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German Pages 100 Year 1968
Die Erweiterung des bibelgotischen Wortschatzes mit Hilfe der Methoden der Wortbildungslehre
von HANS-JÜRGEN SCHUBERT
M A X
H U E B E R
V E R L A G
M Ü N C H E N 19 6 8
Herausgegeben im Auftrag der Fakultät von Helmut Kuhn und Hans Wolfgang Müller Gedruckt mit Unterstützung aus den Mitteln der Münchener Universitäts-Schriften
Hueber-Nr. 9092 1. Auflage 1968 © 1968 by Max Hueber Verlag, München Gesamtherstellung: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany
Meinen Eltern und meinen Lehrern Prof. Dr. Wilhelm Wißmann und Prof. Dr. Hans-Friedrich Rosenfeld
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung ........................................................................................
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A. Substantiva Nomina agentis auf -n d ........................................................................ Nomina agentis auf - j a ........................................................................ Nomina agentis auf - j a n ...................................................................... Nomen agentis auf -an ........................................................................ Maskuline Verbalsubstantive.............................................................. Neutrale Verbalsubstantive ................................................................ Feminine Verbalsubstantive................................................................ Die Postverbalia inilo und iu sila .......................................................... Verbalabstrakta auf - n i ........................................................................ Die neutraleny*-Stämme .................................................................... Die o/f-Stämme...................................................................................... Diey0-Stämme ...................................................................................... Die yötf-Stämme .................................................................................... Das Suffix - s n ö ...................................................................................... Das Suffix -stra .................................................................................... Abstrakta auf -ubnja> -u bnjo........................................................................ Abstrakta auf -odus> -oþus .................................................................... Verbalsubstantiva auf -sla .................................................................. Adjektivabstrakta auf -in .................................................................... Adjektivabstrakta auf -tþa .................................................................. Adjektivabstraktum auf -d ü p i .............................................................. Verschiedenes ......................................................................................
11 12 15 17 18 21 23 24 25 30 33 35 37 38 39 40 41 42 43 49 51 51
B. Adjektiva Adjektiva mit Suffix idg. - k o .............................................................. Adjektiva auf -tna ................................................................................ Bahuvrihiadjektiva .............................................................................. Verbaladjektiva ....................................................................................
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C. Verba Denominative jan-Vctb& ...................................................................... Deverbative und primäreyjÄ-Verba................................................... Denominative δη-Verba ...................................................................... Primäre und deverbative atar „Wasser“ (M-L 9514a; got. wato zeigt jedoch, wie an. vatn Nasalsuffix, gegenüber r im Westgerman.). Der vorliegende Versuch ist vielleicht nicht ganz ohne Wert, wenn man bedenkt, daß ein Vergleich des Wortschatzes Hinweise auf das Verwandt schaftsverhältnis der german. Sprachen untereinander gibt. Freilich ist gerade bei der Arbeit mit Isoglossen besondere Vorsicht geboten. Die mangelnde Überlieferung, der zeitliche Abstand beim Einsetzen der ältesten Quellen und die Neigung der Sprache zu Neubildungen, die älteres Wortgut ersetzen, müssen berücksichtigt werden. Deshalb können nicht mehr als allgemeine Tendenzen aufgezeigt werden, die ihr Gewicht erst dann erhal ten, wenn sie durch Übereinstimmungen in Laut- und Formenlehre sowie der Syntax gestützt werden. Jan de Vries hat in einem Aufsatz1) den Wortschatz des Gotischen mit dem x) Jan de Vries „D e Gotische woordenschat vergeleken met die van het N oord en Westgermaans“ in Leuvense Bijdragen 46 (1956/57), 5-3 9 .
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Skandinavischen einerseits und mit dem Westgerman, andererseits ver glichen und kam dabei zu dem Ergebnis, daß das Got. überwiegend zum Westgerman, stimmt. Achtzehn gotonord. Isoglossen stehen bei de Vries 140 andere gegenüber. Dieses Verhältnis wird bei genauerer Betrachtung nicht unwesentlich verschoben. Aus den oben genannten Gründen bleiben die 19 Entlehnungen ins Romanische besser weg, ebenso eine Reihe von zweifelhaften Fällen: swumfsl - ae. swump (swumfsl gehört aber eher zu *swimman), gamaiþs - ae. gemäd (dies spricht im Gegenteil für gotonord. Einheit, da aus meida ein *gamaids „verletzt“ zu schließen ist, das in der Be deutung gegen das Westgerman, steht), inrauhtjan - ae. reoc (hier ist lediglich Zugehörigkeit zur gleichen Wz. erkennbar). Ferner gilt es zu bedenken, daß die aisl. Handschriften rund 400 Jahre später als die ae. und ahd. einsetzen, daß also viele westgerman.-got. Wortgleichungen nur auf frühere Überlie ferung zurückgehen, z. B. afaikan - ιάιά. ineihhan (nur Gl. 1,111.12 ; 621,51), mi^do - ae. meordyfera - ahd. fira , fiaray hoha - ahd. buohili. Zieht man alle diese Isoglossen ab, so ergibt sich ein Verhältnis von etwa 90 zu 18. Aber es gilt noch zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Zum einen die Fälle, wo das Got. mit dem An. und dem ältesten Westgerman, zusammengeht. Läßt man diese ältesten Hss. weg, so würde sich die Zahl der Gotonord. Isoglossen erhöhen. Zum anderen muß die, uns freilich unbekannte, Weiter entwicklung des Got. selbst in Rechnung gestellt werden. Das möchte ich am Beispiel von salbon demonstrieren. Verb wie zugrundeliegendes Substan tiv sind westgerman. bezeugt, dem Skandinavischen fehlen sie, dem Got. mangelt, wie die Überlieferung anzudeuten scheint, das Nomen. Es ist m. E. durchaus denkbar, daß auch das got. Verb im Laufe der Zeit unterging und damit der Zustand des Skand. erreicht worden wäre. Auch nach Ab wägen all dieser Faktoren bleiben auffällige got.-westgerman. Übereinstimmungen, z. B. bei brikany gamainsy gadaursany hlütrsy hauns etc. Sie allein berechtigen aber nicht zu den weitreichenden Schlußfolgerungen von de Vries, nämlich daß das Got. in seiner Urheimat eine „Übergangs sprache“ zwischen dem Urnordischen und dem Nordseegermanischen ge wesen sei. Diese Arbeit wurde im Februar 1967 von der Philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen.
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A. Substantiva Nomina agentis auf -nd Dieses Suffix bildet seit idg. Zeit aktive Partizipia praesentis, die z. T. sub stantiviert wurden und noch die Reste der alten «/-Flexion bewahrt haben (z. B. N.P1. nasjands - lat. sedentes). Der Zusammenhang mit dem Verb ist durchaus eng, z. B. daupjands Täufer - daupjan taufen. frijonds φίλος Freund wird in den einschlägigen Wörterbüchern lapidar als Partizip praesens von frijon bezeichnet2*), ohne daß man auf die verschie denen Bedeutungen der beiden Worte näher eingeht. Das Verb übersetzt griech. φιλειν und άγαπαν, für „lieben“ wird es auch in den anderen ger man. Sprachen gebraucht: an. frjä „lieben, umwerben“, ae. freogan „ds“, as.friehan „lieben (Freunde H 1215)“, daneben heißt es auch speziell „heira ten, brautwerben“ in mnl. mnd. vrien (entlehnt mhd. vrten). Der frijonds müßte also der „Liebende, Heiratende“ sein, bedeutet aber φίλος Freund. Was mit diesem für uns etwas vagen Begriff gemeint ist, zeigen die anderen Dialekte: an. frandr „Verwandter“, ae. freond „Freund, Unterstützer, Eideshelfer; Blutsverwandter“, as. friund „Verwandter, Freund“, afr. friond „Angehöriger, Verwandter; Freund“, ahd. friuntlaos „verwandtenlos“ (Hild. 24), mhd. vriunt „Freund, Geliebter, Verwandter“8). Ein Bedeutungsübergang „Liebender - Verwandter“ kann aber aus den Vorstellungen der german. Zeit heraus nicht gerechtfertigt werden. Ver wandter ist, wer aufgrund des Blutes oder rechtlicher Verträge (Heirat, Blutsbrüderschaft) zu den eigenen Leuten gehört (vgl. auch gasibjon S. 84). Deshalb hat F.Mezger (KZ 79 (1964), 32ff) an eine nominale «/-Bildung gedacht: „frijond- die zur Frau, der prijä, Gehörigen, genauer genommen, die zur gesetzlich verheirateten Frau Gehörigen“ (a.a.O. 32). Diese Deu tung ist aus formalen und inhaltlichen Gründen nicht überzeugend. Zwar ist ein nominales «/-Formans in mehreren idg. Sprachen verbreitet4), doch im German, findet es sich sehr selten. B-D (2,12, 460) führen nur got. tunþuSy ahd. %and (die aber als „Essender“ zur Wz. ed- „essen“ gehören kön nen) und Burgundiones an (die sich aber wie hulundi erklären lassen)5*). Es ist 2) Feist 16 8 ; de Vries 14 5 a ; Jóhannesson 5 6 7 ; Kluge-G ötze18 2 1 8 ; außerdem B-D 2 , 1 2,457. 8) Belege in M. Schellers U ntersuchung: „Vedisch priyá- und die W ortsippe frei, freien, Freund“ (S. 127), Göttingen 1959, die ich auch im folgenden benutzt habe. 4) Kretschm er G lotta 14 (1925), 8 4 ff (besonders fü r das G riech); A .K am m enhuber Münchener Stud, zur Sprachwiss. 8 (19 5 6 ), 4 3 ff (Hethit); J.P ok o rn y M .S .S . 15 (1959), 5 ff(K e lt). 5) D er Hinweis Mezgers (a. a. O. 34) auf die hethit. Bildungen mit -ant ist nicht überzeugend, denn diese gehören anderen Kategorien an; kacnant- „Verschwä gerter“ zu kaena- „ds“ und buhhant- „G roß vater“ zu huhba- „ds“ sind unerklärte Einzelfälle (vgl. A .Kam m enhuber M .S .S . 8 (1956), 48).
