Zwischen Rennsteig und Sonneberg: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Lauscha, Steinach, Schalkau und Sonneberg [Reprint 2021 ed.] 9783112597163, 9783112597156


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German Pages 242 [245] Year 1987

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Zwischen Rennsteig und Sonneberg: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Lauscha, Steinach, Schalkau und Sonneberg [Reprint 2021 ed.]
 9783112597163, 9783112597156

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ZWISCHEN RENNSTEIG UND

SONNEBERG

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR INSTITUT FÜR G E O G R A P H I E UND G E O Ö K O L O G I E ARBEITSGRUPPE HEIMATFORSCHUNG

WERTE U N S E R E R HEIMAT Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deutschen Demokratischen Republik

Band 39

ZWISCHEN RENNSTEIG UND SONNEBERG Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Lauscha, Steinach, Schalkau und Sonneberg

Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Frankdieter Grimm

Mit 39 Abbildungen, 16 Kunstdrucktafeln, 1 Übersichtskarte

1986

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats für Heimatforschung des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der DDR Prof. Dr. habil. Dr. eh. Edgar Lehmann, Leipzig (Geographie, Vorsitzender), Prof. Dr. sc. Heinz Lademann, Leipzig (Geographie, Direktor des Instituts), Prof. Dr. habil. Ludwig Bauer, Halle (Geographie, Naturschutz), Dr. habil. Karlheinz Blascbke, Dresden (Geschichte), Prof. Dr. sc. Werner Coblenz, Dresden (Ur- und Frohgeschichte), Prof. Dr. Ernst Ehwald, Eberswalde (Bodenkunde), Prof. Dr. Edgar Lehmann, Berlin (Kunstgeschichte), Prof. Dr. habil. Hermann Heusei, Halle (Botanik), Prof. Dr. sc. Günter Möbus, Greifswald (Geologie), Prof. Dr. Hans Nadler, Dresden (Denkmalpflege), Prof. Dr. habil. Ernst Neef, Dresden (Geographie), Prof. Dr. Werner Radig, Berlin (Hausforschung), Dr. sc. Rudolf Weinhold, Dresden (Volkskunde), Dr. sc. Dietrich Zühlke, Dresden (Geographie)

Leitung der wissenschaftlichen Bearbeitung und Redaktion: Dr. sc. Dietrich Zühlket, Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Geographie und Geoökologie, Arbeitsgruppe Heimatforschung 8010 Dresden, Augustusstraße 2

2., berichtigte Auflage Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Str. 3 - 4 © Akademie-Verlag Berlin 1983 Lizenznummer: 202 • 100/202/85 V 65/83 Printed in the German Democratic Republic Satz: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Photomechanischer Nachdruck und buchbinderische Weiterverarbeitung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza LSV 5235 Bestellnummer: 753954 8 (2084/39) 01250

Inhaltsverzeichnis Vorwort

VII

Autorenverzeichnis

IX

Verzeichnis der Suchpunkte

XI

Überschau

1

Naturraum

1

Geschichte

9

Volkssprache

27

Wirtschaft, Siedlung und Bevölkerung nach 1945 . . .

31

Einzeldarstellung

39

Anhang

168

A. Stratigraphische Gliederung des Schiefergebirges im Raum Steinach 168 B . Stratigraphische Gliederung des Buntsandsteins und Muschelkalks 169 C. Höhenstufen und Klimabereiche Waldes bei Sonneberg

des

Thüringer 170

D. Einwohnerzahlen des Kreises Sonneberg in seinem Umfang von 1922 bis 1950 171 E . Einwohnerzahlen der Orte des Kreises Sonneberg (Umfang 1922 — 1950) und der übrigen im Untersuchungsgebiet liegenden Orte 172 F . Zugehörigkeit der Orte des Sonneberger Landes zu den Verwaltungs- und Justizbezirken 176 G. Erklärung von Ortsnamen

182

H. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften um Sonneberg im Jahr i960

185

I.

Literaturverzeichnis

186

J.

Abbildungsverzeichnis

197

K . Namenverzeichnis L . Sachverzeichnis

199 ;

205

Vorwort Der Sonneberger R a u m hat seit längerer Zeit keine ausführliche Darstellung in der geographisch-heimatkundlichen Fachliteratur gefunden. Zwar entstand in den drei Jahrzehnten sozialistischer Entwicklung in der D D R eine stattliche Anzahl von Einzeluntersuchungen, vor allem im Rahmen- von Qualifikationsarbeiten an den Hochschulen, von Spezialstudien an den Museen in Sonneberg und Lauscha sowie von Planungsvorbereitungen verschiedener Dienststellen. Mit zahlreichen Veröffentlichungen über die Gegend zwischen Rennsteig und Sonneberg ist der 1969 verstorbene, verdienstvolle Steinacher Geologe und Heimatforscher Dr. h. c. Max Volk vertreten. Eine umfassende Darstellung dieses in seiner Natur, Geschichte, Kultur und Wirtschaft vielfältigen, interessanten Gebietes im Süden der D D R fehlte jedoch bisher. Eine Arbeitsgruppe — auf Initiative von Dr. sc. Frankdieter Grimm im Jahre 1976 gebildet und unter seiner Leitung wirkend — stellte sich das Ziel, Orte und Landschaften um Sonneberg, Schalkau, Steinach und Lauscha in der Buchreihe „Werte unserer Heimat" zu beschreiben. Die Autoren — Fachleute verschiedener gesellschafts- und naturwissenschaftlicher Disziplinen — sind vielfach im Sonneberger Land ansässig oder dort beheimatet und jetzt an Forschungseinrichtungen in Jena, Leipzig, Weimar und Erfurt tätig. Darüber hinaus unterstützten zahlreiche staatliche Einrichtungen, Betriebe und Einzelpersonen das Vorhaben. Der umfangreichen Aufgabe einer abschließenden Durchsicht des Gesamtmanuskriptes unterzogen sich dankenswerterweise als gute Kenner der dargestellten Materie Herr Prof. Dr. Manfred Bachmann, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, und Herr Dr. rer. nat. habil. Erhard Rosenkranz, Sektion Geographie der Martin-Luther-Universität H a l l e Wittenberg. Allen, die an der Erarbeitung des Buches als Autoren, Bearbeiter, Gewährsleute und Gutachter beteiligt waren, sei für ihre Bemühungen sehr herzlich gedankt. Prof. Dr. sc. H. Lüdemann

Prof. Dr. habil. Dr. eh. E. Lehmann

Dr. sc. D.

Zühlke

VII

Autorenverzeichnis Dipl.-Forstwirt Arno Engelhardt, Staatlicher Forstwirtschaftsbetrieb Sonneberg (Forstwirtschaft, Standortskunde, Jagd) Dipl.-Phil. Hans Gauß, Spielzeugmuseum Sonneberg (Spielzeugindustrie, Baudenkmale der Stadt Sonneberg, Ur- und Frühgeschichte), unter Mitarbeit von Dr. Brunhild Meyfarth und Dipl.-Ethnographin Gudrun Volk, beide Sonneberg Dr. sc. Frankdieter Grimm, Institut für Geographie und Geoökologie, Leipzig (Wirtschaft und Bevölkerung, Geomorphologie, Gewässer, Klima) Dipl.-Lehrer Eberhard Grund, Geschwister-Scholl-Schule Sonneberg (Geschichte der Arbeiterbewegung) Dr. Ulrich Heß, Staatsarchiv Weimar (Geschichte und Wirtschaftsgeschichte bis 1945) Dr. Karl J udersieben, Dr.-Georg-Klaus-Oberschule Steinach (Wirtschaft und Bevölkerung) Dr. Dietrich v. Knorre, Phyletisches Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Zoologie) Dr. Ludwig Meinunger, Steinach (Botanik) Dipl.-Phil. Heinrich-Volker Schleiff, Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Erfurt (Bau- und Kunstdenkmale) Dr. Heinz Sperschneider, Sektion Sprachwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Volkssprache) Dr. Jochen Vogel, Steinach (Geologie, Bergbau) Gewährsleute: Dipl.-Ing. Georg Eichhorn, Leipzig (Architektur), Heinz Greiner, Steinach (Landwirtschaft), Hans Helfricht, Sonneberg (Spielzeugindustrie), Dr. Waldemar Schindhelm, Dresden (Ortsnamen), Dietmar Schmidt, Sonneberg-Ober lind (Wehrkirche Oberlind), Dr. habil. Heinz Schlüter, Jena (Botanik), Dr. Arno Steinmüller, Jena (Geomorphologie), Rudolf Stoltzeund Dr. Manfred Zimmermann, Sonneberg (Spielzeugindustrie), Herbert Schneider, Sonneberg-Hüttensteinach (Ortsgeschichte) Bearbeitung: Dr. sc. Frankdieter Grimm, Institut für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, unter Mitarbeit von Dr. Karl Judersleben, Fachberater für Erdkundeunterricht des Kreises Sonneberg, und Dr. Werner Schmidt, Institut für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der DDR Manuskript zu diesem Band abgeschlossen am 15. 6. 1980.

IX

Verzeichnis der Suchpunkte Die Nummern entsprechen denen am Rande des Textes sowie denen auf der Übersichtskarte A

1 2 3 4 5 6

Rennsteig Friedrichshöhe Dreistromstein Hochmoor Saar Siegmundsburg Hiftenberg

39 43 44 45 45 47

D

1 2 3 4 5 6 7 8 9

NSG Löschleite Schwarza und -stausee . . Habichtsbach Forstort Glücksthal . . . Scheibe-Alsbach Sandberg Limbach Steinheid Kieferle

47 48 48 49 49 51 52 54 57

C

1 Steinach (Fluß) 2 Lauscha 2.1 Geschichte 2.2 Ortsbild und Wirtschaft. 2.3 Erholung und Sport . . 3 Eisenbahnstrecke Lauscha — Oberlauscha

57 60 60 66 68

D

1 Ernstthal 2 Rögitztal

70 72

E

1 2 3 4 5 6

73 73 74 75 76 77

F

1 Neumannsgrund 2 Grümpen (Fluß)

78 79

G

1 Kerben 2 Göritz

80 80

Dürre Fichte Saargrund Bleßberg Neundorf Herrenberg . . . . . . . Truckenthaler Wasser . .

3 Göritzberg 4 Göritzmühle 5 Großer Tierberg 6 Steinach 6.1 Lage und Stadtbild. . . 6.2 Geschichte . . . . . . 6.3 Steinacher Bodenschätze 6.4 Arbeiterbewegung . . . 6.5 Gegenwärtige Struktur . 7 Hämmern-Spechtsbrunner Talzug 8 Fellberg

82 82 83 83 83 86 89 92 93

H

l Hohenofen 2 Haselbach

97 98

J

1 Theuern 100 2 Rauenstein 101 3 Truckenthal 103 4 Dorntal 105 5 Grümpen 107 6 Schalkau 107 6.1 Schaumburg 108 6.2 Geschichte 109 6.3 Gegenwärtige Struktur . 111 6.4 Stadtbild 112 7 Itz 114

K

1 2 3 4 5 6 7 8

Buhler Meschenbach Zinselhöhle Rabenäußig Taubeisberg Effelder Blatterndorf Seltendorf

115 115 1x6 117 119 119 123 123

L

1 NSG Leierloch 2 Wiefelsburg

124 124

70

94 95

XI

K

M

3 4 5 6 7 8 9 10 1 2 3 4 5 6

N

XII

Röthengrund Großer Mühlberg Augustenthal Mengersgereuth-Hämmern. Schwarzwald Schichtshöhn Forschengereuth Blößenberg Mittleres Steinachtal . . . Engnitz Blechhammer Hüttengrund Sternwarte Sonneberg . . Neufang

1 Sonneberg 1.1 Lage

125 126 127 127 130 130 131 131 132 132 133 133 135 136 136 136

N

1.2 Geschichte und Wirtschaft 1200 — 1839 . . 1.3 Geschichte und Wirtschaft 1840 — 1945 . . 1.4 Stadtbild 1.5 Sonneberg nach 1945 . 1.6 Spielzeugmuseum . . 2 Bettelhecken 3 Mürschnitz 4 Eichberg 5 Schönberg 6 Hüttensteinach 7 Steinbach 8 Köppelsdorf 9 Malmerz 10 Oberlind 1 1 Sächsische Geleitsstraße.

. 137 . 141 145 .148 . 150 151 152 152 154 154 156 156 158 159 . 166

Überschau

Naturraum Zwei große Naturräume (Abb. 1) haben Anteil an dem Gebiet zwischen Rennsteig und Sonneberg : der südöstliche Thüringer Wald, von den Geologen auch Thüringer Schiefergebirge genannt, und der südlich daran anschließende Teil des WerraMain-Hügellandes. Beide Bereiche stoßen im Sonneberger Land nahezu ohne Ubergang aneinander und unterscheiden sich in Gesteinsaufbau, Oberflächenform, Klima und Vegetation deutlich voneinander. Ein knapp einstündiger Fußmarsch von Oberlind nach Neufang — beide Sonneberger Stadtteile — läßt den Gegensatz erkennen. Die Grenze zwischen beiden Naturräumen zieht sich von NW nach SO hin, vom Bleßberg (s. E 3) bis zum Schönberg bei Sonneberg. Sie ist mit dem steilen Gebirgsrand identisch, der eine Höhe von knapp 300 m bei Sonneberg und 475 m zwischen Schalkau und dem Bleßberg erreicht. Die Landnutzungsgrenze fällt meist mit dieser Naturraumtrennlinie zusammen, wie man von dem hochgelegenen Rabenäußig (s. K 4) und von zahlreichen anderen Punkten des Gebirgsrandes sehen kann. Von hier bieten sich auch eindrucksvolle Fernblicke auf den Südteil des Kreises Sonneberg sowie weit darüber hinaus bis zum Fichtelgebirge, zur Schichtstufe der Fränkischen Alb und zur Hohen Rhön. Die Entstehung des südwestlichen Gebirgsabfalls, einer Bruchstufe, geht auf geotektonische Prozesse zurück. Während der saxonischen Gebirgsbildung, also der Zeit vom J u r a bis zum Alttertiär, hoben sich Schollen an Bruchlinien (Abb. 2) empor. Diese Linien gehören dem herzynischen Störungssystem an. Die Klimadaten in den Tabellen (s. Seite 3) verdeutlichen, daß der Raum zwischen Scheibe-Alsbach und Sonneberg gänzlich im Stau- oder Luvgebiet liegt. Die Grenze zum niederschlagsärmeren Leebereich des Gebirges verläuft von Katzhütte über Neuhaus am Rennweg nach Spechtsbrunn. Die Luvseite, also die Südwestseite des südöstlichen Thüringer Waldes, ist das niederschlagsreichste Gebiet Thüringens; die hier gemessenen Werte werden nur von einigen wenigen Punkten im mittleren Thüringer Wald erreicht. Der Anstieg des nach SW exponierten Gebirgsrandes verursacht die hohen Regen- und Schneefälle, da sich die Luftmassen bei den vorherrschenden Süd-, Südwest- und Westwinden hier und in den engen Tälern stauen. Außer den Meßstationen in diesem Bereich (Mengersgereuth-Hämmern, Saargrund) registrieren die Stationen in den extremen Höhenlagen (Siegmundsburg, Steinheid) die meisten Niederschläge (Tabelle, s. Seite 3). Die hohen Werte am Südwestabfall spiegeln sich auch in entsprechenden Schneelagen wider. Auffällig ist der große Schneereichtum im Gebirgsabschnitt südlich des Rennsteigs, beispielsweise in Steinach (Tallage auf der Luvseite), im Vergleich zu Probstzella (Tallage im Leegebiet). Der Wind als Klima- bzw. Standortsfaktor spielt im gesamten meteorologischen 1

A b b . l. Naturraumgliederung

(Entwurf F. MÜLLER-MINY

GRIMM,

nach

HATTENBACH

1959 u.

1955)

I

Südöstlicher Thüringer Wald

11

Werra-Main-Hügelland

1 2

Hohes Schiefergebirge Niederes Schiefergebirge

1

Schalkauer Platte a Muschelkalk b Buntsandstein Sonneberger Becken

2

Geschehen und somit auch für den Wald nicht nur in den Hoch- und Kammlagen eine bedeutende Rolle, sondern auch am südwestlichen Steilabfall des Gebirges. E r beeinflußt dort stellenweise den Boden und die Bodenvegetation (Verhagerungserscheinungen) sowie das Baumwachstum ungünstig. Verheerende Schäden richteten die Windbruchkatastrophen vom 13./14. Juni 1946, 14./15. Mai 1958 und 2

Tabelle: Mittlere Jahressummen des Niederschlags (1901 — 1950)

südwestliches luvbeeinflußtes Gebirgsvorland

Gebirge Luvabschnitt

Höhe in m ü. NN

Mupperg Unterlind Sonneberg-Stadt

325 355 390

754 806

Schalkauer Platte

Schalkau

386

844

Niederes Schiefergebirge

Sonneberg-Neufang Neuenbau Eschen thal

636 720 505

1030 950 1009

Saargrund Scheibe-Alsbach MengersgereuthHämmern Siegmundsburg Steinach Steinheid

540 620

1100 1111

480 784

1218

Katzhütte Oberweißbach Schwarzburg

423 632

Sonneberger Becken

Hohes Schiefergebirge

Gebirge Leeabschnitt (zum Vergleich)

Niederschlag in mm

Station

Naturraum

Nordabdachung

492 808

274

835

1243 1251 1255 894 815 636

Anmerkung: Die ungewöhnlich hohen Niederschlagssummen der Talstationen Steinach, Mengersgereuth-Hämmern und Saargrund werden offensichtlich vor allem von dem Stau der Luftmassen an den benachbarten hohen Bergen bedingt, nicht von.der Meereshöhe der Beobachtungsstationen.

Tabelle: Zahl der Tage mit Schneefall im J a h r ( 1 9 0 1 - 1 9 5 0 ; nach GASTINGER u. a. 1967) Ort

Höhe in m ü. NN

Schneefalltage

Schalkau Sonneberg-Neufang Steinach Siegmundsburg/Steinheid Großbreitenbach und Bad Blankenburg (Leeseite zum Vergleich)

386 636 492 784—808 668 227

63 98 95 114 75 43

8. August 1958 in den Wäldern an. Die Böen in Orkanstärke warfen und brachen nahezu eine halbe Million Festmeter wertvoller Bäume, vorwiegend Fichten (s. E 3, L 3, N 5). Große zusammenhängende Dickungen und Stangenhölzer aus Fichten und ein allgemein hoher Anteil dieser Altersklassen erinnern heute noch an jene Verwüstungen. Der Wald bedeckt etwa 60% des Kreises Sonneberg, besonders seinen Gebirgsteil, in dem die Fichte vorherrscht. Von den Laubhölzern ist als Wirtschaftsholzart nur die Rotbuche bedeutungsvoll. Die Kiefer fehlt im Staubereich des Gebirges und wahrscheinlich auch auf der Schalkauer Platte von Natur aus ; man trifft sie jedoch heute in den Wäldern des Vorlandes häufig an.

3

77JL

1 h lx-x-32

7ÌP-

EE36

ÜZZ)3 HLD4 0

B 3 i i

f

8

ES3i2

3 km A b b . 2.

G e o l o g i s c h e U b e r s i c h t ( n a c h H O P P E U. S E I D E L

1

Holozäne Sedimente der Talauen

2 3

Löß, Lößlehm, Gehängelehm Mittelterrassenschotter

4 5

Unterer und Mittlerer Muschelkalk ' Oberer Buntsandstein

6

Mittlerer Buntsandstein

7 8

Unterer Buntsandstein Zechstein (ungegliedert)

4

Quartär

Trias

Oberperm

9 10 11 12

Karbon

Devon Silur (Gotlandium)

Devon Silur

Gräfenthaler Serie

14

Phycoden-Serie Frauenbach-Serie

15 16

Verwerfungen

»3

1974)

Dinant (Unterkarbon)

Vermutliches Jungproterozoikum

| J> Ordovizium I Proterozoikum

Gebirge Die größte Fläche zwischen Rennsteig und Sonneberg nimmt der südöstliche Thüringer Wald ein. Geologen fassen nur den Abschnitt westlich des Schiefergebirges als Thüringer Wald auf. Geographen jedoch bezeichnen wegen der gleichartigen Wirtschafts- und Sozialstruktur das Gebirge von Eisenach bis zur Staatsgrenze bei Spechtsbrunn als Thüringer Wald und grenzen ihn gegen den östlich benachbarten Frankenwald ab. Der südöstliche Thüringer Wald besteht aus paläozoischen Gesteinen (Abb. 2), vorwiegend Schiefern (Anhang A), die Ergebnisse der Vorgänge bei der varistischen Gebirgsbildung sind. Das in dieser Zeit angelegte Streichen der Gesteinsschichten (s. G 7) von SW nach NO bestimmt die innere Gliederung des Gebirges. Im folgenden Mesozoikum lagerten sich teilweise mächtige Sedimentgesteine ab (Anhang B). Das Thüringer Schiefergebirge bildet im allgemeinen eine wellige Hochfläche, in die sich einige Flüsse tief eingeschnitten haben. Wenn man von den höchsten Punkten, beispielsweise von Ernstthal, dem Sandberg bei Steinheid, dem Fellberg oder dem Großen Tierberg, das Gebirge überschaut, erkennt man eine aus einer Fastebene hervorgegangene Fläche mit annähernd gleichhohen Bergen. Diese neigt sich vom Rennsteig nach S mit etwa 1° und fällt an der Randstufe steil zum Vorland ab. Gleichzeitig besteht eine Abdachung der Hochfläche nach SO, weswegen die Sicht von der Kammregion bis zum Maingebiet und zum Fichtelgebirge möglich ist. Infolge der pultartigen Stellung des Gebirges mit seinem steilen Südabfall erreicht die Zerschneidung im Raum zwischen Rennsteig und Sonneberg einen höheren Grad als im Nordteil. Der Gebirgsabschnitt zwischen Rennsteig und Sonneberg bildet geologisch die Südostflanke des varistischen Schwarzburger Sattels, wobei im NW die ältesten Schichten (Ordovizium), im SO die jüngsten (Kulm) anstehen. Von Hämmern über Steinach und Haselbach bis Spechtsbrunn ziehen sich varistisch streichende, weniger widerstandsfähige Gesteine des Silurs und Devons hin, auf die ein geologisch bedingter Talzug (s. G 7) zurückgeht. E r gliedert den südöstlichen Thüringer Wald im Sonneberger Raum in das Hohe Schiefergebirge im unmittelbaren Bereich 1 des Schwarzburger Sattels und das südöstlich angrenzende Niedere Schiefergebirge bis zum Gebirgsrand bei Sonneberg. Das H o h e S c h i e f e r g e b i r g e erreicht in der Kammregion durchweg Höhen von 800 bis 870 m (Kieferle 868 m, Bleßberg 865 m), zwischen denen sich steile, 200 bis 300 m oft kerbartig eingetiefte Täler hinziehen. Das Gebirge besteht aus den Gesteinsschichten im Inneren des Schwarzburger Sattels: Quarziten, Quarzitschiefern und Tonschiefernder Frauenbach-, Phycoden- und Gräfenthaler Schichten (Anhang A). Die Phycodenschiefer treten an kahlen Felspartien im oberen Steinachtal und Göritzgrund (s. G 4) zutage. Obwohl sie stark geklüftet sind, verwittern sie langsam. Weiche Tonschiefer (Griffelschiefer) liegen auf den Halden der ehemaligen Schieferbrüche (s. G 8 ) . Lederschiefer wird in zahlreichen Felsbildungen bei Augustenthal, am Leierloch (s. L 1) und am Breiten Berg bei Steinach sichtbar. Die forstliche Standortserkundung bezeichnet das Hohe Schiefergebirge in ihrer Gliederung als Siegmundsburger Mosaikbereich. Seine nährstoffarmen Böden des Frauenbachquarzits und Phycodenquarzits, aber auch des Phycoden-, Griffel- und Lederschiefers tragen fast ausschließlich Forsten. Hier dominieren Bodentypen vom Braunpodsol bis zum extrem nährstoffarmen Podsol (s. A i u.2). Die ökologische 2

Sonneberg

5

Gliederung ergibt sich aber weniger aus Unterschieden der Gesteine als aus dem von der Lage abhängigen Klima (Kamm, exponierter und geschützter Hang, Talgrund ; Anhang C). Nur die schmalen Talsohlen werden meist von Wiesen eingenommen, und um die Siedlungen dehnen sich Wiesen- und Weideflächen aus, auf denen früher kärglicher Ackerbau betrieben wurde. Die Wälder setzen sich vorwiegend aus Fichten zusammen. Daneben ist die Buche bis in die Hochlagen anzutreffen, vereinzelt auch die Tanne. Das heutige Waldbild geht auf forstwirtschaftliche Maßnahmen seit dem 19. Jh. zurück. Im späten Mittelalter waren Rotbuche, Tanne und Fichte zu gleichen Teilen vertreten, vor 1000 Jahren überwogen weithin Buchenbestände (s. E 1). Der Rückgang dieser Laubholzart steht sowohl mit menschlicher Einwirkung als auch mit einer Klimaveränderung in Zusammenhang. Südöstlich des Hämmern-Spechtsbrunner Talzuges schließt sich das N i e d e r e S c h i e f e r g e b i r g e an. Die forstliche Standortserkundung bezeichnet diesen Raum als Judenbacher Mosaikbereich und rechnet ihn dem westlichen Frankenwald zu. Das Gebirge besteht aus den Tonschiefern und Grauwacken des Unterkarbons, die vielfach wechsellagernd auftreten und die Hänge des Steinachtals vom Ortsausgang Steinach bis nach Sonneberg-Hüttensteinach bilden. Sie werden bei Hüttengrund abgebaut (s. M 4). Die Schiefer und Grauwacken neigen weniger zur Felsbildung als die Gesteine des Hohen Schiefergebirges. Einige Klippen und Felspartien befinden sich am Großen Mittelberg oberhalb von Blechhammer, wo sich aufgrund der harten Gesteinsschicht das Tal verengt. Das Relief ähnelt dem des Hohen Schiefergebirges, doch erreichen die Höhenrücken nur 650 bis 700 m ü. NN. Die Täler der Röthen, Steinach, Rögitz und Ölse-Engnitz sind etwa ebenso tief eingeschnitten wie die nördlich des Hämmern-Spechtsbrunner Talzuges. Als typische Kerbsohlentäler haben sie aber breite, nahezu ebene Sohlen. Bedingt durch ihre schattige Lage und durch regelmäßige nächtliche Bergwinde vom Gebirgsinneren talabwärts sind die Täler kühl und nebelarm. Das Niedere Schiefergebirge weist etwas günstigere klimatische Merkmale auf als die nordwestlich benachbarten höheren Gebirgsteile; beispielsweise liegen die Niederschlagshöhen geringfügig niedriger (Tabelle, s. Seite 3). Auch die Braunerden auf Tonschiefern und Grauwacken enthalten mehr Nährstoffe als die Bodentypen im Hohen Schiefergebirge, so daß im östlichen Kreis Sonneberg ausgedehnte landwirtschaftliche Nutzflächen anzutreffen sind, wie sie sowohl auf clen Hochflächen nördlich des Rennsteigs bis Saalfeld als auch im östlich angrenzenden Frankenwald (BRD) weit verbreitet sind. In den Forsten des Niederen Schiefergebirges herrscht zwar auch die Fichte vor, doch bildet die Rotbuche noch häufig Reinbestände oder Mischbestände mit Fichte. Gebirgsvorland Südlich des Gebirgsabfalls folgt ein Teil des Werra-Main-Hügellandes aus Ablagerungen des Buntsandsteins und Muschelkalks (Anhang B und Abb. 2). Den Raum südlich und nördlich des jetzigen Gebirges und wahrscheinlich auch das Gebirge selbst bedeckte während der Muschelkalkzeit ein einheitliches Meer ; während der Buntsandsteinzeit breiteten sich hier Steppe und Wüste aus. Bei der Emporhebung des Gebirges wurden die aufliegenden mesozoischen Schichten mit Ausnahme einer kleinen Restscholle bei Steinheid abgetragen (s. B 6). Infolge der

6

gleichartigen Entstehungsgeschichte weist das südliche Thüringer-Wald-Vorland in Gesteinsaufbau, Relief und Vegetation viele Ähnlichkeiten mit dem Thüringer Becken auf. Die Niederschläge dagegen liegen durch die Auswirkung des Staus bis weit ins südliche Vorland hinein wesentlich höher. Das feuchte K l i m a führt wohl auch dazu, daß in Gebirgsnähe die Fichte und die Tanne neben anderen W a l d bäumen von Natur aus mit beheimatet sind. A m Vorland des Kreises Sonneberg haben zwei naturräumliche Einheiten Anteile : die Schalkauer Platte vom Bachfelder Berg im W bis zum Isaak bei Sonneberg (Hinterland) im O und das von Buntsandsteinhöhen umgebene weite Sonneberger Becken mit der Linder Ebene. Die stockwerkartige Gliederung der S c h a l k a u e r P l a t t e läßt sich am besten von der Schaumburg erfassen. Im Vordergrund breitet sich im R ö t (Oberen Buntsandstein) das weiträumige T a l der Itz mit der Kleinstadt Schalkau (390 m) aus. Dahinter erheben sich Berge, deren untere Hänge — noch im R ö t — sanft geneigt sind, während die aus Wellenkalk bestehenden Oberhänge nach markantem Profilknick schroff ansteigen. D a die Berge aus Wellenkalk oberflächlich eingeebnet sind, bieten sie aus der Ferne das Bild eines einheitlichen Plateaus in etwa 500 m ü. NN. Der Blick von der Schaumburg nach X endet am südöstlichen Thüringer Wald, dessen steiler Abfall entlang der Randverwerfung die Schalkauer Platte begrenzt. Die Kalkhochflächen reichen im Taubeisberg (s. K 5) bei Effelder am weitesten nach S, ansonsten bis zu den Siedlungen Schalkau — Grümpen — Seltendorf — Effelder. Die wasserstauenden Schichten des Röts am F u ß der Berge bilden einen Quellhorizont, der die Gründung der genannten Ortschaften begünstigte. Ein weiterer Quellhorizont fällt mit der Randverwerfung zwischen Muschelkalk und Schiefergebirge zusammen, dort entstand die Siedlungsreihe von Neundorf bis Hohetanne, einem Ortsteil von Rabenäußig. An den Kalkerhebungen der Schalkauer Platte unterscheiden sich ökologisch die trockenen Südhänge von den feuchten, schattigen Nordhängen. A n allen Muschelkalkhängen treten durchgehende Stufen hervor, die durch besonders widerstandsfähige Gesteinspartien verursacht werden, vor allem durch die B a n k mit Lima lineata, die Terebratulabank (vom Taubeisberg, s. K 5, und Görzenberg bei Effelder bis zum Galgenberg bei Schalkau) und die Schaumkalkbank (sehr auffällig um Rabenäußig und Melchersberg). Die Verwitterungsböden entwickeln sich auf den Plateaus aus Oberem Wellenkalk und aus Mergelkalk des Mittleren Muschelkalks. Je nach Lage und Exposition sind auf dem Verwitterungsmaterial verschiedene Arten von Rendzinen (Humuskarbonatböden) ausgebildet. Auf dem meist landwirtschaftlich genutzten lehmig-tonigen R ö t befindet sich dagegen eine nährstoffreiche Braunerde. Die relativ hohen Niederschläge zwischen 800 und 900 mm und die günstige Durchschnittstemperatur von 6 bis 7°C pro Jahr lassen als natürliche Waldvegetationstypen Orchideen-Tannen-Buchen-Wälder (Reste am Görzenberg und im Dorntal) und Traubeneichen-Tannen-Buchen-Wälder (Reste an der Schaumburg) erkennen. Das heutige Waldbild erscheint demgegenüber stark verändert und geht auf umfangreiche Aufforstungen nach Schafhutung zurück, so daß sich in den alten Bauernwäldern zum Teil nur leistungsschwache Kiefern- und Fichtenbestände entwickelten. Immerhin findet man aber in den Wäldern der Schalkauer Platte, in denen Reh, Wildschwein, Fuchs und Hase und im Winter auch Rotwild nicht fehlen, neben Rotbuche, Ahorn und Lärche einzeln oder in kleinen Trupps auch 2*

7

Bäume und Sträucher, die im Hohen Schiefergebirge nicht gedeihen können, wie Traubeneiche, Hainbuche, Linde, Feldahorn, Vogelkirsche, Schwarzkiefer, Schlehe, Pfaffenhütchen, Heckenrose, Gemeine Heckenkirsche und Kornelkirsche. Im SO der Schalkauer Platte hat das Vorland mit den Buntsandsteinbergen und -hängen um Sonneberg und mit der Linder Ebene Anteil am S o n n e b e r g e r B e k ken. E s grenzt an das Gebirge, und zwar längs der Randverwerfung an der Linie Steinbach — Schönberghang (Unionsfelsen) — Schloßberg — Forschengereuth. Die Oberflächenform der weiten Niederung hebt sich auffallend nicht nur durch den krassen Gegensatz vom steil ansteigenden Gebirge ab, sondern auch vom übrigen Werra-Main-Hügelland. Die Entstehung des Beckens geht auf die geringe Widerstandsfähigkeit der Buntsandsteinformation sowie auf die Auslaugung der ursprünglich unter dem Buntsandstein liegenden Zechsteinschichten zurück. Die weitere Formung der Oberfläche erfolgte durch die Steinach und ihre Nebenflüsse, in geringem Maß auch durch die Röthen : Zu Beginn des Tertiärs erstreckte sich südlich des Gebirges ein Flachland, dem die Plateaus des Eichbergs, des Isaaks und des Muppbergs als Relikte zuzurechnen sind. Zur Steinach entwässerten außer ihren jetzigen Zuflüssen auch die Röthen (oberhalb von Hönbach) und zunächst die obere Effelder (oberhalb von Forschengereuth). Die tieferliegenden, nach SW gerichteten Bäche, die heutige untere Effelder und untere Röthen, zapften die beiden Zuflüsse der Steinach an und lenkten sie ab. Die alttertiäre Landoberfläche wurde bis in die Zeit des Pliozän/Pleistozäns bis auf 40 m über dem heutigen Niveau abgetragen, und die Steinach floß — abseits ihres gegenwärtigen Verlaufs — östlich von Weidhausen. Eine weitere Terrasse begleitet die Steinach in 10 — 15 m Höhe von Steinbach über Malmerz, Oberlind bis Unterlind (in Oberlind : Bühl oder Böhl) und repräsentiert das Talniveau während der Saalekaltzeit. Die jüngste Terrasse, die in Köppelsdorf einsetzt und sich in Oberlind an der Friedrich-Engels-Straße entlangzieht, ist der Weichselkaltzeit zuzuordnen. Die Ablenkung der Röthen nach SW erfolgte im Unterschied zur oberen Effelder erst in geologisch jüngster Zeit. Die Klimadaten der Wetterwarte Sonneberg im Stadtteil Neufang sind für weite Teile der Hochfläche repräsentativ, dagegen weist das unmittelbar am Gebirgsfuß gelegene Stadtgebiet (Station in der Puschkinstraße bis 1976) für das Becken typische Werte auf (Tabelle). Tabelle: Klimadaten für Sonneberg

Höhe ü. NN (m) jährliche Niederschlagssumme {mm) mittlere Jahrestemperatur (°C) mittlere Januartemperatur (°C) mittlere Julitemperatur (°C)

Sonneberg Stadtgebiet

Sonneberg-N'eufang

390 835 7,3 —1,8 16,1

636 1030 5,ü —3.2 15.0

Die relativ warme Niederung mit ihrer mittleren Jahrestemperatur von 7 bis 8 'C bietet im Kreis Sonneberg die weitaus besten Bedingungen für die Landwirtschaft. Klimatisch noch günstiger sind allerdings die mittleren Hangpartien der umliegenden südexponierten Berge. Der Beckengrund und die ihn umgebenden Unter-

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hänge werden im Frühjahr und Herbst häufig von Nebel bedeckt, der sich in der Nacht durch das Absinken der Kaltluft bildet und sich erst durch die Sonneneinwirkung des Tages wieder auflöst. Die Grenze der Nebelschicht ist an solchen Tagen vom sonnigen Überhang des Schönberges gut zu erkennen ; sie bildet gleichzeitig die Trennlinie von Spätfrösten, unterhalb derer beispielsweise junge Rotbuchen in der Beckenebene und an den südlichen Unterhängen des Schönbergs, Eichbergs und Isaaks Schäden erleiden. Solche Temperaturumkehr-Erscheinungen (Inversionen) sind auch in den tief eingeschnittenen Tälern des Schiefergebirges zu beobachten. Die landwirtschaftliche Nutzung in der l i n d e r Ebene beruht vor allem auf den Böden mit günstigem Nährstoffhaushalt. A. Engelhardt, F. Grimm, J. Vogel

Geschichte Ur- und F r ü h g e s c h i c h t e Bis zum frühen Mittelalter bedeckte dichter Wald nicht nur das Gebirge, sondern auch sein Vorland, das Sonneberger Becken und die Schalkauer Platte (s. Seite 7). In den Wäldern lebten außer den noch heute vorkommenden Wildarten Bär, Wolf, Luchs und Auerochs. Als einziges Relikt der Bronzezeit im Kreis Sonneberg wurde in der Heubischer Müß eine A x t gefunden, die aber für diese Epoche noch keine ständige Anwesenheit von Menschen im Gebirgsvorland nachweist. In der späten Hallstattzeit (7. — 6. Jh. v. u. Z.) wanderten von SW Kelten in das Werra-MainGebiet ein und legten befestigte Siedlungen auf Berggipfeln an, darunter die noch heute beeindruckende Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild (s. Bd. 6, Gleichberggebiet, H 3). Kelten ließen sich auch auf der Schalkauer Platte und im Sonneberger Becken nieder. Aus den letzten Phasen keltischer Besiedlung (Spätlatenezeit, 1. Jh. v. u. Z.) ist ein befestigter Wohnplatz auf dem Herrenberg (s. E 5) bei Truckenthal nachgewiesen. Diese nach unserer Kenntnis erste feste Siedlung um Sonneberg wurde noch vor der Zeitenwende von ihren Bewohnern aufgegeben. Nachfolgend kamen die germanischen Stämme der Markomannen, Hermunduren und Alemannen in das Werra-Main-Gebiet. Das Sonneberger Land aber blieb unbewohnt oder wies nur eine schwache Besiedlung auf. Die Namen der großen Wasserläufe, wie Itz, Steinach und Effelder, sind vermutlich auf diesen Zeitraum zurückzuführen. H. Gauß, F. Grimm

F r ü h - und H o c h m i t t e l a l t e r Das Gebiet um Sonneberg lag seit dem 6. Jh. an der Ostgrenze des Frankenreiches und bildete später den nordöstlichen Teil des großen Grabfeldgaus. Der Ortsname Mark — heute ein Ortsteil von Neuhaus-Schierschnitz — zeigt diese Grenzlage an. Im 6. und 7. Jh. sickerten hier auch Slawen ein, wie Bodenfunde sowie Orts- und Flurnamen anzeigen (s. C 2.1, G 2, K 7, N 3). Im 8. und 9. Jh. folgte dann eine zielbewußte fränkische Landnahme aus den Maingebieten um Würzburg und den Steigerwald, wodurch die meisten Dörfer (s. N 10) im Vorland des Waldes entstanden. Hieraus resultieren letztlich auch die heutigen dialektgeographischen Verhältnisse (s. Seite 27). Effelder wird als erster Ort zwischen Rennsteig und Sonneberg um 956 erwähnt

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(s. K 6 ) . Auffallend ist jedoch, daß bis zum 13. Jh. die schriftlichen Quellen im Gegensatz zum westlichen Grabfeld hier nur spärlich fließen. Als Sitz eines besonderen, wohl noch auf Volksgrundlage beruhenden Gerichts, einer Zent, erscheint für das Land vor dem Walde 850 Lauter bei Coburg. Bei dem sich damals entfaltenden Feudalisierungsprozeß entstand aber bald eine mehr grundherrlich bestimmte Zenteinteilung, deren älteste Gerichtssitze in Eisfeld und in Fechheim südlich Neustadt lagen. Diese beiden Orte sind bei der in Franken überall feststellbaren Übereinstimmung von politischem und kirchlichem Mittelpunkt auch als Sitze von Urpfarreien zu erkennen, die bei der Christianisierung durch das Bistum Würzburg gebildet wurden. Im frühen Mittelalter war das Waldgebirge zwischen Coburg und Saalfeld Reichsgut. Kaiser H E I N R I C H I I . (1002 — 1025) schenkte dieses Gebiet dem lothringischen Pfalzgrafen Ezzo, um einen Einflußreichen des Reiches an das Kaiserhaus zu binden und für dessen Ostpolitik zu interessieren. Durch Erbfolge kam das Land an den Kölner Erzbischof ANNO II., der aus diesen Gütern 1071 die Benediktinerabtei Saalfeld gründete. Sie bildete südlich des Gebirges in Coburg einen Herrschaftsmittelpunkt. Im alten Reichsbesitz faßten auch die Markgrafen von Schweinfurt F u ß mit Grundherrschaften. ALBERADA, die Tochter des letzten Markgrafen, gründete 1069 die Benediktinerabtei B a n z bei Lichtenfels. Die Abtei gelangte schon durch ihre Stiftungsurkunde in den Besitz der beiden durch die Steinach getrennten markgräflichen Wälder Gefell und Heide und der in ihnen liegenden Orte Mupperg und Effelder. In einer Urkunde von 1162 wird auch die uns interessierende Nordgrenze dieser Besitzungen festgestellt. Sie führte von der Quelle bei Mark über die Gedrehte Eiche zur Wignandsfurt an der Steinach, die zwischen Unterlind und Heubisch zu suchen ist, über die „verbrante pruggen", einen sumpfüberquerenden Knüppeldamm zwischen Sonneberg und Neustadt, bis direkt in das Dorf Effelder. Während grundherrlicher Banzer Besitz südlich dieser Linie bis ins 19. Jh. nachweisbar ist, muß nördlich davon im 11. und 12. Jh. Saalfelder Klostergut angenommen werden. Aus den Mainlanden kamen zu Anfang des 13. Jh. zwei eng verwandte Geschlechter in das Land vor dem Wald. Das eine Geschlecht, von Lichtenfels-Giech, erwarb offenbar aus Saalfelder Hand das Waldgebiet und errichtete um 1200 am Rand des Gebirges die Burg Sonneberg (s. N 1.2), nach der es sich erstmals 1207 nannte. Das andere siedelte sich um Schalkau an und leitete seinen Namen seit 1216 von der dort liegenden Schaumburg (s. J 6.1) ab. Die Herren von Sonneberg erwarben 1252 aus Saalfelder Besitz die nördlich der Grenze von 1162 gelegenen Dörfer Oberlind, Unterlind, Malmerz, Weidhausen und Föritz. Sie sind kurz nach 1310 ausgestorben und von den Schaumbergern beerbt worden. T e r r i t o r i a l b i l d u n g und früh k a p i t a l i s t i s c h e W i r t s c h a f t s e n t w i c k l u n g Den Territorialstaat im Coburg-Sonneberger Gebiet schufen die Grafen von Henneberg, die hier seit der Mitte des 13. Jh. auftreten. Seine Vollendung vollzog sich in einer mehr oder minder gewaltsamen Aneignung der Burgen und Besitzungen des kleinen Adels, in Übernahme der Lehnsherrschaft und durch Burgöffnungsverträge, wobei hauptsächlich die Schaumberger die Verlierer waren. Schon 1315 mußten diese ihre Eigenburgen Schaumburg und Neuhaus von den Grafen von 10

Henneberg zu Lehen nehmen. Die Henneberger erhielten 1327 und 1330 von König L U D W I G IV. das Recht, sich innerhalb ihrer „Neuen Herrschaft" die Reichslehnsleute untertänig zu machen. Sie besaßen 1349 auch die Burg Sonneberg und das Waldgebiet nördlich davon. Die Schaumberger konnten als Reichslehen nur noch die Hälfte der Zent Schalkau und den nördlich davon gelegenen Teil des Thüringer Waldes behaupten. Bereits vor 1378 verloren sie die Berge zwischen der oberen Effelder und der oberen Grümpen an die Landesherren, die an den Goldvorkommen interessiert waren (s. B 8 ) . Die Schaumberger hatten sich vor 1350 einen neuen Herrschaftsmittelpunkt, die Burg Rauenstein (s. J 2), erbaut, zu der ein besonderer Gerichtsbezirk mit Rauenstein, Theuern, Grümpen und dem verbliebenen schaumbergischert Reichswald kam. Die Grafen von Henneberg-Schleusingen ließen über ihre „Neue Herrschaft" mit Coburg als Mittelpunkt zwei Urbarien in den Jahren 1317 und 1340 aufstellen, die erstmals einen vollständigen Überblick über das Sonneberger Land gewähren. Sie zeigen, daß als Siedlung im Gebirge nur Judenbach vorhanden war. Die Orte am Gebirgsrand, wo auch eine Reihe später untergegangener Dörfer lag, bestanden bereits. Einen noch genaueren Einblick bis in den Einzelhof vermittelt das allerdings nur bruchstückhaft überlieferte Erbbuch von 1443. Hier werden auch jene typischen Familiennamen des Sonneberger Landes erstmals erwähnt, die sich bis heute erhalten h a b e n : A m Ende, B ä t z (Petz), Blechschmidt, Bischoff, Döbrich, Dressel, Ehrlicher, Engelhardt, Fleischmann, Geuther, Hammerschmidt, Härtung, Knauer, Leutheußer, Löffler, Motschmann, Räder, Scheler und Stammberger (Stanberger). Die Henneberger verlegten den Zentsitz von Fechheim nach Neustadt. Aber noch unter ihrer Herrschaft wurde 1349 das Sonneberger L a n d etwa nördlich der heutigen Staatsgrenze der D D R als besonderer Hochgerichtsbezirk unter dem Namen Obergericht von der Zent Neustadt getrennt. Das Schöffenkollegium bildeten 7 Mitglieder des Rates zu Sonneberg und die Schultheißen der Dörfer Bettelhecken, Hönbach, Malmerz, Mürschnitz und Steinbach. Das Coburger Land mit dem Sonneberger Gebiet fiel 1353 an die wettinischen Markgrafen von Meißen, die damals bereits Landgrafen von Thüringen waren und 1423 das Herzogtum Sachsen-Wittenberg mit der Kurwürde erhielten. Der südlichste Teil des weit ausgedehnten sächsischen Kurstaates hieß Ortslande in Franken oder Pflege Coburg. Für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Sonneberger Landes wurde seine Lage zwischen den großen Handelszentren Süd- und Mitteldeutschlands, zwischen Nürnberg und Erfurt, von Bedeutung, an dessen Stelle im 16. Jh. Leipzig rückte. Die diese Städte verbindenden Fernhandelsstraßen führten durch unser Gebiet. Die Hohe Straße kam von Nürnberg, ging über den Höhenrücken zwischen Heubisch und Gefell nach Oberlind, erklomm die steile Höhe von Neufang (s. M 6) und erreichte über den Schustershieb und die Dürre Wiese Steinheid, um nach Gehren und Erfurt weiterzuführen. Ein Beiweg, die Mühlbergstraße, zog sich über Effelder, Forschengereuth, den Mühlberg zur Dürren Wiese hin. Die wichtigste Fernhandelsstraße in unserem Gebiet aber war die Sächsische Geleitsstraße, die Nürnberg mit Leipzig verband und über Oberlind und Judenbach verlief (s. N u ) . Die Fernhandelsstraßen begünstigten mit der wachsenden ökonomischen Bedeutung des Waldes den Ausbau der Wirtschaft und die seit dem Spätmittelalter allmählich stärkere Besiedlung des Gebirges. Von den Gewerben des Sonneberger Landes reichen die Wetzsteingewinnung (s. A 6), ein noch primitiver Bergbau auf 11

Eisenerz (s. G 6.3) und dessen Verarbeitung in einzelnen Waldschmieden (s. G 6.2) sowie das Kienrußbrennen und Pechsieden bis ins Hochmittelalter zurück. Die älteren Eisenhämmer an der oberen Effelder stammen aus dem 14. Jh. (s. L 5 ) . Bereits 1355 arbeitete eine bedeutende Goldwäscherei in dem Waldgebiet Gehege bei Neuhaus-Schierschnitz. Damals wurde auch aus den Gebirgsbächen in ähnlich extensiver Weise Gold im Seifenbetrieb gewonnen (s. C 1, F 2). Zur gleichen Zeit entstanden auch die älteren Glashütten (s. M 6), die in der Nähe der Handelsstraßen und der Goldwäschereien lagen. Die wachsende Kapitalkraft Nürnberger Kaufleute hob durch Einführung neuer Techniken das Gewerbewesen im 15. Jh. Die Eisenhämmer im Steinachtal und die Schmelz- und Seigerhütte Hüttensteinach (s. N 6) wurden ins Leben gerufen. U m 1480 begann in größerem Umfang der Goldbergbau bei Steinheid (s. B 8). Der frühkapitalistische Aufschwung der Wirtschaft, einschließlich des Bergbaus, erreichte im Sonneberger Gebiet während des 16. Jh. seinen Höhepunkt und dauerte, gestützt auf Nürnberger Kapital, noch bis zum Anfang des 17. Jh. Gleichzeitig setzte ein deutlicher Bevölkerungsanstieg ein und rief die späteren Großgemeinden des Waldgebietes ins Leben. Zu Anfang des 16. Jh. gründeten Nürnberger Kaufleute durch Förderung der Wetzsteingewinnung (s. N 1.2) bei Sonneberg die Produktion und den Handel der Sonneberger Waren. Zur gleichen Zeit begann, offenbar ebenfalls durch Nürnberg angeregt, die Anfertigung von Holzsachen und -Spielzeug als Nebengewerbe der Waldbewohner. Das erste Sonneberger Spielzeug wurde von den Herstellern gedrechselt oder geschnitzt, mit Heidelbeersaft gefärbt und mit einfachen Ornamenten bemalt. Im 17. und 18. Jh. wurde es durch Wismutfarbstoff ansprechender gestaltet. Der Absatz erfolgte über Nürnberg. Die frühesten Hinweise auf Berufe der Spielzeugherstellung, wie Malermeister, Geigenmacher und Pfeifenmacher, befinden sich in den Kirchenbüchern aus der Mitte des 17. Jh. Mit der Gründung der Glashütte Lauscha 1595 (s. C 2.1), die zu den alten, längst untergegangenen Glashütten in keinen Beziehungen mehr stand und eine höhere Technik repräsentierte, setzte der Aufschwung der Glasindustrie ein. Die natürlichen Grundlagen dieses Wirtschaftszweiges bildeten das Sandsteinvorkommen (s. B 6) als Quarzlieferant und die W ä l d e r , aus denen das Brennmaterial entnommen wurde. Besondere landesherrliche Verfügungen erlaubten den Glasmachern das Sammeln von Asche in den benachbarten Dörfern ( K Ü H N E R T 1934). In den Jahren 1604 bis 1612 versuchte der Nürnberger Kaufmann T H O M A S P A U L , ein aus Kärnten vertriebener Protestant, die Eisenwerke des Steinachtals auf der Grundlage von Hüttensteinach (s. N 6) zu einem großen frühkapitalistischen Unternehmen zu vereinen und gründete neue Werke in Blechhammer (s. M 3) und Unterlauscha (s. C 4 1 ) . Die Waldungen befanden sich mit Ausnahme des schaumbergischen Restgebietes fast ausnahmslos in landesherrlichem Besitz und standen in unmittelbarer Wechselbeziehung zu den sich entfaltenden Gewerben. Sie stellten für diese Rohstoff und Brennmaterial bereit. Das älteste Forsteinrichtungswerk der Fränkischen Wälder, die Forstbereitung von 1555 ( F R E Y S O L D T 1904), zeigte urwüchsigen Mischwald aus Tannen und Buchen. Dieser wurde aber bald dem steigenden Brennholzbedarf der Eisenhämmer und Glashütten geopfert. Bei der zunehmenden Bedeutung des Waldes wurde 1534 ein besonderer Amtmann für das Sonneberger Gebiet auf der 12

Burg Sonneberg eingesetzt, dessen Wohnung aber schon 1572 nach Neustadt kam. Der große wettinische Staat war mittlerweile 1485 in die Länder der beiden Hauptlinien aufgeteilt worden. Als die seit 1547 auf Thüringen beschränkte ernestinische Hauptlinie mit ihren Landeszersplitterungen begann, fiel 1572 das Sonneberger Land an das neue Fürstentum Coburg. Auch auf kirchlichem und ideologischem Gebiet leitete das 16. Jh. eine Wende ein. Beim Ausbau der Pfarrorganisation im Hoch- und Spätmittelalter waren, von Fechheim ausgehend, nur die Pfarreien Mupperg (1069) und Sonneberg (1279), als Abzweigungen von Eisfeld die Pfarreien Effelder (1069) und Schalkau (1232) sowie aus Filiationen von Kronach die Pfarreien Schierschnitz (1421) und Heinersdorf (1493, über Rothenkirchen) gegründet worden. D a die Pflege Coburg zum Stammland der lutherischen Reformation gehörte, wurde der neue Glaube hier schon frühzeitig 1525 eingeführt. Dagegen berührte der Bauernkrieg das Land nicht. Die Reformation legte den Grund für einen weiteren Ausbau des Pfarrnetzes und die Anfänge eines geordneten Schulwesens. Der von Staat und Kirche geförderte Rationalismus der Aufklärung des späten 18. Jh. führte zu einer liberalen Auffassung des Christentums und bereitete die religiöse Indifferenz vor, die sich unter vulgärmaterialistischen Einwirkungen des Kapitalismus im 19. Jh. im Sonneberger Land rasch ausbreitete.

S p ä t f e u d a l i s m u s und kleinstaatlicher A b s o l u t i s m u s Der Dreißigjährige Krieg brachte dem Land empfindliche Rückschläge. K a u m war 1631 der Coburger Herzog auf schwedischer Seite in den Krieg eingetreten, so rückte Ende September 1632 W A L L E N S T E I N auf dem Marsch von Nürnberg nach Sachsen mit 40000 Mann ins Land ein. Noch verheerender erwies sich der Einfall der Kaiserlichen im Oktober 1634 nach der Nördlinger Schlacht. Auch der Kleinkrieg zwischen den Coburgern und den Kronachern zerstörte das Land vor dem Walde immer mehr. A m Ende des Krieges wurde berichtet: „ E s ist nicht möglich, die Elend und itzige Beschaffenheit des Amtes Schalkau zu beschreiben oder abzubilden. Unter den 22 Dörfern groß und klein nichts mehreres als Almerswind itzo bewohnt wird. Die übrigen 21 stehen in vollem wüst, mit Brand und Zerschlagung ganz öde gemacht." Die Zahl der Einwohner des Sonneberger Landes ging von etwa 6000 im Jahre 1618 auf ungefähr 3300 am Kriegsende zurück und fiel damit auf den Stand vor 1500 zurück. Politisch gehörte das Sonneberger Land auch nach dem Dreißigjährigen Krieg zum Fürstentum Coburg. Nach Aussterben der jüngeren Linie Sachsen-Coburg erhielten die Meininger Herzöge 1735 die Ämter Sonneberg und Neuhaus. Sie gingen endlich daran, die unübersichtlichen Territorialverhältnisse im Schalkauer Gebiet zu bereinigen. Die landesherrlichen Rechte der Schaumberger im A m t Schalkau und Gericht Rauenstein kauften sie 1729, die ausgedehnten grundherrlichen Rechte konnten sie aber er4t nach längeren Auseinandersetzungen 1763 und 1780 in Besitz nehmen. Die Ämter Sonneberg, Neuhaus und Schalkau (Abb. 3) wurden 1744 den Zentralbehörden in Meiningen unterstellt, bildeten aber weiterhin als „HerzoglichSachsen-Coburg-Meiningischer Anteil an dem Fürstentum Coburg" einen, vom Fürstentum Meiningen staatsrechtlich getrennten Teil. Volkstümlich hieß das Gebiet jetzt Meininger Oberland. Erst 1826 ging es voll in das neue Herzogtum Sach-

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sen-Meiningen(-Hildburghausen) über. Bedeutung gewannen diese langwierigen kleinfürstlichen Auseinandersetzungen im 18. Jh. insofern, als 1742 in unserem Gebiet die spätere, zwischen Thüringen und Bayern seit 1920 bestehende Grenze festgelegt wurde, die seit 1949 einen Teil der Staatsgrenze der D D R bildet. Trotz der extremen Kleinstaaterei konnten bald nach dem Dreißigjährigen Krieg der unterbrochene wirtschaftliche Aufschwung fortgesetzt und frühzeitig der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus vorbereitet werden; die Bevölkerungszahlen hoben sich durch Zuzüge aus Thüringen und Franken schnell. Zunächst basierte der Sonneberger Handel (s. N 1.2), der sich jetzt ganz von Nürnberg löste, noch auf den Gebrauchssteinen. Sonneberg erlangte ein Weltmonopol in Dachschiefern, Schiefertafeln und -büchlein sowie in Wetzsteinen, die noch zu Beginn des 18. Jh. „das rechte Mark der Sonnebergischen Handlung" ausmachten (REICHMANN 1924).

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m Kreis Sonneberg 17,3% der Todesursachen und 1913 immer noch 12,1%. Über Heinersdorf, das 1781 als ein wohlhabendes Bauerndorf mit außergewöhnlich guten Gesundheitsverhältnissen geschildert wird, in der zweiten Hälfte des 19. Jh. aber Heimarbeiterort geworden ist, schreibt 1901 der Medizinalreferent des Meininger Staatsministeriums: „Die Zustände dort sind grauenhaft. Der Grund für die hohe Sterblichkeit liegt in den schlechten Wohnungsverhältnissen dort. Oft fand ich 10 und mehr Personen in einem wenige Quadratmeter großen Raum, der zugleich Schlaf-, Wohn- und Arbeitsraum war. Daß in derartigen Räumen ein tuberkulöser Kranker die übrigen Mitglieder seiner Familie nach und nach anstecken muß, ist sicher." Da sich die Sonneberger Industrie, die im Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichte, in einem ständigen Wechsel von Hochkonjunktur und Wirtschaftskrise befand, kamen die arbeitenden Massen oft genug in schwere wirtschaftliche Notlage. Die Landwirtschaft verlor schon im Spätfeudalismus ihre Bedeutung und wich in der Epoche des Kapitalismus immer mehr vor der überall vordringenden Industrie zurück. Überwiegend agrarische Dörfer gab es am Ende des 19. Jh. nur noch in der Linder Ebene. Die Bauern des Sonneberger Gebietes waren im Feudalismus persönlich frei, ihr Besitz war aber mit Abgaben und Leistungen belastet. Der Mittelbetrieb bestimmte die Besitzstruktur. Der Großgrundbesitz gelangte schon weitgehend im 18. Jh. durch Verkauf an die Bauern. In den Dörfern siedelten sich besitzlose oder -arme Hintersassen an, die sich seit dem 18. Jh. der Hausindustrie zuwandten, sich schnell vermehrten und die Sozialstruktur der Dörfer veränderten. Mit der Ablösung der Feudallasten seit 1850 und der Einführung der intensiven Fruchtfolgewirtschaft stabilisierte sich die Lage der Groß- und Mittelbauern. Dabei gingen aber die Grundlagen der weit verbreiteten Schafzucht (s. N 1.2) verloren, die das Sonneberger Land zu einem wichtigen Wollausfuhrgebiet gemacht hatte.

D i e R a n g f o l g e der g r ö ß t e n O r t e z w i s c h e n R e n n s t e i g und S o n n e b e r g

22

1508

1672

1808

1910

1. 2. 3. 4. 5.

1. 2. 3. 4. 5.

1. 2. 3. 4. 5.

1. 2. 3. 4. 5.

