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German Pages 182 Year 1987
Schriften zum Prozessrecht Band 89
Die mißbräuchliche Titulierung von Ratenkreditschulden mit Hilfe des Mahnverfahrens Von Antje Bamberg
Duncker & Humblot · Berlin
ANTJE BAMBERG
Die mißbräuchliche Titulierung von Ratenkreditschulden mit Hilfe des Mahnverfahrens
S c h r i f t e n z u m Prozessrecht Band 89
Die m i ß b r ä u c h l i c h e T i t u l i e r u n g von Ratenkreditschulden mit Hilfe des Mahnverfahrens
Von
Antje Bamberg
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Bamberg, Antje: Die mißbräuchliche Titulierung von Ratenkreditschulden mit Hilfe des Mahn Verfahrens / von Antje Bamberg. Berlin: Duncker u. Humblot, 1987. (Schriften zum Prozeßrecht; Bd. 89) ISBN 3-428-06304-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06304-X
Vorwort Der Kreditwucher ist bereits in Rechtsprechung und Literatur eingehend behandelt worden. Weniger Beachtung wurde dagegen der Frage gewidmet, mit welchem Rechtsbehelf gegen den im Mahnverfahren erzielten „rechtskräftigen" Vollstreckungsbescheid, dem eine sittenwidrige Kreditforderung zugrunde liegt, vorgegangen werden kann. Demzufolge besteht die Zielsetzung dieses Werkes in der Herausarbeitung eines geeigneten Rechtsbehelfes, der den Besonderheiten des Mahnverfahrens und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung trägt. Dies bedingt die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Rechtskraft und seiner Fragwürdigkeit für das Mahnverfahren. Diese Arbeit hat dem Promotionsausschuß Dr. jur. der Universität Bremen als Dissertation unter dem Titel „Die mißbräuchliche Titulierung von Ratenkreditschulden mit Hilfe des Mahnverfahrens" vorgelegen. A n dem Promotionsverfahren haben Prof. Dr. Eike Schmidt (Bremen) und Prof. Dr. Peter Derleder (Bremen) teilgenommen. Das Kolloquium hat am 25. 6. 1986 stattgefunden. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Eike Schmidt für die Betreuung der Arbeit und die stets konstruktive Kritik sowie dem Verlag für die Aufnahme des Werkes in die Schriftenreihe. Für die freundliche Unterstützung bei der Materialsammlung habe ich schließlich Frau Rechtsanwältin Annette Kähler, Herrn Assessor Rolf Schulz-Rakoll, Herrn Oberstaatsanwalt Herbert Mayer im Justizministerium Stuttgart sowie Herrn Oberamtsrat Rolf Lauterbach am Amtsgericht Stuttgart zu danken. Düsseldorf, im Juni 1987 Antje Bamberg
Inhaltsverzeichnis Einleitung
13
Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
17
I. Der Zweck des Mahnverfahrens und seine wirtschaftliche Bedeutung . . II. Die Mißbrauchstatbestände
17 18
1. Der Begriff „Mißbrauch"
20
2. Die typischen Fallkonstellationen
22
3. Die Mentalität der Kreditschuldner
26
B. Voraussetzungen und Folgen des Sittenwidrigkeitsurteils bei Ratenkreditverträgen
32
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB . .
33
1. Der Grundsatz der Gesamtwürdigung unter Einschluß subjektiver Elemente
35
2. Die Normstrukturen des § 138 BGB
41
3. Das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
47
a) Der „Sondermarkt" der Teilzahlungsbanken
49
b) Die Ermittlung der in den Vergleich einzubeziehenden Positionen
56
c) Die Bestimmung der Leistung des Kreditnehmers
66
d) Die Gegenleistung des Kreditgebers und das Ausmaß der zulässigen Abweichung vom Marktzins
67
4. Weitere belastende objektive Umstände
70
II. Rechtsfolge des § 138 BGB: Totalnichtigkeit oder Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäftes zu einem angemessenen Zinssatz?
71
1. Unzulässigkeit geltungserhaltender Reduktion aufgrund des Schutzzwecks der Norm
72
2. Die Parallelproblematik im Bereich der AGB-Kontrolle
74
nsverzeichnis I I I . Die Rückabwicklung des sittenwidrigen Vertrages
78
1. Der Kondiktionsanspruch gemäß §817 BGB
78
2. Die Verjährungsregelung des § 197 BGB
81
C. Konsequenzen für das Mahnverfahren
86
I. Sittenwidrigkeit und Mißbrauchstatbestände
86
II. Die Möglichkeiten des Mahnverfahrens, dem Mißbrauch vorzubeugen
. .
87
1. Formelle Prüfungskompetenz oder eingeschränkte Sachprüfung? . . .
87
2. Die Kontrollmechanismen im automatisierten Mahnverfahren
90
D . Die Wirkung des Vollstreckungsbescheids
96
I. Der Begriff der Rechtskraft
98
1. Die Wortbedeutung
99
2. Sinn und Zweck des Zivilprozesses
101
3. Die Rechtskraft als Prozeßschranke
110
a) Die formelle Rechtskraft
114
b) Die materielle Rechtskraft
114
II. Geeignetheit des Begriffs der Rechtskraft für das Mahnverfahren
....
119
1. Die Vorstellung des Gesetzgebers von 1877 und die Reformbestrebungen in der Folgezeit 120 2. Die Novelle von 1977
126
3. Die verwaltungsrechtliche Bestandskraft
129
III. Die Rechtsbehelfe zur Aufhebung eines bestandskräftigen Titels
140
1. Der materielle Rechtsbehelf des § 826 BGB
141
2. Die Abänderungsklage des § 323 ZPO
144
3. Die Restitutionsklage des § 580 ZPO
146
4. Die Rechtsbehelfe des Vollstreckungsrechts: Vollstreckungserinnerung und Vollstreckungsgegenklage, §§ 766, 767 ZPO 146
nsverzeichnis
9
a) Die Funktion des § 766 ZPO
148
b) Die Effektivität des § 767 ZPO
152
I V . Die Notwendigkeit des Schuldnerschutzes
156
E. Ergebnisse
163
Literaturverzeichnis
166
Abkürzungsverzeichnis ABGB
=
Österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch vom 1. 6. 1811
AcP
=
AGBG
=
AnwBl
=
AöR
=
Archiv des öffentlichen Rechts (Band, Seite)
ArchBürgR
=
Archiv für bürgerliches Recht (Band, Seite)
Bank + Markt
=
BB
=
Der Betriebsberater (Jahr, Seite)
BFH
=
Bundesfinanzhof
BGB
=
Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896
BGBl
=
Bundesgesetzblatt (Teil, Seite)
BGHSt
—
Β GHZ
=
Archiv für die civilistische Praxis (Band, Seite) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. 12.1976 Anwaltsblatt, Nachrichten für die Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins (Jahr, Seite)
Bank und Markt - Beilage zur Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr, Heft, Seite)
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band, Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. 8. 1959
BRAO
=
BT-Drucksache
=
Drucksachen des Bundestages (Legislaturperiode, Nummer)
BVerfG
=
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite)
DAR
=
Deutsches Autorecht (Jahr, Seite)
DB
=
Der Betrieb (Jahr, Seite)
DGVZ
=
Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung (Jahr, Seite)
DÖV
=
Die öffentliche Verwaltung (Jahr, Seite)
DR
=
Deutsches Recht (Jahr, Seite)
DRiZ
=
Deutsche Richterzeitung (Jahr, Seite)
DRpfl
=
Deutsche Rechtspflege (Jahr, Seite)
DuR
=
Demokratie und Recht (Jahr, Seite)
FamRZ
=
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite)
FAZ
=
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FLF
=
Finanzierung, Leasing, Factoring (Jahr, Heft, Seite)
GG
=
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949
GWB
=
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 24. 9.1980
Abkürzungsverzeichnis
11
JA
= Juristische Arbeitsblätter (Jahr, Seite)
Jher. Jb.
= Jherings Jahrbuch für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts (Band, Seite)
JR
= Juristische Rundschau (Jahr, Seite)
Jur. Büro
= Das Juristische Büro (Jahr, Seite)
JuS
= Juristische Schulung (Jahr, Seite)
JW
= Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)
JZ
= Juristen-Zeitung (Jahr, Seite)
KG
= Kammergericht
KWG
= Gesetz über das Kreditwesen in der Fassung vom 11.7.1985
LM
= Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring (Gesetzesstelle, Entscheidungsnummer)
MDR
= Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite)
MK
= Münchener Kommentar (Band, Paragraphen)
NJW
= Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)
NJW-RR
= Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport Zivilrecht (Jahr, Seite)
NWB
= Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht (Loseblattsammlung, Jahr, Seite)
OLGZ
= Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahrgang, Seite)
PAngVO
= Verordnung zur Regelung der Preisangaben vom 14. 3.1985
RabelsZ
= Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel (Jahr, Seite)
RGBl
= Reichsgesetzblatt
RGZ
= Amtliche Sammlung der Reichsgerichtsrechtsprechung in Zivil-
RpflBl
= Rechtspflegerblatt (Jahr, Seite)
sachen (Band, Seite) Rpfleger
= Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite)
RuW
= Recht und Wirtschaft (Jahr, Seite)
TW
= Die Teilzahlungswirtschaft (Jahr, Heft, Seite)
UWG
= Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6. 1909
VerBAV
= Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen (Jahr, Seite)
VersR
= Versicherungsrecht. Juristische Rundschau für die Individual Versicherung (Jahr, Seite)
W G
= Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. 5.1908
VwGO
= Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1. 1960
VwVfG
= Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. 5.1976
WM
= Wertpapiermitteilungen (Jahr, Seite)
WZ
= Westdeutsche Zeitung
ZfK
= Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr, Seite)
12
Abkürzungsverzeichnis
ZHR
= Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht, jetzt für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band, Seite)
ZIP
= Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Jahr, Seite)
ZPO
= Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 12. 9. 1950
ZRP
= Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite)
ZZP
= Zeitschrift für Zivilprozeß (Band, Seite)
Einleitung Anfang des Jahres 1984 fand im Bonner Bundeshaus eine Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion statt. Unter dem Thema „Der Moderne Schuldturm" 1 diskutierten u. a. Experten von Banken, Vertreter der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sowie Mitarbeiter von Schuldnerberatungsstellen 2 mit Bundestagsabgeordneten über die Situation der notleidend gewordenen Konsumentenkredite. Grundlage war eine vom Bundesjustizministerium herausgegebene empirische Untersuchung zur Rechtssoziologie und Ökonomie des Konsumentenkredits 3: Die Studie ergab, daß nahezu jeder zweite Haushalt (48%) über einen Teilzahlungskredit verfügt 4 . Während der Kreditlaufzeit eintretende Arbeitslosigkeit führt dazu, daß diese Kredite notleidend werden. Der Begriff „notleidend" umfaßt im banktechnischen Sinn drei Fallgruppen: 1. Die Fälle, in denen der Kreditnehmer nur noch mit Mühe die Ratenzahlungen aufbringen kann, wenn er sich also anderweitig einschränken muß; 2. die Zahlungsverzögerungen, die üblicherweise zu Prolongationen und Umschuldungen führen; 3. - und als die bedeutsamsten Fälle - die gekündigten Kredite und die Kredite in der Zwangsvollstreckung. Die Studie enthält weiterhin alarmierende Feststellungen5. Über 1 Million Konsumentenkreditverträge weisen einen effektiven Jahreszins von 100% über dem Schwerpunktzins der Deutschen Bundesbank auf. Die Darlehnsverträge sind bei Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel sittenwidrig. Der dadurch entstehende Verbraucherschaden wird auf über 3 Milliarden D M beziffert. In dieser Höhe stehen den Verbrauchern Rückforderungsansprüche oder Leistungsverweigerungsrechte zu, die allerdings - etwa in Höhe einer 3A Milliarde - nicht realisierbar sind, weil die Forderung durch Urteil oder Voll1
Vgl. die Pressemitteilung in Westdeutsche Zeitung (WZ) vom 16. Mai 1984. Danach leben 1 Million Bundesbürger im „modernen Schuldturm". Dies provozierte die Frage, ob „bald Konkursrichter die private Familienpleite regeln?". 2 Groth, bm-Sonderausgabe 1985, 18ff. ausführlich zur Schuldnerberatung. 3 Hörmann / Holzscheck / Daviter, Praxis des Konsumentenkredits, 1982. 4 De With / Nack ZRP 1984, 1; diese Prozentzahl gibt zugleich Aufschluß über die gewandelte Einstellung zur Verschuldung und zum Konsum: Es ist nicht mehr die allgemeine Einstellung verbreitet, daß „man" zum Zweck des Konsumes keine Schulden macht, sondern erst nach ausreichenden Ersparnissen konsumiert. 5 SPD-Fraktion, Schuldturm / Hörmann, S. 3.
14
Einleitung
streckungsbescheid „rechtskräftig" geworden ist. Darüber hinaus ergibt sich ein auffallendes Defizit der Titel aus dem streitigen Verfahren gegenüber dem Titel aus dem Mahnverfahren. Die Untersuchungen von Hörmann 6 belegen, daß der Kreditgeber in 87% aller Fälle, d. h. der durch den Kreditgeber gekündigten Ratenkreditverträge, den Titel aus dem Mahnverfahren erlangt. Dabei umfaßt diese Prozentzahl sowohl die gekündigten Ratenkredite, bei denen unmittelbar nach der Kündigung das Mahnverfahren eingeleitet wird, als auch die Ratenkredite, bei denen nach erfolgter Kündigung zunächst Neuvereinbarungen zur Wiederaufnahme eines Ratenplanes getroffen wurden, die aber wegen der Zahlungsschwierigkeiten der Schuldner scheiterten. Dank der von Hörmann 7 durchgeführten Analyse der gekündigten Ratenkredite ist nunmehr statistisch nachweisbar, daß nicht alle Banken mit gleicher Häufigkeit die gekündigten Ratenkredite dem Mahnverfahren zuführen. A m geringsten ist die Quote bei den Großbanken. Mit 57% 8 liegen die Großbanken unter den Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie sonstigen Kreditbanken und Kreditinstituten, die in 63 - 65% der Fälle das Mahnverfahren einleiten. Dagegen bedienen sich die Teilzahlungsbanken9 bei 79% der gekündigten Ratenkredite des Mahnverfahrens. Diese Tatsache ist um so erstaunlicher, als sich die Teilzahlungsbanken - deutet man die von ihnen betriebene Werbung richtig - als Banken des privaten Kunden, sprich als Banken der „kleinen Leute" verstehen. Für den Kreditnehmer, dessen Ratenkredit gekündigt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, im Wege des Mahnverfahrens zur Rückzahlung der Darlehnsvaluta verurteilt zu werden, bei den Teilzahlungsbanken wesentlich höher als bei einem Kreditinstitut jeder anderen Bankengruppe. Die Tatsache der massenhaften Einleitung des Mahn Verfahrens durch die Teilzahlungsbanken erhält zudem eine besondere Gewichtung, wenn man bedenkt, daß diese Bankengruppe ohnehin mit dem Makel behaftet ist, sittenwidrige Ratenkreditverträge abzuschließen. Somit drängt sich der Verdacht einer mißbräuchlichen Benutzung des Mahnverfahrens auf. Der Kreditwucher ist kein neues, gleichwohl aber nach wie vor ungelöstes Problem der Rechtspolitik, wie die 1984 im Bundestag geführte Anhörung belegt. Zu dieser bekannten Problematik tritt nunmehr die rechtstatsächlich 6
Hörmann, Studie, S. 287. ders., Studie, S. 289. 8 Hörmann, Studie, Tab. D X I I 1 / 1 . 9 Synonym werden auch die Begriffe „Ratenkreditbank" oder „Teilzahlungskreditinstitut" verwendet. Teilzahlungskreditinstitute unterscheiden sich von anderen Bankformen insbesondere dadurch, daß sie sich entweder völlig oder schwerpunktmäßig auf den Konsumentenkredit spezialisiert haben. Die Spezialisierung ist historischen Ursprungs, da insbesondere die Teilzahlungsbanken früher keine Erlaubnis für andere Bankgeschäfte als die Kredithergabe erhielten. Diese „Einseitigkeit" ist heute bei vielen Teilzahlungsbanken beseitigt, so daß das Leistungsangebot dem der Universalbanken gleicht. Vgl. dazu sowie zu den „Typen der Teilzahlungsbanken", Brandau, S. 12f. 7
Einleitung
belegbare Erkenntnis hinzu, daß Wucher und während der Kreditlaufzeit eintretende Arbeitslosigkeit, die zwar breite Bevölkerungskreise betrifft, - zusammen viele hunderttausend Bürger - , jedoch vorwiegend Arbeiter in eine ausweglose Situation bringen. Für die Betroffenen bedeutet dies, daß sie auf Jahrzehnte an der Pfändungsgrenze leben, so daß die wirtschaftliche Notlage der Schuldner treffend mit dem Ausdruck „moderner Schuldturm" gekennzeichnet wird. In Anbetracht der Vielzahl juristischer Probleme im Bereich der Verbraucherverschuldung durch Teilzahlungskreditverträge wird im Rahmen dieser Abhandlung das Mahnverfahren sozusagen als „Ausgangspunkt allen Übels" in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Kernstück ist dabei der Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung und die dadurch ermöglichte Automation des Verfahrens. Besonderes Gewicht erhält in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß trotz Wegfalls der Schlüssigkeitsprüfung ein „rechtskräftiger" Titel erzielt werden kann 10 . Dabei erscheint es jedoch bedenklich, auch nach dem Entfallen der Schlüssigkeitsprüfung dem Vollstreckungsbescheid noch die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils beizulegen und damit an der Gleichstellung mit dem Titel aus dem streitigen Verfahren festzuhalten 11. Klargestellt sei, daß nicht sämtliche mit dem neugefaßten Mahnverfahren sowie den Konsumentenratenkreditverträgen verbundenen rechtlichen Probleme an dieser Stelle bearbeitet und einer sachgerechten Lösung zugeführt werden können. Gleichwohl hat sich die Verfasserin bemüht, die in diesem Zusammenhang rege diskutierten Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung des Gesetzesinstrumentariums aufzuzeigen und einen Beitrag zur Problemlösung - insbesondere bei sittenwidrigen Ratenkreditverträgen - zu leisten. Allerdings soll sich das Konzept nicht auf diese Fallgruppe beschränken. Der Erhalt des Gesamtzusammenhangs ist gerade für die vorliegende vielschichtige Problematik der Verbraucherverschuldung im Konsumentenkreditgeschäft wesentlich. Neben rechtspolitischen und juristischen Erwägungen stehen gleichberechtigt - bei der Frage der Preisberechnung durch die Teilzahlungsbanken - wirtschaftliche Vorgänge 12 . Dabei ist es Aufgabe eines juristischen Konzeptes, die wirtschaftswissenschaftlichen sowie rechtspolitischen Erkenntnisse in die rechtswissenschaftlichen Wertungen mit einzubeziehen. Gemäß ihrer Themenstellung stellt die vorliegende Arbeit im ersten Teil sowohl wirtschaftliche Hintergründe des Mahnverfahrens als auch Fakten zum Konsumentenratenkredit vor. Dabei werden neben Einzelproblemen des 10 So zuletzt O L G Hamburg, Urteil vom 17.1.1985, NJW 1985, 749 (750). 11 Vgl. dazu Bunte, NJW 1985, 705 (706), der die Frage aufwirft, aber unbeantwortet läßt; ebenso O L G Karlsruhe NJW 1985, 744 (745); a. A . O L G Düsseldorf NJW 1985, 747, das „ohne Bedenken" an der Gleichstellung von Urteil und Vollstreckungsbescheid festhält. 12 Vgl. Brandau durchgehend zur Frage der Preisbildung im Konsumentenkreditgeschäft.
16
Einleitung
Mahnverfahrens die im Konsumentenkreditgeschäft auftretenden Fragestellungen analysiert und in Beziehung gesetzt zu den Möglichkeiten des Schuldnerschutzes im Mahnverfahren. Daran anschließend werden im zweiten Teil diese Erkenntnisse bei der Frage nach der Berechtigung eines „rechtskräftigen" Titels (Vollstreckungsbescheids) und des hiergegen gerichteten Rechtsschutzes verwertet.
Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens I. Der Zweck des Mahnverfahrens und seine wirtschaftliche Bedeutung Seiner Konzeption nach ist das Mahnverfahren darauf angelegt, dem Antragsteller in Fällen voraussichtlich unbestrittener Ansprüche in kurzer Zeit auf vereinfachte Weise und ohne mündliche Verhandlung zu einem Vollstrekkungstitel zu verhelfen. Angesichts der Tatsache, daß im Bundesgebiet pro Jahr ca. 5 Millionen Mahnbescheide1 zu erledigen sind und damit dem Mahnverfahren eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, drängte sich zwangsläufig eine Rationalisierung des Verfahrens, auch unter Einsatz der maschinellen Datenverarbeitung, auf. Zudem lehrte die Erfahrung, daß das Mahnverfahren alter Art aufgrund der Formzwänge und kurzen Fristen und seiner eigenen Automatik wegen dazu benutzt wurde und sich auch benutzen ließ, massenhaft unberechtigte Ansprüche gegen justiz- und verfahrensunkundige Parteien durchzusetzen 2. Bestärkt wurden die Reformbestrebungen zusätzlich dadurch, daß wegen der Masse der Mahnanträge die Rechtspfleger die Schlüssigkeitsprüfung nur noch sehr eingeschränkt durchführen konnten. Nach Auskunft der mit Mahnanträgen befaßten Rechtspfleger betrug die für die Erledigung eines Mahnverfahrens aufgewandte Zeit durchschnittlich vier Minuten. So erfuhr das Mahnverfahren durch die Vereinfachungsnovelle 3 weitreichende und praktisch bedeutsame Veränderungen. Neben terminologischen Neuerungen 4 enthält die novellierte Fassung drei Kernpunkte: 1. Die Einführung der Zuständigkeit des Amtsgerichts am Wohnsitz des Gläubigers; 2. den Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung; 3. die Möglichkeit der Einführung maschineller Bearbeitung der Anträge. Zudem wurde durch die Einführung umfangreicher Belehrungen des Antragsgegners der Schuldnerschutz verstärkt. Trotz einiger begrüßenswerter Änderungen wird die Neuregelung hinsichtlich Detailregelungen nach wie vor kritisiert. Richter und Rechtsanwälte weisen darauf hin, daß einige sich 1
Diese Zahl beruht auf einer Erhebung von 1979; vgl. Büchel, NJW 1979, 945. Gilles, NWB 1977, Fach 19, S. 995. 3 In Kraft getreten am 1.7.1977. 4 Mahnbescheid statt Zahlungsbefehl, Vollstreckungsbescheid statt Vollstreckungsbefehl. 2
2 Bamberg
Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
18
gerade für die Praxis stellende Fragen u n d Schwierigkeiten bei der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bis heute nicht zufriedenstellend gelöst sind 5 .
I I . D i e Mißbrauchstatbestände D e r Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung provozierte K r i t i k 1 . D e r B u n d D e u t scher Rechtspfleger 2 ist der Auffassung, durch die gesetzliche Regelung des § 690 I N r . 3 Z P O werde der Rechtsschutz des Bürgers gefährdet, da die für i h n dringend notwendige Prüfung des geltend gemachten Anspruchs wegfalle. Z w a r räumen die Rechtspfleger ein, daß die Überprüfung des Anspruchs nach altem Recht auch nicht o p t i m a l gewährleistet war, w e i l aufgrund der Masse der Anträge i . d . R . nur 4 M i n u t e n zur Überprüfung eines Antrags blieben. Jedoch sei die grundsätzlich auf eine Formalkontrolle beschränkte Prüfungspflicht des Rechtspflegers dazu geeignet, das Mahnverfahren zu mißbrauchen, u m ungerechtfertigte Ansprüche titulieren zu lassen 3 . Vergegenwärtigt man 5 Die Erörterung der Zuständigkeitsproblematik führte an dieser Stelle zu weit. Vgl. die folgenden Nachweise zur Bestimmung des Mahngerichts, zur Zuständigkeit des Gerichts bei Durchführung des Streitverfahrens, zur Problematik des ausschließlichen Gerichtsstandes, zur Weiterverweisung an ein wahlweise zuständiges Gericht gem. § 35 ZPO sowie zur Zuständigkeit bei mehreren Schuldnern als Streitgenossen: Entwurf BT-Drucksache 7/2729; O L G Köln M D R 1976, 496; B G H NJW 1978, 321 u. 1982; O L G Düsseldorf Rpfleger 1978, 184; L G Köln NJW 1978, 650; L G Duisburg Rpfleger 1978, 223 mit Anm. Vollkommer ebda; A G Marl NJW 1978, 651; A G Simmern Rpfleger 1978, 104; A G Wuppertal Rpfleger 1978, 225; B G H Rpfleger 1984, 26 m. Anm. v. Quack ebda, S. 27f.; L G Hamburg NJW 1985,1967; BGHSt 24,257 gleichzeitig zur Frage eines versuchten Prozeßbetruges im Mahnverfahren; vgl. dazu ferner Dreher / Tröndle, § 263 Rdn. 22 m.w.N.; Bublitz, W M 1977, 574; Büchel, NJW 1979, 945; Crevecoeur, NJW 1977, 1320; Engels, AnwBl 1978, 172 zur Haftpflichtgefahr des Rechtsanwalts im Mahnverfahren; Fleckenstein, VersR 1978, 698; Hartmann, NJW 1978, 1457; Herbst, Rpfleger 1978, 199; Holch, Das gerichtliche Mahnverfahren nach der Vereinfachungsnovelle, 1978; Hornung, Rpfleger 1978, 429; Hundertmark, D B 1977, 2127; Kratzer, D B 1978, 477; Lappe, NJW 1978, 2379; Niepmann, NJW 1985, 1453; Menne, NJW 1979, 200, ders., „Das Mahnverfahren", 1979; Seip, D G V Z 1977, 36; Schäfer, NJW 1985, 296; Schlemmer, Rpfleger 1978, 201; Schneider, Jur. Büro 1977,1651; Schriever, NJW 1978,1038; Weimar, D B 1977, 1450. 1 Vgl. dazu die Pressemitteilung, Westdeutsche Zeitung (WZ) vom 7.8.1984: Der Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung führe zu „unerträglichen Auswüchsen in Millionen Mahnverfahren gegen viele arme Teufel", da die Rechtspfleger „unbesehen den Mahnbescheid unterschreiben, mit dem Gerichtssiegel versehen und an den Schuldner senden müssen." Der Aufdruck, das Gericht habe den Anspruch des Gläubigers nicht geprüft, motiviere den Schuldner nicht, sich der zulässigen Rechtsbehelfe zu bedienen. „So mündig, wie der Gesetzgeber es ihnen (den Schuldnern) unterstellt, sind viele Bürger leider nicht". 2 Erklärung des Bundes Deutscher Rechtspfleger e. V . , D R i Z 1978, 116; ebenso in einem Schreiben an den Bundesminister der Justiz vom 16.2.1978. 3 Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung, D R i Z 1980, 395, wonach die Einführung eines Sonderstraftatbestandes für den Mißbrauch des Mahnverfahrens abgelehnt wird.
