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German Pages 269 Year 1990
REIMUND GÖBEL
Interne Überwachung mit Hilfe von Auswahlverfahren
Forschungsergebnisse aus dem Revisionswesen und der betriebswirtschaftliehen Steuerlehre Herausgegeben von Prof. Dr. Erich Loitlsberger, Prof. Dr. Dieter Rückle und Prof. Dr. Jörg Baetge
Band 9
.. Interne Uberwachung mit Hilfe von Auswahlverfahren Möglichkeiten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit Interner Überwachungssysteme
Von
Dr. Reimund Göbel
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Göbel, Reimund: Interne Überwachung mit Hilfe von Auswahlverfahren: Möglichkeiten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit Interner Überwachungssysteme I von Reimund Göbel. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Forschungsergebnisse aus dem Revisionswesen und der betriebswirtschaftliehen Steuerlehre; Bd. 9) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06938-2 NE:GT
06 Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-6909 ISBN 3-428-06938-2
Vorwort des Herausgebers Die Überwachung ist eine der drei elementaren Funktionen in einem Unternehmen. Sie dient einerseits dazu, Fehler in betrieblichen Abläufen aufzudecken, damit diese beseitigt werden können, und andererseits dazu, künftige Fehler zu ver~eiden. Um diese Ziele erreichen zu können, .~üs sen alle betrieblich~n Uberwachungsmaßnahmen in einem Internen Uberwachungssystem (IUS) aufeinander abgestimmt werden. Die Intensität der Überwachung in einem IÜS hängt im wesentlichen von dem geforderten Zuverlässigkeitsgrad - im Sinne einer Wahrscheinlichkeit für Fehlerfreiheit - der z~. überwachenden Prozesse ab. Die Entscheidung über eine angemessene Uberwachungsintensität muß am Kriterium der ~irtschaftlichkeit gemessen werden, d.h. die bewerteten L~~tungen der Uberwachung müssen größer oder gleich den Kosten der Uberwachung sein. Da eine Red~zierung des Überwachungsumfangs einerseits die variablen Kosten de~. Uberwachung proportional verringert und mit der Reduzierung des Uberwachungsumfangs andererseits die Fehler nur unterproportional abnehmen, liegt 9ie Vermutung nahe, daß der Einsatz von Auswahlverfahren bei der Uberwachung im Vergleich zur Vollüberwachung immer dann wirtschaftlich ist, wenn keine absolute Zuverlässigkeit der Arbeitsergebnisse gefordert wird. Diese Vermutung zu prüfen und darüber hinaus Empfehlungen zu geben, welche der vo~. der Theorie und Praxis entwickelten Auswahlverfahren in gegebenen Uberwachungssituationen eingesetzt werden sollten, war das Ziel des Verfassers. Kontrol~~n und Prüfungen sind die wesentlichen Formen der innerbetrieblichen Uberwachung. Daher untersucht der Verfasser zunächst, wie sich der Einsatz von Auswahlverfahren im Rahmen von Kontrollen auf die Struktur der Arbeitsabläufe auswirkt und bei welchen Prüfungshandlungen der Einsatz von Auswahlverfahren denkbar wäre.
Nach der Untersuchung des Umfeldes für den Einsatz von Aus~ahlver fahren stellt der Verfasser die für die Fragestellung der internen Uberwachung relevanten Auswahlverfahren vor. Damit der Anwender nur jene Verfahren in den Entscheidungska~)erwacher Sicherheit auf der Grundlage von Informationen über die Uberwachungsergebnisse verleiht und die neuen Arbeitsergebnisse a~fgrund der erworbenen .$icherheit noch besser werden als zuvor. Der Oberwacher kann dem Oberwachten z. B. dadurch Sicherheit geben, daß er ihm mitteilt, daß er mit der Qualität seiner Arbeit zufrieden ist.2 Diese verhaltensbeeinflussenden Wirkungen der Überwachung setzen indes keine Vollüberwachung voraus. So kann eine hohe Lernwirkung bspw. bereits erzielt werden, wenn ein einziger Fehler entdeckt w_~rd, der sich häufig wiederholt. Auch ist zu vermuten, daß eine hohe Uberwachungsintensität nicht ~.nbedingt eine optimale Präventi':'".wirkung erzielt: zum einen könnte der Oberwachte b~~ einer sehr hohen Uberwachungsintensität darauf vertrauen, daß der Oberwacher eventuelle Fehler schon entdecken wird, unq. zum anderen kann allein die Möglichkeit, überwacht zu werden, die zu Oberwachenden dazu bewegen, zuverlässiger zu arbeiten. Schließlich liegt die Vermutung nahe, daß die Sicherheitswirkung nicht erst dann eintritt, wenn slie Informationen über die Arbeitsergebnisse aufgrund einer vollständigen Uberwachung absolut sicher und genau sind. Ein reduzierter Sicherheits- und Genauigkeitsgrad der Informationen über die überwachten Arbeitsergebnisse kann jedoch auch mit Auswahlverfahren erreicht werden. Faßt man die Vermutungen über die Wirkungen .?usammen, die ein durch den ;insatz von Auswahlverfahren reduzierter Uberwachungsumfang auf die Uberwachungsleistung hervorruft, so läßt sich folgende Hypothese aufstellen:
1) Vgl. TREuz, W., Betriebliche Kontroll-Systeme. Struktur und Verhalten in der Betriebspraxis sowie ihre Bedeutung für die Untemehmensführung, Bd. 34 .~er Schriftenreihe "Grundlagen und Praxis der Betriebswirtschaft", Berlin 1974, S. 50 - 54; BA!rrCE, J., Uberwachung, S. 162 - 164. 2) Vgl.
BAIITCE,
J., Überwachung, S. 162 - 164.
11 Problemstellung
5
Wird der Überwachungsumfang bei bestimmten betrieblichen Prozessen durch den ..Einsatz von Auswahlverfahren im Vergleich zu einer vol/stä"ndigen Uberwachlf_ng in einem bestimmten Prozentsatz reduziert, so nimmt die Uberwachungsleistung mit einem geringeren Prozentsatz, also unterproportional ab. Werden mit dem Überwachungsumfang gleichzeitig die Kosten der Über~achung reduziert, dann wäre der Einsatz von Auswahlverfahren bei der Uberwachung im Vergleich zur Vollüberwachung wirtschaftlicher, sofern die Hypothese richtig ist. Um diese Hypothese überprüfen zu können, müssen die Auswirkungen untersucht werden, die Art und Umfang der von der Praxis und der statistischen Methodenlehre ange~tenen Auswahlverfahren1 auf die Leistungen und die Kosten der Uberwachung haben. Bisher wurde der Einsatz von Auswahlverfahren bei der Überwachung vorwiegend für die Jahresabschlußprüfung durch den Abschlußprüfer, d . h. einen externen Prüfer diskutiere Dabei werden die Auswahlverfahren vorwiegend unter dem Aspekt einer rationalen Urteilsfindung untersucht, d. h. unter der Zielsetzung, ein vertrauenswürdiges Urteil mit minimalen Prüfungskosten zu erhalten. Dabei spielen die Uberwachungswirkungen, die von der Prüfung ausgehen, im Kalkül der Prüfungslehre keine Rolle. Auch die Literatu~ zur Internen Revision betrachtet den Einsatz von Auswahlverfahren vorwiegend unter dem Aspekt der rationalen Urteilsfindung. Lediglich vereinzelt werden auch die verhaltensbeeinflussenden
1)
Vgl. u. a. DEMINc, W. E., Some Theory of Sampling, New York- London 1950; DEJOSELBE, Sampie Design in Business Research, New York- London 1960, Ka.L.EilER, H., Theorie und Technik des Stichprobenverfahrens. Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung auf soziale und wirtschaftliche Massenerscheinungen, Nr. 5 der Einzelschriften der Deutschen Statistischen Gesellschaft, 3. Aufl., München 1963; CocHRAN, W. G., Stichprobenverfahren, Berlin - New York 1972; lANFERMANN, ]., Stichprobenprüfung, bewußte Auswahl, in: HWRev, hrsg. v. CoENENBERC, A. G., WvOCXJ, K. v., Stuttgart 1983, Sp. 1468 - 1474.