Sonneberg Steinheid Schalkau Hämmern Oberlind

Sonneberg Schalkau Oberlind Steinheid Steinach

Sonneberg Steinach Schalkau Lauscha Oberlind

Sonneberg Steinach Lauscha Oberlind Schalkau

Zu Beginn der kapitalistischen Epoche paßte man auch die Verwaltung des Sonneberger Gebietes den Erfordernissen des bürgerlichen Staates an und trennte Verwaltung und Justiz. Für das gesamte Meininger Oberland wurde 1825 das Kreisamt Sonneberg als Verwaltungsbehörde errichtet, das 1829 seinen Nachfolger im Verwaltungsamt Sonneberg fand. Unter Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung wurde dieses 1868 zum Kreis Sonneberg umgebildet und 1922 im thüringischen Landkreis Sonneberg fortgesetzt. Dabei fanden jeweils nur geringe Gebietsänderungen statt. Die zunehmende Industrialisierung erforderte auch die bessere Ausgestaltung der Infrastruktur des Kreises. Anstelle der schnell verödenden alten Handelsstraßen (s. N u ) entstand ein Chausseenetz mit Sonneberg als Mittelpunkt. Als erste Chaussee wurde 1804 bis 1807 die Straße von Eisfeld über Schalkau nach Forschengereuth angelegt, die längs des Blößenberghanges Sonneberg von N erreichte. Es folgte seit 1811 die Chaussee von Sonneberg über den Schustershieb nach Steinach und dann weiter über Lauscha und Igelshieb nach Saalfeld. Die Chaussee von Eisfeld über Steinheid nach Neuhaus am Rennweg entstand 1823 bis 1826, die durch den Theuerer Grund erst 1853. Die Verbindung von Sonneberg nach Neustadt wurde 1821 bis 1826, nach Neuhaus bei Sonneberg 1838 bis 1849, nach Mupperg 1838 bis 1840 gebaut, während die Straße von Köppelsdorf durch das untere Steinachtal und das ölsetal nach Gräfenthal 1843 bis 1854 chaussiert wurde. Die auf der alten Sächsischen Geleitsstraße 1683 eingerichtete reitende Briefpost und die seit 1687 verkehrende Personenfahrpost berührten Sonneberg nicht. Die Stadt erhielt überhaupt erst 1813 eine Postexpedition. Eine direkte Fahrpost von Sonneberg nach Meiningen lief seit 1837, und schließlich wurde Sonneberg Station der Personenfahrpoststrecke Coburg—Altenburg. Postexpeditionen wurden 1837 in Schalkau, 1848 in Steinach, 1861 in Alsbach, 1862 in Lauscha und 1867 in Neuhaus bei Sonneberg eingerichtet. Der Postillion stellte schließlich 1910 auf der letzten Strecke Sonneberg—Schalkau seine Tätigkeit ein, und seit 1920, weit besser aber seit 1928 besorgte die Post mit Kraftomnibussen den Personenverkehr nach den eisenbahnfernen Dörfern. Die frühen Pläne eines Anschlusses Sonnebergs an das deutsche Eisenbahnnetz scheiterten. Erst 1858 wurde die Stichbahn Coburg—Sonneberg der Werrabahn eröffnet. Obwohl in den folgenden Jahrzehnten der Kreis ein verhältnismäßig dichtes Eisenbahnnetz erhielt, gelang es nicht, eine Hauptstrecke durch Sonneberg zu führen. Die Stichbahn wurde 1886 bis Lauscha verlängert, 1901 durch die Linie Sonneberg—Stockheim eine Verbindung zur Hauptstrecke Berlin—München hergestellt und endlich 1910 die Bahnstrecke Sonneberg—Eisfeld eröffnet. Zu einer noch schwierigeren Gebirgsbahn gestaltete sich 1913 die Strecke Lauscha—Ernstthal—Wallendorf zum Anschluß nach Saalfeld (s. C 3). Die Elektrifizierung des Sonneberger Gebietes begann 1907 mit der Errichtung des städtischen Elektrizitätswerkes, das mit der Thüringischen Gasgesellschaft Leipzig 1913 und dem Kreis Sonneberg als Teilhaber 1923 zu den Licht- und Kraftwerken Südthüringen GmbH erweitert wurde. Nachdem der Betrieb zahlreiche kleine Elektrizitätswerke und -verbände aufgesogen hatte, überspannte er 1923 bis 1925 den Kreis mit einer 15-kV-Leitung. Er erhielt 1923 über das Umspannwerk Neuhaus-Schierschnitz und 1925 durch eine über den Rennsteig herangeführte 50-kV-Leitung des Thüringenwerkes Anschluß an das bayerische und thüringische 3*

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Verbundnetz. Als die kleinen Gaswerke nicht mehr ausreichten, wurde 1922 das Ferngaswerk Thüringen-Franken GmbH in Neustadt mit Fernleitungen bis in die Industrieorte des Gebirgskamms errichtet. Seit der Mitte des 19. J h . konnte im Kreis Sonneberg ein für die damalige Zeit verhältnismäßig dichtes Schulnetz aufgebaut werden, in dem mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Kleingemeinden die mehrklassige Schule vorherrschte. Seit 1880 bestand eine weltliche pädagogische Schulaufsicht. Um die Jahrhundertwende trat ein lebhafter Schulneubau ein. Die höheren Schulen waren vor allem auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet. Wenn auch das Schulwesen insgesamt auf der Höhe der Zeit stand und sich eine Vielzahl von kulturellen Vereinigungen des Bürgertums und der Arbeiterklasse ausbreitete, so brachte die kapitalistische Epoche doch im Sonneberger Land mit Ausnahme der Sternwarte in Neufang (s. M 5) und des Spielzeugmuseums (s. N 1.6) keine kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtung von Bedeutung hervor. Dagegen beruhte schon die Turnbewegung seit dem letzten Drittel des 19. J h . auf einer breiten Grundlage, und seit der Jahrhundertwende trat der Kreis auch in der Sportbewegung hervor. Pionierarbeit wurde in Lauscha (s. C 2.3) und Ernstthal (s. D 1) im Wintersport geleistet, und nach dem ersten Weltkrieg entwickelten sich Steinach (s. G6.5) und Lauscha, aber auch Sonneberg und Oberlind zu Zentren des Fußballs. U. Heß A n f ä n g e der A r b e i t e r b e w e g u n g Die sozialen Verhältnisse im Sonneberger Land führten mit der Herausbildung der Kaufmannschaft gegenüber der Masse der kleinen Warenproduzenten am Ende des 17. J h . zu deutlichen Spannungen. Diese äußerten sich zunächst nur im ökonomischen Bereich. Ein wirklich revolutionäres Bewußtsein der Bevölkerung erwuchs erst 1848 und 1849, als das Sonneberger Land eine Hochburg der Demokratie wurde und sich in der Kaufmannschaft linksliberale Tendenzen durchsetzten. Als nach dem Scheitern der Revolution die Kaufmannschaft die politische Führung der Bevölkerung fest in die Hand genommen hatte, gewann der Linksliberalismus völlig die Oberhand. E r vertrat die Freihandelspolitik. Daher konnte es 1866 in der Nationalliberalen Partei nur zu einem kurzen Zusammengehen mit der Bismarckschen Reichspolitik kommen. Seit dem Übergang des Reiches zur Schutzzollpolitik 1879 gehörten die Kaufmannschaft und das weiterhin von ihr geführte mittlere und kleinere Bürgertum zur wirtschaftspolitischen Opposition. Konservative und rechtsliberale Parteien hatten im Sonneberger Land vor 1918 keine Chance. Die Arbeiter und die Hausgewerbetreibenden befreiten sich in den Jahren der Reichsgründung aus der politischen Abhängigkeit von der Kaufmannschaft. Am 22. März 1872 wurde auf einer allgemeinen Arbeiterversammlung in Sonneberg ein Allgemeiner Arbeiterverein gegründet, in dem im Sommer 1872 sächsische Agitatoren der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Eisenacher Richtung) wirkten und dessen Beitritt zur Arbeiterpartei das Zentralorgan der Partei, der Volksstaat, am 1. August 1873 meldete. Doch machten sich bald Gegenströmungen bemerkbar, so daß die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Sonneberg außerhalb dieses Vereins gebildet werden mußte. Ihre Gründung erfolgte in Vorbereitung der Reichstagswahlen von 1874 am 26. Dezember 1873 in der Sonneberger Gastwirtschaft 24

Halboth. Der Gründerkreis setzte sich unter Leitung des Schneidermeisters H E I N aus Heim- und Fabrikarbeitern zusammen. Bei der W a h l von 1874 fiel der Arbeiterpartei sogleich die Stimmenmehrheit in Köppelsdorf, Hüttensteinach und Judenbach zu, während sie in der Stadt Sonneberg 3 2 % der Stimmen erreichte. Die folgende W a h l von 1877 zeigte bereits alle Heimarbeiterdörfer im festen Besitz der Sozialdemokratie. Sie blieb nur noch im Kammgebiet des Gebirges und im Neuhäuser Bergwerksrevier ohne Einfluß. Nach anfänglichen Rückschlägen festigte die Arbeiterpartei in der Zeit des Sozialistengesetzes unter der Leitung von P E T E R E D U A R D W E H D E R ihre Stellung im Kreis. Seit dem Wirken des aus Berlin ausgewiesenen Agitators J E N S L A U R I T Z C H R I S T E N S E N 1887 setzte sich der Marxismus stärker durch (s. N 1.3). B e i der W a h l von- 1890 erhielt die Arbeiterpartei erstmals in der Stadt Sonneberg die Mehrheit. Das Mandat im Landtagswahlkreis Sonneberg-Stadt errang sie 1891, im Reichstagswahlkreis Sonneberg-Saalfeld 1893 u n d in den Landtagswahlkreisen Sonneberg-Land und Steinach-Lauscha 1897. Bei der Reichstagswahl von 1903 erzielte die Sozialdemokratie im Kreis Sonneberg 5 7 % der Stimmen und gewann erstmals auch in den Kammregionen des Waldes und im Neuhäuser Gebiet klare Mehrheiten. Dabei bildete sich im Jahrzehnt vor dem Weltkrieg in der Sonneberger Sozialdemokratie der Reformismus aus. RICH G R E I N E R

E. Grund, U. Heß

Imperialismus Der erste Weltkrieg unterbrach die Verbindungen der Sonneberger Industrie zu ihren Hauptabsatzgebieten (s. N 1.3). Wenn es auch verhältnismäßig schnell gelang, die Geschäfte mit den U S A wieder aufzunehmen, so erreichte die Produktion und damit der E x p o r t nicht mehr den Vorkriegsstand. Gleichzeitig entstanden ernstzunehmende ausländische Konkurrenten. In steigendem Maße wurde technisches Spielzeug verlangt, wie es Sonneberg nicht anbot. Die einheimische Industrie geriet zudem immer deutlicher in die Abhängigkeit von amerikanischen Warenhauskonzernen. Die Amerikaner hatten schon vor dem Weltkrieg begonnen, in Sonneberg große Niederlassungen zu errichten, und breiteten sich jetzt als unmittelbare Großabnehmer immer weiter aus. Die starke Bindung an die amerikanische Wirtschaft hatte eine rasche und tiefgreifende Wirkung der von den U S A ausgehenden kapitalistischen Weltwirtschaftskrise auf das Sonneberger Land in den Jahren 1929 bis 1935 zur Folge. Bei rasch rückläufigem Auftragsvolumen wurde der übervölkerte Kreis Sonneberg zum Gebiet eines erschreckenden Notstandes. Hier erreichte die Anzahl der Arbeitslosen im Jahre 1932 mit 15307 ihren höchsten Stand, fast die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung. Die Krise dauerte länger an als in anderen Teilen Deutschlands. Selbst nach Feststellungen faschistischer Wirtschaftspolitiker lagen noch 1935 „wirtschaftlich und sozialpolitisch außerordentlich schwierige Verhältnisse im Sonneberger Gebiet" vor, und es wurde die Förderung einer Aussiedlung in die Ostgebiete des ehemaligen Deutschen Reiches erwogen. Im November 1918 hatte die Leitung der Sonneberger Sozialdemokratie auf einen möglichst schnellen Übergang zur bürgerlichen Demokratie orientiert. Die hier erst im Laufe der Revolution gebildete Unabhängige Sozialdemokratische Partei blieb zunächst schwach und diente, als sie 1920 und 1921 für kurze Zeit einige Be-

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deutung erlangte, lediglich dazu, die Massen von der Fortführung der Revolution abzuhalten. Als am 5. Juni 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands auch in Sonneberg eine Ortsgruppe gegründet hatte (Gedenktafel Karl-Marx-Straße 21), waren zwar die Grundlagen für die Tätigkeit einer revolutionären Arbeiterpartei geschaffen, die K P D erstarkte aber erst am Ende der revolutionären Nachkriegskrise. Unter der Leitung von W I L L Y H Ö F L E R in Sonneberg gewann sie großen Einfluß auf die Fabrikarbeiter, besonders der Porzellanindustrie. Frühe Zentren ihrer Tätigkeit bildeten neben der Stadt Sonneberg die Industriegemeinden Köppelsdorf, Föritz, Neuhaus-Schierschnitz, Heinersdorf, Jagdshof und Judenbach sowie Rauenstein (s. J 2) und Steinheid. Als sich in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die Klassengegensätze schnell verschärften und der Faschismus auch im Sonneberger Land sein Haupt erhob, wandte sich die Mehrheit der Arbeiterklasse der K P D zu, die bereits 1928 etwa ein Viertel der Stimmen erlangte. Das bürgerliche Lager sammelte sich während der Revolution von 1918 in der Deutschen Demokratischen Partei. Am Ende der revolutionären Nachkriegskrise, die in Thüringen mit dem Reichswehreinmarsch 1923, dem Sturz der Arbeiterregierung und der Bildung einer bürgerlichen Regierung 1924 abschloß, machten sich im Kreis Sonneberg erstmals unverhüllt faschistische Strömungen bemerkbar. Nachdem sie in der Zeit der relativen Stabilisierung des Kapitalismus zugunsten der liberalen Parteien wieder zurückgetreten waren, schwoll der Faschismus während der Weltwirtschaftskrise binnen kurzem stark an. Bei den Wahlen im Juli 1932 gewann er im Sonneberger Gebiet die Hälfte aller Stimmen. Kleinbürgerliche und mittelständische Schichten, die bisher den nun völlig aufgeriebenen liberalen Parteien nahegestanden hatten, aber auch die zum Kleinbürgertum tendierenden Hausgewerbetreibenden erlagen weithin der Sozialdemagogie des Faschismus. In der Zeit des Faschismus wurde unter bewußter Zurückdrängung der Spielzeugindustrie die Masse der Arbeitslosen der im Kreis Sonneberg forcierten Rüstungsindustrie zugeführt. Dabei mißbrauchte man die über Generationen erworbenen Fähigkeiten der Bevölkerung für eine von auswärtigen Firmen eingeführte feinmechanische und textilverarbeitende Industrie, die ausschließlich den aggressiven militärischen Zwecken des deutschen Imperialismus diente. Aktiven antifaschistischen Widerstand leisteten Kommunisten und junge linke Sozialdemokraten unter Leitung von T H E O G U N D E R M A N N in den ersten Jahren der faschistischen Herrschaft. Während des zweiten Weltkrieges konzentrierte sich die Sonneberger Wirtschaft nur noch auf Kriegsindustrie (s. N 1.3), die nunmehr auch die alten einheimischen Firmen in ihren Strudel riß. Das Sonneberger Land wurde schließlich im Frühjahr 1945 in die unmittelbaren Kriegshandlungen einbezogen. Zunächst besetzte das von NW her auf den Höhen und am Südhang des Thüringer Waldes vorstoßende XII. Korps der III. US-Armee den Kreis und am 12. April die Stadt Sonneberg. Nach Einrücken der sowjetischen Truppen am 1. Juli 1945 konnte die zur Aktionseinheit zusammengeschlossene und bald unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei geeinte Arbeiterklasse, die im Sonneberger Land über große revolutionäre Traditionen verfügte, im Bündnis mit anderen werktätigen Klassen und Schichten den Weg in eine neue Zukunft weisen. U.

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Heß

Volkssprache Im allgemeinen Sprachgebrauch rechnet das Gebiet in der DDR, das südlich des Rennsteigs liegt, zu Südthüringen. Die Rechtfertigung dazu liegt in der Tatsache, daß der Südabfall des Thüringer Waldes und sein Vorland seit über 5 Jahrhunderten politische Bindungen zu Thüringen, zum Land nördlich des Rennsteigs, haben. Trotz dieser langen Zugehörigkeit hat sich das Gebiet aber eine so starke Eigenständigkeit vor allem in der Sprache erhalten, daß die Sprachwissenschaften diesen O Friednchr. O Ohr

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Abb. 6. Sprachgrenzen im thüringisch-fränkischen Sprachraum (Entwurf H. S P E R S C H N E I D E R ) Ausdruck für die Sprache, die dort gesprochen wird, nicht verwenden. Die sprachliche Grenze des Thüringischen liegt am Rennsteig (Abb. 6). Sie wurde schon von dem verdienstvollen G E O R G B R Ü C K N E R (1851) erkannt und dargelegt: „Im Ganzen, kann man behaupten, hat der Rennstieg, namentlich vom Inselberg bis Igelshieb seinen uralten völkertrennenden Character nicht aufgegeben, was auch das am Gebirg anwohnende Volk dadurch ausspricht, daß der Thalbewohner am Südfuß des Waldes von .drinnen in Thüringen', der am Nordfuß von .draußen in Franken' redet."

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Der Rennsteig ist nach wie vor eine der stärksten Sprachschranken im gesamten deutschen Sprachgebiet. Es ist auch den Bewohnern klar, daß sie sprachlich ,eine andere Welt' sind als die Jenseits des Waldes*. Zum Andersartigen der Mundart kommt auch noch die für unsere Zeit fast ungewöhnliche Mundartfestigkeit. Das Sprachbewußtsein kommt, in einer bis in die Gegenwart reichenden sehr guten Mundartdichtung zum Ausdruck. Die diesbezügliche Sonderstellung des Sonneberger Landes, wie auch großer Teile des gesamten Bezirkes Suhl, wird durch die folgenden in Sonneberg gängigen Zeilen charakterisiert: M'r nennt uns oft Thüringer, m'r häßt uns a Sachsn, doch unner Zunga is fränkisch gewachsn.

Man nennt uns oft Thüringer, man heißt uns auch Sachsen, doch unsere Zunge ist fränkisch gewachsen.

Die thüringisch-fränkische Sprachgrenze verläuft am Rennsteig nicht messerscharf. Die einzelnen Grenzlinien weichen in mehr oder weniger großem Abstand von der Mittellinie, dem Rennsteig, ab. Ein Beispiel, wie sprachliche Erscheinungen gleicher Art bei unterschiedlichen Wörtern auch unterschiedliche Grenzen in der Landschaft haben, ist die Präteritumsbildung bei Verben. Im Thüringischen wird die Vergangenheit durch das Imperfekt ausgedrückt, im Fränkischen durch das Perfekt (Abb. 7). Während bei einer Erhebung im Jahre 1955 alle vorkommenden Formen der einfachen Vergangenheit nördlich des Rennsteigs in der Mundart auch tatsächlich noch existierten, gab es südlich der Linie Rückerswind — Mürschnitz — Sonneberg — Heinersdorf keinen der befragten Mundartsprecher, der in seiner Mundart die Vergangenheitsform einfach bilden konnte. Alle haben das Perfekt verwendet: Statt ich fragte heißt es ich habe gefragt, statt ich traf ich habe getroffen, natürlich in der entsprechenden lautgerechten Mundartform. Der hier dargestellte sprachliche Unterschied ist keineswegs nur auf die Mundartsprecher beschränkt. Vielmehr ist es so, daß man in Südthüringen dem Imperfekt auch in der Schriftsprache nach Möglichkeit ausweicht, weil es in der Mundart nahezu ungebräuchlich ist. Dies wird beispielsweise deutlich beim Vergleich der Berichte von Volkskorrespondenten in Tageszeitungen südlich und nördlich des Rennsteigs. Andere syntaktische, die Satzlehre betreffende, Linien, die am Rennsteig liegen, sollen hier für viele stellvertretend aufgezählt werden : nördlich des Rennsteigs

südlich des Rennsteigs

ich kann nichts mache er sagte für mich er ging nach N N er kam von N N ich gehe bein Bäcker es hat angefangen mit schneien es hat aufgehört mit schneien wenn er steckegeblieben wäre wir sind abends/auf'n Abend hin

ich kann nichts gemach zu mir auf N N aus N N zum Bäcker . . . zu schneien .. .zu schneien wenn er stecken wäre geblieben wir sind zu abend hin

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Schmiedefeld ! I

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BRD

Akkusativ -Rektion („auf dich kommt es an") Dativ - Rektion („auf dir kommt es a n " )

in den Wald: ins Holz • nein/naufn Wald

Bearbeitungsgebiet

Weinersdorf Föritz Unterlirid ^ Gefell i f ^ VL^ Neuhaus W f. S.

Perfekt / Imperfekt: (z.B. ich bin gekommen , ich kam ] 1 O

vorwiegend Imperfekt

2Q

Imperfekt und Perfekt

3 0

vorwiegend Perfekt

_L° km

A b b . 7. W a n d e l von Sprachformen an der sogenannten Rennsteigschranke (Entwurf H . SPERSCHNEIDER) Eine deutliche Grenze a m Rennsteig bildet auch die R e k t i o n — d a s A b h ä n g i g keitsverhältnis — der Präpositionen. W ä h r e n d im N die schriftspracheübliche R e k t i o n vorherrscht, finden wir im S vielfach ausschließlich D a t i v r e k t i o n , das heißt man sagt ohne mir, f ü r dir, gegen dir usw. 29

Es gibt an der Rennsteigschranke auch eine große Anzahl von Lautgrenzen. So heißt zum Beispiel die Eule, die im S die schriftsprachliche Lautung ohne Endungs-e als Etil hat, nördlich Eil(e). Von besonderer Auffälligkeit sind aber in der Sprachlandschaft immer wieder Wortgrenzen. Sie werden von den Einheimischen dem Fremden besonders vorgeführt. So haben wir in den Orten Scheibe und Friedrichshöhe für den Christstollen die thüringische Bezeichnung Christscheit. Südlich davon gibt es Weck oder Stollen. In diesem Bereich liegt auch die Nordgrenze des süddeutschen Wortes Stadel, dem am Rennsteig die Scheune gegenübersteht. An das südliche Salznäpfle stößt nördlich am Rennsteig die thüringische Salzmeste, dem Ziepf steht nördlich die Schnepfe oder Schneppe als Ausgußstelle am Topf gegenüber. Der Weberknecht, eine Spinne mit besonders langen Beinen (Phalangium opilio), heißt im Sonneberger Land Schneider oder Haberschneider, auch Habermäher. Nördlich des Rennsteigs kennt man dafür die Bezeichnung Gankert. Ein wichtiges Kennzeichen für den Mundartsprecher aus dem Gebiet südlich des Kammweges ist auch die Bewahrung des Zungen-»- im Gegensatz zum Rachenoder Zäpfchen-r in Binnenthüringen. Die Bewohner von Effelder werden — weil sie mitten im Zungen-r-Gebiet das Zäpfchen-r sprechen — auch dafür geneckt: Sie werden Schlörpfer (§chlürfer) genannt. „Neben diesen zahlreichen und recht tiefgreifenden Unterschieden muß vor allem auch der schroffe Wechsel in Tonfall und Sprachrhythmus beachtet werden ... Hierin unterscheidet sich der ,Wäldler* aus den südlich des Rennsteigs liegenden Orten auch dann noch sofort vom Thüringer, wenn er nicht Mundart spricht. Besonders auffällig tritt dies beim Zählen zutage. Im weichen „singenden" Tonfall des Thüringers werden im steten Auf und A b von Hebung und Senkung die einzelnen Zahlen miteinander verschliffen : ens — dswee — draee — fire — fimfe ... Dagegen stehen in der harten abgehackten Sprechweise des Wäldlers nach Abfall der Flexionsendung des alleinstehenden Zahlwortes die Hebungen schroff gegeneinander: äs — dswä — drae — flr — fünf ... Es hat also die Apokope des Südens (Wegfall der Selbslaute am Wortende) entscheidenden Anteil an der Entwicklung dieses gegensätzlichen Sprachrhythmus" ( R O S E N K R A N Z 1964). Außer dem Rennsteig stellt der Ostrand des Kreises Sonneberg eine starke Sprachgrenze dar, allerdings innerhalb der fränkischen Mundarten. Die Einwohner von Heinersdorf werden heute noch verspottet, weil sie sprachlich auf die andere Seite der Grenze gehören. Eines der Spottwörter ist a brats Bre-it (ein breites Brett). In den umliegenden Dörfern sagt man dazu a bretts Brat. In Heinersdorf hat einer zwa Gwetschjer (zwei Zwetschen), in den Nachbarorten des Kreises Sonneberg zwe-i Gwatschjer. Weitere sprachliche Unterschiede an dieser Grenze sind

Sperling Genick Salzgefäß auf dem Tisch glühend

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westlich (Sonneberg)

östlich (Heinersdorf)

Sperk Anken

Spotz Genack, Genick

Salznäpfle glünich ich kann dir gehelf

Salzbüchsle glühnd ich kann dir helf

Diese Trennlinie fällt mit der alten Territorialgrenze zusammen, die die Bistümer Bamberg im O und Würzburg im W schied. In der Mundartkunde wird sie als Bamberger Schranke, der uns besonders interessierende nördliche Teil als Sonneberger Schranke bezeichnet. Sie grenzt das Mainfränkische im W gegen das Oberfränkische im O ab. Aus der Sicht des Mundartforschers ist der Kreis Sonneberg die Nordostecke der mainfränkischen Sprachlandschaft. Nach W und SW hin ist die Sprachlandschaft offen. Das bedeutet nun nicht, daß in dem Gebiet bis nach Würzburg hin einheitlich gesprochen würde. Viele Einzellinien durchziehen die Landschaft, und der aufmerksame Beobachter weiß wohl, daß es kaum 2 Dörfer gibt, die sprachlich völlig identisch sind. Das macht sich sogar in Dörfern bemerkbar, die aus mehreren Gemeinden zusammengewachsen sind, wie Mengersgereuth-Hämmern, wo eine ganze Reihe von Unterschieden zwischen Hämmern und Schichtshöhn festgestellt werden kann. Etwas stärkere Abwandlungen findet man im unmittelbaren Kontaktbereich zum Thüringischen am Rennsteig. In der Lauschaer Mundart treffen wir sogar auf sprachliche Spuren der böhmischen Urheimat der Gründerfamilie, denn abweichend sowohl vom Thüringischen als auch vom Fränkischen werden in Lauscha die Klöße als Knölla (Knödel) bezeichnet. H. Sperschneider

Wirtschaft, Siedlung und Bevölkerung nach 1945 Obwohl die Sachschäden durch direkte Kampfhandlungen im Kreis Sonneberg verhältnismäßig gering waren, befanden sich Wirtschaft und Bevölkerung nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in einer besonders ungünstigen Ausgangsposition. Im Krieg hatten 2475 Menschen des Kreises ihr Leben verloren, nicht eingeschlossen die Vermißten. Da die natürlichen Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Produktion sehr ungünstig waren, konnte sich die verbliebene Bevölkerung nur zu 25 bis 30% aus eigenem Aufkommen ernähren und war auf Zulieferungen aus Agrargebieten angewiesen. Erschwerend beim Wiederaufbau erwies sich vor allem die Grenze im Sonneberger Raum, die zunächst die Besatzungszonen trennte und seit 1949 das Territorium der D D R von dem der B R D scheidet. Mit Methoden des sogenannten kalten Krieges, wie Sabotage und Diversion, versuchten die kapitalistischen Siegermächte und ihre westdeutschen Helfer die antifaschistisch-demokratische, seit 1952 die sozialistische Entwicklung zu stören. Die Spielzeugfirmen hatten in den Kriegsjahren für die militärische Rüstung gearbeitet, und ihr Produktionsbeginn war angesichts der wirtschaftlichen Notlage nicht vorrangig. Verschiedene andere Betriebe erzeugten zunächst Waren des täglichen Bedarfs. So stellten beispielsweise der jetzige V E B Stern-Radio (s. N 8) Schöpfkellen und Müllschaufeln, der jetzige V E B Baumaschinen Steinach Kochherde und Kreissägen sowie der V E B Herko (s. N 1.5) Hausschuhe, Schürzen und Einkaufstaschen her. Die h e u t i g e W i r t s c h a f t s s t r u k t u r des Gebietes (Abb. 8) zwischen Sonneberg und Rennsteig hat diesen schweren Wiederbeginn fast schon vergessen lassen, denn der Sonneberger Raum zeichnet sich durch eine gut entwickelte Industrie und durch eine ausgewogene industrielle Struktur aus: Neben einer leistungsfähigen elektrotechnischen Industrie, keramischen Industrie, Bekleidungsindustrie, dem Maschinenbau und der Chemieindustrie nimmt gegenwärtig die Spielwarenherstellung die führende Rolle ein. Da die vorhandenen Betriebe zum großen Teil keine Um-

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Weitbelastung hervorrufen, sind viele Städte und Gemeinden sowie der gesamte südöstliche Thüringer Wald zugleich das Ziel vieler Urlauber. Nach wie vor (um 1900 : 40% der deutschen und 20% der Weltproduktion) ist das Spielzeug das bekannteste Produkt des Sonneberger Landes. Im Jahre 1946 waren die beiden Werke von Robert Hartwig sowie Cuno und Otto Dressel in Landeseigentum, eine damalige Form des Volkseigentums, übergeführt worden. Die so entstandenen Fabriken hießen Spielwaren und Sportartikel sowie Spielwaren und Bekleidung und können als die beiden ersten Sonneberger volkseigenen Betriebe bezeichnet werden. Nach der Bildung einer Außenstelle des Landesamtes für Wirtschaft Thüringen (1946) und eines Industriebüros (1948) kam die Spielzeugproduktion allmählich in Gang. Zunächst arbeitete man auf der Grundlage alter Traditionen in etwa 2000 bis 3000 Betrieben des Hausgewerbes und der Kleinnach NEU HAUS A.RWG.

Ernstthal

Scheibe-/ Alsbach

Siegmundsburg

SCHALKAU

SONNEBERG nachi Neuhaus-Schierschnitz

(Entwurf F.

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Abb. 8. Wirtschaft und Bevölkerung 1971 nach Atlas D D R 1976; Erläuterungen s. Seite 33)

GRIMM

industrie (l — 1 0 Beschäftigte) sowie in ungefähr 50 Industriebetrieben mit mehr als 10 Beschäftigten. Der Handel erfolgte bereits über eine neugegründete Einkaufs- und Liefergenossenschaft. K a m e n die W a r e n anfangs nur in die Geschäfte des Inlands, so exportierte m a n sie wieder seit 1948, verstärkt seit den fünfziger Jahren. In dieser Zeit entstanden aus Handwerksbetrieben die ersten Genossenschaften. 1954 schlössen sich 14 Kleinbetriebe zu d e m V E B Sonneberger Spielwarenwerke Sonni zusammen. Eine neue E t a p p e dieses Industriezweiges setzte ein, als am 17. Februar i960 das „ D o k u m e n t zur E n t w i c k l u n g der Spielzeugindustrie im Bezirk S u h l " beschlossen wurde, das eine Arbeitsgruppe des Zentralkomitees der S E D unter L e i t u n g des heutigen Generalsekretärs der S E D , E R I C H H O N E C K E R , ausgearbeitet hatte. Auf dieser Grundlage stellten die Betriebe seit den sechziger Jahren pädagogisch hochwertiges und polytechnisch bildendes Spielzeug her, das den steigenden E x p o r t ansprüchen gerecht wurde. Seit dieser Zeit stieg der Anteil des volkseigenen bzw. genossenschaftlichen Sektors und der staatlichen Beteiligung in den Privatbetrieben an, eine wichtige Voraussetzung, um die Produktion zu zentralisieren, zu mechanisieren und ihr Profil zu erweitern. H a t t e man bisher im Kreis Sonneberg fast ausschließlich Puppen und Holzspi'elzeug hergestellt, so erzeugt der 1961 ge-

Beschäftigte am Arbeitsort

Einwohner der Gemeinden

( Innenkreis)

(AuBenkreis) -30000 -3000 -1000 - 400 200

Beschäftigtenstruktur nach den Wirtschaftsbereichen .•• Industrie Land-und Forstwirtschaft Bus und Eisenbahn Bus

Verkehr, Handel. DienstleistungenVerkehrsanbindung i

•21000

bis 8 0 0 0 bis 3 0 0 0 bis 1 0 0 0 bis 4 0 0

- 1 0 0 0 bis 5 0 0 0 - 5 0 0 bis 1 0 0 0 1 bis 5 0 0

Bedeutende Industriezweige *

Maschinenbau

t

Elektroindustrie f

£ Chemische Industrie

1

-

Glas-und Keramische Industrie k ^ Spielwarenindustrie

Pendlerströme von = 4 0 Pendlern aus: i r r Theuern H

Truckenthal

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E I Sonneberg

H T Ernstthal Steinheid

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2 £ RabenäuOig

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Z U Scheibe-Alsbach

OHI Grümpen

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S Z Seltendorf

ZZ£ Mengersgereuth-^ Hämmern

ZZZ Siegmundsburg Z S Summe d. PendlerStröme -=40

- 2 0 0 bis 4 0 0

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'••• Pendlejrichtung Sonneberg

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gründete V E B Piko ( = Pionier-Konstruktion) mechanisches und elelctromechanisches Spielzeug. Mehrere traditionelle Holzspielzeugbetriebe schlössen sich zum V E B Plast- und Holzspielwarenwerke Plaho Steinach (s. G 6.5) zusammen, dessen Sortiment Spielzeug aus Holz und mehr und mehr solches aus Plast für die Vorschulkinder umfaßt. In der Puppenproduktion (Bilder 6—8) kamen neue Materialien, vor allem Weichplaste, zur Anwendung. 1972 gelangten durch Verkauf des privaten bzw. genossenschaftlichen Anteils 23 Privatbetriebe sowie 11 industriell produzierende Produktionsgenossenschaften in die Hände des Volkes. Arbeiteten 1973 noch 30 Spielzeugbetriebe im Kreis Sonneberg, so hatte sich ihre Anzahl durch Konzentration und Spezialisierung bis 1982 auf 5 verringert. Zu ihnen zählen V E B Sonni (Stammbetrieb des V E B Kombinat Spielwaren), V E B Piko, V E B Plüti sowie die Großbetriebe V E B Plaho Steinach (S.G6.5) und V E B Spielzeugland Mengersgereuth-Hämmesn (s. L 6 ) . Große neue Werkanlagen des V E B Sonni breiten sich am Rand von Sonneberg-Oberlind (s. N10) aus, wo Puppen und Plüschtiere hergestellt werden. Seit 1961 besteht beim V E B Piko in Sonneberg ein Zentrum zur Lehrlingsausbildung und Erwachsenenqualifizierung in der Spielzeugindustrie. In der Stadt ist auch eine Ingenieurschule für Maschinenbau und Spielzeugformgestaltung lokalisiert. In Sonneberg haben ferner der V E B Kombinat Spielwaren (mit etwa 27000 Beschäftigten, davon mehr als ein Drittel im Sonneberger Raum) und seit 1978 ein Institut für Spielwaren ihren Sitz, das zum wissenschaftlich-technischen Zentrum dieses Industriezweiges ausgebaut wird. Der Sonneberger Raum steht heute an führender Stelle in der Spielzeugindustrie der D D R . Mehr als 8000 Werktätige erzeugen fast ein Viertel des gesamten Produktionsaufkommens der D D R an Spielwaren, jeder dritte Sonneberger Werktätige arbeitet in diesem Industriezweig. Der Strukturwandel in der Spielzeugindustrie führte auch zu tiefgreifenden Veränderungen der räumlichen Beziehungen im Sonneberger Land : Anstelle der Fahrten der dörflichen Heimarbeiter zum Abliefern der Ware an Wochenenden traten tägliche Fahrten der Arbeitspendler zu den zentralisierten Produktionsstätten in Sonneberg, aber auch in Steinach, Mengersgereuth-Hämmern, Effelder und Schalkau. Eine analoge Entwicklung verzeichnete die Glasindustrie, wo vor allem Neuhaus mit dem Röhrenwerk (heute V E B Mikroelektronik) Anna Seghers zum Zielpunkt einer umfangreichen Pendelwanderung aus Lauscha (s. C 2.2), Ernstthal (s. D 1) und Steinheid (s. B 8) geworden ist. Der Strukturwandel der letzten Jahrzehnte führte zum Überwinden der sozialen Mißstände der Heimarbeit in zurückliegenden Epochen. Heute ist die Heimarbeit in der Spielzeug- und Glasindustrie auf diejenigen Menschen beschränkt, die aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen (Pflege von Familienangehörigen) nicht täglich zu den Betrieben fahren können. Die Glasherstellung hat ihren traditionellen Schwerpunkt in Lauscha (s. C 2.2), allerdings nicht mehr in Form der früher üblichen Heimarbeit, sondern in modernen Produktionsstätten. In das Warensortiment nahm man neben den herkömmlichen Christbaumschmuck und das Kunstglas (Lauscha, Steinheid) technisches Glas (Steinach, Lauscha, Ernstthal, Haselbach) auf. Im Unterschied zur Produktion von Glas erfolgt die Herstellung von Porzellan seit ihren Anfängen in Fabriken. Sie ist heute im V E B Elektrokeramische Werke Sonneberg (EKS) zusammengefaßt, dessen Anlagen in den Stadtteilen Köppelsdorf (s. N 8) und Malmerz sowie in Neu34

haus-Schierschnitz stehen. In engem K o n t a k t mit der Porzellanindustrie hat sich die Herstellung von Keramikmaschinen entwickelt, die heute mit dem V E B K o m binat Thuringia in der D D R ihren Hauptstandort in Sonneberg hat. Sein Betriebsteil in Steinach (s. G 6.5) ging aus der früheren Eisengewinnung und -Verarbeitung hervor. Bodenständige Rohstoffe verarbeiten das Hartsteinwerk Hüttengnind (s. M 4) und der V E B Naturstein- und Mineralwerke als Nachfolger der Schieferwerke in Steinach (s. G 6.5) Ausschließlich auf Sonneberg konzentriert ist die elektrotechnische Industrie: V E B Stern-Radio und V E B Elektroinstallation Oberlind (EIO) mit seinem Hauptwerk in Oberlind und einem Betriebsteil in Steinheid. Der Produktion dieser Betriebe steht der V E B Industriewerk Rauenstein (s. J 2) nahe. Sämtliche weiteren Industriezweige sind fast ausschließlich auf die Kreisstadt beschränkt, so die chemische Industrie ( V E B Plasta) und die Bekleidungsindustrie ( V E B Herko). Im Vergleich zu der stark entwickelten Industrie tritt die L a n d w i r t s c h a f t deutlich zurück. Sie hat ihren Schwerpunkt im Vorland. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die demokratische Bodenreform durchgeführt, die in dem meist kleinund mittelbäuerlichen Kreis Sonneberg nur 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche betraf. 1949 entstand in Oberlind eine Maschinen-Ausleih-Station (MAS), jetzt Kreisbetrieb für Landtechnik. 1953 schlössen sich in Oerlsdorf Bauern zur ersten L P G des Kreises Sonneberg zusammen (Anhang H). i960 war Sonneberg der erste Kreis im Bezirk Suhl, der vollgenossenschaftlich arbeitete. Die Anzahl der zunächst 71 L P G s verringerte sich in der Folgezeit, da sich mehrere Genossenschaften von jeweils einer Gemeinde vereinigten. Später bildete ihre landwirtschaftliche Nutzfläche (Bild 32) den Grundstock der Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion ( K A P ) , der Vorgänger der beiden L P G s Pflanzenproduktion Sonneberg (seit 1977) u n d Schalkau (seit 1978). Die L P G (P) Schalkau (s. J 6.3) bewirtschaftet die Areale der Schalkauer Platte (Hinterland), ihr Anteil am Pflanzenbau des Kreises Sonneberg beträgt 4 6 % . Sie unterhält enge Kooperationsbeziehungen zu der L P G Tierproduktion Schalkau, die für die Viehzucht im gleichen Raum zuständig ist (Rinder, Schweine). Die L P G (P) Sonneberg hat ihre Wirtschaftsflächen im wesentlichen im südöstlichen Kreis Sonneberg. Beide Genossenschaften bauen Weizen, Roggen, Kartoffeln und Feldfutter an. Im Gebirge werden die Wiesen von der L P G Tierproduktion Oberweißbach (Kreis Neuhaus a. Rwg.) zur Jungrinderaufzucht sowie zur Gewinnung von Grünfutter und Heu genutzt. Der noch vor wenigen Jahrzehnten im Gebirge selbst an steilen Hängen mit steinigen Böden betriebene Ackerbau sowie die früher weit verbreitete Ziegenhaltung wurden aufgegeben. Die Inbetriebnahme der Anlage für 1580 Milchkühe in Heubisch, der Kälberaufzuchtanlage in Rohhof, der Jungviehanlage in Judenbach und der Ställe in Bachfeld und Effelder (s. K 6) leitete die industrielle Tierproduktion im Sonneberger Raum ein. Heute werden fast 7 5 % der Rinderhaltung industriemäßig betrieben. Die insgesamt 4500 Rinder erreichten 1976 eine durchschnittliche Milchleistung von 4000 1 pro Kuh. Die Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft des Kreises Sonneberg ging von 3500 (i960) auf 1100 (1976) zurück, eine Erscheinung, die durch die gestiegene Arbeitsproduktivität dieses Wirtschaftszweiges zu erklären ist. Entsprechend den Bedürfnissen der industrialisierten sozialistischen Landwirt-

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Schaft wurden zentrale Einrichtungen und Stützpunkte geschaffen: das agrochemische Zentrum (ACZ) und der Flugplatz f ü r Agrarflug in Sonneberg-Malmerz. In Sonneberg arbeiten auch ein Schlachthof und eine Molkerei; ferner hat ein Landbaukombinat hier seinen Sitz. F. Grimm, K. Judersleben, H. Gauß Da das Gebiet zwischen Rennsteig und Sonneberg größtenteils von Wald bedeckt ist, kommt der F o r s t w i r t s c h a f t besondere Bedeutung zu. Die Forstwirtschaftsbetriebe Sonneberg und Neuhaus am Rennweg bewirtschaften die Wälder des Kreises Sonneberg und am angrenzenden Rennsteig. Jährlich werden im Kreis Sonneberg etwa 20000 Festmeter Fichten, daneben Buchen und Kiefern als Stammholz bzw. Sägeholz für Kanthölzer und Bretter geschlagen. Für die Gewinnung von etwa 45 000 Fes+metern Faserholz für die Zellstoffindustrie verwendet man vor allem das schwache Stammholz, sogenanntes Langrohholz, das bei den Durchforstungen (Pflege) anfällt, aber auch einen Teil von Dünnholz, sogenanntem Stangenholz, das entrindet und zu Hackschnitzeln verarbeitet wird. Schließlich liefern die Wälder noch Stangen und Rüststangen sowie Gruben-, Holzwoll- und Faserplattenholz. Die Bewirtschaftung (Bilder 29 u. 30) der Forstbestände erfolgt weitgehend mit Maschinen und technischen Geräten (s. L 4). Moderne Einmannmotorkettensägen kommen zum Einsatz, daneben aber auch Entastungsmaschinen, kombiniert arbeitende Maschinen wie Fäll-Rücke-Kombines und Entastungs-Ausformungsmaschinen. Das Herausrücken des Holzes aus dem Bestand erfolgt mit Spezial-Rücketraktoren und Knickradschleppern, an langen, steilen Hängen mit besonderen Seilkränen. Trotz dieser speziellen Technik wird auch heute noch das Pferd mit eingesetzt. Den Abtransport vom Polterplatz im Wald übernehmen ausschließlich moderne Langholz-Lastkraftwagen. Mehrere ausgewählte Wälder haben eine besondere Bedeutung für die Erholung und unterliegen speziellen Bewirtschaftungsprinzipien, vor allem der gesamte Bereich längs des Rennsteigs (s. A 1) sowie einige Gebiete um Lauscha und Sonneberg (s. N 4 u. 5). Hier erhalten und schaffen die Forstleute gemischte Waldbestände und vermeiden Kahlschlagflächen. In den Wäldern zwischen Rennsteig und Sonneberg leben zahlreiche Vertreter des Rot-, Reh- und Schwarzwildes sowie Füchse. Seltener hingegen kommen Hasen, Auer- und Birkwild im Gebirge sowie Rebhühner und Fasanen im Vorland vor. Jährlich erlegen die Mitglieder der sozialistischen Jagdgesellschaften im Kreis Sonneberg etwa 100 Stück Rotwild, 300 Rehe und 100 Wildschweine. Als optimale Wilddichte unter Berücksichtigung der Äsungsverhältnisse und der Begrenzung von Schäden wird pro 100 ha Jagdfläche (Wald und Wiese) ein Besatz von 1,5 bis 2 Stück Rotwild und 3 bis 4 Stück Rehwild angestrebt. A. Engelhardt Die Darstellung der Besiedlungs- und Bevölkerungsdichte beginnen wir mit der Feststellung, daß sich der R a u m zwischen Rennsteig und Sonneberg 16 km von W nach O und 17,5 km von N nach S erstreckt. Auf 226 km 2 Fläche wohnen hier 6 1 1 0 0 Menschen, was einer Dichte von 270 Einwohnern pro km 2 entspricht. Diese liegt über dem DDR-Durchschnitt (157) und dem Durchschnitt für den Bezirk Suhl (143) und verdeutlicht den hohen Industrialisierungsgrad des Sonne-

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berger Landes. Der Mittelwert gibt jedoch die tatsächliche Bevölkerungsdichte nur unzulänglich wieder, denn nahezu die Hälfte der Bewohner lebt in der Kreisstadt Sonneberg, weitere 30% leben in den Gemeinden längs der Bahnlinie Sonneberg—Lauscha—Ernstthal sowie in Mengersgereuth-Hämmern. So wohnen fast vier Fünftel aller Einwohner auf 17,5% der Gesamtfläche. Beinahe alle großen Siedlungen reihen sich längs der genannten Bahnlinie, der Fernverkehrsstraße 89 und der Bahnlinie Sonneberg—Rauenstein—Schalkau. Andererseits treffen wir im W zwischen Gebirgsrand und Rennsteig auf Räume mit 14 Einwohnern pro km 2 . Der wirtschaftliche Schwerpunkt des Gebietes liegt eindeutig in der Kreisstadt Sonneberg. Ihre Industriebetriebe sowie die politisch-administrativen, kulturellen und sozialen Einrichtungen und der Handel stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze. Täglich fahren mehrere tausend Werktätige aus allen Teilen des Kreises zur Arbeit nach Sonneberg, davon viele mit Omnibussen. Die Stadt verfügt auch im Volksbildungswesen, im Gesundheitswesen sowie in sportlicher und kultureller Hinsicht über das volle Spektrum einer leistungsfähigen Kreisstadt (s. N 1.5). Sie besitzt verkehrsmäßige Anschlüsse zu anderen Teilen der DDR, vor allem auch zur Bezirksstadt Suhl. Besondere Bedeutung im Güterumschlag kommt dem Containerbahnhof Sonneberg-Ost zu, der als einer der ersten Containerbahnhöfe der D D R und als der erste im Bezirk Suhl 1970 geschaffen wurde. Bis 1952 zählten alle Gemeinden (außer Friedrichshöhe und Scheibe-Alsbach) des untersuchten Raumes zwischen Rennsteig und Sonneberg zum Kreis Sonneberg. Mit der Bildung des Kreises Neuhaus am Rennweg, dem Lauscha, Ernstthal, Steinheid und Siegmundsburg zugeordnet wurden, entwickelte sich mit Neuhaus ein neues Zentrum. So fährt die Mehrzahl der Auspendler aus diesen Gemeinden zur Arbeit nach Neuhaus. Der Glasbläserort Lauscha (s. C 2.2), traditioneller Mittelpunkt der umliegenden Gebirgsdörfer, ist zwar seit 1952 deutlich von Neuhaus überflügelt worden, hat aber aufgrund seiner überkommenen Ausstattung mit Geschäften und durch seine Bedeutung im Erholungswesen (Glasmuseum, Marktiegel-Schanze) Eigenständigkeit erhalten können. Lokales Zentrum des westlichen Kreises Sonneberg, des Hinterlandes, ist die Kleinstadt Schalkau (s. J 6.3). Durch die Lokalisierung des Gemeindeverbandssitzes sowie des Standortes einer LPG Pflanzenproduktion und einer L P G Tierproduktion wurde eine sichere Basis für die weitere Entwicklung Schalkaus geschaffen. Nach Schalkau pendeln wie nach dem Industrieort Rauenstein täglich viele Arbeitskräfte. Weiterhin besitzen die Stadt Steinach (s. G 6.5) mit vielseitiger industrieller Basis sowie die Großgemeinde Mengersgereuth-Hämmern (s. L6) als wichtigster Wohnort von Auspendlern nach Sonneberg und als Standort der Spielzeugindustrie Bedeutung. Die großen Industriedörfer Steinheid (s. B 8), Ernstthal (s. D 1), Haselbach (s. H 2) und Effelder (s. K 6) verfügen sowohl über eigene Industriebetriebe als auch über gute Verbindungen zu den Kreisstädten Sonneberg bzw. Neuhaus. F. Grimm, K.

Judersleben

Anmerkung: Nach Redaktionsschluß erschien in der Schriftenreihe des Spielzeugmuseums Sonneberg 1981 von BRUNHILDE MEYFARTH die Arbeit mit dem Titel „Die Sonneberger Spielzeugmacher". Sie hat die Arbeits- und Lebensbedingungen der Spielzeugmacher um 1900 zum Inhalt, die von der Tatsache geprägt waren, daß ihr Einkommen oft unter dem Existenzminimum lag. 4

Sonneberg

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Einzeldarstellung Rennsteig

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Die nördliche Begrenzung des beschriebenen Sonneberger Raumes fällt ungefähr mit dem Rennsteig zusammen, der auf 15 km Länge von Friedrichshöhe bis Ernstthal in einer Höhenlage von 736 m (Limbacher Sattel) bis 849 m (Rollkopf) verläuft. Der Weg führt meist durch die ausgedehnten Fichtenwälder der K a m m region des Schiefergebirges, umgeht dabei nördlich die Gemeinden Friedrichshöhe und Siegmundsburg, quert den Limbacher Sattel, zieht sich dann nach N O über den Petersberg und den Sandberg bis Neuhaus am Rennweg und weiter nach SO über Ernstthal in Richtung Spechtsbrunn hin. Dieser Abschnitt des Rennsteigs trennt das Stromgebiet der Elbe im N von den Einzugsgebieten der Weser und des Rheins im S (s. A 3), er scheidet auch die Bevölkerung mit thüringischer Mundart im N von den fränkisch sprechenden Bewohnern des Sonneberger Landes (s. Seite 28). Name, Ursprung und Bedeutung des Rennsteigs sind trotz umfangreicher Forschungen noch nicht restlos geklärt. Bis vor wenigen Jahrzehnten neigte die Wissenschaft zu der Auffassung, der gesamte heutige K a m m w e g sei eine Schöpfung des 17. Jh., und erst die Rennsteigtouristik des 19. Jh., voran deren Begründer J U L I U S V O N P L Ä N C K N E R (1791 — 1858), habe den Namen um 1830 im südöstlichen Thüringer Wald endgültig durchgesetzt. Man trat damit älteren Vermutungen entgegen, die den Rennsteig bis in die Ur- und Frühgeschichte zurückverfolgt wissen wollten. Neueste Archivforschungen weisen aber jetzt dem W e g sowohl hinsichtlich seiner Verkehrsbedeutung als auch seines Namens wieder ein höheres Alter zu. Die älteste Beurkundung des Namens Rennsteig von 1330 bezieht sich nur auf den Kammweg zwischen Ruhla und Oberhof. Ohne Nennung des Namens begegnet aber der Rennsteig zwischen Steinheid und Ernstthal schon 1394 als die Straße, die oberhalb Gräfenthal nach der steynyn heide (Steinheid) führte. Sie wird 1414 erneut als Straße, „die gehet hinder Lichtenhain über den W a l t " bezeichnet. Noch immer ohne den Namen Rennsteig zu nennen, wird der genaue, 32 k m lange Verlauf zwischen der schnabelichten buche nahe dem heutigen Bahnhof Ernstthal bis Neustadt am Rennsteig in der Grenzfestlegung von 1453 beschrieben. Der Name Rennsteig tritt dann erstmals 1535 zwischen Heubach und Neustadt auf. A u c h hier verläuft er als Verkehrsweg auf dem Gebirgskamm. In den Forstbereitungsakten des 16. Jh. heißt er die Straße. Der Name Rennsteig wird erstmals in unserem Gebiet 1592 erwähnt, als die Grafen von Schwarzburg im Streit mit den Herzögen von Sachsen um Landeshoheit und Geleitsrechte die Lehensabhängigkeit von der Krone Böhmen in Anspruch nahmen und behaupteten, man könne „ubern Rudolstadt vom Rennsteig im Düringer Walde aus fast auf eitel beheimische Lehn gar nach Prag gelangen, wie etzliche alten berichten wollen". Damals erstattete der Langenwiesener Förster V O L K M A R G R A M A N N 1597 den offenbar ältesten Bericht 4*

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A 1 über den Rinsteig. Dieser beschreibt seinen Verlauf zwischen dem Großen Dreiherrenstein bei Allzunah (Kr. Ilmenau) und der Gegend nahe Probstzella (Kr. Saalfeld) genau, verfolgt ihn aber auch nordwestwärts bis Eisenach. Die erste Rennsteigvermessung erfolgte 1649 bis 1666. Für unser Gebiet sind die kartographischen Unterlagen aber verschollen. Auf diesen Vermessungsunterlagen beruht die Beschreibung von C H R I S T I A N J U N C K E R von 1703, die den K a m m weg im Steinheider Forst als Scheideweg bezeichnet. Offensichtlich war der Rennsteig im südöstlichen Thüringer Wald Teil eines spätmittelalterlichen Verkehrsweges bis ins Fichtelgebirge. Die im 19. Jh. als unsinnig abgetane ältere Behauptung, die Hussiten seien 1430 auf dieser Straße über Steinheid nach Franken vorgestoßen, bedarf deshalb einer genauen Nachprüfung. Die engere Verbindung zwischen Lauscha und den Glasmacherdörfern des Fichtelgebirges im 18. Jh. muß jedenfalls noch über diese Straße gelaufen sein. G R A M A N N S Rennsteigbeschreibung von 1597 hebt auch die militärische Bedeutung des Weges hervor, nicht nur bei äußerer Bedrohung, sondern auch bei „unfriedt und aufruhr" im Lande. Der Name Rennsteig taucht 1725 in der Gründungsurkunde von Friedrichshöhe, 1743 zwischen Oberhot und Steinheid auf der HoMANNschen Karte von Henneberg und 1799/1800 auf den kursächsischen Militärkarten Thüringens auf. Aber erst das W e r k von H O F F und J A C O B S , dessen zweiter Band den südöstlichen Teil behandelt, machte 1812 den Namen Rennsteig wieder populär. Der Name Rennweg kommt zwar gelegentlich früher vor, in Neuhaus am Rennweg ist er aber eine Schöpfung der Post um 1867, die diesen Ort schärfer von Neustadt am Rennsteig unterscheiden wollte. Die Kennzeichnung des Kammweges mit dem weißen R wurde zuerst um 1885 von der Forstverwaltung Sachsen-Meiningens eingeführt und dann um die Jahrhundertwende von dem 1896 gegründeten Rennsteigverein allgemein durchgesetzt. Der Rennsteig bildete zwischen Friedrichshöhe und dem Hohen Lach (788 m) westlich von Ernstthal die Grenze, die zwischen der wettinischen Pflege Coburg und der Herrschaft der Grafen von Schwarzburg erstmals 1540 genau festgelegt wurde. 1569 wircl am Hohen Lach eine hohe Sandsteinsäule als Dreiherrenstein mit Wappen genannt. Er trennte die Pflege Coburg, die Herrschaft Schwarzburg und die pappenheimsche Herrschaft Gräfenthal. Später führte auf dieser Strecke bis Friedrichshöhe die Grenze zwischen Sachsen-Meiningen (auf Steinen SM) und Schwarzburg-Rudolstadt (SR), die heute noch durch zahlreiche Steine markiert ist. Nicht wenige zeigen den wettinischen Rautenkranz auf der Südseite und die gekreuzten schwarzburgischen Gabeln auf der Nordseite. Die Steine stammen meist aus der zweiten Hälfte des 18. Jh., besonders von 1756 und 1794. Einige wurden aber schon 1589 und 1598 gesetzt (Abb. 9). Nördlich von Siegmundsburg befindet sich ein weiterer Dreiherrenstein. E r stammt von'1733, zeigt 2 Rautenkranzwappen und die schwarzburgischen Gabeln und markiert die frühere Grenze zwischen SachsenHildburghausen, Sachsen-Meiningen und Schwarzburg-Rudolstadt. Beide Dreiherrensteine verloren ihre Funktion, als 1826 das Eisfelder und das Gräfenthaler Gebiet an Sachsen-Meiningen kamen, östlich des Hohen Lachs dehnte sich die Herrschaft Gräfenthal über den K a m m des Gebirges nach S aus, und dort bildete der Rennsteig keine Grenzlinie. Im Lauf der Zeit nahm die Bedeutung des Rennsteiges als Wanderweg zu. Als massentouristische Veranstaltung findet seit 1973 alljährlich der Guts-MuthsRennsteiglauf statt. Die 75-km-Strecke reicht von der Hohen Sonne bei Eise40

Abb. 9. Grenzstein am Rennsteig (aus Führer durch Stadt und Kreis Sonneberg 1927) nach bis Schmiedefeld. Der sogenannte kleine Rennsteiglauf beginnt in Neuhaus am Rennweg und führt über 45 km ebenfalls nach Schmiedefeld. Für die Veranstaltung am 20. Mai 1978 lagen 8990 Teilnahmemeldungen vor, darunter 4 800 für den kleinen Rennsteiglauf. Der Rennsteig fällt in unserem Bereich ausschließlich in den Luvteil des Gebirges, den hohe Niederschläge, niedrige Temperaturen, langdauernde Winter, hohe Nebelhäufigkeit und Luftfeuchtigkeit sowie starker Windeinfluß kennzeichnen. In diesem rauhen Klima und auf nährstoffarmen Verwitterungsböden der Phycodenschiefer und Quarzite (Braunerdepodsole mit saurer Rohhumusauflage) wachsen

Abb. 10. Berg- und Wetterfichten am Rennsteig (nach Vorlagen von A. ENGELHARDT)

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fast ausschließlich Fichtenwälder ; dazwischen kommen verstreut Ebereschen vor, die auch im natürlichen Fichtenbergwald nicht fehlen. A m Rennsteigabschnitt zwischen Friedrichshöhe und Ernstthal finden wir kaum noch eine Tanne, obwohl hier im Mittelalter ein Mischwald von Fichten, Tannen und Buchen verbreitet war (s. E 1). Trotz der Armut an Baumarten weisen die Wälder besonderen Reiz durch die Verschiedenartigkeit der Fichtenbestände auf (Abb. 10). So durchwandern wir ein knorriges, tiefbeastetes Altholz oder ein Stangenholz oder eine Dickung, bald eine Jungpflanzenkultur oder einen kleinen Kahlschlag. Das forstliche Rennsteigprogramm verbietet die Nutzung in Form von großen Kahlschlägen, da das Klima, zum Teil auch der Boden auf den exponierten Kammlagen die Walderneuerung mit der Fichte erschweren. In diesen Höhen wächst eine Fichtenjungkultur am besten im Schutz von Nachbarbeständen empor. Neben der heute betriebenen künstlichen Bestandesbegründung spielen aber auch noch die Naturverjüngungen und Jungwüchse der Fichte eine Rolle. Durch ungleichaltrigen Bestandesaufbau — gemischt mit anderen Holzarten —, durch räumlich geordnete Hiebsfolge, Schaffung von Sturmschutzzonen, besonders aber durch „innere Festigung durch Selbstschutz" der Waldbäume, wie Kronenpflege, kann der Forstmann vorbeugende Sicherung des Fichtenwaldes gegen Wind- und Sturmschäden betreiben. Die Aufforstung der Kamm- und Hochlagen am Rennsteig erfolgt durch den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb mit geeignetem Fichtenpflanzmaterial, dessen Herkunft diesen Höhenstufen entspricht. E s soll eine schlanke Fichte mit spitzer Krone emporwachsen, die dem Schnee-, Duft(Rauhreif-) und Eisanhang sowie dem Wind weitgehend trotzt. Bisher fehlten in den Kammlagen solche standortgemäße Fichtenbestände. E s ist deshalb nicht verwunderlich, daß die Fichten im allgemeinen starke Wipfelbrüche aufweisen. Mit der Anpflanzung ausgedehnter Fichtenbestände im Thüringer Schiefergebirge verarmte seine typische Fauna. Lediglich auf kleinen Moorflächen und in den Bergbächen kommt es noch lokal zu einer gewissen Anhäufung montaner Arten, doch unterliegen gerade diese Lebensräume gegenwärtig starken Veränderungen. Heute halten sich im Rennsteiggebiet besonders Rotwild, aber auch Rehe auf. Dagegen sind Auer- und Birkwild gegenüber früher recht selten geworden. Auf die ehemals heimischen Arten Luchs, Wolf, Bär und Wildkatze weisen Forstortnamen und Überlieferungen hin. So wird für 1545 von einer Saujagd auf der Steinheide berichtet, wobei der Steinheider Förster H A N S S T E I N E R , „weil er eynen grossen behren im Walde geschossen", auf Befehl des Hofmarschalls zu Coburg 2 Zentner Korn als Belohnung erhielt. Im Thüringer Wald sind der B ä r zu Ende des 17. Jh., Wolf und Luchs im 18. Jh. verschwunden. Spätere Nachrichten betreffen Einzeltiere. Der letzte Bär im Rennsteiggebiet soll 1797, der letzte Luchs 1810 und der letzte Wolf 1820 geschossen worden sein. Charaktervogel der Wälder entlang des Rennsteigs, vielfach sogar die dominierende Art, ist der Buchfink. E r ist während des ganzen Jahres vertreten. Nur in den Wintermonaten verläßt ein Teil der Population, darunter sämtliche Weibchen, das Gebiet. In den Herbstmonaten erfolgt dann der Zuzug nordischer Wintergäste, so des Bergfinks. Dort, wo viele Vogelbeeren vorhanden sind, stellen sich Flüge von jeweils etwa 10 Stück Wacholderdrosseln — hier als Kramser bekannt — ein. Nicht alljährlich erscheinen die in Skandinavien beheimateten Arten Seidenschwanz 42

und Birkenzeisig. An weiteren Brutvogelarten der Wälder seien unter anderen genannt: Tannenmeise, Baumpieper, Singdrossel — unter dem Namen Zippe bekannt —, Misteldrossel, Amsel, Rotkehlchen, Zaunkönig, Heckenbraunelle, Winter- und Sommergoldhähnchen, Eichelhäher, Rabenkrähe, Erlenzeisig, Gimpel, Fichtenkreuzschnabel und Buntspecht. Bis in unser Jahrhundert hat der Vogelfang für Speisezwecke eine recht erhebliche Rolle gespielt, wobei neben Drosseln auch Finken, Kreuzschnäbeln und Meisen, meist mit Leimruten, nachgestellt wurde. Die hierzu erforderlichen Lockvögel hielt man in kleinen Bauern, der Fang selber erfolgte insbesondere während der Zugzeiten in den Morgenstunden auf Blößen oder in kleinen Gebüschgruppen am Rand von Lichtungen. Viele Bewohner halten auch noch heute Waldvögel, wovon man sich bei einem Gang durch Steinheid oder andere etwas abgelegene Orte überzeugen kann. Der massive Wasserturm von Neuhaus am Rennweg markiert die Hochfläche des 845 m hohen bewaldeten Bornhügels. Hier lebt die R o t e Waldameise (Formica rufa) in Haufen aus Fichtennadeln, Holzrestchen, Rindenstückchen und ähnlichem. Die Ameisen haben für die Forstwirtschaft große Bedeutung, da sie Forstschädlinge wie Nonne, Fichtengespinstblattwespe, Kiefernspanner und Forleule vertilgen. Die Jahresausbeute einer einzigen Ameisenkolonie wird auf 5 bis 1 0 Millionen Beutetiere geschätzt, darunter mehr als 5 0 % Schädlinge. Die R o t e Waldameise steht wegen ihres hohen Nutzens unter strengem Naturschutz. I m Interesse des biologischen Forstschutzes widmen sich einige Forstbetriebe der künstlichen Vermehrung der Waldameise. W e r das Gebiet an milden Wintertagen besucht, wird kleine Insekten bemerken, die in großer Zahl auf den abtauenden Schneeflächen herumhüpfen. E s handelt sich dabei um die sogenannten Schneeinsekten. Neben den als Schneeflöhe bezeichneten Vertretern der Springschwänze (Collembola) — flügellosen, bis 2,5 m m langen, mit Hilfe einer sich am Hinterleib befindenden Sprunggabel hüpfenden Insekten — finden wir auch den Winterhaft (Boreus hyemalis) mit dem charakteristischen schnabelartig verlängerten Kopf und die ebenfalls flugunfähige Schneeschnake (Chionea spec.).

A 1

Friedrichshöhe, Kreis Hildburghausen,

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liegt auf einer Rodungsinsel in 780 bis 800 m Höhe, umgeben von Wald. Am nördlichen Waldrand verläuft der Rennsteig; nach S riegelt der 865 m hohe Bleßberg die Fernsicht ab. Am 1. September 1 7 2 5 erteilte die Herzogin-Landesregentin von Sachsen-Hildburghausen dem Glasmeister J A K O B L A U T E R B A C H aus Stützerbach und 5 Genossen die Genehmigung, im Sachsendorfer Forst am Hühnerberg nahe dem Rennsteig eine Glashütte zu errichten. Die Hütte wurde tatsächlich auch im September 1726 erbaut, brannte aber schon nach wenigen Tagen nieder. J A K O B L A U T E R B A C H , J O H A N N G E O R G W I E G A N D und J O H A N N C H R I S T I A N H A R T W I G erhielten darauf 1 7 2 7 eine neue Belehnung und nahmen das wiederaufgebaute Werk in Betrieb, das nach Herzog E R N S T F R I E D R I C H I. von Sachsen-Hildburghausen benannt wurde. Schon seit der Mitte des 18. J h . kämpften die Glasmeister mit Schwierigkeiten bei der

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A 2 Brennmaterialbeschaffung, weil die Forstverwaltung das Holz günstiger absetzen wollte, und schließlich ging 1770 die Hütte ein. Die dazugehörige Siedlung bestand zunächst immer noch aus nur 3 Glasmacherhäusern. Ihre Bewohner betrieben im 19. Jh. vornehmlich Porzellanmalerei im Hausgewerbe. Der Ort erhielt 1858 einen Lehrer und 1863 eine Schule. Gegenwärtig besuchen die Schulpflichtigen den Unterricht in Steinheid. Friedrichshöhe ist heute die kleinste Gemeinde zwischen Rennsteig und Sonneberg. Als Folge seiner Entlegenheit ging die Einwohnerzahl von 1950 bis 1970 auf die Hälfte zurück, und bei der Volkszählung 1971 waren 24 der 51 Bewohner im Rentenalter. Die meisten Berufstätigen fahren täglich zur Arbeit in die Nachbarorte. Das Erholungswesen gewann in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. So kamen zu der Gaststätte und den meist einstöckigen schieferbeschlagenen Häusern, die sich längs der DorfStraße erstrecken, zahlreiche verstreut liegende Bungalows hinzu. Nördlich des Ortes grenzt die Rodungslichtung an junge, 1 bis 3 m hohe Fichtenbestände, die durch natürliche Verjüngung entstanden sind. Hier und zwischen Siegmundsburg und Friedrichshöhe finden wir zahlreiche Arten des natürlichen Bergfichtenwaldes: Wolliges Reitgras (Calamagrostis villosa) in Massenbeständen, weiterhin Rippenfarn (Blechnum spicant), Berglappenfarn (Lastrea limbospertna), Siebenstern (Trientalis europaea), Harzlabkraut (Galium harcynicum), Sparrige Binse (Juncus squarrosus) und als Seltenheit Gebirgsfrauenfarn (Athyrium distentifolium). Der gesamte Wald stockt mit Ausnahme von einigen Naßstellen auf Podsolboden. In ihren oberen, gebleichten Horizonten sind die Bestandteile des TonHumus-Komplexes und die Eisenverbindungen ausgewaschen. Im darunter liegenden rostig braunen Bodenhorizont reicherten sich diese Teilchen an und verfestigten ihn. Unmittelbar an die Häuser des Dorfes schließen sich feuchte Wiesen an. Am Beginn der benachbarten großen Quellmulde liegt ein entwässertes und kultiviertes kleines Wiesenmoor. Im weiteren Verlauf geht die Hohlform nach S schließlich in den landschaftlich schönen Pechgrund über. In der näheren und weiteren Umgebung von Friedrichshöhe befinden sich mehrere kleine Hochmoore (s. A 4), die durch die hohen Niederschläge in den Kammlagen auf wasserundurchlässigen Verwitterungsdecken entstanden sind. Hier wurde im 19. Jh. zeitweise Torf gestochen. Diese ebenfalls entwässerten Moore beherbergen noch einige seltene Pflanzen dieser Vegetationsgemeinschaft, so Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum), Moosbeere (Vaccinium oxycoccus) und Rauschbeere (Vacciniutn uliginosum).