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auch nicht recht einzusehen, warum der allgemeine Begriff „Verwandter“ in einer patriarchalischen Gesellschaft von der Sicht der Frau aus bestimmt worden sein soll. Frijonds wäre also vereinzelt in Form und Bedeutung. Ausgangspunkt fürfrijonds bleibt nach wie vor das Verb, das Mezger eben falls von *priiä Frau ableitet (a.a.O. 34), was den Rechtsbegriff „zur Frau machen“ ergäbe, der sich nur im deutschen Sprachgebiet findet. Der Sinn „lieben“ in den anderen Dialekten bliebe außer Betracht. M. Scheller geht in seiner Abhandlung von einem Adj. *priio aus, für das er aufgrund des ai.prtyä- „eigen“ und daraus „lieb“ und des ae./m>- in fréobrödor „leiblicher Bruder“, freodohter „leibliche Tochter“, freomäg „consanguineus“ die Be deutung „eigen (in Bezug auf Verwandtschaftsausdrücke und Körperteil bezeichnungen“ a.a.O. S.23) ansetzt. Das Verb erklärt er mit „als priiobehandeln“ (S. 91), woraus sich einerseits „lieben“, andererseits „heiraten“ erklären lassen, ebenso die morphologisch gleichen ai. priyäyäte „sich freundlich, wohlgesinnt erweisen“ und aksl. prijajq m. Dat. „jemandem freundlich gesinnt sein“ . Ob das german. Verb damit urverwandt ist oder geformt wurde, als *frija- noch die Bedeutung „eigen“ hatte, ist nicht zu entscheiden (doch ist mir die erste Möglichkeit wahrscheinlicher). Für ein frijon „als eigen, verwandt behandeln“ ergäbe das Partizip „jmd., der als seinesgleichen behandelt'', das ist der, der durch Bluts- oder vertragliche Bande dazu verpflichtet ist, also der Verwandte. Das Partizip müßte sich zu einer Zeit verselbständigt haben, als das Verb noch die alte Bedeutung gehabt hatte, von der der Rechtsbegriff „heiraten“ noch ein Überbleibsel ist. midumonds μεσίτης Mittler (1 T 2,5 N.Sg.): *midumon „vermitteln“, vgl. ae. medemtan „Maß festsetzen; schätzen, wert halten“ (abgeleitet von medeme „vermittelnd, maßvoll; mittel; würdig“) und ahd. metemen (N) „dimidiare, moderare, temperare“. Grundwort ist miduma f. „Mitte.“
Nomina agentis auf -ja Sie beruhen ursprünglich auf Zugehörigkeitsadjektiven (vgl. ai. äntah m. „Ende, Grenze, Rand“ - antyab „am Ende befindlich, letzt“ - got. andeis). Im Got. umfassen die maskulinen ja - St. mit wenigen Ausnahmen nur mehr Nomina agentis, die, im Gegensatz zu den nt-St., Substantiva oder Adjektiva voraussetzen. Langsilbige flektieren wie hairdeis („der zur hairda Ge hörige“), kurzsilbige wie nipjis. fiuleis (jruma jiuleis „der Monat vor dem Julmonat“ = Naubaimbairy got. Kal.): *jtula n. PI. „Julfest“. Ein ähnliches Verhältnis herrscht im An., wo ýler m./ja „Julmonat“ und jö l n.Pl. „Julfest“, aschwed.jü l n.Pl. „ds“ nebeneinander stehen. Das ae. gehhol, geohol, giol n. PI. „Weihnachten“ und mit n-Erweiterung géola m. „Weihnachtsmonat“ deuten auf eine Grund form *iehwla-, wozu mit grammatischem Wechsel *jegwla-, auf der die got.
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und an. Worte beruhen (nicht *iehwla-y denn dies hätte got. *jaihvla- erge ben, vgl. etwa saibvan und siuns aus *segwnif). anda-staþjis άντίδικος (L 18,3), άντικείμενος Widersacher: *andastaþi η. „gegenüberliegender Ort“ (vgl. andalauni, andanahti zu laun bzw. nahts). Ob jedoch ein solches Wort im Got. wirklich lebendig war, erscheint frag lich. Das griech. άντικείμενος Part, zu άντίκειμαι „gegenüber liegen oder stehen (auch metaphor.)“, Simplex κείμαι „liegen, sich niederlegen, gelegen sein (Ort)“ scheint für anda-staþjis in der zweiten Bedeutung Vor bild gewesen zu sein. asneis μισθωτός Tagelöhner, Mietling, vgl. ae. esne m./ja „Diener; junger Mann“, ahd. asm m./ja „mercenarius“ (nur Tatian): *asno f. nach as. asna „Zins“ (Wadst. 43,16) oder *asna m. nach afr. esna „Lohn“, vgl. auch noch ae. asnemonn „mercenarius“ (Lindísfarne J 10,13, wo der Tatian asm und Ulfilas asneis haben!). Hierher gehört auch asans f./i „Ernte“ (Wz. es-en-, os-en- „Erntezeit, Sommer“), das aber aus bedeutungsmäßigen und forma len Gründen nicht unmittelbar die Grundlage von asneis sein kann (wie Kluge Stammb.8 §7). Ohne Mittelvokal und mit gram. Wechsel entspre chen ahd. am f. „Ernte, Erntezeit“, mhd. erne f., arny ern m., mnd. arney erne f., arny ern m. und davon abgeleitet arnari m. „messor“ (Gl. 1,235,29 und Tatian 76,4; 72,6, der „mercenarius“ mit asni 133,11 (= J 1 0 ,llf ) und asneri T 97,3 (= L 15,17f) wiedergibt). faur-stasseis προϊστάμενος (LÜ) Vorsteher (1 Th 5,12 A.PL): *faur-stass „Vorstehen“, //-Abstraktum zu einem *faurstandan „vorstehen“, vgl. auch faura-standands προϊστάμενος (R 12,8). gud-blostreis θεοσεβής (LÜ) Gottesverehrer (J 9,31 N. Sg.), vgl. mit an derem Suffix ahd. bluostrari „Opferer“ (Gl. 2,763,7): *blostr n. „Opfer“, vgl. ahd. bluostar n. „ds.“ mit Formans -tro zu blotan ifbhläd-tro *blos-sray wo german, zwischen s und r ein t eingeschoben wird, vgl. gilstr n.). Daneben findet sich ein Verbalsubstantiv in an. blöt n. „Opfer, Opferstätte, Abgott“, ae. blöt „Opfer“, ahd. in bluo^hüs „Heidentempel“ (Gl. 1,100,3; 1,144,22). witoda-fasteis νομικός Gesetzeskundiger (L 10,25 N.Sg.; L 7 ,3 0 N.P1.:) *witoda-fasts „gesetzesfest“. Jellinek (Gesch. § 207) nimmt ein *witoda-fasta „Festhalten am Gesetz“ an. Ein got. *fasta dürfte es aber nicht gegeben haben, denn an. fasta f. „Fasten“, ahd. fasta f. „observantia, ieiunium, parsimonia“ sind postverbal und passen nicht in der Bedeutung. Das got. Substantiv war fastubni n. Die an. Wendung Iggfesta „Verbot niederlegen, etwas Gesetzeskraft geben“ würde auf eine verbale Herleitung „Gesetzes niederleger, Gesetzgeber“ schließen lassen. Tatsächlich ist diese Möglich keit im An. durchaus gegeben z. B. rasa „in Bewegung setzen“ - raser m. „König, Häuptling, wörtl. Beweger“. Sie scheint jedoch auf die poetische Sprache beschränkt gewesen zu sein. Im Got. findet sich kein Beispiel die13
ser Art (wohl aber bei der Erweiterung -areis). Eher scheint mir hier ein komponiertes Adjektiv „fest im Gesetz“ vorzuliegen. Ähnliche Ausdrücke sind etwa an. Iggfastr „gesetzlichen Wohnsitz habend“, ae. äfast „fest im Beobachten des Gesetzes, fromm“, awfast man „verheiratet“, domfast „ge recht, mächtig“ und ahd. rehtfesti f. „justificatio“ und eafesti f. „testamen tum“ . Schwierig ist der Ansatz der Stammklasse für das got. Adjektiv. An. fastr „fest, hart, stark“ weist wegen aschwed. faster auf u-St. (Noreen Aisl.Gr. §424/A2), womit sich auch der ahd. /4-St. festi vereinigen ließe. Das Ae. As. und Afr. zeigen *-St., was ich wegen fastan auch für das Got. annehmen möchte. Die den Verba der dritten schw. Klasse zugrundeliegen den Adjektiva gehören nämlich sämtlich der ^-Deklination an: ainsy armsy galeiksy swersy wans (wanains)y weihs. An idg. Verwandten bieten sich ledig lich armen, bastfx „fest“ und ai. pastyäm n. „Behausung, Wohnstätte“ (be zweifelt von Mayrhofer Ai.Etym.Wb. 2,242) an. Bedeutsamer als das y*-Suffix wurde, besonders im Westgerman., das aus dem lat. -ärius bzw. -arius entlehnte -ärja bzw. -arjay dem anfangs ebenfalls nur Nomina zugrundelagen, z. B. bokareis - boka. liupareis ωδός Sänger (Neh 7,1,44 N. PL), vgl. ahd. liudari m. „ds.“ : *liup n. „Lied“ in awi-Iiup η. χάρις Dank, dessen erster Teil *awi n. in an. Runeninschr. auja „Glück“ oder „göttlicher Schutz“ (Krause, Runeninschr. Nr. 35 u. 36) wiederzukehren scheint (Wz. au- „gern haben“ IEW 77). Später kamen auch deverbative Bildungen auf, etwa ahd. bägari „Zänker“ - bägan „streiten“, ae. scéawere „Beobachter, Spion“ - sceawiany as. döperi „Täufer“ - döpian. Auch im Got. wird man diesen Typ in zwei Fällen an nehmen müssen: laisareis διδάσκαλος Lehrer (vgl. ahd. lirariy anfr. hven-Urari) wird all gemein von einem *laisa f. „Lehre“ abgeleitet (Feist 320b). Ein solches Wort hat aber, wie Wißmann (PV 63 f) gezeigt hat, das Got. nicht gekannt, denn Ulfilas übersetzt Lehre stets mit dem Verbalabstraktum laiseins. Ein von lais abgeleitetes Femininum hätte die Bedeutung „Wissen“, nicht „Lehre“ haben müssen, so daß das westgerman. Wort als Rückbildung zu „lehren“ anzusehen ist. Für laisareis bleibt also nur laisjan als Ausgangs punkt. sokareis συζητητής Forscher (1 K 1,20 N.Sg.) Auch hier hat man ein *soka f. annehmen wollen (Wilm. 2,286) und dabei auf ahd. suobhari „Su cher“ - suohha verwiesen, das aber nach Graff 6,86 nur in dem einzigen Be leg hüssuoeba „scrutinium“ vorkommt neben dem häufigen suobhungay also deutlich postverbal ist. Das Got. hat hierfür sokeins ζήτησις Suchen und sokns f. „ds“ . Grundlage ist sokjan.
