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German Pages 187 Year 2012
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 427
Die Tilgung von Eigenschulden des Vorerben mit Nachlassmitteln Von
Peter Ellefret
Duncker & Humblot · Berlin
PETER ELLEFRET
Die Tilgung von Eigenschulden des Vorerben mit Nachlassmitteln
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 427
Die Tilgung von Eigenschulden des Vorerben mit Nachlassmitteln
Von
Peter Ellefret
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Juristischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. An dieser Stelle danke ich allen, die zum Gelingen der Dissertation beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Peter Gröschler, für die überaus engagierte Betreuung meines Promotionsvorhabens sowie seine zahlreichen Hinweise und Anregungen, die mir bei der Anfertigung der Arbeit stets eine wertvolle Hilfe waren. Nicht zuletzt sein Zuspruch war es, der mir den erforderlichen Mut und Ansporn gegeben hat, trotz meiner vollberuflichen Tätigkeit das seit längerer Zeit ruhende Vorhaben wieder aufzugreifen und abzuschließen. Danken möchte ich weiterhin Frau Univ.-Prof. Dr. Christina Eberl-Borges für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens sowie meinem verstorbenen ersten Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Manfred Harder, für seine Unterstützung bei der Themenfindung und seine Betreuung in der Anfangsphase. Mein Dank richtet sich auch an meine Kanzleikolleginnen und -kollegen, die mir während der letzten Jahre den erforderlichen Rückhalt und den notwendigen Freiraum gegeben haben. Zu tiefem Dank verbunden bin ich schließlich meiner Lebensgefährtin Andrea Sturm, die mich mit ihrer unermüdlichen Geduld und ihren immer wieder aufmunternden Worten durch alle Höhen und Tiefen bei der Erstellung dieser Arbeit begleitet hat. Gewidmet ist die Arbeit meiner Mutter Elisabeth Ellefret und im liebevollen Andenken an meinen verstorbenen Vater Dr. iur. Paul Ellefret. Meine Eltern waren es, die mir während meiner gesamten Ausbildung einschließlich des Jura-Studiums bedingungslos unterstützend zur Seite gestanden und damit im Ergebnis auch diese Dissertation ermöglicht haben. Kriftel, im Juli 2012
Peter Ellefret
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung und Problemerfassung
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A. Einführung in das Rechtsinstitut der Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Der Eingangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Der Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Kapitel Der bisherige Meinungsstand
24
A. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben als Fall der „relativ unentgeltlichen“ Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben kein Fall von § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . 25 C. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben ist stets entgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 D. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben ist stets unentgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 E. Fazit aus der Gegenüberstellung der bislang vertretenen Meinungen . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Kapitel Die Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben im Lichte von § 2113 Abs. 2
31
A. Der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Definition der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Gegenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
10
Inhaltsverzeichnis
B. Die Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben . . 39 I. Der Grundsatz dinglicher Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Der Begriff der Eigenverbindlichkeit in Abgrenzung zur Nachlassschuld . . . . . . . 43 III. Zur Frage der Schuldbefreiung als Surrogationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Die Untersuchung der Möglichkeit eines Surrogationseintritts bei verschiedenen Arten von Eigenverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Die Tilgung einer Eigenschuld bei gegenseitigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Die Tilgung einer Eigenschuld bei zeitlichem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Die Tilgung einer Eigenschuld, der kein Austauschverhältnis zugrunde liegt . . 54 4. Die Tilgung einer Eigenschuld in Gestalt einer Altverbindlichkeit des Vorerben 56 V. Fazit zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben als Fallgruppe tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts und deren Beurteilung als entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Der Gegenstand der Entgeltskategorie bei § 2113 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Die Entgeltskategorie bei Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten . . . . . . . . . 60 2. Die Befreiung von der Verbindlichkeit als Entgelt i. S. v. § 2113 Abs. 2 . . . . . 62 II. Die Interpretation von § 2113 Abs. 2 bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben schon nach dem Wortlaut kein Fall der „unentgeltlichen Verfügung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Das Unentgeltlichkeitsverständnis bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des befreiten Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die Befreiung des Vorerben von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 . . 68 b) Die Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Die Interessen des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 d) Die Interessen der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 e) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei § 2115 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 f) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei Aufrechnung eines Eigengläubigers des befreiten Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Inhaltsverzeichnis
11
g) Die Sicherung des Lebensunterhaltes des Vorerben als Zweckbindung bei persönlich zufließender Gegenleistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Die Entscheidungen des OLG Braunschweig vom 7. 4. 1955 und des Kammergerichts vom 13. 3. 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Die „ordnungsgemäße Verwaltung“ als Bewertungsmaßstab für die Entgeltlichkeit einer Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 h) Die Beurteilung der Entgeltlichkeit der Erfüllungshandlung bei freigebiger Begünstigung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Das Freigebigkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Die Fälle der Tilgung eigener Schulden als freigebige Leistung . . . . . . 89 i) Das Verhältnis von § 2113 Abs. 2 zum Recht zur eigennützigen Verwendung 93 j) Vorläufiges Zwischenergebnis für die Tilgung eigener Schulden des befreiten Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Das Unentgeltlichkeitsverständnis bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des nicht befreiten Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Die Nicht-Befreiung des Vorerben von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Die Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Die Interessen des Nacherben und etwaiger Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . 100 d) Das Interesse des (redlichen) Geschäftsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei Aufrechnung des nicht befreiten Vorerben mit einer dem Nachlass zustehenden Forderung gegen eine Eigenschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 f) Die Unbeachtlichkeit fehlender Bereicherung des Zuwendungsempfängers . 105 g) Der Einfluss der subjektiven Komponente des Unentgeltlichkeitsbegriffs . . 106 h) Vorläufiges Zwischenergebnis für die Tilgung eigener Schulden des nicht befreiten Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Mögliche Ausnahmen von dem hier vertretenen Normverständnis . . . . . . . . . . 108 a) Bei befreiter Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Die absichtliche Verringerung der Nachlasssubstanz durch den Vorerben 108 bb) Die entsprechende Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Bei nicht befreiter Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5. Die Vereinbarkeit des hier vertretenen Normverständnisses mit den abstrakten Werken zum Unentgeltlichkeitsbegriff von Pyszka und Beck . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Die Ansicht von Pyszka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
12
Inhaltsverzeichnis b) Die Ansicht von Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6. Ergebnis zum Unentgeltlichkeitsverständnis bei Verfügungen zur Eigenschuldentilgung des befreiten und des nicht befreiten Vorerben . . . . . . . . 117 a) Bei befreiter Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Bei nicht befreiter Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
D. Die Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Der Einfluss eines schuldrechtlichen Wertersatzanspruchs auf die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung für die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben, wenn dieser in gleichem Maße unterhaltspflichtig wäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben bei Gesamtschuldnerschaft zwischen Vor- und Nacherbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Ergebnis zu D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Kapitel Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
129
A. Die Erfüllung einer verjährten Eigenschuld des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Die Erfüllung einer Eigenschuld des Vorerben vor deren Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 132 C. Die Leistung auf eine nur vermeintlich bestehende Eigenschuld des Vorerben . . . . . . 133 D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten als entgeltliche Verfügung . . . . . . . . 137 II. Die Tilgung von Nachlasserbenschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 1 . . . . . . 141 1. Kein Zustimmungserfordernis des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Vom Erblasser eingegangene Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Erfüllung von Vermächtnissen und Teilungsanordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Zustimmungserfordernis des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Inhaltsverzeichnis
13
3. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Auf letztwilliger Anordnung beruhende Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Vom Erblasser begründete Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Aus Nachlassverwaltung herrührende Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Fazit zu D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 E. Die Zahlung von Erbschaftssteuer durch den Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Kapitel Die Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
152
A. Die Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des befreiten Vorerben über Nachlassgegenstände zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Anspruchsgrundlage § 2138 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Anspruchsgrundlage § 826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Die Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben über Nachlassgegenstände zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Anspruchsgrundlage § 2134 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, 2130 i. V. m. §§ 2131, 277 . . . . . . . . . . . . 160 3. Anspruchsgrundlage § 826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Ansprüche des Nacherben gegen den Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Leistungsempfänger ist gutgläubig i. S. v. § 2113 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Anspruchsgrundlage § 816 Abs. 1 Satz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Ansprüche in Fällen, in denen ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist . 167 2. Leistungsempfänger ist bösgläubig i. S. v. § 2113 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Das Verhältnis der Ansprüche zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
14
Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Schlussbetrachtung
172
A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Die Auswirkungen auf den herrschenden Unentgeltlichkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Die Lösung des Eingangsfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. Abs. AcP a. E. Alt.Komm AnfG Anh. Anm. AO ArchBürgR AT Aufl. Az. BayObLG BB Bd. Bearb./bearb. befr. begr. Beschl. BFH BGB BGH BGHZ bspw. BStBl BWNotZ bzgl. bzw. ders. d. h. Diss. DNotZ DR EI E II
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens Anhang Anmerkung Abgabenordnung Archiv für Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landesgericht, auch Sammlung der Entscheidungen des Gerichts in Zivilsachen Der Betriebsberater Band Bearbeitung/bearbeitet befreite(r) begründet Beschluss Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen beispielsweise Bundessteuerblatt Zeitschrift für das Notariat in Baden Württemberg bezüglich beziehungsweise derselbe das heißt Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Recht Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Erste Lesung Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission. Zweite Lesung
16 Einf. Einl. ErbStG evtl. f., ff. FamRZ Fn. gem. g. h. M. Gruchot Habil. h. L. h. M. HRR Hrsg./hrsg. HS InsO i. S. d. i. S. v. i. Ü. i. V. m. JFG JurRdsch JuS JW KG KGJ LG Lit. LM MDR MittBayNot MittRhNotK Mot. MünchKomm m. (z.) w. N. NE NJW NJW-RR NK Nr. o. ä. OLG OLGZ Prot. RG
Abkürzungsverzeichnis Einführung Einleitung Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz eventuell folgende, fortfolgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote gemäß ganz herrschende Meinung Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Habilitationsschrift herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber/herausgegeben Halbsatz Insolvenzordnung im Sinne des/der im Sinne von im Übrigen im Verbindung mit Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Kammergericht Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts Landgericht Literatur Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Motive zum BGB Münchener Kommentar zum BGB mit (zahlreichen) weiteren Nachweisen Nacherbe Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zivilrecht Nomos-Kommentar Nummer oder ähnlich(es) Oberlandesgericht Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Zivilsachen Protokolle der Zweiten BGB-Kommission Reichsgericht
Abkürzungsverzeichnis RGBl. RGRK RGZ Rpfl. Rspr. Rz S. Sächs. Arch. f. Rpfl. sc. SeuffA sog. str. u. u. a. unstr. v. VE Verf. vgl. Vorbem. WarnR WM z. B. ZBlFG ZdAkfDtR ZEV ZIP zit.
17
Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte-Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Deutsche Rechtspfleger Rechtsprechung Randziffer Satz/Seite Sächsiches Archiv für Rechtspflege scilicet Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten sogenannt streitig und unter anderem unstreitig von, vom, vor Vorerbe Verfasser vergleiche Vorbemerkung Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen zum Beispiel Zentralblatt für die Freiwillige Gerichtsbarkeit Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert
1. Kapitel
Einleitung und Problemerfassung A. Einführung in das Rechtsinstitut der Vor- und Nacherbschaft Nach § 21001 kann der Erblasser „einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (Nacherbe)“2. Die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft bewirkt, dass nacheinander in denselben Nachlass eine mehrfache Erbfolge nach demselben Erblasser stattfindet3. Im Erbfall geht das Vermögen des Erblassers zunächst auf den Vorerben als Erben über. Mit Eintritt des Nacherbfalls erwächst das Recht des Nacherben zu voller Kraft, d. h. der Nacherbe löst dann als Rechtsnachfolger des Erblassers den Vorerben in der Vermögensherrschaft über die Erbschaft ab4. Der Vorerbe ist während der Dauer seines Erbrechts wahrer Erbe und damit vorläufiger „Herr des Nachlasses“5. Er wird vorübergehend Träger aller zum Nachlass gehörenden Rechte und Pflichten6. Ihm steht die alleinige Verwaltung und Nutzung der Erbschaft zu. § 2112 räumt ihm dazu ausdrücklich das Recht ein, über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände prinzipiell frei zu verfügen7. Die Rechtstellung des Vorerben ist jedoch zeitlich beschränkt auf den Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge. Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Tode des Vorerben an, § 2106 Abs. 1. Aufgrund dieser zeitlichen Beschränkung der Berechtigung des Vorerben ist dessen Verfügungsmacht durch die §§ 2113 bis 2115, die im Interesse des Nacherben der Erhaltung des Erbschaftsstammes dienen sollen, erheblich eingeschränkt8. Dazu wird die Erbschaft – soweit dies rechtstechnisch möglich ist – von dem Eigenvermögen 1
§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB. Der Begriff „Nacherbe“ ergibt sich somit schon aus der Legaldefinition des § 2100, während der zunächst berufene Erbe vom Gesetz (§§ 2105 ff.) als „Vorerbe“ bezeichnet wird. 3 Heider, ZEV 1995, 1 ff. (1); Soergel/Harder/Wegmann, Vor § 2100 Rz. 1. 4 Staudinger/Avenarius, § 2130 Rz. 1; Schmidt, § 15 II 2. 5 Burandt/Rojahn/Lang, § 2112 Rz. 1; MünchKomm/Grunsky, § 2100 Rz. 20; Harder/ Kroppenberg, Rz. 432. 6 Fritze, S. 21. 7 Schlüter, Rz. 750; Röder, S. 6. 8 Heider, ZEV 1995, 1 ff. (2); Kaufmann, S. 18. 2
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1. Kap.: Einleitung und Problemerfassung
des Vorerben getrennt; Privatvermögen und Nachlass als Sondervermögen9 liegen somit nebeneinander in der Hand ein und desselben Rechtsträgers, nämlich des Vorerben10. Mit dem Rechtsinstitut der Vor- und Nacherbfolge eröffnet das Bürgerliche Gesetzbuch dem Testator die Möglichkeit, den zunächst als Erben Berufenen in seiner Dispositionsbefugnis über den Nachlass zu beschränken und dadurch das weitere Schicksal des vererbten Vermögens über längere Zeit hinweg festzulegen11. Der Umfang der Beschränkung kann vom Erblasser weitgehend selbst bestimmt werden. Ordnet er gewöhnliche Vorerbschaft an, hat der Vorerbe die Erbmasse für den Nacherben zu erhalten, ihm gebühren im Ergebnis nur die Nutzungen des Nachlasses12. Liegt es hingegen im Interesse des Erblassers, dem Vorerben die Vorteile des Nachlassvermögens zukommen zu lassen, und soll nur das, was übrig bleibt, den von ihm als Nacherben bedachten Personen erhalten bleiben, kann er den Vorerben von den meisten gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreien und so dessen Verfügungsmacht stärken. Hat der Erblasser diese ihm in § 2136 eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit voll ausgeschöpft13, darf der Vorerbe nicht nur die Nutzungen ziehen, sondern grundsätzlich auch die Nachlasssubstanz für sich verbrauchen; der Nacherbe muss mit dem vorlieb nehmen, was er am Ende der Vorerbschaft noch im Nachlass vorfindet14. Die praktische Bedeutung der Vor- und Nacherbfolge ist trotz ihrer rechtlichen Kompliziertheit und der Nachteile in erbschaftssteuerlicher Sicht15 nach wie vor sehr groß16. Das Rechtsinstitut der Vor- und Nacherbschaft ermöglicht es dem Erblasser, sein Vermögen in erster Linie einer ihm besonders nahestehenden Person zuzuwenden, ohne etwa deshalb andere Personen endgültig von der Erbfolge ausschließen zu müssen. Mit seinen unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten stellt es daher oftmals diejenige rechtliche Konstruktion dar, die den Erblasserwillen am besten verwirklicht17. Die aufgrund der Alterspyramide zu erwartende, steigende Zahl der Erbfälle führt zu einer wachsenden Zunahme des zu vererbenden Vermö9 Die Nacherbfolge kann sich auch nur auf einen Teil des Nachlasses beziehen (Salinger, S. 138). Soweit im Folgenden von Erbschaft“ oder „Nachlass“ gesprochen wird, handelt es sich dabei immer um einen Nachlassteil, für den Vorerbschaft angeordnet ist. 10 Lange/Kuchinke, § 28 III 1; Nieder/Kössinger, § 10 Rz. 7; Weirich, Rz. 693 u. 694. 11 MünchKomm/Grunsky, § 2100 Rz. 3. 12 Vgl. § 2111 Abs. 1 Satz 1 letzter HS; v. Lübtow, S. 887. 13 Die Frage des Umfangs der Befreiung ist im Einzelfall Auslegungssache der letztwilligen Verfügung des Erblassers. Soweit im Folgenden von „befreiter Vorerbschaft“ die Rede sein wird, soll damit der praktische Regelfall der Befreiung im weitest gesetzlich zulässigen Maße gemeint sein. 14 Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 4; Kipp/Coing, § 49 IV 2 a in Fn. 35; Haegele, BWNotZ 1974, 89 ff. (93). 15 Friederich, Rz. 1; Groll, B IV Rz. 134. 16 Heider, ZEV 1995, 1 ff. (1); Ebenroth, Rz. 544; Muscheler, Rz. 2476. 17 Friederich, Rz. 1.
B. Problemstellung
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gens18, so dass in naher Zukunft für die Praxis mit einem vermehrten Bedarf nach Lösungen für Problemfälle in diesem Bereich zu rechnen ist19. Denn die Vor- und Nacherbschaft hat zwei Aufgaben, die sich theoretisch gegeneinander ausschließen, praktisch aber in ihrer gegenseitigen Begrenzung miteinander vereinbar sind: Sie soll zum einen in dem Zeitraum zwischen Erbfall und Eintritt der Nacherbfolge dem Vorerben die Erbenstellung gewähren, zum anderen dem Nacherben beim Nacherbfall die gleichen Rechte am ungeschmälerten Bestand des Nachlasses sichern20. Aus dieser gegensätzlichen Interessenlage heraus muss jede Untersuchung darauf gerichtet sein, den Konflikt zwischen Verfügungsmacht des Vorerben einerseits und Nacherbenschutz andererseits sachgerecht zu bewältigen. Das Spektrum der Einwirkungsmöglichkeiten des Vorerben auf das Nachlassvermögen ist groß. Von besonderem Interesse sind diejenigen Verfügungen über Erbschaftsgegenstände, die der Vorerbe während der Dauer seiner Herrschaft gezielt zum Zwecke der Erfüllung seiner privaten Verbindlichkeiten vornimmt. Dazu soll der nachfolgende Fall in den Problemkreis einführen:
B. Problemstellung I. Der Eingangsfall Erblasserin E hat ihren Ehemann M zum befreiten Vorerben, ihren Sohn S zum Nacherben berufen. E verstirbt am 01. Oktober 2002. Während der Dauer der Vorerbschaft trifft M verschiedene Verfügungen: a) M kauft sich einen Computer und bezahlt diesen mit Nachlassgeld. Die Raten eines Darlehens, das M zur Finanzierung einer Eigentumswohnung aufnimmt, führt er aus Nachlassmitteln zurück. Zudem bürgt M freiwillig für die Mietschulden seiner neuen Lebensgefährtin; bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft überweist er vom Nachlasskonto. b) Seine persönlichen Steuerschulden begleicht M ebenfalls aus der Erbschaftsmasse. Auch zur Zahlung einer Geldstrafe und von Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall verwendet er Nachlassgelder. Ferner hat M monatliche Unterhaltsleistungen für seine Tochter aus erster Ehe zu erbringen, die er nunmehr aus dem Nachlass bestreitet. c) Eine bislang gestundete Kaufpreisschuld, die aus einem noch vor Erbfall getätigten Erwerb eines PKW herrührt, tilgt M jetzt ebenfalls mit Mitteln der Erbschaft. Am 15. 07. 2009 tritt der Nacherbfall ein. S findet ein spürbar dezimiertes Nachlassvermögen vor. Abwandlung: M war zum nicht befreiten Vorerben berufen.
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Diese Entwicklung ist letztlich eine Folge der langen wirtschaftlichen Konsolidierungsphase seit Ende des Zweiten Weltkrieges. 19 Schon 1971 konstatierte Haegele, in RPfl 1971, 121 ff. (121) eine Zunahme von Rechtsprechung und Literatur zur Vor- und Nacherbschaft. 20 Schlüter, 12. Aufl., § 41 VI 1.
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1. Kap.: Einleitung und Problemerfassung
II. Der Gang der Darstellung Den vorstehenden, scheinbar willkürlich ausgewählten Fallvarianten ist eines gemeinsam: Jedes Mal verfügt der Vorerbe über Nachlassmittel zur Erfüllung einer ihn ausschließlich persönlich betreffenden Verbindlichkeit. In allen Fällen schont der Vorerbe sein privates Vermögen und greift stattdessen im Rahmen der ihm gegebenen Verfügungsmacht auf die Erbschaftssubstanz zurück. Auch das Ergebnis für den Nacherben ist in allen Fällen gleich: Die Nachlassmasse wird reduziert, der Nacherbe erhält im Zeitpunkt des Nacherbfalls weniger als er erhalten hätte, wenn der Vorerbe seine Schulden nicht zu Lasten der Erbschaft, sondern aus seinem Eigenvermögen beglichen hätte. Für jede einzelne dieser Rechtshandlungen gilt es zu untersuchen, ob das Recht der Vor- und Nacherbschaft diese vermeintliche Beeinträchtigung der Belange des Nacherben hinnehmen oder aber im Interesse des Nacherben die Verfügungsmacht des Vorerben eingeschränkt wissen will. Wie verhält es sich im Fall a), in dem M verschiedene durch Rechtsgeschäft begründete, private Verbindlichkeiten aus dem Nachlass begleicht, wobei ein Gegenwert mal sofort, mal zeitlich verzögert oder auch gar nicht vorhanden scheint? Wie sieht es mit der Wirksamkeit der Verfügungen im Beispielsfall b) aus? Hier erfüllt der Vorerbe auf Kosten des Nachlasses zahlreiche auf Gesetz beruhende Eigenschulden, wie es scheint ohne dem Nachlassvermögen einen angemessenen Gegenwert zukommen zu lassen. Handelt es sich dabei unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Nachlasssubstanz und damit im Nacherbeninteresse möglicherweise um unentgeltliche Verfügungen, die gemäß § 2113 Abs. 2 bei gleichzeitiger Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben im Nacherbfall als unwirksam zu beurteilen sind? Wie wirkt es sich im Beispiel c) des Eingangsfalls aus, dass es zwar eine Gegenleistung für die aus Erbschaftsmitteln getilgte Kaufpreisschuld gibt, diese dem Vorerben aber schon vor dem Erbfall zugeflossen ist? Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist es, auf diese und weitere Fragen eine dogmatisch begründete sowie praktisch verwertbare Antwort zu geben. Schwerpunkt der Betrachtung ist dabei die Bestimmung des § 2113, die in besonderem Maße der Erhaltung des Erbschaftsstammes und damit dem Schutz des Nacherben gegen eine Verkümmerung seiner Rechte dient. Gerade Absatz 2 dieser Vorschrift, der von der Unwirksamkeit „unentgeltlicher Verfügungen“ des Vorerben über Erbschaftsgegenstände handelt und von dem der Erblasser dem Vorerben keine Befreiung erteilen kann21, hat eine hohe praktische Bedeutung22. Bei der Beurteilung des Unentgeltlichkeitsbegriffs ist zu berücksichtigen, dass dessen Auslegung sich nicht ausschließlich an der Zweipersonenbeziehung zwischen Vorerbe und Geschäftspartner zu orientieren hat, sondern eine dritte Vermögensmasse, der Nachlass bzw. das darauf gerichtete Erhaltungsinteresse des Nacherben, ebenfalls einzubeziehen ist. Von daher ist eine Leistung regelmäßig 21 22
Argumentum e contrario aus § 2136. Esch/Baumann/Schulze z. W., Rz. 517.
B. Problemstellung
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schon dann als unentgeltlich i. S. v. § 2113 Abs. 2 anzusehen, wenn es an einem Gegenstand für die dingliche Surrogation (§ 2111) fehlt, d. h. wenn oder soweit keine Gegenleistung in die Erbschaft fließt23. Deswegen wird bei der hier im Mittelpunkt stehenden Diskussion der Unentgeltlichkeit einer Verfügung die Frage nach der Existenz eines Surrogationsgegenstandes vorrangig zu untersuchen sein. Anschließend wird sich die Abhandlung zentral den aus Nachlassbeständen bewirkten Rechtshandlungen zur Erfüllung eigener Schulden des Vorerben widmen. Dabei ist zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft zu differenzieren. Nach Entwicklung des jeweiligen Lösungsmodells werden auf dieser Basis einzelne mit der Tilgung von Eigenverbindlichkeiten zusammenhängende Sonderfälle Betrachtungsgegenstand sein. Abschließend sollen die aus dem Lösungsvorschlag resultierenden Ansprüche der Beteiligten diskutiert werden.
23
Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 19; v. Lübtow, S. 895.
2. Kapitel
Der bisherige Meinungsstand Das Problem der Entgeltlichkeit bzw. Wirksamkeit der aus Nachlassmitteln bewirkten Erfüllung von Eigenschulden des Vorerben wird in der, insbesondere jüngeren, Literatur überwiegend nur ansatzweise diskutiert und dann auch mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen. Dies verwundert insofern, als die auf Kosten des Nachlasses vorgenommene Tilgung privater Schulden nicht nur – wie die zahlreichen Variationen des Eingangsfalls belegen – quantitativ bedeutungsvoll scheint, sondern sich wegen der für Außenstehende regelmäßig fehlenden Transparenz der Verhältnisse für den Vorerben auch verführerisch anbietet. Schon Hothorn hat dies 1911 in seiner Abhandlung zum befreiten Vorerben erkannt und dementsprechend ausgeführt24: „Dass Rechtshandlungen des Vorerben, die auf Tilgung von Eigenverbindlichkeiten hinauslaufen, eine große Gefährdung des Nacherben enthalten können, liegt auf der Hand. Ein überschuldeter Vorerbe kann ohne Schwierigkeiten den Nachlass benutzen, um sich von seinen Eigenverbindlichkeiten zu befreien.“
A. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben als Fall der „relativ unentgeltlichen“ Verfügung In seiner Untersuchung zur rechtlichen Stellung des befreiten Vorerben beschäftigt sich Hothorn eingehend mit den Handlungen des Vorerben zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten und den daraus erwachsenden Ansprüchen der Beteiligten. Hothorn problematisiert diese Maßnahmen als Fallgruppe eines „Fürsichverwendens“ von Erbschaftsgegenständen25 und schlägt in diesem Zusammenhang den Rechtsbegriff der „relativen Unentgeltlichkeit“ einer Verfügung für alle diejenigen Fälle vor, bei denen in Beziehung auf den Nachlass ein Äquivalent fehlt, dieses aber möglicherweise in einer anderen Vermögensmasse, beispielsweise dem Eigenvermögen des Vorerben, eintritt26. Hothorn kommt dann zu dem Ergebnis, dass solche „relativ unentgeltlichen“ Verfügungen als Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 zu werten sind, insbesondere bei Verfügungen über Nachlassgegenstände zwecks Deckung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben ein dinglicher Schutz des Nacherben in Ge24 25 26
Hothorn, S. 90. Hothorn, S. 89 ff. Hothorn, S. 96.
B. Tilgung einer Eigenschuld kein Fall von § 2113 Abs. 2
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mäßheit der Bestimmung des § 2113 Abs. 2 neben dem Anspruch aus § 2134 anzuerkennen sei27. Hothorn ist zugute zu halten, dass er schon frühzeitig die Tragweite der für den Nachlass bestehenden Gefahren deutlich macht, die von Maßnahmen zur Tilgung privater Verbindlichkeiten des Vorerben ausgehen können, und damit ein Regelungsbedürfnis für diese Problematik erkennt. Gleichwohl vermag sein Lösungsansatz nicht zu überzeugen. Sowohl Begriff wie Institution der „relativ unentgeltlichen“ Verfügung sind weder vom Gesetzeswortlaut des § 2113 Abs. 2 gedeckt, noch an dieser Stelle erforderlich. Jeder neu geschaffene, unbestimmte Rechtsbegriff ist der Auslegung zugänglich und zieht damit in der praktischen Rechtsanwendung die unerwünschte Folge der Rechtsunsicherheit nach sich. Die Einführung eines neuen Rechtsbegriffs kann daher nur dann befürwortet werden, wenn die Lösungsfindung mit dem vorhandenen gesetzestechnischen Instrumentarium nicht bewältigt werden kann. Dass gerade dies für die hier gegenständliche Thematik möglich ist, soll durch die nachfolgenden Ausführungen bewiesen werden.
B. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben kein Fall von § 2113 Abs. 2 Riesenfeld führt in seinem umfangreichen Werk zur Erbenhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unter der Überschrift „Die Verwendung der Erbschaft zur Berichtigung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben“ wie folgt aus28: „Er (sc. der Vorerbe) darf demnach … über alle beweglichen Gegenstände einschließlich der zur Erbschaft gehörigen Forderungen auch zum Zwecke der Berichtigung eigener Verbindlichkeiten verfügen. …; es ist hierbei ohne Bedeutung, dass dadurch das Recht des Nacherben beim Eintritt der Nacherbfolge vereitelt oder beeinträchtigt wird. Dem Nacherben bleibt nur die Ersatz- bzw. evtl. eine weitergehende Schadensersatzforderung.“ Riesenfeld sieht somit die Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben nicht als unentgeltliche Verfügung an. Er gestattet dem Vorerben sogar ausdrücklich, derartige Verfügungen vorzunehmen, und zwar ungeachtet der Tatsache einer Beeinträchtigung oder Vereitelung der Nacherbenrechte. Der Nacherbe soll auf seine Ersatzansprüche im Nacherbfall, insbesondere gemäß §§ 2130, 2134, verwiesen werden. Ähnlich argumentieren Planck/Flad in ihrer Kommentierung zu § 2113 Abs. 229 bezüglich der Erfüllung einer dem Vorerben obliegenden Aussteuerpflicht: „Eine unentgeltliche Verfügung liegt hier nicht vor, sondern die Erfüllung einer Ei27 28 29
Hothorn, S. 101. Riesenfeld, S. 356. Planck/Flad, § 2113 Anm. 2 b.
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2. Kap.: Der bisherige Meinungsstand
genverbindlichkeit des Vorerben aus der Erbschaft, von der sie nicht zu tragen ist.“ Damit wird ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen der Erfüllung einer Eigenschuld und der unentgeltlichen Verfügung festgestellt: Die Erfüllung einer Eigenschuld soll nicht unentgeltliche Verfügung sein, sondern etwas Eigenständiges. „Demgemäß habe“, so die Kommentierung weiter, „der Vorerbe dem Nacherben … nach dem Eintritte der Nacherbfolge schlechthin Ersatz zu leisten (§§ 2130, 2134).“ Wie bei Riesenfeld findet sich somit auch hier der Verweis des Nacherben auf seine obligatorischen Ansprüche gegen den Vorerben. Ebenso sieht es Hachenburg30, wonach die Aussteuer nicht unter eine unentgeltliche Verfügung fallen soll, denn sie sei „… Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung gleich der Unterhaltspflicht. Bedient sich der Vater zu diesem Zwecke der Mittel der Erbschaft, so steht dieser Fall jeder Benützung derselben zur Tilgung von Schulden des Vorerben gleich. Er hat Gegenstände des Nachlasses für sich benützt (§ 2134 BGB). Er ist dem Nacherben ersatzpflichtig. Der Empfänger dieser Gegenstände ist aber nicht schuldig, sie zurückzugewähren.“ Bei Hachenburg wird damit der hinter der Argumentation stehende Gedanke deutlich: Verfügungen, die als ein Fall eines „Fürsichverwendens“ begriffen werden, sollen nicht zusätzlich der Unwirksamkeitssanktion des § 2113 Abs. 2 mit den daraus resultierenden, insbesondere dinglichen, Ansprüchen gegen den Leistungsempfänger unterworfen werden31. Die zentrale Kritik, die sämtlichen dieser Ausführungen entgegenzubringen ist, liegt in der Verkennung der Tatsache, dass ein solch sorgloser Umgang mit dem zweiten Absatz von § 2113 eine erhebliche Gefährdung der Rechte des Nacherben bedeutet. Der – vorzugsweise nicht befreite – Vorerbe könnte sich uneingeschränkt seiner persönlichen Verpflichtungen unter Eingriff in die Substanz der Erbschaft und damit zum Nachteil des Nacherben entledigen. Die Intention des Gesetzgebers, den Belangen des Nacherben durch Erhaltung des Erbschaftsstammes bestmöglich Rechnung zu tragen, würde unterlaufen. Vor dem Hintergrund, dass Riesenfeld an anderer Stelle den Substanzschutz zum wesentlichen Kriterium der Vorerbschaft erhebt32, ist eine Auffassung, die von vorneherein eine Anwendung des dingliche Ansprüche sichernden § 2113 Abs. 2 ausschließt, sehr fragwürdig. Von daher erscheint es richtiger, Verfügungen des Vorerben, die dieser auf Kosten des Nachlasses zum Zwecke der Tilgung seiner Privatverbindlichkeiten vornimmt, nicht pauschal freizugeben, sondern in jedem Einzelfall kritisch zu prüfen, ob nicht doch der Anwendungsbereich des § 2113 Abs. 2 eröffnet ist. Auch muss die Ablehnung von § 2113 Abs. 2 mit dem Argument der Existenz eines obligatorischen Ersatzanspruches des Nacherben gegen den Vorerben gemäß § 2134 noch hinterfragt werden. Jedenfalls scheint ein solcher Argumentationsgang nicht im Einklang mit der Tendenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu 30 31 32
Hachenburg, Zeitschrift des Deutschen Notarvereins 1906, 321 ff. (329). So wohl auch Leonhard, § 2113 II D. Riesenfeld, S. 355.
C. Tilgung einer Eigenschuld ist stets entgeltliche Verfügung
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stehen. Denn schon das Reichsgericht betont in seiner Entscheidung vom 8. 10. 191633 die bevorzugte Bedeutung des dinglichen gegenüber einem schuldrechtlichen Anspruch, indem es ausführt, „die dingliche Sicherung des Nacherben dürfe sich nicht zu einem bloß persönlichen, ungesicherten Geldanspruch verflüchtigen“. Dieser Sichtweise hat sich der BGH später angeschlossen34.
C. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben ist stets entgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 Im Gegensatz noch zu seinen Erläuterungen in der 11. Auflage des Soergel35, geht Harder in der Folgeauflage ausführlich auf den hier gegenständlichen Problemkreis ein. Harder stellt sich im Rahmen seiner Kommentierung zu § 2113 Abs. 2 die Frage nach der Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit solcher Maßnahmen des Vorerben, die der Erfüllung von Nachlass- oder Eigenschulden dienen36. Der Autor sieht die Erfüllung beider Schuldarten als nicht unentgeltlich an, und zwar „unabhängig davon, ob der Vorerbe mit Eigen- oder mit Nachlassmitteln zahlt; denn der Nachlass oder der Vorerbe persönlich wird ja von einer Schuld befreit. Trotz fehlender Surrogation in diesem Fall wird das Recht des Nacherben nicht beeinträchtigt; denn ihm steht mit Eintritt des Nacherbfalls ja der Anspruch nach § 2134 zu.“ Letzterer falle zwar bei befreiter Vorerbschaft weg, was aber wegen der mit der Befreiung verbundenen Befugnis, die Substanz zu verbrauchen, unschädlich sei. Zu § 2134 wird dann ausgeführt, der von dieser Vorschrift befreite Vorerbe könne dann auch berechtigt sein, Privatschulden mit Nachlassmitteln zu tilgen37. Im Vergleich zur übrigen führenden Kommentarliteratur misst Harder als einziger der Thematik der Tilgung eigener Schulden des Vorerben erhöhten Bedeutungsgehalt bei und trägt dem durch umfangreiche Kommentierung entsprechend Rechnung. Dabei sieht Harder die Erfüllung von Nachlass- wie Eigenschulden unabhängig von der Mittelherkunft stets als entgeltlich an, verneint dann aber in einem weiteren Schritt die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben mit Hinweis auf den – jedenfalls bei nicht befreiter Vorerbschaft bestehenden – Anspruch aus § 2134. Diese Prüfungsfolge erscheint insofern missverständlich, als einerseits die Erfüllungsmaßnahme mit dem Argument der gleichzeitigen Schuldbefreiung als nicht unentgeltlich beurteilt, dann aber anschließend noch eine Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben angesprochen wird. Ist aber eine Verfügung entgeltlich, erübrigt sich die Frage nach der Rechtsbeeinträchtigung; denn dann fehlt es bereits an der ersten 33 34 35 36 37
RGZ 89, 53 ff. (59). BGH NJW 1963, 2320 ff. (2322). Siehe Kommentierungen zu § 2111 und § 2113 in Soergel/Harder, 11. Auflage. Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 18. Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2134 Rz. 5.
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2. Kap.: Der bisherige Meinungsstand
Tatbestandsvoraussetzung von § 2113 Abs. 2, der „Unentgeltlichkeit“, so dass es keines weiteren Eingehens auf die Vorschrift mehr bedarf. Ob es ferner aus Nacherbensicht sachgerecht ist, dem Vorerben – und zwar auch dem nicht befreiten – die Erfüllung seiner privaten Schulden auf Kosten des Nachlasses i. S. v. § 2113 Abs. 2 gleichsam zu gestatten, indem derartige Verfügungen immer als entgeltlich angesehen werden, ist fraglich. Der Vorerbe könnte so die Schranke des § 2113 Abs. 2 jederzeit ohne Schwierigkeiten unterlaufen, indem er wahllos von ihm privat begründete Schulden zu Lasten der Nachlasssubstanz begleicht. Ebenso wurde es vorstehend schon als problembehaftet angesehen, in diesem Zusammenhang den Nacherben auf seine, bei befreiter Vorerbschaft noch nicht einmal bestehenden, Ersatzansprüche nach § 2134 zu verweisen. Das Spannungsverhältnis dieser beiden Vorschriften wird zu einem späteren Zeitpunkt noch zu erörtern sein. In der 13. Auflage des Soergel, zu § 2113 nunmehr kommentiert von Wegmann, wird unter offenbar teilweiser Aufgabe der Auffassung der Vorauflage die Tilgung einer Eigenschuld des nicht befreiten Vorerben mit Nachlassmitteln als stets unentgeltlich qualifiziert. Zur Begründung wird angeführt, dass dem Nachlass keine Leistung eines Dritten zufließt. Dagegen soll die gleiche Handlung für den befreiten Vorerben immer entgeltlich sein, weil er die Nachlasssubstanz für sich verbrauchen dürfe38. Für diesen Lösungsansatz spricht auf den ersten Blick die nachvollziehbare Differenzierung zwischen den beiden Arten der Vorerbschaft. Allerdings ist zu bedenken, dass § 2136 keine Befreiung des Vorerben vom Verbot unentgeltlicher Verfügungen eröffnet und damit anscheinend in diesem Punkt einen Gleichlauf zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft schaffen will. Auch ist fraglich, ob das Ergebnis in seiner Absolutheit so Bestand haben kann. Wäre tatsächlich die Tilgung jeder beliebigen Eigenschuld aus Nachlassmitteln für den befreiten Vorerben entgeltlich, hätte dieser ein einfaches Instrument an der Hand, den Nachlass zum Nachteil des Nacherben und zu eigenem Vorteil zu entwerten.
D. Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben ist stets unentgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 Tilgt der Vorerbe mit Nachlassmitteln Eigenverbindlichkeiten, so liegt nach Avenarius immer eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung vor39, ungeachtet der Tatsache, ob der Vorerbe befreit ist oder nicht40. Diese Lösung steht somit 38 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 19; dem sich anschließend MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 32. Ebenso wohl auch Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. (104). 39 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77; so auch Pyszka S. 41 u. 42 und in Fn. 54. Ebenso: NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 44; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 11. 40 Dass Avenarius auch den befreiten Vorerben meint, zeigt sich darin, dass er – im Gegensatz zu anderen Stellen seiner Kommentierung – hier nicht differenziert. Zudem verweist er
E. Fazit aus der Gegenüberstellung der bislang vertretenen Meinungen
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in exaktem Gegensatz zu der unter C. vorgestellten Auffassung von Harder. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dem Nachlass fließe insoweit kein Gegenwert zu, die eintretende Befreiung komme nur dem Vorerben zugute41. Dem schließt sich Pardey, beschränkt auf die Berichtigung von Altschulden des Vorerben, an: „So kann z. B. bei Tilgung von Altverbindlichkeiten des Vorerben keine Surrogation eintreten. Es handelt sich um eine unentgeltliche Verfügung nach Abs. 242“. Auch Ludwig geht davon aus, dass in der Bezahlung eigener Schulden mit Nachlassgeld stets eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben vorliegt43. Avenarius unterscheidet, wie auch Harder, bei seiner Auffassung nicht zwischen den beiden Formen der Vorerbschaft und ignoriert damit gleichermaßen eine vom Erblasser getroffene Entscheidung. Zwar ist auch der weitestgehend befreite Vorerbe nicht von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 entbunden, doch darf er, im Gegensatz zum nicht befreiten Vorerben, die Nachlasssubstanz für sich verbrauchen; der Nacherbe muss sich mit den im Nacherbfall noch vorhandenen Vermögenswerten zufrieden geben44. Bedenkt man, dass die Erfüllung persönlicher Schulden des Vorerben der typische Fall einer eigennützigen Verwendung von Erbschaftsgegenständen ist, spricht im ersten Moment einiges dafür, in diesen Fällen bei der Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs eine nach der Form der Vorerbschaft differenzierte Betrachtung vorzunehmen. Jede andere Sichtweise würde dazu führen, den Willen des Erblassers, ob er den Vorerben befreit hat oder nicht, als bedeutungslos abzustempeln; die mit angeordneter Befreiung des Vorerben vom Erblasser möglicherweise gewünschte Verbrauchsbefugnis des Vorerben liefe ins Leere.
E. Fazit aus der Gegenüberstellung der bislang vertretenen Meinungen Vorstehende Gegenüberstellung des derzeitigen Meinungsstandes zeigt, dass die Frage nach der rechtlichen Beurteilung von Verfügungen des Vorerben, die dieser mit dem Ziel der Entschuldung seines Privatvermögens unter Einsatz von Nachlassmitteln trifft, für das Recht der Vor- und Nacherbfolge weder hinreichend noch widerspruchsfrei geklärt ist. Die Thematik ist trotz offenkundiger praktischer Relevanz in der Literatur bislang nur teilweise diskutiert worden. Die dabei vertretenen Auffassungen divergieren und geben in ihrer Begründung verschiedentlich Anlass zu Bedenken. in seinen Erläuterungen zum ausschließlich den befreiten Vorerben betreffenden § 2138 unter dortiger Rz. 4 auf seine vorstehend zitierte Meinung. 41 Staudinger/Avenarius, § 2112 Rz. 7 und § 2113 Rz. 77. 42 Pardey, in: AltKomm, § 2113 Rz. 11. 43 Ludwig, S. 176. 44 Nachweise 1. Kapitel in Fn. 14.
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2. Kap.: Der bisherige Meinungsstand
Hinzu kommt, dass ein zusammenfassender Überblick des Problems der Eigenschuldentilgung durch den Vorerben bislang fehlt. Ein solcher ist aber zweckmäßig, weil er geeignet ist, Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten zwischen und innerhalb der anzusprechenden Vorschriften aufzuzeigen, die bei der sonst üblichen isolierten Betrachtung der einzelnen Fälle nicht mit der gebotenen Deutlichkeit sichtbar werden. Nachfolgend soll daher der Problemkreis in seiner Gesamtheit einer eingehend begründeten Lösung zugeführt werden.
3. Kapitel
Die Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben im Lichte von § 2113 Abs. 2 § 2112 stellt den Grundsatz auf, dass der Vorerbe über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände frei verfügen kann. Um zu verhindern, dass der Vorerbe den Nachlass, der ihm nur auf Zeit zusteht, aufzehrt, hat der Gesetzgeber diese weitreichende Verfügungsmacht im Interesse des Nacherben eingeschränkt. So ist eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt, im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde, § 2113 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1. Davon ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Die Vorschrift will sicherstellen, dass dem Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft der Stamm der Erbschaft wertmäßig erhalten bleibt45. Der Nacherbe soll gegen eine Verkümmerung seiner Rechte durch Verringerung der Nachlassmasse geschützt werden46. Der Erblasser kann den Vorerben davon nicht befreien (vgl. § 2136). Der Verfügungsbegriff des § 2113 Abs. 2 ist nach einhelliger Meinung rechtstechnisch zu verstehen47. Er umfasst die dingliche Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung und Aufgabe von zur Erbschaft gehörenden Rechten48, und damit auch solche Rechtshandlungen, die der Vorerbe zur Erfüllung seiner privaten Verbindlichkeiten zu Lasten des Nachlasses vornimmt. In Rechtsprechung und Lehre umstritten ist dagegen die Frage, wann eine Verfügung als „unentgeltlich“ i. S. v. § 2113 Abs. 2 zu beurteilen ist.
45 46 47 48
MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 23; Paschke, ZIP 1985, 129 ff. (133). BGH NJW 1963, 2320 ff. (2322); Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 1. Statt aller: Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 51. Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 2.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
A. Der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 2113 Abs. 2 I. Definition der herrschenden Meinung Nach h. M. geht § 2113 Abs. 2 über den Schenkungsbegriff der §§ 516 ff. hinaus49. Laut einer aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts entwickelten Formel des BGH ist eine Verfügung dann unentgeltlich, wenn der Vorerbe objektiv ein Opfer aus der Erbmasse erbringt, ohne dass die dadurch eingetretene Schmälerung des Nachlasses durch die Zuführung eines gleichwertigen Vermögensvorteils wieder ausgeglichen wird, und wenn er subjektiv entweder weiß, dass diesem Opfer keine gleichwertige Gegenleistung an die Erbmasse gegenübersteht, oder doch bei ordnungsmäßiger Verwaltung der Erbschaft unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Pflicht, die Erbschaft dem Nacherben herauszugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen50. Dem ist das Schrifttum überwiegend gefolgt51. Die subjektive Komponente ist im Wortlaut des § 2113 Abs. 2 nicht angelegt. Ihre Rechtfertigung ergibt sich grundlegend aus einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 191352, die als Leitentscheidung für das heutige Verständnis des erbrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs anzusehen ist. Danach „dürfe das Wesen einer entgeltlichen Verfügung nicht ausschließlich in objektiven Begriffsmerkmalen gesucht werden. Nur der subjektive Wille der Beteiligten sei es, der die auf beiden Seiten in Betracht kommenden Leistungen zueinander in das sog. synallagmatische, in das Verhältnis von Leistung um einer anderen Leistung willen, oder von Leistung und Gegenleistung zu setzen vermag. Wie hoch hierbei jeder Beteiligte die eigene Leistung und die seines Vertragsgegners einschätze, stehe dabei im allgemeinen in seinem Ermessen.“ Zur Unterstützung seiner Sichtweise nimmt das Reichsgericht auf die Regelungen über die Anfechtung im Konkursfall Bezug, bei denen „von jeher 49
BGH FamRZ 1971, 643 ff. (645); BGH NJW 1991, 842 f. (842); Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18; Kaufmann, S. 39; Muscheler, Rz. 2499; Wendel, S. 78 und Fn. 348. Ausdrücklich gegen eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit i. S. des § 516 bei der Unentgeltlichkeit i. S. des § 2113 Abs. 2: Nieder/Kössinger, § 10 Rz. 16. 50 RGZ 81, 364 ff.; RGZ 125, 242 ff. (245); RGZ 159, 385 ff. (389); RG JW 1938, 525; BGHZ 5, 174 ff. (182); BGHZ 7, 274 ff. (278) = LM Nr. 3 zu § 2113 mit Anm. Ascher; BGH NJW 1955, 1354; BGH NJW 1963, 1613 ff. (1614); BGH FamRZ 1971, 643 ff. (645); BGH NJW 1984, 366 ff. (367); BayObLG DNotZ 1989, 182 ff. (183); OLG Hamm MittRhNotK 1990, 278 ff. (279); OLG Braunschweig FamRZ 1995, 443 ff. (445); BGH NJW 1999, 2037 f. (2038). 51 Burandt/Rojahn/Lang, § 2113 Rz. 26; Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2113 Rz. 13; Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 13; MünchKomm/Grunsky, § 2113, Rz. 25; Palandt/ Weiddlich, § 2113 Rz. 10; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 62; Brox/Walker, Rz. 363; Johannsen, WM 1970, 2; Muscheler, Rz. 2499; Nieder/ Kössinger, § 10 Rz. 15; Schlüter, Rz. 756; v. Lübtow, S. 895. 52 RGZ 81, 364 ff.
A. Der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 2113 Abs. 2
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das entscheidende Gewicht darauf gelegt worden sei, ob das betreffende Geschäft nach der Absicht der Parteien ein entgeltliches oder ein unentgeltliches sein soll.“ Andererseits könne es zu schweren Benachteiligungen des Nacherben führen, wollte man die Entscheidung über die Entgeltlichkeit einer Maßnahme ausschließlich in das subjektive, auch gutgläubige, Ermessen des Vorerben stellen. In der so gewonnenen Erkenntnis, im Sinne des Gesetzes bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer vom Vorerben getroffenen Verfügung für sich allein weder den objektiven noch den subjektiven Maßstab entscheiden zu lassen, zieht das Reichsgericht in der Folge den Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung nach den §§ 2120, 2130 ff. als entscheidendes Kriterium heran. Dies führt dazu, dass es für die subjektive Komponente nicht allein auf die persönliche Sichtweise des Vorerben ankommt, sondern diese anhand objektiver Kriterien, angeknüpft an einen gesetzlich verankerten Maßstab, zu bestimmen ist; die subjektive Komponente wird somit objektiviert53. Ebenso verhält es sich für den Testamentsvollstrecker (§ 2205). Durch die Berücksichtigung auch subjektiver Momente soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass dem Testamentsvollstrecker bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ein gewisser Ermessensspielraum verbleiben muss54. Avenarius sieht die Subjektivierung der Unentgeltlichkeit wie eine Generalklausel an, die im Laufe der Jahre von der Rechtsprechung weiter entwickelt und dabei sowohl dazu verwendet worden sei, den Vorerben freier zu stellen, als auch dazu, ihn im Interesse des Nacherben stärker zu binden, weshalb eine Überprüfung und Sichtung nur durch Fallgruppenbildung möglich sei55.
II. Gegenansichten Kipp/Coing56 und wohl auch Lange/Kuchinke57 geben an dieser Definition die Heranziehung innenrechtlicher Elemente zu bedenken. Durch das Abstellen auf die Pflichten des Vorerben gegenüber dem Nacherben würden Erfordernisse des Innenverhältnisses zum Kriterium der Unentgeltlichkeit erhoben, die für die beiden Formen der Vorerbschaft unterschiedlich seien und sämtlichst für den Vertragspart-
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Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18. NK-BGB/Weidlich, § 2205 Rz. 14. 55 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 64. 56 Kipp/Coing, § 49 IV 2 a in Fn. 38. In früherer Zeit übten Kipp, in: JW 1925, 375 und Krawielicki, GruchBeitr. 71, 113 ff. (S. 137, 138), ernsthafte Kritik an dem von der Rechtsprechung entwickelten subjektiven Maßstab, insbesondere an der Bezugnahme auf eine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung. Beide Autoren votieren, wenn auch mit unterschiedlichem Begründungsansatz, im Ergebnis für eine Unentgeltlichkeit nur dann, wenn sich der Vorerbe des fehlenden Entgeltes bewußt war (siehe auch Enneccerus/Kipp, § 93 IV 2). Diese Meinung ist heute von Kipp/Coing wohl aufgegeben worden (vgl. Kipp/Coing, § 49 IV 2 a in Fn. 38). 57 Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c in Fn. 122. 54
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
ner unerkennbar blieben. Beide Autoren lehnen im Ergebnis aber die herrschende Meinung nicht ab58. Dagegen wenden sich die Vertreter einer Mindermeinung in der Literatur ausdrücklich gegen das soeben als herrschend vorgestellte Unentgeltlichkeitsverständnis. Obwohl § 2113 Abs. 2 seinem Wortlaut nach von unentgeltlichen Verfügungen spreche, seien darunter nur Schenkungen gemäß §§ 516 ff. zu verstehen59. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, die Ansicht der herrschenden Meinung führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des von der Unwirksamkeitssanktion betroffenen Verfügungsempfängers (hier also des Eigengläubigers des Vorerben), der den im Innenverhältnis bestehenden Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung regelmäßig nicht beurteilen könne und daher oftmals unerwartet mit der Unwirksamkeit der Verfügung konfrontiert werde. Die Verkehrssicherheit werde in nicht hinnehmbarer Weise dadurch beeinträchtigt, dass für den Geschäftsverkehr selbst bei sorgfältigster Prüfung in den seltensten Fällen erkennbar sei, ob der Vorerbe noch im Rahmen seiner ihm zustehenden Befugnisse handele60. Ebenso kritisch steht Harder der herrschenden Meinung gegenüber und plädiert stattdessen für einen rein objektiven Unentgeltlichkeitsbegriff61. Danach sei eine Verfügung bereits dann als unentgeltlich zu qualifizieren, wenn keine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass gelangt, und zwar unabhängig davon, ob befreite oder nicht befreite Vorerbschaft vorliegt. Die für eine Unwirksamkeit im Nacherbfall zusätzlich erforderliche Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte sieht Harder dann als gegeben an, wenn der Vorerbe – subjektiv – wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass die Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses nicht erforderlich war62.
III. Stellungnahme Den Vertretern derjenigen Meinung, die eine Reduzierung des Unentgeltlichkeitsbegriffs auf den Fall der Schenkung fordern, mag man einräumen, dass dadurch der Verkehrssicherheit besser Rechnung getragen würde. Fraglich ist jedoch, ob die Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs, die dem herrschenden Unentgeltlich58 Vgl. Kipp/Coing, § 49 IV 2 a, wonach die Formel der h. M. in der Praxis zu richtigen Ergebnissen führen soll. 59 Pyszka, S. 111 ff.; Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. 60 Pyszka, S. 83 f. 61 Harder, DNotZ 1994, 822 ff., Argumentation aus der Entstehungsgeschichte des § 2120. 62 Dementsprechend entwickelt Harder folgende neue Formel: „Eine Verfügung des Vorerben wird nach § 2113 Abs. 2 BGB mit dem Eintritt des Nacherbfalls unwirksam, wenn – objektiv – keine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass gelangt und – subjektiv – der Vorerbe wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass die Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses nicht erforderlich war.“, Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (840).
A. Der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 2113 Abs. 2
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keitsverständnis vorgeworfen wird, als unangemessen anzusehen ist. Diese Frage ist letztlich zu verneinen. § 2113 Abs. 2 verfolgt in erster Linie das Ziel, den von der Verfügungsmacht vorübergehend ausgeschlossenen Nacherben und dessen Anwartschaftsrecht63 vor einer Reduzierung der Erbschaftsmasse durch den Vorerben zu schützen64. Im Vordergrund steht somit der Gedanke der Erhaltung der Nachlasssubstanz, die nicht hinreichend gewährleistet wäre, wollte man der Mindermeinung folgen und den Unentgeltlichkeitsbegriff nur auf Schenkungen beschränken. Denn dann würde § 2113 Abs. 2 lediglich in den (wenigen) Fällen eingreifen, in denen zwischen den Parteien Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Verfügung besteht65. Die Beurteilung der Frage, ob eine Verfügung entgeltlich ist oder nicht, wäre damit ausschließlich in die rechtsgeschäftliche Dispositionsbefugnis des Vorerben und seines Vertragspartners gestellt, ohne dass die entscheidende Vermögensmasse, der Nachlass, Berücksichtigung fände. Die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung einzig von der Vereinbarung der Vertragspartner abhängig zu machen, verkürzt in unzulässiger Weise das Schutzinteresse des Nacherben. Darüber hinaus wären sämtliche anderen Maßnahmen des Vorerben – zu denken ist insbesondere an die Fälle, in denen zwar eine Gegenleistung vorhanden ist, diese aber nicht dem Nachlass zuwächst –, die in gleichem Maße wie die Schenkung zu einer Verringerung der Nachlasssubstanz führen, mangels Schenkungscharakter von vornherein dem Anwendungsbereich des § 2113 Abs. 2 entzogen. Der Schutzbedürftigkeit des redlichen Geschäftsverkehrs steht somit der Normzweck des § 2113 Abs. 2, der vom Schutz des Nacherben beherrscht wird, gegenüber66. Im Hinblick darauf, dass eine vollkommene Berücksichtigung dieser beiden widersprechenden Interessenlagen nicht möglich ist, ist dem Schutzzweck der Norm, und damit dem herrschenden Unentgeltlichkeitsverständnis, der Vorzug zu geben67. Hinzu kommt, dass der Vertragspartner des Vorerben, wenn er denn im Nacherbfall mit der Unwirksamkeit der Verfügung konfrontiert wird, nicht rechtlos gestellt ist. Handelt es sich um einen Eigengläubiger des Vorerben, lebt dessen Forderung gegen den unberechtigt verfügenden Vorerben wieder auf, er kann sich bei 63 Die Erbschaft selbst fällt dem Nacherben zwar erst mit dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge an (§ 2139). Nach ganz überwiegender Ansicht steht dem Nacherben aber schon vorher ein erbrechtliches Anwartschaftsrecht zu; vgl.: Erman/M. Schmidt, vor § 2100 Rz. 4; MünchKomm/Grunsky, § 2100 Rz. 34; NK-BGB/Gierl, § 2100 Rz. 61; Palandt/Weidlich, § 2100 Rz. 12; Nieder/Kössinger, § 10 Rz. 3; Lange/Kuchinke, § 28 VII 1 a m. z. w. N. aus der Rspr. in Fn. 233; Salinger, S. 146; Schlüter Rz. 771; Schmidt, § 15 II 1. Kritisch: Weckesser, S. 159 ff. 64 BGH, NJW 1963, 2320 ff. (2322). 65 Das ist die Konsequenz dieser Auffassung, vgl. Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. (360). 66 Schon den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei § 2113 vorrangig die Sicherung der Nacherbfolge als rechtspolitische Zielsetzung vor Augen hatte, siehe unten S. 77 f. 67 BGH NJW 1963, 1613 f. (1614).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
seinem eigentlichen Schuldner (bzw. dessen Erben, wenn der Nacherbfall – wie regelmäßig – mit dem Tod des Vorerben eintritt) schadlos halten68. Einem möglichen Einwand dahingehend, dass der Vorerbe zwischenzeitlich insolvent geworden sein könnte, kann entgegengehalten werden, dass die Vermögenslosigkeit des Geschäftspartners nicht als der Regelfall gelten und somit nicht als Gegenargument herangezogen werden sollte, und sich zudem als allgemeines und jedermann gleich treffendes Risiko im täglichen Leben darstellt. So würde, wäre die Verfügung nur in Fällen der Schenkung als unentgeltlich anzusehen, der Nacherbe das Solvenzrisiko des Vorerben, der sich dann möglicherweise wert- oder schadensersatzpflichtig gemacht hätte, tragen. Gegen die Mindermeinung spricht ferner, dass auch in anderen Bereichen, in denen unentgeltliche Vermögensverschiebungen zum Schutz der Interessen Dritter vom Gesetzgeber diskriminiert werden, der Begriff der unentgeltlichen Verfügung weiter verstanden wird als nur beschränkt auf eine Schenkung. So erfasst die Anfechtung nach § 134 InsO alle unentgeltlichen Leistungen des Schuldners, die Schenkung wird lediglich als eine Unterart davon angesehen69. Auch hier wird zunächst auf objektiver Sachverhaltsebene geprüft, ob nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ein Vermögenswert zugunsten des Anfechtungsgegners aufgegeben wird, ohne dass dem ein angemessener Gegenwert gegenübersteht70. Fehlt es an der objektiven Gleichwertigkeit, ist die Frage nach der Entgeltlichkeit zusätzlich nach der Parteiauffassung zu beurteilen, also danach, ob die Beteiligten den Gegenwert als Entgelt angesehen haben71, so dass die Anfechtung nach § 134 InsO ebenfalls eine subjektive Komponente hat. Schließlich ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dass mit dem Begriff der unentgeltlichen Verfügung nicht nur der Fall einer Schenkung im Sinne der §§ 516 ff. gemeint sein sollte. § 2113 Abs. 2 geht zurück auf E I § 1828 Abs. 1 und 2 i. V. m. E I §§ 1815 – 182472. Der Erste Entwurf, der noch die Nießbrauchvorschriften auf das Rechtsverhältnis zwischen Vor- und Nacherbe anwenden wollte73, sah eine weitgehende Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Vorerben vor. In E I § 1828 Abs. 1 Satz 1 heißt es dazu: „Ist von dem Vorerben über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand verfügt, so wird die Verfügung, soweit sie das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt, im Falle der Nacherbfolge unwirksam“. Von dieser Unwirksamkeitssanktion ausgenommen waren nur solche Verfügungen, die von dem Vorerben nach den Vorschriften der E I §§ 1815 – 1824 ohne Einwilligung des Nacherben vorgenommen werden durften (E I § 1828 Abs. 2). In Anbetracht dieser, zur heutigen Gesetzessystematik genau umgekehrten, umfassenden Be68 69 70 71 72 73
Schlüter, Rz. 793. Zur Verjährungsfrage siehe unten S. 169 f. Uhlenbruck/Hirte, § 134 InsO, Rz. 38. Uhlenbruck/Hirte, § 134 InsO, Rz. 20. Uhlenbruck/Hirte, § 134 InsO, Rz. 21. Abgedruckt bei Mugdan V, S. XII, XIV, XV, XVI und XVII. Vgl. E I § 1815.
A. Der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 2113 Abs. 2
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schränkung der Verfügungsmacht mit Ausnahmevorbehalt war eine besondere Feststellung der Unwirksamkeit bei Vornahme unentgeltlicher Verfügungen zunächst entbehrlich. Dennoch findet sich auch im Ersten Entwurf ein Hinweis auf einen mit der heutigen Gesetzesfassung vergleichbaren Wortlaut, nämlich in E I § 1839 Satz 174, dem Fall der Nacherbeneinsetzung auf den Überrest: „Ist von dem Erblasser das Recht des Nacherben auf dasjenige beschränkt, was bei Eintritt der Nacherbfolge von der Erbschaft noch übrig sein wird, so finden die Vorschriften des § 1828 nur auf die in einer Schenkung bestehenden Verfügungen Anwendung; auch sind sie in Ansehung solcher Schenkungen, welche durch eine sittliche Pflicht oder die auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt werden, von der Anwendung ausgeschlossen.“ Mit dieser Konstruktion war, vergleichbar der heutigen Fassung der §§ 2136, 2113 Abs. 2, eine Befreiung des Vorerben von dem in E I § 1839 ausgesprochenen Schenkungsverbot nicht möglich. Das Regelungswerk des Entwurfes der Zweiten Kommission (E II) bediente sich dann jener anderen Systematik – grundsätzlich freies Verfügungsrecht des Vorerben (§ 2112) mit verschiedenen gesetzlich festgeschriebenen Beschränkungen –, wie sie in der heutigen Gesetzesfassung ihren Niederschlag gefunden hat. Bei der Terminologie des E II 1986 Abs. 2 i. V. m. Abs. 175, dem Vorläufer des heutigen § 2113, sprach man nicht mehr von den „in einer Schenkung bestehenden Verfügungen“, sondern von solchen, die „unentgeltlich …“ erfolgten. Eine ausdrückliche Begründung dafür, warum die Zweite Kommission diesen Wechsel von der Schenkung weg zum Begriff der unentgeltlichen Verfügung vollzogen hat, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass durch die grundlegende Abkehr von der noch im Ersten Entwurf favorisierten Nießbrauchskonstruktion hin zu einem grundsätzlich freien Verfügungsrecht des Vorerben ein Bedürfnis gesehen wurde, den Nacherben weitergehender vor die Nachlasssubstanz reduzierenden Verfügungen des Vorerben zu schützen und man deshalb den Geltungsbereich des heutigen § 2113 Abs. 2 nicht nur auf den engen Fall der Schenkung begrenzt wissen wollte. Auch spricht die Tatsache der Erwähnung des Schenkungsbegriffs in Satz 2 von § 2113 Abs. 2 dafür, dass der Gesetzgeber in der Absicht gehandelt hat, beide Begrifflichkeiten nicht gleich zu behandeln. Zudem wird an anderen Stellen der Gesetzgebungsmaterialien offenbar, dass der Gesetzgeber anscheinend bewusst nicht mehr den engen Schenkungsfall gewählt und gewollt hat. So heißt es bei den Beratungen zu E I § 1828, der von der Rechtsbeständigkeit der Verfügungen des Vorerben beim Eintritte der Nacherbfolge handelt: „Bei beweglichen Sachen aber könnten an sich unwirksame Verfügungen des Vorerben namentlich im Falle unentgeltlicher Weggabe vorkommen“.76 Hätte der Gesetzgeber mit der „unentgeltlichen Weggabe“ den Anwendungsbereich tatsächlich nur auf
74 75 76
Entspricht § 2137 Abs. 1 heutige Fassung. Abgedruckt bei Mugdan V, S. XVI und XVII. Protokolle V, S. 111 = Mugdan V, S. 573.
