich vermutlich um ein ehemaliges Umgebindehaus. Der Schlußstein über dem sandsteinernen Türgewände enthält die Initialen I G H A R H und das Erbauungsjahr 1803. Pulsitz, 1328 als Polst ( = Ort auf dem Filz, Moor, zu obersorbisch pjelsc = Filz) erwähnt, war das Zentrum einer Supanie (s. Seite 15). A u s ihm ging vermutlich das Landrichteramt hervor, dessen Befugnisse sich 1659 über 27 Dörfer erstreckten. Seine L a n d w i r t s c h a f t wurde 1685 noch als Saupengiitlein bezeichnet. Grundherrlich unterstand der Ort bis in das 19. Jahrhundert dem E r b a m t 202

Meißen. Besonders seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts vermehrten die "Vierund Sechshufengüter ihr Land durch Aufkauf von Fluren kleinerer Anwesen, nachdem ihnen schon vorher umfangreiche Teile der 366 ha (1900) großen, in gewannähnliche Streifen gegliederten Gemarkung gehört hatten. Im Südosten der Pulsitzer Flur befinden sich wie bei Ostrau (s. W 4) Anzeichen früheren Dolomitabbaus und seiner Verarbeitung. Die Anlage eines Kalkwerkes Tannigt oder Tännicht geht auf das Jahr 1785 zurück. Dem Ersuchen eines Bauern, einen Ofen errichten zu dürfen, wurde damals stattgegeben unter der Bedingung, daß ,,der Kalck mit Steinkohlen gebrandt werde" ( G R O S Z E 1932). Die Struktur des Ortes wird gegenwärtig von der Landwirtschaft bestimmt. Bereits 1956 schlössen sich die beiden Genossenschaften T y p III Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Jahna und Rotes Banner in Pulsitz zusammen. Von den etwa 1000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche entfielen 125 ha auf Feldgemüse. Sein Anbau gab Anlaß, Pulsitz als Sitz der 1973 gegründeten Kooperativen Einrichtung Gemüse (KEG) Jahnatal auszuwählen. Diese Gemeinschaft verfügte in ihrem Gründungsjahr über 340 ha Feldgemüse-, 44 ha Hopfen- und 98 ha Plantagenobstfläche. Hinzu kam die Bewirtschaftung von etwa 30000 Straßenobstbäumen. Gewächshäuser unterhält die Kooperation in Ostrau und an der F 169, wo auch Jungpflanzen aufgezogen werden. Zu den wichtigsten Gemüsearten in Freikultur zählen Weiß- und Rotkohl sowie Gurken, Tomaten, Sellerie, Blumenkohl, Spinat, Porree und Chicorée. Für ihre Aufbereitung und Lagerung wurden auf der Anhöhe westlich von Pulsitz neue Hallen erbaut, unmittelbar daneben ein Sozial- und ein weiteres Gebäude. Zur Beregnung der Kulturen dient außer Grund- auch Oberflächenwasser aus der Jahna.

Ostrauer Kalkbrüche

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W 4

Östlich von Ostrau wird Plattendolomit abgebaut, ein im Zechsteinmeer abgelagertes, bis 22 m mächtiges Sediment. Darüber kommen die sogenannten Oberen Letten vor, das sind 5 bis 17 m dicke Schichten aus meist rötlichen Sand-, Ton- und Schiuffsteinen ( E I S Z M A N N 1970). Den Abschluß nach oben bildet pleistozäner Löß (s. R 8). Der ortsüblich als Kalk bezeichnete Dolomit enthält im Mittel 29,8% Kalziumoxyd und 19,9% Magnesiumoxyd. Das gebrochene und zerkleinerte Gestein wird von einer Feldbahn bis zu den beiden nach 1945 neu erbauten Öfen des V E B Ostrauer Kalkwerke befördert. Der gebrannte Kalk findet besonders als Düngemittel Verwendung. Auf Abraumhalden sowie in unmittelbarer Nähe des Bruches bei Ostrau und des früheren beim Tännicht (s. W 3) läßt sich eine bemerkenswerte Vegetation feststellen. Zu ihr gehören Akeleiwiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), Steinbeere [Rubus saxatilis), Waldsanikel (Sanicula europaea) ùnd Wirbeldost (Calamintha vulgaris). Auch Dürrwurzalant (Inula conyza), Große Braunelle (Prunella grandiflora), Sandluzerne (Medicago falcata) und Melissenimmenblatt (Melittis melissophyllum) besitzen hier Standorte sowie an Gehölzen Roter Hartriegel (Cornus 203

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sanguinea), Pfaffenhütchen (Evony'mus europaea) und Schneeball (Viburnum opulus). Im nahe gelegenen Eichbusch westlich von Zschochau befinden sich Maiglöckchen (Convallaria majalis), Großes Zweiblatt (Listera ovata), Waldlabkraut (Galium silvaticum) und Wenigblütiges Vergißmeinnicht (Myosotis sparstflora). Auch die Türkenbundlilie (Lilium martagon) wurde hier schon festgestellt.

W 5 Dösitz, seit 1935 Ortsteil von Staucha Seine wenigen, überwiegend vierseitig gebauten früheren Gehöfte gruppieren sich in einem Bauernweiler, der einen stark eingetieften Talabschnitt eines Nebenbaches der Jahna einnimmt. Der Name — 1261 Teskuiz — läßt sich als Leute des Slawen Utesk deuten. Die Bewohner unterstanden bis zum 18. Jahrhundert dem Rittergut Stösitz, seit dieser Zeit dem in Hahnefeld. Die 205 ha (1900) umfassende Flur war ursprünglich in gewannähnliche Blöcke und Streifen eingeteilt. Sie reicht bis an den Südrand von Stauchitz, wo etwa 300 m südwestlich von Höhe 141,8 m Grabfunde der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik mit den typischen Verzierungselementen geborgen werden konnten. Der Boden der Dösitzer Flur besteht im Untergrund aus schwer durchlässigem Geschiebelehm, der das eingesickerte Wasser an seiner Oberkante in Form von ergiebigen Quellen zutage treten läßt. In der weiteren Umgebung gibt es große Grundwasservorräte, die auch der Wasserversorgung von Stauchitz dienen. Diese günstigen Verhältnisse sind schon zeitig für die Bewässerung erkannt und genutzt worden. Bereits kurz nach 1900 betrieb der Bauer Kurt G A S C H Feldgemüsebau. Heute erfolgt die Beregnung der Gemüsefelder aus Tiefbrunnen, die das Wasser der Jahna-Aue in ein Verbundnetz bringen. Außerdem ließ die Kooperative Gemüseproduktion (s. R 8) bei Dösitz einen kleinen Weiher anstauen. Über Anlagen für die Viehhaltung verfügt die L P G Neuer Weg Staucha (s. W 7) im Ort, seitdem sich ihr 1969 die L P G T y p III Grüne Aue in Dösitz angeschlossen hat.