2) Vgl. u. a. ELMENDOIIFF, K., Anwendbarkeit von Zufallsstichproben bei der Abschlußprüfung, Dür seldorf 1963; LSfP.;ON, V., LIPPMANN, K., BAETCE, J., Urteilsbildung; ScHULTE, E. B., Quantitative Methoden der Urteilsgewinnung bei Unternehmensprüfungen, Bd. 3 der Schriftenreihe des Instituts für Revisionswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, hrsg. v. ~. V ., Düsseldorf 1970; Ram!a, H. H., Prüfungsumfang und Urteilsbildung im Rahmen einer Buchprüfung auf Stichprobenbasis, Frankfurt am Main- Zürich 1975; MANDL, G., Untersuchungen über Anwendungr Voraussetzungen und Effizienz statistischer Stichprobenverfahren in der Buchprüfung, Bd. 20 der Veröffentlichungen der Kommission für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. WeBER, W., Wien 1984; BAETCE, J., Auswahlprüfungen. 3) Vgl. u. a. Ku:xxx, J., l!oMMes, W., Interne Revision, in: WiSu 1983, S. 494 - 499 u. S. 543 - 549, hier S. 546; HDNANN, R., Unternehmensüberwachung. Ein Aufgaben- und Arbeitskatalog für die Revisionspraxis, hrsg. v. Deutschen Institut für Interne Revision ''· V., Berlin 1985, S. 212 - 221; GRUPP, B., Interne Revision. Modeme Verfahren und A,-beitstechniken, Ludwigshafen 1986, S. 150 155.
6
1 Einleitung
Aspekte von Prüfungen - vornehmlich aus der Sicht des Prüfers - betrachtet.1 Ein weiterer in der Literatur diskutierter Einsatzbereich für Auswahlverfahren im Rahmen der Überwachung ist die Qualitätskontrolle. Als Beurteilungskriterium für die Anwendbarkeit von Auswahlverfahren wird in diesem Bereich nahezu .~usschließlich die Bedeutung der Verfahren für die Korrekturwirkung der Uberwachung herangezogen. Indes kann die Qualitätskontrolle etwa für die Lieferanten von Rohstoffen auch präventiv wirken, wenn die Lieferung bei einem zu großen Fehleranteil zurückgewiesen wird. Während die Korrekturwirkung als Beurteilungskriterium für automatisierte Fertigungsprozesse sinnvoll ist, reicht dieses Beurteilungskriterium für überwiegend nicht automatisierte Tätigkeiten nicht aus, da die Zuverlässigkeit bei solchen Tätigkeiten wesentlich von der physischen und psychischen Situation der Mitarbeiter geprägt wird. Auf die Möglichkeit, daß die Kontrollen allein schon aufgrund ihrer Existenz das Verhalten der Mitarbeiter verändern können, wird hier zwar auch vereinzelt hingewiesen3, die Konsequenzen für den Einsatz bestimmter Auswahlverfahren werden indes nicht diskutiert. In dieser Arbeit soll daher die Effektivität einzelner Auswahlverfahren im Hinb~.ick auf die korrektiven und verhaltensbeeinflu~~enden Wirkungen der Uberwachung einerseits und auf die Kosten der Uberwachung andererseits untersucht werden. Daraus soll~~ dann wirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten von Auswahlverfahren im IUS eines Unternehmens hergeleitet werden.
1) Vgl. lJIRI, Y., KAPLAN, R. S., The Four Objectives of Sampling in Auditing: Representative, Corrective, Proteelive and Preventive, in: Managemant Accounting December 1970, S. 42 - 44; EccENBBRGBR, H., Mathematisch-statistische Stichprobenverfahren in der Revision, Bd. n. der Schriftenreihe der Schweizerischen Treuhand- und Revisionkammer, Zürich 1986. 2) Vgl. u. a. ScHAAFSMA, A. H., WnJZMZE, F. G., Modeme Qualitätskontrolle, Eindhoven 1973; B&RENS, W., Prüfung der Fertigungsqualität. Entscheidungsmodelle zur Planung von Prüfstrategien, Bd. 10 der Beiträge zur industriellen Unternehmensforschung, hrsg. v. ADAM, 0 ., Wiesbaden 1980; UHLMANN, W., Statistische Qualitätskontrolle. Eine Einführung, Bd. 7 der Schriftenreihe "Leitfäden der angewandten Mathematik und Mechanik", hrsg. v. GoKTLEII, H., 2. Auf!., Stuttgart 1982; ERFU, W., Die Optimierung der Kontrolle regelmäßig wiederkehrender Arbeitsprozesse, Bd. 13 der Schriftenreihe "Physica Schriften zur Betriebswirtschaft", hrsg. v. BOHR, K. u. a., Würzburg - Wien 1985. 3) Vgl. BERENs, W., Prüfung der Fertigungsqualität, S. 217.
12 Gang der Untersuchung
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12 Gang der Untersuchung Die Untersuchung erfolgt in vie~. Schritten. Der Einsatz von Auswahlverfahren im Rahmen der internen Uberwachung ist grundsätzlich sowohl bei Kontrollen als auch bei Prüfungen .?enkbar. Die Beurteilung, welches Auswahlverfahren bei der jeweiligen Uberwachungsart besonders effektiv ist, erfordert im ersten Schritt, daß die wesentlichen Merkmale der Kontrollen und Prüfungen sowie deren Beziehung im gesamten IÜS offengelegt wer~en. Aus diesem Grund stellt Kapitel 2 die Grundlagen der internen Uberwachung dar. Die bewußtgesteuerten und zufallsgesteuerten Auswahlverfahren sind überwiegend nur unter bestimmten verfahrensimmanenten Voraussetzungen einsetzbar. Im Kapitel 3 werden daher die hier relevanten Auswahlverfahren dargestellt und deren v~~fahrensimmanente Voraussetzungen herausgestellt. Da bei der internen Uberwachung primär möglichst viele Fehler beseitigt bzw. verhindert werden sollen und für diese Zielsetzung die von der Statistik entwickelte einfachere homograde Fragestellung, d. h. die statistische Frage nach dem Fehleranteil, sehr geeignet ist, wird nur die homograde Fragestellung bei den bewußtgesteuerten Auswahlverfahren und bei den mathematisch-statistischen Auswahlverfahren betrachtet. Im Mittelpunkt der Arb.~it steht dann die detaillierte Analyse der Überwachungswirkungen und Uberwachungskosten der einzelnen Auswahlverfahren im Kapitel 4. Die einzelnen Auswahlverfahren werden dabei zun~chst unter dem Aspekt der generellen Einsatzmöglichkeit im Internen Uberwachungssystem, d. h. noch nicht konkret in bezug auf J
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Als "fehlerhaf t bearbeitet" beu r -
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fehlerhafte Bearbeitun!len
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Abb. 5: Folgestrukturplan Schadenbearbeitung
korri~tere n
26
2 Das Interne Überwachungssystem (IÜS) der Unternehmung
Gegenstand dieses Ablaufes ist die Bearbeitung von Schadenmeldungen. Die dem Versicherungsunternehmen gemeldeten Schäden müssen dabei zunächst daraufhin untersucht werden, ob der gemeldete Schaden durch den Versicherungsvertrag gedeckt ist, d. h. ob eine Schadenregulierung erfolgen muß. Ist der Schaden durch den Versicherungsvertrag gedeckt, muß die Höhe des Schadenausgleichsbetrages ermittelt werden und anschließend muß eine entsprechende Zahlungsanweisung erstellt werden. Diese drei Tätigkeiten werden von einem Sachbearbeiter ausgeführt. Nach der Schadenbearbeitung gibt der Sachbearbeiter die bearbeiteten Unterlagen an den für ihn zuständigen Gruppenleiter weiter, der zumindest eine Auswahl aus den Bearbeitungen zu kontrollieren hat. Stellt der Gruppenleiter bei der Kontrolle eine fehlerhafte Bearbeitung fest, so gibt er die gesamte Schadenakte an den Sachbearbeiter zurück, damit dieser den Fehler beseitigen kann. Obwohl aus dem Folgestrukturplan nicht unmittelbar erkennbar, liegt in diesem Arbeitsablauf eine einfache Rückkopplung vor, da der Gruppenleiter als fehlerhaft erkannte Ist-Objekte an den ursprünglichen Bearbeiter zur Korrektur "zurück"-gibt. Diese Rückkopplung wird nicht mit dem ihr eigenen Symbol abgebildet, da es hier für die Analyse notwendig ist, jede Tätigkeit des Gruppenleiters und des Sachbearbeiters getrennt in einer eigenen Spalte zu erfassen. Obwohl es sich um gleichartige Tätigkeiten des gleichen Sachbearbeiters handelt, sind in dem konkreten Fall Bearbeitung und Korrektur voneinander zu trennen, da die Auswirkungen der Erstbearbeitung und der Korrektur als fehlerhaft gekennzeichneter IstObjekte auf das Ergebnis des gesamten Ablaufes unterschiedlich sein können. 1
1) Vgl.