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Schenkungen begrenzen wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, dies auch so im Gesetzwortlaut zu formulieren. Ähnlich wie die herrschende Meinung knüpft auch Harder mit seiner neu entwickelten Formel auf subjektiver Ebene an den Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses an, allerdings nicht im Rahmen des Unentgeltlichkeitsbegriffs, sondern weitergehend bei der Frage der Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte. Das Recht des Nacherben werde nur dann vereitelt oder beeinträchtigt, wenn die Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung nicht erforderlich war77. Dem ist entgegenzuhalten, dass damit der zweiten Voraussetzung für die Unwirksamkeit einer Verfügung, nämlich der Vereitelung oder Beeinträchtigung des Rechts des Nacherben, jeder eigenständige Bedeutungsgehalt genommen wäre. Denn unentgeltliche Verfügungen sind regelmäßig nicht ordnungsgemäß78. Die Folge wäre, dass mit Bejahung der Unentgeltlichkeit zugleich auch über das Schicksal der Wirksamkeit der Verfügung im Nacherbfall entschieden würde, was nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes (… insoweit unwirksam, als …) in Einklang zu bringen ist, der offensichtlich eine eigenständige Prüfung von Unentgeltlichkeit und Beeinträchtigung des Nacherbenrechts fordert und damit Sachverhalte als möglich voraussetzt, bei denen die Verfügung zwar unentgeltlich ist, eine Unwirksamkeit aber an der Rechtsbeeinträchtigung/-vereitelung des Nacherben scheitert. Ferner vermag die Formel von Harder den Fall, dass die Gegenleistung statt dem Nachlass nur einem von mehreren Nacherben zugute kommt, nicht sachgerecht zu lösen. Eine solche Verfügung ist zwar unentgeltlich, kann aber dann mangels Beeinträchtigung der Nacherbengemeinschaft wirksam sein, wenn sich der begünstigte Nacherbe den Wert der Leistung auf seinen Nacherbteil anrechnen lassen muss und sie den Wert seines Erbteils nicht übersteigt79. Nach Harder wäre die gleiche Verfügung zwar ebenfalls unentgeltlich, weil objektiv keine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass gelangt, aber zudem auch im Nacherbfall unwirksam, weil die unentgeltliche Zuwendung an einen von mehreren Nacherben in aller Regel zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nicht erforderlich ist. Ein solches Ergebnis wäre aber nicht vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt, da die Nacherbengemeinschaft keinen Anspruch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand hat, sondern nur auf einen wirtschaftlich nicht beeinträchtigten Gesamtnachlass80. Es spricht daher vieles dafür, dem herrschenden Unentgeltlichkeitsverständnis zu folgen. Für eine entgeltliche Verfügung wird somit im Rahmen der objektiven 77
So wörtlich: Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (839). MünchKomm/Grunsky, § 2120 Rz. 4; NK-BGB/Gierl, § 2120 Rz. 9. Beide Kommentatoren sprechen sogar davon, dass unentgeltliche Verfügungen nie ordnungsgemäß sind. Auch wenn diese Aussage in ihrer Absolutheit fraglich sein mag, ändert dies nichts daran, dass sie der Regelfall sein dürfte. 79 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 91. 80 Bei § 2113 Abs. 2 bestimmt sich die Beeinträchtigung nach wirtschaftlichen, nicht nach rechtlichen Gesichtspunkten, NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 57. 78
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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Komponente verlangt, dass ein gleichwertiger Vermögensvorteil vorhanden ist und dieser dem Nachlass selbst zugute kommt. Unentgeltlichkeit ist dementsprechend zu verneinen, sofern der durch die Verfügung verringerte Nachlass im Gegenzug durch einen äquivalenten Zufluss in vollem Umfang ausgeglichen wird81. Das bedeutet, dass die Entgeltlichkeit einer Leistung auf objektiver Ebene von der Existenz eines Surrogationsgegenstandes abhängig gemacht wird, weswegen es sinnvoll ist, mit der Prüfung bei § 2111, der den Grundsatz der dinglichen Surrogation im Recht der Vorund Nacherbschaft statuiert, anzusetzen.
B. Die Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben Im Gegensatz zum ersten Absatz der Vorschrift bildet bei § 2113 Abs. 2 nicht der Wert des Gegenstandes der Verfügung die ratio legis, sondern, wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, der Umstand, dass dem Nachlass kein Gegenwert zugeführt wird und damit die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt82. Die Funktion des § 2113 Abs. 2 besteht somit darin, den Grundsatz dinglicher Ersetzung in seiner Wirkung zu ergänzen83. Im Folgenden gilt es daher zu untersuchen, ob überhaupt, und falls ja, in welcher Form bei Verfügungen zu Lasten des Nachlasses, die der privaten Schuldentilgung des Vorerben dienen, ein Surrogationsobjekt vorhanden ist.
I. Der Grundsatz dinglicher Surrogation Nach § 2111 Abs. 1 Satz 1 „gehört zur Erbschaft, was der Vorerbe auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstands oder durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, sofern nicht der Erwerb ihm als Nutzung gebührt“. Die Vorschrift ist von zentraler Bedeutung84. Sie trägt dem Grundgedanken der Vor- und Nacherbfolge Rechnung, dass dem Nacherben die Substanz der vom Erblasser herrührenden Erbschaft auch nach längerer Zeit möglichst ungeschmälert zufallen soll und dem Vorerben vom Erbfall an lediglich die Nutzungen verbleiben85. In der Zeitspanne zwischen Erb- und Nacherbfall kann sich nämlich der Bestand des ursprünglichen Nachlasses verändern. § 2111 regelt die Rechtsfolgen dieser Sub-
81
NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 41. Kipp/Coing, § 49 IV 2; Muscheler, Rz. 2498. 83 Kipp/Coing, § 49 IV 2 a in Fn. 38. 84 Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2111 Rz. 1; MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 1; Strohal I, S. 196. 85 Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 1. 82
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
stanzveränderungen86. Ohne § 2111 würde nach allgemeinen Grundsätzen jeder durch eine Veräußerung von Nachlasssachen erzielte Erwerb dem freien, allgemeinen Vermögen (Eigenvermögen) des Vorerben zufallen87. Da der Nachlass ein durch das Anwartschaftsrecht des Nacherben gebundenes Sondervermögen bildet, der Vorerbe aber bis zum Eintritt des Nacherbfalls wahrer Erbe ist, sichert § 2111 Abs. 1 Satz 1, dass zum Nachlass nicht nur die Gegenstände rechnen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls zu ihm gehörten, sondern auch diejenigen, die während der (oft langen) Zeit der Vorerbschaft erworben worden sind oder als Schadensersatz für einen solchen Gegenstand oder mit Mitteln der Erbschaft, soweit sie nicht als Nutzungen dem Vorerben gebühren88. Die dingliche Surrogation erfasst den Ersatzgegenstand ohne Ansehung seines Wertes, d. h. die Werthaltigkeit des erlangten Vermögensvorteils oder die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Rechtsgeschäfts sind für die Wirkung der dinglichen Surrogation unerheblich89. Diese kann sich damit sowohl zum Vorteil (das Erworbene übersteigt das Weggegebene an Wert) als auch zum Nachteil (die erlangte Gegenleistung bleibt im Wert hinter dem aufgeopferten Erbschaftsgegenstand zurück) des Nachlasses oder wertmäßig auch gar nicht (die Gegenleistung erreicht genau den Wert der Leistung aus dem Nachlass) auswirken. Von daher sind Aussagen wie, § 2111 „bezwecke, den Wert des Nachlasses als Sondervermögen … zu erhalten“90 oder „das Ziel der dinglichen Surrogation bestehe darin, das Sondervermögen Nachlass in seinem wertmäßigen Bestand als Einheit zu erhalten“91, missverständlich. Der dinglichen Surrogation unterliegt nämlich jedes noch so geringwertige Surrogat. Sinn und Zweck der Surrogation ist es also nicht, dass die Erbschaft keine Werteinbuße erfährt, sondern dass Surrogate soweit als möglich den Wertverlust ausgleichen. Die eigentliche Bedeutung der dinglichen Surrogation liegt daher in der unmittelbaren Zuordnung der erfassten Gegenstände zum begünstigten Sondervermögen und der daraus resultierenden Nacherbenbindung des Ersatzgegenstandes. Dass dadurch im Ergebnis auch der Schutz des Bestandes der Erbschaftssubstanz zugunsten des Nacherben als Normzweck angesehen wird92, ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass dieser Substanzschutz relativ ist, je nach Werthaltigkeit des erlangten Vermögensvorteils, und dass die dingliche Surrogation wertunabhängig ihre ganze Wirkung entfaltet. Ein vollständiges Eingreifen des Surrogationsprinzips steht damit nicht zwangsläufig einem Substanzschutz in vollem Umfang gleich; Letzteres nur dann, wenn der
86 87 88 89 90 91 92
NK-BGB/Gierl, § 2111 Rz. 1. Menken, S. 87 u. 88. Staudinger/Avenarius, § 2111 Rz. 1. MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 12. So wörtlich: Palandt/Weidlich, § 2111 Rz. 1, sinngemäß ebenso Menken, S. 88. Wolf, JuS 1975, 710 ff. (711). Jauernig/Stürner, § 2111 Rz. 1.
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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Gegenwert im Vergleich zu dem aufgegebenen Nachlassgegenstand gleich- oder höherwertig ist. Der Gesetzgeber hat sich in § 211193 für das Rechtsinstitut der dinglichen Surrogation entschieden94. Die dingliche Wirkung wird dadurch charakterisiert, dass der Ersatzgegenstand unmittelbar, d. h. ohne speziellen weiteren Übertragungsakt und ohne Durchgangserwerb beim handelnden Vorerben, dem Nacherbenrecht unterfällt. Weder bedarf es dazu eines besonderen Willensentschlusses der Beteiligten, noch vermag ein solcher den Erwerb zu hindern95. Es ist daher gleichgültig, ob der Vorerbe für sich oder mit Wirkung für den Nachlass handeln wollte und wie er nach außen aufgetreten ist96. Ebenso wenig ist eine einseitige Abänderung deren Wirkung durch den Vor- oder Nacherben möglich97. Was gemäß § 2111 in den Nachlass gelangt, unterliegt wiederum den Verfügungsbeschränkungen der Vorerbschaft, so dass sich auch die Verfügung über den Ersatzgegenstand hinsichtlich ihres rechtlichen Schicksals nach den §§ 2112 ff. beurteilt98. Der Zweck der dinglichen Surrogation ist somit vollständig erreicht, wenn der Ersatzgegenstand (1) unmittelbar ohne Durchgangserwerb beim Vorerben, (2) kraft Gesetzes, d. h. ohne Einflussmöglichkeit durch die Handelnden der (3) Nacherbenbindung und damit dem Nacherbenschutz (§ 2111 ff.) unterfällt. Nach allgemeiner Meinung soll der Erblasser den Vorerben nicht vom Grundsatz dinglicher Surrogation befreien können99. Dies erscheint auf den ersten Blick als Umkehrschluss aus § 2136 plausibel, der die äußerste Grenze dessen beschreibt, was der Erblasser dem Vorerben einräumen kann100, und dabei § 2111 nicht benennt. Andererseits spricht § 2136 aber nur von den „Beschränkungen und Verpflichtun93
Auch die §§ 2019 und 2041 regeln einen Vorgang dinglicher Ersetzung. Den Vätern des BGB kam es darauf an, zwischen erstgenannter Vorschrift und den für die Vorerbschaft aufzustellenden Grundsätzen weitgehende Übereinstimmung zu erzielen. Dies ist, jedenfalls für den Erwerb durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft, im Wege eines identischen Wortlauts gelungen (Planck/Flad, § 2111 Anm. 1). Aufgrund dieser nahen Verwandtschaft kann im Folgenden bei Bedarf auf die Kommentierung zu § 2019 zurückgegriffen werden. 94 Strauch, S. 151 ff., lehnt diese Begriffswahl ab und unterscheidet statt dessen zwischen mehrheitlichem (dingliche Surrogation) und einheitlichem (obligatorische Surrogation) Rechtsersatz. Wolf würde es vorziehen, von „unmittelbarer“ statt „dinglicher“ Surrogation zu sprechen, Wolf, JuS 1975, 643 ff. (645). 95 Strauch, S. 177; Wolf, JuS 1975, 643 ff. (644). 96 Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2111 Rz. 7; Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (33). 97 Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2111 Rz. 3; NK-BGB/Gierl, § 2111 Rz. 32. 98 Palandt/Weidlich, § 2111 Rz. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 1; Staudinger/ Avenarius, § 2111 Rz. 9. 99 Burandt/Rojahn/Lang, § 2136 Rz. 26; Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2136 Rz. 1; MünchKomm/Grunsky, § 2136 Rz. 10; NK-BGB/Gierl, § 2111 Rz. 4, § 2136 Rz. 14; Palandt/ Weidlich, § 2111 Rz. 1, § 2136 Rz. 4; Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (30); Staudinger/ Avenarius, § 2111 Rz. 3. 100 Staudinger/Avenarius, § 2111 Rz. 3.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
gen“ des Vorerben, die Gegenstand einer Befreiung sein können, und führt dann auch ausschließlich Normen an, die solche Beschränkungen und Verpflichtungen statuieren. § 2136 behandelt damit den Regelungsbereich der gesetzlichen Anforderungen, die die Verwaltung des Nachlasses durch den Vorerben sowie dessen Verhältnis zum Nacherben, und zwar sowohl während der Vorerbschaft als auch nach Eintritt des Nacherbfalls, zum Inhalt haben (§§ 2112 – 2135). § 2111 hingegen dient der Vermögenszuordnung zum Nachlass durch gesetzliche Anordnung dinglicher Ersetzung und fällt damit schon systematisch nicht unter das Regelungsprogramm von § 2136. Für eine dingliche Surrogation auch zu Lasten des befreiten Vorerben spricht aber Folgendes: Charakteristisches Kennzeichen dinglicher Surrogationen ist die Fortsetzung der Rechtslage am Ersatzgegenstand kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf abweichende Willenserklärungen101, d. h. automatisch und ohne Einwirkungsmöglichkeit der handelnden Personen. Schon begrifflich erscheint es schwierig, den Vorerben als Person von etwas befreien zu wollen, das gänzlich seiner Beherrschbarkeit durch aktives Tun oder Unterlassen entzogen ist. Der Grundsatz dinglicher Ersetzung nach § 2111 ist zudem von zentraler Bedeutung für das Institut der Vorund Nacherbschaft102 und diesem damit immanent. Die dingliche Surrogation bewirkt ein Mindestmaß an Substanzsicherung im Interesse des Nacherben und darf damit als grundlegendes Prinzip für die Rechtsfigur der Vor- und Nacherbschaft nicht der Dispositionsbefugnis des Erblassers unterliegen. Die Vorschrift bezweckt, einer durch die grundsätzlich freie Verfügungsmacht des Vorerben (§ 2112) vom Erblasser möglicherweise nicht gewollten Verminderung des Nachlassinbegriffs entgegenzuwirken103, und dient somit in besonderem Maße dem Nacherbenschutz. Die Eröffnung der Möglichkeit einer Befreiung vom Eintritt dinglicher Surrogation wäre mit der Frage verbunden, welchen Sinn dann überhaupt noch die Anordnung der Vorerbschaft für den Erblasser haben sollte. Der Vorerbe könnte problemlos den Nachlass und das Anwartschaftsrecht des Nacherben entwerten, indem er sämtliche Nachlassgegenstände in einer einzigen Verfügung entgeltlich überträgt und damit der Gegenwert – mangels dinglicher Surrogation – nach allgemeinen Regeln seinem privaten, ungebundenen Vermögen zugeführt würde. Auch das Verbot unentgeltlicher Verfügungen wäre praktisch wertlos, da den Vorerben nichts daran hindern könnte, in einem nächsten Schritt die persönlich erlangte und daher nicht den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. unterliegende Gegenleistung wieder dem Drittkontrahenten zuzuwenden. Zwar zeigt der Wegfall des Anspruchs aus § 2134, dass der befreite Vorerbe Nachlassgegenstände für sich verbrauchen darf104. Wenn jedoch nur ein Austausch eines Nachlassgegenstandes gegen einen anderen Gegenstand stattfindet, liegt noch keine eigennützige Verwendung i. S. d. § 2134 Satz 1 101
Wolf, JuS 1975, 643 ff. (645). Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2111 Rz. 1; Burandt/Rojahn/Lang; § 2111 Rz. 1; MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 1. 103 Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (30). 104 Siehe unten S. 68 ff. 102
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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vor, so dass der erworbene Gegenstand mit Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben zusteht. Rechtstechnisch kann dies nur erreicht werden, wenn der Gegenwert kraft dinglicher Surrogation wieder Bestandteil des Nachlasses wird und dadurch sowohl vom Herausgabeanspruch des Nacherben erfasst wird als auch den Verfügungsbeschränkungen der § 2113 ff. unterliegt. Von daher bleibt es dabei, dass eine Befreiung von der Bestimmung des § 2111 durch den Erblasser nicht möglich ist, weswegen der Ersetzungsgrundsatz, seinem Zweck entsprechend, für den befreiten wie den nicht befreiten Vorerben gleichermaßen verbindlich ist. Tilgt der Vorerbe eine Schuld unter Verwendung von Vermögenswerten der Erbschaft, geschieht dies durch rechtsgeschäftlichen Mitteleinsatz. Ein im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch zu definierender Erwerb des Vorerben vollzieht sich daher jedenfalls im Zusammenhang mit einem durch Rechtsgeschäft bewirkten Leistungsvollzug. Bei einer derartigen rechtsgeschäftlichen Verwendung der Nachlassmittel kommt einzig die dritte Variante von § 2111 Abs. 1 Satz 1 in Betracht105, die allgemein als „Mittelsurrogation“ bezeichnet wird. Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich daher auf diese Alternative der Vorschrift. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Vorerbe im Rahmen des Rechtsgeschäftes objektiv betrachtet Mittel aus der Erbschaft eingesetzt hat. Verwendet der Vorerbe Eigenmittel, bedarf es nicht des Schutzes dinglicher Surrogation106. Ebenso stellt sich bei Erfüllung von Nachlassschulden die Frage nach einem Eingreifen von § 2111 schon dem Grunde nach nicht. Ihren Schutzzweck erfüllt die Mittelsurrogation nur, wenn ohne sie das Erworbene nicht in den Nachlass fiele107. Sie ist mithin entbehrlich, wenn die vermögenswerte Position ipso iure dem Nachlass zukommt. Das ist bei Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten stets der Fall. Berichtigt der Vorerbe eine Verbindlichkeit der Erbschaft, erlangt unmittelbar und unabänderlich der Nachlass den Gegenwert in Gestalt der Schuldbefreiung108. § 2111 soll aber nur den nach allgemeinen Regeln ausschließlich beim Vorerben und nicht zugleich im Nachlass anfallenden Erwerb der Erbschaft zuordnen. Vollzieht sich jener Erwerb ohnehin schon im Nachlassvermögen, bleibt für ein Eingreifen des Surrogationsprinzips kein Raum.
II. Der Begriff der Eigenverbindlichkeit in Abgrenzung zur Nachlassschuld Unter Eigenschulden des Vorerben versteht man solche Verbindlichkeiten, die den Vorerben nicht als Rechtsnachfolger des Erblassers treffen109, die also vor oder nach 105 106 107 108 109
Menken, S. 94. NK-BGB/Gierl, § 2111 Rz. 15. Lange/Kuchinke, § 41 III 2 a. Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77. Soergel/Harder/Wegmann, § 2115 Rz. 1.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
dem Erbfall in der Person des Vorerben entstanden sind und ihn als Träger seines vom Nachlass unabhängigen Eigenvermögens berühren110. Zu den Eigenschulden zählen somit alle diejenigen Forderungen, die schon vor dem Erbfall gegen den (späteren) Vorerben gerichtet waren oder deren Entstehungstatbestand dieser schon vor dem Erbfall gesetzt hatte111. Weiterhin sind eigene Schulden des Vorerben solche, die nach dem Erbfall während der oftmals lange andauernden Zeit bis zum Eintritt des Nacherbfalls entstehen und den Vorerben ausschließlich persönlich tangieren. Bei Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die einen Nachlassbezug aufweisen und die der Vorerbe im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung eingeht, ist zwar auch, wie bei jedermann, eine Eigenverbindlichkeit des Vorerben gegeben112. Gleichzeitig wird damit jedoch eine Nachlassverbindlichkeit in Form der Nachlasserbenschuld begründet113. Wie soeben ausgeführt, macht § 2111 schon von der grundsätzlichen Zielrichtung bei Nachlassverbindlichkeiten keinen Sinn. Im Folgenden sind deshalb nur die reinen Eigenschulden, die nicht zugleich Nachlassverbindlichkeiten sind, Gegenstand der Betrachtung.
III. Zur Frage der Schuldbefreiung als Surrogationsgegenstand Regelmäßig gehört zum Vorgang der Mittelsurrogation ein Austauschvorgang114. Wird ein Nachlassgegenstand veräußert – der Vorerbe verkauft z. B. das Klavier des Erblassers –, fällt entweder der erlangte Kaufpreis oder der darauf gerichtete Zahlungsanspruch (§ 433 Abs. 2) kraft dinglicher Surrogation in den Nachlass115. Der angestrebte Bestandsschutz entfaltet somit, die Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises vorausgesetzt, seine volle Wirkung. Folgerichtig stellt sich dann bei der Entgeltlichkeitsprüfung im Rahmen von § 2113 Abs. 2 die Frage nach der objektiven Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Ebenso aber wird es vorkommen, dass der Vorerbe über Nachlasswerte zur Tilgung solcher Verbindlichkeiten verfügt, denen kein rechtsgeschäftlich begründetes Schuldverhältnis mit gegenseitigen Leistungspflichten zugrunde liegt. Zu denken ist dabei insbesondere an die große Gruppe der Verbindlichkeiten aus gesetzlichen Schuldverhältnissen (vgl. Variante b) des Eingangsfalls). Zahlt der Vorerbe eine private Geldstrafe aus dem Nachlassvermögen, fehlt es an einer tatsächlichen, ma110
MünchKomm/Küpper, § 1967 Rz. 25; Schlüter, Rz. 1067. Soergel/Stein, § 1967 Rz. 18. 112 Hankel, S. 48. Die Begründung einer Verbindlichkeit mit Nachlassbezug, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nicht entspricht, ist wieder bloße Eigenschuld des Vorerben; Schlüter, Rz. 1067. 113 Soergel/Stein, § 1967 Rz. 8. Zu den Nachlasserbenschulden eingehender siehe unten S. 139 ff. 114 Wolf, JuS 1975, 710 ff. (713). 115 Beispiel bei Ebenroth, Rz. 591; Wolf, JuS 1975, 710 ff. (713). 111
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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teriell greifbaren Gegenleistung des Empfängers, die im Surrogationswege wieder der Erbschaft zufließen könnte. Gleichwohl kommt dem Vorerben auch in diesen Fällen ein wirtschaftlich messbarer Vorteil zugute, nämlich die Befreiung von eben jener Verpflichtung zur Zahlung der Geldstrafe. Ob ein Gegenwert in Gestalt der Schuldbefreiung als solcher überhaupt tauglicher Gegenstand einer Surrogation i. S. v. § 2111 Abs. 1 Satz 1 sein kann, ist allerdings fraglich. § 2111 ordnet den nach allgemeinen Regeln beim Vorerben anfallenden Erwerb mit dinglicher Wirkung der Erbschaft zu, die als Sondervermögen neben dem allgemeinen Vermögen des Vorerben besteht116. Der Begriff der dinglichen Surrogation umfasst – entgegen dem insofern missverständlichen Wortlaut – auch Forderungen und Rechte117. Begrifflich ist eine Surrogation also immer dann möglich, wenn dem Vorerben ein irgendwie gearteter Wert zufließt118. Brox/Walker führen dazu exemplarisch auch die „Schuldbefreiung“ an, weisen aber zugleich darauf hin, dass unter Umständen ein Erwerb nur in der Person des Handelnden möglich ist und damit eine Ersetzung, beispielsweise bei völligem Aufgehen des Erworbenen im Vermögen des Handelnden, aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist119. Roggendorff120, Kuchinke121 und Brox/Walker122 differenzieren in diesem Zusammenhang ausdrücklich zwischen tatsächlichen und rechtlichen Hinderungsgründen für einen Surrogationseintritt123, wobei sie in beiden Fällen eine Surrogation für ausgeschlossen halten. Danach ist eine Mittelsurrogation mangels Übertragbarkeit des Erwerbsgegenstandes aus rechtlichen Gründen nicht möglich, wenn der Erwerb untrennbar mit der Person des Vorerben verbunden ist124. Das gilt für die Einräumung eines Nießbrauchs oder einer beschränkten persönlichen Dienstbar-
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Menken, S. 99. Wendel, S. 108; Wolf, JuS 1975, 643 ff. (644); beide wegen des irreführenden Wortlauts den Begriff der „unmittelbaren“ Surrogation bevorzugend. 118 Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (33). 119 Brox/Walker, Rz. 605. 120 Roggendorff, MittRhNotK 1981, S. 29 ff. (33). 121 Lange/Kuchinke, § 41 III 2 d. 122 Brox/Walker, Rz. 605. 123 Für § 2019 ebenso MünchKomm/Helms, § 2019 Rz. 6; NK-BGB/Fleindl, § 2019 Rz. 6; ähnlich: Muscheler, Rz. 2491. Für einen Ausschluss dinglicher Surrogation bei höchstpersönlichen Rechten: Burandt/Rojahn/Lang, § 2111 Rz. 14; Palandt/Weidlich, § 2019 Rz. 1. 124 In einem Urteil aus dem Jahre 1989 (BGHZ 109, 214 ff., abgedruckt u. a. in NJW 1990, 514 f.) hatte der BGH bezüglich eines Kommanditanteils unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (NJW 1977, 433) dessen Eignung als Surrogationsgegenstand bejaht. Wenn auch dieser Entscheidung durchaus mit Skepsis begegnet werden kann (zu den Kritikpunkten siehe Staudinger/Gursky, § 2019 Rz. 9), so bedarf es für die hier gegenständliche Problematik keines näheren Eingehens darauf. Denn sie betrifft ausschließlich die als „rechtliche Unmöglichkeit“ exemplifizierten Fälle, während die Frage der Tilgung eigener Verbindlichkeiten als Unterfall „tatsächlicher Unmöglichkeit“ eines Surrogationseintritts davon unberührt bleibt. 117
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
keit125, aber auch bei Veräußerung eines Nachlassgegenstandes gegen eine Leibrente, die begrifflich und tatsächlich für den persönlichen Verbrauch des Vorerben bestimmt ist126. In den Fällen tatsächlicher Unmöglichkeit einer Surrogation lässt sich das Erworbene nicht mehr aus dem Eigenvermögen des handelnden Vorerben lösen. Als typisches Beispiel führen alle Autoren die wirksame Zahlung einer eigenen Schuld des handelnden Vorerben mit Nachlassmitteln an. Denn für ein Eingreifen des Surrogationsgrundsatzes ist dann kein Raum, wenn das, was der Vorerbe mit Mitteln der Erbschaft erlangt, restlos in seinem ungebundenen Privatvermögen aufgeht. Das ist der Fall, wenn sich der Vorerbe durch Zahlung einer eigenen Schuld mit Erbschaftsmitteln ausschließlich selbst befreit127. Die Unterscheidung zwischen tatsächlichen und rechtlichen Hinderungsgründen für einen Surrogationseintritt ist in ihrer Differenzierung nachvollziehbar und steht im Einklang mit den Grundsätzen des BGB. Auch wenn § 2111 den Nachlassbestand schützen soll, gibt es kein zwingendes Eingreifen der Surrogation um jeden Preis. Besteht die Gegenleistung in einem höchstpersönlichen Recht des Vorerben, kann dieses aus Rechtsgründen keiner anderen Vermögensmasse als dem vom Nachlass getrennten Eigenvermögen des Vorerben selbst zufallen. An dieser Erkenntnis vermag auch der Wunsch nach weitestgehendem Substanzschutz durch § 2111 nichts zu ändern. Lässt sich das Erworbene faktisch nicht mehr aus dem Vermögen des Vorerben lösen, so vorzugsweise in den Fällen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung (§§ 946 ff.), ist der Erwerbsgegenstand unabänderlich mit dem Privatvermögen des Vorerben verhaftet, ein Surrogationserwerb für den Nachlass ist tatsächlich unmöglich. Dies gilt auch für die Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben und die damit einhergehende Schuldbefreiung als Gegenwert. Soweit teilweise in der Literatur die Auffassung vertreten wird, aufgrund des zwingenden Eingreifens von § 2111 sei ein unmittelbarer Zufluss der erlangten Gegenleistung in das Privatvermögen des Vorerben gar nicht möglich128, stößt eine solche Aussage in ihrer Absolutheit auf Bedenken. So sprechen die Vertreter dieser Meinung selbst davon, dass es Gegenleistungen gibt, die von ihrer Art nach ausgeschlossen sind, dem Nacherben zugute zu kommen129, oder dass bei Tilgung von Altverbindlichkeiten keine Surrogation eintreten kann130. Dem ist auch zuzustimmen. So kommt eine dingliche Ersetzung bei höchstpersönlichen Rechten mangels Übertragbarkeit nicht in Frage, sie können von der Person des Rechtsinhabers nicht gelöst werden. Ein Erwerb im Widerspruch zum allgemeinen Recht wird bei § 2111 traditionell nur befürwortet, soweit das Prinzip der Offenkundigkeit und die Wil125
Brox/Walker, Rz. 605; Muscheler, Rz. 2491. BGH NJW 1977, 1540 f. (1540); Planck/Flad, § 2019, Anm. 2. 127 Staudinger/Gursky, § 2019 Rz. 8; Strohal II, S. 393. 128 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 29, AltKomm/Pardey, § 2113 Rz. 11; Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. (104). 129 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 30. 130 AltKomm/Pardey, § 2113 Rz. 11. 126
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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lensrichtung der Beteiligten betroffen sind131. Eine darüber hinausgehende Aufweichung fundamentaler Regeln des Bürgerlichen Rechts findet im Institut der dinglichen Surrogation keine Legitimation. Charakteristikum höchstpersönlicher Rechte ist deren Unübertragbarkeit und das auf die Person des Berechtigten beschränkte Nutzungsrecht. Dieses Grundprinzip kann die Rechtsfigur der dinglichen Surrogation, sei es auch nur für eine juristische Sekunde, nicht über einen zwingenden Durchgangserwerb im Nachlassvermögen außer Kraft setzen. Aus dem gleichen Grund ist jegliche Argumentation, die darauf basiert, wegen § 2111 falle ein Gegenwert „formal“ in den Nachlass132, abzulehnen. Gemeint ist mit allen diesen Ansichten, dass der Vorerbe bei surrogationsfähigen Gegenwerten rechtsgeschäftlich keine anderweitige Vereinbarung treffen kann. Der Vorerbe soll vorzugsweise bei Austauschverträgen also nicht die Wahl haben, die Gegenleistung in sein freies Privatvermögen statt in das Sondervermögen Nachlass gelangen zu lassen133. Es wäre eine unzulässige Umgehung von § 2111, könnte der Vorerbe zusammen mit seinem Vertragspartner bestimmen, dass der Gegenwert dem freien Privatvermögen des Vorerben zukommt. Eine dingliche Surrogation scheidet mithin immer dann aus, wenn der anstelle des aufgegebenen Nachlassgegenstandes erlangte Vermögensvorteil untrennbar mit dem Eigenvermögen des Vorerben verbunden ist. Dazu gehört die Schuldbefreiung als solche, aber auch gewisse Fälle der Austauschbeziehungen. Das Ziel der dinglichen Surrogation, einen im Sondervermögen „Nachlass“ eingetretenen Substanzverlust durch Zuführung von Surrogaten weitestgehend zu kompensieren, kann in diesen Fällen nie erreicht werden, weil es an einem surrogationstauglichen Gegenwert fehlt.
IV. Die Untersuchung der Möglichkeit eines Surrogationseintritts bei verschiedenen Arten von Eigenverbindlichkeiten Tilgt der Vorerbe eine Eigenverbindlichkeit, indem er aus Mitteln des Nachlasses seinem Privatgläubiger gegenüber die geschuldete Leistung bewirkt, ist – wie zuvor unter III. gezeigt – die damit einhergehende Schuldbefreiung untrennbar mit dem persönlichen Vermögen des Schuldners, also des Vorerben, verbunden. Da der erlangte Vermögensvorteil niemals zur Erbschaft gehören kann, sondern zwingend sowohl unmittelbar als auch restlos im Eigenvermögen des handelnden Vorerben aufgeht, kann die Schuldbefreiung als solche nicht tauglicher Surrogationsgegenstand sein. Von daher liegt der Schluss nahe, bei Erfüllung eigener Schulden des Vorerben eine Surrogation schon vom begrifflichen Ansatz her als undurchführbar anzusehen.
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Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (33); Wendel, S. 109. NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 50. Palandt/Weidlich, § 2111 Rz. 5.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Eine solche Schlussfolgerung ist aber nur dann und in dieser absoluten Fassung gerechtfertigt, wenn bei jeder Maßnahme des Vorerben zur Tilgung einer wie vorstehend134 definierten Eigenschuld ausnahmslos auf die Schuldbefreiung als Gegenstand für einen Surrogationserwerb abzustellen wäre. Das ist schon deshalb zweifelhaft, weil eingangs dieses Abschnitts als typischer Anwendungsfall der Mittelsurrogation Austauschverhältnisse angesehen wurden; bei diesen existiert aber eine tatsächliche, wirtschaftlich greifbare Gegenleistung des Vertragspartners, die nach allgemeinen Regeln der Vorerbe erwirbt und die regelmäßig Gegenstand dinglicher Surrogation sein kann. Die nachstehende, fallgruppenorientierte Betrachtung soll aufzeigen, in welchen Fällen der Erwerb eines Rechts und in welchen Fällen (nur) die Befreiung von der Verbindlichkeit derjenige Gegenwert ist, der ersatzweise als Vermögensvorteil an die Stelle des weggegebenen Nachlassgegenstandes tritt. 1. Die Tilgung einer Eigenschuld bei gegenseitigen Verträgen Der unproblematische Fall eines Erwerbs „durch Rechtsgeschäft“ richtet sich auf gewöhnliche Austauschvorgänge135, bei denen der Erwerb eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Gegenleistung für die Hingabe von Mitteln der Erbschaft darstellt136. Veräußert der Vorerbe, ohne aus Liquiditätsgründen im Interesse des Nachlasses dazu verpflichtet zu sein, zur Erbschaft gehörenden Schmuck oder andere Wertgegenstände, fließt entweder der Kaufpreis oder der diesbezügliche Zahlungsanspruch ohne weitere Übertragungsakte in den Nachlass137. Erwirbt der Vorerbe einen Gegenstand mit Nachlassmitteln, wird dieser im Wege dinglicher Surrogation Bestandteil der Erbschaft138 (erstes Beispiel bei Variante a) des Ausgangsfalls). Den Eingriff in das Sondervermögen, der neben dem im Gegenzug erfolgenden Erwerb eines Vermögenswertes Voraussetzung der Mittelsurrogation ist, stellt dabei nicht schon der obligatorische Vertragsschluss dar, sondern erst die tatsächliche Verfügung über das Recht der Erbschaft139, d. h. die eigentliche Erfüllungshandlung. Der Vorerbe hat demnach nur, aber auch immer dann Nachlassmittel im Sinne von § 2111 Abs. 1 Satz 1 eingesetzt, wenn sie, bezogen auf das konkrete Geschäft, endgültig aus dem Nachlassvermögen ausgeschieden sind.
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Siehe oben B. II. dieses Kapitels. Wolf, JuS 1975, 710 ff. (713). 136 RGRK/Kregel, § 2019 Rz. 3. 137 Wolf, JuS 1975, 710 ff. (713); Ebenroth, Rz. 591. 138 Das gilt selbst dann, wenn der Erwerbsgegenstand ausschließlich für den Vorerben verwendbar ist: aus Nachlassmitteln erworbener Maßanzug (Ebenroth, Rz. 1021) oder mit Erbschaftsgeldern bezahltes Gebiss des Vorerben (BroxWalker, Rz. 605). 139 Strauch, S. 135; Planck/Flad, § 2019 Anm. 2. 135
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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Mit der Verfügung über den Schmuck oder mit der Zahlung des Kaufpreises tilgt der Vorerbe eine ihn ausschließlich in seinem Privatvermögen treffende Verbindlichkeit aus Nachlassmitteln. Dennoch tritt die mit der Erfüllung einhergehende Schuldbefreiung in den Hintergrund, Erwerbsgegenstand ist die im schuldrechtlichen Vertrag ausbedungene Gegenleistung des Empfängers der Nachlasswerte140. Die Entgeltlichkeit der Verfügung bemisst sich dann auf objektiver Ebene danach, ob das Erworbene gegenüber dem weggegebenen Nachlassgegenstand angemessen werthaltig ist. Dies gilt, obwohl bei Austauschverhältnissen sowohl die Gegenleistung als auch die Befreiung des Vorerben von seiner eigenen Leistungspflicht mit Mitteln der Erbschaft erworben wird. Ist der Mittelabfluss aus dem Nachlass werthaltiger als die Gegenleistung (der Nachlassgegenstand ist unter Wert verkauft worden), mit der Folge, dass der Gegenwert „Schuldbefreiung“ der höhere der beiden erlangten Vermögensvorteile ist, liegt die Versuchung nahe, allein diese zum Gegenstand eines Wertzuflusses, der die eingetretene Verringerung des Erbschaftsvermögens wieder aufwiegt, zu erheben. Eine derartige Sichtweise würde aber schon verkennen, dass die Schuldbefreiung als solche nie taugliches Surrogationsobjekt sein kann und deshalb darauf bezogen eine Surrogation schlechthin nicht denkbar ist. Sie führte auch zu nicht sachgerechten Ergebnissen. Zielte man nämlich in derartigen Fällen auf die mit der Schulderfüllung einhergehende Befreiung von der Verbindlichkeit als denjenigen Vermögensvorteil ab, der die Aufopferung des Nachlasswertes kompensiert, so würde bei den bewusst nachteiligen Verfügungen wie dem unterwertigen Verkauf eines Erbschaftsgegenstandes niemals eine unentgeltliche Handlung des Vorerben vorliegen, da der Vorerbe als Verkäufer ja seine eigene Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllte und damit eine entsprechend werthaltige Befreiung erlangte141. Zur Beurteilung der Frage der Unentgeltlichkeit nach § 2113 Abs. 2 ist ein Wertvergleich zwischen erhaltenem und weggegebenem Vermögenswert erforderlich. Dieser liefe ins Leere, wollte man gegenseitige Verträge in ihre Leistungsverhältnisse aufsplitten und dann bei Verfügungen zur Erfüllung der einzelnen Leistungspflichten die Schuldbefreiung als den maßgeblichen dem Schuldnervermögen zugute kommenden, denknotwendig gleichwertigen Vermögensvorteil anerkennen. Ein Abstellen auf die Schuldbefreiung bei deren Höherwertigkeit als – ohnehin untauglichen – Gegenwert, der die im Nachlassvermögen eingetretene Substanzeinbuße wieder ausgleichen soll, würde daher zu einer inakzeptablen Aushöhlung von § 2113 Abs. 2 führen. Deshalb muss, tilgt der Vorerbe eine im Rahmen einer Austauschbeziehung bestehende eigene Verbindlichkeit, für eine Surrogation ausschließlich auf die jeweilige Gegenleistung des Vertragspartners abgestellt werden; ein Surrogationseintritt bleibt somit möglich, es sei denn, die Gegenleistung ist ihrerseits nicht surrogati140 Erfolgt der Erwerb nur teilweise mit Mitteln der Erbschaft, etwa weil der Vorerbe den Grundstückskaufpreis teils mit eigenem, teils mit Nachlassgeld berichtigt, so fällt der Erwerb nur zu dem Teil in die Erbschaft, der sich nach Abzug der aus eigenem Vermögen aufgewendeten Mittel ergibt (NK-BGB/Gierl, § 2111 Rz. 16; Staudinger/Avenarius, § 2111 Rz. 31). 141 Krawielicki, S. 128 (unter 2.).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
onsfähig142. Auf die Schuldbefreiung als ein dem Vorerben persönlich zuwachsender Vermögensvorteil kommt es jedenfalls nicht an; diese kann nie, auch nicht bei deren Höherwertigkeit, Gegenstand dinglicher Surrogation sein. Dieser Befund wird durch folgende Überlegung gestützt: Laut § 2134 Satz 1 ist der Vorerbe dem Nacherben bei Eigenverwendung von Nachlassmitteln zum Wertersatz verpflichtet. Der Vorerbe verwendet einen Erbschaftsgegenstand für sich, wenn er diesen nicht mehr dem Nacherben herausgeben kann, ohne dass dafür ein Surrogat in den Nachlass gelangt ist143. Bei gegenseitigen Verträgen findet ein Austausch eines Nachlassgegenstandes gegen einen anderen Gegenstand statt. Ein solcher Austauschvorgang ist begriffsnotwendig keine eigennützige Verwendung, da der Vorerbe damit weder einen Gegenstand der Erbschaft zu eigenen Zwecken verwendet (Ausnahme: Die Gegenleistung fällt zwingend dem Privatvermögen des Vorerben zu, so bei Veräußerung eines Wertes der Erbschaft gegen Einräumung einer Leibrente oder eines Nießbrauchs.) noch in unabänderlicher Weise seinem eigenen Vermögen einverleibt, so dass der erworbene Vermögenswert dem Nacherben zusteht. Damit greift § 2134 Satz 1 nicht ein, obwohl durch den Einsatz der Erbschaftsmittel gleichzeitig eine eigene Verbindlichkeit des Vorerben erfüllt wird und die Zahlung eigener Schulden mit Nachlassgeldern, separat betrachtet, stets ein Fall einer Verwendung von Erbschaftsmitteln i. S. v. § 2134 Satz 1 wäre144. Das Vorhandensein einer Gegenleistung verdrängt demnach die gleichzeitige Erfüllung einer Eigenschuld, mit der Folge, dass bei einem surrogationstauglichen Gegenwert keine eigennützige Verwendung eines Erbschaftsgegenstandes durch den Vorerben vorliegt. Das bestätigt für eine Surrogation bei Austauschverhältnissen die Sichtweise, dass in den Fällen, in denen eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung für den aufgeopferten Nachlasswert vorhanden ist, dieser erworbene Gegenstand die Befreiung des Vorerben von seiner eigenen Leistungspflicht als Vermögensvorteil überlagert und damit einziger Betrachtungsgegenstand sowohl für § 2111 Abs. 1 Satz 1 als auch zur Bestimmung der Entgeltlichkeit einer Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 ist. 2. Die Tilgung einer Eigenschuld bei zeitlichem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung Nicht immer werden die Leistungsgeschäfte gleichzeitig vorgenommen. Vor allem im Rahmen von Kreditgeschäften kommt es vor, dass der Vertragspartner als erster seiner Verpflichtung nachkommt und der Vorerbe erst danach aus Erbschaftsmitteln die ihm obliegende Leistung erbringt145. Erwirbt der Vorerbe für sich 142 So auch Krawielicki, S. 146. Wie bereits ausgeführt, ist die Werthaltigkeit der Gegenleistung für die Tatsache eines Surrogationseintritts unbeachtlich (siehe oben S. 40 f.). 143 NK-BGB/Gierl, § 2134 Rz. 3. 144 Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 2. 145 Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (34).
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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persönlich einen Gegenstand, wird der Kaufpreis aber erst später fällig oder darf der Vorerbe die Kaufpreisschuld in monatlichen Raten begleichen, begründet der Vorerbe damit eine ausschließlich ihn in seinem Privatvermögen treffende Verbindlichkeit. Bei späterer Bezahlung des Kaufpreises/der Raten mit Erbschaftsgeldern handelt es sich um den typischen Fall der Tilgung einer eigenen Schuld des Vorerben. Gleichwohl kann es für § 2111 nicht auf die mit Erfüllung bewirkte Befreiung von der Kaufpreisschuld ankommen, vielmehr vollzieht sich der Surrogationserwerb an dem auf Kredit erworbenen Ersatzgegenstand146. Umstritten ist bei einem zeitlichen Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung dagegen der Zeitpunkt des Surrogationseintritts. Die im Wesentlichen zu § 2019 entwickelte herrschende Meinung entscheidet die Fälle dahin, dass Surrogation erst eintritt, wenn die Nachlassmittel eingesetzt werden; bis zu diesem Moment soll der auf Kredit angeschaffte Gegenstand dem Erbschaftsbesitzer zugeordnet sein147. Eine nicht unerhebliche Zahl von Stimmen in der Literatur lehnt den mit der herrschenden Auffassung verbundenen Durchgangserwerb im Vermögen des Handelnden ab und befürwortet stattdessen einen Surrogationseintritt dergestalt, dass der erworbene (Ersatz)Gegenstand mit realer Bewirkung der Leistung aus Nachlassmitteln rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erwerbs unmittelbar in das Sondervermögen Nachlass fällt148. Entsprechend der Zweckbestimmung des § 2111, dem Nacherben den Bestand des Nachlasses bei Vermögensveränderungen auch über einen längeren Zeitraum bestmöglich zu sichern, verdient die Minderheitsmeinung den Vorzug. Nur so kann verhindert werden, dass der erlangte Wert vorübergehend zum freien, ungebundenen Eigenvermögen des Vorerben gehört und dadurch sowohl den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 entzogen als auch dem Vollstreckungszugriff der Eigengläubiger des Vorerben preisgegeben ist149. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, der Nachlass sei vor Aufopferung der Nachlassmittel noch gar nicht schutzwürdig. Der Umstand, dass die geschuldete Leistung tatsächlich aus dem Nachlass erbracht werden konnte, zeugt davon, dass der Eingriff in das Sondervermögen rechtlich bereits angelegt war, was genügt, um dem Grundgedanken von § 2111 Rechnung zu tragen150. Verfügt der Vorerbe zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar kein Einsatz von Nachlassmitteln erfolgt ist, schon anderweitig über die erhaltene Gegenleistung, so tut er dies als wahrer Rechtsinhaber. Setzt der Vorerbe dann später – beabsichtigt oder ungeplant – Nachlassmittel zur Erfüllung der ihm obliegenden Leistungspflicht ein, so ändert die nach der hier favorisierten Auffassung rückwir146 Soergel/Dieckmann, § 2019 Rz. 1; Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (35); Lange/ Kuchinke, § 41 III 2 d. 147 MünchKomm/Helms, § 2019 Rz. 14; Staudinger/Gursky, § 2019 Rz. 4; Brox/Walker, Rz. 606; Lange/Kuchinke, § 41 III 2 d. 148 Jauernig/Stürner, § 2019 Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2019 Rz. 1; Soergel/Dieckmann, § 2019 Rz. 1; Ebenroth, Rz. 1022; Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (35). 149 Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (35). 150 Ähnlich Roggendorff, MittRhNotK 1981, 29 ff. (35).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
kend einsetzende Surrogation nichts daran, dass der Vorerbe als Berechtigter verfügt hat; denn auch der Vorerbe ist für die Dauer seines Erbrechts wahrer Erbe und damit rechtswirksamer Vermögensinhaber des Nachlasses und aller seiner Surrogate. Dass der Vorerbe damit im Nachhinein nicht über Eigenmittel, sondern über einen Gegenstand der Erbschaft verfügt hat, auf den vorbehaltlos die Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 – 2115 Anwendung finden, entspricht dem Surrogationszweck, das Surrogat ohne Durchgangserwerb im Privatvermögen des Vorerben den Schutzund Regelungsmechanismen der § 2113 ff. zu unterwerfen. Der Vorerbe wird dadurch nicht unbillig benachteiligt, da er es in der Hand hat, aus welchem Vermögen (Nachlass- oder Eigenvermögen) er seine später fällig werdende Leistungspflicht erfüllt. Der mit dem Vorerben kontrahierende Dritte, der im Zeitpunkt des Erhalts der erworbenen Gegenleistung auf deren Zugehörigkeit zum freien Eigenvermögen (und nicht zum Nachlass) vertraut hat, ist über § 2113 Abs. 3 hinreichend geschützt. Surrogation tritt selbst dann ein, wenn der Gegenwert für das Surrogat nur mittelbar aus dem Nachlass stammt151. Daher ist ein Gegenstand auch dann mit Erbschaftsmitteln erworben und gehört zum Nachlass, wenn der Kaufpreis zunächst über ein Bankdarlehen zwischenfinanziert, dieses aber später aus Nachlassmitteln abgelöst wird152. Aus den vorstehenden Gründen fällt auch hier bei Rückzahlung des Kredits aus Nachlassmitteln der erworbene Gegenwert ex tunc auf den Zeitpunkt seines (durch den Kredit finanzierten) Erwerbs in den Nachlass, da es für den Schutz des Nacherben keinen Unterschied machen kann, ob der Erwerb unmittelbar von dem Eigengläubiger des Vorerben durch aufgeschobene Fälligstellung der Leistungspflicht oder durch einen dritten Darlehensgeber kreditiert wird. Teilweise wird in diesem Zusammenhang für die Frage des Zeitpunkts eines Surrogationseintritts maßgeblich darauf abgestellt, ob der Vorerbe bei Kreditaufnahme beabsichtigt hatte, den Kredit aus seinem freien Privatvermögen oder aus dem Nachlass zurückzuzahlen153. Nur im letztgenannten Fall soll der erworbene Gegenstand (z. B. der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks oder das Eigentum an dem Grundstück selbst) sofort und nicht erst in dem Augenblick, in dem die Rückführung aus Erbschaftsmitteln tatsächlich erfolgt, in den Nachlass fallen154. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Berücksichtigung subjektiver Elemente der Handelnden dem Rechtsinstitut der Surrogation wesenfremd ist. Maßgeblich ist, dass die Mittel objektiv aus dem Nachlass stammen und nicht, welche Vorstellung der Vorerbe hatte155. Es kommt nicht darauf an, wie der Vorerbe handeln wollte oder wie 151
Rz. 4. 152
Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2111 Rz. 7; Soergel/Harder/Wegmann, § 2111
BGH NJW 1990, 1237 ff. (1238); Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 4; Lange/ Kuchinke, § 41 III 2 d und Fn. 39. 153 Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2111 Rz. 5; MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 22; Muscheler, Rz. 2491. 154 MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 22; Muscheler, Rz. 2491. 155 Schlüter, Rz. 797.
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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er nach außen aufgetreten ist156. Außerdem wäre der Schutzbereich von § 2111 gar nicht tangiert, wenn, obwohl vom Vorerben bei Darlehensaufnahme möglicherweise anders beabsichtigt, von Anfang an feststeht, dass die zu erbringende Leistung, hier die Rückführung des Kredits, objektiv gar nicht im Nachlassvermögen zur Verfügung steht. Schließlich stellt sich die Frage, wie es sich auswirken würde, wenn der Vorerbe in der Zwischenzeit bis zur endgültigen Rückzahlung des Kredits seine Absicht ändert, möglicherweise auch mehrfach, je nachdem wie es in der jeweiligen Situation um die Liquidität seines freien Eigenvermögens bestellt ist. Für die Frage des Zeitpunkts der Surrogationswirkung ist es daher unerheblich, mit welcher Absicht der Vorerbe bei Kreditaufnahme gehandelt hat, d. h. ob er von Anfang an Nachlassmittel zur Rückzahlung des Kredits einsetzen wollte oder diesen nur für sich persönlich mit dem Ziel der Zahlung aus seinem eigenen Vermögen aufgenommen hat157 oder ob er sich erst später zu der einen oder anderen Alternative entschließt. Abweichend von allen vorstehenden Auffassungen kommt Wendel zu dem Ergebnis, bei einem zwischengeschalteten Kredit erwerbe der Vorerbe aus Eigenmitteln, so dass das Eigentum an dem Erwerbsgegenstand endgültig in sein persönliches, ungebundenes Vermögen falle158. Dem kann nicht zugestimmt werden. Wendels Ausführungen sind in sich widersprüchlich. Während noch als Prämisse dieser Auffassung behauptet wird, von einer entgeltlichen Verfügung sei auch dann auszugehen, wenn der befreite Vorerbe mit Hilfe von Nachlassmitteln sein Vermögen vergrößere, wird anschließend159 erklärt, der befreite Vorerbe könne zwar sein eigenes Vermögen bewahren, nicht aber vermehren. Beide Aussagen sind miteinander unvereinbar. Auch spricht der Schutzzweck der Norm gegen eine solche Ansicht. Hinter § 2111 steht der Gedanke weitestgehender Sicherung der realen Werte des Sondervermögens „Nachlass“ im Interesse des begünstigten Nacherben. Dieser Zweck wird dadurch erreicht, dass die im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung des Sondervermögens eintretenden Änderungen im konkreten Bestand seiner Einzelteile kraft Gesetzes auch zu einer entsprechenden rechtlichen (dinglichen) Neuzuordnung der Ersatzstücke (Surrogate) zu dem Sondervermögen führen160. Diesem Kerngedanken der Norm läuft die Auffassung von Wendel nicht nur zuwider, sie führt vielmehr zu der unerwünschten Konsequenz, dass der im Privatvermögen befindliche Erwerbsgegenstand den Schutzbestimmungen der §§ 2111 ff. gänzlich entzogen wird. Dem Vorerben wäre mit der Zwischenschaltung eines Kredits ein einfaches Instrument an die Hand gegeben, Gegenstände, die im wirtschaftlichen Ergebnis auf Kosten des Nachlasses erworben wurden, seinem persönlichen, ungebundenen Vermögen zuzuführen und so den Schutz, den vor allem § 2113 dem Nacherben bieten soll, nach eigenem Belieben zu unterlaufen. 156 157 158 159 160
Burandt/Rojahn/Lang, § 2111 Rz. 12; Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2111 Rz. 7. Burandt/Rojahn/Lang, § 2111 Rz. 20. Wendel, S. 83. Wendel, S. 84. BGH NJW 1990, 514 ff. (515).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Die Ablehnung der Auffassung Wendels führt dazu, dass die im zweiten Beispiel von a) des Eingangsfalls durch den Vorerben auf Kredit erworbene Eigentumswohnung als Surrogationsgegenstand in den Nachlass fällt. Auf die mit Erfüllung bewirkte Befreiung von der Darlehensverbindlichkeit kommt es nicht an. Dies gilt unabhängig von dem Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Auch wenn der über Darlehen finanzierte Kaufpreis der Wohnung überhöht wäre, ist, wird der Kredit aus Nachlassmitteln zurückgeführt, ausschließlich die Wohnung Surrogationsobjekt im Sinne von § 2111 Abs. 1 Satz 1. Das notwendige Regulativ zum Schutze des Nacherben findet sich entweder in § 2113 Abs. 2, indem von einer teilunentgeltlichen Verfügung auszugehen ist, oder in den §§ 2130 ff. als obligatorischer Ersatzanspruch des Nacherben gegen den Vorerben wegen ordnungswidriger oder absichtlich benachteiligender Nachlassverwaltung. Wie ausgeführt161, würde dieses Regulativ versagen, wenn man in allen den Fällen, in denen die Schuldbefreiung der höhere Wert ist, auf diese als für § 2111 relevanten Wertausgleichsfaktor abstellen wollte. 3. Die Tilgung einer Eigenschuld, der kein Austauschverhältnis zugrunde liegt Bislang (1. und 2.) waren Schulderfüllungshandlungen bei gegenseitigen Verträgen Gegenstand der Betrachtung. Nun gilt das Interesse solchen Verbindlichkeiten, die nicht im Rahmen eines schuldrechtlichen Austauschverhältnisses begründet wurden und damit lediglich eine einseitige Verpflichtung des Vorerben darstellen. Einseitige Leistungspflichten können sich zunächst aus Schuldverhältnissen ergeben, die durch einseitiges Rechtsgeschäft begründet wurden. Ein Beispiel hierfür ist die Erfüllung einer Vermächtnisschuld durch den Vorerben, wobei es sich um ein Vermächtnis aus einem anderen Erbfall handeln muss, anderenfalls im Hinblick auf die eigentliche Vorerbschaft keine Eigenschuld des Vorerben, sondern eine Nachlassverbindlichkeit vorliegen würde. Auch Schulden aus einseitig verpflichtenden Verträgen gehören hierher. Klassischer Fall ist das Schenkungsversprechen. Tilgt der Vorerbe seine diesbezügliche Schuld aus Nachlassmitteln, so steht dieser Verfügung keine Leistung des Empfängers gegenüber, allein der Vorerbe wird von seiner Verpflichtung aus dem Schenkungsversprechen befreit. Gleiches gilt, wenn der Vorerbe aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen wird. Genauso verhält es sich bei auf Hoheitsakt zurückzuführenden schuldrechtlichen Beziehungen und bestimmten anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen wie denen aus unerlaubter Handlung oder den aus Verwandtschaftsverhältnissen begründeten Unterhaltspflichten (Beispiele finden sich in Variante b) des Eingangsfalls), deren Charakteristikum die einseitig vermögensbelastende Wirkung ohne rechtsgeschäftliche Abrede ist. Im Gegensatz zum Schenkungsversprechen beruht hier der 161
Siehe oben S. 49.
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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Mangel der Gegenleistung nicht auf vertraglicher Vereinbarung, sondern ist der Schuldform wesensimmanent. Vorrangig ist an die verschiedenen Erscheinungsformen eines Schadensersatzanspruchs zu denken, gleichgültig ob im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses begründet oder aus deliktischer Handlung resultierend. Das Schadensersatzrecht des BGB beruht im Wesentlichen auf dem Ausgleichsgedanken162. Voraussetzung ist, dass der Geschädigte durch ein Tun, Dulden oder Unterlassen des Schädigers (hier des Vorerben) eine Einbuße in seinen Rechtsgütern erleidet. Kommt der Vorerbe durch Einsatz von Nachlassmitteln seiner Pflicht zur Schadensregulierung nach, so ist dies nur die vom Schadensersatzrecht gewollte Kompensation der Beeinträchtigung des Geschädigten. Als Gegenwert für die Erfüllungshandlung wird der Vorerbe von seiner Schuld befreit, wobei sich dieser Vorteil zwangsläufig nur in dessen Privatvermögen realisieren kann. Nichts anderes gilt für die Verpflichtung des Vorerben zur Leistung von Unterhalt oder die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs aus einem anderen Erbfall. Mit der Tilgung der Schuld fließt einzig die Befreiung von der Verbindlichkeit dem Vorerben persönlich als Vermögensvorteil zu. Die gleichen Grundsätze kommen für alle diejenigen Verbindlichkeiten zur Anwendung, die aufgrund hoheitlicher Anordnung entstehen und den Staat bzw. dessen Einrichtungen auf Gläubigerseite haben. Bei der Steuerschuld gehört der Mangel einer Gegenleistung bereits zu den Begriffsmerkmalen163. Zahlt der Vorerbe mit Nachlassgeldern, erlangt er ausschließlich und unabdingbar im Privatvermögen den Vorteil der Schuldbefreiung. Selbst unter Zugrundelegung weitestgehender wirtschaftlicher Maßstäbe lässt sich bei der Steuer keine seitens des Steuergläubigers geschuldete Gegenleistung erkennen. Richtiger wird man hier von einem Gemeinschaftszweck sprechen müssen, der nur schwerlich als werthaltiger, auf die Person des einzelnen Vorerben zugeschnittener Vermögensvorteil angesehen werden kann. Auch die Bezahlung einer Geldstrafe/-buße des Vorerben mit Nachlassmitteln bewirkt allein eine Leistungsbefreiung des Schuldners persönlich als Gegenwert. Bei Eigenverbindlichkeiten mit ausschließlich einseitigen Leistungspflichten ist daher die Schuldbefreiung der einzig messbare Vermögensvorteil, der als Erwerbsgegenstand für die weggegebenen Nachlassmittel in Betracht kommt. Dieser ist aufgrund des persönlichen Charakters untrennbar mit dem freien Eigenvermögen des Vorerben verbunden. Wie bereits ausgeführt164, fehlt es dann an einem tauglichen Surrogationsobjekt, eine Surrogation scheidet aus tatsächlichen Gründen aus.
162 163 164
Erman/I. Ebert, vor §§ 249 – 253 Rz. 1; Larenz, SchuldR AT, § 27 I. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO; Liebisch, S. 40 in Fn. 1. Siehe oben S. 47.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
4. Die Tilgung einer Eigenschuld in Gestalt einer Altverbindlichkeit des Vorerben Ein typisches Beispiel für eine private Altverbindlichkeit des Vorerben findet sich in Variante c) des Eingangsfalls. Auf den ersten Blick scheint sich die Lösung nach den vorstehend unter 2. behandelten Grundsätzen des zeitlichen Auseinanderfallens von Leistung und Gegenleistung zu vollziehen165 : Erbringt der Geschäftspartner (im Beispiel: der Autoverkäufer) vorab seine Leistung und zahlt der Vorerbe erst später den Kaufpreis mit Nachlassgeld, so fällt der Erwerbsgegenstand, hier also der PKW, rückwirkend in den Nachlass. Die Besonderheit besteht vorliegend darin, dass sowohl der Entstehungstatbestand der später aus Nachlassmitteln beglichenen Verbindlichkeit als auch der Eigentumserwerb des Gegenwertes beim (zukünftigen) Vorerben zeitlich vor Eintritt des Erbfalls lagen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Zeitfaktor – insbesondere bei unmittelbar vor Eintritt des Erbfalls begründeten Schulden – oftmals nur von Zufälligkeiten abhängt, spricht einiges dafür, die vorgenannte Rechtsfolge auch hier eintreten zu lassen. Zugleich würde damit dem Schutzzweck der Norm und den Belangen des Nacherben in bestmöglichem Maße Rechnung getragen. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei § 2111 um eine auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Ausnahmevorschrift handelt166. Ob der Normzweck tatsächlich so weit reichen kann, dass selbst zeitlich vor dem Erbfall zu Eigentum erworbene Vermögenswerte nachträglich der Erbschaft zufallen sollen, ist im Hinblick auf die geltenden Prinzipien der dinglichen Surrogation durchaus fragwürdig. So kann bei Altschulden des Vorerben nicht verhindert werden, dass der vertraglich vereinbarte Gegenwert des Geschäftspartners vorübergehend, d. h. bis zum Eintritt des Erbfalls, dem Eigenvermögen des späteren Vorerben angehört; denn bis zu diesem Zeitpunkt gibt es nur diese eine Vermögensmasse. Die Zielvorgabe des § 2111, bei einem nach allgemeinen Regeln vollzogenen Erwerb des Vorerben klarzustellen, welche der erlangten Gegenstände zu seinem freien Vermögen und welche zum gebundenen Nachlassvermögen gehören167, kann hier im Erwerbszeitpunkt denknotwendig nicht eingehalten werden. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, spätestens ab dem Zeitpunkt des Erbfalls sei eine Zuordnung des Erwerbsgegenstandes zum Sondervermögen „Nachlass“ möglich. Dadurch würde in Abweichung der allgemein anerkannten Surrogationsregeln ein Gegenstand vom Privatvermögen des Vorerben in das Sondervermögen transferiert. Ein solcher Vorgang ist dem Surrogationsprinzip jedoch fremd. Denn bei der dinglichen Ersetzung findet kein Durchgangserwerb statt, was bedeutet, dass die erworbenen Gegenstände unmittelbar von dem Dritten in den
165 166 167
Siehe oben S. 50 ff. RG HRR 1928, Nr. 1592. Menken, S. 98 u. 99.
B. Bedeutung von § 2111 bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten
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Nachlass fallen und nie zuvor dem Eigenvermögen des Vorerben angehört haben168. Erschwerend kommt hinzu, dass im Voraus nicht feststeht, ob überhaupt, und falls ja wann, der Empfänger der Gegenleistung einmal Vorerbe sein wird. Darüber hinaus verlangt auch der Wortlaut des § 2111 einen Erwerb „des Vorerben“. Bei einer funktionalen und nicht personenbezogenen Betrachtung dieses Begriffes muss das Erwerbssubjekt des Ersatzgegenstandes also „Vorerbe“ sein, was nur möglich ist, wenn der Gegenwert dem Handelnden zu einem Zeitpunkt der bereits bestehenden Vorerbschaft zufließt. Bei dieser am Wortlaut der Norm orientierten Sichtweise sind sowohl die Personenidentität zwischen tatsächlichem Erwerber und späterem Vorerben als auch der Umstand, dass sich der Erwerbsgegenstand im Zeitpunkt der Mittelaufwendung noch im Vermögen des nunmehrigen Vorerben befindet, unbeachtlich. Von daher spricht alles dafür, im Eintritt des Erbfalls eine zeitliche Zäsur dergestalt zu sehen, dass sämtliche zuvor von dem „Noch-nicht-Vorerben“ vollzogenen Rechtshandlungen bei der Anwendung des § 2111 außer Betracht zu bleiben haben. Im Ergebnis kann daher bei Tilgung von Altverbindlichkeiten des Vorerben keine Surrogation eintreten169. Die Begründung liegt darin, dass sich die Blickrichtung bei Außerachtlassung vor dem Erbfall geflossener Gegenleistungen auf den reinen Erfüllungsakt konzentriert, so dass dem Vorerben einzig die Befreiung von seiner Verbindlichkeit als vermögenswerte Rechtsposition verbleibt. Wie gezeigt, ist ein Surrogationseintritt dann aus tatsächlichen Gründen unmöglich.