II. Die Mißbrauchstatbestände
19
sich, daß der Wegfall der bisherigen Schlüssigkeitsprüfung notwendig wurde, um das automatisierte Verfahren zu ermöglichen, so sind Zweifel an der Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit verständlich. Diese Bedenken erhalten ein besonderes Gewicht, wenn man den Rationalisierungsgedanken des Gesetzgebers konsequent weiterverfolgt. Die Vereinfachung des Mahnverfahrens erlangt insbesondere Bedeutung in den Mengengeschäften, so im Konsumentenkredit- und Versandhausgeschäft. Die Mengengeschäfte sind durch eine massenhafte Verfolgung der ausstehenden Forderungen im Wege des Mahnverfahrens charakterisiert. Aufgrund der computermäßigen Rationalisierung des Verfahrens ist es denkbar, daß z. B. Versandhäuser selbst Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheide verschicken, weil das Amtsgericht, in dessen Bereich ein Versandhaus oder ein anderer Großgläubiger liegt, über Datenverarbeitungsanlagen nicht verfügt. Auch wenn dieser Gedanke letztlich aufgegeben worden ist, so ist doch die Gefahr nicht zu verkennen, daß zur zügigen Bearbeitung der ständig steigenden Zahl der Mahnanträge auf Datenverarbeitungsanlagen von Großgläubigern zurückgegriffen werden könnte 4 . Zweifellos ließe sich auf diese Weise eine erhebliche Rationalisierung erzielen, wenn die Computeranlagen von Quelle, Bertelsmann, Otto und anderen Großgläubigern so programmiert würden, daß sie unter automatischer Fristenkontrolle nicht nur Rechnungen und Mahnschreiben verschicken, sondern, wenn die letzte Mahnung erfolglos bleibt, auch einen Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides fertigen und diesen, der Einfachheit halber, im selben Arbeitsgang bewilligend bescheiden, mit dem Gerichtssiegel versehen und dem Schuldner zustellen5. Selbst wenn man den Computer unter die Aufsicht eines Rechtspflegers stellte, so bliebe dennoch der Eindruck, als leiste sich der Großgläubiger sein eigenes Gericht. Mag eine solche extreme Entwicklung mit rechtsstaatlichen Geboten nicht zu vereinbaren und daher nicht zu realisieren sein, so ist dennoch eine dahingehende Tendenz möglich, nicht zuletzt wegen des kraft Gesetzes ermöglichten Datenträgeraustausches (§ 690 I I I ZPO). Der Datenträgeraustausch kommt für Antragsteller ohne Prozeßbevollmächtigte in Betracht, deren Computeranlagen Magnetbänder mit einer bestimmten Aufzeichnungsdichte erzeugen können. Danach ist es vereinfacht gesagt - möglich, die Informationen direkt von Computer zu Computer zu übermitteln, indem der Antragsteller seinen Mahnantrag mittels seines Computers bei dem zuständigen Amtsgericht stellt. Der Computer des Gerichts empfängt die Mitteilung des Gläubigers (Antrag auf Erlaß eines Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheids) und „erläßt" den gewünschten Bescheid mit ausgedrucktem Gerichtssiegel. Ferner stellt sich die Frage, wie man es denjenigen Antragstellern oder Prozeßbevollmächtigten, die keine Magnetbänder für den Datenträgeraustausch zur Verfügung haben, ermög4 5
2*
Katholnigg, BB 1975, 114 (115). Rogge, D R i Z 1971, 228.
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Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
liehen kann, eine vorhandene EDV-Technologie (etwa Büro- oder Personalcomputer) zu nutzen. Derzeit wird geprüft, ob eine Antragstellung des Gläubigers und der Empfang der Mitteilung durch das Gericht mittels Datenfernübertragung (DFG) über das Datex-Netz, das Fernsprechnetz oder das Direktruf netz (Standleitung) der Deutschen Bundespost möglich ist. Mag der Gedanke an eine sich anbahnende Computerjustiz berechtigterweise Unbehagen auslösen, so ist grundsätzlich eine Entlastung der Gerichte auch unter Einsatz der Technik begrüßenswert und erforderlich. Gerade im Hinblick auf den Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung stellt sich aber die Frage, ob die Einführung der Technik dem Schuldner nicht einen zu hohen Preis abverlangt. Dies wäre dann der Fall, wenn das Verfahren zu Lasten des Schuldners mißbraucht werden kann und dieser dem das Verfahren betreibenden Gläubiger schutzlos ausgeliefert ist. Dies hängt von der Definition des Mißbrauchsbegriffs ab, und davon, ob die dem Schuldner eingeräumten Rechtsbehelfe, wie Widerspruch oder Einspruch, ausreichenden Rechtsschutz gewähren. In diesem Zusammenhang spielen sowohl die Praktiken der Gläubiger als auch die Schuldnermentalität eine Rolle. Vor dem Hintergrund der im folgenden herauszuarbeitenden Mißbrauchsfälle ist zu erörtern, ob das Mahn verfahren auch nach dem Wegfall der Schlüssigkeitsprüfung die Möglichkeit gibt, auf die Mißbräuche zu reagieren. Ferner bestehen aufgrund des Wegfalls der Schlüssigkeitskontrolle Bedenken, ob es gerechtfertigt ist, dem Gläubiger mittels des Mahnverfahrens einen „rechtskräftigen" Titel zu verschaffen. Letztlich führt dies zu der Frage, ob das Mahnverfahren, auch und gerade unter Berücksichtigung der möglichen Entwicklungen, Anspruch darauf erheben kann, einem Gerichtsverfahren gleichgestellt zu werden. Die folgenden Ausführungen dienen zunächst der Erfassung von Mißbrauchstatbeständen, anhand derer die vorstehend genannten Fragestellungen auf adäquate Lösungsmöglichkeiten hin untersucht werden.
1. Der Begriff „Mißbrauch"
Dieser Begriff ist der Rechtsordnung nicht unbekannt. So stellt der Untreuetatbestand des § 266 StGB den Mißbrauch einer durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, unter Strafe, wenn dadurch demjenigen, dessen Vermögensinteressen zu betreuen sind, Nachteil zugefügt wird. Ferner ermächtigt § 22 V GWB die Kartellbehörde unter bestimmten Voraussetzungen dazu, marktbeherrschenden Unternehmen ein „mißbräuchliches Verhalten zu untersagen . . .", nachdem sie diese zuvor aufgefordert hat, „den beanstandeten Mißbrauch abzustellen". Zieht man die strafrechtliche Definition des Mißbrauchstatbestandes heran, so ist dieser erfüllt, wenn das vom Täter eingegangene Geschäft von der erteilten
II. Die Mißbrauchstatbestände
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Vollmacht zwar gedeckt ist, jedoch im Widerspruch zu den Pflichten aus dem Innenverhältnis steht 6 . Die wettbewerbsrechtliche Inhaltskontrolle hat die Zielsetzung, „die Ausnutzung der aus der marktbeherrschenden Stellung resultierenden Gestaltungsfreiheit zum Nachteil Dritter schon durch ihre Existenz zu verhindern" 7 . Viel allgemeiner ist das Verbot des Rechtsmiß- bzw. fehlgebrauchs in § 242 BGB angesiedelt. Der Rechtsmißbrauch bezeichnet den Tatbestand der mißbilligten Inanspruchnahme eines Rechts8. So hat sich jede Rechtsausübung im „Rahmen des mit der Ordnung des jeweiligen Rechts-Instituts gesetzen Zweckes zu bewegen" 9 . Der Fehlgebrauch eines Rechtes kann sich darauf beziehen, daß die Rechtsverfolgung vom Schutzoder Normzweck der Vorschrift nicht erfaßt wird, die Rechtsausübung als solche als fragwürdig erscheint oder der Gläubiger in einseitiger Interessendurchsetzung die Belange seines Gegners gröblich vernachlässigt 10. Die verschiedenen Ansatzpunkte zur Überprüfung, ob ein Rechtsmißbrauch vorliegt, verdeutlichen, daß es eine allgemein verbindliche Definition des Rechtsmißbrauchs nicht geben kann 11 . Vielmehr muß ausgehend von dem jeweiligen Rechtsinstitut geprüft werden, ob das Vorgehen des Gläubigers in dieser Fallkonstellation angesichts der gebotenen Interessenabwägung als mißbräulich erscheint. Bezogen auf das Mahnverfahren läßt sich der Mißbrauchstatbestand dahingehend konkretisieren, daß er erfüllt ist, wenn der dem Gläubiger zur Verfügung gestellte Verfahrenstyp aufgrund der damit verbundenen Besonderheiten dazu genutzt wird, eine Forderung zur Titulierung zu bringen, die offensichtlich unbegründet ist. Zwar ist der Begriff „offensichtlich" recht unbestimmt, jedoch schließt dies nicht die Brauchbarkeit des Definitionsansatzes aus, wenn aufgrund typischer Fallsituationen die Vermutung besteht, es werde eine unberechtigte Forderung geltend gemacht. Ein geeigneter Vermutungstatbestand liegt wiederum vor, wenn allein das Vorliegen bestimmter Fallkonstellationen den Verdacht begründet, es werde eine Forderung geltend gemacht, die mit hoher Sicherheit bei Durchführung eines streitigen Verfahrens gar nicht oder jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe tituliert 6
Dreher / Tröndle, § 266 Rdnr. l a , 2, 7. M K / Kramer, vor § 145 Rdnr. 21. 8 Unzulässige Rechtsausübung bezeichnet die Rechtsfolge, daß die Ausübung oder Durchsetzung (zumindest zeitweilig) verwehrt wird; dazu M K / Roth, § 242 Rdnr. 224, 249. 9 Esser / Schmidt, § 10 I I I 1, S. 146ff.: „ Z u dieser Zweckbetrachtung gehört auch die sog. Normzwecklehre, die sich mit der Bandbreite und dem Schutzumfang einer Gesetzesvorschrift sowohl dem Tatbestand wie der Rechtsfolge nach beschäftigt". Vgl. zur Einbeziehung des Umgehungsgeschäftes in diesen Problemkreis Esser / Schmidt, aaO, S. 148f. 10 Zum „individuellen Rechtsmißbrauch" vgl. Esser / Schmidt, § 10 I I I 2. 11 Allerdings haben sich Fallgruppen herausgebildet, die jedoch nur indiziellen Charakter haben können; vgl. dazu die Zusammenstellungen bei Esser / Schmidt, § 10 I I I a - f, S. 150 ff.; M K / Roth, § 242 Rdnr. 224 ff., 249ff. 7
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Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
worden wäre. Die Erfassung der zur Ausfüllung der Vermutungstatbestände geeigneten Fallkonstellationen wird dadurch erleichtert, daß die Erfahrungen mit dem Mahnverfahren bereits zur Feststellung typischer Fallkonstellationen geführt haben. 2. Die typischen Fallkonstellationen
Die für das Mahnverfahren zuständigen Rechtspfleger haben bundesweit übereinstimmend festgestellt 12, daß mittels dieses Verfahrens u.a. folgende Forderungen unberechtigt geltend gemacht werden: a) Kaufpreisforderungen werden vor Fälligkeit und ohne Vorleistungsverpflichtung erhoben; b) Verzugszinsen werden von einem Zeitpunkt an gefordert, zu dem sich der Schuldner gemäß § 284 BGB noch nicht in Zahlungsverzug befunden hat (z.B. Zinsen bereits ab Rechnungsdatum, bei mehreren Rechnungen ab Datum der ältesten Rechnung; bei Ansprüchen auf Zahlung mehrerer Monatsmieten gelegentlich ab dem ersten Monat, obwohl ein gestaffelter Zinsbeginn korrekt wäre) ; in Scheck- und Wechsel-Mahnverfahren werden Verzugszinsen über dem gesetzlichen Zinssatz (6%) entgegen Art. 48 WG, Art. 45 ScheckG gefordert; c) trotz des Verbots des § 289 BGB werden Zinseszinsen gefordert oder wird ein zu hoher Zinssatz geltend gemacht; d) vorgerichtliche Kosten und Auslagen werden mit überhöhten Beträgen geltend gemacht, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Hauptforderung stehen: 80 D M Hauptforderung zu 25 D M Nebenforderung; 917 D M Hauptforderung zu 533 D M Nebenforderung. Vielfach läßt sich nicht feststellen, woraus sich die Nebenforderungen zusammensetzen und wofür sie verwendet werden; e) in über EDV-Anlagen gefertigten Mahngesuchen werden neben Hauptund sonstigen Nebenforderungen zusätzlich monatliche Kontoführungsgebühren gefordert; hierin liegt ein eindeutiger Verstoß gegen § 688 ZPO; f) auch im arbeitsgerichtlichen Mahnverfahren werden z.B. Anwaltskosten gefordert, die in dem Verfahren selbst entstanden sind bzw. entstehen, obwohl deren Erstattungsfähigkeit nach § 61 ArbGG ausgeschlossen ist.
12 Vgl. die Erklärung des Bundes Deutscher Rechtspfleger e. V . , D R i Z 1978, 116; nachzulesen auch bei Schulz, ZRP 1978, 93; gegen die Bedenken der Rechtspfleger Franzki, NJW 1979, 9 (14), der lediglich von einem „Mangel der Vordrucke" spricht.
II. Die Mißbrauchstatbestände
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In den dargelegten Fällen sind die Forderungen offensichtlich unberechtigt, weil sich bereits aufgrund gesetzlicher Vorschriften die Unzulässigkeit ihrer Geltendmachung ergibt. Hier ist auch für den Gläubiger erkennbar, daß er eine unberechtigte Forderung erhebt, weil die das Verfahren betreibenden Gläubiger in den seltensten Fällen völlig rechtsunkundig sind. Dies gilt um so mehr, erinnert man sich daran, daß das Mahnverfahren größtenteils von Großunternehmen und Inkassodiensten genutzt wird. Der Vorwurf der mißbräuchlichen Benutzung eines Verfahrens kann auch dann berechtigt sein, wenn mittels des Mahnverfahrens überhöhte Forderungen tituliert werden, die nach geltender Rechtsprechung sittenwidrig sind. In diesem Zusammenhang wird die Problematik der Teilzahlungskreditverträge relevant. Entsprechend der Themenstellung dieser Arbeit soll die Mißbrauchsproblematik anhand der Teilzahlungskreditverträge dargestellt werden. Dazu seien zwei Beispiele 13 vorangestellt, die die „Entwicklung" eines Kreditvertrages vom Vertragsabschluß, der Kreditstörung bis hin zum rechtskräftigen Titel verdeutlichen 14 . Zugleich geben die Beispiele Aufschluß über die Verschuldung der Schuldner: Herr X ist 33 Jahre alt, gelernter Kfz-Schlosser. Er verdiente zur Zeit der Kreditaufnahme im Januar 1977 ca. 1800,- D M monatlich. Frau X , 27 Jahre alt, Hausfrau, arbeitet gelegentlich als Putzhilfe im Schnitt für 320,- D M im Monat. Herr X nahm 1977 nach seiner Heirat bei einer Teilzahlungsbank einen Kredit von 14 000,- D M zur Einrichtung der Wohnung auf. Die Rückzahlungsverpflichtung betrug über 22 000,- D M . Herr X wechselte 1978 seine Arbeitsstelle. Dadurch verzögerte sich die Lohnzahlung, und er konnte seine Raten nicht pünktlich entrichten. Die Bank beantragte Mahn- und Vollstrekkungsbescheid über mehr als 17 000,- D M . Familie X legte dagegen keine Rechtsbehelfe ein. 1979 wurde Herr X arbeitslos. Durch die weiterhin von ihm geleisteten Ratenzahlungen an die Bank konnte er 310,- D M Kaltmiete nicht mehr aufbringen. Zwangsräumung und Unterbringung der Familie in einer sog. Schlichtwohnung im Jahre 1980 waren die Folge. Die mit dem Kredit bezahlte Wohnungseinrichtung wurde zwangsversteigert. Herr X hat seit drei Jahren wieder Arbeit und verdient 1520,- D M monatlich brutto. Das Einkommen wird bis auf die Freigrenze gepfändet. Der Familie stehen insgesamt netto 900,- D M zur Verfügung. Auf den erhaltenen Nettokredit von 14 000,D M wurden bisher insgesamt 13 000,- D M gezahlt. Trotz weitgehend regelmäßiger Zahlungen betragen die Forderungen der Bank einschließlich 28,8% Verzugszinsen pro Jahr noch rund 24 000,- D M . Die monatlich anfallenden Verzugszinsen werden durch die Raten nicht abgedeckt, so daß die Schulden ständig weiter steigen. 13
SPD-Fraktion, Schuldturm / Schaffartzik / Kähler, S. 3 7 - 4 1 , S. 181 f. Die Problematik der Umschuldung sittenwidriger Altverträge bleibt im Rahmen dieser Abhandlung unberücksichtigt. 14
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Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
Herr Z , Krankenpflegerhelfer mit einem Monatsverdienst von 1800,- D M netto, nahm 1978 bei einer Teilzahlungsbank einen Kredit über 21 000,- D M zur Ablösung alter Kreditschulden und zur Anschaffung von Möbeln auf. Bei einem effektiven Jahreszins von 22,19% gegenüber bankenüblichen 8,15% und zusätzlich belastender Kreditbedingungen betragen die RückZahlungsverpflichtungen insgesamt 37 500,- D M . Herr Ζ bezahlte monatlich 440,- D M bis Ende 1980, dem Beginn seiner Arbeitslosigkeit. Die Bank akzeptierte daraufhin eine Reduzierung der Ratenzahlungen auf monatlich 200,- D M , die Herr Ζ bis Ende 1982 von seiner Arbeitslosenhilfe entrichtete. 1983 führte seine Heirat zum Verlust seiner Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe; infolgedessen er auch die reduzierten Beträge nicht mehr aufbringen konnte. Der Vertrag wurde gekündigt und die Forderungen der Bank im Wege des Mahnverfahrens durch „rechtskräftigen" Vollstreckungsbescheid tituliert. Auf 21 000,D M Netto-Kredit hat Herr Ζ bisher ca. 25 000,- D M bezahlt und wird von der Bank noch in Höhe von 20 000,- D M in Anspruch genommen. Seit Ende 1983 arbeitet er als Betriebshelfer und hat monatliche Zahlungen von 200,- D M wieder aufgenommen. Diese decken noch nicht einmal die monatlich auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 254,24 D M ab. Damit steigt trotz regelmäßiger Zahlungen die Gesamtforderung der Bank weiter an 15 . Vor diesem Hintergrund muß man sich nunmehr zunächst vergegenwärtigen, welche Bedeutung die Einleitung des Mahnverfahrens für den Ratenkreditgeber hat. Der in Not geratene, d. h. zahlungsunfähig gewordene Kreditschuldner erkennt i. d. R. an, daß er zur Rückzahlung des Darlehns verpflichtet ist und ist folglich zahlungswillig. Hinzu kommt, daß die Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages noch nicht vorlag, sondern erst während der Kreditlaufzeit aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Fortfall von Zweitverdienern in der Familie, Fortfall von Überstundenentgelten, Scheidung sowie Unterhaltspflichten gegenüber arbeitslosen Kindern eintrat 16 . Allerdings ist zu betonen, daß die Überschuldung 17 der Haushalte nicht ausschließlich aus Konsumentenkreditverträgen herzuleiten ist. 15
Gemäß § 367 BGB werden die eingehenden Zahlungen zunächst auf Kosten und Zinsen und letztlich auf die Hauptleistung verrechnet. Das führt dazu, daß trotz eingehender Zahlungen des Kreditnehmers die Schuld häufig von Monat zu Monat weiter ansteigt. Grundgedanke des § 367 BGB ist, in Fällen, in denen neben der Hauptleistung auch Kosten und Zinsen geschuldet werden, es den Interessen des Gläubigers und der Billigkeit widerspricht, die Anrechnungsbestimmung dem Schuldner zu überlassen. Im Hinblick auf die hohe Kostenbelastung des Kreditschuldners im Verzugsfall wird eine Änderung des § 367 BGB erwogen. Vgl. dazu SPD-Fraktion, Schuldturm / Hörmann / Schaffartzik, S. 7, S. 184ff.; ferner B G H NJW 1984, 2161 f. zur Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 367 BGB; M K / Heinrichs, § 367 Rdnr. 1; RGRK / Weber, § 367 Rdnr. 1. 16 SPD-Fraktion, Schuldturm / Schaffartzik, S. 38. 17 Unter Überschuldung wird die Situation verstanden, daß die Kreditrate höher ist als der freie Einkommensrest zum Zeitpunkt des Kreditabschlusses nach Abzug von Miete und Haushaltsgeld; vgl. dazu SPD-Fraktion, Schuldturm / Hörmann, S. 152.