SANDERS,
M., Quantitative Analyse, 5. 38.
23 Die Prüfungen
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23 Die Prüfungen 231 Die Interne Revision 231.1 Die Interne Revision als Funktion und Institution
Im vorangeht;.nden Abschnitt wurden die Kontrollen als ein wesentlicher Pfeiler des IUS dargestellt, bei dem der Einsatz von Auswahlverfahren möglich ist. Gegenstand der Analyse von Kontrollen waren dabei die einzelnen Tätigkeiten eines Arbeitsablaufes. Selbst ein sehr gut konzipiertes IKS ist aber keine Garantie für eine ständig gleichbleibende, hohe Fehlerfreiheit der betrieblichen Prozesse. Arbeiten z. B. die in ein IKS eingebundenen Mitarbeiter über einen größeren Zeitraum mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit, so kann dies dazu führen, daß die vorgesehenen Kontrollen der vorangehenden Tätigkeit nicht mehr ausgeführt werden. Läßt die Zuverlässigkeit des Mitarbeiters anschließend wieder nach, so wird dieses Absinken u. U. nicht bemerkt und die Zuverlässigkeit des Prozesses nimmt unbemerkt ab. Neben den fest in d:~n betrieblichen Ablauf eingebundenen ~ontrollen muß daher durch Uberwachungsmaßnahmen, bei denen der Uberwachende unabhängig von dem zu überwachenden Prozeß ist, d. h. durch Prüfungen, sichergestellt werden, daß der gewünschte Grad der Zuverlässigkeit der betrieblichen Prozesse tatsächlich erreicht wird. Die Interne Revision soll somit einerseits prüfen, ob die gewünschte Zuverlässigkeit mit den vorgegeben Ablaufstrukturen der Bearbeitungsprozesse erreicht werden, und andererseits, ob die vorgegebenen Ablaufstrukturen auch effizient sind, d. h. ob bspw. mit einem im Ablaufprozeß vorgesehenen Ist-Ist-Vergleich die gewünschte Zuverlässigkeit überhaupt erreicht werden kann. Während in kleinen Unternehmen die Unternehmensleitung diese Prüfungsfunktion weitgehend selbst wahrnimmt, zwingt der Umfang der dispositiven Aufgaben sie in größeren Unternehmen dazu, auch die Prüfungsfunktion zu delegieren. Die interne Prüfungsfunktion wird dabei i. d. R. einer Institution zugeordnet, die als Interne Revision oder Innenrevision bezeichnet wird. Sie wird in Anlehnung an die Definition des Institute of Interna/ Auditors als unabhängige Prüfungsinstitution verstanden, die im Auftrag der Unternehmensleitung alle Aktivitäten im Unternehmen einschließlich der vorhandenen Kontrollen überwacht. 1 Die Institu
1) Vgl. THE L~srnLTI oF llm;RNAL AuoJTORs, Statement of Respansibilities of Interna! Auditors, überarbeitete Fassung von 1976, in: The Manager and the Modern Interna! Auditor. A Problem-Solving Partnership, hrsg. v. SAwYER, L. B., New York 1979, Appendix A, 5. 429 - 431, hier 5. 429; ebenso: DEPPE, H., Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Unternehmen - eine Herausforderung an die Interne Revision -, in: ZlR-Sonderheft 3a/1985, S. 28 - 35, hier S. 28 f.; HoFMANN, R., Unternehmensüberwachung, S. 21; BEER, T., Die Revision im technischen Bereich. Aufgaben und organisatorische Eingliederung in das System der Unternehmensüberwachung, Bd. 18 der Schriftenreihe "Technological Economics", Berlin 1986, S. 15.
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2 Das Interne Überwachungssystem (IÜS) der Unternehmung
tion "Interne Revision" nimmt somit die Funktion der internen Prüfung (Revision) wahr. 1
231.2 Die Aufgaben der Internen Revision 231.21 Die Aufgabenstellung
Eine Analyse der Aufgabenstellung der Internen Revision ist erforderlich, um den Rahmen abzustecken, in dem der Einsatz von Auswahlverfahren bei der internen Revision überhaupt möglich ist. Die Aufgabenstellung der Int~rnen Revision hat sich im Laufe der letzten 150 Jahre ständig erweitert. 2 Uber die formelle und materielle Prüfung des gesamten Rechnungswesens ("Financial Auditing") hinaus erstreckt sich die Aufgabenstellung der Internen Revision heute über alle betrieblichen Bereiche, wobei der Aspekt der Wirtschaftlichkeitsprüfung zunehmend in den Vordergrund rückt.l Dementsprechend definiert das amerikanische Institute of Interna/ Auditors dieses "Operational Auditing" als eine zukunftsorientierte, unabhängige und systematische Beurteilung aller Unternehmensbereiche, die von internen Revisoren zur Unterstützung der Unternehmensführung durchgeführt und vom Top-, Mittel- und unteren Management gesteuert wird, um die betriebliche Rentabilität zu verbessern und das Erreichen der anderen Unternehmensziele zu fördern.4 Neben dem Financial Auditing und dem Operational Auditing existiert in der Literatur mit dem "Management Auditing" ein weiterer Begriff, der den Tätigkeitsbereich der Internen Revision umschreiben soll. Indes herrscht keine Einigkeit darüber, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Ein Teil der Literatur setzt ihn mit dem Operational Auditing gleich. So verstanden, soll der Ausdruck "Management Auditing" lediglich die führungsorientierte Aufgabenstellung schon in der Begriffsbildung zum Ausdruck bringen.5
folgenden wird durch die Großschreibung des Ausdrucks "Interne Revision" zum Ausdruck bracht, daß die Institution gemeint ist, während ansonsten von der Funktion die Rede ist.
1) Im
g~>
2) Zur historischen Entwicklung der Internen Revision vgl. HOFMANN, R., Unternehmensüberwachung, s. 28- 32.
3) Vgl. FISCHER, H.- J., Wirtschaftlichkeitsprüfungen als Aufgabenstellung der Internen Revision, in: ZIR 1984, S. 215 - 221. hier S. 215 f.; DEPPE, H., Prüfung der Wirtschaftlichkeit, S. 33 - 35. 4) Vgl. THE INsrmm; OF INm
~A
Ho ist abzulehnen und damit H 1 anzuehmen,
-> H 0 ist anzunehmen und damit H 1
wlm SB Wom
abzulehnen,
B
Om
ein weiteres Element ist der Grundgesamtheit zu entnehmen und zu untersuchen.
Die Grenzen A und B sollen gewährleisten, daß die Risiken eines a- bzw. eines ß-Fehlers die festzulegenden Grenzen nicht überschreiten. Es muß gelten 1- ß
~
A a und ß
~
B (1 - a).