V. Fazit zu B. Eine dingliche Surrogation scheidet immer dann aus, wenn der erlangte Vermögensvorteil nicht der Erbschaft zufließen kann, sondern untrennbar mit dem Eigenvermögen des Vorerben verbunden ist. Das gilt bei Erfüllung eigener Schulden des Vorerben aus Nachlassmitteln für die damit einhergehende Befreiung von dieser privaten Verbindlichkeit. Die Schuldbefreiung als solche kann daher nie tauglicher Surrogationsgegenstand i. S. v. § 2111 sein. Bei Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben aus Erbschaftsmitteln ist wie folgt zu unterscheiden: Erfüllt der Vorerbe eine ihn betreffende Verpflichtung aus einem gegenseitigen Vertrag, so findet – wertunabhängig – ein Surrogationserwerb an der vertraglich vereinbarten Gegenleistung statt. Dies gilt auch bei zeitlichem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung. Davon ausgenommen sind die Altverbindlichkeiten des Vorerben. Bei diesen sowie bei zahlreichen Verbindlichkeiten aus einseitigem Rechtsgeschäft (Vermächtnis aus einem anderen Erbfall) oder einseitig verpflichtendem Vertrag (Schenkungsversprechen), bei gesetzlichen Ver168 169
Wolf, JuS 1981, 14 ff. (15). So auch AltKomm/Pardey, § 2113 Rz. 11.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
bindlichkeiten und bei allen einseitigen170 Verpflichtungen kraft staatlichen Hoheitsaktes gibt es keine vom Gläubiger des Vorerben seinerseits geschuldete Gegenleistung (mehr), die Gegenstand dinglicher Surrogation sein könnte. Hier kommt einzig die Schuldbefreiung dem Vorerben als Vermögensvorteil zugute. Aufgrund der zwingenden Verknüpfung der Schuldbefreiung mit dem freien Eigenvermögen des Vorerben scheidet diese als Surrogationsobjekt aus, der Nachlass kann keinerlei Vorteile erlangen und die mit § 2111 angestrebte Sicherung der Erbschaftssubstanz geht ins Leere. Sofern daher vereinzelt behauptet wird, bei wirksamer Zahlung einer eigenen Schuld mit Nachlassmitteln sei eine Surrogation tatsächlich unmöglich171, bedarf diese Aussage der Klarstellung: Wie am Beispiel der Berichtigung einer auf Leistungsaustausch beruhenden Verpflichtung oder auch einer Kreditschuld gezeigt wurde172, tilgt der Vorerbe oftmals eine Eigenschuld im herkömmlichen Verständnis der Abgrenzung zur Nachlassverbindlichkeit. Gleichwohl vollzieht sich in diesen Fällen ein Surrogationserwerb an der vertraglich vereinbarten oder mittelbar vorhandenen Gegenleistung des Vertragspartners des Vorerben. Die hier zu untersuchende Problematik der Erfüllung von „Eigenschulden“, „Eigenverbindlichkeiten“ oder „eigenen Verbindlichkeiten/Schulden des Vorerben“ kann sich mithin nur auf solche Verpflichtungen beziehen, bei denen der erlangte Vermögensvorteil ausschließlich in der Befreiung von der den Vorerben privat treffenden Schuld besteht. Nur dann bleibt aufgrund der Art des erlangten Vorteils für einen Ersetzungserwerb aus tatsächlichen Gründen kein Raum, mit der Folge, dass die im Nachlassvermögen eingetretene Substanzeinbuße nicht durch einen zufließenden Gegenwert kompensiert wird. Unter Zugrundelegung des herrschenden Unentgeltlichkeitsverständnisses müsste in diesen Fällen stets von einer i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltlichen Verfügung auszugehen sein; denn dem aufgegebenen Erbschaftsgegenstand steht keine in den Nachlass zu erbringende Gegenleistung gegenüber und dies war subjektiv für den Vorerben in jedem Fall erkennbar. Ob diese These zutreffend ist, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung.
170 Nicht alle Verpflichtungen „kraft Hoheitsakt“ sind einseitig, z. B. der diktierte Vertrag, der, ohne dass es irgendwelcher Willenserklärungen der Beteiligten bedarf, aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch Hoheitsakt zustande kommt (Palandt/Ellenberger, Einf v § 145 Rz. 12). 171 So wörtlich: Lange/Kuchinke, § 41 III 2 d. 172 Siehe zuvor S. 48 ff. und S. 50 ff.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben als Fallgruppe tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts und deren Beurteilung als entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 I. Der Gegenstand der Entgeltskategorie bei § 2113 Abs. 2 Der Gesetzgeber will, wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben173, dadurch, dass er unter bestimmten Voraussetzungen unentgeltlichen Verfügungen die dauerhafte Wirksamkeit versagt, dafür Sorge tragen, dass der Vorerbe über einen Nachlassgegenstand nur dann wirksam verfügen kann, wenn der Erbmasse für das weggegebene Recht ein angemessenes Äquivalent im Surrogationswege zugute kommt174. § 2113 Abs. 2 ergänzt den Grundsatz dinglicher Ersetzung, bei dem Fragen der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit des Rechtsgeschäfts oder der angemessenen Werthaltigkeit der erlangten Gegenleistung nicht relevant sind. Als entsprechendes Korrektiv schützt § 2113 Abs. 2 den Nachlass vor allzu unvorteilhaften Geschäften, weswegen die Vorschrift im Lichte von § 2111 auszulegen ist175. Unbestritten ist in diesem Zusammenhang, dass der Vorerbe durch die gesetzliche Verfügungsbeschränkung des § 2113 in seiner Befugnis, Verpflichtungen einzugehen, nicht berührt wird176. Folglich kann die Frage nach der Unentgeltlichkeit einer Verfügung erst aufkommen, wenn der Vorerbe eine Verbindlichkeit durch Leistung von Erbschaftsgegenständen erfüllt177. Bei Erfüllung solcher Verbindlichkeiten, denen ein Austauschverhältnis zugrundeliegt, ist als Surrogationsobjekt auf die schuldrechtlich vereinbarte Gegenleistung abzustellen178. Nach der Definition der Unentgeltlichkeit durch die herrschende Meinung, der hier gefolgt wird179, knüpft die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 an die Rechtsnatur des Grundgeschäfts an180. Daraus resultiert eine durch das Interesse des Nacherben legitimierte Durchbrechung des Abstraktionsprinzips, indem Verfügungen des Vorerben in ihrer Wirkung von der Eigenart des kausalen Grundverhältnisses abhängig gemacht werden181. Demnach 173
Siehe oben S. 39 ff. Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 70; Kipp/Coing, § 49 IV 2 a. 175 Siehe oben S. 39. 176 Binder, S. 79 in Fn. 6; Crome, S. 563; Kipp/Coing, § 49 IV 1 b. 177 Crome, S. 563. 178 Siehe oben S. 49. 179 Siehe oben S. 32 ff. 180 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 61. 181 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 61; Ascher, Anm. zu LM § 2113 Abs. 2 (Nr. 3), spricht von einer durch den Zweck der Vorschrift bewirkten Modifizierung des Begriffs der entgeltlichen bzw. unentgeltlichen Verfügung. 174
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
ist zwar die eigentliche Erfüllungshandlung Gegenstand der Entgeltskategorie und damit der Unentgeltlichkeitsprüfung bei § 2113 Abs. 2; denn erst dann wird tatsächlich über einen Nachlassgegenstand verfügt und es realisiert sich die Gefahr der Substanzbeeinträchtigung der Erbschaft. Damit ist jedoch lediglich die zeitliche Komponente gemeint, die nichts daran ändert, dass bei der Frage, ob die Verfügung des Vorerben entgeltlich oder unentgeltlich ist, auf das zugrunde liegende „kausale“ Schuldverhältnis zurückgegriffen werden muss, in dessen Erfüllung sie erfolgt182. 1. Die Entgeltskategorie bei Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten Nach Beck soll die Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten weder entgeltlich noch unentgeltlich sein. Beides seien Kategorien, die nur im Privatrechtsverkehr Sinn haben könnten und daher dann nicht anwendbar seien, wenn der Staat kraft seiner Rechtssetzungsbefugnis dem Staatsbürger Pflichten – gleich welcher Art – auferlege183. Ähnlich wie Beck behauptet Eckstein für „unentgeltliche Verfügungen“ im früheren Konkurs- und Anfechtungsrecht184, bei Leistungen, die auf einer gesetzlichen Pflicht beruhten, entfalle überhaupt die Möglichkeit, von unentgeltlicher Verfügung zu sprechen. Eckstein begründet dies damit, dass der Begriff der unentgeltlichen Verfügung, dem Sinne des Gesetzes entsprechend, das Moment der rechtlichen Selbständigkeit in sich trage, mithin vom Standpunkt des Leistenden aus das Moment
182 In der älteren Literatur wurde hierzu noch die Meinung vertreten, die Erfüllung sei stets entgeltliches Geschäft, da der Leistungsempfänger gegen den Erwerb seine Schuldforderung austausche und der Schuldner somit die Befreiung von der Verbindlichkeit erhalte; vgl. v. Savigny, S. 57; v. Tuhr, S. 144 f. Dabei wird verkannt, dass es zu einem Erfüllungsgeschäft begriffsnotwendig nur kommen kann, wenn dem ein – entgeltliches oder unentgeltliches – Verpflichtungsgeschäft vorangegangen ist, in dessen Ausführung die Verfügung erfolgt. Die Einteilung „entgeltlich/unentgeltlich“ bezieht sich daher nur auf kausale Geschäfte; Larenz/ Wolf, § 23 Rz. 91. Die Beurteilung der „(Un)Entgeltlichkeit“ einer Verfügung hängt somit davon ab, ob diese in Erfüllung eines entgeltlichen oder unentgeltlichen kausalen Rechtsgeschäfts vorgenommen wurde; Larenz/Wolf, § 23 Rz. 91. Jede andere Betrachtung würde dazu führen, dass immer dann, wenn das Gesetz von „unentgeltlichen Verfügungen“ spricht, dieser Fall der Unentgeltlichkeit so gut wie nie eintreten könnte, da die von der causa losgelöste, abstrakte Verfügung regelmäßig der Erfüllung dient. Im Übrigen ist die ältere Literaturmeinung für § 2113 Abs. 2 auch schon deswegen wenig hilfreich, weil mit dieser generalisierenden Auffassung unberücksichtigt bliebe, dass der Vorerbe Inhaber zweier fiktiv getrennter Vermögensmassen ist und es aus Sicht des schutzbedürftigen Nacherben von Relevanz sein kann, welches Vermögen genau von der Schuld befreit wird. 183 Beck, S. 35. Zwar unter der Überschrift „Die Unentgeltlichkeit im Recht der Schuldverträge“, jedoch ausdrücklich für das Erbrecht gleichstellend, siehe dort S. 171. 184 Früher: § 32 KO und § 3 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 AnfG; heute: § 134 InsO und § 4 AnfG, die beide nunmehr von einer unentgeltlichen „Leistung“ des Schuldners sprechen.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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der Freiwilligkeit, welches bei gesetzlichen Verbindlichkeiten der Pflicht zur Leistung zum Opfer falle185. Für das Unentgeltlichkeitsverständnis bei § 2113 Abs. 2 sind die Ansichten von Beck und Eckstein abzulehnen. Wollte man Beck folgen und die Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten gänzlich für die Kategorie der Unentgeltlichkeit außer Betracht lassen, hätte dies, auch ohne gleichzeitige Klassifizierung der Verfügung als entgeltlich, mangels Unentgeltlichkeit die dauerhafte Wirksamkeit der Verfügung zur Folge. Damit wird bei einer Norm (nämlich § 2113 Abs. 2), die die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit von Verfügungen zum Gegenstand hat, für eine bestimmte Fallgruppe (Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten) eine Rechtsfolge herbeigeführt, obwohl nach der Ansicht von Beck dieses Begriffspaar auf gerade jene Fallgruppe keine Anwendung finden soll. Dieser inhaltliche Widerspruch bedeutet darüber hinaus eine erhebliche Gefährdung der Nacherbenrechte. Mit der von Beck bevorzugten Lösung wäre bei substanzmindernden Handlungen des Vorerben, die dem Zweck der Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten dienen, jeder dinglich wirkende Schutz der Erbmasse von vornherein ausgeschlossen. Auch Schadensersatzansprüche nach § 2138 Abs. 2 liefen überwiegend ins Leere. Diese Gefahr der partiellen, auf bestimmte Verfügungsarten beschränkten Schutzlosstellung des Nacherben widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, der mit § 2113 Abs. 2 im Interesse des Nacherben für eine weitgehend lückenlose Werterhaltung der Nachlasssubstanz Sorge tragen wollte. Auch kann der von Eckstein in den Begriff der „unentgeltlichen Verfügung“ hineininterpretierte Freiwilligkeitsaspekt nicht auf die Bestimmung des § 2113 Abs. 2 übertragen werden. Die Frage der Freiwilligkeit der Leistungserbringung berührt ausschließlich das Verhältnis zwischen Schuldner (Vorerben) und Gläubiger (Drittem). Die Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs im Recht der Vor- und Nacherbschaft hat darüber hinaus maßgeblich ein weiteres Interesse, das des Nacherben, zu berücksichtigen. Der Schutzzweck der Norm ist darauf gerichtet, den Nacherben gegen eine durch Verringerung der Erbschaftsmasse bewirkte Schmälerung seiner Rechte zu bewahren186. Aus Nacherbensicht ist es aber gleichbedeutend, ob sich die ersatzlose Reduzierung der Nachlasssubstanz in Erfüllung einer freiwillig begründeten oder einer durch Rechtsnorm aufgezwungenen Verpflichtung vollzieht. Damit kann auch die Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten entgeltlich oder unentgeltlich und somit Gegenstand der Kategorie der Unentgeltlichkeit bei § 2113 Abs. 2 sein.
185 186
Eckstein, S. 83. Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 1.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
2. Die Befreiung von der Verbindlichkeit als Entgelt i. S. v. § 2113 Abs. 2 Bei Tilgung solcher Schulden des Vorerben, die auf einen gegenseitigen Vertrag zurückzuführen sind, ist die schuldrechtlich vereinbarte Gegenleistung derjenige Vermögenswert, der im Wege dinglicher Surrogation dem Nachlass zufließt und dadurch der Verfügung Entgeltcharakter verleihen kann. Für die Beurteilung, ob die Verfügung im konkreten Einzelfall unentgeltlich ist oder nicht, ist dann die Werthaltigkeit dieses Äquivalents, bemessen an dem weggegebenen Nachlassgegenstand und verbunden mit der zweiten, der subjektiven Komponente des herrschenden Unentgeltlichkeitsverständnisses, ausschlaggebend. Dies sind nicht die Fälle, bei denen es von der Art des Erwerbs her als ausgeschlossen anzusehen ist, dass dieser dem Nachlass und damit im Ergebnis dem Nacherben zugute kommt. Diese Fallgruppe soll deshalb vorliegend nicht weiter Gegenstand der Betrachtung sein, denn es handelt sich dabei nicht um die typischen Eigenverbindlichkeiten im hier definierten Verständnis, bei denen ein Surrogationseintritt tatsächlich unmöglich ist. Auch die Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit kann ein Vorteil sein, der im Rahmen der objektiven Komponente des zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbegriffs als wertausgleichende Rechtsposition für den aus der Erbmasse weggegebenen Nachlassgegenstand anzuerkennen ist. Der von der herrschenden Meinung verwendete Begriff der Gegenleistung ist weit auszulegen, es genügt jeder angemessene vermögenswerte Vorteil187. Eine „Gegenleistung“ des Gläubigers im streng schuldrechtlichen Verständnis (§§ 320 ff.) ist dazu nicht erforderlich188. Gerade der von dem leistenden Vorerben mit der Erfüllungshandlung bezweckte Erfolg ist es, der ihm zum Vorteil gereicht und seiner Verfügung die Eigenschaft der Unentgeltlichkeit nehmen kann189. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Schuldbefreiung die gesetzlich konstituierte Folge einer Rechtshandlung ist. Denn der Gegenwert einer Zuwendung kann auch in der Rechtswirkung der Verfügung selbst liegen190. Ob auch für die hier interessierende Thematik der Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben die Schuldbefreiung als „Entgelt“ i. S. v. § 2113 Abs. 2, d. h. als ein Vermögensvorteil, der die Verfügung zu einer entgeltlichen macht, in Betracht kommen kann, erscheint gleichwohl fraglich. Denn nach der Definition der herrschenden Meinung, der hier gefolgt wird, ist die Unentgeltlichkeit einer Verfügung nur dann zu verneinen, wenn dem Nachlass selbst ein gleichwertiges Surrogat zu187 RGZ 125, 242 ff. (245, 246); RG DR 1939, 635 ff. (636). Für § 32 KO: RGZ 50, 135 ff. (137); RGZ 62, 38 ff. (45). Für § 2205: RGZ 105, 246 ff. (248). Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18. Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 75, lässt zur Entgeltlichkeit der Verfügung einen tatsächlichen, wirtschaftlich greifbaren Gegenwert, der in den Nachlass gelangt, ausreichen. 188 RGZ 62, 38 ff. (45); Liebisch, S. 40. 189 Liebisch, S. 40. 190 RGZ 62, 38 ff. (45); RGZ 105, 246 ff. (248); v. Lübtow, S. 905.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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fließt191. Die Befreiung von einer persönlichen Schuld ist dagegen wegen der zwingenden Verknüpfung mit dem Privatvermögen des Vorerben nicht als Surrogationsobjekt denkbar und kann deshalb nie der Erbmasse zugutekommen; ein Surrogationseintritt ist tatsächlich unmöglich. Im Weiteren stellt sich daher die Frage, wie der Unentgeltlichkeitsbegriff bei § 2113 Abs. 2 zu bestimmen ist, wenn der Erwerb nicht den Nachlass, sondern ausschließlich das Eigenvermögen des Vorerben erreicht.
II. Die Interpretation von § 2113 Abs. 2 bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des Vorerben 1. Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben schon nach dem Wortlaut kein Fall der „unentgeltlichen Verfügung“? Der Gesetzgeber hat neben der „Unentgeltlichkeit“ in einem zweiten Halbsatz von § 2113 Abs. 2 Satz 1 mit der „Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens“ den offensichtlichsten Fall der Verfügung über einen Nachlassgegenstand zum Zwecke der Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben geregelt. Durch die „oder-Verknüpfung“ stehen beide Tatbestandsalternativen scheinbar gleichwertig nebeneinander. Nach dem Wortlaut scheinen sich also unentgeltliche Verfügungen einerseits und die zum Zwecke der Erfüllung privater Schulden des Vorerben vorgenommenen Rechtshandlungen andererseits auszuschließen. Dagegen wäre bei einer Lesart, wonach die Erfüllung eigener Schulden des Vorerben, und damit vorzugsweise die Verpflichtung aus einem Schenkungsversprechen, schon unter den Fall der „unentgeltlichen Verfügung“ zu subsumieren wäre, dieser zweiten Tatbestandsalternative jede eigenständige Bedeutung entzogen. Nur dann, wenn die Erfüllung eines Schenkungsversprechens als der Prototyp der Tilgung einer Eigenverbindlichkeit des Vorerben kein Fall der unentgeltlichen Verfügung ist, hat die zweite Tatbestandsalternative überhaupt einen selbständigen Sinngehalt. Daraus könnte man weiterhin schlussfolgern, dass der Gesetzgeber mit der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens die Fallgruppe der Eigenschuldentilgung für § 2113 Abs. 2 abschließend regeln, d. h. ausnahmslos dann die darin vorgesehenen Rechtsfolgen herbeiführen wollte, wenn es sich um die Erfüllung einer solchen eigenen Verbindlichkeit des Vorerben handelt, der als causa ein Schenkungsversprechen zugrundeliegt. Dies hätte weiter zur Folge, dass alle übrigen Fälle der Tilgung eigener Schulden des Vorerben von vorneherein dem Anwendungsbereich des § 2113 Abs. 2 entzogen wären. 191
griffs.
So die objektive Komponente des herrschenden zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbe-
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Einem solchen Normverständnis widerspricht allerdings die Entstehungsgeschichte von § 2113 Abs. 2. Wie bereits ausgeführt, geht die Vorschrift zurück auf E I § 1828 Abs. 1 und 2 i. V. m. E I §§ 1815 – 1824, wonach noch die Nießbrauchvorschriften auf das Rechtsverhältnis zwischen Vor- und Nacherbe Anwendung finden sollten. Über E I § 1839 Satz 1 war, wie bei den §§ 2136, 2113 Abs. 2 heutige Fassung, eine Befreiung des Vorerben von dem in E I § 1839 ausgesprochenen Schenkungsverbot nicht möglich192. Die Fallgruppe der Erfüllung eines Schenkungsversprechens wurde ausweislich der Motive bewusst nicht aufgenommen. Dort heißt es193: „Des Schenkungsversprechens ist nicht besonders gedacht. Für seine Erwähnung lässt sich geltend machen, es könne bezweifelt werden, ob die Voraussetzung vorliege, dass die Verfügung unter den Begriff der Schenkungen falle, wenn der Vorerbe zunächst ein Schenkungsversprechen gegeben und sodann zur Erfüllung dieses Versprechens geleistet habe. In Betracht kommen jedoch lediglich Verfügungen dinglicher Natur, nicht, wie im Falle des § 1353 Abs. 2194, auch obligatorische Rechtsgeschäfte. Denn die obligatorische Verpflichtung des Vorerben berührt den Nacherben nicht. … Ist eine solche Verpflichtung vorausgegangen, so bilden Versprechen und Erfüllung ein die Schenkung darstellendes Ganzes.“ Die denkbare Alternative der „Erfüllung eines Schenkungsversprechens“ wurde nach den Überlegungen der Ersten Kommission somit absichtlich nicht zusätzlich neben dem normierten Schenkungsverbot aufgenommen. Die Kommission begründet ihre Auffassung damit, dass auch die Verfügung zur Erfüllung eines zunächst obligatorisch begründeten Schenkungsversprechens selbst als Schenkung anzusehen sei. Wenn auch im heute gültigen Normenwerk der Begriff der „unentgeltlichen Verfügung“ teilweise umstritten ist195, so herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die Schenkung als kleinste Einheit und gleichzeitig Hauptanwendungsfall jedenfalls darunter zu subsumieren ist196. Nach den Motiven der Ersten Kommission wäre mithin die zweite Alternative von § 2113 Abs. 2 Satz 1 überflüssig, da bloßer Unterfall zur Schenkung, die wiederum vom Begriff der unentgeltlichen Verfügung erfasst wird. Die Zweite Kommission (E II) ging von einem grundsätzlich freien Verfügungsrecht des Vorerben mit verschiedenen gesetzlich festgeschriebenen Beschränkungen aus, was auch dem heutigen Normenwerk entspricht. E II § 1986 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1197 sprach plötzlich nicht mehr von den „in einer Schenkung bestehenden Verfügungen“, sondern von solchen, die „unentgeltlich oder zum 192
Im Einzelnen dazu siehe oben S. 36 f. sowie die Nachweise in den Fußnoten 73 u. 74. Motive V, S. 129 f. = Mugdan V, S. 68. 194 Familienrechtliche Vorschrift aus dem Recht der heutigen Gütergemeinschaft. Betraf die Verfügungsmacht des Mannes über Gegenstände des Gesamtgutes, u. a. bei Schenkung. Im geltenden Recht nach Reform in dieser Fassung nicht mehr vorhanden. 195 Siehe oben S. 32 ff. 196 BGH NJW 1963, 1613 ff. (1614); Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. (352); Planck/Flad, § 2113 Anm. 2; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18. 197 Abgedruckt bei Mugdan V, S. XVI und XVII. 193
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens“ erfolgten198. Ein Grund für die – den Überlegungen der Ersten Kommission widersprechende – Einfügung der weiteren, zweiten Alternative ist den Anträgen und Gesetzesmaterialien der Zweiten Kommission nicht zu entnehmen. Während der Beratungen wurde jedoch zu § 1815 c des Hauptantrages, der selbst noch keine Regelung über das Verbot unentgeltlicher Verfügungen enthielt199, in einem Änderungsantrag vorgeschlagen200, Absatz 1 wie folgt zu fassen: „Verfügungen des Vorerben über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände sind auch dem Nacherben gegenüber wirksam.“ Absatz 2 sollte lauten: „Ausgenommen sind Verfügungen über die Erbschaft als Ganzes, Verfügungen über ein Grundstück und unentgeltliche Verfügungen.“ In einem zweiten Änderungsantrag war vorgeschlagen201, den Abs. 2 wie folgt zu schließen: „… und unentgeltliche Verfügungen, welche nicht in einer Schenkung bestehen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.“ Auch bzgl. § 1815 d202 des Hauptantrages, der als eine der Ausnahmen zu § 1815 c Verfügungen des Vorerben über Grundstücke für unwirksam erklären sollte, war in einem Änderungsantrag lediglich folgende Formulierung vorgeschlagen:203 „Das Gleiche gilt von unentgeltlichen Verfügungen über andere zur Erbschaft gehörende Gegenstände“204. Allen Anträgen ist gemeinsam, dass sie den Fall der „Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens“ ausdrücklich nicht erfassen205. Ein Grund dafür ist den Materialien nicht zu entnehmen. Hingegen wurde an anderer Stelle zum letzten Halbsatz des E I § 1840 („… für verschenkte verbrauchbare Sachen hat jedoch der Vorerbe deren Wert zur Zeit der Schenkung zu ersetzen.“)206, auf den der heutige § 2138 zurückgeht, von einer Seite ausgeführt: „Das Schen198
Dazu siehe auch oben S. 37 f. Die Zweite Kommission hatte sich von der noch dem Ersten Entwurf zugrundeliegenden Nießbrauchskonstruktion (E I § 1815) vollständig distanziert. Aufgrund eines Hauptantrages, der die §§ 1815 bis 1815 o umfasste (abgedruckt Protokolle V, S. 98 – 101) und zu denen Änderungsanträge gestellt wurden, behandelte sie den Vorerben wie einen grundsätzlich verfügungsbefugten Erben, der im Interesse des Nacherben zahlreichen Beschränkungen unterworfen war. § 1815 c Satz 1 hatte folgenden Wortlaut: „Der Vorerbe kann über die zu der Erbschaft gehörenden Gegenstände mit Wirkung gegen den Nacherben verfügen, soweit sich nicht aus den Vorschriften der §§ 1815 d bis 1815 g ein Anderes ergibt.“ 200 Protokolle V, S. 97 = Mugdan V, S. 570. 201 Protokolle V, S. 97 = Mugdan V, S. 570. 202 Protokolle V, S. 99 = Mugdan V, S. 571. 203 Protokolle V, S. 101 = Mugdan V, S. 571. 204 Freilich wurde dann erkannt, dass durch die Beschlüsse zu § 1815 c der § 1815 d und der Antrag 1 in Bezug auf die unentgeltlichen Verfügungen bereits erledigt waren; vgl. Protokolle V, S. 102. 205 Ebenso Denkschrift des Reichsjustizamtes an den Reichstag vom 17. 1. 1896: „Verfügungen des Vorerben über ein zur Erbschaft gehöriges Grundstück … Grund- oder Rentenschulden, ferner unentgeltliche Verfügungen über einen Erbschaftsgegenstand sind im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, …“; abgedruckt bei Mugdan V, S. 864. 206 Abgedruckt bei Mugdan V, S. XIX. 199
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
kungsversprechen sei neben der Schenkung nicht besonders erwähnt. Der Vorerbe könne also das Verbot der Schenkung dadurch umgehen, dass er sich im Wege der Schenkung zur Übertragung eines Erbschaftsgegenstandes verpflichte. Die Herausgabe selbst erfolge dann auf Grund der obligatorischen Verpflichtung. – Die Komm. war darüber einverstanden, dass auch ein solches Schenkungsversprechen verboten sein solle, und überließ es der Red.Komm. zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die bisherige Redaktionsweise eine ausdrückliche Verdeutlichung der Vorschriften geboten sei.“207 Diese Überlegungen zeigen, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand auf Grund eines zuvor erteilten Schenkungsversprechens fraglos verboten sein und, wenn im Gesetzestext erwähnt, dann allenfalls verdeutlichenden Charakter haben sollte. Damit wird dieser Variante zugleich ein eigenständiger Regelungsgehalt abgesprochen. Bei der Entscheidung über die Einfügung selbst war auf die bisherige Redaktionsweise Rücksicht zu nehmen. Darin könnte dann auch der Grund zu finden sein, warum die hier zu untersuchende Tatbestandsalternative dennoch Eingang in E II § 1986 gefunden hat und sich daran weder in der Bundesratsvorlage (§ 2090) noch in der Reichstagsvorlage (§ 2088) noch im heute gültigen § 2113 Abs. 2 etwas geändert hat. Wie an einigen Stellen der Gesetzesmaterialien zu Tage tritt, wurde bzgl. des Gesetzeswortlauts an die familienrechtlichen Vorschriften der E I § 1353 = E II §§ 1343 ff.208 im Recht der heutigen Gütergemeinschaft angeknüpft209. Da in diesen Bestimmungen von Beginn an die Alternative der „Erfüllung eines (vom Manne ohne Zustimmung seiner Frau erteilten) Schenkungsversprechens“ im Tatbestand enthalten war, liegt die Vermutung nahe, dass diese Formulierung von der Redaktionskommission für das Recht der Vor- und Nacherbfolge übernommen worden ist. Die Parallele zu den genannten Vorschriften des Familienrechts unterstreicht aber nur die soeben festgestellte Unselbständigkeit der hier zu untersuchenden Tatbestandsalternative. Im Gegensatz zum heutigen § 2113 Abs. 2, bei dem allein der dingliche Vertrag der Unwirksamkeitssanktion unterstellt wird, war in E I § 1353 Abs. 2 auch bereits das Eingehen eines Schenkungsversprechens, also der obligatorische Teil, an die Einwilligung der Ehefrau mit der Begründung gebunden, jede Verbindlichkeit des Mannes sei auch Gesamtgutsverbindlichkeit.210 Zur Frage der Erfüllung eines solchen Schenkungsversprechens wird im Anschluss daran ausgeführt211: „In gleicher Weise wie der dingliche Vertrag, durch den ein zum Gesamtgute gehörender Gegenstand verschenkt wird, fällt auch derjenige dingliche Vertrag unter den § 1353 Abs. 2, durch den über einen solchen Gegenstand zum Zwecke der Er207
Protokolle V, S. 157 = Mugdan V, S. 593. Abgedruckt bei Mugdan IV, S. XXXIV und XXXV. 209 Motive V, S. 130 = Mugdan V, S. 68; Protokolle V, S. 98 = Mugdan V, S. 571; auf diese Zusammenhänge ebenfalls hinweisend Planck/Flad, § 2113 Anm. 1 b und Anm. 2. 210 Motive IV, S. 195 = Mugdan IV, S. 196. 211 Motive IV, S. 195 = Mugdan IV, S. 196. 208
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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füllung eines nach § 1353 Abs. 2, Abs. 3 unwirksamen Schenkungsversprechens verfügt wird, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob dieser Ausführungsvertrag nach den Bestimmungen über Schenkungen (§§ 437, 441) selbst als Schenkung zu betrachten ist.“ Hier wird erneut die Tendenz des Gesetzgebers deutlich, den auf das Schenkungsversprechen folgenden Erfüllungsvorgang im Ergebnis mit einer Schenkung gleichsetzen und daher nur unter Klarstellungsgesichtspunkten in den Gesetzeswortlaut mit aufnehmen zu wollen. Somit ist festzuhalten: Der Wortlaut von § 2113 Abs. 2 Satz 1 spricht auf den ersten Blick dafür, die Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben nicht als Fall einer unentgeltlichen Verfügung anzusehen, anderenfalls die zweite Tatbestandsalternative der Vorschrift obsolet wäre. Ein solcher Argumentationsgang ist aber nur dann stimmig, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers dieser zweiten Alternative überhaupt ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommen würde. Dies ist, wie die soeben durchgeführte Analyse der Entstehungsgeschichte zu § 2113 Abs. 2 gezeigt hat, gerade nicht der Fall. Die Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt, ist im Ergebnis eine Schenkung des Vorerben und damit ein Unterfall (von vielen) einer „unentgeltlichen Verfügung“ i. S. v. § 2113 Abs. 2. Einer Erwähnung als zweite Tatbestandsalternative der Vorschrift hätte es, da aus Sicht des Normgebers vom Schenkungsverbot mit umfasst, eigentlich nicht bedurft212 ; sie dient lediglich der Klarstellung in einem den Bestand des Nachlasses besonders gefährdenden Fall. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber mit der Tatbestandsalternative der Erfüllung eines Schenkungsversprechens den Fall der Eigenschuldentilgung des Vorerben nicht abschließend für § 2113 Abs. 2 regeln wollte. Im Anschluss ist daher zu untersuchen, wie es sich im Einzelnen mit der Unentgeltlichkeit sowie Unwirksamkeit der Vielzahl anderer denkbarer Verfügungen des Vorerben verhält, die dieser zum Zwecke der Erfüllung seiner privaten Verbindlichkeiten (die nicht aus einem Schenkungsversprechen folgen) zu Lasten der Erbmasse vornimmt. Wie schon mehrfach angedeutet, erscheint es sinnvoll, bei der Ergebnisfindung zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft zu differenzieren. Angesichts der Tatsache, dass entgegen dem gesetzlich vorgesehenen Regel-/Ausnahmeverhältnis in der überwiegenden Mehrzahl der praktischen Fälle der befreite Vorerbe die bedeutsamere Rolle spielt213, sollen im Folgenden die Probleme jeweils zunächst anhand des befreiten Vorerben diskutiert werden.
212 213
Zu diesem Ergebnis gelangt auch Endemann, S. 412 vor 3. Kummer, Anm. zu BGH-Beschl. v. 29. 9. 1993, ZEV 1994, S. 47.
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2. Das Unentgeltlichkeitsverständnis bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des befreiten Vorerben Sinn und Zweck von § 2113 Abs. 2 werden allgemein dahin verstanden, den Nacherben gegen eine durch Verringerung der Erbschaftsmasse herbeigeführte Schmälerung seines an der Erbschaft bestehenden Anwartschaftsrechtes zu schützen; der Stamm des Nachlasses soll im Interesse des Nacherben weitestgehend erhalten bleiben214. Vor dem Hintergrund eines solchen Normzwecks neigt man dazu, mit einem Teil der Literatur215 die aus Nachlassmitteln bewirkte Tilgung eigener Schulden des Vorerben stets als unentgeltliche Verfügung zu beurteilen, und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser Befreiung angeordnet hat oder nicht. Die Nachlasssubstanz wird reduziert und damit die Rechtsposition des Nacherben geschwächt, es fehlt dem Sondervermögen an einem Wertausgleich für den weggegebenen Nachlassgegenstand. Denn wie gezeigt, kommt bei Erfüllung von Eigenverbindlichkeiten die eintretende Schuldbefreiung nur dem Privatvermögen des Vorerben zugute, nicht aber dem Nachlass; ein Surrogationseintritt ist tatsächlich unmöglich. Ein solches Ergebnis ist aber nur dann akzeptabel, wenn § 2111 und der darin verankerte Grundsatz dinglicher Surrogation für die objektive Komponente des zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbegriffs insoweit abschließend wäre. Nachfolgend ist zu prüfen, ob es bei befreiter Vorerbschaft nicht möglicherweise für die Bejahung der Entgeltlichkeit einer Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 bereits genügt, wenn der Vermögensvorteil zwar nicht dem Nachlass, aber auch nicht einem beliebigen Dritten, sondern ausschließlich dem ungebundenen Eigenvermögen des Vorerben zugute kommt. a) Die Befreiung des Vorerben von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 Nach § 2134 Satz 1 ist der Vorerbe in Fällen eigennütziger Verwendung von Erbschaftsgegenständen dem Nacherben zum Wertersatz dafür verpflichtet. Der von dieser Ersatzpflicht befreite Vorerbe ist als solcher befugt, Vermögenswerte des Nachlasses, mithin auch die aus der Veräußerung eines Erbschaftsgegenstandes erhaltene Gegenleistung216, für sich zu verwenden217. Daher kann eine entgeltliche 214
Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 1. NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 44; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77. 216 Eine Befreiung von dem Recht der Vor- und Nacherbschaft immanenten Prinzip dinglicher Surrogation ist dem Erblasser nicht möglich (siehe oben S. 41 ff.), weswegen dieser Grundsatz auch zu Lasten des befreiten Vorerben gilt. 217 BGH NJW 1955, 1354; BayObLG DNotZ 1958, 89 ff. (91); BGH NJW 1977, 1631 f. (1632); BGH NJW 1984, 366 ff. (367); Burandt/Rojahn/Lang, § 2113 Rz. 29; Damrau/Bothe/ Hennicke, Erbrecht, § 2113 Rz. 14; NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 42; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 11; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 79. Teilweise heißt es in diesem Zusammenhang sogar, dem Vorerben werde mit der Befreiung von § 2134 Satz 1 gleichsam gestattet, Nachlassgegenstände für sich zu verwenden (Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2134 Rz. 1). Dies 215
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Verfügung auch dann vorliegen, wenn er nur zu seinen Gunsten über einen Nachlassgegenstand verfügt218. Dabei ist ohne Belang, ob der befreite Vorerbe einen Gegenstand des Nachlasses unmittelbar selbst verbraucht oder mittelbar dadurch, dass der Gegenwert wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts notwendig seinem ungebundenen Privatvermögen zufällt. Aus Sicht des schutzwürdigen Nacherben ist es gleichbedeutend, ob der Vorerbe – erlaubtermaßen und ohne Ersatzpflicht – regelmäßig wiederkehrend aus dem Nachlass seinen Nahrungsmittelbedarf durch unmittelbaren Verzehr befriedigt oder aber sich gegen Veräußerung eines Nachlassgegenstandes ein auf die Zukunft gerichtetes Beköstigungsrecht einräumen lässt; in beiden Fällen erhält der Nacherbe im Nacherbfall eine gleichermaßen reduzierte Nachlasssubstanz. Vor dem Hintergrund des Nacherbenschutzes ist kein Grund ersichtlich, die beiden soeben beschriebenen Arten von Eigenverbrauchshandlungen des Vorerben unterschiedlich zu bewerten. Entscheidend ist allein die Verwendung in der Person des Vorerben und nicht für Dritte219. Zudem wäre es sowohl eine rein formalistische Argumentation als auch ein Widerspruch zu der in den §§ 2136, 2134 getroffenen Freistellung des Vorerben, wenn man ihm zubilligte, zum Nachlass gehörige Gegenstände unmittelbar für seinen eigenen Bedarf zu verbrauchen, ihn aber mittelbar hinderte, den Erlös aus dem Verkauf eines Nachlassgegenstandes für sich zu verwenden, indem man im Fall eines zwingenden Zuflusses der Gegenleistung in sein Privatvermögen die das obligatorische Geschäft vollziehende Verfügung als unentgeltlich und damit rechtsschädlich ansehen wollte. Die aus der Befreiung von der Wertersatzpflicht des § 2134 resultierende Verbrauchsbefugnis des Vorerben spricht somit dafür, eine Verfügung auch dann als entgeltlich anzusehen, wenn der Grundsatz dinglicher Surrogation, der auch bei befreiter Vorerbschaft in vollem Umfang eingreifen würde, versagt, solange der
ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus den Bestimmungen der §§ 2134, 2136. Wörtlich gesehen bewirkt die Befreiung von § 2134 Satz 1 zunächst nur, dass der befreite Vorerbe bei eigennütziger Verwendung von Nachlassmitteln dem Nacherben keinen Wertersatz dafür schuldet. Damit geht nicht zwingend eine positive Gestattung des Vorerben zum Eigenverbrauch einher. Allerdings soll § 2134 Satz 1 dem Vorerben auch kein Recht eröffnen, Erbschaftsgegenstände für sich zu verwenden, wenn und soweit er dafür Wertersatz leistet. Das Gegenteil ist der Fall. Die Wertersatzpflicht nach § 2134 Satz 1 ist eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes, dass dem nicht befreiten Vorerben nur die Nutzungen, nicht aber die Substanz der Erbschaft gebühren (Palandt/Weidlich, § 2134 Rz. 1). Von daher statuiert § 2134 Satz 1 zwar primär eine Wertersatzpflicht des Vorerben, gleichzeitig aber auch ein grundlegendes Verwendungsverbot zu Lasten des Erbschaftsstammes (Burandt/Rojahn/Lang, § 2134 Rz. 1). Damit folgt aus der Befreiung des Vorerben von § 2134 Satz 1 zugleich auch ein Verbrauchsrecht in Bezug auf die Nachlasssubstanz. 218 Nachweise in vorstehender Fn. und Johannsen, WM 1970, 2 ff. (3) und WM 1979, 605 f. (606); v. Lübtow, S. 904. 219 Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 18; Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. (104).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Gegenwert in das persönliche Vermögen des Vorerben fließt220. Ob ein Surrogationseintritt aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, spielt in diesem Zusammenhang kein Rolle. Denn in beiden Fällen ist der Vermögensvorteil untrennbar mit dem Privatvermögen des befreiten Vorerben verbunden, worauf allein es ankommt221. Dagegen wendet sich Ludwig mit dem Argument, eine solche Betrachtung liefe auf eine Befreiung von der Surrogationsvorschrift des § 2111 Abs. 1 Satz 1 hinaus, was nach § 2136 nicht möglich sei222. Der Autor konzediert zwar, dass der von § 2134 befreite Vorerbe Erbschaftsgegenstände für sich verwenden dürfe. Dieser Verwendungsbefugnis sei aber durch die Unwirksamkeit unentgeltlicher Verfügungen nach § 2113 Abs. 2 eine Grenze gezogen. Zudem seien mit dem zulässigen Verbrauch von Nachlassgegenständen grundsätzlich nur Realakte wie Verbindung und Vermischung zu verstehen223. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Der Gedanke, § 2113 Abs. 2 setze der Verwendungsbefugnis des von der Vorschrift des § 2134 befreiten Vorerben eine Grenze, ist so nicht zutreffend und überzeugt inhaltlich nicht als Argument in der hier zu entscheidenden Frage. Er findet schon im Gesetzeswortlaut dieser Bestimmungen keine Stütze. Ludwig verkennt, dass es vorliegend um die Interpretation eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs, nämlich dem der „Unentgeltlichkeit“ von Verfügungen in bestimmten Fallkonstellationen, geht. Das in § 2111 verankerte Prinzip dinglicher Surrogation bezweckt hingegen, den nach allgemeinen Grundsätzen im Eigenvermögen des Vorerben anfallenden Erwerbsgegenstand der Erbschaft zuzuordnen. Wie bereits gezeigt, lässt sich in den Fällen der Eigenschuldentilgung der erlangte Vermögensvorteil aus tatsächlichen Gründen nicht von dem persönlichen Vermögen des Vorerben trennen. Darin liegt aber keine Befreiung von den Prinzipien des § 2111. Das Gegenteil ist der Fall. Die hier vorgetragene Argumentation erkennt im Rahmen der objektiven Komponente des zweigliedrigen 220 BGH NJW 1955, 1354; BGH NJW 1977, 1540 f. (1540); BGH NJW 1984, 366 ff. (367); OLG Hamm MittRhNotK 1990, 278 ff. (280); Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2113 Rz. 14; Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 14. 221 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1952, BGHZ 7, 274 ff., vertrat der BGH im Leitsatz noch folgende Auffassung: „Als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 sind nur diejenigen Gegenleistungen anzusehen, die dem Nachlass zufließen.“ Es muss aber bezweifelt werden, ob der BGH mit seiner damaligen Entscheidung so weit gehen und ausnahmslos denjenigen Gegenleistungen, die in den Nachlass gelangen, die Entgeltlichkeit zusprechen wollte. Der BGH hatte nämlich nur über die Entgeltlichkeit solcher Verfügungen zu entscheiden, bei denen der Gegenwert in das freie Vermögen eines einzelnen Nacherben gelangt ist. Gegenleistungen, die dem befreiten Vorerben zufließen, waren gar nicht Gegenstand der Betrachtung. Von daher liegt die Kritik in der Absolutheit der Abfassung des amtlichen Leitsatzes. Diese Auffassung wurde dann auch im Jahre 1955 in einer weiteren Entscheidung des BGH, abgedruckt in NJW 1955, 1354, ausdrücklich zu Gunsten der hier vertretenen Meinung relativiert (so auch Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. [104]). 222 Ludwig, S. 176. 223 Ludwig, S. 176 in Fn. 74.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Unentgeltlichkeitsbegriffs gerade die vorzugsweise Bedeutung der dinglichen Surrogation und damit das primäre Postulat eines Mittelzuflusses in den Nachlass an. Die sich daran anzuschließende und hier diskutierte Frage ist lediglich, wie es um die Entgeltlichkeit solcher Eigenverbrauchshandlungen des befreiten Vorerben steht, bei denen der Grundsatz dinglicher Ersetzung unabänderlich versagt. Diese Frage dahingehend zu beantworten, solche Verfügungen seien unentgeltlich, eben weil § 2111 nicht eingreift, erweist sich als Fehlschluss. Denn es geht ja gerade um die Frage der Entgeltlichkeit solcher Verfügungen, bei denen kein Surrogationsgegenstand vorhanden ist. § 2113 Abs. 2 setzt folglich der Verwendungsbefugnis des befreiten Vorerben keine Grenze, denn die Vorschrift kann weder solche Handlungen noch die Tatsache, dass der Vorerbe bei insoweit angeordneter Befreiung dem Nacherben gegenüber nicht zum Wertersatz nach § 2134 Satz 1 verpflichtet ist, unterbinden. Von Ludwig gemeint war möglicherweise, dass das Recht des befreiten Vorerben, Erbschaftsgegenstände eigennützig zu verbrauchen, nicht automatisch zur Entgeltlichkeit einer dieser Verbrauchshandlung etwaig zugrundeliegenden Verfügung führen darf. Eine solche Schlussfolgerung wäre in der Tat verfehlt und liefe auf eine unzulässige Befreiung vom Verbot unentgeltlicher Verfügungen des Vorerben nach § 2113 Abs. 2 hinaus. Hier geht es indes darum, die These, die Entgeltlichkeit einer Verfügung verlange auch beim befreiten Vorerben objektiv stets und unabdingbar einen Mittelzufluss in den Nachlass224, einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Die Befreiung von § 2134 Satz 1 spricht – als ein Argument von mehreren – gegen eine solche uneingeschränkte Sichtweise, was aber nicht bedeutet, dass damit § 2113 Abs. 2 bei befreiter Vorerbschaft als aufgehoben gilt. Erleidet der Nachlass durch eine Handlung des befreiten Vorerben zum Eigenverbrauch eine Einbuße, kann es sich bei dieser Maßnahme, auch wenn der Vorerbe aufgrund der Befreiung dem Nacherben nicht zum Wertersatz verpflichtet ist, immer noch um eine unentgeltliche Verfügung im Sinne von § 2113 Abs. 2 handeln. Sollte Ludwig mit seinem Gedanken, § 2113 Abs. 2 setze der Verwendungsbefugnis des befreiten Vorerben eine Grenze, genau das gemeint haben, wäre einer solchen Aussage vom Ergebnis her zuzustimmen, was aber nichts an der inhaltlichen Unzulänglichkeit als Argument für den vorliegenden Problemkreis ändert. Schließlich lässt Ludwig eine Begründung für seine Behauptung vermissen, der Verbrauch von Nachlassgegenständen erfasse nur die Fälle der Verbindung und Vermischung. Für eine solche Einschränkung gibt es im Gesetz keine Anhaltspunkte. b) Die Verwirklichung des Erblasserwillens Die befreite Vorerbschaft entspricht dem gemeinrechtlichen „fideicommissum eius quod superfuturum erit“225, durch das der Testator dem Fiduziar das Recht zu 224
Dem scheint sich auch Ludwig anzuschließen, der auf Seite 176 ausführt: „Der Vorerbe kann demnach keine Verfügungen vornehmen, bei denen kein Gegenwert in den Nachlass fließt.“ 225 Röder, S. 43; Kipp/Coing, § 51 I.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
freier Verfügung geben konnte (so noch der Wortlaut des heutigen § 2137 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1)226. Dementsprechend wird heute mit der Möglichkeit der Befreiungsanordnung dem Bedürfnis des Erblassers Rechnung getragen, ganz nach seinem Willen mehr das Interesse des ihm nahestehenden Vorerben zu berücksichtigen, indem er diesem eine freiere Rechtsstellung gewährt, als das bei normaler Vorerbschaft der Fall sein würde227. Die Motivation des Erblassers versteht sich als Kombination des Vertrauens in den Vorerben und in dessen fiduziarische Verwaltung des Erbschaftsstammes228 mit dem Bestreben der dem praktischen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Stärkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung des Vorerben229, der möglichst frei schalten und walten können soll. Besonders unter Ehegatten entspricht es regelmäßig dem Willen des Erblassers, dass die Versorgung des Überlebenden durch Gewährung einer starken Rechtsposition uneingeschränkt sichergestellt ist, sei es auch auf Kosten der Anwartschaft der Nacherben. Vor diesem Hintergrund sollte es dem befreiten Vorerben, so beispielsweise dem in dieser Weise eingesetzten überlebenden Ehepartner, möglich sein, auch ihn ausschließlich persönlich treffende Schulden dauerhaft wirksam und damit entgeltlich i. S. v. § 2113 Abs. 2 aus dem Nachlass zu begleichen, ohne auf die Zustimmung der Nacherben angewiesen zu sein230. Anderenfalls hätte es nicht der Freistellung bedurft. Das gilt für alle Fälle, in denen unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung im Ergebnis die Begünstigung auf Seiten des Vorerben liegt. Denn bei befreiter Vorerbschaft steht für den Erblasser nicht die Erhaltung seines Vermögensstammes für den Nacherben, sondern die Förderung des Vorerben, der unter Lebenden weitgehend frei und von der Mitwirkung des Nacherben unabhängig sein soll, im Vordergrund231. Er will dann sein Vermögen lieber dem Vorerben als dem Nacherben zukommen lassen232. Auch das Interesse des Erblassers spricht bei befreiter Vorerbschaft somit dafür, dass der Vorerbe seine privaten Schulden zu Lasten der Erbschaft begleichen darf. Er verfügt dann entgeltlich, selbst wenn der erlangte Vermögensvorteil nicht dem Nachlass oder dem Nacherben zugute kommt.
226 Dernburg, § 123, mit der Einschränkung, dass das letzte Viertel nur in Notfällen angegriffen werden durfte. 227 Kipp/Coing, § 51 I. 228 Endemann, ErbR, S. 51; Esch/Baumann/Schulze z. W., Rz. 533. 229 Esch/Baumann/Schulze z. W., Rz. 533; Gursky, S. 116. 230 Durch Zustimmung des/der Nacherben wird die Beeinträchtigung und damit die Unwirksamkeit ausgeschlossen; vgl. statt aller: Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 26. 231 Dietz, S. 216; Lange/Kuchinke, § 28 VI 2 a. Dafür, dass eine enge Auslegung des Begriffs der Entgeltlichkeit regelmäßig dem Willen des Erblassers widerspricht: Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. (104). 232 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 19.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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c) Die Interessen des Nacherben Verständlicherweise ist der Nacherbe bestrebt, das Erbschaftsvermögen im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge möglichst ohne Einbußen zu erhalten. Er hat daher ein Interesse an einer extensiven Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs in § 2113 Abs. 2. Es stellt sich daher die Frage, ob es dem berechtigten Interesse des Nacherben zuwiderläuft, wenn man zu der Regel, dass für die Entgeltlichkeit einer Verfügung dem Nachlass ein Surrogationsobjekt zugute kommen muss, eine Ausnahme dergestalt macht, dass bei befreiter Vorerbschaft eine persönliche Begünstigung des Vorerben genügt. Zu berücksichtigen ist jedoch die Besonderheit der Rechtsfigur der „befreiten Vorerbschaft“. Der befreite Vorerbe ist berechtigt, Nachlassgegenstände für sich zu verwenden, er darf damit den Stamm der Erbschaft zu seinem eigenen Nutzen antasten233. Der Nacherbe soll nur das erhalten, was übrig bleibt234. Mit dieser seitens des Erblassers gewollten Erhöhung der Rechtsmacht des Vorerben korrespondiert die Abschwächung der schützenswerten Nacherbenanwartrechte235. Die solchermaßen geltende Begrenzung des Interesses des Nacherben an der Erhaltung der Erbschaftssubstanz wirkt sich gleichzeitig einschränkend auf den Umfang des Schutzzwecks der Norm aus und rechtfertigt somit eine nicht allzu extensive Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs. Wollte man dagegen Avenarius236 folgen und die Tilgung von Eigenverbindlichkeiten auch des befreiten Vorerben als unentgeltliche Verfügung qualifizieren, wären Sinn und Zweck der Norm überstrapaziert. Diese können nur so weit gehen, wie das Interesse des Nacherben an der Erhaltung der Erbschaftssubstanz selbst reicht. Der befreite Vorerbe darf Nachlasswerte für sich verbrauchen, damit auch zur Tilgung privater Schulden. Würde man derartige Verfügungen der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 unterwerfen, wäre dadurch ein Interesse des Nacherben an solchen Erbschaftsgegenständen berücksichtigt, die dem Schutzbereich der Norm konkret für den Fall der Befreiung gerade entzogen sind. Die Gewährung eines Schutzes über die im Einzelfall geltenden Grenzen des Normzwecks hinaus ist aber genauso wenig akzeptabel, wie ein Ergebnis, das schutzwürdige Belange des Nacherben außer Betracht lässt. Diesen Überlegungen steht auch § 2136 nicht entgegen. Die Vorschrift statuiert im Interesse des Nacherben die äußerste Grenze der dem Vorerben vom Erblasser erteilbaren Befreiungsmöglichkeiten237 und beschreibt damit zugleich die Grenzen zur unbeschränkten Vollerbschaft. Denn wenn der Erblasser die Möglichkeit hätte, 233
Haegele, BWNotZ 1974, 89 ff. (93); Kipp/Coing, § 49 Fn. 35; Rohmer, S. 39. Lange/Kuchinke, § 28 VI 2 a. 235 Endemann, S. 444 unter b. 236 Siehe oben S. 28 f. 237 Erman/M. Schmidt, § 2136 Rz. 3; Soergel/Harder/Wegmann, § 2136 Rz. 1; Ebenroth, Rz. 598. 234
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
den Vorerben von sämtlichen Verpflichtungen und Beschränkungen zu befreien, hätte der Vorerbe damit im Ergebnis alle Befugnisse eines Vollerben, die angeordnete Vorerbschaft verlöre aus Sicht des Nacherben ihren Sinn und Zweck. Eine dieser Ausnahmen von der Befreiung betrifft § 2113 Abs. 2 mit dem Ziel, dass selbst der weitestgehend freigestellte Vorerbe nicht unentgeltlich über Nachlassgegenstände verfügen darf. Qualifiziert man nun, wie hier vorgeschlagen, Verfügungen zum Zwecke der Erfüllung eigener Schulden des Vorerben als stets entgeltlich, würde damit zweifelsohne der Kreis wirksamer Handlungsmöglichkeiten des befreiten Vorerben auf Kosten des Nacherben erweitert, indem gerade solche, die Nachlasssubstanz besonders beeinträchtigende Maßnahmen des Vorerben dem Rechtsfolgenbereich des § 2113 Abs. 2 entzogen wären. Je extensiver also die Entgeltskategorie bei befreiter Vorerbschaft gerade mit dem Argument der angeordneten Freistellung verstanden wird, desto merklicher verliert die als Umkehrschluss aus § 2136 folgende Unzulässigkeit einer Befreiung von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 durch den Erblasser an Bedeutung. Es stellt sich somit die Frage, ob nicht durch eine Lösung, die schematisierend für bestimmte Lebenssachverhalte eine Verfügung des freigestellten Vorerben als entgeltlich beurteilt und so der auch bei befreiter Vorerbschaft geltenden Schranke des § 2113 Abs. 2 entzieht, die mit der Vorschrift des § 2136 indirekt bewirkte Mindestsicherung des Nacherbenanwartschaftsrechtes unterlaufen wird. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Hat sich der Erblasser im Rahmen seiner erbrechtlich zulässigen Gestaltungsfreiheit in einem ersten Schritt für die Anordnung einer Vorerbschaft entschieden, bedeutet dies zunächst gleichzeitig eine Entscheidung für alle den Vorerben verpflichtenden oder beschränkenden Regelungsinstrumente, die das Gesetz während der Dauer der Vorerbschaft im Interesse des Nacherben bereithält. § 2136 ermöglicht es dem Erblasser, zugunsten des Vorerben Abweichungen von diesem gesetzlichen Regelungsprogramm anzuordnen. Diese Anordnung von Befreiungen setzt formal einen zweiten (letztwilligen) Entschluss des Erblassers voraus, auch wenn dies in der Praxis bei Errichtung von Testamenten dem Erblasser kaum bewusst sein dürfte. Bei § 2136 liegt der Nachdruck daher auf der vom Erblasser willentlich angeordneten, positiven Verstärkung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Vorerben als Steigerung des rechtlichen Könnens238. Diese für die Dauer der Vorerbschaft selbständigere Rechtsmacht des befreiten Vorerben ist Anknüpfungspunkt für Auslegung und praktische Rechtsanwendung239. Das zeigt sich besonders deutlich in der Befreiung von § 2134. Dadurch, dass der Erblasser den Vorerben von der Wertersatzpflicht bei Eigenverwendung von Nachlassmitteln entbindet, dokumentiert er seinen Willen, die Rechtsposition des Vorerben bei ersatzlosem Verbrauch von Nachlassmitteln zu stärken. Damit lässt sich zwar aus § 2136 keine unmittelbare Aussage zur Frage der Entgeltlichkeit i. S. d. § 2113 Abs. 2 ableiten, allerdings mittelbar über § 2134, der in § 2136 als Vorschrift, von der 238 239
Soergel/Harder/Wegmann, § 2136 Rz. 1; Endemann, S. 444 vor a. Endemann, S. 444 unter a.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Befreiung erteilt werden kann, ausdrücklich genannt ist. Selbst wenn daher durch die Unzulässigkeit einer Befreiung von § 2113 Abs. 2 ein gewisses Grundpotential an Beschränkungen auch bei befreiter Vorerbschaft garantiert werden soll, bedeutet dies nicht, dass bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Entgeltlichkeit“ nicht Wertungen herangezogen werden dürfen, die sich mittelbar aus der Tatsache der erblasserseits angeordneten Befreiung ergeben. Es kann also nicht davon gesprochen werden, dass § 2136 und die dort zum Ausdruck gebrachte Untersagung einer Befreiung des Vorerben von der Schranke des § 2113 Abs. 2 durch eine Ausweitung bei der Begriffsbestimmung entgeltlicher Verfügungen umgangen würde. § 2136 soll nicht die dort unerwähnt bleibenden Schranken in besonderem Maße betonen, sondern dem Erblasser die Möglichkeit einer Verstärkung der Rechtsmacht des Vorerben einräumen. Die Berücksichtigung der Tatsache der angeordneten Freistellung des Vorerben bei der Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs führt daher nicht zu einer im Sinne von § 2136 unzulässigen Erweiterung des aktiven Gestaltungsspielraums des Erblassers. Vielmehr wird dadurch der mit der in § 2136 zugelassenen und durch letztwillige Verfügung des Erblassers umgesetzten Befreiung von § 2134 zum Ausdruck kommenden Verselbständigung der Rechtsstellung des befreiten Vorerben bei Eigenverbrauch von Nachlassmitteln im besonderen Maße Rechnung getragen. Unterstellt man – wofür nach den bisherigen Überlegungen einiges sprechen dürfte –, dass für den nicht befreiten Vorerben die Tilgung von Eigenverbindlichkeiten auf Kosten des Nachlasses immer unentgeltlich ist, führte dies zu der bemerkenswerten Konsequenz, dass ein vollkommen identischer Sachverhalt in Bezug auf § 2113 Abs. 2 hinsichtlich der beiden Formen der Vorerbschaft unterschiedlich bewertet würde. Auch dieses Resultat könnte mit § 2136 kollidieren. Das Gesetz gibt durch die Versagung der Möglichkeit einer Befreiung von § 2113 Abs. 2 zu erkennen, dass jene Schranke für den befreiten wie für den nicht befreiten Vorerben gleichermaßen Geltung erlangen soll, also in diesem Punkt offenbar ein Gleichlauf zwischen den beiden Arten der Vorerbschaft gewollt ist. Dieses Bedenken erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als unbegründet. Was die Vorschriften der §§ 2136, 2113 Abs. 2 anbelangt, so muss zwischen Voraussetzung und Wirkung unterschieden werden. Hinsichtlich der Wirkung ist die Verfügungsmacht des befreiten Vorerben bei unentgeltlichen Verfügungen im gleichen Umfang eingeschränkt wie bei nicht befreiter Vorerbschaft. Die Voraussetzungen der Unwirksamkeit sind indessen beim befreiten Vorerben anders zu bestimmen240. Denn durch das Verbot der Befreiung von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 wird nichts darüber gesagt, welche Kriterien bei der Auslegung von Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift heranzuziehen sind oder gar, dass diese innerhalb der beiden Formen der Vorerbschaft nicht differieren dürften. Es ist nur konsequent, bei der Bestimmung eines Rechtsbegriffs wie dem der Unentgeltlichkeit einer Verfügung Besonderheiten zu berücksichtigen, solange diese sachgerecht sind und nicht zu einer missbräuch240
Kipp/Coing, § 51 III 2 a.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
lichen Umgehung des Befreiungsverbots führen. Der befreite Vorerbe darf zwar aus dem Nachlass nichts an Dritte verschenken, ein Eigenverbrauch der Erbschaftssubstanz ist ihm hingegen erlaubt241. Dieser – im Vergleich zum gewöhnlichen Vorerben – Sonderstellung des befreiten Vorerben muss bei der Frage, ob eine Verfügung entgeltlich ist oder nicht, Rechnung getragen werden. Es ist somit sachgerecht, Gegenleistungen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nur dem Vorerben persönlich zugutekommen, bei befreiter, nicht hingegen bei nicht befreiter Vorerbschaft als taugliches Entgelt anzuerkennen, mit der Folge voneinander abweichender Resultate in der Frage der Unentgeltlichkeit einer Verfügung. Damit ist es zwar so, dass ein Ergebnis, welches eine Verfügung auch dann als entgeltlich ansieht, wenn nicht der Nachlass, sondern lediglich der Vorerbe persönlich begünstigt wird, das normative Gebot substantieller Werterhaltung der Erbschaft zu unterlaufen und damit im Widerspruch zur Interessenlage des Nacherben zu stehen scheint. Bei befreiter Vorerbschaft muss der Nacherbe eine solch einschränkende Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs jedoch hinnehmen. d) Die Interessen der Nachlassgläubiger Ist der Vorerbe befreit, sprachen die bisherigen Überlegungen dafür, Verfügungen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten als entgeltlich zu bewerten, auch wenn das Surrogationsprinzip versagt und sofern ausschließlich der Vorerbe einen Vorteil für den aufgegebenen Nachlassgegenstand erhält. Eine solche eng gezogene Auslegung der Unentgeltlichkeitsdefinition, die sich auf objektiver Ebene des herrschenden Unentgeltlichkeitsverständnisses als Ausnahme von dem Grundsatz, dass der erlangte Vermögensvorteil dem Nachlass zuteil werden muss, darstellt, führt aber nicht nur zu einer Beschneidung der Nacherbeninteressen. Auch etwaige Erbschaftsgläubiger werden beeinträchtigt, da die Weggabe von Nachlasswerten zur Tilgung eigener Schulden des Vorerben ohne gleichzeitige Kompensation im Nachlassvermögen automatisch eine Reduktion der vorhandenen Haftungsmasse nach sich zieht. Dieser Gedanke wäre aber nur dann für die vorliegende Untersuchung zu berücksichtigen, wenn der Schutz der Nachlassgläubiger überhaupt vom Normzweck des § 2113 Abs. 2 erfasst wird. Ob eine der Werterhaltung einer bestimmten Vermögensmasse dienende Vorschrift stets auch die Gläubiger dieser Masse schützen soll, ist fraglich. Träfe dies zu, müsste konsequenterweise jede Bestimmung dieser Art immer gleichzeitig Gläubigerschutznorm sein. Entscheidend ist bei alledem der Normzweck. Eine Vorschrift soll dann ebenso der Interessenwahrung Dritter dienen, wenn diese – zumindest auch – Anlass für die Schaffung der Norm waren. Die Besserstellung eines Dritten als bloße mittelbare Folge des Schutzes einer anderen Vermögensmasse bietet allenfalls ein Indiz dafür, dass durch die Norm zugleich die Sicherung dieses Drittbeteiligten bezweckt ist. Deshalb kann nur angenommen werden, § 2113 Abs. 2 sei (auch) 241
Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 18.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Schutznorm der Nachlassgläubiger, wenn sich zeigen ließe, dass der Bestimmung u. a. die gesetzgeberische Intention zugrunde lag, die Belange etwaiger Nachlassgläubiger in besonderem Maße zu bewahren. Der Wortlaut spricht dafür, dass der rechtspolitische Zweck der Regelung einzig auf den Nacherbenschutz abzielt. Die Unwirksamkeit der Verfügung tritt nur ein, soweit das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt wird. Bei fehlender Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben ist der Erbschaftsgegenstand wirksam aus dem Nachlass ausgeschieden, ohne dass es auf Rechte Dritter, z. B. der Nachlassgläubiger, ankäme. Dieser Gedanke wird dadurch bekräftigt, dass § 2113 Abs. 2 nur dem Nacherben zur Disposition steht. Allein seine Zustimmung genügt, um eine unentgeltliche Verfügung endgültig wirksam werden zu lassen242. Die systematische Betrachtung ist weniger ergiebig, gibt aber dennoch einen Hinweis für den Nacherbenschutz als einziges Regelungsziel des Gesetzgebers. In dem im Wesentlichen dreigliedrigen Sicherungssystem des Vor- und Nacherbenrechtes ist § 2113 Abs. 2 der Gruppe der Verfügungsbeschränkungen zuzuordnen. Der Zweck der Verfügungsbeschränkungen wird allgemein darin gesehen, die Erbmasse ihrer Substanz nach zugunsten des Nacherben zu erhalten243. In der juristischen Diskussion dieser Vorschriften ist der Schutz der Nachlassgläubiger nie Erörterungsgegenstand. Auch der Entstehungsgeschichte ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei § 2113 allein die Sicherung der Nacherbfolge als rechtspolitische Zielsetzung vor Augen hatte. Die Erste Kommission äußerte sich zu E I § 1828, auf den der heutige § 2113 Abs. 2 zurückzuführen ist244, dahingehend, dass die Stellung des Vorerben „… weitreichenden Beschränkungen unterliegen müsse, wenn nicht das Recht des Nacherben vom Vorerben soll willkürlich vereitelt werden können“245. Die Nachlassgläubiger wurden bei diesen Überlegungen nicht erwähnt. Auch den Protokollen ist kein Hinweis auf schutzwürdige Belange etwaiger Gläubiger der Nachlassmasse zu entnehmen. Vielmehr beschäftigen sich die Beratungen zum grundsätzlichen Prinzip des Rechtsinstituts immer nur mit dem Interessenverhältnis von Vorerbe zu Nacherbe246. In der Denkschrift des Reichsjustizamtes an den Reichstag vom 17. 1. 1896 heißt es weiterhin: „Zur Sicherung der Rechte des Nacherben muss jedoch das Recht des Vorerben gewissen Beschränkungen unterworfen werden.“247 Von den Rechten der Nachlassgläubiger ist keine Rede.