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Neben den bei -ärja weit überwiegenden Nomina agentis finden sich westgerman. seltener Konkretbezeichnungen, meist lat. Lehnwörter auf -arium wie ahd. kellari „cellarium“, psaltari „psalterium“, ae. stipere „stipes“, die, wohl in Analogie zu den Täterbezeichnungen, ebenfalls Maskulina sind. Vereinzelt sind auch Wörter mit german. Stamm anzutreffen, von denen eins im Got. wiederkehrt: waggareis* προσκεφάλειον Kopfkissen (Mc 4,38 D.Sg.), vgl. ae. vorigere „Kopfkissen, Polster“, ahd. vangari „plumatium“ (Gl. 3,618,59; 10/11. Jhdt.) Daneben ist der einfache ja-St. in an. venge n. „Kopfkissen“, ahd. uuengi „pulvillos“ (1,653,38), öruuengi „cervicalia“ (Gl. 1,644,19; 3,621,28; 3,623,45) belegt. Ähnlich aufzufassen sind ahd. ahslari „cervical“ (Gl. 3,618,62) zu ahsalay balsare „cervical“ (Gl. 3,620,5) zu hals und levari „aggerem“ (1,642,36) zu lio. So wird man aus vaggareis* (ein vaggari* n. halte ich aus dem oben angeführten Grund für weniger wahrscheinlich) ein *vagga m. (wegen an. vange m.) oder eher ein vaggo n. „Wange“ erschließen dürfen, vgl. ae. vange n. (selten m.), ahd. vanga n. und die beiden Körper teilnamen auso n. und hairto n.
Nomina agentis auf -jan Sie sind im Got. wesentlich häufiger als die -ja-St., scheinen aber in den übrigen Dialekten weniger beliebt gewesen zu sein. Das Westgermanische bevorzugte -ärja bzw. -arja, z. B. fiskja - ae. fiscere - ahd. fiskari, im An. waren dieja-S t. (besonders in der poetischen Sprache) sehr häufig, daneben spielten auch die auf -are (in die n-Deklination übergetreten) eine Rolle. Zugrunde lagen meist Substantive (skattja - skatts; ein Nomen agentis bei vardja (M 27,65 A.P1.) - daura-vards\ seltener Adjektive (gamainja „der gemein hat, Teilnehmer“ - gamains; undarleija „der Geringste“ (E 3,8 D. Sg.) - *undarleis „gering, niedrig“ wohl zu lett. leijs9 leijl „niedrig gele gen“) oder st. Verba wie arbinumja „Erbe“ (ähnlich ahd. notnumeo) zu niman. afdrugkja μέ&υσος Trunkenbold (1 K 5,11 N.Sg.): *afdrugk n. „Trinken“ : *afdrigkan, vgl. an. afdrekka „austrinken“. So wird man wohl aufgrund des Präfixes ansetzen müssen. Ähnliche Fälle mit Ablaut sind bistugqn. „Anstoß“ - bistigqan „anstoßen“ und gabaur n. „Kollekte, Abgabe“ - gabairan wörtl. „Zusammentragen“. Dagegen ist bei dem Synonym veindrugkja „Wein trinker“ eher der maskuline i-St. *drugks „Trank“ vorauszusetzen, vgl. an. drykkr m./i, ae. drync m./i und ahd. trunk m./a oder i, da hier von dem Simplex -drugkja auszugehen ist. afetja φάγος Fresser (L 7,3 4; M 11,19 N.Sg.): *afet n. „Fressen“ : *afitan „fressen“. Es ist wahrscheinlich, daß *afet, vgl. an. afäty ofät n. „Fresserei“
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auf ein Adj. *afets /i zurückgeht, wie es in ae. ofäte „obesus“, an. a tr „eß bar“, mhd. a%e „ds.“ und ai. ädya „genießbar“ vorliegt. Vgl. die Fälle andaset n. „Entsetzen“ - andasets „entsetzlich“ und andanem n. „das Emp fangen“ - andanems „angenehm“, wenn man sich den Bedeutungsübergang als „entgegennehmend - gern nehmend - angenehm“ vorstellt. So bliebe als letztes dehnstufiges Neutrum usmet „Lebensführung, Lebenswandel, Bürgerrecht“, das vielleicht ebenfalls auf ein *usmets /i zurückführt, vgl. ae. ormate „ungeheuer, übermäßig“, dessen Bedeutung aber nicht paßt. aurtja γεωργός Landmann, Winzer: *aurts /i in aurtigards κήπος Garten entlehnt aus lat. hortus, vgl. auch ae. ortgeard „orchard“ (ort- hier a-St!) und ahd. kaor^pto „exculta“ (Gl. 2,229,64; 230,47).
ferja εγκάθετος Aufpasser wörtl. „Nachsteller“ (L 20,20 A.PL): *fer n. „Nachstellung“, vgl. an f ä r n. „Feindschaft, Gefahr, Schade, Falschheit“, az . f ä r m. „Gefahr, Furcht“, as » fä r m. „Nachstellung“, f . „Aufruhr“ (Wadst. 56,6), ahd.fä ra f. „insidiae, seditio“ (Form f ä r i bei Otfrid wohl nur wegen des Reims zu wärt). nehundja 6 έτερος; ό πλησίον der Nächste: *nelvundi f. „Nähe“, vgl. an. nänd f. (älter nand) „Nähe“. Dagegen scheint das von Feist (373b) und Brugmann (IF 33 (1913), 305 ff) dazugestellte ahd. Adv. nähmt „nuper, protinus, proxime“ nicht hierher zu gehören. Die Form mit t tritt nur zweimal, Gl. 1,285,29; 2,102,62, auf, während es sich in den übrigen Fällen um den adverbiell gebrauchten Dativ des Adj. näh handelt. Das Suffix ist ursprüng lich Endung der femininen Partizipien, vgl. hulundi „die Bergende“ (s. S. 37.), an. vitund f. „Wissen, Kenntnis“, hat sich aber auch auf Nomina ausge dehnt: ae. þéofend f. „Diebstahl“ (nur PL formen). skilja Fleischer (έν μακέλλω at skiljam auf dem Fleischmarkt 1 K 10,25) beruht auf einem Primärverbum, das freilich nur außerhalb des German, in lit. skelti „spalten“ erhalten ist. swtglja αύλητής Flötenspieler (M 9,23 A.PL), vgl. mit anderem Suffix ahd. suegalari m. „tibicen, fidicen, Schwegler“ : *swigl(s) „Flöte“. Die german. Verwandten stimmen nicht ganz dazu, denn ahd. suegala f. „tibia, fistula, calamus, sistrum“ ist ^//-Weiterbildung eines *swegla-, wie es in ae. swegelhorn „sambucus“, swegel m. oder n. belegt ist, das Grein mit „melodia, sympho nia“ übersetzt (Gen 675 ,,/V mag swegles gamen gehjran on heofnum“ ; An 869 „ar was singal song and sweglesgong' diese Wendung auch An 208 und An 455). Eine solche Bedeutung hätte aber für swtglja „Musiker“ ergeben. swulta-wairþja (was) ήμελλεν τελευτάν ein dem Tode Naher (L 7,2), ist wohl eine Neubildung des Übersetzers. Wie μέλλειν an den Stellen 1 Th 3,4 und 1 T 1,16 durch anawairþs wisan und μέλλων „zukünftig“ durch ana-
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wairps wiedergegeben wird, so ist anscheinend für diese Stelle von einem *swulta-wairps „auf den Tod gerichtet“ (nach ana-wairps etc.) ein Substantiv swulta-wairpja abgeleitet worden. Auffällig ist der Vokal der Kompositions fuge. An. sultr m./i „Hunger“ und ae. swylt „Tod“, wie auch der Wortbil dungstypus (so etwa wunns m./i „Schmerz“ zu winnan „leiden“) ließen einen /-Stamm zu swiltan „sterben“ erwarten. Vielleicht war ein *swults zu den a-St. übergetreten, oder es liegt eine Entgleisung in der Kompositionsfuge vor, obwohl diese Fälle sehr selten sind, vgl. aber immerhin gard$-waldands M 10,25; L 14,21. timrja τέκτων Zimmermann (Mc 6,3 N.Sg.) PL οίκοδομοΰντες Bauleute, vgl. ahd. yimbrio „mechanicus“ (Gl. 4,205,34). A u f einer Form *timbranberuhen wohl as. tymbron „fabros“ (Wadst. 68,4) und themo timmeron (Wadst. 41,17).: *timr n. „Bauholz“, vgl. an. timbr n. „Bauholz, Gebäude“, ae. timber n. „ds.“, afr. timber n. „Gebäude“, as. timbar n. „Holzbau“ (Wadst. 108,17b), ahd. %imbar n. und m. „Bauholz, Wohnung“. wai-dedja ληστής Räuber: *waideps f./i Übeltat, vgl. ae. wiadädf. „ds.“, mhd. wetät f. „Schmerz“ und die Komposita wailadeps (1 T 6,2 G.Sg.), gadeþs (E 1,5 D. Sg.) und missadeps. Von ihnen kommt nur missadeps häufiger vor. Ob es einfaches -deps im Got. gegeben hat, ist wegen des Kompositums gadeþs „Tat“ zweifelhaft. Überhaupt scheint die Sippe durch waurstw n. und taut n. (vgl. übil-tojis „Übeltäter“) verdrängt zu werden, die Ulfilas aus schließlich zur Übersetzung von Ιργον verwendet. Beide haben keine un mittelbaren Entsprechungen in den anderen Dialekten, denn afr. touw, tow „Werkzeug, Tau“, mnd. touwe, tow, tau n. „Werkzeug, Gerät“ und mhd. ge^ouwe, ge^awe n. „Gerät, Werkzeug“ beruhen auf einem ga-Kollektivum, an. tö n. „Werg“, ae. tow-hüs „Spinnhaus“ passen in ihrer Bedeutung nicht. Ebenso fehlt got. (wie an.) das mi-Verb *dön, von dem -deps ein ti-Abstrak tum ist. Nomina agentis auf -an Sie zeigen die gleichen Ableitungstypen wie die auf -jan, nämlich von Sub stantiven (spilla „Verkündiger“ - spill „Erzählung“), Substantivierungen von Adjektiven (unhulpa „Unhold“ - unbulps) und in größerem Maße Bil dungen zu st. Verben (nuta „Fänger“ - niutan „treffen, erreichen“). weiha in auhumists weiha άρχιερεύς Oberpriester (J 18,13 N.Sg.): *weih n. „Heiligtum, Tempel“, vgl. an. ve n. „heiliger Ort, Gerichtsstätte“, ae. wtb> wiges m. „Götze“, as. wtb m. „Heiligtum, Tempel“ und ahd. wih in „nemus . forst edo haruc edo uuih“ (Gl. 1,316,59). Wegen der Bedeutung kann es sich nicht um ein substantiviertes Adjektiv handeln, denn der Priester ist nicht einfach „der Heilige“ (so Kluge Stammb8 § 10), auch vom Verb weiban aus ist die Bildung nicht glaubhaft, da es dann das einzige von einem sw. Verb