(3.13)
Nachdem die Grenzen festgelegt sind, ist der Quotient als Prüfgröße des Sequentialtestes zu bestimmen. In der Literatur zum Sequentialtestverfahren werden die Entscheidungsgrenzen häufig auf Basis der Binomialverteilung berechnet, die auch dem Waldsehen Sequentialtest zugrundeliegt Theoretisch exakt müßte die Prüfgröße wiederum auf Basis der Hypergeometrischen Verteilung berechnet werden, was jedoch einen extrem hohen Rechenaufwand erfordert, der nur mit einem entsprechenden Rechner bewältigt werden kann. 4 Darüber hinaus verlangt die Hypergeometrische Verteilung, daß der Umfang der Grundgesamtheit bekannt ist. Ein Vergleich der Näherungslösung mit der exakten Lösung zeigt, daß bei kleineren Grundgesamtheilen geringfügige Abweichungen auftreten, wobei die auf Basis der Binomialverteilung berechneten Werte konservativer, d. h.
1) Aufgrund dieser Quotientenbildung wird das Verfahren als "Sequential Probability Ratio Tesf"
bezeichnet; vgl. WALD, A., Sequential Analysis, S. 2.
2) Vgl. WALD, A., Sequential Analysis, S. 37 f. 3)
V~l. HOtZJNcD, E., Die Eignung des Sequentialstichprobenve~~ns für die Buch_Prüfung, Diss., Wien 1966, S. 36 - 55, l.E.FFsoN, 1J., UPPMANN, K., ßAETCE, )., Urteilsb1ldung, S. 62 - 70, ScHULTE, E. B., Quantitative Methoden, S. 129 -145; BUCHNEK, R., REliTEK, H. H., Hypothesentest, S. 542 - 549; RmmR, H. H., Prüfungsumfang, S. 70 - 83; UHLMANN, W., Qualitätskontrolle, 5. 157 - 160.
4) Vgl. LAMDS, A., Folgetestverfahren, S. 107 - 126; MANDL, G., Anwendungsvoraussetzungen, 5. 144 f.; POHLMANN, H., Jahresabschlußprüfung, 5. 51 f.
33 Voraussetzungen für die Anwendung von Schlußverfahren
93
vorsichtiger, sind als die exakten. 1 Für die Praxis dürfte daher die Näherungslösung auf Basis der Binomialverteilung ausreichend sein. Die kritischen Annahmewerte xc und Rückweisungswerte x, ergeben sich aus den Gleichungen2 (3.14a)
x, = h1 + s m
und
(3.14b)
mit (3.15)
(3.16)
und
s
=
1 - E>
log(~)
(3.17)
---==-~~0~;)_
log ( f!l (1 - E>o ~) E>o (1 - E>l T
Für den praktischen Einsatz bietet das Sequentialtestverfahren die Möglichkeiten einer &raphischen ):lnd einer tabellari~.chen Lösung. Bei der graphischen Lösung' trägt der Oberwacher seine Uberwachungsergebnisse in ein Koordinatensystem ein, daß durch zwei Parallelen, die durch die obigen Gleichungen beschrieben werden, in drei Bereiche unterteilt ist (vgl. Abb. 15). Fällt die Zahl der fehlerhaften Elemente abhängig von der Zahl der insgesamt überwachte!.\ Elemente in den Ablehnungs- oder den Annahmebereich, kann der Oberwacher ein entsprechendes Urteil abgeben. Liegt der Wert zwischen den Parallelen, so entnimmt er der Grundgesamtheit ein weiteres Element, um deren Zustand zu beurteilen.
1) Vgl.
MANDL,
G., Anwendungsvoraussetzungen, 5. 146.
2) Zur theoretischen Herleitung der Gleichungen vgl. z. B. 3) Vgl.
WALD,
A., Sequential Analysis, S. 93 f.
WALD,
A., Sequential Analysis, S. 90 - 92.
94
3 Voraussetzungen für den Einsatz von Auswahlverfahren X 8
Ablehnungsbereich
6
Annahmebereich
-2L---~--~----L---~--~--~
o
so
100
150
200
250
3ocfl
Abb. 15: Graphik eines Sequentialtestverfahrens Obwohl beide Lösungen einfach zu handhaben sind, stellt die tabellarische Lösung1 die praxisnahere, da weniger aufwendigere Entscheidungshilfe dar. Hierbei wird in einer Tabelle jeder möglichen Zahl von Beobachtungen die entsprechende Annahme- und Rückweisungskennzahl zugeordnet. Eine Besonderheit des Waldsehen Sequentialtestverfahrens besteht darin, daß der notwendige Stichprobenumfang vor dem Einsatz des Verfahrens völlig offen ist, da der Abstand zwischen der Annahmekennzahl und der Ablehnungskennzahl gleich bleibt.2 Der Seqentialtest ermöglicht zwar, u. U. schon nach wenigen Stichprobenziehungen ein Urteil über die Ordnungsmäßigkeit der zu überwachenden Grundgesamtheit abzugeben, doch kann im ungünstigen Fall auch ein Stichprobenumfang erforderlich werden, der weit über den notwendigen Stichprobenumfängen der in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Testverfahren liegt. Der mögliche Vorteil einer schnellen E~tscheidungsfindung birgt gleichzeitig den Nachteil, daß die Planung der Uberwachung erschwert wird. 1) Vgl.
WALD,
A., Sequential Analysis, 5. 92 f.
2) Dieser Nachteil kann bei kleineren Grundgesamtheilen durch Zugrundelegen der Hypergeometrischen Verteilung aufgehoben werden, da sich in diesem Fall die beiden Kennzahlen einander annähern; vgl. dazu WYSOCKJ, K. v., Grundlagen, 3. Auf!., 5. 212 f.
33 Voraussetzungen für die Anwendung von Schlußverfahren
95
333.3 Die Informationsgewinnung durch mathematisch-statistische Schätzverfahren 333.31 Die einfache Fehleranteilsschätzung
Die in den yorangehenden Abschnitten dargestellten Testverfahren erlauben dem Uberwacher, auf Basis des Stichprobenergebnisses eine Entscheidung darüber zu fällen, ob er die zu überwachende Grundgesamtheit als ordnungmäßig akzeptieren kann oder ob er sie als nicht ordnungsmäßig zurückweisen sollte. Mit Hilfe von Schätzverfahren kann er den Bereich eingrenzen, in dem der unbekannte Fehleranteil in der Grundgesamtheit voraussichtlich liegen wird. Da nur ein Teil der Grundgesamtheit geprüft wird, liegt die Sicherheit der Schätzung stets unter einhundert Prozent.' Entsprechend dem Verhältnis von Sicherheit und Genauigkeir kann bei einem gegebenen Stichprobenumfang nur eine Bandbreite angegeben werden, innerhalb derer der wahre Fehleranteil mit der gewünschten Sicherheit liegen wird. Dieses sogenannte Konfidenzintervall variiert mit dem Sicherheitsgrad und dem Stichprobenumfang. Je höher der Sicherheitsgrad und je geringer der Stichprobenumfang c. p. gewählt werden, desto breiter wird das Konfidenzintervall, d. h. desto ungenauer wird die Aussage. Als erwartungstreuer Schätzwerf für den unbekannten Fehleranteil 6 in der zu überwachenden Grundgesamtheit gilt X p-- n
(3.18)
.
Beim Schätzverfahren sucht der Überwacher die Intervallgrenzen, die den unbekannten Fehleranteil e mit der gewünschten Sicherheit einschließen. Auf Basis der hypergeometrischen Verteilung ergeben sich die Intervallgrenzen für einen gegebenen Stichprobenumfang n und x fehlerhafte Elemente in der Stichprobe durch Lösung der Gleichungen4 n I.
( N Pu) ( N - N Pu ) n-
V
V
(3.19a)
V=X
1) Vgl.
l.eFFSON,
U.,
LIPPMANN,
K.,
BArn;E, ) .,
Urteilsbildung, S. 30.