242
MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 16 m. w. N. Burandt/Rojahn/Lang, § 2113 Rz. 1; Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 1; Soergel/Harder/ Wegmann, § 2113 Rz. 1. 244 Zur numerischen Entwicklung der Vorschriften vgl. die Synopse bei Mugdan V, S. XVI, XVII. 245 Motive V, S. 114 = Mugdan V, S. 61. 246 Protokolle in Mugdan V, Seiten 568 ff. 247 Abgedruckt bei Mugdan V, S. 864. 243
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Bei teleologischer Interpretation trägt § 2113 Abs. 2 dem Grundgedanken des Instituts der Vor- und Nacherbschaft Rechnung, die Erbmasse ihrer Substanz nach für den Nacherben bestmöglich zu erhalten. Wie alle Verfügungsbeschränkungen des Nacherbenrechts ist auch § 2113 Abs. 2 für die Wahrung der Nacherbenrechte zwingend erforderlich, da ohne diese Bestimmung wegen der nach § 2112 gegebenen Berechtigung des Vorerben zur Verfügung über Nachlassgegenstände der Nacherbe, der im Hinblick auf seine künftige Erbenstellung Inhaber eines Anwartschaftsrechtes ist248, unzureichend geschützt wäre. Anders verhält es sich bei den Nachlassgläubigern. Ein über das normale Erhaltungsinteresse, das auch bei unbeschränkter Vollerbschaft besteht, hinausgehendes Bedürfnis an der Wahrung der Erbschaftssubstanz kann für Nachlassgläubiger, die im Vergleich zum Nacherben nicht ausnahmsweise für den Fall der Vor- und Nacherbschaft Inhaber einer besonders schutzwürdigen Rechtsposition sind, nicht anerkannt werden. Daher wäre es verfehlt, zu behaupten, ohne die Bestimmung des § 2113 Abs. 2 seien die Rechte der Nachlassgläubiger unzulänglich geschützt. Dies wäre aber Voraussetzung, damit eine Norm gerade auch den Schutz jener Personengruppe bezweckt. § 2113 Abs. 2 soll somit lediglich einen Interessenausgleich zwischen Vor- und Nacherbe herbeiführen und dient daher ausschließlich dem Erhaltungsinteresse des Nacherben. § 2113 Abs. 2 schützt dagegen nicht etwaige Nachlassgläubiger, deren Belange brauchen bei einer Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs nicht berücksichtigt zu werden. e) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei § 2115 Satz 1 Gesetzessystematisch dient neben § 2113 Abs. 2 auch § 2115 Satz 1 als Verfügungsbeschränkung mit Außenwirkung der substantiellen Sicherung des Nacherbenrechts249. Vergleichbar zu § 2113 Abs. 2 kann § 2115 Satz 1 nicht abbedungen werden250. Nach der ratio legis soll das Sondervermögen „Nachlass“ vor Reduzierung durch Eigengläubiger des Vorerben geschützt werden, die im Wege der Einzelvollstreckung oder der Insolvenz die Vollstreckung aus Geldforderungen251 be-
248
Nachweise oben in Fn. 63. Ebenroth, Rz. 597. Auch Röder, S. 34, stellt die eigene Verfügung des Vorerben und die passive Vermögensminderung durch Zwangsvollstreckung auf eine Stufe und begründet dies damit, für die Rechtsstellung des Nacherben sei es gleichgültig, auf welche Art die Vermögensschmälerung eintrete, und im wirtschaftlichen Resultat sei es doch der Vorerbe, zu dessen Gunsten sich die Verfügung aufgrund der Verringerung eigener Passiva auswirke. Damrau/ Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2115 Rz. 1, sprechen bei § 2115 von dem „haftungsrechtlichen Pendant“ zu § 2113. Genauer: Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 3, der § 2115 als das haftungsrechtliche Gegenstück zu Absatz 2 von § 2113 ansieht. Ebenso: NK-BGB/Gierl, § 2115 Rz. 1, wonach § 2115 insofern dem Rechtsgedanken in § 2113 Abs. 2 entspreche. 250 Argumentum e contrario aus § 2136. 251 Nach ganz h. M. erfasst § 2115 nur die Vollstreckung zur Befriedigung einer Geldforderung; vgl. statt aller: MünchKomm/Grunsky, § 2115 Rz. 6 m. z. w. N. 249
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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treiben252. Die Regelung will verhindern, dass die privaten Gläubiger des Vorerben wegen ihrer gegen diesen gerichteten Forderungen letztlich auf Kosten des Nacherben befriedigt werden253. Der materielle Grund der Bestimmung liegt darin, dass durch die vollstreckungsrechtlichen Zwangserfüllungen zugunsten der Eigengläubiger dem Nachlass kein Gegenwert zufließt und nur das ungebundene Privatvermögen des Vorerben die Befreiung erwirbt254. Daraus könnte folgende These abgeleitet werden: „Eine das Nacherbenrecht beeinträchtigende Aufgabe von Nachlassgegenständen, die mit dem Ziel der Befriedigung eines Eigengläubigers des (auch befreiten) Vorerben erfolgt, soll unwirksam sein.“255 Diese These als richtig unterstellt, reichte es für die Entgeltlichkeit einer Verfügung nicht aus, wenn der vermögenswerte Vorteil, konkret die Befreiung des Vorerben von seiner Schuld, diesem persönlich zufließt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vorerbe befreit ist oder nicht; denn auch von der Beschränkung des § 2115 Satz 1 kann laut § 2136 keine Befreiung erteilt werden. Folgerichtig müsste jede zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten getroffene Verfügung des befreiten Vorerben über Nachlassgegenstände als i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltlich qualifiziert werden. Diese Schlussfolgerung zieht auch Avenarius, der damit seine hier bereits vorgestellte256 Auffassung zur Erfüllung von Eigenschulden des Vorerben unterstreicht: „Der grundsätzlichen Unwirksamkeit von Erfüllungsleistungen zugunsten von Eigengläubigern entspricht die Entscheidung des Gesetzgebers, wonach das Nacherbenrecht Zwangsverwertungen der Nachlassgegenstände durch Eigengläubiger des Vorerben verhindert“257. Ein derartiges Verständnis des § 2115 ist jedoch nur dann sachgerecht, wenn diese Bestimmung nicht auf zusätzlichen gesetzgeberischen Motiven beruht, die über das auch bei § 2113 Abs. 2 normbeherrschende Gebot substantieller Nachlasssicherung hinausgehen. Dazu ist auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift einzugehen: Der Erste Entwurf zum BGB sah in § 1829258 eine Regelung vor, die in sachlicher Hinsicht weitgehend dem heutigen § 2115 entsprach. Der Entwurf unterscheidet von den Verfügungen, welche über einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand seitens des Vorerben selbst getroffen werden, die gegen den Vorerben im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ergehenden Verfügungen dadurch, dass erstere im Falle der Nacherbfolge ihre Wirksamkeit behalten, wenn der Vorerbe zu ihrer Vornahme berechtigt war, letztere dagegen unwirksam werden, ohne 252
Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 1. MünchKomm/Grunsky, § 2115 Rz. 1; RGRK/Johannsen, § 2115 Rz. 2. 254 Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 3. 255 Endemann, Das Erbrecht, S. 175, prägte den sinnverwandten Satz: „Der Nachlass hat den eigenen Gläubigern des Vorerben gegenüber die Eigenschaft eines fremden, diesem nur als Treuhänder überlassenen Vermögens.“ 256 Siehe oben S. 28 f. 257 Staudinger/Avenarius, § 2112 Rz. 7. 258 Abgedruckt bei Mugdan V, S. XVII. 253
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Rücksicht darauf, ob der Vorerbe selbst die betreffende Verfügung mit Wirksamkeit gegen den Nacherben hätte treffen können oder nicht259. § 1815 c Satz 2 des Hauptantrages, der zu E I § 1829 vorlag, wollte dagegen Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung ergehen, ganz nach der Art von rechtsgeschäftlichen Verfügungen behandeln: „Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die durch Urtheil oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt“260. Die Zweite Kommission entschied sich gegen diese Gleichstellung und wollte in sachlicher Hinsicht dem Entwurf folgen261. In den Protokollen wird dazu hervorgehoben, „… daß es ein Mißbrauch wäre, wenn die Gläubiger des Vorerben dessen Verfügungsrecht zu ihren Gunsten ausbeuten dürften. Die Sache liege nicht anders als im ehelichen Güterrechte, wo auch dem Manne in gewissem Umfang die freie Verfügung über das Eingebrachte der Frau zugestanden, den Gläubigern des Mannes aber die Befriedigung aus diesem Gut versagt sei“262. Der Gesetzgeber differenziert daher bewusst zwischen freiwilliger Tilgung des Vorerben und der von Gläubigerseite veranlassten Zwangsbefriedigung und will letzterer ausschließlich aufgrund des gegenüber dem Vorerben von dritter Seite ausgeübten Zwangscharakters die Wirksamkeit absprechen. Dieser Gedankengang wird für die Position des befreiten Vorerben durch die Beratungsergebnisse zu den heutigen §§ 2137, 2138 unterstrichen: Antrag 1 zu E I §§ 1839, 1840263 sah vor, E I § 1829 auszuschließen, mit dem Argument, den Gläubigern des Vorerben müsse es zustehen, im Wege der Zwangsvollstreckung das dem Vorerben vom Erblasser eingeräumte freie Verfügungsrecht über Nachlassgegenstände auszuüben264. Der Antrag wurde von der Mehrheit mit folgender Begründung abgelehnt: „Das Recht der freien Verfügung über die Nachlaßgegenstände sei dem Vorerben von dem Erblasser eingeräumt worden, damit er es ausübe in seinem, des Vorerben, Interesse. … Den Intentionen des Erblassers widerspreche es, wenn man an Stelle des von Pietät gegen den Erblasser geleiteten Interesses des Vorerben das einseitige Geldinteresse der Nachlaßgläubiger setze. … So lange der Vorerbe über die Nachlaßgegenstände nicht verfügt habe, bilde der Nachlaß nicht ein freies, sondern ein gebundenes Vermögen des Vorerben. Dieser sei zwar berechtigt, die Gebundenheit aufzuheben, die Gläubiger hätten jedoch kein Recht darauf, daß die Aufhebung erfolge …“265. Das in den Materialien zum Ausdruck gebrachte rechtspolitische Anliegen, das hinter der Norm des § 2115 steht, war somit maßgeblich von dem Gedanken geprägt, 259 260 261 262 263 264 265
So die Auslegung in den Protokollen V, S. 112 = Mugdan V, S. 573. Protokolle V, S. 99. Protokolle V, S. 113 = Mugdan V, S. 574. Protokolle V, S. 113 = Mugdan V, S. 574. Vorgänger der heutigen §§ 2137, 2138. Protokolle V, S. 152 = Mugdan V, S. 590. Protokolle V, S. 153 = Mugdan V, S. 591.
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nicht den Eigengläubigern des Vorerben die Entscheidung über die Reduzierung der Nachlasssubstanz an die Hand zu geben, sondern dieses Recht als ein ausschließlich von der persönlichen Willensbildung des befreiten Vorerben beherrschtes anzusehen266. Insbesondere sollen die Gläubiger auch keinen Vorteil aus der Befreiung des Vorerben ziehen können. Der Zweck der Vorschrift des § 2115 Satz 1 ist es, die Gläubiger daran zu hindern, die Erbenstellung des Vorerben zum Schaden des Nacherben auszunutzen267. Mit § 2115 soll daher nicht schlechthin der Nachlass gegen Privatgläubiger des Vorerben gesichert werden, sondern nur dann, wenn diese im Zwangswege auf das Erbschaftsvermögen zugreifen. Die in § 2115 Satz 1 vorgesehene Rechtsfolge rechtfertigt sich wesentlich in diesem über das Gebot der substantiellen Nachlasssicherung – dem auch § 2113 Abs. 2 innewohnenden Normzweck – hinausgehenden gesetzgeberischen Motiv. Das bedeutet im Ergebnis: Aus der Tatsache, dass das Nacherbenrecht Zwangserfüllungen zugunsten der Privatgläubiger des befreiten Vorerben, soweit diese Erbschaftsgegenstände betreffen und zu einer Beeinträchtigung der Nacherbenrechte führen, mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit belegt, können keine Rückschlüsse auf § 2113 Abs. 2 und die Frage nach der Entgeltlichkeit freiwilliger Maßnahmen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben gezogen werden. § 2115 Satz 1 und der dieser Vorschrift innewohnende Rechtsgedanke stehen daher nicht entgegen, eine Verfügung des befreiten Vorerben, die dieser von sich aus zur Befriedigung eines Privatgläubigers vornimmt, in Anbetracht der ihm persönlich zugutekommenden Schuldbefreiung als entgeltlich anzusehen. f) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei Aufrechnung eines Eigengläubigers des befreiten Vorerben Nach ganz überwiegender Meinung ist eine Aufrechnung, die ein eigener Gläubiger des Vorerben gegenüber einer ihn treffenden Nachlassforderung erklärt, im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls unwirksam268. Das gilt für den befreiten wie für den nicht befreiten Vorerben gleichermaßen269. Damit wird erneut eine auf Kosten des Nachlasses – diesmal mit der Folge des Forderungsverlustes – vorgenommene Rechtshandlung, die der Befriedigung eines Privatgläubigers des (auch befreiten) Vorerben dient, mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit belegt. Aus Sicht des schutzwürdigen Nacherben ist es aber an sich gleichgültig, ob die Vermögens266 Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 7, bemerkt eine Inkongruenz zwischen rechtsgeschäftlicher Verfügungsbefugnis und vollstreckungsrechtlicher Passivlegitimation, die aber dem Grundgedanken von § 2115 entspricht. 267 RGZ 80, 30 ff. (32). 268 RGZ 80, 30 ff. (33); Planck/Flad, § 2115 Rz. 1; RGRK/Johannsen, § 2115 Rz. 4; Soergel/Harder/Wegmann, § 2115 Rz. 3; Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 4; v. Lübtow, S. 901. A. A. Kipp/Coing, § 49 IV 3 in Fn. 51. 269 Vgl. RGZ 80, 30 ff., die Entscheidung hatte befreite Vorerbschaft zum Gegenstand.
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einbuße im Nachlass auf Veranlassung des Vorerben oder dessen Eigengläubigers erfolgt; in beiden Fällen wird der Verlust der Nachlassforderung nicht durch ein Surrogat kompensiert. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der soeben zitierten herrschenden Meinung der gleiche Gedanke wie bei § 2115 Satz 1 zugrundeliegt. Die von Gläubigerseite ausgehende Aufrechnung wird als eine Form der außerprozessualen Zwangsbefriedigung angesehen270. Könnte der persönliche Gläubiger des Vorerben seine Forderung gegen eine Nachlassforderung, die dem Vorerben als vorübergehendem Nachlassinhaber zusteht, aufrechnen, würde ein gebundener Nachlassgegenstand zur zwangsweisen Befriedigung eines Eigengläubigers herangezogen werden, was nicht dem Wortlaut, wohl aber dem Rechtsgedanken des § 2115 widerspräche271. Über eine durch den Vorerben freiwillig initiierte Gläubigerbefriedigung wird dadurch nichts ausgesagt. Insbesondere ist es unter Zugrundelegung des hier zur Diskussion stehenden Normverständnisses dem befreiten Vorerben möglich, seinerseits entgeltlich i. S. v. § 2113 Abs. 2 und daher dauerhaft wirksam die Aufrechnung mit einer Nachlassforderung gegen eine Forderung, deren Schuldner der Vorerbe persönlich ist, zu erklären272. Obwohl, gleich von welcher Partei die Aufrechnungserklärung ausgeht, im Ergebnis immer die Nachlassforderung ohne Zufluss eines Gegenwertes in die Erbschaft (wohl aber in das Privatvermögen des Vorerben) erlischt, rechtfertigt sich die unterschiedliche Behandlung dieser beiden aus Nacherbensicht wirtschaftlich identischen Maßnahmen in dem besonderen Bestreben des Nacherbenrechts, den persönlichen Gläubiger an einer von ihm initiierten Ausbeutung der Erbschaftsmasse zu hindern273. Damit spricht auch der Umstand, dass ein Eigengläubiger des Vorerben nicht wirksam mit einer ihn betreffenden Nachlassforderung aufrechnen kann, nicht dagegen, es dem befreiten Vorerben zu gestatten, freiwillig seine private Schuld aus Erbschaftsmitteln zu begleichen, sei es durch Bewirken der geschuldeten Leistung, sei es durch eigene Aufrechnungserklärung. g) Die Sicherung des Lebensunterhaltes des Vorerben als Zweckbindung bei persönlich zufließender Gegenleistung? Nach den bisherigen Überlegungen genügt es zur Bejahung der Entgeltlichkeit einer Verfügung, die mit dem Ziel der Tilgung eigener Schulden des Vorerben vorgenommen wird, wenn der Gegenwert nicht dem Nachlass, wohl aber dem befreiten Vorerben persönlich zugutekommt. In einem im Hinblick auf die Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts vergleichbar gelagerten Fall – es ging um die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes durch den befreiten Vorerben gegen eine 270 271 272 273
Soergel/Harder/Wegmann, § 2115 Rz. 3; Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 4. Staudinger/Avenarius, § 2115 Rz. 4. Fritze, S. 114, 115. RGZ 80, 30 ff. (33).
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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ausschließlich diesem zu zahlende Leibrente –, wurde diese Rechtsfolge nur unter der einschränkenden Voraussetzung anerkannt, dass der Vorerbe aus dem erzielten Erlös in wirtschaftlich gerechtfertigter Weise seinen Lebensunterhalt bestreiten will oder aber dieses bezweckt ist274. Eine Übertragung dieses Kriteriums auf die Fallgruppe der Tilgung eigener Schulden des Vorerbens setzt voraus, dass eine solche Zweckbindung im Sinne einer Sicherung des Lebensunterhaltes des Vorerben, die zugleich eine Beschneidung des Handlungsspielraums des befreiten Vorerben bedeuten würde, überhaupt nach dem Sinn und Zweck der Norm gefordert ist. Dazu ist von Interesse, worauf diese teilweise vertretene Einschränkung zurückzuführen ist. aa) Die Entscheidungen des OLG Braunschweig vom 7. 4. 1955 und des Kammergerichts vom 13. 3. 1930 Untersucht man die Judikatur gezielt auf diesen Problemkreis, stößt man zunächst auf eine – allerdings nur auszugsweise veröffentlichte – Entscheidung des OLG Braunschweig, verkündet am 07. 04. 1955, Az. 2 U 177/54275. Darin stuft der Senat eine Verfügung als entgeltlich ein, mit der die befreite276 Vorerbin durch den Erlös aus dem Verkauf eines Nachlassgrundstückes die Rückzahlung eines Soforthilfedarlehens bewirkt hatte. Nach Rückerstattung dieser öffentlichen Gelder war ihr dann die Möglichkeit eröffnet, in den Genuss von Unterhaltshilfe nach dem LAG zu kommen. In seiner von der Vorinstanz abweichenden Auffassung vertritt der Senat den Standpunkt, „die Veräußerung des Nachlassgegenstandes habe letztlich der Sicherstellung ihres, der Vorerbin, weiteren Unterhaltes gedient. Zwar sei eine Verfügung des Vorerben, durch die aus dem Nachlass etwas aufgegeben und weggegeben werde, ohne dass die dadurch eingetretene Verringerung des Nachlasses durch Zuführung eines entsprechenden Vermögensvorteils aufgewogen werde, unentgeltlich; davon gebe es aber Ausnahmen. Die Verfügung eines befreiten Vorerben über einen Nachlassgegenstand verliere nämlich nicht dadurch den Charakter der Entgeltlichkeit, dass der Vorerbe den Erlös für seinen eigenen Unterhalt verwende bzw. eine solche Verwendung durch die Verfügung bezweckt habe. Wenigstens soweit der (sc. befreite) Vorerbe die aus einer Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand gewonnenen Mittel für seinen eigenen Unterhalt verwende, müsse Entgeltlichkeit des Veräußerungsgeschäfts angenommen werden“277. Hier findet sich also wörtlich die Verknüpfung von Entgeltlichkeitsmaßstab und Verwendungszweck: Die eigennützige Verfügung des befreiten Vorerben über einen Nachlass274 Beck, S. 156; Jauernig/Stürner, § 2113 Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 11; Soergel/ Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 18; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 78 u. 79. 275 Auszug in MDR 1956, 612; das vollständige Urteil ist unveröffentlicht und daher im Anhang enthalten. 276 Siehe Tatbestand S. 2 des Urteils; unrichtig daher Kipp/Coing, § 49 IV 2 a in Fn. 35, die offensichtlich von nicht befreiter Vorerbschaft ausgehen. 277 Urteil OLG Braunschweig vom 07. April 1955, Az. 2 U 177/54, vollständiges Urteil unveröffentlicht, S. 15 bis 19 der Urteilsgründe.
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gegenstand soll nur dadurch nicht den Charakter der Entgeltlichkeit verlieren, dass der Vorerbe den Erlös für seinen eigenen Unterhalt verwendet bzw. eine solche Verwendung durch die Verfügung bezweckt hat278. Zur Begründung seiner Auffassung zieht das OLG Braunschweig maßgeblich eine Entscheidung des Kammergerichts vom 13. März 1930279 heran und zitiert diese auszugsweise. Das KG hatte darin über das Unentgeltlichkeitsverständnis bei einer Gegenleistung (dort handelte es sich um eine Beköstigungspflicht) zu befinden, die von der Person des Vorerben nicht getrennt werden kann. Der Senat führt zunächst aus: „Der Ausgangspunkt des LandG., wonach unter einer entgeltl., dem befreiten Vorerben (VE.) mit Wirkung gegen den Nacherben (NE.) zustehenden Verf. eine solche zu verstehen ist, die einer ordnungsgemäßen auf die Pflichten gegenüber dem Nacherben bedachten VerwaltFührung entspricht, steht mit der Rspr. im Einklang.“ Daraus wird erkennbar, dass der Senat offensichtlich das Kriterium der „pflichtgemäßen Nachlassverwaltung“ zum entscheidungserheblichen Maßstab für die Entgeltlichkeit einer Verfügung erheben will. In konsequenter Fortsetzung dieses Gedankens führt das KG dann wenige Zeilen später aus: „Einer Verfügung des befr. Vorerben ist nicht deshalb die Entgeltlichkeit abzusprechen, weil der Gegenwert nur dem VE alleine zugute kommt, vielmehr kann auch eine solche Verfügung dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn sie in wirtschaftlich gerechtfertigter Weise dem VE den Lebensunterhalt, auch durch Hergabe von Nachlasswerten, zu verschaffen bezweckt.“ Das bedeutet, dass das Moment der Sicherung des Lebensunterhaltes nicht isoliert zu betrachten ist und eigentlich nur eine untergeordnete Fallgruppe darstellt. Der eigentliche Anknüpfungspunkt ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses durch den Vorerben. Das Kammergericht will es für die Entgeltlichkeit einer Verfügung nicht allein genügen lassen, dass der befreite Vorerbe durch die Gegenleistung begünstigt wird. Der Makel, dass die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt, soll nur dann unbeachtlich sein, wenn die Verfügung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dies kann in einem zweiten Schritt dann zu bejahen sein, wenn der persönliche Gegenwert in wirtschaftlich gerechtfertigter Weise der Unterhaltssicherung des Vorerben dient. Nach Auffassung des Kammergerichts soll somit der Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung entscheidungserheblich sein. Im Weiteren gilt es daher zu untersuchen, ob dieser Anknüpfungspunkt ein gleichermaßen geeignetes wie erforderliches Kriterium für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 ist.
278
Urteil OLG Braunschweig, wie zuvor Fn. 277, S. 16 der Urteilsgründe. KG HRR 1930 Nr. 984; unter Bezugnahme auf: RGZ 81, 364; 105, 248; 117, 97; JFG 2, 388; 3, 279. 279
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bb) Die „ordnungsgemäße Verwaltung“ als Bewertungsmaßstab für die Entgeltlichkeit einer Verfügung Das Kammergericht beruft sich zur Begründung seiner diesbezüglichen Haltung auf ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts280, das aus den Regelungen der §§ 2120, 2130 das Kriterium der ordnungsgemäßen und pflichtbewussten Verwaltungsführung für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung herleiten will. Bei seinen Überlegungen zur ratio legis betont das Reichsgericht in seinem Urteil vom 17. 02. 1913281, die in den §§ 2113 bis 2115 angeordneten Verfügungsbeschränkungen bezweckten ersichtlich, das Recht des Nacherben auf Herausgabe der Erbschaft in dem Zustande sicher zu stellen, der sich bei einer bis zur Herausgabe ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt (§ 2130)282. Im weiteren Verlauf seiner Entscheidungsgründe lehnt der Senat für die Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer von dem Vorerben getroffenen Verfügung sowohl objektive als auch subjektive Maßstäbe ab und verweist stattdessen auf den Begriff der ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung. Dass auch der befreite Vorerbe sich diesen Maßstab gefallen lassen müsse, ergebe § 2136283, der „… § 2113 Abs. 2 nicht mit anzieht und dadurch zu erkennen gibt, daß unentgeltliche Verfügungen auch dem befreiten Vorerben nicht gestattet sind“284. Dieser letzte Gedanke überzeugt schon deswegen nicht, weil allein aus der Tatsache der Anwendung von § 2113 Abs. 2 auch bei befreiter Vorerbschaft noch kein Argument für die Frage entnommen werden kann, ob sich der befreite Vorerbe denselben Beurteilungsmaßstab bei der Entgeltlichkeit gefallen lassen muss wie der nicht befreite. Hier fehlt es an einer weitergehenden Begründung. Der Hinweis auf § 2136 ist insoweit unzureichend, da damit nur ausgesagt wird, dass auch dem befreiten Vorerben unentgeltliche Verfügungen untersagt sind. Entscheidend gegen einen Rückgriff auf § 2130 bei befreiter Vorerbschaft spricht aber der Gesetzeswortlaut selbst: Der (vollständig) befreite Vorerbe ist – wie die Erwähnung der §§ 2130 f. in § 2136 zeigt – von der Verpflichtung des § 2130, in dem das Merkmal der ordnungsmäßigen Verwaltung verankert ist, gerade entbunden. Es erscheint wenig überzeugend, für den freigestellten Vorerben Rechtspflichten aus einer Vorschrift herleiten und zum wesentlichen Beurteilungskriterium bei der Auslegung eines Rechtsbegriffs erheben zu wollen, wenn genau diese Norm wegen der Befreiung nicht zur Anwendung kommt285. Mangels entsprechender Verpflich-
280 281 282 283 284 285
RGZ 81, 364 ff. (366); RGZ 105, 246 ff. (248); RGZ 117, 97 ff. (98, 99). RGZ 81, 364 ff. RGZ 81, 364 ff. (364). In der Entscheidung wird – offenbar aufgrund eines Versehens – § 2130 genannt. So wörtlich: RGZ 81, 364 ff. (366). Beck, S. 159; Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103 ff. (104).
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tung muss sich der komplett freigestellte Vorerbe eben nicht am Maßstab ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung messen lassen286. Darüber hinaus ist die Heranziehung der ordnungsmäßigen Verwaltungspflicht als Bewertungskriterium bei der Entgeltlichkeitsbeurteilung des § 2113 Abs. 2 systemwidrig. Dies wird deutlich, hält man sich die verschiedenen Regelungsbereiche vor Augen, die das Gesetz zur Sicherung der Nacherbenrechte vorgesehen hat: Die im Außenverhältnis wirkenden dinglichen Verfügungsbeschränkungen, die das Innenverhältnis prägenden schuldrechtlichen Pflichten des Vorerben gegenüber dem Nacherben und die schon vor dem Nacherbfall geltenden Sicherungsregeln287. § 2113 Abs. 2 befasst sich mit dem Umfang der Rechtsmacht des Vorerben gegenüber Dritten. Die vom Reichsgericht als wesentliche Argumentationsstütze herangezogenen §§ 2120, 2130 betreffen dagegen allein das Innenverhältnis zwischen Vor- und Nacherben; vom Verhältnis des Vorerben oder des Nacherben zu einem Dritten ist in beiden Vorschriften nicht die Rede. Der vom Nacherbenschutz beherrschte gedankliche Ausgangspunkt beider Regelungsbereiche ist damit ein grundverschiedener: Hier die absolut dingliche Unwirksamkeit einer Verfügung mit den daraus resultierenden Ansprüchen des Nacherben gegenüber dem Leistungsempfänger, dort die Auferlegung von Einwilligungs- und Herausgabepflichten im Verhältnis von Vor- und Nacherbe zueinander. Die Verknüpfung des Entgeltmaßstabes mit dem der ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung stellt demnach eine Angleichung zweier vom Gesetzgeber gesondert geregelter Schutzbereiche des Nacherbenrechts dar. Weder das Kammergericht noch die in Bezug genommenen diesbezüglichen Urteile des Reichsgerichts lassen bei ihren Entscheidungen eine plausible Begründung erkennen, wo der Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung in § 2113 Abs. 2 verankert sein soll und wieso die aufgezeigte Vermengung der beiden Schutzsphären im Einzelfall geboten ist288. Mit einer Implementierung des im Innenverhältnis wirkenden Kriteriums der ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung bei der Bestimmung des im Außenverhältnis Geltung entfaltenden erbrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs würden daher ohne Not und Grund zwei verschiedene Regelungsbereiche miteinander vermischt, die der Gesetzgeber bewusst voneinander getrennt hat. Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass der Sinn und Zweck von § 2113 Abs. 2 bei befreiter Vorerbschaft nicht in der Sicherstellung einer fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung besteht, denn von dieser Pflicht ist der befreite Vorerbe entbunden. Eine Heranziehung dieses Maßstabes als Beurteilungskriterium 286 Erman/M. Schmidt, § 2136 Rz. 1 und § 2138 Rz. 1, in Abkehr von der in einer früheren Auflage (Erman/Hense, 7. Aufl., § 2136 Rz. 1) vertretenen Ansicht und unter ausdrücklicher Ablehnung von RGZ 148, 385 ff. (391) – Das Reichsgericht vertritt dort ohne nähere Begründung die Auffassung, auch der befreite Vorerbe sei nach § 2130 zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung verpflichtet. Wie hier: BGH ZEV 1994, 45 f. (46); Kipp/Coing, § 51 III 1; Lange/Kuchinke, § 28 VI 2 a. 287 Weckesser, S. 72 – 75. 288 Paschke, ZIP 1985, 129 ff. (131).
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für den Unentgeltlichkeitsbegriff ist aufgrund der vorgetragenen Kritikpunkte abzulehnen. Gleichzeitig steht damit fest, dass auch das Merkmal der Verfügung „zum Zwecke der Sicherung des Lebensunterhaltes“, das lediglich in die Verwaltungssorgfalt als Unterfall argumentativ eingebettet ist, nicht geeignet ist, Rechtswirkungen im Hinblick auf § 2113 Abs. 2 zu entfalten. Dieses Ergebnis wird noch durch folgende Erwägung gestützt: Die Befürwortung der Entgeltlichkeit einer Verfügung bei nur dem befreiten Vorerben persönlich zukommenden Gegenleistungen lässt sich u. a. mit dem Argument der Befreiung von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 und der damit einhergehenden Befugnis des Vorerben, die Substanz der Erbschaft zu verbrauchen, begründen289. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verbrauchsbefugnis nur gegeben sein soll, soweit die Maßnahme für den Lebensunterhalt des Vorerben benötigt wird, sind nicht ersichtlich290. Durch die Entbindung des Vorerben von den Rechtspflichten des § 2134 kommt zum Ausdruck, dass dieser die Erbschaft nicht nur nutzen, sondern auch Nachlassgegenstände für sich privat verwenden darf291. Weder den Motiven noch den Protokollen ist ein Erfordernis dergestalt zu entnehmen, dass diese Verwendung der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen muss292. In den Motiven findet sich schon der Hinweis, dass dem befreiten Vorerben der Verbrauch der Erbschaft noch vor dem Verbrauch des eigenen Vermögens gestattet sei293. Im Rahmen der Beratungen der Zweiten Kommission sprechen die beiden später angenommenen Änderungsanträge zu § 1815 n des Hauptantrags294, auf welchen der heutige § 2134 zurückgeht, von einer Wertersatzpflicht des Vorerben bei „Verbrauch von Erbschaftsgegenständen für sich“ bzw. „Verwendung in seinem Nutzen“, ohne dass dabei ein Bezug zum erforderlichen Lebensunterhalt des Vorerben hergestellt worden wäre. Die Kommission erklärte sich in der Folge ohne jede Einschränkung mit der Nichtanwendung von § 1815 n bei befreiter Vorerbschaft einverstanden295. Eine Limitierung dieser Befreiung von der Wertersatzpflicht auf solche Verwendungen des Vorerben, die die Sicherung dessen Lebensunterhaltes in wirtschaftlich gerechtfertigter Weise be289 Der gerade eben auf S. 86 erhobene Vorwurf einer unzulässigen Vermischung von Außen- und Innenverhältnis kann hier nicht eingewandt werden. Dort ging es darum, dass ein Merkmal, das im objektiven Tatbestand einer das Innenverhältnis regelnden Norm verankert ist, unmittelbar Einfluss auf einen Rechtsbegriff einer das Außenverhältnis betreffenden Vorschrift nehmen sollte. Hier wird dagegen nur eine für den Vorerben aus der anderen Ebene resultierende Rechtsfolge zur Unterstützung eines Argumentationsgangs herangezogen. 290 Wendel, S. 83. 291 Pyszka, S. 31; Johannsen, WM 1970, 2 ff. (3) und die Nachweise oben in Fn. 217. 292 Wendel, S. 84. Etwas anderes ist die Frage, ob der Wille oder die sittliche Verpflichtung des Erblassers, dem Vorerben den Unterhalt zu sichern, im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu einer Befreiung von § 2134 führen kann; vgl. Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 5; Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 7. 293 Motive V, S. 131 = Mugdan V, S. 68; Wendel, S. 84. 294 Der Hauptantrag ist abgedruckt in den Protokollen V, S. 100 und 101; die Unteranträge befinden sich in den Protokollen auf den S. 128 und 129. 295 Protokolle V, S. 152 = Mugdan V, S. 590.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
zweckten, ist sichtlich nicht erfolgt. Soll aber – so der Wille des Gesetzgebers – das unmittelbare Verbrauchsrecht des befreiten Vorerben nicht davon abhängig sein, ob die verwendeten Nachlassmittel der Sicherung seines Lebensunterhaltes dienen296, so besteht kein Anlass, bei einem nur mittelbaren Verbrauch, wenn der Vorerbe durch die Weggabe eines Nachlassgegenstandes eine nur ihm persönlich zukommende Gegenleistung erlangt, andere Maßstäbe anzulegen. Eine Verfügung ist somit auch dann nicht im Hinblick auf § 2113 Abs. 2 zu beanstanden, wenn der dem Vorerben persönlich zufließende Vermögenswert nicht der Sicherung dessen Lebensunterhaltes dient oder dienen soll. h) Die Beurteilung der Entgeltlichkeit der Erfüllungshandlung bei freigebiger Begünstigung eines Dritten aa) Das Freigebigkeitskriterium Die bisherige Untersuchung hat ergeben: Tilgt der befreite Vorerbe eine Eigenschuld aus Nachlassmitteln, ist diese Verfügung als entgeltlich zu qualifizieren, weil es bei befreiter Vorerbschaft nicht schadet, wenn dem Nachlass kein Gegenwert als Surrogat zufließt, solange gewährleistet ist, dass der Vorerbe persönlich diesen Vermögensvorteil in Form der Befreiung von seiner Verbindlichkeit erhält. Daraus könnte man im Umkehrschluss folgern, dass es für die Entgeltlichkeit einer Verfügung möglicherweise nicht ausreicht, wenn zwar ein vermögenswerter Vorteil vorhanden ist, dieser aber bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung weder dem Nachlass noch dem Privatvermögen des Vorerben zugutekommt. Realisiert sich also die wirtschaftliche Besserstellung im Ergebnis ausschließlich in einem anderen, dritten Vermögen, scheint die Entgeltlichkeit der Verfügung zumindest fraglich. Dabei ist es, wie die Zahlung einer den Vorerben persönlich betreffenden Steuerschuld zeigt, oftmals so, dass mit der Schuldentilgung letztendlich eine andere Vermögensmasse, d. h. weder der Nachlass noch der Vorerbe, wirtschaftlich begünstigt wird. Unterstellt man einmal, dass es unter Zugrundelegung sämtlicher hier unter a) bis g) angestellten Überlegungen dem befreiten Vorerben erlaubt sein soll, seine privaten Steuerverbindlichkeiten auch auf Kosten des Nachlasses dauerhaft wirksam zu begleichen, kann es also für die Bejahung einer Freigebigkeit – wirtschaftlich gesehen – allein auf das Merkmal der ausschließlichen Begünstigung eines Dritten nicht ankommen. Hinzutreten muss, dass die Begründung des Schuldverhältnisses auf einem eigenen, freien Entschluss des Vorerben beruht. Die Verbrauchsbefugnis des Vorerben umfasst nämlich nicht auch das Recht, Erbschaftsgegenstände zugunsten Dritter zu verschleudern; denn diese sollen nicht auf Kosten der Erbschaft und damit zu Lasten des Nacherben Vorteile aus der Rechtsmacht des befreiten Vorerben ziehen dürfen. Eine derartige Begünstigung Drittbeteiligter stellt sich vom Standpunkt des schutzbedürftigen Nacherben als Freigebigkeit des Han296
So im Ergebnis auch Wendel, S. 140 f.
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delnden dar. Bloße Freigebigkeiten sind aber selbst dem befreiten Vorerben untersagt297, was der Gesetzgeber für den offenkundigsten Fall einer Freigebigkeit, der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens, in § 2113 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 zum Ausdruck bringt. Dem Vorerben ist demnach freigebiges Handeln vorzuwerfen, wenn durch die Erfüllungshandlung bei einer wertenden Gesamtbetrachtung und bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung die wirtschaftliche Besserstellung ausschließlich in einer dritten Vermögensmasse, d. h. weder im Nachlass, noch beim Vorerben eintritt und der Vorerbe die aus Nachlassmitteln getilgte Verbindlichkeit entweder vorab rechtsgeschäftlich begründet oder den Rechtsgrund für die eingegangene Verpflichtung selbst geschaffen hat. bb) Die Fälle der Tilgung eigener Schulden als freigebige Leistung Nach diesem Freigebigkeits-Kriterium lassen sich dann auch generell die Fälle entgeltlicher und unentgeltlicher Verfügungen zur Eigenschuldentilgung bei befreiter Vorerbschaft voneinander abgrenzen. Ein Verstoß gegen das Verbot freigebiger Zuwendungen ist stets dann zu bejahen, wenn zur Tilgung solcher eigener Verbindlichkeiten des Vorerben über einen Nachlassgegenstand verfügt wird, die der Vorerbe zuvor selbst eingegangen ist und die auf die Begünstigung eines Dritten abzielen. Prototyp ist das Schenkungsversprechen. Hier kann es nichts nützen, dass der Vorerbe mit Erfüllung von seiner Schuld befreit wird. Der Keim der Unentgeltlichkeit wurde bereits in der freiwilligen Begründung des auf ausschließliche Drittbegünstigung abzielenden Schuldverhältnisses gesetzt. Dem stehen solche Verbindlichkeiten gegenüber, bei denen im wirtschaftlichen Ergebnis ebenfalls nur ein Dritter einen Vermögenszuwachs erhält, die den Vorerben aber ohne sein vorangegangenes rechtsgeschäftliches Zutun belasten. Als typisches Beispiel soll hier erneut auf die Steuerschuld zurückgegriffen werden. Obwohl Steuern schon vom Gesetzeswortlaut her (§ 3 Abs. 1 AO) ohne Erhalt einer besonderen Gegenleistung zu erbringen sind, mithin der zurückfließende Gegenwert nur in der Schuldbefreiung liegen kann, und bei einer Gesamtbetrachtung ausschließlich die öffentliche Hand eine Vermögensmehrung erfährt, fehlt es bei Steuerzahlungen aufgrund des staatlichen Zwangscharakters am Aspekt der Freigebigkeit der Zuwendung298. Für den befreiten Vorerben ist die Zahlung einer persönlichen Steuerschuld mit Nachlassgeldern daher eine entgeltliche Verfügung. Die Leistung auf ein Schenkungsversprechen stellt dabei lediglich den offensichtlichsten Fall einer Freigebigkeit des Vorerben dar. Eine weitere Fallgruppe kann 297 Der Freigebigkeitsbegriff findet sich schon im preußischen Recht: Beim Fideikommiss auf den Überrest hatte der Fiduziar unter Lebenden zwar grundsätzlich freie Verfügungsmacht; freigiebige Veräußerungen von der Substanz waren jedoch auch ihm untersagt, vgl. Foerster/ Eccius, S. 609. Auch Endemann, S. 411 vor 1, verwendet den Begriff der „Freigiebigkeiten“ und verweist darauf, dass solche nicht auf Kosten des Nacherben gehen dürften. 298 Ebenso für die Zahlung von Steuerschulden bei § 32 KO: App, NJW 1985, 3001 ff. (3002).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
die Zahlung des Vorerben bei Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft sein. Die Bürgschaft zählt grundsätzlich299 zu den einseitig verpflichtenden Verträgen. Betrachtet man hierzu die dritte Alternative von Variante a) des Ausgangsfalls, bestätigt sich die Richtigkeit der hier angestellten Überlegungen: Der rechtsgeschäftliche Abschluss des Bürgschaftsvertrages erfolgte aufgrund eines freien Willensentschlusses des Vorerben, gleiches gilt für den Rechtsgrund im Innenverhältnis zum Hauptschuldner (Mieterin). Die Zahlung bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft stellt sich bei einer wertenden Gesamtbetrachtung ausschließlich als wirtschaftliche Begünstigung eines Drittvermögens dar. Die Verfügung über Nachlassgelder zur Tilgung dieser privaten Bürgschaftsschuld ist daher freigebig und somit unentgeltlich i. S. v. § 2113 Abs. 2. Etwas anderes gilt, wenn der Vorerbe die Bürgschaft in Erfüllung einer anderen ihn betreffenden, aber nicht durch ihn rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeit eingegangen ist. Ein Beispiel: Der befreite Vorerbe übernimmt im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht eine Mietbürgschaft für seine Tochter. Zahlt der Vorerbe die Bürgschaftsschuld bei deren Fälligkeit aus Nachlassgeldern, handelt es sich um eine entgeltliche Verfügung des Vorerben, was wie folgt zu begründen ist: Das Stellen der Bürgschaft selbst bedeutet noch keinen Eingriff in die Nachlasssubstanz, weswegen der Schutzbereich von § 2113 zu diesem Zeitpunkt nicht tangiert ist. Das ändert sich in dem Moment, in dem der Vorerbe aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wird und diese Schuld aus Nachlassmitteln zahlt. Der befreite Vorerbe wird von seiner Leistungspflicht frei, was, selbst wenn diese Schuldbefreiung nur in seinem Privatvermögen eintritt, nach dem hier vertretenen Lösungsansatz für die Annahme einer entgeltlichen Verfügung genügen würde, es sei denn, es läge eine bloße Freigebigkeit vor. Eine solche ist hier zu verneinen. Im wirtschaftlichen Ergebnis erfüllt der Vorerbe mit Zahlung bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nur seine Unterhaltspflicht, die ihn als einseitige, jedoch nicht selbst rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeit trifft. Bei der gebotenen Gesamtschau kann es keinen Unterschied machen, ob der Vorerbe seiner Unterhaltspflicht durch unmittelbare Zahlung oder über den „Umweg“ einer Sicherheit, aus der er später auf Zahlung in Anspruch genommen wird, nachkommt. Da die direkte Zahlung von Unterhalt (in der geschuldeten Höhe!) trotz Drittbegünstigung (die wirtschaftliche Besserstellung tritt im Vermögen des Unterhaltsgläubigers ein) keine freigebige Leistungshandlung ist – die Unterhaltspflicht beruht auf Gesetz und nicht auf einer selbstbestimmten rechtgeschäftlichen Verpflichtung des Vorerben –, ist die Zahlung auf die Bürgschaft, mit der zuvor genau die gleiche Unterhaltspflicht, hier nur durch Stellen einer Sicherheit, erfüllt wurde, nicht anders zu beurteilen. Neben den einseitig verpflichtenden Verträgen gibt es zahlreiche weitere Fallgestaltungen, bei denen der Vorerbe zwar auch eine Eigenschuld im hier aufzeigten Verständnis tilgt, dessen ungeachtet aber die Verfügung trotz persönlich zufließender 299 Der Bürgschaftsvertrag ist nicht zwangsläufig einseitig verpflichtender Natur, z. B. dann nicht, wenn der Gläubiger sich gegenüber dem Bürgen zur Zahlung einer Provision oder zur Freigabe einer anderen Sicherheit verpflichtet (Münch Komm/Habersack, § 765 Rz. 6).
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Schuldbefreiung unentgeltlich ist, weil bei wirtschaftlicher Gesamtschau ein freigebiges und damit auch dem befreiten Vorerben untersagtes Handeln vorliegt. Begibt der Vorerbe einen Wechsel, so handelt es sich dabei um ein als abstraktes Rechtsgeschäft ausgestaltetes Verpflichtungsgeschäft300. Charakteristikum der abstrakten Verträge ist die von einer zugrundeliegenden causa losgelöste Gültigkeit; der Rechtsgrund der Vereinbarung ist nicht Bestandteil des Vertrages301. Zu den abstrakten Verpflichtungsgeschäften zählen neben Scheck und Wechsel das Schuldversprechen nach § 780, das Schuldanerkenntnis gemäß § 781302 und die befreiende Schuldübernahme (§§ 414 ff.)303. In allen diesen Fällen liegt ein einseitiges Schuldversprechen vor, durch das eine neue und selbständige Verbindlichkeit des Vorerben geschaffen wird. Tilgt der Vorerbe diese mit Nachlassmitteln, ist – bedingt durch die Typizität des abstrakten Vertrages – Grundgeschäft dieser Verfügung allein das Leistungsversprechen selbst, so dass als Gegenwert nur die Befreiung von dieser einseitigen Leistungsverpflichtung in Betracht kommt. Diese fließt dem befreiten Vorerben persönlich zu, was eigentlich zur Bejahung der Entgeltlichkeit der Verfügung genügen sollte. Berücksichtigt man jedoch, dass eine Scheck- oder Wechselverbindlichkeit von dem Vorerben beliebig oft eingegangen und danach jederzeit zu Lasten der Erbschaft erfüllt werden kann, wird die Gefahr einer Verringerung des Nachlassbestandes geradezu heraufbeschworen, so dass zwangsläufig Bedenken an der Richtigkeit einer solchen Denkweise aufkommen müssen. Dass diese Skepsis durchaus berechtigt ist, wird deutlich, wenn man den Hintergrund abstrakter Verpflichtungsgeschäfte näher betrachtet: Der Vorerbe schafft damit auf freiwilliger Basis einen neuen und selbständigen Verpflichtungsgrund. Das Eingehen der Verbindlichkeit kann dabei auf verschiedenen Motiven beruhen. Denn auch die abstrakten Rechtsgeschäfte sind stets auf einen Rechtsgrund zurückzuführen304. Begibt der Vorerbe erfüllungshalber für eine Kaufpreisschuld einen Scheck und löst diesen später aus Nachlassmitteln ein, steht dem bei einer Gesamtwürdigung des Geschäfts die im Kaufvertrag vereinbarte Gegenleistung gegenüber. Vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Gesamtschau fließt entweder der Anspruch auf diese Gegenleistung oder das Eigentum an dem erhaltenen Kaufgegenstand kraft dinglicher Surrogation unmittelbar in die Erbschaft (§ 2111 Abs. 1 Satz 1). Die Verfügung ist insoweit entgeltlich, als die Gegenleistung dem aufgegebenen Vermögensopfer gleichwertig ist. Diese Anknüpfung an das Grundgeschäft gilt nicht nur im Hinblick auf Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen. Bezieht sich die Begründung der abstrakten Verpflichtung auf eine Eigenverbindlichkeit im hier zugrundegelegten Verständnis – der befreite Vorerbe übergibt den Scheck zur Begleichung seiner persönlichen Steuerschuld oder in Erfüllung seiner 300 301 302 303 304
Palandt/Grüneberg, Überbl v § 311 Rz. 7; Brox/Walker AT, Rz. 116. Palandt/Grüneberg, Überbl v § 311 Rz. 7. Palandt/Ellenberger, Überbl v § 104 Rz. 21; Brox/Walker AT, Rz. 116. Palandt/Grüneberg, Überbl v § 414 Rz. 1. Brox/Walker AT, Rz. 116.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Unterhaltspflicht –, ist auch für diesen Fall zur Beurteilung der Entgeltlichkeit auf das Grundgeschäft zurückzugreifen. Verwendet der Vorerbe später Nachlassgelder zur Ablösung der Scheckverbindlichkeit, fehlt es zwar, anders als bei Hingabe eines Schecks zur Erfüllung einer Kaufpreisschuld, an einer synallagmatischen Gegenleistung des Leistungsempfängers. Jedoch wird der handelnde Vorerbe im Privatvermögen seiner (auf Gesetz beruhender) Steuerverbindlichkeit bzw. Pflicht zur Leistung von Unterhalt endgültig ledig, so dass ein zurechenbarer Gegenwert für die Leistung auf den Scheck vorhanden ist. Mangels Freigebigkeit ist auch die Entgeltlichkeit der auf die Scheckverbindlichkeit gerichteten Tilgungshandlung zu bejahen. Denn es wäre eine rein formalistische Betrachtungsweise, wollte man die Erfüllung einer nicht rechtgeschäftlich begründeten Eigenverbindlichkeit des befreiten Vorerben durch einen zwischengeschalteten Scheck im Ergebnis als rechtsschädlich ansehen, während die unmittelbar zu Lasten der Erbschaft vorgenommene Zahlung genau derselben Eigenschuld eine entgeltliche und daher wirksame Verfügung bedeutet. Erfolgte die Scheckhingabe hingegen ohne Bezugnahme auf eine causa, die die Entgeltlichkeit zu rechtfertigen vermag, so beispielsweise bei Scheckausstellung zum Zwecke der Erfüllung eines Schenkungsversprechens oder unmittelbar schenkweise, stellt sich die Erfüllung der Scheckverbindlichkeit lediglich als Vollzug einer vorab vom Vorerben rechtsgeschäftlich begründeten und ausschließlich drittbegünstigenden Verpflichtung dar, und ist daher als freigebige Maßnahme des Vorerben nicht mehr als entgeltlich zu qualifizieren. Von daher gilt: Berichtigt der Vorerbe eine Schuld aus einem abstrakten Verpflichtungsvertrag, darf sich die Betrachtung für die Beurteilung der Entgeltlichkeit dieser Verfügung nicht auf dieses verpflichtende Rechtsgeschäft selbst beschränken. Damit kommt es auch nicht auf die mit Erfüllung der Schuld den Vorerben erreichende Befreiungswirkung an. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Gesamtgefüge unter Berücksichtigung der letztendlich zugrundeliegenden causa, auch wenn damit in Abweichung von der bisherigen Argumentation über das eigentliche Schuldverhältnis hinausgehende Aspekte einbezogen werden. Der Grund liegt in der abstrakten Ausgestaltung des verpflichtenden Vertrages. Diese Sichtweise bietet das im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm allein beifallswerte Ergebnis. Anderenfalls könnte der befreite Vorerbe die Erbschaftsmasse bequem aushöhlen, indem er zahlreiche Scheck- und Wechselverpflichtungen eingeht und diese später wirksam entgeltlich mit dem Argument der persönlich erlangten Schuldbefreiung aus dem Nachlass erfüllt. Ein solches Resultat liefe dem Schutzzweck der Norm und dem Willen des Erblassers zuwider. Daher bilden bei abstrakten Verbindlichkeiten der Grund ihrer Eingehung, die Verpflichtung selbst und ihre Erfüllung ein einheitliches Ganzes. Kommt man im Rahmen dieser gebotenen Gesamtbewertung dazu, dass der Vorerbe freigebig gehandelt hat, ist die Verfügung zur Tilgung der abstrakten Eigenverbindlichkeit auch bei befreiter Vorerbschaft unentgeltlich.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1983305 bestätigt. Der Senat war zur Entscheidung über einen Fall berufen, in dem der Vorerbe sich anlässlich des Verkaufs eines GmbH-Geschäftsanteils zusätzlich zur Beseitigung der Überschuldung des Unternehmens verpflichtet und dadurch einen neuen persönlichen Schuldgrund geschaffen hatte. Diese Verpflichtung wurde später durch Abtretung einer dem Nachlass zustehenden Forderung erfüllt. Der Senat führt zur Frage der Entgeltlichkeit dieser Verfügung aus: „Da die Abtretung in Erfüllung der gegenüber H eingegangenen Verpflichtung erfolgte, kann es nur darauf ankommen, ob für die Verpflichtung des Vorerben eine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass geflossen ist.“ Daraus wird deutlich, dass es bei abstrakt eingegangenen Verpflichtungen zur Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung auf die neu begründete Schuld des Vorerben und die Frage nach einer dafür erhaltenen Gegenleistung ankommt, nicht aber auf die Erfüllungshandlung. Folglich führt die Tatsache, dass dem Leistenden durch die bewirkte Schuldbefreiung ein Vermögensvorteil zukommt, allein nicht zur Entgeltlichkeit der Maßnahme. i) Das Verhältnis von § 2113 Abs. 2 zum Recht zur eigennützigen Verwendung § 2113 Abs. 2 soll jedenfalls schenkweise Verfügungen des Vorerben über Erbschaftsgegenstände verhindern, und zwar auch bei befreiter Vorerbschaft. Im Gesetzeswortlaut wird dieses inzidente Schenkungsverbot durch § 2113 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 besonders betont. Auf der anderen Seite zeigt der Wegfall des Anspruchs aus § 2134 Satz 1, dass der von dieser Bestimmung befreite Vorerbe Nachlassgegenstände eigennützig für sich verwenden darf306. Unter Berücksichtigung dieses Spannungsverhältnisses soll nachfolgend untersucht werden, wie einzelne ausgesuchte Fallgestaltungen nach dem bisherigen Lösungsschema zu beurteilen sind. Fall 1: Der befreite Vorerbe verwendet einen Nachlassgegenstand als Geschenk für einen Dritten und erspart sich dadurch den Kauf eines Präsents aus Eigenmitteln. Dabei soll es sich um ein Geschenk handeln, zu dem sich der Vorerbe aus moralischen Gründen (bspw. der 70. Geburtstag der Mutter) verpflichtet fühlt, so dass der nicht erforderliche Erwerb aus Eigenmitteln eine echte Einsparung für den Vorerben bedeutet. Auf den ersten Blick liegt in der Verfügung über den Nachlassgegenstand der klassische Fall einer Schenkung und damit nach allen zum Unentgeltlichkeitsbegriff vertretenen Auffassungen unstreitig ein Fall einer unentgeltlichen Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2. Handelt es sich dabei aber nicht zugleich um einen Fall der eigennützigen Verwendung gemäß § 2134 Satz 1? Die Frage ist zu bejahen. Eine eigennützige Verwendung im Sinne dieser Vorschrift liegt immer dann vor, wenn der Vorerbe einen Nachlassgegenstand so verwendet, dass dieser nicht mehr nach § 2130 herausgegeben werden kann und dem Nachlass dafür kein entsprechendes Äqui305 306
Abgedruckt in NJW 1984, 366 ff. Siehe oben S. 68 ff.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
valent als Surrogat zugeflossen ist. Das wäre hier gegeben. Bedeutet dies aber gleichzeitig, dass der befreite Vorerbe über den Nachlassgegenstand entgeltlich im Sinne von § 2113 Abs. 2 und damit dauerhaft wirksam verfügen durfte, eben mit dem Argument, bei angeordneter Befreiung sei es dem Vorerben doch gestattet, die Substanz der Erbschaft aufzubrauchen? Das ist zu verneinen. Eine solche Schlussfolgerung verbietet sich allein deshalb, weil die Tilgung eigener Schulden des Vorerben aus Nachlassmitteln als ein typischer Fall von § 2134 Satz 1 angesehen wird307, andererseits das Schenkungsversprechen diejenige Eigenschuld ist, deren Erfüllung schon aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch bei befreiter Vorerbschaft keinen dauerhaften Bestand haben soll. Verfügungen des Vorerben, die sich als Eigenverwendung von Erbschaftsmitteln darstellen, können daher, trotz Befreiung von § 2134 Satz 1, sehr wohl nach § 2113 Abs. 2 dem Leistungsempfänger gegenüber unwirksam werden. Das aus der Befreiung von § 2134 Satz 1 resultierende Recht des Vorerben zur Eigenverwendung von Nachlassmitteln eröffnet diesem somit keine uneingeschränkte Verfügungsmacht. Auch der insoweit befreite Vorerbe muss sich mit seinen Verfügungen weiterhin an der Schranke des § 2113 Abs. 2 messen lassen. Die Lösung des Falls ergibt sich unter Heranziehung des wie vorstehend beschriebenen Freigebigkeitskriteriums: Die Verfügung des Vorerben über den Nachlassgegenstand als Geburtstagsgeschenk erfolgte aufgrund eines freien Willensentschlusses des Vorerben. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung liegt ein Fall der Drittbegünstigung vor. Zwar mag der Vorerbe dadurch, dass er das Geschenk nicht selbst erwerben musste, Eigenmittel erspart haben. Die objektive Realisierung der Vermögensmehrung liegt jedoch bei der beschenkten Person. Von daher handelt es sich, selbst wenn der Vorerbe dank seiner Befreiung nicht zum Wertersatz nach § 2134 Satz 1 verpflichtet sein sollte, bei der Geschenkhingabe um eine auch dem befreiten Vorerben untersagte bloße Freigebigkeit und damit um eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung. Ein anderes Ergebnis wäre nur dann gegeben, wenn es sich bei dem Geschenk um eine Anstandsschenkung im Sinne von § 2113 Abs. 2 Satz 2 handelte. Dies ist stets eine Entscheidung im Einzelfall, wird hier aber schon deshalb zu verneinen sein, weil als eine Tatbestandsvoraussetzung gefordert wird, dass die Verfügung zwingend aus dem Nachlass erforderlich ist308. Dazu genügt es nicht, dass der Vorerbe damit sein Privatvermögen schonen kann. Es bleibt also bei der Regel: Auch der befreite Vorerbe kann nichts dauerhaft wirksam aus dem Nachlass an Dritte verschenken, selbst wenn ihm der Eigenverbrauch von Nachlassmitteln gestattet ist. Fall 2: Der befreite Vorerbe deckt seinen privaten Lebensbedarf aus dem Nachlass und lässt dadurch Eigenmittel unangetastet, die er zu einem späteren Zeitpunkt an einen Dritten verschenkt. Da der Vorerbe mit dem Geschenk nicht über einen Gegenstand der Erbschaft verfügt, ist der Regelungsbereich der §§ 2111 ff. nicht eröffnet, der vorangegangene Eigenverbrauch der Nachlassmittel ist dem von der 307 308
Siehe Nachweise unten in Fn. 541. NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 65 u. 66.
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Ersatzpflicht des § 2134 Satz 1 befreiten Vorerben erlaubt. Gleichwohl erscheint ein Wertungswiderspruch zu Fall 1 zu bestehen. In beiden Fällen soll im Ergebnis das Vermögen eines Dritten auf Kosten des Nachlasses ohne Gegenleistung vermehrt werden, wobei einmal die Verfügung unentgeltlich und damit regelmäßig im Nacherbfall unwirksam, das andere Mal die Vermögensdisposition des Vorerben wirksam sein soll. Es stellt sich die Frage, ob nicht auch hier die Grenze zum Schenkungsverbot überschritten ist. Beide vorstehenden Sachverhalte unterscheiden sich jedoch in einem wesentlichen Punkt: Im ersten Fall verschenkt der Vorerbe einen Erbschaftsgegenstand, im zweiten Fall einen Gegenstand seines ungebundenen Allgemeinvermögens. Nach der in § 2113 getroffenen Grundentscheidung des Gesetzgebers soll nur die Einbuße in der Nachlasssubstanz durch unmittelbare Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand mit der Unwirksamkeitssanktion belegt werden. Im Fall 2 greift der Vorerbe aber nicht durch Verfügung an einen Dritten, sondern durch – erlaubten – Eigenverbrauch in den Bestand der Erbschaft ein. Der Schädigungstatbestand ist somit die eigennützige Verwendung, nicht aber die spätere Schenkung aus dem Privatvermögen. Befreit der Erblasser den Vorerben von § 2134 Satz 1, will er sein Nachlassvermögen lieber dem Vorerben als dem Nacherben und lieber dem Nacherben als einem beschenkten Dritten zukommen lassen309. Wenn dies dazu führt, dass der Vorerbe durch ständigen Substanzverbrauch der Erbschaft sein persönliches Vermögen konserviert oder gar vergrößert, so ist dies eine wesensimmanente und daher für den Erblasser absehbare Folge der angeordneten Befreiung. Diese kann nicht dazu führen, dass der Vorerbe in der Dispositionsbefugnis über sein Privatvermögen einzuschränken wäre. Möglicherweise enttäuscht der Vorerbe durch den vorrangigen Verbrauch der Nachlasssubstanz das in ihn gesetzte Vertrauen des Erblassers. Dann hätte der Erblasser den Vorerben eben nicht befreien dürfen. Die Vorgehensweise in Fall 2 mag daher für den schutzbedürftigen Nacherben auf das gleiche Ergebnis wie bei einer unentgeltlichen Verfügung hinauslaufen. Der Weg ist aber ein anderer. In Fall 1 greift der Vorerbe durch Schenkung unmittelbar in die Substanz der Erbschaft ein, mit der Folge, dass der Nachlassgegenstand selbst in das Vermögen eines Dritten übergeht. An Dritte verschenken darf der Vorerbe aus dem Nachlass aber nichts. Dagegen schont der Vorerbe in Fall 2 lediglich sein freies Eigenvermögen durch ihm seitens des Erblassers gestatteten Verbrauch von Erbschaftsmitteln. Das spätere Geschenk aus dem Privatvermögen ist allenfalls mittelbar auf Kosten des Nachlasses ermöglicht worden, was das Recht der Vor- und Nacherbschaft jedoch nicht diskriminiert und nur durch anders lautende letztwillige Verfügung des Erblassers verhindert werden kann. Damit behält das Schenkungsverbot seinen Sinn. Auch der befreite Vorerbe soll den Erbschaftsstamm zum Schutze des Nacherben nicht unmittelbar im Wege freigebiger Verfügungen verschleudern dürfen. Die Eröffnung der Möglichkeit eines Aufzehrens der Nachlasssubstanz durch Eigenverbrauch des Vorerben beruht hingegen auf der Testierfreiheit des Erblassers und ist daher ohne 309
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Rücksicht auf die Auswirkungen auf das verbliebene allgemeine Vermögen des Vorerben zulässig. Durch die Anordnung der Befreiung hat der Erblasser dem Vorerben den Verbrauch der Erbschaft noch vor dem Verbrauch des eigenen Vermögens freigegeben310. Fall 3: Der befreite Vorerbe veräußert Nachlassgegenstände gegen Einräumung einer (gleichwertigen) Leibrente. Für den Kauf eines PKW nimmt er einen Kredit auf und führt diesen mit Geldern aus der Rente zurück, den PKW verschenkt er zu einem späteren Zeitpunkt. Die Veräußerung gegen Einräumung einer Leibrente ist eine Spielart eigennütziger Verwendung i. S. v. § 2134 Satz 1 und damit nichts anders als der Verbrauch eines Nachlassgegenstandes zu eigenen Zwecken. Der weggegebene Erbschaftsgegenstand kann nicht mehr an den Nacherben herausgegeben werden und ebensowenig ein Surrogat, denn bei einem Verkauf gegen Leibrentenversprechen besteht das Entgelt nicht in den regelmäßig wiederkehrenden Leistungen, sondern in dem grundlegenden, an die Person des Begünstigten gebundenen Stammrecht. Dann aber ist ein Surrogationseintritt aus Rechtsgründen nicht möglich, weil die Leibrente begrifflich und tatsächlich nur für den persönlichen Verbrauch durch den Vorerben bestimmt ist311. Von daher erfolgt die Rückführung des Kredits aus Eigenmitteln des Vorerben, weswegen auch der finanzierte Gegenstand nicht als Surrogat in den Nachlass fällt. Im Zeitpunkt der Schenkung verfügt der Vorerbe folglich über Eigenvermögen. Es bleibt die Frage, ob nicht die anfängliche Verfügung über die Nachlassgegenstände eine unentgeltliche Verfügung darstellt, weil die Sicherung des Nachlasses durch das Surrogationsprinzip versagt. Nach dem hier vertretenen Lösungsmodell ist dies zu verneinen, denn bei erblasserseits angeordneter Befreiung genügt es zur Bejahung der Entgeltlichkeit, wenn eine gleichwertige vermögenswerte Rechtsposition (Leibrentenrecht) dem Vorerben persönlich zuwächst. Auch dieses Resultat erscheint aus Nacherbensicht freilich wenig glücklich, weil erneut in der wirtschaftlichen Auswirkung ein Gegenstand auf Kosten des Nachlasses verschenkt wird, so dass sich – wie im vorangehenden Fall – die Frage stellt, ob hierin nicht eine unzulässige Umgehung des auch für den befreiten Vorerben geltenden Schenkungsverbots zu sehen ist. Im Kern greifen hier aber die gleichen Überlegungen wie zu Fall 2. Mit der Entscheidung, den Vorerben von der Verpflichtung des § 2134 Satz 1 freizustellen, hat der Erblasser zugleich im Hinblick auf die Nachlasssubstanz dem Verbrauchsrecht des Vorerben den Vorzug gegenüber dem Erhaltungsinteresse des Nacherben eingeräumt. Hätte er dies nicht getan, wäre schon die erste Verfügung über die Erbschaftsgegenstände als unentgeltlich zu qualifizieren und somit – Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben unterstellt – im Nacherbfall unwirksam. Diese Entscheidung des Erblassers ist zu respektieren, auch wenn das Ergebnis aus Nacherbensicht nicht behagt. Alternativ könnte man daran denken, bei der Verfügung über die Nachlassgegenstände zur Beurteilung der Entgeltlichkeit auf Ebene des Kau310 311
Motive V, S. 131 = Mugdan V, S. 68. Siehe oben S. 46 und Nachweise in Fn. 126.