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Dreistromstein (Bild 18) Die leicht gewellte, fast ebene Schiefergebirgshochfläche zwischen Siegmundsburg und Friedrichshöhe enthält einen bemerkenswerten hydrographischen Knotenpunkt. Hier grenzen die Einzugsgebiete von Elbe, Weser und Rhein aneinander. Nach N fließt der Rambach zur Schwarza (Saale, Elbe), nach SW die Saar zur Werra (Weser) und nach S die Grümpen hin zur Itz (Main, Rhein). Am Treffpunkt der drei Stromgebiete wurde 1906 auf dem Rennsteig in 817 m Höhe der Dreistromstein gesetzt. Die nächstgelegenen Stellen gleichen Ranges in Mittel-

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europa befinden sich im Fichtelgebirge (Elbe, Rhein, Donau) und im Jes6nik, A 3 ÖSSR (Elbe, Oder, Donau). Am Dreistromstein laden eine Schutzhütte und Holzbänke den Rennsteigwanderer zum Verweilen ein. Im umgebenden Fichtenwald wechseln Dickungen mit schwachen, teilweise stärkeren Stangenhölzern einander ab. Diese Reinbestände weisen einzelne Ebereschen als typische Begleiter im rauhen Klimabereich auf. An lichten Stellen wachsen neben dem Wolligen Reitgras (Calamagrostis villosa) das Harzlabkraut (Galium harcynicum), die Heidelbeere (Vaccinium myrlillus) und der gelbblühende Wiesenwachtelweizen (Melampyrum pratense). Hochmoor Saar

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Am Rennsteig bei Siegmundsburg befindet sich südöstlich des Dreistromsteins das kleipe Hochmoor Saar (Namenerklärung s. E 2). Es hebt sich wie auch die benachbarten Moore der Kammregion recht gut von der Umgebung ab, allein schon durch die früher fast überall angelegten Entwässerungsgräben. Die Entstehung der Hochmoore erklärt sich aus der ebenen Lage der Kammregion, der Wasserundurchlässigkeit der quarzitischen Tonschiefer, den hohen Niederschlägen (um 1200 mm) und den niedrigen Lufttemperaturen. Die besonders nassen Stellen aller Moore treten durch Binsen (Juncus)- und Seggen(Carex)arten hervor; zum Teil leuchten weithin die Watteköpfe des Wollgrases (Eriophorutn spec.), deren Fasern man in Kriegs- und Notzeiten vergeblich zu spinnen versuchte. Zu diesen Bodenpflanzen gesellt sich das Torfmoos (Sphagnum spec.), das man häufig auf den mit Fichtenwald bestockten Moorflächen findet, zusammen mit Waldschachtelhalm (Equisetum sylvaticum), Moorbürstenmoos (Polytrichum commune), Großem Wurmmoos (Plagiothecium undulatutn), Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium), dem für Hoch- und Kammlagen allgemein typischen Wolligen Reitgras (Calamagrostis villosa) und dem Siebenstern (Trientalis europaea). Vor der Entwässerung des Hochmoors wuchsen inmitten der Torfmoospolster zahlreich die Zwergsträucher Rosmarinheide (Andromeda polifolia) und Gemeine Moosbeere (Oxycoccus palustris) sowie Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), die leicht mit der Heidelbeere zu verwechseln ist. Die ausgesprochenen Moorpflanzen sind heute nur noch vereinzelt anzutreffen. Die ziemlich locker stehende, tief beastete Fichte von nur mäßigem Wuchs hat als wichtigste Baumart vom Rande her das Moor besiedelt. Der Vegetationskundler zählt diese natürliche Waldgesellschaft zum hochmontanen Bergfichtenwald, der in unserem Raum die höchsten Erhebungen des Schiefergebirgsteils und hier wiederum die besonders nährstoffarmen oder auch feuchten bis nassen, moorigen Böden bestockt. An ihrer Oberfläche kann man stellenweise die schwarze Färbung der ziemlich starken organischen TorfSchicht erkennen. Siegmundsburg, Kreis Neuhaus am Rennweg,

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zieht sich zwischen 780 m und 815 m Höhe an der Fernverkehrsstraße 281 Eisfeld—Neuhaus als Zeilensiedlung mehr als 2 km hin. Es erstreckt sich in einer Quellmulde zwischen dem Hiftenberg und dem Hochmoor Saar über eine zur oberen

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Grümpen abfallende Matte. Seine meist ein- oder zweistöckigen schieferbestlilagenen Häuser sind weithin sichtbar. Siegmundsburg entstand im 18. Jh. aus 3 kleinen Siedlungen. Zuerst war vom Rauensteiner Gerichtsherrn H A N S S I E G M U N D V O N S C H A U M B E R G am 3. Mai 1728 die Glashütte des Glasmeisters J O H A N N M I C H A E L G U N D E L A C H aus Allzunah bei Schleusingen konzessioniert worden. Diese Glasfabrik hieß zunächst Gundelachshütte, bald setzte sich aber der Name Siegmundsburg durch. E s wurden vorwiegend Trink- und Laborgläser für Olitätenmacher ( = Hersteller volkstümlicher Heilmittel pflanzlicher Herkunft) sowie Ochsenaugen ( = Butzenscheiben) hergestellt. Als aber das nahe gelegene Holz geschlagen und der Preis für Glas gefallen war, stellte die Hütte ihren Betrieb ein. 1772 kaufte die meiningische Landesherrschaft die Gebäude und richtete ein Forsthaus ein. Diese Forstei Siegmundsburg ging 1894 in der Oberförsterei Theuern auf. Weiter östlich wurde 1737 die kleine Siedlung Hiftenberg angelegt, und auf dem Boden des Amtes Sonneberg entstanden die nahen Saarhäuser. Siegmundsburg setzte sich 1781 aus 2 Häusern und 1 Mühle, Hiftenberg aus 3 Häusern zusammen, dazu kamen die 3 Saarhäuser. Bis 1811 vergrößerte sich die Häuserzahl auf 18, angeregt durch die eingeführte Glasperlenbläserei und die nahe Porzellanfabrik Limbach (s. B 7). Im 19. Jh. wuchsen die 3 Siedlungen zu einem Straßendorf zusammen, das 1853 schon 46 Wohnhäuser zählte. Siegmundsburg erhielt 1830 eine Schule. D a der Feldbau aufgrund der Höhenlage sowie der hohen Niederschläge nur geringe Erträge erbrachte, auch die Viehzucht aus Mangel an Wiesen bescheiden blieb, mußten sich die Bewohner als Tagelöhner, Holzfäller, Porzellanmaler und Glasperlenmacher in den Fabriken in Limbach und Alsbach (s. B 5) verdingen. Auch heute arbeitet nur etwa jeder vierte Siegmundsburger Berufstätige im Ort, der größte Teil davon in einem Zweigwerk des V E B Baumschmuck Steinheid. Die Mehrzahl der Auspendler fährt täglich nach der Kreisstadt Neuhaus, vor allem in das Röhrenwerk Anna Seghers. Bereits 1934 kamen wegen des günstigen Skigeländes die ersten Feriengäste nach Siegmundsburg. Seit 1945 vermittelt der F D G B Feriendienst Urlauber dorthin. Heute suchen etwa 1500 Werktätige pro Jahr Erholung in der Gebirgsgemeinde am Rennsteig. Das Waldgebiet um Siegmundsburg gehörte im Mittelalter zunächst zum Reichswald, den die Herren von Schaumberg zu Lehen trugen. E r reichte hier ursprünglich bis zum Gebirgskamm; doch gelang es vor 1362 noch den Hennebergern oder erst später den Wettinern, in diesen durch Goldbergbau (s. B 8) wichtigen Bergen einen schmalen Saum nördlich von Siegmundsburg zu gewinnen, der später zum A m t Sonneberg zählte, und damit die schaumburgischen Wälder von den schwarzburgischen Wäldern zu trennen. Auf schaumburgischem Gebiet lag am nahen Hiftenberg (s. A 6) ein Wetzsteinbruch. In der Umgebung von Siegmundsburg befinden sich zahlreiche Bergwiesen, die man zur Gewinnung von Winterfutter und als Weideland für die Aufzucht von Jungrindern nutzt. Auf ihnen gedeihen charakteristische montane Arten : Bärwurz (Meum athamanticum), Goldhafer (Trisetum flavescens). Niedriges Rispengras (Poa supina), Borstgras (Nardus stricto), Waldläusekraut (Pedicularis sylvatica), Arnika (Arnica montana) sowie einige Orchideen, die allerdings in den letzten Jahren durch den Weidebetrieb sehr selten geworden sind, so Breitblättriges 46

Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata), Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Weißzunge (Pseudorchis albida).

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Hiftenberg

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Der Hiftenberg südöstlich von Siegmundsburg fällt von der Hochfläche der Kamraregion zum Neumannsgrund (Talsohle' 640 m) ab. Umfangreiche Halden an seiner Flanke weisen auf früheren Bergbau hin. Der Bruch, der vorzüglichen Wetzschiefer lieferte, gilt als der älteste im gesamten Sonneberger Gebiet und war bereits Ende des 14. Jh. in Betrieb. I m 19. Jh. kam der A b b a u zum Erliegen. Der ehemalige Stolleneingang ist heute wegen Einsturzgefahr verschlossen. Das Gestein setzt sich aus Wechsellagen von Tonschiefern und quarzitischen Schiefern zusammen, die den Phycodenschiefern zugeordnet werden. Feinkörnige Schichten wechseln mit quarzreichen, gröberkörnigen. Die Qualität und der Preis der Wetzsteine hingen v o m Grad der Feinkörnigkeit ab.

Naturschutzgebiet Löschleite

B 1

A m steilen Südhang des 801 m hohen Löschleitenberges, der zum T a l der Schwarza abfällt, erstreckt sich nördlich von Scheibe-Alsbach das 26 ha große Naturschutzgebiet Löschleite in 660 m bis 800 m ü. NN. Seine natürlichen Waldgesellschaften dienen langfristigen Untersuchungen und der Erprobung von Maßnahmen zur Erhaltung und Regenerierung der Tanne an ihrer nördlichen natürlichen Verbreitungsgrenze. An der Löschleite finden wir typischen naturnahen herzynischen TannenFichten-Buchen-Wald, in dem aber viele Tannen in den zurückliegenden Jahren verdorrt sind. Die Bodenvegetation enthält Waldschwingel (Festuca altissima), Waldreitgras (Calamagrostis arundinacea), Buchenfarn (Phegopteris connectilis), Schmalblättrige Hainsimse (Luzula luzuloides) sowie Waldgeißbart (Aruncus sylvestris), Verschiedenblättrige Kratzdistel (Cirsium heleneoides), Roten Hasenlattich (Prenanthes purpurea), Roten Fingerhut (Digitalis purpurea) und Zwiebelzahnwurz (Dentaria bulbiferä). In einer etwas trockenen Ausbildung der Waldgesellschaft tritt gehäuft die Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa) auf, während an quelligen und sickerfeuchten Stellen des unteren Mittelhanges eine reiche und frische Ausbildung mit Waldflattergras (Milium effusum), Waldsegge (Carex sylvatica), Haingilbweiderich (Lysimachia nemorum), Einblütigem Perlgras (Melica uniflora), Goldnessel (Galeobdolon luteum), Waldfrauenfarn (Athyrium filix-femina) und Waldschaümkraut (Cardamine flexuosa) zu verzeichnen ist. A n der Löschleite wie auch in den umliegenden Wäldern treffen wir als charakteristische Vertreter der Kleinsäugerfauna der Nadelwälder die Gelbhalsmaus, die Rötelmaus sowie die Waldspitzmaus. Als weiterer sehr heimlicher Vertreter aus der Gruppe der Nagetiere sei der Gartenschläfer genannt. Auf Waldwegen und in kleinen Bodenvertiefungen, die wie Fallgruben wirken, begegnen wir den großen flugunfähigen Laufkäfern aus der Gattung Carabus : dem Goldglänzenden Laufkäfer (C. auronitens), Blauen Laufkäfer (C. intricatus), Bergwald-Laufkäfer

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B 1

(C. sylvestris) und der Goldleiste (C. violaceus). Ferner leben hier zahlreiche Vertreter mittelgroßer und kleiner Arten der Gattungen Schaufelläufer (Cychrus), Grabkäfer (Pterostichus), Schnelläufer (Harpalus) und Eilkäfer (Notiophilus).

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Schwarza und -stausee Die Schwarza entspringt in 717 m Höhe etwa 250 m nordwestlich des Rennsteigs an der Nordabdachufag des Sandwieschensattels. Die 1855 eingefaßte Quelle liegt, umrahmt von einigen Rotbuchen, versteckt in dichtem Fichtenwald. Ihr Wasser mit einer konstanten Temperatur von 6,1 °C steigt an einer Bruchspalte zwischen Silurschiefer und Buntsandstein aus solcher großen Tiefe empor, daß der jahreszeitliche Temperaturwechsel an der Erdoberfläche keinen Einfluß mehr hat. Deshalb wurde die Quelle als bemerkenswerte Spaltenquelle zum Naturdenkmal erklärt. Das Quellgebiet der Schwarza ist Teil eines Kessels innerhalb der Hochfläche von Steinheid-Scheibe, der sich nach Scheibe hin öffnet. Er verdankt seine Entstehung dem Zechstein- und Buntsandsteinvorkommen, welches leichter als die Schichten des Ordoviziums verwittert. Die tonigen Letten des Zechsteins bilden einen ausgeprägten Quellhorizont, so daß in diesem Kessel früher ein Flößteich angelegt wurde. An seine Stelle trat in den Jahren 1937 bis 1942 ein Stausee in 666 m Höhe mit einem Zuflußgebiet von 3,24 km2. Er diente der Niedrigwasseraufhöhung, dem Hochwasserschutz sowie der Fischzucht und kann auf einer Fläche von 23 ha bis 1,8 Millionen m® Wasser aufnehmen. Er soll künftig ausschließlich Trinkwasser liefern. Die maximale Seetiefe beträgt 25 m. Der Staudamm besteht aus einer gestampften Erdaufschüttung mit einem Kern aus Zechsteintonen. Auf der Seeseite ist er mit einem Steinpflaster, auf der Außenseite mit einer Grasnarbe versehen, wo im Frühsommer in großer Zahl Trollblumen (Trollius europaeus) blühen (unter Naturschutz). An der westlichen Seite des Staudamms tritt Quarzit der Frauenbach-Serie mit einem mächtigen Quarzgang zutage. In der Nähe des Stausees haben sich auf der Restscholle des Zechsteins und Buntsandsteins einige kalkliebende Pflanzen eingefunden, die in den höheren Lagen des übrigen Schiefergebirges fehlen : Einblütiges Perlgras (Melicauniflora), Sanikel (Sanicula europaea), Waldmeister (Galium odoratum), Lungenkraut (Pulmonaria officinalis ssp. obscura), Waldvergißmeinnicht (Myosotis sylvatica). Hinzu kommen die seltenen Farne: Dorniger Schildfarn (Polystichum aculeatum), Lanzenschildfarn (Polystichum lonchitis) und Grünstieliger Streifenfarn (Asplenium viride). Von Scheibe an schuf sich die Schwarza ein Kerbsohlental, das aber weniger eng und steilhängig als die Gründe südlich des Gebirgskammes ist. Der Fluß mündet nach einer Lauflänge von 53 km bei Rudolstadt-Schwarza in die Saale. Sein Name bedeutet schwarzer, dunkler Fluß {Schwarz-Ache) im Unterschied zi^ der nahe gelegenen Lichte (Licht-Ache).

B 3

Habichtsbach Der Habichtsbach ist einer der Quelläste der Schwarza und mündet in den Stausee (s. B 2). Er gab einer kleinen Ansiedlung den Namen, die nicht mehr existiert. Am 10. November 1736 erhielten die Glasmeister G E O R G H E I N R I C H G R E I N E R und 48

H A N S M I C H A E L H E I N Z sowie der Glasmaler H A N S N I K O L G R E I N E R , alle aus Schma- B 3 lenbuche bei Neuhaus am Rennweg, die Genehmigung, am Habichtsbach zwischen Rollkopf und Habichtsberg eine Hütte zur Herstellung feiner Glassorten zu errichten. Um den Standort dieses Werkes hatte es schon vorher Auseinandersetzungen gegeben, weil die bereits bestehenden Glashütten Schmalenbuche und Alsbach (s. B 5) eine übermäßige Nutzung der dortigen Wälder befürchteten. Die neue Hütte war seit dem Frühjahr 1737 in Betrieb; ihre Besitzer hatten schon bald um ausreichende Holzzuteilungen zu kämpfen. Wegen oftmaliger starker Verschuldung der in den einzelnen Anteilen rasch wechselnden Eigentümer mußte die Hütte zeitweise schließen. In ihrer Nähe entstand ein großes Wohnhaus. Einen letzten Aufschwung erlebte das Unternehmen, als 1806 die Spiegelglasfabrik in Köppelsdorf (s. N 8) Anteile erwarb und hier Spiegelglas herstellen ließ. Seit 1815 ruht der Betrieb ganz, 1838 erfolgte der Abriß der Baulichkeiten, und die Bewohner siedelten nach Scheibe über.

Forstort Glücksthal

B 4

Am 23. November 1736 erhielten die Glasmeister S T E P H A N G R E I N E R und J O H A N N G R E I N E R aus Lauscha die Erlaubnis, in dem vom Borkenkäfer befallenen Waldgebiet zwischen dem Mittelberg und dem Rollkopf im Steinheider Forst eine Glashütte anzulegen und das gefährdete Holz als Brennmaterial zu nutzen. In der Quellmulde eines Nebenbaches der Steinach errichteten sie in 791 m Höhe eine Manufaktur, daneben ihre Wohnhäuser. Das erste Glas stellten Arbeiter, die in Lauscha wohnten, am 13. August 1738 her. Die Hütte entwickelte sich zu einem beachtlichen Unternehmen für besonders hartes und reines Glas. Noch 1781 wurden 24 Arbeiter beschäftigt und Waren jährlich im Wert von 10000 Talern zur Ausfuhr nach Holland, Rußland, Spanien, Portugal und in die Türkei produziert. Zur Glashütte gehörte im 18. Jh. eine Schneidemühle am Wächtersteich im benachbarten Thüringer Gründlein, benannt nach dem früheren Besitzer M I C H A E L W Ä C H T E R . Seit 1768 hatte die Hütte mit Holzmangel zu kämpfen, da auch hier die Forstverwaltung um den Wald fürchtete. Doch erst 1838 mußte sie hauptsächlich aus diesem Grund den Fabrikationsbetrieb einstellen. Der letzte Besitzer, T R A U G O T T G R E I N E R , betrieb seit 1829 die nahe gelegene Tafelglashütte Bernhardsthal, die heutige • Rennsteigbaude. Glücksthal wurde schließlich 1856 von Greiners Erben an den Staat verkauft, der 1860 die Glashütte und die Häuser niederreißen ließ. Das Herrenhaus Glücksthal wurde damals in Wallendorf zwischen Neuhaus am Rennweg und Schmiedefeld wieder aufgebaut. Vom ehemaligen Glücksthal ist außer einigen Kellerresten nur noch der im nahen Wald gelegene Friedhof der Hüttenbesitzerfamilie zu sehen. Scheibe-Alsbach, Kreis Neuhaus am Rennweg

B 5

Scheibe und Alsbach waren zu Beginn des 20. Jh. baulich so eng zusammengewachsen, daß sie sich 1924 zu einer Gemeinde vereinigten. Die niedrigen Schieferhäuser des Doppelortes liegen in einer Höhe zwischen 600 und 730 m. Bis 1951 gehörte Scheibe-Alsbach zum Kreis Rudolstadt. Nördlich des Rennsteigs treten die Berge im Quellbereich der Schwarza (s. B 2)

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und ihrer obersten Nebenbäche zurück. Die Geländeform der weiten Quellmulde gab vermutlich diesem Gebiet den Namen Scheibe: 1378 aus der Sthyben (wohl: Schyben), 1599/1600 in der Scheibe, von mittelhochdeutsch schibe. A m Nordhang des Oberen Alsbachberges im obersten Teil des Schwarzatals entstand wohl schon am Ende des 16. Jh. im Cursdorfer Forst des Amtes Schwarzburg ein Eisenhammer, auch Scheibenhammer oder Scheubenhammer genannt. Er trat erst 1737 deutlicher hervor und wurde bis in das erste Drittel des 19. Jh. betrieben. Die 1675 errichtete Forstei Neuhaus am Rennweg verwaltete die Wälder des Amtes Schwarzburg im Kammgebiet des Thüringer Waldes. Sie wurde infolge der wachsenden Bedeutung der Wälder im 18. Jh. in zwei Teile gegliedert. Damals entstand 1712 die Forstei Scheibe, die seit 1921 als Thüringisches Forstamt fortgeführt wurde. U m den Eisenhammer und die Forstei bildete sich im 18. und 19. Jh. eine Siedlung (1713 : Scheube, 1726 : Scheibe), deren Bewohner sich ihren Unterhalt im Wald oder in der Porzellanfabrik Limbach verdienten. Ein Gemeindevorsteher (Schulze) wurde 1796 eingesetzt. 1838 zog in den ehemaligen Hammer eine Porzellanfabrik, die am Ende des 19. Jh. 170 Arbeiter im Betrieb und 340 Heimarbeiter beschäftigte. Die Siedlung erhielt 1780 einen Präzeptor (Lehrer), 1821 eine eigene Schule und endlich 1856 eine ordentliche Lehrerstelle. Das Schwarzatal gehörte mit Scheibe und Alsbach zum Herrschaftsbereich der Grafen von Schwarzburg. Diese besaßen das Gebiet im Thüringer Wald mit der Burg Schwarzburg als Mittelpunkt seit dem Hochmittelalter als Reichslehen. Damit gestaltete sich die Territorialgeschichte des Schwarzatalbereiches anders als die des Sonneberger Landes (Abb. 3). Bei Herrschaftsteilungen fiel das A m t Schwarzburg 1599 an die Grafen, seit 1711 Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt. Das Fürstentum wurde 1918 Freistaat und vereinigte sich 1920 mit den anderen thüringischen Staaten zum Land Thüringen. A l s b a c h zieht sich von Scheibe bis fast zum Limbacher Sattel am Rennsteig hinauf. A m 8. August 1711 erhielt H A N S N I K O L G R E I N E R aus Schmalenbuche bei Neuhaus am Rennweg vom Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt die Genehmigung, am Osthang des Oberen Alsbachberges eine Glashütte zu errichten. Den Namen der Ansiedlung entlehnte man der Bachbezeichnung. 1722 erwarb der Glasmeister J O H A N N G E O R G G R E I N E R aus Stützerbach die Hütte für seine Söhne. Nach der Erbauung eines Doppelwohnhauses betrieben seit 1726 die Brüder J O H A N N M A R T I N und J O H A N N G O T T L I E B G R E I N E R die Glashütte mit Erfolg, während der dritte Mitbesitzer J O H A N N G O T T F R I E D G R E I N E R vornehmlich die Glashütte Limbach leitete. Im 18. und 19. Jh. blieb die Glashütte Alsbach im Familienbesitz, wobei auch die Verwandten in Limbach und Rauenstein Anteile erwarben. Die Hütte ging 1805 zur Tafelglasherstellung über und bildete den Ausgangspunkt des eigentlichen Ortes. In Scheibe erhebt sich die 1861 erbaute neugotische Kirche, deren Langhaus von einer korbbogigen Holzdecke überspannt wird. Von hier erreicht man durch eine spitzbogige Maueröffnung die dreiseitig gebrochene, gewölbte Apsis. Der schmale Westturm ist mit Zeltdach und achtseitigem Helm und Aufsatz geschlossen. Auf dem Friedhof erinnert eine Gedenkstätte an den Kommunisten P A U L G E B H A R D T , der im April 1945 von Angehörigen der faschistischen SS erschossen wurde, als er gemeinsam mit anderen Bürgern die Zerstörung seines Heimatortes durch alliierte Truppen zu verhindern suchte.

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In dem schieferverkleideten zweigeschossigen Fachwerkhaus Hauptstraße 3 in B 5 Alsbach wurde am 22. Februar 1732 G O T T H E L F G R E I N E R , der Begründer der Thüringer Porzellanherstellung (s. B 7), geboren. Das Gebäude — obwohl Anfang des 19. Jh. baulich verändert — dürfte in seiner Grundgestaltung mit Mittelflur im Erdgeschoß und sparsam stuckierten Decken im Obergeschoß aus dem ersten Drittel des 18. J h . stammen. Die 1857 errichtete Massemühle mit Wasserrad ist eines der zahlreichen technischen Denkmale dieser Region. E t w a die Hälfte der in Scheibe-Alsbach wohnenden Berufstätigen arbeitet gegenwärtig vor allem in der örtlichen Porzellanfabrik, die übrigen fahren zur Arbeit nach auswärts, meist in die Kreisstadt. Bereits um 1 9 1 2 setzte in Scheibe und Alsbach der Fremdenverkehr ein. Gutes Skigelände in Ortsnähe, die dichten Wälder sowie die fischreiche Schwarza zogen viele Erholungsuchende an. Der Schwarzastausee (s. B 2) und ein Schwimmbad in Scheibe bereichern die Umgebung der Doppelgemeinde um weitere Anziehungspunkte. In den letzten Jahren entstanden Ferienheime und eine Vielzahl von Bungalows. Ein beliebtes Wanderziel ist der nördlich von Scheibe gelegene Wurzelberg, der im Großen Farmdenkopf 867 m Höhe erreicht. Hier dehnt sich eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete des Thüringer Schiefergebirges aus. Seit 1978 entsteht im Schwarzatal zwischen Scheibe und Goldisthai eine Talsperre für ein Pumpspeicherwerk. Sie wird dem Urlaubsverkehr des Rennsteiggebietes bei Scheibe-Alsbach weiteren Auftrieb geben. Sandberg

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Der Sandberg erstreckt sich nordöstlich von Steinheid auf eine Länge von etwa 1 km von SW nach NO. Seine Sandsteinvorkommen haben von jeher das Erstaunen der geologisch interessierten Besucher durch ihr unerwartetes Vorkommen auf dem Gebirgskamm, unmittelbar am Rennsteig erweckt. G O E T H E , der am 17. Mai 1782 den Bruch besuchte, fand keine Erklärung, ebensowenig wie sein Berater, der Bergrat V O I G T im Jahre 1787. Erst H O F F und J A C O B S stellten 1812 fest: „Man muß sich durch alle Kennzeichen berechtigt glauben, diesen Berg dem jüngern oder bunten Flözsandstein (gemeint ist der Buntsandstein) beizuzählen." Nach heutigen gesicherten Kenntnissen war eine Scholle (Abb. 1 1 ) der im Buntsandstein und Zechstein vom Thüringer Becken bis Südthüringen zusammenhängend abgelagerten Schichten an der herzynischen Verwerfung in den ordovizischen Schiefern und Quarziten eingeklemmt und blieb erhalten, als nach der Emporhebung des Gebirges die übrigen Buntsandstein- und Zechsteinschichten abgetragen wurden. So sind die Vorkommen am Sandberg ein wichtiges Zeugnis zur Entschlüsselung der Geologie Thüringens und ein vielfach aufgesuchtes Ziel geologischer Exkursionen. An der Straße Steinheid —Neuhaus befindet sich ein großer Quarzitbruch. Der benachbarte Bruch erschließt kaolinreichen Sandstein des Mittleren Buntsandsteins unterschiedlicher Färbung mit Kreuz- und Diagonalschichtung, Netzleisten und Quarzgeröllen. In Richtung zur Schwarzaquelle folgen Unterer Buntsandstein sowie Letten und Dolomit des Mittleren und Oberen Zechsteins. Wo der Buntsandstein direkt dem Quarzit auflagert, ist ein deutliches Basalkonglomerat ausgebildet mit bis zu 3 cm großen Quarzbruchstücken. Die Sandsteinvorkommen wurden wirtschaftlich bedeutungsvoll für die Glas- und 51

B 6 Porzellanindustrie im Thüringer Wald, nachdem GOTTHELF GREINER (s. B 7) das Porzellan nacherfunden hatte. Der Kaolinanteil des Gesteins beträgt 26% (RICHTER 1 8 5 1 ) .

Die Podsole auf dem Sandstein und der nordwestlich angrenzende Steinschutt auf dem Quarzit sind die produktionsschwächsten Böden zwischen Rennsteig und Sonneberg. Hier legten die Forstleute einen Mischbestand aus verschiedenen Kiefernarten, aus Fichte und Lärche an, der, da er hier nicht bodenständig ist, nur langsam emporwächst. Hauptsächlich handelt es sich um die Latsche oder Krumm-

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älteres Paläozoikum

Abb. 11. Entstehung der Restscholle am Sandberg (Entwurf F. GRIMM) holzkiefer, deren natürliches Verbreitungsgebiet in den Bayrischen Alpen um 1600 m ü. NN liegt. Weitere Kiefernarten am Sandberg sind die Weymouthskiefer und die Bankskiefer. Außer durch Schnee, Wind und Wild erleiden diese Bäume auch durch Waldfrevler Schaden. Am Sandwieschen, wo der Rennsteig die Fernverkehrsstraße 281 berührt, steht gegenüber der Schutzhütte ein Stein mit der Bezeichnung Harzwald. Auf der Rückseite trägt er die Jahreszahl 1805. Dieser Stein weist auf das Harzscharren an den Fichten hin. In den zurückliegenden Jahrhunderten schädigten die Scharrer einerseits die Fichte direkt durch unsachgemäße und übertriebene Handhabung des Kratzens, zum anderen vernichteten sie aber auch die sie nicht interessierenden Jungwüchse anderer Holzarten wie Rotbuche und Tanne. Überlieferte Forstortnamen und Bezeichnungen im südöstlichen Thüringer Wald wie Pechhütte, Pechhaus, Pechgraben und Pechleite erinnern an die zahlreichen Standorte ehemaliger Harzgewinnung und -Verarbeitung. B 7

Limbach, Ortsteil von Steinheid, liegt mit seinen wenigen Häusern in der 736 m hohen Einsattelung westlich des Petersberges, wo die Fernverkehrsstraße 281 Eisfeld—Neuhaus die Straße vom Schwarzatal zum Neumannsgrund kreuzt. Am 28. September 1731 räumte die 52

Herzogliche Kammer zu Coburg dem Siegmundsburger Glasmeister J O H A N N M I C H A E L G U N D E L A C H und seinen Alsbacher Schwägern, den Brüdern J O H A N N M A R T I N , J O H A N N G O T T L I E B und J O H A N N G O T T F R I E D G R E I N E R das Recht ein, „unweit der Saars" im Steinheider Forst eine Glashütte und 10 Wohnhäuser zu errichten, um Tisch- und Weingläser herzustellen. Die auf dem Sattel zwischen Grümpen und Schwarza an dem alten W e g von Eisfeld nach Saalfeld erbaute Glashütte erhielt nach dem dortigen Waldstück Linkbach (1651) den Namen Limbach. Seine Deutung ist unsicher, die Bezeichnung läßt sich am ehesten mit Linde in Verbindung bringen.

Abb. 12. Ehemalige Porzellanfabrik in Limbach (aus

STIEDA

1902)

J O H A N N G O T T F R I E D G R E I N E R , der die neue Hütte hauptsächlich betrieb, hatte wenig Glück. Erst als sein Sohn G O T T H E L F (1732—1797, s. B 5) um 1755 die Glashütte übernahm und Anteile seiner Verwandten aufkaufte, ging es aufwärts. G O T T H E L F G R E I N E R erwies sich als Geschäftsmann, der die heraufziehende kapitalistische Wirtschaftsweise zu nutzen verstand. Bei den unstabilen Währungen in der zweiten Hälfte des 18. Jh. verkaufte er seine begehrte Ware gegen gute Geldsorten und entlohnte seine Arbeiter nach Umwechslung in abgewertetem Kleingeld, den Gewinn investierte er. Seit etwa 1757 begann er mit seinem Alsbacher Vetter J O H A N N G O T T F R I E D G R E I N E R und später mit dem Coburger Töpfermeister J. G. D Ü M M L E R an der Entwicklung von Porzellan zu arbeiten, dessen Herstellung

ihm

schließlich

unabhängig

von

der

BöTTGERschen

Erfindung

gelang.

Vom

Meininger Herzog erhielt er 1761 das Privileg für eine Porzellanfabrik (Abb. 12), jedoch gelang es ihm nicht, seinen noch verbliebenen Mitinhaber der Glashütte Limbach zur Übertragung der ohnehin beschränkten Holzkonzession der H ü t t e auf die neuzuerrichtende Fabrik zu bewegen. E r wandelte zwar eine schon 1736 von der Glashütte im Adruffgraben unterhalb Limbach erbaute Schneidemühle 5

Sonneberg

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B 7

B ?

in eine Glasurmühle um, beteiligte sich d a n n aber 1764 a n der P o r z e l l a n f a b r i k im sachsen-saalfeldischen W a l l e n d o r f , worauf i h m die Meininger R e g i e r u n g die N u t z u n g der Glasurmühle untersagte. N a c h E r w e r b der letzten Anteile an der G l a s h ü t t e L i m b a c h k o n n t e GREINER endlich 1772 ein günstiges Privileg erwirken, das ihn unter Ü b e r t r a g u n g der Holzkonzession der G l a s h ü t t e berechtigte, in L i m b a c h eine P o r z e l l a n f a b r i k zu errichten und die Glasurmühle wieder in B e t r i e b zu nehmen. In der neuen F a b r i k w u r d e a m 10. N o v e m b e r 1772 der erste Porzellanbrand d u r c h g e f ü h r t . D a s W e r k b e s c h ä f t i g t e 1780 bereits 50 „erlernte F a b r i k a n t e n " a u ß e r den H a n d w e r k e r n , Holzfällern und Tagelöhnern, fertigte Tee- und K a f f e e g e s c h i r r an und setzte jährlich W a r e n im W e r t e v o n 20000 T a l e r n um. Die F i r m a wurde später in eine A k t i e n g e s e l l s c h a f t u m g e w a n d e l t . A m E n d e des 19. Jh. entstand d a n e b e n ein G a s w e r k . N a c h d e m die F a b r i k in der W e l t w i r t s c h a f t s k r i s e m i t großen Schwierigkeiten zu k ä m p f e n g e h a b t hatte, erfolgte E n d e 1939 ihre Stillegung. Die G e b ä u d e w u r d e n d a n n L a g e r und b r a n n t e n 1945 nach B e s c h u ß durch amerikanische T r u p p e n aus. In L i m b a c h liegt unmittelbar a m R e n n s t e i g und gegenüber der früheren Porzellanf a b r i k die sogenannte A l t e Post. D e r eingeschossige F a c h w e r k b a u besitzt ein K r ü p p e l w a l m d a c h m i t g r o ß e m V o r s p r u n g . A l s zusätzlicher W e t t e r s c h u t z dient die allseitige Verschieferung des Gebäudes. D a s T o n n e n g e w ö l b e des Kellers b e s t e h t aus Bruchsteinen. In diesem G e b ä u d e b e f a n d sich zeitweise die P o r z e l l a n m a n u f a k tur. D a r a u f w e i s t a u c h die a n der Giebelseite a n g e b r a c h t e Marke, ein dreiblättriges K l e e b l a t t m i t den Initialen G G S (Firmenzeichen Gotthelf Greiner und Söhne) und der Jahreszahl 1772, hin. In der N ä h e der A l t e n P o s t liegt i n m i t t e n v o n Wiesen a m F u ß des Petersberges die G r u f t der Familie Greiner, ein in Resten erhaltener spätklassizistischer B a u , der aber nicht die G r a b s t ä t t e des Porzellanerfinders enthält.

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Steinheid, K r e i s N e u h a u s a m R e n n w e g V o n der Fernverkehrsstraße 281 Saalfeld — N e u h a u s — E i s f e l d bietet sich ein ins t r u k t i v e r B l i c k auf Steinheid (Abb. 13) a m H a n g des Kieferle. D e r Ort, eines der t y p i s c h e n Industriedörfer des südöstlichen T h ü r i n g e r W a l d e s , zieht sich in e t w a 800 m ü. N N auf einem H o c h f l ä c h e n s p o r n als lange Zeile in A n p a s s u n g an das Hangrelief hin. W ä h r e n d das alte Dorf weiter westlich nach dem T a l der G r ü m pen zu auf d e m F l u r s t ü c k A l t s t a d t gelegen haben soll, stellt der g r ö ß t e Teil des heutigen Steinheids ein bebautes Straßenviereck m i t d e m M a r k t in der M i t t e dar. H ä u s e r m i t Schieferdächern und -Verkleidung prägen das Ortsbild. Die Schiefer sind z u m Teil zu originellen Mustern oder w e i ß bzw. grau a b g e s e t z t e n Zierleisten an F e n s t e r n und T ü r e n zusammengesetzt. L e i d e r ersetzt allmählich Surrogatmaterial a u f g r u n d des i m m e r k n a p p e r werdenden Schiefers diesen äußerst wirksamen W e t t e r s c h u t z . Die Schieferbauweise g e w a n n v o r allem n a c h d e m letzten B r a n d v o n 1804 stark an B e d e u t u n g , als a n die Stelle der vorher schindelgedeckten H ä u s e r und der „ z u m Teil armseeligen H ü t t e n " (WALCH 1811) bfessere W o h n g e b ä u d e traten. Die bescheidene s p ä t b a r o c k e K i r c h e wurde 1789 b z w . 1835 erbaut. V o n ihrer V o r g ä n g e r i n , die B r ä n d e und Stürme wiederholt in Mitleidenschaft zogen oder zerstörten, blieben R e s t e a m W e s t p o r t a l und an der S ü d w e s t f r o n t erhalten : ein v e r w i t t e r t e s W a p p e n der B e r g s t a d t Steinheid, die Gesetzestafel und das sächsische W a p p e n .

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Steinheid verdankt seine Entstehung der Lage an einem wichtigen Gebirgsüber- B S gang und dem Bergbau. Abgebaut wurden die goldhaltigen Quarzgänge der Frauenbach-Serie um den Ort sowie in den Tälern der Grümpen (s. F 1 und 2) und Göritz. Wenn die Markgrafen von Meißen als Landesherren der Pflege Coburg bereits 1362 allen Interessenten bergmännische Rechte und Gewohnheiten für „unser gebirge und goltwerk zcu Steinheide, gelegen by Schowenberg" (Schaumberg, s. J 6 . 1 ) garantieren, so ist hier eher an einen Forstort mit Gruben als an eine Siedlung zu denken. Die Lagebezeichnung und die Zugehörigkeit des alten Steinheids zur Pfarrei Schalkau lassen es weiterhin als sicher erscheinen, daß das dortige Waldgebiet ursprünglich zur schaumbergischen Herrschaft gehört hatte, wegen des Goldvorkommens aber frühzeitig an die von O her vordringenden Henneberger oder Wettiner verlorengegangen war. Schon 1506 ist von Alten Gruben und Alten Schächten die Rede, und offenbar gehörte auch das sagenumwobene Wüste Adorf (Adruff) in einem schluchtartigen Tal zwischen Petersberg und Kieferle zu den Orten mit frühen Bergbaustollen. In der zweiten Hälfte des 15. Jh. setzte dann — vielleicht erneut — ein verstärkter Goldbergbau ein, von dem die ältesten Nachrichten von 1482 vorliegen. Bergleute aus Böhmen, Sachsen und Ungarn kamen ins Land. Nach dem Bau von festen Unterkünften wurde im Jahre 1506 die Siedlung Unser lieben Frauen Berg gegründet und Bergbau im Tal der Grümpen betrieben. 1507 entstand eine Kapelle ; 1528 wurde Steinheid zur Pfarrei für das Kammgebiet des Waldes und 1530 zur Freien Bergstadt erhoben, ohne aber das Stadtrecht wirklich ausgeübt und eine Stadtverfassung eingeführt zu haben. Das Wappen von Steinheid trägt, abgeleitet vom 1506 verliehenen Gemeindesiegel, die bildliche Darstellung der Jungfrau Maria. Darunter steht als Wahrzeichen der Freien Bergstadt ein Schild mit Schlägel und Eisen. Nach dem vorübergehenden Rückgang des Goldbergbaus bei Erschöpfung der oberen Quarzlager um 1509 blühte unter ungarischen Bergmeistern seit 1 5 2 5 das Montanwesen wieder auf. 1544 arbeitete man in Schächten und Stollen bis zu 300 m Tiefe mit Entwässerungsanlagen an der Schiffskuppe unmittelbar westlich von Steinheid. Obgleich zeitweise bis zu 50 Zechen betrieben wurden, entsprach die Ausbeute nicht den Erwartungen. Um Erfahrungen zu sammeln, holte man aus Crawinkel verbesserte Mühlsteine für die Mühlen heran, vermittelte der Erzbischof von Salzburg Besuche in Gastein und Rauris, auch wurde die Aufbereitung des Rheingoldes studiert. Die Auffahrung von Stollensystemen (Erb- und Fürstenstollen) im Tal der Grümpen ermöglichte einen verbesserten Abbau ; ungelöst aber blieb das Problem der Aufbereitung, ein weites Betätigungsfeld für Alchimisten. Mit viel Aufwand und Geld errichtete man in den Jahren 1564 und 1565 eine neue Schmelzhütte, die sich jedoch nach ihrer Fertigstellung als völliger Schwindel erwies und aufgrund der hohen finanziellen Belastung zu einer Einstellung des Bergbaus bis 1572 führte. 3 Jahre später setzte er an der Schiffskuppe wieder ein, wo bis 1577 insgesamt 2,6 kg Gold gewonnen wurden. In den folgenden Jahren grub man vor allem am Petersberg und Rittersberg. Die höchste Jahresausbeute erbrachte 1320 g Gold. Im Vergleich zu den aus Ubersee nach Europa kommenden Edelmetalleinfuhren war diese Menge aber so gering, daß der Bergbau 1590 aufgegeben wurde. Die Bedeutung Steinheids lag darin, daß es hier das einzige größere Goldbergwerk

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im damaligen Kurfürstentum Sachsen gab. Der Abbau war sehr extensiv, und die Ausbeute in der gesamten Hauptabbauzeit dürfte nur etwa 25 kg Gold betragen haben. Im Mittel überstieg der jährliche Ertrag nicht 0,5 kg. Der Goldgehalt schwankte zwischen 1 und 1 1 g/t Gestein und betrug im Durchschnitt 4,3 g/t. Versuche einer Wiederaufnahme des Bergbaus zwischen 1690 und 1698 scheiterten. Dafür verklärten bis ins 19. J h . die alten Sagen, die man sich in den winterlichen Lichtstuben des armen Gebirgsortes erzählte, den einstigen Erwerbszweig. Sie ließen eine Stadt entstehen, in der mehr als 1000 Bergleute wohnten und eine Münze Geld prägte, bis die Hussiten 1430 alles zerstörten. Ein letzter Bergbauversuch von 1822 bis 1824 führte zu einer Aufgewältigung der Stollen im Tal der Grümpen und teilweise zu neuem Vortrieb der Strecken, jedoch erzielte man nicht die erhofften Ergebnisse. Als der Montanbetrieb um 1600 zu Ende ging, fiel Steinheid wieder zum Dorf zurück, und seine Bewohner verarmten. Von überörtlicher Bedeutung verblieb lediglich der Sitz eines Försters (seit 1540) für die Wälder der Kammregion des Sonneberger Landes, von dessen Amtsbereich erst 1729 der Forst Lauscha und 1738 der Forst Igelshieb abgetrennt wurden. Da die Landwirtschaft auf der Gebirgshöhe nicht ertragreich sein könnte und nur die Viehzucht und später der Kartoffelanbau einigen Erfolg zeitigten, war der Marktort auf andere gewerbliche Tätigkeit angewiesen. Die Bewohner mußten bei kärglichem Lohn als Köhler, Pechsieder, Kienrußbrenner, Holzfäller, Schneidemüller und Fuhrleute arbeiten oder Holzschachteln herstellen. Später fand eine Anzahl von Familien Arbeit in der Porzellanfabrik Limbach (s. B 7). Das Sandsteinvorkommen am Sandberg (s. B 6) hatte für die Wirtschaft ebenfalls große Bedeutung. Seit 1800 breiteten sich die Perlenglasbläserei und die ihr folgende Christbaumschmuckindustrie, aber auch die Spielzeugherstellung im Hausgewerbe aus. Trotz des in Steinheid im 19. Jh. völlig dominierenden industriellen und hausgewerblichen Proletariats gelang es nach Ansätzen von 1877 der Arbeiterpartei erst verhältnismäßig spät, hier festen Fuß zu fassen. Aber zur Wahl 1893 gewann sie die Mehrheit der Stimmen der Bevölkerung, und bald danach besaß sie ein erdrückendes Übergewicht, das auch in der Zeit der Weltwirtschaftskrise erhalten blieb. Die Sozialstruktur zeigte 1939 einen Anteil von 58% Arbeitern, daneben zahlreiche selbständige Hausgewerbetreibende, deren wirtschaftliche Lage kaum besser als die der Arbeiter war. Erst nach 1945 wurden Kinderarbeit, Arbeitslosigkeit und Not aus den Häusern der Glasbläser verbannt. Heute bestimmt die Glasindustrie die Wirtschaftsstruktur Steinheids. Der V E B Baumschmuck, mit seinen nahezu 500 Beschäftigten — davon fast 200 Heimarbeitern — ist der größte Betrieb seiner Art in der D D R . Seine Erzeugnispalette umfaßt rund 2 500 verschiedene Artikel, neben Glaskugeln (Bild 24) auch Lametta, Engelshaar, Lichterketten und Baumspitzen. Ungefähr 16 Millionen Glaskugeln verlassen jährlich den Betrieb. Etwa 70% der Kugeln werden maschinell vorgefertigt. Blasen, Verspiegeln und Belacken der Kugeln erfolgen ebenfalls mit Maschinen, den letzten Schliff führt man dann mit der Hand aus. Ein Viertel der Steinheider Werktätigen arbeitet im Zweigwerk des V E B Elektroinstallation Oberlind (s. N 10), in dem Staubsauger produziert werden. Ebensoviele Einwohner fahren täglich zur Arbeit nach auswärts, überwiegend in die Kreisstadt.

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N a c h d e m zweiten W e l t k r i e g n a h m Steinheid einen sichtlichen A u f s c h w u n g durch seinen Urlauberverkehr. Jährlich suchen den O r t e t w a 4 500 F e r i e n g ä s t e auf. A l s eine der höchstgelegenen und schneesichersten Gemeinden i m T h ü r i n g e r W a l d bildet er ein Z e n t r u m des nordischen Skisports. M i t d e m B a u eines S p o r t p l a t z e s m i t einer 400-m-Aschenbahn, v o n W i n t e r s p o r t a n l a g e n sowie eines L a n d a m b u l a toriums wurde den gestiegenen A n f o r d e r u n g e n der Steinheider und ihrer G ä s t e R e c h n u n g getragen.

B S

Kieferle

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O b w o h l d a s Kieferle bei Steinheid als Quarzithärtling m i t 868 m die höchste E r h e b u n g des Schiefergebirges darstellt, t r i t t es geomorphologisch k a u m h e r v o r , d a die umgebende H o c h f l ä c h e e t w a 800 m ü. N N erreicht. A u c h die b e n a c h b a r t e n B e r g e weisen ähnliche W e r t e auf wie das K i e f e r l e : G r o ß e r F a r m d e n k o p f 867 m, B l e ß b e r g 865 m, Eisenberg 853 m, Fellberg 842 m. V o m Kieferle reicht der B l i c k über die H o c h f l ä c h e n v o n Masserberg und S i e g m u n d s b u r g i m W bis J u d e n b a c h und N e u e n b a u im SO. A m B a u h o l z s c h l a g - W e g östlich der E r h e b u n g weisen die N a m e n Pechwiese und P e c h b r u n n e n auf ehemalige H a r z v e r a r b e i t u n g (s. B 6) in den umliegenden W ä l d e r n hin. D e r B e r g n a m e ist nicht m i t der K i e f e r in V e r b i n d u n g zu bringen, d a diese B a u m a r t auf der exponierten, stürm- und schneereichen H ö h e v o n N a t u r a u s n i c h t gestanden hat. W i r befinden uns vielmehr im natürlichen herzynischen B e r g f i c h t e n w a l d . A u f den a r m e n Steinschutt- und Podsolboden sind die anspruchslosen Zwergsträucher H e i d e k r a u t (Calluna vulgaris), Heidelbeere ( V a c c i n i u m myrtillus) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) anzutreffen, auf kleinen anmoorigen F l ä c h e n die seltene Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) und der Siebenstern (Trientalis europaeä). A m N o r d h a n g m i t seiner besonders langen S c h n e e b e d e c k u n g f ä l l t T o r f moos (Sphagnum) auf. A m Kieferle finden wir a u c h einige n a t u r g e s c h ü t z t e B ä r lapparten : K e u l e n b ä r l a p p (Lycopodium clavatum), Gemeinen F l a c h b ä r l a p p (Diphasium complanatum) sowie T a n n e n b ä r l a p p oder T e u f e l s k l a u e (Huperzia selago). A m Südwestrand des W a l d e s stehen mehrere 180jährige W e t t e r f i c h t e n i n m i t t e n der v o n ihnen auf natürlichem W e g v e r j ü n g t e n F i c h t e n d i c k u n g . Diese sehr l a n g s a m emporgewachsenen B ä u m e zeichnen sich durch einen besonders engen und gleichmäßigen Jahresringaufbau aus. Sie sind daher als sogenannte K l a n g h o l z f i c h t e n in der Musikinstrumentenindustrie sehr begehrt. A u f den Bergwiesen a m Kieferle befinden sich die im Schiefergebirge v e r b r e i t e t e n A r t e n A r n i k a (Arnica montana, unter Naturschutz), B ä r w u r z (Meum athamanticum) und Orangerotes H a b i c h t s k r a u t (Hieracium aurantiacum), d a n e b e n g e d e i h t die seltene Meisterwurz (Peucedanum ostruthium). Steinach (Fluß)

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Die Steinach ( A b b . 14 und 15) als wichtigster W a s s e r l a u f des Sonneberger Gebietes durchquert das Gebirge in nord-südlicher R i c h t u n g v o m R e n n s t e i g bis Köppelsdorf. A l s U r s p r u n g des Flusses gilt der B e r n h a r d s t h a l e r T e i c h bei der Rennsteigbaude, 1 k m westlich des Ortsausganges v o n N e u h a u s a m R e n n w e g in 813 m H ö h e . Die weite Quellmulde g e h t bald in ein Muldentälchen über, d a s n a c h

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C i k n a p p 1 k m E n t f e r n u n g a m Wächtersteich u m 100 m, nach weiteren 2,5 k m an der E b e r m a n n s m ü h l e (heute Kinderferienlager) u m 200 m in die Schiefergebirgshochfläche eingetieft ist. N a c h der E i n m ü n d u n g der von Igelshieb zufließenden Alten M u t t e r ist eine schmale Talsohle ausgebildet; ihre größte Breite m i t etwa 100 m erreicht sie beim Lauschaer Schwimmbad. U n t e r h a l b dieser Weitung stehen widerstandsfähige Gesteinsschichten der Phycodenserie an. Die Steinach b e k o m m t ein größeres Gefälle, stellenweise fließt sie unmittelbar über das Felsgestein. Auf 3 k m Länge passiert der Fluß bis zur Göritzmühle ein 200 bis 250 m tiefes K e r b t a l ohne jegliche Sohle. Die Straße m u ß t e in den U n t e r h a n g und die Bahnlinie (s. C 3) in die H ä n g e des Teufelsholzes und des Tierbergs eingeschnitten werden. Die steilen, ungegliederten Hänge weisen Neigungen von 30 bis 35 0 auf. Nach A u f n a h m e der Göritz bildet die n u n m e h r wasserreiche Steinach eine kleine Sohle aus. Das enge Tal erweitert sich in der S t a d t Steinbach, wo der Fluß die widerstandsfähigen Schiefer und Quarzite der Phycodenserie verläßt und in die weichen ordovizischen Schiefer eintritt. Das Tal q u e r t in der Ortslage von Steinach die nahezu senkrecht stehenden Schichten des Schiefergebirges bis zum Dachschiefer des Kulms (s. G 7). An S c h n i t t p u n k t e n mit geologisch bedingten Talungen weitet sich das Steinachtal. Am südlichen E n d e von Steinach verengt sich das Tal wieder, da der Fluß in die harten Schichten der Kulm-Grauwacke eintritt. Von hier bis Hüttensteinach durchfließt die Steinach ein o f t m e h r als 200 m eingetieftes Kerbsohlental (s. M i ) . Zwischen Blechhammer und H ü t t e n g r u n d folgt nochmals eine Engtals trecke. Unvermittelt t r i t t die Steinach bei Köppelsdorf in die weite Linder E b e n e hinaus, begleitet zur Linken von einer Flußterrasse, die sich über Steinbach und Malmerz nach Oberhnd (hier Böhl genannt) und weiter nach Unterlind zieht. Bis Oberlind h a t der Fluß auf einer Lauflänge von 26 k m eine Höhendifferenz von 455 m überwunden. Wenige Kilometer später verläßt er bei Mupperg den Kreis Sonneberg und d a m i t zugleich das Staatsgebiet der D D R . Nach einem Gesamtlauf von 52 km (Luftlinie 36 km) m ü n d e t die Steinach mit einer Wasserführung von 3,3 m 3 /s bei Redwitz (BRD) in die Rodach und mit dieser in den Main. Gemessen an der geringen Größe ihres Einzugsgebietes, ist die Steinach ein wasserreicher Fluß (Abb. 16). Mit Abflußspenden von 28 1/s/km 2 bis Steinach und mehr als 201/s/km 2 a m Gebirgsrand ü b e r t r i f f t sie alle vergleichbaren thüringischen Flüsse und widerspiegelt darin den Niederschlagsreichtum der im L u v gelegenen Gebirgsabschnitte des Sonneberger Landes. Ihr Abflußregime weist im Oberlauf die charakteristischen Merkmale eines Gebirgsflusses a u f : Die Wasserführung steigt im H e r b s t und Frühwinter (November, Dezember) infolge höherer Niederschläge und verminderter Verdunstung an, h a t reduzierte Abflüsse im J a n u a r und Februar wegen des Rückhaltes der Winterniederschläge in der Schneedecke und im gefrorenen Untergrund. I m F r ü h j a h r folgt ein ansehnliches Hochwasser durch die Schneeschmelze in den Bergen. I m Sommer f ü h r t die obere Steinach wegen der geringen Speicherfähigkeit der Schiefer und Quarzite und der geringmächtigen Verwitterungsdecken nur wenig Wasser. Am Mittellauf der Steinach, der auch Zuflüsse aus niedrigeren Höhenlagen aufgenommen hat, zeigt sich nur der Unterschied von hohen Winterabflüssen und niedrigen Sommerabflüssen. Das sekundäre W i n t e r m i n i m u m der Hochlagen fehlt. 5«

Der FluLi war zweifellos im Becken der Linder Ebene bereits in ur- und frühgeschichtlicher Zeit bekannt. Zeitweise bildete er die Ostgrenze des Grabfeldgaus. In Urkunden taucht der Fluß erstmals 1162 als flumen Steinaha auf, 1321 in fluvio dicto Steinach. Der Name Stein-Ache ( = Stein-Fluß) ist angesichts der reichen Schotterführung leicht erklärlich. Bedeutung als Leitlinien der Besiedlung und der Durchquerung des Vorlandes kam den Furten zu. Als erste von ihnen wird die Wignandsfurt erwähnt, die vermutlich bei Heubisch (südöstlich von Sonneberg) nahe bei der späteren Untermühle gelegen hat. Bis zum 19. Jh. bevorzugte der Durchgangsverkehr die Höhenstraßen und mied das hochwassergefährdete Tal. Goldwäscher, die das Edelmetall zunächst im Unterlauf der Gebirgsflüsse suchten, verlagerten ihre Standorte an der Steinach wie auch an den benachbarten Wasserläufen gebirgseinwärts (s. F 1 und F 2). Ihre Tätigkeit erlosch, als bei Steinheid der Goldbergbau einsetzte (s. B 8). Große Bedeutung erlangte die Flößerei von Scheitholz und Blöchern (Holzstämmen). Sie ist auf der Steinach erstmals für 1464 belegt (Seigerhütte bei Hüttensteinach), und im 16. Jh. wird berichtet: „Die Steinach sowohl als alle hineinfallenden Bäche ist in den Jahren 1574 — 1578 durch den damaligen Bergvogt R E I N H O L D von Saalfekl durch überall angelegte Teiche flößbar gemacht" ( V O L K 1954). Die Stauanlagen gaben das erforderliche Zuschußwasser a b ; sie wurden in den ersten Jahren des 19. Jh. vollständig erneuert. Einige blieben bis heute erhalten, so der Wächtersteich (Stauinhalt 3000 m3) und der Bernhardsthaler Teich (10000 m 3 ). Der Giftigsteich (s. D 2), Göritzteich (s. G 2), Herrenteich, Pfmersteich, Bärenbachsteich und der Teich am Verlorenen Wasser könnten mit geringem Aufwand wiederhergestellt werden. Der Stauinhalt aller Flößteiche belief sich nur auf 1/25 des Fassungsvermögens des Schwarzastausees (s. B 2 ) . Erhöhte Bedeutung erhielt die Flößerei, nachdem 1576 und in den folgenden Jahren ein Flößgraben bei Oberlind von der Steinach über die Talwasserscheide in der Müß, einem sumpfigen Wiesengebiet, zur Röthen geschaffen wurde. E r ermöglichte den Transport des Holzes in die Residenzstadt Coburg. 1877 kam die Flößerei auf der Steinach zum Erliegen. Früher nutzten in starkem Maße Hammerwerke (s. G 6.2, M 3, N 6), Märbel(s. G 6.2), Mahl-, Schneidemühlen und Gesteinsmehl erzeugende Massemühlen das Wasser der Steinach als Antriebskraft. Vereinzelt gewann man auch Elektroenergie. Seit den fünfziger Jahren des 20. Jh. ging aber die Anzahl der mit Wasser getriebenen Mühlen entscheidend zurück, viele Wehre verfielen, und Mühlgräben wurden zugeschüttet. Als Beispiele seien die untere Schneidemühle in Hüttensteinach, die Fuchsmülile in Malmerz und die Weißenmühle in Oberlind genannt. Häufige Überschwemmungshochwasser erschwerten und gefährdeten die Erschließung und Besiedlung des Steinachtals. So berichtet eine Chronik 1763 aus Oberlind (zitiert bei R E B H A N 1935) : „Neujahr sind wir mit großer Mühe bis an die Kirche gekommen, haben zum Turm hinausgesehen und sind sehr erschrocken. Bei vielen Häusern lief das Wasser zum Fenster hinein ..., so daß viel Morast mit liineingebrauset. ... Drei Tage lang konnte kein Nachbar dem andern Hilfe leisten." 1820 schreibt G E O R G N I C O L R Ä D E R (zitiert bei R E B H A N 1935) : „ A m 20. Januar war das Wasser so stark, daß jedermann glaubte, das ganze Dorf (gemeint ist Oberlind) ginge zugrunde. Das Pflaster hat es herausgehoben, die beiden Brauhausstege ganz fortgeschwemmt, die Tennen zerstört. Das Bau- und Blöcherholz ist

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Abb. 13. Steinheid a m Kieferle C 1

d a s P f l a s t e r h e r u n t e r g e s c h w o m m e n . " H e u t e sichern Mauern die Steinachufer in den Ortslagen u n d a n allen wichtigen F l u ß a b s c h n i t t e n . N a c h d e m 1946 ein Schadhochwasser u n t e r a n d e r e m d a s Köppelsdorfer S c h w i m m b a d t o t a l zerstört u n d die Malmerzer B r ü c k e weggerissen h a t t e , erfolgten in den J a h r e n bis 1950 B a u m a ß n a h m e n , die vor allem f ü r d a s besonders g e f ä h r d e t e Oberlind einen w i r k s a m e n Schutz bieten. So u m g e h t seit dieser Zeit eine F l u t m u l d e östlich den Ort. Bis 1945 besaß d a s Steinachtal k a u m B e d e u t u n g f ü r den Verkehr. Sie stieg a b e r s t a r k an, weil seit d e m E n d e des zweiten Weltkrieges die d a s Gebirge q u e r e n d e östlich b e n a c h b a r t e Bahnlinie u n d F e r n v e r k e h r s s t r a ß e zur B R D gehören. Die L a n d s t r a ß e erster O r d n u n g im Steinachtal ist gegenwärtig — neben der F 89 von Sonneberg ü b e r Eisfeld nach Suhl — die wichtigste V e r b i n d u n g zwischen Sonneberg u n d d e m übrigen Territorium der D D R . Die S t r a ß e u n d die d u r c h d e n Bahnhof L a u s c h a in ihrer D u r c h l a ß f ä h i g k e i t limitierte Eisenbahnlinie k ö n n e n d e n l e b h a f t e n V e r k e h r k a u m noch bewältigen.

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Lauscha, K r e i s N e u h a u s a m R e n n w e g (Bild 27)

C 2.1 G e s c h i c h t e Gegen E n d e des ersten J a h r t a u s e n d s unserer Zeitrechnung siedelten im Gebirgsv o r l a n d neben Deutschen zeitweise a u c h Slawen. Slawische J ä g e r d r a n g e n v o n hier bis ins Gebirgsinnere vor u n d lernten einen zur Steinach h e r a b k o m m e n d e n B a c h k e n n e n , d e n sie Lutsche oder Lutzscha (1366 überlieferte Schriftform) n a n n t e n ( = B a c h in d e n Talwiesen, z u m slawischen G r u n d w o r t luka — Wiese). D e r Bachn a m e ä n d e r t e sich s p ä t e r a u Lautzsche. U m 1590 l i e ß e n sich d i e b e i d e n G l a s m e i s t e r HANS GREINER u n d CHRISTOPH MÜLLER

aus L a n g e n b a c h bei Schleusingen nieder u n d ü b e r t r u g e n die Bachbezeichnung auf

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den von ihnen gegründeten Wohnplatz. Dabei wandelten die Mitbegründer Müller, C 2.1 die Vorfahren in Böhmen besaßen, -tzsch- in -seh- um, vielleicht in Anlehnung an das Lauscha in Böhmen. Die Glasmeister siedelten sich zunächst in einem Seitental des Lauschabaches im Flurstück Marktiegel an, wo noch 1720 die Bezeichnung Alte Lautzsche auftritt. Diese Stelle lag auf dem Gebiet der damals pappenheimschen Herrschaft Gräfenthal. Die Gründer gaben die Hütte aber bald wieder auf, wechselten über die nahe Landesgrenze in das Fürstentum Coburg und errichteten 1595 bei der Einmündung des Schmiedsbaches in den Lauschabach eine neue Glashütte. Das den beiden Glasmeistern vom Coburger Herzog J O H A N N C A S I M I R am 10. Januar 1597 ausgestellte Glashüttenprivileg gilt als die eigentliche Gründungsurkunde Lauschas. Die bis 1900 betriebene Glashütte war ein genossenschaftliches Unternehmen der Greiner und Müller und ihrer Nachkommen, an dem auch die später zugezogene Familie Böhm Anteile erwarb. Ein mächtiger Schmelzofen bildete den Mittelpunkt. Seine 12 Stände waren an mehrere Glasmeister verteilt. Von ihren Söhnen erbte nach altem Brauch der jüngste den Stand des Vaters. Die übrigen mußten sich auf andere Art ihren Lebensunterhalt suchen, viele von ihnen wanderten aus. Somit wurde das Lauschaer Werk zum Ausgangspunkt für neue Glashütten, beispielsweise in Ernstthal (s. D 1), Piesau (1622 gegründet), Marienthal und Glücksthal (s. B 4), die hauptsächlich vom 17. J h . bis zur Mitte des 19. J h . entstanden. In den 12 Ständen fertigten die Meister zunächst Trink- und Medizinalgläser sowie Butzenscheiben. Die Trinkgläser wurden frühzeitig bemalt und mit Sprüchen versehen. Die Bewohner der kleinen Siedlung erhielten 1601 das Recht, eine Dorfmühle und 1621 eine Gaststätte anzulegen, aus der der Gasthof Zum Wilden Mann hervorging. Um 1 7 1 7 wurde 1,3 km unterhalb der Glashütte die Wiesleinsmühle errichtet, die seit 1733 mit Brau- und Schankgerechtigkeit versehen war. Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen dem slawischen Grundwort luka und der Bezeichnung

61

m ü.NN Zgeuner-ßg.

Eisen-Bg.

9001

Steinachgrund unterhalb des Wächtersteichs

Gr. Tier-Bg. Steinachgrund bei Unterlauscha

Kl. Tier-Bg.

Pfeiffers-Bg.

Steinachtal in Steinach

Schön-Bg.

Spitz-Bg. Steinachtal bei SonnebergHültensteinach

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Steinachniederung bei SonnebergOberlind

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Steinach

500

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A b b . 14. West-Ost-Profile durch das Steinachtal (Entwurf

62

F.

GRIMM)

der Mühle. Weiter talabwärts, am Zusammenfluß von Lauschabach und Steinach, C 2.1 gründete 1604 der Nürnberger Unternehmer T H O M A S P A U L seinen oberen Hochofen, der als Alter Hochofen bis 1759 betrieben wurde. Hier bildete sich durch Zuzug aus Steinheid um 1733 die zu Lauscha gehörige Siedlung Unterlauscha, deren Bewohner vor allem Holzschachteln anfertigten. Infolge der Zunahme der Greiner und Müller unterschieden sich die einzelnen Familien durch die für Lauscha typischen Bei- oder Hausnamen. Lauscha zählte 1781 bereits 490 Einwohnerin 64Wohnhäusern. In kirchlicher und schulischer Hinsicht gehörte es zunächst zu dem weit entfernten Steinheid, erhielt aber schon 1689 ein eigenes Schul- und Bethaus und beschäftigte seitdem einen Präzeptor (Lehrer). Schließlich wurden 1730 bis 1732 Kirche und Friedhof eingerichtet, 1768 ein neues Schulgebäude angelegt und ein ordentlicher Schullehrer angestellt. Eine eigene Pfarrei bildet Lauscha aber erst seit 1841. Die heutige Kirche im Jugendstil steht seit 1 9 1 1 . Von ihrem ursprünglichen Inventar befindet sich ein bemerkenswerter Glaskronenleuchter, eine am Ort gefertigte Arbeit des 18. Jh., im Museum für Glaskunst. Die Vergrößerung der Gemeinde führte dazu, daß nicht mehr alle Familien Anteil an der Dorfhütte erhalten konnten. Die um die Mitte des 18. Jh. erfundene Technik des Glasröhrenziehens und die wenige Jahrzehnte später sich ausbreitende Glasperlenbläserei begünstigten eine Veränderung der bisher einfachen Sozialstruktur des Gewerbes durch Scheidung in Herstellung und Verarbeitung des Glases. Sie hatte eine soziale Differenzierung in Glasfabrikherren mit privaten Glashütten, in Glasmeister in der genossenschaftlichen Dorfglashütte und in Glasarbeiter zur Folge. Die Arbeiter, die den Werkstoff im Hausgewerbe verarbeiteten, wuchsen zahlenmäßig rasch an, kamen aber in Abhängigkeit von der Sonneberger Kaufmannschaft und bildeten die ökonomisch schwächste Klasse. Bereits 1721 hatten die Glasmeister J O H A N N S T E P H A N G R E I N E R aus Lauscha und J O H A N N G E O R G B Ö H M aus Ernstthal oberhalb Lauschas an der Stelle der alten Marktiegel hütte die Privatglashütte Henriettenthal errichtet, die in der aus England übernommenen Stuhlarbeit schöne dickwandige Kelche aus wasserhellem Kristallglas herstellte. Die Hütte arbeitete bis 1 8 1 5 und wurde 1834 z u r Einsparung des Holzverbrauchs vom Staat aufgekauft. Der beginnende Kapitalismus fand schließlich seine Verkörperung in Kommerzienrat J O H A N N F R I E D R I C H G R E I N E R (1748 — 1820), dem Besitzer von Henriettenthal, Inhaber der Greinerschen Hälfte der Dorfglashütte Lauscha und Haupteigentümer der Porzellanfabriken Rauenstein (s. J 2) und Hüttensteinach (s. N 6), genannt „der Herzog in der Lausche". Die schnell immer größer werdende Zahl von Glasarbeitern war aber nicht so sehr in der Fabrik tätig, sondern wandte sich im Hausgewerbe der Glasperlenherstellung zu, deren Fertigungsverfahren um die Mitte des 18. Jh. von H A B A K U K G R E I N E R S I X E R aus den Rheinlanden mitgebracht worden war. Lauscha produzierte die aus den Glasröhren (Schmelz) geblasenen Schmelzperlen vor allem als Wachsperlen und als Fischperlen. Hierzu benutzte man als Einzug farbloses und gefärbtes Wachs oder eine Essenz, die aus der silbrigen Oberschicht der Schuppen des Ukelei-Fisches stammte. Die Glasperlenbläserei erreichte ihre letzte Blütezeit von 1870 bis 1880 durch die Bleiperlen, die innen mit einer Legierung aus Blei, Zink und Zinn belegt wurden. Das Blasen der Perlen vor der Lampe erfolgte auf einer Flamme, die zunächst aus Rüböl, dann durch Rindstalg und schließlich durch Paraffin erzeugt und 63

m 900. Schönbarg 622m

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Sternwarte 638m

Loosbrorxl 700m

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Abb. 15. Morphographisches Profil längs der Göritz—Steinach vom Rennsteig zum Gebirgsvorland bei Unterlind (Entwurf F . G R I M M ) C 2.1 durch Blasen mit einem gewundenen „Stiefelrohr" zur Stichflamme entfacht wurde. Diese brachte die Glasröhre an einer Stelle zum Glühen, worauf sie sich, ebenfalls durch Blasen mit dem Munde, zur Perle formte. Der Blasebalg ersetzte seit 1820 das Blasrohr, so daß der Glasbläser seitdem seinen eigenen Atem nur noch zur Formung der Perle zu benutzen brauchte. Einen wesentlichen technischen Fortschritt brachte dann das nach längerem Widerstand der Lauschaer eingeführte Leuchtgas, das die 1867 errichtete örtliche Gasanstalt erzeugte. Neben der Perlenbläserei kamen bald auch die in einem ähnlichen Verfahren hergestellten Glasspielsachen auf, die um 1800 J O H A N N C H R I S T I A N G R E I N E R M A T Z E N S O H N einführte. Die gläsernen Waldtiere fanden weite Verbreitung. Weiterhin entwickelte sich schließlich im 19. Jh. die Herstellung der Glasmärbel. Einen für Lauscha wichtigen Produktionszweig bildete endlich die Anfertigung von Tier- und Menschenaugen aus Glas. Während die Anfertigung von Tieraugen für die Stofftiere der Sonneberger Industrie eine unkomplizierte Massenproduktion hervorrief, erforderte die Herstellung von Glasaugen für Menschen wissenschaftliche Vorarbeiten und höchste Kunstfertigkeit. Die Grundlage hierfür schuf auf A n r e g u n g des Würzburger

P r o f e s s o r s HEINRICH ADELMANN u m

1835

LUDWIG

(1811 — 1888), der das französische Monopol auf diesem Gebiet brach und in seinem Fach bald an erste Stelle rückte. Dagegen fand die Glasinstrumentenindustrie in Lauscha nur vereinzelt Eingang. Zur Erzeugung der in den verschiedenen Zweigen der Glasindustrie benötigten Farben legte 1820 E L I A S G R E I N E R V E T T E R S O H N (1793 — 1864) eine eigene Fabrik an. E r überwand auch den Widerstand der um die Wälder bangenden Meininger Staatsregierung gegen die Errichtung neuer Glashütten, als er 1853 eine Glasfabrik — den heutigen V E B Farbglaswerk (Bild 25) — mit Kohlenfeuerung baute. Dieses Unternehmen, das nach dem Brand von 1895 e i n neues Fabrikgebäude einrichtete, verschaffte der kapitalistischen Produktionsweise in der Lauschaer Industrie endgültig das Übergewicht. 1856 entstanden noch 2 weitere Glaswerke. Eine letzte wichtige Wandlung in der Lauschaer Glasindustrie unter den Bedingungen des Kapitalismus trat um 1880 ein, als das von dem Steinacher Apotheker G U S T A V E N G E L H A R D T möglicherweise unter Gablonzer Einflüssen entwickelte Glasversilberungsverfahren zur Entfaltung der Christbaumschmuckindustrie führte. In den Berichten der Sonneberger Handelskammer wird dieser neue Zweig erstmals für die Jahre 1878/1882 erwähnt und hat sich seit 1889 unter schneller Zurückdrängung der Glasspielzeugherstellung und der Perlenbläserei in Fabrik und Hausgewerbe voll durchgesetzt. In den folgenden Jahrzehnten errang hier Lauscha eine Art Weltmonopol. MÜLLER-URI

64

P500 ^300

A b b . 16.