II. Die Mißbrauchstatbestände
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Vielmehr ist der Kredit i. d. R. die größte Forderung des Mehrfachschuldners. Kreditprobleme sind daher oftmals Auslöser für Folgeprobleme. Die Kreditstörung löst häufig - wie die Beispielsfälle verdeutlicht haben - andere Zahlungsunregelmäßigkeiten (Strom, Gas, Miete) aus. Notdürftig werden „Zahlungslöcher" gestopft, dafür andere gleichzeitig aufgerissen. Letztlich wird die private Überschuldung in Form der Sozialhilfebedürftigkeit volkswirtschaftlich relevant. Aufgrund der Tatsache, daß der Kreditnehmer seine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Bank anerkennt, entsteht zugunsten der Bank ein „Rechtsüberschuß" 18 . Dieser rechtliche Vorteil wird seitens des Kreditgebers dazu genutzt, bei Zahlungsverzug bzw. Fälligstellung der Gesamtdarlehensvaluta nach Kündigung des Vertrages das Mahnverfahren einzuleiten. Der Kreditnehmer legt weder Widerspruch noch Einspruch ein. Der Kreditgeber erhält den Titel im angestrebten Umfang, weil die Prüfungspflicht des Rechtspflegers wegen des Wegfalls der Schlüssigkeitsprüfung weitgehend auf eine Formalkontrolle reduziert worden ist. Gleichwohl kann der Kreditgeber seine Forderung wegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht vollständig realisieren. Nicht „realisierbar" bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch nur, daß der ausstehende Kreditbetrag von der Bank abgeschrieben wird. Freilich kann die Forderung zu einem späteren Zeitpunkt weiter verfolgt und beigetrieben werden 19 . Sofern der Schuldner Arbeitslosenunterstützung oder -hilfe bezieht, kann der Kreditgeber teilweise darauf Zugriff nehmen. Das Mahnverfahren führt also für den Kreditgeber in erster Linie zunächst zu einem rechtlichen Erfolg, bleibt aber wirtschaftlich unergiebig. So sind nachweisbar 65% der Forderungen der Teilzahlungsbanken nicht realisierbar 20 . Deshalb versuchen die Kreditinstitute neben dem Mahnverfahren als häufigste Form der rechtlichen Forderungsbeitreibung, ihre Forderungen gegenüber den Kreditnehmern über die Verwertung von Sicherungsrechten zu realisieren. Die Lohnabtretung ist heute bei den Konsumentenkrediten die gebräuchlichste Form der Sicherung 21. Allerdings ist dies auch die einzige, die die Kreditnehmer anzubieten haben, weil andere Vermögenswerte i.d.R. nicht vorhanden sind. Aber auch die Lohnabtretung ist für den Kreditgeber nicht immer erfolgversprechend, da bei 63% der gekündigten Ratenkredite das alte Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht oder in 13 % der Fälle bereits Vorpfändungen bzw. andere Lohnabtretungsansprüche vorliegen 22 , so daß die Reali18
Hörmann, Studie, S. 287. Hörmann, Studie, S. 290 FN 471, der im übrigen darauf hinweist, daß der Anteil der nicht realisierbaren Titel bei den Teilzahlungsbanken wesentlich niedriger ist als bei den anderen Banken, Tab. D X I I 1 / 3 , S. 290. 20 Hörmann, Studie, aaO. 21 Lohn- und Gehaltsabtretungen durch formularmäßige Klauseln bei Bankkrediten sind gem. § 9 I A G B G unwirksam, wenn zugleich Sicherungsübereignung erfolgt oder sonst eine Sicherheit gestellt wird; Palandt / Heinrichs, § 9 A G B G , Rdnr. 71; M K / Kötz, § 9 A G B G , Rdnr. 28 m.w.N. 22 Hörmann, Studie, Tab. D X I I 2/2. 19
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sierung der Forderung nicht gewährleistet ist. Trotzdem ist statistisch belegbar 2 3 , daß den Kreditinstituten durch die Lohnabtretung sehr viel häufiger zumindest ein finanzieller Teilerfolg beschieden ist als durch das Mahnverfahren. Gleichwohl verzichten die Kreditinstitute nicht auf den Vollstreckungsbescheid. Das Innehaben eines vollstreckbaren Titels bringt einen großen Vorteil. Da aus diesem 30 Jahre vollstreckt werden kann, tritt neben das Bedürfnis einer langfristigen Absicherung der ausstehenden Forderungen die Motivation, daß die Kreditinstitute sich gegenüber dem gescheiterten Kreditnehmer als unerbitterliche Verfolger ihrer Ansprüche darstellen wollen. „Eine Anspruchsverfolgung mit Strafcharakter erhöht insgesamt die Zahlungsmoral" 2 4 . Dies wird insbesondere dadurch bestätigt, daß die Kreditgeber das Mahnverfahren bereits wenige Monate nach der Kündigung einleiten und regelmäßig nicht bis unmittelbar vor Ablauf der Verjährungsfrist warten 25 . Es ist nicht zu verkennen, daß der mit der Erwirkung des Vollstreckungsbescheids gewünschte Strafcharakter immerhin in 14% der Fälle zu einer Realisierung der Forderung nach Erwirken des Titels geführt hat. Die Teilzahlungsbanken stehen mit dieser Quote im Vergleich zu anderen Bankengruppen an erster Stelle 26 . Obgleich der Besitz des „rechtskräftigen" Vollstreckungsbescheids nicht die wirtschaftliche Realisierung der Forderungen sicherstellt, werden die Ansprüche der Kreditgeber gegen die Kreditschuldner massenhaft im Wege des Mahnverfahrens tituliert. Die Effektivität des Verfahrens wird dadurch gesteigert, daß die betroffenen Schuldnerkreise ihre Rechte nicht wahrnehmen, d. h. weder Widerspruch noch Einspruch einlegen. 3. Die Mentalität der Kreditschuldner
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wollen die Schuldner das ihnen gewährte Darlehen i.d.R. zurückzahlen. Dementsprechend sind sie auch der Überzeugung, die vom Kreditgeber geltend gemachten Forderungen seien zurecht erhoben. So führen 43% der befragten Schuldner als Grund für das Nichteiniegen eines Widerspruchs an, sie seien selbst der Auffassung, der Kreditgeber erhebe die Forderung zurecht 27 . Die Befragung der Mahnbescheidsempfänger ergab eine die Schuldnermentalität insgesamt kennzeichnende Haltung: 47% der Befragten verzichteten auf die Einlegung von Rechtsbehelfen mit dem resignierenden Argument „Als Privatperson hat man gegenüber 23
Hörmann, aaO, S. 301. Hörmann, aaO, S. 288. 25 Zwar gilt für Darlehnsansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren (§195 BGB), wegen der Verjährungsfrist für Zinsansprüche gilt die 4-Jahresfrist. 2 * Hörmann, Studie, Tab. D X I I 1/3. 27 Hörmann, Studie, Tab. D X I I I 6/16. Allerdings ist das absolute Vertrauen in die Legalität der Vorgehensweise der Kreditinstitute bei den Befragten nur relativ gering. So antworteten lediglich 16% der Befragten: „Ich nehme an, daß der Kreditgeber bei der Behandlung eines Kunden nicht gegen das Gesetz verstößt". 24
II. Die Mißbrauchstatbestände
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großen Unternehmen gar keine Chance" 28 . Ferner glauben 42% der Schuldner, daß sie vor Gericht so gut wie nie Recht bekommen, während 35% der Befragten „gar nicht wissen, was sie machen sollen" 29 . Die allgemein vorherrschende Passivität spiegelt sich in Argumenten wie „Das Risiko wegen der Kosten ist mir zu hoch" (30%), oder „Ich will mich damit nicht weiter rumärgern" (19 %) 3 0 . Diese Antworten zeigen, daß die betroffenen Schuldner und Mahnbescheidempfänger ihre Situation selbst als chancenlos und aussichtslos eingestuft haben, weil sie sich ohnmächtig fühlen gegenüber dem finanziell starken und gut organisierten Gegner. Gleichzeitig belegen diese Argumente die Unerfahrenheit im Umgang mit dem Recht. Auffallend ist, daß keiner der Befragten ein sachliches Argument vorgetragen hat, daß z. B. erkennen läßt, ob überhaupt die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abgeklärt worden sind. Bei den Kreditnehmern kommt erschwerend hinzu, daß sie selbst nicht frei sind von einem gewissen Unbehagen, sich mit einem Gegner auseinanderzusetzen, der dem finanziell Schwachen Geld vorgeleistet hat. Offensichtlich herrscht bei den betroffenen Teilzahlungskunden die Auffassung vor, es sei unschicklich, sich mit demjenigen, dessen Geld man in Anspruch genommen hat, auch noch gerichtlich auseinanderzusetzen. Den Teilzahlungsbanken und Kreditvermittlern ist diese Haltung weiter Schuldnerkreise bekannt, so daß sie davon ausgehen können, daß die Einleitung des Mahnverfahrens problemlos mit dem „rechtskräftigen" Vollstreckungsbescheid endet. Gleichwohl sind die Teilzahlungsbanken auch gegen Schuldner gewappnet, die Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen. So ist es bei manchem Teilzahlungsinstitut üblich, dem Kreditnehmer, der Widerspruch eingelegt hat, ein Schreiben zuzustellen, in welchem dieser zur Rücknahme seines Widerspruchs aufgefordert wird 3 1 . Die gewählten Formulierungen, die die Machtposition des Kreditinstituts durch eine gewisse Schärfe unterstreichen, schüchtern den ohnehin rechtsunkundigen Schuldner zusätzlich ein. Eine durchaus übliche Formulierung lautet wie folgt: „Da unsere Forderung gegen Sie zu Recht besteht, fordern wir Sie auf, Ihren Widerspruch zurückzunehmen. Hierfür haben wir ein Schreiben vorbereitet, daß Sie unterzeichnet an das Amtsgericht . . . senden wollen. Wir werden Ihnen dann noch den Vollstreckungsbescheid zustellen, wobei wir voraussetzen, daß Sie dagegen keinen Einspruch erheben und der Vollstreckungsbescheid Rechtskraft erlangt. Wir unsererseits verpflichten uns, keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Sie einzuleiten, solange entsprechende Rückzahlungen geleistet werden. Ihre diesbezüglichen Tilgungsvorschläge erwarten wir binnen 8 Tagen" 32 . Das als Anlage beigefügte
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Hörmann, Hörmann, 30 Hörmann, 31 Vgl. dazu zugrunde lag. 29
Studie, aaO. Studie, aaO. Studie, aaO. den Sachverhalt, der dem Urteil des L G Hannover NJW 1985, 2273,
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Schreiben - ordnungsgemäß mit Briefkopf und Aktenzeichen versehen - enthält den vorgegebenen schlichten Satz: „Hiermit nehme ich meinen Widerspruch vom . . . gegen den Mahnbescheid unter obigem Aktenzeichen zurück." Eine andere übliche Geschäftspraxis eröffnet dem zahlungsunfähigen Kreditnehmer, dessen Ratenkredit gekündigt wurde, zunächst einen neuen Ratenplan. Gleichzeitig wird aber das Mahnverfahren eingeleitet, weil die Kreditinstitute davon ausgehen können, daß der neue Ratenplan ebenfalls zumindest langfristig - nicht eingehalten werden kann. Mit der Mitteilung des neuen Ratenplanes erhält der Kreditnehmer die Belehrung: „ U m das amtsgerichtliche Verfahren abzuschließen, ist die Erteilung eines Vollstreckungsbescheids erforderlich. Dieser wird Ihnen lediglich noch zugestellt und daraus so lange keine der obigen Vollstreckungsmaßnahmen hergeleitet, wie Sie Ihre Zahlungen pünktlich einhalten" 33 . Diese Vorgehensweise ist nicht minder effektiv. Zwar bedeutet das erneute Ratenzahlungsangebot trotz Kündigung des Vertrages aus der Sicht des Schuldners ein Entgegenkommen der Bank. Vor dem Hintergrund allerdings, daß gleichzeitig das Mahnverfahren eingeleitet wird, kommt dem Verhalten der Bank eine besondere Bedeutung zu. Die - wenn auch vergeblichen - Bemühungen des Schuldners, den Ratenplan einzuhalten, führen zwangsläufig dazu, daß dieser die Widerspruchs- oder Einspruchsfrist ungenutzt verstreichen läßt. Insofern ist dann die Formulierung, der Vollstreckungsbescheid werde „lediglich noch zugestellt", für den Schuldner irreführend. Ebenso irreführend ist ein gleichfalls übliches, teilweise von beauftragten Anwaltskanzleien praktiziertes Verhalten. Der Kreditnehmer, gegen den ein Mahnbescheid ergangen ist, erhält ein Schreiben des Bevollmächtigten der Bank, in dem dieser dem Kreditnehmer ein befristetes neues Ratenzahlungsangebot unterbreitet. Weiter wird der Kreditnehmer wie folgt belehrt: 34 „Diese Vereinbarung setzt voraus, daß meine Mandantin in den 32
Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB strafrechtlich irrelevant, da der Schuldner nicht unter „Drohung mit einem empfindlichen Übel" zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt wird. 33 Dieses Verhalten kann den Betrugstatbestand des § 263 StGB erfüllen: Der Schuldner wird über Funktion und Wirkungsweise des Vollstreckungsbescheids getäuscht, indem vorgespiegelt wird, die Zustellung des Vollstreckungsbescheids entspreche lediglich einem Formerfordernis. Der Schuldner legt aufgrund dieses Irrtums keinen Einspruch ein. Die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einlegen zu können, besitzt nach der herrschenden wirtschaftlichen Vermögenstheorie einen Vermögenswert. Durch Verstreichenlassen der Einspruchsfrist trifft der Schuldner eine Vermögensverfügung, die zu einer - dem Vermögensschaden gleichstehenden - Vermögensgefährdung führt (vgl. dazu Dreher / Tröndle, § 263 Rdnrn. 25, 31). Aufgrund der Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Darlehnsgeschäftes besteht in der Regel kein Anspruch auf die Titulierung der Darlehnsforderung, so daß der Gläubiger - in Kenntnis der bestehenden Rechtslage - in der Absicht handelte, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. 34 Diese Form bewußt unwahrer Darstellung der rechtlichen Situation ist unter standesrechtlichen Aspekten bedenklich. Gemäß § 43 B R A O ist der Rechtsanwalt ver-
II. Die Mißbrauchstatbestände
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Besitz eines rechtskräftigen Schuldtitels gegen Sie gelangt. Ihnen wird daher demnächst der Vollstreckungsbescheid zugestellt. Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids entspricht einem formalen Erfordernis und stellt keine Zwangsvollstreckungshandlung dar. - Ich erwarte den Eingang der ersten Rate sofort . . .". Auch diese Belehrung verschleiert, daß nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den Vollstreckungsbescheid die Forderung „rechtskräftig" tituliert ist mit der Folge, daß sie - wenn überhaupt, so doch nach bisheriger Rechtsprechung - nur unter erschwerten Voraussetzungen angreifbar ist. Darüber hinaus sieht sich der Schuldner oftmals einem Verwirrspiel gegenüber. Nach rechtskräftiger Titulierung der Darlehnsforderung erhält er die Mitteilung, seine Finanzierung sei leistungsgestört. In dieser Sache habe sich ein Außendienstmitarbeiter vergeblich bemüht, ihn aufzusuchen. Für diesen Besuch werden 30,- D M berechnet. Im übrigen wird der Schuldner aufgefordert, an einem bestimmten Tag den zuständigen Sachbearbeiter der Bank anzurufen. Um der Aufforderung die nötige Schubkraft zu verleihen, wird zugefügt: „Andernfalls erfolgt Klage!!" Die Drohung mit einer Klage geht hier völlig fehl, weil die Gesamtforderung ohnehin schon längst im Wege des Mahn verfahr ens tituliert worden war. Es wurde bereits eingangs betont, daß die Gründe der Schuldner, auf Rechtsbehelfe zu verzichten, von Unkenntnis ihrer Rechte und von großer Resignation zeugen. Diese Mentalität ist typisch für bestimmte Schuldnerkreise. Hörmann 35 hat festgestellt, daß tatsächlich schichtenspezifisch auf die Vorgaben in der Argumentation reagiert wurde. Hilflosigkeit und Unwissenheit wird mit 53% von Nichterwerbstätigen (Hausfrauen, Rentnern) und mit 37% von Arbeitern angeführt. Gleichzeitig läßt sich die allgemeine Aussage treffen, daß der Grund der Unkenntnis überdurchschnittlich häufig von Mahnbescheidempfängern angeführt wird, deren Schulbildung unterhalb der mittleren Reife liegt. Ferner ist statistisch belegbar, daß das Kostenrisiko von Befragten mit niedriger Schulbildung ebenfalls überdurchschnittlich oft angegeben wird. Dies hängt wiederum damit zusammen, daß das durchschnittliche Haushaltseinkommen dieser Gruppen von unter 1200,- D M bis unter 2000,D M sehr gering ist. Die Befragung ergab darüber hinaus, daß gegenüber den Teilzahlungsbanken wiederum die Befragten niedriger Schulbildung ihre Chancen gegenüber dem Großunternehmen als aussichtslos bezeichneten. Bestärkt wird dies durch die vorherrschende Auffassung, daß das Kostenrisiko bei den Teilzahlungsbanken und dort insbesondere bei den vermittelten Ratenkrediten sehr hoch und daher besser von einer Auseinandersetzung abzusehen sei. Insgesamt lassen sich die von Hörmann erarbeiteten Einzelpflichtet, seinen Beruf „gewissenhaft" auszuüben. Dazu gehört neben der „Treue zum Recht" auch die „Pflicht zur sachgemäßen Beratung". Vgl. zur Standeswidrigkeit anwaltlichen Handelns Isele, § 43 B R A O , V I . 35
Hörmann, Studie, S. 356 sowie Tab. D X I I I 6/17 bis D X I I I 6/22.
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Α . Sinn und Grenzen des Mahnverfahrens
ergebnisse auf die grundsätzliche Feststellung zurückführen: Je niedriger die Schulbildung und das Nettoeinkommen, desto häufiger wird die eigene Situation aus Hilflosigkeit und Unkenntnis als chancenlos bezeichnet. Überdurchschnittlich oft wird diese Argumentation im Umgang mit Teilzahlungsbanken, insbesondere bei den Abzahlungsgeschäften und vermittelten Ratenkrediten als besonderen Kreditformen, vertreten. Dank entsprechender Aufklärungsaktionen finden in neuerer Zeit zahlreiche Schuldner den Weg zu den Verbraucherschutzorganisationen. So liegen beispielsweise bei dem Verbraucherverband Nordrhein-Westfalen massenhaft Kreditverträge, die in Not geratene Schuldner zur Überprüfung übergeben haben 36 . Die rechtliche Kontrolle ergibt zumeist, daß die Verträge aufgrund wucherischer Zinssätze gemäß § 138 BGB nichtig sind. Gleichwohl ist die Position der hilfesuchenden Kreditschuldner nicht sehr günstig, weil die Forderungen bereits tituliert worden sind. So hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in einer großangelegten Aktion versucht, sich mit den Kreditgebern außergerichtlich dahingehend zu einigen, die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid einzustellen37. Neben der Initiative der Verbraucherberatungsstellen führte die Kenntnis dieser Schuldnermentalität und die damit verbundene private Überschuldung dazu, daß bei Städten und Gemeinden sogenannte Schuldnerberatungsstellen eingerichtet wurden 38 . Die dort tätigen, kaufmännisch qualifizierten Mitarbeiter sollen die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Schuldner in finanziellen Angelegenheiten beraten, bei der Planung des Familienbudgets helfen, mit Gläubigern verhandeln und Möglichkeiten der Umschuldung finden. Dieses Konzept mag auf lange Sicht die Unkenntnis und Unbeholfenheit der Schuldner abbauen, indem ihnen die Schwellenangst genommen wird, Rat bei einem Rechtskundigen zu suchen. Die dargestellte Schuldnermentalität sowie die Geschäftspraxis der Banken legen den Verdacht nahe, daß diese ihre Machtposition als finanzkräftiger und gut organisierter Gegner ausnutzen, um auf schnelle und unproblematische Art an einen Titel zu gelangen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Titel nicht die Sicherheit bringt, die Forderung realisieren zu können. Jedoch 36 Seit Mitte 1983 bis Anfang 1984 waren es bei der Verbraucherzentrale NRW 18 000 Kreditverträge. 37 Die Reaktionen der Kreditgeber auf diese Aktion waren sehr unterschiedlich. Während es mit einigen Kreditinstituten ohne weitere Schwierigkeiten zu einer Einigung kam, weigerten sich andere strikt zu verhandeln. So kam es nur in Einzelfällen zu positiven Ergebnissen für den Kreditnehmer. 38 Vgl. entsprechende Pressemitteilung, Westdeutsche Zeitung (WZ) vom 29.5.1984, wonach die Ruhrgebietsstadt Gladbeck einen „Schuldenberater" eingestellt hat, um insbesondere Sozialhilfeempfänger bei ihren Schwierigkeiten mit sog. „Kredithaien" zu beraten; zur Arbeit der Schuldnerberatungsstellen vgl. die Erklärung des Sozialdienstes Kathol. Frauen, Schuldturm, S. 52 - 56.
II. Die Mißbrauchstatbestände
31
begründet allein die Ausnutzung der Unwissenheit der Kunden noch nicht den Mißbrauchstatbestand. Vielmehr muß man dabei voraussetzen, daß die Unwissenheit ausgenutzt wird, um eine unberechtigte Forderung zur Titulierung zu bringen. Dies bedeutet wiederum, daß die geltend gemachte Forderung in einem streitigen Verfahren gar nicht oder jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe tituliert worden wäre. Die folgenden Ausführungen dienen der Aufarbeitung der im Zusammenhang mit den Ratenkreditverträgen zu berücksichtigenden Fragestellungen.