W 6 Wilschwitz, seit 1919 Ortsteil von Staucha, besteht als Kleinsiedlung nur aus wenigen ehemaligen Gutsgebäuden und Häusleranwesen sowie aus der Peinschenke, in Urkunden bezeugt als Wilskewicz (1334) und Wdllschwitz ader Beyn (1541). Der altsorbische Ortsname bedeutet vermutlich Leute des Vilö(e)k. Das 1378 als Herrensitz, 1483 als Vorwerk genannte Anwesen nimmt seinen Platz im Tal zwischen Dösitz und Staucha ein. Zu dem daraus entstandenen Lehngut gehörte eine 81 ha (1900) große Flur, die in Gutsblöcke gegliedert war. 1945 erhielten 8 Neubauern durch die Bodenreform den Grund und Boden sowie die aufgeteilten Gebäude zugesprochen. Heute arbeiten sie in der L P G Neuer 204

Weg Staucha (s. W 7), die hier in neuen Gebäuden an Stelle der abgetragenen alten Schweinezucht betreibt. Daher spricht der Volksmund oft von Schweinewilsch. An der nördlich vom Gut vorbeiführenden Straße liegt das ehemalige Gasthaus zur Peine, im Volksmund Pein(e)schenke genannt. Ihr Name hängt mit dem Wort Beunde, Peinte zusammen, das mit mittelhochdeutsch biwunden = eingefriedigt in Verbindung steht, also vermutlich ein ausgesondertes Grundstück bedeutet. Von hier aus erheben sich nach Nordosten die Kottenberge, wo ein Tanzplatz (s. Y 4) gewesen sein soll. 1620 wird auch die Pein- oder Angermühle genannt, vorher die Alte Mühle auf dem Wilscher Anger.

Staucha, Kreis Riesa,

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nimmt mit seinen Siedlungskernen Ober- und Niederstaucha den östlichen Talhang und die Aue des Kottenbaches ein; einige Häuser ziehen sich in eine Seitenschlucht hinein. Das Dorf bildet den Verwaltungsmittelpunkt für die Orte zwischen Stauchitz, Ostrau und Striegnitz. In Staucha gab es etwa vom ersten Drittel des 13. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts ein Nonnenkloster. Durch einen Schenkungsbrief eines Meißner Burggrafen von 1261 konnte es seine reiche Ausstattung mit Einkünften und Rechten in Staucha und zahlreichen Orten seiner Umgebung vergrößern. Mit dem Kloster wird ein etwa 0,60 m hoher Sandsteinblock, auch Nonnenstein genannt, in Verbindung gebracht, der ungefähr 800 m östlich vom Dorf an der Straße nach Altsattel liegt. Jedoch handelt es sich wohl um einen Gedenkstein an einen Altsattler Bauern, der laut einem Eintrag im Kirchenbuch am 7. Januar 1630 an •dieser Stelle starb. 1259 taucht erstmals der Name Stuchowe auf. Die altsorbische Bezeichnung bedeutet Ort des Sduch. Im gleichen Jahr wird in Niederstaucha ein Herrensitz •erwähnt, ein Allodium 1352 als wahrscheinlich burggräflicher Besitz, der vom Kloster an einen Ritter verkauft worden war. Die 66 ha (1900) große Flur des •daraus entstandenen Rittergutes war in Gutsblöcke gegliedert. Von seinen Gebäuden sind nur Reste einer Schäferei erhalten, darunter ein romanischer Türstock. Niederstaucha bestand 1764 außerdem aus 41 Häuslerstellen an einer Gasse sowie der Kleinen oder Niederen Mühle am Kottenbach. Oberhalb des Steinbruchs am Weg nach Prositz befand sich früher ein Winzerhaus in einem Weinberg, der heute Ackerland trägt. Erwähnung verdienen einige Flurnamen, die auf die früheren sozialen Verhältnisse hinweisen, so der Drescher- und der Böttcherberg. Durch Teilung des Feudalsitzes, die 1751 wieder rückgängig gemacht wurde, entstand Oberstaucha, das als zweite Gutssiedlung ebenfalls über eine Gutsblockflur, allerdings von 138 (1900) ha Größe verfügte. 1764 gab es dabei 6 Gartennahrungen, deren Bewohner als Hofdrescher arbeiteten, und 29 Häuslerstellen, von denen die meisten von herrschaftlichem Land abgetrennt worden waren. Die Gebäude des späteren Rittergutes Oberstaucha hatten bis 205

1539 dem Kloster in Döbeln als Vorwerk gedient. Zu dem barocken Herrenhaus von 1753 führt eine Doppelfreitreppe empor. Über dem Portal befindet sich unter einer Verdachung ein in Sandstein gemeißeltes Ehewappen von 1735. Das Herrenhaus beherbergt heute Kindergarten und -krippe sowie Gemeinschaftsküche und -speiseraum auch für die Genossenschaftsbauern. In den übrigen Gebäuden der geschlossen erhaltenen Anlage sind die Verwaltung der L P G Neuer Weg sowie Wohnungen untergebracht. Nachdem 1945 das Land sowie die Gebäude vom Rittergut Oberstaucha aufgeteilt und in die Hände von Neubauern übergegangen waren, schlössen sich bereits am 1. Juli 1952 einige von ihnen zur L P G Thomas Müntzer zusammen. Als sich mit ihr die L P G T y p I I I Neuer Weg Stauchitz, T y p I I I Theodor Körner Steudten, T y p I I I Grüne Aue Dösitz und T y p I Staucha vereinigt hatten, nahm die Genossenschaft 1969 den Namen Neuer Weg an. Ihre Nutzfläche ging 1973 an die K A P Stauchitz (s. Q 5) sowie an die Kooperative Gemüseproduktion Gleina zur Bearbeitung über (s. R 8). Die L P G beschäftigt sich mit der Viehhaltung, für die in fast allen Ortsteilen Ställe vorhanden sind. So betreibt sie Rinderhaltung nicht nur in Staucha, sondern auch in Dösitz, Prositz, Treben und Pöhsig sowie in Hahnefeld und Hof. Schafherden stehen in Gleina und Steudten, eine Junghennen- und Broileraufzucht gibt es in Stauchitz. In Ibanitz, Wilschwitz und Dobernitz sind die Schweineställe konzentriert. Der Kirchberg in der Mitte zwischen Nieder- und Oberstaucha stellt einen Stufenwall dar, von dem zahlreiche Siedlungsspuren aus slawischer Zeit bekannt sind. Eine klare Abgrenzung des Geländes läßt sich nach dem heutigen Zustand nicht mehr geben. Zu den vielen keramischen Funden kommt ein eiserner Reitersporn, der noch gut erhaltene Reste von Tauschierung, einer Verzierung mit einem anderen Metall, zeigt. E r stammt aus dem 10. Jahrhundert, wie auch die an gleicher Stelle aufgedeckten Scherben, die die Nutzung des Geländes bis in spätslawische Zeit beweisen. Auf dem Berg erhebt sich die weithin sichtbare Kirche mit dem in 4 Stockwerke gegliederten 55 m hohen Turm, den bis etwa 1910 ein Türmer bewohnte. Zwei kleinere Türme flankieren das in neugotischem Stil aufgeführte Bauwerk, das 1861 bis 1863 nach Plänen von Carl Friedrich A R N O L D an der Stelle einer aus dem 16. Jahrhundert stammenden kleineren Kirche entstand-. Die 3 Bronzeglocken wurden im 14. bzw. 16. Jahrhundert in Freiberg gegossen. Aus dem 18. und vom Anfang des 19. Jahrhunderts stammen Grabsteine am Altarplatz, im Schiff und im Turmvorraum. Vor dem südlichen Eingang des Friedhofs steht das von der 30 Orte umfassenden Kirchfahrt 1777 gestiftete Spritzenhaus mit steilem Walmdach, nun als Garage benutzt. Zu den weiteren zum Kirchenbereich gehörenden Baulichkeiten zählt das Dekanat von 1748. Es dient seit 1838 Unterrichtszwecken und ist jetzt Nebenhaus der heutigen polytechnischen Oberschule, deren Gebäude um 1900 entstand. Südlich vom Kirchberg liegen an der Bergstraße die Produktionsräume der P G H Stahlbau, die Transportgeräte herstellt. In Seerhausen unterhält die Genossenschaft einen Zweigbetrieb (s. L 5).