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salgeschäfts nach dem Zweck, hier der Gegenleistung „Leibrente“, zu fragen. Hatte der Vorerbe etwa von Anfang an beabsichtigt, die Leistungen aus der Rente zum Teil für die Rückführung eines Kredits einzusetzen, der wiederum der Finanzierung eines Geschenks dient? Falls ja, führt das möglicherweise zu einer Teilunentgeltlichkeit? Eine solche Zweckerforschung auf der Basis des Kausalgeschäfts ist jedoch abzulehnen. Die mit der Befreiung von § 2134 Satz 1 einhergehende Berechtigung des Vorerben zum Eigenverbrauch ist, wie bereits an anderer Stelle nachgewiesen312, nicht von einem bestimmten Zweck abhängig. Dann kann es aber für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung auch nicht darauf ankommen, wie der Vorerbe die ihm persönlich (das macht gerade den Eigenverbrauch aus) zufallende Gegenleistung später einzusetzen beabsichtigt. Daneben spricht auch der in der Befreiungsanordnung liegende Erblasserwille gegen eine Berücksichtigung von Zweckerwägungen. Wie sich gerade am Beispiel der Leibrente besonders deutlich zeigt, soll das Recht des Vorerben, nicht nur auf die Nutzungen, sondern auch auf die Substanz der Erbschaft zurückgreifen zu können, diesem eine finanziell unabhängigere Position verschaffen. Vorzugsweise unter Eheleuten beruht die Anordnung der Befreiung auf dem Gedanken, den überlebenden Partner abgesichert zu wissen und ihn nicht in seiner finanziellen Dispositionsfreiheit beschneiden zu wollen. Damit unvereinbar wäre der Gedanke, den Längstlebenden als Vorerben in der Handlungsfreiheit über sein ungebundenes Privatvermögen einzuschränken, nur weil dieses Vermögen durch zulässigen Eigenverbrauch von Nachlassmitteln eine Wertsteigerung erfahren hat. Dieses den Vorerben begünstigende Ergebnis ist aus Nacherbensicht auch hinnehmbar. Es beruht letztlich auf der Eigenart des Leibrentenversprechens, bei dem die Gegenleistung kein Geld, sondern ein Recht ist, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld oder in vertretbaren Sachen bestehen313. Die Leibrente ist daher als ein an die Person des Vorerben gebundenes Recht nicht als Surrogat für den Nachlass geeignet. Das bedeutet aber weiter, dass die Gegenleistung nur dann dem Vorerben und nicht dem Nachlass zufällt, wenn die engen Voraussetzungen einer Leibrente erfüllt sind. Begrifflich gehört zu einer Leibrente, dass sie auf Lebenszeit zu zahlen ist. Kein Leibrentenversprechen ist daher der Verkauf eines Nachlassgegenstandes gegen ratenweise (bspw. monatliche) Zahlung eines fest vereinbarten Kaufpreises, selbst wenn der Ratengedanke nach dem Willen der Vertragspartner auf der Idee beruhte, dem Verkäufer einen monatlichen Betrag zum Lebensunterhalt zu sichern; die Kaufpreisraten bzw. das Recht darauf würden im Surrogationswege in den Nachlass fallen. Der Verkauf gegen Leibrente, bei dem die Gegenleistung für den Vertragspartner des Vorerben (= Käufer des Nachlassgegenstandes) nicht genau kalkulierbar ist, wird daher in der Praxis eher der Ausnahmefall sein. 312 313
Siehe oben S. 82 ff. Bamberger/Roth/Litzenburger, § 759 Rz. 1.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Fall 4: Der Vorerbe nimmt ein Darlehen auf, um ein Geschenk zu kaufen, und tilgt dieses Darlehen später aus Nachlassmitteln. Obwohl es sich im Zeitpunkt der Darlehensrückführung um einen Fall der Eigenschuldentilgung handelt, ergibt sich die Lösung über § 2111 Abs. 1 Satz 1. Wie bereits dargestellt314, tritt im Zeitpunkt des Mitteleinsatzes rückwirkend Surrogation ein. Damit gehört das erlangte Surrogat – zunächst der Darlehensbetrag und dann der erworbene, später verschenkte Gegenstand – zum gebundenen Nachlassvermögen und unterfällt dementsprechend auch dem Regelungsprogramm der §§ 2111 ff. Folglich verschenkt der Vorerbe letztlich einen Nachlassgegenstand; es gelten die Ausführungen zu Fall 1. Fall 5: Der Erblasser verfügt eine Befreiung des Vorerben nur von § 2134. Der insoweit partiell315 freigestellte Vorerbe tilgt eine private Steuerschuld aus Nachlassmitteln. Ob und in welchem Umfang der Erblasser von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch macht, steht in seinem Belieben316, sie kann sich somit auch auf nur eine einzige Vorschrift beziehen. Nach dem hier vertretenen Lösungsmodell ist die Tilgung einer persönlichen Steuerschuld bei befreiter Vorerbschaft eine entgeltliche Leistung, da der vermögenswerte Vorteil, die Befreiung von der Steuerverbindlichkeit, dem Vorerben in seinem persönlichen Vermögen zuwächst. Genügt dafür aber, wie im vorliegenden Fall, auch die Befreiung einzig von § 2134? Das ist im Ergebnis zu bejahen. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen der Vorerbschaft besteht darin, dass es dem befreiten Vorerben auch freisteht, die Substanz der Erbschaft für sich zu verbrauchen317; das ist gerade der Sinn der befreiten Vorerbschaft318. Diese Befugnis zur eigennützigen Verwendung wird allgemein aus der Entbindung von der Wertersatzpflicht nach § 2134 Satz 1 gefolgert319. Das bedeutet weiter, dass die Befreiung nur von § 2134 zu keinem anderen Ergebnis für das hier vertretene Unentgeltlichkeitsverständnis führen kann. Mit der Anordnung der Befreiung von § 2134 Satz 1 hat der Erblasser seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dem Vorerben den Verbrauch der Erbschaft zu gestatten und damit die primäre Substanzzuweisung von vorneherein zu Gunsten des Vorerben und zu Lasten des Nacherben verlagert. Es ist somit festzuhalten, dass die Tilgung der Steuerschuld eine entgeltliche Verfügung des auch nur von § 2134 Satz 1 befreiten Vorerben darstellt. Für den umgekehrten Fall, d. h. vollumfänglich angeordnete Befreiung mit Ausnahme von § 2134, gilt folgerichtig genau das Gegenteil. Mangels vom Erblasser gewollter Verwendungsbefugnis genügt es nicht, wenn die Vermögensmehrung nur bei dem Vorerben 314
Siehe oben S. 52 f. Eingangs dieser Arbeit wurde terminologisch klargestellt (siehe oben Fn. 13), dass mit „befreiter Vorerbe“ immer der umfassend befreite Vorerbe gemeint sein soll. Dabei bleibt es auch weiterhin, mit Ausnahme für diesen Fall 5. 316 MünchKomm/Grunsky, § 2136 Rz. 1. 317 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 31. 318 Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 18. 319 Nachweise oben in Fn. 217. 315
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stattfindet und die Nachlasssicherung über § 2111 Satz 1 versagt; die gleiche Verfügung über Nachlassgelder zur Tilgung der Steuerschuld wäre unentgeltlich. Im Extremfall kann die Befreiung von § 2134 dazu führen, dass der Erbschaftsstamm einschließlich seiner ohnehin dem Vorerben zustehenden Nutzungen im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vollständig durch Eigenverbrauch aufgezehrt ist. Ein obligatorischer Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben aus § 2138 Abs. 2 Alt. 2 (Benachteiligungsabsicht) wird angesichts der erblasserseits verfügten Befreiung von den Beschränkungen und Verpflichtungen der §§ 2130 ff. nur in Einzelfällen begründbar sein. Diese weitreichenden Konsequenzen einer Befreiung von § 2134 sollten in der, insbesondere notariellen, Gestaltungspraxis künftig mehr Berücksichtigung finden. Es empfiehlt sich, bei der Beratung dem Umstand, dass § 2136 BGB dem Erblasser einen durchaus weiten Spielraum in Bezug auf Umfang und Inhalt der erteilten Befreiung erlaubt, besondere Beachtung zu schenken, anstelle eines bislang wohl eher sorglosen Umgangs mit der pauschalen Anordnung einer Befreiung im gesetzlich zulässigen Umfang. j) Vorläufiges Zwischenergebnis für die Tilgung eigener Schulden des befreiten Vorerben Als vorläufiges Zwischenergebnis, das zu einem späteren Zeitpunkt noch auf Ausnahmen und seinen endgültigen Bestand zu überprüfen sein wird, ist für den befreiten Vorerben festzuhalten: Die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln als eine Fallgruppe tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts ist für den befreiten Vorerben grundsätzlich entgeltlich, weil für die Minderung der Erbschaftssubstanz ein angemessener Gegenwert (Schuldbefreiung) in das persönliche Vermögen des Vorerben gelangt. Das gilt nicht für bloße Freigebigkeiten des Vorerben. 3. Das Unentgeltlichkeitsverständnis bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten des nicht befreiten Vorerben a) Die Nicht-Befreiung des Vorerben von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 Wenn bei befreiter Vorerbschaft die Entgeltlichkeit von Verfügungen zur Tilgung privater Schulden des Vorerben mit dem Argument der Befreiung von § 2134 Satz 1 bejaht wurde, so ist es nur konsequent, bei nicht erteilter Befreiung das genau umgekehrte Ergebnis zu postulieren, somit die Unentgeltlichkeit der Verfügung. Der nicht von der Ersatzpflicht des § 2134 befreite Vorerbe ist gerade nicht befugt, Erbschaftsgegenstände, mithin auch die aus der Veräußerung eines Erbschaftsgegenstandes erhaltene Gegenleistung, für sich zu verwenden. Er hat den Stamm der Erbschaft zu erhalten und darf diesen auch nicht zu privaten Zwecken antasten, gleichgültig, ob dieser Eingriff auf unmittelbarem Verbrauch beruht oder nur zu einer mittelbaren Reduzierung führt, indem die Gegenleistung für den aufgegebenen
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Nachlasswert nicht mehr von dem persönlichen Vermögen des Vorerben getrennt werden kann. Von daher ist bei nicht befreiter Vorerbschaft eine Gegenleistung, die deshalb nicht in den Nachlass fließt, weil die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt, nicht als Entgelt anzusehen320. Für die Tilgung von Eigenschulden des nicht befreiten Vorerben scheint daher die Aussage richtig, dass eine solche Verfügung stets als unentgeltlich zu bewerten ist, weil es hier nicht genügt, dass der Vorerbe persönlich von einer Schuld befreit wird321. b) Die Verwirklichung des Erblasserwillens Hat der Erblasser den Vorerben nicht von den in § 2136 genannten Beschränkungen und Verpflichtungen befreit, will er sein Vermögen lieber dem Nacherben als dem Vorerben zukommen lassen. Es liegt daher in seinem Interesse, alle Verfügungen, bei denen Erbschaftsgegenstände weggegeben werden, ohne dass dem Nachlass dafür ein gleichwertiges Äquivalent zugeführt wird, als unentgeltlich i. S. v. § 2113 Abs. 2 anzusehen. Der Erblasserwille spricht somit auch dafür, Verfügungen zur Tilgung privater Schulden des nicht befreiten Vorerben als unentgeltlich zu qualifizieren. c) Die Interessen des Nacherben und etwaiger Nachlassgläubiger Ist der Vorerbe nicht befreit, fallen sämtliche Argumente, die bei erteilter Befreiung für eine Verstärkung der Rechtsposition des Vorerben selbst auf Kosten des Nacherben oder etwaiger Nachlassgläubiger sprachen, weg. Der Normzweck von § 2113 Abs. 2, der auf eine wertmäßige Erhaltung der Nachlasssubstanz abzielt, entfaltet seine volle Wirkung mit der Folge, dass bei Versagen der Sicherung durch das Surrogationsprinzip die Verfügung unentgeltlich ist. Dem kann der Vorerbe auch nicht entgegenhalten, dass durch die mit Bejahung der Unentgeltlichkeit im Nacherbfall eintretende Unwirksamkeit der Verfügung322 seine eigenen beachtenswerten Interessen unangemessen betroffen werden. Wenn Verfügungen des Vorerben, die unentgeltlich sind und Belange Dritter tangieren, vom Gesetzgeber diskriminiert werden, so ist dies lediglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der in abgewandelter Form verschiedentlich vorkommt (vgl. §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 822, 988, 2287)323.
320
BGH NJW 1977, 1540 f. (1540). Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77. 322 Zunächst ist jede Verfügung des Vorerben dinglich wirksam. Unwirksamkeit tritt gemäß § 2113 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 („im Fall des Eintritts der Nacherbfolge“) erst im Nacherbfall ein; vgl. Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (823); Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 24. 323 Rohmer, S. 39. 321
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d) Das Interesse des (redlichen) Geschäftsverkehrs Werden Verfügungen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten aus Nachlassmitteln für den nicht bereiten Vorerben als stets unentgeltlich qualifiziert, sind dadurch die Interessen des – insbesondere redlichen – Empfängers der unentgeltlichen Leistung betroffen. Denn nicht selten wird dieser im Nacherbfall überraschend mit der Unwirksamkeitssanktion des § 2113 Abs. 2 konfrontiert werden, weil er bei Entgegennahme der durch Verfügung bewirkten Leistung mangels Einblicks in die internen Rechtsverhältnisse des Vorerben mit der Heranziehung des Verfügungsverbotes schlechterdings nicht rechnen konnte. Von der Warte des gutgläubigen Dritten aus gestaltet sich das Erfüllungsgeschäft nämlich regelmäßig als entgeltlich; er bekommt das, was ihm ohnehin gebührt und begibt sich im Gegenzug seines Forderungsrechtes. Selbst bei sorgfältigster Prüfung wird es dem Geschäftspartner des Vorerben häufig rechtlich wie tatsächlich nicht möglich sein, entweder die Nachlasszugehörigkeit der erlangten Mittel zu erkennen oder den eigenen Anspruch als Nachlass- bzw. Privatschuld des Vorerben zu klassifizieren und damit zu beurteilen, in welches Vermögen sein in der Forderungsaufgabe bestehender Gegenwert letztlich fließt. Es stellt sich somit die Frage, ob die bislang vorgenommene Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Belange des redlichen Erwerbers führt. Denn es ist sicher richtig, dass in einer Vielzahl von Fällen dem Leistungsempfänger sowohl die Vorerbeneigenschaft des Verfügenden als auch die Nacherbenbindung des erhaltenen Gegenstandes verborgen bleibt, zumal der Vorerbe zu einer diesbezüglichen Offenlegung nicht verpflichtet ist. Ebenso kann nicht geleugnet werden, dass die Position des Erwerbers dadurch weiter erschwert wird, dass neben den im Erbfall vorhandenen Gegenständen auch solche dem Vorerbschaftsvermögen angehören, die im Surrogationswege in den Nachlass gefallen sind, wovon ein außenstehender Dritter regelmäßig keinerlei Kenntnis erlangen kann. Um diese in der besonderen Konstruktion des Rechtsgebildes der Vor- und Nacherbschaft für den Verfügungsempfänger wurzelnden Nachteile auszugleichen, hat der Gesetzgeber mit § 2113 Abs. 3 bewusst eine Schutzbestimmung zugunsten des redlichen Erwerbers geschaffen. Danach wird der gute Glaube desjenigen, dem gegenüber der Vorerbe über einen Nachlassgegenstand verfügt, nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften geschützt324. Die mit dieser Regelung verfolgte Privilegierung bei Redlichkeit des Leistungsempfängers wahrt dessen Interessen hinreichend. Einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung der Belange des mit dem Vorerben kontrahierenden Dritten bedarf es nicht, insbesondere auch nicht im Rahmen der Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, die Sicherung durch § 2113 Abs. 3 versage in den Fällen, in denen der Vorerbe zur Schuldentilgung seinem Gläubiger 324
Eingehend zu § 2113 Abs. 3 siehe unten S. 163 ff.
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Vermögenswerte zuwendet, die nach geltendem Recht nicht gutgläubig erworben werden können. Zu denken wäre an eine dem Nachlass zustehende Forderung, wenn diese zur Erfüllung einer privaten Verpflichtung des Vorerben an dessen Eigengläubiger abgetreten wird. Ein derartiger Argumentationsgang ließe unberücksichtigt, dass es sich bei dem grundsätzlichen Ausschluss eines gutgläubigen Forderungserwerbs nicht um eine mit dem hier gegenständlichen Problemkreis zusammenhängende Eigentümlichkeit aus dem Recht der Vor- und Nacherbschaft handelt, sondern um eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers. Wenn das Gesetz im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs einen gutgläubigen Forderungserwerb grundsätzlich untersagt, so ist diese gesetzgeberische Wertung bei der Vor- und Nacherbschaft genauso hinzunehmen, wie in allen anderen Rechtsgebieten, in denen der gutgläubige Erwerb eine Rolle spielt. Wird aber der Schutz eines Rechtes von der Rechtsordnung bereits allgemein verwehrt, kann er nicht im Einzelfall versagen. Die Tatsache der Unmöglichkeit eines gutgläubigen Forderungserwerbs bietet daher kein tragfähiges Argument dagegen, dass der dem Verfügungsempfänger im Rahmen von § 2113 Abs. 3 gewährte Schutz hinreichend geeignet ist, den Belangen der Verkehrssicherheit abschließend Rechnung zu tragen. Ein Weiteres ist zu bemerken: Hat der Geschäftspartner positive Kenntnis von der Vorerbeneigenschaft des Leistenden und ist sich lediglich über die Nachlasszugehörigkeit des erhaltenen Gegenstandes im Unklaren, kann er den Unwägbarkeiten über die dauerhafte Wirksamkeit der Verfügung dadurch entgegensteuern, dass er den Nacherben hinzuzieht und um dessen Einwilligung in die Verfügung nachsucht325 ; eine unentgeltliche Verfügung bleibt nämlich wirksam, wenn der Nacherbe in die Vornahme des Rechtsgeschäfts eingewilligt hat326. Die freilich damit einhergehende, nicht unerhebliche Erschwerung des Rechtsverkehrs, namentlich wenn minderjährige oder unbekannte Nacherben vorhanden sind und es daher einer Pflegschaftsbestellung bedarf327, muss vor dem Hintergrund der systemprägenden Grundentscheidung des Gesetzgebers für einen möglichst weitgehenden Schutz der Erbschaftssubstanz hingenommen werden. Unterlässt es der mit dem Vorerben kontrahierende Dritte dann, von diesem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium Gebrauch zu machen, so ist es auch nicht unbillig, ihm im Interesse der Erhaltung des Nachlassvermögens das Risiko der späteren Unwirksamkeit der Verfügung aufzubürden. Bei alledem ist stets zu bedenken, dass das Erhaltungsinteresse des Nacherben Berücksichtigung verlangt, oftmals auch auf Kosten der Verkehrssicherheit328. Naturgemäß würde es dem Schutz des von der späteren Unwirksamkeitssanktion betroffenen Verfügungsempfängers besser dienlich sein, verlangte man für die Bejahung einer unentgeltlichen Verfügung zusätzlich auf Seiten des Geschäftspartners 325 326 327 328
So auch die Anregung des Reichsgerichts in RGZ 81, 364 ff. (367, 368). MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 16. Arnheim, DNotZ 1929, 269 ff. (276). Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 a.
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positive Kenntnis oder zumindest Erkennbarkeit der entsprechenden Voraussetzungen329. Jedoch wäre eine derartige einschränkende Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs nicht mehr vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt. Denn es besteht eine grundsätzliche Interessenkollision zwischen den Verkehrsschutzbelangen einerseits und dem Erhaltungsinteresse des von der Verfügungsmacht ausgeschlossenen Nacherben andererseits. Der Schutz allein des letzteren Interesses entspricht dem Zweck der Bestimmung, den Nacherben gegen eine Verkümmerung seiner Rechte durch Verringerung der Erbschaftsmasse zu schützen. Vergegenwärtigt man sich, dass eine vollkommene Berücksichtigung zweier widerstreitender Interessen nicht möglich ist, spricht im Hinblick auf den Gesetzeszweck alles dafür, bei Beurteilung der Unentgeltlichkeit einer Verfügung die Belange des Nacherben in den Vordergrund zu stellen, selbst auf Kosten der Klarheit für den Geschäftspartner hinsichtlich des dauerhaften Bestands des Verfügungsgeschäftes330. e) Die Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei Aufrechnung des nicht befreiten Vorerben mit einer dem Nachlass zustehenden Forderung gegen eine Eigenschuld Wie bei befreiter Vorerbschaft bereits ausgeführt331, bieten weder § 2115 Satz 1 noch die Rechtslage bei Aufrechnung durch einen Eigengläubiger des Vorerben eine brauchbare Argumentationshilfe, da in beiden Fällen primär ein Ausnutzen der Vorerbenstellung durch seitens der Gläubiger initiierte Zwangsbefriedigungsmaßnahmen verhindert werden soll. Im umgekehrten Fall, d. h. bei seitens des nicht befreiten Vorerben erklärter Aufrechnung mit einer dem Nachlass zustehenden Forderung gegen den Anspruch seines Eigengläubigers, wird überwiegend angenommen, dass es sich dabei um eine unentgeltliche Verfügung handelt mit der Folge der Unwirksamkeit im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge332. Die Forderung des Nachlasses erlischt, ohne dass der Erbmasse eine entsprechende Leistung eines Dritten zufließt. Die mit der Aufrechnung eintretende Befreiung von der eigenen Schuld (§ 389) kommt ausschließlich dem ungebundenen Vermögen des Vorerben zugute, was die Verfügung jedoch nicht zu einer entgeltlichen machen kann333. 329 So noch Lange, § 26 IV 6 c und § 29 VI 2 b (für § 2205), der auf die Notwendigkeit hinwies, auch den Verkehrsschutz zu berücksichtigen und deshalb als Kriterium „die dem Gegner erkennbare Pflichtverletzung im Verhältnis zum Erben“ forderte. Aufgrund der hier vorgetragenen Einwände gegen eine zu starke Berücksichtigung der Drittinteressen aber abzulehnen. 330 Vgl. auch Argumentation in BGH NJW 1963, 1613 ff. (1614). Der BGH räumt hier im direkten Vergleich zwischen Schutzbedürftigkeit des geschäftlichen Verkehrs einerseits und des von der Verfügungsmacht ausgeschlossenen Nacherben andererseits dem Schutz des Nacherben mit dem Argument des Normzwecks den Vorrang ein. 331 Siehe oben S. 78 ff. und S. 81 f. 332 RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 26 und § 2134 Rz. 2; Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 2; Schlüter, Rz. 793; v. Lübtow, S. 912; Fritze, S. 114. 333 v. Lübtow, S. 912.
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Entgegen dieser Ansicht will Siber die Aufrechnung einer Nachlassforderung gegen eine Eigenschuld unter Hinweis auf § 2112 als wirksame Verfügung des Vorerben behandeln334. Dem ist nicht zu folgen. Siber verkennt, dass nach dem Gesetzeswortlaut die Generalklausel des § 2112 durch die §§ 2113 bis 2115 modifiziert wird. Es erweist sich aber als Zirkelschluss, die Einschlägigkeit einer für bestimmte Fallgestaltungen vorgesehenen Verfügungsbeschränkung (nämlich § 2113 Abs. 2) gerade mit dem Argument des aus § 2112 hervorgehenden generell freien Verfügungsrechtes, das genau es einzuschränken gilt, ablehnen zu wollen. Ebenso wendet sich Pyszka gegen die zuvor als herrschend vorgestellte Meinung zur Aufrechnung durch den nicht befreiten Vorerben mit einer Nachlassforderung gegen den Anspruch seines Eigengläubigers, indem er die Anwendung von § 2113 Abs. 2 unter Hinweis auf die angeblich eklatante Beeinträchtigung des Verfügungsgegners, der sich aufgrund der im Nacherbfall eintretenden Unwirksamkeit der Verfügung wieder der Nachlassforderung ausgesetzt sieht, verneint335. Zwar könne der Eigengläubiger, dessen private Forderung wieder auflebt, seinerseits den (früheren) Vorerben in Anspruch nehmen336. Doch trage er dann erneut das Solvenzrisiko im Hinblick auf seinen Schuldner, den Vorerben. Hinsichtlich der Beeinträchtigung des Verfügungsgegners muss man Pyszka zwar Recht geben. Dennoch beweist das nichts für die Richtigkeit seiner Meinung. Ebensogut könnte man nämlich gegen Pyszka vorbringen, dass bei seiner Lösung ausgerechnet der Nacherbe, der die dann durch Aufrechnung wirksam erloschene Nachlassforderung nicht mehr gegenüber dem Verfügungsgegner geltend machen könnte und einzig auf die schuldrechtlichen Ansprüche gegen den Vorerben angewiesen wäre, dieses Risiko trägt. Stellt man sich dann die Frage, wem bei einer Interessenabwägung der Vorrang einzuräumen ist, muss vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm die Antwort zugunsten des Nacherben und damit gegen die Auffassung von Pyszka ausfallen. Die Aufrechnung bietet daher lediglich eine Möglichkeit, das Erlöschen eines Schuldverhältnisses herbeizuführen. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Vorerbe im Wege der Aufrechnung eine Nachlassforderung ersatzlos aufgibt oder aber über einen anderen Gegenstand der Erbschaft rechtsgeschäftlich verfügt, jeweils um das Leistungsinteresse seines Eigengläubigers zu befriedigen. In beiden Fällen fehlt es an einem für den aufgeopferten Nachlasswert in die Erbschaft fließenden Vermögensvorteil, die Verfügung ist unentgeltlich. Die Tatsache, dass der nicht befreite Vorerbe in seinem Privatvermögen davon profitiert, genügt nicht.
334 335 336
Siber, S. 55 (unter 4.). Pyszka, S. 90. Schlüter, Rz. 793.
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f) Die Unbeachtlichkeit fehlender Bereicherung des Zuwendungsempfängers Nach Leonhard ist Voraussetzung für das Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung, dass der Empfänger der Zuwendung bereichert wird. Wenn das Geschäft lediglich dem Vorerben selbst zugute komme, wie die Anweisung des Vorerben an einen Nachlassschuldner, einem seiner eigenen Gläubiger zu zahlen, so liege eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben nicht vor. Denn man könne diesen Begriff nicht auf alle Fälle ausdehnen, wo eine Verfügung ohne Erlangung eines Gegenwertes stattfinde337. Das von Leonhard angeführte Beispiel hat im wirtschaftlichen Ergebnis dieselbe Bedeutung wie die Abtretung338 jener Nachlassforderung an Erfüllungs statt an den Eigengläubiger des Vorerben339. In beiden Fällen erlischt die persönliche Schuld des Vorerben auf Kosten einer der Erbschaft zustehenden Forderung. Der Zuwendungsempfänger erhält nur das, was ihm ohnehin gebührt, die eigentliche Bereicherung trifft den Vorerben, der seiner Privatverbindlichkeit ledig wird. Wollte man Leonhard folgen, dürften in Abweichung von der hier bislang formulierten These die zum Zwecke der Erfüllung eigener Schulden vorgenommenen Maßnahmen des nicht befreiten Vorerben mangels Bereicherung des Leistungsempfängers nicht als unentgeltliche Verfügungen beurteilt werden. Der Nacherbe könnte sich dann nur noch mit seinen persönlichen Ersatzansprüchen an den Vorerben halten340. Die Position Leonhards zum Unentgeltlichkeitsverständnis überzeugt jedoch nicht. Vorrangiger Zweck von § 2113 Abs. 2 ist die Bewahrung des Nacherben vor einer Schmälerung seiner Rechte, der Erbschaftsstamm soll gegen eine Vergeudung seiner Bestände geschützt werden. Dem Nachlass, und damit im Ergebnis dem Nacherben gegenüber, ist es aber gleichbedeutend, ob durch die ersatzlose Aufgabe eines Nachlassgegenstandes – sei es in Gestalt einer Forderung oder eines anderen Vermögenswertes – der Zuwendungsempfänger, der Vorerbe persönlich oder ein Dritter bereichert wird. In allen Fällen wird die Substanz des Nachlasses ohne gleichzeitige Zufuhr eines adäquaten Vermögensvorteils reduziert. Da § 2113 Abs. 2 einzig die Verhinderung einer solchen Verringerung der Erbschaftssubstanz vor Augen hat, ist es – entgegen Leonhard – nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift für die Ausfüllung des Unentgeltlichkeitsbegriffs ohne Bedeutung, in welcher Vermögensmasse die Bereicherung letztendlich eintritt341. 337
Leonhard, § 2113 II D. Wie die Aufrechnung mit einer Nachlassforderung ist auch deren Abtretung an einen Privatgläubiger vor Eintritt des Nacherbfalls zunächst möglich, weil der Vorerbe Träger des Nachlasses ist. 339 Der rechtliche Unterschied besteht darin, dass die Anweisung im Gegensatz zur Abtretung keine Rechtsübertragung an den Empfänger bewirkt; vgl. Jauernig/Vollkommer, § 783 Rz. 11. 340 Diese Konsequenz zieht dann auch Leonhard, § 2113 II D. 341 So auch Endemann, S. 412; Krawielicki, S. 123. 338
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g) Der Einfluss der subjektiven Komponente des Unentgeltlichkeitsbegriffs Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre orientiert sich die Definition des Unentgeltlichkeitsbegriffs nicht allein an objektiven Wertmaßstäben, sondern wird zusätzlich noch durch ein subjektives Moment geprägt. Danach ist eine Verfügung nur dann unentgeltlich, wenn der Vorerbe subjektiv entweder weiß, dass dem Vermögensopfer (objektiv) kein vollwertiges Entgelt gegenübersteht oder er unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen, dass die Gegenleistung kein vollwertiges Entgelt darstellt342. Eine entgeltliche Verfügung ist somit anzunehmen, wenn nach dem an die Anforderungen einer ordnungsmäßigen Verwaltung gebundenen Ermessen des Vorerben dieser vom Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung für das Nachlassvermögen ausgehen durfte. Vor diesem Hintergrund ließe sich argumentieren, eine Verfügung zur Tilgung eigener Schulden sei auch für den nicht befreiten Vorerben dann entgeltlich, wenn dieser subjektiv der Ansicht war – und es auch sein durfte –, der Gegenwert in Form der Befreiung von der Schuld komme nicht ihm, sondern dem Nachlass zugute. Zu denken ist an den Fall, dass der Vorerbe eine ihn ausschließlich in seinem Eigenvermögen treffende Verbindlichkeit zwar objektiv rechtsfehlerhaft, aber nicht subjektiv vorwerfbar, gemessen an einer ordnungsgemäßen Erbschaftsverwaltung, als Nachlassschuld beurteilt, und diese daraufhin aus Mitteln der Erbschaft begleicht. Dagegen zeigt ein Blick in die Rechtsprechung, dass eine Subjektivierung des Unentgeltlichkeitskriteriums nur in begrenztem Umfang Geltung erlangen kann. Schon das Reichsgericht betont, dass „… eine Zuwendung, für die der Leistende gar keine Gegenleistung erhält, nicht dadurch entgeltlich wird, dass sie in dem irrigen Glauben an eine Gegenleistung bewirkt wird“343. Dieser Gedanke wird in der hier bezüglich des Leitsatzes bereits kommentierten344 Entscheidung des BGH vom 02. 10. 1952 konkretisiert: „Subjektive Erwägungen des Vorerben können nur für die Bemessung des Wertes der einzelnen Gegenleistung berücksichtigt werden, der ein Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 darstellt, nicht aber dafür, ob eine bestimmte Gegenleistung überhaupt als ein Entgelt im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann.“345 Die subjektive Komponente erlangt folglich nur bei der Bemessung des Gegenwertes an Bedeutung. In allen anderen Beziehungen entscheiden über Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit ausschließlich objektive Momente346. Mangelt es daher schon objektiv an einem in die Erbmasse fließenden Gegenwert, kann eine anderweitige subjektive Vorstellung des Vorerben nicht dazu führen, der 342 343 344 345 346
Siehe oben S. 32. RGZ 105, 246 ff. (249). Siehe oben S. 70 in Fn. 221. BGHZ 7, 274 (279); RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 25. Ascher, Anm. zu LM § 2113 Nr. 3.
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Verfügung den Charakter einer i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltlichen zu verleihen. So verhält es sich hier. Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob es sich bei einem zwar nicht dem Nachlass, wohl aber dem persönlichen Vermögen des Vorerben zufallenden Vorteil um ein Entgelt im Sinne vorstehender Norm handelt. Diese Frage ist für den nicht befreiten Vorerben mit den hier vorgetragenen Argumenten zu verneinen. Von daher fehlt es bereits auf objektiver Ebene an einem tauglichen Gegenwert. Ein nicht vorhandenes Entgelt kann aber durch den irrigen Glauben der Beteiligten daran nicht ersetzt werden347. Das subjektive Vorstellungsbild des handelnden Vorerben führt damit zu keinem anderen Ergebnis. Gleiches gilt für den Fall, dass der Vorerbe zwar die Schuld als Eigenverbindlichkeit und damit den fehlenden Zufluss der Gegenleistung in das Nachlassvermögen erkennt, ungeachtet dessen aber der Ansicht ist, auch ein ihm persönlich zukommender Vorteil mache die Verfügung zu einer entgeltlichen. Denn eine Zuwendung ist wenn das Entgelt nicht in den Nachlass fließt selbst dann noch unentgeltlich, wenn sie sämtliche Parteien des Vertrages für entgeltlich halten348. Auch hierbei steht allein die Frage zur Diskussion, ob ein bestimmter Gegenwert überhaupt als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 anzuerkennen ist, so dass subjektive Erwägungen des Vorerben nicht zu berücksichtigen sind. Eine objektiv unentgeltliche Verfügung kann daher auch nicht deswegen als entgeltlich qualifiziert werden, weil der Vorerbe sie in Kenntnis der tatsächlichen Begebenheiten rechtsirrig für eine entgeltliche gehalten hat349. h) Vorläufiges Zwischenergebnis für die Tilgung eigener Schulden des nicht befreiten Vorerben Als vorläufiges Ergebnis bei nicht befreiter Vorerbschaft ist festzuhalten: Die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln durch den nicht befreiten Vorerben ist stets als unentgeltliche Verfügung zu qualifizieren, weil die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt und es hier nicht genügt, wenn der Gegenwert dem Vorerben persönlich zufließt. Nachfolgend ist dieses wie auch das Zwischenergebnis für den befreiten Vorerben auf mögliche Ausnahmen (nachstehend unter 4.) und auf die Vereinbarkeit mit zwei anderen in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassungen (nachstehend unter 5.) zu überprüfen.
347 348 349
RGZ 105, 246 ff. (249). Ascher, Anm. zu LM § 2113 Nr. 3. RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 25.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
4. Mögliche Ausnahmen von dem hier vertretenen Normverständnis a) Bei befreiter Vorerbschaft Nicht verkannt werden darf, dass es nach dem hier vertretenen Normverständnis für den befreiten Vorerben oftmals ein Leichtes wäre, sich seiner privaten Schulden auf Kosten des Nachlasses zu entledigen, was angesichts der Vielfalt denkbarer Eigenverbindlichkeiten eine große Gefahr für den Nacherben bedeutet350. Nachfolgend soll für zwei ausgewählte Fallkonstellationen untersucht werden, ob nicht im Einzelfall eine Modifikation des hier als vorläufig vorgeschlagenen Lösungsmodells im Interesse des Nacherben geboten ist. aa) Die absichtliche Verringerung der Nachlasssubstanz durch den Vorerben Folgender Beispielsfall sei vorab skizziert: Der befreite Vorerbe tätigt mit seinem Privatvermögen umfangreiche Geschäfte im Grundstücksverkehr. Er handelt dabei in der vorgefassten Absicht, die nach den §§ 22 Ziff. 2, 23 Absatz 1 Ziff. 1 EStG anfallende Steuer aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Nachlassgeld zu bezahlen, um einerseits seinen privaten Gewinn zu vergrößern, andererseits dem Nacherben möglichst wenig von der Erbschaftsmasse herausgeben zu müssen. Wie sind die zu Lasten des Nachlasses vorgenommenen Steuerzahlungen im Hinblick auf § 2113 Abs. 2 zu beurteilen?
Bei der Zahlung einer Steuerschuld handelt es sich um den typischen Fall der Tilgung einer Eigenverbindlichkeit des Vorerben, so dass – mangels Freigebigkeit – nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz von einer entgeltlichen und damit dauerhaft wirksamen Verfügung auszugehen ist. Zweifel an der Richtigkeit dieser Lösung könnten im vorstehenden Beispielsfall deshalb aufkommen, weil der befreite Vorerbe darin seine verstärkte Rechtsmacht mit Wissen und Wollen gezielt dazu ausnützt, auf Kosten des Nachlasses sein Privatvermögen zu mehren und damit dem Nacherben im gleichen Umfang Schaden zuzuführen. Sinn und Zweck von § 2113 Abs. 2, das Interesse des Nacherben an der Erhaltung der Erbsubstanz zu schützen, scheinen ausgehöhlt. Die im Hinblick auf diese Bedenken zu erörternde Frage lautet somit, ob eine Verfügung, die der befreite Vorerbe in dem sicheren Wissen um das Nichteingreifen des Surrogationsprinzips absichtlich eigennützig disponiert, in Abweichung von dem hier formulierten Lösungsvorschlag ausnahmsweise als unentgeltlich zu beurteilen ist. Unter Bezugnahme auf den vorstehenden Beispielsfall käme als einschränkendes Korrektiv das subjektive Merkmal des „Handelns in der Absicht, sich selbst zu bereichern und den Nacherben zu benachteiligen“ in Betracht. Ob dieses Kriterium geeignet ist, einer grundsätzlich entgeltlichen Rechtshandlung des befreiten Vorer350
So schon Hothorn, S. 90.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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ben ausnahmsweise den Charakter der Unentgeltlichkeit zu verleihen, erscheint jedoch fraglich. Dafür spricht sicherlich das Interesse des vom Verfügungsrecht zunächst ausgeschlossenen Nacherben an einer bestmöglichen Substanzerhaltung des Nachlasses. Dass mit einem Abstellen auf persönliche Vorstellungen des Vorerben ein Maßstab für die Unentgeltlichkeit der Verfügung herangezogen würde, der die Wirksamkeit derselben durch Umstände beeinflusst, die für den Leistungsempfänger in aller Regel nicht mit genügender Sicherheit erkennbar sind, würde nicht entgegenstehen. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der allgemeinen Verkehrssicherheit wäre im Hinblick auf den insoweit vorrangigen Nacherbenschutz hinzunehmen351. Entscheidend gegen eine Berücksichtigung von Absichtsaspekten bei der Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs spricht jedoch der Wortlaut von § 2138 Abs. 2. Danach ist der Vorerbe dem Nacherben zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, wenn er „der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 zuwider über einen Erbschaftsgegenstand verfügt oder die Erbschaft in der Absicht, den Nacherben zu benachteiligen, vermindert hat“. Die Tatsache des gleichwertigen Nebeneinanders dieser beiden Tatbestandsalternativen lässt folgenden Schluss zu: Der Gesetzgeber hat ein Regelungsbedürfnis bei subjektiv motivierten Handlungen des befreiten Vorerben erkannt und sich im Rahmen seines Regelungsauftrags dafür entschieden, bei Verfügungen in Benachteiligungsabsicht den Vorerben zur Leistung von Schadensersatz zu verpflichten. Wollte man nun bei befreiter Vorerbschaft die Unentgeltlichkeit der Verfügung ebenfalls mit dem Argument der Schädigungsabsicht bejahen, wäre der zweite Halbsatz von § 2138 Abs. 2 überwiegend obsolet, da schon der Verstoß gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Verfügung herbeiführen würde. Um der zweiten Alternative der Norm nicht jedwede Existenzberechtigung zu nehmen, müssen also Verfügungen denkbar sein, die in Benachteiligungsabsicht vorgenommen werden und trotzdem entgeltlich sind. Zwar mögen in der Praxis unentgeltliche Verfügungen oftmals auch in Benachteiligungsabsicht erfolgen. Die Unentgeltlichkeit ist dann aber auf andere Umstände zurückzuführen. Der Absichtsaspekt jedenfalls kann nach dem Wortlaut von § 2138 Abs. 2 nicht, auch nicht ausnahmsweise, zum entscheidungserheblichen Kriterium für die Unentgeltlichkeit einer Verfügung erhoben werden. Dagegen lässt sich auch nicht vorbringen, die Anordnung der Befreiung seitens des Erblassers sei maßgeblich von dem Vertrauen getragen, dass der Vorerbe seine ihm eingeräumten Möglichkeiten nicht zu Lasten des Nacherben missbraucht352. Die Enttäuschung dieses Vertrauens, die bei einer absichtlichen Nachlassschädigung durch den Vorerben gegeben sein mag, ist jedoch nicht Gegenstand des Schutzzwecks bei § 2113 Abs. 2, da es der Erblasser selbst in der Hand hat, ob und in welchem Umfang er zu Lebzeiten von seiner Möglichkeit, dem Vorerben Befreiung zu erteilen, Gebrauch macht. Hat der Erblasser entsprechend testiert und sich dazu 351 352
Siehe oben S. 103. Endemann, S. 444 unter b.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
entschieden, den Vorerben im gesetzlich zulässigen Umfang von allen Beschränkungen und Verpflichtungen zu befreien, hat er bewusst das Verbrauchsrecht des Vorerben gestärkt und über das Interesse des Nacherben an der Erhaltung des Bestands der Erbschaft gestellt. bb) Die entsprechende Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht Auch hier zunächst ein Beispiel: Der überlebende Ehemann E ist befreiter Vorerbe, die Tochter T der verstorbenen Erblasserin zur Nacherbin berufen. E erfüllt seine gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinem Sohn S aus erster Ehe mit Nachlassmitteln, um sein Privatvermögen zu schonen und damit möglichst viel seinem persönlichen Erben S zu erhalten. S seinerseits nimmt die monatlichen Zahlungen in Kenntnis dieser Umstände entgegen. Im Nacherbfall erhält T, was E und S gemeinsam in Kauf genommen haben, eine erheblich reduzierte Erbschaft.
Die Zahlung von Unterhalt ist ein Fall der Tilgung einer Eigenschuld des befreiten Vorerben, die nach dem hier vorgeschlagenen Lösungsmodell als eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliche Maßnahme zu qualifizieren ist. Die Unterhaltspflicht ist auch gesetzlich statuiert, so dass es an der Freiwilligkeit der Schuldbegründung und damit an der Freigebigkeit der Handlung zur Erfüllung dieser Pflicht fehlt. Gleichwohl ist der vorstehende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, dass der Vorerbe unter bewusster Ausnutzung seiner Rechtsmacht Verfügungen zum Nachteil der Erbmasse trifft, wobei der Leistungsempfänger (S) diese Ausnutzung der Rechtsmacht nicht nur positiv kennt, sondern sie auch als für sich vorteilhaft billigt. In Übertragung des Rechtsgedankens der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht353, wonach „das Geschäft nicht die gewollten Rechtswirkungen erzeugt, wenn der Vertreter seine Vertretungsmacht mit Wissen des Geschäftsgegners pflichtwidrig gebraucht …“354, könnte man einen Ansatzpunkt sehen, von dem hier vertretenen Normverständnis eine Ausnahme zu machen und die Verfügung als unentgeltlich zu bewerten. Fraglich ist aber bereits, worin die Verwerflichkeit in der Vorgehensweise liegen soll. Der Vorerbe setzt seine bestehende Verfügungsmacht so ein, wie es dem institutionellen Zweck des Rechtsinstituts der befreiten Vorerbschaft entspricht, nämlich in Gestalt des ersatzlosen Verbrauchs der Nachlasssubstanz zu eigenen Zwecken. Dies stellt keinen Missbrauch dar. Auch die Schonung des Privatvermögens bewirkt keine missbräuchliche Ausübung der Verfügungsmacht. Denn dem
353 Für unentgeltliche Verfügungen des Testamentsvollstreckers (§ 2205) wirft Müller in WM 1982, 466 ff. (472) diesen Gedanken auf. 354 Larenz/Wolf , 8. Aufl., § 46 Rz. 148.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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befreiten Vorerben ist gerade der Verbrauch der Erbschaft noch vor dem Verbrauch des eigenen Vermögens gestattet355. Überdies spricht gegen eine unmittelbare Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, dass der Vorerbe weder gewillkürter noch gesetzlicher Stellvertreter des Nacherben ist. Für eine entsprechende Anwendung fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Position des Vorerben als vorübergehender Träger des Nachlassvermögens ist dahin ausgestaltet, dass im Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung ein Handeln für einen Dritten, den Nacherben, nicht vorliegt. Der Vorerbe verfügt als Vollrechtsinhaber im eigenen Namen über eigenes Vermögen. Er bewirkt damit im Verfügungszeitpunkt auch keine Rechtsfolgen in der Person eines anderen – ein entscheidendes Kriterium der Stellvertretung –, sondern zunächst ausschließlich in seiner Person; denn es steht ja noch nicht einmal fest, ob der Nacherbfall jemals eintreten wird. Eine die Vergleichbarkeit zum Vertreter rechtfertigende Parallele könnte allenfalls darin gesehen werden, dass der Vorerbe verpflichtet ist, das Nachlassvermögen während der Dauer der Vorerbschaft gleichsam stellvertretend für den Nacherben sorgfältig nach Maßgabe des § 2130 zu verwalten. Von dieser Pflicht ist der befreite Vorerbe jedoch entbunden (§ 2136). Zu berücksichtigen ist ferner, dass, wollte man hier die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht Anwendung finden lassen, dies nicht auf Fälle wie den vorliegenden beschränkt bleiben könnte. Es wäre nur konsequent, auch dann, wenn der Vorerbe die dem Nachlass zugeflossene Gegenleistung – bspw. das aus dem Verkauf eines Nachlassgegenstandes erhaltene Geld – mit Wissen des Geschäftspartners für sich selbst verbrauchen will, die gleichen Prinzipien anzuwenden. Es entspricht aber allgemeiner Ansicht, dass es für die Beurteilung der Entgeltlichkeit einer Verfügung unbeachtlich ist, wie der befreite Vorerbe die in den Nachlass gelangten Gegenstände verwendet356. Von daher bildet auch das Rechtsinstitut des Missbrauchs der Vertretungsmacht keinen geeigneten Ansatzpunkt, um von dem hier vorgestellten Ergebnis abzuweichen; es bleibt bei der Entgeltlichkeit von Erfüllungsleistungen zugunsten der Eigengläubiger des befreiten Vorerben. b) Bei nicht befreiter Vorerbschaft In gleicher Weise könnte man bei nicht befreiter Vorerbschaft die Frage stellen, ob nicht Sachverhaltsgestaltungen denkbar sind, bei denen sich die hier vertretene Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs als unbillig erweist und daher auch für den nicht befreiten Vorerben ausnahmsweise unter Zugrundelegung noch zu definierender Abgrenzungskriterien eine auf die Tilgung privater Schulden abzielende Verfügung als entgeltlich zu beurteilen ist. In der Literatur ist in verschiedenen Zusam355 356
Motive V, S. 131 = Mugdan V, S. 68. Haegele, Rpfleger 1971, 121 ff. (124); Hankel, S. 51.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
menhängen durch Begrifflichkeiten wie Tilgung „drückender Eigenverbindlichkeiten“357 oder Verfügungen zur „Sicherung des Lebensunterhaltes“358 der Versuch unternommen worden, Anknüpfungspunkte für eine Erweiterung des Handlungsspielraums des Vorerben zu entwickeln. Diese und ähnliche Umschreibungen sind jedoch nicht geeignet, Ausnahmefälle zu definieren. Denn es fehlt schon jeglicher konkrete Anhaltspunkt für eine Würdigung des Einzelfalls, so dass ein solcher Lösungsweg eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit des Rechtsverkehrs mit sich bringen würde. Darüber hinaus wäre mit der ausnahmsweisen Anerkennung solcher nur bedingt präzise abgrenzbaren Kriterien die bislang konsequent vertretene Linie zum Unentgeltlichkeitsverständnis bei § 2113 Abs. 2 durchbrochen: Fehlt es für die Hingabe des Erbschaftsgegenstandes an einem in den Nachlass fließenden Gegenwert, so ist die Verfügung für den nicht befreiten Vorerben unentgeltlich, selbst wenn sich der Vorteil im Privatvermögen des Vorerben realisiert. Der dogmatisch richtige Ansatzpunkt zur Erfassung unvorhersehbarer, den Vorerben in besonderem Maße belastender Ausnahmesituationen kann daher nicht das Tatbestandsmerkmal der „unentgeltlichen Verfügung“ sein. Vielmehr muss hier im Einzelfall auf die allgemein geltenden Regeln zur Testamentsauslegung zurückgegriffen werden. Dazu denke man sich den Fall, dass der Vorerbe aufgrund einer Gesetzesänderung unerwartet mit einer existenzbedrohenden Steuerschuld belastet wird und diese aus dem Verkaufserlös eines wertvollen Nachlassgegenstandes begleichen möchte. Die Frage, die sich dann stellt, lautet, ob die Nacherbenbindung selbst für den Fall uneingeschränkt gewollt war, dass der Vorerbe infolge einer nicht vorhergesehenen Entwicklung in eine Notlage gerät und daher auf die Verwendung des Erbschaftsgegenstandes unmittelbar angewiesen ist. Sie ist nicht durch eine ausnahmsweise andere Definition des Unentgeltlichkeitsbegriffs, sondern über die Auslegung letztwilliger Verfügungen, hier in Form der ergänzenden Testamentsauslegung359, zu beantworten. Es kommt darauf an, ob der Erblasser in solchen Ausnahmefällen in erster Linie den Vorerben sicherstellen oder dem Nacherben das Kapital erhalten wollte360. Damit wird in der Prüfungsfolge früher angesetzt, das Unentgeltlichkeitsverständnis bleibt unangetastet. Unter Zugrundelegung der für den Vorgang ergänzender Testamentsauslegung allgemein geltenden methodischen Maßstäbe kann die Betrachtung dann entweder zu einem entsprechend bedingten Vorausvermächtnis oder einer bedingten Befreiung führen361. Letzterenfalls greifen wieder die hier entwickelten Grundsätze zur befreiten Vorerbschaft ein: Der solchermaßen bedingt freigestellte Vorerbe kann für diesen „Notfall“ entgeltlich i. S v. § 2113 Abs. 2, und damit dauerhaft wirksam, zum Zwecke der Tilgung seiner privaten Steuerverbindlichkeit über Nachlassmittel verfügen. 357
Planck/Flad, § 2138 Anm. 4 (für den befreiten Vorerben). Überschrift bei Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 78. 359 Die ergänzende Testamentsauslegung wird in Rspr. und Lehre überwiegend als zulässig angesehen; MünchKomm/Leipold, § 2084 Rz. 74. 360 RGRK/Johannsen, § 2134 Rz. 5; Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 5. 361 Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 7. 358
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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5. Die Vereinbarkeit des hier vertretenen Normverständnisses mit den abstrakten Werken zum Unentgeltlichkeitsbegriff von Pyszka und Beck Pyszka und Beck setzen sich in ihren Abhandlungen, die die unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers und des Vorerben (Pyszka) bzw. den Begriff der Unentgeltlichkeit im Bürgerlichen Recht (Beck) thematisieren, u. a. mit dem herrschenden zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbegriff bei § 2113 Abs. 2 auseinander. Dabei wird auch die hier gegenständliche Problematik partiell angesprochen und in das jeweils vorgeschlagene Lösungsmodell mit einbezogen. Nachfolgend soll untersucht werden, ob es einem der beiden Autoren gelungen ist, auf die Frage nach der Entgeltlichkeit von Verfügungen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben eine überzeugende Antwort zu geben, die die hier erzielten Ergebnisse in Frage zu stellen vermag. a) Die Ansicht von Pyszka Pyszka, der das Verbot unentgeltlicher Verfügungen auf den Fall der Schenkung beschränkt wissen will, hält u. a. resümierend fest: „Die Erfüllung einer Nachlaßverbindlichkeit stellt nie eine ,unentgeltliche’ Verfügung dar. § 2113 Abs. 2 BGB kommt auch dann nicht zum Tragen, wenn der Vorerbe Eigenverbindlichkeiten mit Mitteln aus dem Nachlaßvermögen erfüllt; eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die Verfügung ,zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt’“362. Der Auffassung von Pyszka stößt, soweit sie für den hier zu behandelnden Problemkreis zu einem grundsätzlichen Anwendungsausschluss von § 2113 Abs. 2 führt, auf durchgreifende Bedenken. Sie verkennt die wesentliche Schutzfunktion von § 2113 Abs. 2 und führt damit zu dem rechtspolitisch wenig wünschenswerten Ergebnis der Gefahr schwerwiegender Beeinträchtigungen des Nacherbenrechts. Aufgabe der Verfügungsbeschränkungen ist es jedoch, in bestimmten, den Bestand der Erbschaft besonders gefährdenden Fällen das grundsätzlich freie Verfügungsrecht des Vorerben (§ 2112) einzuschränken und somit im Interesse des Nacherben die Erhaltung der Nachlasssubstanz weitestgehend zu garantieren363. Die Interpretation eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs hat sich maßgeblich an der gesetzgeberischen Intention der Norm zu orientieren. Dieses Auslegungskriterium wird von Pyszka unterbewertet. Da bei jeder Maßnahme zur Tilgung eigener Schulden des Vorerben definitionsgemäß der Nachlass eine Einbuße erleidet, würde durch eine generell erfolgte Ausklammerung der Fälle der Eigenschuldentilgung aus dem Schutzbereich von § 2113 Abs. 2 die Verfügungsmacht des – vorzugsweise nicht befreiten – Vorerben in einem Maße erweitert, das sowohl dem Interesse des Nacherben an der Erhaltung der Erbschaftsmasse als auch dem darauf gerichteten 362 363
Pyszka, S. 123, erster Querstrich. Lange/Kuchinke, § 28 IV 4 a.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Erblasserwillen widerspricht. Die praktische Relevanz dieser Aushöhlungsgefahr wird durch die Vielzahl der hier aufgezeigten Varianten von Eigenschulden belegt. Nachdenklich stimmt auch die Aussage Pyszkas, § 2113 Abs. 2 sei nicht anwendbar, wenn der Nachlass eine Einbuße erleidet, weil die ausbedungene Gegenleistung nicht in die Erbschaftsmasse fließt364. Die mit dieser Auffassung verbundenen Unzulänglichkeiten verdeutlicht der nachfolgende Beispielsfall: Der nach dem Tod seiner Ehefrau als nicht befreiter Vorerbe eingesetzte überlebende Ehemann möchte seiner neuen Lebensgefährtin ein Auto schenken, dazu aber nicht sein Privatvermögen verwenden. Deshalb veräußert er ein Nachlassgrundstück gegen Einräumung einer Leibrente. Aus dieser zahlt er das zur Finanzierung des PKW’s aufgenommene Privatdarlehen zurück.
Lässt sich der Vorerbe als Gegenleistung eine Leibrente versprechen, so fließt diese ihm ausschließlich persönlich zu365 ; ein Surrogationseintritt ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen366. Infolgedessen tilgt der Vorerbe den Kredit nicht aus Nachlass-, sondern aus Eigenmitteln, so dass auch die schenkweise Übergabe des PKW’s keine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand bedeutet, mithin kein Ansatzpunkt für die Sanktion des § 2113 Abs. 2 gegeben ist. Legt man die Ansicht von Pyszka zugrunde, würde auch für die zur Erfüllung des Veräußerungsgeschäftes vorgenommene Verfügung über Nachlasswerte nicht die Schranke des § 2113 Abs. 2 zur Anwendung kommen. Das Resultat wäre folgenschwer. Denn betrachtet man obiges Beispiel von der wirtschaftlichen Auswirkung, verschenkt der Vorerbe unter Schonung seines Privatvermögens einen Gegenstand auf Kosten des Nachlasses. Es liegt daher die klassische Regelungsmaterie von § 2113 Abs. 2 vor. Dennoch soll nach Pyszka jeder dingliche Schutz versagen. Ein solches Ergebnis stünde im eklatanten Widerspruch zum Kerngedanken der nicht befreiten Vorerbschaft, nämlich der Intention des Erblassers, seinen Vermögensstamm lieber dem Nacherben als dem Vorerben zukommen zu lassen. Dem nicht befreiten Vorerben367 wäre durch die Zwischenschaltung einer Leibrente ein einfaches Instrument an die Hand gegeben, die Erbschaft bei Erhaltung seines persönlichen Vermögens zu reduzieren, obwohl ihm mangels Befreiung von § 2134 Satz 1 kein Recht zur eigennützigen Verwendung von Erbschaftsgegenständen zusteht. Der Nacherbe müsste sich mit den unliebsamen obligatorischen Ansprüchen begnügen. Die von Pyszka angebotene Auslegung widerspricht daher dem Zweck der Norm und ist schon deshalb abzulehnen. Wenig überzeugend ist auch der von Pyszka als Argument für seine Meinung herangezogene Beweisgang zum Verhältnis der beiden Tatbestandsalternativen des § 2113 Abs. 2368. Pyszka behauptet, bei einer anderen als der von ihm angebotenen 364 365 366 367 368
Pyszka, S. 122, letzter Absatz. BGH NJW 1977, 1631 f. (1632). BGH NJW 1977, 1540 f. (1540); Planck/Flad, § 2019, Anm. 2. Zur insoweit anderen Rechtslage bei befreiter Vorerbschaft siehe oben Fall 3 auf S. 96 f. Pyszka, S. 93 i. V. m. S. 41.
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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Lösung sei die zweite Alternative obsolet, da nach dem auch hier vertretenen Unentgeltlichkeitsverständnis die Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens als der klassische Fall der Tilgung einer Eigenschuld schon unter das Tatbestandsmerkmal der unentgeltlichen Verfügung zu subsumieren sei. Diese Schlussfolgerung ist zweifelhaft. Es müssen grundsätzliche Bedenken angemeldet werden, ob der Gesetzgeber mit seiner Wortwahl so tiefgreifende dogmatische Festlegungen treffen oder nur die Wirkung des § 2113 Abs. 2 unmissverständlich auf die Erfüllung eines Schenkungsversprechens angewendet wissen wollte. Für Letzteres spricht die historische Betrachtungsweise. Wie bereits nachgewiesen, wurde die zweite Tatbestandsalternative bewusst nur unter Klarstellungsgesichtspunkten eingefügt369. Dann gibt es aber keinen Hinderungsgrund, die Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs in einer Weise extensiv vorzunehmen, dass der Fall der ohne eigenständigen Regelungsgehalt ausgestalteten zweiten Tatbestandsalternative schon davon erfasst wird. Der von Pyszka für die Auslegung des § 2113 Abs. 2 unterbreitete Lösungsvorschlag vermag somit auf die Problematik der Eigenschuldentilgung des – vorzugsweise nicht befreiten – Vorerben weder eine genügend hinterfragte noch dem gesetzgeberischen Leitmotiv gerecht werdende Antwort zu geben. Der auf den Schutz des vorübergehend von der Verfügungsmacht ausgeschlossenen Nacherben gerichtete Normzweck gebietet eine über die Schenkung i. S. v. § 516 hinausgehende Bestimmung des Unentgeltlichkeitsbegriffs. b) Die Ansicht von Beck In seiner umfangreichen Abhandlung zum Begriff der Unentgeltlichkeit im Bürgerlichen Recht kommt Beck, bedingt durch die Komplexität seines Untersuchungsgegenstandes, nur einmal explizit auf die hier gegenständliche Thematik zu sprechen: Der Autor sieht in der Erfüllung einer eigenen Schuld des Vorerben keine unentgeltliche Verfügung. Zur Begründung führt Beck an, das Gesetz habe, wie sich aus § 2134 ergebe, für diesen Fall der Eigenverwendung nur Wertersatz angeordnet. Das Gesetz sehe daneben zwar eine weitergehende Haftung bei Verschulden des Vorerben vor, nicht aber die Unwirksamkeit einer solchen Verwendung. Es sei schließlich kaum denkbar, dass die Verfügung einerseits schon unwirksam sein und der Vorerbe zusätzlich noch Wertersatz schulden soll370. Becks Ausführungen sind in sich widersprüchlich. Der Autor betont mehrfach die Unvermischbarkeit der Regelungen des Innenverhältnisses zwischen Vor- und Nacherbe mit denen, die das Außenverhältnis zum Geschäftsgegner berühren, und benutzt dieses Argument, um die vom Reichsgericht entwickelte Rechtsprechung zum Unentgeltlichkeitsbegriff zu kritisieren371. Diese von Beck eigens postulierte 369 370 371
Siehe oben S. 67. Beck, S. 162. Beck, S. 160 u. S. 161 unter 3.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
präzise Trennung der Regelungskreise des Innen- und Außenverhältnisses weicht der Autor durch einen Argumentationsgang wie den vorstehend beschriebenen wieder auf. Das Verhältnis des Vor- oder Nacherben zu einem Dritten ist gerade nicht Regelungsmaterie von § 2134. Dennoch gelangt Beck bei Maßnahmen zur Eigenschuldentilgung des Vorerben einzig mit dem Argument des Wortlautes und der Einschlägigkeit dieser Norm zu einem Ergebnis, das durch die Verneinung der Unentgeltlichkeit zum faktischen Anwendungsausschluss von § 2113 Abs. 2 führt, und damit in entscheidendem Maße auf das Verhältnis zwischen Vor- bzw. Nacherben und Leistungsempfänger Einfluss nimmt. Der Autor geht somit in einer Weise vor, wie sie von ihm zuvor selbst kritisiert worden ist. Die auf § 2134 gestützte Argumentation ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt nicht einleuchtend. Soweit behauptet wird, das Gesetz habe im Fall der Verwendung von Erbschaftsgegenständen durch den Vorerben „nur“ Wertersatz angeordnet, handelt es sich im Hinblick auf dieses Ausschließlichkeitspostulat um eine Auslegung, die vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt ist. Zudem ist es ohne weiteres verständlich, dass Satz 2 von § 2134 lediglich auf die weitergehende Haftung bei Verschulden verweist, nicht aber auf die Frage der Unwirksamkeit einer eigennützigen Verwendung von Erbschaftsgegenständen eingeht; denn auch die Verschuldenshaftung berührt das Innenverhältnis zwischen Vor- und Nacherbe, ist also bei § 2134 systemkonform geregelt. Eine Schlussfolgerung derart, dass der Gesetzgeber mit diesem Hinweis gleichzeitig weitere Rechtsfolgen – insbesondere auf dinglicher Ebene – habe ausklammern wollen, verbietet sich daher. Vielmehr kann in der Tilgung einer Eigenverbindlichkeit aus Nachlassmitteln sowohl das eigennützige Verwenden eines Erbschaftsgegenstandes als auch zugleich eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben liegen, die bei Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben gegenüber unwirksam ist372. Der Nacherbe hat nach dem Eintritt der Nacherbfolge die Möglichkeit, entweder die Unwirksamkeit der Verfügung oder aber einen Wertersatzanspruch nach § 2134 geltend zu machen373. Es ist keineswegs so, dass, kommt man mit dem hier vertretenen Lösungsvorschlag zur Unentgeltlichkeit der Verfügung, der Vorerbe noch „zusätzlich“ – wie Beck es kritisiert – Wertersatz schulden soll. Denn aus der Unwirksamkeit der Verfügung resultiert ein Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Erwerber374, der, erfolgreich durchgesetzt, dazu führt, dass der Vorerbe keinen Erbschaftsgegenstand „für sich verwendet“ hat. Dann hat der Nacherbe aber auch keinen Anspruch auf Wertersatz, denn § 2134 gewährt, so Beck selbst375, Wertausgleich nur für endgültigen Substanzverlust. Die Gesetzeskonstruktion lässt es daher zu, die Verfügung als unwirksam anzusehen und dem Nacherben daneben, nicht aber zusätzlich, die Möglichkeit 372
Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 2. MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 2; Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2134 Rz. 1. Zur Rechtsnatur des Wahlrechts siehe unten auf S. 168. 374 Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 8. 375 Beck, S. 162. 373
C. Die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben
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eines Wertersatzes gegen den Vorerben zu eröffnen, ohne dabei Gefahr zu laufen, eine Partei zu übervorteilen376. Zusammenfassend kann man daher festhalten, dass es weder Pyszka noch Beck gelungen ist, die Problematik der Tilgung eigener Schulden des Vorerben aus Nachlassmitteln im Hinblick auf den Unentgeltlichkeitsbegriff einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Es bleibt somit bei dem hier vorgeschlagenen Lösungsmodell. 6. Ergebnis zum Unentgeltlichkeitsverständnis bei Verfügungen zur Eigenschuldentilgung des befreiten und des nicht befreiten Vorerben a) Bei befreiter Vorerbschaft Der Zweck des § 2113 Abs. 2, dem Nacherben den Erbschaftsstamm bis zum Eintritt der Nacherbfolge weitestgehend zu erhalten, ist bei befreiter Vorerbschaft eingeschränkt, was sich auf die Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs auswirkt. Aufgrund der dem Vorerben mit der Befreiung von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 eingeräumten Befugnis, die Nachlasssubstanz für sich zu verbrauchen, ist das Erhaltungsinteresse des Nacherben an der Erbschaft gleichermaßen reduziert. Zur Bejahung der Entgeltlichkeit einer Verfügung i. S. v. § 2113 Abs. 2 genügt es daher, wenn der Gegenwert nicht dem Nachlass, sondern dem Vorerben persönlich zufließt. Das Surrogationsprinzip stellt somit im Rahmen der objektiven Komponente des zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbegriffs nur einen Teilaspekt dar. Zwar kommt es für die Beurteilung der Entgeltlichkeit vorrangig auf die Rechtsfolge des § 2111 Abs. 1 Satz 1 an. Bei befreiter Vorerbschaft ist eine Verfügung aber auch dann als entgeltlich zu qualifizieren, wenn die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt und der erlangte vermögenswerte Vorteil nicht der Erbschaft zugutekommt, allerdings auch nicht einem beliebigen Dritten, sondern dem Eigenvermögen des Vorerben. Dabei ist unbeachtlich, um welche Art von Vermögensvorteil es sich handelt, d. h. ob die Surrogation aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist377. Die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln als eine Fallgruppe tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts ist für den befreiten Vorerben grundsätzlich eine entgeltliche Verfügung, weil für die Minderung des Nachlasses 376
Zum Verhältnis der Ansprüche untereinander eingehend unten auf den S. 168 ff. Bedenklich daher die Auffassung von Peters, in: NJW 1977, 2075, der den Einbau von Nachlassgegenständen in das eigene Grundstück des befreiten Vorerben – ebenfalls ein Akt tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts (vgl. Lange/Kuchinke, § 41 III 2 d) – aufgrund der Regelung des § 946 einer unentgeltlichen Verfügung gleichstellen will. Nach der hier vorgeschlagenen und als richtig erwiesenen These handelt es sich dabei um eine entgeltliche Maßnahme, da es letztendlich keinen Unterschied machen kann, warum sich der Gegenwert nicht mehr aus dem ungebundenen Privatvermögen des befreiten Vorerben lösen lässt. 377
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
ein angemessener Gegenwert (Schuldbefreiung) in das persönliche Vermögen des Vorerben, der bei angeordneter Befreiung von § 2134 Satz 1 die Erbschaft für sich verwenden darf, gelangt. Diese Betrachtung entspricht dem Willen des Erblassers, bei befreiter Vorerbschaft sein Vermögen lieber dem Vorerben als dem Nacherben zukommen zu lassen. Der Nacherbe, der im Nacherbfall eine entsprechend reduzierte Erbschaftsmasse erhält, ist insoweit nicht schutzwürdig. Die Interessen etwaiger Nachlassgläubiger bleiben bei der Ergebnisfindung unberücksichtigt, sie werden vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Maßnahme der Sicherung des Lebensunterhaltes des Vorerben dient oder dienen soll, ist abzulehnen. Weder § 2115 Satz 1, der hinsichtlich des Normzwecks mit § 2113 Abs. 2 vergleichbar ist und von dem ebenfalls keine Befreiung erteilt werden kann, noch die h. M. zur Aufrechnung eines Eigengläubigers des Vorerben stehen dem vorgeschlagenen Ergebnis entgegen. Von diesem Normverständnis ist eine Ausnahme zu machen: Ergibt eine wertende Gesamtschau, dass mit Erfüllung der Verbindlichkeit ausschließlich eine dritte Vermögensmasse, d. h. weder Nachlass noch Vorerbe, begünstigt wird und hat der Vorerbe die aus Nachlassmitteln getilgte Verbindlichkeit vorab rechtsgeschäftlich begründet oder den Rechtsgrund für die eingegangene Verpflichtung selbst geschaffen, handelt der Vorerbe bei Tilgung dieser Eigenschuld freigebig. Bloße Freigebigkeiten sind aber auch dem befreiten Vorerben untersagt, die Verfügung ist unentgeltlich. b) Bei nicht befreiter Vorerbschaft Verfügt der nicht befreite Vorerbe über Nachlassmittel zur Tilgung seiner Privatschulden, reduziert er mangels eines Surrogationsobjektes einseitig die Nachlasssubstanz und verstößt damit gegen den § 2113 Abs. 2 innewohnenden Normzweck der weitestgehenden Erhaltung der Erbschaftsmasse für den Nacherben. Nur dem befreiten Vorerben ist es erlaubt, die Substanz des Nachlasses persönlich zu verbrauchen. Im Gegensatz zur Rechtslage bei befreiter Vorerbschaft genügt es deshalb hier nicht, wenn der vermögenswerte Vorteil, die Befreiung von der Verbindlichkeit, dem Vorerben persönlich zugutekommt. Tilgt daher der nicht befreite Vorerbe eine Eigenschuld mit Nachlassmitteln, ist diese Verfügung stets als unentgeltlich zu qualifizieren. Dieses Ergebnis entspricht dem Willen des Erblassers, wenn dieser bewusst keine Befreiung angeordnet hat, ebenso dem Interesse des Nacherben. Eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Vorerben ist abzulehnen. Auch eine mögliche Gefährdung des redlichen Geschäftsverkehrs ist im Interesse der Verwirklichung des Schutzzwecks der Norm hinzunehmen. Eine Korrektur über die subjektive Komponente des zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsbegriffes scheidet aus.
D. Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte
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D. Die Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte Nach den bisherigen Überlegungen steht fest, dass die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln bei nicht befreiter Vorerbschaft stets und bei befreiter Vorerbschaft im Falle freigebiger Zuwendungen eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung darstellt. Daraus folgt jedoch nicht automatisch deren Unwirksamkeit. Vielmehr muss, damit die Verfügung im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam wird, die Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte hinzutreten378. Hierbei sind die Unentgeltlichkeit der Verfügung einerseits und ihr rechtlicher Nachteil für den Nacherben andererseits als zwei unterschiedliche Tatbestandsmerkmale strikt voneinander zu trennen379. Anders als bei der Unentgeltlichkeit einer Verfügung, für die der Zeitpunkt ihrer Vornahme entscheidet380, bestimmt sich das Urteil über die Verletzung der Nacherbenrechte nach der Lage bei Eintritt des Nacherbfalls381. Für die Frage, ob das Recht des Nacherben beeinträchtigt wird, sind bei Absatz 2 von § 2113 wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend382. Eine Vereitelung bzw. Beeinträchtigung liegt somit nur dann vor, wenn sich das wirtschaftliche Ergebnis der Verfügung für den Nachlass nachteilig ausgewirkt hat383. Zwar wird in der Regel eine unentgeltliche Verfügung auch die Rechte des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen384. Zwingend ist das aber keineswegs, wie schon der Gesetzeswortlaut „… insoweit unwirksam, als …“ deutlich zu verstehen gibt385. Nachfolgend gilt es zu untersuchen, ob im Zusammenhang mit der Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben bestimmte Umstände oder besondere Fallkonstellationen die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben entfallen lassen können. Denn ist die Verfügung rechtlich nicht nachteilig, ist auch der gewöhnliche Vorerbe an einer freien (wenn auch unentgeltlichen!) Verfügung über Nachlassgegenstände nicht durch § 2113 Abs. 2 gehindert386.
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Vgl. Wortlaut § 2113 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1. Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c. 380 BayObLG, DNotZ 1958, 89 ff. (89); MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 34. 381 RGZ 159, 385 ff. (393); Brox/Walker, Rz. 363; Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c. 382 BGHZ 7, 274 ff. (279); Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 4; RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 32; Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 17. 383 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 40. 384 Salinger, S. 168. 385 Zu eng daher Kaufmann, S. 41, der bei unentgeltlichen Verfügungen „stets“ eine Beeinträchtigung des Nacherbenrechte annehmen will. 386 Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c. 379
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
I. Der Einfluss eines schuldrechtlichen Wertersatzanspruchs auf die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben Die Erfüllung eigener Schulden des Vorerben gilt als typische Fallgruppe der Bestimmung des § 2134 Satz 1387: „Hat der Vorerbe einen Erbschaftsgegenstand für sich verwendet, so ist er nach dem Eintritt der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber zum Ersatz des Wertes verpflichtet.“ Folglich erlangt der Nacherbe mit Eintritt der Nacherbfolge zum Ausgleich für die surrogationslose Weggabe des Nachlassgegenstandes einen Ersatzanspruch nach § 2134388. Ob aber die Existenz eines solchen Anspruchs des Nacherben gegen den Vorerben eine Rechtsvereitelung oder -beeinträchtigung des Nacherben beseitigt389, ist fraglich. Gegen eine solche Sichtweise spricht bereits, dass Teile der Literatur bei unter § 2113 Abs. 2 fallenden Maßnahmen ein Wahlrecht des Nacherben dahingehend befürworten, dass er entscheiden kann, ob er die Unwirksamkeit der Verfügung geltend machen oder gemäß § 2134 Wertersatz verlangen will390. Dieses Wahlrecht würde ins Leere laufen, hätte die Bejahung eines Anspruchs aus § 2134 gleichzeitig die Verneinung der Beeinträchtigung des Nacherben im Sinne von § 2113 Abs. 2 zur Folge. Der Nacherbe könnte dann nur noch seine Ersatzansprüche durchsetzen. Eine weitere Wahlmöglichkeit zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Verfügung bestünde mangels Tatbestandsmäßigkeit von § 2113 Abs. 2 gerade nicht mehr. Auch aus gesetzessystematischen Erwägungen ist es problembehaftet, wollte man die Beeinträchtigung der Nacherbenrechte mit dem Argument der Existenz eines Anspruchs nach § 2134 entfallen lassen. Das Gesetz sieht einerseits zur möglichst weitgehenden Erhaltung der Nachlasssubstanz im Verhältnis zu Dritten dinglich wirkende Schranken der dem Vorerben in § 2112 eingeräumten Verfügungsfreiheit vor, so durch die Bestimmung des § 2113 Abs. 2. Selbständig daneben stehen die schuldrechtlichen Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben, zu denen § 2134 zählt391. Von daher bestehen Bedenken, einen Anspruch, den das Gesetz nur als Regelung des Innenverhältnisses versteht, auf die Tatbestandsmäßigkeit von Vorschriften des Außenverhältnisses Einfluss nehmen zu lassen. Das gewollte Nebeneinander qualitativ unterschiedlicher Schutzinstrumentarien mit in der Person unterschiedlichen Anspruchsgegnern (Vorerbe/Drittkontrahent) verlöre jeden Sinn und Zweck, ginge mit Gewährung einer dieser Ansprüche automatisch die Negierung des anderen einher. 387 Unter besonderer Hervorhebung dieser Fallgruppe: Hothorn, S. 90; Palandt/Weidlich, § 2134 Rz. 1; Planck/Flad, § 2134 Anm. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 2 ; Beispiel bei v. Lübtow, S. 911. 388 Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 4. 389 So offensichtlich Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 18. 390 MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 2; Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2134 Rz. 1. 391 Zu den einzelnen Schutzbereichen vgl. auch die Darstellungen bei Banck, S. 7 und Weckesser, S. 73 f.
D. Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte
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Darüber hinaus würde die Bejahung einer mangels Nacherbenbeeinträchtigung wirksamen (unentgeltlichen!) Verfügung unter Hinweis auf § 2134 streng genommen dazu führen, dass ein obligatorischer und daher oftmals unsicherer Ersatzanspruch des Nacherben gegen den (ehemaligen) Vorerben die bedeutsamere dingliche Rechtswirkung des § 2113 Abs. 2 ins Leere laufen ließe. Praktisch würde dadurch der schuldrechtliche gegenüber dem dinglichen Anspruch bevorzugt. Eine solche Betrachtungsweise verkürzt in unzulässiger Weise den Schutz des Nacherben, der unter den Voraussetzungen des § 2113 Abs. 2 gerade dinglich wirken soll, und unterläuft damit die gesetzgeberische Wertung. Den Nacherben auf bloße obligatorische Ersatz- und Ausgleichsansprüche zu verweisen, entspricht nicht seiner Rechtsstellung und birgt die Gefahr der faktischen Undurchsetzbarkeit bei Vermögenslosigkeit des Vorerben bzw. seiner Erben. Für den hier zu erörternden Problemkreis bezeichnet Hothorn die Ablehnung eines dinglichen Rechtsschutzes des Nacherben bei Gewährung eines „… oft nur bedeutungslosen Ausgleichs mittels eines Ersatzanspruchs …“ für äußerst unbefriedigend392. Auch das Reichsgericht unterstreicht schon die exponierte Stellung des dinglichen gegenüber dem schuldrechtlichen Anspruch: „Die dingliche Sicherung des Nacherben darf sich nicht zu einem bloß persönlichen, ungesicherten Geldanspruch verflüchtigen.“393 Die darin zum Ausdruck kommende Kernaussage ist unmissverständlich: Die Tatbestandsmäßigkeit dinglichen Rechtsschutz gewährender Normen soll nicht mit dem Argument gleichzeitig gegebener obligatorischer Ersatzansprüche des Nacherben entfallen. Dieses offensichtlich unerwünschte Resultat würde jedoch erzielt, wollte man allein aufgrund der Tatsache, dass sich der Vorerbe dem Nacherben gegenüber wertersatzpflichtig gemacht hat, eine Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte ablehnen.
II. Die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung für die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben Nach Harder vereitelt oder beeinträchtigt eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben das Recht des Nacherben nur dann, wenn sie zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses nicht erforderlich war und der Vorerbe dies wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste394. Ist daher eine Verfügung des Vorerben – mit der angedeuteten subjektiven Erweiterung – zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich, kommt es auf die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit letztlich gar nicht an, eben weil es dann an einer Vereitelung oder Beeinträchtigung 392 Hothorn, S. 90, 91; Röder betont, die in den § 2113 f. enthaltenen Verfügungsbeschränkungen seien ungleich wertvoller als die besonders bei Vermögenslosigkeit des Vorerben versagenden obligatorischen Ausgleichsansprüche (Röder, S. 6). 393 RGZ 89, 53 ff. (59). 394 Harder, DNotZ 1994, S. 822 ff. (829, 839), wobei entscheidendes Gewicht auf die „Erforderlichkeit“ der Maßnahme zu legen ist.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
des Nacherbenrechts fehlt395. Damit stellt sich die Frage, ob überhaupt Fälle denkbar sind, in denen der nicht befreite Vorerbe zugunsten seiner Eigengläubiger über Erbschaftsmittel verfügt und damit gleichzeitig im Interesse einer ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung handelt. Diese Frage ist im Ergebnis zu verneinen. Zwar ist allein aus der Tatsache der Unentgeltlichkeit der Verfügung nicht zwingend auf deren Ordnungswidrigkeit zu schließen. Denn es trifft nicht zu, dass unentgeltliche Verfügungen nie ordnungsmäßig wären396. Dessen ungeachtet ist schlechterdings keine Verfügung über einen Nachlassgegenstand denkbar, die der Erfüllung privater Schulden des Vorerben dient und gleichzeitig zur ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung erforderlich ist. Die Pflicht zur sachgerechten Verwaltung der Erbschaft verlangt von dem Vorerben, dass er nur solche Verfügungen trifft, die nach den Regeln einer gesunden Wirtschaftsführung unter den gegebenen Verhältnissen erforderlich und zweckmäßig sind397. Er hat die von ihm im Interesse des Nacherben betreute Masse zu bewahren und muss daher insbesondere wertmindernde Maßnahmen, die dem Nachlass kein entsprechendes Surrogat verschaffen, tunlichst unterlassen398. Demgegenüber versagt bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten definitionsgemäß das Surrogationsprinzip399. Jede Maßnahme zur Erfüllung privater Schulden des Vorerben führt zu einer ersatzlosen Verringerung der Nachlasssubstanz und stellt sich damit für den nicht befreiten Vorerben als Verstoß gegen die soeben beschriebene treuhändische Verwaltungspflicht dar. An dieser Tatsache vermag auch die subjektive Einschränkung nichts zu ändern: Hat der nicht befreite Vorerbe Nachlassmittel eigennützig dazu verwendet, seine persönlichen Gläubiger zu befriedigen, war er sich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns im Hinblick auf seine Werterhaltungspflicht des Nachlasses entweder bewusst oder jedenfalls grob fahrlässig unbewusst. Da zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung allein auf den Nachlass abzustellen ist, spielen die sonstigen Vermögensverhältnisse des Vorerben keine Rolle. Deshalb entspricht die Einsetzung von Nachlassmitteln zu Privatzwecken bei nicht befreiter Vorerbschaft auch dann nicht einer pflichtgemäßen Verwaltung der Erbmasse, wenn der Vorerbe damit erhebliche Nachteile von sich abwenden will400. Die Verfügung ist selbst dann nicht als ordnungsmäßige Nachlassverwaltung erforderlich, wenn durch die Befriedigung des Privatgläubigers dieser davon abgehalten werden soll, in Erbschaftswerte zu vollstrecken. Denn gegen solche Eingriffe wird der Nachlass bereits durch § 2115 geschützt. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber gezielt dagegen Vorsorge getroffen, dass der Nachlass 395 Harder, DNotZ 1994, S. 822 ff. (841). In Abänderung zur Vorauflage jetzt auch Lange/ Kuchinke, § 28 IV 6 c. 396 RGZ 159, 385 ff. (390); Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (841). 397 Erman/M. Schmidt, § 2120 Rz. 1. 398 Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (840). 399 Siehe oben S. 57 f. 400 MünchKomm/Grunsky, § 2120 Rz. 4.
D. Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte
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durch Zwangsverfügungen der Eigengläubiger des Vorerben einen Substanzverlust erleidet. Folglich bedarf es zur Abwehr der Gefahr von Zwangsverwertungen durch Privatgläubiger nicht der freiwilligen Schulderfüllung durch den Vorerben, so dass eine solche Maßnahme auch nicht im Interesse einer ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung erforderlich sein kann.
III. Die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben, wenn dieser in gleichem Maße unterhaltspflichtig wäre Veräußert der Vorerbe einen Nachlassgegenstand und fließt ihm dabei der volle Gegenwert ausschließlich persönlich zu, ist nach Lange/Kuchinke „… ein rechtlicher Nachteil nur dann nicht eingetreten, wenn der Nacherbe sonst im gleichen Umfang unterhaltspflichtig wäre“401. Daraus könnte man folgende These formulieren: Erfüllt der nicht befreite Vorerbe eine ihn persönlich treffende Verbindlichkeit aus Nachlassmitteln, so wird durch diese unentgeltliche Verfügung das Recht des Nacherben dann nicht berührt, wenn der (endgültige) Nacherbe dem Vorerben gegenüber ansonsten für die Tilgung dieser Schuld in gleicher Höhe unterhaltsrechtlich verantwortlich gewesen wäre. Dazu vorab folgender Fall: Der Erblasser setzt seine vermögenslose Tochter zur nicht befreiten Vorerbin und seinen wohlhabenden Schwiegersohn zum Nacherben ein. Nach dem Erbfall kommt es zur Scheidung. Die Kosten für den Prozess zahlt die Tochter aus Nachlassmitteln.
Hätte die Vorerbin ihre eigenen Prozesskosten nicht zu Lasten der Erbmasse beglichen, wäre der Nacherbe als Ehegatte ihr gegenüber gemäß § 1360 a Abs. 4 zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses verpflichtet gewesen. Diesem Anspruch ist unterhaltsrechtlicher Charakter beizumessen402. Unterstellt, ein nach Billigkeitsgründen zu bemessender Rückforderungsanspruch schiede aus403, stünde der Nacherbe im wirtschaftlichen Ergebnis genauso da, wie wenn seine Ehefrau als Vorerbin die später herauszugebende Erbschaft nicht angetastet, ihn dann aber sofort als Teil seiner Unterhaltspflicht auf Zahlung der Prozesskosten persönlich in Anspruch genommen hätte. Auf den hier relevanten Zeitpunkt des Nacherbfalls bezogen, ergibt sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung durch diese (für den nicht befreiten Vorerben unentgeltliche) Verfügung im Vermögen des Nacherben keine Beeinträchtigung. Folgende Kontrollüberlegung bestätigt diese Sichtweise: Ginge man davon aus, dass eine Verfügung, mit der der Vorerbe eine private Schuld tilgt, für die eigentlich der Nacherbe unterhaltsrechtlich einzustehen hätte, die Rechte des Nacherben 401
Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c, Fn. 121 a. E.; ebenso: Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 78. 402 Büttner/Niepmann/Schwamb, Rz. 436. 403 Ein Rückforderungsanspruch besteht angesichts des Vorschusscharakters der Leistung nach Billigkeitsgrundsätzen; BGH NJW 1990, 1476 f. (1476).
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
beeinträchtigt, könnte jener gegen den Leistungsempfänger im Nacherbfall Rechte aus der dann eintretenden Unwirksamkeit der Verfügung herleiten und so die Wertminderung der erhaltenen Erbschaft kompensieren. Völlig unberücksichtigt bliebe dabei aber, dass in derartigen Fällen dem Nacherben durch die Verfügung des Vorerben die Leistung von Unterhalt endgültig erspart geblieben ist; denn der Anspruch aus § 1360 a Abs. 4 kann nach Beendigung des Prozesses nicht mehr geltend gemacht werden404. Im Endeffekt wäre der Nacherbe genau um diesen Wert zu gut gestellt. Ein solches Resultat ginge aber über den Schutzzweck von § 2113 hinaus, der lediglich den Nacherben vor Rechtsbeeinträchtigungen bewahren, nicht hingegen ihm vermögenswerte Vorteile verschaffen will, auf die er keinen Anspruch hat405. Von daher erweist sich die eingangs dieses Gliederungspunktes aufgestellte These als zutreffend: Tilgt der nicht befreite Vorerbe aus Erbschaftsmitteln eine eigene Verbindlichkeit, für die anderenfalls der Nacherbe unterhaltsrechtlich hätte einstehen müssen, so führt diese (unentgeltliche) Verfügung im wirtschaftlichen Ergebnis nicht zu einer Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte. Den vorstehenden Gedanken konsequent weitergeführt, ist kein Grund ersichtlich, warum diese Fallgruppe auf ein unterhaltsrechtliches Einstehenmüssen des Nacherben beschränkt sein sollte. Dazu folgender Beispielsfall: Nicht befreiter Vorerbe Vund Nacherbe N sind Grundstücksnachbarn. Während des Urlaubs von N bemerkt Vaustretendes Wasser unter der Eingangstür des Hauses von N. V beauftragt einen Handwerker, der den Wasserschaden zwar sofort behebt, aber ebenso schnell sein Geld für diesen Einsatz verlangt. V bezahlt mit Nachlassmitteln.
Unterstellt, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer berechtigten GoA nach den §§ 677 ff. seien hier gegeben, steht dem V gegenüber dem N ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 683 Satz 1 zu. Bei zur Ausübung des Geschäfts notwendiger Eingehung einer eigenen Verbindlichkeit des Geschäftsführers (V) wandelt sich der ursprüngliche Befreiungsanspruch aus § 257 BGB nach Begleichung der Verbindlichkeit in einen direkten Anspruch auf Zahlung gegen den Geschäftsherrn (N). Anders ausgedrückt: N war dem V gegenüber für die Zahlung der Schuld (Handwerkerrechnung) verpflichtet, und zwar nicht aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, sondern aus berechtigter GoA, was aber keinen Unterschied macht. Mangels Vollmacht des N war die Handwerkerrechnung für V eine Eigenschuld. Deren Tilgung aus Nachlassmitteln stellt für den nicht befreiten Vorerben eine unentgeltliche Verfügung dar. Gleichwohl wird N hier im wirtschaftlichen Ergebnis nicht beeinträchtigt. Hätte V den Handwerker nicht aus dem Nachlass, sondern aus seinem freien allgemeinen Vermögen gezahlt, hätte N dem V für diesen Aufwand einstehen müssen. So erhält er lediglich einen in gleicher Höhe reduzierten Nachlass.
404 405
BGH FamRZ 82, 202; Büttner/Niepmann/Schwamb, Rz. 435. Brinkmann, Rpfl. 1991, 300 ff. (301).
D. Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte
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Daher ist folgender Satz richtig: Tilgt der nicht befreite Vorerbe aus Erbschaftsmitteln eine Eigenschuld, für die anderenfalls der Nacherbe dem Vorerben gegenüber unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt in gleichem Umfang hätte einstehen müssen, so werden durch diese (unentgeltliche) Verfügung die Rechte des Nacherben weder vereitelt noch beeinträchtigt.
IV. Die Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben bei Gesamtschuldnerschaft zwischen Vorund Nacherbe Auch hier zunächst ein Beispiel: Der Nacherbe hat private Schulden in beträchtlicher Höhe. Der – nicht befreite – Vorerbe zahlt diese für den Nacherben aus Erbschaftsmitteln.
Erfüllt der Vorerbe eine persönliche Schuld des Nacherben, kommt der Gegenwert der Schuldbefreiung weder dem Nachlass noch dem Vorerben selbst zugute, sondern unmittelbar dem Privatvermögen des Nacherben. Es ist anerkannt, dass ein Gegenwert, der in das Vermögen eines einzelnen von mehreren Nacherben fließt, kein Entgelt im Sinne von § 2113 Abs. 2 darstellt406. Da der tragende Grund dieser Auffassung darin liegt, dass nur einer der Nacherben und nicht die schutzwürdige Nacherbengemeinschaft den Vorteil erlangt hat, genügt es im Umkehrschluss, wenn es nur einen einzigen Nacherben gibt und diesem das Entgelt zufließt407 oder aber bei mehreren alle (endgültigen) Nacherben in Entsprechung zu ihrer Erbquote begünstigt werden. Jedoch darf der Vorteilsempfänger nicht nur im Zeitpunkt der Verfügung zum Nacherben berufen sein, sondern diese seine Rechtsposition muss endgültig auch im Nacherbfall feststehen408. Daher ist – wie Lange/Kuchinke zu Recht bemerken409 – hier keine Ausnahme von der Unentgeltlichkeit einer Verfügung zu sehen; deren Beurteilung erfolgt auf den Zeitpunkt ihrer Vornahme410. Die Ausnahme zugunsten des oder aller endgültigen Nacherben rechtfertigt sich nur als Nichtbeeinträchtigung der Nacherbenrechte, wenn diesem bzw. diesen das volle Entgelt zufließt. Ein weiterer Fall: Vorerbe (Ehemann) und – einzige sowie endgültige – Nacherbin (Ehefrau) werden zusammen zur Einkommenssteuer veranlagt, für die sie nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO gesamtschuldnerisch haften. Der Ehemann tilgt die gesamte Schuld aus Nachlassmitteln. Im 406 RGZ 125, 242 ff. (246); BGHZ 7, 274 ff. (277); NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 42; RGRK/ Johannsen, § 2113 Rz. 23. 407 Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c und Fn. 121. 408 BGHZ 7, 274 ff. (278). 409 Lange/Kuchinke, § 28 IV 6 c in Fn. 121. 410 Siehe oben Nachweise in Fn. 380.
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Innenverhältnis soll die Ausgleichsquote entsprechend der isolierten Steuerbeträge 70 (Vorerbe) zu 30 (Nacherbin) betragen. Nunmehr tritt der Nacherbfall ein. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Rechte der Ehefrau als Nacherbin durch die Erfüllungshandlung ihres Ehemannes beeinträchtigt sind.
Die Einkommenssteuer ist typischer Fall einer Eigenschuld des Vorerben. Auch den Nacherben trifft diese Verpflichtung als Träger seines Privatvermögens, d. h. nicht in seiner Eigenschaft als Nacherbe. Mit Zahlung wird der Vorerbe von seiner Schuld befreit. Aufgrund der Gesamtwirkung der Erfüllung fließt gleichzeitig dem Nacherben persönlich ein vermögenswerter Vorteil in Gestalt der Befreiung von der Verbindlichkeit zu. Wichtig ist, dass auch den Nacherben die Befreiungswirkung in vollem Umfang der Schuld erreicht. Denn ungeachtet etwaiger interner Ausgleichsansprüche liegt es im Wesen der Gesamtschuldnerschaft, dass im Außenverhältnis jeder Gesamtschuldner die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist und denknotwenig dann bei Erfüllung auch von der gesamten Verbindlichkeit vollumfänglich befreit wird. Vorliegend handelt es sich um einen Fall der Tilgung eigener Verbindlichkeiten des nicht befreiten Vorerben aus Nachlassmitteln, und damit um eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung. Jedoch scheint es nach den eingangs dieses Prüfungspunktes getroffenen Feststellungen an einer Beeinträchtigung der Nacherbenrechte zu fehlen, da dem einzigen und endgültigen Nacherben der volle Gegenwert für die aufgeopferten Nachlassgegenstände zugutekommt. Ein solches Ergebnis lässt jedoch die Haftungsverteilung innerhalb der Gesamtschuldner mit den daraus resultierenden internen Ausgleichsansprüchen unberücksichtigt. Der Nacherbe sieht sich bei Eintritt des Nacherbfalls der Unbilligkeit gegenüber, eine Erbschaft zu erhalten, die wertmäßig in voller Höhe der ehemaligen Gesamtschuld reduziert ist, obwohl ihn im Innenverhältnis zum Vorerben lediglich 30 % der Last treffen. Mag der Nacherbe auch durch die Erfüllungshandlung im Verhältnis zum Gläubiger vollumfänglich von der ihn beschwerenden Schuld befreit worden sein, so ist doch sein Recht in Höhe der Haftungsquote des Vorerben beeinträchtigt. Hätte nämlich der Vorerbe die Gesamtschuld nicht zu Lasten des Nachlasses, sondern aus seinem eigenen Vermögen beglichen, wäre der Nacherbe intern auch zu 30 % dem Vorerben gegenüber ausgleichspflichtig, würde aber den Nachlass zu 100 % erhalten. Auf Basis einer umfassenden Betrachtungsweise, die auch das Innenverhältnis berücksichtigt, ist im vorliegenden Fall daher von einer Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben auszugehen. Diese ist beschränkt auf die Höhe der den Vorerben treffenden Haftungsquote. Denn es ist anerkannt, dass die Beeinträchtigung des Nacherben wertmäßig nicht immer mit dem Verlust des Gegenstandes gleichgesetzt werden kann411. Die Unwirksamkeit soll nur soweit reichen, dass die von der Verfügung drohende Vereitelung oder Beeinträchtigung vermieden wird und das Recht 411
(383).
BGHZ 7, 274 ff. (277, 279); BGH NJW 1977, 1631 f. (1632); BGH NJW 1985, 382 ff.
D. Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte
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des Nacherben ungeschmälert bestehen bleibt412. Deshalb beeinträchtigt die Verfügung über einen Nachlassgegenstand die Rechte des Nacherben im Umfang des ihn selbst treffenden Anteils an der Gesamtschuld auch dann nicht, wenn die Verfügung insgesamt unentgeltlich ist. Das ist aber nicht alles. Gemäß § 426 Abs. 2 geht mit Befriedigung durch einen Gesamtschuldner (Vorerbe) die Forderung des Gläubigers (Finanzamt) gegen den anderen Gesamtschuldner (Nacherbe) auf diesen über, in der Höhe beschränkt auf den Umfang des Ausgleichsanspruchs413. Das könnte vorliegend zu dem befremdlichen Ergebnis führen, dass der Vorerbe, der in seiner Eigenschaft als Gesamtschuldner die ganze Verbindlichkeit beglichen hat, in Höhe von 30 % der ursprünglichen Gesamtschuld Gläubiger des Nacherben wird und dementsprechend von diesem Ausgleich verlangen kann, obwohl die Erfüllung auf Kosten des Nachlasses und damit im wirtschaftlichen Ergebnis zu Lasten des Nacherben erfolgt ist. Eine solche Betrachtungsweise ließe allerdings unberücksichtigt, dass bei Tilgung der Gesamtschuld aus Nachlassmitteln die nach § 426 Abs. 2 erworbene Forderung nicht dem Vorerben privat zusteht, sondern im Wege der Mittelsurrogation, die auch Forderungen umfasst414, in die Erbschaft fällt. Es entsteht somit eine gegen den Nacherben persönlich gerichtete Forderung des Nachlassvermögens. Man könnte nun daran denken, dem Nacherben gegen die Durchsetzung dieses Anspruchs den Einwand unzulässiger Rechtsausübung zuzubilligen, da das auf eine Nachlassforderung Geleistete nach § 2111 zur Erbschaft gehört415 und somit im Nacherbfall ohnehin wieder an den leistenden Nacherben herauszugeben ist (§ 2130). Das führt zu der generellen Frage, ob in der Durchsetzung einer Forderung, die dem Erbschaftsvermögen gegen den Nacherben persönlich zusteht, ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Vorerben zu sehen ist. Diese Frage ist zu verneinen. Richtig ist zwar, dass mit Eintritt des Nacherbfalls der Nacherbe gegen den Vorerben einen Anspruch auf Herausgabe der Erbschaft hat. Dennoch rechtfertigt es dieser Umstand nicht, dass der Nacherbe gegen die Durchsetzung einer gegen ihn gerichteten Nachlassforderung den Einwand „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ geltend machen kann. Einerseits wäre es verfehlt, von einer „sofortigen“ Rückgabepflicht des Vorerben sprechen zu wollen. Diese ist vielmehr hinausgeschoben auf den Zeitpunkt des Nacherbfalls. Zudem gebühren auch dem nicht befreiten Vorerben für die Zeit seiner Erbenstellung die Nutzungen der Erbschaft (§ 2111 Absatz 1 Satz 1 a. E.). Je nach mutmaßlicher Dauer der Vorerbschaft und Höhe der Nachlassforderung kann allein der Zinsertrag so beträchtlich sein, dass dem 412
BGH NJW 1985, 382 ff. (383). Jauernig/Stürner, § 426 Rz. 21; Palandt/Grüneberg, § 426 Rz. 16. 414 Wolf, JuS 1975, 643 ff. (644). 415 Das auf eine Nachlassforderung Geleistete fällt im Wege der Mittelsurrogation in den Nachlass, vgl. Menken, S. 94; MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 20; a. A. Lange/Kuchinke, § 41 II 2 b und Wolf, JuS 1975, 710 ff. (713), die diesen Vorgang der Rechtserwerbsklausel zuordnen wollen. Der Streit ist rein dogmatischer Natur und bedarf hier keiner Entscheidung, da in beiden Fällen der auf die Forderung geleistete Gegenstand dem Nachlass zufließt. 413
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3. Kap.: Tilgung von Eigenverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 2
Vorerben die Realisierung des Anspruchs gegen den Nacherben nicht verwehrt werden darf. Zum anderen ist der Vorerbe auch nicht verpflichtet, mit der Erbschaft den konkreten, von dem Nacherben auf die Nachlassforderung geleisteten Gegenstand wieder zurückzugeben. Denn anders als im Falle eines Verstoßes gegen § 2113 Abs. 1 umfasst der Schutz des Nacherben bei § 2113 Abs. 2 nicht das Recht auf einen bestimmten Gegenstand, sondern nur das Interesse am wertmäßigen Erhalt der Erbschaft als Resultat einer ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung416. Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Tilgt der nicht befreite Vorerbe aus dem Nachlass eine Eigenverbindlichkeit, für die gleichzeitig der endgültige Nacherbe (bzw. die endgültigen Nacherben) als Gesamtschuldner persönlich miteinzustehen hat, handelt es sich zwar um eine insgesamt unentgeltliche Verfügung, die aber in Höhe der intern den Nacherben treffenden Ausgleichsquote zwischen den Gesamtschuldnern mangels Nacherbenbeeinträchtigung wirksam bleibt. In gleicher Höhe steht dem Nachlass ein eigener Anspruch gegen den Nacherben zu, geltend zu machen durch den Vorerben als dessen vorübergehendem Rechtsinhaber. Der Nacherbe wird dadurch nicht unbillig benachteiligt, denn mit Eintritt der Nacherbfolge erhält er diese in den Nachlass erbrachte Leistung, mangels Verbrauchsbefugnis des nicht befreiten Vorerben ungeschmälert, wieder zurück.
V. Ergebnis zu D. In den Fällen, in denen eine Verfügung zur Tilgung privater Verbindlichkeiten des Vorerben unentgeltlich ist, bedeutet dies regelmäßig auch deren Unwirksamkeit bei Eintritt der Nacherbfolge und mit Wirkung ex nunc. Denn überwiegend werden durch eine solche Handlung die Rechte des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt. Lediglich bei gleichzeitiger Eintrittspflicht des Nacherben gegenüber dem Vorerben für dessen Eigenschuld sowie bei Gesamtschuldnerschaft zwischen Vor- und Nacherbe kann es im Einzelfall an einer – ggf. teilweisen – Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte fehlen.
416
MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 40; RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 32.
4. Kapitel
Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle A. Die Erfüllung einer verjährten Eigenschuld des Vorerben Leistet der Vorerbe auf eine Forderung seines Eigengläubigers, gegen die ihm die Einrede der Verjährung zusteht, muss bei der Lösungsfindung ein weiterer Gesichtspunkt berücksichtigt werden: In jeder Handlung zur Erfüllung einer einredebehafteten Schuld ist gleichzeitig ein Verzicht auf diese Einrede zu sehen. Dies gilt auch, wenn der Erfüllende von der bestehenden Verjährungseinrede keine Kenntnis hatte. In diesem Fall wird nämlich durch das Gesetz fiktiv ein Verzicht auf die Einrede angenommen. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang von § 214 Abs. 2 Satz 1 und § 813 Abs. 1 Satz 2417. Es entspricht gefestigter Ansicht, dass der Verzicht auf eine Einrede als „Verfügung“ des Vorerben im rechtstechnischen Sinne von § 2113 Abs. 2 anzusehen ist418. Erfüllt der Vorerbe eine verjährte Eigenverbindlichkeit, verzichtet er auf die Verjährungseinrede und verfügt damit gleichzeitig, neben der eigentlichen Preisgabe des Erbschaftsgegenstandes, über ein weiteres Recht, ohne dass dieser Rechtsaufgabe ein wirtschaftlich greifbarer Gegenwert, der dem Nachlass- oder Eigenvermögen des Vorerben zufließen könnte, gegenübersteht. Dieser Umstand wirkt sich jedoch nicht auf die bislang erzielten Ergebnisse zur Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs aus419. Für den befreiten Vorerben gilt: Selbst wenn man isoliert auf das im Wege des Verzichts verlustig gegangene Recht der Verjährungseinrede abstellen wollte, gibt 417
Waltjen, NJW 1973, 2061 f. (2062). Banck, S. 96; Waltjen, NJW 1973, 2061 f. (2062); Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2113 Rz. 10. 419 Waltjen, NJW 1973, 2061 f. (2062), vertritt die Auffassung, der Verzicht als einseitiges Rechtsgeschäft könne nicht in die Kategorien entgeltlich-unentgeltlich eingeordnet werden. Für eine solch restriktive Auslegung geben aber weder Wortlaut noch Sinn und Zweck von § 2113 Abs. 2 einen Anhaltspunkt. Im Übrigen kommt Waltjen selbst auch zu der Erkenntnis, dass die Einstufung eines Verzichts als weder entgeltlich noch unentgeltlich dem Normzweck von § 2113 Abs. 2 zuwiderläuft, weswegen im Ergebnis § 2113 Abs. 2 auch auf solche indifferenten Geschäfte Anwendung finden soll. Dafür, dass ein Verzicht sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich sein kann, Banck, S. 96. 418
130
4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
der Vorerbe damit eine ausschließlich seinem Privatvermögen zurechenbare Rechtsposition ersatzlos auf, so dass der Regelungsbereich der §§ 2111 ff., die einzig eine ungerechtfertigte Verkürzung der Nacherbenrechte verhüten sollen, nicht eröffnet ist. Bedenken gegen eine solche Betrachtungsweise könnten allenfalls mit dem Argument erhoben werden, der Vorerbe, der als Gegenwert der Erfüllung persönlich von der verjährten Verbindlichkeit befreit wird, erlange damit keinen angemessenen Vermögensvorteil420. Denn eine einredebehaftete Verpflichtung ist möglicherweise als wirtschaftlich geringwertiger anzusehen, mit der Konsequenz, dass auch die Befreiung von dieser Verbindlichkeit nur einen im Vergleich zu dem weggegebenen Nachlassgegenstand, der die Schuld in voller Höhe ausgleicht, verminderten Wertgehalt aufweist. Dagegen lässt sich bereits einwenden, dass die Verbindlichkeit durch den in jeder Erfüllung liegenden Verzicht auf die Verjährungseinrede eben jenen Makel zeitgleich verliert421. Darüber hinaus erhält der Gläubiger mit Befriedigung eines verjährten Anspruchs nur das, worauf er einen Anspruch besaß422. Leistungen, die nach Vollendung der Verjährung zur Befriedigung des verjährten Anspruchs erbracht werden, sind „normale Erfüllungsleistungen“ eines immer noch in voller Höhe existenten Anspruchs. Sie stellen keine Bereicherung des Gläubigers dar und können nicht zurückgefordert werden423. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 813 Abs. 1 Satz 2 und § 214 Abs. 2, wonach für den Fall der Leistung auf eine verjährte Forderung ein Kondiktionsanspruch des Schuldners verneint wird. Wenn aber der Gläubiger, dessen verjährter Anspruch vollumfänglich getilgt wird, dadurch nicht ungerechtfertigt bereichert ist, dann ist die den Vorerben erreichende Schuldbefreiung auch nicht wegen der vor Erfüllung gegebenen Möglichkeit der Verjährungseinrede rechtlich minderwertiger. Dem befreiten Vorerben kommt somit auch bei Erfüllung einer verjährten Eigenverbindlichkeit ein äquivalenter Vermögensvorteil in Form der vollen Befreiung von der Verbindlichkeit zugute. Dessen ungeachtet bleibt zu überlegen, ob mit einer wie vorstehend vertretenen Sichtweise nicht die Grenze zu dem auch für den befreiten Vorerben geltenden Schenkungsverbot überschritten wird. Das läuft auf die Frage hinaus, ob die aus Nachlassmitteln bewirkte Erfüllung einer einredebehafteten Forderung eines Privatgläubigers des Vorerben Schenkungscharakter i. S. v. § 2113 Abs. 2 hat? Dazu bedürfte es einer schenkweisen Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand. Dafür kommen zwei Verfügungen in Betracht. Wie bereits eingangs dieses Abschnitts ausgeführt, ist in jeder Erfüllung gleichzeitig der Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu sehen. Ein Verzicht kann auch Verfügung im technischen Sinne von
420 Die Tatsache, dass der Entgeltlichkeit einer Verfügung nicht entgegensteht, wenn der Gegenwert dem befreiten Vorerben persönlich zugute kommt, ändert nichts daran, dass diese Gegenleistung gemessen an dem preisgegebenen Nachlassgegenstand gleichwertig sein muss; vgl. für den Fall einer versprochenen Leibrente: BGH NJW 1977, 1631 f. (1632). 421 Waltjen, NJW 1973, 2061 f. (2062). 422 MünchKomm/Grothe, § 214 Rz. 9. 423 BGH WM 1973, 1246 ff. (1247).
A. Die Erfüllung einer verjährten Eigenschuld des Vorerben
131
§ 2113 Abs. 2 sein424 und diesem stünde zweifelsohne kein angemessener wirtschaftlicher Gegenwert gegenüber, was für eine Schenkung spricht. Allerdings verfügt der Vorerbe mit dem Einredeverzicht nicht über einen Gegenstand des Nachlasses, denn das Recht zur Erhebung der Verjährungseinrede gegen eine Eigenschuld steht von Anfang an nur dem Vorerben in dessen ungebundenem allgemeinen Vermögen zu. Der Verzicht auf die Verjährungseinrede gegen einen Privatgläubiger des Vorerben kann per se keine Verfügung über einen Nachlassgegenstand sein. Die zweite Verfügung ist diejenige über den Erbschaftsgegenstand selbst zur Erfüllung der einredebehafteten Schuld. Ein schenkungsähnlicher Charakter könnte darin gesehen werden, dass der Gläubiger eine Befriedigung erhält, auf die er angesichts der eingetretenen Verjährung keinen durchsetzbaren Anspruch hatte. Konsequenz wäre die Unwirksamkeit der Verfügung, verbunden mit etwaigen Rückforderungsansprüchen des Nacherben gegen den Leistungsempfänger im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls. Fakt bleibt jedoch, dass der Vorerbe – im Gegensatz zu einer nicht bestehenden Schuld – bei Erfüllung einer auch einredebehafteten Eigenschuld gleichwohl einen Gegenwert, nämlich die Schuldbefreiung, ungekürzt erhält. Damit ist auch die Tilgung einer verjährten Eigenverbindlichkeit nichts anderes als die Ausprägung des erblasserseits durch die Befreiungsanordnung verfügten Eigenverbrauchsrecht des Vorerben in Bezug auf die Nachlasssubstanz. Der Zweck von § 2113 Abs. 2, eine Schmälerung der Erbschaftsmasse im Interesse des Nacherben bestmöglich zu verhüten, kann nicht so weit gehen, dass der Vorerbe an der Verfügung über Rechtspositionen, die seinem ungebundenen Privatvermögen angehören, gehindert wird. Genau das wäre erreicht, wollte man die Tilgung einer einredebehafteten Eigenschuld aus Nachlassmitteln als Schenkung qualifizieren und damit dem Vorerben inzident absprechen, sein ihm persönlich zustehendes Recht auf Erhebung der Verjährungseinrede aufzugeben. Zu bedenken ist bei alledem, dass der Vorerbe ja auch gute Gründe haben kann, auf die Einrede zu verzichten. Man stelle sich den Fall vor, dass der Privatgläubiger eine Person ist, die dem Vorerben nahe steht und auf die der Vorerbe zu einem späteren Zeitpunkt, bspw. bei altersbedingter Gebrechlichkeit, möglicherweise angewiesen ist. Erfüllt der Vorerbe diese Verbindlichkeit trotz Verjährung mit der Motivation, den Eigengläubiger auch in Zukunft gewogen zu halten, so ist dies keine Schenkung, sondern ein Fall von eigennütziger Verwendung, die dem befreiten Vorerben nicht untersagt ist. Die Erfüllung einer verjährten Eigenschuld zu Lasten des Nachlasses hat daher im Ergebnis auch keinen Schenkungscharakter. Erfüllt der nicht befreite Vorerbe eine Eigenverbindlichkeit, kommt es für das rechtliche Ergebnis ebenfalls nicht auf die Verjährung dieser Verbindlichkeit an. Ungeachtet der Tatsache, ob die Eigenschuld verjährt ist oder nicht, fließt bei Erfüllung aus Mitteln des Nachlasses die Schuldbefreiung nur dem Vorerben persönlich zu. Da dieser mangels Befreiung die Nachlasssubstanz nicht für sich verwenden darf, ist die Verfügung unabhängig von der Verjährungsfrage stets unentgeltlich. 424
Nachweise siehe oben Fn. 418.
132
4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
B. Die Erfüllung einer Eigenschuld des Vorerben vor deren Fälligkeit Erfüllt der Vorerbe eine Schuld vor deren Fälligkeit, lässt dies die bislang erzielten Ergebnisse ebenfalls unberührt. Eine Bestimmung der Leistungszeit wirkt gemäß § 271 Abs. 2 im Zweifel zugunsten des Schuldners, der seine Leistung vor dem Fälligkeitszeitpunkt zwar nicht bewirken muss, dies aber durchaus kann, denn die Verbindlichkeit ist grundsätzlich schon vor dem Fälligkeitszeitpunkt erfüllbar425. Auf diese Weise bekommt der Gläubiger auch bei vorzeitiger Leistung im Ergebnis nur das, worauf er einen Anspruch hatte, allerdings zu einem früheren Termin. Damit erhält er zeitlich gesehen mehr, als ihm gebührt, da die Leistung des Vorerben zu einem Zeitpunkt bewirkt wird, zu dem der Gläubiger diese noch nicht hätte verlangen können. Hier sind aber die gleichen Erwägungen wie zuvor bei der Verjährung leitend. Der Makel des Gläubigeranspruchs, im Zeitpunkt der Erfüllung noch gar nicht durchsetzbar gewesen zu sein, ist das eine, die daneben bestehende und aus der Erfüllbarkeit des Anspruchs resultierende Befugnis des Vorerben, dessen ungeachtet leisten zu dürfen, das andere. Tilgt der Vorerbe eine Eigenschuld vor deren Fälligkeit, begibt er sich daher allein seines Rechtes, die Leistung mangels Fälligkeit (noch) verweigern zu können. Da der Vorerbe zur Leistung lediglich noch nicht verpflichtet, gleichwohl aber berechtigt war, erlangt er im Gegenzug einen gleichwertigen Vermögensvorteil in Gestalt der Befreiung von der Verbindlichkeit. Die in der Erfüllungshandlung zugleich liegende Aufgabe des Rechts, die noch nicht gegebene Fälligkeit einwenden zu können, steht dem Vorerben ausschließlich in seinem freien, allgemeinen Vermögen zu. Dafür, dass bei befreiter Vorerbschaft in der Bedienung einer Forderung vor deren Fälligkeit keine Schenkung zu sehen ist, können die gleichen Argumente herangezogen werden wie vorstehend unter A). Zwar würde nach § 131 Abs. 1 InsO u. a. bei einer Rechtshandlung des Schuldners, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt, die er nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte426, ein Fall der inkongruenten Deckung vorliegen, mit der Folge einer nach Maßgabe der Voraussetzungen in § 131 Abs. 1, Ziffern 1 bis 3 InsO gegebenen Möglichkeit der Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlung. Jedoch regelt auch die Insolvenzordnung an anderer Stelle, nämlich in § 134 Abs. 1 InsO, separat den Fall einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners. Damit ist offenbar die vorzeitige Leistungserbringung auch nach dem Verständnis der Insolvenzordnung kein Fall der unentgeltlichen Leistung, anderenfalls es nicht der gesonderten Erwähnung in § 131 Abs. 1 InsO bedurft hätte. Es bleibt somit dabei: Die Verfügung, mit der eine Eigenschuld vor deren Fälligkeit erfüllt wird, ist für den befreiten Vorerben entgeltlich und damit dauerhaft 425
Esser/Schmidt, § 15 II 1. Darunter fällt u. a. die Befriedigung einer noch nicht fälligen Forderung, Uhlenbruck/ Hirte, § 131 InsO, Rz. 13. 426
C. Leistung auf eine nur vermeintlich bestehende Eigenschuld des Vorerben
133
wirksam. Auch für den nicht befreiten Vorerben ändert sich nichts an der Unentgeltlichkeit dieser Leistungshandlung.
C. Die Leistung auf eine nur vermeintlich bestehende Eigenschuld des Vorerben Erfüllt der befreite Vorerbe eine Eigenschuld, ist diese Verfügung nach dem hier vertretenen Normverständnis regelmäßig entgeltlich, da es genügt, wenn der Vorerbe persönlich als Gegenwert die Schuldbefreiung erwirbt. Erfolgt die Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer nur vermeintlich bestehenden eigenen Verbindlichkeit, fehlt es selbst daran, mit der Folge, dass weder die Nachlassmasse noch der Vorerbe im Eigenvermögen einen Vorteil erlangen kann. Nach überwiegender Rechtsauffassung soll die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 auch solche Rechtsgeschäfte erfassen. Dazu wird die rechtsgrundlose Zuwendung mit einer unentgeltlichen Verfügung gleichgestellt427. Zur Begründung wird unter Hinweis auf den Schutzzweck der Norm angeführt, das erwartete Entgelt, die Befreiung von der Verbindlichkeit, bleibe dabei aus. Die gegenteilige Auffassung lehnt eine derartige Gleichstellung ab und kommt folglich zu einer entgeltlichen – und daher dauerhaft wirksamen – Verfügung, dann aber mit Kondiktionsansprüchen im Nachlassvermögen428. Die Vertreter dieser Ansicht berufen sich darauf, die herrschende Meinung führe zu einer Durchbrechung des Abstraktionsprinzips, das bei Fehlen eines Rechtsgrundes nicht die Wirksamkeit der vorgenommenen Güterverschiebung in Frage stellen, sondern einzig schuldrechtliche Rückabwicklungsansprüche nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff.) auslösen wolle. Der herrschenden Auffassung ist im Ergebnis zu folgen. Die für die Mindermeinung vorgebrachten Argumente erweisen sich bei näherer Betrachtung als widerlegbar. Im Einzelnen: Bei der Tilgung von Verbindlichkeiten stellt die Schuldbefreiung das gewollte Äquivalent der Leistung dar. In dem von dem Handelnden bezweckten und kraft Gesetzes eintretenden Erfolgs der Schuldbefreiung liegt das vollwertige Entgelt der Leistung. Wer irrtümlich auf eine Nichtschuld leistet, tut dies ebenfalls in der Erwartung der Befreiung von eben jener Verbindlichkeit. Mangels Existenz der Forderung wird diese Erwartung im Ergebnis enttäuscht. Dafür erwächst dem Leistenden ein obligatorischer Bereicherungsanspruch gegen den vermeintlich berechtigten Empfänger des rechtsgrundlos Geleisteten. Dass auch schuldrechtliche
427
RGZ 105, 246 ff. (249); RGZ 163, 348 ff. (357); BGH NJW 1963, 1613 ff. (1614); Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77; Kipp/Coing, § 49 IV 2 c; v. Lübtow, S. 896; zwischen einseitigen Verpflichtungen und Austauschverträgen differenzierend: MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 36. 428 Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. (353); Pyszka, S. 94 ff.; Müller, WM 1982, 466 ff. (467 unter b) (für § 2205 Satz 3).
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
Ansprüche Gegenstand dinglicher Ersetzung sein können, ist anerkannt429. Ebenso können sie Entgelt i. S. v. § 2113 Abs. 2 sein. Entgegen dem verschiedentlich in Ausformulierung der herrschenden Unentgeltlichkeitsdefinition auf objektiver Ebene gebrauchten Begriff der Gegenleistung, die in den Nachlass fließen soll, reicht es aus, wenn ein tatsächlicher, wirtschaftlich greifbarer Gegenwert in den Nachlass gelangt430. Das Entgeltsverständnis bei § 2113 Abs. 2 geht daher über die enge Begrifflichkeit der Gegenleistung i. S. d. §§ 320 ff. hinaus. Es genügt jeder wirtschaftlich messbare Vermögensvorteil, somit auch ein obligatorischer Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis wie dem der ungerechtfertigten Bereicherung. Davon losgelöst zu sehen ist die sich anschließende Frage nach der angemessenen Werthaltigkeit dieses Entgelts. Erfüllt der Vorerbe irrigerweise eine nicht existente eigene Verbindlichkeit mit Nachlassgeldern, fällt daher der zur Entstehung gelangende Bereicherungsanspruch gegen den vermeintlichen Gläubiger kraft dinglicher Surrogation in den Nachlass431. Die Vertreter der Mindermeinung schlussfolgern daraus, dass so die Erbschaftsmasse eine gleichwertige Gegenleistung in Form des Kondiktionsanspruchs erhält und deshalb die rechtsgrundlose immer wie eine entgeltliche Verfügung zu behandeln und daher wirksam sei432. Daran ist schon bedenklich, ob der Kondiktionsanspruch in Bezug auf den weggegebenen Erbschaftsgegenstand tatsächlich als gleichwertig bezeichnet werden kann, wenn sich der gutgläubige Bereicherungsschuldner möglicherweise auf den Wegfall der Bereicherung beruft. Dies sei, so die Mindermeinung, hinzunehmen, da bei Unentgeltlichkeit der Verfügung auch sonst der gutgläubige Dritte über § 2113 Abs. 3 dem Nacherben gegenüber bevorzugt wird433. Dieses Argument hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Mit § 2113 Abs. 3 hat der Gesetzgeber den Schutz des Geschäftspartners des Vorerben abschließend geregelt. Geschützt wird der gute Glaube entweder daran, dass der betreffende Gegenstand nicht einer Nacherbfolge unterliegt oder daran, dass der über den Nachlassgegenstand verfügende Vorerbe entsprechend befreit ist434. Bei §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 1 wird die Redlichkeit des Bereicherungsschuldners an die fehlende Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes geknüpft. Wollte man der Mindermeinung folgen, würde dem Erwerber des Erbschaftsgegenstandes zu Lasten des Nacherben ein doppelter Gutglaubensschutz zuteil. Dies wird deutlich für den Fall, dass der mit dem Vorerben kontrahierende Dritte zwar keine Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes hatte, allerdings davon, dass der ihm zur Erfüllung seiner – in Wahrheit nicht existenten – Forderung übertragene Vermögenswert dem gebundenen Nachlass angehörte. Ist der Dritte nicht mehr bereichert und beruft sich dement429 Wendel, S. 108; Brox/Walker, Rz. 606 (Bei Vorleistung des Vorerben fällt zunächst der schuldrechtliche Anspruch gegen den Dritten in den Nachlass). 430 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 75. 431 Soergel/Harder/Wegmann, § 2111 Rz. 4 und § 2113 Rz. 19. 432 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 19. 433 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 19. 434 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 30.
C. Leistung auf eine nur vermeintlich bestehende Eigenschuld des Vorerben
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sprechend auf § 818 Abs. 3, ist der im Nachlass befindliche Kondiktionsanspruch für den Nacherben faktisch wertlos. Zugleich könnte der Nacherbe auch nicht die Unwirksamkeit der Verfügung geltend machen, da, so die Konsequenz aus der Mindermeinung, die seinerzeitige Verfügung als entgeltlich zu qualifizieren wäre. Trotz Bösgläubigkeit des Dritten im Hinblick auf § 2113 Abs. 3, bliebe der Nacherbe anspruchslos. Ein solches Ergebnis widerspricht dem Sinn und Zweck von § 2113 Abs. 2, den Nachlassstamm bestmöglich zu behüten und den gutgläubigen Erwerber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 3 zu schützen. Der Mindermeinung ist weiterhin vorzuwerfen, dass mit ihrem Lösungsansatz der starke dingliche Schutz des § 2113 Abs. 2 gegen einen bloßen obligatorischen Anspruch ausgetauscht würde. Nach der Mindermeinung würde dem Nacherben lediglich ein Kondiktionsanspruch gegen den Zuwendungsempfänger erwachsen, während nach der hier als vorzugswürdig angesehenen herrschenden Ansicht die rechtsgrundlose Verfügung über §§ 985 ff. rückabzuwickeln wäre, was sich für den Nachlass als günstiger erweisen kann435. Dass eine Bevorzugung des qualitativ geringwertigeren schuldrechtlichen Anspruchs den Zielsetzungen des Gesetzgebers widerspricht, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt436. Für die h. M. streitet damit weiter, dass nur die Gleichstellung von Rechtsgrundlosigkeit und Unentgeltlichkeit im Rahmen von § 2113 Abs. 2 zur hinreichenden Wahrung der Interessen des Nacherben an der Erhaltung des Nachlassvermögens führt. Dem wird von den Vertretern der gegenteiligen Auffassung entgegenzuhalten, dass es der ausdrücklichen Entscheidung des deutschen Privatrechts entspricht, das dingliche Zuwendungsgeschäft abstrakt auszugestalten und somit an den Tatbestand des „rechtsgrundlosen Leistens“ ausschließlich einen Bereicherungsanspruch zu knüpfen. Über diese gesetzgeberische Grundsatzentscheidung könne sich das Nacherbeninteresse nicht hinwegsetzen. Dagegen ist einzuwenden, dass die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 an die Rechtsnatur des Grundgeschäfts anknüpft, womit im Interesse des Nacherben das Abstraktionsprinzip durchbrochen wird437. Der Vorerbe wird insoweit zum Inhaber einer kausalen Treuhand, dessen Verfügungen auch Dritten gegenüber in ihrer Wirkung von der Eigenart des Grundgeschäfts abhängig gemacht werden438. Die ausnahmsweise Aufweichung des Abstraktionsprinzips ist bei § 2113 Abs. 2 daher normimmanent. Damit wird gleichzeitig das von Spellenberg zur Unterstützung der Mindermeinung vorgebrachte Argument, es sei weder plausibel noch bei anderen vergleichbaren Instituten so, dass das Abstraktionsprinzip allein wegen der Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters in der Person des
435 So trüge der Nacherbe z. B. nicht das Risiko der Insolvenz des ohne Rechtsgrund bereicherten Verfügungsempfängers. Der weggegebene Erbschaftsgegenstand könnte nach § 47 InsO aus der Insolvenzmasse ausgesondert werden, weil er rechtlich noch zum Nachlassvermögen gehört. 436 Siehe oben S. 120 f. 437 Siehe oben S. 59 und dortige Nachweise in Fn. 181. 438 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 61.
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
Vorerben eine Durchbrechung erfahren soll439, entkräftet. Hätte der Nacherbe ohne den zeitlich begrenzten „Einschub“ der Vorerbschaft unmittelbar selbst als Erbe ohne rechtlichen Grund geleistet, wäre die Verfügung zwar wirksam und der Nacherbe einzig auf seine Kondiktionsansprüche verwiesen. Dieses Ergebnis ist aber nicht folgewidrig, da, wenn der Erbe unmittelbar selbst leistet, § 2113 Abs. 2, der zu einer Durchbrechung des Abstraktionsprinzips führt, mangels Vorerbschaft gar nicht anwendbar ist. Entscheidend gegen die teilweise vertretene Auffassung spricht deren Unzulänglichkeit bei den Rechtswirkungen für den nicht befreiten Vorerben. Die Mindermeinung als richtig unterstellt, müsste die Erfüllung einer nicht existenten Eigenverbindlichkeit unter Verwendung von Erbschaftsmitteln in jedem Fall eine entgeltliche und damit dauerhaft wirksame Verfügung bedeuten, denn dem Nachlass fließt ja der Bereicherungsanspruch als Surrogat zu. Für den nicht befreiten Vorerben ergäbe sich daraus die bemerkenswerte Konsequenz, dass die Erfüllung einer Nichtschuld entgeltlich, die mit gültiger causa erfolgte Tilgungsmaßnahme dagegen unentgeltlich im Sinne von § 2113 Abs. 2 wäre. Darin liegt ein Wertungswiderspruch. Es ist nicht plausibel, warum der Nacherbe bei Vorliegen einer causa stärker, nämlich dinglich, geschützt werden, ihm im Fall der fehlenden causa aber nur ein obligatorischer Bereicherungsanspruch zustehen soll. Auch aus Sicht des Leistungsempfängers erscheint es widersinnig, warum er, wenn ihm etwas zur Erfüllung seiner bestehenden und berechtigten Forderung übertragen wird, das Erhaltene möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt dem Nacherben wieder herausgeben soll, während er sich bei Erlangung des Vermögensvorteils ohne jeglichen rechtlichen Grund ggf. auf Entreicherung berufen und damit einem Anspruch entziehen kann. Für denjenigen, der die Rechtsfolgen des § 2113 Abs. 2 scheut, sei es der Vorerbe, sei es der Leistungsempfänger, wäre es geradezu ein Anreiz, den Leistungsvollzug ohne rechtlichen Grund zu bewirken, wobei dann einzig die Schranke des Schenkungsverbots einem zu weitreichenden Gestaltungsmissbrauch Einhalt gebieten würde. Ein solches Ergebnis ist nicht interessengerecht. Damit ist die irrige Leistung auf eine Nichtschuld einer unentgeltlichen Verfügung gleichzustellen. Mit dem Tag des Eintritts der Nacherbfolge wird die Verfügung – Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben unterstellt – dinglich unwirksam, so dass es keinen auf Rückgängigmachung der Verfügung gerichteten Kondiktionsanspruch mehr gibt. Eine etwaige Besitzkondiktion tritt ohne weiteres neben den dinglichen Herausgabeanspruch. Bei wissentlicher Leistung auf eine Nichtschuld ist das Ergebnis nicht anders. Hatte der Vorerbe im Zeitpunkt der Verfügung Kenntnis vom Nichtbestehen seiner Schuld und leistet dessen ungeachtet aus Mitteln der Erbschaft, fehlt es nach § 814 Alt. 1 sogar an einem Bereicherungsanspruch, so dass es sich, selbst unter Zugrundelegung der Mindermeinung, jedenfalls um eine unentgeltliche Verfügung handelt. 439
Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. (353), für das Beispiel des Konkursverwalters.