2) Vgl. Abschnitt 331. 3) Zur Erwartungstreue als Eigenschaft einer Schätzfunktion vgl. BLEYMOLI.EI!, ) ., GEHL.EJ
cf=L
N 2 h=1
(3.24)
nh
Bei der geschichteten Stichprobe wird unterstellt, daß die Schätzfunktion p normalverteilt ist. Entsprechend kann mit einer Sicherheitswahrscheinlichkeit (1-o) ein einseitiges Konfidenzintervall um den Fehleranteil 9 in der Grundgesamtheit konstruiert werden: W(S
~
p + z cr )
=1-
o.
(3.25)
Dabei ist z der Wert einer Zufallsvariablen Z, deren Funktionswert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung 1 - o ist.3 Oben wurde gezeigt•, daß der Stichprobenumfang entweder proportional oder optimal auf die Schichten verteilt werden kann. Wie Mandl nachgewiesen hat, verbessert die proportionale Aufteilung das Schätzergebnis im Vergleich zur einfachen Schätzstichprobe nur geringfügig.5 Ob die optimaJe Aufteilung die Ergebnisse signifikant verbessert, hängt davon ab, wieweit es gelingt, Schichten mit stark unterschiedlichen Fehleranteilen zu bilden.6 Eine optimale Aufteilung setzt somit voraus, daß verläßliche Vorinformationen über den zu erwartenden Fehleranteil vorliegen.
1) Zu dem umfangreichen Formelapparat der mehrstufigen Auswahl sowie der Klumpenauswahl vgl. COCHRAN, W. G., Stichprobenverfahren, S. 276 - 383. 2) Vgl. Abschnitt 322.123. 3) Vgl. BLEYMOLW, )., GeHwr, G., Gouc:HER, H., Statistik, S. 61. 4) Vgl. Abschnitt 322.123. G., Anwendungsvoraussetzungen, S. 131 f.
5) Vgl.
MANDL,
6) Vgl.
CocHRAN,
W. G., Stichprobenverfahren, 5. 134.
33 Voraussetzungen für die Anwendung von Schlußverfahren
101
Der Stichprobenumfang, der notwendig ist, um mit einer gewünschten Sicherheit und Genauigkeit einen oberen Fehleranteil zu schätzen, ergibt sich bei optimaler Aufteilung aus der FormeP
n
(3.26)
Da die wahren Fehleranteile in den Schichten der Grundgesamtheit nicht bekannt sind, müssen diese wiederum geschätzt werden. Fehlschätzungen, die aufgrund des schmalen Spektrums relevanter Fehleranteile leicht möglich sind, machen den Vorteil der geschichten Stichprobe bei optimaler Aufteilung schnell zunichte. Darüber hinaus muß beachtet werden, daß mindestens 30 Stichprobenelemente je Schicht gezogen werden müssen, damit eine Wahrscheinlichkeitsaussage auf Basis der Normalverteilung gerechtfertigt ist.2
333.4 Möglichkeiten der Berücksichtigung von Vorinformationen durch Anwendung des Bayesschen Theorems bei Schätz- und Testverfahren 333.41 Grundlagen der Bayesschen Methodik
Die oben dargestellten "klassischen" Test- und Schätzverfahren erlauben nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, die im Sinne relativer Häufigkeiten zu interpretieren sind und daher keine Aussage über Einzelfälle ermöglichen.3 Die Bayessche Methodik hingegen gestattet Aussagen auch über den zu beurteilenden Einzelfall, die darüber hinaus im Gegensatz zu den klassischen Schätzverfahren nicht nur bedingt gelten.•
1)
Vgl. Rlil1TER, H. H., Prüfungsumfang, S. 140; Wrm.tANN, A., Systemprüfung, S. 214.
2) Vgl. KOHLE, D., STVRM, S., Stichproben-Inventur, 5. 132. 3) Vgl. HOM&EIIC, R., Einführung, S. 77. Der Einsatz von Bayesschen Methoden bei der Prüfung geht auf Kraft zurück: vgl. Kurr JR., W. H., Statistical Sampling for Auditors: A New Look, in: JoA August 1968, s. 49 • 56. 4) Vgl. HOMBEIIC, R., Einführung, S. 78.
102
3 Voraussetzungen für den Einsatz von Auswahlverfahren
Während bei den klassischen Verfahren der gesuchte Parameter, z. B. e, als unbekannter konstanter Parameter und erst die Stichprobenrealisation als Zufallsvariable interpretiert wird, betrachtet die Bayessche Methodik bereits den gesuchten Parameter als Zufallsvariable, die einer bekannten oder subjektiv zu schätzenden Verteilung un~~rliegt. 1 Aus dieser sogenannten "a-priori-Verteilung" W(8), in die der Oberwacher Vorinformationen über die zu überwachende Gesamtheit einfließen lassen kann, und den Stichprobeninformationen wird mit Hilfe des Bayesschen Theorems eine neue Verteilung, die a-posteriori-Verteilung W(91 Ix) berechnet: W(Si
Ix) =
W(e. ) W(xle ) k L
i=l
1
1
(3.27)
W(e. ) W(xle 1
1
Die bedingten Wahrscheinlichkeiten oder "likelihoods"2 W(x I9) geben die Wahrscheinlichkeit an, x fehlerhafte Elemente in einer Stichprobe zu finden, wenn die Grundgesamtheit einen Fehleranteil von 8 enthält. Anh~!ld der berechneten a-posteriori-Wahrscheinlichkeitsverteilung kann der Oberwacher den zu erwartenden Fehleranteil in der Grundgesamtheit eingrenzen und damit die Ordnungsmäßigkeit der Grundgesamtheit beurteilen.
Bei Anwendung der Bayesschen Methodik geht der Überwacher somit in vier Schritten vor:3 1. Schätzung der a-priori-Verteilung
2. Ziehen und Auswerten der Stichprobe 3. Berechnung der a-posteriori-Verteilung 4. Beurteilung der Grundgesamtheit Die Bayessche Methodik hat den Nachteil, daß aus der Formel zur Berechnung der a-posteriori-Wahrscheinlichkeiten der notwendige Stichprobenumfang nicht direkt ermittelt werden kann. Die Lösung des Problems
1)
Vgl. BüeKER, R., Lösungsmöglichkeiten von Entscheidungsproblemen unter Anwendung der Bayesschen Entscheidungslehre. Dargestellt am Beispiel einiger betriebswirtschaftlicher Entscheidungssituationen, Diss., Münster 1973, S. 26.
2) Vgl. Buro.tOLLEJt, j., GEHL.ERT, G., GüLICHEll, H., Statistik, S. 98. 3) Vgl. HOM&EJ
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Abb. 23: Folgestrukturplan "Kontrolle mit Korrektur" Der Teilablauf beginnt mit einer Feststellung, bei der die zu kontrollierenden Schadenmeldungen ausgewählt werden. Die ausgewählten Objekte werden der Kontrolle zugeführt. B1 gibt den Auswahlsatz der zu kontrollierenden, B2 den entsprechenden Anteil der nicht zu kontrollierenden Bearbeitungen an. Die ausgewählten Elemente durchlaufen das Modul Kontrolle (5), an das sich zwingend eine Oder-Teilung anschließt. Die Schadenmeldungen, die der Gruppenleiter als "richtig bearbeitet" beurteilt, werden nicht korrigiert, während die als "fehlerhaft bearbeitet" beurteilten Meldungen der Korrektur zugeführt werden. Wie hoch die Anteile der Schadenmeldungen sind, die diese beiden Wege durchlaufen, hängt von der Einsatzzuverlässigkeit des Kontrolleurs (ZJ ab. Diese kann bezüglich richtig und falsch bearbeiteter Objekte differieren. Auch hier wird aber vereinfachend angenommen, daß der Kontrolleur fehlerfreie Bearbeitungen mit der gleichen Einsatzzuverlässigkeit als fehlerfrei erkennt, mit der er fehlerhafte Bearbeitungen als fehlerhaft erkennt. In der Auswahl der zu kontrollierenden Schadenmeldungen sind sowohl fehlerfreie Bearbeitungen als auch fehlerhafte. Wenn der Kontrolleur nun mit einer Zuverlässigkeit (Zs) unter 100 % arbeitet, wird er einen Teil der fehlerfreien Bearbeitungen als fehlerhaft erkennen. Ebenso wird er einen Teil fehlerhafter Bearbeitungen als fehlerfrei beurteilen und entsprechend freigeben und somit nicht der Kontrolle zuführen. Der Anteil C1 der Bearbeitungsobjekte, die als fehlerfrei erkannt werden, setzt sich somit zusam-
42 Zuverlässigkeit der Überwachungsobjekte
131
men aus den wirklich fehlerfreien Bearbeitungsobjekten (ZEin • Zs> und denjenigen, die der Kontrolleur als fehlerfrei beurteilt, obwohl sie in Wahrheit fehlerhaft sind ((1 - ZEin) • (1 - Z5)). Analog kann der Anteil C2 berechnet werden. Die Anteile Cl und C2 ergeben sich aus den Formeln: (4.6)
C2 =(ZEin,. (1- Z5) + (1- ZEin),. Z5),. Bl (4.7)
= Bl -Cl
Die Ergebniszuverlässigkeit auf den unterschiedlichen Wegen entspricht dann schließlich dem Quotienten aus dem Anteil der fehlerfreien Bearbeitungsobjekte und dem gesamten Anteil der kontrollierten Objekte auf dem jeweiligen Weg: (4.8)
Z
_ Erg(C2)-
ZE.