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abgeleitete Bsp. dieses Typs wäre. Als „der zum *weih Gehörige“ (so Schulze Kl. Sehr. 573) aber hat miba eine Parallele in an. goäe m. „Priester“ zu goð. Maskuline Verbalsubstantive Sie sind im Gegensatz zu den Neutra unkomponiert und zeigen meist Ab laut. Die ursprünglich abstrakte Bedeutung ist in einzelnen Fällen konkre tisiert, so etwa bei balgs „Schlauch“, urspr. „Schwellen“. Die Scheidung nach a- und /-St. ist got. deshalb schwierig, weil sie sich nur im Plural un terscheiden (wie auch mit geringen Ausnahmen im Ahd.), Pluralformen wegen der meist abstrakten Bedeutung aber selten sind. Von den übrigen Sprachen liefert lediglich das Ae. (durch den regelmäßig durchgeführten /-Umlaut bei den Langsilbigen und die Endung -e im N.A. Sg. bei den Kurzsilbigen) sichere Anhaltspunkte, da im An. der Umlaut ausgeglichen sein kann, im As. nur die Kurzsilbigen für den Singular sichere /-Formen bieten. Die schwundstufigen gehören got. wohl fast alle der /-Deklination an, wenn auch nur muns und wunns sichere Belege aufweisen. Aufgrund der Schwestersprachen kann man jedoch hierherstellen: *drugks (-drugkja), drus, qumSy runs, striks (s. u.), plauhs,puts* (s. u.), wlits (s. S. 19.), writs (s. S. 19.) und stiks (s. S. 19.), dazu wohl auch hunþs und krusts, bei denen Entsprechungen fehlen; swults* scheint in die a-Deklination übergetreten zu sein (s.S. 17), ebenso gagg n. (s. S. 20), während die übrigen von reduplizierenden Verben stammenden Fälle (die deshalb keinen Ablaut haben) ebenfalls i-Stämme sein dürften, so laiks m/i undgretsy hrops (s. S. 19.), sleps, denen man slags m/i als einziges Beispiel zu einem st. V. 6 anreihen kann. Andere Stufen sind seltener: ö-Stufe haben balgs (s. S. 19.), gardsysaggwsysauþs (s. S. 19.), staks und sagqs, bei dem /-Formen fehlen; dehnstufig ist wegs (D. PI. wegim M 8,24, aber N.P1. wegos Mc 4,37). Nicht sicher zu bestimmen sind blauts (s. S. 20.) und waips. Seltener findet sich Zugehörigkeit zur ^-Deklination. Diese Wörter zeigen Präsens- oder 0-Stufe. Der bedeutungsmäßige Zusammenhang mit dem Verb scheint durch den meist konkreten Sinn schwächer. Sichere a-St. sind nur sinþs (s. S. 21.) und wigs, doch werden wegen der Zeugnisse der übrigen Sprachen auch daigs, skauts (s. S. 20.) und snaiws (s. S. 20.) hierher gehören. striks κεραία (M 5,18 N. Sg.) Strich, vgl. ahd. strih m/i: *streikan „streichen“, vgl. ae. strtcan „streichen, reiben“, afr. strika, mnd. striken, ahd. strihhan, puts* (in puthorn σάλπιγξ Trompete) Lärm; der Vokal der Kompositions fuge fehlt, wie bei /-St. nur noch in brüdfaps, weshalb man auch hier ü ange setzt hat. Dies ist aber wegen solcher Fälle wie gudhüsywetndrugkja, laushandja gegengudalaus, weinabasi und lausawaurds nicht zwingend. Der Wortbildungs typus und das Zeugnis der anderen Sprachen (an.pytr m/i „Lärm, Geheul“,
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mhd. du^ m/a „Schall, Geräusch, Gesurre“) sprechen dagegen. Das zu er schließende Verb *piutan „lärmencany das freilich im German, nur spärliche Entsprechungen hat: an. sniva* (nur 3. Sg. snýr = *sniwiþi „es schneit“ und PPP snivenn „beschneit“), ahd. farstiiegun perga. (Pyrenas) ninguidos (Gl. 2,435,56), während ae. sniwian (Prät. sntwode und sniwde) wohl von den abi. V. übergetreten ist. Ein hoch stufiges thematisches Wz. präsens findet sich außergerman. noch in airan. snaefyiti, griech. νείφειν, lit. sniegti und vielleicht in lat. nivit „es schneit“. Ein Bedeutungsübergang „Schneien“ (für das Substantiv allerdings nir gends belegt) zu „Schnee“ als dem Ergebnis des Schneiens ist nicht unge wöhnlich, auch Regen kann beides bezeichnen. Daneben gibt es ein schwundstufiges Nasalpräsens, lat. ninguit und lit. sninga, ein thematisches, air. snigtd „es tropft, regnet“ und ein y-Präsens, ai. snihyati „wird feucht, klebrig, feuchtet sich“. Ob die angesetzte Bedeutung „(sich) zusammen ballen“, wegen ai. snihyati und sneha- m. „Klebrigkeit, ö l, Fett“, wirklich primär ist7), erscheint zweifelhaft, da auch das Indische die spezielle Bedeu tung „Schnee“ kannte (Prakrit sineha-, sinhä- = *snihä „Schnee“), die ich deshalb für älter halte als das allgemeinere „Klebenbleiben“ . K. Hoffmann8) sieht beide als altererbt an, weil sie sich schwer vereinbaren ließen (vgl. aber das air. snigtd, dessen Wandel zu „es regnet“ wohl klimatisch bedingt war und das vielleicht einen Übergang ermöglicht, der beim Verb vollzo gen worden wäre). sinþs Mal (άπαξ ainamma sinpa)y *Gang, Weg m/a, vgl. ae. sid „Weg, Reise, Mal“, as. sid „Weg, Reise, Schicksal, Mal“, ahd. sind „iter“ (alle m/a) und an. sinn n., sinne n. „Gang, Mal“ : *sinþan „reisen, gehen“ (s. sandjan S. 77 und gasinpja). Neutrale Verbalsubstantive Abgeleitet von st. V. sind sie mit wenigen Ausnahmen komponiert und zeigen e-Stufe. Neben gild „Steuer“ und dem ö-stufigen dragk „Trank“ ist nur frius ψύχος Frost (2 K 11,27 D.Sg.) unkomponiert. Das Genus ist nicht gesichert, doch wird man es wegen seiner Hochstufigkeit eher zu den Neutra als zu den Maskulina rechnen, die Schwund- oder o-Stufe haben. An. fro r n. (*fru%a-) kann für das Genus nicht viel beweisen, denn es wird wegen seiner Schwundstufe früher Maskulinum gewesen sein. Jedenfalls setzt frius ein *friusan voraus, vgl. an. frjösay ae. freosany mnl. vriesen9 mnd. vreseny ahd. friosan. Ein altes PPP auf -to zum Verb hat sich in an. as. ahd. frosty ae. afr. forst erhalten.
7) G onda K Z 72,228 ff (1955); Benveniste Gedenkschrift Kretschm er 1 ,3 5 ff (1956). ®) Münchner Studien zur Sprachwissenschaft 18 ,2 3 ff (1965).
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gagga (Me 11,4 bigetun fulan . . . üta ana gagga. . . ,,εδρον πώλον . . . έξω επί του άμφόδου“ ; Me 6,56 .. . ana gagga lagidedun siukans . . . έν τα ΐς άγοραΐς έτίθουν . . . . Das Genus dieses Wortes ist umstritten. Während Me 11,4 D.Sg. vorliegt, kann es sich Me 6,56um D .Sg. oder A.P1. handeln. Streit berg (IF 27 (1910), 152 ff) hat gezeigt, daß lagjan, mit den Präpositionen ana und in verbunden, stets den Akkusativ bei sich hat. Der griech. Text άγοραΐς spricht für einen Plural, so daß man Neutrumgagg* ansetzen wird. Dem widersprechen aber der Wortbildungstypus und die Bezeugung in den anderen Dialekten, in denen das Wort durchgehend Maskulinum ist. Im Ahd. sind Spuren eines i-St. erhalten: Gl. 2,141,9 processu.f r am kenkiu. (W. Schulze KZ 42 (1909), 325 u. A 3). Vielleicht liegt die Lösung darin, daß ein altes *gaggs m./i analog den Komposita wie atgagg „Zugang“ (von denen es wohl noch mehr gegeben haben wird) ebenfalls zum Neutrum wurde, ähnlich wie ggng n. PI. im An., wo der Präfixverlust einen solchen Ausgleich begünstigte. So kehrt auch dragk πόσις Trank im Ae. als drenc m./i wieder, das Ahd. hat ebenfalls Neutrum. Bei as. drank und afr. (wapul)-drank ist eine Ent scheidung nicht möglich. Vielleicht ist auch dragk wegen seiner Ablaut stufe einst Maskulinum gewesen. Nun zu den Komposita: bihait καταλαλιά üble Nachrede (2 K 12,20 N.P1.), vgl. ae. beot n. (*be-hät) „Drohung, Prahlen, Versprechen“, ahd. bihaij n. „devotio, conjuratio“ und bibaitja Prahler (2 T 3,2 N.P1.): *bihaitan „prahlen, verleumden“, vgl. ae. behätan „versprechen, geloben, drohen“ und ahd. behei^an „devovere, polliceri, confiteri, conjurare usw.“ (zu haitari). faurhäb καταπέτασμα Vorhang (M 27,51 N.Sg.) neben faurabäh ds. (Mc 15,38 N.Sg.) nach Substantiva wie faura-gaggi, faura-mapli\ *faur(a)häban „Vorhängen“ (zu bähan). galiug Lüge (in galiug taujan u. weitwodjan); Götzenbild: *galiugan, vgl. ae. geleogan „täuschen, belügen“ (zu liugan). idweit δνειδος Schmach, Schimpf, vgl. mit Schwundstufe ae. edrnt „Schmach, Schande, Verachtung“, ahd. itawij „ds.“ : *idweitan„ rügen, zu rechtweisen“, vgl. ae. edmtan „ds.“ Von idweit wird idweitjan „schmähen“ abgeleitet sein, wie ahd. itewijön „ds.“ von itaw ij. Ähnlich fairweitjan s. S. 75. gaprask άλων Tenne (L 3 ,17 gaprask sein) urspr. „Dreschen“, dann der „Platz, wo gedroschen wird“. Ebenfalls Ablaut zeigt ahd. getbrusc „tritura“ (Gl. 2,700,33), aber ahd. gadresc „tritura“ und ae. gepersc „ds.“ haben die zu erwartende e-Stufe.: *gapriskan, vgl. ae. geperscan „schlagen, dreschen“ (zu priskan).