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Prositz, seit 1935 Ortsteil von Staucha, ist ein kleiner Bauernweiler am flachen westlichen Talhang des Kottenbaches. Die Straße von Niederstaucha bis nach Prositz steigt auf reichlich 1 km Entfernung fast um 20 m an, so daß das Dorf wie die Nachbarorte Ibanitz und Steudten zwischen 170 und 180 m ü. NN liegt. Die 86 ha (1900) große, früher in gewannähnliche Blöcke und Streifen eingeteilte Flur wird heute von der K A P Stauchitz (s. Q 5) bearbeitet. Einige Ställe im Ort nutzt die L P G Neuer Weg Staucha (s. W 7). Prositz erscheint erstmals 1334, damals Prostwicz geschrieben, was als Leute des Propstes, und zwar des Propstes des benachbarten Klosters Staucha (später Döbeln), zu erklären ist. Seine Bewohner unterstanden im Lauf der Jahrhunderte verschiedenen Grundherren, zunächst dem Domstift Meißen, Ende des 16. Jahrhunderts dem Prokuraturamt und seit dem 18. Jahrhundert dem Stiftsamt Meißen.

Steudten, seit 1935 Ortsteil von Staucha,

W 9

setzt sich aus einigen ehemaligen Bauerngehöften zusammen, die einen gassenartigen Weiler bilden. Er nimmt seinen Platz am östlichen Talhang eines kleinen Wasserlaufes ein. Die 147 ha (1900) große Flur zeigte Blöcke und Streifen und umfaßt auch den Nord-, West- und Südhang des Huthübeis (s. W 10). Der Ortsname, 1243 als Ztudene überliefert, geht vermutlich auf altsorbisch studeny = kalt zurück. Nicht ausgeschlossen ist auch die Ableitung von altsorbisch studen = Brunnen, zumal die Umgebung quellenreich ist. Im 16. Jahrhundert übte das Kloster Altzella grundherrliche Rechte aus, seit dem Ende desselben Jahrhunderts galt der Ort als Amtsdorf von Nossen. 1820 gab es in Steudten 4 besessene Mann, 1 Gärtner und 1 Häusler, dessen Grundstück von einem Bauerngut abgetrennt worden war. Heute gehören die Bauern zur Stauchaer L P G Neuer Weg (s. W 7).

Huthübel (218,8 m)

W 10

Der Huthübel erhebt sich südöstlich von Steudten fast 40 m über die Umgebung. Sein Name enthält zwei typische Flurbezeichnungen der Landschaft, nämlich das Grundwort Hübel, umgangssprachlich durch Hügel ersetzt, und das Bestimmungswort Hut, Hute, Hutung, das von hüten kommt. Auf dem Huthübel befindet sich ein 1,50 m hoher, künstlich aufgeschütteter Grabhügel, vermutlich aus der Jungsteinzeit. Darauf erkennt man einen weithin sichtbaren, 2 m hohen Monolith (Bild 30) aus Quarzporphyr. Dieser Steinblock gehört zu den wenigen menhirartigen Bodendenkmalen im sächsischen Gebiet. Um Stein und Hügel ranken sich einige Sagen, so die von König H E I N 207

W 10

R I C H I., der im Jahre 929 die Belagerung der slawischen Feste Gana (s. Q 6) von hier aus geleitet haben soll. Die Aussicht vom Huthübel erfaßt vor allem das Jahnatal und die zentralen Teile der Lommatzscher Pflege mit ihren breiten Dellen und Mulden.

X 1 Treben, seit 1935 Ortsteil von Staucha, besteht aus nur wenigen ehemaligen Gehöften, die sich zu einem typischen Bauernweiler gruppieren. Zu dem Dorf gehörte eine 127 ha (1900) große, ehemals in Blöcke und Streifen gegliederte Flur. Von 1261 stammt die erste bekannte Ortsnennung, und zwar als Trebene. Die altsorbisehe Bezeichnung ist als Ort des Treba oder Ort auf der Rodung zu deuten. Während das größte obere Gut, von dem eine geradlinige Verbindung zum früheren Rittergut Oberstaucha führt, am Rand einer Geländemulde liegt, nehmen die anderen Höfe den abfallenden Hang nach dem Grunde zu ein, wie,die Eintiefung im Atlas von O B E R R E I T (1839/40) heißt. Das obere Anwesen gehörte zeitweise dem Rittergut Staucha. Sonst unterstanden die 1820 verzeichneten 4 Bauern und 1 Gärtner grundherrlich dem Rittergut Seerhausen. Das größte Gut wurde 1945 aufgelöst und an Neubauern verteilt. Gegenwärtig" unterhält die K A P Stauchitz (s. Q 5) hier eine Reparaturwerkstatt. Die Scheunen der Gehöfte sind zum Teil abgetragen worden, da sie ihre eigentliche Funktion verloren haben. X 2 Grauswitz, seit 1935 Ortsteil von Striegnitz In Grauswitz ist zwar 1206 ein Herrensitz erwähnt, im späteren Dorf gab es jedoch stets nur 2 Bauerngehöfte. Sie liegen in dem Tal des von Altsattel kommenden Rinnsals, das dicht am Dorf ein weiteres aufnimmt. Die Flur von 124 ha (1845) gliederte sich früher in gewannartige Blöcke und Streifen, wie sie auch für Treben und Altsattel typisch waren. Der Name — 1334 Gruzkewicz — läßt sich wie der von Grauschwitz (s. O 9) erklären.'' 1820 zinsten ein Bauer nach Ragewitz, einer nach Jahnishausen, 2 Gärtner und ein Häusler unterstanden dem Erbamt Meißen.1 Vor 1910 war Grauswitz an das unmittelbar benachbarte Trogen gekommen. Heute arbeiten die Grauswitzer Bauern in der L P G Helmut Just (s. X 5 ) . X 3 Trogen, seit 1935 Ortsteil von Striegnitz Auf der hiesigen Flur wurden nördlich vom Ort Gräber der frühestbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur geborgen. Nach 1233 wird in einer Urkunde Drogan erwähnt. Die Bezeichnung des Ortes geht auf den altsorbischen Personennamen Drogan zurück, eine Kurzform von Drogoslav. Das Dorf besitzt einen Anteil an 208