Β. Voraussetzungen und Folgen des Sittenwidrigkeitsurteils bei Ratenkreditverträgen Der Ratenkreditvertrag 1 (synonym wird der Begriff des Teilzahlungskredits gebraucht) ist ein Kredit, der in gleichen Teilbeträgen und in regelmäßigen Zeitabständen zu tilgen ist, wobei die Höhe der Teilzahlungen und die Zahlungstermine in aller Regel bei der Kreditgewährung festgelegt werden 2 . Diese Tilgungsform weicht von der gesetzlich vorgesehen Darlehnsart der §§ 607, 266 BGB ab, die die Rückzahlung der Darlehnsvaluta als Gesamtsumme vorsieht. Im Vordergrund jeder rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Ratenkreditgeschäft steht die Frage der Sittenwidrigkeit des Darlehnsgeschäftes wegen eines überhöhten Entgeltes. Im Gegensatz zu anderen Waren vollzieht sich die Preisbildung bei der Ware „Kredit" jedoch nicht ausschließlich durch den üblichen Marktmechanismus Angebot und Nachfrage. Gerade auf dem Gebiet der Kreditvergabe wird das „Entgelt" von anderen Regulativen mitbeeinflußt. So nimmt die Bundesbank ganz wesentlich Einfluß auf die „Preisbildung". Sowohl durch die Diskont- und Lombardpolitik als auch durch die Offenmarkt- und Mindestreservepolitik 3 kann die Bundesbank den Geldumlauf einschränken oder fördern. Gleichzeitig beeinflussen die Refinanzierungskosten der Bankinstitute deren Vergabepreis für Kredite. Dem Zins kommt folglich eine wesentliche Bedeutung für Konjunktur und Wachstum zu. So kann dadurch in Zeiten der Hochkonjunktur Geld stillgelegt und somit die Kreditvergabe eingeschränkt werden, um damit die Nachfrage von Fremdgeldern zu dämpfen. Dagegen kann in Zeiten der Rezession ein günstiger Zins die Kreditvergabe anregen, um gesamtwirtschaftlich die Nachfrage zu 1
Der Kreditvertrag als verzinsliches Darlehn i. S. d. § 607 BGB ist nach heute h. M. ein gegenseitiger Vertrag; Palandt / Putzo, Anm. l b vor § 607; Affolter, ArchBürglR 26 (1905), 1; a. A . die ältere Auffassung, die den Darlehns ver trag als streng einseitig verpflichtenden Vertrag ansah; vgl. die Nachweise bei Larenz, SchuldR I I , § 51 I , S. 226. 2 Vgl. Nachweise bei Brandau, S. 10; ders. zur Begriffsbestimmung des „Konsumenten-Teilzahlungskredites", aaO, S. 5ff. 3 Zu den Rechtsgrundlagen vgl. §§ 14ff. Bundesbankgesetz; zu den folgenden begrifflichen Erläuterungen vgl. Kehl, S. 57; Schönle, Bankrecht, S. 358ff., 362. Mittels der Diskontpolitik wird der Zins festgelegt, den die Bundesbank beim Ankauf von Wechseln von den Kreditinstituten zur Refinanzierung berechnet. Demgegenüber bezeichnet der Lombardsatz den Zins, der den Banken für die Aufnahme von Krediten bei der Notenbank gegen bestimmte Sicherheiten berechnet wird. Die Festlegung einer bestimmten Mindestreserve zwingt die Banken, zusätzlich Barreserven zurückzuhalten. Die Offenmarktpolitik regelt den An- und Verkauf von festverzinslichen Wertpapieren und beeinflußt die Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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beleben. Während der extremen Niedrigzinsphase (1975 - 1979) zeichneten sich die in dieser Zeit abgeschlossenen Ratenkreditverträge der Teilzahlungsbanken durch in der Regel überhöhte Zinssätze aus. Die hier exemplarisch herausgestellten Ratenkreditverträge sind hauptsächlich während der Niedrigzinsphase abgeschlossen worden. Obwohl sich die Konditionen der anderen Bankengruppen inzwischen wieder denjenigen der Teilzahlungsinstitute angenähert haben, werden die Verbraucherschutzorganisationen mit Ratenkreditverträgen aus neuerer Zeit befaßt, die nach wie vor im Verdacht der Sittenwidrigkeit stehen. I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB Einleitend 4 wurde bereits darauf hingewiesen, daß nahezu jeder zweite Haushalt über einen Teilzahlungskredit verfügt. Das Kreditgeschäft ist heute zum Massengeschäft geworden. Mit der mengenmäßigen Abwicklung der Kredite geht eine Standardisierung der Verträge einher. Individualabreden kommen in der Regel nicht vor, weil die Führung von Verhandlungen mit dem Ziel einer Abänderung der Vertragsbedingungen oder mit dem Ziel der Vereinbarung einer ad hoc getroffenen Sonderabrede meist unverhältnismäßige Kosten und Mühen verursachen würde 5 . Wo früher die Kreditbedingungen mit dem Kreditnehmer im einzelnen ausgehandelt wurden, sieht sich dieser heute im wesentlichen Formularverträgen gegenüber, deren Bedingungen (einschließlich der Entgelt-(Zins-)Konditionen) weitgehend festgeschrieben sind6. Obgleich sich die verschiedenen Vertragstypen je nach Kreditinstitut unterscheiden, lassen sich Grundformen 7 des Konsumentenkredits feststellen. Die Abweichungen sind „bankengruppenspezifisch und betreffen nicht den eigentlichen Kern" 8 . Vor dem Hintergrund des Mengen-Kreditgeschäftes erlangt die Prüfung der Sittenwidrigkeit der Teilzahlungskreditverträge 9 eine besondere Bedeutung. Zweifelhaft ist, ob die für den Individualvertrag entwickelten Grundsätze und 4
Vgl. oben S. 1. Vgl. zu Individualabreden in Massengeschäften M K / Kötz, § 1 A G B G Rdnr. 17. 6 Dem an einem Konsumentenkredit interessierten Nachfrager bleiben bei Unzufriedenheit i . d . R . nur die beiden Möglichkeiten der Kaufverlagerung (zu einem anderen Kreditgeber zu gehen) und der Bedarfseinschränkung (auf den Kredit zu verzichten); vgl. Hörmann, Studie, S. 131. 7 Vgl. die Zusammenstellung bei Brandau, S. 22ff.: Bankkredit beim finanzierten Abzahlungsgeschäft, persönlichen (Klein-)Kredit, sog. Anschaffungsdarlehen, Kreditvermittlung. 8 Brandau, aaO, S. 20. 9 Hadding / Häuser, W M 1984, 1413 zur Nichtigkeit von Darlehnsverträgen bei Abschluß oder Vermittlung im Reisegewerbe; ferner Hopt, NJW 1985, 1665ff. 5
3 Bamberg
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
Maßstäbe des § 138 BGB unverändert im Massengeschäft der Teilzahlungskreditverträge Geltung beanspruchen können. Die Rechtsanwendungsprobleme bei der Beurteilung von Teilzahlungskreditverträgen mit überhöhten Entgeltvereinbarungen sind erst aufgrund eines Wertungswandels 10 zutage getreten. Erst seit Ende 1978, als sich die Zahl der „gestörten Kredite" häufte, vollzog sich der Wandel in der Weise, daß Zinssätze, die den marktüblichen Zins um ein Vielfaches überschritten, bei Hinzutreten weiterer Umstände als sittenwidrig betrachtet wurden. Diese Rechtsprechung wurde in der Folgezeit verfeinert und weiterentwickelt. Hinzu kam nunmehr eine allgemein geführte Diskussion über die Verstärkung des Verbraucherschutzes im Bereich des Konsumentenkredits. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Konsumentenkrediten kann seit 1980 als gefestigt angesehen werden. Da es für die Frage der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, standen die Gerichte vor der Schwierigkeit, wie sie mit den sog. Altverträgen zu verfahren hatten, die zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, als die Rechtsprechung zu § 138 BGB noch nicht als gefestigt angesehen werden konnte. Es drängte sich der Schluß auf, daß dem Kreditgeber auch nur dasjenige zuzurechnen war, was er bei Vertragsabschluß kannte oder kennen mußte. Die Kenntnis der Rechtsprechung zu § 138 BGB kann jedoch erst seit 1980 vorausgesetzt werden 11 . Das Bundesverfassungsgericht 12 hat die Frage der Rückwirkung der BGH-Rechtsprechung zum Konsumentenkredit auf „Altverträge" dahingehend entschieden, daß aus den seit Ende 1978 verkündeten Revisionsentscheidungen, denen sittenwidrig erachtete Ratenkreditverträge aus den Jahren 1974 - 1976 zugrunde lagen, zu entnehmen war, daß der B G H einen Wandel der Wertungen ab dem Jahre 1974 festgestellt hat. Unberücksichtigt ließ das Bundesverfassungsgericht dabei die Frage, inwieweit ein Rückwirkungsverbot auch bei Änderungen in der Rechtsprechung eingreift. A n eben diesem Punkt entzündete sich die Kritik an dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. So trifft Bunte 13 mit Hinweis auf Löwe u die freilich provozierende Feststellung, daß damit wohl einem „Verbraucherschutz um jeden Preis" das Wort geredet werde. Freilich darf das Bedürfnis, Mißstände auf dem Markt unseriöser Kreditgewährung und -Vermittlung auszuräumen, 10 Zur Wandelbarkeit der guten Sitten vgl. M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 17 m . w . N . ; Bunte, NJW 1985, 705 (706) m . w . N . ; ferner die Darstellungen bei Harenberg, NJW 1981, 99; Ott, BB 1981, 937; Rittner, D B 1981, 1381; K.-H. Weber, NJW 1980, 2062. 11 O L G Karlsruhe NJW 1985, 744; O L G Düsseldorf NJW 1985, 749. 12 BVerfG, Beschluß vom 9.5.1984, NJW 1984, 2345; dazu die Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung (WZ) vom Juli 1984, wonach der Vorprüfungsausschuß des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde einer Düsseldorfer Teilzahlungsbank nicht angenommen hat, weil sittenwidrige Rechtsgeschäfte nicht unter dem Schutz des Grundgesetzes stünden. 13 Bunte, NJW 1985, 705ff. (712); ders. ZIP 1985, Iff. 14 Löwe, ZIP 1984, 1297.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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nicht dazu führen, die gesamte Teilzahlungswirtschaft zu bekämpfen 15 . Mag diese Kritik der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen gewiß unberechtigten Stempel aufdrücken, so ist dennoch nicht zu verkennen, daß sich das Gericht allzu voreilig über die Bedenken gegen eine Rückwirkung von Rechtsprechungsänderungen hinweggesetzt hat. Für die Diskussion über die Berechtigung von Verbraucherschutz wäre es sicherlich zuträglich gewesen, wenn das Bundesverfassungsgericht zu der Frage Stellung bezogen hätte 16 . 1. Der Grundsatz der Gesamtwürdigung unter Einschluß subjektiver Elemente
Prüfungsmaßstab der Gerichte für Teilzahlungskreditverträge ist heute nicht mehr der spezielle Wuchertatbestand des § 138 I I BGB mit seinen besonderen und schwierig zu beweisenden Voraussetzungen, sondern der allgemeine Tatbestand der Sittenwidrigkeit des § 138 I B G B , wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist 1 7 . Nach den vom Bundesgerichtshof 18 aufgestellten Grundsätzen ist ein Darlehnsvertrag nur dann nichtig, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen: - Auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung; - Vorwurf einer verwerflichen Gesinnung des Kreditgebers, insbesondere bei Ausnutzung der Unerfahrenheit oder einer Notlage des Kreditnehmers; - Hinzutreten sonstiger belastender Umstände, insbesondere einseitig belastende Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre bildet also das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht das einzige Indiz der Sittenwidrigkeit. Bei einer groben Äquivalenzstörung muß ein weiteres, und zwar subjektives Element hinzutreten 19 , um das Sittenwidrigkeitsurteil zu begründen 20 . Neben dem Element der „verwerflichen Gesinnung" wird teil15
Vgl. dazu Bunte, W M 1984, Sonderbeilage Nr. 1/1984, S. 3. 16 M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 17; Reifner / Siederer, NJW 1984, 2313. 17 Die Rechtsprechung wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, daß der Individualwucher des zwielichtigen Geldverleihers des 19. Jahrhunderts heute vom Sozialwucher als systematischer Mißbrauch der Vertragsfreiheit verdrängt worden ist; vgl. dazu Reifner, D B 1984, 2178 (2184). is B G H D B 1976, 2106 (2107); NJW 1979, 805; NJW 1979, 808; NJW 1979, 2089; NJW 1980, 2074; NJW 1980, 2076 (2077); W M 1982, 740 (742); Wolf, W M 1981, 110 (115). 19 K G O L G Z 1981, 124, 126 ff.; Β G H Z 32, 361 (366); B G H W M 1976, 181 (183); NJW 1951, 397; NJW 1957, 1274; R G Z 150, 1 (6); O L G Hamm W M 1980, 122; B G H W M 1980, 597. 20 B G H NJW 1979, 805; B G H NJW 1980, 2074 (2075); ZIP 1981, 369 (372); W M 1981, 404; danach kann auch das Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung die Sittenwidrigkeit begründen; da sich die Sittenwidrigkeit bisher aus den Gesamtumständen herleiten ließ, kam es auf das Ausmaß des Leistungsmißverhältnisses nicht an. 3*
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
weise „Bewußtsein der Sittenwidrigkeit" 21 gefordert; teilweise soll es ausreichen, wenn „Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Tatumstände vorliegt, aus denen die Sittenwidrigkeit zu entnehmen ist" 2 2 . Die letztgenannte Position erhält Bedeutung mit dem Element der verwerflichen Gesinnung für die Teilzahlungskreditverträge. Eine verwerfliche Gesinnung liegt vor, wenn der Kreditgeber die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder als objektiv sittenwidrig Handelnder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschließt, daß der Darlehnsnehmer sich nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehnsbedingungen und Umstände einläßt 23 . Nach der Rechtsprechung reicht es allerdings aus, wenn aus einer besonders ausgeprägten Situation „zwingend" auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der Sittenwidrigkeit geschlossen werden kann 24 . Die Tatsache, daß die Rechtsprechung im Wege des Rückschlusses die verwerfliche Gesinnung bejaht, provozierte den Vorwurf 2 5 , das subjektive Element werde „fingiert" 26 . Die Schwierigkeiten der Gerichte bei der tatbestandlichen Prüfung des § 138 BGB resultieren daraus, daß an der traditionell moralisierenden Interpretation der Vorschrift festgehalten wird. Damit werden nicht nur die beteiligten Verkehrskreise unnötig provoziert, sondern eine zusätzliche Rechtsunsicherheit verbreitet. Die Rechtsprechung zieht aus dem Phänomen des Massengeschäftes 21
Enneccerus / Nipperdey, S. 1167. R G Z 161, 229 (233); B G H Z 80, 153 (160f.); B G H BB 1971, 1177f.; B G H W M 1976, 289 (291); M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 106 - 113 m.w.N. » B G H NJW 1979, 805 u. 808; B G H NJW 1981, 1206; B G H NJW 1982, 2433 u. 2436; B G H NJW 1983, 1420 (1422) differenziert nach Minder- und Vollkaufleuten und stellt die Minderkaufleute den Nichtkaufleuten hinsichtlich der Geschäfts(un)erfahrenheit gleich. 24 B G H W M 1966, 832 (835); B G H W M 1969, 1255, 1257; B G H W M 1976, 322 u. 1158 (1160); B G H W M 1981, 404 (405); K G BB 1974,1505. 25 Vgl. aus dem neueren Schrifttum: Esser, JZ 1968, 281 (282); ders. Z H R 135 (1971), 320 (330); Hackl, BB 1977,1412f.; Nirk, NJW 1971,1913 (1914); Nicklisch, BB 1972, 1285 (1289f.)_; M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 98f., 112 m.w.N. 26 Rechtstechnisch handelt es sich nicht um eine Fiktion, da das Vorliegen eines bestimmten Tatbestandsmerkmales nicht unwiderlegbar vermutet wird. Der Prozeßgegner hat nach wie vor die Möglichkeit, den Beweis des Gegenteils zu führen. Nach der Rechtsprechung kommt dem Leistungsmißverhältnis „Indizfunktion" zu; es liegt im „tatrichterlichen Ermessen" ( B G H NJW 1979, 758), diesen Rückschluß zu ziehen. Vgl. dazu auch R G Z 150, 1 (6); B G H W M 1966, 832 (835); B G H W M 1969, 1255 (1257); B G H W M 1976, 322 sowie B G H D B 1976, 2106 (2107). Die Rechtsprechung wendet die - im Rahmen des § 138 BGB geltenden - Regeln des prima facie-Beweises an ( M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 131). Die dem Beweis des ersten Anscheins zugrunde liegenden Erfahrungssätze sind - sofern sie nicht für den Einzelfall widerlegt werden (zu den Anforderung im einzelnen B G H NJW 1978, 2032f.; Brandau, S. 206; Stoll, AcP 142 (1936), 333 (339)) - zwingend, da sie vollen Beweis erbringen und in vollem Umfang die Überzeugung des Richters begründen (Sattelmacher / Sirp, S. 98). Sofern objektiv ein grobes Leistungsmißverhältnis nicht festzustellen ist, tritt die Rechtsprechung in die Prüfung der subjektiven Seite ein (so O L G Hamburg BB 1982,698 (699f.); zustimmend Kessler in einer Anmerkung dazu, ebda, S. 700). 22
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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nicht die notwendige Konsequenz, von dem Erfordernis einer verwerflichen Gesinnung gänzlich abzurücken 27 . Auch die - nur von der Rechtsprechung praktizierte - vermutungsweise Feststellung des subjektiven Elementes ist wenig überzeugend: wessen subjektive Haltung sollte im Massen-Kreditgeschäft Beurteilungsgrundlage zur Feststellung einer verwerflichen Gesinnung sein28? Das Sittenwidrigkeitspostulat des § 138 BGB ist für den Individualvertrag konzipiert, bei dem die Vertragsbedingungen von den Vertragspartnern im einzelnen ausgehandelt werden 29 . Kernstück der rechtlichen Kontrolle ist der Einzelvertrag mit seinen jeweiligen Besonderheiten. Bei der individuellen Vertragsgestaltung ist es dem wirtschaftlich oder intellektuell Überlegenen möglich, auf den schwächeren Vertragspartner mit einer bestimmten subjektiven Haltung einzuwirken. Die Standardverträge im Mengen-Kreditgeschäft werden hingegen ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des konkreten Darlehnsnehmers abgeschlossen. Hier ist keine Gelegenheit, dem Schuldner in verwerflicher Gesinnung entgegenzutreten, um sich u. a. unter Ausnutzung seiner Schwächesituation einen unverhältnismäßigen Vorteil versprechen oder gewähren zu lassen. Da Vertragsverhandlungen im wesentlichen entfallen, fehlt es an der notwendigen Einflußmöglichkeit des wirtschaftlich stärkeren auf den schwächeren Vertragspartner. Die formale Treue zur traditionellen Interpretation des § 138 BGB verschleiert, daß die Massengeschäfte als Produkt des modernen Wirtschaftslebens nicht problemlos am Maßstab einer individualvertraglichen Gesetzeskonzeption gemessen werden können. In diesem Zusammenhang sei der vieldiskutierte Vorschlag von Bender 30 zur Novellierung des § 138 BGB erwähnt. Als Beitrag zum 53. Deutschen Juristentag (Berlin 1980) stellt er seinen Entwurf vor, den er anläßlich des Hearings zum Thema „moderner Schuldturm" 1984 verneut verteidigte. Bender will mit Hilfe seiner These des „Sandhaufen27
B G H NJW 1969, 318 (320) bestätigt den hier vertretenen Standpunkt. Danach besteht „kein Zweifel, daß die Natur der schematisierten Massengeschäfte, wie sie durch Formularverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen geformt werden, es erwägenswert erscheinen lassen, ihre Rechtswirksamkeit im Bereich des § 138 BGB an objektiven Kriterien zu messen". In der zitierten Entscheidung brauchte der Senat die Übereinstimmung einer objektiven Interpretation mit dem geltenden Recht nicht zu entscheiden. O L G Stuttgart NJW 1979, 2409ff. begründet den Verzicht auf subjektive Elemente mit der Forderung nach Rechtssicherheit und -klarheit. 28 Kreditvermittler, Sachbearbeiter, Zweigstellenleiter, Bankvorstand? 29 § 138 BGB schränkt den die deutsche Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz der Privatautonomie ein. Die Entfaltungsmöglichkeiten des einzelnen finden dort eine Grenze, wo Interessen und Wertvorstellungen der Allgemeinheit tangiert werden. Zur Schrankensystematik des Bürgerlichen Gesetzbuches gehört ebenfalls das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) i . V . m . § 134 BGB. Während die Vorschriften des GWB eine intakte marktwirtschaftliche Ordnung gewährleisten sollen, ist es Aufgabe des U W G , den redlichen Geschäftsverkehr vor Ubergriffen zu schützen. 30 Bender, NJW 1980, 1129ff. mit wörtlichem Abdruck der §§ 138a - 138c.
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Β. Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
theorems" 31 den Anwendungsbereich des § 138 BGB erweitern. Danach wird nicht bei jedem Tatbestandsmerkmal dessen volle Verwirklichung verlangt, sondern ein Ausgleich zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zugelassen. Die Untererfüllung der einen Voraussetzung wird durch die Übererfüllung der anderen kompensiert. Ist ζ. B. ein auffälliges Leistungsmißverhältnis zu 180% erfüllt, so soll Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn die Schwächesituation nur zu 60% gegeben ist 32 . Der Grundsatz der Unter- und Übererfüllung von Tatbestandsmerkmalen ist mit dem bisherigen Gesetzesverständnis nicht zu vereinbaren, wonach die Tatbestandsmerkmale einer Vorschrift voll erfüllt sein müssen, um die entsprechende Rechtsfolge auszulösen. Im übrigen ist der Vorschlag allein deshalb nicht praktikabel, weil eine prozentuale Festlegung und Bewertung durch ein Gericht nicht möglich ist 33 . Die im Rahmen des § 138 BGB ohnehin schon bestehende Rechtsunsicherheit würde bei einer Anwendung des „Sandhaufentheorems" erheblich verstärkt 34 . Es wird damit also keine erleichterte Kontrolle sittenwidriger Ratenkreditgeschäfte erreicht 35 . Vielmehr ist vor dem Hintergrund des Mengengeschäftes, insbesondere des Massen-Kreditgeschäftes, zu fragen, welche Anforderungen an den anzuwendenden Kontrollmaßstab zu stellen sind. Im Massengeschäft steht nicht der Schutz des einzelnen Vertragskontrahenten im Vordergrund. Vielmehr geht es um die Rechtskontrolle einer Vielzahl von im wesentlichen gleichartigen Verträgen, die aufgrund ihrer massenhaften Abwicklung ihre Individualität eingebüßt haben. Damit wird auch der einzelne zum Verbraucher eines Massenproduktes. Gerade im Rahmen der Diskussion der Verbraucherverschuldung durch Konsumentenkredit wird der Begriff „Verbraucherschutz" 36 verwendet, um zu kennzeichnen, daß es sich hier nicht um den klassischen Individualschutz, sondern um eine Art „Allgemeinschutz" handelt 37 . Der Gesetzgeber hat durch die Einführung des A G B G 31 So der 6. Senat des O L G Stuttgart NJW 1979, 2409 (2412), dessen Vorsitzender Rolf Bender ist. 32 O L G Stuttgart, aaO. 33 B G H ZIP 1981, 369 (371); Müssigbrodt, JA 1980, 697 (700). 34 So besteht Einigkeit, daß der These des „Sandhaufentheorems" für die Interpretation des § 138 BGB nicht gefolgt werden kann. 35 Abzulehnen ist ebenfalls die Auffassung von Giger, D B 1984, 1915 (1918), der auch für das Massengeschäft die Notwendigkeit subjektiver Kriterien betont. Giger läßt allerdings offen, wie das subjektive Element im Mengengeschäft nachgewiesen werden soll. Er fordert, daß „der Darlehnsgeber die der Persönlichkeit des Darlehnsnehmers immanenten Unterlegenheitssignale erfaßt und durch seinen nachweisbar ausbeuterischen Willen zur vertraglichen Verankerung eines kraß unverhältnismäßigen Leistungsungleichgewichts mißbraucht". 36 Zur Bewertung des AGB-Gesetzes als „reines Verbraucherschutzgesetz", M K / Kötz, § 1 A G B G , Rdnr. 2. 37 Allerdings darf der sog. Allgemeinschutz nicht zu einer Entmündigung des Bürgers führen, indem ein Verbot oder eine Begrenzung der Kreditaufnahme angestrebt wird.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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der Umorientierung vom Individual- auf das Massengeschäft Rechnung getragen 38 . Gleichwohl wird auf den Gedanken des Verbraucherschutzes als „selbständiges Argumentationsprinzip" 39 in der Judikatur nicht zurückgegriffen. Dies liegt daran, daß „Verbraucherschutz" kein klassischer Rechtsbegriff ist. Der Verbraucherschutzgedanke kennzeichnet die Tendenz, daß die Rechtsanwendung außerhalb des Streitverhältnisses allgemeine politische, wirtschaftliche und/oder soziale Belange berücksichtigt wissen will 4 0 . Die große Zurückhaltung in der Verwendung des Begriffs „Verbraucherschutz" bei der Gesetzesanwendung und -auslegung erklärt sich zudem daraus, daß mit diesem Schlagwort oftmals Unterschiedliches angestrebt wird. Die Bandbreite der Forderungen reicht von der Verhinderung sozialer Mißstände im Massengeschäft bis hin zur Konzeption einer „anderen" Gesellschaft. So stellt Reifner 41 am Beispiel des Konsumentenkreditgeschäftes fest, daß aufgrund der mangelnden Tragfähigkeit des „sozialen Modells" des BGB ein alternatives Wirtschaftsrecht notwendig sei 42 . Mit dem von ihm erarbeiteten Gesetzesvorschlag zum Konsumentenkredit will er verdeutlichen, „wie der Gesetzgeber durch die Wahl des Bezugsrahmens und durch den Rückbezug der Rechtsbegriffe auf die Wirklichkeit dazu beitragen kann, daß auch die juristische Profession ihre sozialen Gestaltungsaufgaben im Rahmen der Gesetze verständlich und nachvollziehbar durch eine kritische Öffentlichkeit wahrnehmen muß" 4 3 . Es ist allerdings zweifelhaft, ob es derart weitreichender Zivilrechtsänderungen bedarf, um das Problem sittenwidriger Ratenkreditverträge zu lösen. 38
Vgl. Graf Lambsdorff zum „Verbraucherschutz durch Wettbewerb", bm-Sonderausgabe 1985, 4 ff. 39 E. Schmidt, JZ 1980, 153 (156) m . w . N . , der Verbraucherschutz nicht nur als „tagespolitisches Schlagwort", sondern als ein „aus dem Sozialstaatsgedanken herrührendes Rechtsprinzip" versteht. « Hannes, FLF 1980, 223. 41 Reifner, Wirtschaftsrecht, S. 429ff. 42 Bereits Bender, NJW 1980, 1129, kritisierte, daß die Bundesrepublik im Gegensatz zu den meisten westlichen Industriestaaten bisher weder ein (allgemeines) Konsumentenkreditgesetz noch auch nur einen Regierungsentwurf dazu habe. 43 Reifner, Wirtschaftsrecht, S. 102. So enthält das Konsumentenkreditgesetz (KKG) in § 11 eine Regelung, wonach der Kreditgeber bei vorübergehender Zahlungseinstellung durch den Kreditnehmer die Restforderung nicht fällig stellen darf, wenn die vorübergehende Zahlungseinstellung vom Kreditnehmer nicht zu vertreten ist. Unverschuldeter Verzug liegt danach vor, wenn der Schuldner aufgrund von Umständen wie wirtschaftliche Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Krankheit und Unglück sowie Streik besonders belastet wurde. Diese Regelung trägt zwar dem Umstand Rechnung, daß die Verschuldungssituation oftmals durch vom Kreditnehmer nicht zu vertretende Ursachen herbeigeführt wird. Gleichzeitig wird aber das Risiko für unverschuldete Notlagen vollständig auf den Kreditgeber übertragen. Diese Risikoverteilung widerspricht dem bisherigen Gesetzesverständnis und ist überdies bedenklich, weil gesamtwirtschaftliche Probleme auf einen wirtschaftlich starken Vertragspartner abgewälzt werden. Vgl. zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Vorschlag von Reifner, Rapin, bmSonderausgabe 1985, S. 30ff.