M i t t l e r e r A b f l u B g a n g d e r S t e i n a c h ( E n t w u r f F . GRIMM)

Meßstelle Steinach: Reihe 1961/68, Einzugsgebiet 36 km* Meßstelle Horb (BRD): Reihe 1954/62, Einzugsgebiet 225 km*

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C 2.1 Die Porzellanindustrie gewann für den Ort schon am Ende des 18. Jh. insofern Bedeutung, als die sich rasch vermehrende Bevölkerung auch in den Fabriken dieses Zweiges in der Umgebung Beschäftigung fand. Die Belegschaft der auf Lauschaer Initiativen zurückgehenden Porzellanfabrik Rauenstein (s. J 2) bestand zunächst überwiegend aus Lauschaer Arbeitern. Davon zeugt noch der nördlich des Fellbergs vorbeiziehende, insgesamt etwa 10 km lange Fabrikantensteg, den die an den Wochenenden zwischen Lauscha und Rauenstein pendelnden Arbeiter als Fußweg benutzten. Die Zahl der in der Porzellanindustrie tätigen Familienväter wird 1811 bereits mit 23 angegeben. Später führte K A R L E N S (1802 — 1865) in Lauscha eine kunstvoll betriebene Porzellanmalerei ein, und schließlich erhielt der Ort 1875 und 1887 selbst 2 Porzellanfabriken. Sie konnten allerdings die Wirtschaftsstruktur Lauschas als Glasindustriegemeinde nicht mehr verändern. Ein proletarisches Klassenbewußtsein bildete sich bei den Glasarbeitern erst zu Beginn des 20. Jh. aus, vor allem, seit sich die Glashüttenindustrie stärker entwickelte und Industrieproletariat entstand. Vorher hatte sich die Heimindustrie etwa ein Jahrhundert lang auf das Verlagssystem gegründet. Jeder Glasbläser lieferte seine Ware einem Verleger. Dieser zahlte bei Absatzkrisen — Christbaumschmuck war diesen als Saisonware ohnehin oft unterworfen — nur niedrigste Löhne und wälzte alle Lasten auf die Schultern der Heimarbeiter ab. Diese Ausbeutungsform war weit verbreitet. Da aber fast jede Familie selbständig gewerbetreibend hervortrat, vermochte sich die Arbeiterbewegung erst ziemlich spät zu organisieren. Eine Ortsgruppe der S P D bildete sich in Lauscha im Jahre 1902. Sie gehörte zu den Initiatoren der 1907 ins Leben gerufenen Glasbläsergenossenschaft für das Meininger Oberland, die 1911 erfolgreich gegen Verleger und Fabrikanten streikte. 1919 wurde in Lauscha eine Ortsgruppe der K P D gegründet, und bereits 1928 konnte sie bei den Gemeinderatswahlen ein Viertel der Stimmen und Sitze gewinnen. Erfolgreich wirkten in den folgenden Jahren der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise die Rote Hilfe und die Arbeiterwohlfahrt. Sie versorgten im Lauschaer Notstandsgebiet Bedürftige und vermittelten die Verschickung von Schulkindern zur Ferienerholung. Die Ausbeutung der Werktätigen in Lauscha durch die Verlegerfirmen fand ihr Ende aber erst 1945.

C 2.2 O r t s b i l d (Abb. 17) u n d W i r t s c h a f t Unweit der Haltestelle Oberlauscha bietet sich von der Eisenbahn (s. C 3) aus ein eindrucksvoller Blick auf Lauscha, das am 1. Januar 1958 das Stadtrecht verliehen erhielt. Es liegt im engen Kerbtal des Lauschabaches, der im Ortszentrum unterirdisch fließt. Von diesem Tal aus ziehen sich Häuser auch an einigen Nebenbächen und an ihren Hängen aufwärts, von 550 m im sogenannten Unterland bis 730 m im Oberland. Die mit blaugrauen Schiefern beschlagenen Gebäude sind stockwerkartig übereinander an die steilen Hänge gebaut, überragt von der Kirche. E s handelt sich um zweigeschossige Fachwerkhäuser, ganz vereinzelt um Reste von Blockbauten, auf denen das Fachwerkobergeschoß auf geständert ist. Die Hanglage erfordert zum Teil sehr hohe, aus Bruchsteinen gefügte Untergeschosse mit teilweise ebenerdigen Zugängen. Im Talgrund (610 m ü. NN) liegt der räum-

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Abb. 17. Blick zum Hang des Großen Tierbergs mit Lauscha lieh beengte Sackbahnhof, dessen Fläche durch hohe Mauern und Aufschüttungen gewonnen wurde (Abb. 17). Der Hüttenplatz in der Ortsmitte — aufgrund der Talenge von nur bescheidenen Ausmaßen — bildete bis 1905 mit seiner Glashütte (s. C 2 . 1 ) den Mittelpunkt des Lauschaer Wirtschaftslebens. Andere erhalten gebliebene Glashütten, so die Seppenhütte, stehen unter Denkmalschutz. Die Enge des Tales verhindert eine wesentliche Vergrößerung der Stadt. An den oberen Hanglagen errichtete man lediglich neue Wochenendhäuser, und nur wenige Neubauten kamen im Oberland hinzu. Gegenwärtig leben auf der gleichen Siedlungsfläche 20% weniger Menschen als in der kapitalistischen Epoche unter den damaligen beengten Wohnbedingungen. Fruchtbarer Ackerboden fehlt um Lauscha. Trotzdem wurden in der Vergangenheit an Hängen bis zu 30' Neigung Kartoffeln angebaut, um den kärglichen Lebensunterhalt aufzubessern. Regengüsse spülten die karge Krume oft ab, und Boden und Dünger mußten in Körben den Hang hinaufgetragen werden. Relikte dieser steilhängigen Acker hat G R I M M (1961) noch i960 vermessen und kartiert. Heute 67

C 2.2 wächst auf diesen Äckern Gras. Die Wiesenhänge werden teilweise als Viehweide genutzt. In der sozialistischen Zeit konzentriert sich in Lauscha die Produktion von künstlerischen Glaserzeugnissen. Der Y E B Glaskunst stellt farbige und mit Dekors versehene mundgeblasene Gläser, Vollglasplastiken, Leuchter und Vasen her. Unter den Erzeugnissen gibt es Formen, die von innen mit Hilfe der Farbe, des Lichtes, des Einstichs von Luftblasen und des Einschließens von Metallteilchen belebt werden. I n der kunsthandwerklichen Gestaltung des Glases blieben die Arbeitsvorgänge nahezu die gleichen wie früher. Neu sind die weitere Vervollkommnung des Gasbrenners und die zusätzliche Zuführung von konzentriertem Sauerstoff, durch den die Gasflamme erst die f ü r die Gestaltung von größeren Gefäßen und massiven Glasfiguren erforderliche Hitze entwickeln kann. Die verschieden geformten Glaskugeln als Baumschmuck werden heute vorwiegend auf Automaten gefertigt (s. B 8). Christbaumschmuck ist der wichtigste Exportartikel Lauschas. In andere Länder ausgeführt werden auch fertige und halbfertige Glasaugen (Bild 26), die die 35 Augenprothetiker des V E B Lauschaglas herstellen. Dieser Betrieb versorgt im übrigen alle augengeschädigten Patienten im Inland. Nach 1945 gingen die neugegründeten Genossenschaften dazu über, die Heimindustrie — besonders beim Baumschmuck — in zentrale Produktionsstätten zu verlegen, um technisch verbesserte Fertigungsverfahren anwenden zu können. Aus den Genossenschaften entstanden volkseigene Betriebe, die heute in der Wirtsc haftsstruktur der Stadt die entscheidende Rolle spielen. Bedeutendster Betrieb ist das modernisierte Glaswerk Lauscha, Werkteil des V E B Trisola. E s erhielt 1978/79 eine große Werkhalle ; seine Produkte sind vielseitig einsetzbar: superfeine Glasfasern f ü r Gehörschutzwatte und Isolierstoff im Schiffs- und Flugzeugbau sowie Pallotini-Mikroperlen zur Lichtreflexion auf Verkehrsschildern und auf Mikroluxfolic. Weiterhin von Bedeutung ist der V E B Farbglaswerk Lauscha (Bild 25): 3 von 4 in Lauscha Beschäftigten arbeiten in der Glasindustrie. Seit der Bildung des Kreises Xeuhaus im J a h r e 1952 blieb Lauscha in wirtschaftlicher Bedeutung hinter der nur 4 km entfernten Kreisstadt mit dem V E B Mikroelektronik Anna Seghers zurück. Jeder dritte Lauschaer Werktätige fährt täglich zur Arbeit nach auswärts, davon zahlreiche nach Xeuhaus mit dem Omnibus.

C 2.3 E r h o l u n g u n d S p o r t

Seit 1954 verbringen in Lauscha jährlich etwa 5000 Feriengäste ihren Urlaub, den ihnen vor allem der F D G B vermittelt. Daneben gibt es 5 Betriebsferienheime. Die Stadt ist wegen ihres Glasmuseums und der Wintersportveranstaltungen Ziel zahlreicher Ausflugsfahrten aus den anderen Ferienorten des Thüringer Waldes. Mir die sportlich Interessierten baute sie ein Schwimmbad im Steinachgrund sowie eine Turnhalle (1969). Bereits seit 1 9 1 8 entwickelten sich Lauscha und seine Umgebung zu einem beliebten Wintersportgebiet. Einen ersten Höhepunkt für den Ort bildeten 1 9 3 1 die deutschen Meisterschaften im Skisport. Seit damals gehören die überlebensgroßen

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Schneeplastiken von Tieren zum traditionellen Festschmuck bei Wintersportver- C 2.3 anstaltungen. Nach 1945 stieg die Bedeutung Lauschas als eines wichtigen Wintersportzentrums weiter an. Mit d e r Vergabe der nordischen Skimeisterschaften der D D R 1959 und 1976 an die Stadt würdigte der Skiverband die Leistungen der vielen Sportfreunde, die in unzähligen freiwilligen Aufbaustunden Wettkampfstätten schufen, die den internationalen Anforderungen entsprachen. Die 3-Schanzen-Anlage (Rekord lag 1978 bei 94 m) am Marktiegel mit ihrem weithin sichtbaren Anlaufgerüst gehört zu den schönsten Wintersportstätten unserer Republik. Lauscha zählt zu den Orten der Springer-Tournee der Freundschaft. Skispringer der befreundeten sozialistischen Länder geben sich häufig in Lauscha ein Stelldichein. Als eine erwähnenswerte Eigenschaft der Einwohner gilt ihre Sangesfreude und Musikliebe. Ein Höhepunkt war das Musikfest Ostern 1927 anläßlich des 100. Todestages von L U D W I G V A N B E E T H O V E N . Diese dreitägige Veranstaltung hat nach R O M A I N R O L L A N D „das Ideal eines dörflichen Musikfestes im Sinne Beethovens am besten verkörpert, da die über 600 Mitwirkenden vom letzten Sänger und Musiker bis zum Dirigenten wirkliche Laien waren" (Materialien für den Heimatkundeunterricht 1957). Das 1928 durchgeführte Schubertfest fand die gleiche Anerkennung. Nach 1945 wurde diese Tradition fortgesetzt. Mit dem ersten Preis als bestes Laienorchester konnten die Lauschaer Musikfreunde bei Volksmusiktagen der D D R im Jahre 1951 einen bemerkenswerten Erfolg erzielen. Die Musikpflege führt heute im benachbarten Neuhaus am Rennweg das Kulturensemble des Röhrenwerkes fort. Anläßlich der 300-Jahr-Feier von Lauscha im Jahre 1897 wurde eine Ausstellung von alten und neuen Gläsern gestaltet. Sie erfuhr eine Erweiterung zu einer Schau der historischen und gegenwärtigen Glaskunst sowie der damit eng verbundenen Leistungen und der Geschichte Lauschas. U m die Entwicklung des Museums besonders verdient machten sich um 1900 der damalige Realoberlehrer A R M I N A P E I . und der Kunstglasbläser C H R I S T I A N E I C H H O R N - S E N S , späterhin vor allem der langjährige ehrenamtliche Leiter des Museums, Gewerbeoberlehrer P A U L E I C H H O R N . Das an steiler Straße oberhalb des Hüttenplatzes gelegene Museum für Glaskunst zählte 1977 insgesamt 220000 Besucher. Gegenüber dem Museum wird in einer eigens dafür geschaffenen Werkstatt die Kunst des Glasblasens demonstriert. Seit 1953 wurde das Museum systematisch neugestaltet mit dem Ziel, entsprechend den Absichten der Initiatoren ein Spezialmuseum für Glas zu schaffen. E s gliedert sich in folgende Abteilungen : 1. Entstehung und Entwicklung der Hüttenindustrie 2. Beginn der Heimindustrie (Glasperlen, Glasfiguren, Glas- und Porzellanmalerei, Spanschachteln) 3. Christbaumschmuck, neuzeitliche Glaskunst 4. Glas im Dienste der Wissenschaft (Glasaugen, Glasapparate, Glasfaser, Neonbeleuchtung, Schaumglas) 5. Technologie des Glases (Rohstoffe, Farbstoffe, Rohglas, die verschiedenen Glasarten, Modelle von Schmelzöfen, Werkzeuge) 6

Sonneberg

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C 3

Eisenbahnstrecke Lauscha—Oberlauscha Lauscha erhielt 1886 durch eine Stichbahn von Sonneberg längs der Steinach Anschluß an das Eisenbahnnetz. 1897 wurde eine Linie vom Loquitztal bis Lichte jenseits des Gebirgskammes geführt. Die 11,4 km lange Überquerung des Thüringer Waldes zwischen den Bahnhöfen Lauscha (611 m) und Lichte (624 m), die in Luftlinie nur 5 km entfernt sind, stellte eine der problemreichsten Aufgaben für den deutschen Normalspureisenbahnbau dar, da die Strecke beim Bahnhof Ernstthal auf 769 m geführt werden mußte, woraus sich die für Normalbahnen zulässige Höchststeigung von 1:25 ergab. Die größten Schwierigkeiten entstanden zwischen dem Bahnhof Lauscha und der in Luftlinie nur etwa 1,5 km entfernten, aber 125 m höher liegenden Haltestelle. Der Abschnitt erforderte einen 4,5 km langen Umweg um das Teufelsholz und durch den Lauschensteintunnel. Der Bau der Strecke von Lauscha nach Lichte dauerte vom September 1 9 1 1 bis zur Eröffnung am 1. Oktober 1 9 1 3 und zog wegen der Brücken- und Tunnelbauten auch auswärtige Besucher in großer Zahl an. Der Abschnitt Lauscha—Oberlauscha ist der reizvollste der gesamten Bahnlinie Sonneberg—Saalfeld. Eindrucksvolle technische Bauten machten sich nötig, um den Sackbahnhof Lauscha im engen Tal des Lauschabaches errichten zu können. Von hier aus führt die Strecke über das Lauschabachtal zum Teufelsholz. Dann wird der Lauschensteintunnel durchfahren, ein 270 m langer Kehrtunnel. Jenseits des Tunnels sieht man das Kerbtal der Steinach und den gegenüberliegenden Göritzberg (s. G 3). Nach Überqueren einer 31 m hohen Eisenbahnbrücke an der Nassen Delle blickt man über das obere Steinachtal bis zur Ebermannsmühle (s. C 1). Von der Eller aus eröffnet sich zur Rechten eine imposante Aussicht auf Lauscha, dessen Häuser sich aus dem tiefen Talgrund empor bis zu den umgebenden Höhen ziehen, überragt von der Kirche (s. C 2.2). Die Weiterfahrt am Osthang des Steinigen Hügels (820 m) läßt zur Rechten den Großen Tierberg (805 m) mit seiner ausgedehnten Hochfläche und der Sprungschanzenanlage (s. C 2.3) am Marktiegel sowie das unbewaldete freistehende Köpplein (760 m) erkennen. Am Haltepunkt Oberlauscha erreichen die Häuser Lauschas und die Bahnlinie wieder gleiches Höhenniveau. Unterhalb des Eisenbahntunnels befindet sich südlich des Bahnhofs Lauscha ein Steinbruch im Phycodenschiefer. Dieser Bruch wurde aufgegeben, da der weitere Abbau den Tunnel gefährdet hätte. Die Stützmauern an der Eisenbahnstrecke Lauscha — Steinach sind aus diesem Gestein errichtet.

D 1

Ernstthal, Kreis Neuhaus am Rennweg, liegt unmittelbar südlich des Rennsteigs in der Mulde eines Quellarmes des Lauschabaches in 740 bis 800 m ü. NN. Mit seinen schieferbeschlagenen Häusern bietet der Ort das Bild einer der typischen Industriegemeinden des Gebirges. Charakteristisch für den früheren Baustil ist das Alte Griebeische Haus, ein völlig verschieferter zweigeschossiger Fachwerkbau aus der ersten Hälfte des 18. Jh., der wie die meisten älteren Gebäude über einem Bruchsteinsockel errichtet wurde. Westlich des Siedlungskernes konzentriert sich in Bahnhofsnähe eine zu Ernstthal gehörige Häusergruppe. 70

Das Gebiet um Ernstthal zählte zwar ursprünglich zu dem großen Reichswald D 1 zwischen Sonneberg und Saalfeld, kam aber nicht zur Pflege Coburg, sondern zu der sich im Hochmittelalter unter den Grafen von Orlamünde bildenden Herrschaft Gräfenthal. Diese reichte bei Ernstthal und östlich davon über den K a m m des Gebirges nach S. Als älteste Siedlung tritt hier 1414 Spechtsbrunn — 5 k m östlich von Ernstthal gelegen — auf, das seit 1721 als Pfarrei den Mittelpunkt für die zahlreichen kleinen Wohnplätze im dortigen Waldgebiet bildete. Ernstthal erhielt 1832 eine eigene Schule und 1849 einen Friedhof, blieb aber weiterhin nach Spechtsbrunn eingepfarrt. Ernstthal ist eine von Lauscha aus gegründete Siedlung. A m 7. März 1707 erhielten die dortigen Glasmeister H A N S M Ü L L E R - S C H A T Z E R und sein Sohn H A N S N I K O L , ferner H A N S G E O R G B Ö H M und C H R I S T O P H G R E I N E R sowie dessen Sohn J A K O B durch J O H A N N E R N S T von Sachsen-Saalfeld die Genehmigung, oberhalb Lauschas an der Königswiese, die schon auf dem Gebiet des Amtes (seit 1621) Gräfenthal lag, eine Glashütte mit 12 Ständen anzulegen, die notwendigen 5 Wohnhäuser zu errichten und gegen Bezahlung dem Wald Holz zu entnehmen. Mit dem Hüttenprivileg war auch eine Brau-, Schank- und Schlachtkonzession verbunden und festgelegt worden, daß die neue Siedlung nach dem Herzog den Namen Ernstthal führen sollte. A m Westhang des Pappenheimer Berges entstand im Finstern Grund 1727 eine Mahlmühle. Diese Finstergrunder oder Ernstthaler Mühle besaß Brauund Schankrecht, und hier versammelten sich während der Revolution von 1848/49 republikanisch gesinnte Wäldler. Im Lauf des 18. Jh. entstand um die Werksiedlung ein Dorf, das fast ausschließlich von der Glasindustrie lebte. Da die meisten Einwohner keinen Anteil mehr an der genossenschaftlich betriebenen Hütte hatten, zog wie in Lauscha (s. C 2.1) Perlenglasbläserei ein. Man fertigte mit Hilfe primitiver Talg- und Petroleumflämmchen mundgeblasene Artikel an. Sie wurden von den Glasbläsern auf Reisen bis nach Holland im Hausierhandel verkauft. Noch vor dem zweiten Weltkrieg war diese Form des Warenabsatzes üblich. Nach der Umstellung der alten Glashütte äuf Kohlefeuerung und dem späteren Bau einer Gasanstalt konnte um die Jahrhundertwende der versilberte gläserne Christbaumschmuck als neuer Artikel produziert werden (s. C 2 . 1 ) . 1923 entstand am Bremenstallberg eine weitere Glashütte, der jetzige V E B Glaswerk Ernstthal. Die alte Dorfglashütte existiert schon längst nicht mehr. 1913 erhielt Ernstthal mit dem Bau der Linie von Bock-Wallendorf (heute LichteOst) nach Lauscha und Neuhaus am Rennweg Eisenbahnanschluß (s. C 3 ) . Die Strecke besaß für Ernstthal wie auch für andere Höhenorte große Bedeutung, weil man auf ihr günstig Kohle, Rohstoffe für die Industrie sowie Lebensmittel heranschaffen konnte. Ernstthal beherbergt gegenwärtig als FDGB-Ferienort etwa 1500 Urlauber im Jahr. Das umgebende Gelände mit seinen sanften oder steil geneigten Hängen eignet sich gut für den Wintersport. Schon 1905 wurde ein Wintersportverein gegründet, der zum Aufschwung dieser Sportart wesentlich beitrug. Aus diesem Verein ging der Skispringer K A R L B Ö H M - H E N N E S hervor. E r wurde 1911 deutscher und österreichischer Meister und errang 1912 einen vierten Platz beim Springen am Holmenkollen bei Oslo. Diese Leistung hatte bis dahin noch kein Mitteleuropäer erreicht; er verschaffte damit dem deutschen Skisport Weltgeltung. 1928 wurde 6*

71

1) i

die P a p p e n h e i m e r Schanze e t w a 1 k m südwestlich v o n E r n s t t h a l eingeweiht, auf der 1931 die deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden. In der Glasindustrie, d e m heute einzigen Industriezweig E r n s t t h a l s , arbeiten über 8 0 % der im O r t B e s c h ä f t i g t e n . Sie setzen sich h a u p t s ä c h l i c h aus Einheimischen sowie aus L a u s c h a e r n zusammen, v o n denen weit mehr in E r n s t t h a l t ä t i g sind als umgekehrt. Beispielsweise p e n d e l t e t w a die H ä l f t e der ungefähr 260 W e r k t ä t i g e n des V E B G l a s w e r k E r n s t t h a l , des wichtigsten Betriebes, aus L a u s c h a und N e u h a u s ein. Moderne A u t o m a t e n ersetzen die schwere körperliche A r b e i t bei der Herstellung v o n F l a s c h e n f ü r K o s m e t i k a und Arzneimittel, den H a u p t p r o d u k t e n der F a b r i k . D e r V E B T h ü r i n g e r G l a s s c h m u c k — seit 1979 m i t einem neuen W e r k ausg e s t a t t e t — liefert B a u m s c h m u c k und K u n s t g l a s . T r o t z der günstigen Arbeitsmöglichkeiten im O r t f ä h r t nahezu jeder zweite B e s c h ä f t i g t e in die nahe gelegene Kreisstadt. Die W ä l d e r um E r n s t t h a l bergen 2 Vogelarten, die nur sehr selten zu beobachten sind : das A u e r w i l d und das mehr auf K a h l s c h l ä g e n auftretende B i r k w i l d . Ferner wurde hier die kleinste einheimische Eulenart, der nur reichlich 15 c m große Sperlingskauz, nachgewiesen.

D 2

Rögitztal In die H o c h f l ä c h e der K a m m r e g i o n ist südlich v o n E r n s t t h a l zwischen G r o ß e m Tierberg (805 m ü. NN), P a p p e n h e i m e r B e r g (835 m) und L i m b e r g (799 m) ein weiter Talkessel eingesenkt. D i e H o c h f l ä c h e g e h t u n v e r m i t t e l t in steile H ä n g e über, die z u m Giftigsgrund hinabführen, w o die 8 k m lange R ö g i t z entspringt. A u f der Sohle des Kessels befand sich bis z u m 19. Jh. ein Flößteich, der Giftigsteich, m i t einem S t a u r a u m v o n 10000 m 3 , dessen S t i r n d a m m w e i t g e h e n d erhalten ist. B i s H a s e l b a c h d u r c h f l i e ß t die R ö g i t z ein 200 m tiefeingeschnittenes K e r b s o h l e n t a l . In H a s e l b a c h passiert der Wasserlauf die Gesteinsschichten des Obersilurs und D e v o n s . Die d a d u r c h bedingte T a l w e i t u n g begünstigte die E n t w i c k l u n g des Ortes (s. H 2). In A n a l o g i e z u m S t e i n a c h t a l (s. C 1) bei S t e i n a c h v e r e n g t sich das T a l der R ö g i t z f l u ß a b w ä r t s beim E i n t r i t t in die widerstandsfähigen Gesteinsschichten des K u l m s . D a s wiederum f a s t 200 m tiefe untere T a l der R ö g i t z t r i f f t o b e r h a l b v o n B l e c h h a m m e r auf das der ö l s e . N a c h d e m Z u s a m m e n f l u ß beider Wasserläufe m ü n d e t der j e t z t E n g n i t z g e n a n n t e B a c h w e n i g später bei B l e c h h a m m e r in die Steinach. Die H ä n g e des R ö g i t z t a l e s werden v o n ausgedehnten F i c h t e n b e s t ä n d e n und v o n üppigen B u c h e n w ä l d e r n der unteren M o n t a n s t u f e eingenommen, wie sie sonst nur weiter östlich im F r a n k e n w a l d v o r k o m m e n . D a g e g e n treten die in den benachbarten B e r g e n verbreiteten h o c h m o n t a n e n P f l a n z e n zurück. In den L a u b w ä l d e r n treffen wir an quelligen Stellen auf zahlreiche F r ü h l i n g s b l ü h e r : H o h l e n und Mittleren Lerchensporn (Corydalis cava und intermedia), Moschuskraut ( A d o x a moschatellina), L u n g e n k r a u t (Pulmonaria officinalis ssp. obscura), B ä r e n l a u c h (Allium ursinum), Alpenjohannisbeere (Ribes alpinum), Gelben E i s e n h u t (Aconitum vulparia) sowie auf die g e s c h ü t z t e n A r t e n Gemeiner Seidelbast (Daphne mezereum) und A r o n s t a b (Arttm maculatum). A u f quelligen Moorwiesen w ä c h s t das K r a u s e Greiskraut (Senecio rivularis).

72

Dürre Fichte Vom Rennsteig am Dreistromstein bis zum Bleßberg am Gebirgsrand erstreckt sich ein Hochflächenriedel, der die Wasserscheide zwischen Weser- und Rheineinzugsgebiet bildet. Südlich von Siegmundsburg steigt dieser Höhenrücken zur Dürren Fichte (861 m) an, zu einer der höchsten Erhebungen des Schiefergebirges. Ihr Plateau wird im W vom Saargrund begrenzt, im O fallen ihre Hänge steil zum Neumannsgrund ab. Auf der Hochfläche befinden sich einige kleine Hochmoore, von denen eins pollenanalytisch untersucht wurde. Das Pollendiagramm (Abb. 18) dokumentiert die

Jahr 1900 1500 1000

Abb. 18. Pollendiagramm von der Dürren Fichte (nach S C H L Ü T E R 1964)

0

20

/

A n t e i l

40

d e r

60

3

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Holzarten

' am gesamten Baumpollen

Waldentwicklung dieser Höhen seit 2000 Jahren. Es zeigt, daß im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung Rotbuchenwälder überwogen, daneben wuchsen Tanne und Fichte. Im Mittelalter weiteten sich die Tannenbestände aus und erreichten gleichhohe Anteile wie die Buche. Die Fichte, die seit dem 18. Jh. rasch zunahm, herrscht in der Gegenwart eindeutig vor (s. A 1). Getreidepollen belegen den Getreideanbau im Gebirge in den letzten 2 bis 3 Jahrhunderten.

Saargrund

E 2

Unweit des Dreistromsteins bei Friedrichshöhe entspringt die Saar, auch Hintere oder Trockene Werra genannt. Der Bach schneidet sich bald in die Hochfläche ein und bildet ein steilhängiges Kerbtal im Quarzit des Schiefergebirges. Die Fernverkehrsstraße 281 Saalfeld —Neuhaus—Eisfeld trifft 1 km westlich des Ortsausgangs von Siegmundsburg auf den Saargrund und folgt dem Tal bis Eisfeld. Die

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E 2 Eintiefung des Tals erreicht gegenüber den umgebenden Höhen, so dem Bleßberg, bis 270 m. Weiter talabwärts vereinigt sich die Saar mit der Vorderen Werra. Der Name Saar wird aus dem mittelhochdeutschen Wort sör = trocken, dürr abgeleitet, vielleicht auch aus mhd. saher oder sär = Sumpfgras, das mit dem benachbarten Hochmoor (s. A 4) in Verbindung zu bringen ist. Am Talanfang oberhalb der Haarnadelkurve der F 281 wurde auf einem bodenfrischen Hangstandort unter aufgelichtetem Fichtenaltholz Ende der sechziger Jahre die Tanne im Schutz eines Gatters angebaut. Von diesem Tannenvoranbau blieben nur noch Einzelexemplare übrig, da der schadhaft gewordene Zaun den Verbiß durch Rotwild, Rehwild und Hasen ermöglichte. E s gehört zu den Eigenarten des Wildes, beim Äsen zunächst die im Revier seltenen jungen Baumpflanzen anzugreifen. Das ist einer der vielen Gründe für die äußerst schwierige und fast aussichtslose Walderneuerung mit der Tanne.

E 3 Bleßberg (Bild 28) Xördlich von Schalkau reicht die Schiefergebirgshochfläche bis unmittelbar an das Muschelkalkplateau. Längs der geologischen Grenze zwischen den paläozoischen Gesteinen des Gebirges und den mesozoischen Gesteinen des Vorlandes (s. Seite 7) fällt das Gebirge steil ab. Die Silhouette des Randes wird vom 865 m hohen Bleßberg beherrscht, dem zweithöchsten Berg zwischen Rennsteig und Sonneberg, über den die Wasserscheide zwischen Rhein- und Wesereinzugsgebiet verläuft. Der Gipfel des Bleßberges wird seit 1976 durch einen 200 m hohen Fernsehturm markiert. Der vorwiegend aus Quarzit aufgebaute Berg (Abb. 19) überragt das Plateau der Schalkauer Platte um etwa 340 m. An der quellenreichen Verwerfungsgrenze zwischen Oberem Muschelkalk und Schiefergebirge, die zugleich den Wald vom Offenland trennt, sind kleine Ansiedlungen entstanden: Neundorf (s. E 4), Mausendorf und Stelzen. Der Bleßberg empfängt reichliche Niederschläge, und Starkregen rufen an seinen steilen Hängen umfangreiche Bodenerosion hervor. Vor allem aber sind seine Hänge und das Plateau sturmmü

" "

800-

700600500

1

0 Hill

2

2,5 km

Tonschiefer Quarzite

>_-

Halbphyllite, halbklastische Schiefer, Quarzite

Abb. 19. Geologischer Bau des Bleßbergs (nach KAISER 1956)

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gefährdet. Das Unwetter, das den Sonneberger Raum vom 13. zum 14. Juni 1946 mit starken Regengüssen und orkanartigen Böen heimsuchte, hat auf dem Bleßberg verheerende Windwurf- und Bruchschäden der Fichtenbestände verursacht. Eine Windbruchfläche betrug hier allein 12 ha. Der zusammenhängende gleichaltrige Fichtenstangenholzkomplex erinnert noch an die damalige Sturmkatastrophe. Die Wälder des früheren Forstamtes Theuern wiesen eine Windbruchmasse von 65 000 Festmetern auf (s. L 4). Für das Jahr 1555 sind am Bleß, wie der Berg auch heißt, fast nur Fichten-TannenMischbestände verzeichnet, in den vorherigen Jahrhunderten war vermutlich auch die Rotbuche stark vertreten (s. E 1). Heute fehlt die Tanne fast ganz. Im Hochwinter verläßt das Rotwild die schneereichen Hoch- und Kammlagen und hält sich an den klimatisch günstigen Südhängen auf. Hier, in den Wintereinstandsgebieten, schält das Wild die Rinde der Fichten in etwa Kopfhöhe ab, teils aus Nahrungsmangel, teils wegen der in der Rinde enthaltenen Mineralsalze. Vorbeugende Maßnahmen gegen solche Schälschäden sind unter anderem sachgemäße Fütterung, Anlage von Salzleckin, planmäßige Regulierung bzw. Reduzierung des hohen Wildbestandes, ferner Anbau der durch Rotwild weniger geschälten Omorikafichte, so beispielsweise nahe der Sechseckigen Hütte. Das Abbeißen der Höhentriebknospen der jungen Pflanzen verhindert man durch Umwickeln mit Watte, das Fegen der Bäumchen beim Reinigen der Hirschgeweihe und Rehgehörne vom Bast durch Umstellen mit Reisig und Aststücken. Auf Kahlschlägen am Bleßberg treffen wir auf ausgedehnte Bestände von Rotem Fingerhut (Digitalis purpurea), Schmalblättrigem Weidenröschen (Epilobium angustifolium) und Waldgreiskraut (Senecio sylvaticus). Als charakteristische Arten für die Luvhänge besiedeln sie die Silikatstandorte zwischen Rennsteig und Sonneberg, weit seltener den niederschlagsärmeren Leeteil des Gebirges sowie den östlich angrenzenden Frankenwald. Einzelne Hangpartien des Bleßberges bieten ausgezeichnete Fernsichten. Nach W blickt man über den Saargrund und den Sachsendorfer Kessel bei Eisfeld bis zu den Basaltbergen des Dolmars bei Meiningen, zur Hohen Geba (Vorderrhön) und zur Hohen Rhön. Nach SW reicht die Aussicht bis zur Keuperlandschaft des Grabfeldes im südlichen Kreis Hildburghausen mit den beiden Gleichbergen (s. Bd. 6, Gleichberggebiet, H 3 u. L 4), dem Straufhain und der Heldburg. Unmittelbar im SO erstreckt sich die Muschelkalkfläche der Schalkauer Platte, im Hintergrund das Sonneberger Becken mit dem alleinstehenden Muppberg. In NW-SO-Richtung ist die Gebirgsrandstufe über Mengersgereuth bis Sonneberg zu verfolgen.

E 3

Neundorf, seit 1950 Ortsteil von Mausendorf,

E 4

liegt an der südlichen Randverwerfung des Thüringer Waldes, die die ordovizischen Schichten des Gebirges gegen den Muschelkalk abgrenzt. Nordöstlich und südwestlich des kleinen Ortes treten geringe Reste von Oberem Muschelkalk mit Steilhängen auf ; wo sie fehlen, grenzt Mittlerer Muschelkalk mit flachen Geländeformen an die Phycodenschichten des Schiefergebirges. Neundorf wird erstmals 13x7 im hennebergischen Lehnsregister als Niiwendorf genannt und war im Lehnbesitz der Schaumbeiger (s. J 6.1). Das ursprüngliche eine Bauerngut wurde später unter-

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E 4

teilt. Die zugezogenen Hintersassen konnten sich nicht von der kargen Landwirtschaft nähren, so daß schon im 18. Jh. Sonneberger Spielzeugherstellung im Hausgewerbe einzog. Kirchlich und schulisch gehörte Neundorf zu Stelzen. Gegenwärtig besuchen die Schulpflichtigen die Unterrichtsstätten in Sachsenbrunn. A n feuchten Stellen treffen wir unterhalb des Dorfes auf Pflanzen, die für die Talanfänge und Gründe im Muschelkalk typisch sind. Im Frühjahr blühen reichlich Hohler Lerchensporn (Corydalis Cava), Gelbes Windröschen (Anemone ranunculoides) sowie der unter Naturschutz stehende Gemeine Seidelbast (Daphne mezereum). Auf Wiesen und an Waldrändern finden wir im Mai bis Juli Türkenbundlilie (Lilium martagon, geschützt) und Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris, geschützt, weiterhin Christophskraut (Actaea spicata) und Gemeine Waldrebe (Clematis vitalba). Als Buchenwaldbegleiter auf Kalkböden sind Braunstieliger Streifenfarn (Asplenium trichomanes), Quirlblättrige Weißwurz (Polygonatum verticillatum), Waldmeister (Galium odoratum) und Waldbingelkraut (Mercurialis perennis) heimisch.

E 5

Herrenberg Der 673 m hohe Herrenberg bei Neundorf ist ein spornartiger Ausläufer des Blgßberges, der nach S, W und besonders nach O steil abfällt. Nach N steigt das Gelände hinter einem flachen Sattel steil zum Königshügel, einem Vorberg des Bleßberges, an. Auf dem Herrenberg befindet sich als bedeutendstes Bodendenkmal des an ur- und frühgeschichtlichen Zeugnissen armen Sonneberger Kreises ein Burgwall, den 1930 der Arbeiter H E R M A N N M Ü L L E R aus Truckenthal entdeckte. Zusammen mit dem Lehrer A D O L F W A L T E R machte er 1933 die ersten Funde, Schürfungen in der folgenden Zeit förderten weiteres Material zutage. Im Jahr 1959 erfolgte eine systematische Untersuchung durch das Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar. Ein Wall umgibt das Plateau des Herrenberges an drei Seiten, an der vierten, der Ostseite, erübrigte der Steilhang eine Befestigung. Die spärlichen Spuren des ursprünglichen Wallaufbaus lassen nur bedingt eine Rekonstruktion zu : An der am leichtesten zugänglichen Nordseite war eine in einen Graben gesetzte Palisadenwand außen durch eine Steinpackung versteift, nach innen wahrscheinlich durch Querhölzer abgestützt worden, die durch Pfosten verankert waren. Diese Hölzer bildeten die Basis für die Wallaufschüttung aus Erde. Auf der Innenfläche kamen an keiner Stelle eine zusammenhängende Kulturschicht, Abfallgruben oder Hausgrundrisse Zutage. Das Fundmaterial besteht überwiegend aus Gefäßscherben, von denen der weitaus größere Anteil in die Spätlatönezeit zu datieren ist, außerdem aus eisernen Geräten und Waffen, wie Tüllenbeil, Pflugschar, Lanzenspitze und Lanzenschuh, und aus Bruchstücken von Glasarmringen. Die auf dem Herrenberg gefundene Münze gehört zu den spätesten keltischen Prägungen, den Pontin-Münzen der gallischen Leuker aus der Zeit J U L I U S CAESARS.

Nach den Ergebnissen der Grabung zu urteilen, verlief die Besiedlung des Herrenberges wie f o l g t : Nach einer älteren Besiedlung von kurzer Dauer erfolgte im 1. Jh. v. u. Z. eine stärkere Besiedlung; in dieser Zeit entstand auch die Befesti76

gung. Da Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen fehlen, dürfte die Anlage von den vor den Germanen zurückweichenden Kelten friedlich geräumt worden sein. Die versteckte Lage des Walles läßt ohnehin eine Rückzugsstation der Kelten vermuten.

E 5

Truckenthaler Wasser

E 6

Das Truckenthaler Wasser entspringt am Südhang der Dürren Fichte in etwa 790 m ü. NN. In seinem Gebirgsabschnitt ist es ein charakteristischer Bergbach des südöstlichen Thüringer Waldes, durchfließt einen tief eingeschnittenen, landschaftlich reizvollen Talgrund, und sein Wasser überspringt und umspült Blöcke und Felsen, besonders nach der Schneeschmelze oder nach langen Regengüssen. Sammelbehälter und Schilder weisen auf die Bedeutung des Tals als Trinkwasserschutzgebiet hin. Der naturnahe Wasserlauf und seine Uferzone bieten die Möglichkeit zur Beobachtung der typischen Flora und Fauna unserer. Gebirgsbäche. Unter Fichten und einzelnen Bergahornen wird der Bach von üppigen Farnen begleitet: Rippenfarn (Blechnum spicant), Berglappenfarn (Lastrea limbosperma), Eichenfarn (Gytnnocarpium dryopteris) und Gemeinem Frauenfarn (Athyrium filix-femina). Die an den Ufern allgemein häufigen Arten Platanenblättriger Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius), Weiße Pestwurz (Petasites albus) und Purpurhasenlattich (Prenanthes purpurea) sind auch am Truckenthaler Wasser heimisch. Diese Pflanzen besiedeln von Natur aus die Gebirgsabschnitte der Bäche, doch das Wasser hat sie auch in das Vorland verfrachtet, so daß sie oft dort an den Ufern anzutreffen sind. Die Zusammensetzung der Fauna hängt entscheidend von der Reinheit des Wassers ab. Weiße Kotflecken auf einzelnen Steinen im Bach verraten die Anwesenheit der Wasseramsel. Sie ernährt sich überwiegend von Insektenlarven, die sie unter Wasser im reißenden Bach von den Steinen abfrißt. Die Wasseramsel ist ein scheuer Vogel mit schwärzlichbraunem Gefieder und großem weißem Brustfleck. Ihr Nest steht zwischen Steinen oder Wurzeln an der Uferböschung, vielfach auch in erweiterten Mauerspalten unter Brücken. Weitere typische Vogelarten der heimischen Bergbäche sind Gebirgsstelze, Bachstelze, Zaunkönig, Rotkehlchen und Weidenlaubsänger. A m Bach leben auch die schwimmgewandte Wasserspitzmaus, im Gebüsch der Ufer die Rötelmaus und die Waldspitzmaus. Nach einem Regenschauer an einem Sommertag kann man hier wie vielerorts im Raum zwischen Rennsteig und Sonneberg den Feuersalamander beobachten, dessen Larven sich in den Bächen entwickeln. Unter den vom schnellfließenden Wasser überspülten Steinen leben die räuberischen Larven der Steinfliegen (Plecoptera). Ihr Körper ist dem Lebensraum angepaßt und daher stark abgeflacht. Die voll entwickelten Insekten treten nur kurzzeitig auf und sterben bald nach der Eiablage. Ähnlich, doch meist mit 3 Körperanhängen und Kiemenplättchen am Hinterleib — Plecopteren haben nur 2 Körperanhänge — sahen die Larven der Eintagsfliegen (Ephemeroptera) aus. Sie ernähren sich von Pflanzen und Detritus, schwebenden Sinkstoffen. Andere Formen, wie die zu den Zweiflüglern (Diptera) gehörenden Lidmücken (Liponeura spec.), saugen sich mit den 6 Saugnäpfen ihrer Bauchseite an Steinen dort fest, wo das Wasser

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E 6

m i t größter W u c h t hinabstürzt. Die L a r v e n der K r i e b e l m ü c k e n (Simulium spec.) besitzen dagegen nur eine H a f t s c h e i b e a m Hinterleibsende. A l l e diese Insekten benötigen sauberes, sauerstoffreiches Wasser. Meist geben die V o r k o m m e n solcher Vertreter der F a u n a A u f s c h l u ß über den hydrobiologischen Z u s t a n d des betreffenden B a c h e s . N a c h Verlassen des Gebirges a n der S t r a ß e T h e u e r n —Mausendorf f l i e ß t das T r u k kenthaler W a s s e r (Bild 21) in einer v o n K a l k b e r g e n begleiteten W i e s e n a u e in R i c h t u n g T r u c k e n t h a l . D a s nun geländeklimatisch wärmere T a l wird v o n zahlreichen L a u b b ä u m e n wie Esche, Erle, B i r k e , R o t b u c h e , Berg- und Spitzahorn, U l m e und Linde eingesäumt. Hier tritt a u c h der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) auf. D u r c h sein weißes M a r k unterscheidet er sich v o n d e m b r a u n m a r k i g e n R o t e n oder Hirschholunder (Sambucus racemosa) unserer Gebirgswälder.

F 1

Neumannsgrund (Theuerer Grund) D a s 7 k m lange T a l der oberen G r ü m p e n heißt im oberen A b s c h n i t t N e u m a n n s grund, v o n der E i n m ü n d u n g des Steinbachs — hier s t e h t eine m a r k a n t e R o t buche m i t kugelförmiger Krone, die deshalb landläufig a u c h K u g e l b a u m g e n a n n t wird — bis T h e u e r n Theuerer Grund. Die G r ü m p e n (s. F 2) t i e f t sich schon n a c h wenigen 100 m in die H o c h f l ä c h e ein und bildet bald ein schattiges, schluchtartiges K e r b t a l m i t bis 35 0 geneigten H ä n g e n , dessen Talsohle 250 bis 300 m unter d e m N i v e a u der umgebenden Berge liegt. Mit Höhenunterschieden v o n 280 m auf 500 m horizontaler E n t f e r n u n g werden im N e u m a n n s g r u n d E x t r e m w e r t e der Taleint i e f u n g im Sonneberger Gebirgsabschnitt erreicht. D u r c h den G r u n d f ü h r t eine L a n d s t r a ß e v o m L i m b a c h e r Sattel nach S c h a l k a u . I m T a l der G r ü m p e n lag im Mittelalter das Z e n t r u m der G o l d g e w i n n u n g im Schiefergebirge : Z u n ä c h s t waren es Goldseifen (s. F 2 ) , später B e r g w e r k e (s. B 8). Die H a l d e n aus quarzitischem Material lassen den U m f a n g des B e r g b a u s erkennen. Die mehr als 50 c m mächtigen sowie die reinen Q u a r z g ä n g e sind frei v o n Gold, während die nur wenige Zentimeter starken Q u a r z g ä n g e außer P y r i t , H ä m a t i t , Arsenkies und B a r y t Freigold, das heißt sichtbares Gold im Unterschied zu d e m gebundenen, führen können. Die G ä n g e zeigen ein Einfallen v o n 90°, Streichen v o n 80 bis 85° und sind fiederförmig versetzt, wie es an den Stollenquerschnitten der S c h i f f s k u p p e (s. B 8) deutlich zu sehen ist. N a c h d e m die Bergleute die Oberfläche des Gebietes a b g e s u c h t h a t t e n , gingen sie v o m D u c k e l b e r g b a u z u m Stollenbetrieb über. Die R e s t e solchen A b b a u s blieben in dem Pingengelände bis heute erhalten. I m D u c k e l bergbau, wie er a u c h in den Tälern der S c h w a r z a und Steinach betrieben wurde, arbeitete jeweils ein B e r g m a n n in einem bis zu 1 m tiefen Loch. A m E n d e des 16. J Ii. erlosch der Goldbergbau. W e g e n seines G o l d v o r k o m m e n s w a r der N e u m a n n s g r u n d vielfach zwischen den W e t t i n e r n und den Schaumbergern umstritten, so in der zweiten H ä l f t e des 14. Jh. U m 1506 arbeiteten hier 12 schaumbergische und 1507 dazu 9 wettinische Goldzechen. V o n der Grenzmarkierung im oberen G r ü m p e n t a l und nördlich der B u r g Rauenstein blieben bis heute Steine erhalten. Der älteste v o n ihnen w e i s t die Jahreszahl 1515 auf, die meisten s t a m m e n v o n 1588 und 1Ö43, und 24 v o n ihnen tragen W a p p e n .

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Die bis ins frühe 18. J h . zurückgehende Neumannsmühle bildet den K e r n der heutigen Siedlung Neumannsgrund, die zu Steinheid gehört. S p ä t e r ließen sich t a l a b w ä r t s noch weitere Mahl- und Schneidemühlen sowie Massemühlen der P o r zellanfabrik R a u e n s t e i n nieder. E i n i g e dieser ehemaligen Mühlen dienen n a c h U m bau seit den fünfziger J a h r e n als Ferienheime.

F

1

I m Neumannsgrund (Bild 19), v o r allem in der N ä h e des gleichnamigen W o h n platzes, lassen die S t e i n s c h u t t f l ä c h e n auf Quarzit wegen ihrer N ä h r s t o f f a r m u t und Wasserdurchlässigkeit nur sehr mäßigen F i c h t e n w u c h s zu. Auf ihnen b e s t e h t deshalb erhöhte Erosionsgefahr. D e s h a l b mußten W i n d b r u c h - K a h l f l ä c h e n in kurzer Zeit und mit viel Mühe wieder m i t F i c h t e n aufgeforstet werden. Auffallend sind a u c h die nahezu vegetationslosen P a r t i e n der Quarzitsteinschutt- und B l o c k b ö d e n . Die H ä n g e des Neumannsgrundes sind forstklimatisch bis in 680 m H ö h e typisch für mittlere L a g e n des südöstlichen Thüringer W a l d e s (Anhang C). Die W i n d b r u c h k a t a s t r o p h e (s. L. 4) von 1946 verursachte auch hier s t a r k e Schäden von vielen tausend F e s t m e t e r n Holz. D e r Neumannsgrund und die b e n a c h b a r t e n B a c h t ä l c h e n und Gründe beherbergen typische S t a n d o r t e der Pflanzengesellschaften des B u c h e n - T a n n e n - W a l d e s . I n der Umgebung des Ortes X e u m a n n s g r u n d finden wir mehrere Arten der H o c h s t a u d e n fluren bzw. des herzynischen B e r g m i s c h w a l d e s : Alpenmilchlattich (Cicerbita alpina). Verschiedenblättrige Distel (Cirsium helenioides), W e i ß e Pestwurz (Petasites albus), Gegenblättriges Milzkraut (Chrysosplenium oppositifolium), Schwarze Heckenkirsche (Lonicera nigra). U n t e r h a l b des W o h n p l a t z e s gesellen sich dazu P l a t a n e n b l ä t t r i g e r H a h n e n f u ß (Ranunculus platanifolius), W a l d g e i ß b a r t ( A r u n c u s sylvestris) und Sudetenrispengras (Poa chaixii).

Grümpen (Fluß)

F 2

Die Grümpen (1378 Krumpen, von mhd. krümbe - k r u m m , K r ü m m e ) e n t s p r i n g t in 8 1 0 m ü. NN bei Siegmundsburg, durchquert in N N O - S S W - R i c h t u n g das Schiefergebirge und sein südliches Muschelkalkvorland im Bereich der S c h a l k a u e r P l a t t e (Abb. 20) und m ü n d e t nach 1 6 k m bei Almerswind in 360 m ü. N N in die Itz. Nachdem sie den Theuerer Grund (s. F 1) passiert hat, fließt sie in einem b r e i t e n , 60 bis 100 m eingetieften T a l . B e i Theuern, wo die G r ü m p e n das Muschelkalkvorland erreicht, fällt das B a c h b e t t in niederschlagsarmen Zeiten t r o c k e n . D e r W a s s e r lauf versickert auf den K l ü f t e n im K a l k s t e i n und t r i t t erst dort zutage, wo der wasserstauende R ö t (Oberer B u n t s a n d s t e i n ) in der Talsohle a n s t e h t . Südlich von Theuern h a t sich der mäandrierende B a c h eine breite Aue geschaffen, in der bis zum Ort Grümpen der Goldseifenbetrieb umging. D a s E r z e n t s t a m m t den Quarzgängen der Quarzite und ist durch den B a c h bis ins Vorland v e r f r a c h t e t worden. Die S t a n d o r t e der Goldwäschen konzentrierten sich auf die R a n d z o n e des Gebirges bzw. auf das Vorland, wo das Gefälle des B a c h e s a b n i m m t und sich das schwere, teilweise erzführende Material absetzt. Ü b e r den B e g i n n der Seife sind keine genauen Angaben b e k a n n t . Sicher gab es bereits vor dem Goldbergbau von Steinheid (s. B 8) den Seifenbetrieb, der bis zur ersten H ä l f t e des 16. J h . zu verfolgen ist. Die Seifen wurden um 1 8 2 0 — allerdings ohne nennenswerten E r -

7 1. August 1920 zur Stadt erhoben.

Steinacher Bodenschätze

G 6,j

Die Vielfalt an Bodenschätzen bot mannigfache Ansatzpunkte für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Steinach. Die geologischen Bedingungen dieses Raumes wurden durch Dr. MAX VOLK eingehend erkundet (s. G 7). Das Flußbett der Steinach ist von der Einmündung der Göritz nördlich der Stadt Steinach bis Blechhammer annähernd senkrecht zum Streichen der Gesteinsschichten angeordnet, so daß auf einer Strecke von 7 k m Länge Ablagerungen vom Ordovizium bis zum K u l m aufgeschlossen sind (Abb. 22 und 23). Im unteren Göritztal stehen Phycodenschiefer (s. G 4) am Fuße des Großen Tierbergs und in der Nähe des Feierabendheims Walderholung Phycodenquarzit an — beide aus dem Ordovizium. In den Profilen wechseln Quarzitlager mit dünnbankigen Quarziten und tonschiefrigen Lagen. Die Quarzite, größtenteils als mächtige, dickbankige Partien entwickelt und als Blockquarzit bezeichnet, sind graue, mehr oder weniger verkieselte Quarzitsandsteine, die nach dem Hangenden hin eine Rotfärbung durch Eisenoxide zeigen (Pyrit). Ebenfalls im Hangenden, nahe dem Unteren Erzhorizont, kommen Gerolle quarzitischen Materials mit einem Eisengehalt von 8 % Fe 2 O a vor. Das frostbeständige Gestein lieferte Mauersteine und Packlager, zum Teil auch Schotter. Im Hangenden schließt sich der Untere Erzhorizont an, der beispielsweise auf dem Steinheider Berg an der unteren Landstraße aufgeschlossen ist. E r bildet ausgedehnte flache Linsen, sein chamositisches, das heißt dichtes bis oolithisches E r z trägt deutlich klastischen Charakter und führt kleine Einschlüsse von Tonschiefern und Quarzitgeröllen. Die Anfänge des Erzbergbaus liegen im dunkeln. E s wird angenommen, daß die im Göritzgrund gefundenen Reste ehemaliger Gewinnungsstätten dem Hochmittelalter entstammen. Genaue Kenntnis besitzen wir seit dem 15. Jh., für Steinach selbst seit 1519. Der Abbau der Erze setzte dort ein, wo die Horizonte an der Oberfläche zutage traten. Anfangs nutzten die Bergleute die allgemeine Bergfreiheit — überall auf fremdem Grund schürfen und nach Erz suchen zu dürfen —, um den Lagerstättenbezirk zu erschließen. Erst seit etwa 1550 wurde klar, daß keine edelmetallhaltigen Erze zu erwarten waren. Seitdem baute man die Horizonte planmäßig ab. Im Langen Tal bei Steinach arbeiteten die Bergleute im Untertagebetrieb. Da das Lager steil steht, durchörterten sie den Phycodenschiefer und fuhren die Erzschicht im Hangenden an. Schächte, auf der Höhe des Großen Tierberges angesetzt, erschlossen das Eisenlager bis zum Grundwasserspiegel. Diese Zeche und das Bergwerk am Breiten Berg nordöstlich von Steinach erbrachten die bedeutendsten Ausbeuten. Ein Bericht von 1779 sagt aus: „Die Grube ist bisher 315 Jahre getrieben worden. Nachdem die alte Arbeit nach und nach zu Bruch gegangen, sind in derselben neue Stollen und Strecken aufgefahren; so wie die Grube auch jetzt in vorzüglich gutem Zustand gebaut ist, in guten mächtigen Anbrüchen steht und schönen ergiebigen Eisenstein erreicht." Aus diesen Gruben bezogen die Steinacher Hüttenwerke (s. G 6.2) hauptsächlich ihr Erz. Seit 1830 erreichte der 89

NW

Gr. Tier berg

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A b b . 23. Querschnitt durch die Steinacher Flexur zwischen Großem Tierberg und Weinberg (nach F R E Y B E R G 1937 u n d V O L K ) 1 Phycodenschiefer, 2 Phycodenquarzit, 3 Griffelschiefer, 4 Lederschiefer, 5 Schichten des Silurs (siox Unterer Graptolithenschiefer, sio» Ockerkalk, sio3 Oberer Graptolithenschiefer), 6 Tentakulitenschichten und Schwärzschiefer. 7 Schichten des Oberdevons (tob Tonschiefer mit Braunwacken, toc kalkstreifiger Tonschiefer, tok kleinknotiger Kalk, q Quarzit, toa großknotiger Kalkknotenschiefer), 8 Tonschiefer u. Grauwacke, 9 Dach- u. Rußschiefer. Feu Unterer Erzhorizont, Feo Oberer Erzhorizont

Bergbau mit neuen Mutungen eine weitere Blüte. 1844 wurden von 12 Zechen 1839 t und im Jahre 1846 von 11 Zechen 1883 t Eisenerz gefördert. Doch durch die veränderten Transportkosten nach dem Bau des deutschen Eisenbahnnetzes war Steinach mit seinen Eisenvorkommen nicht mehr konkurrenzfähig, und 1866 stellten die Gruben ihren Betrieb ein. 1921 wurde für kurze Zeit noch einmal im Langen T a l und am Steinheider Berg Eisenerz abgebaut. Im Hangenden des Unteren Erzhorizontes folgt der Griffelschiefer (s; G 8), dessen Grenze am V E B Thuringia vorbeiführt. In der Umgebung Steinachs weisen zahlreiche ehemalige Brüche auf das Gestein hin. Der anschließende Obere Erzhorizont besteht aus oolithischem Roteisenerz und ist beispielsweise an den Stollenmundlöchern im Langen Tal und am Schmidtsbruch im oberen Steinbächleintal aufgeschlossen. A n der Straße Steinach —Haselbach befindet sich hinter dem V E B Naturstein- und Mineralwerke Steinach ein wassergefüllter ehemaliger Tagebau. A n seiner Ostseite steht dunkelblauer bis blauschwarzer Kiesel- und Alaunschiefer (Unterer Graptolithenschiefer) an. Der Sulfatgehalt der Unteren und Oberen Graptolithenschiefer gab Anlaß zur Errichtung von Vitriolwerken: 1767 in Hämmern und 1778 in Steinach. Die meist im Untertagebetrieb gewonnenen Schiefer wurden auf die aus Holzbohlen gezimmerten Laugenbühnen abgekippt. Hier verwitterte der Pyrit (Schwefelkies) zu Eisensulfat und Schwefelsäure. Nach Auslaugung des Salzes durch langsames Begießen mit Wasser setzten sich in den sogenannten Läuterkästen die Eisenoxide ab. Die so geklärte Lauge kam in besondere Behälter, in denen sich an eingeführten Holzspänen die Vitriolkristalle bildeten. Manchmal 90

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wurde die Lauge in Bleipfannen versotten. Bei hohen Tonerdegehalten stellte man Alaun her, bei niedrigen gab man Eisen oder Kupfer hinzu und erhielt Vitriol. Der Ockerkalk liegt zwischen Unterem und Oberem Graptolithenschiefer. Der im unverwitterten Zustand hell- oder dunkelgraue, dichte bis feinkristalline Kalkstein enthält knoten- oder knollenförmige Eisenkarbonateinschlüsse. Bei dem natürlichen Zerfall entsteht gelbbraunes Eisenoxidhydrat. Der graue Kalk erfährt dadurch und durch weiße Calcitadern eine belebende Färbung; er wurde aus diesem Grund nicht nur als Mauerstein verwendet, so für die Mauer an der JoliotCurie-Oberschule Steinach, sondern kurzzeitig auch als Dekorationsstein. J O H A N N M I C H A E L V E T T E R aus Hämmern bemerkte 1735 die „gelbe Erde" und erhielt im gleichen Jahr die Erlaubnis zur Errichtung eines Werkes. Hier gewann man den Eisenocker, der durch Kalkauslaugung aus dem Eisenkarbonat entsteht. Seit 1767 ist der Abbau im Tal des Langen Bachs bei Steinach bekannt, wo bis 1926 eine Reihe von Schächten abgeteuft und mehrere Stollen aufgefahren wurden. Die Verarbeitung erfolgte im Ockerwerk an der Steinach. Der Rohocker wurde mittels Rührwerk aufgeschlämmt und über Holzrinnen in Klärbecken geleitet. Nach dem Verdunsten des Wassers erfolgte manuell das Ausstechen des Ockerteigs, der anschließend an der Luft trocknete. Das so gewonnene Produkt kam in Fässern verpackt zum Versand. Der Goldocker fand wegen seiner feinen Körnung, seiner Deckkraft und der Farbbeständigkeit unter ö l guten Absatz. Der Eisengehalt, auf den die Erhärtung in ö l zurückzuführen ist, machte die Farberde zur Herstellung von Fußbodenfarben geeignet. Die aufstrebende chemische Industrie produzierte bald billigere Farben, so daß die Ockerindustrie auf der Basis heimischer Rohstoffe 1926 zum Erliegen kam (kurzzeitige Wiederinbetriebnahme nach 1945). Die oberdevonischen Wetzschiefer (s. A 6) sind am Pfeiffersberg und Weinberg aufgeschlossen. Ihre petrographische Beschaffenheit läßt sich sowohl in den Bruchlöchern als auch auf den Halden erkennen. Es handelt sich um farbbeständige graugrüne Gesteine mit feinem Korn in Wechsellagerung mit kalkig-sandigen Partien. Der Abbau des Wetzschiefers geschah zunächst im glockenförmigen Hohlbau, später im Tagebau. Die Wetzsteinmacher gewannen nur eine bestimmte

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G 6.3 Schicht von 90 cm Mächtigkeit, welche verschiedene brauchbare Lagen enthielt, den sogenannten Hauptstrich. Sie hackten in mühevoller Arbeit mit der Spitzhacke das Nebengestein heraus, keilten die Schichten ab oder sprengten sie und bewahrten das Gestein bis zur Verarbeitung bergfeucht auf. Seit 1806 verarbeiteten die Wetzsteinmacher am Weinberg die feinkörnigen Gesteine. Die Abziehsteine oder Thüringer Wassersteine (es durfte nur mit Wasser auf ihnen gerieben werden, ö l machte den Stein unbrauchbar) trugen zum wirtschaftlichen Aufstieg dfes Ortes bei. Aus dem Schiefer wurden Rasier- und Federmessersteine, Gerbermesser (mit ihnen wurde das F e t t von den Häuten entfernt), Decknäglein (25 cm lang, 0,8 cm x 0,8 cm im Querschnitt) für die Uhrmacher, Kugel- und Schrotformen für die Zinngießer sowie Reibeplatten hergestellt. Während 1806 lediglich 4 Wetzsteinmacher beschäftigt waren, stieg ihre Anzahl bis 1862 auf 16 an. Die Fertigung von Kunststeinen verdrängte insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg den Naturstein immer mehr, so daß mit dem Tod des letzten Wetzsteinmachers die Produktion 1968 eingestellt wurde.

G 6.4 A r b e i t e r b e w e g u n g Die Arbeiterbewegung hat in Steinach eine lange Tradition. Bereits während der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 zogen am 26. März mehrere hundert Steinacher Eisenwerker, Griffelmacher, Glasbläser und Spielzeugarbeiter nach der Kreisstadt Sonneberg. Bewaffnet mit Sensen, Dreschflegeln, Heugabeln oder Ä x t e n versuchten sie, Zugeständnisse zur Verbesserung ihrer kärglichen wirtschaftlichen Lage zu erreichen. Sehr zeitig faßte die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Ort Fuß. Schon 1877 war die Hälfte der Wählerschaft gewonnen. Nach Rückschlägen in den ersten Jahren des Sozialistengesetzes festigte seit 1887 der aus Saalfeld zugezogene Drahtweber R I C H A R D L Ö W I N G E R (1840—1907) unter Leitung des in Sonneberg wirkenden Agitators J E N S L A U R I T Z C H R I S T E N S E N (S. N 1.3) die Arbeiterbewegung und gab hier die Thüringer Freie Presse heraus. Später stand die Steinacher Sozialdemokratie unter Leitung des Griffelmachers K A R L W E I G E L T (1860—1911), der seit 1897 den Wahlkreis Steinach-Lauscha im Meininger Landtag vertrat. Die Arbeiterpartei gewann nach der Jahrhundertwende eine überwältigende Mehrheit und erreichte 1912 (s. J 2) insgesamt 86% der Stimmen. Der gewerkschaftliche Zusammenschluß der Steinacher Arbeiter erfolgte um die Jahrhundertwende. Steigende Lebenshaltungskosten veranlaßten 14 gewerkschaftlich organisierte Eisenwerker 1907 zum Streik, den sie 4 Monate durchhielten. Noch im Juli 1914 brachten Arbeiter auf 2 Kundgebungen ihre Antikriegsstimmung zum Ausdruck. Im Januar 1919 entstand zunächst eine Ortsgruppe der U S P D . Die K P D berief im September Versammlungen ein, auf denen der in Steinach bereits bekannte Genosse G E O R G S C H U M A N N aus Leipzig sprach. Danach bildete sich eine Ortsgruppe der K P D , die zunehmenden Einfluß auf die Gemeindevertretung gewann und bis 1932 erfolgreich auf kommunalpolitischem Gebiet wirkte. 1933 folgten Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Wegen Abhörens von „Feindsendern" wurde Genosse JULIUS KNYE verhaftet, um in das Konzentrationslager Buchen92

wald überführt zu werden. Auf dem Friedhof in Steinach erinnert eine Ruhestätte G 6.4 an 8 KZ-Häftlinge, die auf einem Evakuierungsmaxsch Anfang April 1945 ermordet wurden.