der Wüsten Mark Wilschwitz (s. X 4). Möglicherweise liegen die südlichen Güter X 3 in dieser wüsten Flur, so daß Trogen ursprünglich ein Weiler von nur 3 bis 4 Bauernwirtschaften mit rund 18 Hufen gewesen ist. Später kamen weitere hinzu, so daß die Form eines Platzdorfes entstand. Seine 202 ha (1861) große Flur zerfiel in Blöcke und Streifen. Sie wird heute von der L P G Helmut Just bewirtschaftet (s. X 5). An der Gemarkungsgrenze nach Roitzsch hat sich das Galgenlocli erhalten (s. R 9). Die Karte von O B E R R E I T (1839/40) verzeichnet im Dorf den Peststein, der sich im Garten eines Bauerngutes dicht an der Straße nach Pöhsig befindet. Seine Inschrift von 1607 berichtet über den Tod von 6 Bewohnern.

Wüste Mark Wilschwitz

X 4

Die Bezeichnung Wüste Mark Wilschwitz bezieht sich auf ein Flurstück südlich von Trogen, auch die Wilschfelder genannt. Der eigentliche Name des untergegangenen Ortes lautete Muschwitz oder Mülschwitz. Auch die Flurbezeichnungen Milzsch und Milzschangey halten den Namen fest, in dem wohl die Personenbezeichnung Milos, Miles enthalten ist. Der nur kleine Weiler muß vor dem Beginn des 16. Jahrhunderts wüst geworden sein, denn die älteren Karten ( O E D E R - Z I M M E R M A N N ) vermerken ihn schon nicht mehr. Auch ein Visitationsbuch von 1555/56 enthält den Hinweis über die Wüstung Miltzsch. Die Gemarkung umfaßte 10 Hufen, von denen 7,5 einem Gut in Trogen (s. X 3), 2,5 einem in Roitzsch gehörten.

Barmenitz, seit 1935 Ortsteil von Striegnitz,

X 5

umfaßt 2 große Vierseithöfe, die den Platz am Rand einer Quellmulde einnehmen. Die Form der 112 ha (1900) großen Flur entsprach der von Blöcken und Streifen, einer für die Weiler des Lommatzscher Landes typischen Einteilung. Südlich der Straße von Barmenitz nach Altsattel befand sich eine Siedlung der ältesten Eisenzeit mit Resten vom Wandbewurf der Hütten, mit Keramik, Knochen und einer Steinaxt. Die Niederlassung gehört zur Billendorfer Gruppe, das heißt in den Ausklang der Lausitzer Kultur. Im Zuge der Besiedlung des Landes erhielt ein ritterlicher Bauer 1183 einen Herrensitz in Pormiz (Erklärung s. D 3), ein Allodium gab es 1309. 1820 wurden die Bewohner differenziert nach 2 Bauern und 3 Häuslern, von denen 2 Häusler auf Bauernland vermutlich als Drescher angesetzt waren. 1912 schloß sich Barmenitz mit Altsattel zu einer Gemeinde zusammen. In einem der zwei völlig umgebauten Vierseithöfe von Barmenitz hat die L P G Helmut Just Striegnitz seit ihrer Gründung am 20. Januar 1953 ihren Verwaltungssitz. Ferner befinden sich hier eine Küche sowie Werkstätten, Maschinen- und Fahrzeughallen. Wie in Altsattel (s. X 6) gibt es Wohnheime für Lehrlinge und ledige Arbeitskräfte. 209

X 5

D i e k o o p e r a t i v e Z u s a m m e n a r b e i t in der L a n d w i r t s c h a f t b e g a n n 1967, als sich die L P G s H e l m u t J u s t , N e u e H e i m a t J e s s e n u n d K a r l L i e b k n e c h t W u h n i t z z u r K o o p e r a t i o n L o m m a t z s c h e r P f l e g e z u s a m m e n f a n d e n . A l s a m 1. J a n u a r 1974 die B e r e i c h e P f l a n z e n p r o d u k t i o n d e r G e n o s s e n s c h a f t E r n s t K a m i e t h D ö r s c h n i t z u n d F r i e d e n s h o r s t N e c k a n i t z h i n z u k a m e n , e r f o l g t e d e r F e l d b a u in R e g i e d e r L P G H e l m u t J u s t auf i n s g e s a m t 4 6 5 9 h a . D e r m i t 189 h a sehr g e r i n g e A n t e i l a n D a u e r g r ü n l a n d i s t auf d e n h o h e n W e r t d e s L ö ß b o d e n s f ü r d e n A c k e r b a u z u r ü c k z u f ü h r e n . D u r c h die E r r i c h t u n g einer W a s s e r s t a u a n l a g e (s. R 9) k a n n seit 1973 eine F l ä c h e v o n 2000 h a b e r e g n e t w e r d e n . Z u d e n w i c h t i g s t e n A n b a u f r ü c h t e n G e t r e i d e u n d Z u c k e r r ü b e n k a m e n 1974 H o p f e n (50 ha) u n d G e m ü s e (540 ha). D i e V i e h b e s t ä n d e d e r L P G H e l m u t J u s t w u r d e n 1974 v o n d e r L P G N e u e H e i m a t J e s s e n ü b e r n o m m e n , die sich w i e die L P G K a r l L i e b k n e c h t W u h n i t z ausschließlich d e r T i e r h a l t u n g w i d m e t . S t ä l l e f ü r M i l c h k ü h e sind in f a s t allen O r t s t e i l e n dieser K o o p e r a t i o n s b e r e i c h e v o r h a n d e n (s. X 11).