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anaqal Ruhe 1 Th 4,11 „ . . . aþþan bidjam i%n>is, broþrjus, . . . biarbaidjan anaqal . . .;“ ,,παρακαλουμεν δέ ύμας, άδελφοί, . . . φιλοτιμεΐσθαι ήσυχάζειν . . .“ Feist (43b) bemerkt hierzu: „Falls (Lesung) richtig, Verbalsubst. zu *(ana-) qilan zur Ruhe kommen“ . Er zieht die Sippe von ae. cmlan st.V., as. quelan st.V., ahd. quelan st.V. „cruciari, sich quälen, heftig verlangen nach“, farquolan „defectus“ heran. Aber die Bedeutungen dieser und der idg. Verwandten (IEW 470f guel- „sterben, Schmerz, Qual, Tod“) liegen weit ab. Noch unsicherer ist der Vergleich von Holthausen (Got. Etym. Wb. 78), der die Sippe von an. kveld n. „Abend“ heranzieht. Hierbei käme ohnehin nur ae. ctvield- in cwield-ttd „Abend“ als Entsprechung in Frage, falls es auf ein *kwaldi- zurückführt9), doch ist für ein //-Abstraktum die Schwundstufe *hvuldi- wahrscheinlicher. Ein got. *anaqald f/i „Abend = Ruhezeit, Ruhe“ ist also sehr fraglich. Die übrigen Verwandten, neben an. kveld n. (anorw. auch m.), aschwed. kvaelder m. und kvceld n., ahd. chmltimrcb „Abendarbeit“ (in einer alem. Urkunde von 817), schweizer. chiltychelt m. „Nacht; Abendgesellschaft“ lassen sich mit E.Kolb10) am besten von einem alten s-Stamm ^kweldiv^ykmldav^ ableiten, der ebenfalls als „Sterben des Tages“ zu *kmlan gezogen wird. Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich, doch ist Feists Lösung wohl noch vorzuziehen.
Feminine Verbalsubstantive Die zu den ö-St. gehörigen gehen auf einen bereits idg. Typus zurück (B-D 2 ,1 2, 148ff). Sie sind in der Mehrzahl unkomponiert und haben ver schiedene Ablautstufen, am häufigsten *-Stufe. Bedeutungsmäßig stehen sie zwischen Nomina agentis und reinen Abstraktbildungen (v. Bahder 45ff). hlamma παγίς Schlinge, „Rauschende“ ( 1 T 3 ,7 ; 6,9 A. Sg.): *hlimman „rauschen“, vgl. an. hlimma* „lärmen, dröhnen“ (überliefert Prät. hlamm E .A.K ock Notationes Norrenae § 82), ae. hlimman „tönen, rauschen“, ahd. limman „fremere“ (nur Präs.), mhd. limmen „knurren, brummen, knirschen, heulen“. ftahtom πλέγμασιν Flechte; (1 T 2,9 D.P1.) Der Nominativ ist flabto* oder flabta*y doch ist letzteres vielleicht vorzu ziehen, da Verbalabstrakta auf -on mit Ausnahme von wruggo alle *-Stufe aufweisen, die auch bei an. fletta sw. f., mnl. mnd. mhd. vlecbte st. sw. f. vor liegt. Vorauszusetzen ist *flaihtan „flechten“, vgl. as. flebtan (Wadst. 53,20 u.ö.), ahd. flebtany ae. flohten-föte „schwimmfüßig“. An. flétta (*flehton) ist wohl aus der st. Flexion übergetreten. ·) so E. Ochs Neuphilol. Mitteil. 54 (1953), 244f. 10) E. K olb Alemannisch-nordgermanisches W ortgut (Beiträge zur schweizer deutschen M undartforschung Bd. 6, Frauenfeld 1957).
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Die der ^-Deklination angehörenden Verbalsubstantive sind jüngeren Da tums und durch Übertritte von 0-St. und Genuswandlung von Nomina agentis der maskulinen //-St. entstanden (Brgm. 21,321). trigo Trauer 2 K 9,7 έκ λύπης us trigon, vgl. die Mask. ae. trega „Schmerz, Kummer“, anfr. trego „dolor“ : *trigan, vgl. an. trega „trauern, betrüben“ Prät. tregda aber PPP tregenn „betrübt“, as. tregan (nur Infin.) „leid sein, betrüben“. Ae. tregian „beunruhigen, plagen“ gehört zu den δη-Verba. bnupo σκόλοψ spitzer Pfahl (2K 12,7A ; B hat hnuto N.Sg.) ist zwar mit der Sippe von an. hnioöa „schlagen, nieten, stoßen“, ahd. pi-hniutid „munit, excutit“ (Gl. 1,146,30; 241,34) verwandt, hat aber anderen Dental als diese (þ gegen d). Zudem kann wegen an. hnüdr m. „Stange, Pfahl“ auch ü vorliegen, so daß man eher an eine selbständige Bildung aus der Wz. kneu„kratzen, schaben, reiben“ (IEW 563) denken wird (vgl. noch lett. knute „Stange“). wruggo παγίς Schlinge (T 2,26D .Sg.) „Windende“ : *wriggan „drehen, winden“, vgl. ae. wringan „drehen, winden, auspressen“, as. ütwringan* in „iegestum, ütgiuurunguna“ (Prudentiusgl. ll.Jh d t. Gl. 2,580,5) mnl. mnd. wringen „wringen, pressen, drücken“ und ahd. aruurinkit. extorsit (1,707,30, 9. Jhdt.). Nicht hierher gehört ahd. ringan „laborare, luctari, riscari, confli gere“, das auf *hringan zurückzuführen ist (vgl. DWb 14,2,1685). Nhd. nordd. wringen ist niederdt. Lehnwort. Dem Skandinavischen fehlt das Verb (erhalten ist das Verbaladj. rangr „schief, verkehrt“).