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten I. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten als entgeltliche Verfügung Verfügt der Vorerbe über Erbschaftsgegenstände zum Zwecke der Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten, handelt es sich dabei stets um eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliche Leistung440. Nachlassschulden zeichnen sich bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft dadurch aus, dass für sie auf jeden Fall das Sondervermögen „Nachlass“ haftet441. Von daher bringt die Erfüllung einer solchen Schuld der Erbschaft einen gleichwertigen Vermögensvorteil in Gestalt der Befreiung von eben dieser Verbindlichkeit442. Da dieser Vorteil im wirtschaftlichen Ergebnis dem Nacherben zugutekommt, ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm die Entgeltlichkeit einer solchen Verfügung immer zu bejahen443. Das gilt für den befreiten wie für den nicht befreiten Vorerben gleichermaßen. Ähnlich wie bei Tilgung von Eigenverbindlichkeiten ist auch hier die Frage zu stellen, ob das Ergebnis anders ausfällt, wenn die Nachlassschuld im Zeitpunkt ihrer Erfüllung bereits verjährt war. Im Gegensatz zur Tilgung einer verjährten eigenen Schuld begibt sich der Vorerbe mit dem Verzicht auf die Verjährungseinrede diesmal eines Rechts der Erbschaft, ohne dass dieser Werteinbuße ein angemessener Ausgleich gegenüberstünde. Andererseits steht eine Einrede in einem rechtlich nicht trennbaren Zusammenhang mit dem Anspruch, auf den sie sich bezieht444. Der Eintritt der Verjährung lässt die Existenz des Anspruchs völlig unberührt. Der Gläubiger erhält mit Erfüllung rechtsbeständig genau das, was ihm zusteht, der Nachlass wird von einer im vollen Umfang bestehenden Leistungspflicht befreit. Dies könnte dafür sprechen, die Verfügung ungeachtet der Verjährungstatsache als entgeltlich einzustufen. Gleichwohl kommen Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses auf. Im Unterschied zur Erfüllung einer verjährten eigenen Verbindlichkeit handelt es sich hier nicht um den Fall eines Eigenverbrauchs des Vorerben. Zudem verfügt der Vorerbe diesmal über ein Recht der Erbschaft, ohne dass dieser dafür ein entsprechendes Äquivalent zuwächst. Der Bestand des Nachlasses wird ohne Not geschmälert, weder der Vorerbe noch der Nachlass erfahren dafür einen wirtschaftlichen Vorteil. Insoweit scheint der Verzicht auf die Verjährungseinrede einer 440
RGZ 105, 246 ff. (248); OLG Saarbrücken DNotZ 1950, 66 f. (67); BayObLG Rpfleger 1989, 200 (nur Leitsatz); RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 21; Staudinger/Avenarius, § 2112 Rz. 20 und § 2113 Rz. 77; Endemann, ErbR, S. 48. 441 Kipp/Coing, § 93 I. 442 Vgl. dazu insbesondere RGZ 159, 385 ff. (389), wo die „Befreiung von einer die Masse belastenden Schuld“ ausdrücklich mit „dem Erwerb eines Rechts zur Nachlassmasse“ als Vermögensvorteil gleichgestellt wird. Burandt/Rojahn/Lang, § 2113 Rz. 31; Soergel/Harder/ Wegmann, § 2113 Rz. 19; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 77. 443 Staudinger/Avenarius, § 2112 Rz. 20; Endemann, ErbR, S. 48. 444 BGH WM 1973, 1246 ff. (1247).
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
unentgeltlichen Leistung sehr nahe zu stehen. Auch hier ergibt sich die Lösung über das Verbot bloßer Freigebigkeiten des Vorerben. Die Erfüllung einer verjährten Verbindlichkeit erfolgt aus Sicht des gleichwohl leistenden Vorerben aufgrund seines eigenen Entschlusses. § 214 Abs. 1 gewährt dem Schuldner nach Eintritt der Verjährung ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht. Wer dennoch leistet, tut dies aus freien Stücken. Bei einer Gesamtbetrachtung liegt der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Besserstellung bei dem Empfänger der Leistung, dem Nachlassgläubiger, und damit weder im Nachlass, noch im Eigenvermögen des Vorerben. Denn der Gläubiger erlangt Befriedigung in voller Höhe, obwohl sein Anspruch gegen den Willen des Schuldners nicht mehr durchsetzbar gewesen wäre. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass der verjährte Anspruch erfüllbar bleibt und auf Grund der Verjährung nicht erlischt. Dieser Gedanke verkennt, dass in jeder Erfüllung einer verjährten Forderung zwei Verfügungen im Sinne von § 2113 Abs. 2 liegen. Die eigentliche Tilgung der verjährten Schuld ist zwar keine Schenkung, weil die zugrundeliegende Forderung trotz möglicher Verjährungseinrede bestehen geblieben ist und daher der Nachlass in vollem Umfang von der Verbindlichkeit befreit wird. In dem gleichzeitigen unwiderruflichen Verzicht auf die Einrede der Verjährung liegt aber eine weitere Verfügung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand. Dieser isoliert zu bewertende Verzicht auf die Verjährungseinrede gegenüber einer Nachlassverbindlichkeit bedeutet die Aufgabe eines Rechts der Erbschaft ohne Not und ohne dass dieser Verfügung ein wirtschaftlich messbares Entgelt gegenüberstünde. Der Nachlassgläubiger mag zwar, wie sich aus den §§ 214 Abs. 2 Satz 1, 813 Abs. 1 Satz 2 ergibt, seine vorhandene wirtschaftliche Besserstellung nicht mehr unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten herausgeben müssen. Daraus folgt aber gerade nicht, dass der dauerhafte Bestand der Verfügung nicht wegen § 2113 Abs. 2 gefährdet sein kann. Die eingangs dieses Gliederungspunktes aufgestellte generelle Aussage ist somit dahingehend zu präzisieren, dass die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten aus der Erbschaft lediglich in aller Regel eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliche Leistung darstellt. Tilgt der Vorerbe dagegen eine verjährte Nachlassverbindlichkeit, handelt er freigebig, die Verfügung ist unentgeltlich. Dabei besteht kein Grund, diese Rechtsfolge nur auf den Fall der Einrede der Verjährung zu beschränken. Immer dann, wenn der Vorerbe eine Nachlassverbindlichkeit aus Mitteln der Erbschaft erfüllt, obwohl er der Forderung des Nachlassgläubigers einen berechtigten Einwand entgegensetzen könnte, verfügt der Vorerbe zusätzlich über ein Recht des Nachlasses, nämlich dasjenige, die Leistung verweigern zu dürfen. Dieser Rechtsaufgabe steht kein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber, der Vorerbe handelt freigebig und die Verfügung ist unentgeltlich. Unabhängig davon bleibt zu prüfen, ob der Vorerbe, der ungeachtet des Rechts, die Leistung verweigern zu dürfen, gleichwohl Erbschaftsmittel einsetzt, damit zusätzlich gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung verstößt. Das wird regelmäßig zu bejahen sein und führt dann zu entsprechenden obligatorischen Ersatzansprüchen des Nacherben gegen den Vorerben.
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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II. Die Tilgung von Nachlasserbenschulden Unter Nachlasserbenschulden445 oder auch Nachlasseigenschulden versteht man allgemein solche Verbindlichkeiten, die Nachlassverbindlichkeiten sind, gleichzeitig den Erben aber auch aus einem weiteren rechtlichen Tatbestand in eigener Person verpflichten446, so dass im Fall der Beschränkung der Erbenhaftung der Erbe dennoch mit seinem Eigenvermögen einzustehen hat447. Sie haben daher eine Doppelstellung als Nachlassverbindlichkeit und Eigenschuld448. Unter die Nachlasserbenschulden fallen alle diejenigen Verbindlichkeiten, die der Erbe vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters fremden Vermögens in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingeht449. Auch bei angeordneter Vorerbschaft ist damit die Nachlasserbenschuld zugleich Eigenverbindlichkeit des Vorerben, der insoweit neben dem gebundenen Nachlass zusätzlich mit seinem freien, eigenen Vermögen haftet. Auf diese Weise erhält mit Erfüllung jener Nachlassverbindlichkeit auch der Vorerbe persönlich, der im Privatvermögen seiner Verpflichtung ledig wird, einen Vermögensvorteil auf Kosten des Nachlasses. Dies ändert aber nichts an der soeben festgestellten Entgeltlichkeit dieser Maßnahme. Die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 soll den Nacherben gegen eine Schmälerung seiner Rechte durch Verringerung der Erbschaftsmasse schützen450. Sie verbietet nicht eine mit Verfolgung dieses Ziels zugleich einhergehende Besserstellung auch des Vorerben persönlich. Denn für die Unent445 Terminologie nach Boehmer, § 21. In jüngerer Literatur wendet sich Dauner-Lieb mit nachvollziehbaren Argumenten gegen die Lehre von der Nachlasseigenschuld, jedenfalls im Hinblick auf die ausufernde Form, die sie im Vergleich zur Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1917 (RGZ 90, 91 ff.) angenommen hat (S. 120 ff.). Dadurch werde dem Erben die gefährliche Möglichkeit eröffnet, ohne zeitliche Begrenzung neue Nachlassverbindlichkeiten zu begründen und damit zu Lasten der Nachlassaltgläubiger den Nachlass als Sondervermögen weit über den Erbfall hinaus zu perpetuieren (S. 121 f.). DaunerLieb weist, ausgehend von der vorgenannten reichsgerichtlichen Entscheidung und der dort vorgenommenen Ableitung aus den §§ 1978, 1979, nach, dass das Institut der Nachlasseigenschuld einer kontinuierlichen begrifflichen Verselbständigung unterlegen ist und somit eine gefährliche Eigendynamik entwickelt hat (S. 144). In letzter Konsequenz kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass die Lehre von der Nachlasseigenschuld im geltenden Gesetzeswerk keine Stütze findet (S. 147). Dennoch wird dem Begriff nicht jedwede Daseinsberechtigung abgesprochen, so z. B. in den Fällen, in denen der Erbe zusätzlich zu bestehenden Nachlassverbindlichkeiten einen eigenen Verpflichtungstatbestand verwirklicht (S. 142). Zudem sei, wolle man an der Lehre der Nachlasseigenschuld festhalten, dann aber das Postulat der Gleichschaltung von Außenhaftung und Aufwendungsersatzanspruch (§ 1978 Abs. 3) zu beachten (S. 147). 446 Boehmer, § 21 (S. 119 ff.); Schlüter, Rz. 1063. 447 Kipp/Coing, § 93 III. 448 Staudinger/Marotzke, § 1967, Rz. 5 bis 7. 449 RGZ 90, 91 ff. (96); BGH NJW 1978, 1385 f. (1386); BGH NJW 1990, 1237 ff. (1238); MünchKomm/Küpper, § 1967, Rz. 16; Soergel/Stein, § 1967, Rz. 8; Harder/Müller-Freienfels, JuS 1980 876 ff. (877); Brox/Walker, Rz. 658; Schlüter, Rz. 1063. 450 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 1.
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
geltlichkeit ist nicht so sehr eine Bereicherung des Empfängers als gerade die Benachteiligung des Nachlasses wesentlich451. An einer Beeinträchtigung der Erbschaft fehlt es aber. Die Rechtsposition des Nacherben wird dadurch gewahrt, dass mit Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit zugleich die Erbschaftsmasse von einer Schuld befreit wird. Der für den Vorerben positive Nebeneffekt in dessen Eigenvermögen ändert daran nichts. Diese Betrachtungsweise ermöglicht auch eine sachgerechte Bewältigung der Fälle des „Notverkaufs“. Verschafft sich der Vorerbe durch einen bewusst unterwertigen Verkauf eines Nachlassgegenstandes rasche Liquidität mit dem Ziel, ein für den Nachlass vorteilhaftes Geschäft realisieren oder schwerwiegendere Nachteile von ihm abwenden zu können, müsste bei voreiliger Heranziehung der zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsformel die Verfügung über den veräußerten Nachlassgegenstand als nicht entgeltlich beurteilt werden: Der Vorerbe hat mit der Übertragung des Nachlassgegenstandes objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbmasse erbracht und ihm war dabei subjektiv auch erkennbar, dass dem Vermögensopfer kein gleichwertiger wirtschaftlicher Vorteil gegenüberstand. Eine solche Schlussfolgerung zieht Pyszka und führt diese zur Kritik der herrschenden Meinung an, da so ein vom Standpunkt des Nacherben interessengerechtes und durchaus im Rahmen einer sorgfaltsmäßigen Verwaltung liegendes Geschäft an der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 scheitern würde452. Soweit Pyszka bei seiner Argumentation von einer unentgeltlichen Verfügung ausgeht, wird von ihm verkannt, dass dann, wenn der „Notverkauf“ in objektiv sorgfältiger Verwaltung des Nachlasses getätigt wurde, zugleich eine Verbindlichkeit der Erbschaft in Form der Nachlasserbenschuld entsteht. Ist eine Maßnahme zur Abwendung schwerwiegender Nachteile von der Erbschaft erforderlich, wirkt sie sich letztendlich im Interesse des Nacherben aus und fügt sich somit in eine ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses ein. Geht der Vorerbe im Rahmen dieser Verwaltungsmaßnahme eine Verpflichtung ein, handelt es sich dabei auch um eine Verbindlichkeit der Erbschaft. Mit Erfüllung erwirbt die Erbmasse einen gleichwertigen Vermögensvorteil in Gestalt der Befreiung von jener Verbindlichkeit, der die durch die Aufgabe des Erbschaftsgegenstandes eingetretene Schmälerung des Nachlasses wieder kompensiert; die Verfügung ist entgeltlich. Das von Pyszka gegen die herrschende Ansicht vorgebrachte Argument ist damit nicht stichhaltig. Der Vorerbe wird an der Vornahme solcher Rechtshandlungen, die bei objektiver Betrachtung vom Standpunkt eines sorgfältigen Vermögensverwalters im Interesse der Erbschaft erfolgen, mangels Unentgeltlichkeit der Verfügung nicht durch § 2113 Abs. 2 gehindert. Damit ist grundsätzlich jede zur Tilgung einer Nachlassverbindlichkeit vorgenommene Rechtshandlung des Vorerben aufgrund der damit automatisch einher451
Krawielicki, S. 123. Pyszka, S. 49 ff.; ebenso: Müller, WM 1982, 466 ff. (469 unter b) für § 2205 und Verfügungen des Testamentsvollstreckers. 452
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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gehenden Schuldbefreiung der Erbmasse ein i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliches Geschäft. Gleichwohl ist es voreilig, zu behaupten, damit sei der Vorerbe im Hinblick auf Nachlassschulden in seiner Verfügungsmacht frei. Dazu denke man sich den Fall, dass der Vorerbe ein Grundstücksvermächtnis aus dem Nachlass erfüllt. Zwar scheitert nach vorstehend Gesagtem die in Erfüllung des Vermächtnisses, einer Nachlassverbindlichkeit in Form der Erbfallschuld453, vorgenommene Verfügung nicht an der Beschränkung des § 2113 Abs. 2. Für den nicht befreiten Vorerben ist jedoch ein Verstoß gegen § 2113 Abs. 1 denkbar, weil er über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück verfügt.
III. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten im Lichte von § 2113 Abs. 1 Hat die zu tilgende Nachlassverbindlichkeit die Übertragung einer der in § 2113 Abs. 1 aufgeführten Rechte zum Inhalt, muss bei fehlender Befreiung auch der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beachtet werden. Zu denken ist an die Fälle der Auflassung eines Grundstücks aus einem noch vom Erblasser geschlossenen Kaufvertrag oder die Erfüllung eines Vermächtnisses, welches dem Bedachten ein bestimmtes Grundstück zuspricht. Gleiches gilt bei Erfüllung einer auf die Zuweisung von Nachlassgrundstücken gerichteten Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048), denn auch die Auseinandersetzung zwischen mehreren Vorerben stellt eine Verfügung im Sinne von § 2113 dar454. Die Frage ist, ob solche Erfüllungshandlungen des Vorerben von sich aus endgültig455 dinglich wirksam sind oder dazu der Zustimmung456 des Nacherben bedürfen. 1. Kein Zustimmungserfordernis des Nacherben Nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist die dingliche Wirksamkeit solcher Grundstücksverfügungen des Vorerben, die unmittelbar der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten dienen, nicht von einer Mitwirkung des Nacherben abhängig. Bei der Begründung wird wie folgt differenziert:
453
Lange/Kuchinke, § 47 III. NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 10; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 2; Deimann, Rpfleger 1978, 244 f. (244). 455 Bis zum Eintritt des Nacherbfalls sind die Verfügungen jedem gegenüber wirksam; Schlüter, Rz. 752. Erst mit der Nacherbfolge wird die Verfügung über das Grundstück oder grundstücksgleiche Recht insoweit unwirksam, als sie das Nacherbenrecht vereiteln oder beeinträchtigen würde; vgl. Wortlaut § 2113 Abs. 1. 456 Verfügungen des Vorerben über Grundstücke und Grundstücksrechte sind dann wirksam, wenn ihnen der Nacherbe zugestimmt hat; vgl. Ebenroth, Rz. 565. 454
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
a) Vom Erblasser eingegangene Verpflichtungen Vielfach wird angeführt, die Verfügung sei wegen des gleichzeitigen Wegfalls einer Nachlassverbindlichkeit rechtlich nicht nachteilig und vereitele bzw. beeinträchtige damit das Recht des Nacherben nicht457. Die Vertreter dieser Auffassung berufen sich auf die §§ 1967, 2100, 2139, wonach bei Eintritt des Falles der Nacherbfolge automatisch der Nacherbe zur Erfüllung dieser Schuld verpflichtet wäre. Der Gläubiger einer gegen den Nachlass gerichteten Forderung kann deren Erfüllung jederzeit durchsetzen, nach Eintritt des Nacherbfalls auch gegen den Nacherben458. Im Ergebnis kommt damit die befreiende Wirkung der Erfüllung auch dem Nacherben zugute459. Deshalb können, wird die wirksame Nachlassverbindlichkeit schon vom Vorerben beglichen, Rechte des Nacherben durch diese Verfügung nicht beeinträchtigt werden. b) Erfüllung von Vermächtnissen und Teilungsanordnungen Bei der Erfüllung eines vom Erblasser letztwillig verfügten Vermächtnisses oder einer Teilungsanordnung ist erneut zu unterscheiden: Mehrheitlich wird vertreten, der Erblasser habe den Vorerben für solche Verfügungen von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 gegenständlich befreien wollen (§ 2136)460. Dies wird damit begründet, die Befreiung brauche nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sie könne sich auch aus Sinn und Zweck der letztwilligen Anordnung ergeben. Dem hält Avenarius entgegen, die Freistellung als solche könne sich nur auf einzelne Vorschriften, nicht jedoch auf bestimmte Gegenstände des Erblasservermögens beziehen461. Teilweise geht man davon aus, bei Erfüllung eines Vermächtnisses oder einer Teilungsanordnung liege keine Vereitelung oder Beeinträchtigung des Nacherbenrechtes vor462, und zwar mit der gleichen Argumentation wie unter a), nämlich dass im wirtschaftlichen Ergebnis dem Nacherben die schuldbefreiende Wirkung zugutekommt.
457 KG HRR 1934, Nr. 172; Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2113 Rz. 7; Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 5; RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 5; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 53; Schlüter, Rz. 752. 458 Schlüter, Rz. 752. 459 KG HRR 1934, Nr. 172. 460 KG DR 1940, 2256; BayObLG NJW 1974, 2323; BayObLG NJW 1992, 728 f. (729); OLG Hamm NJW-RR 1995, 1289 ff. (1290); Planck/Flad, § 2113 Anm. 1; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 53; Kipp/Coing, § 49 IV 1 d und Fn. 32; Friederich, Rz. 88. Unklar: MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 14, für den die Auslegung im Einzelfall entscheidet. 461 Staudinger/Avenarius, § 2136 Rz. 3. 462 OLG Stuttgart, ZBlFG 7. Jahrgg., Juli 1906 – Juni 1907, Nr. 375; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 5; Beck, DNotZ 1961, 565 ff. (573); Deimann, RPfl 1978, 244 f. (244).
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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2. Zustimmungserfordernis des Nacherben Die Kritiker beider Auffassungen sind gleichzeitig diejenigen Literaturstimmen, die in den vorgenannten Fällen zur Wirksamkeit der Verfügung immer eine Zustimmung des Nacherben für erforderlich halten, der ein Recht zur Prüfung von Bestand und Fälligkeit der Schuld habe463. Die Verfügung durch den Vorerben bleibe als solche auch bei Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit rechtlich nachteilig, weil das Gesetz im Interesse der Rechtsklarheit den Nachteil abstrakt am Verfügungsgeschäft überprüfe. Zudem ergebe sich aus § 2120 und dem dort expressis verbis aufgeführten Beispielsfall eine Zustimmungspflicht des Nacherben, welche, ließe man den Vorerben wirksam allein verfügen, entbehrlich wäre464. 3. Eigene Stellungnahme Sowohl Judikatur als auch Schrifttum differenzieren nicht hinreichend zwischen den einzelnen Arten von Nachlassverbindlichkeiten. Dadurch werden teilweise die Argumente der verschiedenen Meinungen miteinander vermengt, was die Gefahr von Missverständnissen birgt. So führt bspw. das BayObLG in seiner Entscheidung vom 29. 11. 1991465 wie folgt aus: „Das Recht des Nacherben ist dann nicht als beeinträchtigt anzusehen, wenn der Vorerbe mit der Verfügung eine Verbindlichkeit erfüllt, die ihm durch letztwillige Verfügung auferlegt ist. Denn es ist anzunehmen, dass der Erblasser den Vorerben für solche Verfügungen nach § 2113 I BGB befreien wollte.“ Offensichtlich will sich das BayOblG der Auffassung anschließen, dass die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit nicht zu einer Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben führt, begründet seine Ansicht aber damit, der Vorerbe sei insoweit von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 befreit. Diese Argumentation ist in sich nicht stimmig. Die Befreiung versteht sich als Gestaltung der auf den gesamten Nachlass bezogenen Rechtsstellung des Vorerben der Art, dass der Erblasser dem Vorerben u. a. das Recht zu entgeltlichen Verfügungen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte gewähren wollte466. Der befreite Vorerbe ist daher insofern nicht in seiner Verfügungsmacht beschränkt. Somit ist von vornherein der Weg zu § 2113 Abs. 1 verschlossen. Auf die Frage der Rechtsvereitelung oder -beeinträchtigung kommt es dann nicht mehr an. Richtigerweise ist eine am Entstehungsgrund der Nachlassverbindlichkeit orientierte Unterscheidung wie folgt vorzunehmen:
463
MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 14; Brox/Walker, Rz. 362; Endemann, S. 406; Enneccerus/Kipp, § 93 IV 1 (auch ausführlich zu den früheren Streitfragen); Lange/Kuchinke, § 28 IV 4 b und dort Fn. 82. 464 Brox/Walker, Rz. 362. 465 Abgedruckt in FamRZ 1992, 728 f. (729). 466 Staudinger/Avenarius, § 2136 Rz. 1 u. 3.
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
a) Auf letztwilliger Anordnung beruhende Verbindlichkeiten Sowohl Vermächtnis als auch Teilungsanordnung beruhen auf letztwilliger Verfügung des Verstorbenen. Mit Erfüllung führt der Vorerbe die maßgebliche Willensverordnung des Erblassers aus, die dieser bereits zu Lebzeiten gesetzt hat. Da zu unterstellen ist, dass jeder Erblasser seine Anordnungen wirksam umgesetzt wissen will, liegt in der letztwilligen Verfügung gleichzeitig die insoweitige Befreiung des Vorerben von der sich aus § 2113 Abs. 1 ergebenden Beschränkung. Bei der Befreiungsanordnung ist nur entscheidend, dass der darauf gerichtete Wille des Erblassers in der letztwilligen Verfügung in irgendeiner Weise hinreichend zum Ausdruck kommt467. Die Befreiung braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sie kann sich auch aus Sinn und Zweck der Anordnung ergeben468. Die Aussetzung eines Immobilienvermächtnisses ohne darauf gerichtete Freistellung des Vorerben von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 wäre aus Erblassersicht aber geradezu widersprüchlich und damit sinnentleert. Die dagegen vorgebrachte Kritik, die Befreiung des Vorerben als solche könne nicht auf bestimmte Nachlassgegenstände beschränkt werden469, findet weder im Gesetz noch nach dem Willen des Normgebers eine Stütze. Zwar beschneidet § 2136 den Erblasser in seiner Testierfreiheit dahingehend, dass eine über die enumerativ aufgeführten Fälle hinausgehende Befreiung zum Schutz des Nacherben nicht möglich ist470. Einer im Rahmen der aufgezählten Vorschriften enger gehaltenen, gegenstandsbezogenen Liberierung steht aber nichts entgegen, solange dies ausdrücklich oder nach den Umständen des Einzelfalls vom Erblasser so gewollt war471. Insbesondere wird der durch die abschließende Auflistung gewollte Gesetzeszweck der Mindestsicherung des auf den Überrest eingesetzten Nacherben472 durch eine gegenständliche Beschränkung der Befreiung innerhalb einer zur Disposition des Erblassers stehenden Norm – eine solche ist § 2113 Abs. 1 – nicht unterlaufen473. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, würde es – wie letztlich bei allen Nachlassverbindlichkeiten – an einer Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte fehlen, weil im wirtschaftlichen Ergebnis der Nacherbe von der erfüllten Schuld, für die er anderenfalls im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls hätte eintreten müssen, profitiert. Hinzu kommt ein Weiteres: Die Unwirksamkeit der Verfügung nach § 2113 Abs. 1 unterstellt, träfe den Nacherben ohne weiteres der Arglisteinwand, wollte er sich dem Leistungsempfänger (Nachlassgläubiger) ge467
Kretzschmar, SächsArch f. Rechtspflege 1911, 337 ff. (338). KG, DR 1940, 2256; BayObLG NJW 1974, 2323; BayObLG NJW 1992, 728 f. (729); Erman/M. Schmidt, § 2136 Rz. 1; RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 51. 469 Staudinger/Avenarius, § 2136 Rz. 3. 470 NK-BGB/Gierl, § 2113 Rz. 11. 471 KG DR 1940, 2256; Burandt/Rojahn/Lang, § 2136 Rz. 3; MünchKomm/Grunsky, § 2136 Rz. 9; NK-BGB/Gierl, § 2136 Rz. 12; RGRK/Johannsen, § 2136 Rz. 8. 472 Protokolle V, S. 109 = Mugdan V, S. 588. 473 Für eine auch gegenständliche Befreiung ebenso: Burandt/Rojahn/Lang, § 2136 Rz. 3. 468
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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genüber auf diese Unwirksamkeit und die daraus resultierenden Ansprüche berufen. Denn der Nacherbe müsste sofort wieder für die dann mangels Erfüllung nicht erloschene Erbfallschuld, gerichtet auf die Verschaffung von Besitz und Eigentum an dem Grundstück, in seiner Eigenschaft als Erbe selbst einstehen. b) Vom Erblasser begründete Verbindlichkeiten Im Einklang mit der h. M. stellt die Erfüllung vom Erblasser herrührender Schulden – der Erblasser hat sich noch zu Lebzeiten zur Übereignung eines Grundstücks verpflichtet – keine Vereitelung oder Beeinträchtigung des Nacherbenrechts dar, weil die Verbindlichkeit zeitgleich mit der Erfüllung wegfällt und damit der Nacherbe in gleichem Umfang entlastet wird. Zur dinglichen Wirksamkeit solcher Verfügungen bedarf es daher keiner Zustimmung des Nacherben. Soweit unter Hinweis auf einen in § 2113 Abs. 1 rechtlich ausgerichteten Nachteilsbegriff dagegen vorgebracht wird, die Verfügung selbst sei auch dann für den Nacherben rechtlich nachteilig, wenn sie der Ablösung einer Nachlassverbindlichkeit diene474, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Rechtsbeeinträchtigung des Nacherben setzt die Existenz eines schützenswerten Rechts voraus. Schon daran ermangelt es vorliegend. Zwar hat der Nacherbe einen Anspruch darauf, die in § 2113 Abs. 1 aufgeführten Gegenstände ihrer Substanz und nicht nur ihrem Werte nach zu erhalten475. Diese Rechtsposition des Nacherben war jedoch wegen der auf ihn gemäß §§ 1967, 2139, 2144 übergehenden Einstandspflicht von Anfang an eingeschränkt. Durch den Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes hat der Erblasser noch lebzeitig zu erkennen gegeben, dass das Eigentum an dem Grundstück wertmäßig nicht mehr zu seiner Erbmasse gehören, damit weder beim Vorerben verbleiben, noch auf den Nacherben übergehen sollte. Hieraus folgt, dass der Nacherbe zu keinem Zeitpunkt ein schützenswertes Interesse am Erhalt des mit der Übereignungspflicht behafteten Nachlassgrundstücks als solchem hatte. Darüber hinaus greift auch hier das Argument des Arglisteinwands wie zuvor unter a) erläutert. Die Vertreter der Mindermeinung berufen sich zur Untermauerung ihrer Auffassung weiterhin auf die Bestimmung des § 2120476, die folgenden Wortlaut hat: „Ist zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, so ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung zu erteilen“. Die Vorschrift sei mit ihrem Beispielsfall („insbesondere …“) überflüssig, ließe man den Vorerben bei Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten immer allein „nacherbenwirksam“ verfügen477. 474 475 476 477
Brox/Walker, Rz. 362. v. Lübtow, S. 891 m. w. N. Brox/Walker, Rz. 362; Lange/Kuchinke, § 28 IV 4 b und dort Fn. 82. Lange/Kuchinke, § 28 IV 4 b in Fn. 82.
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Richtig ist zunächst, dass es sich bei § 2120 nicht nur um Verfügungen handelt, die der Vorerbe über Nachlassgegenstände trifft, um mit dem Erlös Nachlassschulden zu tilgen478, sondern auch um die Fälle der direkt auf Vornahme der Verfügung gerichteten Nachlassverbindlichkeiten479. Dessen ungeachtet greift vorstehende Argumentation nur durch, wenn das Zustimmungserfordernis des § 2120 darauf abzielt, den dort genannten Verfügungen – und damit auch den in Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit vorgenommenen Grundstücksverfügungen – durch Erteilung der Zustimmung des Nacherben überhaupt dingliche Wirksamkeit zu verleihen. Bezieht sich die Norm und die dort reglementierte Einwilligungspflicht dagegen nur auf dem Nacherben gegenüber ohnehin schon dauerhaft wirksame Verfügungen, geht das Argument der Mindermeinung ins Leere. Letzteres ist der Fall, wie Harder in seinem Aufsatz zum Thema „Unentgeltliche Verfügungen und ordnungsmäßige Nachlassverwaltung des Vorerben“ überzeugend nachweist480. Aufgrund einer dezidierten Analyse der Entstehungsgeschichte des § 2120 Satz 1 kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass der Nacherbe nur dann seine Einwilligung in die Verfügung des Vorerben erteilen muss, wenn diese ihm gegenüber wirksam ist und bleibt481. Diese Sichtweise ergebe sich schon nach dem ausschließlichen Sinn und Zweck der Norm: Der Vorerbe soll sich Dritten gegenüber zur Ausräumung von Zweifeln an seiner Verfügungsmacht legitimieren können sowie intern gegen etwaige Ansprüche des Nacherben bei einem späteren Streit über das Bestehen der Nachlassverbindlichkeit und die Erforderlichkeit der Verfügung abgesichert werden482. Die Bestimmung sei daher in ihrer bislang geltenden und interpretierten Fassung misslungen, so dass nach Harder im Wege der Gebotsberichtigung der Satzteil „die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann“ zu streichen ist483. Die Einwilligungspflicht des Nacherben bezieht 478 So aber noch Schlüter, 12. Aufl., § 41 VI 2 a aa, der seine Auffassung mit der Wendung des Gesetzgebers „Berichtigung“ begründet; jedoch abzulehnen, da keine Stütze in den Gesetzesmaterialien: E I § 1823 und E II § 1993 (vgl. Synopse bei Mugdan V, S. XVI) verwenden die Begriffe „Erfüllung“ und „Berichtigung“ gleichbedeutend nebeneinander. 479 Planck/Flad, § 2120 Anm. 1. 480 Harder, DNotZ 1994, 822 ff. 481 Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (834). 482 Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (830) und die dortigen Nachweise in Fn. 46; Schlüter, Rz. 752. Vgl. auch E I § 1828 Abs. 3, auf den in Klammern bei E I 1823, dem Vorläufer des heutigen § 2120, verwiesen wird: „Der Nacherbe ist verpflichtet, die Einwilligung oder Genehmigung zu solchen Verfügungen zu erteilen, welche nach den Vorschriften des 2. Absatzes im Falle der Nacherbfolge nicht unwirksam werden.“ Dazu heißt es in den Motiven: „Ohne eine Verpflichtung des Nacherben … würde er (sc. der Vorerbe) oft seine Verfügungsbefugnis im einzelnen Falle Dritten nicht nachweisen können. Auch wäre er in mißlichster Weise dem ausgesetzt, dass das Vorliegen der seine Verfügung rechtfertigenden Voraussetzungen später vom Nacherben bestritten würde.“ (Motive V, S. 117 = Mugdan V, S. 62). 483 Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (838); a. A. Friederich, S. 94 ff., der die von Harder aufgrund der Entstehungsgeschichte gezogenen Schlussfolgerungen nicht als zwingend ansieht und somit kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers annehmen will.
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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sich demnach ausschließlich auf ihm gegenüber wirksame Verfügungen484 und entfaltet folgerichtig nur deklaratorische Wirkungen, im wesentlichen zu Beweiszwecken bei später gegebenenfalls auftretenden Unklarheiten485. Aufgrund des neuen Normverständnisses kann die Gegenmeinung im Hinblick auf § 2120 Satz 1 nun nicht mehr mit dem Argument gehört werden, der Gesetzgeber wolle die dingliche Wirksamkeit einer Grundstücksverfügung durch den Vorerben in Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit von einer Zustimmung des Nacherben abhängig machen486. Die Bedeutung der Zustimmungspflicht des § 2120 liegt gerade nicht darin, unwirksamen Verfügungen zu dinglicher Wirksamkeit zu verhelfen, sondern beruht auf anderen gesetzgeberischen Motiven. Damit ist diese Verpflichtung aber auch nicht überflüssig, wenn die auf die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit gerichtete Verfügung des Vorerben schon mangels Beeinträchtigung der Nacherbenrechte endgültig dinglich wirksam ist. c) Aus Nachlassverwaltung herrührende Verbindlichkeiten Beruht die ein Grundstück betreffende Eigentumsverschaffungspflicht auf ordnungsmäßiger Nachlassverwaltung487, so votiert Avenarius, der dieser Fallgruppe als einziger Kommentator besondere Aufmerksamkeit widmet, ausnahmsweise für eine Zustimmungspflicht des Nacherben bei deren Erfüllung durch den Vorerben488. Er begründet seine Auffassung damit, die Ordnungsmäßigkeit des Grundgeschäfts reiche hier nicht aus. Insofern schlage die Verfügungsbeschränkung auf die Befugnis, in ordnungsmäßiger Verwaltung nacherbenwirksame Grundstücksverpflichtungen zu begründen, durch. Nach h. M. habe die Regel des § 2120, dass der Vorerbe vom Nacherben die Zustimmung einholen muss, für Grundstücksverfügungspflichten aus Nachlassverwaltung den Rang einer starken, die Kontrollrechte des Nacherben schützenden Norm, die eine streng rechtliche Betrachtungsweise erfordere. Dem kann nicht gefolgt werden. Zutreffende Gründe, auf Grundstücksübertragung gerichtete Nachlassschulden einer gesonderten Betrachtungsweise zu unterziehen, sind nicht ersichtlich. Verpflichtungen aus ordnungsmäßiger Verwaltung des Vorerben sind normale Nachlassverbindlichkeiten489. Vom Eintritt des Nacherbfalls an haftet der Nacherbe für sämtliche Nachlassschulden, auch wenn sie aus Rechtsgeschäften stammen, die der Vorerbe in ordnungsmäßiger Nachlassverwal484
Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (834). Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (839); Schlüter, Rz. 752. Entgegen der in der Vorauflage noch erteilten Zustimmung nunmehr kritisierend: Staudinger/Avenarius, § 2120 Rz. 1, der die Einwilligung gemäß § 2120 als konstitutiv auffasst. 486 Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2113 Rz. 12. 487 Zu denken wäre an den Fall des Verkaufs eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks, wenn anderenfalls das Grundstück enteignet und dabei eine Entschädigung erzielt würde, die wesentlich geringer ist als der bei einem freiwilligen Verkauf zu erzielende Erlös. 488 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 54. 489 RGZ 90, 91 ff. (95). 485
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
tung eingegangen ist490. Das gilt ohne Ansehung des Rechts, das Inhalt der Verbindlichkeit ist. Auch die Erfüllung einer aus sorgfältiger Wirtschaftsführung herrührenden Grundstücksübereignungsverpflichtung durch den Vorerben befreit den Nacherben von einer Nachlassverbindlichkeit, für die er im Ergebnis einzustehen hätte, und stellt daher keine Vereitelung oder Beeinträchtigung seiner Rechte dar. Die Behauptung, die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 1 schlage hier ausnahmsweise auf die Befugnis zur Begründung von Grundstücksverpflichtungen durch, ist systemfremd. Es entspricht einhelliger Auffassung491, der sich die Avenarius an anderer Stelle selbst anschließt492, dass sich § 2113 Abs. 1 nur auf dingliche Verfügungen bezieht, das Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück hingegen unberührt lässt. Auch ist zweifelhaft, ob das ausnahmsweise von Avenarius für den Nacherben geforderte Zustimmungserfordernis im Ergebnis tatsächlich immer in dessen Interesse liegt. So kann sich die aus einer Mitwirkungspflicht zwangsläufig resultierende Erschwerung der Nachlassverwaltung am Ende auch zu Lasten des Nacherben auswirken. Denn es ist davon auszugehen, dass ein Veräußerungsgeschäft über ein wertbeständiges Grundstück nur dann in ordnungsmäßiger Verwaltung erfolgt, wenn drohende, schwerwiegende Gefahren von dem Nachlass abzuwenden sind. Verlangt man dafür zusätzlich die Zustimmung des Nacherben, kann diese Verfahrensweise allein aufgrund der Zeitverzögerung (bspw. bei noch minderjährigen Nacherben) dem Nachlass unnötigen Schaden zufügen. Dieser Argumentationsgang wird bestätigt durch die Überlegungen der Ersten Kommission zu E I § 1823 Abs. 1 (Vorläufer des heutigen § 2120), die der Befugnis des Vorerben zu jeder Verfügung, welche zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist, den Vorrang vor den beschränkenden Vorschriften der E I §§ 1815 – 1822493 einräumen wollten. Die Kommission äußerte sich in diesem Zusammenhang wie folgt494 : „In Ansehung der im Satz 1 des Abs. 1 beispielsweise erwähnten Erfüllung von Verbindlichkeiten, welche der Vorerbe gegenüber dem Nacherben nicht selbst zu tragen hat, kommt besonders in Betracht, dass, wenn zu jeder Verfügung, welche die Liquidation des Nachlasses bezweckt, die Mitwirkung des Nacherben unentbehrlich wäre, die Liquidation in unerträglicher Weise erschwert werden würde und dadurch auch die Gläubiger Nachteile erleiden können.“ Aus dieser von der Zweiten Kommission unwidersprochen gebliebenen495 Begründung folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere die eine Liquidation des Nachlasses 490
RGZ 90, 91 ff. (96 f.); Kipp/Coing, § 52 I 1. BGH NJW 1969, 2043 ff. (2045); MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 8; Palandt/ Weidlich, § 2113 Rz. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 2; Kipp/Coing, § 49 IV 1 b. 492 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 51. 493 Entsprechen, soweit aufgrund der seinerzeitigen Nießbrauchkonstruktion überhaupt vergleichbar, im Wesentlichen den Beschränkungen und Verpflichtungen, denen der Vorerbe heute unterliegt; vgl. Gegenüberstellung bei Mugdan V, S. XII – XVI. 494 Motive V, S. 107/108 = Mugdan V, S. 57. 495 Protokolle V, S. 109 = Mugdan V, S. 577. 491
D. Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten
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bezweckenden Verfügungen, und dabei wird es sich vorzugsweise um Grundstücksverfügungen handeln, bezüglich ihrer endgültigen Wirksamkeit nicht von einer Zustimmung des Nacherben abhängig gemacht werden sollten. Letztlich vermag Avenarius, der in den hier gegenständlichen Fällen der Regel des § 2120 in extensiver Auslegung einen die Kontrollrechte des Nacherben schützenden Charakter beimessen will, mit dieser Sichtweise nicht zu überzeugen. Dadurch würde § 2120 zur Schutzvorschrift für den Nacherben avancieren, was im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers steht. § 2120 ist im Interesse des Vorerben erlassen und will im Wege eines Doppelzwecks den Vorerben Dritten gegenüber legitimieren, sowie ihn nach innen gegen etwaige Ansprüche des Nacherben absichern496. Die Vorschrift räumt dem Vorerben das Recht ein, von dem Nacherben Einwilligung zu verlangen497. Weder verpflichtet sie ihn dazu, noch begründet sie eine Rechtsposition des Nacherben.
IV. Fazit zu D. Verfügt der Vorerbe über Erbschaftsgegenstände zum Zwecke der Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit, fließt das Entgelt, die Befreiung von der Verbindlichkeit, in den Nachlass, so dass regelmäßig eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliche Verfügung gegeben ist. Dies trifft ausnahmsweise dann nicht zu, wenn der Vorerbe trotz eines bestehenden Leistungsverweigerungsrechts erfüllt; eine solche Maßnahme ist als unentgeltlich im Sinne vorstehender Bestimmung zu qualifizieren. Beinhaltet die Verpflichtung die Verfügung über ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht, ist der Vorerbe entweder schon als insofern von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 befreit anzusehen oder es fehlt an einer Vereitelung bzw. Beeinträchtigung des Nacherbenrechts. Somit ist, von der vorgenannten Ausnahme abgesehen, jede zur unmittelbaren Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit vorgenommene Verfügung des befreiten wie des nicht befreiten Vorerben dauerhaft, d. h. über den Eintritt der Nacherbfolge hinaus498, dinglich wirksam.
496
Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (830). Avenarius selbst spricht nur von einem schuldrechtlichen Anspruch des Vorerben: Staudinger/Avenarius, § 2120 Rz. 1. 498 Bis zum Eintritt der Nacherbfolge ist die Verfügung über einen Nachlassgegenstand ohnehin wirksam; BGH NJW 1969, 2043 ff. (2045); Harder/Kroppenberg, Rz. 439; v. Lübtow, S. 896. 497
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4. Kap.: Die Anwendung des Lösungsmodells auf einzelne Sonderfälle
E. Die Zahlung von Erbschaftssteuer durch den Vorerben Gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe erbschaftssteuerlich als Vollerbe des Erblassers mit der Konsequenz, dass er für den Erwerb der Vorerbschaft in vollem Umfang steuerlich einzustehen hat. Auch hier ist zu fragen, wie es sich mit der Entgeltlichkeit einer Verfügung verhält, die der Vorerbe über Erbschaftsgelder zur Erfüllung einer solchen Steuerschuld trifft. Für die Beantwortung dieser Frage ist von Relevanz, welchem Typus von Verbindlichkeiten – Nachlass- oder Eigenschuld – die Erbschaftssteuer zuzuordnen ist. Bei „normaler“ Erbfolge ist die rechtliche Einordnung der aus dem Erbfall geschuldeten Erbschaftssteuer in diesem Punkt umstritten. Die in der Literatur wohl vorherrschende Auffassung geht von einer Nachlassverbindlichkeit in Gestalt der Erbfallschuld aus499. Die gegenteilige Ansicht lehnt eine Klassifizierung als Nachlassschuld ab und will in der Erbschaftssteuer eine Eigenverbindlichkeit des Erben sehen500. Der Meinungsstreit bedarf einer Entscheidung, da die Entgeltlichkeit einer Verfügung zur Schuldentilgung nach den hier bislang gewonnenen Erkenntnissen jedenfalls für den nicht befreiten Vorerben maßgeblich davon abhängt, ob es sich um eine Nachlass- oder eine Eigenverbindlichkeit handelt. Ein näheres Eingehen auf die Argumente der beiden generell für Erbschaftssteuerschulden vertretenen Auffassungen ist dazu allerdings nicht erforderlich, weil der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 4 ErbStG eine Sonderregelung für das Recht der Vorund Nacherbfolge vorgesehen hat: „Der Vorerbe hat die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten“. Die Vorschrift darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Haftung des Vorerben für die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer eingeschränkt ist501. Vielmehr haftet der Vorerbe auch persönlich als Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG502. § 20 Abs. 4 ErbStG ist folglich keine rein steuerrechtliche Norm, sondern hat bürgerlichrechtlichen Bezug503. Es soll klargestellt werden, dass der Vorerbe die Steuer zu Lasten der Nachlasssubstanz aus dem Vermögen der Vorerbschaft entnehmen darf504. Da dem Gesetz eine Differenzierung zwischen den beiden Formen der Vorerbschaft nicht zu entnehmen ist, gilt diese Befugnis für den befreiten wie den nicht befreiten Vorerben gleichermaßen.
499 Erman/W. Schlüter, § 1967 Rz. 6; Palandt/Weidlich, § 1967 Rz. 7; Soergel/Stein, § 1967 Rz. 7; Troll/Gebel, § 20 Rz. 50; Lange/Kuchinke, § 47 III 2 b; Leipold, Rz. 702. 500 OLG Hamm OLGZ 90, 393 ff. (395); RGRK/Johannsen, § 1967 Rz. 16. 501 Petzoldt, § 20 Rz. 19; Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 34. 502 Troll/Gebel, § 20 Rz. 55. 503 BFH BStBl II 1972, 462 ff. (464). 504 Petzold, § 20 Rz. 19; Troll/Gebel, § 20 Rz. 55.
E. Die Zahlung von Erbschaftssteuer durch den Vorerben
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Eine Vorschrift wie § 20 Abs. 4 ErbStG macht allerdings nur dann Sinn, wenn die Verfügung zivilrechtlich dauerhaft wirksam bleibt. Vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung wäre es wenig einleuchtend, dem Vorerben spezialgesetzlich eine Maßnahme auf Kosten der Vorerbschaft nicht nur zu gestatten, sondern bei konsequenter Wortlautinterpretation gleichsam vorzuschreiben, diese aber zugleich aus bürgerlich rechtlicher Sicht als unentgeltliche Handlung anzusehen. Aus diesem Grunde ist die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer als Nachlassverbindlichkeit zu qualifizieren. Nur diese kann auch der nicht befreite Vorerbe wirksam entgeltlich zu Lasten des Nachlasses begleichen505. Bewertete man die Erbschaftssteuer als Eigenverbindlichkeit, führte das zu jener widersinnigen Konsequenz, dass der nicht befreite Vorerbe zwar nach § 20 Abs. 4 ErbStG die Steuer aus Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten hat, diese zum Zwecke der Tilgung einer Eigenverbindlichkeit vorgenommene Maßnahme aber gleichzeitig eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung bedeuten würde, verbunden mit den daraus resultierenden Ansprüchen des Nacherben.
505
Siehe oben S. 137.
5. Kapitel
Die Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge Das Gesetz nimmt die während der Herrschaftszeit des Vorerben erforderliche Nacherbensicherung im Wesentlichen auf zwei Rechtsebenen vor, die zu qualitativ unterschiedlichen Ansprüchen des Nacherben führen: Zum einen enthält es Vorschriften, die ausschließlich das Innenverhältnis der beiden Parteien betreffen. Dem Vorerben werden hier Rechtspflichten gegenüber dem Nacherben auferlegt (bspw. §§ 2116, 2130, 2134). Aus diesen Regelungen können dem Nacherben schuldrechtliche Ansprüche gegen den Vorerben erwachsen. Wird der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls durch den Tod des Vorerben bestimmt, was in der Rechtspraxis der Regelfall sein dürfte506, richten sich die Ansprüche des Nacherben gegen den oder die Gesamtrechtsnachfolger des Vorerben507. Andererseits sind Bestimmungen vorgesehen, die durch Beschränkungen der Verfügungsmacht des Vorerben das Außenverhältnis gegenüber Dritten auf dinglicher Ebene regeln und so zu Ansprüchen des Nacherben gegen den Leistungsempfänger führen können. Die sowohl meist diskutierte als auch maßgeblichste dieser Schutzbestimmungen, § 2113 Abs. 2508, war bislang zentraler Untersuchungsgegenstand. Bei der nun folgenden Untersuchung erscheint es erneut sinnvoll, zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft zu differenzieren.
506
Vgl. § 2106 Abs. 1 und Pyszka, S. 1, Fn. 1. Der Nacherbe als solcher beerbt den Erblasser, nicht aber den Vorerben. Auf wen dessen (Eigen-)Vermögen übergeht, ist eine andere Frage; es handelt sich dabei um einen weiteren, von der Nacherbfolge strikt zu trennenden Erbvorgang (Harder/Kroppenberg, Rz. 449). Sofern nachfolgend von den Ansprüchen gegen den Vorerben gesprochen wird, sind damit auch die Ansprüche gegen die Erben des Vorerben gemeint. Freilich erlischt diese Forderung sogleich (Konfusion), wenn – was sicher häufig der Fall sein wird (Weirich, Rz. 714) – der Nacherbe zugleich auch Erbe des Vorerben ist. 508 Beck spricht auf Seite 2 seiner Abhandlung von dem „berühmten“ § 2113 Abs. 2. 507
A. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des befreiten Vorerben
153
A. Die Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des befreiten Vorerben über Nachlassgegenstände zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten I. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben 1. Anspruchsgrundlage § 2138 Abs. 2 Gemäß § 2138 Abs. 2, von dem keine Befreiung erteilt werden kann509, ist auch der umfassend befreite Vorerbe bei einer Verfügung zuwider der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 oder bei absichtlicher Verminderung der Erbschaft zum Nachteil des Nacherben diesem gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Geregelt wird, unter welchen Voraussetzungen der Nacherbe den befreiten510 Vorerben mit Eintritt des Nacherbfalls511 für eine Verminderung des Erbschaftsvermögens haftungsrechtlich zur Verantwortung ziehen kann. Da nach dem Ergebnis der hier durchgeführten Untersuchung eine zum Zwecke der Tilgung privater Schulden vorgenommene Verfügung des befreiten Vorerben regelmäßig entgeltlich ist512, liegt kein Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 vor, so dass sich ein Anspruch des Nacherben allenfalls auf die zweite Tatbestandsalternative von § 2138 Abs. 2 stützen kann513. Der zweite Halbsatz von § 2138 Abs. 2 beruht auf dem Gedanken, dass die Verfügungsfreiheit des Vorerben nicht zum Zwecke absichtlicher Schädigung des Nacherben missbraucht werden darf514. Die Haftungsnorm entspricht dem allgemeinen Grundsatz des § 826, da ein solches Verhalten des Vorerben den guten Sitten widersprechen würde515. Nach überwiegender Auffassung genügt es dafür nicht, wenn objektiv eine Benachteiligung des Nacherben gegeben ist und der Vorerbe diese erkennt. Vielmehr sei eine auf Schädigung des Nacherben gerichtete Absicht
509
Argumentum e contrario aus § 2136. Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht kann der Erblasser den Vorerben zwar von der Regresspflicht aus § 2138 Abs. 2 nicht befreien, aber dadurch freistellen, dass er durch besonderes Vermächtnis den Nacherben verpflichtet, den Vorerben von dem Anspruch zu befreien. Das soll aber nicht für die hier in Betracht kommende Arglisthaftung gelten. Vgl. NK-BGB/Gierl, § 2138 Rz. 18; Palandt/Weidlich, § 2138 Rz. 3 u. 4; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 13 u. 14; Kipp/Coing, § 51 III 1 b. 510 § 2138 bestimmt ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen Nacherben und befreitem Vorerben, vgl. MünchKomm/Grunsky, § 2138 Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 2138 Rz. 2; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 1. 511 Es entspricht allgemeiner Meinung, dass der Schadensersatzanspruch des § 2138 Abs. 2 erst mit dem Nacherbfall entsteht; vgl. MünchKomm/Grunsky, § 2138 Rz. 6 m. w. N. 512 Siehe oben S. 117. 513 A. A. Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 4, der, da in der Zahlung eigener Schulden eine unentgeltliche Verfügung sehend, in sich konsequent einen Anspruch schon nach der ersten Alternative von § 2138 Abs. 2 bejaht. 514 Planck/Flad, § 2138 Anm. 4. 515 Planck/Flad, § 2138 Anm. 4; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 14.
154
5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
des Vorerben erforderlich516. Diese gehe über ein vorsätzliches Handeln, das allein den Tatbestand nicht erfüllt, hinaus517. Auch wenn der Gesetzeswortlaut für eine solche Erforschung der subjektiven Einstellung des Vorerben, mit der er die Vermögensminderung vornimmt, spricht, führt ein derart enger Absichtsbegriff im Hinblick auf den Nacherbenschutz zu keinen sachgerechten Ergebnissen, er liefe in der Rechtspraxis leer518. Abgesehen von den Beweisschwierigkeiten, die sich für den Nacherben ergäben, müsste er eine solche innere Motivation im Nachhinein aufklären, wird der Vorerbe kaum je allein mit dem Ziel, dem Nacherben Schaden zuzufügen, tätig werden, sondern immer noch zusätzliche Beweggründe für sein Handeln haben519. Die Folge wäre, dass die zweite Alternative von § 2138 Abs. 2 Satz 2 so gut wie nie eingreifen würde. Zur Wahrung der Interessen des Vorerben ist eine lebensnahe und dem Schutzzweck der Norm entsprechende Auslegung des Absichtsbegriffs geboten520. Das für ein enges Absichtsverständnis angeführte Argument, ansonsten würde die Befreiungswirkung des § 2136 quasi durch die Hintertür zunichte gemacht werden521, verkennt, dass der Gesetzgeber § 2138 Abs. 2 bewusst aus der Befreiungsdisposition des Erblassers herausgenommen hat. Außerdem würde dies zu einer Haftungsmilderung für den befreiten Vorerben gerade mit dem Argument der Befreiung führen, was widersinnig ist, da § 2138 Abs. 2 ohnehin nur auf den befreiten Vorerben Anwendung findet. Richtig ist zwar, dass der Wille des Erblassers bei angeordneter Befreiung dahin geht, dem Vorerben auch solche Verfügungen zu gestatten, die zu Einbußen für den Nachlass führen. Das bedeutet aber nicht, dass diesem grundsätzlich freien Verfügungsrecht keine Grenzen gezogen werden dürfen. Eine Begrenzung in einem Maße, das dazu führt, dass jenseits der Grenze in der Rechtswirklichkeit so gut wie keine Fallgestaltung mehr denkbar oder jedenfalls nicht prozessual durchsetzbar ist, wäre jedoch sinnentleert. Der Begriff der Benachteiligungsabsicht ist demnach unter Berücksichtigung des Normzwecks auszulegen. Dazu kann auf die von der Rechtsprechung zu den §§ 2287, 2288 entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. In seiner Entscheidung zum Absichtsbegriff bei § 2287522 vom 05. 07. 1972 führt der BGH523 u. a. grundlegend aus: „Die Auslegung muß dem Zweck der Vorschrift, den Vertragserben gegen den Mißbrauch des in § 2286 BGB gewährten Rechtes zu schützen, gerecht werden. … Die Anwendung darf nach Ansicht des Senats im besonderen nicht davon 516
Burandt/Rojahn/Lang, § 2138 Rz. 11; MünchKomm/Grunsky, § 2138 Rz. 5; NK-BGB/ Gierl, § 2138 Rz. 13. 517 RGRK/Johannsen, § 2138 Rz. 10; Soergel/Harder/Wegmann, § 2138 Rz. 4; Kretzschmar, S. 142 in Fn. 6. 518 Zu § 2287: BGH NJW 1973, 240 ff. (241). 519 Zu § 2287: MünchKomm/Musielak, § 2287 Rz. 11. 520 Zu § 2287: BGH NJW 1973, 240 ff. (241). 521 NK-BGB/Gierl, § 2138 Rz. 13. 522 Die Voraussetzungen an die Beeinträchtigungsabsicht ist bei § 2288 grundsätzlich wie in § 2287 zu verstehen, NK-BGB/Gierl, § 2288 Rz. 15. 523 BGH NJW 1973, 240 ff. (241).
A. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des befreiten Vorerben
155
abhängig sein, ob die Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, oder die Absicht, den Vertragserben zu benachteiligen, die überwiegende Motivationskraft hat.“ Daran hat der BGH später in ständiger Rechtsprechung festgehalten524. Damit wurde für § 2287 das Tatbestandsmerkmal der Benachteiligungsabsicht faktisch aufgegeben und durch eine Missbrauchsprüfung ersetzt525. Auf § 2138 Abs. 2 übertragen bedeutet dies, dass für eine Benachteiligungsabsicht auf subjektiver Ebene die Kenntnis des Vorerben von der nachlassschädigenden Wirkung seines Tuns genügt, und dieser weite Absichtsbegriff dann über eine zusätzliche Missbrauchsprüfung korrigiert wird. Demnach handelt der befreite Vorerbe in Benachteiligungsabsicht, wenn er die durch sein Handeln bewirkte Beeinträchtigung des Nacherben erkennt und seine Handlungsweise sich als Missbrauch der ihm vom Erblasser eingeräumten Befugnisse darstellt526. Der Vorerbe soll damit, wie jeder Rechtsinhaber, für den Missbrauch seiner Rechtsstellung verantwortlich sein527. Hat sich die Erforschung und der Nachweis der subjektiven Einstellung des Vorerben, seines Handlungsmotivs, damit weitgehend relativiert, so liegt jetzt die Schwierigkeit vorzugsweise in der Grenzziehung, bis zu welchem Punkt der befreite Vorerbe noch von dem ihm zustehenden Recht, Erbschaftsgegenstände ersatzlos für sich zu verwenden, angemessen Gebrauch macht und ab wann er diese Grenze überschreitet, d. h. seine Rechtsmacht missbraucht. Zutreffend weist Avenarius auf die praktische Relevanz dieser Frage hin528 ; für die hier interessierende Fallgruppe der Entschuldung des eigenen Vermögens aus Nachlassmitteln wird sodann der Missbrauchstatbestand bejaht529. Dem kann in dieser generellen Form nicht gefolgt werden. Selbst Flad, von dem Avenarius seine Auffassung augenscheinlich ableitet, lässt bei seinen Ausführungen im Planck’schen Kommentar eine Einschränkung erkennen, indem konzediert wird, dass es mit den Intentionen eines Erblassers, der einen befreiten Vorerben einsetzt, in der Regel vereinbar sein wird, wenn dieser seine wirtschaftliche Lage durch Zahlung drückender Eigenverbindlichkeiten aus den Mitteln der Erbschaft verbessert530. Ausführungen dazu, wann eine eigene Schuld als „drückend“ anzusehen ist, lässt die Kommentierung indes vermissen, so dass auch dadurch lediglich ein neuer, unbestimmter Rechtsbegriff geschaffen würde, was zur Lösungsfindung wenig dienlich ist. Sicher ist, dass eine präzise Grenzziehung zwischen denjenigen Verfügungen, die einen Anspruch aus § 2138 Abs. 2 Alt. 2 auslösen, und den Fallgestaltungen, bei denen der befreite Vorerbe rechtmäßig von seiner ihm eingeräumten Befugnis, die Nachlasssubstanz für sich zu verwenden, Gebrauch macht, kaum zu finden sein wird. 524 525 526 527 528 529 530
BGH NJW 1984, 121 f. (122) m. w. N. NK-BGB/Seiler, § 2287 Rz. 39. Johannsen, WM 1979, 605 f. (606). Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 14. Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 16. Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 16, unter Hinweis auf Planck/Flad, § 2138 Anm. 4. Planck/Flad, § 2138 Anm. 4.
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
Die Grenze verläuft dort, wo der Vorerbe seine Rechtsmacht zum Nachteil des Nacherben missbraucht. Der BGH, dem auch insoweit zu folgen ist, hat in seiner Rechtsprechung zu § 2287 auf die Entwicklung objektiver Kriterien abgestellt und dabei dasjenige des lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers an der Vermögensdisposition entwickelt531. Auch für § 2138 Abs. 2 bietet es sich daher an, die Abgrenzung zwischen Missbrauch einerseits und den vom Nacherben noch hinzunehmenden Fällen andererseits an Merkmalen vorzunehmen, die nach objektiven Kriterien zu ermitteln sind. Ein solches Merkmal kann die „bisherige Lebensführung“ des Vorerben sein. Daraus lässt sich folgende Formel ableiten: Der Vorerbe handelt regelmäßig dann missbräuchlich und somit in Benachteiligungsabsicht gemäß § 2138 Abs. 2, wenn er durch den Eigenverbrauch der Nachlassmittel von seiner bisherigen Lebensführung erkennbar – beurteilt vom Standpunkt eines objektiven Dritten – abweicht oder dieser Vorgang im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine solche Entscheidung zurückzuführen ist. Wichtigstes Indiz dabei ist die Änderung der Lebensführung über die eigenen Verhältnisse hinaus532. Das Merkmal der „bisherigen Lebensführung“ als objektives Abgrenzungskriterium ist nicht nur sach-, sondern auch interessengerecht. Es verschafft dem die Vorund Nacherbfolge dominierenden Erblasserwillen hinreichend Geltung, da regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Erblasser in der Kenntnis um die Lebensweise des Vorerben dessen Befreiung verfügt hat. Das so für den befreiten Vorerben geschaffene Privileg der Fortsetzung seines bisherigen Lebens – auch zu Lasten der Nachlasssubstanz – rechtfertigt sich in dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, den ihm in seiner Lebensart möglicherweise als sorglos bekannten Vorerben nicht mit einer strengeren Lebensführung beschränken zu wollen, andernfalls er nicht von der Möglichkeit der umfassenden Freistellung Gebrauch gemacht hätte. Gleichzeitig werden damit die Interessen des Vorerben, der sich – orientiert an der Vergangenheit – nicht einschränken muss, genügend gewahrt. Auch die Belange des Nacherben finden bei dieser Lösung angemessen Berücksichtigung. Jener muss grundsätzlich die ersatzlose Verwendung der Nachlasssubstanz durch den befreiten Vorerben hinnehmen und soll nur dann Schadensersatz verlangen können, wenn der Vorerbe die Tatsache des Erhalts der Erbschaft und sein Verbrauchsrecht im Bewusstsein der nachlassschädigenden Wirkung dazu ausnutzt, Verfügungen zu treffen, die er sich ohne den Erbschaftsanfall entweder nur mit Einschränkungen in anderen Lebensbereichen hätte leisten können oder die er hätte unterlassen müssen, wenn nur sein eigenes Vermögen davon betroffen worden wäre. Unter Zugrundelegung des vorstehenden Abgrenzungskriteriums wird die Zahlung einer hohen Geldstrafe aus Nachlassmitteln für den in der Vergangenheit stets gesetzestreuen Vorerben, der in Anbetracht der Erbschaft plötzlich einem leicht531
BGH NJW 1984, 121 f. (122) m. w. N. Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 16, sieht die Verwendung von Nachlassmitteln für eine „verschwenderische Lebensführung, die den Verhältnissen des Vor- oder Nacherben nicht entspricht“ unter Umständen als missbräuchlich an. Ebenso: Palandt/Weidlich, § 2138 Rz. 4. 532
A. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des befreiten Vorerben
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sinnigen Lebenswandel verfällt, regelmäßig den Missbrauchstatbestand erfüllen, mit der Folge, dass der Vorerbe im Zeitpunkt des Nacherbfalls dem Nacherben zum Schadensersatz für diese – entgeltliche! – Verfügung verpflichtet ist. Etwas anderes gilt, wenn der Vorerbe aus Erbschaftsmitteln seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nachkommt, es sei denn, er einigt sich in Ansehung der erhaltenen Erbschaft mit dem Unterhaltsgläubiger auf die Zahlung eines einmaligen Abfindungsbetrages und vergrößert durch Ablösung dieser dauerhaften finanziellen Belastung ohne zwingende Not sein Eigenvermögen auf Kosten des Nachlasses533. Hat der Vorerbe angesichts des unerwarteten Vermögenszuwachses risikoreiche Spekulationsgeschäfte vorgenommen, und wird er dann zur Zahlung von Steuern oder zum Verlustausgleich herangezogen, handelt er missbräuchlich, wenn er diese privaten Schulden aus Nachlassmitteln begleicht534. Anders verhält es sich bei Zahlung der turnusmäßigen Einkommenssteuer oder vergleichbarer, dem Grunde nach jedermann treffenden Steuern. Schwieriger verhält es sich in den Fällen der Verwendung von Erbschaftsmitteln für die tägliche Lebensführung. Handelt der Vorerbe, der nach Erhalt der Erbschaft sein Leben genießt und, im Gegensatz zu früher, nun jeden Abend teure Restaurants aufsucht, rechtsmissbräuchlich, wenn er Essen und Getränke mit Erbschaftsgeld zahlt? Wohl ja, denn er erkennt die durch sein Handeln bewirkte Beeinträchtigung des Nacherben und sein neuer Lebensstil weicht erkennbar von dem früheren ab. Wie verhält es sich bei einem Erben, der nach Anfall der Vorerbschaft diese dazu verwendet, den schon zu Lebzeiten des Erblassers begonnenen Bau seines (des Vorerben) Eigenheims fertigzustellen? Diese Handlung dürfte nicht zu beanstanden sein, es sei denn, der Vorerbe weicht erheblich von der ursprünglichen Planung ab und nutzt die Chance der erhaltenen Erbschaft zu einem Luxusbau, der über seine bisherigen eigenen Verhältnisse hinausgeht. Bei alledem wird nicht verkannt, dass auch das hier vorgeschlagene Abgrenzungskriterium allenfalls eine annähernde Objektivierung der Definition einer Missbrauchsgrenze darstellen kann und weiterhin die Besonderheiten des Einzelfalls eine bedeutsame Rolle spielen werden. Dies mag dem verständlichen Wunsch nach bestmöglicher Kalkulierbarkeit der Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns zuwiderlaufen und daher als unbefriedigend empfunden werden, liegt aber in der Natur der Sache, wenn der Gesetzgeber die Erfüllung eines Tatbestandes an einen von subjektiven Momenten beherrschten Rechtsbegriff wie den der „Benachteiligungsabsicht“ knüpft. Gleichzeitig dokumentiert sich darin der hohe Bedeutungsgehalt der Vorschrift des § 2113 Abs. 2. Neben den unmittelbaren Rechtsfolgen bestimmt der Geltungsbereich dieses Verfügungsverbotes über die erste Alternative von § 2138 Abs. 2 wesentlich eindeutiger als die Absichtsvariante den Umfang der haftungs533 So auch Planck/Flad, § 2138 Anm. 4; ähnlich Kretzschmar, Sächs. Archiv f. Rechtspflege 1911, 337 ff. (340). 534 Ähnlich Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 16 und Palandt/Weidlich, § 2138 Rz. 4, für die Finanzierung grob leichtsinniger, mit eigenen Mitteln nicht gewagter Wirtschaftsentscheidungen des Vorerben.