X 6

Altsattel, seit 1935 (s> X 5) O r t s t e i l v o n S t r i e g n i t z , l i e g t a m o b e r e n R a n d einer m i t einem k l e i n e n T e i c h e r f ü l l t e n Q u e l l m u l d e . Z w e i größere f r ü h e r e H ö f e ( A b b . 35) u n d einige kleine W i r t s c h a f t e n v e r l e i h e n d e m D o r f die F o r m eines W e i l e r s . Seine 98 h a (1900) u m f a s s e n d e F l u r w a r in g e w a n n -

A b b . 35. T e i l b e b a u u n g s p l a n v o n A l t s a t t e l (links: u m 1906; r e c h t s : 1974, m i t f r e u n d l i c h e r U n t e r s t ü t z u n g d e s B ü r o s d e s Bezirksarchitekten Dresden)

210

ähnliche Blöcke und Streifen gegliedert. Beim Ortsnamen handelt es sich um X 6 eine Übersetzung bzw. Umformung eines altsorbischen Stare sedlo ( = alter Sitz, Altdorf) zu dem im Deutschen bekannten Sattel (mittelhochdeutsch sedel = Sitz, Sitz eines Edlen), das erstmals 1334 in der Schreibweise in Aldensatel vorliegt. 1820 gehörte das Dorf grundherrlich zum Rittergut Jahnishausen, ein Bauer zinste ins Bistum nach Meißen. Die Altsatteier Bauern haben sich der L P G Helmut Just (s. X 5) angeschlossen. In dem einen Vierseithof, an dessen früherem Pferdestall eine dreibogige Kumthalle erhalten blieb, befindet sich das Internat für Landwirtschaftslehrlinge bzw. angehende Agrarfacharbeiter, in dem anderen sind Kinderkrippe und -garten sowie Ställe untergebracht. Läusehübel (207,6 m)

X 7

Eine Bockwindmühle stand von 1806 bis 1939 auf dem Läusehübel bei Altsattel an der Straße von Staucha nach Lommatzsch. Dicht am Wohnhaus des früheren Müllers befindet sich ein Brunnen in der Form eines Wasserhäuschens, wie es im Erzgebirge üblich ist. Von der Erhebung bietet sich ein eindrucksvoller Ausblick auf die Landschaft der Lommatzscher Pflege. Man erkennt von hier aus die großen Schlagkomplexe der Felder, die sich von einer Straße oder Baumreihe bis zur nächsten oder von einem Dorf zum anderen erstrecken. Bei einigen der Weiler heben sich deutlich Stallanlagen für Rinder, Schweine oder Geflügel von den alten Gütern ab. Dazu kommen an manchen Stellen Hopfenanlagen, weiterhin nach Westen und Süden zu die Foliezelte und Gewächshäuser der Kooperativen Gemüseproduktion Gleina, ferner Einrichtungen der L P G Helmut Just und der K A P Stauchitz. Als Fernpunkte ziehen Oschatz und der dahinter emporragende Collmberg das Augenmerk auf sich. Das Gebiet um Lommatzsch, die Lommatzscher Pflege, gehört zu den ältesten Siedlungszentren Sachsens, die sich seit dem Beginn des Seßhaftwerdens der Menschen und dem damit möglichen Feldbau in der Jungsteinzeit herauszubilden begannen. T H I E T M A R meint mit Glomaci (um 1000) den Gau Lommatzsch. 1410 taucht in einer Zustimmung zu einer Stiftung die Bezeichnung Pflege von Mysen (Meißen), 1517 erstmals Lommetzer pflege ( G R O S Z E 1932) auf. In der natürlichen Ausstattung weist die Lommatzscher Pflege (auf Abb. 1 IVb) gegenüber dem westlichen Teil (auf Abb. 1 IVa) des Mittelsächsischen Hügellandes eine Reihe Unterschiede auf. Das Relief ist geringer zerschnitten und weniger gegliedert, so daß breitere Flächen erhalten blieben. Die Böden kommen in ziemlich geschlossener Verbreitung mit mächtigen liumosen Horizonten vor, die als dunkelgraue Parabraunerden, auch Griserden genannt, bezeichnet werden. Ihre Ausbildung erhielten sie durch die im stark aufgelichteten Waldbestand lange geübte Dreifelderwirtschaft mit ihrem Wechsel von Acker, Weide und Brache mit Grasbestand. Die Verbreitungsgrenzen dieser dunklen Böden decken sich auffallend mit denen des Altsiedellandes ( H E R Z 1960). 15 Oschatz

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X 8

Ibanitz, seit 1935 Ortsteil von Staucha, liegt in einer Quellmulde bei 180 111 ii. NN, von der aus das Gelände nach Norden, Süden und Osten um 20 bis 27 m ansteigt. Um diese sumpfige Vertiefung gruppieren sich die Gehöfte zu einem typischen Platzdorf. Die 5 ehemaligen Bauernhöfe sind massiv erbaut, nur das frühere Gemeindehaus besteht aus Fachwerk. Ursprünglich scharten sich die Anwesen enger um die Quellmulde und rückten nach Bränden von 1805 und 1820 weiter auseinander. Die dazugehörige 185 ha (1900) große Flur zeigt mit ihren einstigen gewannähnlichen Blöcken und Streifen frühdeutschen Einfluß. 1329 schrieb man Ywanwicz, 1350, als ein Vorwerk im Ort bestand, Ywanuwicz. Der Name bedeutet Dorf der Leute eines Ivan ( = slawische Bezeichnung für Johannes). Die Bewohner unterstanden grundherrlich dem weit abgelegenen Rittergut Hirschstein an der Elbe, einige dem in Schweta bei Döbeln. 1828 gliederte sich die Bevölkerung in 5 Bauern, 1 Gärtner und 1 Häusler. Die in der Landwirtschaft Beschäftigten arbeiten heute in der L P G Neuer Weg (s. W 7).

X 9

Marschütz, seit 1935 Ortsteil von Wuhnitz, setzt sich aus einem großen Bauerngut und einigen Häusern zusammen, die sich in eine Geländemulde schmiegen. Der Ortsname taucht 1334 erstmals auf, damals Moracswicz geschrieben, und ist abzuleiten von einem Personennamen Mara5. 1820 gab es außer einem Bauerngut 8 Häusleranwesen, deren Bewohner Drescherdienste bei der Grundherrschaft zu leisten hatten. Das Gehöft, ein Erb-, Brau- und Schenkengut, zinste mindestens seit dem 16. Jahrhundert dem Rittergut Hirschstein an der Elbe. Das ehemalige Gasthaus an der Straße S t a u c h a Wuhnitz, also außerhalb des Dorfes, entstand erst 1817. Die früher für einen Weiler typische Block- und Streifenflur umfaßte 59 ha (1900) und wird heute von der L P G Helmut Just bearbeitet (s. X 5).