.. (1 - z 5) _ __.._ C2
___.,.,I""'n.__~
(4.9)
In unserem Beispiel wollen wir nun annehmen, daß der Kontrolleur seine Tätigkeit mit einer Einsatzzuverlässigkeit von 95 % verrichtet. Kontrollzuverlässigkeiten in dieser Höhe wurden in empirischen Erhebungen im Rechnungswesen ermittelt. 1 Bei einer Eingangszuverlässigkeit von 76,32 %, die als Ergebniszuverlässigkeit des Teilablaufes "Bearbeitung" berechnet wurde, und einer Einsatzzuverlässigkeit des Kontrolleurs von 95 %, ergibt sich die Ergebniszuverlässigkeit für die Bearbeitungen der Schadenmeldungen, die der Kontrolleur als fehlerfrei erkennt, - Vollkontrolle unterstellt aus Cl = (0,7632 * 0,95 + (1 - 0,7632) * (1 - 0,95)) * 1 = 0,7369 Z
- 0.7632 * 0.95 Erg(Cl)0,7369
0 9839 = ' ·
(4.6a)
(4.8a)
1) Vgl. BAElCE, J., SANDERS, M., SrnuPPERT, A., Zur theoretischen und empirischen Analyse von Überwachungsvorgängen betrieblicher Routinetätigkeiten, in: Information und Wirtschaftlichkeit, hrsg. v. BAU.WIESER, W., BERcER, K.-H., Wiesbaden 1985, S. 451 - 480, hier S. 464.
4 Die Effektivitlit der Auswahlverfahren
132
Für die Bearbeitungen, die der Korrektur zugeführt werden, erhält man bei entsprechender Rechnung eine Ergebniszuverlässigkeit von 0,1450, d. h. 14,5 % der Schadenmeldungen, die der Gruppenleiter als "falsch bearbeitet" erkennt und zur Korrrektur an den Sachbearbeiter zurückgibt, sind tatsächlich richtig bearbeitet. Im Modul 6 werden die als fehlerhaft erkannten Bearbeitungen korrigiert. Wie bei der Kontrolle kann auch die Einsatzzuverlässigkeit des Korrekteurs (ZJ vom Zustand der zu korrigierenden Bearbeitungen abhängen. Die Einsatzzuverlässigkeit bei in Wahrheit fehlerfreien, aber vom Kontrolleur als fehlerhaft erkannten Bearbeitungen kann von der bei wirklich fehlerhaften Bearbeitungen differieren. Auch hier sei vereinfachend angenommen, daß die Einsatzzuverlässigkeit in beiden Fällen identisch ist. Der Korrektor beläßt somit einen Teil der in Wahrheit fehlerfreien Objekt in ihrem Zustand (ZEin • ZJ und berichtigt einen Teil der fehlerhaften Bearbeitungen (1 - ZEin) • ZJ. Die Ergebniszuverlässigkeit nach der Korrektur (6) ergibt sich dann aus der Formel ZErg(6) =~in ,. =
z6.
Zo
+ (1 -ZEin) ,. ~
(4.10)
Die komplementäre Zuverlässigkeit (1 - ZJ ergibt sich entsprechend aus den Objekten, die der Korrektor fehlerhaft korrigiert, obwohl sie fehlerfrei waren, und aus den Objekten, die fehlerhaft waren und wiederum fehlerhaft korrigiert werden. Bei den bisher getroffenen Annahmen entspricht soinit die Ergebniszuverlässigkeit nach einer Korrektur der Einsatzzuverlässigkeit des Korrektors. Der Anteil der Bearbeitungsobjekte auf diesem Weg bleibt unverändert. Wenn der Gruppenleiter den Sachbearbeiter auf bestimmte Fehler aufmerksam macht, ist es durchaus realistisch, daß die Einsatzzuverlässigkeit bei der Korrektur höher ist als bei der ursprünglichen Bearbeitung der Schadenmeldungen - z. B. 99 %. Damit beträgt die Zuverlässigkeit der korrigierten Bearbeitungen ebenso 99 %. Um schließlich die Gesamtzuverlässigkeit des Teilablaufes "Kontrolle und Korrektur" aus dem Beispielablauf zu ermitteln, müssen die verschiedenen Wege, die die bearbeitenden Objekte durchlaufen haben, zusammengeführt werden. Hierbei werden die Ergebniszuverlässigkeilen der Wege mit den Anteilen der Objekte, die diese Wege durchlaufen haben, - entsprechend der Formel (4.5) - gewichtet und addiert. Für die zunächst unterstellte Vollkontrolle mit den genannten Einsatzzuverlässigkeilen der verschiedenen Tätigkeiten ergibt sich eine Ergebniszuverlässigkeit am Ende des Arbeitsablaufes von
42 Zuverlässigkeit der Überwachungsobjekte
= ZErg(C1) ,. C 1 + Zo ,. C2 Z Erg = 0,9839 ,. 0,7369 + 0,99 ,. 0,2631 = 0,9855 . ZErg
133
(4.11) (4.11a)
In diesem Fall entspricht die Ergebniszuverlässigkeit des Teilablaufes "Kontrolle und Korrektur" der Gesamtergebniszuverlässigkeit des .Arbeitsablaufes. Einer Ergebniszuverlässigkeit des Arbeitsablaufes ohne Uberwachung von 76,32 % steht eine Ergebniszuverlässigkeit des Arbeitsablaufes mit Uberwachung i. w. S. von 98,55 % gegenüber. Nach der Formel (4.1) beträgt die Korrekturwirkung somit KorrW
- 0.7632 .. 100 = 0.9855 0,2368
01
7o
= 93,88
01
7o •
(4.1a)
Wird die Vollkontrolle durch eine Auswahlkontrolle ersetzt, so richtet sich das Ausmaß der Korrekturwirkung dieser Auswahlkontrolle danach, wie viele fehlerhafte Kontrollobjekte in die Auswahl gelangen. Unter der Annahme, daß der Anteil der fehlerhaften Objekte in der Auswahl dem in der Grundgesamtheit entspricht, reduziert sich die Korrekturwirkung auf den dem Auswahlsatz entsprechenden Bruchteil der Korrekturwirkung bei Vollkontrolle. Kontrolliert der Gruppenleiter beispielsweise nur 10 % der bearbeiteten Schadensanzeigen, so beträgt die Korrekturwirkung unter der Annahme eines identischen Fehleranteils in der Auswahl und in der Grundgesamtheit c. p. nur noch 10 % der Korrekturwirkung bei Vollkontrolle von 93,88 %, d. h. 9,388 %. Bei einem Auswahlsatz (n/N) von 0,05 (5 %) beträgt die Korrekturwirkung c. p. nur n~h 4,69 %, d. h. die Ergebniszuverlässigkeit wird von 76,32 % ohne Uberwachung durch die Korrekturwirkung c. p. lediglich auf 77,43 % erhöht.