Gegenwärtige Struktur

G 6.5

Die Industrie bietet die Erwerbsgrundlage für den überwiegenden Teil der Steinacher Einwohner. Hinzu kommen zahlreiche Einpendler, denn jeder zehnte Beschäftigte in der Stadt wohnt auswärts. Andererseits fährt jeder sechste Steinacher Werktätige zur Arbeit nach außerhalb, vor allem in die Kreisstadt Sonneberg. Aus der Vielfalt der Gewerbe vergangener Jahrhunderte haben sich in der Gegenwart vor allem die Spielwaren- und die Glasindustrie dominierend entwickelt. E t w a die Hälfte der in Steinach Beschäftigten ist in der Spielwaren- und Holzverarbeitungsindustrie tätig. Der größte Betrieb, der V E B Plast- und Holzspielwarenwerke (Plaho) mit 1200 Beschäftigten, entstand durch die Zusammenfassung ehemals kleiner Spielwarenbetriebe. E r hat heute in Steinach 9 Betriebsteile, 27 Produktionsstätten und mehr als 100 Lager. In Fortsetzung örtlicher Traditionen haben sich die Werke auf die Herstellung von Holzschiffen, Baukästen, Pyramiden, Weihnachtskrippen und Figuren aus Plaste spezialisiert. Die Glasspinnerei hat sich zum modernen V E B Trisola — mit dem Glaswerk Lauscha und dem Schaumgläswerk Taubenbach als Betriebsteilen — entwickelt. Das Werk produziert Glasfaservlies und Isolierstoffe für die Bauindustrie. Seine großen Erweiterungsbauten prägen das Stadtbild am unteren Ortsende. Mehr als 300 Werktätige arbeiten im V E B Injecta, einem Betriebsteil des Kombinats V E B Medizin- und Labortechnik Leipzig, der Injektionsspritzen für das Gesundheitswesen liefert. Etwa 250 Arbeitskräfte beschäftigt der V E B Thuringia, Betriebsteil 2 des Stammbetriebes in Sonneberg-Oberlind, in dem Feinkeramikmaschinen hergestellt werden. Dieser Betrieb am Ortsausgang nach Lauscha geht auf das frühere Eisenwerk zurück. Durch die Rekonstruktion der Gießerei und den Bau eines zweigeschossigen Sozialgebäudes haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen wesentlich verbessert. Der V E B Naturstein- und Mineralwerke Thüringen (NMT) als Nachfolger der Steinacher Griffelindustrie beschäftigt rund 250 Arbeitskräfte. Der 1949 bis 1952 errichtete Neubau dieses Betriebes mit seinen Kultur- und Sozialeinrichtungen steht am Ortsausgang nach Haselbach. Lag der Schwerpunkt der Produktion 1949 noch auf der Griffelfertigung (Bild 23), so traten an ihre Stelle Mahlerzeugnisse für die keramische Industrie und die Landwirtschaft sowie Terrazzoplatten (Platten aus einem Gemisch von verschiedenen Natursteinen und Zement mit polierter Oberfläche), Grauwackeschotter und -splitt.^Aus Dachschiefer werden Sockelleisten hergestellt. Fast 700 Werktätige Steinachs sind in anderen Bereichen beschäftigt, von denen die Glasverarbeitung (Betriebsteile des V E B Thüringer Glasschmuck Lauscha, V E B Glasverarbeitung Haselbach und Neuhaus), die Metallverarbeitung ( V E B Drahtschraubwaren, V E B Mechanische Werkstätten), die 4 Brauereien und die Konsum-Fleischerei die meisten aufnehmen. Wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt besitzt ferner der Güterbahnhof, der den größten Wagenladungsverkehr im 93

G 6.5 Kreis Sonneberg aufweist: 1975 Entladung von 5000 Waggons mit etwa 60000 t, Beladung von 4000 Waggons. Steinach ist FDGB-Erholungsort mit dem zentral gelegenen Steinacher Hof als Verpflegungsstätte. Viele Werktätige verbringen ihren Urlaub in den zahlreichen Bungalows, die in den letzten Jahren auf den ehemals landwirtschaftlich genutzten Berghängen errichtet wurden. Diese Äcker und Wiesen bearbeitete die Bevölkerung besonders in früheren Notzeiten. Auch dieser Wandel verdeutlicht die Veränderung, die sich seit dem verstärkten Aufbau des Sozialismus vollzogen hat. Den Erholungsuchenden bieten sich um Steinach viele Möglichkeiten, die Gebirgslandschaft kennenzulernen, unter anderem im nahegelegenen Göritzgrund, in dem durch Wanderwege erschlossenen Naturschutzgebiet Leierloch (s. L i ) und auf der Milonsruhe. Zur Stadt gehören großzügige Sportstätten: der Fußballplatz an der Talstraße und die Großsportanlage am Fuß des Fellbergs, bestehend aus Schwimmbad (1928 erbaut), Turnhalle und Stadion (erbaut von 1949 bis 1957) m ' t Trainingsfeld und Schanzenanlage sowie einer alpinen Skirennstrecke am dahinterliegenden Silbersattel. Bei der Fertigstellung des Stadions leistete die Steinacher Bevölkerung 125000 freiwillige Aufbaustunden. In Anerkennung der erzielten Ergebnisse seit 1949 stellte die Regierung der D D R für den Bau der Turnhalle 700000 Mark zur Verfügung. Die Sportbewegung in Steinach kann auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Bereits 1857 wurde der erste Turnverein gegründet. Nach dem ersten Weltkrieg kam es zu einem großen Aufschwung, besonders bei den Fußballern. So konnten die Arbeitersportler vom Turnverein 1 im Jahre 1930 den Titel eines mitteldeutschen Meisters erkämpfen. Die Mannschaft vom Sportverein 08 wurde in den Jahren 1929 bis 1933 dreimal Thüringer Gaumeister. Seit 1945 bestimmt die BSG Motor Steinach mit ihren 9 Sektionen das sportliche Leben. Die Leichtathleten und die Wintersportler holten mehrere DDR-Meistertitel nach Steinach. Der Skispringer H O R S T Q U E C K , der 1964 die DDR-Meisterschaft gewann, mag hier für viele stehen. G 7

Hämmern—Spechtsbrunner Talzug ZweiTalungen verlaufen in varistischer Richtung von SW nach NO nebeneinander, und zwar von Hämmern bis Spechtsbrunn. Sie trennen das Hohe Schiefergebirge mit einem Gipfelniveau von 800 bis 850 m ü. NN von der südöstlich angrenzenden Hochfläche mit 650 bis 700 m Höhe. Diese geologisch bedingten Quertäler verdanken ihre Entstehung Gesteinen mit geringerer Widerstandsfähigkeit gegenüber der Verwitterung und Ausräumung. Die morphologische und ökologische Sonderstellung der teilweise bachlosen Täler läßt sich aus dem großen Anteil an Wiesen und Feldern ersehen im Unterschied zu den benachbarten Gebirgsteilen mit nahezu geschlossener Waldbedeckung. W o die Vertiefungen die Täler der vom Rennsteig herabkommenden Wasserläufe kreuzen, entstanden Weitungen, in denen die Siedlungen Hämmern, Steinach und Haselbach ihren Platz fanden. Die Schichten (Abb. 22), zu denen auch die der Quertäler gehören, reichen vom Unterkarbon bis zum Silur; ihre Abfolge bietet dem Interessierten Einblicke in den Aufbau des Thüringer Schiefergebirges. Da die Schichten in einer Flexur senkrecht gestellt sind, kann man vom südlichen Ortsausgang Steinachs bis zur Göritz-

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mühle Gesteine kennenlernen, die sich im Meer des Paläozoikums in mehr als G 7 100 Millionen Jahren ablagerten. Wäre die ursprünglich horizontale Lage erhalten geblieben, so müßte man zu ihrer Erkundung einen 2 500 m tiefen Schacht graben. Um die Gesteinsfolge zu beobachten, beginnen wir eine Wanderung in Untersteinach am Fuß des Weinbergs, wo Unterkarbon (Kulm) ansteht: Schiefer, der früher als Dach- und Tafelschiefer diente, und Grauwackensandstein, der sich als Baustein und zur Schotterherstellung eignet. Ihm folgt ein Streifen von Oberdevon, dessen Kalkknotenschiefer mit herausgewitterten nuß- bis faustgroßen Kalkknoten (Kramenzelkalke) an mehreren Stellen ansteht. Aus den Wetzschiefern des unteren Oberdevons am Lerchenberg und Hirtenrangen wurden Wetzsteine gewonnen (s. G 6.3). Die weichen Schwärzschiefer und Braunwacken des Mitteldevons sind ausgeräumt, wodurch sich das eine der beiden Täler bildete. Das folgende Unterdevon setzt sich aus festen Quarzitbänken (Nereitenquarzit, benannt nach den Wurmspuren von Nereiten) und Knotenkalk mit Tentakuliten (Gruppe der wirbellosen Tiere, die zwischen den Würmern und Weichtieren steht) sowie aus leicht verwitternden Tonschiefern zusammen, so am Bocks- und Pfeiffersberg. Ihm schließt sich das Silur mit weniger widerstandsfähigem Ockerkalk an (s. G 6.3), in dem die andere der beiden Talungen verläuft. Der Breite Berg und der Georgsfelsen oberhalb der Eisenbahnlinie Sonneberg —Lauscha liegen im ordovizischen Lederschiefer, der zu blättrigem lederbraunem Verwitterungsmaterial zerfällt. Daran schließt sich die Griffelschieferzone des Ordoviziums an (s. G8). Die den Griffelschiefer über- und unterlagernden Eisenhorizonte stehen im Flußbett der Steinachund in verfallenen Grubenbauen an. Die folgende Talverengung deutet auf einen Gesteinswechsel hin. Es sind in Richtung Lauscha die Phycodenschichten (Quarzite, Schiefer) des untersten Ordoviziums gut aufgeschlossen. Die Erforschung der für das Verständnis des Schiefergebirges entscheidend wichtigen Gesteinsfolge der Steinacher Flexur verdanken wir Dr. MAX VOLK (1900 bis 1969). Er war fast ununterbrochen von 1921 bis 1969 als Lehrer in Steinach tätig. Als Sohn eines dortigen Spielwarenarbeiters hatte er das Lehrerseminar in Hildburghausen besucht, doch seine geologischen Kenntnisse eignete er sich im Selbststudium an. 1938 trat V O L K mit der Studie „Das Oberdevon am Schwarzburger Sattel zwischen Südrandspalte und K a m m des Thüringer Waldes" hervor. In der Folgezeit hat er die gesamte paläozoische Schichtenfolge dieses Gebietes bearbeitet und die gewonnenen Ergebnisse publiziert. Daneben befaßte er sich in etwa 150 Veröffentlichungen mit der Zoologie, Botanik, Wirtschaft und Geschichte des Sonneberger Raumes. Seine wissenschaftliche Leistung wurde 1957 durch die Akademie der Wissenschaften der D D R mit der Verleihung der Leibniz-Medaille und 1962 durch die Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg mit der Ernennung zum Ehrendoktor gewürdigt.

Fellberg

G 8

Im W der Talweitung von Steinach steigt der Fellberg (842 m ü. NN) von der Talsohle (500 m ü. NN) steil bis zum Niveau der Hochflächen der Kammregion an. Von SO her wirkt das Bergmassiv wie eine Mauer. Es besteht aus Griffelschiefern, aus im Ordovizium abgelagerten petrographisch gleichförmigen Gesteinen, die sich

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G 8

durch gleichmäßig feine Körnung, geringe Härte und dunkelblaugraue Farbe auszeichnen. Ihren Namen verdanken sie ihrer Verwitterungsform. Da die Schichtfläche senkrecht zur Schieferungsfläche steht, zerfällt das Gestein in lange Stengel und im Laufe der Zeit in immer kleinere und dünnere Griffel. Dieser Vorgang läßt sich an dem Haldenmaterial (Bild 22) deutlich beobachten. Nach Farbe und Fossilinhalt werden folgende Stufen vom Liegenden zum Hangenden unterschieden: Oberer Erzhorizont Oberer Griffelschiefer, dunkelblaugrau, mild, feinschichtig Mittlerer Erzhorizont Griffelschiefer-Wechsellagerung, dunkelblau und hellgrau, stark sandig Unterer Griffelschiefer, dunkelblaugrau, mild, feinschichtig (Grobstein). Der Griffelschiefer enthält einige Fossilien, die sich jedoch aufgrund des stengeligen Zerfalls nicht gut präparieren lassen. Seine Spurengemeinschaften sind arten- und individuenarm. E s kommen Kriech- und Kotspuren sowie Freß- bzw. Wohnbauten vor. In der Fauna des Griffelschiefers herrschten die Trilobiten (Dreilappkrebse) vor, deren Reste man noch heute in dem Haldenmaterial finden kann. Die Herstellung von Griffeln aus Naturstein erfordert gleichmäßig gekörntes Gestein. Die Sprltbarkeit nach der Schichtung muß ein Zersägen senkrecht zur Schichtung erlauben, ohne daß die Platten beim Trennen zerspringen. Schließlich muß das Abspalten der Gritfei von den Platten leicht möglich sein. Diese Eigenschaften besaß der am Fellberg erschlossene Griffelschiefer, so daß die ältere Verarbeitung der kulmischen Schiefer im Röthengrund zurückging und der Berg das Zentrum der Herstellung von Schiefergriffeln bildete, die auf der Verarbeitung des hier gewonnenen Schiefergriffels fußte. Hämmerner Wetzsteinmacher wurden auf die griffeligen Stäbchen aufmerksam und erschlossen im 16. Jh. den Griffelschiefer auf dem Fellberg. Mit dem Niedergang der Steinacher Hammerwerke um 1865 (s. G 6.2) gingen die Steinacher Bewohner zur Griffelsteingewinnung über, die bis dahin von Hämmernern, Haselbachern und Hasenthalern ausgeübt worden war. Bereits 1853 hatten die Steinacher die Griffelherstellung — außer im Raum Hasenthal/Spechtsbrunn — an sich gebracht und hatten bis 1968 eine Monopolstellung inne. In der wechselvollen Geschichte dieses Industriezweiges wurden etwa 28 bis 30 Milliarden Stück gefertigt. Bei der Gewinnung und Verarbeitung des Griffelschiefers lassen sich, unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, 4 Perioden unterscheiden: 1. Das Gewerbe war im Raum Steinach bis etwa Mitte des 19. Jh. Hausindustrie. Der Stein wurde im Stoppelbau — nachträglichen Abbau von früher übergangenen Teilen — gewonnen, bergfeucht gelagert und unbearbeitet den Griffelmachern zugeführt. Der Griffelmacher sägte an einem einfachen Bock Klötze von der Länge der Griffel ab, die er wiederum in Plättchen von der Stärke der Griffel zersägte Von diesen Platten schlug er mit einem scharfen Spalthammer Säulen mit quadratischer Grundfläche ab, die von den Frauen und Kindern mit dem Schabeisen gerundet wurden. 2. Durch die Pachtverträge der Meininger Staatsregierung als Besitzer von Grund und Boden mit den Griffelmachern fiel seit der Mitte des 19. Jh. die Kontrolle über 96

das Rohmaterial weg. J e t z t wurden die Griffel in H ü t t e n auf den Brüchen, nicht mehr in den eigenen Häusern hergestellt. Die Arbeitsbedingungen beschreibt SAX (1885) wie folgt: „Diese H ü t t e n ! Die meisten 1,60— 1,80m hoch, 2—2,50 m breit und 2,50—3 m lang. Darin arbeiten 3 — 5 Personen! Man k a n n sich nicht umwenden . . . D a ist es denn die Durchdringlichkeit und S c h a d h a f t i g k e i t der H ü t tenwandung, was die Leute vor dem Ersticken wahrt. Die W ä n d e aus F a c h w e r k , mit L e h m und Griffelkot ausgefüllt, mit Stroh und Binsen v e r d e c k t ; die Fenster mit zerschlagenen Scheiben, welche mit Holzspänen repariert sind. Die Träger v o m Holzwurm zerfressen. Der Boden, selten mit Spuren von Dielung, zumeist die n a c k t e Erde, voll Unebenheiten, hier ein Hügel v o n festgetretenem Griffelstaub, dort eine Vertiefung, mitunter absichtlich gehöhlt, um dem Jungen beim Sägen einen besseren Stand zu geben. Die ganze H ü t t e nicht selten windschief, wie durch ein W u n d e r zusammengehalten."

G 8

3. I m Jahre 1891 nahm der S t a a t die Griffelbrüche auf seinem B o d e n in eigene Regie und beschäftigte die bisherigen Pächter als Arbeiter. Seitdem wurde die Produktion fabrikmäßig in Großhütten a m Fellberg, Steinheider Berg, Tierberg, B r a n d und a m Pechgraben (die meisten dienen j e t z t als Kinderferienlager) in der N ä h e der großen Brüche konzentriert. Moderne Maschinen und verbesserte Arbeitsbedingungen sowie Untertageanlagen gestatteten es, die Produktion zu steigern. 4. N a c h 1952 vollzog sich die Gewinnung des Griffelschiefers fast ausschließlich im Bergbaubetrieb a m Großen Tierberg (s. G 5).

Hohenofen, seit 1922 Ortsteil von Haselbach

H 1

Unmittelbar nördlich von Haselbach, aber schon auf dem Gebiet des A m t e s Gräfenthal errichteten um die Mitte des 18. Jh. die Erben des Hammerwerksbesitzers J O H A N N C H R I S T O P H B A U M A N N in Friedrichsthal am A u s g a n g des Giftigsgrundes, des oberen Rögitztales, einen Hochofen für ihre Werke. B e r g a u f w ä r t s entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jh. die kleine und ärmliche Gemeinde H o h e n o f e n . Sie erhielt 1849 eine Schule, heute von den Klassen 1 bis 4 der P O S Haselbach genutzt. Weiter oben befand sich auf dem Sattel zwischen Rögitz- und ö l s e t a l in R i c h t u n g Hasenthal das herrschaftliche Vorwerk, das die Familie B a u m a n n ebenfalls im 18. Jh. erwarb, aber 1836 an Einzelkäufer veräußerte. Die in Hohenofen und im Vorwerk Hasenthal wohnenden Menschen lebten im 19. Jh. vorwiegend v o n der Griffelmacherei. Hohenofen, Vorwerk Hasenthal und das benachbarte Eisenwerk Friedrichsthal im ölsegrund, soweit es auf dem Gebiet des A m t e s Gräfenthal lag, bildeten seit dem Ende des 18. Jh. eine Gemeinde unter dem N a m e n Hohenofen. .Zwischen Hohenofen und dem Ort Haselbach stehen die Häuser von M a r i e n t h a l , benannt nach der Herzogin M A R I E v o n Sachsen-Meiningen. Hier zieht sich längs des Rögitztales eine Verwerfung der Silurschichten nach N, so d a ß sich das T a l verbreitert. Anstelle des Baumannschen Hochofens gründeten die Nachfolger Baumanns, H E I N R I C H M Y L I U S und W I L H E L M M Ü L L E R , 1827/29 die Tafelglashütte Marienthal, die später Hohlglas herstellte. Sie nutzte die Holzgerechtigkeit des eingegangenen Eisenwerkes Friedrichsthal. Bei der H ü t t e siedelten sich hauptsächlich böhmische Glasmacher an, die von A n f a n g an zu Hohenofen zählten. Die

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H l

Glashütte erreichte um die Mitte des 19. J h . ihre Blütezeit, ging dann aber bald ein. Hohenofen und Marienthal dienen heute fast ausschließlich als Wohnsiedlungen. Einige Familien vermieten Zimmer an Feriengäste, einige Bewohner betreiben das Glasbläserhandwerk.

H 2

Haselbach, Kreis Sonneberg Von Hämmern erstreckt sich nach NO durch das Schiefergebirge ein Streifen geomorphologisch wenig widerstandsfähiger Gesteine des Silurs und Devons (s. G 7). Wo die vom Rennsteig nach SO bzw. S strebenden Bäche diesen Bereich queren, erweiterten sich ihre Täler, und an die Stelle dichter Waldbestände treten Wiesen und Weiden. Haselbach (Abb. 24) entstand dort, wo der geologisch bedingte Hämmern — Spechtsbrunner Talzug (s. G 7) vom Rögitztal gekreuzt wird. Den Ort in 550 m Höhe umgeben steile Berge: der Breite Berg (783 m) im SW, der Große Forst (691 m) im SO und der Limberg (799 m) im N. Der Grundriß von Haselbach wird durch eine Häuserzeile geprägt, die sich in dem von SW nach NO gerichteten Tal fortsetzt. Die meist schieferbeschlagenen Häuser der Gemeinde, die auch zahl-

Abb. 24. Haselbach von der Hohen Wart aus 98

reiche Feriengäste beherbergen, sind größtenteils renoviert. Von Haselbach führt H 2 eine Landstraße im Rögitztal nach Sonneberg und eine kurvenreiche Straße in dem geologischen Quertal über die Hohe Wart nach Steinach. In dem abgelegenen und tief eingeschnittenen mittleren Rögitztal errichteten geflüchtete Menschen im Dreißigjährigen Krieg ein Haus, die spätere Unterkunft eines Wegwartes. Das Anwesen hieß 1660 nach einem hier in die Rögitz einmündenden Wasserlauf Haselbach. Der Ortsname ist vermutlich als Siedlung am Bach bei den Haselnußsträuchern zu deuten. Im 18. J h . entstand das eigentliche Dorf, dessen Bewohner von wenig ertragreicher Landwirtschaft und Holzarbeit in ärmlichen Verhältnissen lebten. Eine Zeitlang befand sich nahebei auch eine Eisenhütte (s. H 1). Ein großer Teil der Haselbacher Werktätigen arbeitete nach der Einstellung des Hüttenbetriebes als Griffelmacher in den Schieferbrüchen am Pechgraben. Seit dem Ende des 18. J h . wurden auch Holzspielwaren für die Sonneberger Kaufmannschaft angefertigt. Im 19. J h . vergrößerte sich der Ort, der 1 8 1 1 bereits 173 Bewohner in 29 Häusern und 1850 schon 374 Bewohner in 43 Häusern zählte, nachdem hier Glasindustrie und Griffelherstellung im Hausgewerbe Verdienstmöglichkeiten boten. Glasindustrie gab es im nahen Marienthal seit 1827 (s. H 1). Neben der schweren Glasarbeit entwickelte sich zum Ende des 19. Jh. die Christb^umschmuckfertigung, bald der vorherrschende Industriezweig. Ganze Familien arbeiteten in Heimarbeit für die Verleger. Einen bedeutenden Aufschwung nahm Haselbach mit der Errichtung einer Glasfabrik 1896 am Südausgang des Ortes, der Schullerhütte, aus der nach 1945 der V E B Glaswerk hervorging. Die heutige Wirtschaftsstruktur Haselbachs wird völlig von der Glasindustrie geprägt, vertreten durch die volkseigenen Betriebe Glaswerk und Glasverarbeitung. Das tief im Rögitztal gelegene Glaswerk stellt als wichtigste Fabrik des Ortes Glasröhren, -fasergarne und -fasergewebe sowie Glas-Metall-Verbindungen her. Zu ihm gehört der moderne Betriebsteil Brattendorf, Kreis Hildburghausen, in dem Glastapete produziert wird. Von den in Haselbach arbeitenden Menschen sind ungefähr 75% in der Glasindustrie tätig. Fast ein Drittel der am Ort Beschäftigten pendelt täglich ein, vor allem aus dem etwa 4 km entfernten Hasenthal. Jeder fünfte Haselbacher Werktätige fährt zur Arbeit nach außerhalb, in der Mehrzahl nach Sonneberg. In Haselbach befindet sich eine achtklassige Oberschule mit Gebäuden in der Ortsmitte und in Hohenofen (s. H 1). Von der 9. Klasse an besuchen die Schüler die Dr.-Georg-Klaus-Oberschule in Steinach. Auf den kargen Böden um Haselbach bot die Landwirtschaft stets nur einen Nebenerwerb. Da die Äcker den Einsatz moderner technischer Bearbeitungsgeräte nicht lohnen, trat an ihre Stelle Grünland. Diese Bergwiesen dienen heute der L P G Oberweißbach, Kreis Neuhaus am Rennweg, zur Aufzucht von Jungrindern und für die Gewinnung von Winterfutter. Die Abgase der Haselbacher Industriebetriebe haben an Fichten in den umgebenden Wäldern zu Rauchschäden geführt. Diese machen sich durch Verfärben und übermäßiges Abfallen der Nadeln, durch Tragen weniger und kurzer Zapfen bemerkbar. In extremen Fällen können ganze Bäume absterben. Die Fichte ist — wie auch die Tanne und Kiefer — gegenüber Luftverunreinigungen, besonders Schwefeldioxid, sehr empfindlich, da sie ihre Nadeln mehrere Jahre hindurch behält und damit eine

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H 2

große Menge a n giftigen S t o f f e n sammelt. U m R a u c h s c h ä d e n v o r z u b e u g e n , b a u t der F o r s t m a n n widerstandsfähigere L a u b h ö l z e r und a u c h die n a d e l a b w e r f e n d e L ä r c h e an. V o r a u s s e t z u n g ist, d a ß K l i m a und B o d e n sich eignen. So w u r d e n u m Haselbach, besonders i m F o r s t K i c k e l h a h n , stellenweise R o t e i c h e und L ä r c h e angep f l a n z t , a u ß e r d e m die in Serbien beheimatete rauchhärtere O m o r i k a f i c h t e . Z u r S t ä r k u n g der Resistenz der W a l d b e s t ä n d e und zur Steigerung der Z u w a c h s l e i s t u n g der W i r t s c h a f t s b a u m a r t e n w u r d e n die W a l d u n g e n u m H a s e l b a c h 1978 erstmalig v o n einem A g r a r f l u g z e u g m i t einem S t i c k s t o f f g r a n u l a t (Harnstoff) g e d ü n g t .

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Theuern, K r e i s Sonneberg W o die G r ü m p e n das Gebirge v e r l ä ß t und ihr enger, steilhängiger G r u n d in ein breites Sohlental des Muschelkalkvorlandes übergeht, liegt die Gemeinde Theuern. Ihr N a m e b e d e u t e t Siedlung im Theuerer Grund. D e r darin enthaltene F l u r n a m e beinhaltet vermutlich das W o r t teuer i m Sinne v o n w e r t v o l l u n d s t e h t e v e n t u e l l i m Z u s a m m e n h a n g mit der mittelalterlichen Goldwäscherei a n der G r ü m p e n (s. F 1). D a s Straßendorf Theuern setzt sich aus 2 Teilen zusammen. D a s untere D o r f liegt a n der Grümpen, a m E i n g a n g zum Theuerer Grund. D e r älteste Teil v o n U n t e r theuern, ebenfalls Theuerer G r u n d genannt, ist zweifellos die v e r s c h w u n d e n e Mahlmühle a m B a c h . Sie t r i t t in den schaumbergischen Reichslehnbriefen als „ M ü h l e in der K r ü m p t e n " z w a r erst 1559 auf, g e h t aber sicherlich bis ins hohe Mittelalter zurück. U n w e i t d a v o n d e h n t sich auf der H ö h e westlich der G r ü m p e n das W a l d s t ü c k D o r n t a l aus, das der südlichste Zipfel des alten schaumbergischen Reichsw a l d e s gewesen ist. U m die Mühle bildete sich in der ersten H ä l f t e des 19. Jh. eine kleine Siedlung. D a s höher gelegene Obertheuern auf einer Terrasse a m S ü d f u ß des 784 m hohen Stegers zieht sich gegen den T a l r a n d der G r ü m p e n hin. Dieses eigentliche Dorf ist eine spätere, erstmals 1425 als Deuern g e n a n n t e Rodesiedlung im B e s i t z der Schaumberger. Ihre B e w o h n e r n u t z t e n den Quellenreichtum a m Südrand des Gebirges. I m 19. Jh. verschmolzen beide Ortsteile, die schon vorher eine Gemeinde gebildet hatten. N u r die Besitzer der wenigen mittelgroßen B a u e r n h ö f e v o n T h e u e r n k o n n t e n v o n der L a n d w i r t s c h a f t leben. I n d e m sich vergrößernden ärmlichen O r t ließen sich bald W a l d a r b e i t e r nieder. A m E n d e des 18. Jh. b e g a n n hier die A n f e r t i g u n g v o n Sonneberger W a r e n im Hausgewerbe. I m 19. und frühen 20. Jh. verdienten sich die meisten E i n w o h n e r in der F a b r i k - und Heimindustrie ihren L e b e n s u n t e r h a l t , vorwiegend als Drechsler und Schnitzer. 1894 w u r d e im Dorf die Oberförsterei f ü r die W ä l d e r zwischen R a u e n s t e i n und d e m G e b i r g s k a m m eingerichtet. Ihre G e b ä u d e dienen dem Staatlichen F o r s t w i r t s c h a f t s b e t r i e b Sonneberg als Oberförsterei. Z w e i D r i t t e l der in Theuern w o h n e n d e n W e r k t ä t i g e n arbeiten außerhalb, v o r allem in Rauenstein, Sonneberg und Schalkau. I m O r t bieten ein Betriebsteil des V E B P l a s t a - W e r k e Sonneberg und die L a n d - und F o r s t w i r t s c h a f t A r b e i t s m ö g lichkeiten. W i c h t i g s t e s O b j e k t der L a n d w i r t s c h a f t ist ein S t a l l f ü r 200 Jungrinder. Die reizvolle L a g e des Ortes und seiner U m g e b u n g f ü h r t e zu einem A u f s c h w u n g des Erholungswesens. So richtete m a n in einem K u l t u r h a u s mit G a s t s t ä t t e a u c h Z i m m e r für Urlauber ein. 100

Theuern w a r früher nach Rauenstein eingeschult, erhielt aber 1813 eine eigene Schule. Sie w a r zuletzt eine selbständige Heimatschule, also eine Unterrichtsstätte f ü r die Klassen 1 bis 4. Seit 1965 besuchen die Schüler die polytechnische Oberschule in Rauenstein. 1976 schloß sich Theuern dem Gemeindeverband Schalkau an (s. J 6.3).

Rauenstein, Kreis Sonneberg, liegt zu F ü ß e n der einstigen B u r g und der Bergkirche a m Z u s a m m e n f l u ß des R u ß baches und des Poppengründer Wassers. Nahebei zieht sich die Verwerfungsspalte des Schiefergebirges entlang, w o sich Gebirge und südliches Vorland berühren. Der Straßeriberg (756 m) im N W und der Burgberg (750 m) im N O schützen die S i e d l u n g v o r rauhen Nordwinden. V o m Kirchberg hat man einen guten Überblick über die L a g e Rauensteins (Bild 33) und das sich südlich davon hinziehende Grümpental. Die ältesten Häuser stehen am Burgberg, von wo aus der O r t a n den zwei Lehnen des Tales entlang nach S und W (Straße nach Theuern) gewachsen ist. Auf den Grundwiesen an der G r ü m p e n befindet sich das Fritz-Heckert-Stadion. N u r geringfügige Überreste der B u r g Rauenstein — Stein ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung für eine Felsenburg — blieben auf dem nach S W gerichteten, e t w a 70 m x 45 m großen plateauartigen Sporn des Burgberges erhalten. Dieser Vorsprung w a r durch einen noch erkennbaren Graben v o m H a u p t b e r g getrennt. A u s den vorhandenen Mauerresten l ä ß t sich eine längsovale H ö h e n b u r g m i t Torhaus, Bergfried und Pallas rekonstruieren. Sie wurde um 1350 v o n den B r ü d e r n K A R L und H E I N R I C H V O N S C H A U M B E R G und ihrem N e f f e n H E I N Z aus der Mitwitzer Linie errichtet, u m von hier aus die den Schaumbergern nach den Auseinandersetzungen mit der hennebergischen Landesherrschaft verbliebenen Teile der Zent (s. Seite 11) Schalkau und des Reichswaldes zu schützen. Die Gründer mußten jedoch „ B e r g und V e s t e " — erstmals 1349 als Ruhestein und d a n n 1350 als Rawenstein genannt — schon bei ihrer Errichtung der L a n d e s h e r r s c h a f t zu Lehen auftragen und sie ihr im Kriegsfall offenhalten. In der F e h d e der Schaumberger gegen die wettinische Landesherrschaft 1395 wurde die B u r g erobert. Sie blieb aber den Schaumbergern und k a m in der zweiten H ä l f t e des 15. Jh. in gemeinschaftlichen Besitz dieses weitverbreiteten Geschlechts. Die B u r g wurde 1636 oder 1640 zerstört und als W o h n s t ä t t e aufgegeben. 1690 errichtete H A N S S I E G M U N D V O N S C H A U M B E R G unterhalb der verfallenen B u r g ein neues Herrenhaus. 1783 wurde dieses große zweigeschossige völlig v e r p u t z t e Gebäude mit hohem ausgebautem Mansarddach der Porzellanmanufaktur zur Nutzung überlassen und entsprechend hergerichtet. Seit 1933 befindet sich hier der Sitz der Gemeindeverwaltung. Unmittelbar vor den Befestigungsanlagen der ehemaligen B u r g liegt die kleine Kirche — die erweiterte B u r g k a p e l l e — , die zugleich Orts-, B u r g - und Begräbniskirche der Herren von Schaumberg-Rauenstein war. Urkundliche Nachrichten belegen einen B a u v o n 1453, der, durch Ablaßgelder ermöglicht, einen wahrscheinlich romanischen Vorgänger ersetzte. Die Untergeschosse des T u r m s sind noch diesem gotischen B a u zuzurechnen. D a s heutige Gebäude wurde 1892 unter Veirwen$

Sonneberg

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clung älterer Reste in neugotischen Formen aus bearbeiteten einheimischen Sandsteinquadern neu erbaut und präsentiert sich als kleiner geosteter Rechtecksaal mit quadratischem Westturm mit Schweifhaube. In gleichen Formen wurde der Innenraum gestaltet. Die Kanzel ist ein Werk des Übergangsstils von der Spätgotik zur Renaissance und datiert aus der Wende zum 16. Jh. Im Inneren der Kirche befinden sich Grabsteine für 1683 bis 1693 verstorbene Schaumberger Familienmitglieder, sie besitzen ausführliche Inschriften und sauber gearbeitete Familienwappen. Das Geläut der Kirche stammt von 1853 und 1878. Das Dorf Rauenstein ist sicherlich jünger als die Burg und wird erstmals 1445 genannt. Seine kleine Flur reichte nur für 6 Sölde (kleine Bauerngüter), manche Bewohner lebten vom Tagelohn in der Waldarbeit. Um die Mitte des 18. Jh. drang auch hier die Anfertigung Sonneberger Holzspielwaren ein, dennoch erduldeten 1781 die Einwohner „alle Arten des menschlichen Elends". Sie waren gezwungen, ein unstetes Dasein zu führen: Im Winter stellten sie hölzerne Küchengeräte her; im Sommer zogen die Männer durch Thüringen bis zum Harz, um sich zu verdingen. Rauenstein zählte damals mit zu den ärmsten Dörfern des Waldes. Eine Wendung brachte die 1783 gegründete Porzellanfabrik, die der Besitzer der Glashütte Glücksthal (s. B 4), J O H A N N G E O R G G R E I N E R , sein Sohn C H R I S T I A N D A N I E L S I E G M U N D G R E I N E R und der Glashüttenbesitzer J O H A N N FRIEDRICH G R E I N E R in Lauscha (s. C 2 . 1 ) und Henriettenthal errichten ließen. Rauenstein nahm seitdem einen raschen Aufschwung und entwickelte sich zum kapitalistischen Fabrikdorf. Die Porzellanfabrik war am Ende des 18. Jh. das größte Gewerbeunternehmen im südöstlichen Thüringer Wald. Sie beschäftigte 1802 bereits 121 Arbeiter ohne Holzfäller und Tagelöhner. Im Jahre 1851 betrug die Arbeiterzahl 180. Viele der in der Porzellanfabrik Arbeitenden kamen als Wochenpendler aus Grümpen, Theuern, Schalkau, Steinheid, Lauscha und sogar vom 14 km entfernten Schnett. Die Einwohnerzahlen stiegen rasch an, erhöhten sich von 271 im Jahre 1793 auf 631 im Jahre 1851. Im Dorf wurde 1786 eine Schule gebaut und 1836 ein Friedhof angelegt. Die Wirtschaftskraft der Fabrik erreichte 1815/1816 mit 1 4 1 7 9 ^ . ( = Gulden) Gewinn bei 45 576 fl. Umsatz einen ersten Höhepunkt. Um die Mitte des 19. Jh. betrug der Jahresumsatz schon 100000 fl. Die Beschäftigten stellten Massenbedarfsartikel wie Geschirr, Pfeifenköpfe und Figuren für einen breiten Kundenkreis her. Typisch waren das Zwiebel- und das Strohmuster sowie das Vogel-BlumenMuster in Kobaltblau und Purpur. Diese traditionellen Gestaltungsprinzipien behielt die Rauensteiner Fabrik bis zum Beginn des 20. Jh. bei. Nach dem Beispiel anderer Unternehmer ließen auch die Besitzer dieser Porzellanmanufaktur Fabrikmünzen prägen und als Lohngeld zahlen. Damit waren die Arbeiter gezwungen, ihren Verdienst im betriebseigenen Laden umzusetzen. Dieser Geldersatz ging als Rauensteiner Wanzen in die Ortsgeschichte ein. 1901 wurde die Fabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in der der mit der Deutschen B a n k verflochtene Strupp-Konzern (Kahla-Konzern) als Aktionär bestimmte. Das Unternehmen war 1893 durch den Ankauf einer zweiten, schon 1887 gegründeten Porzellanfabrik wesentlich vergrößert worden und beschäftigte 1906 etwa 570 Arbeiter und Angestellte. Hauptsächlich wegen der Fabrik erhielt 1910 Rauenstein durch eine besondere Gleisschleife Anschluß an die Eisenbahnlinie Sonneberg—Eisfeld. Das Werk erwarb 1921 weitere Anlagen am Bahnhof, 102

die nach Neueinrichtung 1924 eröffnet wurden. Die B e l e g s c h a f t betrug damals außer zahlreichen Heimarbeitern 430 Personen. N a c h der Stillegung während der Weltwirtschaftskrise n a h m m a n in der Zeit des Faschismus die Produktion v o n Rüstungsgütern auf. Rauenstein w a r im 19. und 20. Jh. ein Arbeiterdorf. D e r Sozialstruktur nach gehörten 1939 insgesamt 6 2 % der Bewohner der Arbeiterklasse an. Die Sozialdemokratie gewann schon bei den Reichstagswahlen 1877 f a s t die H ä l f t e der Stimmen und 1912 die Stimmenmehrheit. In der Zeit der Weimarer R e p u b l i k bildete der Ort einen H a u p t s t ü t z p u n k t der K P D im Sonneberger Gebiet. N o c h i m März 1933 erhielten Kommunisten und Sozialdemokraten bei den W a h l e n f a s t die H ä l f t e aller Stimmen. N a c h dem Zusammenbruch des faschistischen Staates 1945 schlössen sich die Rauensteiner Arbeiter zu einer Einheitspartei zusammen, viele Monate v o r der offiziellen Vereinigung der K P D und S P D zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auf dem Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Rauenstein als heute wichtigster Industriestandort im Sonneberger Hinterland bietet vielfältige Erwerbsmöglichkeiten: im V E B Industriewerk Rauenstein (Betrieb des Werkzeugmaschinenkombinats Fritz H e c k e r t Karl-Marx-Stadt) und im V E B Spielzeug. Im Industriewerk werden Werkstoffprüfmaschinen hergestellt, in der Spielzeugindustrie Stoff- und Pelztiere. Die Betriebe sind Ziele einer ansehnlichen Arbeitspendelwanderung aus den Dörfern zwischen B a c h f e l d und E f felder, vor allem aus Schalkau und Grümpen. N u r wenige Rauensteiner fahren nach auswärts zur Arbeit. Eine zentralörtliche Stellung n i m m t Rauenstein mit seiner zehnklassigen polytechnischen Oberschule ein, sie wird auch v o n den Schülern der Nachbargemeinden Grümpen, Theuern und Meschenbach besucht. Die starke wirtschaftliche Basis des Ortes widerspiegelt sich sowohl in ihrer Altersstruktur als auch in der E n t w i c k l u n g der Bewohnerzahlen, die beide deutlich über dem Durchschnitt des Kreises Sonneberg liegen. Seit 1976 gehört Rauenstein zu dem Gemeindeverband mit Sitz in Schalkau (s. J 6.3). Der Dialekt der Rauensteiner weicht von dem der Mehrzahl der Dörfer des Kreises Sonneberg ab. Die bei Rauenstein verlaufende Sprachgrenze b e t r i f f t v o r allem zwei Lautkomplexe. D a s neuhochdeutsche o wird in den meisten Orten des Kreises als ue, als sogenannter Diphthong, gesprochen, also Bruet (Brot), Luech (Loch), Buedn (Boden), XJefn (Ofen), ruet (rot), Vuegl (Vogel), Fruesch (Frosch). In R a u e n stein und den benachbarten Dörfern spricht man s t a t t dessen ein langes 0: Broot, Looch, Booden usw. Die Rauensteiner erhielten dafür den Spottnamen Raueschtääner Boodenlooch. Ähnlich verhält es sich mit dem mundartlichen D i p h t h o n g i-e: Ki-et (Kette), I-ech (Egge), Hi-efn (Hefe), Bi-et (Beet) haben in Rauenstein die schriftsprachennähere F o r m Keet, Eech, Heefn, Beet (s. K 2).

Truckenthal, Kreis Sonneberg Die Bezeichnung Truckenthal oder Trockental ist erstmalig 1349/50 belegt. Sie betraf zunächst den Talgrund und wurde später für die Ansiedlung übernommen. Der N a m e verweist auf eine natürliche Besonderheit des B a c h b e t t e s : Oberhalb des Ortes versickert das Truckenthaler Wasser am Ü b e r g a n g v o m Schiefergebirge 8*

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den Kalksteinen des Vorlandes und tritt in Truckenthal aus einem Bergspalt bachartig wieder zutage. Im Dorf wurde 1959 bei Schachtarbeiten am Schulgarten ein frühmittelalterliches Reihengräberfeld angeschnitten. Die an der Ortsstraße gelegene Fundstelle erbrachte 8 Steinpackungsgräber, davon 2 Kindergräber. An Beigaben kamen 2 Ohrringe aus Bronze und Reste der eisernen Beschläge eines Holzeimers zutage, die der Fundpfleger H E R M A N N M Ü L L E R sicherstellte. Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar deckte i960 eine weitere Bestattung mit einem Toten in gestreckter Haltung mit ostwestlicher Orientierung auf. Das Grab besaß eine unvollständige Steinsetzung. Als Beigaben kamen eine eiserne Schnalle und eine eiserne Messerklinge zum Vorschein. Eine zeitliche Einordnung des Gräberfeldes gestatten vor allem die beiden Ohrringe, die aufgrund ihrer Größe jenen Ringformen zugewiesen werden können, die in die Zeit vom 8. Jh. bis zur ersten Hälfte des 10. Jh. datiert werden. Die Grabfunde von Truckenthal gehören zu den archäozu

I Abb. 25. Werkzeug der Märbelpicker (nach S P E R S C H N E I D E R 1977)

logischen Zeugnissen des frühmittelalterlichen Landausbaus, der das Vorland des Thüringer Waldes von S her erfaßte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es sich dabei um Bestattungen slawischer Siedler gehandelt, die im engen kulturellen Kontakt zur deutschen Bevölkerung in diesem Gebiet standen. Im hohen Mittelalter arbeiteten am Truckenthaler Wasser schaumbergische Goldwäschereien. Der Ort wird erstmals im Lehnbuch des Markgrafen F R I E D R I C H D E S S T R E N G E N von 1358/62 genannt, als dort adlige Lehen der Familie Kemmater verzeichnet werden. Im Dorf befanden sich 2 Mahlmühlen am Truckenthaler Wasser. Im Grund oberhalb des Ortes arbeiteten im 19. Jh. 2 Schneidemühlen. Die Bewohner beschäftigten sich vornehmlich mit der Landwirtschaft, doch zog im 19. Jh. Sonneberger Holzspielwarenindustrie im Hausgewerbe ein, und bald überwog in Truckenthal die gewerbliche Tätigkeit. Die Ortschaft liegt in 430 m Höhe in einem Wiesengrund zwischen dem Weinberg und dem Galgenberg und zieht sich zweizeilig längs der Landstraße Schalkau — Theuern hin. Erwähnenswert ist der alte, i960 stillgelegte Gemeindebackofen, ein einfacher Bruchsteinbau mit Satteldach, der unter Denkmalschutz steht. Nordöstlich von Truckenthal, wo sich das weite Sohlental des Truckenthaler Wassers verengt, befindet sich das Pionierlager Junge Garde mit großen Wirtschaftsgebäuden, einem Sportplatz und einer Freilichtbühne. 104

Als letzte Märbeimühle Südthüringens arbeitete in Truckenthal die Vogelsmühle mit 4 Gängen und 2 Wasserrädern. Sie stand unterhalb des Hauses Ortsstraße 4. Von ihr bewahrt das Otto-Ludwig-Museum in Eisfeld als technisches Denkmal die Inneneinrichtung auf. Auf ihr wurden bis 1954 Marbel hergestellt, kleine Steinkugeln zum Spielen. Die Räume des Museums beherbergen außerdem das Werkzeug (Abb. 25) der Märbeihacker und -müller. Die Herstellung von Natursteinmärbeln erfolgte seit 1770 als ein besonderer Zweig der Mühlenindustrie. Die Schichten dichter Kalke von gleichmäßiger Körnung, der sogenannte Riegelsatz und die oberen Platten mit einer Mächtigkeit von 0,5 bis 1,5 m, eigneten sich als Rohstoffe für die Steinkugeln. In Schächten bis zu 20 m Teufe oder am Ausstreichen dieser Schichten bei Truckenthal, Mengersgereuth, Rabenäußig und Melchersberg bauten die Märbelpicker oder -hacker, die Ärmsten der Bevölkerung, die Steinplatten ab und spalteten diese zu Würfeln. Die Märbeimüller rundeten die Steine in ihren durch Wasserkraft angetriebenen Mühlen im Walzbetrieb und färbten sie anschließend ein. Es wurden Kugeln von 22 bis 42 mm Durchmesser hergestellt. Die Blütezeit der Märbeiindustrie lag zwischen 1840 und 1855 und in den siebziger Jahren des 19. Jh. 1880 arbeiteten 66 Mühlen mit 200 Mahlgängen in den Tälern der Effelder, Grümpen und Itz sowie des Truckenthaler Wassers ( F U G M A N N 1938). 600 bis 750 Beschäftigte erzeugten im Jahr 135 Millionen Stück Märbeln. Als die Märbjelhacker begannen, Spielwaren herzustellen, verfielen viele Schächte, und die Mühlen mußten ihren Rohstoff aus dem Werratal beziehen. Die Anfertigung von Glas-, Porzellan- und Tonmärbeln ließ die Steinmärbelindustrie in den Hintergrund treten, so daß die Mühlen nach dem ersten Weltkrieg nacheinander eingingen. An den Berghängen um Truckenthal sind auffallend zahlreiche Vertreter der Kalkflora heimisch: Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), Aufrechte Trespe (Bromus erectus), Waldsegge (Carex sylvatica), Bergsegge (Carex montana), Sanikel (Sanícula europaea) und Abbißpippau (Crepis praemorsa). Unter Naturschutz stehen folgende kalkholde Orchideen: Weißes Waldvöglein (Cephalanthera damasoniittn). Braunroter Sitter (Epipactis atrorubens), Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Fliegenragwurz (Ophrys inseclifera), Männliches Knabenkraut (Orchis mascula) und Blasses Knabenkraut (Orchis pallens). Auch das Waldwindröschen (Anemone sylvestris), das Birngrün (Orthilia secunda) und das Moosauge (Moneses uniflora) unterliegen den Naturschutzbestimmungen. Dank der klimatisch günstigen Lage betreibt die L P G (P) Schalkau ertragreichen Feldbau auf der Truckenthaler Flur. Ein Drittel der Werktätigen geht oiner Beschäftigung am Ort in der Landwirtschaft oder Spielwarenindustrie nach. Zwei Drittel fahren täglich zur Arbeit nach Schalkau, Rauenstein und Sonneberg. Lokales Versorgungszentrum für Truckenthal wie auch für weitere benachbarte Dörfer ist Schalkau (s. J 6.3), zu dessen Gemeindeverband der Ort seit 1976 gehört.

Dorntal Der bis 527 m ansteigende Höhenzug zwischen Grümpen und Theuern wird seit alters als Dorntal bezeichnet und gehört zur Schalkauer Platte. Sein steil abfallender Ost-, West- und Südhang besteht aus Unterem Wellenkalk, nach N verbreitert sich

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das Kalkplateau. Auf seinem Verwitterungsmaterial bildeten sich flach- bis mittelgründige Kalkbodentypen, so typische Rendzinen und Kalkstein-Braunrendzinen. Sie tragen je nach Exposition und Bodenfrische im S langsam wüchsige Kiefernund Fichtenforstgesellschaften, in denen hier und da ein Wacholderstrauch (vergleiche den Namen Wacholderberg) und die unter Naturschutz stehende Silberdistel (Carlina acaulis) anzutreffen sind. A m frischeren Osthang stockt artenreicher gutwüchsiger Kalkbuchenwald mit Bodenpflanzen wie Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus), Wolligem Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus), Waldgerste (Hordely-

A b b . 26. Wuchsformen der Fichte (links) und Tanne (rechts) im Dorntal (nach Vorlagen von A. E N G E L H A R D T ) mus europaeus), Vogelnestwurz (Neottia nidus-avis, unter Naturschutz), Vielbliitiger Weißwurz (Polygonatum multiflorum), Gelbem Eisenhut (Aconitum vulparia), Tollkirsche (Atropa bella-donna) und mit Sträuchern wie der Roten Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und dem in unseren Gebirgswäldern häufig anzutreffenden Bergholunder (Sambucus racemosa). Im Dorntal weist der gutwüchsige aufgelockerte Fichten-Tannen-Bestand einen hohen Anteil an Tannen auf. Beide Holzarten (Abb. 26) sind hier schon vor mehreren Jahrhunderten bezeugt worden ( M I N C K W I T Z 1 9 5 6 ) . Seit einigen Jahren umgibt ein

Schutzzaun, der das auf der S c h a l k a u e r P l a t t e zahlreiche R e h - und a u c h R o t w i l d a b h a l t e n soll, den m i t Douglasie und R o t b u c h e u n t e r b a u t e n B e s t a n d . N a t ü r l i c h e r T a n n e n a n f l u g ( A n f l u g v o n Tannensamen) ist äußerst selten. Allerdings b e o b a c h t e t m a n a u c h i m D o r n t a l das T a n n e n s t e r b e n unserer Mittelgebirge, d a s sich i m K r ä n k e l n und allmählichen A b s t e r b e n alter, j e d o c h a u c h junger B ä u m e b e m e r k b a r m a c h t . Die T a n n e f ü h l t sich a m wohlsten i m ungleichaltrigen und g e m i s c h t e n B u c h e n T a n n e n - F i c h t e n - P l e n t e r w a l d ; sie reagiert aber n e g a t i v auf K a h l s c h l a g w i r t s c h a f t , Jugendfrost, Zerstörung des W a l d i n n e n k l i m a s , B o d e n v e r d i c h t u n g , R o h h u m u s auflage, Trockenperioden sowie auf Schädlinge (Tannenkrebs, W o l l a u s , T a n n e n triebwickler, T a n n e n b o r k e n k ä f e r ) , W i l d s c h ä d e n und Verunreinigungen der L u f t . D a sich die T a n n e bei uns a m N o r d r a n d ihres natürlichen V e r b r e i t u n g s g e b i e t e s befindet, f ü h r e n F a c h l e u t e als U r s a c h e n a u c h klimatische V e r ä n d e r u n g e n an, die sich hier zuerst auswirken.

Grümpen, K r e i s Sonneberg Die Fernverkehrsstraße 89 v o n Sonneberg nach E i s f e l d b e r ü h r t den südlichen Ortsrand v o n G r ü m p e n . V o n hier aus erstreckt sich d a s Straßendorf n a c h N längs des gleichnamigen B a c h s in R i c h t u n g Rauenstein. D e r N a m e des O r t e s — 1428 Kruempen — wurde v e r m u t l i c h v o n d e m des B a c h s ü b e r n o m m e n (s. F 2). N a h e b e i lagen im S p ä t m i t t e l a l t e r Goldwäschereien. D a s Dorf gehörte vorwiegend z u m grundherrlichen B e s i t z der Schaumberger i m A m t Schalkau, die hier L e h e n der A b t e i B a n z besaßen. Die B e w o h n e r lebten z u n ä c h s t v o n der L a n d w i r t s c h a f t , die in der f r u c h t b a r e n T a l a u e eine g u t e G r u n d l a g e besaß. I m s p ä t e n 18. Jh. z o g in G r ü m p e n Sonneberger Spielzeugindustrie als H a u s g e w e r b e ein. I m 19. Jh. w a n d e l t e sich der O r t in eine A r b e i t e r w o h n g e m e i n d e , w o L a n d w i r t s c h a f t nur noch v o n w e n i g e n B a u e r n im H a u p t b e r u f betrieben wurde. H e u t e ist G r ü m p e n v o r w i e g e n d W o h n o r t v o n A r b e i t s k r ä f t e n f ü r die R a u e n s t e i n e r Industriebetriebe, mehr als zwei D r i t t e l aller B e r u f s t ä t i g e n verdienen ihren U n t e r h a l t außerhalb. W i c h t i g s t e E i n r i c h t u n g der industriemäßigen L a n d w i r t s c h a f t in G r ü m p e n ist die K a r t o f f e l s o r t i e r a n l a g e der L P G P f l a n z e n p r o d u k t i o n S c h a l k a u , die den gesamten K r e i s Sonneberg beliefert. W e i t e r h i n bestehen in G r ü m p e n Mastställe f ü r 600 Schweine der L P G T i e r p r o d u k t i o n S c h a l k a u . D a s Dorf h a t sich in den letzten beiden J a h r z e h n t e n an der S t r a ß e n a c h R a u e n s t e i n e n t l a n g meist durch Einfamilienhäuser vergrößert. D i e älteren H ä u s e r sind z u m g r ö ß t e n Teil renoviert, so d a ß der O r t einen freundlichen, sauberen E i n d r u c k m a c h t . G r ü m p e n z ä h l t zu den wenigen Gemeinden des Kreises Sonneberg, deren E i n w o h n e r zahl angestiegen ist. Schulisch gehört das Dorf seit 1965 zur P o l y t e c h n i s c h e n Oberschule Rauenstein. 1976 k a m G r ü m p e n z u m G e m e i n d e v e r b a n d S c h a l k a u (s. J 6.3).

Schalkau, K r e i s Sonneberg, liegt im weiträumigen M u l d e n t a l der oberen I t z , a n der E i n m ü n d u n g des T r u c k e n thaler Wassers. D i e K l e i n s t a d t ist v o n K a l k b e r g e n umgeben, deren s c h a t t i g e N o r d h ä n g e m i t W a l d bestanden sind (Schaumberg), w ä h r e n d die t r o c k e n e n Südhänge hauptsächlich v o n W i e s e n und W e i d e n eingenommen w e r d e n (Galgenberg).

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i

Schaumburg Westlich von Schalkau erhebt sich der 492 m hohe Schaumberg (Bild 31), aufgebaut aus Wellenkalk über Kalk- und Dolomitschichten des Röts. Auf seiner Kuppe stand eines der markantesten Feudalzentren des Sonneberger Landes. Die zwischen 1157 und 1172 errichtete Burg war vermutlich Eigentum des im n . und 12. Jh. im Vorland des Waldes nachweisbaren edelfreien Geschlechts der Grafen SterkerWohlsbach. Ihren letzten Sproß verzeichnet eine Urkunde von 1180 als Graf Hermann von Scowenberg. Später ging die nunmehr reichslehnbare Burg an das Meranier (Meranien = Küstenlandschaft Kroatiens und Dalmatiens) Ministerialengeschlecht von Schaumberg über, das — soweit bekannt — erstmals 1216 nach der Burg benannt wird. Die Schaumburg war Mittelpunkt der Herrschaft SchalkauSchaumberg. Bei Herstellung der Landesherrschaft suchten sich die Grafen von Henneberg und später die wettinischen Landesherren der Pflege Coburg vor allem in den Besitz dieser Burg zu setzen. Die Schaumberger mußten 1315 die Reichslehnbarkeit der Burg mit der hennebergischen Lehensherrschaft tauschen und verloren um 1362 die Burg ganz an die Wettiner, obwohl ihnen die halbe Zent Schalkau und der Thüringer Wald zwischen Schalkau und dem Gebirgskamm verblieben. 1499 kaufte W I L W O L T V O N S C H A U M B E R G den Stammsitz zurück und ließ ihn stark befestigen. Die Burg war zuletzt im Besitz der Almerswinder Linie der Schaumberger, denen auch Rauenstein gehörte. Sie wurde 1636 oder 1640 zerstört und als Wohnsitz aufgegeben. Die heutigen Baureste (Abb. 27) auf der' waldbestandenen Kuppe scheinen im wesentlichen Bauten des 15. Jh. zuzugehören. Nur die aus bearbeiteten Bruchund Quadersteinen gefügte ovale Ringmauer stammt vielleicht vom Ende des 13. Jh. Obwohl die Burg sich auf einem allseitig abfallenden Bergkegel erhob, war sie durch einen ringsherum führenden trockenen Graben und eine ziemlich hohe Wallmauer zusätzlich gesichert. Davor lag noch ein zweiter niedrigerer Erdwall. Haibschalentürme mit schlüsseiförmigen Schießscharten standen an den Außenmauern. U m den knapp 30 m x 15 m großen Innenhof gruppierten sich Wohnund Verteidigungsbauten, die von 4 Ecktürmen flankiert waren. Nach der Zerstörung der Burg blieb das dazugehörende Rittergut am Berghang in Betrieb, kam 1732 von den Schaumbergern an die Meininger Herzöge und 1838 in Privatbesitz. Das Gut wurde im Zuge der demokratischen Bodenreform 1945 aufgeteilt, die Ruine aber der Pflege der Stadt Schalkau unterstellt. Das Volksgut Katzberg bewirtschaftet die Felder und Wiesen. Abbildungen aus der Zeit um 1900 zeigen auf dem Ruinengelände wenige Bäume und Sträucher. Heute finden wir dort und am kurzen Kalksteinhang üppige Bestände von Erle, Bergahorn, Weide, Traubeneiche, Kirsche, Haselnuß, Weißdorn, Schlehe, Heckenrose, vereinzelt auch Bergulme, Buche, Feldahorn. Auf den rotbraun gefärbten, frischen und nährstoffreichen Röt-Tonböden am Osthang und am Fuß des Schaumberges gedeihen ein kräftiges Rotbuchenaltholz, daran anschließend ein gutwüchsiger Fichtenbestand mit weiteren Rotbuchengruppen sowie einzelne alte Lärchen und starke Tannen.

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J 6.1

Ruine Schaumburg

Abb. 27. Lageplan der Ruine Schaumburg (nach LEHFELDT 1899) Geschichte

J 6.2

Schalkau wird erstmals 1232 als Schalcken in einer Urkunde der Abtei Banz erwähnt. Dieses Schriftstück und der frühe, große Pfarrsprengel des Ortes lassen erkennen, daß es sich schon im Hochmittelalter um einen regionalen Mittelpunkt gehandelt hat. Als Sitz der schaumbergischen Zent (s. J 2) war Schalkau eng mit der benachbarten Schaumburg (s. J 6.1) jenseits der sumpfigen Itzniederung verbunden. Auch der Ortsname nimmt auf diesen Zusammenhang Bezug: Schalken — die Hörigen und Gefolgsleute der Ritter von Schaumburg. Im 16. und 17. Jh. wandelte sich die Schreibweise zu Schalka, Schalkaw und Schalckau, während mundartlich auch heute noch die ursprüngliche Sprachform Schalken lebendig Die Anlage von Schalkau weist keine Spuren einer dörflichen Siedlung auf, so daß eine Stadtgründung durch die Schaumberger schon im 13. Jh. oder frühen 14. Jh. nicht auszuschließen ist. Schalkau wird erstmals 1317 als Stadt bezeichnet, und am 6. Dezember 1362 wurde ihr durch Markgraf FRIEDRICH DEN STRENGEN von Meißen als Landesherrn der Pflege Coburg das Stadt- und Marktrecht sowie die niedere Gerichtsbarkeit in ihrer Flur verliehen, wie sie die Städte Neustadt und Rodach bei Coburg bereits besaßen. Auch erhielt die Stadt damals das Recht, sich 109

J 6.2 zu befestigen. Die Bezeichnung Flecken im 15. und 16. Jh., bis 1599, und das späte Auftreten eines Rates als Organ der städtischen Selbstverwaltung i486 deuten allerdings auf eine langsame und mühsame Entwicklung hin. Von der Befestigung sind das Eisfelder und das Effelderer Tor sowie die Mauer im 16. Jh. nachweisbar. • Das Stadtwappen zeigt einen geteilten Schild, oben mit wachsendem Löwen der Wettiner, unten mit einem Dreiberg, über dem 2 fünfblättrige Blumen über Kreuz in den Farben Blau, Weiß und Rot der Schaumberger stehen. Das Wappen tritt erstmals im Stadtsiegel von 1532 auf. Entsprechend der Doppelherrschaft der Zent und des späteren Amtes Schalkau — erstmals 1359 erwähnt — war auch die Stadtherrschaft zwischen den Schaumbergern und den Hennebergern, an deren Stelle 1353 die Wettiner traten, zweigeteilt. Bis 1763 gab es daher sowohl einen schaumbergischen (oder Rauensteiner) als auch einen sächsischen R a t mit vollkommen getrennter Bürgerschaft, Verwaltung und Finanzwirtschaft. Diese Verhältnisse hemmten die städtische Entfaltung. Die Stadtverfassung der kapitalistischen Epoche mit Bürgermeistereisystem wurde 1837 eingeführt. Schalkau war in der Epoche des Feudalismus eine Ackerbürgerstadt, deren Handwerkerschaft nur eine örtliche Bedeutung besaß. Im Dreißigjährigen Krieg hatte der Ort erheblich gelitten, und nach dem Neuaufbau warf ihn ein Großbrand von 1690 erneut zurück. Im 18. Jh. wurden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner als wenig günstig geschildert, doch blühte am Jahrhundertausgang die Gerberei auf. Die in Schalkau und seiner Umgebung im 18. Jh. betriebene gute Schafzucht führte 1790 zur Gründung einer Wollmanufaktur, die aber schon 1801 wieder einging, so daß in der ersten Hälfte des 19. Jh. die Schalkauer Wolle unverarbeitet in die Zentren der thüringischen und vogtländischen Textilindustrie geliefert wurde. Seit dem Anfang des 19. Jh. breitete sich in der Stadt die Sonneberger Spielzeugindustrie zunächst im Hausgewerbe, später auch im Fabrikbetrieb aus. Viele Bewohner stellten zunächst Menschen, Tiere und Einrichtungen aus der bäuerlichen Welt als Holzspielwaren her, später aber vor allem Plüschspielwaren. Die wirtschaftliche Entwicklung Schalkaus, das abseits der wichtigen Verkehrsverbindungen lag, wurde durch den Bau der Landstraße Sonneberg —Eisfeld 1826 erleichtert. Weitere Impulse gab der Anschluß an das Eisenbahnnetz, der allerdings erst 1910 durch die Nebenlinie Sonneberg —Schalkau —Eisfeld erfolgte. Die schwere soziale Lage der Mehrheit der Bevölkerung führte bereits während der Revolution von 1848 zu Unruhen. Spielwarenarbeiter, Drechsler und Weber demonstrierten 1848 gegen örtliche Mißstände und forderten die Wiedereinsetzung eines wegen fortschrittlicher Anschauungen inhaftierten Lehrers. Schon bei den Wahlen 1877 konnte die Arbeiterpartei in Schalkau viele Stimmen gewinnen, und zu Anfang des 20. J h . entstand ein sozialdemokratischer Wahlverein, dessen Mitglieder meist Spielwarenarbeiter waren. Die Notlage der Jahre nach dem ersten Weltkrieg veranlaßte viele Männer zur vorübergehenden Arbeitsaufnahme im Raum Halle—Merseburg. Von dort brachten sie revolutionäre Ideen mit. Diese fanden ihren Niederschlag in der 1923 erfolgten Gründung einer Ortsgruppe der K P D , die bald 60 bis 70 Mitglieder zählte. Bereits 1922 war ein Kommunist in den Gemeinderat eingezogen, bis 1925 erhöhte sich ihre Zahl auf 4 kommunistische Vertreter. Bis 1933 gab die Ortsgruppe der K P D eine eigene Schrift heraus: Der Rote Flieger. Auch nach der Machtergreifung durch die Faschisten und der Verhaftung führender

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Genossen setzte sie ihre Tätigkeit in der Illegalität fort. Die Wahlen im März 1933 J 6.2 brachten den Kommunisten einen großen Stimmenanteil, und die während einer Kundgebung am Kirchturm angebrachte rote Fahne kündete vom Widerstandswillen unbeugsamer Arbeiter. Schalkau bildete mit den umliegenden Orten ein Spielwarenzentrum im Sonneberger Raum. Die besondere Konjunkturanfälligkeit dieses Wirtschaftszweiges führte zu sozialen Mißständen der Heimarbeiter, die bis 1945 in bescheidenen Verhältnissen lebten.