X 10 Berntitz, seit 1934 Ortsteil von Wuhnitz, gehört als nördlichstes zu den Stauchaer Dreidörfern (Wuhnitz, Berntitz, Arntitz). Zwei der früheren Gehöfte ziehen sich links der Straße nach Altsattel hin. Die 159 ha (1900) umfassende Flur gliederte sich wie bei benachbarten Orten in gewannähnliche Blöcke und Streifen. Die erste Erwähnung des Ortes liegt von 1302 vor und lautete Bernharticz. Dieser Name ist ein Beispiel für deutsch-slawische Mischbezeichnungen (s. N 2). Für 1432 sind ein Rittersitz und ein Vorwerk erwähnt. Die Bewohner waren dem Domkapitel zu Meißen, später dem Prokuraturamt und dem Rittergut Hirschstein an der Elbe zins- und fronpflichtig. 1820 bestand der Ort aus 5 Gütern und 3 Häusern, darunter einem Gemeindehaus. Die bäuerliche Bevölkerung arbeitet

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v o n Beginn der genossenschaftlichen Entwicklung an mit der L P G K a r l Lieb- X i « knecht W u h n i t z zusammen. Diese h a t sich seit 1974 auf die Tierhaltung spezialisiert.

Dennschütz, seit 1935 Ortsteil von Wuhnitz,

X 11

setzt sich aus nur 2 Gütern zusammen. Die 79 ha (1910) große Flur des Weilers war in Blöcke gegliedert. Auf dem Gelände zwischen Dennschütz, Altlommatzsch, Scheerau, Barmenitz und Ibanitz sind Forschungen von HERZ (i960) zufolge verschiedene Wüstungen (Abb. 4) zu vermuten. Der Ortsname wird 1334 erstmals genannt (Tenschicz). E r geht vermutlich auf den altsorbischen Personennamen Ten(e)k, Tensa zurück. D a s Dorf gehörte im 14. Jahrhundert unter die Supanie A l t l o m m a t z s c h (s. Y 6), kirchlich zum 5 km-entfernten Staucha. Die grundherrschaftlichen Rechte übte das e t w a 15 k m entfernte Rittergut Hirschstein an der Elbe aus. Die L P G K a r l Liebknecht W u h n i t z v e r f ü g t in Dennschütz über eine Stallanlage für Rinder. In der Nähe des Dorfes befinden sich seit 1969 neue Aufzuchthallen für K ü k e n der Zwischengenossenschaftlichen Einrichtung Frischeier Lommatzsch. Die Legehühner werden im 3 k m entfernten Schwochau gehalten.

Striegnitz, Kreis Meißen,

Y 1

zeigt noch eine ziemlich geschlossene Rundlingsform und liegt am westlichen Talhang des Mehltheuerbaches. A n mehreren Seiten schließen an den alten D o r f k e r n spätere Ausbauten an, so in Richtung Dörschnitz und an der Straße nach Scheerau. Der Ort wird bereits 1206 urkundlich erwähnt, damals Strigenewiz geschrieben. Der altsorbische N a m e bedeutet Leute des Stregan. Ein Plebanus (Leutepriester) kann ebenfalls 1206 nachgewiesen werden, eine Kirche dürfte also bereits im 12. Jahrhundert bestanden haben. Ihr jetziges Aussehen erhielt sie 1790 bis 1792. Eine vierseitige steile Dachpyramide mit Uhr bekrönt den im W e s t e n angebauten T u r m — 1888 an die Stelle eines älteren gesetzt. Die große T a u f schüssel aus Zinn weist eingravierte Schriftzüge und eine Meißner Stadtmarke von 1663 auf, eine silbervergoldete Patene (Hostienteller) mit graviertem gotischem Weihekreuz s t a m m t von e t w a 1500. In Striegnitz kann für 1215 ein Herrensitz, für 1350 ein Allodium nachgewiesen werden, das später dem Rittergut Seerhausen angegliedert war. Dieser Grundherrschaft unterstanden auch die Bewohner bis in das 19. Jahrhundert. In dieser Zeit gab es im Ort je 4 Bauernwirtschaften und Gartennahrungen sowie 2 Häusleranwesen. Im Siedlungsbild fällt eine zweibogige K u m t h a l l e beim Dreiseithof Nr. 10 auf. Hier wie am Wohnhaus Nr. 7 haben sich Fachwerkobergeschosse erhalten. K u r z 15*

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1 vor dem ersten Weltkrieg bekam der Ort ein Schulgebäude (Nr. l b), das bis 1974 Unterrichtszwecken diente. Heute besuchen die Kinder die Schule in Lommatzsch. Dem dortigen, 1972 gegründeten Gemeindeverband gehören außer Striegnitz auch Dörschnitz und Wuhnitz an. Neue Wohngebäude, so das nahe dem Friedhof gelegene MTS-Haus von 1956, sowie ein Landwarenhaus vergrößerten das Dorf. Die Bewirtschaftung der früher in gewannähnliche Streifen gegliederten Flur (1900: 190 ha) obliegt heute der L P G Helmut Just mit ihrem Verwaltungssitz in Barmenitz (s. X 5 ) . Neue Ställe in Striegnitz dienen der Jungviehhaltung.

2

Dörschnitz, Kreis Meißen, zieht sich mit seinen Gehöften am nördlichen Talhang eines kurzen Rinnsals hin, das zum Keppritzbach entwässert. Seine Form gleicht der eines Doppelgassendorfes, dessen Ursprung E I C H L E R / W A L T H E R (1966) in zwei dicht beieinander gelegenen Weilern suchen. Die umfangreiche, 319 ha (1900) große Flur war früher in gewannähnliche Streifen gegliedert. Bereits vor 1190 taucht für die Siedlung der Name Dersniz auf, dessen altsorbische Form auf die Personenbezeichnung Dirzen zurückgeht. In dieser Zeit dürfte in Dörschnitz eine frühdeutsche Wasserburg bestanden haben, obwohl sichere Befunde dafür fehlen. Als Standort käme die rechteckige Insel in der Talaue in Betracht. Der sie umgebende Wassergraben, der im Bereich der Zufahrt jetzt verfüllt ist, weist unterschiedliche Breite auf. Erhalten blieb lediglich eine wallartige Aufschüttung nach Süden. Ein sicherer Hinweis über das Vorhandensein eines Allodiums liegt von 1350 vor, aus dem später das Vorwerk und im 18. Jahrhundert schließlich das Rittergut hervorging. Schon 1180 stiftete in Dörschnitz Conrad S P A N S E I L , ein Gefolgsmann des Markgrafen O T T O des Reichen, eine dem Petrus geweihte Kirche. Im Jahre 1206 richtete er im Ort auch ein Spital ein, das, 1233 in ein Benediktinerinnen-Kloster Marienpforte umgewandelt, später nach Sitzenroda in der Dahlener Heide verlegt wurde. Die alte Kirche von 1720 erhielt 1896 einen Nachfolgebau von Baumeister Julius Z E I S S I G aus Leipzig. Das Innere der Kirche wurde 1970 bis 1971 modernisiert und renoviert. Der flache Altartisch aus Sandstein auf Sandsteinsäulen aus dem 18. Jahrhundert steht im östlichen Wandausbau. Auf dem Friedhof befinden sich ein Ehrenmal sowie 3 Reihen Gräber für 36 KZ-Häftlinge unbekannter Nationalität. Sie wurden im Frühjahr 1945 von Angehörigen der SS auf dem Durchmarsch ermordet. östlich der Kirche erhebt sich das bis 1974 für den Unterricht genutzte Schulhaus. Über seinem Eingang erinnert eine Marmortafel an den Pädagogen Professor Friedrich "Oswald T H I E M E , der am 7. Mai 1848 hier geboren wurde und später am Lehrerseminar Dresden-Friedrichstadt gewirkt hat. Die Schüler aus Dörschnitz erhalten jetzt ihren Unterricht in Lommatzsch. Bereits 1953 schlössen sich mehrere Bauern zur L P G T y p III Ernst Kamieth