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Β. Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
I m m e r h i n ist zu berücksichtigen,
daß die exemplarisch
herausgestellten
Ratenkreditverträge i n einer Niedrigzinsphase abgeschlossen worden sind, die „Ausnahmecharakter" gehabt haben dürfte. A n dieser Stelle drängt sich die Rückführung auf die eigentliche Fragestellung auf, ob m i t den Instrumenten des geltenden Rechtssystems dem Problem nicht adäquat begegnet werden kann. D i e Verbraucherverschuldung i m Konsumentenkreditgeschäft ist nur zum T e i l auf rechtliche Schwierigkeiten bei der Gesetzesanwendung zurückzuführen. Schwerwiegender ist das Problem der Zahlungsunfähigkeit aufgrund v o n geänderten wirtschaftlichen u n d sozialen Verhältnissen 4 4 . Z u d e m ist nach den Erfahrungen u n d den rechtstatsächlichen Erkenntnissen der letzten Jahre festzuhalten, daß die Rechtsstellung des Verbrauchers nur begrenzt durch die v o n der Rechtsprechung vorgenommene Sittenwidrigkeitsprüfung i m R a h m e n des § 138 B G B verbessert werden kann. E i n e nachträgliche Sittenwidrigkeitskontrolle durch die Gerichte muß notwendigerweise p u n k t u e l l sein u n d sich auf die K o n t r o l l e des sittenwidrigen Zinses und der Gebühren beschränken. Bunte 45
stellt dazu richtig fest, daß die Sittenwidrigkeitskontrolle nur ein
„ K u r i e r e n an den Symptomen, aber keine Ursachentherapie sein k a n n " . Jedes
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Vgl. dazu auch die Darstellung in der Einleitung, S. Iff. Vor diesem Hintergrund wird unter dem Stichwort „private Sanierung" das Modell einer richterlichen Vertragshilfe diskutiert. Danach soll der Richter bei notleidend gewordenen Kreditnehmern auf Antrag Stundungen oder andere Zahlungserleichterungen gewähren. Diese Konzeption findet sich bereits in dem Entwurf eines Konsumentenkreditgesetzes des Schweizer Bundesrates, der in Art. 318b I V dem Richter das Recht einräumt, die Laufzeit des Kredits um höchstens 9 Monate zu verlängern, sofern der Kreditnehmer unverschuldet in wirtschaftliche Bedrängnis geraten ist. - Die richterliche Vertragshilfe hat das Vertragshilfegesetz 1946 sowie das Umstellungsgesetz 1949 als historische Grundlagen. Das Vertragshilfegesetz regelte die durch die Währungsreform aufgetretenen Schuldnerkrisen; die Umstellungsvertragshilfe traf Regelungen für die Umstellung von Reichsmarkauf DM-Verbindlichkeiten. Bereits anhand der historischen Vorlagen wurde festgestellt, daß die Vertragshilfe ein „Übergangs- und Notrecht" ist. Letztlich wird durch den Eingriff des Staates in privatrechtliche Vereinbarungen der Grundsatz pacta sunt servanda (§ 305 BGB) eingeschränkt. Im übrigen zeigen die zurückliegenden Erfahrungen mit der richterlichen Vertragshilfe, daß damit die Schuldnerkrise nicht bewältigt werden kann. Zudem besteht bei der Verbraucherverschuldung durch Arbeitslosigkeit in zunehmendem Maße die Gefahr „politischer Entscheidungen". Soll mit Hilfe der Vertragshilfe eine „Krisenbewältigung" einhergehen, so müßte der Richter in ständigem Kontakt mit dem Schuldner stehen und diesen fortlaufend beraten, um auch die zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Dies führte nicht nur zu einer untragbaren Überlastung der Gerichte, sondern würde überdies den Richter überfordern, weil er ein seiner Berufsausbildung und seinem Berufsbild nicht entsprechendes aufwendiges Verfahren betreiben müßte. Zu dem gesamten Problemkreis vgl.: De With / Nack, ZRP 1984,1 (3); Bisle, S. 72, 84ff.; Esser, RabelsZ 18 (1953), 167; Kettler, BB 1950, 439; Korn, M D R 1951, 12; Neumayer, M D R 1950, 652; Oeschey, ArchöffR 29 (1915), 40; Reinicke, NJW 1954,1217; Saage, durchgehend; Schubert, JR 1950, 591; H. Westermann, durchgehend. Zur „Rechtsberatung" durch den Richter: Baur, JZ 1957, 193ff.; Benda, S. 289ff.; Blankenburg / Reifner, durchgehend; Habscheid, JR 1958, 361 ff. 45 Bunte, W M 1984, Sonderbeilage Nr. 1/1984, S. 4.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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veränderte Verständnis des § 138 BGB hat Konsequenzen für den Schutzzweck der Norm. Verzichtet man im Massengeschäft auf das Merkmal subjektiver Vorwerfbarkeit, entfällt zugleich der Gedanke einer zivilrechtlichen Bestrafung. Es ist nunmehr zu untersuchen, ob eine objektive Auslegung des § 138 BGB mit den Normstrukturen der Vorschrift zu vereinbaren ist oder ob eine Objektivierung des Tatbestandes die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet, so daß es Aufgabe des Gesetzgebers ist, eine gesetzliche Klarstellung herbeizuführen. 2. Die Normstrukturen des § 138 BGB
§ 138 I BGB erklärt Rechtsgeschäfte für nichtig, die „gegen die guten Sitten" verstoßen. Das Gesetz läßt allerdings offen, wann ein solcher Sittenverstoß gegeben ist. Diese als gute Sitten bezeichnete Ordnung ist aufgrund ihrer Unbestimmtheit konkretisierungsbedürftig und auch -fähig 46 . Das „Sittengesetz" kennzeichnet den Oberbegriff für feststellbare außerrechtliche, gesellschaftlich anerkannte Normen 47 , die juristische Bedeutung erlangen, weil sie gleichermaßen wie geschriebenes Recht die Rechtsbeziehungen beeinflussen. Damit ist der Bereich der sozialen Normen angesprochen 48. Die überkommene, am Sprachgebrauch orientierte Systematisierung der sozialen Normen unterscheidet Gewohnheit, Brauch, Sitte, Konvention, Sittlichkeit und Gewohnheitsrecht 49. Bedeutung erlangen diese Begriffe im Rahmen der Interpretation einer Generalklausel dann, wenn der soziale Bezugsrahmen allgemein gilt und damit „einen Standard des vorgeschriebenen Verhaltens bezeichnet" 50 . Im Kernbereich kommt den Gute-Sitten-Klauseln also eine Standardfunktion zu, wobei die Umsetzung der juristischen Fragestellung in die Wertungen eines außerrechtlichen sozialen Ordnungsgefüges unter Umständen schwierig sein kann. Soziale Normen unterliegen einem steten Wandel oder sind erst im Entstehungszustand. Gleichwohl bleibt die Orientierung an kollektiven Wertvorstellungen möglich, die zwar nicht den Verbindlichkeitscharakter sozialer Normen haben, aber dennoch Ausgangspunkt für rechtliche Verhaltensnormen sein können. So läßt sich zu jeder Zeit ein 46 Ausführlich zu den Theorien der „guten Sitten" Teubner, S. 13ff. Die wohl bekanntesten Bestimmungsfaktoren der „guten Sitten" sind nach herrschender Meinung das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden; kritisch dazu Esser / Schmidt, § 10 I I , 2 sowie Sack, NJW 1985, 761 ff. 47 M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 11. 48 So ist bereits in den Motiven (Mot. I, S. 211) zu lesen, „daß das Gebiet der Sittenpflichten mit demjenigen der Rechtspflichten sich nicht deckt und daß nicht jedes vom Standpunkte der Sittlichkeit verwerfliche Rechtsgeschäft nichtig sein kann". 49 50
Teubner, S. 69. Teubner, S. 68ff. m.w.N.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
„gewisses Minimum an gemeinsamer Wertung" 51 feststellen. Auch in einer pluralistischen Gesellschaft bestehen gemeinsame Wertvorstellungen, die hinsichtlich der Beurteilung von Schuldverträgen allerdings weniger von ethischen und moralischen Anschauungen geprägt sind 52 . Maßstab ist vielmehr der Erhalt des ökonomischen Gleichgewichtes und die Garantie wirtschaftlicher Entscheidungsfreiheit 53. Das Sittengesetz ist folglich aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zu begreifen. So sind nicht nur die dem Recht als solchem innewohnenden Prinzipien heranzuziehen, als vielmehr auch die übergeordneten Grundsätze, auf denen die verschiedenen Rechtsvorschriften beruhen. Namentlich finden die verfassungsrechtlichen Grundwerte 54 über die Generalklauseln als „Einbruchsteilen" Eingang ins Privatrecht und beinhalten einen Orientierungsmaßstab für privatrechtliches Handeln 55 . Der Zweck des § 138 BGB läßt sich unter Beachtung des gesellschaftlichen Standards dahingehend beschreiben, die Geltung von Rechtsgeschäften zu verhindern, die für eine Rechtsgemeinschaft unerträglich sind, weil sie aufgrund von Inhalt und Zweck von deren Wertungen abweicht 56 . Zimmermann 57 kennzeichnet die Funktion des § 138 BGB als „Ausfluß des Gebotes der Selbstachtung des Rechts". Das Rechtsgeschäft, das aufgrund seines Inhaltes oder Zweckes das „Recht" mißachtet, wird von der Rechtsordnung nicht anerkannt. Die Eliminierung des Rechtsgeschäftes soll abschreckend wirken. Dabei ist ausschließlich das Rechtsgeschäft als Regelung mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet. Die mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Willenserklärung wird diskriminiert. Ein Verdikt über die Person des rechtsgeschäftlich Handelnden ist damit nicht verbunden 58 . So bestimmen die Canaris, ZIP 1980, 709 (714). Zweifel an der „moralisierenden" Auslegung hegen Flume, § 18, 3, S. 373 sowie Lindacher, AcP 173 (1973), 124 (125), der allerdings im Hinblick auf die Präventionsfunktion des § 138 BGB die Bedeutung subjektiver Elemente für den Individualvertrag nicht völlig verneint. 53 Dazu M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 11; B G H W M 1969, 1255 (1257). 54 Gegen die Einbeziehung des sog. Ordre public als einer übergreifenden Vorstellung von der richtigen Ordnung des Gemeinwesens, Esser / Schmidt, § 10 I I , 2, S. 138; ferner Flume, § 18, 1, S. 364ff. 55 Esser / Schmidt, § 10 I I , 2, S. 138 schreibt demnach § 138 BGB „in vorderster Linie die Funktion zu, Würde und Freiheit der Person dergestalt vor schuldgeschäftlichen Beeinträchtigungen zu bewahren, daß private Autonomie nicht unvermittelt zu Fremdbestimmung und Verlust der Subjektqualität gerät". Bunte, W M 1984, Sonderbeilage Nr. 1/1984, S. 9 erkennt die Sozialstaatsklausel nur als Orientierungshilfe an, nicht aber als Antwort bei der Lösung des Interessenkonflikts. 56 Mot. I, S. 211, wonach der Inhalt des Rechtsgeschäftes nicht nur gegen die moralischen, sondern auch gegen die allgemeinen Interessen des Staates verstoßen kann. 57 Zimmermann, S. 83; ferner Veelken, AcP 185 (1985), 46 (60ff.). 58 Hackl, D B 1985, 1327 (1328) weist anhand § 1 U W G nach, daß niemand mehr daran denke, tatbestandsmäßige Abgrenzungen nach § 1 U W G mit vorwerfbarer Gesinnung oder moralischem Umwerturteil zu begründen. 52
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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Motive 5 9 ausdrücklich, daß „Nichtigkeit eintritt, wenn der Inhalt eines Rechtsgeschäftes unmittelbar, in objektiver Hinsicht und unter Ausscheidung der subjektiven Seite die guten Sitten verletzt." Die traditionell subjektive Auslegung des § 138 BGB findet in den Motiven keine Stütze 60 . Die Tatsache, daß die Rechtsprechung seit der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts 61 neben dem objektiv festzustellenden Leistungsmißverhältnis zusätzlich ein subjektives Element verlangt, beruht auf der reichsgerichtlichen Interpretation der Wuchervorschrift des § 138 I I BGB 6 2 . Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ging davon aus, daß der Wucher nur ein gesetzliches Beispiel für unsittliche Rechtsgeschäfte darstellt und daß die darin angegegebenen Tatbestandsmerkmale nur gemeinsam, aber nicht jedes für sich allein, die Voraussetzungen eines unsittlichen Geschäftes erfüllen 63 . So wurde, wenn die Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines anderen nicht gegeben war, ein weiterer Umstand verlangt, der - in Verbindung mit dem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung - den Vertrag nach seinem Gesamtcharakter zu einem unsittlichen stempelte 64 . Dieser „weitere Umstand" wurde als ein subjektives Merkmal interpretiert, weil es an die Stelle des fehlenden Merkmals der Ausbeutung 65 treten sollte. Dies war aber nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. In den Entscheidungen wurden Umstände genannt, die zweifelsohne dahin ausgelegt werden konnten, daß auch noch ein weiteres objektives Merkmal notwendig sei 66 . Das Reichsgericht unterlag überdies dem Irrtum, den Wuchertatbestand erst bei Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale anzunehmen. Die Aufzählung in § 138 I I BGB ist als Klarstellung zu verstehen, wie sich aus der Wendung „insbesondere" ergibt 67 . Dem Gesetzgeber ging es bei der Konzeption des Wuchertatbestandes nicht darum, kraft Gesetzes jedwede soziale Ungerech59 Mot. I , S . 211. 60 Vgl. dazu Flume, § 18, S. 367; M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 104, 106; a. A . die überwiegende Rechtsprechung seit R G Z 150, 1 (5); Β G H Z 32, 361 (366); B G H W M 1976, 181 (182). Für bestimmte Sittenwidrigkeitstypen - wie den Monopolmißbrauch - verzichtet die Rechtsprechung bereits auf eine verwerfliche Gesinnung; vgl. dazu die Nachweise bei M K / Mayer / Maly, § 138 BGB Rdnr. 106, FN 325f. R G Z 150, Iff. 62 Zum Verhältnis des § 138 I zu § 138 I I vgl. M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 115f.; Palandt / Heinrichs, § 138 Anm. 2a; Soergel / Siebert / Hefermehl, § 138 Rdnr. 64. 63 R G Z 64, 182. 64 R G Z 83, 112. 65 Ausbeutung ist die bewußte Ausnutzung der Situation des Bewucherten. Sie setzt zwar nicht Absicht, aber die Kenntnis der Situation voraus; M K / Mayer / Maly, § 138 Rndr. 129. 66 R G Z 83,113: „Ausnutzung der Sach- und Rechtslage"; R G Z 93, 29: „Unerlaubte und unsittliche Ausnutzung der allgemeinen Schwierigkeiten des Geld- und Arbeitsmarktes". Vgl. ausführlich Stoll, AcP 142 (1936), 333ff. zur Bedeutung der Entscheidung R G Z 150, 1 für die Auslegung des § 138 BGB. 67 Flume, § 18, 7, S. 379; ausführlich dazu Brandau, S. 80f.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
tigkeit bei Austauschverträgen zu korrigieren. „Das klassische bürgerliche Recht behandelt alle Rechtssubjekte formal-abstrakt gleich" 68 . Das bedeutet, daß das Gesetz im Hinblick auf Zins- oder Preisbildung grundsätzlich auf die Überprüfung der zustande gekommenen Verträge verzichtet. Jede Überprüfung von Leistung und Gegenleistung im Rahmen des § 138 BGB bedeutet eine Kollision mit dem Prinzip der Preisregulierung auf dem Markt. Dies beruht auf der Vorstellung, daß die Preisbildung am Markt einerseits durch den Wettbewerb und das freie Unternehmertum, andererseits durch die Fähigkeit des Individuums, seine (knappen) Mittel einzusetzen, bestimmt wird. Ein wirksamer Wettbewerb hat die Aufgabe, die Preise auf das angemessene Niveau her abzudrücken und überhöhte Konditionen auszuschalten69. Das BGB geht aufgrund dieser Marktregulative grundsätzlich von einer Richtigkeitsgewähr privatautonomer Verträge aus 70 . Mit Hilfe des Wuchertatbestandes soll das ökonomische Gleichgewicht geschützt werden, das dann gefährdet ist, wenn der wirtschaftlich oder intellektuell Stärkere eine diesbezügliche Unterlegenheit des Vertragspartners benutzt, um unverhältnismäßige Vermögensvorteile zu erwirtschaften. Der Schutz des Gesetzes setzt erst auf einer hohen Stufe an: „Der Leichtsinnige und Unerfahrene muß sein Lehrgeld im Grundsatz selbst zahlen" 71 . Diese an Sinn und Zweck orientierte Interpretation erfordert nicht zwingend eine subjektive Komponente i.S. einer verwerflichen Gesinnung. Hingegen ist es auch aufgrund der Wortfassung möglich, eine der in § 138 I I BGB aufgeführten „typischen Ungleichgewichtslagen" 7 2 objektiv festzustellen. Dies ist insbesondere bei der Beurteilung der Massen-Kreditgeschäfte notwendig, da dort nicht auf die konkrete persönliche Situation eines bestimmten Schuldners abgestellt wird. Vielmehr können im Mengen-Kreditgeschäft lediglich Kenntnisse über die Situation einer bestimmten Kundenstruktur nutzbar gemacht werden 73 . Bezogen auf das Massengeschäft besteht die Funktion der Rechtsprechung zum sittenwidrigen Rechtsgeschäft in der Eindämmung wirtschaftlicher Macht. Darin kommt gleichzeitig zum Ausdruck, daß es nicht um die Feststellung einer „verwerflichen Gesinnung" oder „moralisierender Unwerturteile" 7 4 gehen kann. Kohte 75 umschreibt die Funktion des § 138 BGB im standardisierten Massengeschäft treffend mit der Forderung nach „Ausschaltung von objektiven Fehlentwicklungen der Privatautonomie". Der Aufgabe, die Grenzen der Privatautonomie im Bereich schematisierter Massengeschäfte zu konkretisieren und die 68 69 70 71 72 73 74 75
Dauner-Lieb, bm-Sonderausgabe 1985, S. 8 (9). Vgl. dazu Bunte, W M 1984, Sonderbeilage Nr. 1/1984, S. 5. Dauner-Lieb, aaO. Weitnauer, S. 15. Esser / Schmidt, § 10 I I , 2, S. 139. Vgl. dazu unten A I I I l c , aa. Kohte, NJW 1985, 2217 (2221); Veelken, AcP 185 (1985), 46 (60ff.). Kohte, aaO, S. 2222.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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Ausnutzung von Marktmacht einzudämmen, würde eine Verwerflichkeitsprüfung entgegenstehen. Der Gedanke der Eindämmung wirtschaftlicher Macht ist nicht neu, sondern tritt nur unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen immer deutlicher hervor. Mit der Einführung des A G B G hat der Gesetzgeber bereits den veränderten wirtschaftlichen Machtverhältnissen im Massengeschäft Rechnung getragen. Die ausschließlich objektive Inhaltskontrolle der AGB-Klauseln 76 mag eine Orientierungshilfe für die Objektivierung des Sittenwidrigkeitsparagraphen sein. Auf eine subjektive Haltung des AGBVerwenders kann es nicht ankommen, weil die Klauseln - unabhängig von der konkreten Fallsituation - für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Zudem hat sich der Gesetzgeber bewußt dagegen entschieden, die AGBInhaltskontrolle im Einzelfall von der Schutzbedürftigkeit des Kunden abhängig zu machen 77 . Einem Verzicht auf subjektive Elemente steht die strafrechtliche Wuchervorschrift des § 302a StGB nicht entgegen. Die Neufassung des Wuchertatbestandes durch das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 78 bedingte eine Änderung des § 138 I I BGB, um im Interesse der Klarheit und Einheitlichkeit der Rechtsordnung eine verschiedenartige Abgrenzung des strafrechtlichen und des zivilrechtlichen Wuchertatbestandes zu vermeiden 79 . Der strafrechtliche Wuchertatbestand setzt notwendigerweise voraus, daß dem Wucherer ein persönlicher Schuldvorwurf gemacht werden kann. § 302 a StGB stellt das verwerfliche Verhalten des Wucherers unter Strafe, während die zivilrechtliche Regelung des § 138 I I BGB ein Rechtsgeschäft für nichtig erklärt, das eine unverhältnismäßige Äquivalenzstörung zum Inhalt hat. Folgerichtig trifft die Nichtigkeitsfolge das Rechtsgeschäft als solches. Daraus ergibt sich weder die Notwendigkeit noch das Bedürfnis, gleichzeitig ein Urteil über den rechtsgeschäftlich Handelnden zu fällen. Unabhängig davon, daß das subjektive Element lediglich vom Reichsgericht aufgrund einer moralisierenden Auslegung in § 138 I I BGB hineininterpretiert worden ist, muß dieses im Mengen-Kreditgeschäft aufgegeben werden. Andernfalls wird das subjektive Element zu einer bloßen Leerformel, die stets aufs Neue Unbehagen auslösen wird. Grundlage der Bewertung des sittenwidrigen Ratenkreditvertrages muß ausschließlich das objektiv festzustellende Lei7
* M K / Kötz, § 9 A G B G Rdnr. 5. Vgl. dazu die Nachweise in M K / Kötz, § 1 A G B G Rdnr. 2. Ferner hängt die Anwendung des A G B G nicht davon ab, ob zwischen den Parteien in wirtschaftlicher oder intellektueller Hinsicht ein „Machtgefälle" besteht. 7 * Gesetz vom 29.7.1976, BGBl I, S. 2034, 2038; Sturm, JZ 1977, 84 (87) zu den Grenzen des Strafrechts; vgl. auch v. Olshausen, Z H R 146 (1982), 259 (269ff.) zu den zivil- und wirtschaftsrechtlichen Instrumenten gegen überhöhte Preise. 79 Lammel, BB 1980, Beilage 8/80, S. 8 zur Effektivität des § 302a StGB zur Bekämpfung des Kreditwuchers; Hackl, D B 1985, 1327, der den als privatrechtlichen Verbraucherschutz gedachten Wucherparagraphen auch in der reformierten Fassung als unpraktikabel ansieht. 77
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
stungsmißverhältnis sein sowie die objektive Feststellung einer der in § 138 I I BGB aufgeführten typischen Ungleichgewichtslagen. Die auf objektive Kriterien bezogene Interpretation des Wuchertatbestandes trägt den sozialen Realitäten Rechnung. Es gilt nicht nur einen „sozialen Wandel" zu erkennen, sondern gleichzeitig darauf von Rechtswegen zu reagieren. Insbesondere die Problematik der sittenwidrigen Konsumentenkreditverträge verdeutlicht, daß sich die Maßstäbe traditioneller Privatautonomie nur schwerlich in den Bereich moderner Vertragsgestaltung übertragen lassen. Im standardisierten Mengengeschäft wirkt es eigentümlich altmodisch, schulmeisterlich mit erhobenem Zeigefinger den rechtsgeschäftlich Handelnden mit dem „Makel der Sittenwidrigkeit" zu belegen. Es kommt entscheidend darauf an, den Schutz des intellektuell oder ökonomisch Schwächeren vor objektiv unangemessener Übervorteilung zu gewährleisten. Für den am Rechtsverkehr Beteiligten hat der Erhalt „sozialer Mindeststandards" 80 innerhalb vertraglicher Beziehungen die maßgebliche Bedeutung. Die Objektivierung des Wuchertatbestandes führt gleichwohl nicht zu einem allgemeinen Verbot der Übervorteilung 81 , sondern beläßt es bei der besonderen Situation der Erzielung unangemessener Vermögensvorteile bei Bestehen einer typischen geistigen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichtslage. Der Gedanke einer Garantie von Mindeststandards im Tauschgeschehen legt eine Annäherung an die Gesamt-Konzeption des AGB-Gesetzes nahe. Voranzustellen ist jedoch, daß das A G B G eine Preiskontrolle gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat sich in § 8 AGB-Gesetz dafür ausgesprochen, den „sensiblen Bereich der Preise von der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle auszunehmen"82. Dies bedeutet nicht, daß in einem marktwirtschaftlichen System die Preise mangels existierender Maßstäbe einer Kontrolle überhaupt nicht unterworfen sein können. Die Wuchervorschrift des § 138 I I BGB sowie die Möglichkeit von Preiskontrollen nach § 22 GWB belegen die Existenz von Vorschriften zur Preisüberprüfung. Die zurückhaltende Regelung des § 8 A G B G will lediglich den Bereich der Preiskontrolle gering halten, weil der Preis durch vielerlei Einflüsse bestimmt wird sowie Marktschwankungen unterliegt 83 . Im Rahmen des AGB-Gesetzes ist die Objektivierung bereits soweit fortgeschritten, daß die Anwendung des Gesetzes nicht davon abhängt, ob zwischen den Parteien ein „Machtgefälle" in wirtschaftlicher oder intellektueller Hinsicht besteht. Die Übertragung der AGB-Kontrollmaßstäbe auf die Überprüfung der Entgeltvereinbarung im Darlehnsgeschäft setzt voraus, daß der Zins als Entgelt vom Darlehnsgeber von vornherein feststeht. Die Kon80
Esser / Schmidt, § 10 I I , 2, S. 139. Der Richter wird folglich nicht in die Rolle des Preiskommissars gedrängt, der den „gerechten Preis" (Wieacker, Festschrift Deutscher Juristentag, S. 482) zu bestimmen hat. 82 Bunte, W M 1984, Sonderbeilage Nr. 1/1984, S. 5. 83 Vgl. dazu ausführlich Bunte, aaO, S. 6. 81
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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zeption des A G B G geht davon aus, daß die Entgeltvereinbarung nicht vorformuliert ist, sondern im Einzelfall ausgehandelt wird. Im standardisierten Formularkreditgeschäft werden hingegen nicht nur der Zinssatz, sondern auch weitgehend die Kreditnebenkosten von dem jeweiligen Kreditinstitut vorgegeben. Eine Verhandlung findet hierüber in der Regel nicht statt, so daß die Möglichkeit einer Einflußnahme des Kreditnehmers auf den Preis des Kredites von vornherein ausscheidet. Der Frage, ob und gegebenenfalls wie die Entgeltvereinbarung am Maßstab des A G B G zu überprüfen ist, kann hier nicht vertiefend nachgegangen werden. Die Tatsache der weitgehenden Vorformulierung selbst der Entgelt-(Zins-)Konditionen bestätigt die Notwendigkeit, die Nichtigkeit einer Entgeltvereinbarung ausschließlich anhand objektiver Kriterien im Rahmen des § 138 I I BGB vorzunehmen. Damit werden die Grenzen einer zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung nicht überschritten. Der Verzicht auf subjektive Elemente ist einerseits mit den Normstrukturen des § 138 I I BGB vereinbar, andererseits im Hinblick auf das Phänomen des Massengeschäftes geboten. Die Problematik der exemplarisch herausgestellten sittenwidrigen Ratenkreditverträge erfordert keine weitreichenden gesetzlichen Novellierungen. Immerhin ist zu berücksichtigen, daß es sich um Verträge handelt, die in eine Niedrigzinsphase fielen, deren „Ausnahmecharakter" allgemein anerkannt ist. Unter Umständen tritt eine solch extreme Situation nicht mehr ein, so daß es verfehlt wäre, daraufhin eine gesetzliche Neykonzeption zu begründen. Das vorhandene gesetzliche Instrumentarium ist ausreichend, um der Problematik der sittenwidrigen Ratenkreditverträge Herr zu werden.