Gegenwärtige Struktur

J 6.3

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nahm die Industrie in Schalkau eine stabile Entwicklung. So schlössen sich 1946 die zahlreichen Kleinbetriebe in der Stadt und ihrem Umland zu einer Einkaufs- und Liefergenossenschaft zusammen, und 1958 wurde die Produktionsgenossenschaft der Spielwarenhersteller gegründet. Aus ihr und weiteren ehemaligen Privatbetrieben ging der V E B Spielwaren Schalkau hervor, der vor allem Puppen und Plüschspielwaren fertigt. Mehr als die Hälfte seiner Produkte wird exportiert. Neben der führenden Spielwarenindustrie sind in Schalkau Betriebe der Elektro^ technik und Textilindustrie lokalisiert. Der 1947 gegründete V E B Elektra produziert Drehkondensatoren für die elektrotechnische Industrie. Vorwiegend Frauen finden Arbeit im V E B Bekleidungswerk. Schalkau bietet heute fast 1500 Werktätigen Erwerbsmöglichkeiten, von denen mehr als 300 aus den umliegenden Dörfern, aber auch aus Sonneberg kommen. Umgekehrt arbeitet ungefähr jeder dritte der in Schalkau wohnenden Berufstätigen außerhalb, besonders in Rauenstein und Sonneberg. Die wirtschaftliche Stärkung der Kleinstadt widerspiegelt sich auch in ihrer Einwohnerentwicklung. Der Ort zählt zu den wenigen Gemeinden des Kreises Sonneberg, deren heutige Einwohnerzahl den Vorkriegsstand deutlich übertrifft (Anhang E). Eine Schule bestand in Schalkau schon vor der Reformation. 1881 richtete L o u i s B L E C H S C H M I D T eine Fachschule für Zeichnen, Malen und Modellieren ein und leitete sie; eine Realschule gab es von 1923 bis 1932. 1955 wurde die Goethe-Schule in eine zehnklassige Schule, eine der ersten im Kreis Sonneberg, umgewandelt. Die Einrichtung nimmt die Kinder aller umliegenden Gemeinden auf, nachdem 1970 die Heimatschule (s. J 1) Emstadt als letzter Rest der alten Landschulstruktur im Umland von Schalkau verschwunden war. Die gestiegene Bedeutung der P O S spiegelt sich im Bau einer neuen Turnhalle und in Erweiterungen des Schulgebäudes wider. Zentralörtliche Funktionen nimmt Schalkau für die benachbarten Dörfer auch im Gesundheitswesen (Landambulatorium, Apotheke, Arztpraxen) und mit seinen Einkaufsmöglichkeiten wahr. Seit 1976 ist Schalkau Sitz eines Gemeindeverbandes, der die Gemeinden Almerswind, Bachfeld, Emstadt, Grümpen, Katzberg, Mausendorf, Meschenbach, Rauenstein, Roth, Theuern und Truckenthal umfaßt. Neue Impulse zur Festigung der Zentralstellung für das Hinterland ergeben sich aus der Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft. Die 1978 gegründete L P G Pflanzenproduktion bewirtschaftet die landwirtschaftliche Nutzfläche von 20 ehe111

J 6.3 maligen LPGs und einem volkseigenen Gut und somit den westlichen Teil des Kreises Sonneberg. Das zu bearbeitende Gebiet reicht von Mengersgereuth-Hämmern bis zum Bachfelder Berg und umfaßt 3670ha, davon 1970ha Ackerland. E s schließt 16 Gemeinden ein. Kartoffeln werden meistens auf den Buntsandsteinböden südlich der F 89 angebaut, an Getreidearten vor allem Weizen und Gerste, die zum Teil als Braugerste verwendet wird, auf den übrigen Äckern. Die Düngung der Felder erfolgt von Hubschraubern und Agrarflugzeugen aus, die vom Agrochemischen Zentrum Sonneberg versorgt werden und ihre Flugplätze bei Malmerz, Theuern und Schalkau haben. Hauptaufgabe der L P G Pflanzenproduktion ist die Versorgung der Viehbestände des Kreises mit Futter. Die nicht mit mechanischen Aggregaten bearbeitbaren Hangflächen werden als Schaf- und Jungviehweiden genutzt. Analog der Pflanzenproduktion faßt die L P G Tierproduktion die Viehzucht und -haltung im westlichen Kreis Sonneberg in einem Betrieb zusammen. Ihre größten Anlagen stehen in Ehnes für 1000 Milchkühe und in Effelder (s. K 6).

J 6.4 S t a d t b i l d (Abb. 28) Der Ortskern von Schalkau bietet das Bild einer südthüringisch-fränkischen Kleinstadt. Sein regelmäßiger Grundriß weist eine Rippenform von 180 m x 1 1 0 m Seitenlänge auf. Die Kirche im Zentrum wurde erstmals 1232 erwähnt. Ihr ältester Bauteil stammt aus dem 13. J h . : die Sakristei, die auch den' 1706 erneuerten Turm

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trägt. Sie ist mit einem Tonnengewölbe überspannt. Der dreiseitig geschlossene J 6.4 Chor mit gestuften Strebepfeilern trägt die Bauinschrift 1516. Die großen dreigeteilten Fenster enden in zierlichem Fischblasenmaßwerk. Unter dem Chor befindet sich eine vermauerte Gruft. Das längsrechteckige, im 16. Jh. angelegte Langhaus wurde laut Inschrift an der Südfront erweitert und erhöht. Nach einem Brand im Jahre 1690 dauerte die Reparatur mit dem Neubau der Turmobergeschosse bis 1706. Die Geschosse enden, durch Dreikantvermittlung ins Oktogon überführt, in einer hochgezogenen Zwiebelkuppel mit offener Laterne und Schweifhaube. Die Reparaturen um 1700 gaben dem Langhaus mit seinen hohen Rechteckfenstern

A b b . 29. Wilhelm-Pieck-Straße in Schalkau sowie den mit Ohren dekorierten Türen ein barockes Aussehen. Bei einer umfassenden Instandsetzung 1884 erhielt der Chor ein Sterngewölbe; dem Triumphbogen wurden reich modellierte Pfeiler vorgelegt, das Langhaus wurde mit einer flachen Holzbalkendecke überspannt und mit einer doppelgeschossigen Empore versehen. Die Holzarbeiten von L o u i s BLECHSCHMIDT stammen aus der damals recht bekannten ortsansässigen Fachschule. 1969 erfolgte eine erneute Restaurierung der Kirche. A n der Wilhelm-Pieck-Straße steht auf dem alten aufgelassenen Friedhof die 1731 erbaute Kapelle, am Friedhofseingang ein barockes Tor, vermutlich von 1673. In dem an Baudenkmälern armen Kreis Sonneberg bildet Schalkau eine Ausnahme, und die Pflege und Erhaltung der Bausubstanz verdient daher besondere Aufmerk-

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4 samkeit. E i g e n t ü m l i c h f ü r die S t a d t sind Häuser, die v o n ihrer K o n s t r u k t i o n und d e k o r a t i v e n D u r c h b i l d u n g d e m fränkischen F a c h w e r k hennebergischen T y p s zuzurechnen sind. Seit den letzten J a h r z e h n t e n des 19. Jh. setzte sich die T e n d e n z durch, die H ä u s e r zu verschiefern, leider a b e r a u c h F a c h w e r k zu v e r p u t z e n . Gegenü b e r der K i r c h e steht das R a t h a u s , ein seit d e m 19. Jh. verschieferter F a c h w e r k b a u m i t Dachreiter, der bis 1906 als Schule diente. D i e H ä u s e r W i l h e l m - P i e c k S t r a ß e 2 und 4 (Abb. 29), die den S t a d t b r a n d v o n 1690 überstanden haben, sind zweigeschossige F a c h w e r k h ä u s e r : B e i Nr. 4 sind die B a l k e n k ö p f e profiliert und die Eckstiele m i t Taustabverzierungen versehen, i m Obergeschoß a u c h die den hiesigen F a c h w e r k s t i l kennzeichnenden A n d r e a s k r e u z e und außer den E c k s t i e l e n a u c h die sogenannten halben Männer v e r w e n d e t w o r d e n ; bei Nr. 2 ist das F a c h w e r k einfacher und k o n s t r u k t i v e r ausgebildet. Ä h n l i c h e H ä u s e r b e f i n d e n sich M a r k t s t r a ß e 23 (Hohlwegshaus, e r b a u t u m 1700) und M a r k t s t r a ß e 13 (um 1730, i m F u n d a m e n t Steine v o n der R u i n e S c h a u m b u r g , v o n der eine ehemalige Schießscharte ein Kellerloch bildet). V e r p u t z t e F a c h w e r k f a s s a d e n m i t teilweise massiven Erdgeschossen und v o r k r a g e n d e n Obergeschossen weisen M a r k t 6 (mit Sitznischenportal, n a c h 1550), A u g u s t - B e b e l - S t r a ß e 2 (17. Jh.) und M a r k t s t r a ß e 14 (Sitznischenportal, u m 1580) auf. D a s verschieferte B a u e r n h a u s in der B e b e l s t r a ß e 6 w u r d e l a u t Inschrift 1752 erbaut. A n der Straße v o n S c h a l k a u nach Mausendorf s t e h t a m alten W a l l f a h r t s w e g n a c h Stelzen ein Steinkreuz. D a i h m j e t z t K o p f - und Querteil fehlen, bezeichnet es der V o l k s m u n d seiner F o r m w e g e n als Pferdskopf. D a s F l u r s t ü c k h e i ß t heute noch A m Steinernen K r e u z .

Itz Eine Schreibung des F l u ß n a m e n s I t z aus d e m 11. Jh. l a u t e t Itesa, aus d e m 12. Jh. Itisa und v o n 1207 Idse. Der N a m e gehört vielleicht vorgermanischem S p r a c h g u t an, ließ sich aber noch nicht sicher deuten. D i e I t z entspringt a m Gebirgsrand, und z w a r in 700 m H ö h e a m B l e ß b e r g bei Stelzen, und s a m m e l t die W a s s e r l ä u f e des westlichen Kreises Sonneberg. Ihre Quelle g a l t im Mittelalter als w u n d e r t ä t i g und w a r Ziel v o n W a l l f a h r t e n . V o n Stelzen bis T o s s e n t h a l schneidet sich die I t z in den Muschelkalk ein und bildet ein enges K e r b t a l , das sich v o n T o s s e n t h a l a n in den w e n i g widerstandsfähigen Gesteinsschichten der B u n t s a n d s t e i n f o r m a t i o n erweitert. Lockerer B u n t s a n d s t e i n b a u t die s a n f t geneigten H ä n g e auf, festes Material innerh a l b der F o r m a t i o n die steilen Hangpartien. E i n e besonders harte B a n k k o m m t im Mittleren B u n t s a n d s t e i n vor, die rechts der I t z steil nach W einfällt und bis Schalk a u deutlich zu verfolgen ist. N o c h m a r k a n t e r sind die Gesteinsunterschiede in d e m Muschelkalk darüber herauspräpariert, w o b e i besonders die widerstandsfähige B a n k des Terebratulakalkes a u f f ä l l t ( A n h a n g B). Die L a u f l ä n g e der I t z auf d e m Gebiet der D D R b e t r ä g t 12 k m , auf d e m der B R D 66 k m , w o der F l u ß den Main erreicht. B e i A l m e r s w i n d n i m m t die I t z die G r ü m p e n auf und weitere 3 k m f l u ß a b w ä r t s die E f f e l d e r . B i s zur E i n m ü n d u n g der E f f e l d e r entwässert die I t z ein Einzugsgebiet v o n 130 k m 2 und weist eine mittlere Wasserf ü h r u n g v o n 2 m 3 /s auf. D e r Jahresgang des A b f l u s s e s entspricht d e m eines Flusses i m Gebirgsvorland mit der höchsten W a s s e r f ü h r u n g in den W i n t e r m o n a t e n . D e m -

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entsprechend liegt die A b f l u ß s p e n d e ( = A b f l u ß pro k m 2 E i n z u g s g e b i e t ) deutlich unter der der Steinach (s. C 1); a u c h f e h l t der I t z das f ü r die Gebirgsflüsse t y p i s c h e sekundäre A b f l u ß m i n i m u m des H o c h w i n t e r s .

Buhler D a s Gebirgsmassiv zwischen d e m N e u m a n n s g r u n d im N W und d e m oberen E f f e l d e r tal im O erreicht im B u h l e r seine g r ö ß t e H ö h e mit 829 m ü. N N . L ä n g s der v o n N W n a c h S O v e r l a u f e n d e n R a n d v e r w e r f u n g zwischen d e m paläozoischen Schiefergebirge und den mesozoischen Gesteinen der Schalkauer P l a t t e s t e i g t d a s Gebirge u n v e r m i t t e l t u m 300 m an. D e r geschlossene südwestexponierte B e r g h a n g wird durch steile K e r b t ä l c h e n k a u m gegliedert. D e r z u m M u s c h e l k a l k p l a t e a u hin gerichtete S ü d w e s t h a n g des B u h l e r s ist m i t geschlossenen F i c h t e n b e s t ä n d e n b e d e c k t . A n den wenigen freien Stellen b i e t e t sich ein eindrucksvoller A u s b l i c k auf die Schalk a u e r P l a t t e und das n a c h S W anschließende B u n t s a n d s t e i n - u n d K e u p e r b e r g land m i t der V e s t e C o b u r g ( B R D ) sowie auf den m a r k a n t a u s g t b i l d e t e n Gebirgsrand zwischen Sonneberg und d e m B l e ß b e r g .

Meschenbach, K r e i s Sonneberg, erstreckt sich a m F u ß des Götzenberges und a m A n f a n g des Meschengrundes, eines kurzen N e b e n t a l e s der G r ü m p e n . D a s Dorf liegt u n m i t t e l b a r a n der R a n d v e r w e r f u n g des Gebirges auf d e m Mergelboden des Mittleren Muschelkalks. E s wird erstmals 1289 in einer U r k u n d e des K l o s t e r s Sonnefeld genannt, als die A b t e i B a n z hier den Z e h n t erwarb. D e r O r t s n a m e ist bereits in den ersten Schreibungen als Messchenbach oder zu d e m Meßhenbach überliefert, w a s v e r m u t l i c h S i e d l u n g a m E s c h e n b a c h bedeutet. Meschenbach bestand ursprünglich aus 8 B a u e r n g ü t e r n . In d e m j a h r h u n d e r t e l a n g ausschließlich agrarisch b e s t i m m t e n O r t ließen sich im s p ä t e n 18. Jh. Hintersassen nieder, und seit dem 19. Jh. siedelte sich durch sie hier Sonneberger Spielzeugindustrie i m H a u s g e w e r b e an. So e n t s t a n d i m L a u f der Zeit eine G e m e i n d e m i t Mittel- und K l e i n b a u e r n sowie F a b r i k - und Heimarbeitern. A n der Haderleite s t e h t die Dorfkirche, ein wahrscheinlich ursprünglich der heiligen K a t h a r i n a geweihter B a u , der d e m T y p der C h o r t u r m a n l a g e n zugehört. A n den f a s t quadratischen Chorturm, unter d e m sich ein unzugänglicher G r u f t r a u m befindet, schließt sich n a c h W ein längsrechteckiges L a n g h a u s m i t W a l m d a c h an. Die äußere Gestalt des Schiffes d ü r f t e auf U m b a u t e n in d e n Jahren 1651 bis 1654 und 1729 zurückgehen, worauf die hohen barocken R e c h t e c k f e n s t e r hinweisen. D e r gerade geschlossene C h o r r a u m zeigt im Inneren a m rundbogigen T r i u m p h b o g e n ältere B a u s p u r e n : Pfeilerkapitelle mit gekehlten Schrägen. Die C h o r w ä n d e k ö n n t e n noch mittelalterlich und d e m n a c h R e s t e einer Stationskapelle a m früheren W a l l f a h r t s w e g (s. J 7) nach Stelzen sein. Die Meschenbacher K i r c h e gehörte z u r P f a r r e i E f f e l d e r und k a m erst 1903 a n die Pfarrei Rauenstein. In schulischer H i n s i c h t w a r für Meschenbach zunächst ebenfalls E f f e l d e r zuständig, bis der O r t 1780 eine eigene Schule errichtete. G e g e n w ä r t i g erhalten die Schulpflichtigen ihren U n t e r r i c h t in Rauenstein.

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K 2

Heute findet die Mehrzahl der Meschenbacher Berufstätigen Arbeit ebenfalls im benachbarten Rauenstein, vor allem im dortigen volkseigenen Industriewerk (s. J 2). Meschenbach ist eine der wenigen Siedlungen im Kreis Sonneberg, deren Einwohnerzahl in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist. Die zunehmende Annäherung Meschenbachs an Rauenstein widerspiegelt sich auch in der Entwicklung der Mundart. Seit Jahrzehnten beginnt sich der Einfluß der Mundart von Rauenstein (s. J 2) mit ihren schriftsprachennäheren Formen auf die Mundart von Meschenbach auszubreiten. Die Gründe dafür liegen in den enger gewordenen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen beiden Dörfern, auch auf schulischem und kirchlichem Gebiet. Sind die Meschenbacher Konfirmanden bis 1903 nach Effelder in die Konfirmandenstunde gegangen und konnten in Ruhe ihr Bruet auf dem Huef essen, wurden sie später in Rauenstein ausgelacht, denn dort wird Broot auf dem Hoof gegessen. Als schließlich 1939 ein Schulzweckverband gegründet wurde, waren die Rauensteiner in der Überzahl. Die hochdeutsche Lautung des Lehrers t a t das ihre, und so haben wir heute nur noch eine geringe Anzahl älterer Meschenbacher, die das auf den alten Sprachkarten fixierte Bild rechtfertigen, wonach eine Grenze zwischen beiden Orten verlief. A n der Einmündung des von Meschenbach kommenden Lenzengrabens (Meschengrundes) in die Grümpen lag im Mittelalter das Dorf Triebisch, das 1354 erwähnt wird und von dem bis ins 19. Jh. noch die Triebischmühle übrigblieb. Der Name der Wüstung Triebisch, der als Flurbezeichnung erhalten ist, geht auf die slawische Grundform Trebesch zurück und bedeutet Rodung, -sland (s. Bd. 32, Elbtal, R7).

K 3 Zinselhöhle K n a p p l km östlich von Meschenbach quert der Fahrweg nach Rabenäußig den Retschenbach. Bachabwärts, fast unmittelbar an der Brücke, treten an die Stelle der Gesteine des Schiefergebirges die Kalksteine des Muschelkalkvorlandes. Hier verschwindet das Wasser des Baches zwischen großen Gerollen und stürzt auf ausgestrudelten Spalten, den sogenannten Schwalchlöchern, in die Tiefe. Von hier aus fällt das Bachbett in niederschlagsarmen Zeiten trocken, und nur zur Schneeschmelze und nach starken Gewittergüssen läuft das überschüssige Wasser oberirdisch ab, welches die Schwalchlöcher nicht mehr aufnehmen können. Nahe bei den Schwalchlöchern ist eine trichterförmige Einmuldung, ein Erdfall, vorhanden, in den Stufen zum Eingang in die Zinselhöhle hinunterführen. E t w a 8 m unter dem ausgetrockneten Bachbett fließt das Wasser in einem neuen unterirdischen Lauf. Es nutzt dabei die Spalten und tieft sich somit immer stärker in die Erde ein. Dabei schuf der Retschenbach eine 160 m lange Höhle mit Tropfsteinbildungen. Sie war den Menschen der Umgebung schon frühzeitig bekannt und diente beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges als Versteck. G O E T H E besuchte, angeregt durch die Veröffentlichung von K E S S L E R V O N S P R E N G S E Y S E N (1781), im Mai 1782 das Meininger Oberland, unter anderem auch die Zinselhöhle. Wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung besitzt diese Tatsache dadurch, daß G O E T H E damit die Höhlenforschung in Thüringen eingeleitet haben soll. Im Gebiet um die Zinselhöhle befinden sich artenreiche, für die Kalkberge der

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Schalkauer Platte typische Buchenwälder mit Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus), Tollkirsche (Atropa bella-donna), Aronstab (Arum maculatum). Gemeiner Waldrebe (Clematis vitalba), dazu mit den unter Naturschutz stehenden Arten Türkenbundlilie (IJlium martagon). Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris), Weißes Waldvögelein (Cephalanthera damasonium) und Vogelnestwurz (Neottia nidus-avis). Als lokale Besonderheiten sind Dorniger Schildfarn (Polystichum aculeatum) 'und Wilde Judenkirsche (Physalis alkekengi) zu nennen. Die Kalkfelsen bergen eine reiche Moosflora, darunter Thamnium alopecurum, Cirriphyllum crassinervium und Seligera pusilla. Als typische Vertreter der Bodenflora des Kalkbuchenwaldes sind Waldbingelkraut (Mercurialis perennis) und Christophskraut (Actaea spicata) zahlreich vorhanden. Der Wald um die Zinselhöhle setzt sich vorwiegend aus gutwüchsigen alten Rotbuchen, daneben aus zum Teil von Fichtenrotfäule befallenen Fichten und vereinzelt auch Tanne, Berg- und Feldahorn, Esche, Traubeneiche und Hainbuche zusammen. In unmittelbarer Nähe der Zinselhöhle steht direkt neben der Straße am Waldrand zur Wiese die Zigeunerbuche mit einer mächtigen Krone. Ihr Stammdurchmesser beträgt fast 2 m. Wegen des hohen Alters und des ästhetischen Wertes ist sie unter Naturschutz gestellt.

K 3

Rabenäußig, Kreis Sonneberg

K 4

Am Südrand des Thüringer Waldes gehen westlich von Mengersgereuth die steilen Hänge des Gebirgsabfalls in die Muschelkalkflächen der Schalkauer Platte über. Der Quellenreichtum des Gebirgsfußes bot die Voraussetzung zur Gründung von mehreren Siedlungen. Hier reihen sich die Weiler Rabenäußig, Melchersberg, Fichtach und Hohetanne aneinander, die bereits um 1830 vereinigt und nach dem damals größten Ort Rabenäußig benannt wurden. Das namengebende Dorf liegt am Anfang eines zum Retschenbach führenden Grundes. Es kommt erstmals in einem um 1275 anzusetzenden Lehnsverzeichnis der Herren von Sonneberg als Rabenüwesez vor. Sein Name bedeutet neue Siedlung des Rabano und enthält außer dem Personennamen die Begriffe neu und sez, von mittelhochdeutsch sez = Sitz, Wohnung. Als hochmittelalterliche Rodesiedlung angelegt, wurde Rabenäußig 1383 als Wüstung bezeichnet, doch befand sich 1445 hier eine Glashütte. Das Dorf bestand im 18. und 19. Jh. aus wenigen Höfen wohlhabender Bauern, die von Viehwirtschaft und Obstbau lebten. Den Mittelpunkt der Gemeinde Rabenäußig bildet heute M e l c h e r s b e r g , abgeleitet von Melcher = Melchior. Die im Spätmittelalter auf Rodeland gegründete Siedlung ist weit jünger als die anderen Ortsteile und bestand noch am Ende des 18. Jh. nur aus 2 Häusern. Mit Waldarbeit und Märbeisteinpicken verdienten sich die Bewohner ihren kärglichen Lebensunterhalt, bis auch hier wie in den benachbarten Bergdörfern die Spielwarenheimarbeit einzog. Im 19. Jh. entwickelte sich die Siedlung zum weitaus größten Ortsteil der Gemeinde, der 1871 mit 127 Einwohnern in 21 Häusern und 1910 mit 267 Einwohnern etwa zwei Drittel der Gemeinde Rabenäußig umfaßte. Das hoch gelegene Melchersberg erstreckt sich bis unmittelbar an den durch die Waldgrenze markierten Gebirgsrand. An der Ottstraße stehen einige verschieferte 9

Sonneberg

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Fachwerkhäuser aus dem Ende des 18. Jh. und dem Anfang des 19. Jh., zumeist ein- oder zweigeschossige Bauten mit Satteldach über hohen hammerrecht bearbeiteten Bruchsteinsockeln. Von dem Dorf und den umliegenden Hängen bieten sich ausgezeichnete Fernsichten auf den vom Bleßberg im W bis nach Sonneberg ziehenden Steilabfall des Gebirges, auf die unmittelbar angrenzenden Muschelkalkflächen der Schalkauer Platte, auf das weite Becken bei Sonneberg und auf das Hügelland v o m Gebirgsfuß bis zum Mainbergland mit der Schichtstufe des Fränkischen Jura. Unmittelbar an Melchersberg grenzt der Ortsteil F i c h t a c h , hervorgegangen aus einer kleinen Rodesiedlung, die erstmals im 14. Jh. als Besitz des Klosters Banz und als Lehen der Herren von Schaumberg genannt wird. Der Name des Dorfes, bis zum 16. Jh. als Fichtig überliefert (mundartlich heute noch Fechdich), ist als Siedlung am bzw. im Fichtenwald zu deuten. Im 18. Jh. hatte Fichtach nur wenige Bewohner. Sie ernährten sich von der Landwirtschaft und galten als wohlhabend. Der östlichste Ortsteil der Gemeinde heißt H o h e t a n n e und liegt an der Straße nach Mengersgereuth ähnlich wie Rabenäußig am Anfang eines Talgrundes. Bereits das Urbarium von 1317 bezeichnet die Rodesiedlung als bi den hohen tannen. Hohetanne gehörte als Banzer Lehen den Herren von Sonneberg, in deren Lehnbüchern es einfach Thann genannt wurde. Im 18. und 19. Jh. betrieben die wenigen Bewohner vorwiegend Landwirtschaft. Daneben baute man Kalkstein als Baumaterial und für die Märbelherstellung ab. Die Gewinnung dieses Gesteins hörte um 1870 auf, nachdem qualitativ besseres Material in anderen Gebieten erschlossen worden war. In Rabenäußig und seinen Ortsteilen wohnen heute in erster Linie Berufstätige, die in Sonneberg und Mengersgereuth-Hämmern arbeiten. Daneben bietet im eigenen Ort die Landwirtschaft in begrenztem Umfang Erwerbsmöglichkeiten. Schulisch gehört Rabenäußig zum Einzugsbereich der Polytechnischen Oberschule Mengersgereuth-Hämmern, nachdem die Heimatschule (s. J 1) in Melchersberg 1970 aufgelöst worden ist. Seit 1978 dient das Gebäude als Station Junger Touristen. Trotz seiner landschaftlich reizvollen Lage zählt Rabenäußig zu den Abwanderungsgebieten der Wohnbevölkerung. Der Anteil älterer Menschen liegt über den Durchschnittswerten des Kreises Sonneberg. Die scharf ausgebildete geologische Grenze zwischen Schiefergebirge und Muschelkalkvorland in der Flur von Rabenäußig bietet die Möglichkeit, geologische und geomorphologische Erscheinungsformen am Gebirgsrand zu beobachten. Es kommen große Mengen von Gehängeschutt am Gebirgsfuß vor, beispielsweise am Ausgang des Tales nördlich vom Ortsteil Rabenäußig. Dieser Schutt wurde durch das Wasser aus den steilen Seitentälern heraustransportiert und dort abgelagert, wo die Transportgeschwindigkeit nachließ. Bei Melchersberg blieben Trochitenkalk und Nodosenschichten (kalkschalige Foraminiferen) als Reste des Oberen Muschelkalks erhalten. Die harte Trochitenbank bildet einen Steilhang, der durch die Schlehen (Prunus spinosa) als galerieartige Umrandung weithin erkennbar ist. Der Kalkstein enthält Stielglieder von Encrinus liliiformis, ferner Ammonites nodosus (Kopffüßler) sowie Abdrucke der Gattungen Lima (Muscheln) und Terebratula (Armfüßler). In der Umgebung von Rabenäußig und seinen Ortsteilen wachsen kalkliebende Pflanzengesellschaften, die für die Berge der Schalkauer Platte typisch sind. Bei

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dem Ortsteil R a b e n ä u ß i g gedeihen die f ü r K a l k b ö d e n charakteristische Bergsegge K (Carex montana) sowie die unter Naturschutz stehende Gemeine Küchenschelle (Pulsattila vulgaris). U m Hohetanne sind die in den K a l k b e r g e n verbreiteten, naturgeschützten A r t e n Gemeine A k e l e i (Aquilegia vulgaris), Männliches K n a b e n kraut (Orchis mascula), Waldwindröschen (Anemone sylvestris) und T ü r k e n b u n d lilie (Lilium martagon) heimisch; außerdem kommen die sehr seltene Bergaster (Aster amellus) und Berggamander (Teucrium montanum) sowie die geschützten A r t e n Kreuzenzian (Gentiana cruciata) und N e t z b l a t t (Goodyera repens) v o r .

Taubeisberg

K

Südlichster Vorposten und östliche Begrenzung der K a l k b e r g e der Schalkauer Platte ist der 511 m hohe Taubeisberg östlich von Effelder, der sich 110 m über die Talsohle des Effelderbaches erhebt. Der B e r g besteht aus Gesteinen des Muschelkalks, deren unterschiedliche H ä r t e sich in der H a n g g e s t a l t u n g widerspiegelt. Eine sehr feste Terebratulabank schützt die darunterliegenden Partien des Unteren Muschelkalks v o r A b t r a g u n g , weshalb wir hier eine Steilstufe in sehr ausgeprägter F o r m finden. Diese Stufe l ä ß t sich im Hinterland v o m Taübelsberg bis S c h a l k a u verfolgen. D e m Taubeisberg in geologischem A u f b a u und Oberflächengestalt ähnelt sehr der nördlich der Fernverkehrsstraße 89 angrenzende 5 1 9 m hohe Görzenberg. A m W e s t h a n g des Taubeisberges lag die Siedlung Tauplitz. Sie wurde erstmals 1303 als Toupedelitz oder Tupadelitz erwähnt, im 17. und 18. Jh. als Tauperlitz oder Tauplitz. Die slawische Grundform Tupadlici bedeutet L e u t e des T u p a d l . Die Flur der W ü s t u n g T a u p l i t z verschmolz i m 18. Jh. mit der v o n E f f e l d e r . Ihre B e zeichnung blieb als Flurname und in etwas veränderter F o r m als B e r g n a m e erhalten.

Effelder, Kreis Sonneberg,

H

ist neben Mupperg die älteste urkundlich bezeugte Siedlung des Kreises Sonneberg. Der Ortsname (s. B d . 31, Zwickauer Mulde, M 7) bedeutet Siedlung a m B a c h , an dem die A p f e l b ä u m e stehen, in Anlehnung an den B a c h n a m e n . Die älteste überlieferte Sprachform Affeidrahe enthält das althochdeutsche W o r t apholtra {mittelhochdeutsch affalter = Apfelbaum) und das S u f f i x -aha = A c h e , F l u ß . Die Schreibform wandelte sich im 14. Jh. von Affelteren, Affeltere zu Effelter, die Mundart h a t die ursprünglichere F o r m Äff eider bewahrt. Effelder wird erstmals in einem undatierten, frühestens 942, spätestens 956 anzusetzenden Tauschvertrag zwischen dem B i s t u m W ü r z b u r g und der Reichsabtei Fulda genannt. E s gehörte 1069 und 1071 zur Erstausstattung der Benediktinerabtei B a n z bei Lichtenfels und bildete neben Mupperg den Mittelpunkt des B a n z e r Besitzes v o r dem W a l d e . Auf das hohe Alter und die frühere B e d e u t u n g des Ortes als Zentrum weisen der Frankenheilige Kilian als Kirchenpatron, die frühe E r wähnung des Pfarrers (1232) und der große U m f a n g des ursprünglichen Pfarrsprengels hin, der bis ins mittlere Steinachtal reichte. Die Wasserburg m i t d e m Rittergut war Banzer Lehen der Schaumberger, die hier schon 1225 nachweisbar 9*

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Abb. 30. Tanzlinde auf dem Dorfplatz in Effelder sind. Das Rittergut mit großer Schäferei, mit Schankrecht sowie grundherrlichen Rechten in vielen Dörfern der Umgebung übte die niedere Gerichtsbarkeit über das Dorf aus, das aus 9 Bauerngütern bestand. 1838 wurde das Gut an Bauern verkauft. Bis ins 19. Jh. herrschten in Effelder Landwirtschaft und Obstbau vor Auf das Mittelalter gehen die beiden Mühlen zurück, die Schloßmühle und die Pfarrmühle, die ihren Betrieb eingestellt haben. ü b e r dem Dorfplatz (Markt) von Effelder mit der sehenswerten Tanzlinde (Abb. 30) erhebt sich die ehemals bedeutende Pfarrkirche. Ihr heutiges Aussehen ist das Ergebnis vieler Neu- und Umbauten. Die Grundrißform läßt die Vermutung zu, daß

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der romanische Erstbau eine Chorturmanlage gewesen sein könnte, deren K 6 Apsis durch ein gotisches Chorschlußjoch ersetzt wurde. Die Ostteile des Langhauses sind vermutlich dem älteren Bau zuzuordnen. Als bauliches Zwischenglied zwischen Langhaus und spätgotischem Chor präsentiert sich die tonnerigewölbte Sakristei. Nach einem Brand durch Blitzschlag 1631 erhöhte man das Langhaus und errichtete den eigenartigen Turm in seiner jetzigen Form bis 1648 über dem Chorschlußjoch als Oktogon mit verschiefertem Achteckhelm. Der Innenraum erhielt 1637 Emporen, deren Brüstungsfelder bis 1892 mit biblischen Szenen bemalt waren. Im Innenraum stehen mehrere Grabsteine des 17. Jh. mit ausführlichen Inschriften, auf dem Friedhof erinnert ein neugotischer Stein von 1820 an den Pfarrer F R I E D R I C H T I M O T H E U S H E I M . Das Geläut setzt sich aus 2 Glocken von 1 7 1 0 und 1925 zusammen, die Turmuhr wurde 1789 eingebaut. Der Friedhof ist mit einer Befestigungsmauer aus dem 16. Jahrhundert umgeben, auf deren Ostund Westseite sich Schießscharten erhalten haben. Ob die Kirche allerdings von vornherein als Wehrkirche konzipiert war, muß offenbleiben. Aus Effelder liegen uns die älteste ausführliche Nachricht über die Einführung der Kartoffel im Sonneberger Land und ein erstes Rezept zur Herstellung von Kartoffelklößen vor. Der Pfarrer H E I M (1808—1814) berichtet, daß in seinem Kirchdorf als erster der Bauer J O H A N N E S M Ü L L E R um 1740 insgesamt 10 bis 1 2 Säcke Kartoffeln auf ein Beet pflanzte. In der Hungersnot von 1770 bis 1772 lernte die arjne Bevölkerung den Wert der neuen Kulturpflanze schätzen, so daß bald „selbst reichere Bauern sich der Erdapfelkost nicht schämten". Zu Beginn des 19. J h .

Abb. 3 1 . Erker am ehemaligen Schloß in Effelder

K 6 wurden in Effelder jährlich 4000 Säcke Kartoffeln geerntet. Der Pfarrer beschreibt auch die damals üblichen Zubereitungsarten der Kartoffeln, darunter bereits als Zemet (Kartoffelbrei, heute mundartlich Zamet), Tetsch (Kartoffelpuffer, heute mundartlich Detsch) und Glöße. Außerdem dienten Kartoffeln zum Strecken von Brotmehl und als Viehfutter. Das ehemalige Schloß, jetzt Kulturhaus der Gemeinde, ging aus einer alten Wasserburg mit einem Graben hervor, dessen letzter Rest 1970 zugefüllt wurde. Seine wechselvolle Geschichte reicht bis 1470 zurück. Unter dem Mansarddach aus dem 18. Jh. wurden zwei Bauteile vereinigt. Beachtenswert sind die über das Haus verteilten Vorhangbogenfenster und der Vorbau (Abb. 31) auf der Westseite. Bereits seit dem Ende des 18. Jh. stellten Einwohner von Effelder Sonneberger Spielwaren im Hausgewerbe her. Im 19. Jh. wandelte sich der Marktflecken, obwohl kein größerer Industriebetrieb errichtet wurde, allmählich in einen Arbeiterwohnort um, dessen Bevölkerung rasch zunahm. Den Haupterwerbszweig im ausgehenden 19. Jh. bildete weiterhin die SpielWarenproduktion. Anfangs wurden Holzpferdchen und -schäfclien geschnitzt, dann lieferten sogenannte Drücker Papiermachöteile (s. Seite 19) für Puppen und andere Spielwaren. Sie waren besonders der Ausbeutung durch die Verleger ausgesetzt und erhielten um die Jahrhundertwende kärgliche Löhne. Die Spielwaren gelangten entweder im Tragkorb oder mit dem Pferdegeschirr nach Sonneberg oder Neustadt. Erst mit der Inbetriebnahme der Bahnlinie nach Sonneberg im Jahre 1909 wurde der Transport erleichtert. Für die Bauern boten Lohnfuhren eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit. In manchen kleinbäuerlichen Familien wurden nebenbei in Hausarbeit Spielwaren hergestellt, wodurch sie auch im Winter über eine zusätzliche Einnahmequelle verfügten. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg war Effelder im Ergebnis dieser Entwicklung stark industriell geprägt, und trotz der Eingemeindung des vorwiegend agrarischen Blatterndorfs (s. K 7) lebte 1939 nur noch ein Viertel der Effelderer Familien v o n der Landwirtschaft. 5 7 % der Berufstätigen waren Arbeiter. Der Sozialstruktur entsprach auch die Entwicklung der Arbeiterbewegung. Nach einem ersten großen Anwachsen der Stimmen für die Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen 1877 besaß die Arbeiterpartei seit 1890 in Effelder wie in den meisten Heimindustrieorten eine klare Mehrheit. Im Dorf gab es einen aktiven Arbeiter-Turn-und-Sportverein, und während der Weltwirtschaftskrise formierte sich eine Ortsgruppe der K P D . 1949 schlössen sich die Spielwarenhersteller zu einer Handwerksgenossenschaft zusammen, a,us der später der V E B Spielwaren Effelder hervorging. Neben der Spielwarenindustrie, dem wichtigsten Wirtschaftszweig, besitzen die Metallverarbeitung ( V E B Metallwarenfabrik Effelder) und die Landwirtschaft (Milchviehanlage der L P G Tierproduktion Schalkau mit 460 Plätzen) einige Bedeutung. Nahezu jeder zweite Erwerbstätige arbeitet jedoch auswärts, vor allem in der Kreisstadt, daneben auch in Mengersgereuth-Hämmern und in Rauenstein. Effelder nimmt einige zentralörtliche Funktionen für die Nachbargemeinden wahr, so auf dem Versorgungssektor durch das neue Landwarenhaus. Die seit 1961 zehnklassige polytechnische Oberschule wird auch von den Schulpflichtigen aus Seltendorf und Rückerswind besucht. Zwischen Schichtshöhn und Effelder durchfließt die Effelder ein als Wiesen ge122

nutztes Sohlental, das um 100 m in die umgebenden Hochflächen des Muschelkalks K 6 eingeschnitten ist. A m Bach haben 3 Mühlen, darunter die Aumühle, ihre Standorte. Man faßt sie unter dem Namen Obereffelder zusammen, das zu Effelder gehört. Blatterndorf, seit 1923 Ortsteil von Effelder,

K 7

ist baulich völlig mit seiner Hauptgemeinde verschmolzen. Es wird erstmals in einer Banzer Urkunde von 1232 als Braterndorf genannt. Der Name läßt sich vermutlich von einem slawischen Vornamen ableiten, in dem brat = Bruder enthalten ist, beispielsweise Bratomir, und ist verwandt mit Brattendorf im Nachbarkreis Hildburghausen. Seit dem 15. Jh. tritt die heutige Schreibweise auf. Das Dorf bestand ursprünglich aus 4 Bauerngütern, die den Schaumbergern lehnpflichtig waren. An der Effelder arbeitete von etwa 1400 bis 1650 ein Eisenhammer, Sorgenhammer genannt. Das Gebäude diente später als Wirtshaus. Außerdem war eine Mahlmühle vorhanden. Neben der Landwirtschaft boten auch die Teichwirtschaft und später die Korbflechterei Verdienstmöglichkeiten für die Bewohner. Seltendorf, Kreis Sonneberg,

K 8

liegt im Wiesengrund, den der Retschenbach kurz vor seiner Einmündung in die Effelder durchfließt. Die Fernverkehrsstraße 89 Sonneberg—Eisfeld—Meiningen quert den Ort von SO nach NW, und ein Haltepunkt an der Eisenbahnlinie Sonneberg—Eisfeld besteht seit 1910. Seltendorf wie auch sein Ortsteil Welchendorf nutzen den geologisch bedingten Lagevorteil am Quellhorizont zwischen Buntsandstein und Muschelkalk für die Wasserversorgung. Das Wasser durchdringt das Kalkgestein auf Klüften und tritt auf den undurchlässigen Tonschichten des Röts zutage. Eine Urkunde der Abtei Banz nennt erstmals 1232 Seukendorf. Der Ortsname bezieht sich vermutlich auf den althochdeutschen Personennamen Salucho bzw. Saleko; im 17. Jh. tritt die Bezeichnung Seidendorff auf. Das Dorf bestand ursprünglich aus 15 Bauerngütern, von denen 9 den Schaumbergern und die übrigen den Wettinern lehnspfliclitig waren. Oberhalb des Ortes stand am Retschenbach eine alte Mahlmühle als wettinisches Lehen. Unterhalb von Seltendorf wurde an der Effelder im 19. Jh. eine Märbelmühle errichtet. Obwohl sich der Ort im 19. Jh. längs der Chaussee Sonneberg—Eisfeld ausdehnte und damit die Arbeiterbevölkerung zunahm, blieb sein vorwiegend agrarischer Charakter erhalten. Das Dori' war nach Effelder eingepfarrt und eingeschult. Es besaß von 1883 bis 1961 eine eigene Schule. Seitdem besuchen alle Schulpflichtigen die polytechnische Oberschule in Effelder. 70% (1971) der wirtschaftlich Tätigen arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft, der andere Teil fährt als Pendler nach außerhalb, meist nach Sonneberg oder Rauenstein. Der zu Seltendorf gehörende Ortsteil W e l c h e n d o r f ist erstmals für 1157 in einer Urkjunde der Abtei Banz bezeugt. Sein Name lautete zunächst Welekendorf, seit dem 14. Jh. Welchendorf. Die Bezeichnung läßt sich vermutlich auf slawische Personennamen zurückführen: entweder Velek, von velky = groß, oder Velk, von

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K 8 velk = Wolf. Das Dorf bewahrte bis in die jüngste Vergangenheit seinen rein agrarischen Charakter. Neben der Landwirtschaft wurde auch guter Obstbau betrieben. Schon 1696 erhielt Welchendorf eine Dorfordnung. Schulisch gehörte es zu Effelder, seit 1883 zu Seltendorf. 1923 kam der Ort zu Seltendorf, war aber 1928 bis 1946 wieder selbständige Gemeinde. Im Garten der ehemaligen Welchendorfer Schule steht der sogenannte Marterstein, ein aus vorreformatorischer Zeit stammendes Stationskreuz an dem von Coburg über die Müß nach Stelzen führenden Wallfahrtsweg (s. J 6.4). An den Hängen nördlich von Seltendorf breiten sich lichte Kiefernforste mit lokkerem Graswuchs aus, die für südexponierte Kalkberge der Schalkauer Platte charakteristisch sind. Hier treffen wir auf zahlreiche Orchideen: Grünliche Waldhyazinthe (Piatanthera chlorantha), Fliegenragwurz (Ophrys insectifera), Männliches Knabenkraut (Orchis mascula), Helmknabenkraut (Orchis militaris), Purpurknabenkraut (Orchis purpurea). Diese Arten stehen wie der Gefranste Enzian (Gentianella ciliata), der Deutsche Enzian (Gentianella germanica) und das Moosauge (Moneses uniflora) unter Naturschutz. Weiterhin kommen Sumpf- und Schopfkreuzblümchen (Polygala amarella und comosa) vor. L 1

Naturschutzgebiet Leierloch Am Südosthang des Fellbergs befindet sich in 600 m bis 770 m ü. NN das 30 ha große Naturschutzgebiet Leierloch. Es weist eine steile Erosionskerbe mit frischem Boden und bis 35° geneigte Hänge mit Felspartien aus Lederschiefer, mit kleinen Blockfeldern sowie Mulden und Rippen auf. Die wissenschaftliche Bedeutung des Naturschutzgebietes liegt vor allem darin, daß hier die Möglichkeiten der Tannen Verjüngung am Rand ihrer natürlichen Verbreitung untersucht und Beobachtungen an naturnahen montanen Tannen-FichtenBuchen-Wäldern vorgenommen werden können. Die Waldbestockung besteht aus Rotbuchen, denen einzelne Tannen und reichlich Fichten beigemischt sind. In diesem Wald sind Pflanzen wie Waldschwingel (Festuca altissima), Quirlblättrige Weißwurz (Polygonatum verticillatum) und Schmalblättrige Hainsimse (Luzula lu.zuloid.es) charakteristisch. Diese im gesamten Schiefergebirge verbreitete Waldgesellschaft tritt am Leierloch in mehreren Varianten auf: eine Ausbildung mit Waldschwingel, eine weitere mit Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Echtem Ehrenpreis (Veronica officinalis) und Pillensegge (Carex pilulifera) gegen den Oberhang, eine dritte mit Waldreitgras (Calamagrostis arundinacea) und schließlich eine sehr bodenfrische, quellige mit verschiedenen Farnen und Haingilbweiderich (Lysimachia nemorum) im unteren Teil der Hangkerbe. Auf quelligen Stellen der angrenzenden Wiesen ist das bis 1 m hohe Krause Greiskraut (Senecio rivularis) verbreitet.

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Wiefelsburg Wo der alte W e g von Steinach die Paßhöhe (645 m) erreicht, um im Röthental nach Sonneberg weiterzuführen, stand im frühen 18. Jh. ein Fohlenhaus. Der Steinacher Schulmeister J O H A N N N I K O L A U S W I E F E L erhielt 1737 die Erlaubnis, hier ein Wirts124

haus mit Braurecht zu betreiben. E s hieß fortan Wiefelsburg, obwohl es-der Besitzer 2 Jahre später wieder verkaufte. Um die Mitte des 18. Jh. wurde das Wirtshaus durch JOHANN B E R N H A R D S T E I N E R aus Steinach neu errichtet und in seiner Nähe der Wald gerodet. Im 19. Jh. siedelten sich hier ein paar Familien an. Heute umfaßt die Häusergruppe Wiefelsburg das ehemalige Gasthaus und einige we itere Wohnhäuser. Sie ist ein Orientierungspunkt vor allem für Skiwanderer.

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Röthengrund

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Der Röthengrund zählt zu den beliebtesten Sonneberger Naherholungsgebieten. Von der 1926 gefaßten Röthenquelle in etwa 625 m Höhe am Nordfuß des Kleinen Mühlbergs durchzieht die Röthen mit mäßigem Gefälle zunächst eine kleine Mulde, deren feuchte Wiesenfläche bis zum Blockhaus und den einzeln stehenden hohen und tiefbeasteten Fichten unter Naturschutz gestellt ist. Hier findet man Trollblume (Trollius europaeus), Blaue Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), Wald- und Wiesenschlüsselblume (Primula elatior und veris), Bergplatterbse (Lathyrus linifolius), Frühlingsenzian (Gentiana verna) und an sumpfigen Stellen Echtes Fettkraut (Pingnicula vulgaris), Rundblättrigen Sonnentau (Drosera rotundifolia), Moosbeere (Oxycoccus palustris) und die seltene Torfsegge (Carex davalliana). Der Buchenaltholzbestand gegenüber der Hütte besiedelt die nährstoffreiche Braunerde des schmalen Kalkknotenschieferbandes, das den Röthengrund hier quert und dessen Gestein direkt an der Straße zu erkennen ist. In diesem Buchenwald sind verbreitet: Fuchssches Greiskraut (Senecio fuchsii), Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa), Goldnessel (Galeobdolon luteum), Kriechender Günsel (Ajuga reptans), Zwiebelzahnwurz (Dentaria bulbifera), Quirlblättrige Weißwurz (Polygonatum verticillatum), Bärenlauch (Allium ursinum) und Dorniger Schildfarn (Polystichum aculeatum). Zwei weniger bekannte Farne im Röthengrund, der Nordische Streifenfarn (Asplenium septentrionale) und vereinzelt am Bach der Straußfarn (Matteuccia struthiopteris), gedeihen auf Schieferfelsen. Der Röthengrund wandelt sich am unteren Rand der Wiesenmulde zu einem Kerbsohlental mit etlichen steil einfallenden kleinen Tälchen von Nebenbächen, so von W Gunnersbachtal, Spindlersgrund, Wöhnbachtal und von O Ranzengrund, Wiefelsburger Grund, Langebachtal, Stübleinsgrund und, schon im Sonneberger Stadtgebiet, Berlagrund. Einige Schwarzerlen und vor allem die großen rhabarberähnlichen Blätter der Pestwurz (Petasites spec.) zeigen den Lauf der Röthen in den Wiesen an. Das gesamte Röthental oberhalb des Stadtgebietes ist Trinkwasserschutzgebiet. Die forstlichen Standortbedingungen des Röthengrundes und seiner Nebentäler sind typisch für die Talhänge im Gebirge um Sonneberg: Tonschiefer-Verwitterungsböden mit mittlerem Nährstoffgehalt bedecken die Hänge. Die gute Wasserversorgung der Böden führt vorwiegend an den unteren Partien zu hohen Wuchsleistungen der Holzarten, besonders der Fichte. An den unteren und mittleren Lagen der Osthänge fallen die umfangreichen Fichtenjüngbestände auf, die aus dem Aufforstungszeitraum um i960 stammen, so die große Fläche am Loosbrand (Baumannswand) mit Gruppen von Lärche, Bergahorn, Kiefer, Weymouthskiefer, Aspe, Tanne und Bergulme. Hier stand Fich-

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L 3 ten-(Buchen-) Altholz, teils auch jüngere Bestände, bevor der Sturm in der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1958 wütete. In wenigen Minuten brachen und warfen die Orkanböen Tausende bis zu 80 cm starke Fichten um. Besonders geschädigt waren die unteren Hangpartien des Röthengrundes. Aber auch die nord-südlich verlaufenden Täler der Steinach, Rögitz, ölse und Engnitz wirkten düsenförmig auf den Südweststurm, der Geschwindigkeiten von 180 km/h erreichte. Am 8. August desselben Jahres ereignete sich unter gleichen Ursachen — plötzlich hereinbrechende Kaltluft aus SW — eine ähnliche Katastrophe in den schon betroffenen, Hauptschadgebieten und auf weiteren Arealen. Die direkten Folgen umfaßten Windwurf und -bruch verschiedener Baumarten und Altersklassen, aufgerissene Bestandsränder und Schäden an den verbliebenen Beständen in Form von Wurzelzerreißungen und Faserstauchungen; sie waren fast noch verheerender als im Mai. Die Bilanz beider Naturkatastrophen belief sich im damaligen Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Sonneberg auf 450000 Festmeter Schadensmasse (einschließlich Nachbruch im Winter 1958/59) und auf 950 ha produktionslose Fläche, die inzwischen wieder aufgeforstet ist.

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Großer Mühlberg Der Große Mühlberg (715 m ü. NN) wird vom Effeldertal, von dem oberen Röthengrund und dem hier zufließenden Gunnersbach eingeschlossen. Er bietet Gelegenheit zu forstlichen Beobachtungen, die für weite Teile des südöstlichen Thüringer Waldes zutreffen. Fichtenbestände bedecken heute fast ausschließlich den Mühlberg. Tanne und Buche, die noch vor wenigen Jahrhunderten zu gleichen Teilen wie die Fichte vertreten waren, sind selten geworden. Der Rückgang der Buche seit dem Mittelalter läßt sich nicht zuletzt auf die Köhlerei zurückführen, da Buchenholzkohle besonders begehrt war. Die Forstbereitung von 1555 weist bereits Köhlerei nach: „Muelbergk. Darauf ist vff 13 jar langk zu der fürstlichen Hofhaltung gekolt." Die auch sonst waldfeindliche Köhlerei (Brände) sowie die Windbruchkatastrophen von 1800, 1868 und 1958 trugen zur Vernichtung des vorherigen Mischwaldes bei. An seine Stelle traten meist Fichtenreinbestände, so nach dem Flächenwindbruch von 1958 an der Lämmerhirtshütte, wo der alte Forsthof gestanden hat. Unweit der Hütte wurde am Weg zum Kleinen Mühlberg das stark aufgelichtete Fichtenstangenholz mit Rotbuche künstlich unterbaut. Dieser gelungene BuchenVoranbau ermöglichte es, den produktionsschwachen Fichtenbestand zu erhalten und die Buche wieder einzubringen. Die Böden wurden hier wie auch an anderen Stellen gekalkt, um die sauren Rohhurnusauflagen zu verbessern. Ein Blick vom Großen Mühlberg zum südlich angrenzenden Forstort Oberschaar zeigt die etwa alle 40 m parallel verlaufenden Schneisen, die die Fichtendickungen und Fichtenstangenhölzer durchziehen. Dieses vorbildliche Schneisensystem gestattet eine rationelle Pflege der Bestände. Sie ermöglicht die Anwendung neuer kraft- und zeitsparender Technologien durch den Einsatz einer Dünnholz-Entastungsmaschine (Bild 30) und einer transportablen Hackschnitzelmaschine. Neuartige Spezialrücketraktoren, Schlepplift und Seilkran ersetzen zum Teil das Herausrücken des Holzes mit dem Pferd. Aber auch in älteren Beständen werden industriel l

mäßige Produktionsmethoden angewendet, so bei dem Einschlag, Rücken und der Abfuhr des Holzes sowie durch den Einsatz anderer Geräte in der Rohholzerzeugung. Pflanzmaschinen erleichtern die Wiederaufforstungsarbeiten (Bild 29).

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Augustenthal, seit 1922 Ortsteil von Mengersgereuth-Hämmern,

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gehörte bereits seit 1852 zu Hämmern. Als der Besitzer des Mupperger Hammers bei Unterlind, der Coburger Kaufmann J O H A N N S O M M E R , billiges Eisen für sein W e r k beschaffen wollte, ließ er 1719 an einer Schneidemühle im oberen Effeldertal einen Hochofen errichten, der die notwendige Holzgerechtigkeit erhielt. Volkstümlich hieß die Siedlung deshalb noch im 19. Jh. Hohenofen. 1727 kam das W e r k an G E O R G C H R I S T O P H V O N U T T E N H O V E N , den Sohn des Obersteinacher Hammerwerksinhabers, der Augustenthal zu einem Eisenwerk mit Zainhammer ausbaute und auch das talabwärts gelegene Schwarzwald (s. L 7) erwarb. Augustenthal lieferte im 18. Jh. zeitweise jährlich 2200 Zentner Eisen, das der Versorgung der Sonneberger Nagelschmiede und der Herstellung von Schienen und Stabeisen diente. Das W e r k wurde bis 1867 betrieben. Das stattliche zweigeschossige Forsthaus Augustenthal mit flachgeneigtem Satteldach und weitem Dachüberstand entstand als Nachfolger eines älteren B a u s in der Mitte des 19. Jh. In seiner äußeren Gestalt erinnert das Gebäude an Tiroler Bauernhäuser, allerdings ohne Balkon. Mengersgereuth-Hämmern, Kreis Sonneberg

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Die 3 selbständigen Gemeinden Hämmern, Mengersgereuth und Forschengereuth (s. L 9) vereinigten sich 1922 zu Mengersgereuth-Hämmern, zu dem ein Jahr später noch Schichtshöhn (s. L 8) kam. Als Ortsnamen wählte man die der beiden damals größten Dörfer. Der Zusammenschluß sollte kommunale Probleme, so die Wasserund Stromversorgung, lösen helfen. M e n g e r s g e r e u t h bildet den Kern der Gemeinde und erstreckt sich in 2 Zeilen am Südostfuß des 691 m hohen Strohberges, wo die Effelder aus dem Gebirge heraustritt und eine Schotterterrasse geschaffen hat. Der Ort wird erstmals 1358/1362 als Meingersgerüd (Rodung des Meinher bzw. Meinger, zum althochdeutschen Personennamen Maganhar oder Meginher) im Lehnbuch des Markgrafen F R I E D R I C H D E S S T R E N G E N von Meißen genannt und ist eine spätmittelalterliche Rodesiedlung in der damaligen Zent (s. J 2) Schalkau. Bis ins 19. Jh. dauerte die Umwandlung von Wald- in Ackerland an. Das Dorf bestand aus 19 Bauerngütern, die schon seit dem 17. Jh. durch Erbfolge unterteilt waren. Neben der Landwirtschaft gehörte auch die Arbeit im Wald und in den Eisenerzgruben zur Tätigkeit der Bewohner. Im 17. Jh. entwickelte sich Mengersgereuth zum Mittelpunkt der Siedlungen im oberen Effeldertal. Der Ort vergrößerte sich schnell, seitdem im 18. Jh. Sonneberger Spielzeug im Hausgewerbe hergestellt wurde. Im Jahr 1811 arbeiteten im Pfarrbezirk 17 Pfeifenmacher, 6 Puppenmacher, 2 Schnurrenmacher (Schnurren sind Spielzeuge, die durch Bewegungen Geräusche verursachen) und 3 Drehorgelmacher. Hinzu kam der Abbau von Kalkstein durch Märbelpicker, von marmorähnlichem Kalkstein („Marmor") und von Sand.

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Mengersgereuth, das zunächst wie das ganze obere Effeldertal zur Pfarrei Effelder gehörte, erhielt 1726 seine eigene Pfarrei und 1726 bis 1729 eine Kirche. Schulort der neuen Pfarrgemeinde blieb zunächst noch Hämmern, erst 1736 wurde ein Schulhaus in Mengersgereuth angekauft. Nach langem Streit entschied man 1763, daß die Schüler der Orte der Pfarrei, die zum Amt Sonneberg gehörten, in Hämmern, die des Amtes Schalkau in Mengersgereuth den Unterricht zu besuchen hätten. östlich des Dorfes steht an der Effelder die Kleinmühle mit einer Häusergruppe, früher auch Mengersgereuther Rott genannt. Die Mahlmühle war schaumbergisches Lehen. Der links der Effelder gelegene Teil zählte zu Forschengereuth. Auch hier zogen Spielzeugindustrie und Holzarbeit ein. Nach Hämmern zu liegt die ebenfalls zur Gemeinde Mengersgereuth gehörige Häusergruppe Schmidtsgrund, deren Bewohner meist von Holzarbeit lebten. Der Ort vergrößerte sich seit dem späten 19. J h . weiter, wobei sich auch andere Industrien, ein Sägewerk und 1908 eine Porzellanfabrik, hier ansiedelten. Für das Ortsbild von Mengersgereuth waren die teilweise verschieferten Fachwerkhäuser typisch, einstöckige Gebäude auf Bruchsteinsockeln. Erhaltene Beispiele sind das Haus Mühlgasse 8 von 1753, gegen 1820 um einen Wirtschaftsanbau erweitert, und das Haus Steinacher Straße 17 mit einem Hauseingang mit Vorlaube. H ä m m e r n erstreckt sich im engen Tal der oberen Effelder zwischen Mengersgereuth und Augustenthal. Der Ortsname geht auf 2 Eisenhämmer zurück: Der Oberhammer und der Unterhammer werden erstmals 1441 erwähnt. Der Oberhammer, auch Sche(l)lerhammer genannt, war im 15. und 16. J h . im Besitz der Familie Scheler und dürfte kurz vor 1440 gegründet worden sein. Der Unterhammer, der seit 1499 in Hinblick auf den nahen Hammer Schwarzwald als Mittelhammer auftritt, scheint älteren Datums zu sein und blieb bis 1547 in Betrieb. E r wechselte im 15. und 16. Jh. die Besitzer häufig: Blechschmidt, Leutheuser, Hammerschmidt, Eichhorn, Deiermann. Bei ihm bestand schon 1 5 1 6 eine Mahlmühle. Das zweigeschossige verschieferte Fachwerkhaus Mittelhammer 7 bildet den Kern der ehemaligen Mahlmühle. Da die beiden Eisenhämmer auf dem Boden des Amtes Sonneberg lagen, wurde 1540 aus ihnen eine besondere Gemeinde geschaffen. Sie heißt im Volksmund noch heute Hammer. Hier wohnten 1660 schon 33 Familien, von denen 8 den Schaumbergern grundherrlich unterstanden. Bereits am Ende des 18. Jh. war Hämmern ein großes Gewerbedorf, das im 19. J h . schnell wuchs und immer mehr mit Mengersgereuth verschmolz. Eine Schule für die sich im 17. Jh. rasch entwickelnden Orte im oberen Effeldertal wurde hier 1650 errichtet. Der Sitz der alten Forstei Sonneberg kam 1559 nach dem Mühlberg bei Hämmern an die Mühlbergstraße, einen Verbindungsweg zwischen der Kahlertstraße und der Hohen Straße. Nach Zerstörung des Forsthauses im Dreißigjährigen Krieg verlegte man den Förstersitz nach Hämmern, obwohl am Mühlberg noch bis 1751 ein Einzelhof bestand. Die Forstei wurde 1891 in eine Oberförsterei umgewandelt und 1918 aufgehoben. Da das Dorf nur über eine kleine und wenig ergiebige Flur verfügte, waren die Bewohner von jeher auf gewerbliche Tätigkeit angewiesen. Bis zur Mitte des 18. J h . gaben der Eisenerz-, der Schiefer- und zeitweise auch der Farberdeabbau (s. G 6.3) die wirtschaftliche Grundlage ab. Die Anfertigung von Schieferbüchlein mit Holzrahmen ging um die Mitte des 18. Jh. zurück, und auch die Dachschiefergewinnung 128

erwies sich seit Anfang des 19. Jh. als wenig ertragreich. Noch bis ins letzte Drittel des 19. Jh. besaß die Arbeit im Eisenwerk Augustenthal (s. L 5) und in der Märbelpickerei eine gewisse Bedeutung. Seit 1860 nahm die Bevölkerung schnell zu, und die Produktion spezialisierte sich auf das Schnitzen von Spielschiffen aus Holz, weshalb der Ort oft „deutsche Spielschiffwerft" genannt wurde. Die Vorläufer der Hämmerner Schiffsschnitzer waren die Schachtel- und Kistenmacher. Beinahe in jedem Haus wurden Fertig- oder Teilfabrikate der Spielwarenindustrie fast nur in Handarbeit hergestellt. Neben den Schnitzern waren es vor allem die brücker, Stimmenmacher, Bossierer und Stopfer, die an die Verleger lieferten. Hämmern war ein typisches Heimarbeiterdorf des Sonneberger Spielzeugindustriegebietes mit allen damit verbundenen sozialen Mißständen. Die niedrigen Löhne zwangen auch zur Kinderarbeit, und meist diente ein einziger Raum als Wohn- und Arbeitszimmer der großen Familie. Die drückenden wirtschaftlichen Verhältnisse waren die Ursache, daß die im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts aufkommende Arbeiterbewegung in Hämmern starke Unterstützung fand, wie es bereits das Wahlergebnis 1877 mit 8 7 % Stimmen für die Sozialdemokratie eindrucksvoll auswies. Auch in Mengersgereuth errangen damals die Sozialdemokraten einen hohen Wahlsieg; A m 22. November 1918 fand in Hämmern eine vom Arbeiter- und Bauernrat organisierte Demonstration statt. Junge Arbeiter, die wegen der geringen Verdienstmöglichkeiten am Heimatort zeitweise im mitteldeutschen Industriegebiet gearbeitet hatten, kehrten mit progressiven Ideen zurück und bewirkten die Gründung eines Arbeitergesangvereins, eines Arbeitersportvereins und schließlich einer Ortsgruppe des Kommunistischen Jugend Verbandes Deutschlands. In einer eindrucksvollen Demonstration der Mengersgereuth-Hämmerner Arbeitslosen und ihrer Familien am 'Vorabend des Weihnachtsfestes 1932 wurde den Forderungen zur Linderung der Notlage Nachdruck verliehen. Nach den entbehrungsreichen Vorkriegs- und Kriegsjahren fand der Neuaufbau nach 1945 in Mengersgereuth-Hämmern von Anbeginn an starken Widerhall. Auf einer Kundgebung am 6. Januar 1946 brachten die Mitglieder der K P D und der S P D ihren Willen zum Ausdruck, die geplante Vereinigung beider Arbeiterparteien zu unterstützen. Die Einwohner der Gemeinde förderten den A u f b a u der sozialistischen Gesellschaft unter anderem durch 60000 freiwillige Arbeitsstunden bei der Errichtung des 1975 eingeweihten Schulgebäudes mit einer modernen Turnhalle. Eine der ersten Initiativen nach 1945 war der Bau der 1952 fertiggestellten Natursprungschanze. Mengersgereuth-Hämmern entwickelte sich zu einem Zentrum der Heranbildung von Nachwuchssportlern in den nordischen Skidisziplinen. Aus diesem Trainingszentrum ging beispielsweise der ehemalige Junioren-Europameister im Skispringen, B E R N D E C K S T E I N , hervor. Dank der landschaftlich reizvollen Lage am Rand des Gebirges und wegen der guten Wintersportmöglichkeiten vermittelt der F D G B Urlauber in die Gemeinde. Die Spielwarenindustrie prägt heute eindeutig die Wirtschaft von MengersgereuthHämmern. Ihre stabile Entwicklung nach 1945 führte zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse. 1947 wurde eine Genossenschaft der Spielwarenhersteller gegründet, die sich 1948 in die Einkaufs- und Liefergenossenschaft umwandelte, die Vorstufe der P G H Spielzeugland, die 1960/61 ihre Betriebsgebäude nahe dem Mengersgereuther Bahnhof errichtete. Aus ihr ist der heutige V E B Spiel-

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L 6 zeugland hervorgegangen, mit 1100 Beschäftigten das größte, strukturbestimmende Werk der Gemeinde. Er erweiterte sein Produktionsspektrum und setzt anstelle des früher dominierenden Holzes jetzt in breitem Maße Plaste ein. Neben der Spielzeugindustrie ist lediglich der 1952 gegründete V E B Sonnenglanz erwähnenswert, ein kleiner Betrieb zur Fertigung von Fensterputzmitteln und Möbelpolitur. Außerdem betreut die LPG Tierproduktion Schalkau eine Anlage für 200 Milchkühe und Ställe für Jungrinder. Zahlreiche Arbeiter — vor allem aus den Nachbargemeinden des Hinterlandes — pendeln nach Mengersgereuth-Hämmern als einem der größten Standorte der Sonneberger Spielzeugindustrie. Andererseits fahren von hier täglich fast 800 Werktätige zur Arbeit in die 6 km entfernte Kreisstadt. L 7

Schwarzwald, seit 1922 Ortsteil von Mengersgereuth-Hämmern Der Eisenhammer Schwarzwald war der untere und wahrscheinlich älteste der 3 Hammerwerke (s. L 5 und 6) im oberen Effeldertal und stand auf dem Boden des Amtes Sonneberg. Bei Ausgrabung der Grundmauern zu Anfang des 20. Jh. soll noch das Erbauungsjahr 1408 zu erkennen gewesen sein. Besitzer waren nach dem Erbbuch von 1441 die Familien Hammerschmidt und Leutheuser. Den Hammer kaufte 1695 mit einer sehr günstigen Holzberechtigung und einem Schürfrecht auf Eisenerz der Coburger Münzmeister J O H A N N G E O R G A N G E R S T E I N , der ihn 1727 an den Augustenthaler Hammerwerksbesitzer G E O R G C H R I S T O P H V O N U T T E N H O V E N weitergab. Schon 1719 war hier ein erster und um 1730 ein zweiter Hochofen errichtet worden. Bald nach der Stillegung 1851 wandelte man das Hammerwerkshaus in ein Wirtshaus um. Um den Hammer bildete sich im 18. Jh. eine kleine Siedlung zu beiden Seiten der Effelder. Die Häuser östlich des Baches lagen auf dem Gebiet des Amtes Schalkau und gehörten zur Gemeinde Forschengereuth, westlich der Effelder waren sie Teil der Gemeinde Hämmern im Amt Sonneberg. Der Hämmerner Teil kam 1855 zur Gemeinde Mengersgereuth.