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
rechtlichen Einstandspflicht des befreiten Vorerben. Die hier vorgenommene Auslegung des Unentgeltlichkeitsbegriffs entscheidet somit auch maßgeblich darüber, ob der befreite Vorerbe dem Nacherben ersatzpflichtig ist oder nicht. 2. Anspruchsgrundlage § 826 Dem Nacherben steht weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch gegen den Vorerben aus § 826 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung seines Anwartschaftsrechtes zu. Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit der Vorschrift neben § 2138 Abs. 2 bestehen nicht535. Im Gegensatz zu § 2138 Abs. 2 erfordert § 826 keine Absicht des Handelnden, sondern lässt Vorsatz, sogar in bedingter Form, genügen536. Die scheinbar damit verbundene Erweiterung der Haftung des Vorerben ist jedoch nur theoretischer Natur. Praktisch ergibt sich die Sittenwidrigkeit, die bei § 826 neben der subjektiven Komponente getrennt festzustellen ist537, typischerweise aus dem in § 2138 Abs. 2 Alt. 2 beschriebenen Vorgehen des Vorerben. Denn eine in Benachteiligungsabsicht vorgenommene Verminderung der Erbschaftssubstanz widerspricht den guten Sitten. In der Praxis wird daher § 826 als Anspruchsgrundlage neben dem regelmäßig daneben einschlägigen § 2138 Abs. 2 eher in den Hintergrund treten.
II. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Leistungsempfänger Ansprüche gegen den Empfänger der Leistung können dinglicher, bereicherungsrechtlicher oder deliktischer Natur sein. Die beiden erstgenannten Anspruchsgrundlagen scheiden grundsätzlich aus, da es sich bei den Geschäften des befreiten Vorerben zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten – soweit es nicht um ein freigebiges Handeln geht538 – um entgeltliche Verfügungen handelt, für die zugleich aufgrund der zu tilgenden Verbindlichkeit ein entsprechender Rechtsgrund besteht; der Verfügungsempfänger wird dauerhaft wirksamer Eigentümer des erworbenen Nachlassgegenstandes oder Inhaber der ihm abgetretenen Nachlassforderung. In der Theorie ist ein Schadensersatzanspruch des Nacherben gegen den Zuwendungsempfänger aus § 826 denkbar, nämlich dann, wenn der Tatbestand einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung des Nacherben erfüllt ist und der Vertragspartner dabei mit dem Vorerben kollusiv zusammengewirkt hat. Bedenkt man 535
RGRK/Johannsen, § 2138 Rz. 10; Staudinger/Avenarius, § 2138 Rz. 14 u. 17. Palandt/Sprau, § 826 Rz. 11. 537 Palandt/Sprau, § 826 Rz. 10. 538 Unentgeltlichkeit ist – wie gezeigt (oben S. 88 ff.) – lediglich bei freigebigem Handeln des befreiten Vorerben zu bejahen. Dann hat der Nacherbe weitere Ansprüche gegen den Leistungsempfänger wie anschließend unter B für den Fall des nicht befreiten Vorerben dargestellt. 536
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
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jedoch, dass der Nacherbe die Beweislast für sämtliche dieser Voraussetzungen trägt, wird ein solcher Anspruch eher der Ausnahmefall sein, zumal die Vorerbschaft nicht selten über Jahre andauert.
B. Die Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben über Nachlassgegenstände zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten I. Die Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben 1. Anspruchsgrundlage § 2134 Satz 1 Gemäß § 2134 Satz 1 ist der Vorerbe nach dem Eintritt der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wertersatzpflichtig, wenn er einen Erbschaftsgegenstand für sich verwendet hat. Die Vorschrift greift nur ein, soweit ein Surrogat für den verbrauchten Erbschaftsgegenstand nicht vorhanden ist539 ; von daher ist § 2134 insbesondere gegenüber § 2111 subsidiär540. Die Tilgung eigener Schulden des Vorerben mit Nachlassgeldern oder sonstigen Erbschaftsgegenständen wird allgemein als typische Fallgruppe von § 2134 Satz 1 angesehen541; denn macht sich der Vorerbe Mittel des Nachlasses wirtschaftlich in der Weise zu Nutze, dass er sich ihres Wertes zum Zwecke der Tilgung eigener Verbindlichkeiten entäußert, liegt der offensichtliche Fall eines Fürsichverwendens vor542. Der Wertersatzanspruch nach § 2134 Satz 1 ist verschuldensunabhängig543 und steht dem Nacherben erst nach dem Eintritt der Nacherbfolge zu. Er richtet sich auf Ersatz des Wertes des verbrauchten Erbschaftsgegenstandes. Maßgeblich ist dabei der Wert zur Zeit der Verwendung544; denn dieser Zeitpunkt wäre auch für die Höhe der Gegenleistung entscheidend gewesen, die gemäß § 2111 als Surrogat Bestandteil der Erbschaft geworden wäre545. Durch Satz 2 von § 2134 stellt das Gesetz klar, dass eine weitergehende Haftung auf Schadensersatz unberührt bleibt, sofern den Vorerben ein Verschulden trifft546. Diese Haftung richtet sich auf eine schuldhaft vorgenommene Verwendung von 539
MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 2; Planck/Flad, § 2134 Anm. 1; Soergel/Harder/ Wegmann, § 2134 Rz. 1. 540 BGH NJW 1963, 2320 ff. (2322). 541 Hothorn, S. 90; Planck/Flad, § 2134 Anm. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 2; Beispiel bei v. Lübtow, S. 911. 542 Hothorn, S. 90. 543 MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 1. 544 Planck/Flad, § 2134 Anm. 2; Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 3; Staudinger/ Avenarius, § 2134 Rz. 4. 545 Soergel/Harder/Wegmann, § 2134 Rz. 3. 546 MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 5.
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
Erbschaftsgegenständen und ist nach den §§ 2130, 280, 249 ff. in Verbindung mit den §§ 2131, 277 zu beurteilen547. Dazu der folgende Gliederungspunkt. 2. Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, 2130 i. V. m. §§ 2131, 277 Der nicht befreite Vorerbe ist nach dem Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt (§ 2130 Abs. 1 Satz 1). Kann der Vorerbe seine so definierte Herausgabeverpflichtung nicht erfüllen, weil er den Nachlass nicht ordnungsgemäß verwaltet hat und das Gesamtergebnis seiner Verwaltungstätigkeit demgemäß hinter dem von § 2130 geforderten Standard zurückbleibt, tritt an die Stelle des Herausgabe- ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1548. § 2130 erfüllt damit eine Doppelfunktion als Herausgabeanspruch und Haftungsmaßstab549. Letzterer ist im Zusammenhang mit § 2131 zu sehen. Der Vorerbe haftet hinsichtlich seiner Verwaltungspflicht nur für diligentia quam in suis rebus. Fällt ihm also nur einfache Fahrlässigkeit zur Last (§ 277), so kann er sich von der Haftung durch den Nachweis freizeichnen, dass er sein eigenes Vermögen nicht sorgfältiger zu verwalten pflegte550. Der Anspruch lässt sich grundsätzlich nicht auf einzelne Verwaltungshandlungen stützen. Es entscheidet vielmehr das Gesamtergebnis der Nachlassverwaltung551. Damit ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass sich einzelne erhebliche Verwaltungsentscheidungen im Gesamtergebnis unmittelbar als schadensersatzpflichtige Tatbestände niederschlagen552 : Begleicht der nicht befreite Vorerbe private Schulden aus Mitteln der Erbschaft, ist diese konkrete Handlung stets als nicht ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses anzusehen; denn es liegt ein Akt ausschließlich eigennütziger Verwendung von Nachlassmitteln vor553. Im Nacherbfall hat der Vorerbe dem Nacherben den objektiven Wert des verwendeten Gegenstandes im Zeitpunkt seiner Verwendung entweder nach § 2134 Satz 1, insoweit ohne Rücksicht auf Verschulden, oder daneben verschuldensabhängig aus §§ 280 Abs. 1, 2130, 2131, 277 zu ersetzen. Praktische Relevanz erlangt der Schadensersatzanspruch daher nur dann, wenn durch den Verbrauch der Schaden höher ist als der Wert des verwendeten Erbschaftsgegenstandes. Wird beispielsweise eine Sachgesamtheit durch Verwendung einzelner Gegenstände über deren Einzelwert hinaus geschädigt 547
Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 5. Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2130 Rz. 5; Erman/M. Schmidt, § 2130 Rz. 4; MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 6; Soergel/Harder/Wegmann, § 2130 Rz. 4; Schlüter, Rz. 798. 549 MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 1; Soergel/Harder/Wegmann, § 2130 Rz. 1. 550 Soergel/Harder/Wegmann, § 2130 Rz. 3; Kipp/Coing, § 50 III 2 b. 551 Erman/M. Schmidt, § 2130 Rz. 4; MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 6; Soergel/Harder/Wegmann, § 2130 Rz. 1. 552 Staudinger/Avenarius, § 2130 Rz. 3. 553 Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2134 Rz. 1. 548
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
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oder ist bei dem weggegebenen Nachlassgegenstand inzwischen eine Wertsteigerung eingetreten, kann der Nacherbe im Verschuldensfalle des Vorerben diesen Schaden als selbständigen Ersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 2130 geltend machen554. Soweit es dem Vorerben möglich ist, hat er nicht nur Wertersatz in Geld, sondern Naturalrestitution zu leisten555. Hat sich der Vorerbe zu Lasten des gebundenen Vermögens einer persönlichen Verbindlichkeit entledigt, besteht die Pflichtverletzung des Vorerben nicht darin, dass ein bestimmter Vermögensgegenstand aus der Erbschaft ausgeschieden ist, sondern allein darin, dass der Erbschaft kein adäquater Gegenwert zugeflossen ist. In derartigen Fällen geht der Anspruch des Nacherben, der dadurch einen reinen Wertschaden erlitten hat, nur auf Geldersatz556 (als Fall von § 249 Satz 1). Eine Erleichterung der Haftung nach § 2131 kommt hier nicht in Betracht. Denn diese, die objektiven Anforderungen an die allgemeine Nachlassverwaltung einschränkende subjektive Komponente bezieht sich nur auf die allgemeine Pflicht des Vorerben zur ordnungsmäßigen Verwaltung der Erbschaft und gilt daher von vornherein dort nicht, wo dem Vorerben konkrete Einzelpflichten von Gesetzes wegen obliegen557. So ist u. a. die Pflicht zu prüfen, ob eine Maßnahme nach § 2113 Abs. 2 entgeltlich ist, als besondere gesetzliche Verwaltungspflicht der Haftungsmilderung nicht zugänglich558. Erfüllt der nicht befreite Vorerbe eine Eigenschuld unter Verwendung von Nachlassmitteln, hat er der Vorschrift des § 2113 Abs. 2 zuwider über einen Nachlassgegenstand verfügt, und damit seiner besonderen Verwaltungspflicht nicht genügt. Daher verbleibt es bei der Haftung auch für einfache Fahrlässigkeit. Wie bereits gezeigt559, ist der Grundsatz dinglicher Surrogation wertunabhängig, greift somit auch dann in vollem Umfang ein, wenn der Ersatzgegenstand im Vergleich zu dem aufgegebenen Nachlassobjekt höherwertig ist. Es ist daher durchaus denkbar, dass das Nachlassvermögen aufgrund geschickter, den Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung möglicherweise sogar übersteigenden Handlung des Vorerben am Ende erheblich wertgesteigert ist. Daraus kann der Vorerbe jedoch keine Rechte ableiten. Seine Herausgabepflicht umfasst vom Umfang her alle im Nacherbfall zur Erbschaft gehörenden Gegenstände einschließlich der Surrogate nach § 2111560. Etwaige Gegenansprüche des Vorerben sind in den §§ 2124, 2125 abschließend geregelt. Verwaltet der Vorerbe den Nachlass besonders erfolgreich, rechtfertigt er damit nur das von dem Erblasser in ihn gesetzte Vertrauen. Neben 554 Damrau/Bothe/Hennicke, Erbrecht, § 2134 Rz. 4; MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 5; Staudinger/Avenarius, § 2134 Rz. 5; a. A. Kipp/Coing, § 50 III 2 b, die „eine Art Wertersatz“ zubilligen möchten. 555 MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 7. 556 MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 7. 557 Erman/M. Schmidt, § 2131 Rz. 1; MünchKomm/Grunsky, § 2131 Rz. 2. 558 Staudinger/Avenarius, § 2131 Rz. 3. 559 Siehe oben S. 40. 560 MünchKomm/Grunsky, § 2130 Rz. 4.
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
einem etwaigen Aufwendungsersatz aus § 2124 Abs. 2 und einem möglichen Ersatzanspruch nach § 2125 Abs. 1, steht dem Vorerben kein Anspruch wegen überobligatorischer Wirtschaftsführung bei der Nachlassverwaltung zu; er hat dann eben den Nachlass besonders effizient verwaltet. Dies gilt auch, wenn gar keine Surrogation stattfindet und der Nachlass in seinem Ursprungsbestand eine Wertsteigerung erfährt. Zur Erbschaft gehören nämlich primär die Gegenstände, die sich schon beim Erbfall darin befanden und im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge noch vorhanden sind, was zwar nicht ausdrücklich aus den §§ 2111, 2130 hervorgeht, aber als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Auch hier kommen sämtliche im Laufe der Zeit eingetretenen Wertsteigerungen dem Nacherben zugute, selbst wenn sie auf besonderem Geschick des Vorerben beruhen561. 3. Anspruchsgrundlage § 826 Auch bei nicht befreiter Vorerbschaft kann dem Nacherben gegen den Vorerben ein Ersatzanspruch gemäß § 826 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehen562. Da eine Maßnahme des Vorerben, durch die dieser den Nachlass in vorsätzlicher sittenwidriger Weise schädigt, keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht und aus den vorgenannten Gründen eine Haftungsmilderung ausscheidet, ist dieser Norm angesichts des gleichzeitig gegebenen Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 2130 hier keine praktische Relevanz beizumessen.
II. Ansprüche des Nacherben gegen den Leistungsempfänger Befriedigt der nicht befreite Vorerbe seine Privatgläubiger auf Kosten des Nachlassbestandes, so ist nach der hier vertretenen Auffassung darin stets ein i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliches Geschäft zu sehen563. Die vom Gesetz dafür vorgesehene Rechtsfolge besteht in der Unwirksamkeit jener Verfügung, jedoch nicht von Beginn an, sondern erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge564 und nur insoweit, als das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt wird. Diese zeitlich auf den Tag des Nacherbfalls hinausgeschobene Unwirksamkeit ist ihrer rechtlichen Natur nach
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MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rz. 2. RGRK/Johannsen, § 2134 Rz. 4, will bei böswilliger Verminderung der Erbschaft auf § 2138 Abs. 2 verweisen; aber abzulehnen, da nach ganz überwiegender Ansicht § 2138 Abs. 2 nur die Schadensersatzpflicht des befreiten Vorerben regelt (vgl. Nachweise oben in Fn. 510). 563 Siehe Ergebnis oben S. 118. 564 Die Wirksamkeit der Verfügung ist also nicht berührt, solange die Vorerbschaft andauert: BGH NJW 1969, 2043 ff. (2045); Harder, DNotZ 1994, 822 ff. (823 und 841); Damrau/Bothe/ Hennicke, Erbrecht, § 2112 Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 8; Harder/Kroppenberg, Rz. 439; v. Lübtow, S. 896. 562
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
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absolut, d. h. jedermann kann sich darauf berufen565. Einer Mitwirkung des Nacherben bedarf es bei alledem nicht, die Rechtsfolge tritt von selbst ein566. Die Unwirksamkeit der Verfügung wird vom Gesetz im Interesse des Nacherben angeordnet. Das BGB schützt aber auch im Recht der Vor- und Nacherbschaft den Erwerb vom „nichtberechtigten“ Vorerben im Vertrauen auf dessen materielle Berechtigung567. Greift dieser in Absatz 3 von § 2113 verankerte Gutglaubensschutz ein, ist der Nacherbe aus Verkehrsschutzgründen weniger schutzwürdig als der Leistungsempfänger. Da so der gute Glaube die fehlende Verfügungsbefugnis des Vorerben ausnahmsweise überwindet und damit trotz Unentgeltlichkeit zum dauerhaft rechtswirksamen Erwerb des Leistungsempfängers führt, bietet es sich an, bei der Diskussion um die Ansprüche des Nacherben gegen den Dritten zwischen dessen Gut- und Bösgläubigkeit zu differenzieren. 1. Leistungsempfänger ist gutgläubig i. S. v. § 2113 Abs. 3 Nach § 2113 Abs. 3 wird der gute Glaube desjenigen, dem gegenüber der Vorerbe über einen Erbschaftsgegenstand verfügt, im Rahmen der allgemeinen Vorschriften geschützt568. Der Gutglaubensschutz beschränkt sich auf die Fälle, in denen der Erwerber entweder über die Zugehörigkeit des veräußerten Gegenstandes zur Vorerbschaft in Unkenntnis war oder irrig davon ausging, der verfügende Vorerbe sei von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 befreit569. Bei beweglichen Sachen, hinsichtlich deren der Vorerbe nur durch § 2113 Abs. 2 beschränkt ist, schadet grundsätzlich schon die grob fahrlässige Unkenntnis der Nacherbenbindung des Gegenstandes, § 932 Abs. 2570. Da nach dem Gesetzeswortlaut des § 2136 dem Vorerben von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 kein Dispens erteilt werden kann, ist es dort – anders als bei Absatz 1 – gleichgültig, ob der Erwerber den Vorerben irrtümlich für einen befreiten gehalten hat571. Eine Einschränkung dieser grundsätzlich zutreffenden Aussage ist allerdings dann geboten, wenn in Bezug auf unentgeltliche Verfügungen eine Schranke zwischen befreiter und gewöhnlicher Vorerbschaft
565 Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 6; MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 40 i. V. m. Rz. 10; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 16. Unrichtig daher: Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. in Fn. 1, der von „relativer Unwirksamkeit“ spricht. 566 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 10; Lange/Kuchinke, § 28 IV 4 b in Fn. 83. 567 Lange/Kuchinke, § 28 IV 8 a. 568 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 30. 569 Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 21; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 98; Schlüter, Rz. 759. 570 Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 98, mit dem Hinweis auf die Ausnahme, wenn ein Erbschein erteilt ist, auf dem der Nacherbenvermerk fehlt; hier schadet wiederum nur Kenntnis. 571 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 42; Kipp/Coing, § 49 IV 6.
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
gezogen werden muss572. Einer dieser Fälle ist die Tilgung eigener Verbindlichkeiten des Vorerben, bei der nach der hier vertretenen Lösung eine nach der Form der Vorerbschaft differenzierte Bestimmung des Unentgeltlichkeitsbegriffs erfolgen muss. Daraus folgt: Erhält ein Eigengläubiger des Vorerben einen Nachlassgegenstand zur Begleichung seiner Forderung in der irrigen Vorstellung, der handelnde Vorerbe sei entweder von sämtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen oder aber zumindest von der Pflicht aus § 2134 Satz 1573 befreit, wird ausnahmsweise auch in Bezug auf unentgeltliche Verfügungen der gute Glaube an die Befreiung des Vorerben geschützt. Der Leistungsempfänger irrt – vergleichbar einer fehlerhaften Annahme der Befreiung im Kontext des § 2113 Abs. 1 – gutgläubig über tatsächliche Umstände (Freistellung des Vorerben), die, hätten sie in Wirklichkeit so vorgelegen, zu einer nach Maßgabe von § 2113 dauerhaft wirksamen Verfügung führen würden. Denn ist der Vorerbe entsprechend befreit, so ist seine zum Zwecke der Tilgung eigener Verbindlichkeiten vorgenommene Verfügung (die Fälle der Freigebigkeit einmal ausgenommen) stets entgeltlich und damit der Unwirksamkeitssanktion des § 2113 Abs. 2 entzogen. Nicht geschützt hingegen wird ein Rechtsirrtum des Leistungsempfängers, d. h. die rechtlich fehlerhafte Vorstellung des Dritten von der Entgeltlichkeit einer in Wirklichkeit unentgeltlichen Vorerbenverfügung574. Weiß daher der Eigengläubiger des Vorerben um dessen Nichtbefreiung und auch davon, dass der erhaltene Gegenstand durch Nacherbfolge gebunden ist, und geht zwar redlicherweise, aber gleichwohl rechtsirrig davon aus, bei der zu Lasten der Erbmasse vorgenommenen Tilgung eigener Schulden des nicht befreiten Vorerben handele es sich um eine entgeltliche Verfügung, so ist das kein Fall von § 2113 Abs. 3. a) Anspruchsgrundlage § 816 Abs. 1 Satz 2 Der Eigengläubiger eines Vorerben, der zur Befriedigung seiner Forderung Geld oder andere Werte erhält, wird in aller Regel die Gegenstände in Unkenntnis um deren Nacherbenbindung entgegennehmen und von daher redlich sein. Rechtsfolge eines solchermaßen gutgläubigen Irrtums des Erwerbers über die Nacherbfolge ist die endgültige Wirksamkeit der Verfügung575. Gleichwohl ist der Zuwendungsempfänger damit nicht von sämtlichen Ansprüchen freigestellt. Nach allgemeiner Auffassung kann für den Nacherben aus § 816 Abs. 1 Satz 2 ein Berei-
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Ebenso: AltKomm/Pardey, § 2113 Rz. 17. Wie gezeigt (siehe oben S. 68 ff.), ist die Befreiung von § 2134 Satz 1 das entscheidende Kriterium für die Privilegierung des Vorerben bei Tilgung von Eigenschulden. 574 Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 21; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 30; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rz. 102; Arnheim, DNotZ 1929 269 ff. (276); Dietz, S. 210; v. Lübtow, S. 897. 575 Harder/Kroppenberg, Rz. 440. 573
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
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cherungsanspruch gegen den redlichen Erwerber der unentgeltlichen Leistung in Betracht kommen576. Was die grundsätzliche Anwendung von § 816 Abs. 1 Satz 2 auf das Verhältnis zwischen Nacherbe und Leistungsempfänger anbelangt, ist dem zuzustimmen. Zwar setzt § 816 die Verfügung eines „Nichtberechtigten“ voraus, hingegen der Vorerbe während der Dauer seiner Herrschaft rechtswirksamer Träger des gesamten Nachlassvermögens ist. Doch zieht schon der Gesetzeswortlaut selbst in § 2113 Abs. 3 die Parallele zur Rechtslage bei Handlungen eines Nichtberechtigten. Für diese Sichtweise spricht auch die in der fiktiven Trennung von Privat- und Nachlassvermögen liegende Besonderheit des Rechtsinstituts der Vor- und Nacherbschaft. Der Vorerbe ist zwar für die Dauer seiner Vorerbschaft nach außen hin vollberechtigter Inhaber aller Nachlassgegenstände. Doch zeugen insbesondere § 2111 und die nachfolgenden Verfügungsbeschränkungen davon, dass der Nachlass immer als eine vom Eigenvermögen des Vorerben getrennt zu betrachtende Sondervermögensmasse in der Hand ein- und desselben Rechtsträgers anzusehen ist, die eigenen Regeln unterfällt. Nur deshalb verliert eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben über Erbschaftsmittel mit dem Nacherbfall ihre Wirksamkeit, und somit die Hingabe des einzelnen Nachlassgegenstandes ihre causa. Von daher erscheint der Vorerbe im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge als einer, der in Ansehung des Erbschaftsgegenstandes als Nichtberechtigter verfügt hat577. Dessen ungeachtet darf die Tatsache, dass der Vorerbe während der Dauer seiner Vorerbenstellung als wirksamer Rechtsinhaber des Nachlassvermögens handelt, nicht einfach ignoriert werden. Man wird daher im Hinblick auf die Fassung des § 816 und in Anlehnung an die Wortwahl bei § 2113 Abs. 3 besser von einer analogen Anwendung dieses Rechtssatzes gegenüber dem Zuwendungsempfänger sprechen müssen. Wenn danach feststeht, dass § 816 Abs. 1 Satz 2 generell, sei es auch nur in entsprechender Anwendung, als Anspruchsgrundlage für den Nacherben in Betracht kommen kann, stellt sich nun die Frage, ob eine zum Zwecke der Tilgung eigener Schulden vorgenommene Handlung des Vorerben „unentgeltlich“ im Verständnis dieser Norm ist; denn das kann nicht schon aus dem Ergebnis zu § 2113 Abs. 2 geschlossen werden. Der Rechtsbegriff der unentgeltlichen Verfügung ist nicht überall gleich zu verstehen. Vielmehr bedarf es für jede Vorschrift einer besonderen Prüfung, ausgerichtet an ihrem jeweiligen Bedeutungsgehalt578.
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Kaufmann, S. 43 u. 44; MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 42; Palandt/Weidlich, § 2113 Rz. 16; RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 38; Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 30; Brox/ Walker, Rz. 363; Kipp/Coing, § 49 IV 6. 577 Cappel, S. 34 u. 35. 578 RGZ 163, 348 ff. (359).
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5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
Während die Interpretation des Unentgeltlichkeitsbegriffs bei § 2113 Abs. 2 maßgebend vom Erhaltungsinteresse des Nacherben geprägt wird, ist in § 816 auf die Position des Erwerbers abzustellen579. Für die Unentgeltlichkeit kommt es allein auf ein fehlendes wirtschaftliches Gegenopfer des Erwerbers für das von ihm Erlangte an580. Der Gegenwert kann dabei auch in den Rechtsfolgen der Verfügung selbst liegen, so im Fall der Zahlung auf eine bestehende Schuld581. Von daher ist die Erfüllung einer bestehenden – selbst eigenen – Verbindlichkeit des Vorerben im Verständnis von § 816 Abs. 2 Satz 1 entgeltlich, da aus Sicht des (Eigen-)Gläubigers der verfügende Vorerbe im Gegenzug für den weggegebenen Nachlasswert aufgrund der Rechtsfolge des § 362 die Befreiung von der Schuld erlangt582 ; das wirtschaftliche Gegenopfer des Leistungsempfängers besteht in der Aufgabe seiner Gläubigerstellung. Etwas anderes muss aber auch hier gelten, wenn sich die Erfüllungshandlung lediglich als Vollzug einer vorab begründeten Freigebigkeit des Vorerben darstellt. Beispielhaft wurde an früherer Stelle bereits die Zahlung der Schuld aus einem schenkweise begebenen Scheck angeführt583. Hierbei ermangelt es im Ergebnis an einem wirtschaftlich werthaltigen Vermögensopfer des Scheckgläubigers. Zwar stellt der Verfügungsempfänger mit Entgegennahme des Nachlassgeldes den Vorerben aus der Scheckverpflichtung frei; darin kann jedoch kein echter Gegenwert gesehen werden, weil die Gläubigerstellung selbst zuvor durch eine bloße Freigebigkeit des Vorerben, auf die der Leistungsempfänger keinen Anspruch hatte, begründet wurde. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung wächst dem (gutgläubigen) Dritten ein Vermögensvorteil zu, ohne dass dem ein eigenes Gegenopfer des Empfängers für das Erlangte gegenübersteht. Die Tilgungsverfügung ist daher auch im Verständnis von § 816 Abs. 1 Satz 2 unentgeltlich. In diesem Fall verbleibt dem Nacherben der Bereicherungsanspruch gegen den redlichen Leistungsempfänger. Allerdings wird der Dritte in den meisten Fällen dennoch nicht haften, weil er sich bei Eintritt der Nacherbfolge auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3) berufen kann584.
579
Staudinger/Lorenz, § 816 Rz. 28. Reuter/Martinek, S. 334. 581 Reuter/Martinek, S. 334; Palandt/Sprau, § 816 Rz. 14. 582 Auch Crome, S. 561 Fn. 117, spricht davon, dass der Empfänger einer (i. S. v. § 2113 Abs. 2) unentgeltlichen Zuwendung lediglich „eventuell“ die noch vorhandene Bereicherung herauszugeben hat. 583 Siehe oben S. 92. 584 Endemann, S. 431. 580
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
167
b) Ansprüche in Fällen, in denen ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist Gelegentlich bleibt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen kein Raum für einen gutgläubigen Erwerb, so insbesondere bei Verfügungen über Forderungen585. Tritt der Vorerbe etwa zum Zwecke der Befriedigung seines Eigengläubigers eine Nachlassforderung an Erfüllungs statt ab, so kommt ein gutgläubiger Erwerb wegen der Art des Rechts, über das unentgeltlich verfügt worden ist, nicht in Betracht, mit der Folge, dass die Verfügung immer unwirksam ist586. Damit fällt die Forderung, soweit der Schuldner darauf noch nicht geleistet hat, mit dem Nacherbfall ohne weiteres an den Nacherben zurück587. Der Nacherbe kann diese Nachlassforderung dann gegen den Schuldner einziehen. Angesichts der oftmals beträchtlichen Zeitdauer der Vorerbschaft läuft er dabei jedoch Gefahr, dass der Anspruch zwischenzeitlich verjährt ist. Dem Schuldner bleibt die Verjährungseinrede auch uneingeschränkt erhalten, da weder die Abtretung an den Eigengläubiger noch der Rückfall der Forderung an den Nacherben eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung bewirken. Macht der Schuldner von seiner Einrede Gebrauch, ist der Nacherbe allein auf seine schuldrechtlichen Ersatzansprüche gegen den Vorerben angewiesen. Gleiches gilt für eine Verfügung, die der nicht befreite Vorerbe über eine Nachlassforderung dadurch trifft, dass er mit ihr gegen eine persönliche Schuld aufrechnet. Wie bereits ausgeführt, handelt sich dabei um eine unentgeltliche Rechtshandlung588, die im Zeitpunkt des Nacherbfalls unwirksam wird, mit der Folge, dass die Forderung unmittelbar an den Nacherben zurückfällt, der diese dann wiederum gegenüber dem Schuldner (= Eigengläubiger des Vorerben) geltend machen kann589. Johannsen will hier offenbar den redlichen Leistungsempfänger schützen590 : „Der Nacherbe kann die Forderung nach Eintritt des Nacherbfalls geltend machen, sofern nicht, was meistens der Fall sein wird, Absatz 3 zutrifft.“ Dies ist abzulehnen. § 2113 Abs. 3 verweist auf die allgemeinen Gutglaubensvorschriften. Die allgemeine Rechtsordnung kennt jedoch keine Vorschrift, die den guten Glauben an die fortdauernde Berechtigung des die Aufrechnung Erklärenden schützt591. Dem Eigengläubiger des Vorerben wird daher bei Verfügungen im Wege der Aufrechnung kein Gutglaubensschutz zuteil.
585 Hinzu kommen sämtliche Rechtspositionen, die gemäß §§ 398, 413 nach den Vorschriften über die Forderungsabtretung übertragen werden. 586 MünchKomm/Grunsky, § 2113 Rz. 42. 587 Hothorn, S. 93; Endemann, S. 432. 588 Siehe oben S. 103 f. 589 Schlüter, Rz. 793. 590 RGRK/Johannsen, § 2113 Rz. 26. 591 Pyszka, S. 91 in Fn. 113.
168
5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
2. Leistungsempfänger ist bösgläubig i. S. v. § 2113 Abs. 3 Mit Eintritt der Nacherbfolge fällt dem Nacherben die Erbschaft an (§ 2139), ohne dass es dazu eines besonderen Übertragungsaktes seitens des Vorerben bzw. seiner Erben bedarf592. Der Nacherbe wird ipso jure Eigentümer aller zum Nachlass gehörender Sachen und Gläubiger der Nachlassforderungen. Dieser automatische Rechtswechsel wird selbst dann vollzogen, wenn sich die Erbschaft nicht beim Vorerben befindet593, so dass der Nachlass jetzt auch die unrechtmäßig veräußerten Gegenstände umfasst594. Die im Zeitpunkt des Nacherbfalls eintretende Unwirksamkeit der Verfügung bedeutet damit für den Nacherben einen dinglichen Herausgabeanspruch aus § 985 gegen den bösgläubigen Erwerber595. Bei Grundstücksverfügungen kann der Nacherbe von dem Leistungsempfänger Grundbuchberichtigung nach § 894 verlangen596.
III. Das Verhältnis der Ansprüche zueinander Verfügt der nicht befreite Vorerbe unentgeltlich über einen Nachlassgegenstand, so stehen dem Nacherben unterschiedliche Ansprüche mit verschiedenen Anspruchsgegnern zu. Das hat die vorstehende Untersuchung gezeigt. Es bleibt die Frage, wie sich diese Anspruchsgrundlagen zueinander verhalten. Der Nacherbe hat mit Eintritt des Nacherbfalls wahlweise die Möglichkeit, entweder gegenüber dem Leistungsempfänger die Unwirksamkeit der Verfügung und die daraus resultierenden Ansprüche – seien sie dinglicher, bereicherungsrechtlicher oder deliktischer Natur – geltend zu machen, oder über die §§ 2134 Satz 1; 280 Abs. 1, 2130, 2131, 277 Wert- bzw. Schadensersatz von dem (ehemaligen) Vorerben oder dessen Erben zu verlangen597. Es handelt sich um ein Wahlrecht in Gestalt der elektiven Konkurrenz, dem Nacherben als Anspruchsgläubiger stehen wahlweise mehrere, inhaltlich verschiedene Rechte zu. Entscheidet sich der Nacherbe für den Vorerben als Anspruchsgegner, wird die Ersatzpflicht des Vorerben (bzw. seiner Erben) nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Nacherben wegen des ihm entstandenen Rechtsnachteils ein Anspruch gegen einen Dritten, den Erwerber, zusteht598. Der Vorerbe kann nämlich nicht verlangen, der Nacherbe solle zunächst seine Rechte in einem Herausgabeprozess gegen den Empfänger der unentgeltlichen Leistung geltend machen. 592
MünchKomm/Grunsky, § 2139 Rz. 1; NK-BGB/Gierl, § 2139 Rz. 7; Gursky, S. 125. Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 8. 594 v. Lübtow, S. 896. 595 BGH NJW 1984, 382 ff. (383); Erman/M. Schmidt, § 2113 Rz. 8; Soergel/Harder/ Wegmann, § 2113 Rz. 16; Brox/Walker, Rz. 362. 596 Soergel/Harder/Wegmann, § 2113 Rz. 16. 597 MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 2; Soergel/Harder, 12. Aufl., § 2134 Rz. 1. 598 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 Rz. 20. 593
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
169
Der Nacherbe kann den vollen Schadensersatz auch nicht nur gegen Abtretung seines Anspruchs gegen den Empfänger der unentgeltlichen Leistung an den Vorerben verlangen. § 255, der dem Ersatzpflichtigen einen solchen Anspruch auf Abtretung grundsätzlich zubilligt, beruht auf der im Wortlaut der Vorschrift nicht zum Ausdruck gebrachten Vorstellung, dass im Innenverhältnis zwischen den mehreren Schuldnern der Ersatz Leistende dem Schaden ferner steht und deshalb bei dem anderen Schuldner vollen Regress nehmen kann599. Hier steht der ersatzpflichtige Vorerbe als unberechtigt Verfügender dem Schaden näher als der Zuwendungsempfänger, so dass § 255 gar nicht zur Anwendung kommt. Eine Abtretung des Herausgabeanspruchs hätte für den Vorerben auch wenig Sinn, da der Erwerber dem früheren Vorerben sogleich seine eigene Forderung, die bei Inanspruchnahme durch den Nacherben wieder auflebt600, entgegenhalten könnte. Die Forderung des Privatgläubigers des Vorerben kann in diesem Zeitpunkt auch noch nicht verjährt sein601. Mit Tilgung der Eigenschuld war die Hauptforderung des Eigengläubigers zunächst erloschen, § 362 Abs. 1. Mit Rückgewähr der Leistung an den Nacherben lebt die getilgte Forderung rückwirkend auf den Zeitpunkt der seinerzeitigen Erfüllungshandlung wieder auf. Für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB ist diese Rückwirkung jedoch ohne Bedeutung, die Rückwirkung ist insoweit eingeschränkt. Einschränkungen der Rückwirkung sind auch in anderen Fällen anerkannt. So bringt entgegen § 184 Abs. 1 eine Genehmigung den Anspruch nicht mit der Folge ex tunc zum Entstehen, dass auch die Verjährung bereits zu einem früheren Zeitpunkt begonnen hat. Vielmehr wird der Lauf der Verjährungsfrist erst ex nunc mit Genehmigung in Gang gesetzt602. Der dahinterstehende Gedanke ist, dass ein Anspruch überhaupt erst verjähren kann, wenn die Möglichkeit besteht, ihn geltend zu machen. Genau so liegen die Dinge hier. Die Rückwirkung des Wiederauflebens eröffnete dem Eigengläubiger nicht die Möglichkeit, seinen Anspruch im Zeitpunkt des Bewirkens der Leistungshandlung gegen den Vorerben geltend zu machen; denn der Anspruch war damals durch Erfüllung erloschen. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Privatgläubiger des Vorerben dem Nacherben die seinerzeit zur Erfüllung seiner Forderung erhaltenen Mittel zurückgewähren muss, ist es diesem erstmalig wieder möglich, den Vorerben aus seiner Forderung (klageweise) in Anspruch zu nehmen. Der Entstehungszeitpunkt im Sinne von § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 kann somit erst ab dem tatsächlichen Wiederaufleben des Anspruchs mit Wirkung ex nunc angenommen werden. Der Verjährungslauf wird daher mit Rückerstattung an den Nacherben wieder aufgenommen, mit der Folge, dass der Vorerbe seinem Eigengläubiger gegenüber dessen wiederauflebendem
599
MünchKomm/Oetker, § 255 Rz. 2; Larenz SchR AT, § 32 I. Pyszka, S. 90; Schlüter, Rz. 793. 601 Entgegen Pyszka, S. 90 in Fn. 111. 602 Bamberger/Roth/Bub, § 184 Rz. 9; MünchKomm/Grothe, § 199 Rz. 5 mit weiteren Fallgestaltungen. 600
170
5. Kap.: Ansprüche des Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge
Anspruch in diesem Zeitpunkt nicht erfolgreich die Verjährungseinrede entgegenhalten kann603. In der bloßen Geltendmachung eines Ersatzanspruchs kann auch keine konkludente Genehmigung (§ 185 Abs. 2) der unentgeltlichen Verfügung durch den Nacherben gesehen werden. Denn durch die auf den Zeitpunkt des Nacherbfalls hinausgeschobene Möglichkeit der Geltendmachung der Ersatzansprüche wird dem Nacherben ohnehin das Risiko aufgebürdet, dass der Vorerbe bis dahin – d. h. regelmäßig bis zu dessen Ableben – solvent bleibt. Geht der Anspruch daher aufgrund mangelnder Solvenz des Vorerben faktisch ins Leere, steht dem Nacherben weiterhin der Weg gegen den Verfügungsempfänger offen. Leistet dagegen der Vorerbe vollumfänglich Ersatz, ist das Interesse des Nacherben befriedigt. Durch die Erlangung des Wert-/Schadensersatzes wird die Verfügung voll wirksam604, weil damit der Nacherbe nicht mehr in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Zwar wirkt sich die bloße Möglichkeit der Geltendmachung schuldrechtlicher Ersatzansprüche zunächst nicht auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2113 Abs. 2 aus. Macht der Nacherbe jedoch gezielt von seinem Wahlrecht dergestalt Gebrauch, dass er von dem Vorerben Ersatz fordert, und wird dieser Anspruch erfüllt, ist kein Bedürfnis mehr gegeben, ihm weiterhin dinglichen Rechtsschutz über § 2113 zu gewähren, so dass der Verfügungsempfänger (Eigengläubiger des Vorerben) ab diesem Moment keinerlei Ansprüchen des Nacherben mehr ausgesetzt ist. Wendet sich der Nacherbe zunächst an den Erwerber der unentgeltlichen Leistung, gilt Folgendes: Erhält der Nacherbe den mittels unwirksamer Verfügung geleisteten Nachlassgegenstand zurück, ist der – frühere – Vorerbe (bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolger) nicht mehr zum Wertersatz nach § 2134 Satz 1 verpflichtet. Denn dieser Anspruch wird nur bei aus Nacherbensicht endgültigem Substanzverlust gewährt605. Zudem hätte der Vorerbe, muss sein Eigengläubiger die zwecks Erfüllung erhaltenen Nachlassmittel wieder herausgeben, im Ergebnis keinen Erbschaftsgegenstand „für sich verwendet“, wie es § 2134 Satz 1 aber tatbestandlich voraussetzt. Etwas anderes gilt, wenn der zurückerhaltene Nachlassgegenstand wertgemindert ist, beispielsweise aufgrund einer Beschädigung oder durch Abnutzung. In Höhe der Wertminderung kann der Nacherbe weiterhin über § 2134 Satz 1 Ersatz verlangen. Für einen Anspruch nach § 2134 Satz 1 ist auf den objektiven Wert des Gegenstandes zur Zeit seiner Verwendung abzustellen, spätere Wertveränderungen sind nicht zu berücksichtigen606. Daraus folgt, dass die erfolgreiche Durchsetzung des Herausgabeanspruchs gegen den Leistungsempfänger den Wertersatzanspruch nur in dem
603 Insgesamt auch so OLG München in OLG Report 24/2009 (München, Stuttgart, Karlsruhe, Nürnberg, Bamberg), 902 f. (903) zur vergleichbaren Lage bei § 144 InsO. 604 Kretzschmar, Sächs. Arch. f. Rpfl.,1911, S. 337 ff. (339). 605 Beck, S. 162. 606 MünchKomm/Grunsky, § 2134 Rz. 4.
B. Ansprüche des Nacherben bei Verfügungen des nicht befreiten Vorerben
171
Umfang entfallen lassen kann, in dem der zurückerlangte Gegenstand den Wert im Zeitpunkt seiner Weggabe erreicht. Daneben bleibt dem Nacherben für den Verschuldensfall die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 2130 gegen den Vorerben erhalten. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass, wäre die unentgeltliche Verfügung unterblieben, der betreffende Nachlassgegenstand eine Wertsteigerung erfahren hätte, die aufgrund der eigennützigen Verwendung auch nach späterem (wertgleichen) Rückerhalt nun nicht eingetreten ist. Dieses Interesse soll der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch ausgleichen. Hat daher der Nacherbe von Seiten des Leistungsempfängers etwas zurückerlangt, so ist damit lediglich sein möglicher Schaden in Höhe des objektiven Wertes des Zurückerhaltenen reduziert.
6. Kapitel
Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der Ergebnisse – Verwendet der Vorerbe Nachlassmittel zur Tilgung seiner eigenen Verbindlichkeiten, wird die Substanz der Erbschaft in ihrem Bestand reduziert. Im Interesse des Nacherben stellt sich die Frage nach der rechtlichen Beurteilung solcher Maßnahmen. Zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 2113 Abs. 2. Nach herrschender Meinung607, der hier im Grundsatz gefolgt wird608, ist eine Verfügung des Vorerben unentgeltlich, wenn für den weggegebenen Erbschaftsgegenstand objektiv kein oder kein wirtschaftlich äquivalenter Vermögensvorteil in den Nachlass zurückfließt und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen. Vorrangig ist daher die Frage nach einem Surrogationsobjekt i. S. v. § 2111 Abs. 1 Satz 1 zu klären. Bei auf Leistungsaustausch gerichteten Geschäften ist dies die vertraglich vereinbarte Gegenleistung609. Das gilt auch bei zeitlichem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung, wobei der erlangte Gegenwert mit Einsatz der Erbschaftsmittel rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erwerbs dem Nachlass zufällt610. Dem gegenüber stehen solche Rechtsgeschäfte, die zu keinen gegenseitigen Verpflichtungen der Beteiligten führen. Dies können Verbindlichkeiten aus einseitigem Rechtsgeschäft (bspw. Vermächtnis aus einem anderen Erbfall) oder einseitig verpflichtendem Vertrag (regelmäßig Bürgschaft) sein sowie solche, die auf gesetzlichem Schuldverhältnis (bspw. unerlaubte Handlung) oder auf staatlichem Hoheitsakt (Steuerschuld) beruhen611. Diesen steht ein Austauschverhältnis, bei dem der Geschäftspartner des Vorerben seine Gegenleistung schon vor dem Erbfall erbracht hat und der Vorerbe erst danach aus Nachlassmitteln seiner eigenen Leistungspflicht nachkommt, gleich612. In allen diesen Fällen besteht der für die Aufgabe der Erbschaftsmittel erlangte Vermögensvorteil einzig in der Befreiung des Vorerben 607 608 609 610 611 612
S. 32. S. 34 ff. S. 49 f. S. 51 ff. S. 54 f. S. 56 f.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
173
von seiner eigenen Verbindlichkeit. Ein Surrogationseintritt ist dann aber aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, weil die erlangte Schuldbefreiung nicht aus dem Privatvermögen des Vorerben gelöst werden kann. Nur solche Fälle tatsächlicher Unmöglichkeit eines Surrogationseintritts sind Eigenschulden im hier thematisierten Problemkreis613. – Ist wegen der Art des Gegenwertes ein Zufluss in den Nachlass ausgeschlossen, ist bei der Bestimmung des Begriffs der Unentgeltlichkeit zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft grundlegend zu differenzieren. Die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln ist für den befreiten Vorerben regelmäßig nicht als unentgeltliche Verfügung zu qualifizieren614. In Abwandlung der Formel der herrschenden Meinung genügt es hier für die Bejahung der Entgeltlichkeit, wenn nicht der Nachlass, sondern der Vorerbe in seinem persönlichen, ungebundenen Eigenvermögen begünstigt wird, denn der Vorerbe darf bei Befreiung von der Wertersatzpflicht des § 2134 Satz 1 auch die Nachlasssubstanz für sich verbrauchen615. Dieses Ergebnis entspricht dem Erblasserwillen616, schutzwürdige Belange des Nacherben stehen dem nicht entgegen, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass § 2136 BGB keine Möglichkeit einer Befreiung vom Verbot unentgeltlicher Verfügungen des Vorerben eröffnet617. Etwaig betroffene Nachlassgläubiger sind nicht vom Schutzzweck des § 2113 Abs. 2 umfasst618. Eine Vergleichbarkeit zur Rechtslage bei § 2115 (Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Vorerben)619 und bei Aufrechung eines Eigengläubigers des Vorerben620 ist abzulehnen, weil dort der Zwangscharakter der Verfügung im Vordergrund steht. Auch ist es nicht erforderlich, dass das Geschäft der Sicherung des Lebensunterhaltes des Vorerben dient oder dienen soll621. Etwas anderes, nämlich Unentgeltlichkeit der Verfügung, gilt ausnahmsweise dann, wenn sich die Maßnahme als bloße Freigebigkeit des Vorerben darstellt, denn eine solche ist auch dem befreiten Vorerben untersagt622. Der Vorerbe handelt freigebig, wenn durch die Erfüllungshandlung bei einer wertenden Gesamtbetrachtung und bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung die wirtschaftliche Besserstellung ausschließlich in einer dritten Vermögensmasse, d. h. weder im Nachlass noch beim Vorerben, eintritt und der Vorerbe die aus Nachlassmitteln getilgte Verbindlichkeit entweder vorab rechtsgeschäftlich begründet oder den 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622
S. 58. So das Ergebnis auf S. 117 f. S. 68 ff. S. 71 f. S. 73 ff. S. 76 ff. S. 78 ff. S. 81 f. S. 82 ff. S. 88 f.
174
6. Kap.: Schlussbetrachtung
Rechtsgrund für die eingegangene Verpflichtung selbst geschaffen hat623. Bürgt der Vorerbe daher aus Gefälligkeit für die Schuld eines Dritten und leistet, nach Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, mit Mitteln der Erbschaft, handelt es sich um eine freigebige und damit unentgeltliche Verfügung, obwohl der Vorerbe persönlich von seiner Bürgenschuld befreit wird624. Bei befreiter Vorerbschaft ist das Spannungsverhältnis zwischen Schenkungsverbot einerseits und dem Recht zur eigennützigen Verwendung der Nachlasssubstanz andererseits von besonderem Interesse. Trotz Verbrauchsrecht stellt das Verschenken eines Nachlassgegenstandes durch den Vorerben einen Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 dar; dass sich der Vorerbe dadurch in seinem Privatvermögen den Kauf eines Geschenks erspart, ändert daran nichts625. Dagegen handelt der Vorerbe gesetzeskonform, wenn er den Nachlass aufzehrt und dadurch sein Eigenvermögen schont, auch wenn er daraus später Gegenstände verschenkt626. Die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes gegen Einräumung einer Leibrente bedeutet eine entgeltliche Verfügung, da es bei befreiter Vorerbschaft ausreicht, wenn zwar die Sicherung durch das Surrogationsprinzip versagt, aber die Gegenleistung ausschließlich dem Vorerben persönlich zuwächst, selbst wenn die Erträge aus der Rente (= Eigenvermögen) später der Finanzierung eines Geschenks an einen Dritten dienen627. Dabei genügt es für das Eigenverbrauchsrecht des Vorerben, wenn der Erblasser den Vorerben nur von den Beschränkungen des § 2134 Satz 1 befreit hat628. – Im Gegensatz dazu ist für den nicht befreiten Vorerben die Tilgung einer Eigenschuld mit Nachlassmitteln stets eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 unentgeltliche Verfügung, weil dem Nachlass für den aufgeopferten Erbschaftsgegenstand kein Surrogat zugute kommt und der nicht von der Ersatzpflicht des § 2134 Satz 1 befreite Vorerbe die Nachlasssubstanz nicht für sich verwenden darf629. Dieses Resultat entspricht dem Erblasserwillen sowie dem Schutzbedürfnis des Nacherben630. Einer möglicherweise damit einhergehenden Beeinträchtigung des redlichen Geschäftsverkehrs hat der Gesetzgeber mit § 2113 Abs. 3, der den gutgläubigen Leistungsempfänger schützt, hinreichend Rechnung getragen631. Auch bei einer seitens des nicht befreiten Vorerben erklärten Aufrechnung mit einer dem Nachlass zustehenden Forderung gegen den Anspruch seines Eigengläubigers wird von einer unentgeltlichen Verfügung ausgegangen, was das hier erzielte Ergebnis bestärkt632. Eine etwaig 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632
S. 89. S. 90. Fall 1 auf S. 93 f. Fall 2 auf S. 94 ff. Fall 3 auf S. 96 f. Fall 5 auf S. 98 f. S. 99 f. und Ergebnis auf S. 118. S. 100. S. 101 ff. S. 103 f.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
175
fehlende Bereicherung des mit dem Vorerben kontrahierenden Dritten steht der Unentgeltlichkeit der Verfügung nicht entgegen633. Ermangelt es, wie vorliegend, schon objektiv an einem der Erbmasse zufließenden Vermögensvorteil, kann eine anderweitige subjektive Vorstellung des Vorerben nicht dazu führen, der Verfügung den Charakter einer i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltlichen zu verleihen (keine Korrektur über die subjektive Komponente der herrschenden zweigliedrigen Unentgeltlichkeitsdefinition)634. – Das hier vertretene Normverständnis gilt ausnahmslos. Selbst wenn der befreite Vorerbe eine eigene Verbindlichkeit in der Absicht, die Nachlasssubstanz zu verringern und damit dem Nacherben zu schaden, erfüllt, bleibt es bei der Entgeltlichkeit der Verfügung; wie § 2138 Abs. 2 zu entnehmen ist, stehen ein Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 und ein Handeln in Benachteiligungsabsicht nebeneinander635. Auch das Wissen des Leistungsempfängers um die nachlassschädigende Wirkung der Verfügung des Vorerben lässt die Entgeltlichkeit des Geschäfts unberührt; eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht ist abzulehnen636. Gerät der nicht befreite Vorerbe durch eine unvorhergesehene Entwicklung in eine Notlage, kann dies im Wege ergänzender Testamentsauslegung dazu führen, dass der Erblasser den Vorerben für einen solchen Extremfall bedingt freistellen wollte. Das bedeutet aber keine Ausnahme von dem hier vorgeschlagenen Lösungsmodell637. – Ist die Verfügung unentgeltlich, führt dies nicht automatisch zu deren Unwirksamkeit im Falle des Eintritts der Nacherbfolge. Als weiteres Tatbestandsmerkmal muss eine Vereitelung oder Beeinträchtigung der Nacherbenrechte hinzukommen. Ein bloßer schuldrechtlicher Ersatzanspruch des Nacherben lässt nicht dessen Rechtsbeeinträchtigung entfallen638. An einer Rechtsvereitelung oder -beeinträchtigung würde es fehlen, wenn die (unentgeltliche) Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich war, was aber bei Tilgung privater Schulden des nicht befreiten Vorerben für keinen Fall denkbar ist639. Tilgt dagegen der Vorerbe eine Eigenverbindlichkeit aus Nachlassmitteln, für die anderenfalls der Nacherbe hätte rechtlich einstehen müssen, erleidet der Nacherbe wirtschaftlich keine Einbuße, so dass seine Belange durch eine solche Verfügung weder vereitelt noch beeinträchtigt werden640. Haften Vorerbe und Nacherbe für die Eigenverbindlichkeit als 633 634 635 636 637 638 639 640
S. 105. S. 106 f. S. 108 ff. S. 110 f. S. 111 f. S. 120 f. S. 121 ff. S. 123 ff.
176
6. Kap.: Schlussbetrachtung
Gesamtschuldner und begleicht der Vorerbe die Schuld vollumfänglich mit Mitteln der Erbschaft, ist der Nacherbe in Höhe der ihn intern treffenden Ausgleichsquote nicht in seinen Rechten betroffen641. – Ist die Eigenverbindlichkeit, die der befreite Vorerbe aus Nachlassmitteln tilgt, verjährt, ändert dies nichts an der Entgeltlichkeit der Verfügung. Die Einrede der Verjährung steht dem Vorerben in seinem persönlichen Vermögen zu, der (Eigen-) Gläubiger erhält rechtsbeständig das, worauf er einen Anspruch hatte642. Das Gleiche, also Entgeltlichkeit, gilt bei Erfüllung einer eigenen Schuld vor deren Fälligkeit643. Für den nicht befreiten Vorerben bleibt es in beiden Fällen bei der Unentgeltlichkeit des Geschäfts. Dagegen ist die Leistung auf eine in Wirklichkeit nicht bestehende Eigenschuld des (befreiten wie nicht befreiten) Vorerben einer unentgeltlichen Verfügung gleichzustellen644. – Die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten ist regelmäßig und unabhängig von der Art der Vorerbschaft eine entgeltliche und damit dauerhaft wirksame Verfügung, da dem Nachlass die Schuldbefreiung als vermögenswerter Vorteil zufällt. Unentgeltlichkeit ist ausnahmsweise gegeben, wenn der Vorerbe erfüllt, obwohl er die Leistung hätte verweigern dürfen, bspw. bei einer einredebehafteten Nachlassschuld645. Die gleichen Maßstäbe gelten bei Tilgung sogenannter Nachlasserbenschulden, obwohl diese auch Eigenschuld des Vorerben sind646. Die Wirksamkeit wird nicht dadurch berührt, dass ein Fall von § 2113 Abs. 1 vorliegt. Entweder ist der Vorerbe, auch wenn es sich um einen im Übrigen nicht befreiten Vorerben handelt, insofern als gegenständlich befreit anzusehen oder es fehlt an einer Beeinträchtigung der Nacherbenrechte647. Die Erbschaftssteuer aus dem Anfall der Vorerbschaft ist Nachlassverbindlichkeit648. – Hat der befreite Vorerbe (ohne dass ein Fall von Freigebigkeit vorliegt) sein Privatvermögen auf Kosten des Nachlasses entschuldet, kommt für den Nacherben ein Schadensersatzanspruch nach § 2138 Abs. 2 Alt. 2 oder § 826 in Betracht. Dabei handelt der Vorerbe in Benachteiligungsabsicht, wenn er die durch sein Handeln bewirkte Beeinträchtigung des Nacherben erkennt und seine Handlungsweise sich als Missbrauch seiner Befugnisse darstellt. Von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Vorerbe durch den Eigenver-
641 642 643 644 645 646 647 648
S. 125 ff. S. 129 ff. S. 132 f. S. 133 ff. S. 137 f. S. 139 ff. S. 141 ff. S. 150 f.
B. Die Auswirkungen auf den herrschenden Unentgeltlichkeitsbegriff
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brauch der Nachlassmittel von seiner bisherigen Lebensführung erkennbar durch Überschreitung abweicht649. Bei nicht befreiter Vorerbschaft richten sich die Ansprüche des Nacherben sowohl gegen den Vorerben als auch – wegen der grundsätzlichen Unwirksamkeit der Verfügung – gegen den Verfügungsempfänger. Bei Tilgung eigener Schulden mit Nachlassmitteln ist der Vorerbe bzw. dessen Erbe dem Nacherben aus § 2134 Satz 1 wertersatzpflichtig650. Darüber hinaus haftet er im Verschuldensfalle auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 2130 i. V. m. §§ 2131, 277651. Hinsichtlich der Ansprüche gegen den Empfänger der unentgeltlichen Leistung ist zwischen dessen Gutund Bösgläubigkeit zu unterscheiden. Wurde der Erbschaftsgegenstand von dem Dritten redlich erworben, kann er im Nacherbfall nicht herausverlangt werden. Ein dann möglicher Anspruch des Nacherben aus § 816 Abs. 1 Satz 2 analog ist nur dann gegeben, wenn die Gläubigerstellung des Leistungsempfängers zuvor durch eine Freigebigkeit des Vorerben begründet wurde652. War der Verfügungsempfänger bösgläubig, hat er im Nacherbfall den Gegenstand an den Nacherben herauszugeben (§ 985) bzw. seine Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zu erteilen (§ 894)653. Dem Vorerben stehen dabei die verschiedenen Rechte wahlweise nebeneinander zur Verfügung. Der Nacherbe kann, ungeachtet seines Anspruchs gegen den Empfänger der unentgeltlichen Leistung, zuerst den Vorerben (oder dessen Erben) in Anspruch nehmen. Erst wenn dieser tatsächlich Ersatz geleistet hat, entfällt ein Anspruch gegen den Verfügungsempfänger. Wendet sich der Nacherbe zunächst an den Erwerber und erhält den geleisteten Erbschaftsgegenstand zurück, so kann er den Vorerben nur noch in Höhe der Wertdifferenz im Vergleich zum Zeitpunkt dessen Verwendung auf Wert-/Schadensersatz in Anspruch nehmen654.
B. Die Auswirkungen auf den herrschenden Unentgeltlichkeitsbegriff Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass sich die herrschende Unentgeltlichkeitsformel bezüglich ihrer ersten, der objektiven Komponente in bestimmten Fallkonstellationen als zu undifferenziert erweist. Sie verkennt, dass jedenfalls dann, wenn ein Surrogationseintritt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, der Begriff der Unentgeltlichkeit bei befreiter Vorerbschaft grundlegend anders zu bestimmen ist als bei nicht befreiter Vorerbschaft. Es wird 649 650 651 652 653 654
S. 153 ff. S. 159 f. S. 160 ff. S. 163 ff. S. 168. S. 168 ff.
178
6. Kap.: Schlussbetrachtung
daher folgende Präzisierung vorgeschlagen: „Unentgeltlich ist eine Verfügung des Vorerben, sofern für den aus der Erbmasse weggegebenen Gegenstand objektiv kein oder kein gleichwertiger Vermögensvorteil in den Nachlass zurückfließt und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Unzulänglichkeit des Gegenwertes erkannt hat oder nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen. Davon abweichend genügt es bei befreiter Vorerbschaft zur Entgeltlichkeit der Verfügung, wenn aufgrund eines Versagens des Surrogationsprinzips der Gegenwert statt dem Nachlass dem Vorerben persönlich zugute kommt, solange sich die Maßnahme bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung nicht als bloße Freigebigkeit des Vorerben zu Gunsten eines Dritten erweist.“
C. Die Lösung des Eingangsfalles Variante a): Die Bezahlung des Computers mit Nachlassgeld ist keine Tilgung einer Eigenschuld im hier problematisierten Verständnis, da ein Surrogationsobjekt (Computer) für den Nachlass vorhanden ist. Die Zwischenschaltung eines Darlehens bei Erwerb der Eigentumswohnung ändert nichts daran, dass die Wohnung mit Ablösung des Kredits aus Erbschaftsmitteln als Surrogat dem Nachlassvermögen zufällt. Die Frage der Entgeltlichkeit der Verfügung beurteilt sich in beiden Fällen danach, ob die erhaltene Gegenleistung angemessen werthaltig ist. Die Erfüllung der Verpflichtung aus der Bürgschaft ist der typische Fall der Tilgung einer Eigenschuld des Vorerben mit Nachlassmitteln. Die Verfügung ist unentgeltlich, und zwar auch bei befreiter Vorerbschaft, da die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung eine bloße Freigebigkeit des Vorerben war. Gegen den Leistungsempfänger stehen dem Nacherben im Zeitpunkt der Nacherbfolge Ansprüche aus § 985 (im Fall der Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers) oder § 816 Abs. 1 Satz 2 analog (bei Gutgläubigkeit und nur, wenn ein Fall der Freigebigkeit vorliegt) zu. Ersatzansprüche gegen den Vorerben oder dessen Erben können sich aus §§ 2134 Satz 1; 280 Abs. 1, 2130, 2131 (keine Befreiung) oder § 2138 Abs. 2 (Befreiung) ergeben. Variante b): Es handelt sich jeweils um eine Eigenschuld des Vorerben, deren Erfüllung für den befreiten Vorerben eine i. S. v. § 2113 Abs. 2 entgeltliche und somit dauerhaft wirksame Verfügung bedeutet. Hinsichtlich der Zahlung der Geldstrafe ist ein Schadensersatzanspruch des Nacherben aus § 2138 Abs. 2 Alt. 2 denkbar, wenn diese auf einen angesichts der erhaltenen Erbschaft geänderten Lebensstil des Vorerben zurückzuführen ist. Bei fehlender Freistellung sind die gleichen Rechtshandlungen unentgeltlich. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte werden auch die Nacherbenrechte beeinträchtigt, so dass die Verfügungen im Nacherbfall unwirksam sind. Der Nacherbe kann sich an den Leistungsempfänger (§§ 985, 894) oder den Vorerben bzw. dessen Erben halten (§§ 2134 Satz 1; 280 Abs. 1, 2130, 2131).
C. Die Lösung des Eingangsfalles
179
Variante c): Der Vorerbe erfüllt eine Altschuld, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Gegenleistung zu Zeiten, als der Erbfall noch gar nicht eingetreten war, dem (späteren) Vorerben zugeflossen ist. Von daher kommt als Gegenwert für die zum Zwecke der Erfüllung hingegebenen Nachlassmittel nur die Befreiung des Vorerben von seiner eigenen Leistungspflicht in Betracht. Einem Surrogationserwerb stehen dann tatsächliche Gründe entgegen. Die Lösung richtet sich somit nach dem gleichen Schema wie bei Variante b).
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Sachverzeichnis Altverbindlichkeit 56 f. Arglisteinwand 144 f. Aufrechnung 81 f., 103 f. Austauschverhältnis 48 ff.
Nachlassverbindlichkeit Naturalrestitution 161 Nichtberechtigter 165
Benachteiligungsabsicht 154 ff. Bereicherungsanspruch 133 ff., 164 ff. Bürgschaft 54, 90 Darlehen 52 ff., 98 Durchgangserwerb 47, 51 ff. eigennützige Verwendung Entgeltmaßstab 86 Erbfallschuld 141 ff. Erbschaftssteuer 150 f. Freigebigkeit
68 ff., 93 ff.
88 ff., 138, 166
Geldstrafe 44 f., 55, 156 Gesamtschuldner 125 ff. Gutglaubensschutz 134 f., 163 ff. Haftungsmilderung 161 f. Herausgabeanspruch 168 ff. Kredit
50 ff., 96 f.
Lebensunterhalt 82 ff. Leibrente 46, 96 f. Missbrauchsgrenze 157 Missbrauchsprüfung 155 ff. Mittelsurrogation 43 ff., 127 Nachlasserbenschuld 139 ff. Nachlassgläubiger 76 ff., 100
43 f., 137 ff.
objektive Komponente 62 f. ordnungsgemäße Nachlassverwaltung 85 ff., 121 ff., 140 rechtliche Unmöglichkeit
45 f.
Scheck 91 f. , 166 Schenkungsversprechen 63 ff., 94 Schuldanerkenntnis 91 Schuldversprechen 91 Sittenwidrigkeit 158 Spekulationsgeschäft 157 Steuerschuld 55, 88, 98 f. subjektive Komponente 32 ff., 106 f. Surrogationsprinzip 39 ff. tatsächliche Unmöglichkeit 45 f., 59 ff. Teilungsanordnung 141 ff. Testamentsauslegung 112 Unterhalt
54, 82 ff., 123 ff.
Verbrauchsbefugnis 69, 87 f. Verjährung 129 ff., 137 f., 167 ff. Verkehrssicherheit 34, 102 f., 109 Vermächtnis 54, 141 ff. Wahlrecht 120, 168 Wechsel 91 Wertersatzpflicht 68 ff., 98 f., 159 f. Zwangsvollstreckung
78 ff.