422.2 Die Korrekturwirkung einzelner Auswahlverfahren
Die
Quantifizi~rung der Korrekturwirkung hat gezeigt, daß die Korrektur~irkung der Uberwachung bei einer gegebenen Einsatzzuverlässigkeit des
Uberwachers _)..tnd des Korrekteurs umso größer ist, je mehr fehlerhafte Objekte der Uberwachung i. w. S. unterliegen. Ein A~wahlverfahren ist damit im Hinblick auf .die Korrekturwirkung der Uberwachung umso effektiver, je größer die Zahl der fehlerhaften Elemente ist, die in der Auswahl erfaßt werden. Im vorangehenden Abschnitt wurde die Korrekturwirkung einer Auswahlüberwachung unter der Prämisse berechnet, daß der Fehleranteil in der Auswahl dem der Grundgesamtheit entspricht. Alle Auswahltechniken, deren Ziel es ist, eine die Grundgesamtheit möglichst gut repräsentierende Auswahl zu treffen, versuchen diese Bedingung zu erfüllen.
134
4 Die Effektivität der Auswahlverfahren
Von den Techniken der bewußtgesteuerten Auswahl verfolgt die typische Auswahl das Ziel einer repräsentativen Auswahl.1 Wieweit mit einer typischen Auswahl dieses Ziel erreicht wird, hängt im wesentlichen von der Beschaffenheit ..der zu überwachende~ Grundgesamtheit und von der Erfahrung des Uberwachers ab. Der Oberwacher muß beurteilen können, welche Elemente "typisch" für die Grundgesamtheit sind. Die Voraussetzungen für eine typische Auswahl.~ werden bei einer Kontrolle eher erfüllt sein als bei Prüfungen, da der Oberwacher bei Kontrollen entweder in den Arbeitsablauf integriert ist oder für die zu überwachenden Arbeiten verantwortlich ist und diese somit gut kennt. Nur wenn die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, kann mit der typischen Auswahl eine im Sinne des obigen Beispiels durchschnittliche Korrekturwirkung der Auswahlüberwachung erreicht werden. Von den Techniken der zufallsgesteuerten Auswahl erfüllen diejenigen Verfahren die Bedingung einer repräsentativen Auswahl am besten, bei denen jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche Chance hat, in die Auswahl zu gelangen. Da hier allein der Zufall entscheidet, welches Element ausgewählt wird, besteht die Möglichkei~, daß die Auswahl das Ziel der Repräsentativität verfehlt. Dabei kann die Fehlerrate größer oder kleiner als in der Grundgesamtheit sein. Der erste Falt würde die Korrekturwirkung erhöhen, der zweite sie vermindern. Der Oberwacher kann indes weder ex ante noch ex post beurteilen, welcher der möglichen Fälle eintritt bzw. eingetreten ist. Um mindestens die durchschnittliche Korrektur~irkung einer idealen repräsentativen Auswahl zu erreichen, wird der Oberwacher jenes Auswahlverfahren vorziehen, bei dem die Wahrscheinlichkeit am größten ist, eine repräsentative Auswahl zu erhalten. Da die Zufallsauswahl mit replizierten Ziehungen alle Bereiche der Grundgesamtheit abdeckt und nicht mit den Gefahren der Auswahl anhand von Zufallszahlen oder der systematischen Zufallsauswahl verbunden ist, erfüllt sie am ehesten die Voraussetzungen für eine repräsentative Auswahl. Bei der Klumpenauswahl haben die Elemente der Grundgesamtheit nur dann ex ante die gleiche Chance, in die Auswahl zu gelangen, wenn die Klumpen gleich groß sind. Sofern die Klumpen nach dem Kriterium der Repräsentativität bezüglich des Fehleranteils gebildet werden, ist die Korrekturwirkung der Klumpenauswahl mit der der typischen Auswahl vergleichbar. Werden jedoch - wie in der Praxis üblich - die Klumpen nach natürlichen Gegebenheiten abgegrenzt, so muß die Effektivität dieses Verfahrens aufgrund eines möglichen negativen Klumpeneffekts in Frage
1) Vgl. Abschnitt 321.1. 2) Vgl. Abschnitt 321.2. 3)
Die Gefahr, daß eine zufallsgesteuerte Auswahl nicht repräsentativ ist, nimmt indes durch den Fehlerausgleich nach dem ""Gesetz der großen Zahl" mit steigendem Stichprobenumfang ab. Vgl. zum Gesetz der großen Zahl: ANoERSON, 0 ., Probleme der statistischen Methodenlehre in den Sozialwissenschaften, Nr. 6 der Schriftenreihe "Einzelschriften der Deutschen Statistischen Gesellschaft", 4. Auf!., Würzburg 1962, S. 105.
42 Zuverlässigkeit der Überwachungsobjekte
135
gestellt werden. Das gleiche gilt analog für eine mehrstufige Zufallsauswahl. Bei der Konzentrationsauswahl und der wertproportionalen Zufallsauswahl werden die Bearbeitungsobjekte nach ihrem Wert ausgewählt. Gleiches gilt für die geschichtete Auswahl, sofern der Wert das Schichtungsmerkmal darstellt. Die Korrekturwirkung von Auswahlüberwachungen kann bei diesen Auswahltechniken u. U. erheblich geringer sein als bei einer im Hinblick auf den Fehleranteil repräsentativen Auswahl. Diese Beurteilung gilt unter der Prämisse, daß ein Bearbeiter seine Aufgabe umso sorgfältiger erfüllt, je bedeutender das zu bearbeitende Objekt ist. Dies bedeutet nicht, daß bei sehr werthaltigen Bearbeitungsobjekten keine Fehler auftreten. Während die Verfahren der wertproportionalen und der geschichteten Zufallsauswahl explizit vorsehen, daß auch weniger werthaltige Bearbeitungsobjekte in die Auswahl gelangen, ist dies bei der Konzentrationsauswahl ex definitione nicht vorgesehen. ~.rst in einer Kombination mit anderen Auswahltechniken könnte der Oberwacher auch die Bereiche der B- und C-Elemente bei der Auswahlüberwachung berücksichtigen. Zumindest unter den hier getroffenen Annahmen scheint die Korrekturwirkung der wertproportionalen Zufallsauswahl wie auch der Konzentrationsauswahl eher gering zu sein. Da in der Praxis betrieblicher Überwachungen die Auswahlsätze häufig sehr klein sind, ist die Korrekturwirkung, wie das obige Beispiel gezeigt hat, bei den bisher beurteilten Auswahltechniken relativ gering. Dies gilt ebenso bei relativ geringen Fehleranteilen in der Grundgesamtheit. Die Korrekturwirkung kann jedoch erheblich gesteigert werden, wenn die Auswahl so getroffen wird, daß möglichst viele fehlerhafte Elemente in die Auswahl gelangen. Diese Voraussetzung wird am ehesten durch eine fehlerrisikoorientierte Auswahl erreicht. Diese Kriterium liegt gerade der bewußt gesteue~!en detektivischen Auswahl zugrunde. Bei dieser Technik kann der Oberwacher seine ganze Erfahrung bezüglich potentielle Fehlerquellen einsetzen und damit gezielt fehlerhafte Bearbeitungen auswählen. Die Korrekturwirk~ng der detektivischen Auswahl ist dabei umso größer, je erfahrener der Uberwacher ist. Unter der Voraussetzung guter Vorinformationen über die Fehlerhaftigkeit der relevanten Objekte wäre es sogar denkbar, daß die Korrekturwirkung der detektivischen Auswahl der Korrekturwirkung der Vollüberwachung sehr nahe kommt. Eine ähnlich hohe Korrekturwirkung kann theoretisch bei Anwendung der geschichtete Auswahl mit dem Schichtungsmerkmal "Fehlerrisiko" erreicht werden. Dies setzt jedoch voraus, daß eine entsprechende Schichtenbildung möglich ist. Die Techniken mit ergebnisabhängigem Auswahlumfang sind nur in Verbindung mit den zugehörigen Schlußverfahren zu beurteilen. Der Vor-
136
4 Die Effektivität der Auswahlverfahren
teil des doppelten Testverfahrens wi~. auch des Sequentialtests liegt darin, daß sie u. U. nur einen geringen Uberwachungsumfang erfordern. Wie oben am Beispiel eines Auswahlsatzes von 10 % und eines Auswahlsatzes von 5 % gezeigt werden konnte, nimmt die Korrekturwirkung eines Auswahlverfahren - eine repräsentative Auswahl unterstellt - mit sinkendem Auswahlumfang ab. Daher ist die Korrekturwirkung des doppelten Testverfahrens und des Sequentialtestverfahrens im Vergleich zu anderen Schlußverfahr~~ eher gering. Da die Entdeckungsstichprobe mit der für die interne Uberwachung vorwiegend relevanten Fragestellung1 u. U. einen noch wesentlich geringeren Uberwachungsumfang benötigt, ist die Korrekturwirkung dieses Verfahrens entsprechend noch geringer. Alle anderen Schlußverfahren unterscheiden sich bei gegebenem Stichprobenumfang durch die realisierbare Sicherheit und/ oder die Genauigkeit der Aussage. Dieses hat jedoch keinen Einfluß auf die Korrekturwirkung. Bei einem gegebenen Auswahlsatz hängt die Korrekturwirkung von Auswahlverfahren damit von der Technik ab, mit der die zu überwachenden Elemente der Grundgesamtheit entnommen werden. Damit sind diese Schlußverfahren entsprechend den zugrundeliegenden Auswahltechniken zu beurteilen. So ist die Korrekturwirkung eines Schlußverfahrens mit detektivischer Auswahl sowie die geschichtete Fehleranteilsschätzung am höchsten einzuschätzen. Dient bei einer doppelten Auswahl die erste Stichprobe lediglich dazu, geeignete Parameter für die anschließende Stichprobe festzulegen, bestimmen wiederum die oben diskutierten Auswahltechniken die Korrekturwirkung des Auswahlverfahrens.