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zusammen. Deren Anbaufläche erhöhte sich auf insgesamt 910 ha durch den Y 2 Beitritt der beiden i960 gegründeten Genossenschaften T y p I Keppritztal sowie T y p I Grüne Aue im Ortsteil Paltzschen. 1974 übernahm die L P G Helmut Just (s. X 5) die landwirtschaftliche Nutzfläche zur Bearbeitung, die L P G Neue Heimat in Jessen die Viehhaltung in Dörschnitz und seinen Ortsteilen.

Lautzschen, seit 1935 Ortsteil von Dörschnitz,

Y 3

liegt mit seinen Gehöften in der Talaue des Keppritzbaches sowie an seinem rechten Ufer. Die Anwesen reihen sich zu einer kurzen Gasse aneinander. In der Bachniederung befindet sich unmittelbar am westlichen Dorfrand ein kleiner Teich mit Insel, der Rest einer frühdeutschen Wasserburg und vermutlich der für 1206 erwähnte Herrensitz Lutsan. Der Name bezeichnet die Leute, die im Wiesental (luha = Wiese) wohnen. 1820 gab es in Lautzschen 5 Bauernwirtschaften, 7 Gartennahrungen und 1 Häuslerstelle. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Einwohnerzahl zurück, da die besitzlose Landbevölkerung in die mehr Verdienstmöglichkeiten bietenden Städte umsiedelte. Dieser Vorgang vollzog sich auch in anderen Dörfern der Lommatzscher Pflege. Das Siedlungsbild von Lautzschen wird von drei- und vierseitigen ehemaligen Bauernhöfen bestimmt. Die Bauern schlössen sich der L P G Ernst Kamieth in Dörschnitz an (s. Y 2). Ihre 229 ha (1900) große, früher in gewannähnliche Streifen gegliederte Flur wird heute von der L P G Helmut Just bearbeitet (s. X 5).

Paltzschen, seit 1935 Ortsteil von Dörschnitz

Y 4

Als Kern des alten Gassendorfes gilt die Siedlung dicht am Keppritzbach mit der ehemaligen Mühle. Zwei Gutshöfe sind im 19. Jahrhundert aus dem Ort an den Talhang hinauf verlegt worden, der südliche erst nach 1840. Auch der Hof nördlich vom Dorf ist jünger. Die Flur von Paltzschen, die früher in gewannähnliche Streifen gegliedert war, weist eine Reihe von Stellen mit ur- und frühgeschichtlichen Funden auf. So liegt nördlich vom Ort zwischen den Höhen 149,6 m und 136,5 m und besonders nordwestlich der • letzteren eine Siedlung der j ungsteinzeitlichen Spiralbandkeramik. Am Nordrand des Dorfes befindet sich auf dem Terrassenrand des Keppritzbaches der sichelförmige Rest einer slawischen Wallanlage. Als Flurname hat sich die Bezeichnung Der Tanzplatz erhalten. Auch an anderen Stellen der Umgebung (s. W 6) bezeugen Flurnamen und Überlieferungen, so der Tum\ melberg bei Striegnitz, der Tanzberg bei Dörschnitz, daß hier uralte Kultmittelpunkte bereits der vordeutschen und vielleicht auch der vorslawischen Bevölkerung bestanden haben. An einen knüpft sich eine der ältesten bezeugten Sagen der Lommatzscher Landschaft, nämlich die von einem heiligen See der slawischen

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Y 4 Daleminzier, im Volksmund Baischer See genannt. Er befand sich zwischen Striegnitz und Dörschnitz und fiel beim Bau der Eisenbahnlinie Riesa—Lommatzsch trocken. Die Wasserfläche, zweifellos einer der nicht seltenen offenen Quellbrunnen, hatte einst keinen Abfluß. Auch T H I E T M A R von Merseburg, 1008 bis 1018 Bischof, bezeugt in seiner Chronik (neu herausgegeben 1966) nicht weiter als 2 Meilen von der Elbe entfernt eine Quelle, die den Bewohnern durch Veränderungen der Oberfläche die Zukunft verkünde. Wahrscheinlich beruhten diese Vorgänge auf Prozessen bei der Entwicklung von Algen. Ähnlich erklärt sich möglicherweise das früher zwischen Gröba und Merzdorf gelegene Rote Meer mit seinem zuweilen rot erscheinenden Auftriebswasser. Von Prositz ist aus dem Jahre 1809 ebenfalls eine solche Erscheinung beschrieben worden. 1206 gab es in Pulzan einen Herrensitz, 1543 ein Allodium. Der Ortsname könnte mit altsorbisch polka = Holzstück zusammenhängen und sich ursprünglich auf ein Buschwerk am Bach bezogen haben. Von der Flur sind Bezeichnungen wie Am See und die Seestücken bekannt. Grundherrliche Rechte über die Bewohner übten teilweise das Amt Meißen und das Rittergut Jahnishausen aus. 1820 gab es im Ort 6 Bauern, 7 Gärtner, 6 Häusler, dazu eine Wassermühle. Die genossenschaftliche Entwicklung in der Landwirtschaft ist mit der von Dörschnitz eng verbunden (s. Y 2). Die beiden großen Vierseithöfe an der Straße nach Lommatzsch werden jetzt von der L P G Neue Heimat in Jessen genutzt.