Die Postverbalia inilo und iusila inilo πρόφασις Vorwand (J 15,22 G .Sg.; Ph 1,18 D.Sg.) άφορμή Gelegen heit (2K 11,12 A.Sg.) Schon Grienberger (Unters. 128f) hatte für dieses Abstraktum ein Verb *inilon „einwenden“ vorausgesetzt. Dieser Ansatz wurde von Wißmann (PV 72 ff) ausführlich begründet, u. a. auch damit, daß es kaum alte feminine Abstrakta mit /-Formans gibt. Ein *inilon wird von der Präposition in „gegen“ (vgl. ahd. geginen „obicere“ Gl. 2,301,20) oder „hinein“ (vgl. mnd. inleggeny inseggen) abgeleitet sein. Der Einwand, daß Verba auf -Hon dem Got. fehlen, ist nicht schwerwiegend; da sie in allen anderen german. Sprachen verbreitet sind, sind sie hier wohl nur zufällig nicht vertreten. Ebenso ist für die sonst recht häufigen Verba auf -ison nur ein einziger got. Beleg, nämlich walwison (s. S. 85) erhalten. Zu inilo vgl. noch ahd. innelunga „Unterricht“ (N 2,251,6), das ein *innelön zu inne „intus, intra“ oder innön „adiungere, afferre, recipere“ erfordert. (Weitere Bsp. für von Präpositionen stammende Verba s. Wißm. PV 74f). iusila άνεσις Milderung (2K 8,13 N.Sg.). Auch dieses Wort läßt sich mit Wißmann (PV 72f) am einleuchtendsten als Rückbildung aus einem *iusilon
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„bessern, erleichtern“ erklären, dessen Grundlage wiederum das Kompara tionsadverb *ius „besser“ war, zu dem das Adj. iusi^a „vorzüglicher“ G 4,1 belegt ist. Als Parallele vgl. ahd. „dominus erigit elisos · er rihtet üf die geuuirsöten“ (N 2,596,21) zu ahd. as. wirs, ae. wiers „schlimmer“, wie got. wears aus *wers-i^; daneben „unde increpatio · die uuirseröt die sie beyyerön solta“ (N 2,98,16) zu uuirserOy got. wairsi^a. Verbalabstrakta auf -ni Die st.V. bilden feminine Abstrakta mit dem Suffix -niy siuns - saihvany sokns - sakan. Wesentlich häufiger wird es jedoch bei Ableitungen der sw. Verbalklassen verwendet, wobei der jeweilige Stammausgang mit -ni zu -eint, -oniy -aini verschmolzen wird. a) -eint Diese Gruppe ist im Got. sehr umfangreich (71 Fälle), tritt aber in den anderen Dialekten zurück. Im An. entsprechen Bildungen wie heyrn f. „Hören“ zu heyray spurn f. „Bericht“ zu spyrja. Westgerman, wurde -ungöy -ingö bevorzugt, doch war der Typus ae. noch ziemlich verbreitet z.B. gýmen „ Sor gfalt“ -gyrnan „sorgen“, ebenso wie afr. z. B. depene „Taufe“ -depay während er ahd. und as. mit den Akjektivabstrakta auf -in zusammenfiel, so ahd. toufiy as. döpi wie höht. Solche Vermischungen kommen wegen der formalen (A. Sg. ist in beiden Fällen gleich) und bedeutungsmäßigen Nähe auch schon got. vor, vgl. gaaggwei, ufarmaudeiy waja-merei (und die von Krause Hb. § 140/3 aufgeführten Fälle). gaskaideins διαστολή Unterschied (R 10,12 N.Sg.) Kluge (Stammbild.3 § 148/3) und Feist (200b) denken an „halbstarke Zeitwörter *blotjan und *skaidjan“. Davon ist aber weder got. noch in den anderen Dialekten etwas belegt. Das sw. Präteritum von ae. scéadan ist erst sekundär (Sicvers Ae. Gr. §394 A 5). Zudem ist ein *gaskaidjan auch vom Standpunkt der Wortbil dung unklar, da es sich von gaskaidan stk ,,στέλλεσθ-αι sich zurückziehen“ in seiner Bedeutung kaum unterscheiden würde. Keine Gegenbeispiele sind ae, gengany got. hropjany wopjan und smgian zu *gangany *hropany *swogan. Ae. gengany das vorzugsweise in der Form gengde auftritt, ist zu dem sekun dären regelmäßigen sw. Prät. neu gebildet worden (vgl. got. gaggida L 19,12 gegen sonstiges iddja bzw. im Ae. eode). Got. hropjan und wohl auch swogian (s.d.S. 73) sind denominal zu hrops (s.d. S. 19) und *swogsy wobei aber die durch diese vorausgesetzten redupl. V. offenbar verlorengegangen waren. Got. wopjan ist Primärverb, wozu die st. Formen des Ae. und Ahd. (Fränk.) nach ^hropan neu gebildet wurden (Wißm. PV 46 f). Verba wie *blandjany *fall]an und *grot/an sind Kausativa und im Got. nicht belegt. Von den Verhältnissen im An. und Westgerman, kann man überhaupt kaum für das Got. Schlüsse ziehen, da dort mit geringen Ausnahmen die Reduplikation
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aufgegeben ist und statt dessen „Ablaut“-formen über nicht ganz geklärte Zwischenstufen entstanden. Eher wird es sich bei gaskaideins um eine Augenblicksbildung handeln, die der griech. Text erforderte und wozu die große Zahl dieser Abstrakta ein bequemes Vorbild bot. usbloteins παράκλησής Bitte, Flehen (2K 8,4 A D .Sg.; B hat usbloþeinai). Auch hier wird das zugrunde liegende Verb ein *usblotan „bitten“ gewesen sein, mit intensivierender Wirkung des Präfixes gegenüber dem einfachen blotan „verehren“. Dabei mögen die Synonyma gaþrafsteins und laþons als Vorbilder eingewirkt haben (daneben noch bida und gaþlaibts). bibaurgeins παρεμβολή Lager (Sk 3,15 G.Sg.), vgl. ae. byrgen f. Begräbnis platz, Grab: *bibaurgjan „zur Stadt machen“ von baurgs f/kons. „Stadt, Burg“. faurdomeins πρόκριμα Vorurteil (IT 5,21 A.Sg.): *faurdomjan „vorher ur teilen“ ; ae. Jordéman^ ahd. fartuomen „verurteilen, verdammen“ gehen wohl auf *fra- zurück (zu domjari). gafeteins καταστολή Kleidung (IT 2,9 D.Sg.): *gafetjan „kleiden“ (zu fetjan „schmücken“) gafreideins περιποίησής Erhaltung, Bewahrung: *gafreidjan „erhalten, scho nen“ (zu freidjan „schonen“). gamalteins άνάλυσις Auflösung (Randglosse zu dismiss 2T 4,6): *gamaltjan „auflösen, schmelzen“, vgl. an. melta „schmelzen, verdauen“, ae. mieltan „ds.“, ahd. smel^en „schmelzen“ (s.u. *gamaltjan S. 77). gaskadmins σκεπάσματα Bedeckung (1T 6,8 A. Sg.): *gaskadwjan „beschat ten“ (zu ufarskadwjan „überschatten“). hleþra-stakeins LÜ von σκηνοπηγία Zeltaufschlagen, hier „Laubhüttenfest“ (J 7,2 N.Sg.): *stakjan „stecken“, vgl. ahd. gisteccban (kabelt) · fixere tentoria (Gl. 1,363,3; Hs. kdsteichan), s. auch u. stiks S. 19. maplein λαλιά Rede, Redeweise (J 8,43 A.Sg.): mapljan λαλεΐν reden (J 14,30). Der Nominativ ist nicht etwa als *maplei anzusetzen, (Streitberg Glossar 92 b „vielleicht“), wie Wortbildung und Bedeutung des got. mapl άγορά Markt zeigen, sondern als mapleins. Freilich kann *mapl in den anderen Sprachen (an. ae. as.) „Rede“ bedeuten, doch wird maplein nicht zu den wenigen Fällen gehören, in denen ein Substantiv einer Bildung auf -ein zugrundeliegt (wie etwa in magapei). naiteins βλασφημία Lästerung: *naitjan „lästern“ (zu ganaitjan „beschimp fen“), vgl. ae. nätan „zermalmen, unterwerfen“, mnd. neten „bedrängen, schädigen, verderben“, ahd. neivgen „cruciare, affligere“.
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niuhseins επισκοπή Heimsuchung (L 19,44 G.Sg.), vgl. an. njösn f. „Nach richt, Neuigkeit“ : *niuhsjan „heimsuchen“ (zu biniuhsjan „auskundschaf ten“), vgl. an. njsa „untersuchen, spähen“, ae. néosany néosian „durchsuchen, herausfinden“, as. niusian (H4658), niusön (1075) „versuchen“, ahd. niusen „niti, conari“. skeireins ερμηνεία Auslegung, Erklärung: *skeirjan „erklären“ (zu gaskeirjan „erklären“), vgl. an. skira „reinigen (von Anklage), taufen“, ae. sciran „erklären, reinigen“, afr. skiria „erklären“, mnd. mnl. schieren „reinigen, schmücken, erklären“. smkneins* „Reinigung“ (Sk 3,8 J 3,25; Sk 4,2), vgl. an. sykny sykna f. „Un schuld“ (eher vom Adj. sykn /), ae. sivicn f. „Reinigung (von einer Anklage)“, gesivicn „ds.“. : *smknjan „reinigen, reinwaschen“, vgl. ae. gesmcnan hine „sich reinigen (von einer Anklage)“ ; yybi swiknein“ könnte auch zu smknei ge hören. Dieses übersetzt aber άγνεία Reinheit, Keuschheit, man wird des halb das Verbalabstraktum ansetzen. ufarbauseins παρακονή Ungehorsam (2 K 10,6): *ufarhausjan „überhören, ungehorsam sein“ (zu hausjari)y vgl. ae. oferhýran „nicht hören, nicht ge horchen, mißachten“, as. obarhörian „belauschen, überhören“. ufarranneins „Besprengung“ (Sk 3,10 D.PL): *ufarrannjan „überrennen“ (zu rannjan)y vgl. ae. oferirnan „überraschen, überwältigen“. ufswalleins φυσίωσις Aufgeblasenheit, Hochmut (2 K 12,20 A N.P1.): *ufswalljan „aufschwellen, aufblasen“, s. auch S. 78. usfodeins διατροφή Nahrung (1T 6,8 A. Sg.): *usfodjan „nähren“ (zu fodjan „nähren, aufziehen“). usluneins „Erlösung“ (Sk 1,6 A.Sg.): *uslunjan „erlösen“, vgl. ae. älynnan „ds.“, abgeleitet von luns* (Mc 10,45 A.Sg.) m., wegen finn. lunnas „Lösegeld“. b) -oni Diese Bildungen sind wesentlich seltener, als es dem Anteil der Verba auf -■on entspricht (9 Fälle). Dies dürfte damit zusammen hängen, daß die Suf fixe -odusy -opus und -inassus in Konkurrenz dazu traten. Im An. sind sie da gegen häufig (z. B. fnasan „Schnauben“, efan „Zweifel“), im Ae. und Afr. selten, im Ahd. und As. fehlen sie ganz, da sie dort mit den Infinitiven hätten zusammenfallen müssen. bifaihons* πλεονεξία Übervorteilung (2K 9,5 A.Sg.). Der Nominativ könnte auch bifaiho* lauten, (vgl. etwa reiro zu reiran „zittern“), doch sind