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Schichtshöhn, seit 1923 Ortsteil von Mengersgereuth-Hämmern Das kleine Dorf wird erstmals 1358/62 im Lehnbuch des Markgrafen F R I E D R I C H D E S S T R E N G E N von Meißen als Systeshein genannt. Der Ortsname wandelte sich bis zum 17. Jh. zu Schitshaynn und Schichishoen. Ursprünglich führte vermutlich ein Waldstück diesen Namen, in dem das mittelhochdeutsche Wort schlt = Holzscheit oder schie bzw. schlge = Zaunpfahl enthalten ist. Daneben erscheint seit dem 17. Jh. die Schreibweise Schichtsrod, das als mundartliche Bezeichnung Schrod oder Schrüd noch heute für Schichtshöhn erhalten ist. Der von der Effelder zum Isaak ansteigende Hang im Südteil der Flur war noch im 16. Jh. mit dichtem Wald bestockt. Seitdem fanden, so noch 1672, große Rodungen statt, die sich bis ins 19. Jh. fortsetzten. 2 Bauerngüter und 2 Sölde (Kleingüter) teilten sich ursprünglich in die Flur, die schon im 19. Jh. stark parzelliert war. Neben den 4 wohlhabenden Bauern lebten die meisten anderen Einwohner von der Arbeit in Erzgruben, von Holzmachen und von der Märbelsteinpickerei. Im 130

i8. Jh. drang auch Sonneberger Spielzeugindustrie im Heimgewerbe ein. Diese gab dem ärmlichen Ort im 19. Jh. sein wirtschaftliches Gepräge. Die Schule wurde 1873 errichtet und diente 1978 als Kindergarten.

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Forschengereuth, seit 1922 Ortsteil von Mengersgereuth-Hämmern,

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liegt am Südwestfuß des Oberschaars nahe der Eisenbahnlinie Sonneberg—Eisfeld. Der Ort wird erstmals im Urbarium von 1340 als Forschengeruthe genannt und tritt 1355 als Vorsingeruthe auf. Sein deutsch-slawischer Mischname bedeutet Rodung des Boris oder Borisch. Dem kommt die 1349/50 überlieferte Form Borsengerued nahe. Vom 17. Jh. ist auch die Bezeichnung Forstengereuth bekannt. 1355 wurde der Ort von den Wettinern an die Familie von Heßberg verpfändet. Die Bewohner des auf Rodeland entstandenen kleinen Dorfes betrieben Landwirtschaft und lebten von der Waldarbeit. Auf dem hier vorhandenen Freihof saß der 1443 erstmals erwähnte Förster für die Waldungen an der Effelder bis zum Gebirgskamm. Die Veränderung der Forstverwaltung 1540 hatte die Aufhebung der Forstei zur Folge. Im 18. Jh. wandten sich die Hintersassen des Ortes der Herstellung Sonneberger Spielwaren zu. Bald danach stieg die Einwohnerzahl unter Änderung der Sozialstruktur rasch an. Forschengereuth entwickelte sich im 19. Jh. vornehmlich zu einem Arbeiterdorf. Der früher nach Mengersgereuth eingeschulte Ort erhielt 1866 ein eigenes Unterrichtsgebäude (s. L 8) und 1909 Bahnanschluß, heute Mengersgereuth-Hämmern Ost. Im Hallgrund zwischen Forschengereuth und Mürschnitz fallen außerordentlich reiche Bestände des Zwergholunders (Sambucus ebulus) auf. Diese Art erreicht in unserem Gebiet die Nordgrenze ihrer Verbreitung. Im nassen Talgrund mit seinen anmoorigen Wiesen befinden sich Bitterklee (Menyanthes trifoliata), Blutauge (Potentilla palustris), Gegenblättriges und Wechselblättriges Milzkraut (Chrysosplenium oppositifolium und alternifolium) sowie Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris) .

Blößenberg

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An dem Ortsverbindungsweg von Sonneberg (Ziegelhütte) nach Forschengereuth, der nahezu genau auf der geologischen Hauptverwerfungslinie zwischen Schiefergebirge und Buntsandsteinvorland verläuft, erhebt sich der aus kulmischen Tonschiefern und Grauwacken bestehende Blößenberg (651 m ü. NN). Sein Gipfelplateau gehört klimatisch den Hochlagen an; der nach SW exponierte steile Hang ist ähnlich wie die anderen an das Vorland angrenzenden Berge (s. E 3) ständigen Winden ausgesetzt. Sie bewirken, daß dieser Hang trotz des hier beginnenden Regenstaugebiets und damit verbundener höherer Niederschläge nicht so hohe Feuchtigkeit aufweist wie der übrige Gebirgsraum. Die Sturmkatastrophen in den Jahren 1946 und 1958 verursachten an den Bäumen des Blößenberghanges und der Hochfläche Schäden durch Windbruch und -wurf (s. L 3). Der Blößenberg trägt eine Walddecke. Den östlichen Teil seines Südhanges überziehen abwechslungsreiche, junge Bestände aus Fichte, Kiefer, Lärche und am

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L 10 schräg abfallenden Hangweg aus der besonders schnellwüchsigen, winterharten und sehr bodenanspruchslosen Murray-Kiefer. Im Westteil steht auf einer großen Fläche ein alter Rotbuchenbestand. V o m Marienfelsen auf der Höhe des Berges genießt man eine eindrucksvolle Aussicht auf das Sonneberger Vorland.

M 1 Mittleres Steinachtal Der siedlungsleere Talabschnitt (Bild 20) zwischen Steinach und Blechhammer enthält die Fauna und Flora, die für untere Tallagen im südöstlichen Thüringer Wald charakteristisch sind. An den Hängen stehen zum Teil edellaubholzreiche Buchenwälder mit Bergulme und Spitzahorn. Hinzu kommt eine artenreiche Begleitflora: Waldgeißbart (Aruncus sylvestris, geschützt), Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium) und Verschiedenblättrige Distel (Cirsium helenioides) gehören zu den östlichen Florenelementen, die an diesen Standorten ihre Westgrenze erreichen; außerdem findet man Ausdauerndes Silberblatt (Lunaria rediviva), Platanenblättrigen Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius), Rauhhaarigen Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum), Zittergrassegge (Carex brizoides) und Schwarze Heckenkirsche (Lonicera nigra). Im Frühjahr blühen auf den Talwiesen reichlich die geschützten Waldschlüsselblumen (Primula elatior). Die Steinach ist zwar auch oberhalb von Sonneberg-Hüttensteinach durch Abwässer etwas verschmutzt, doch wird die organische Substanz durch die Selbstreinigung des Flusses teilweise wieder abgebaut, so daß noch einige Vertreter der Fauna (s. E 6) des typischen Bergbaches vorkommen. Der Hundeegel (Herpobdella octoculata) und in Stillwasserbereichen die Schnecke Lymnaea peregra zeigen aber bereits hier eine gewisse Verunreinigung an. Zahlreich sind die Gehäuse der Köcherfliegen (Trichoptera), von denen hier auch freilebende Arten der Gattung Rhyacophila und die Wohngespinste anlegenden Vertreter der Gattung Hydropsyche auftreten. Erst kurz vor der Verpuppung werden von den Larven dieser beiden Gattungen die so charakteristischen Gehäuse aus kleinen Steinchen und Lippensekret zusammengeklebt. Die Vogelwelt an der mittleren Steinach entspricht der des Truckenthaler Wassers (s. E 6). An Fischarten sind die Forelle, häufiger die aus Nordamerika stammende Regenbogenforelle, die Elritze und der Steinbeißer vertreten, der hier unter dem Namen Rotzer bekannt ist. In Teichen und Tümpeln, gelegentlich aber auch in großen Wegpfützen, treffen wir auf die beiden häufigsten Molcharten, den Bergmolch (Triturus alpestris) und den Teichmolch (Triturus vulgaris).

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Engnitz Nördlich von Blechhammer vereinigt sich die von Haselbach herabkommende Rögitz mit der bei Hasenthal entspringenden Ölse. Der 1,6 km lange gemeinsame Unterlauf bis zur Einmündung in die Steinach in Blechhammer trägt den Namen Engnitz, die ein 42 km 2 großes Einzugsgebiet entwässert und der Steinach durchschnittlich eine Wassermenge von 1,1 m3/s zuführt. Der Abflußgang der Engnitz zeigt die charakteristischen Merkmale eines Gebirgsflusses (s. C 1).

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Blechhammer, Ortsteil von Hüttengrund

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Die ältesten Siedlungen im Gebiet der heutigen, erst 1848 gebildeten Gemeinde Hüttengrund (s. M 4) waren der Oberhammer und der unterhalb des ölsetümpels in nur 300 m Entfernung liegende Unterhammer, dessen Teil links der Steinach früher Stahlhammer hieß. Der Oberhammer wurde 1604 und der Unterhammer 1606 als Nebenbetrieb des Hüttenwerkes Hüttensteinach angelegt (s. N 6). Beide Werke arbeiteten später als Blechhämmer, weshalb sich für diese Siedlung im ausgehenden 19. Jh. die Bezeichnung Blechhammer durchsetzte. Eine Gemeinde gleichen Namens hat es aber niemals gegeben. Der Oberhammer stellte seine Produktion vor 1840 ein, der Unterhammer 1860, worauf beide Anlagen als Sägewerke fortgeführt wurden. In Unterhammer entstand schließlich um 1850 die Schule für Hüttengrund. E t w a 300 m unterhalb von Unterhammer errichtete 1836 bis 1840 eine vor allem von Nürnberger Kapital getragene Aktiengesellschaft unter der technischen Leitung von J O S E P H C H I L L I N G W O R T H aus Redditch bei Birmingham das Puddlingseisenwalzwerk Bernhardshütte, das die Wasserkraft der Steinach nutzte und in zeitgenössischen Schilderungen als „eines der großartigsten Walzwerke in Deutschland" bezeichnet wird. E s war zur jährlichen Verarbeitung von 120000 Zentnern Eisen angelegt, konnte aber bei dem nur begrenzten Erzaufkommen im Steinachtal und in den Gruben von Kamsdorf und Lobenstein nur bis 20000 Zentner herstellen. A n Stelle von Holz wurde hier Zwickauer und Neuhäuser Kohle als Brennmaterial eingesetzt. Das Werk entwickelte sich zum größten Industrieunternehmen im damaligen Sonneberger Land und erreichte 1856 einen Jahresumsatz v o n 721910 fl. Als Nebenwerk legte man 1858 die Georgshütte im ölsetal an. Doch stockte bei der zunehmenden rheinischen Konkurrenz der Absatz seit 1860, so daß die Aktiengesellschaft 1864 ihre Auflösung beschloß. Die Hütte wurde damals mit 505616 fl. veranschlagt, der Konkurs erst 1883 zu Ende geführt. Die Bernhardshütte, die sich zeitweise auf Holzbearbeitung umgestellt hatte, produzierte seit 1906 Elektroporzellane. Heute steht auf ihrem Gelände ein Betriebsteil des V E B Stern-Radio Sonneberg. Die Einwohner Blechhammers finden Arbeit in den verkehrsmäßig leicht erreichbaren Nachbarorten, vor allem in Sonneberg und in Steinach. In der Ortslage von Blechhammer erinnert die dort als technisches Denkmal aufgestellte 1929 gefundene Hammerwelle aus eigener Produktion (1840) an die eisenverarbeitende Industrie im vergangenen Jahrhundert.

Hüttengrund, Kreis Sonneberg

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Bis zur Mitte des 19. Jh. wurde unter Hüttengrund das Talgebiet verstanden, das an der Steinachbrücke oberhalb des alten Köppelsdorfs begann, wo kurz vor der heutigen Hüttensteinacher Apotheke die Straße die Ufer der Steinach wechselt. Von hier zog sich der Hüttengrund — eine Landschaftsbezeichnung — das Steinachtal aufwärts bis zur Einmündung der Engnitz, dann das ölsetal nordwärts bis Friedrichsthal. Innerhalb der hier in unterschiedlichen Abständen folgenden Werke und Siedlungen bildet die Häusergruppe an der Abbiegung der früheren Handels10

Sonneberg

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straße Nürnberg —Leipzig aus dem Steinachtal in den Glasbachgrund nach Judenbach den eigentlichen alten Ort Hüttengrund. Diese Häusergruppe ging 1848 in der neuen Gemeinde Hüttensteinach (s. N 6) auf. Die um 1830 geschaffene Gemeinde Hüttengrund reichte zunächst von oberhalb dieser alten Häusergruppe bis zum Oberhammer (s. M 3) an der Einmündung der Engnitz in die Steinach. Bei der Teilung von 1848 behielten die oberen Häuser Heymannsmühle, Unterhammer mit dem Eisenwalzwerk Bernhardshütte und Oberhammer den Namen Hüttengrund bei. Im neuen Gemeindebezirk entstand im Engnitztal noch 1812 die Untere Boilersmühle als eine Schneidemühle. Die heutige Wohnsiedlung Hüttengrund in der Nähe der alten Heymannsmühle wurde dagegen erst am Ende des 19. J h . längs der Chaussee Köppelsdorf—Steinach errichtet. Nach dem Niedergang der Eisenindustrie zog in der neuen Gemeinde Hüttengrund die Porzellanindustrie ein, als 1898 in Hüttengrund und 1906 in der Bernhardshütte (s. M 3) Fabriken gegründet wurden. Die Entwicklung der Schulverhältnisse in Hüttengrund bietet ein gutes Beispiel für die planmäßige Umgestaltung des Schulnetzes im Kreis Sonneberg im Sozialismus zur Qualitätssteigerung des Unterrichts. Zunächst besaß der Ort eine Grundschule mit gleichzeitigem Unterricht mehrerer Klassen in einem Raum und durch einen Lehrer (Mehrstufenunterricht). Von 1957 bis 1966 wurden an dieser Einrichtung nur noch die Klassen 1 bis 6 unterrichtet, bis 1968 die Klassen 1 bis 5 und bis 1970 die Klassen 1 bis 4. Seitdem besuchen alle Schulpflichtigen dieser Gemeinde die zehnklassige Polytechnische Oberschule Joliot-Curie in Steinach. Das ehemalige Unterrichtsgebäude in Hüttengrund dient heute als Kulturhaus. Das enge Steinachtal mit seinen steilen Hängen bietet dem Bau von Wohnhäusern nur geringe Möglichkeiten. Mit der Errichtung des Hartstein Werkes bekam der Ort eine neue wirtschaftliche Grundlage. Auch sie konnte allerdings nicht verhindern, daß Hüttengrund die Gemeinde mit dem stärksten Einwohnerrückgang im Kreis Sonneberg ist, sicherlich bedingt durch die Lage im engen, schattigen Steinachtal an der verkehrsreichen Durchgangsstraße von Sonneberg nach Neuhaus (s. C 1). Im obersten Teil des Hüttengrundes, der jedoch niemals zur Gemeinde dieses Namens gehört hat, lagen die Häusergruppe Eschenthal und das 1661 errichtete Eisenwerk Friedrichsthal. Dieses Werk befand sich auf dem Gebiet des Amtes Gräfenthal, doch gehörten einige unterhalb der Fabrik errichtete Häuser zum Amt Sonneberg. Beide Teile von Friedrichsthal, Eschenthal, Georgshütte (seit 1858) und die Obere Bollersmühle (seit 1855) schlössen sich 1902 zur neuen Gemeinde Eschenthal zusammen. Die verkehrsmäßige Erschließung des Hüttengrundes erfolgte erst um die Mitte des 19. J h . durch die Chaussee Köppelsdorf— Gräfenthal mit der Abzweigung Blechhammer—Steinach. Seit 1886 führt die Bahnstrecke Sonneberg—Lauscha (s. C 3) durch das Steinachtal; die Gemeinde Hüttengrund erhielt die Haltestellen Oberhammer (heute Bahnhof Blechhammer) und später Hüttengrund. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren zwischen Steinach und dem Gebirgsrand mehrere Grauwackensteinbrüche in Betrieb, beispielsweise an der Neuen Neufanger Straße. Seit 1961 wird der Abbau auf einen großen, neu erschlossenen Bruch bei Hüttengrund konzentriert. In dem dazugehörigen Hartsteinwerk erfolgt auch die Aufbereitung zu Packlager, Schotter und Splitt. Ein Eisenbahnanschluß ermöglicht den Abtransport.

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G r a u w a c k e n sind sandsteinartige Schichtgesteine, deren M a t e r i a l aus der m e c h a - M nischen Zerstörung anderer Gesteine s t a m m t . Sie k o m m e n südlich der L i n i e Meng e r s g e r e u t h — S t e i n a c h — H a s e l b a c h in mehr oder minder m ä c h t i g e n P a k e t e n v o r und sind durch ein tonschieferähnliches bis kiesiges B i n d e m i t t e l z u s a m m e n g e k i t t e t . Sie bestehen aus verschieden g e f ä r b t e m Q u a r z u n d a u s S c h i e f e r b r u c h s t ü c k e n , aus vereinzelt e i n g e s t r e u t e m F e l d s p a t und G l i m m e r . J e n a c h der G r ö ß e der Gemengeteile unterscheidet m a n grobkörnige und feinkörnige G r a u w a c k e , d a n e b e n g i b t es B ä n k e m i t groben Gerollen, die konglomeratische G r a u w a c k e . D i e Steinb r u c h w ä n d e lassen innerhalb der G r a u w a c k e n p a k e t e m e h r oder m i n d e r d i c k e L a g e n Tonschiefer erkennen. Die D r u c k f e s t i g k e i t der G r a u w a c k e b e t r ä g t in A b h ä n g i g k e i t v o n d e m V e r w i t t e r u n g s grad und d e m A n t e i l a n Tonschiefern durchschnittlich 1680 kp/cm 2 (zum V e r gleich : Sandsteine 400 — 800 kp/cm 2 sowie G r a n i t e und B a s a l t e 1 800 — 2 800 kp/cm 2 ). In den harten, b a n k i g abgelagerten G r a u w a c k e n k o m m e n , allerdings n u r selten, Pflanzenreste vor, z u m Beispiel C a l a m i t e n (Schachtelhalmgewächse). Sie sind verhältnismäßig g u t erhalten, also w e n i g v e r d r ü c k t . In den s c h w a c h e n , feinsandigen Schichten sind dagegen sowohl kleine als a u c h große P f l a n z e n z u s a m m e n g e s p ü l t . Die meisten Pflanzenreste werden in den Wechsellagen g e f u n d e n . Diese F u n d e sind im allgemeinen weniger g u t erhalten als in den harten G r a u w a c k e n .

Sternwarte Sonneberg (Bild 16) A u f dem E r b i s b ü h l bei N e u f a n g , d e m m i t 638 m ü. N N h ö c h s t e n P u n k t des b e b a u ten S t a d t g e b i e t s v o n Sonneberg, e r s t r e c k t sich das G e l ä n d e der S t e r n w a r t e . Sie v e r d a n k t ihre E n t s t e h u n g d e m A s t r o n o m e n Prof. CUNO HOFFMEISTER ( 1 8 9 2 — 1 9 6 8 ) aus Sonneberg, der a u c h ihr erster D i r e k t o r war. D e r k a u f m ä n n i s c h e A n g e s t e l l t e b e s c h ä f t i g t e sich seit 1909 als A m a t e u r m i t Astronomie, w o b e i er sich seit 1914 auf die E r f o r s c h u n g der veränderlichen Sterne spezialisierte. N o c h b e v o r er sein F a c h s t u d i u m in J e n a abgeschlossen hatte, errichtete auf seine I n i t i a t i v e die S t a d t Sonneberg m i t U n t e r s t ü t z u n g des L a n d e s T h ü r i n g e n und der C a r l - Z e i s s - S t i f t u n g die B e o b a c h t u n g s s t a t i o n m i t d e m K u p p e l t u r m . Sie w u r d e a m 28. D e z e m b e r 1925 eing e w e i h t und bereits 1928 als d a m a l s „ h ö c h s t e S t e r n w a r t e D e u t s c h l a n d s " d u r c h A n b a u t e n wesentlich erweitert. In den fünfziger Jahren w u r d e die S t e r n w a r t e b e t r ä c h t l i c h v e r g r ö ß e r t . Sie b e s t e h t aus mehreren, d u r c h G r ü n a n l a g e n g e t r e n n t e n ein-bis zweigeschossigen G e b ä u d e n m i t Arbeits- und L a b o r r ä u m e n sowie a n g e s e t z t e n K u p p e l b a u t e n f ü r die B e o b a c h t u n g s geräte. Die S t e r n w a r t e b e s i t z t 3 große Spiegelteleskope (60 c m b z w . 75 c m D u r c h messer) und 2 R e f r a k t o r e n (je 40 c m Durchmessser). D a s H a u p t a u f g a b e n g e b i e t der Mitarbeiter ist die U n t e r s u c h u n g veränderlicher Sterne und e x t r a g a l a k t i s c h e r O b j e k t e . H i n z u k o m m t die p h o t o g r a p h i s c h e H i m m e l s ü b e r w a c h u n g , u m interessante, n i c h t vorausberechenbare E r s c h e i n u n g e n zu erfassen. H e u t e ist die Sternw a r t e d e m Z e n t r a l i n s t i t u t f ü r A s t r o p h y s i k der A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n der D D R angeschlossen. Prof. CUNO HOFFMEISTER wurde f ü r seine V e r d i e n s t e u m die astronomische F o r s c h u n g m i t d e m Nationalpreis sowie m i t der E h r e n b ü r g e r s c h a f t der S t a d t Sonneberg geehrt.

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M 6

Neufang, seit 1923 S t a d t t e i l v o n Sonneberg, liegt m i t seinen H ä u s e r n h o c h ü b e r d e m S t a d t g e b i e t a m R a n d der Gebirgshochf l ä c h e u m die Quellmulde des Glasbaches und ist weithin sichtbar. Sein Ortskern g r u p p i e r t sich u m die steil ansteigende H a u p t s t r a ß e , die B e b a u u n g reicht n a c h N O bis zur Sternwarte, n a c h S bis z u r Malschenalm'. N e u f a n g g e h ö r t f u n k tional heute zu Sonneberg, a n das es m i t einer städtischen Omnibuslinie sowie m i t B u s s e n des W e r k v e r k e h r s angeschlossen ist. R ä u m l i c h ist N e u f a n g a u c h heute n o c h v o m eigentlichen S t a d t g e b i e t getrennt, d a die steil v o m P l a t e a u des Gebirges z u m V o r l a n d abfallenden B e r g h ä n g e eine B e b a u u n g n i c h t zulassen. N e u f a n g wird erstmals i m U r b a r i u m v o n 1 3 1 7 als Nuwenvanch e r w ä h n t , i m 16. Jh. als Newfang oder Neufangk. Mundartlich heißt es heute Neufich. D e r O r t s n a m e b e d e u t e t Siedlung beim neuen B e r g w e r k , denn -fang ist v e r m u t l i c h als F u n d o r t , Grube, B e r g w e r k zu erklären. B i s 1560 unterschied m a n zwischen N e u f a n g oder V o r d e r n e u f a n g einerseits und H i n t e r n e u f a n g andererseits. D a s D o r f l a g a n der S t r a ß e v o n N ü r n b e r g n a c h E r f u r t , die hier im Z u g e der A l t e n N e u f a n g e r S t r a ß e die H ö h e des Gebirges e r k l o m m . D i e N e u e N e u f a n g e r Straße längs des S c h ö n b e r g h a n g s w u r d e d a g e g e n erst 1 9 1 1 g e b a u t . B e i N e u f a n g g a b es im 14. Jh. eine G l a s h ü t t e , möglicherweise sogar 2 H ü t t e n . D i e F l u r gehörte zu 10 B a u e r n g ü t e r n . D a aber die L a n d w i r t s c h a f t nur einen k a r g e n E r t r a g a b w a r f , w a r e n die B e w o h n e r g e z w u n g e n , a u c h v o n W a l d a r b e i t und T a g e l o h n sowie F u h r e n f ü r Sonnebsrger B ü r g e r zu leben. In N e u f a n g z o g als einem der ersten D ö r f e r des Sonneberger L a n d e s a m E n d e des 17. Jh. die Herstellung v o n Holzspielwaren in H e i m a r b e i t ein, im 19. Jh. breitete sich schnell Papiermaché-Spielzeugindustrie aus. D e r O r t v e r g r ö ß e r t e sich rasch und e n t w i c k e l t e sich zu einem t y p i s c h e n Heimarbeiterdorf m i t all seinen sozialen Mißständen. E i n e Schule w u r d e 1750 errichtet. Zu N e u f a n g gehören a u ß e r der S t e r n w a r t e die W e t t e r w a r t e , die A u s f l u g s g a s t s t ä t t e B l o c k h ü t t e und die u n t e r h a l b des S t a d t t e i l s 1925 errichtete G a s t s t ä t t e Malschenalm. D a diese G e b ä u d e a n exponierten Stellen stehen, b i e t e t sich v o n ihnen — wie a u c h v o n vielen anderen P u n k t e n in N e u f a n g und U m g e b u n g — ein eindrucksvoller B l i c k (s. N 1.1) n a c h O bis z u m Fichtelgebirge, n a c h S ü b e r das Sonneberger B e c k e n bis z u r F r ä n k i s c h e n A l b und n a c h W über die Gleichberge bis zur H o h e n R h ö n . B e l i e b t e Ausflugsziele in der U m g e b u n g v o n N e u f a n g sind der Königsee, ein ehemaliger G r a u w a c k e n s t e i n b r u c h , und die S k i h ä n g e a m W ö l f l e i n s t a l (s. N 5).

N 1 N 11

Sonneberg, K r e i s Sonneberg Lage A n der Gebirgsstufe zwischen d e m T h ü r i n g e r W a l d und d e m mesozoischen V o r land erstreckt sich über 6 k m L ä n g e Sonneberg, m i t annähernd 29000 E i n w o h n e r n die z w e i t g r ö ß t e S t a d t Südthüringens. D i e Gebirgshochfläche erreicht hier eine H ö h e v o n 650 bis 700 m, das angrenzende B e c k e n m i t der L i n d e r E b e n e 350 bis 400 m. D i e Sonneberger Stadtteile weisen folgende mittlere H ö h e n l a g e n a u f : N e u f a n g 580—635 m, W e h d 470 m, S t e i n b a c h 410 m, S t a d t z e n t r u m 400 m , H ü t t e n s t e i n a c h 400 m, Köppelsdorf 390 m, W o l k e n r a s e n 385 m, Malmerz 375 m, B e t t e l h e c k e n 375 m, Mürschnitz 375 m, Oberlind 365 m , H ö n b a c h 360 m.

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Von S her, besonders vom neuerbauten Hochhaus des V E B Sonni (s. N 10), bietet N i. i sich ein eindrucksvoller Blick auf das Stadtgebiet, das wie in einer großen Arena die Hänge, den F u ß und auch das Vorland des Gebirges einnimmt: Den Vordergrund bestimmen die Neubauten des Wohnviertels Wolkenrasen, die südlich des Bahnhofs vom Ziegenrück bis zum Sonneberger Krankenhaus errichtet wurden. Dahinter drängen sich die Häuser der Innenstadt zwischen dem Hauptbahnhof und der evangelischen Kirche am Hang. A m Rand der Hochfläche, gewissermaßen ein Stockwerk über der übrigen Stadt, breitet sich Neufang (s. M 6) aus. Westlich der Innenstadt erhebt sich der Eichberg, dessen Plateau von der Wohnsiedlung Wehd eingenommen wird. Südlich und westlich des Eichbergs setzt sich das bebaute Gebiet in den Stadtteilen Bettelhecken (s. N 2) und Mürschnitz (s. N 3) fort, östlich des Stadtzentrums dehnen sich längs der Eisenbahnlinie Industrieflächen aus: V E B Elektroinstallation Oberlind im Stadtteil Grube, auf ehemals Oberlinder Flur, Fabrik- und Lagergebäude um den Bahnhof Sonneberg-Ost (Köppelsdorf er Gebäude des V E B Elektrokeramische Werke), V E B Plasta und Landbaukombinat, weiter im O die neuen Werkanlagen der Elektrokeramischen Werke. Die dahinter ansteigenden Hangpartien werden von weithin sichtbaren Wohnvierteln am Schönberghang und in Steinbach (s. N 7) eingenommen. Zahlreiche Aussichtspunkte am Schönberg und Stadtberg, vor allem am Unionsfelsen, an der Gaststätte Blockhütte, an der Wetterwarte und an der Malschenalm (s. M 6) bieten die Möglichkeit, aus einer anderen Perspektive die räumliche Gliederung Sonnebergs zu erfassen: Deutlich tritt der planmäßige schachbrettförmige Grundriß des Zentrums beiderseits der Karl-Marx-Straße hervor. Jenseits des Bahnhofs schließt sich der Stadtteil Wolkenrasen an. Die östlichen Vororte werden von ausgedehnten Industrieflächen eingenommen, die weiträumigen Anlagen südlich der Eisenbahn sind fast ausschließlich in den Jahren des sozialistischen A u f b a u s entstanden. Südlich im Vorland läßt Oberlind (s. N 10) noch immer den Grundriß des alten Marktfleckens erkennen, doch deuten die großen Werkanlagen der Kombinate V E B Thuringia und V E B Sonni den dynamisch ablaufenden Umwandlungsprozeß an. Westlich des Stadtzentrums fällt der Blick auf die Arbeiterwohnsiedlung Wehd auf dem Eichbergplateau, daran angrenzend auf den Schloßberg (mit Gaststätte), den Ausgangspunkt der Sonneberger Entwicklung (s. N 1.2). Versteckt in den Bergen liegt im Röthental die Obere Stadt mit dem Grund. Diese Altstadt (Bild 20) an der Peripherie ist gegenwärtig ein Bereich mit vorwiegender Wohnfunktion. Die expansive Stadtentwicklung Sonnebergs seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. kam fast einer Neugründung gleich.

G e s c h i c h t e und W i r t s c h a f t 1200— 1839

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Die älteste erwähnte Siedlung in der alten Sonneberger Flur ist das im Urbariuin von 1317 auftretende Dorf Altenröten, das am Fuß des Eichbergs im Gelände der nachmaligen Staatsbankfiliale — seit 1978 Sitz der FDJ-Kreisleitung — gelegen hat und sicherlich bis in die Zeit der fränkischen Landnahme im frühen Mittelalter zurückgeht. E s besaß eine dem heiligen Laurentius geweihte Kirche, deren Grundmauern im 19. Jh. ausgegraben wurden. Noch heute erinnert die Flurbezeichnung Alte Kirche an dieses Bauwerk. 137

N 1.2 Um 1200 entstand auf dem heutigen Schloßberg die Burg Sonneberg, nach der sich das dort wohnende Geschlecht erstmals 1207 nannte. Der Bergname nimmt sicherlich Bezug auf seine sonnige Lage. Die Burg wurde 1639 durch einen Gewittersturm stark beschädigt, als Wohnsitz aufgegeben und nach dem Dreißigjährigen Krieg als Steinbruch für den Häuserbau in der Stadt benutzt, so daß 1780 nur noch ein Erdwall erkennbar war. Wohl noch im 13. Jh. entstand am Südhang des Eichbergs unterhalb von Altenröten ein zu der Burg gehöriges Vorwerk, das ebenfalls im Urbarium von 1317 verzeichnet ist. E s tritt später als Schafhof mit starker Schafhaltung bis ins 18. Jh. auf, wie auch die Schaf schere das Wappenbild der ersten Burgherren war. Im 18. Jh. als Kammergut Eichberg, später als Vorderer Eichberg bezeichnet, verfügte es über umfangreichen Grundbesitz vor allem in der vor dem Hof längs der Röthen sich erstreckenden Herrenau. Das heutige Gebäude (s. N 1.4) war seit 1778 Sitz des Oberforstmeisters des Oberlandes, und jetzt ist hier ein Betriebsteil des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Neuhaus untergebracht. Die Bürgerschaft kaufte 1828 die Grundstücke des Kammerguts Eichberg auf und vereinzelte sie. Unterhalb der Burg Sonneberg entstand im engen Röthental zwischen Schloßberg und Stadtberg eine an die Burg angelehnte weitere Siedlung, die im Unterschied zu Altenröten, das bald aufgegeben wurde, den Namen Röten under Sunberg führte. Die Bezeichnung begegnet erstmals 1260 als Eigenname der Familie von Röten (de Roten), die mit den Herren von Sonneberg verwandt war und bis zu ihrem Aussterben 1380 die Kemnate, später auch Schlößchen (s. N 1.4) genannt, bewohnte. Bereits 1279 erscheint Röten als Pfarrei für ein weites Gebiet vor dem Wald und längs der Judenstraße (s. N 11). Die Siedlung am Fuß der Burg wird erstmals im Urbarium von 1317 als Städtchen (stetelin zu Rötin) genannt. Die Stadterhebung geht möglicherweise noch auf die zuletzt 1310 vorkommenden Herren von Sonneberg zurück. Eine Stadtrechtsurkunde ist allerdings erst vom 5. Januar 1349 überliefert. Der Name der Stadt wechselte-bis 1380 zwischen Röten und Sonnenberg, dann setzte sich Sonnenberg durch, das erst um 1840 in Sonneberg — mundartlich Sumbarg — umgewandelt wurde. Seine Rechte bestanden sicherlich von Anfang an in einer städtischen Gerichtsbarkeit über strittige Zivilsachen und leichte Straffälle sowie in der Wahrnehmung einer gewissen Selbstverwaltung unter einem Rat, der uns erstmals 1353 begegnet. Die Stadt war auch seit dem Spätmittelalter an dem einzig in Frage kommenden Zugang vom S befestigt. Die Mauer zog sich längs des Stadtgrabens hin, einer Seitengasse der jetzigen Unteren Marktstraße, wo die Röthen noch heute eine quer zum Tal führende Biegung macht. Hier befand sich auch bis 1773 das einzige Tor. Die Marktgerechtigkeit wurde der Stadt dagegen erst 1601 erteilt. Die alte Stadt (Bild 13) erstreckte sich in einer unregelmäßigen Anlage mit zwei gebogenen Gassen im Röthental zwischen dem gegenwärtigen Markt und dem nach 1840 geschaffenen Kleinen Markt. Auf der am Südende sich zum damaligen Markt verbreiternden westlichen Gasse lagen die alte Stadtwaage und dahinter die Stadtkirche St. Johannes. Das sich südwärts anschließende Gebiet bis zum Stadtgraben wurde erst im späten 17. Jh. bebaut, während die Häuser vom Kleinen Markt bis zum Salzbrunnen eine Erweiterung des 18. Jh. im engen Röthental nach N darstellen. Im Stadtgebiet gab es aber auch Häuser und Häusergruppen, die nicht dem R a t

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unterstanden. Die unmittelbar zur Burg gehörigen Häuser und die amtslehnbaren N 1.2 Gebäude bildeten bis 1839 eine besondere Burggemeinde unter einem Burgschultheißen. Sie tritt im Erbbuch von 1 5 1 6 als eine Gruppe von 10 Häusern auf der Wehd unterhalb der Burg auf. Zu ihr zählte auch der seit dem 14. J h . in engen Beziehungen zur Burg stehende Halbbauernhof, der spätere Dresselhof, der vor dem Stadttor links der Straße nach Neustadt lag und zu dem ausgedehnter Besitz am Glasbach und an der Eller gehörte. Zu den amtslehnbaren Grundstücken rechneten schließlich auch alle Mühlen. Die Obermühle (später Mittelmühle oder Hartungsmühle) oberhalb der alten Stadt in der heutigen Mühlgasse wird schon im Urbarium von 1 3 1 7 genannt und war bis 1903 in Betrieb. Ebenso entstammte die unterhalb der Stadt an der Stelle der jetzigen August-Bebel-Schule gelegene und 1884 abgebrochene Untere Mühle zweifellos schon dem 13. Jh. Das Gebiet nördlich des Salzbrunnens gehörte nicht mehr zur Stadtflur, sondern zum landesherrlichen Forst. Hier entstanden am Ende des 17. Jh. die Obermühle im heutigen Haus Grüntal 6 und schließlich noch weiter flußaufwärts um die Mitte des 18. J h . eine Furniermühle der Sonneberger Schreiner, die — seit 1791 Mahlmühle — nach dem neuen Besitzer Hößrichsmühle genannt wurde*. Das zur Talstraße quergestellte Gebäude bildet heute noch den nördlichen Abschluß von Sonneberg. Der nördlichste Stadtteil, das Grüntal, wurde im wesentlichen erst im 19. J h . errichtet. Außerhalb des Stadtgebietes entstanden hier oberhalb der Hößrichsmühle etwa gleichzeitig mit ihr die 1766 erwähnte Walkmühle, die spätere Gaststätte Waldeslust, und am Nordhang des Schloßbergs 1723 eine Ziegelhütte. Die Stadt dürfte um 1300 kaum mehr als 200 Einwohner besessen haben, deren Zahl bis 1 5 1 6 auf etwa 400 bis 450 Menschen stieg. Die Steuerregister des 16. J h . lassen einen noch wenig differenzierten Sozialaufbau erkennen und verdeutlichen die Armut der Bürger. Die gewerbliche Wirtschaft beruhte im Mittelalter auf den Erzeugnissen des Waldes und den Steinen des Gebirges, vor allem auf den Wetzsteinen aus den Brüchen am Stadtberg. Nicht von ungefähr gehört der Name Steiner zu den ältesten bezeugten Familiennamen in Sonneberg. Den Vertrieb übernahmen zunächst Nürnberger Kaufleute. Schon vor dem Dreißigjährigen Krieg begaben sich aber, wie die Kirchenbücher ausweisen, die Sonneberger Produzenten vielfach auf ausgedehnte Geschäftsreisen, um den Absatz vorzunehmen. So findet man bei Geburtseinträgen oft vermerkt: Vater in Geschäften abwesend in Livland oder in anderen Ländern. Nach dem Westfälischen Frieden 1648 begann der schnelle wirtschaftliche Aufstieg der Stadt. Zunächst herrschte dabei weiterhin die Anfertigung von Gebrauchssteinen vor, die bald durch die Herstellung von Griffeln und kleinen Schieferbüchern ergänzt wurde. Seit dem Anfang des 18. Jh. schoben sich aber immer deutlicher die Produktion von Holzwaren und bemaltem Holzspielzeug und der Handel damit in den Vordergrund. Die Zahl der Meister des Nagelschmiedehandwerks stieg im ersten Drittel des 18. J h . von 20 auf 40. Noch 1780 arbeiteten in 1 1 Werkstätten 70 Meister und Gesellen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der vollen Übernahme des Absatzes durch die Sonneberger ging eine schnelle soziale Differenzierung Hand in Hand. E s setzte sich eine ökonomisch bedingte Scheidung zwischen den Fernhändlern und den von ihnen immer abhängiger werdenden kleinen Produzenten durch. Für das 139

N 1.2 Jahr 1780 werden in Sonneberg bereits 14 Kaufleute als Großhändler genannt, während in der Spielzeug- und Holzindustrie noch 4 und in der Steinindustrie nur noch 2 Personen die Produktion mit dem Handel verbanden. Schließlich trieb das Sonneberger Handelsprivileg von 1789 (s. Seite 17) mit seiner scharfen Trennung von Handel und Produktion die soziale Differenzierung weiter voran. In der zweiten Hälfte des 17. Jh. gelang es dem aus einer aus Neufang zugewanderten Familie stammenden Kaufmann D I E T R I C H D Ö B R I C H , die Verfügungsgewalt über die im landesherrlichen Forst gelegenen Brüche zu erlangen. Durch Verkauf des Rohmaterials an die zahlreichen kleinen Produzenten von Gebrauchssteinen, Griffeln und Schieferbüchern und durch die Übernahme der Ware zum Absatz kamen D I E T R I C H D Ö B R I C H und sein Sohn J O H A N N K O N R A D ZU beträchtlichem Reichtum. Der Vater trieb Handel besonders mit den Ostseeländern. Eine berechnende Familien- und Heiratspolitik vermehrte schnell die Kapitalmassen, die die günstige Entwicklung der Sonneberger Gewerbe aufhäufte. Während J O H A N N K O N R A D D Ö B R I C H das Sonneberger Stamrrigeschäft erbte, gründeten seine Brüder Handlungen in Lübeck, Riga und Stockholm. Sein Schwager C H R I S T I A N H E I N R I C H H Ü T T aus Ellefeld bei Auerbach/Vogtland führte seit 1687 in Sonneberg den Kommissionshandel ein, ein anderer Schwager kam durch den Englandhandel zu wirtschaftlichem Erfolg. Durch den Handel erlangten aber auch andere Familien, wie Bischoff und Herpich, und durch Erbschaft des großen Herpichschen Vermögens die Familie Dressel, die früher Wismutmalerei betrieben hatte, große wirtschaftliche Macht. So führte die Entwicklung der Sonneberger Industrie vom Ende des 17. bis zur Mitte des 18. Jh. zur Ausbeutung der sich bildenden „producirenden Classe" und zu einem ausgedehnten Fernhandel, die bei ausgeprägter Familienpolitik beträchtliches Vermögen in den Händen weniger Großkaufleute anhäuften. Diese gesellschaftlichen Verhältnisse, die bereits ihre feudalen Fesseln abstreiften und den Kapitalismus vorbereiteten, verfestigten sich in den folgenden Jahrzehnten, als sich nach der Blüte des Handels mit Flintsteinen, womit die Sonneberger Kaufmannschaft die Heere Europas zwischen 1760 und 1780 monopolartig belieferte, eine mehr krisenhafte Entwicklung bemerkbar machte. Sie mündete in den wirtschaftlichen Rückgang während der Napoleonischen Kriege aus. Mit dem Übergang zum voll ausgebildeten Kapitalismus und dem sich immer mehr durchsetzenden Freihandel begann nach 1820 ein langandauernder Aufschwung der Stadt, auch wenn ihn immer wieder Wirtschaftskrisen unterbrachen. Ebenso war der R a t der Stadt seit dem 18. Jh. von der Kaufmannschaft beherrscht, obwohl stets auch die Handwerker vertreten waren. Schon seit dem Ende des 17. J h . erfolgte in den Wohngebieten eine scharfe Trennung zwischen den Kaufleuten und den kleinen Produzenten. Die Arbeiter wohnten in der dichtgedrängten Altstadt und in den weiter nördlich anschließenden kleinen Häuschen Im Grund. Die Kaufleute siedelten sich dagegen am Stadtausgang in der jetzigen Unteren Marktstraße und schließlich, wie erstmals 1835 J O H A N N C H R I S T O P H und Louis L I N D N E R in zwei gleichartigen klassizistischen Häusern, in parkähnlichen Gärten weit außerhalb von Sonneberg an der Straße nach Neustadt an. Die Stadt dehnte sich dadurch weiter in die Ebene aus. Um 1800 wurden bereits die Wiesen der Untermühle westlich des unteren Teils der heutigen Unteren Marktstraße bebaut. Am Glasbach und auf der Schanze standen schon seit dem 17. Jh. kleine Häuser, in denen vor-

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wiegend Leinweber wohnten. Weit vor der Stadt lagen am Hang des Schönbergs N 1.2 das Schießhaus und in der Nähe des heutigen Schlachthofs eine 1773 errichtete Walkmühle, die 1798 in eine Mahlmühle umgewandelt wurde.

G e s c h i c h t e und W i r t s c h a f t 1 8 4 0 — 1 9 4 5

N 1.3

Der große Brand der Altstadt zwischen Markt und Kleinem Markt am 27. August 1840 gab den Auftakt zu einer sehr raschen Stadterweiterung. Nicht nur die Altstadt wurde unter Verwischung aller Spuren der Vergangenheit nach rationellen Grundsätzen aufgebaut, sondern mit der Errichtung der neuen Stadtkirche (s. N 1.5) und mit der des Bahnhofs 1858 weit im S der Stadt wurden die Richtpunkte einer künftigen großzügigen baulichen Entwicklung angelegt. Das Gebiet an der Kirchstraße (Abb. 32) und im oberen Teil der heutigen Karl-Marx-Straße war schon bis 1860 erschlossen. Bis 1880 folgte dann Wohnhausbau an der Straße nach Coburg bis zur Höhe der Lindnerschen Villen. Von 1880 bis 1 9 1 0 entstand von W nach O fortschreitend das neue, große, schachbrettartige Wohnviertel südlich der Kirche bis auf die Höhe der vom Bahnhof nach Köppelsdorf geführten Chaussee. Bald überschritt das Baugelände diese Straße und den kaum 100 m entfernten Einschnitt der 1886 angelegten Eisenbahnlinie nach Lauscha südwärts, und noch vor dem ersten Weltkrieg war die bauliche Verbindung mit Oberlind oberhalb des Linder Hügels und mit Bettelhecken über den Eichberghof hergestellt und die nur 360 ha große Sonneberger Stadtflur größtenteils bebaut. Bei dem wachsenden Geschäftsverkehr machte sich die Errichtung eines neuen Bahnhofs mit ausreichendem Güterumschlagplatz dringend erforderlich. E r entstand 1906 südlich des alten Bahngeländes teilweise schon auf Flurstücken Oberlinds. Die feudalistische Stadtverfassung war längst abgeschafft worden. Das Provisorische Regulativ vom 29. September 1839 leitete zur bürgerlich-kapitalistischen Stadtverwaltung über, in der der von der Bürgerschaft gewählte Gemeinderat eine zentrale Stellung einnahm. Mit der Stadt wuchsen die kommunalen Einrichtungen. E s entstanden 1861 das Gaswerk, 1867 die zentrale Hochdruckwasserleitung, 1878 der Schlachthof, .1907 das Elektrizitätswerk, die alle im südlichen Stadtgebiet angesiedelt wurden, und endlich 1 9 1 1 das Krematorium auf dem schon 1840 geschaffenen Friedhof hinter der Stadtkirche am Hang des Schönbergs. In der Industrie behaupteten sich trotz des Aufkommens zahlreicher kleiner und mittelständischer Unternehmen nach Einführung der Gewerbefreiheit 1863 die alten Firmen aus den letzten Jahrzehnten des Handelsprivilegs von 1789. Einige wenige Spielzeuggroßhandlungen beherrschten am Ende des 19. J h . nicht nur die Sonneberger Wirtschaft, sondern bestimmten bald mit ihren Fabrikations- und Lagerhäusern und den großen Villen ihrer Besitzer auch das äußere Bild der neuen Stadtteile. Nach dem Brand des Dresselhofes (s. N 1.2) 1914 griffen sie auch in das kleinstädtische Baugefüge der Altstadt ein. Die Art der Industrie mit ihrer sogar in der Blütezeit nur schwach ausgebildeten Maschinentechnik und der nur sehr begrenzten Anwendung der Dampfkraft ermöglichte ein buntes Gemenge von Wohn- und Geschäftshäusern und verlieh der Weltspielwarenstadt ein ganz anderes Aussehen als es die anderen kapitalistischen Industriestädte zeigten. So erlebte Sonneberg am Ende des 19. Jh. auch Ansätze zum Kurort.

141

N 1.3

Abb. 32. Kirchstraße in Sonneberg

142

Bei der vorherrschenden Haltung des nach Profit strebenden Bürgertums konnten N tiefgreifende kulturelle Bestrebungen in Sonneberg kaum aufleben. In einer Stadt, die so völlig von ökonomischen Zielsetzungen bestimmt war, fand sich trotz der Wirksamkeit von Gesangs-, Musik-, Turn- und Sportvereinen des Bürgertums und der Arbeiterklasse für bedeutende Kulturinstitute kein Platz. Ausnahmen bildeten die Errichtung des Schloßberggebäudes 1844 und die Überführung des Lutherhauses (s. N 1.5). Auch die Förderung des Schulwesens wurde vor allem aus ökonomischen Gesichtspunkten gesehen. 2 größere Schulen entstanden: die Bürgerschule 1886 (jetzt August-Bebel-Schule) und die Lohauschule 1906 (jetzt ZiolkowskiSchule). Aus der 1872 gegründeten Gewerbeschule entwickelte sich die Realschule, seit 190g Oberrealschule mit Abiturabschluß. Die v o m Kaufmännischen Verein ins Leben gerufene Handelsfachschule wurde 1901, die der Ausbildung von Spielzeuggestaltern dienende 1883 gegründete Industrieschule 1908 in städtische Verwaltung genommen. Die Kaufmannschaft war seit der Revolution von 1848 bestrebt, nicht nur die ökonomische, sondern auch die politische Führung des Sonneberger Landes und der Stadt Sonneberg zu übernehmen und ihre wirtschaftspolitischen Zielsetzungen allen anderen Klassen aufzudrücken. Auf der anderen Seite bewirkte die in der Spielzeugindustrie vorherrschende Heimarbeit, daß sich die Arbeiter trotz ihrer ständigen Notlage nur zögernd und relativ spät organisierten. Mit einzelnen spontanen Aktionen machten sie sich allerdings schon in der Revolution von 1848/49 bemerkbar : Die Heimarbeiter veranlaßten die Schließung einer Fabrik, die ihre kärgliche Existenz bedrohte, und die Achtzehnjährigen verweigerten dem Meininger Herzog den Erbhuldigungseid. Seit 1873 verwirklichte die Arbeiterklasse ihre organisatorische, politische und ideologische Selbständigkeit gegenüber dem Bürgertum in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Die Arbeiterbewegung fand in der Stadt Sonneberg von A n f a n g an nicht nur unter den schnell fluktuierenden, sondern auch bei den alteingesessenen und mit Bürgerrecht ausgestatteten Teilen der Arbeiter einen starken Rückhalt. Das ist unter anderem auf das Wirken von J E N S L A U R I T Z C H R I S T E N S E N zurückzuführen, der durch die von ihm gegründete Thüringer Freie Presse und die Familienabende, an denen sich bis zu 100 Personen beteiligten, für die sozialdemokratische Bewegung eine wirksame Propaganda betrieb, die schließlich seine Ausweisung zur Folge hatte. In den letzten Jahren des Sozialistengesetzes erlebte die Arbeiterbewegung einen neuen raschen Aufschwung und vereinigte seit 1890 etwa die Hälfte der Stimmen der Sonneberger Wähler. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Klassenauseinandersetzung zwischen Großbourgeoisie und Proletariat in Sonneberg beim Übergang zum Imperialismus besonders kompliziert verlief. Die großen wie die kleinen Unternehmer standen auf dem linksliberalen Flügel des bürgerlichen Lagers und bekämpften ebenso wie die Gemeinde- und Staatsbehörden die Arbeiterbewegung weniger durch eine scharfe Frontstellung als durch ständige Förderung der reformistischen Strömungen in den Arbeiterorganisationen. Andererseits ließ das vielfach gestaffelte Hausgewerbe in der Sozialstruktur viele Übergangsformen von Arbeiterklasse und Kleinbürgertum entstehen, die sich bei dem ständigen Wechsel von Krise und Hochkonjunktur in erheblicher Weise auf die ideologische Haltung auswirkten. 143

N 1.3 Erst nach der Jahrhundertwende schlössen sich die Spielwarenarbeiter endgültig im Fabrikarbeiterverband zusammen. Ihre Bewährungsprobe bestanden die Gewerkschaften in den Tarifkämpfen mit den Unternehmern. Erfolgreich streikten beispielsweise 1 9 1 3 die Packer und Einbinder. Dabei kam es im Bereich der oberen Bahnhofstraße, der heutigen Karl-Marx-Straße, zur Auseinandersetzung zwischen etwa 1600 Werktätigen und der gesamten Schutzmannschaft, die mit der blanken Waffe vorging, sowie 2 Löschzügen. Den 1839 neu geschaffenen Gemeinderat beherrschte zunächst die Kaufmannschaft vollkommen. E s gelang aber der Arbeiterpartei, seit 1876 immer mehr Gemeinderatssitze zu gewinnen, auch nachdem sich die Bürgerschaft innerhalb der Einwohnerschaft immer mehr reduzierte. Der scharfe Zensus, den daraufhin SachsenMeiningen 1897 m i t dem Zehnstimmen Wahlrecht bei den Gemeinderatswahlen einführte, schloß aber Vertreter der Arbeiterklasse praktisch aus dem Gemeinderat aus und ermöglichte lediglich die Wahl eines ihrer Angehörigen mit bürgerlicher Hilfe. Als endlich die Novemberrevolution 1918 das allgemeine und gleiche Wahlrecht durchsetzte, standen sich im nunmehrigen Stadtrat die Vertreter der Arbeiterparteien und der bürgerlichen Gruppierungen in etwa gleicher Stärke gegenüber. Bemerkenswert ist das Ergebnis des Volksentscheids gegen die Fürstenabfindungen im Jahre 1926: 70% der Wahlberechtigten entschieden sich für die Enteignung, ein Ergebnis, mit dem Sonneberg in Deutschland an der Spitze lag. Die Sozialdemokraten erhielten mit ihrer Reformfreudigkeit einen maßgeblichen Einfluß auf die Stadtverwaltung, den sie zunächst mit den linksliberalen Demokraten und seit 1925 mit den Kommunisten teilten. In den Jahren der Zusammenarbeit der beiden Arbeiterparteien wurden das Kreiskrankenhaus errichtet, die Allgemeine Ortskrankenkasse in dem neuerworbenen Gebäude am Bahnhof und das Walderholungsheim am Blößenberg großzügig erweitert und 1928 das Rathaus am neuen Schwerpunkt im S der Stadt gebaut. Schon vorher waren die Heimstätten jauf der Wehd und die Arbeiterwohnhäuser in der heutigen Ernst-ThälmannStraße und Wiesenstraße entstanden. Die Eingemeindungspolitik der Sozialdemokraten, die die Grundlage einer weiteren Vergrößerung von Sonneberg abgeben sollte, war aber mittlerweile gescheitert. E s wurden nur 1919 Bettelhecken als Sonneberg-West, 1922 Hönbach und 1923 Neufang für dauernd Sonneberg einverleibt. Die schon damals für die Zukunft der Stadt viel entscheidendere Eingliederung von Oberlind, Unterlind und Malmerz war zwar 1922 ausgesprochen worden, wurde aber durch die bürgerliche thüringische Landesregierung 1924 wieder rückgängig gemacht. Gleichzeitig aber demonstrierte das amerikanische Monopolkapital die dominierende Stellung, die es nach dem ersten Weltkrieg in der Sonneberger Industrie erlangt hatte, durch den Bau des Geschäftshauses von S. S. Kresge u. Co. in der heutigen Gustav-König-Straße und des beeindruckenden Woolworthgebäudes 1928 am Bahnhof. Dieser Bau verlieh zusammen mit dem Rathaus, der Ortskrankenkasse und der neuerrichteten Post dem Stadteingang ein fast großstädtisches Aussehen. An der Ernst-Moritz-Arndt-Straße entstand eine große Gummifabrik, die Trägerin eines neuen Industriezweiges der Sonneberger Wirtschaft sein sollte, aber schon bald im Strudel der Weltwirtschaftskrise unterging. Mit dem Auto-ParkHotel (heute Volkspolizeikreisamt) und dem Gesellschaftshaus (jetzt Kreiskulturhaus) erhielt die Stadt gesellschaftliche Mittelpunkte.

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Die Weltwirtschaftskrise wirkte sich sogleich in voller Stärke auf die Stadt aus. Sie N 1.3 führte zu einer raschen Verschärfung der Klassenauseinandersetzungen, die sich immer mehr zu einem Ringen zwischen Kommunisten und dem durch eine breit angelegte Sozialdemagogie schnell anschwellenden Faschismus zuspitzten. Der Zusammenbruch der städtischen Finanzen 1929 führte zu einer Zwangsverwaltung der Stadt durch das immer mehr von den Rechtsparteien beherrschte Land Thüringen. Die Zwangsverwaltung ebnete den Faschisten auch den Weg zur Übernahme der Stadtverwaltung. Nach Rückgabe der Verwaltung an die Stadt 1930 beeinflußten sie immer stärker die nunmehr bürgerliche Stadtleitung. Nach Errichtung der faschistischen Diktatur wurde der Versuch, die Spielzeugindustrie durch die propagandistische Wirkung von Spielzeugschauen 1933 und 1934 z u beleben, bald aufgegeben und Sonnebsrg vollständig in die Rüstungsindustrie einbezogen. In der ehemaligen Gummifabrik und im südwestlichen Stadtgebiet ließen sich Betriebe aus Württemberg nieder, die Ausrüstungen für Militärfahrzeuge herstellten. Das Einkaufshaus der amerikanischen Firma Borgfeld mitten in der Stadt wurde 1936 zu einem großen Luftwaffenbskleidungsamt ausgebaut und erweitert. Von 1930 bis 1939 stieg die Einwohnerzahl nur noch von 19 983 auf 20 239 an. Von den Bewohnern waren in der damaligen Zeit 5 2 % Arbeiter, 2 2 % Angestellte und 1 6 % selbständige Berufstätige. In den letzten Jahren des zweiten Weltkriegs war die Sonneberger Wirtschaft gänzlich auf die Rüstungsindustrie umgestellt, die traditionelle Spielwarenindustrie fast völlig aufgegebsn worden. E s wurden Fallschirme, Lastensegler, Uniformen und Funkgeräte produziert. Fliegerangriffe, Sprengungen durch abziehende Truppenteile und Bsschuß durch die vorrückenden amerikanischen Verbände hatten an wichtigen Stellen der Stadt Zerstörungen hervorgerufen. Vom September 1944 bis zum April 1945 bestand ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald mit maximal 423 Häftlingen. Die Leichen von 8 auf dem Evakuierungsmarsch Ermordeten wurden kurz nach Kriegsende gefunden, an ihr Schicksal erinnert ein 1977 von der Schuljugend errichteter Gedenkstein an der Straße Sonneberg—Steinach (Schustershieb). Auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof im Sonneberger Hauptfriedhof liegen 1 1 8 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sowie 1 2 polnische Bürger, 1 Jugoslawin und 1 Bürger der ÖSR bestattet. Ein Lehrpfad zur Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung informiert über Gedenkstätten des Kampfes gegen den Faschismus und für den Sieg der Arbeiterklasse.

Stadtbild

N 1.4

Bedingt durch die ausschließlich ökonomisch orientierte Denkweise der einheimischen Kaufmannsfamilien und durch die verheerenden Wirkungen der Stadtbrände von 1596 und 1840, ist Sonneberg arm an kunsthistorisch wertvollen Bauten. Bei dem Mönchskeller (Bild 12) oder der Cella antiqua im Haus Gerichtssteig 1 handelt es sich um eine Grotte hinter einem Keller, deren Bedeutung 1954 vom damaligen Direktor des Spielzeugmuseums OTTO KEIL wiederentdeckt wurde. Der in den hier bankartigen Sandstein gebrochene, 5 m breite und 3 m hohe Hohlraum weist an der Hinterwand ein aus dem Fels herausgearbeitetes erhabenes Kreuz von 50 cm x 40 cm Größe auf. Der Boden ist mit Steinplatten ausgelegt, unterbrochen

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Abb. 33. A m Gerichtssteig in Sonneberg durch ein Wasserbecken, das eine Fläche von etwa 1 m 2 einnimmt und 30 cm tief ist. Über dem Wasserbecken befindet sich eine natürliche Öffnung. Die volkstümliche Bezeichnung Mönchskeller hängt mit einer Sage zusammen, nach welcher in dem Keller des Hauses über der Grotte ein Mönch umgehen soll. Die Grotte wird mit der in einer Lehnsurkunde von 1361 erwähnten „cella unter der alten kemnate" ( = Schlößchen) des Sonneberger Vogtes D I E T R I C H SCHOTT in Verbindung gebracht und als frühmittelalterliche Kult- oder Taufstätte gedeutet. Das Schlößchen an der Stelle des heutigen Kreisgerichts gehört zu den ältesten Häusern; sein Vorgänger soll schon um 1260 erbaut worden sein. Das zweigeschossige hochgieb'elige Haus wird auch als Kemnate des ehemaligen Rittergutes bezeichnet. Im Sockelgeschoß befindet sich das Wappen der Familie Priefer von Miesbach von 1699. Der Anbau am Markt erfolgte 1893 z u r Erweiterung der Diensträume. Zu den wenigen älteren Gebäuden, die den Stadtbrand von 1840 überstanden haben, gehören einige Bürgerhäuser, zumeist verschieferte zweioder dreigeschossige Fachwerkhäuser über hohen massiven Erdgeschossen: Unterer Markt 7 von 1771; Gerichtssteig 1 von 1689 mit verputztem Fachwerk (Abb. 33); Obere Wehd 25 (Türkenburg, A b b . 34) von 1664 mit freistehendem Fachwerkobergeschoß; Untere Marktstraße 24 von 1679. A n der Straße zum Stadtteil Bettelhecken befindet sich das kurz vor 1680 erbaute Forsthaus (Nr. 26), ein zweigeschossiger verschieferter Fachwerkbau über massivem Erdgeschoß mit Walmdach. Nach Plänen des Nürnberger Architekten C A R L ALEXANDER VON HEIDELOFF w u r d e die g r o ß e S t a d t k i r c h e v o n 1843 b i s 1845 er-

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Abb. 34. Türkenburg in Sonneberg, Obere Wehd 25 richtet, damals noch weit außerhalb der Stadt, ferner das alte Rathaus (Bild 10) — beide in neugotischem Stil. In der Kirche und in den Bauten der Neustadt „repräsentierten sich Geschmack und Geltungsanspruch des Unternehmertums in der vordem bedeutungslosen Kleinstadt, die im 19. Jh. einen starken wirtschaftlichen Aufschwung nahm" ( P A T Z E 1968). Die Kirche, die in ihrer Baugestalt der Nürnberger Lorenzkirche verpflichtet ist, wurde auf dem Südhang des Schönbergs errichtet. Sie besteht aus 2 fast 50 m hohen Westtürmen, einem dreischiffigen Langhaus und einem dreiseitig gebrochenen Chor und weist eine reiche Durchbildung der Architekturdetails, besonders der Profile, auf. Der Innenraum mit seiner einheitlichen Ausgestaltung wurde 1969/70 instand gesetzt. Den Glasgemälden in den Chorfenstern liegen Entwürfe M O R I T Z V O N S C H W I N D S zugrunde, die Kartons hierzu werden in der Kirche aufbewahrt. 1730 wurde das Weichbild der Stadt Sonneberg mit 44 Grenzsteinen markiert, die den sächsischen Rautenkranz als landesherrliches Wappen und ein S zeigen. 3 dieser 50 — 80 cm hohen Steine wurden ausgegraben und stehen jetzt am Lutherhausweg. Dieser Weg führt zum sogenannten Lutherhaus (Abb. 35) am Schönberghang. E s zählt zu den wenigen erhaltenen Blockhäusern, zu ehemals für das östlich und nördlich angrenzende Waldgebiet typischen Volksbauten, deren letzte im Sonneberger Gebiet zwischen 1950 und i960 dem Abbruch bzw. Umbau verfielen. Das einstökkige Haus mit traufseitigem Eingang und Schindeldach war 1874 von dem Sonneberger Kaufmann A D O L F F L E I S C H M A N N angekauft und nach Sonneberg umgesetzt worden. Es galt lange Zeit als das einst an der Sattelpaßstraße (s. N 11) gelegene Judenbacher Wirtshaus, in welchem M A R T I N L U T H E R 1518 und 1530 auf seiner Durchreise Station gemacht hatte. Der Lehrer L U D W I G H A M M E R S C H M I D T aus

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N 1.4 Judenbach konnte jedoch nachweisen, daß das Gebäude 1622 in der Gemeinde Judenbach als bäuerliches Wohnhaus errichtet worden ist und an seinem ursprünglichen Standort zu keiner Zeit eine andere Funktion erfüllt hatte. Bemerkenswerte Bauten der zwanziger Jahre des 20. Jh. in Sonneberg sind das Ensemble des Platzes der Republik mit dem Rathaus (Bild 11), der Sozialversicherung und der dem Bauhausstil verpflichteten Post.