Y 5 Scheerau, seit 1973 Stadtteil von Lommatzsch, gruppiert sich mit seinen Gehöften an einer Sackgasse, die den nördlichen Hang einer Quellmulde einnimmt. Die 220 ha (1900) große Flur war in gewannähnliche Streifen gegliedert. Ein Teil der Gemarkung scheint von einer Wüstungsflur herzurühren, die südlich vom Tummelberg gelegen hat. 1218 wird der Ortsname Skere geschrieben. Eine deutsche Ableitung mit dem Grundwort Au(e) ist unwahrscheinlich. Vermutlich wurde der Name Ende des 13. Jahrhunderts eingedeutscht, vielleicht besteht auch eine Verbindung zu einer vorslawischen Form (s)ker = herumspringen, die auf eine Beziehung zu einer alten Kultstätte, dem späteren Tanzplatz, hinweisen könnte (s. Y 4). In Scheerau gab es ein sogenanntes trockenes Rittergut, also hafteten gutsherrliche Befugnisse auf Bauernhufen, ohne daß entsprechende Gutsgebäude vorhanden waren. Bis zur Auflösung der Patrimonialgerichtsbarkeit verfügten 2 Bauern, einer im Ort und einer in Altlommatzsch, über das Besitztum und übten auch grundherrliche Rechte aus. Einige Bewohner unterstanden jedoch dem Rittergut in Batzdorf bei Meißen. 1820 lebten in Scheerau 7 Bauern, 5 Gärtner und 2 Häusler. 1935 war Scheerau zu Altlommatzsch gekommen. Heute gehören die Landwirte zur L P G Neue Heimat Jessen. Die überwiegend dreiseitigen Hofanlagen, von denen Nr. 9 der genossenschaftlichen Viehhaltung dient, bewahren oft noch Fachwerkobergeschosse.

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Altlommatzsch, seit 1973 Stadtteil von Lommatzsch Den Mittelpunkt bildet im Ort ein kleiner Teich, der an einem Rinnsal aufgestaut ist, das zum Keppritzbach abfließt. U m ihn gruppierte sich vermutlich ein slawischer Rundweiler. E r s t später wurden die größeren Vierseithöfe an ihre heutigen Plätze verlegt, so daß sich der Grundriß des Ortes zu einem Zeilendorf veränderte. Diesem entsprach auch die ehemals gewannähnliche Streifenflur, die 271 ha (1900) umfaßte. Nördlich am Ort befindet sich zu beiden Seiten der Straße nach Scheerau, wo früher eine Bockwindmühle stand, ein großes Gräberfeld hauptsächlich der jüngeren und jüngsten Bronzezeit r mit mehr als 300 Brandgräbern der Lausitzer Kultur. Diese enthielten teilweise reichliche Keramikbeigaben, Bronzen, Steinanhänger sowie Knochenpfeilspitzen. Hinzu kommen einzelne, zum Teil gestörte Bestattungen der Aunjetitzer K u l t u r aus der ältesten Bronzezeit. In demselben Gelände liegt westlich der Straße ein Reihengräberfeld der Slawen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert mit Resten von mindestens 53 Bestattungen. Zu Keramikbeigaben kommen Eisenmesser sowie bronzene und silberne Schläfenringe, Ton- und Glasperlen (Abb. 31, 1 bis 3). In Altlommatzsch, 1268 urkundlich Aldenlomazh geschrieben, befand sich der Sitz eines Supan oder Saupen (s. Seite 15). A u c h eine Urkunde von 1403 erwähnt noch die „supania in Antiqua Lommaczcli" (die Supanie Altlommatzsch). Aus dem Saupengut, dem größten Anwesen im Dorf, ging später das Landrichtergut hervor, das im 16. Jahrhundert wiederholt genannt wird, noch 1798 als Erblandrichtergut. Altlommatzsch unterstand grundherrlich dem bei der Gründung der Fürstenschule Meißen 1543 eingerichteten Schulamt. Die sozialistische Entwicklung in der Landwirtschaft setzte in Altlommatzsch i960 ein, als die Bauern die L P G T y p I I I Rudolf Diesel mit 248 ha gründeten. 1970 schloß sich diese der benachbarten Genossenschaft T y p I I I Neue Heimat Jessen an, die bereits seit 1952 bestand. Heute bearbeitet die L P G Helmut Just Striegnitz, Sitz Barmenitz (s. X 5), die landwirtschaftliche Nutzfläche. Wüst-Albertitz

Y 7

Inmitten des dichten Siedlungsnetzes fällt im Nordosten der Lommatzscher Flur eine große L ü c k e zwischen Domseiwitz und den Gemarkungen bzw. Dörfern Löbschütz, Wölkisch, Lautzschen, Paltzschen, Scheerau und Altlommatzsch auf. A l t e K a r t e n vermerken dort die W ü s t u n g Groß- und Klein-Wüstalbertitz. Erste Nennungen tauchen 1334 (Albrechticzchin) und 1378 (Albrechticz) auf. 1427 heißt es bereits wüste Alberticz. Die beiden wüsten Orte haben dicht beieinander gelegen, und zwar Klein-Albertitz an der Wegegabel nördlich von Domselwitz mit einer nach Paltzschen gerichteten Flur und Groß-Albertitz nördlich an die Gemarkung von Löbschütz anschließend. 1812 wird die Größe beider W ü s t u n g e n mit I83/4 H u f e n angegeben, davon s1/^ Hufen von Klein-Wüstalbertitz.

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Y 8 Domseiwitz, seit 1905 Stadtteil v o n L o m m a t z s c h , an das es unmittelbar angrenzt. Die Zahl seiner G e h ö f t e vergrößerte sich n a c h 1550 (s. Tabelle A), so d a ß ein erweiterter Bauernweiler entstand. Sein altsorbischer N a m e — 1218 Domezlawiz, 1249 Domanzlawiz — b e d e u t e t soviel wie L e u t e des D o m a s l a v . Die 121 ha (1900) große F l u r zeigte gewannähnliche Streifen und s t r e c k t sich im Norden bis nach W ü s t - G r o ß a l b e r t i t z (s. Y 7), v o n dessen Fläche sie einen Teil einnimmt. B i s 1764 h a t t e sich die Z a h l der besessenen M a n n in Donjselwitz durch Teilungen v o n 6 auf 8 erhöht. Sie unterstanden, wie a u c h die Häusler, z u n ä c h s t dem D o m s t i f t Meißen, seit dem E n d e des 16. Jahrhunderts dem P r o k u r a t u r a m t . D a s alte Ortsbild h a t sich durch die zahlreichen N e u b a u t e n bis heute s t a r k verändert. W o h n h ä u s e r schließen die L ü c k e n a c h L o m m a t z s c h zu. Die L P G Neue H e i m a t Jessen n u t z t hier modernisierte Altställe.

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