3. Das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß im Vordergrund jeder Sittenwidrigkeitsprüfung die Betrachtung des Wertverhältnisses von Leistung und Gegenleistung steht 84 . Wichtigster Maßstab ist dabei der Marktvergleich. Die früher zur Sittenwidrigkeitsprüfung verwendete absolute Bestimmungsmethode anhand fester Zinszahlen ist heute von der relativen Betrachtung verdrängt worden. Maßgeblich ist nunmehr der Vergleich des Vertragszinses mit dem zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Marktzins. Daraus folgt, daß jeder Vertrag für sich vor dem Hintergrund einer konjunkturbedingt veränderlichen Marktzinshöhe zu sehen und zu prüfen ist 85 . Grund für diesen geänderten Prüfungsmaßstab waren die Erfahrungen mit einer Phase der Hochzinspolitik, in der die geraume Zeit als anstößig erscheinenden Zinssätze plötzlich zu allgemein üblichen wurden. So lehnt es die Rechtsprechung - ins84 Scholz, M D R 1983, 451 zum groben Mißverhältnis der Leistungen beim Konsumentenkredit. 85 Vgl. oben A I V , S. 47.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
besondere die zu Kreditgeschäften - zurecht ab 8 6 , sich auf bestimmte Zahlenverhältnisse zwischen Leistung und Gegenleistung festzulegen. Dagegen vertritt das O L G Stuttgart 87 in seinem Urteil vom 24. 4.1979 die Auffassung, ein auffälliges Mißverhältnis liege vor, wenn der sogenannte Schwerpunktzins laut Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank um mehr als 100% überschritten ist. Zwar würde die Rechtsprechung zu § 138 BGB erheblich vereinfacht, könnte man sich auf Obergrenzen für zulässige Zinsvereinbarungen festlegen. Da sich aber der Gesetzgeber im Grundsatz gegen staatliche Zinsfestschreibungen, Zinstaxen 88 ausgesprochen hat, steht das Vorgehen des O L G Stuttgart nicht in Einklang mit dem geltenden Recht 89 . Dies wird dadurch bestärkt, daß der Gesetzgeber keine gesetzlichen Höchstgrenzen oder sonstigen rechtlichen Bindungen neu eingeführt oder bestehende erweitert hat 90 . Die Festlegung einer Zinsobergrenze würde wieder zu dem Zustand zurückführen, der mit der Aufhebung der Zinsverordnung 196791 abgeschafft werden sollte 92 . Für die Beurteilung des Leistungsmißverhältnisses kommt es vielmehr auf die jeweilige Kapitalmarktsituation an 93 . So kann entscheidend sein, welches Risiko die Bank mit der Hingabe des Geldes eingegangen ist, wobei dieses Risiko auch durch mit Dritten geschaffene Rechtsverhältnisse beeinflußt sein kann 94 . Der B G H 9 5 hat es folglich ausdrücklich der Feststellung des Tatrichters überlassen - gegebenenfalls unter Einschaltung eines Sachverständigen - , - ob der sog. Schwerpunktzins als alleiniger Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann; 86 Β G H Z 80, 153 (159); B G H BB 1982, 1824 (1826); ebenso M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 101. 87 NJW 1979, 2409 (2410); sowie O L G Stuttgart ZIP 1984, 1201 (1206); zustimmend Bachmann, NJW 1979, 2082f. 88 Mugdan I I , S. 107f. Einer Empfehlung des 6. Deutschen Juristentages folgend hob der Norddeutsche Bund durch Gesetz vom 14.11.1867 den Maximalzins für Rechtsgeschäfte auf. 89 Gegen feste Zinssätze: B G H BB 1982,1824 (1826); K G W M 1985,15; O L G Düsseldorf W M 1985, 17; O L G Frankfurt W M 1985, 116. 90 Vgl. zur Kostenvergütung gewerblicher Pfandleiher Verordnung vom 30.5.1976, BGBl I, 1334; ferner zur historischen Entwicklung der Reglementierungen auf dem Gebiet des Konsumentenkredits, Brandau, S. 58ff. 91 Verordnung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 21.3.1967, BGBl I , S. 352: Die Zinshöchstbegrenzung war zeitweise aus konjunktur- und wettbewerbspolitischen Gründen notwendig, ist aber mit dem marktwirtschaftlichen System nicht vereinbar. 92 Trotzdem konnte unter den Voraussetzungen des § 23 I K W G in der Fassung vom 3.5.1976 eine Anordnung bezüglich Zinsen und Provisionen durch RechtsVerordnung getroffen werden. Das K W G in der Fassung vom 11.7.1985 enthält diese Regelung nicht mehr. 93 L G München M D R 1976, 399 (400); B G H BB 1975, 1129f.; B G H D B 1976, 766; Schölten, NJW 1968, 385; Scholz, BB 1974, 1605f.; ders. NJW 1981, 323 gegen eine fiktive Preisberechnung im Teilzahlungskreditgeschäft. 94 B G H BB 1966, 1322 zur Bewertung von Wechselakzepten. 95 B G H NJW 1981, 1206.
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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- ob für Ratenkredite ein Sondermarkt besteht; - inwieweit die besondere Kosten- und Risikostruktur der Ratenkreditbanken zu berücksichtigen ist. Kernpunkt der Diskussion ist die Frage der Abgrenzung des relevanten Marktes und damit die Frage, ob es einen „Sondermarkt" für Teilzahlungs- und Ratenkredite gibt 96 .
a) Der „Sondermarkt"
der Teilzahlungsbanken
Der Begriff des „Sondermarktes" ist weder rechtlich festgelegt, noch hat sich eine Verkehrsanschauung dazu gebildet, welchen „Sondermarkt" die Teilzahlungsbanken bedienen 97 . Das K G Berlin 9 8 nimmt aufgrund der historischen Entwicklung der Teilzahlungsbanken - die sich wie folgt darstellt einen „Sondermarkt" an: Die Teilzahlungsbanken bestehen seit etwa 30 Jahren und haben inzwischen einheitliche allgemeine Geschäftsgrundsätze und Finanzierungsformen herausgebildet. Ursprünglich standen sie nicht im Wettbewerb mit den Geschäftsbanken und Sparkassen, weil diese - wenn überhaupt - Klein- und Personalkredite nur gegen erheblich höhere Sicherheiten als die Teilzahlungsbanken anboten 99 . In der Folgezeit sind dann die Geschäftsbanken und Sparkassen in diesen Kreditmarkt eingedrungen. Seitdem werden auch von diesen Bankengruppen Klein- und Personalkredite zu günstigen Konditionen angeboten. Das K G Berlin 1 0 0 stellt weiterhin darauf ab, daß sich die Teilzahlungsbanken kraft ihrer Eigendarstellung und Werbung als Institute verstehen, bei denen der „Kleine Mann", der außer seiner Arbeitskraft keine nennenswerten Sicherheiten zu stellen vermag, leichter und reibungsloser Kredit erhält als bei anderen Instituten. Unbeschadet der Tatsache, daß ein Teil der Teilzahlungskunden auch bei Geschäftsbanken und Sparkassen einen gleich hohen Kredit erhalten hätte, wird aufgrund der historischen Entwicklung und der Einschätzung der Bankengruppe in weiten Teilen der Bevölkerung ein Sondermarkt der Teilzahlungsbanken angenommen. Es ist jedoch verfehlt, allein aus der Wettbewerbssituation vor 30 Jahren eine Beurteilung für die heutigen Verhältnisse auf dem Kreditmarkt herzuleiten. Die Entwicklung zeigt gerade, daß sich die Verhältnisse auf dem Ratenkreditmarkt zugunsten eines größeren Wettbewerbs verändert haben, an dem auch 96 Büschgen, bm-Sonderausgabe 1985, 22 (23) bezeichnet den Bankleistungsmarkt als ein unvollkommenes Oligopol. 97 Zwanzig, BB 1980, 1282 (1286); Hörmann / Holzscheck, BB 1982, 1886 mit Erwiderung v. Scholz, BB 1982, 1891; dies. BB 1983, 1060ff. 98 K G Berlin, Urteil v. 27.4.1979, W M 1980, 72 (73). 99 I. d. R. sichern sich die Teilzahlungsbanken durch Lohnabtretungen, weil die Kunden keine anderen Sicherheiten haben. 100 aaO.
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die Geschäftsbanken und Sparkassen teilnehmen. Gleichwohl soll nicht verschwiegen werden, daß auch heute noch die Kunden der Teilzahlungsbanken aus einer Bevölkerungsschicht stammen, die von anderen Kreditinstituten wegen des besonderen damit verbundenen Risikos nicht bedient werden 101 . In diesem Zusammenhang wird als weiteres Argument für eine Unterscheidung der Teilzahlungsbanken von anderen Kreditinstituten auf die vermittelten Ratenkredite verwiesen. Diese typische Erscheinungsform des Teilzahlungskredits 102 wird von den Universalbanken und Sparkassen nicht angeboten. Der Kreditvermittler erledigt für den Kunden „Wege und Formalitäten"; über ihn ist es möglich, „per Hausbesuch" den Darlehnsvertrag abzuschließen. Der Kundenkreis, insbesondere bei vermittelten Ratenkreditgeschäften, setzt sich vielfach aus Gastarbeitern, Rentnern und Hausfrauen zusammen. Mag damit ein Hinweis auf Kreditabschlüsse mit sozial Schwachen und geschäftlich Unerfahrenen gegeben sein, so reichen dennoch diese Tatsachen nicht aus, um von einem Sondermarkt der Teilzahlungsbanken zu sprechen. Aufgrund der Geschäftspraxis der Banken und Sparkassen ist es seit vielen Jahren auch für Interessenten für Kleinkredite möglich, schnell und ohne belastende Formalitäten ein Darlehen gewährt zu bekommen. Die Leistung der Teilzahlungsbanken stellt sich im Vergleich zu den Universalbanken nicht als etwas völlig anderes dar. Der B G H 1 0 3 hat insoweit richtig festgestellt, daß die Kreditsuchenden, insbesondere die Marktinformierten unter ihnen, die von den Teilzahlungsbanken angebotenen Kredite gegenüber den Krediten anderer Institute nicht als eigenständige Leistung beurteilen. Die Teilzahlungsbanken sowie die anderen Kreditinstitute wenden sich mit ihren Teilzahlungs- und Ratenkreditangeboten erfahrungsgemäß als Anbieter jedenfalls zum Teil an Interessenten als Nachfrager in gleicher Lage 104 . Insofern sind die Teilzahlungsbanken auf dem Ratenkreditmarkt Mitbewerber um Kunden. Ausdrücklich lehnt es der B G H 1 0 5 ab, den Teilzahlungsbanken einen abgeschlossenen Kundenkreis derart zuzusprechen, daß sie nur solche Darlehnsbewerber bedienen, die bei anderen Kreditinstituten wegen ihrer wirtschaftlich schwachen Lage oder aus sonstigen Gründen keinen Kredit erhalten. Die Rechtsprechung argumentiert vor diesem Hintergrund zu Recht, daß die Teilzahlungsbanken lediglich einen abgegrenzten Teil des allgemeinen Kreditmarktes abdecken, der aber nicht ausschließlich von ihnen beherrscht werde 106 . Diese 101 Canaris, ZIP 1980,715f.; Kessler, BB 1979,1423; Kochendörfer, NJW 1980,216; Scholz, W M 1979, 1247 (1248). 102 Vgl. dazu Brandau, S. 26ff. 103 B G H Z 80, 153 (165). m B G H aaO, S. 163. 105 B G H aaO; B G H NJW 1979, 2089 (2091); B G H NJW 1980, 2076 (2077). ι 0 6 O L G Köln, NJW 1979, 554; O L G Stuttgart NJW 1979, 2411; O L G Hamm W M 1980, 132f.; O L G Frankfurt FLF 1980, 223; B G H NJW 1980, 805 (806); B G H NJW 1980, 446; B G H NJW 1980, 2302; B G H NJW 1981, 1208ff.; B G H BB 1982, 1824 (1825).
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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Auffassung entspricht auch der Wertung des § 22 GWB. Zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens ist die Feststellung des „relevanten Marktes" 1 0 7 notwendig. Nach den wettbewerbsrechtlichen Abgrenzungskriterien ist darunter der aus dem konkreten und interdependierenden Marktgeschehen ausgesonderte und isolierte Markt für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 108 zu verstehen. Entscheidend ist, daß die angebotenen Produkte aus der Sicht der Abnehmer nach Beschaffenheit, Verwendungszweck und Preis als austauschbar angesehen werden 109 . Betrachtet man nun den Konsumentenkreditmarkt, so wird dieser - insbesondere aus der Sicht der Kunden - als einheitlicher Markt eingestuft. Obgleich die Vergabepraxis der Teilzahlungsbanken im Vergleich zu den anderen Bankengruppen verschieden sein mag, so ist das Produkt oder die Ware „Geld" stets dieselbe. Bei der Marktbestimmung muß unberücksichtigt bleiben, daß die Teilzahlungsbanken zum großen Teil eine finanzschwache Bevölkerungsschicht bedienen, da die Feststellung des relevanten Marktes vom Produkt auszugehen hat. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß sich aufgrund der Kundenstruktur eine „ A r t Marktsegmentierung" 110 ergeben hat. Trotzdem ist die Ware Ratenkredit von einer Teilzahlungsbank mit der einer anderen Bank auch für den Kunden aus der niedrigeren Bevölkerungsschicht - austauschbar 1 1 1 . Die Kundenstruktur bestimmt folglich nicht den relevanten Markt, sondern kann allenfalls unter dem Gesichtspunkt „Risiko" bei der Gesamtwürdigung in § 138 BGB Beachtung finden. Maßstab für die Beurteilung des Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung ist der „gesamte Markt für vergleichbare Ratenkredite" 112 . Die Rechtsprechung zieht als Vergleichsmaßstab den von der Bundesbank ermittelten „Schwerpunktzins" für Ratenkredite heran. Diese Statistik der Deutschen Bundesbank über die Soll- und Habenzinsen wird seit Oktober 1967 geführt. Nachdem mit Wirkung vom 1.4.1967 die Zinsverordnung aufgeho107
Statt aller Reich, S. 275ff. ίο» Ebel, NJW 1973, 1580; Ewald, BB 1975, 225. 109 Einhellige Meinung vgl. Müller / Giessler / Scholz, § 22 GWB Rdnr. 13. no Brandau, S. 125. m A . A . Gerstenmaier, FLF 1980, 225 (227), der Ratenkredite der Teilzahlungsbanken zwar hinsichtlich ihres Verwendungszweckes, nicht aber hinsichtlich ihres Preises und auch nicht bezüglich ihrer qualitativen Beschaffenheit für substituierbar hält; der wesentliche Unterschied und damit die Marktabgrenzung bestehe aus der Sicht des Verbrauchers darin, daß er Darlehnsmittel erhält, ohne eine Bank aufzusuchen und ohne in der Regel mehr Sicherheiten bieten zu müssen als die ihm zur Verfügung stehende Arbeitskraft (Lohnabtretung). Gerstenmaier stellt im wesentlichen auf den vermittelten Ratenkredit ab; aufgrund der Spezifika dieser Kreditform kann zur Marktabgrenzung nur auf den „allgemeinen" Ratenkreditmarkt zurückgegriffen werden. h 2 So wörtlich B G H NJW 1979, 2089 (2091); ferner O L G Köln NJW 1979, 554; B G H NJW 1979, 805 (806); B G H NJW 1979, 808; B G H W M 1980, 892 (894); B G H ZIP 1981, 369 (373). *
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ben wurde und damit die amtlich festgesetzten Höchstgrenzen für die Sollund Habenzinsen fortgefallen waren, wurde eine derartige Erhebung notwendig 1 1 3 . Berücksichtigt sind lediglich die reinen „Kreditgebühren", also die Zinsen im Rechtssinne. Bearbeitungs- und Vermittlungsgebühren sowie sonstige Entgelte bleiben unberücksichtigt 114 . Die Statistik beruht auf den Meldungen zu Soll- und Habenzinsen von ca. 433 Kreditinstituten 115 , wobei die Teilzahlungsbanken mit 24 berichtenden Instituten vertreten sind 116 . Dabei werden nur Kredite von 2000,- D M bis 5000,- D M und einer Laufzeit von 12 bis 24 Monaten berücksichtigt 117 . Das O L G Hamburg 118 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank keinen vollständigen Überblick über die Marktverhältnisse gibt, insbesondere die Kreditbedingungen der Teilzahlungsbanken nur unterdurchschnittlich oder kaum in die Zinsstatistik einfließen. Dies ergibt sich zudem daraus, daß die Bundesbank den Schwerpunktzins als ungewichtetes arithmetisches Mittel aus den innerhalb der Streubreite liegenden Zinsmeldungen ermittelt. Die Streubreite resultiert wiederum daraus, daß jeweils 5% der Meldungen mit den höchsten und den niedrigsten Zinssätzen ausgesondert werden. Aufgrund der recht schwachen Repräsentation der Teilzahlungsbanken in der Zinsstatistik ist nicht zu leugnen, daß diese nicht ohne weiteres den Marktpreis des Ratenkredites ausweist. Gleichwohl erlaubt die Auswahl der in der Statistik berücksichtigten Kreditinstitute (Großbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken) die Bestimmung des marktüblichen Preises, weil davon auszugehen ist, daß die gewählten Institute auch den größten Marktanteil halten 119 . Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Bundesbank den Schwerpunktzins ermittelt, um Reaktionen des Kreditgewerbes auf Veränderungen in der Wirtschaftslage und globale Steuerungsmaßnahmen der Bundesbank zu erfahren. Dementsprechend muß die Statistik den Kreditmarkt durch Aufnahme der repräsentativen Bankengruppen abdecken, ohne Spezifika bestimmter Institute wie insbesondere der Teilzahlungsbanken einzubeziehen. In Kenntnis der „Unzulänglichkeiten" der Statistik für das spezielle Problem des zulässigen Entgeltes für Teilzahlungskredite bietet der Schwerpunktzins einen brauchbaren Anhaltspunkt zur Bestimmung des Verkehrswertes und ist damit die zur Zeit beste Vergleichsgrundlage. Wenn es sich notwendigerweise auch nur um einen überschlägigen Vergleich handeln kann, so ist die Statistik dennoch 113 Vgl. ausführlich zur Erhebungsmethode sowie zum Zahlenmaterial Brandau, S. 47ff. 114 Kochendörfer, NJW 1980, 215 (216). 115 Kochendörfer aaO; mit 434 Meldungen geringfügig abweichend Kessler, BB 1979, 1427. 116 Kochendörfer aaO; Kessler aaO. 117 Vgl. Nachweise bei Brandau, S. 48. us Urteil vom 30.10.1981, NJW 1982, 942 (943); O L G Hamburg W M 1984, 1424; O L G Hamburg W M 1984, 1444 (1445). 119 Brandau, S. 128 beziffert diesen Anteil für 1979 mit 87%.
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breit genug angelegt, um die im Rahmen des § 138 BGB notwendige Gesamtwürdigung vorzunehmen 120 . Verständlicherweise provozierte die Heranziehung eines offensichtlich unvollständigen Vergleichsmaßstabes Kritik. Aufgrund der Unterrepräsentation der Ratenkredite und der völligen Außerachtlassung der vermittelten Ratenkredite wird der Rechtsprechung vorgeworfen, „mit der Heranziehung der Bundesbank-Berichte werde Unvergleichbares verglichen" 121 . Um dem dargelegten Vorwurf zu entgehen, findet sich vereinzelt die Empfehlung 122 , jeweils eine Auskunft bei der Deutschen Bundesbank über den durchschnittlichen Zins bei Ratenkrediten der Teilzahlungsbanken einzuholen. Allerdings dürfte die Realisierung dieser Empfehlung auf unlösbare Schwierigkeiten stoßen, da geeignetes Datenmaterial bisher nicht vorliegt 1 2 3 . Daneben halten Bankenvertreter 124 sowie Stimmen in der Literatur 125 den Rückgriff auf den Schwerpunktzins insbesondere deshalb für verfehlt, weil dieser Zinssatz für die Teilzahlungsinstitute nicht köstendeckend sei 126 . Die Teilzahlungsbanken müßten aufgrund ihrer besonderen Risiko- und Kostenstruktur einen höheren Zins geltend machen. Als Grund für die besondere Risikostruktur wird angeführt: Der Kreditgeber, der mit höherem Ausfallrisiko einen Kredit einräume, müsse bei seiner Kalkulation ein entsprechend höheres Entgelt verlangen. Auf diese Weise könnten bei dem Ausfall eines größeren Teils der Kredite die Teilzahlungsbanken den gleichen Gewinn realisieren wie die anderen Bankengruppen, die nur gegen hohe Sicherheiten und/oder nur an solvente Kunden Kredite herausgäben und dementsprechend mit einem geringeren Ausfallrisiko belastet seien. Die Ausfallquote bei Konsumentenkrediten kann jedoch mangels spezieller Statistiken nicht ermittelt werden 127 . Diese ließe sich nur dann bestimmen, wenn der in den sonstigen Aufwendungen enthaltene Abschreibungsaufwand im Hinblick auf die Konsumentenkredite angeführt würde 128 . Obgleich keine geeigneten Statistiken zur 120 O L G Hamburg aaO, S. 944; Derleder, NJW 1982, 2401 (2406); Hackl, DB 1985, 1327 (1329); a. A . Büschgen, BB 1984, Beilage 9/1984, S. 1 (15), der einen aussagekräftigen Zinsvergleich nur auf der Grundlage von Effektivzinssätzen vornimmt, die die von Kreditnehmern als Preis zu zahlenden Beträge für Zinsen, Gebühren u. a. in die richtige Relation zur Höhe und zeitlichen Verfügbarkeit der Kreditvaluta bringen. 121 Löwe, NJW 1980, 2078 (2079) in einer Anm. zu B G H NJW 1980, 2074 (2076); ebenso Fischer, DB 1983, 2180 (2182). 122 B G H NJW 1979, 805 (806). 123 Derleder, aaO. 124 Koeppen vom Β ankenfachverband Konsumenten- und gewerbliche Spezialkredite, SPD-Fraktion, Schuldturm, S. 32, 174. 125 Kessler, BB 1979,1425; Klauss, BB 1955, 809f.; Scholz, BB 1977,1426; ders. TW 1980, Heft 1, S. 10f. 126 Brandau, S. 252ff. zur Frage, inwieweit der Preis des Kredits bei den anderen Bankengruppen kostendeckend ist; Passardi, TW 1977, 2/3ff. zur Kostenrechnung bei Ratenkreditbanken. 127 Brandau, S. 164ff. zu den verschiedenen Methoden der Erfassung des Risikos. ι 2 « O L G Stuttgart NJW 1979, 2409 (2412).
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Berechnung des Ausfallrisikos vorliegen, geht die Rechtsprechung davon aus, daß die Teilzahlungsbanken eine erhöhte Risikostruktur aufweisen 129 , die aber aufgrund des fehlenden Datenmaterials nicht beweisbar ist. Dennoch ist durch Zahlenbeispiele zu belegen 130 , daß die Risikostruktur der Teilzahlungsbanken keinesfalls die verlangten Zinssätze rechtfertigt. So wird die besondere Risikostruktur zwar anerkannt, jedoch beeinflußt sie im Einzelfall nur minimal die Bewertung des auffälligen Mißverhältnisses 131 . Zweifelhaft erscheint auch, wenn von Vertretern der Teilzahlungsbanken vorgebracht wird, sie betrieben eine Art der Refinanzierung, die höhere Zinsen notwendig mache. Schütt 132 verdeutlicht anhand der volkswirtschaftlichen Definition des Zinses, daß sich die Refinanzierungskosten nicht im Zins ausdrücken können. Volkswirtschaftlich bedeutet Zins die Belastung von Liquidität und Bonität. Wird das Risiko der Bank größer bei schlechter Bonität der Kunden, so ist der Preis für die Ware Geld verständlicherweise teurer. Jedoch können nach dieser Definition die Refinanzierungskosten nicht den Zins beeinflussen, weil sie sich ausschließlich an den Konditionen der Refinanzierungsinstitute orientieren. Zudem richtet sich die Höhe der Refinanzierungskosten nach der Höhe der Eigenmittel der Bank 1 3 3 . Mögen in den Gründungszeiten der Teilzahlungsbanken deren Eigenmittel gering gewesen sein, so hat sich deren Ausstattung mit Eigenmitteln erheblich verbessert. So war 1982 zu belegen 134 , daß sich die im Konsumentenkreditgeschäft tätigen Banken zu 63,5% mit Einlagen von Privatleuten und nur zu 36,5% durch Bankengelder refinanzierten. Das Argument der Teilzahlungsbanken wird zusätzlich dadurch entkräftet, daß 1982 von insgesamt 85 Banken 32 zu 50% oder mehr im Besitz anderer Banken waren 135 . Das Kreditvolumen, das auf diese Bankentöchter entfiel, machte 75,8% des gesamten Konsumentenkreditvolumens aus. Aus dem Jahresbericht 1983 des Bankenfach ver bandes Konsumentenund gewerbliche Spezialkredite ( B K G ) 1 3 6 ist zu ersehen, daß der überwiegende Teil der Teilzahlungsbanken 100% ige Töchter der Großbanken sind oder von diesen im Mehrheitsbesitz gehalten werden. So sind sie oftmals Tochtergesellschaften von Geschäftsbanken, Spezialinstituten oder öffentlichrechtlichen Landesbanken. Damit bestehen für die Refinanzierung keine besonderen Schwierigkeiten, weil die Kreditbanken auf ihre Mutterbanken 129 O L G Köln NJW 1979, 554; O L G Nürnberg NJW 1979, 555; B G H ZIP 1982, 1047. ι 3 0 Beispiel bei Brandau, S. 166 FN 1 m.w.N. 131 Β G H Z 80, 153 (163). 132 SPD-Fraktion, Schuldturm / Schütt, S. 92. ι 3 3 Büschgen, bm-Sonderausgabe 1985, 22 (25) zur Refinanzierungsstruktur der Teilzahlungskreditinstitute . ι 3 4 SPD-Fraktion, Schuldturm / Dohr, S. 93. 135 Dohr, aaO. 136 Abgedruckt in F A Z v. 21.8.1984 Nr. 185, S. 13.