1) Vgl. Abschnitt 333.223.
42 Zuverlässigkeit der Überwachungsobjekte
137
423 Die verhaltensbeeinflussenden Wirkungen der Auswahlüberwachung 423.1 Die Grundlagen des motivationalen Verhaltens 423.11 Die Bedeutung der Motivation für die Einsatzzuverlässigkeit eines Mitarbeiters
Da die Ergebniszuverlässigkeit eines nicht vollautomatisierten Arbeitsablaufes wesentlich von der Einsatzzuverlässigkeit der in dem Ablauf eingesetzten Mitarbeiter abhängt, ist - wie bereits gesagt - bei der Beurteilung verschiedener Verfahren der Auswahlüberwachung zu berücksichtigen, wie die einzelnen Verfahren die Einsatzzuverlässigkeit der Mitarbeiter beeinflussen. Die Zuverlässigkeit eines Mitarbeiters wird zum einen von seinen Fähigkeiten, seinen Fertigkeiten, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, sowie von situativen Einflüssen bestimmt. Zum anderen ist sie wesentlich durch seine Motivation bedingt. Um die Motivation eines Mitarbeiters so beeinflussen zu können, daß seine Einsatzzuverlässigkeit erhöht wird, muß versucht werden, die motivationalen Grundlagen des Verhaltens von Mitarbeitern zu ergründen. Schon in der älteren betriebswirtschaftliehen Literatur wurde der psychologische Aspekt der Kontrolle als wesentlicher Einflußfaktor erkanne. Umfangreiche Forschungen auf dem Gebiet der Motivationspsychologie, die als Teildisziplin der Psychologie vorwiegend das Verhalten der Individuen zu erklären versuchf, führten dazu, daß sich die Betriebswirtschaftslehre zunehmend der Motivationspsychologie als eigener Teildisziplin bedient, indem sie deren Erkenntisse zur bewußten Verhaltenssteuerung von Organisationsmitgliedern zu nutzen suchtl. So beschäftigen sich in der jüngeren betriebswirtschaftliehen Literatur einige A!-;ltoren4 ausführlich mit Möglichkeiten der Verhaltensbeeinflussung durch Uberwachung.
1) Vgl. lenNER, F., Die Kontrolle in kaufmännischen Unternehmen, 1. Aufl., Frankfurt am Main 1917, S. 2; LYSINSKI, E., Psychologie des Betriebes. Beiträge zur Betriebsorganisation, Bd. 1 der Bücherei für Industrie und Handel, Berlin 1923, S. 36; DANEIwood Cliffs I New Jersey 1975; OsicRLOH, B. W., Investitionskontrolle; LAWU!R ill, E. E., RHoos, J. G., Information and Control; HO!llR, H., Verhaltenswirkungen; THIEME, H.-R., Verhaltensbeeinflussung durch Kontrolle.
138
4 Die Effektivität der Auswahlverfahren
423.12 Begriffsdefinitionen
Da jeder Mensch auf bestimmte von ihm wahrgenommene Reize in spezifischer Weise reagiert\ bemüht sich die verhaltenswissenschaftliche Literatur, die Beweggründe für eine bestimmte Verhaltensweise zu ermitteln. Ein solcher Beweggrund für ein zielgerichtetes Verhalten wird als Motiv bezeichnet.2 Es ist jedoch nicht jedes Motiv ständig verhaltenswirksam. Einzelne Motive werden vielmehr durch Anreize aktiviert und damit für das Verhalten unmittelbar relevant. Die Gesamtheit der aktiven und latenten Motive eines Individuums wird als Motivstruktur einer Person bezeichnet.3 Der Begriff "Motivation" wird in den verschiedenen psychologischen Forschungsgebieten in sehr unterschiedlicher Weise definiert.4 In dieser Arbeit soll von Motivation gesprochen werden, wenn mehrere Motive gleichzeitig das Verhalten eines Individuums determinieren.5 Das in der Motivationspsychologie wohl am häufigsten untersuchte Gebiet ist die Arbeitsmotivation bzw. die Leistungsmotivation.6 Unter Leistungsmotivation wird das "Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in allen jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb gelingen oder mißlingen kann"7, verstanden. In der Betriebswirtschaftlehre wird unter Leistung gewöhnlich das "in einer Zeiteinheit oder Zeitperiode erzielte Ergebnis wirtschaftlicher Aktivitäten"8 verstanden. Entsprechend bezeichnet man das quantitative und qualitative Ergebnis einer Arbeitskraft in einem Zeitraum als Arbeitslei1) Vgl. RosENsrJEL, L. v., Die motivationalen Grundlagen des Verhaltens in Organisationen. Leistung und Zufriedenheit, Bd. 2 der Schriftenreihe 'Wirtschaftspsychologische Schriften der Universitäten München und Augsburg", hrsg. v. MAYER, A., BRANDSTRÄTTER, H., Berlin 1975, S. 38. 2) Vgl. ROSENsnEL, L. v., MoLT, W ., RCTmNCER, B., Organisationspsychologie, 6. Auf!., Stuttgart -Berlin Köln - Mainz 1986, S. 209. 3) Vgl. ROSENsnEL, L. v., Die motivationalen Grundlagen, S. 38. 4) Vgl. RC1rnNcEJt, B., RosENsrtEL, L. v., MoLT, W., Motivation des wirtschaftlichen Verhaltens, Stuttgart Berlin - Köln - Mainz 1974, S. 13 - 16; BAETCE, L Motivation von Mitarbeitern im Unternehmen, in: Unternehmenstheorie und Unternehmensplanung. Festschrift für Helmut Koch zum 60. Geburtstag. hrsg. v,_ MELLWIC, W., KuHN, A., STANOOP, D., STROBEL, W., Wiesbaden 1979, S. 11 - 30, hier S. 13. Einen Uberblick über die den verschiedenen motivationstheoretischen Konzeptionen zugrundelien genden Definitionen des Begriffs "Motivation" gibt I
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