N 1.5 S o n n e b e r g n a c h 1 9 4 5 Eine Gedenktafel an der Ziegelhütte (s. N 1.2) erinnert an die wöchentlichen Beratungen Sonneberger Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlicher Antifaschisten in den Monaten April bis Juni 1945 über die Erfordernisse des antifaschistisch-demokratischen Neuaufbaus. Ausgangspunkt für die Sammlung dieser Kräfte war der Aufruf der K P D vom 11. Juni 1945. A m 24. August vereinbarten die Kreisleitungen der K P D und S P D in Sonneberg die Grundsätze der künftigen Arbeit: Zusammenarbeit zur restlosen Liquidierung des Nazismus und zum Wiederaufbau unseres Landes, Sicherung des Aufbaus einer antifaschistisch-demokratischen Republik, Zusammenarbeit mit allen antifaschistisch-demokratischen Parteien, Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen beider Parteien und gemeinsame Beratung ideologischer Fragen. Es ist bezeichnend für das Anliegen beider Arbeiterparteien, daß ihre erste gemeinsame Arbeit der Aktion „ R e t t e t die Kinder" galt (Verschickung von Kindern aufs Land). Entscheidender Markstein für den weiteren antifaschistisch-demokratischen Aufbau in Sonneberg war die Vereinigung der K P D und S P D , die am 12. April 1946 mit der Wahl des Ortsvorstandes vollzogen wurde. A n diesen T a g erinnert eine Gedenktafel am Sonneberger Kreiskulturhaus. Einer der ersten beiden Kreissekretäre der S E D in Sonneberg war G E O R G K L A U S , der später als Wissenschaftler durch seine philosophischen Arbeiten bekannt wurde. Die Wahlen vom 8. September 1946 brachten der S E D im Kreis Sonneberg einen hohen Sieg, der über dem Durchschnitt des damaligen Landes Thüringen lag. Unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei wurde der Neuaufbau in Sonneberg konsequent durchgeführt. Seine Spezifik ergab sich aus der Lage nahe der Staatsgrenze. Reaktionäre Kräfte behinderten den Aufbau durch den gegen die D D R gerichteten kalten Krieg, der an der Grenze besonders aggressive Formen annahm. Die Entwicklung Sonnebergs zu einer modernen sozialistischen Industriestadt konnte jedoch nicht aufgehalten werden. Heute arbeiten leistungsfähige Großbetriebe der Spielzeug-, Elektro- und Keramikindustrie sowie weitere Werke der Chemie- und Bekleidungsindustrie. Den führenden Platz nimmt die Spielzeugindustrie ein, die sich in der Stadt spezialisiert hat: die Kombinatsbetriebe (s. Seite 34) V E B Piko auf elektrische Eisenbahnen und elektromechanisches Spielzeug und V E B Sonni auf Puppen (Bilderö, 7,8) und Plüschtiere; außerdem gibt es volkseigene Betriebe in Steinbach (s. N 7) und in Oberlind (s. N 10). Die Elektroindustrie und die damit eng verbundene Keramikindustrie werden durch Werke in den Stadtteilen Köppelsdorf (s. N 8) und Oberlind vertreten. Im Zusammenhang mit der in Sonneberg traditionellen Porzellanindustrie steht der Bau von Keramikmaschinen in Oberlind).

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Abb. 35. Lutherhaus in Sonneberg, Lutherhausweg Weitere große Industriebetriebe befassen sich mit der Herstellung von Plastartikeln (s. N 8) und mit der von Herrenoberbekleidung ( V E B Herko). Kleinere Betriebe ergänzen diese Aufzählung: das Landbaukombinat, die Vereinigte Gehäuseindustrie, die Elektrotechnische Fabrik, der V E B Verpackungserzeugnisse, der Konsumbackwarenbetrieb, das Getränkekombinat, der Schlachthof, die Molkerei und der Kreisbetrieb für Landtechnik (s. N 10). Die größte Kultureinrichtung Sonnebergs, das Kreiskulturhaus, umfaßt 900 Plätze. Hier sprachen Repräsentanten der Partei- und Staatsführung wie W I L H E L M P I E C K , ERICH HONECKER, W A L T E R ULBRICHT, FRIEDRICH E B E R T u n d

ADOLF

HENNECKE

zu den Werktätigen der Stadt. Regelmäßig finden im Kreiskulturhaus Veranstaltungen des Meininger Theaters und der Suhler Philharmonie statt. Weitere Kulturstätten sind das Jugendklubhaus Karl Marx am Stadtpark, das Haus der DeutschSowjetischen Freundschaft, die Kulturhäuser des V E B Thuringia, des V E B Sonni (s. N 10) und des V E B Stern-Radio. Vielfältige Möglichkeiten für sportliche Betätigung bieten eine Anzahl von Sportplätzen, je ein Freibad in Bettelhecken (s. N 2) und Oberlind, die Volksschwimmhalle mit Sauna, das Sportzentrum Schießhaus und der Turnierplatz der Reitsportler in Oberlind. Fast alle diese Anlagen sind in den letzten 3 Jahrzehnten entstanden. 11

Sonneberg

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N i.5 Sonneberg verfügt über alle für eine leistungsfähige Kreisstadt erforderlichen Bildungsstätten. Es gibt 8 polytechnische Oberschulen, davon 6 mehrzügige, außerdem eine erweiterte Oberschule, eine Betriebsberufsschule mit Abiturklasse und eine Sonderschule. Die Bildungsarbeit wird unterstützt durch das Haus der Jungen Pioniere Julius Fuöik und die Station Junger Naturforscher und Techniker. Hinzu kommt die seit 1953 bestehende Musikschule, an der 1978 insgesamt 230 Schüler unterrichtet wurden. Die Ingenieurschule für Maschinenbau und Spielzeugformgestaltung hat sich auf die Ausbildung von Spielzeuggestaltern (Bild 2) und von Technologen des Maschinen-, Apparate- und Gerätebaus für die Spielzeugindustrie spezialisiert. Lehrer von 2 kommunalen und mehreren Betriebsberufsschulen qualifizieren den Facharbeiternachwuchs für die Industriebetriebe. Das ökonomische Wachstum der Stadt widerspiegelt sich in ihrer räumlichen Entwicklung nach 1945. Mit der Eingemeindung von Oberlind, Köppelsdorf, Mürschnitz und Malmerz im Jahre 1950 wurde der sowohl baulich als auch wirtschaftlich erreichten Annäherung der Nachbarorte an Sonneberg entsprochen. Die Einwohnerzahl stieg von 21000 auf fast 30000. Die Vergrößerung des Stadtgebietes legte den Rahmen für die zukünftige bauliche Erweiterung fest. Seit 1950 wuchsen die einzelnen Stadtteile mehr und mehr zusammen, nahm die territoriale Arbeitsteilung zu. Die Industrie hat ihren Schwerpunkt immer mehr nach Oberlind (s. N 10) und Köppelsdorf (s. N 8) verlagert, wo neue großflächige Betriebsanlagen entstanden sind. Die Freiräume zwischen den Stadtteilen sind weitgehend bebaut worden: längs der Bahnlinie und Fernverkehrsstraße 89 zwischen Stadtzentrum und Köppelsdorf, südlich des Bahnhofs Sonneberg-Ost (Köppelsdorf) in Richtung Oberlind, südlich des Hauptbahnhofs mit Wolkenrasen. In den Stadtteilen Wolkenrasen, Steinbach, Hüttensteinach, Neufang, Wehd, Bettelhecken, Mürschnitz und Hönbach sowie in der Sonneberger Altstadt dominiert die Wohnfunktion. Die wichtigste städtebauliche Erweiterung nach 1945 erfolgte größtenteils auf Oberlinder Flur mit der Errichtung des neuen Stadtteils Wolkenrasen (Bild 9; Name wohl nach Molkenrasen, vergleiche den Flurnamen Molkenäcker in Schwärzdorf, benannt nach Molke = die' Pflanzenart Melde). Seit dem Bau der ersten Häuser 1953 entstanden 2000 Wohnungen, und 1978 lebten im neuen Stadtteil bereits 6000 Bürger (1980: 7000). Ihnen stehen eine große Kaufhalle zur Verfügung und seit 1966 eine polytechnische Oberschule '(Wilhelm-Pieck-Oberschule) mit 24 Klassenräumen und Turnhalle, Kinderkrippe und Kindergarten. Für die neu entstehenden Häuser erfolgte 1978/79 der Bau eines Heizwerkes. Sonneberg ist heute mit seinen Stadtteilen zu einem einheitlichen Stadtorganismus zusammengewachsen, in dem im Zentrum um die Karl-Marx-Straße die zentralen Einrichtungen der Verwaltung der Stadt und des Kreises, die überwiegende Mehrzahl der Spezialgeschäfte und clie zentralen Einrichtungen der Kultur konzentriert sind.

N 1.6 S p i e l z e u g m u s e u m Das Spielzeugmuseum war 1901 auf Initiative des Lehrers P A U L K U N T Z E vom Verein zur Gründung eines Industrie- und Gewerbemuseums des Meininger Oberlandes, dem späteren Museumsverein zu Sonneberg, gegründet worden.. Das vor allem als

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Vorbildschau für den fachlichen Nachwuchs der heimischen Industrie konzipierte N 1.6 Museum, das „alles, was zur K u l t u r dieses Gebietes B e z u g h a t , " aufnehmen sollte, fand zunächst in einem R a u m der 1901 fertiggestellten Industrieschule seine Unterkunft. Dieser B e s t i m m u n g v e r d a n k t das Gebäude (Bild 1) sein repräsentatives, v o n historisierenden Architekturformen geprägtes Äußeres und die R a u m a u f t e i l u n g im Inneren. Vorübergehend m u ß t e das Museum in der Marktschule untergebracht werden, bis es nach der Übernahme durch die S t a d t Sonneberg 1913 seine H e i m s t a t t endgültig im Industrieschulgebäude erhielt. D a n k der S a m m e l t ä t i g k e i t des ersten K u s t o s P A U L K U N T Z E , dem in den Mitarbeitern K A R L N E U M A N N und H E R M A N N R O S erfahrene K e n n e r der heimischen Spielzeugindustrie zur Seite standen, wurden die Sammlungen, unter ihnen v o r allem die Spielzeugabteilung (Bilder 3, 4), beträchtlich vermehrt. Die Bedeutung der Sonneberger Spielzeugindustrie spiegelte sich mehr und mehr im Profil des Museums wider und führte 1928 zu einer Trennung der Sammlungen in Städtisches Industrie- und Gewerbemuseum und in Spielzeugmuseum. Die nach dem Auszug der Staatlichen Industrieschule 1937 unter einem D a c h vereinte Spielzeug-, Gewerbe- und Heimatschau r ä u m t e der Darstellung des Spielzeugs aus Sonneberg und aus anderen wichtigen Herstellungszentren den dominierenden P l a t z ein. Die in den Jahren 1974 bis 1977 neugestalteten Ausstellungen vermitteln einen Überblick über die Geschichte des technischen Spielzeugs und der P u p p e v o n deren A n f ä n g e n bis in die sozialistische Gegenwart und würdigen Spielzeug als einen bedeutsamen Sachzeugen für die kulturelle E n t w i c k l u n g der menschlichen Gesellschaft. E i n weiteres Ausstellungsthema, das den Lebensbedingungen der K i n d e r der Sonneberger Spielzeugmacher in Vergangenheit und G e g e n w a r t g e w i d m e t ist, stellt einen engen B e z u g zu Sonneberg her. E i n besonderer A n z i e h u n g s p u n k t f ü r die jährlich annähernd 250000 Besucher des Museums ist die Schaugruppe T h ü ringer Kirmes, die ursprünglich auf der Brüsseler Weltausstellung 1900 gezeigt worden war. Seit 1971 befindet sich eine ständige Filialausstellung des Spielzeugnvuseums aüf der Bertholdsburg in Schleusingen. D a s Spielzeugmuseum zählt zu den bedeutenden Spezialmuseen der D D R . E s v e r f ü g t über einen beträchtlichen Fundus, zu dessen K o s t b a r k e i t e n Spielzeug der griechisch-römischen Antike, eine beachtliche Sammlung japanischen Spielzeugs und eine umfangreiche Puppenkollektion gehören. Seine S a m m e l t ä t i g k e i t ist heute v o r allem auf den E r w e r b v o n Spielzeug aus der D D R und den L ä n d e r n der sozialistischen Staatengemeinschaft gerichtet. •

Bettelhecken, seit 1919 Stadtteil von Sonneberg, heißt offiziell Sonneberg-West. Der Ort erscheint erstmals i m U r b a r i u m v o n 1 3 1 7 als Betylmansdorf, wenige Jahrzehnte später als Betelmansdorf. Sein N a m e g e h t v e r mutlich auf einen Personennamen wie Betilo oder B e t h e l m zurück. Die B e d e u t u n g des im 16. Jh. hinzugefügten -hecken blieb bisher unklar. Die ehemalige Bauerngemeinde liegt westlich der Hall. Dieser B a c h trieb bis ins 20. Jh. eine Mahlmühle, die bereits 1317 genannt wird und deren K o b o l d s a g e auf ein hohes A l t e r schließen läßt. Eine Schule g a b es schon im 18. Jh. In der zweiten H ä l f t e des 19. Jh. wurde die Straße von Bettelhecken nach Sonneberg m i t W o h n 11*

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X 2

häusern bebaut. Hier siedelten sich überwiegend Arbeiter der Sonneberger Industrie an, die bald die Sozialstruktur des nunmehr rasch wachsenden Ortes bestimmten. Der a m Westhang des Eichbergs liegende Hintere Eichberg war eine u m 1800 errichtete Abdeckerei. An diesem H a n g entstanden zwischen den beiden Weltkriegen umfangreiche Kleinsiedlungen. Bettelhecken ist heute städtebaulich und funktional eng in das Stadtgebiet integriert. Es ist ein W o h n v o r o r t mit vielen Einfamilienhäusern, und hier befindet sich auch das größere der beiden Sonneberger Schwimmbäder, der Baxenteich.

N 3

Mürschnitz, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg, war bereits von 1922 bis 1924 nach Sonneberg eingemeindet. Sein Kern liegt am östlichen Ufer der Hall. Mürschnitz verschmolz baulich mehr und mehr mit dem benachbarten Stadtteil Bettelhecken und wandelte sich zum W o h n s t a n d o r t f ü r in Sonneberg arbeitende Werktätige. Der Ort wird erstmals im hennebergischen Urbarium von 1317 Murzich genannt, d ü r f t e aber bedeutend älter sein. Der Ortsname — 1340 Mursnicz und Mirsnitz — geht auf die slawische Grundform Murschniza oder Morschniza zurück ( = Ort, wo es Aas gibt). Die Gemarkung von Mürschnitz bestand aus 2 Teilen: Die größere Fläche breitete sich zwischen Isaak und Blößenberg aus, die kleinere zwischen den Fluren von Bettelhecken und Wildenheid (BRD) südlich des Isaaks. In diesem Bereich h a t das 1317 genannte Dorf Gehren gestanden, das schon im 14. oder frühen 15. J h . eingegangen ist und dessen Bewohner nach Mürschnitz zogen, Bereits das E r b b u c h von 1443 verzeichnet im N a c h t r a g Mürschnitzer als Grundbesitzer in Gern. Nach dem E r b b u c h von 1516 bestand Mürschnitz aus 9 Bauerngütern und einem Freihof, der mindestens seit 1488 bis 1540 Sitz des Försters der Wälder im mittleren Steinachtal war. I m Dorf gab es von 1650 bis 1891 noch einmal eine Forstei f ü r die Wälder um Sonneberg. Die Bewohner des Ortes trieben Landwirtschaft, zogen aber auch wirtschaftlichen Nutzen aus dem bedeutenden, ihnen gehörenden Wald am H a n g des Blößenbergs. E r s t seit der zweiten H ä l f t e des 19. J h . stellten Mieter und Neuansiedler Sonneberger Spielzeug im Hausgewerbe her. Dadurch wuchs die Arbeiterbevölkerung rasch an und erreichte bald ein eindeutiges Übergewicht. Eine Schule besaß der Ort seit 1835.

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Eichberg Der Eichberg, dessen Plateau 500 m Höhe erreicht, ragt wie eine Halbinsel in die Beckenlandschaft des Vorlandes bei Sonneberg. Böden, Klima und Vegetation ähneln denen anderer Buntsandsteinhänge (s. Seite 6ff.). Der Wald des Eichbergs unterliegt einer besonders pfleglichen forstlichen Bewirtschaftung, da er der Erholung der Sonneberger Einwohner dient. Der sehr steile Osthang der E r h e b u n g ist durch Bodenabschwemmung s t a r k gefährdet. Hier finden wir noch etliche alte Traubeneichen, die mit ihrem Wurzelwerk tief in den Boden eindringen. Diese B a u m a r t wächst in den unteren Regionen und im Gebirgsvorland, sie fehlt aber 152

im Schieiergebirge. Zur weiteren biologischen Bodenbefestigung des Osthanges und der Fläche am Beginn des unteren Eichbergweges an der großen Straßenkurve wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jh. die Robinie angebaut. Sie zeichnet sich durch sehr weit reichende Wurzeln mit stickstoffsammelnden Wurzelknöllchen, durch raschen Wuchs im Jugendalter, Bodenanspruchslosigkeit und durch ihr festes Holz aus. V o m Eichbergweg bis zur Fröbelruhe fallen uns Hängebirke, Traubeneiche, Rotbuche, Waldkiefer und die nordamerikanische Roteiche auf. Die raschwüchsige und etwas spätfrostgefährdete Roteiche gedeiht gut auf mittleren Sandböden und trägt durch ihre großen, im Herbst rot gefärbten Blätter zur Bildung eines nährstoffreichen Bodenhumus bei. Ebenfalls aus dem östlichen Nordamerika stammt die Weymouthskiefer, die am Hang rechts oberhalb der Fröbelruhe in einigen älteren Exemplaren steht. Durch ihren glatten Stamm und ihre jeweils 5 Nadeln läßt sie sich leicht von der zweinadeligen Waldkiefer mit rissiger Borke unterscheiden; sie wächst auch rascher als diese und wird gern als Lückenbüßer auf waldbaulich schwierigen Pseudogleyböden mit Stauwasserbodenwechselklima im Vorland des Thüringer Waldes, so auch im Oerlsdorfer Holz südlich von Sonneberg, angebaut. Der Besenginster (Sarothamnus scopariüs) am unteren Eichbergweg (Bahnlinie) schützt den Boden am Hang wirksam vor Erosion. An der Westseite des Eichbergs stoßen wir auf etwa 150jährige Überhälter (einzelne weitständige, alte Bäume) der Waldkiefer, die schon längst dem artenreichen Unterwuchs aus Traubeneiche, Roteiche, Rotbuche und Hängebirke hätten weichen müssen. Jedoch bleiben diese Überhälter aus forstästhetischen Gründen vorläufig erhalten, mit Ausnahme von zopftrockenen (dürrwerdenden) oder krebserkrankten Einzelbäumen. A m oberen Eichbergweg treffen wir auf einen lichten älteren Kiefernbestand. Als Besonderheit gelten die alten starken und hohen Küstendouglasien, die fälschlicherweise oft als Tannen- oder Fichtenart angesehen werden. Die Küstendouglasie und verschiedene andere Douglas-Arten und -Standortsrassen führte man 1826 zunächst als Parkbäume aus dem westlichen Nordamerika in Europa ein. Die Küstendouglasie übertrifft mit ihren ausgezeichneten Wuchsleistungen alle anderen bei uns vorkommenden Nadelholzarten. Ihr Holz und ihr Schmuckreisig sind begehrt. Im Taleinschnitt zwischen Eichberg und Ebenholz liegt der Froschteich, der von Roterlen umgeben wird. E r erhält seinen Zufluß aus dem tief in den Buntsandstein eingeschnittenen Teufelsgraben, außerdem vom Ringleinsbrunnen, einer gefaßten Quelle an der Gebirgsrandverwerfung. Der Ringwall Kappel liegt auf einem südöstlichen Geländevorsprung des Eichbergs. Dieser Riedel wird durch einen tiefen Halsgraben, der beiderseits in einem Ringgraben seine Fortsetzung findet, vom Plateau des Eichbergs abgeriegelt. Den Graben umsäumt ein Wall, der nur im NO zwei Lücken besitzt, wo offensichtlich der alte Zugang zu suchen ist. Mauerreste sind an keiner Stelle zu beobachten. Schürfungen erbrachten Scherbenmaterial mit charakteristischen Merkmalen für die mittelalterliche Keramik südlich des Thüringer Waldes. Sie stammt aus dem 13. Jh. Die Ergebnisse der Ausgrabungen schließen eine lange Benutzungsdauer der Anlage aus. Die Bedeutung des Ringwalls ist bisher nicht restlos geklärt. Seinen äußeren Merkmalen nach gleicht er vielen kleinen Herrenburgen des hohen Mittelalters. Der Sonneberger Lehrer H E R M A N N K A I S E R und andere Heimatforscher ver153

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muten hier den Standort einer christlichen Kapelle. Diese Annahme stützt sich auf den im Volksmund überlieferten Namen, auf die Erwähnung einer Bergkirchweih in Sonneberger Kirchenrechnungen von 1508/09 und auf den Grabungsbefund.

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Schönberg Der um 230 m aus der Linder Ebene ansteigende Schönberg (622 m ü. NN) ist eines der beliebtesten stadtnahen Ausflugsziele der Sonneberger Bevölkerung. Teile seines Waldes unterliegen als Waldschongebiet einer besonderen forstlichen Bewirtschaftung. Dadurch sollen weitere Beeinträchtigungen des Erholungswertes vermieden werden, wie sie in der Vergangenheit durch Aufforstungen an den Rodel- und Skihängen der Hansenwiese und im Wölfleinstal erfolgt sind. Die Wanderwege am Schönbsrghang gestatten an vielen Stellen eindrucksvolle Blicke auf Sonneberg und die Linder Ebene, auf das anschließende Berg- und Hügelland bis zu der Veste Coburg (BRD) und der Schichtstufe des Fränkischen Jura im S, zum Fichtelgebirge im O und zu den Gleichbergen und der Rhön im W. Am südwestlichen Schönberghang verläuft die geologische Grenze zwischen Buntsandstein und Schiefer von der Gaststätte Waldhaus bis zum Unionsfelsen aus Sandstein. Sie fällt meist mit der Waldgrenze zusammen. Den Unter- und Mittelhang des Bsrgs baut genau wie den Eichberg (s. N 4) und Isaak Sandstein (s. Seite 8) auf. Infolge seiner exponierten Lage am Gebirgsabfall erlitt der Schönberg in den letzten Jahrzehnten erhebliche Schäden durch Unwetter. 1946 wurden Teile des Fichtenstammholzes zwischen der damaligen Hansenwiese und der Blockhütte geworfen und gebrochen. Da das Holz nicht sofort aufgearbeitet werden konnte, befiel der Fichtenborkenkäfer die Stämme. Der Käfer kann sich massenhaft vermehren, begünstigt durch liegendes und kränkelndes Holz und langanhaltende warme Witterung, und richtet dann verheerende Schäden an. Heute fällt man deshalb in den Fichtenrevieren jährlich Fangbäume, die eventuell auftretende Borkenkäfer anlocken sollen. Die stattlichen Althölzer des Südwesthangs wurden wie viele andere Waldgebiete (s. L 3) um Sonneberg ein Opfer der Windbruchkatastrophe von 1958. Noch heute weisen die umgekippten Wurzelballen und Stöcke von Rotbuche und Fichte auf den Orkan hin. Da die Buchenbestände damals bereits zum Teil natürlich verjüngt waren, bilden sie heute eine zusammenhängende Jungwuchsfläche, durchsetzt mit einzelnen Träubeneichen, Birken, Hainbuchen, Roteichen, Erlen, Aspen, Weiden, Bergahornen, Fichten und Lärchen. Auf großen Flächen wächst die Fichte allerdings auch weiterhin in Reinbeständen. Im Juni 1977 ging ein Regen-Unwetter nieder, bei dem innerhalb von 24 Stunden 120 mm Niederschlag fielen. Die schichtflutartig herabströmenden Wassermassen führten zu Schäden an zahlreichen Grundstücken und besonders an der Neuen Neufanger Straße.

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Hüttensteinach, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg Die Siedlungen und Werke, die 1848 zur Gemeinde Hüttensteinach zusammengeschlossen wurden, bildeten bis dahin den südlichen Teil der Gemeinde Hüttengrund (s. M 4). E s handelte sich um das alte Dorf Hüttengrund links der Steinach 154

zwischen Köppelsdorf und dem Abzweig der früheren Fernhandelsstraße ins Glas- N 6 bachtal nach Judenbach, ferner die 500 m nördlich davon im Steinachtal liegende ehemalige Eisenhütte und spätere Porzellanfabrik Hüttensteinach, das Siechenhaus im Glasbachgrund, 300 m oberhalb der Abzweigung, und die 500 m nördlich der Porzellanfabrik befindliche Bergnersmühle mit Mahl- und Schneidebetrieb. Das Eisenwerk Hüttensteinach wird 1464 als „wüster Hammer unter dem Judenbach" erstmals erwähnt. Damals kam es an Nürnberger Bürger, die hier eine Schmelz- und Seigerhütte einrichteten, in der sie Mansfelder Kupfer verarbeiten ließen. Seit 1596 diente das Werk wieder als Eisenhammer. Seit 1604 bildete es die Grundlage der Hüttenwerke des Nürnberger Kaufmanns T H O M A S P A U L im Steinachtal. 1690 erwarb der Obersteinacher Hammerwerksbesitzer F R I E D R I C H V O N B O R N (s. G 6.2) das Werk, das bis zum Anfang des 19. Jh. betrieben wurde. 1815 kaufte es die Herzogliche Kammer in Meiningen, um die mit der Eisenhütte verbundene umfangreiche Holzgerechtigkeit zu beseitigen. Diese hatte sich schon im 17. Jh. verheerend auf den Waldbestand der Umgebung ausgewirkt. In den Gebäuden selbst wurde 1817 eine Porzellanfabrik eingerichtet, die 1853 die aus England nach Thüringen eingewanderte Industriellenfamilie Swaine erwarb. Aus dem alten Werk entstand am Osthang des Steinachtals 1864 noch eine Porzellanfabrik der Gebrüder Schoenau aus Sitzendorf. Beide Fabriken wurden 1917 zu einem Unternehmen vereinigt. Nachdem die Produktion in den sechziger Jahren eingestellt worden war, dienen einige Gebäude als Lager, andere wurden 1977 abgerissen. Das alte Dorf Hüttengrund entstand als Wohnsiedlung erst im 17. Jh. Die Bewohner lebten, soweit sie nicht in der Eisenhütte tätig waren, von Waldarbeit und Anfertigung von Schwarzblechen. Diese Siedlung verschmolz im 19. Jh. mit dem Werk, wobei der Name des Werks auf die Wohnsiedlung überging, so daß heute keine Erinnerung mehr an die alte Bezeichnung vorhanden ist. Das Siechenhaus an der Fernhandelsstraße nach Judenbach war ein Armen- und Krankenhaus, das — erstmals 1564 erwähnt — möglicherweise auf eine Stiftung Nürnberger Kaufleute zurückgeht. Es verlor 1832 seine Bedeutung, als der Verkehr auf dem alten Handelsweg längst erloschen und das Krankenhaus in Bettelhecken errichtet worden war. Schließlich wurde es 1838 ganz aufgehoben. Hüttensteinach entwickelte sich im späten 19. Jh. zu einer schnell wachsenden Industriegemeinde mit einem starken Proletariat, so daß die Arbeiterpartei schon 1873 die überwiegende Stimmenmehrheit der Reichstagswähler erhielt. Eine Schule besteht seit 1868, in der die POS Köppelsdorf noch Räume nutzt. Am Berghang in Richtung Steinbach wurde 1904 die Kirche für Hüttensteinach, Köppelsdorf und Steinbach errichtet, wodurch die alte kirchliche Zugehörigkeit zu Oberlind entfiel. Das Wohngebiet war schon längst mit der Nachbargemeinde baulich verbunden, als Hüttensteinach 1923 in Köppelsdorf eingemeindet wurde. Für eine industrielle Entwicklung bot das enge Steinachtal nur begrenzte Möglichkeiten. So verlagerte sich seit dem Ende des 19. Jh. ihr Schwerpunkt nach dem Gebirgsrand und dem Vorland (s. N 8). In Hüttensteinach wohnten mehr und mehr nur noch außerhalb arbeitende Werktätige. Da aber der Ort auch in seiner Wohnlage im engen, schattigen Tal an einer vielbefahrenen Ausfallstraße benachteiligt ist, stagniert seine Entwicklung. Einziger Betrieb ist die 1954/55 erbaute und 1974 erweiterte Großwäscherei, und von den einstigen zentralörtlichen Einrichtungen verblieben lediglich die Apotheke und eine Außenstelle der Poliklinik.

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Steinbach, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg, kam 1923 zu Köppelsdorf. Bereits seit dem Ende des 19. Jh. vollzog sich eine funktionale und bauliche Wandlung Steinbachs vom kleinen Bauerndorf zum Stadtteil mit vorwiegender Wohnfunktion. Der alte Kern des Ortes liegt im Tal des gleichnamigen Baches, dort, wo dieser aus dem Gebirge heraustritt, um nach etwa 700 m in die Steinach zu münden. Steinbach wurde erstmals 1292 in einer Urkunde des fränkischen Klosters Ebrach genannt. Der Ort bestand zur Zeit der fränkischen Landnahme sicherlich schon aus 12 Bauerngütern. Neben einer ertragreichen Landwirtschaft konnten die Bauern durch umfangreichen Waldbesitz gewinnbringenden Holzhandel treiben. Später siedelten sich hier auch Schneidemühlen an. Wesentliche Feudallasten wurden schon um 1740 abgelöst, wofür man Gelder, die für den Bau einer Kirche gesammelt worden waren, zahlte. Eine Schule gibt es seit 1724. Trotz einer hier 1904 errichteten Porzellanfabrik blieb der überwiegend agrarische Charakter des Ortes bis zu seiner Eingemeindung nach Köppelsdorf erhalten. Seit der Jahrhundertwende wuchs Steinbach aus dem engen Tal des Steinbaches heraus, und zwar zunächst um die Schule in der heutigen Max-Planck-Straße, südlich der 1906 erbauten Kirche (s. N 6), und die Häusergruppe Beriesdorf. In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich der Stadtteil zu einer freundlichen, gepflegten Wohnsiedlung am Rand Sonnebergs. Heute erstreckt sich Steinbach mit seinen Wohnhäusern weit über die ursprüngliche Ortslage hinaus in lockerer Bebauung vor allem entlang der Friedensstraße, am Hang des Gehrenbergs und bis zum sogenannten Schacher. Die Spielzeughandwerker Steinbachs schlössen sich zur P G H Kinderfreude zusammen, aus der der volkseigene Spielwarenbetrieb hervorging (s. N 1.4), der Pelztiere und Puppen herstellt. Bis vor wenigen Jahren wuchsen auf den Wiesen um Steinbach am 565 m hohen Gehrenberg und am 600 m hohen Mönchsberg sehr viele Pflanzenarten, von denen zahlreiche aber inzwischen durch landwirtschaftliche Intensivierung verschwunden sind. Neben den häufigen Arten Waldstorchschnabel (Geranium sylvaticum) und Bärenwurz (Meum athamanticum) gab es Pyrenäenleinblatt (Thesium pyrenaicum), Sumpfwurz (Epipactis palustris) und Flohsegge (Carex pulicaris); ebenso gedeihen hier die kurz vor dem Aussterben und unter Naturschutz stehenden Arten Holunderknabenkraut (Dactylorhiza sambucina) und Salepknabenkraut (Orchis morio).

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Köppelsdorf, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg, ist der am stärksten industrialisierte Stadtteil, offiziell als Sonneberg 3 bezeichnet. Ausgedehnte Werksanlagen erstrecken sich hier am Austritt der Steinach aus dem Gebirge in das Vorland mit der Linder Ebene. In den Betrieben arbeiten viele Werktätige, die täglich aus Sonneberg (Stadtzentrum) sowie aus den benachbarten Gebirgs- und Unterlandgemeinden kommen. Köppelsdorfs Bedeutung als Industriestandort nahm durch den Ausbau des Bahnhofs Sonneberg-Ost (früher Köppels(lorf-Oberlind) zu einem der ersten Containerbahnhöfe der DDR noch zu. In unmittelbarer Umgebung des Bahnhofs gruppieren sich die ältesten Fabrikgebäude, in denen Ende des 19. Jh. die Porzellanherstellung in größerem Umfang begonnen

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hat. Dieser Industriezweig f i n d e t heute seine F o r t s e t z u n g in den g r o ß e n P r o d u k tionsbauten des V E B E l e k t r o k e r a m i s c h e W e r k e Sonneberg, die 1957 bis 1964 unm i t t e l b a r östlich v o n Köppelsdorf auf Föritzer F l u r errichtet w u r d e n . D i e W e r k e umfassen a u ß e r d e m noch einen Betriebsteil in Neuhaus-Schierschnitz. M i t 2 700 B e s c h ä f t i g t e n ist er der g r ö ß t e Industriebetrieb des K r e i s e s Sonneberg. D i e W e r k t ä t i g e n stellen L a n g s t a b i s o l a t o r e n (Bild 15), die beispielsweise zur A u s r ü s t u n g des R G W - E n e r g i e v e r b u n d n e t z e s dienen, sowie Z ü n d k e r z e n in N e u h a u s - S c h i e r s c h n i t z her. E i n weiterer sozialistischer G r o ß b e t r i e b e n t s t a n d m i t d e m V E B S t e r n - R a d i o Sonneberg n a c h 1945 in K ö p p e l s d o r f östlich des alten F a b r i k v i e r t e l s . D i e A n s a t z p u n k t e f ü r diese im Sonneberger R a u m neuartige Industrie w a r e n ausgelagerte P r o d u k t i o n s s t ä t t e n des A E G - K o n z e r n s i m zweiten W e l t k r i e g . D e r v o l k s e i g e n e B e trieb produziert v o r allem R a d i o g e r ä t e und Kassettenrecorder. F e r n e r e n t w i c k e l t e sich nach 1945 südlich des B a h n h o f s der V E B P l a s t a S o n n e b e r g - K ö p p e l s d o r f , ein B e t r i e b der Plastchemie, der aus einer kleinen F a b r i k hervorging. D a s W e r k h a t sich auf die Herstellung v o n Formteilen und K o n s u m g ü t e r n aus D u r o - und T h e r m o plasten sowie v o n S c h i c h t p r e ß s t o f f e n spezialisiert. Neben der B e d e u t u n g seiner Industrie f ü r das U m l a n d erfüllt K ö p p e l s d o r f in geringem U m f a n g a u c h zentralörtliche F u n k t i o n e n f ü r die östlich u n d nordöstlich angrenzenden Orte. So besuchen Schüler aus den Sonneberger S t a d t t e i l e n Steinb a c h , H ü t t e n s t e i n a c h und Malmerz sowie aus Jagdshof, Mönchsberg und Heinersdorf die polytechnische Oberschule in K ö p p e l s d o r f . I m Unterschied zur G e g e n w a r t zählte der O r t früher zu den relativ bescheidenen Siedlungen. E r s t m a l s verzeichnet das Urbnrium v o n 1 3 1 7 Kotenisdorf. Der Ortsname, der a u c h als Kothwinsdorf (1340) überliefert ist, b e d e u t e t v e r m u t l i c h Siedlung des K o t w i n , b e n a n n t nach einem altdeutschen Personennamen. Die M u n d a r t f o r m des N a m e n s l a u t e t Köweschdarf oder Köbeschdarf. D a s Dorf m i t seiner v e r h ä l t n i s m ä ß i g kleinen F l u r b e s t a n d f r ü h e r a u s 8 B a u e r n gütern, deren Besitzer b e i m A m t Sonneberg zu fronen h a t t e n . D i e B a u e r n b e s a ß e n a u ß e r d e m umfangreiche W a l d u n g e n und konnten aus d e m H o l z h a n d e l G e w i n n ziehen. A u f d e m 1340 erstmals e r w ä h n t e n F r e i g u t w o h n t e der seit 1488 nachweisbare Förster f ü r die W a l d u n g e n längs der Fernhandelsstraße, dessen S i t z 1540 n a c h J u d e n b a c h v e r l e g t wurde. D e r ausschließlich agrarische C h a r a k t e r der Siedlung v e r s c h w a n d immer mehr, als hier 1778 der Sonneberger O b e r a m t m a n n CARL WILHELM VON DONOP eine Spiegelfabrik einrichtete, die ihre W a r e n bis R u ß l a n d absetzte. D a s Glas stellten die G l a s h ü t t e n der U m g e b u n g , v o r allem A l s b a c h (s. B 5) und H a b i c h t s b a c h (s. B 3) zur V e r f ü g u n g . D i e Sonneberger Schreiner f e r t i g t e n hauptsächlich die nötigen R a h m e n . Die F a b r i k w u r d e u m 1820 in ein F a r b w e r k u m g e w a n d e l t , das 1850 als K u n s t m ü h l e weiterarbeitete. Schon f r ü h e r bildete d a s Mühlengewerbe a u c h in Köppelsdorf einen ökonomischen F a k t o r , so k a m e n zu der alten Mahlmühle i m 18. Jh. 2 Schneidemühlen (Engelhardsmühle und Schreinersmühle) hinzu. D a s Dorf w a r ursprünglich n a c h Oberlind eingeschult, bis zu A n f a n g des 18. Jh. hier eine eigene Schule entstand, die 1724 erstmals g e n a n n t wird. Schon um die Mitte des 19. Jh. stellten Hintersassen Sonneberger Spielzeug im H a u s g e w e r b e her. Die proletarische B e v ö l k e r u n g n a h m in den f o l g e n d e n J a h r zehnten rasch zu, so d a ß K ö p p e l s d o r f bereits 1873 neben J u d e n b a c h der H a u p t s t ü t z p u n k t der Arbeiterpartei im Sonneberger L a n d war. G a n z in eine k a p i t a l i s t i s c h e Industriegemeinde mit all ihren gesellschaftlichen S p a n n u n g e n w u r d e der O r t a b e r

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erst umgewandelt, als A R M A N D M A R S E I L L E 1885 eine Porzellanfabrik gründete, die zunächst Puppenköpfe für die Spielzeugindustrie, später, als diese außer Mode kamen, Elektroporzellane herstellte und schließlich 1906 in Neuhaus ein Zweigwerk errichtete. 1887 und 1894 folgten weitere Porzellanfabriken. Sie und Werke anderer Produktionszweige führten seit dem Ende des 19. Jh. zu einem schnellen Bevölkerungsanstieg und zur Ausfüllung fast der gesamten Flur mit Fabriken und Wohngebäuden. A m Nordende Köppelsdorfs erinnert die Häusergruppe Juliusbad mit einigen villenartigen Gebäuden an den Versuch, im ausgehenden 19. Jh. einen Badeort zu gründen. Die gleichzeitig einsetzende rasche Entwicklung der Porzellanfabriken mit ihren rauchenden Schloten setzte diesem Projekt nach wenigen Jahren ein Ende. Durch die Eingliederung von Hüttensteinach und Steinbach in Köppelsdorf 1923 entstand am Austritt der Steinach aus dem Gebirge eine industrielle Großgemeinde. Auf ihre Verwaltung gewannen die Arbeiterparteien, besonders auch die K P D , erheblichen Einfluß, während die ökonomische Macht in den Händen einiger Fabrikantenfamilien lag. Die Sozialstruktur der Gemeinde wies 1939 insgesamt 5 7 % Arbeiter auf. Mit der Eingliederung in Sonneberg wurde der funktionalen und städtebaulichen Entwicklung Köppelsdorfs Rechnung getragen.

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Malmerz, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg Der alte Dorfkern von Malmerz erstreckt sich parallel zur Steinach am F u ß einer Terrasse in 375 m ü. N N ; neue Ortserweiterungen befinden sich auf der um 10 m höheren Terrasse. Malmerz wird erstmals 1252 als Malmetze genannt. Sein Name läßt sich vermutlich von dem altdeutschen Personennamen Mal(o)pert oder Mahalbert ableiten und bedeutet Siedlung des Malperts oder Mahalberts. Die ökonomische Grundlage des Dorfes bildete bis ins 20. Jh. die Landwirtschaft, früher ergänzt durch umfangreichen Holzhandel und durch das Mühlengewerbe. Bereits das Erbbuch von 1441 nennt eine Ober- und eine Niedermühle. U m die Mitte des 19. Jh. wurden in und bei Malmerz je 3 Mahl- und Schneidemühlen betrieben. Eine von ihnen, die Fuchsmühle, liegt außerhalb des Ortes nach Köppelsdorf zu. Der von der eigentlichen Flur abseitige Teil nördlich der Straße Sonneberg— Köppelsdorf stammt von dem 1340 genannten, bald danach eingegangenen Dorf Schönberg (s. N 10), dessen Bewohner auch nach Malmerz übersiedelten. Seit dem Bau der Chaussee von Köppelsdorf nach Oberlind um die Mitte des 19. Jh., die etwa 400 m westlich des alten Dorfes vorbeizieht, dehnte sich Malmerz auch in dieser Richtung und schließlich längs der Straße aus. Einen eigenen Lehrer erhielt der Ort 1827, das Schulgebäude stammt von 1904 und dient gegenwärtig als Kindergarten. Einschneidende Veränderungen brachten die Errichtung der Werkanlagen der Elektrokeramischen Werke (s. N 8) unmittelbar am Rand von Malmerz und die sozialistische Entwicklung der Landwirtschaft. Während das dörfliche Siedlungsbild mit Gehöften noch heute in wesentlichen Zügen erhalten ist, setzte ein funktionaler Wandel zum Arbeiterwohnort ein.

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Oberlind, seit 1950 Stadtteil von Sonneberg, erstreckt sich am Südfuß des Gebirges längs der Steinach inmitten eines weiten Beckens, das den Namsn Linder Ebene führt (s. Seite 8). Oberlind nimmt durch seine zentrale Lage und durch seine Größe vom ausgehenden Mittelalter bis zur Gegenwart den ersten Platz unter den Ansiedlungen des Unterlandes ein. Die Urkunde von 1225 über den Vergleich zwischen der Abtei Saalfeld und den Herren von Sonneberg nennt Oberlind erstmals, und zwar in der nur hier belegten Form Sueninß-Linte ( = Schweins-Lind). Der noch heute in der Umgangssprache vorwiegend gebrauchte Ortsname Lind tritt als Linth, Lyndt oder Lind seit 1279 auf. Die erweiterte Bezeichnung Oberlind erfolgte zur Unterscheidung v o m benachbarten Dorf Niederlind (heute Unterlind), so 1317 obern Lynthe, 1376 Obirlindt. Die Gründung Oberlinds fällt wahrscheinlich in die Zeit der fränkischen Landnahme, wie die der benachbarten Orte Bettelhecken (s. N 2), Mürschnitz (s. N 3), Steinbach (s. N 7), Köppelsdorf (s. N 8) und Malmerz (s. N 9). Für ein hohes Alter der Ansiedlung sprechen die ausgedehnte Flur (Abb. 36) im Zentrum des Sonneberger Beckens und die günstige Lage an einer verkehrswichtigen Steinachfurt. Nach dem Erwerb des Ortes 1252 durch die Herren von Sonneberg bildete er einen festen Bestandteil des grundherrlichen Besitzes der Burg Sonneberg. Als ältester Kern von Oberlind ist das Gebiet um den Markt und an der heutigen Thomas-Müntzer-Straße anzusehen, wo sich noch einige Gehöfte befinden. Ursprünglich lag der Markt an der Steinachfurt. Der jetzige Marktplatz entspricht der erweiterten Hauptstraße an der Wehrkirche. Eine Erweiterung erfuhr der zunächst kleine Marktflecken durch den Bereich um die Kirche und das Wasserschlößchen, die Kemnate, auf dem Gelände des heutigen V E B Thuringia. Das Schlößchen mit dem Rittergut gehörte bis 1600 dem adligen Geschlecht Kemmater und wechselte dann oft seinen Besitzer. Schließlich wurde der Grundbesitz an Bauern verkauft. Das Schlößchen, zuletzt Sitz des Oberforstmeisters des Meininger Oberlandes, brannte 1778 nieder und wurde nicht mehr aufgebaut. Ein weiterer Ausbau Oberlinds konnte erfolgen, nachdem die Ufer der Steinach befestigt waren. Bereits die Dorfordnung von 1538 legt die Verpflichtungen der Bewohner bei „Gebrechen der Wasserdämme" fest, die aus Holzpfählen und Weidengeflecht bestanden. Die Oberlinder Einwohner lebten in der Epoche des Feudalismus hauptsächlich von der Landwirtschaft. Zum Ort gehörte eine ertragreiche Flur, die mit 707 ha alle anderen Gemarkungen im Sonneberger Gebiet weit übertraf. Die Flur (Abb. 36) besitzt eine deutliche Ausbuchtung nach N bis zum Hang des Schönbergs, deren Benennung von dem Dorf gleichen Namens herrührt, das — 1340 genannt — bald wüst fiel und dessen Einwohner sicherlich zum Teil nach Oberlind übersiedelten. A m Mittelhang des Schönbergs wird bereits für 1600 ein Steinbruch bezeugt (Unionsfelsen, s. N 5). Eine andere Ausbuchtung der Ortsflur ist nach S W in Richtung auf den Muppberg erkennbar. Die Bauern kauften 1810 die hier liegenden Müßwiesen von der Landesherrschaft und meliorierten sie. Marktrechte übte Oberlind im Spätmittelalter aus. 1656 wurden Markt- und Braurechte nochmals bestätigt und seitdem regelmäßig 6 Jahr- und Viehmärkte abgehalten. An verschiedenen Häusern zeugen Eisenringe zum Anbinden des Viehs noch heute von den Viehmärkten, die bis in die zwanziger Jahre des 20. Jh. stattgefunden haben. Bedeutung erlangte auch das Mühlengewerbe. Die spätere Mittel-

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mühle wird schon 1441 erwähnt. Aus dem im 15. J h . tätig gewesenen Hammer- N 10 werk entstand 1601 die Herrenmühle (Untere Mühle). Die Ackersmühle am Weg nach Köppelsdorf wurde außerhalb der Siedlung errichtet und kurz nach ihrem Bau 1707 erstmals erwähnt. Erheblichen Einfluß auf die Entwicklung Oberlinds im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gewann die hier durchgehende Fernhantlelsverbindung Nürnberg— Leipzig (s. N n ) , an der sich der Ort als letzte Raststätte vor dem Eintritt ins Gebirge anbot. Der Weg querte die Steinach in Oberlind an einer Furt, an deren Stelle 1720/30 die erste dreibogige Sandsteinbrücke, die noch heute bestehende Untere Brücke (Abb. 37), errichtet wurde. Der Durchgangsverkehr zog ein für dörfliche Verhältnisse ungewöhnlich starkes Handwerk nach sich. Die Bäcker und Müller bildeten schon 1698, die Schneider 1743 und die Büttner 1783 eigene, von Sonneberg unabhängige Zünfte. Hauptsächlich vom Verkehr lebten die beiden alten Gasthöfe. Der eine von ihnen, Zum Goldenen Löwen, wird schon 1441 die Erbschenkstatt genannt. Oberlind war kirchlich zunächst von Sonneberg abhängig, erhielt aber 1528 eine eigene Pfarrei, deren Sprengel nicht nur den nördlichen Teil der Linder Ebene umfaßte, sondern bis weit ins Steinachtal und längs der Handelsstraße tief ins Gebirge reichte. Erst als 1674 Judenbach eigene Pfarrei wurde, ging das Waldgebiet verloren. Ein Verzeichnis nennt zuerst 1496 eine Schule, seit 1539 war ein Unterrichtsgebäude vorhanden. Die Marktschule, Teil der heutigen Thomas-MüntzerSchule, stammt von 1891.

Legende zu Abb. 36: 1 Alte Mötsch 2 Auwiesen 3 Edelgärten 4 Ellern 5 Esch ersgr und 6 Gartenfelder 7 Gemeindeteile 8 Grube 9 Hundert Beete 10 Kleine Gemeinde teile 1 1 Kurze Beete 12 Lange Beete 13 Lindenbachsäcker 14 Lindenbachswiesen 15 Mittlere Mötsch 16 Mittlere Mötsch am Ziegenrück 17 Molkenrasen 18 Mühlwiesen 19 Muß 20 £>bere Mötsch 21 Oberer Gaber 22 Oberer Schiertig 23 Obergefell 24 Quiere

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 a b c d e f

RÖdnerwegsfelder Röstenbach Saufleck Schloßgarten Steinbruch Straßenfelder Sünderwiesen Untere Mötsch Unterer Gaber Unterer Schiertig Untergefell Ziegenrück Gemeiner Teich Großer Müßteich Herrenteich Kleiner Müßteich Motschteich Schlüttenteich

A Schloß B Mittelmühle C Marktplatz D Untere Mühle

161

Abb. 37. Untere Brücke über die Steinach in Oberlind

Oberlind war am Anfang des 19. Jh. ( S C H U M A N N / S C H I F F N E R 1820) ein ansehnliches Bauerndorf mit 655 Einwohnern in 134 Häusern. E s besaß damals „durch schöne Häuser das Ansehen der Wohlhabenheit". Zu der Pfarrkirche gehörten die Bewohner von 11 Ortschaften. Die Oberlinder betrieben vor allem Ackerbau und Viehzucht, daneben Brauerei. Oberlind hat trotz starker industrieller Uberformung noch viele kennzeichnende Züge des ehemaligen Marktfleckens beibehalten, und gerade in dem Nebeneinander des traditionellen Ortskerns mit seiner alten Wehrkirche und den umgebenden neuen Wohn- und Industriebauten liegt sein Spezifikum. Bei Neubauten ist vor allem darauf zu achten, in Stil und Dimension die ausgewogenen Proportionen zu wahren. Das Bild des Ortskerns um den Markt wird weitgehend von den meist zweigeschossigen, mit dem Giebel zur Straße stehenden, verschieferten Fachwerkhäusern geprägt. Charakteristisch waren die großen Hallen zum Unterstellen der Fuhrwerke, die auf der alten Handelsstraße hier Station machten. Beachtung verdient das Ensemble Thomas-Müntzer-Straße (Abb. 38), besonders der Innenhof des Hauses Nr. 16 (Dreesen-Haus) mit hübschem Laubengang. Die Häuser Zum Goldenen Löwen (1975 abgebrannt) und Untere Brücke 2 (1711) stehen am ersten Oberlinder Marktplatz. Charakteristische Züge des alten Marktfleckens blieben in der Partie an der Steinach mit der Unteren Brücke erhalten. Darüber hinaus befinden sich im Ort mehrere denkmalpflegerisch bedeutsame Einzelobjekte: das zierlich gearbeitete, dreiteilige schmiedeeiserne Treppengeländer am Haus Johann-SebastianBach-Straße 16 (18. Jh.), das zweigeschossige Haus Friedrich-Engels-Straße 1 mit Mansarddach und einläufiger Freitreppe mit Balustergeländer (18. Jh., es gehörte

162

zum abgebrannten Oberlinder Schloß), das große zweigeschossige Wohnhaus der N 10 Mittelmühle mit hohem geschweiftem Dacherker, Schweinemarkt 16 (18. Jh.). Eines der wenigen Baudenkmäler des Mittelalters im Kreis Sonneberg ist die stattliche Wehrkirche (Abb. 39) am Marktplatz. Die Chorturmanlage mit längsrechteckigem Langhaus stammt sicherlich aus dem späten 13. Jh., der Hauptbau mit der nördlich vor dem Chor angefügten Sakristei laut Inschrift über der Westtür von 1455. Der Bau von 1455 trat {in die Stelle einer Kapelle aus der Zeit kurz nach 1100, die als Vorgängerin vermutlich eine einfache Holzkapelle hatte. Um die Kirche und ihren Hof wurde eine Wehrmauer errichtet, und man legte einen Graben an, der bis nach dem Dreißigjährigen Krieg mit Wasser gefüllt war. Anschließend fanden in ihm Bierkeller ihren Platz; 1865 ebnete man Graben und Wall ein. Die Kirche ist trotz ihres einheitlichen Gesamtbildes das Ergebnis verschiedener Bauetappen und Veränderungen. Die Berührungsstelle zwischen der Chorturmanlage mit Langhaus und dem Hauptbau mit Sakristei markieren an der Außenhaut das ältere, gut verarbeitete und gefügte Quadermauerwerk, innen das gekehlte Gesims. Der Chorraum bewahrte sein gotisches Aussehen: Er ist mit einem Kreuzgewölbe überspannt und besitzt ein spitzbogiges Fenster auf der Ostseite. Die Sakristei erfuhr bauliche Veränderungen, der Ansatz einer Kehlrippe in der Südostecke läßt ein gotisches Kreuzgewölbe vermuten, das später durch eine Rundtonne ersetzt wurde. Die hohen Spitzbogenfenster des Langhauses wie auch der Triumphbogen scheinen erst 1823 bei einer Wiederherstellung verändert worden zu sein. Bei der Instandsetzung 1748/49 wurden verschiedene Rechteckfenster eingebrochen.

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Abb. 38. Thomas-Müntzer-Straße in Oberlinü 163

N 10 Der Turm über dem Chor gehört bis zum zweiten Gesims dem gotischen Bau von 1455 an. 1 6 1 7 erfolgten seine Erhöhung und der Neubau des Turmhelms, der in seiner Gestaltung sich dem gotischen Bau hervorragend anpaßt. Der Achteckhelm wird am Fuß von 4 achtseitigen helmbedeckten Ecktürmchen begleitet, die den wehrhaften Charakter der Kirche verstärken. Das Langhaus wurde 1 6 1 7 und 1697 erhöht, wobei der Innenraum auch die Holztonne und die viergeschossige Empore erhielt. Über dem Langhaus wurde ein niedriger Oberbau mit Walmdach aufgesetzt, der das äußere Bild des Baues optisch zu einer dreischiffigen Anlage verfälscht. Der großzügig gestaltete Innenraum bewahrt Emporen, Kanzel und Orgelprospekt von 1697 bis 1700. Die Emporen sind im Wechsel mit biblischen Szenen, Apostelfiguren und erklärenden Inschriften bemalt. Unweit der Kanzel stehen ein gotischer Taufstein sowie der Grabstein für Pfarrer J O H A N N C H R I S T O P H K A N N E M A N N von 1737 mit der Halbfigur des Verstorbenen und ausführlicher Inschrift. Der Innenraum der Kirche wurde 1963 restauriert, die den Kirchhof umgebende Wehrmauer mit Tor 1966 nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten instand gesetzt. Aus seinem Kern dehnte sich Oberlind seit 1855 am Köppelsdorfer Weg und seit 1870 am Sonneberger Weg aus. Schon 1879/80 baute man die ersten Häuser oberhalb des Linder Hügels unmittelbar an der Sonneberger Stadtgrenze. Vor dem ersten Weltkrieg war die Straße nach Sonneberg weithin bebaut. Eine andere Häusergruppe auf Oberlinder Flur entstand seit dem Ende des 19. J h . in der Grube längs der Straße Sonneberg—Köppelsdorf, und schließlich wurde nach 1920 auch der Hang des Schönbergs mit Villen besetzt. So stellte Oberlind schließlich einen oft lückenlosen Übergang in das Wohngebiet der Stadt Sonneberg her. Im Ortsteil Grube ließ sich 1919 das zum Siemens-Schuckert-Konzern gehörige Kleingerätewerk nieder, heute V E B Elektroinstallation. Südlich davon wurde 1929 die Nordschule errichtet. Nach Erlöschen des Verkehrs auf der Fernhandelsstraße (s. N u ) siedelten sich Industriebetriebe in Oberlind an. Der erste Betrieb, der die Industrialisierung und Verstädterung des Marktfleckens einleitete, entwickelte sich 1858 aus der Werkstatt des Schlossermeisters G E O R G D O R S T , der durch den Eisenbahnbau wirtschaftlich emporstieg. Zunächst stellte man Feuerspritzen her, und 1867 wurde erstmals Eisen gegossen. Die Fabrik vergrößerte sich schnell und spezialisierte sich seit 1891 auf den Bau von Maschinen für keramische Werke. Um 1927 beschäftigte der Betrieb 180 Arbeiter. In der Oberlinder Flur wurden seit 1741 Ziegeleien angelegt, die den Lehm der pleistozänen Steinachterrassen verarbeiteten. Unter ihnen erlangte das 1848 von E G I D I U S D O R S T erbaute Werk am Rottmarer Weg große Bedeutung. Seit 1890 bildete auch die Sonneberger Spielzeugindustrie eine der wirtschaftlichen Grundlagen des Ortes. Sie beschäftigte 1929 bereits 288 Oberlinder, zumeist im Hausgewerbe. Gleichzeitig modernisierte der Marktort seine kommunalen Einrichtungen, erhielt 1904 ein Gaswerk, 1907 eine Hochdruckwasserleitung und 1921/22 Anschluß an das elektrische Stromnetz. Am 29. Januar 1931 verlieh das Land Thüringen Oberlind, das von 1922 bis 1924 mit Unterlind in Sonneberg eingemeindet gewesen war, das Stadtrecht. Die Bauern nahmen bis ins 20. Jh. einen wesentlichen Einfluß auf das Gemeindeleben, auch wenn der landwirtschaftlich tätige Bevölkerungsanteil 1939 nur noch 5% der Bevölkerung, der Anteil der Arbeiter hingegen 5 2 % betrug. Die Arbeiterpartei gewann seit 1877 erhebliche Stimmen bei den Reichs-

164

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Abb. 39. Kirche in Oberlind

12

Sonneberg

I65

N io tagswahlen, und ihr Einfluß konnte während der Geltungsdauer des Sozialistengesetzes nicht wesentlich abgeschwächt werden. Der Anteil erreichte bis zum ersten Weltkrieg über zwei Drittel. In der Zeit der Weimarer Republik herrschte zunächst die Sozialdemokratie vor; während der Weltwirtschaftskrise, von der Oberlind mit maximal 1 ooo bis 1500 Arbeitslosen hart betroffen war, spitzte sich auch hier der Klassenkampf immer mehr zur Auseinandersetzung zwischen K P D und Faschismus zu. In den Jahren des sozialistischen Aufbaus nahm der Stadtteil Oberlind unter der Bezeichnung Sonneberg 2 eine besonders rasche industrielle Entwicklung. Hatte man im 19. J h . Industrie und Gewerbe von den Talstandorten Röthengrund und Hüttensteinach (s. N 6) an den Gebirgsrand verlagert, so gewinnt heute das Vorland mit seinen Flächenreserven wachsende Bedeutung. Der V E B Thuringia (Bild 14), hervorgegangen aus der früheren Maschinenfabrik Dorst, ist Kombinats-Leitbetrieb der volkseigenen Keramikmaschinenindustrie der D D R und der größte Spezialbetrieb seiner Art in den Staaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. Seine Maschinen dienen der Ausrüstung für Porzellan- und Fliesenfertigungsfabriken in der D D R , in den befreundeten RGW-Ländern sowie in zahlreichen weiteren Staaten. Neue Werkhallen sowie ein achtstöckiges Sozial- und Verwaltungsgebäude des V E B Sonni stehen südlich der Oberlinder Straße. Dieses Werk (s. N 1.5) ist Leitbetrieb und Kombinatssitz der Spielwarenindustrie in der D D R . Ein weiterer Großbetrieb des Stadtteils ist der V E B Elektroinstallation Oberlind (EIO), der elektrische Haushaltgeräte herstellt. Aus einer P G H ging der V E B Puppenspiele mit neuen Werkhallen an der Friedrich-Engels-Straße hervor; ferner produzieren das Radiogehäusewerk sowie das neuerbaute Betonwerk des Landbaukombinats am Langen Weg. Bei der sozialistischen Entwicklung der Landwirtschaft im Kreis Sonneberg kam Oberlind durch seine 1949 gegründete Maschinen-Ausleih-Station, die spätere Maschinen-Traktoren-Station, eine maßgebliche Rolle zu. Aus ihr ging der Kreisbetrieb für Landtechnik hervor, dessen Reparaturhallen auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerkes stehen. Seit 1950 umgeht eine Flutmulde Oberlind im O, um den Ort vor Schadhochwassern der Steinach zu schützen (s. C 1). In Verbindung mit der rasch fortschreitenden Industrialisierung hat Oberlind gute Perspektiven. Täglich kommen zahlreiche Werktätige aus allen Gemeinden des Unterlandes sowie aus dem übrigen Stadtgebiet hierher. Die Vielfalt der gebotenen Arbeitsmöglichkeiten, die Kulturhäuser des V E B Sonni und V E B Thuringia, die neue Kaufhalle, die Polytechnische Oberschule Thomas Müntzer und das Schwimmbad unterstreichen die zentrale Stellung Oberlinds für die benachbarten Dörfer der Linder Ebene.

N i l Sächsische Geleitsstrafie Die wichtigste Verkehrsader, die das Sonneberger Land vom Mittelalter bis zum Anfang des 19. Jh. durchquerte, war die Sächsische Geleitsstraße. Sie stellte seit dem 15. J h . eine der wichtigsten Verbindungen zwischen den Handelszentren Nürnberg und Leipzig dar. Der Gebirgsabschnitt dieser Straße führt nach dem Sattelpaß bei Neuenbau die Bezeichnung Sattelpaßstraße. Das Bestimmungswort bezieht sich auf eine typische Geländeform. Später übertrug man den Namen auf

166

eine Häusergruppe. Das Alter der Sattelpaßstraße reicht möglicherweise bis in die Vorgeschichte, zweifellos aber bis ins hohe Mittelalter zurück, als unter den letzten ottonischen Kaisera und den Ezzonen enge Beziehungen zwischen Saalfeld und Coburg bestanden (s. Seite 10). I m Spätmittelalter hieß die erstmals 1394 erwähnte Verbindung Straße über den Judenbach oder 1414, vielleicht davon abgeleitet, Judenstraße. Judenbach kann auf den altdeutschen Personennamen Judo zurückgehen oder auf die Volksbezeichnung der Juden. Die Straße verlief über Coburg und Neustadt, trat in unser Gebiet an der Gebrannten Brücke südlich Hönbach ein, führte dann durch Oberlind und Köppelsdorf, den Grund des Glasbachs hinauf nach Judenbach, erreichte nahe Neuenbau ihre höchste Stelle (743 m), lief dann über den Sattelpaß, überquerte den K a m m des Thüringer Waldes bei der Kalten Küche (696 m) und ging weiter nach Gräfenthal und Saalfeld. Der Sattelpaß war 1683 bis 1826 die militärisch besetzte Grenzstation des Fürstentums Coburg, seit 1735 des meiningischen Anteils. Bei der Gebrannten Brücke verließ der jüngere Postweg die Straße und ging über den Ziegenrück an der Flurgrenze zwischen Sonneberg-und Oberlind (s. N 10) nach Köppelsdorf, wo er wieder in die Hauptstraße einmündete. Auf dieser Fernverkehrsstraße zogen nicht nur die Kaufleute, sondern auch M A R T I N L U T H E R viermal zwischen 1518 und 1530, das Heer K A R L S V . im Schmalkaldischen Krieg 1547, W A L L E N S T E I N zur Schlacht bei Lützen 1632 und die Reichsarmee auf ihrem Rückzug von Roßbach 1757. Seit 1687 verkehrten auf ihr regelmäßige Fahrposten. Zum letzten Mal gewann die Straße strategische Bedeutung, als Anfang Oktober 1806 der linke Flügel der französischen Armee sie für den Aufmarsch zur Schlacht bei Jena benutzte.

12*

167

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Anhang

A. Stratigraphische Gliederung des Schiefergebirges im Raum Steinach Abteilung

Stufe

Ausbildung

Unterkarbon

Oberer Kulm

Tonschiefer und Grauwacken

(Dinant)

Unterer Kulm

Dach- und Rußschiefer (s. C 1, M 4, N 5)

Oberdevon

Mächtigkeit in m 1 ooo etwa 60

obere Kalkknotenschiefer, großknotig

12

Quarzit untere Kalkknotenschiefer, großknotig

7 6

Knotenkalk, kleinknotig

19

Kalkknotenschiefer, band- und knotenstreifig

29

Wetz- und Tonschiefer Braunschiefer

28 16

Bänderschiefer und Braunwacken (s.G 6 . 3 , 0 7 )

22

Mittel- und

Schwärzschiefer und Tonschiefer mit Tentakuliten und

Unterdevon

Nereitenquarzit Kalkknotenschiefer mit Tentakuliten

300 25 — 30

is.G7.L3) Silur

Oberer Graptolithenschiefer Ockerkalk Unterer Graptolithenschiefer (Kiesel- und Schwärzschiefer)

15 25 30 — 40

(s. G 6 . 3 , G 7 ) Ordovizium

168

Gräfenthaler

Lederschiefer

Serie

Oberer Erzhorizont Griffelschiefer

0,5 — 40 120—125

Unterer Erzhorizont

0—5

Phycoden-Serie

(s. G 6.3, G 7, G 8) Phycodenquarzit

100—150

Frauenbach-Serie

Phycodenschiefer (s. E 3 ( G 4 , G 5 i G 6 . 3 , G ; ) (s. B 2, G 2)

250

700

B. Stratigraphische Gliederung des Buntsandsteins und Muschelkalks

Stufe

Symbol

Ausbildung

Mächtigkeit in m

Suchpunkte

mo, mo!

Tonplatten Trochitenkalk

20

1 E 4,

20

J K

Mittlerer

mm

Mergel, plattige Kalke und Dolomite

25-30

X E 4,

Unterer

muj

Oberer Wellenkalk

40 1—2 40

) J4,

mu,

Terebratelbank Unterer Wellenkalk

so, so 3 so t

Röt heller Chirotheriensandstein untere rote Tone und Sandsteine

20 — 40

heller Bausandstein grobkörniger Sandstein Konglomeratstufe

etwa 35 etwa 70 100—130

konglomeratfreier Sandstein

20

Bröckelschiefer

20 — 50

Oberer

Mittlerer

III

Oberer

Unterer

su 3 su l

o-5 30-35

J

+

K3,

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D. Einwohnerzahlen des Kreises Sonneberg in seinem Umfang 1 9 2 2 - 1 9 5 0 (353,3 km2) 1508

1618

1650

1672

1693

1780

1808

1685 554 950 100 110"

3294 770 1683 200 200

1787 435 990 100 100

3144 731 1700 200 180

3373 715 1800 200 200

8291 1054 3203

9839 1306 3664

440 521

817 613

50

20 100

20 500

20 150

30 180

785 530

877 78l

Summen

3449

6267

3932

6125

6498

14824

17897

Einwohner je km*

9.8

17,7

n,l

17,3

18,4

42,0

50,7

1834

1871

1890

1900

1910

1925

1939

1946

12907

21992 7136 8097 2899 284

31043 8782

36547 9622 15481 3972 392

42598 10653 18971 4680

46254 8878 24764

46810

4987 4319 1568 211

9791 25186

48313 10963 25055

-

-

-



-

-

Amt Sonneberg Amt Neuhaus Amt Schalkau Gericht Rauenstein Amt Neustadt links der Steinach ehem. Schwarzburger Orte ehem. Gräfenthaler Orte

Amtsgericht Sonneberg Amtsgericht Schalkau Amtsgericht Steinach ehem. Schwarzburger Orte ehem. Gräfenthaler Orte

-

11777 3473 409

357

Summen

23992

40408

55484

66014

77259

79896

81787

84331

Einwohner je km*

67,9

114,4

i57»o

186,8

218,6

226,1

231,5

238,7

Für die Einwohner 1508,1618 und 1650 beruht die Zählung auf „Mann" mit dem Multiplikator 4,5. Geschätzt sind die Angaben 1508,1650,1672 und 1693 für das Amt Schalkau, für die gleichen J a h r e und 1618 im Gericht Rauenstein und für 1508, 1618, 1672, 1693 für die Gräfenthaler Orte.

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