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zurückgreifen können, die aufgrund der Besitzverhältnisse gegebenenfalls günstige Konditionen einräumen werden. Gegen die Einräumung günstiger Konditionen könnte sprechen, daß höhere Refinanzierungskosten bei den „Töchtern" die Gewinne der „Mütter" sind. Gleichwohl sind mit diesem Argument i. d. R. nur geringfügige Prozentaufschläge zu rechtfertigen. Selbst wenn sich die Teilzahlungsbanken zu den marktüblichen Konditionen refinanzieren müssen, so schlägt dennoch das Argument fehl, wegen überdurchschnittlicher Refinanzierungskosten einen erheblich höheren Zinssatz verlangen zu müssen. Die Teilzahlungsinstitute rechtfertigen ihre erhöhten Zinssätze ferner mit der besonderen Kostenstruktur. So ist tatsächlich statistisch belegbar 137 , daß der Verwaltungs- und Bearbeitungsaufwand durch die überwiegend kleineren Kredite fast doppelt so hoch ist wie bei anderen Bankengruppen. Der erhöhte Verwaltungsaufwand erklärt sich aus der Tatsache, daß die Teilzahlungsbanken überwiegend Kredite mit geringeren Kreditbeträgen und damit kürzeren Laufzeiten als andere Bankengruppen her auslegen 138 . Die Bearbeitung der großen Anzahl von Kleinkrediten ist i.d.R. ebenso arbeitsintensiv wie die eines großen Kredites 139 . Zudem bedeutet die kurze Laufzeit der Kredite, daß der Arbeitsaufwand sich - im Vergleich zu längerfristigen Krediten - nicht verteilen kann, sondern die laufende Bearbeitung ständig erhöht ist. Festzuhalten bleibt also, daß die Teilzahlungsbanken einen gegenüber anderen Bankengruppen erhöhten Verwaltungsaufwand haben, der sich im Zins niederschlagen kann. Insofern verursacht jede Kreditgewährung, unabhängig von der Kredithöhe, gewisse fixe Kosten. Der geforderte Zinssatz muß desto höher sein, je kleiner die Kredite und desto niedriger, je größer die Kredite sind 140 . Die Anerkennung der besonderen Kosten-, d.h. der besonderen Verwaltungskostenstruktur, führt zur Berücksichtigung dieser Elemente bei der Gesamtwürdigung im Rahmen des § 138 BGB. Ebenso kann eine besondere Risikobelastung im Einzelfall bei der Gesamtwürdigung ausschlaggebend sein. Im Ergebnis ergibt sich folgendes Bild: Die Teilzahlungsbanken bedienen keinen Sondermarkt, sondern werben auf einem einheitlichen Ratenkreditmarkt neben den anderen Bankengruppen um Kunden. Gleichwohl läßt sich eine Marktsegmentierung der Art feststellen, daß die Teilzahlungsbanken hauptsächlich die finanzschwächeren Bevölkerungskreise mit Krediten versorgen. Der Verkehrswert des Kredites ist nach wie vor richtigerweise am Schwerpunktzins der Deutschen Bundesbank zu messen, wobei die „Unvollständigkeiten" dieser Erhebung dadurch zu korrigieren sind, daß die beson137 Scholz, BB 1977, 1425 (1426). 138 Scholz, aaO. 139 Lammel, S. 13; K G W M 1980, 72 (74). 140 Lutz, S. 33 zu den betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten.
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dere Risiko- und Kostenstruktur der Teilzahlungsinstitute bei der Gesamtwürdigung nach § 138 BGB angemessen zu berücksichtigen ist. Mangels Vorliegen anderen geeigneten Datenmaterials bietet die Zinsstatistik den zur Zeit besten Vergleichsmaßstab. Die Risiko- sowie Kostenbelastung rechtfertigt gleichwohl nicht die oftmals krassen Zinsdifferenzen zwischen Vertrags- und Marktzins. b) Die Ermittlung der in den Vergleich einzubeziehenden Positionen Neben der Abgrenzung des Vergleichsmarktes bereitet auch die Ermittlung der in den Vergleich einzubeziehenden Positionen Schwierigkeiten. Ein Vergleich läßt sich nur ziehen, wenn die Leistung des Darlehnsnehmers als Äquivalent zur Kapitalbeschaffung und -nutzung ermittelt worden ist 1 4 1 . In erster Linie stellt der Zins das Äquivalent für die DarlehnsgeWährung dar, da dieser gemäß § 608 BGB das Entgelt für die Darlehnsgewährung ist. Der Zins wird definiert als die nach der Laufzeit bemessene, wiederkehrende Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals 142 . Charakteristisch für den Zinsbegriff ist demnach, daß dieser lediglich ein Entgelt für den Gebrauch, nicht aber für die Überlassung oder Hingabe des Kapitals ist. Abgrenzungskritierium dafür, ob ein Entgelt für den Gebrauch des Kapitals oder für andere Zwecke gezahlt wird, ist die Laufzeitabhängigkeit 143 . Daneben sind auch die insbesondere von den Teilzahlungsbanken erhobenen Kreditgebühren (oft wird auch von Teilzahlungszuschlag gesprochen) 144 Zinsen im Rechtssinne, da sie nach der Zeitdauer der Kapitalüberlassung bemessen werden 1 4 5 . Zwar ist mit Klauss 1* 6 zuzugeben, daß der Teilzahlungszuschlag keineswegs nur der Verzinsung des kreditierten Kapitals dient, sondern auch dem Ausgleich weiterer erheblicher Aufwendungen des Darlehnsgebers. Dies darf 1 41 B G H W M 1971, 857; B G H W M 1982, 1021 (1022). 142 Palandt / Heinrichs, § 246 Anm. 1; Belke, BB 1968, 1219 (1222); Canaris, NJW 1978,1891. 1« B G H NJW 1979, 805 (806); B G H NJW 1979, 2089 (2090); B G H W M 1980, 860; die eigentliche Bedeutung dieser Abgrenzung liegt in § 247 BGB begründet. Das dort vorgesehene Kündigungsrecht hängt davon ab, ob der Zinssatz von 6% p. a. überschritten ist. Dabei ist jeweils zu prüfen, ob evtl. Provisionsabreden für die Verschaffung des Kapitals verschleierte Zinsvereinbarungen darstellen. Laut Pressemitteilung der F A Z vom 17.09.1985 Nr. 215, S. 13 soll der sog. Hochzins-Paragraph (§ 247 BGB) gestrichen und durch einen neuen § 609a BGB ersetzt werden. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht eine einheitliche und übersichtlichere Gestaltung des gesetzlichen Kündigungsrechtes von Darlehen vor. 1 44 So B G H NJW 1979, 805 (806); Klauss, BB 1955, 809. 145 B G H NJW 1979, 541; B G H NJW 1980, 446; a. A . Schölten, NJW 1968, 385 (386), der die Kreditgebühr als Beteiligung an den Generalunkosten des Kreditgebers versteht und damit als Teil des Darlehns ansieht. Die rechtliche Qualifizierung der Kreditgebühren hat ausdrücklich offengelassen O L G Köln NJW 1968, 1933f. mit Anm. von Schölten, NJW 1968, 1933 (1934). 146 Klauss, BB 1955, 809.
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jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kreditgebühr - zumindest teilweise - ein Äquivalent des Darlehnsnehmers für die Nutzung der Darlehnsvaluta darstellt 147 . Dies gilt unabhängig davon, daß die Höhe der Kreditgebühren nicht in einem Prozentsatz des jeweils geschuldeten Darlehns, sondern in einem gleichbleibenden Monatssatz vom ursprünglichen Kreditbetrag ausgedrückt werden. Dabei ist eine Kreditgebühr von 1 % monatlich, bezogen auf die Kreditsumme, zulässig 148 . Entsprechend dem Erfordernis der Gesamtwürdigung des Kreditvertrages sind bei dem Marktvergleich neben dem Entgelt für die Nutzungsmöglichkeit (Zinsen, teilweise Kreditgebühren) auch die gesamten Verwaltungsgebühren zu berücksichtigen. Darunter fallen Bearbeitungs-, Abschluß- oder Antragssowie Inkassogebühren, Auszahlungskosten und Postübersendungsgebühiren 149 . Diese werden nicht sämtlich beim Teilzahlungskredit erhoben, wenn sich vereinzelt auch mehrere dieser Verwaltungsgebühren nebeneinander finden 1 5 0 . Da diese Kosten laufzeitunabhängig sind und damit keine Entgeltleistung für den Kapitalgebrauch, stellen sie keine Zinsen im Rechtssinne dar, können jedoch den Kreditnehmer als Entgelt für die Darlehnsbeschaffung bzw. -Überlassung in gleicher Weise belasten 151 . Beim vermittelten Ratenkredit 152 müssen zusätzlich die dem Darlehnsnehmer auferlegten Vermittlungskosten hinzugerechnet werden. Sie sind gleichfalls eine Vergütung für die Überlassung bzw. Beschaffung des Darlehns. Konsequenterweise berücksichtigt der B G H 1 5 3 die Vermittlungskosten in vollem Umfang nur auf der Kostenseite des Darlehns. Dagegen werden sie nicht beim marktüblichen Effektivzins - auch nicht in marktüblicher Höhe - eingerechnet 154 . Dies ergibt sich aus einem Vergleich von Sinn und Zweck dieser 147
B G H Z 80, 153 (166); im übrigen kann die früher vertretene Auffassung, die Kreditgebühren deckten in erster Linie die Bearbeitungs-, Geldbeschaffungs- und Verwaltungskosten der Bank ab und seien deshalb keine Zinsen, als endgültig aufgegeben angesehen werden; vgl. zuletzt B G H ZIP 1981, 369 (373); Canaris, NJW 1978, 1893; Ihmels, BB 1975, 1510; Kessler, BB 1979, 1224. B G H Z 80, 153 (166); K G BB 1974, 1505; O L G Köln NJW 1968, 1934 (1935) zugleich zur Berechnung der zulässigen Zinshöhe bei einem Kaufpreisfinanzierungsgeschäft; Ewald, M D R 1955, 392; Meessen, M D R 1955, 414 (415). 149 O L G Hamm ZIP 1983, 552 gleichzeitig zum Anspruch des Kreditnehmers auf Widerruf der Mitteilungen der Bank an die Schuf a bei sittenwidrigem Darlehns vertrag. 150 So bei B G H NJW 1979, 805. 151 B F H D B 1978, 916 in einer Grundsatzentscheidung über die Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten für Geldbeschaffungskosten; vgl. dazu die Anmerkung von Mesch, ebda, S. 917 sowie die kritische Würdigung des BFH-Urteils von Schimann, ZfK 1979, 895ff. ι 5 2 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Kreditvermittlung sowie zur rechtlichen Stellung des Kreditvermittlers vgl. Konrad, durchgehend; Karbach, durchgehend; Scholz, M D R 1977, 887. 153 B G H Z 80, 153 (166); zustimmend Hackl, BB 1977, 1412 (1414). ι 5 4 O L G Hamburg NJW 1982, 943; O L G Hamm ZIP 1983, 552.
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Kosten und dem Vorteil, den sie dem ein oder anderen Vertragspartner bringen sollen. Dabei überwiegt im allgemeinen das Interesse der darlehnsgewährenden Bank an der Einschaltung eines Kreditvermittlers. Dieser hat die Aufgabe, der Bank, mit der er im Regelfall vertraglich verbunden ist, die Kreditkunden zuzuführen. Dies erspart der Bank nicht nur Verwaltungskosten für Zweigstellen sowie Kundenbetreuung, sondern auch umfangreiche Werbekampagnen. Der Kreditvermittler, der - oftmals mittels aggressiver Werbung - per Hausbesuch die Anbahnung des Kreditvertrages, die Vorprüfung der Bonität des Kunden betreibt, wird von diesem aufgrund seiner vertraglichen Bindung zu dem jeweiligen Kreditinstitut als Außendienstmitarbeiter der Bank angesehen. Dagegen tritt der vom Kreditvermittler gewährte Service (fachliche Beratung, Abnahme von Formalitäten) nicht als gesonderte Leistung in Erscheinung. Gegen eine Einbeziehung der Vermittlungsprovision könnte sprechen, daß der Kreditvermittler zum Teil Leistungen erbringt, die über den üblichen Bankenservice hinausgehen. So bietet er insbesondere längere Öffnungszeiten seines Geschäftslokals, Hausbesuche oder die Beschaffung von Unterlagen an, von denen die Kreditherausgabe abhängig sein kann 1 5 5 . Vereinzelt 156 werden diese Leistungen als „gesonderte Leistungen" angesehen, die in der Gesamtbelastung nichts zu suchen hätten. Unterstützt werde dies durch die Überlegung, daß zwischen Konsument und Kreditvermittler ein vom eigentlichen Kreditvertrag zu trennender, selbständiger Maklervertrag i.S. der §§652ff. BGB zustande komme. Damit sei die Provision gerade Vergütung des Kreditmaklers und nicht als Vergütung für die Kapitalüberlassung anzusehen. Gegen diese Auffassung sprechen nicht nur die bereits oben angeführten Argumente, insbesondere die nach außen zum Ausdruck kommende Einheit der wirtschaftlichen Vorgänge, sondern auch die gesetzliche Wertung des § 302a I S. 2 StGB, wonach eine Gesamtbetrachtung angezeigt ist. Nach dem Gesetzeswortlaut sind bei der Feststellung des auffälligen Mißverhältnisses sämtliche Vermögensvorteile und sämtliche Gegenleistungen zu berücksichtigen, wenn mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mitwirken. Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 138 BGB durch den Regierungsentwurf zum 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 157 davon ausging, daß die im Strafrecht geltenden Grundsätze auch im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 138 I I bzw. § 138 I BGB mitberücksichtigt werden 158 . Die Tatsache, daß Kreditgewährung und Kreditvermittlung ein einheitliches Geschäft darstellen, wird u. a. dadurch zum Ausdruck gebracht, daß das Geschäft einheitlich von dem Kreditinstitut abgewickelt wird, indem dieses die Vermittlerprovision mitfinan155
Canaris, ZIP 1981, 709 (714); Scholz, BB 1974, 1605. 156 Scholz, W M 1980, 322 (325). 157 BT-Drucksache, 7/3441, S. 3, 45. ι 5 » BT-Drucksache, 7/5291, S. 22; Lammel, S. 9.
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ziert oder direkt an den Makler auszahlt. Ferner steht der Kreditvermittler in ständigem Kontakt mit nur einer Bank. Im Ergebnis muß die Vermittlerprovision in den Äquivalenzvergleich zwischen Leistung und Gegenleistung einbezogen werden, obwohl sie dem Kreditinstitut nicht zufließt. Bei der Ermittlung der Gesamtkostenbelastung ist nach wie vor die Behandlung der Kosten einer Restschuldversicherung zweifelhaft. Die Restschuldversicherung deckt Tilgungsverpflichtungen im Falle des Ablebens des versicherten Kreditnehmers und häufig zusätzlich auch bei dessen Arbeitsunfähigkeit. Sie ist eine Sonderform der Risikolebensversicherung und darf nicht mit einer Kreditversicherung verwechselt werden. Diese ersetzt der Bank die ihr entstehenden Ausfälle, wenn der Kredit notleidend wird. Die Schuld des Kreditnehmers bleibt bestehen und geht auf den Versicherer über. Der Kreditkunde bzw. seine Angehörigen haben keinerlei Vorteile aus der Kreditversicherung 159 . Anders hingegen bei der Restschuldversicherung. Der Kreditnehmer bzw. im Falle seines Ablebens seine Hinterbliebenen werden im Versicherungsfall von den weiteren Tilgungsverpflichtungen freigestellt, ohne erneut in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Die Versicherung tritt in die Ratenzahlungsverpflichtungen ein, wenn der Kreditnehmer stirbt. Bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit zahlt die Versicherung die während der Krankheit fälligen Raten. Nach den vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen erarbeiteten Verwaltungsgrundsätzen 160 zur Neuordnung der Restschuldversicherung vom 1.1.1979 dürfen dem Kreditnehmer nur noch die Tarifbeiträge und gegebenenfalls die Kosten für die Mitfinanzierung dieses Beitrages in Rechnung gestellt werden 161 . Aufgrund der vorstehenden Fakten stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Restschuldversicherungsprämie bei der Gesamtwürdigung nach § 138 I BGB in den Äquivalenzvergleich einbezogen werden muß, weil sie eine Leistung des Kreditnehmers darstellt. Der Bundesgerichtshof 162 hat sich in nunmehr gefestigter Rechtsprechung für eine Einbeziehung der Restschuldversicherungsprämie in die Sittenwidrigkeitsprüfung ausgesprochen. Diese Auffassung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Versicherungsschutz das Risiko sowohl des Darlehensge159
Lau / Schulz, ZfK 1980, 820 (822). V e r B A V 1978, 203 (204); V e r B A V 1979, 47; 166 (168) zugleich zur Unzulässigkeit des sog. „Packings". 161 Versicherungsnehmer ist aufgrund eines Rahmenvertrages zwischen Versicherer und Kreditinstitut im Regelfall die Bank, der Kreditnehmer ist Versicherter i. S. d. § 74 W G . Beitragszahler ist stets der Versicherte, dessen Stellung damit vom Normalfall eines Versicherungsverhältnisses, in dem der Versicherungsnehmer identisch ist mit dem Beitragspflichtigen, abweicht; zum Ausgleich der dadurch entstehenden Diskrepanzen in der Verteilung von vertraglichen Rechten und Pflichten, Lammel, S. 11. 160
162 B G H NJW 1979, 805 (808); B G H NJW 1979, 2089 (2090); B G H W M 1980, 327 (328); B G H W M 1980, 860 (861); B G H NJW 1980, 2076 (2077); B G H Z 80, 153 (168); B G H ZIP 1981, 369 (374); im Anschluß daran B G H ZIP 1982, 555; a. A . K G W M 1985, 15; kritisch dazu O L G Frankfurt W M 1985, 116 (118).
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
bers als auch des Darlehensnehmers mindert. Wie bereits dargestellt, übernimmt die Versicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles die Ratenzahlung für den Kreditnehmer bzw. seine Angehörigen. Für den Darlehnsgeber bedeutet das Bestehen einer Restschuldversicherung, daß er nicht darauf angewiesen ist, die Tilgungsraten bei einem möglicherweise schwer erkrankten Kreditnehmer oder eine hinterlassene Schuld bei Erben geltend machen zu müssen. Das Bestehen einer Restschuldversicherung verhindert also in vielen Fällen berechtigte Zwangsmaßnahmen gegen einen arbeitsunfähigken Kreditnehmer oder gegen dessen Hinterbliebene und beugt somit sozialen Härten vor. Gestützt auf diese Argumentation, vertritt auch das überwiegende Schrifttum die Ansicht, daß die Restschuldversicherung in den Wertvergleich einzubeziehen ist 1 6 3 . Hingegen kann der Gegenmeinung 164 nicht gefolgt werden, die in der Restschuldversicherung ausschließlich ein spezielles Sicherungsmittel des Kreditnehmers sieht. Das von den Kritikern 1 6 5 vorgebrachte Argument, die Restschuldversicherungsprämie sei gemäß § 1 I V Preisangabenverordnung 166 nicht in die Effektivzinsangabe einzubeziehen und deshalb auch im Rahmen des § 138 BGB nicht zu berücksichtigen, schlägt fehl. Die nach der Preisangabenverordnung notwendige Effektivzinsangabe und der nach § 138 BGB vorzunehmende Wertevergleich verfolgen verschiedene Ziele: Während die Effektivzinsangabe nach der PreisangVO der Preiswahrheit und -klarheit dient, damit dem Verbraucher ein Preis vergleich überhaupt ermöglicht wird, kommt es im Rahmen des Wertvergleichs gemäß § 138 BGB allein darauf an, die zusätzliche Belastung des Konsumenten gegenüber dem Marktwert der Gegenleistung zu ermitteln. Muß richtigerweise die Restschuldversicherungsprämie in den Äquivalenzvergleich eingestellt werden, so fragt sich gleichwohl, ob dies in voller Höhe oder nur zur Hälfte zu geschehen hat. Der Bundesgerichtshof 167 legt in seinem Urteil vom 12.3.1981 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung einen generalisierenden Maßstab an, wonach die Prämien der Restschuldversicherung grundsätzlich zur Hälfte in die Gesamtbelastung des Kreditnehmers einzubeziehen sind. Verständlicherweise berücksichtigt die Rechtsprechung den Versicherungsschutz nicht mehr bei der Gegenleistung 168 . Die Hälfte nämlich, die in die Rechnung eingesetzt 163 Canaris, NJW 1978, 1891 (1895); Freund, NJW 1977, 636f.; Hackl, BB 1977, 1414; Lammel, S. 10f.; Reich NJW 1977, 636f.; Rittner, Darlehnsvertrag, durchgehend; M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 121. 164 Bachmann, NJW 1978, 866; Kessler, BB 1979,1224f.; Scholz, M D R 1976,281 ff.; ders. BB 1974, 1605; Schulz, BB 1978, 15ff. 165 Insbes. Scholz, BB 1974,1605. 166 Die Preisangabenverordnung vom 10.5.1973 (BGBl I, 461) ist durch Beschluß des BVerfG vom 8.11.1983 (NJW 1984, 861) in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden. 167 B G H Z 80, 153 (168) = NJW 1981, 1206. 168 O L G Stuttgart NJW 1979, 2409 (2412); L G Bielefeld BB 1980, 14 (15).
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wird, ist der Anteil, der den Kredit zu Lasten des Kreditnehmers verteuert. Die Hälfte hingegen, die der Kunde selbst für die Restschuldversicherung bezahlen muß, wird durch den ihm eingeräumten Versicherungsschutz auf der Gegenseite, also als Gegenleistung, kompensiert 169 . Damit wird die eine Hälfte der Versicherungsprämie der Leistung des Kunden zugerechnet, der keine Gegenleistung des Kreditinstituts gegenübersteht und folglich den Kredit verteuert. In konsequenter Fortsetzung dieser Grundsätze muß von der hälftigen Einbeziehung der Restschuldversicherungsprämie abgewichen werden, sofern die Versicherung wegen des Gesundheitszustandes des Kreditnehmers (z. B. Vorerkrankungen) eine höhere Prämie oder einen Risikozuschlag verlangt. Dann muß freilich der die übliche Prämie übersteigende Betrag außer acht bleiben, denn erhöhte Risikofaktoren auf Seiten des Darlehnsnehmers, die ihren Niederschlag in höheren Prämien haben, dürfen bei der Prüfung des Leistungsmißverhältnisses nicht einseitig zu Lasten der Bank gehen. Dem teilweise vorgebrachten Argument 1 7 0 , die Restschuldversicherungsprämie müsse in vollem Umfang den Kreditkosten zugeschlagen werden, weil viele Teilzahlungsbanken Ratenkredite überhaupt nicht ohne Abschluß einer Restschuldversicherung vergeben und zudem teilweise selbst als Restschuldversicherer auftreten, kann mit dieser Begründung nicht zugestimmt werden. Für den objektiv vorzunehmenden Gesamtkostenvergleich kann es nicht darauf ankommen, wer als Versicherer auftritt, sondern entscheidend ist die Kostenbelastung des Kreditnehmers. Für die Berücksichtigung der vollen Versicherungsprämie auf der Leistungsseite könnte allerdings sprechen, daß diese Prämie vom Kunden in voller Höhe allein aufgebracht wird. Insofern erscheint es verständlich, wenn auf der Leistungsseite zunächst die volle Prämie erscheint. Gerade im Hinblick auf den im Rahmen des § 138 BGB anzustellenden Gesamtvergleich zwischen Leistung und Gegenleistung wird vertreten 1 7 1 , es sei nicht einsehbar, weshalb die Leistung bereits im vorhinein um die entsprechende Gegenleistung gekürzt in den Vergleich einzubeziehen sein soll. Zuzugeben ist, daß diese Methode, auf der einen Seite alle Leistungen und auf der anderen Seite alle Gegenleistungen zu berücksichtigen, ein vollständigeres Bild von den tatsächlichen Wertverhältnissen ergibt. Mag auch bei den Kredit- und den Vermittlungsgebühren stets ein Vergleich zwischen allen Leistungen und Gegenleistungen vorgenommen werden, ohne von vornherein die Differenz zwischen Marktzins und verlangtem Zins zu bilden, so spricht dies bei der Restschuldversicherung nicht dafür, in gleicher Weise vorzugehen. Bei der Restschuldversicherung steht fest, daß diese den Kreditnehmer im Ergebnis nur zur Hälfte belastet, da der anderen Hälfte der Versicherungsschutz gegenübersteht. Im Gegensatz dazu kann bei Kredit- und Vermittlungsgebühren nicht von Anfang an die Differenz zwischen Marktzins und verlangtem 169 170 171
Vgl. die formelhafte Darstellung dieser Vorgehensweise bei Brandau, S. 117. Verbraucherzentrale NRW, S. 7. Brandau, S. 118.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
Zins ermittelt werden. Zwar ist zuzugeben, daß die Berücksichtigung der vollen Restschuldversicherungsprämie dem Gebot der Einheitlichkeit der Methode entspricht; indessen kommt diese Berechnungsart über den Umweg der Bestimmung der Gegenleistung zum selben Ergebnis. Die Tatsache, daß der Kunde mit einer Hälfte der Versicherungsprämie das Ausfallrisiko der Bank abdeckt und somit keine Gegenleistung erhält, muß auf der Gegenseite als Minus in Ansatz gebracht werden. Da von der Rechtsprechung diese „Rechenoperation" gedanklich und im Ergebnis durchgeführt wird, ist nicht einzusehen, weshalb sie unbedingt noch optisch vollzogen werden muß. Da für den Kreditnehmer keine Nachteile durch die hälftige Einbeziehung der Restschuldversicherungsprämie gleich von Anfang an bestehen, kann auf ein streng „formelhaftes" Vorgehen verzichtet werden. Die Bedeutung des Streits um die Einbeziehung der Restschuldversicherungsprämie in den Gesamtkostenvergleich hängt letztlich zusammen mit der Frage der Bestimmung des relevanten Vergleichsmarktes und damit der Frage der Bewertung der Gegenleistung. Wird nämlich die Restschuld Versicherungsprämie 172 in den Vergleich von Leistung und Gegenleistung einbezogen, so muß bei der Heranziehung des Marktzinses ein vergleichbarer Markt berücksichtigt werden. Die Schwierigkeiten und Unterschiede in der Praxis beruhen letztlich darauf, daß ein Sondermarkt für Teilzahlungsbanken abgelehnt wird. Dementsprechend wird die verkehrsübliche Verzinsung anhand der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank ermittelt, die lediglich Auskunft über den Schwerpunktzins geben. Wie an anderer Stelle dargelegt, läßt dieser Zins sowohl die Kosten für die Kreditvermittlung als auch die einer Restschuldversicherung außer acht. Es gibt nunmehr verschiedene Methoden des Marktvergleichs. Derleder 173 hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Durcheinander der in Rechtsprechung und Literatur verschiedentlich angewandten Methoden zu entflechten, indem er einen Überblick über die Vergleichsmöglichkeiten verschafft. Er geht von der einfachsten Vergleichsmethode aus, dem sog. Partialvergleich 174 , der als Maßstab die verkehrsübliche Verzinsung für nicht vermittelte Ratenkredite heranzieht. Der Partialvergleich berücksichtigt lediglich den Vertrags- und den Marktzins unter Außerachtlassen der zusätzlichen Kosten. Einen neuen Gedanken zum Marktvergleich brachte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.3.1981 175 . Dort will der B G H für den Marktvergleich bei einem vermittelten Ratenkredit mit Restschuldversicherung entsprechende Ratenkredite heranziehen. Der Vergleich findet statt zwischen dem vom Darlehnsnehmer zu zahlenden „Gesamtpreis" für die „Gesamtleistung", nämlich ver172
Gleiches gilt für die Kreditvermittlerkosten. ™ Derleder, NJW 1982, 2401 ff. 174 Derleder, aaO, S. 2402 auch zum sog. modifizierten Partialvergleich bei Einbeziehung der Bearbeitungsgebühr. Der Marktzins wird dabei um den entsprechenden Betrag erhöht. ™ B G H Z 80, 153 (169).