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alle Verbalabstrakta auf -on von Primärverben abgeleitet und zeigen keine Präfixkomposition, sodaß bifaihons* wahrscheinlicher ist. Die beiden Verba bifaibon πλεονεκτεΐν und gafaihon „ds.“ sind, wie das synonyme ga-aiginon ( 2 K 2 ,11), das von gafaihon glossiert wird, nahelegt, Präfixdenominativa von faibu „Vermögen“. Diese Etymologie (zuerst bei Wißm. PV 79ff) ist einleuchtender als der Zusammenhang mit ae. fäh „feindlich, verhaßt, friedlos, geächtet“, afr. fäh „der Fehde ausgesetzt“, mnl. gevee „feindlich gesinnt, verhaßt“, ahd. giféh „odiosus, feidosus“ (so Feist 89b, W-P 2,10), derenjan-Verben as. PPP ^/^„straffällig“, dhd.fében „zelare“ (Gl. 1,515,71), mhd. vehen „hassen, feindlich behandeln, befehden“ sich bedeutungsmäßig und formal schwer mit dem Got. on-Verb vereinbaren lassen. Die Form bifaiha N.Pl.n. (Zusatz in 2 K 12,20 A) muß also postverbal sein und scheint in Analogie zu bihaita N.Pl.n., das an der gleichen Stelle vorkommt, ent standen zu sein. Die Erklärung „bifaiha vermutlich = bifaiho“ (Feist 89 b) ist auch deshalb nicht überzeugend, da an der Stelle 2 K 12,20 A mit einer Aus nahme (aljan) nur Pluralformen gebraucht werden: „þwairheins, aljan, jiukoSy bihaita, birodeinos, haifstets, bifaiha, ufswalleinos, drobnans“. Damit ent fällt aber die letzte Stütze für die Annahme eines bifaiho* (Feist 89b). gamitons διάνοια Gedanke (E 2,3 G.P1.): *gamiton „denken“ (zu miton „ermessen, (be)denken“), vgl. ae. gemetian „messen, moderari, meditari (Psalmen)“, ahd. gintejjön „moderari“. c) -aini Diese Gruppe ist mit 15 Fällen etwas stärker, in den anderen Dialekten ist sie jedoch nur spärlich vertreten (An. und Ae., wo sie mit der auf -oni zu sammenfiel), Ahd. As. und Aff. fehlt sie ganz. gahobains έγκράτεια Enthaltsamkeit (G 5,23 N. Sg.): *gaboban, das wohl von einem Stamm *gahof „ich ergriff, enthielt mich“, identisch mit dem Perfekt von hafjan abgeleitet war (Specht KZ 62 (1935), 68). Für ein *gahoban sprechen auch die Verba ae. behöfian, -öde „bedürfen, unpers. es ist notwen dig“, afr. behövia „bedürfen“, mnd. behoven „bedürfen, brauchen“, die zum selben Perfekt gebildet waren. Postverbale zu *gahoban könnte an. hof n. „das rechte Maß oder Verhältnis“ (fgahöf n. ?) sein. Dann wäre der Infinitiv gahaban stk eine Neubildung für älteres *gahoban ? mkains άγρυπνία Wachen: *wokan ? (scheint wie *gahoban verdrängt wor den zu sein). Auch hier liegt das ursprüngliche Perfekt *wok zugrunde, wozu das gemeingerman. Durativum wakan sw. 3 gebildet wurde, während das Inchoativum ga-waknan (L 9,32) „erwachen” als Präsens zu *wok fungierte, wie ae. onwacnan (daneben auch onwacnian; auch mit sw. Prät.), onwöc „aufwachen“, Prät. auch „geboren werden“ zeigen, (bei B-T sind beide Formen freilich getrennt aufgeführt, doch vgl. Campbell § 736; Sievers8 § 392/A2
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und zu der ganzen Frage Specht KZ 62 (1935), 71 f). Das alte Part.Perf. ist vielleicht belegt durch an. vakenn „wach“ . Für das Got. ergeben sich somit folgende Verhältnisse: gawaknan *gawok *gawakans „erwachen“, vgl. noch an. vakna „ds.“ ; mit sw. Prät., wakan *wakaida „wachen“ (nicht st. wie Streitberg Glossar 168a u. Eb. § 209; Braune-E. § 177/A1; Jellinek § 201; Holthausen Wb 119), uswakjan „erwecken“, gemeingerman. Kausativum. atwitains παρατήρησές Beobachtung (L 17,20 D.Sg.): *atmtan „beobach ten“ (zu mtan „ds.“). birünains „Nachstellung, Anschlag“ (Sk 3,4 A.Sg.): *birünan „leise spre chen“, vgl. die Simplicia ae. rünian -öde „flüstern, leise sprechen, murmeln“, anfr. rünön „ds.“, mnl. mnd. rünen „flüstern, geheime Zusammenkunft hal ten“, ahd. rünen „susurrare, mussitare“, daneben hat das An. ein jan-Vetb rýna „vertrautes Gespräch führen, Runenzauber ausüben“. lubains ελπίς Hoffnung (R 15,13 G.Sg.), hierher stellt Krähe (IF 66 (1961), 37) den Frauennamen Lubains* (belegt D.Sg. Lübaini CIL XIII, 3622): *luban „hoffen“, das formal zu alat. lubet „es beliebt, ist gefällig“, jünger libét und ai. lübhyati „empfindet Verlangen, begehrt“ stimmt und deshalb primär ist. Dagegen kann die Bedeutung „hoffen“ nicht ursprünglich sein, wie die übrigen Verwandten Hufs, galaubjany uslaubjan, galaufs und bropra-lubo zeigen. Man müßte eine Entwicklung „lieben, für lieb halten-glauben-hoffen“ an nehmen, die freilich keine Parallelen hat. G. W. S. Friedrichsen (Gothic Ver sion S. 251) sieht in R 15,13 yygup lubainais“ eine Reminiszenz an 2 K 13,11 „gup gawairpeisjah friapwos“, die aber kaum deutlich genug ist, um die Über setzung „Liebe“ für das Got. zu rechtfertigen, zumal άγάπη stets mit dem zu einer anderen Sippe gehörigen friapwa übersetzt wird. Allerdings wird auch ελπίς, έλπίζειν sonst immer mit wensy mnjan wiedergegeben. Ae. lufian ist, obwohl in seiner Bedeutung mit der alten von *luban übereinstim mend, eher denominal zu lufuylufeyes zeigt keine Formen nach Klasse III (die aber mit denen von libbany lybban „leben“ hätten zusammenfallen müssen). Schwierig ist ae. lufen f. ? einzuordnen. Der Sinn des Wortes ist an den Be legstellen umstritten. Kock (Anglia XLVI (1922), 88f) übersetzt Daniel 73 „Nabochodonosor him on nýd dyde Israhela beam ofer ealle lufen rväpna lafe to morcpeowum“ mit „ohne jedes Besitzrecht“ und B 288 „sceal eall édelnynn éowrum cyme lufen alicgean“ mit „Lehen“. Seine Herleitung von ae. lyfan (*laubjan) mit Schwundstufe und n-Formans (wie die hochstufigen liugny analaugns und as. lugind) ist jedoch falsch, da die Bedeutung „erlauben“ nur dem Kompositum uslaubjan (ahd. irlouben, ae. aljfari) zukam, zudem eine schwundstufige Bildung dieser A rt sonst nicht existiert. Auch die Angaben „Freude, Erquickung“ (vgl. Krapp-Dobbie 1,220 Dan. u. 4,262f B) machen einen direkten Zusammenhang mit lubains unwahrscheinlich. 29
midja-sweipains κατακλυσμός Sintflut, word. „Fegen der Mitte“ (L 17,27 N.Sg.): *sweipan „fegen“. Dieses Verb hat keine genauen Entsprechungen in den Schwestersprachen. Gleiche Ablautstufe zeigt nur mhd. swifan st. V. „sich bewegen, sich schwingen“, sonst erscheint ein redupl. V. in an. sveipa (auch mit Prät. sveipada) „werfen, schleudern, umhüllen“, ae. swäpan „schwingen, fegen“, as. fa rswépan (nur farswep H 1108) „vertreiben, ver scheuchen“, und ahd. umpisuaifan „amictum“ (Gl. 1,20,19 Ra.). Dieses hat ein jan-Verb mit anscheinend intensiver Bedeutung neben sich: an. sveipa „werfen, schleudern, umhüllen“, ae. *swäpan (wegen ne. to sweep) „fegen“ und afr. *swepa (zu erschließen aus swépene f. „Fegen“ = *swaipeins). wanains ήττημα Mangel (R 11,12 N. Sg.) neben waninassus „ds.“ : *wanan „mangeln“, vgl. an. vana „verringern, zerstören“, ae. waniany -öde „ 1 . verrin gern, verkleinern, 2. abnehmen, sich verringern“, afr. wania, wonia „sich verringern“, ahd. wanön „ds.“ (O 1,22,58) und giwamt „corrupta“ (Gl. 1, 273,70), as. wanon „abnehmen (vom Mond)“. Ob zu wanains der von Krähe (IF 66 (1961), 37) hergestellte, weitergebildete Frauenname Vanaenia (CIL XIII, 3624) gehört, halte ich aus Bedeutungsgründen für fraglich.
Die neutralen ja-Stämme Sie gehören im Got. verschiedenen Wortbildungstypen an. Primär sind etwa arbi, kuniy wadiy hauri. In sekundärer Verwendung findet sich -ja bei Ablei tungen von Adjektiven und Nomina agentis (þiubi - þiufs) sowie als Kom positionsmittel (andalauni - laun n., nicht *andalaun wie Feist 46b). haim-opli άγρός (heimatl.) Acker (Mc 10,29,30 A.P1.). Dagegen zeigen ae. fader-edel m. oder n. „väterliches Heim, Vaterland“, ahd. heim-ödil „lar“ (Gl. 2,520,15) neben heimöti n. „patria“, fater-uodil m. „patria“ (Tatian), fater-uodal „patrimonium“ (Gl. 2,17,35; 4,154,23) keiney-Er Weiterung. Das Grundwort liegt vor in an. ödal n. „Stammgut, Eigentum, Heimat, poet. Gemüt, Natur, Wesen“, ae. edel m. selten n. „Vaterland, Heimat, Land, Wohnung“, afr. ethel m. selten n. „Heimat“, as. ödil m. „Heimat“, ahd. uodil „patria (Isidor 30,20), praedium (T 87,1)“. Wie O. Behaghel11) gezeigt hat, scheiden sich das An. und das Westgerman, sowohl in Bedeutung wie in der Grammatik. Nur das An. kennt die Bedeutung „Stammgut“, nicht aber „Vaterland, Land, Reichtum“. An. ödal ist Neutrum, im Westgerman, überwiegt das Maskulinum. Schließlich wird das Wort im An. durchaus im Plural gebraucht, der im Westgerman, fast ganz fehlt. Mit Rücksicht auf seine Pluralformen und den Runennamen ütal der Salzburg-Wiener-Alkuinhs. wird man das got. Simplex nach dem An. als *opal n. „Heimat“ ansetzen, während das westgerman. *opila- m. hat. Das a scheint im Komposiu ) Odal Sitzungsber. der Bayer. Akad. d. Wissensch. Phil.-hist. A bt. 1935/8.