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mittelter Kredit mit Versicherungsschutz. Der vom B G H vorgeschlagene Weg bezieht sich auf einen begrenzten Marktvergleich, in dem insbesondere die Teilzahlungsbanken tätig sind 176 . Da bisher nur die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank als Zinsstatistik existieren, dürfte diese Methode mangels Vorliegen des entsprechenden statistischen Materials nicht praktizierbar sein. Andere BGH-Urteile 1 7 7 verfolgen eine weitere Gesamtvergleichsmethode. Sofern - entsprechend der gefestigten BGH-Rechtsprechung - die Restschuldversicherung in die Gesamtkostenbelastung einbezogen worden ist, müssen gleichzeitig die marktüblichen Restschuldversicherungskosten dem Marktzins hinzugerechnet (sog. Zuschlags verfahren) oder bei dem zu vergleichenden Kredit abgerechnet werden (sog. Abschlagsverfahren). Dies ist notwendig, um einen Konditionenvergleich mit anderen Krediten herzustellen. Gegen die Einbeziehung der hälftigen Restschuldversicherungsprämie auch auf Seiten des Marktzinses wendet sich der Verbraucherverband Nordrhein-Westfalen 178 mit dem Hinweis, die zusätzliche Absicherung des Ratenkredits durch die Restschuldversicherung müsse beim Marktzins zur Verringerung der Kreditgebühren führen. Die mögliche Senkung der Kosten sei dann der Gegenwert für den durch die Restschuldversicherung begründeten Vorteil des Kreditgebers. Dieser Argumentation ist allerdings entgegenzuhalten, daß die Senkung der Kreditkosten kaum ins Gewicht fallen würde. Zum anderen müßte aufgrund möglicher Leistungsvorbehalte des Versicherers differenziert werden, so daß dadurch ein zusätzlicher Verwaltungs- und Kostenaufwand entstünde. Da jedoch die Kreditnehmer mit den vollen Kreditkosten belastet werden, ist davon auszugehen, daß die Kosten für die Minderung des Ausfallrisikos des Kreditgebers bereits bei der Gegenleistung des Kreditnehmers berücksichtigt wurden. Ansatzpunkt der Kritik zu dem vom B G H vorgenommenen Zuschlagsverfahren ist, daß sich auf diese Weise das rechnerische Verhältnis der beiden effektiven Jahreszinssätze zueinander zugunsten des Darlehnsgebers verschiebt 179 . So können folglich aufgrund der unterschiedlichen Vergleichsverfahren erhebliche Differenzen in der Beurteilung von Leistung und Gegenleistung vorliegen 180 . Es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, daß es im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit nicht tragbar ist, wenn bei der Gesamtbeurteilung nach § 138 BGB das Sittenwidrigkeitsurteil von der gewählten Methode abhängt. Dies hat die Rechtsprechung erkannt und folglich entschieden 181 , daß ein Vertrag, der ohne Einbeziehung der Restschuld176 Derleder, aaO, S. 2402 bezeichnet diesen Vergleich als „sektoralen Marktvergleich". 1 77 B G H NJW 1982, 2434 = BB 1982, 1824 (1825); B G H W M 1982,1023 (1024). 178 Verbraucherzentrale NRW, S. 7 FN 5. v. Olshausen, NJW 1982, 910. 180 Zu den Einzelheiten der feststellbaren Differenzen v. Olshausen aaO, S. 911; Derleder, aaO, S. 2402f.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
Versicherungsprämie ein grobes Leistungsmißverhältnis offenbaren würde, nicht milder beurteilt werden dürfe, weil eine andere Rechenmethode den Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung verringere. In Kenntnis der Notwendigkeit derartiger Korrekturen finden sich in der OLG-Rechtsprechung 182 , aber auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 183 Urteile, die ausschließlich von einem Partialvergleich ausgehen und dementsprechend die Restschuldversicherungsprämie bei der Berechnung ganz auslassen184. Diese Praxis ist allerdings wenig befriedigend, weil die Berechnung der Gesamtkostenbelastung unvollständig ist. Zudem muß die Restschuldversicherungsprämie - um ungerechte Ergebnisse zu vermeiden - stets dann wieder berücksichtigt werden, wenn etwa beim Kreditnehmer überhaupt kein Bedarf bzw. wirtschaftliches Interesse am Abschluß einer Restschuldversicherung besteht (ζ. B. altersbedingte Versicherungsunfähigkeit), oder bei überhöhter Restschuldversicherungsprämie. Die von Derleder 185 vertretene Auffassung verfolgt im Ansatz ebenfalls diesen Gedanken, berücksichtigt aber die zusätzlichen Kosten auf andere Weise. Derleder erkennt in Anlehnung an die Strukturen des § 138 BGB an, daß die danach gebotene Gesamtwürdigung des Vertrages „prinzipiell" für eine Einbeziehung sämtlicher Belastungen spreche. Es ist ihm auch darin zuzustimmen, daß dieser Gedanke keine Rückschlüsse auf die anzuwendende Methode zuläßt. Vielmehr ist nur die sehr allgemeine Aussage möglich, daß bei der Sittenwidrigkeitsprüfung sämtliche den Kreditnehmer belastenden Kosten berücksichtigt werden müssen, wobei offen ist, in welcher Weise dies geschehen soll. A n dieser Stelle setzt die Argumentation Derleder s an. Er ist der Ansicht, die Gesamtwürdigung verfehle ihr Ziel, sofern die darauf gestützte Vergleichsrechnung zu Milderungen in der Inäquivalenz der Darlehnsentgelte führe. Demzufolge sei primär ein Partialvergleich vorzunehmen, wobei von einer „automatischen rechnerischen Einbeziehung" 1 8 6 der Bearbeitungsgebühren sowie der Kreditvermittlungs- und Restschuldversicherungskosten abzusehen sei. Diese Kosten sollen gesondert in einer „Sekundärrechnung" 187 überprüft werden. Im Rahmen dieser Kostenrechnung, die Derleder als „Hilfsrechnung mit Sondermarktcharakter" 188 bezeichnet, könnten dann gerade die von den Teilzahlungsbanken vorgebrachten besonderen Kosten- und Risikostrukturen berücksichtigt werden. Sofern auch nur eine der unterschiedlichen Gesamtvergleichsmethoden eine 181
B G H BB 1982, 1824 (1826). O L G Düsseldorf, 6 U 133/82, Urteil vom 24.2.1983; O L G Düsseldorf, 6 U 145/ 82, Urteil vom 9.2.1983. 183 B G H NJW 1979, 805f.; B G H NJW 1979, 2089f.; B G H NJW 1980, 2077 u. 2302. 184 Gleiches gilt für die anderen zusätzlichen Kosten (Kreditvermittlerprovision, Bearbeitungsgebühren). 185 Derleder, NJW 1982, 2401 (2403). 186 Derleder, aaO, S. 2404. 187 Derleder, aaO, S. 2405. 188 Derleder, aaO, FN 3; vgl. auch v. Heinemann, FLF 1981, 186ff. (188). 182
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auffällige Inäquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung ergebe, könne darauf das Sittenwidrigkeitsurteil nach § 138 BGB gestützt werden. Diese Ansicht besticht auf den ersten Blick durch die Klarheit der danach vorzunehmenden Berechnungen. Die Kostenermittlung in zwei Blöcken vereinfacht die Feststellung des Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und verhindert, daß durch modifizierten Partialvergleich bzw. sektoralen Gesamtvergleich unzulässige prozentuale Vergünstigungen für den Kreditgeber auftreten. Gleichwohl erkennt Derleder 189 selbst die Gefahr seiner Methode. Die Teilzahlungsbanken könnten auf die Durchführung eines strengen Partialvergleichs dadurch reagieren, daß sie die Äquivalenzprüfung durch die Umbenennung von Zinsen zu Zusatzkosten entschärfen. Zudem erscheint es mehr als fraglich, ob die Kreditnehmer bei einer - wenn auch ausdrücklichen Angabe höherer Zusatzkosten eher auf die Gefahr einer unzulässigen Überteuerung aufmerksam würden. Im Gegenteil besteht hier für die Teilzahlungsbanken die Möglichkeit, jegliche Kostenerhöhung mit einer, wenn auch vermeintlichen, Sondermarktstruktur zu rechtfertigen. Es erscheint insbesondere nicht angemessen, wenn die die Teilzahlungskredite charakterisierenden Kosten lediglich in einer Hilfsrechnung Eingang in den Gesamtvergleich finden. Diesen Kosten kommt im Leistungsvergleich oftmals die entscheidende Bedeutung zu. Daher wird der Rolle dieser Kostenelemente nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn man sie im Gesamtvergleich berücksichtigt. Denn auch der Verbraucher sieht nur den von ihm zu entrichtenden „Gesamtpreis", dem die „Gesamtleistung" des Kreditgebers gegenübersteht. Eine Aufspaltung in eine Primär- und eine Sekundärrechnung widerspricht dieser Bewertung. Zudem läuft es - auch der von Derleder anerkannten - Gesamtwürdigung des Vertrages zuwider, wenn das Sittenwidrigkeitsurteil bereits auf der Inäquivalenz einer Berechnung beruht. Sofern dann bereits der Partialvergleich ein Mißverhältnis zwischen Vertragszins und Marktzins ergibt, kommt es auf die hilfsweise heranzuziehende zusätzliche Kostenbelastung nicht an. Mit der Struktur des § 138 BGB ist es jedoch nicht vereinbar, wenn Kostenelemente unterschiedlich behandelt werden. Dem Sinngehalt der Vorschrift wird nur dann entsprochen, wenn die den Kreditnehmer tatsächlich belastenden Kosten gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Eine Aussonderung der Kosten von vorherein und ein möglicherweise nur „hilfsweiser" Rückgriff auf zusätzliche Kostenelemente ist im Hinblick auf die Wertungen des § 138 BGB nicht zu rechtfertigen. Vielmehr sollte an dem von der Rechtsprechung durchgeführten Gesamtvergleich unter automatischer Berücksichtigung sämtlicher Kosten in der Berechnung festgehalten werden. Allerdings wäre es ratsam, wenn sich die Rechtsprechung hinsichtlich der Modifizierungen der Vergleichsbasis auf eine einheitliche Berechnungsmethode einigt.
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Derleder, aaO, S. 2403.
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Β . Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
c) Die Bestimmung der Leistung des Kreditnehmers Unabhängig davon, ob und wie man die Kreditkosten in der Berechnung berücksichtigt hat, muß die prozentuale effektive Gesamtbelastung ermittelt werden. Die Feststellung der effektiven Gesamtbelastung dient ausschließlich dem Zweck der Sittenwidrigkeitsprüfung und ist nicht zu verwechseln mit der Angabe des effektiven Jahreszinses nach der Preisangabenverordnung 190. Erst die Ermittlung der effektiven Gesamtbelastung ermöglicht - in Prozentzahlen ausgedrückt - den Vergleich mit dem Marktzins, also mit den marktüblichen Belastungen für einen Kreditvertrag mit gleichem Nettokapital. Das Nettokapital (Nutzkapital oder Nettokreditsumme) besteht aus den Geldbeträgen, die dem Kreditnehmer in bar oder entsprechend seiner Zahlungsanweisung zur Verfügung gestellt wurden. Dabei muß die Restschuldversicherungsprämie unberücksichtigt bleiben, weil diese an den Versicherer gezahlt wird und damit der Verfügung des Kreditnehmers entzogen ist. Dasselbe muß für die Vermittlerprovision gelten, auch wenn sie nach der Zahlungsanweisung der Bank direkt an den Vermittler weitergeleitet wird. In Höhe der Vermittlerprovision ist das Nutzkapital für den Kreditnehmer gemindert. Die Umrechnung der laufzeitabhängigen sowie -unabhängigen Leistungen des Kreditnehmers in Zinsen erfolgt seit dem 1.1.1981 nach der sog. Annuitätenmethode, einer sehr komplizierten finanzmathematischen Berechnung. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten dieser Methode ist diese Berechnung im Mengengeschäft der Teilzahlungskredite weder zumutbar noch nachvollziehbar 191 . Daher ermitteln die Gerichte die effektive Belastung des Kreditnehmers mittels der einfacheren Uniformmethode 192 , weil diese 190 In § 1 I V der Verordnung über Preisangaben vom 10.5.1973 (BGBl 1 1973, 461) ist festgelegt: „Bei Krediten ist der unter Zugrundelegung der gesamten Laufzeit des Kredits, des ausgezahlten Betrages, der Tilgungsleistungen, des Zinssatzes, der Vermittlungskosten und der sonstigen Kosten sich ergebende Preis in vom Hundert des Kredits für das Jahr unter der Bezeichnung ,effektiver Jahreszins' anzugeben." Seit 1.5.1985 ist eine neue Preisangabenverordnung in Kraft getreten (BGBl I, 580), die damit die Lücke schließt, die durch den Beschluß des BVerfG vom 8.11.1983 (NJW 1984, 861) entstanden ist. Das BVerfG hatte die Verordnung über Preisangaben vom 10.5.1973 (BGBl I, 461) in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt. Nach der neuen PAngVO ist zukünftig die Bezeichnung „effektiver Jahreszins" den Krediten mit über die gesamte Laufzeit festen Konditionen vorbehalten. Bei Krediten mit variablen Konditionen ist der „anfängliche effektive Jahreszins" anzugeben, ferner, wann eine Zinsänderung frühestens möglich ist. Ausführlich dazu Boest, NJW 1985, 1440. 191 Scholz, W M 1980, 322 (323) weist daraufhin, daß durch die vom Verordnungsgeber erarbeiteten, nahezu 10 Schreibmaschinenseiten umfassenden „Anwendungshinweise" die Vergleichsmöglichkeiten für die Verbraucher zwischen den einzelnen Kreditanbietern erheblich verschlechtert werden. Zur Berechnung des Zinsrückvergütungsbetrages bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredites durch den Kreditnehmer, vgl. Krug, BB 1979, 24f. 192 Formel bei Palandt / Heinrichs, § 246 Anm. 2; zur Uniformmethode: B G H NJW 1979, 808; B G H Z 80, 153 (169); Herr, D R i Z 1983, 181f. gleichzeitig zur Formel der finanzmathematischen Methode; Scholl, ZfK 1979, 1136 (1138).
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zumindest für Kredite mit einer Laufzeit bis zu vier Jahren hinreichend genau ist. Dies genügt zu Vergleichszwecken, denn durch den Vergleich soll nicht der genaue Jahreszins ermittelt werden. Vielmehr ist zu berechnen, ob der Darlehnsgeber im Vergleich zu anderen Kreditinstituten, also nach der Lage des Kapitalmarktes, ein übermäßig hohes Entgelt für den von ihm gewährten Ratenkredit festgesetzt hat. Dagegen ist die finanzmathematische Methode bei Ratenkrediten längerer Laufzeit für die Teilzahlungsbanken in der Regel günstiger. Nach der Uniformmethode ergeben sich zum Teil höhere p. a.-Zinssätze 193 als nach der Annuitätenmethode. Die Unterschiede werden um so größer, je höher die p. M.-Sätze und je länger die Laufzeiten sind. Dies wird insbesondere deshalb mehr und mehr relevant, als sich die Kreditlaufzeiten von Jahr zu Jahr stärker ausdehnen, wobei die Kreditbeträge stetig ansteigen bei nur wenig geänderten Ratenhöhen. Sofern es im Einzelfall auf den genauen Zinssatz ankommt, behält sich die Rechtsprechung 194 ausdrücklich vor, die richtige Methode zur Berechnung der effektiven Gesamtbelastung vom Tatrichter - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen beantworten zu lassen. Mit dieser unklaren Wendung bestätigt der B G H nach wie vor die Uniformmethode, läßt aber auch die Tatbestände offen, in denen ein Rückgriff auf die komplizierte finanzmathematische Methode angebracht ist. Allerdings ist es im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit kaum vertretbar, die Entscheidung über die Sittenwidrigkeit eines Vertrages letztlich von dem Urteil eines Sachverständigen über die anzuwendende Berechnungsmethode abhängig zu machen. Vielmehr sollten die Gerichte bei einem einheitlichen Maßstab bleiben. d) Die Gegenleistung des Kreditgebers und das Ausmaß der zulässigen Abweichung vom Marktzins Ist nunmehr die Gesamtleistung des Kreditnehmers ermittelt, muß diese in Relation gesetzt werden zur Gegenleistung des Kreditgebers. Entsprechend der hier vertretenen Auffassung der Einbeziehung der Restschuldversicherungsprämie ist diese lediglich zur Hälfte als Gegenleistung berücksichtigungsfähig 195 . A n dieser Stelle mag der Hinweis genügen, daß bei der Bestimmung der Gegenleistung des Konsumentenkredits alle Umstände zu berücksichtigen sind, die den Verkehrswert objektiv bestimmen. Dazu gehören auch die Qualität und Ausstattung des Kredits, neben der Dauer der Geldanlage und 193 Scholz, W M 1980, 322 (323). 194 So B G H Z 80, 153 (169). 195 Differenzierend Brandau, S. 132: Bei normaler Inanspruchnahme des Kreditvermittlers ohne besondere Tätigkeit im Interesse des Kunden, also bei alleiniger Lösung des „Gewußt-wo-Problems", erscheint eine Verteilung des Entgeltes im Verhältnis 1:2 (ein Teil ist vom Kreditnehmer, zwei Teile sind vom Kreditinstitut zu tragen) als angemessen. 5*
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Β. Das Sittenwidrigkeitsurteil bei Ratenkreditverträgen
der Höhe des Kredits, neben der Kapitalmarktsituation, dem Zweck des Geschäfts (etwa Spekulationsgeschäft oder Einlage als Gesellschafteranteil), neben dem Risiko aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, neben dem Bestehen und der Art der Sicherheiten 196 . Unter anderem zählt dazu auch die Berechnung bei vorzeitiger Tilgung sowie bei Verzug des Schuldners. Zudem kann für die Bewertung der Gegenleistung entscheidend sein, welches Risiko die Bank mit der Hingabe des Geldes eingegangen ist, wenn ζ. B. der Darlehensvertrag durch mit Dritten geschaffene Vertragsverhältnisse beeinflußt ist 1 9 7 . Daraus folgt, daß es im Einzelfall angemessen sein kann, aufgrund der Rechte und Pflichten der Parteien unter Umständen für den konkreten Ratenkreditvertrag im Vergleich zu anderen einen höheren oder niedrigeren Verkehrswert anzusetzen. Im Rahmen der Feststellung des zulässigen Ausmaßes der Abweichung des Vertragszinses vom Marktzins entspricht es der überkommenen Lehre 1 9 8 sowie der Rechtsprechung des Reichsgerichts 199 als auch des Bundesgerichtshofs 200 , keine festen Richtsätze herauszubilden, sondern eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Diese Betrachtungsweise entspricht der traditionellen Anwendung des § 138 BGB für den Individualvertrag. Trotz der umfangreichen Würdigung der Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung nimmt der B G H bei effektiven Zinssätzen von über 50% p. a. eine auffällige Inäquivalenz an 2 0 1 . Bei den darunter liegenden Zinssätzen ist die Rechtsprechung uneinheitlich 202 . Das O L G Stuttgart hat in seinem Urteil vom 24.4.1979 203 einen generalisierenden Maßstab angelegt und ein auffälliges Mißverhältnis bejaht, sofern der Marktzins um 100% überschritten wird. Das O L G Stuttgart begründet die von ihm gesetzte 100%-Grenze durch eine Anleihe im österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 934 A B G B ) 2 0 4 . Die 196 Die Aufstellung entspricht der Darstellung bei Brandau, S. 142 mit Nachweisen zu den einzelnen Kriterien. 197 B G H BB 1966, 1322 für die Bewertung von Wechselakzepten. 198 Hackl, BB 1977, 1413 m . w . N . ; Ihmels, BB 1975, 1510; M K / Mayer / Maly, § 138 Rdnr. 102. i " RGSt 4, 390 (392); RGSt 74, 345 (349). 200 B G H BB 1954, 174f.; B G H W M 1966, 399ff.; B G H BB 1976, 766; B G H BB 1982, 1824 (1826). 201 Rühle, S. 43 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Vgl. auch O L G Hamm NJWRR 1986, 46 für einen Zinssatz von 85 % über dem marktüblichen Zinsniveau. 202 Vgl. dazu die Zusammenstellungen bei Brandau, S. 143; Hadding, S. 218; Reifner, S. 399; Rühle, S. 45. 203 O L G Stuttgart NJW 1979,2409ff.; Revisionsurteil B G H ZIP 1981, 369ff. = NJW 1981, 1206ff. 204 § 934 A B G B lautet: „Hat bei zweiseitig verbindlichen Geschäften ein Teil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an dem gemeinen Wert erhalten, so räumt das Gesetz dem verletzten Teil das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Dem anderen Teile steht aber bevor, das Geschäft dadurch aufrechtzuerhalten, daß er den Abgang bis zum
I. Überprüfung des Massen-Kreditgeschäftes am Maßstab des § 138 BGB
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Wortfassung des § 934 A B G B zeigt, daß im österreichischen Rechtskreis die laesio enormis enthalten ist, gegen die sich der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich ausgesprochen hat 2 0 5 . So begründet der Bundesgerichtshof 206 die Aufhebung des OLG-Urteils maßgeblich damit, die Bestimmung einer Zinshöchstgrenze verstoße gegen die Konzeption des deutschen Rechts 207 . Dem B G H ist darin zuzustimmen, daß die Preisbildung ökonomischen Gesetzen unterliegen muß, so daß es mit einem „schematisierten Endpreisvergleich mit ebenso schematisierter Höchstpreisfestlegung 208 nicht getan ist. Der Preis ist nicht lediglich bestimmt durch den Gewinn des Leistenden. Ein wichtiger Preisbildungsfaktor ist gewiß „die Kostenlast des Anbieters, die von einer Vielfalt teils individueller Impulse, wie unternehmerischem Können, teils genereller Einflüsse, wie politischer Konjunkturentscheidungen" 209 beeinflußt wird. Unter diesen Umständen objektiv gerechte Preise zu bestimmen, erscheint ausgeschlossen. Gleichwohl kann der Marktzins als Basiswert indikatorischen Charakter haben. Zusätzlich erfordert der Vergleich von Leistung und Gegenleistung die Einbeziehung sämtlicher Konditionen. Der Umstand, daß Teilzahlungskredite als Massengeschäfte nach standardisierten Richtlinien abgewickelt werden, hat nicht zur Folge, daß die Finanzierungsinstitute ihr Grenzrisiko gleichartig kalkulieren. Zudem ist eine Betrachtung sämtlicher Konditionen schon deshalb angezeigt, weil die Bedingungen der einzelnen Teilzahlungskreditinstitute unterschiedlich sein können 210 . Allerding werden bei den formularmäßigen Kreditverträgen speziell auf den Kreditnehmer bezogene Kostenelemente in der Regel keine Berücksichtigung finden. Insofern ist dem O L G Stuttgart zuzustimmen, daß diese „Besonderheiten nicht nachträglich bei der Feststellung des Leistungsmißverhältnisses den Ausschlag für die Sittenwidrigkeitsprüfung geben können" 2 1 1 . Dies ermöglicht die Hinwendung zu einem generalisierenden Maßstab in der Weise, daß die im Mengen-Kreditgeschäft typischerweise auftretenden Kostenelemente für das Sittenwidrigkeitsurteil von entscheidender Bedeutung sind 212 . Es ist aufgrund der gemeinen Wert zu ersetzen bereit ist. Das Mißverhältnis des Wertes wird nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt"; vgl. Bydlinski, S. 103; Kochendörfer, NJW 1980, 216. 205 Mot. I I , S. 321. 2