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tum synkopiert worden zu sein, vgl. an. ödal - ödlask „als Eigentum bekom men“. faura-filli άκροβυστία Vorhaut und prüts-fill η. λέπρα Aussatz: *ßll n., vgl. an.fja ll n. und ae. afr. as. ahd./*//. Für das Bestimmungswort prüts- setzen Streitberg und Grienberger einen es-St *prutis an, was jedoch im Hinblick auf seine Verwandten nicht überzeugt. Ae. prüst-fell „bitiligo“ (aus *prütsfe ll, wo «zu öhätte werden müssen) und an. prüfenn, ae. äprüten „geschwollen“ haben «. Außerdem sind es-St. in aller Regel hochstufig. Auffälliger weise kommt das Wort nirgends selbständig vor (IEW 1097 trudes- „Aus satz“). Inwieweit also ein *prüts n. gerechtfertigt ist, muß dahingestellt bleiben. Eine besondere Gruppe bilden die Kollektivkomposita mit ga-y die im gan zen Germanischen verbreitet waren und auch nhd. nicht selten sind, z. B. Gebirge, Gefieder, Gemenge usw. Im Got. gehören etwa gaskohi „Sandalen“ skohs m., gawaurdi „Gespräch“ - ivaurd hierher, während bei galigri „Bei lager“ und gaskalki „Mitknecht“ stärker die Bedeutung „zusammen, mit“ hervortritt. gaminpi μνεία Gedächtnis, Erinnerung, vgl. an. mime n. „Andenken, Er innerung, Gedächtnis“ aus *gaminpja-. Es könnte ein *minps f./i „Gedanke, Vorstellung“ enthalten (so Wilm. 2,241 u. Kaufmann IF 31 (1912), 321), mit dem sich lat. mens, mentis „Denktätigkeit, Verstand, Denkart, Gesin nung, Gedanke, Ansicht, Absicht“ verbinden ließe. Ein hochstufiges //Abstraktum *men-ti wird auch durch got. anaminds υπόνοια Vermutung, versteckte Meinung (IT 6,4 N.P1.) gefordert. Da der Wortakzent hier zwi schen Suffix und Wurzelsilbe schwankte und innerhalb des German. z.T. verschieden ausgeglichen wurde, verhält sich *minps (méntis) zu anaminds (mentis) wie got. gabaurps (bfti) zu ahd. giburt (bpi) . Die Form der Schwundstufe (die den //-Abstrakta ja ganz überwiegend zukam) *mnti liegt vor in dem Synonym got. gamunds μνεία, ae. gemynd, ahd. gimunt „ds.“, ai. matih „Denken, Gedanke, Absicht, Andacht, Preislied“, lit. mintis „Ge danke“, aksl. pa-m$tb „Gedächtnis“. Auch lat. mens kann schwundstufig ge wesen sein. gapagki* „Bedacht“ (usgapagkja φειδομένως spärlich): pank (A.Sg. L 17,9) χάρις Dank, *Gedanke kann f./i wie an. pQkk „Lohn, Dank, Freude“ oder m. wie ae. pane „Gedanke, freundlicher Gedanke, Vergnügen, Dank“, ahd. dank „Denken, Gedanke, Dank“ sein. Die Bedeutung „Gedanke, Denken“ muß auch pagks* gehabt haben, denn nur so ist gapagki als Kollektivbildung dazu zu verstehen. Ae. gepanc m. n. „Gedanke, Denkfähigkeit, Absicht“, as. githanko m., ahd. gidank m. „cogitatio“ sind dagegen Verbalabstrakta (Wilm. 2,208) zu ae. gepencan „denken, nachdenken, vorstellen, sich erin
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nern“, as. gitbenkean „denken, sich vorsehen“, ahd. gidenken „concipere, reci pere, metiri“. gawairþi ειρήνη Friede wird von Feist 209 a im Anschluß an Brugmann (Verh. Sachs. Ges. der Wiss. 68,3,13) mit einem *gawairpan „Zusammen kommen“ in Verbindung gebracht und mit ahd. giwurt f. „Wohlgefallen“ gimrdan „gefallen“ verglichen. Wie aber die got. Angehörigen dieses Typs zeigen, kann hier nur Substantiv oder Adjektiv zugrunde liegen. Ein *gawairþs f. entbehrt aber jeder Grundlage im German, und ist schon durch seine Hochstufe sehr zweifelhaft. Besser verbindet man gawairþi als K ol lektiven mit wairp* n. τιμή „Preis, Wert“ und faßt es als „Geld, Summe von Wertgegenständen“, dann „Friedensgeld, Friede“ auf, vgl. ae. gewyrde „Betrag, Umfang“ falls aus *geweordja- (Kauffmann IF 31 (1912), 321 f). Diese Annahme könnte man stützen durch Tacitus, Germania cap. 21 »luitur enim etiam homicidium certo armentorum ac pecorum numeroy recipitque satisfactionem universa domus“ und die Bezeichnung/rafoxfur das Friedensgeld in den westgerman. Volksrechten (Graff 3,788 f), s. auch unter gafriþon S. 81. gawaurki πραγματεία, πορισμός, κέρδος; Geschäft Erwerb, Gewinn, vgl. an. yrke n. „Arbeit“, ae. gewyrce n. „plastica, Gewinn, Erwerb“, ahd. gewurche n. (N) „operatio, textum“ : *waurk n. „Werk“. Ein Simplex *wurkakommt in den german. Sprachen nicht vor, kann aber ein neutrales Verbal abstraktum sein, wie sie bei den st. V. (hier allerdings fast immer kompo niert) häufig sind. Zu erwägen wäre auch retrograde Bildung aus gawaurkjan „be-, erwirken, Zinsen bringen (L 19,16), erhandeln (L 19,15)“, ae. gewyrcan „arbeiten, bilden, ausführen, bauen, erwerben, gewinnen“, ahd. giwurkian „facere, edere, operari“. Die Bedeutungen des Substantivs sind also in den einzelnen Sprachen eng an das Verb angelehnt, doch ließen sie sich auch von *wurk aus vermitteln als „Summe von Werken, Arbeit, Er werb“. Dagegen sind wohl ae. „plastica“ und ahd. „textum“ erst post verbal. Für ein Substantiv *waurk scheint vor allem die Bildungsweise der übrigen ga-Komposita zu sprechen. Als Parallele kann man as. gimrki n. „Werk, Arbeit“ und ahd. kiuuirkhi „scenophagia“ (Gl. 1,253,12) zu dem gemeingerman. *werk n. (an. ae. afr. as. ahd.) anführen, das durch griech. έργον n. „Werk“ als primäres Nomen zur Wz. von waurkjan (IEW 1168 gerg- „wirken, tun“) erwiesen wird, dem Got. aber, wohl nicht zufällig, fehlt, denn es hat dafür stets waurstw n. oder taut n. Häufig sind auch die neutralen Adjektivabstrakta auf -ja, wie aiwiski αισχύνη Schande - aiwisks* schändlich (nur un-)y die mit denen auf -eint und -ipö konkurrieren. aglaiti άσέλγεια Unzucht: *aglait(ei)s „schändlich, unzüchtig“. Parallel dazu ist aglaitei „ds.“ gebildet, vgl. auch aglaiti-waurdei und aglait-gastaldsy
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wo der Fugenvokal i fehlt, denn ahd. agaleiji „emsig, eifrig, beharrlich“ (vgl. noch as. adv. agaleto „emsig, eifrig“ und mnd. agelitte „velociter“) deu tet, wenn auch in der Bedeutung abweichend, doch wohl auf /- oder ja - St. Das Wort scheint mit der Sippe von ag/s, aglus zusammenzuhängen, ist aber in seinem Suffix unerklärt (verfehlt neuerdings Mezger Word 2 (1946), 66ff: *ag (zu agis)-laik (laikan)-ia mit Dissimilation). un-biarja θηρία wilde Tiere (Tit 1,12 N.P1.) Dieses Wort hat in der über lieferten Form bisher keine Deutung gefunden. Deshalb ist Uhlenbecks Konjektur zu *un-hiurja (PBB 30 (1905), 318) noch die befriedigendste Lö sung. In diesem Fall würde es sich um den N.P1. n. eines Adjektivs *unhtur(ei)s handeln. Das Neutrum könnte daher rühren, daß im German. Begriffe, die Maskulina und Feminina umfaßten, neutralen Geschlechts waren, so diusyguþ. Das Adjektiv ist belegt in an. ühjrr „finster, mürrisch“, ae. unhtore, unhere „wild, wütend, grausam, tödlich, gräßlich, schrecklich“, vgl. besonders Beow. 2413 yymardunhiore“ (Drache), as. unhiuri „grauenhaft, unheilvoll (Teufel)“ und ahd. unhturi „dirum“ (Gl. 2,315,35) und nhd. Ungeheuer aus ahd. ungahiuri „atrox, portentus, monstruosus“. Als Bezeich nung eines Lebewesens gehört das substantivierte Adjektiv *un-hiur(ei)s nicht in diese Gruppe, deren Sekundärbildungen ausschließlich Abstrakta umfassen. trausti διαθήκη Bündnis, Bund (E 2,12 G.Sg.), synonym zu triggwa: *trausts „fest, stark“. Die Bedeutung des Gotischen fehlt den anderen Dialekten. An. traust n. „Sicherheit, Zuversicht, Mut; Hilfe, Schutz“ dürfte wohl auf dem Adj. traustr „zuverlässig, stark, fest, sicher“ beruhen, im Ae. fehlt das Wort, doch müssen me. trist und trist „Vertrauen“ auf ae. *treast zurückgehen. Einen Sinn „Hilfe, Schutz“ kann man auch im As. aus dem Kollektivum gitröst „Schar, Gefolge“ und helmgitrösteo „Krieger“ erschlie ßen, während der einzige Beleg trist „consolatio“ (Wadst. 64,16) ebenso wie afr. träst und anfr. tröst in der Bedeutung von ahd. tröst „consolatio, solatium, spes, auxilium“ beeinflußt sein dürfte. Als Grundbedeutung von *trausta- erscheint „fest“ (zur Bedeutungsentw. vgl. DWb 11,1,2,903). Sie ist auch im an. Adj. vorhanden, das wegen npers. durust „hart, stark“ und durust „gesund, ganz“ alt zu sein scheint. „Bund, Bündnis“ läßt sich als „Versprechen der *Festigkeit“ auffassen, was der ursprüngliche Sinn von trausti gewesen sein muß.
Die
Stämme
Neben den Primärbildungen (tuggoy stairnoy qino) und den Verbalabstrakten (s. S. 24) erscheinen hier Adjektivabstrakta (fullo - fu lls), durch die Komposition in die n-Deklination übergetretene Worte und auch movierte Feminina (daura-wardo J 18,17 - dauratvardsf
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am μάμμη Großmutter (2 T 1,5 D.Sg.): *awa m. „Großvater“, vgl. an. äe m. (*arvan) und afe m. „Großvater“, sowie ae. earn, afr. em, ahd. öheim „Mutterbruder“ aus *awa-haima.ζ „der vertraute, liebe Großvater (in An lehnung an das Kelt., so R.Much ZfdA 69 (1932), 46 ff). Einen η-St. zeigt auch lat. avunculus „Mutterbruder“ zu einem *avo, -onis, während lat. avus „Großvater, Ahn“