Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher mit Hilfe der Blockchain-Technologie [1 ed.] 9783428584147, 9783428184149

Aufgrund der Digitalisierung und Globalisierung kommt es zu einer immer höheren grenzüberschreitenden Leistungserbringun

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German Pages 220 [221] Year 2022

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Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher mit Hilfe der Blockchain-Technologie [1 ed.]
 9783428584147, 9783428184149

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Schriften zum Steuerrecht Band 171

Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher mit Hilfe der Blockchain-Technologie

Von

Robert Müller

Duncker & Humblot · Berlin

ROBERT MÜLLER

Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher mit Hilfe der Blockchain-Technologie

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 171

Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher mit Hilfe der Blockchain-Technologie

Von

Robert Müller

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18414-9 (Print) ISBN 978-3-428-58414-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Ich möchte mich herzlichst für die Betreuung meiner Arbeit bei Frau Univ.-Prof. Dr. Bettina Spilker bedanken. Ihre Betreuung und die Ermunterung zur Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs trugen wesentlich zum Erfolg der Arbeit bei. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Frau Univ.-Prof. Dr. Sabine Kirchmayr-­ Schliesselberger sowie Herrn em. Univ.-Prof. Dr. Michael Tanzer für die Begutachtung meiner Dissertation. Ermöglicht wurde mein Dissertationsprojekt erst durch die Unterstützung meiner Eltern Heike und Egbert Müller, denen ich zu großem Dank verpflichtet bin. Meinen besonderen Dank möchte ich auch meiner Frau Claudia Müller aussprechen. Ihre kontinuierliche Ermunterung und Mithilfe sowie das Korrekturlesen waren ausschlaggebend für das Gelingen meiner Arbeit. Allen möchte ich für ihre bedingungslose Unterstützung danken. Ohne diese Menschen wäre der erfolgreiche Abschluss meiner Dissertation nicht möglich gewesen. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine aktualisierte und modifizierte Fassung der im Jahr 2020 eingereichten und im Jahr 2021 an der Universität Wien approbierten Dissertation. Darmstadt, August 2021

Robert Müller

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung 15 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Aufbau und Schwerpunkte der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. Verortung und Eigenheiten des Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Unterteilung in Offline- und Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Eigenheiten im Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 E. Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 F. Schätzung des Mehrwertsteuerausfallvolumens im Online-E-Commerce . . . . . . . . . 25 G. Ergebnis erstes Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Zweites Kapitel

Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial 29

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Dogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Lieferungen und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Entwicklungen in der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Umsetzung des Bestimmungslandprinzips in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Rechtslage vor 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Rechtslage nach 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Entwicklung der Einortregistrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Identifizierung des Leistungsempfängers durch den Unternehmer . . . . . . . . . . . 42 II. Leistungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines und Grundsatz der Unteilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Telekommunikationsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Rundfunk- und Fernsehleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Sonstige auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen . . . . . . . . . . . 46 a) Allgemeine Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Automatisierte Leistungserbringung über ein elektronisches Netzwerk . . 47 c) Merkmal der minimalen menschlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Höchstgerichtliche Ausformung des Merkmals der minimalen mensch­ lichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Sachverhalt und Entscheidung der Vorinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Entscheidung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 e) Merkmal der Informationstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Zurechnung der Steuerpflicht bei Vermittlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Besonderheiten der digitalen Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Allgemeines zur Zurechnung der Mehrwertsteuerpflicht in der digitalen Leistungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Vermittlerregelung des Art. 9a MwSt-DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Widerlegung der Vermutung und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Ausnahmen von Art. 9a MwSt-DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6. Art. 9a MwSt-DVO und die Modernisierung des Zahlungsverkehrs . . . . . . . . 57 IV. Bestimmung des Leistungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Entwicklung der Leistungsortbestimmung im Online-E-Commerce . . . . . . . 58 2. Vermutung der physischen Anwesenheit nach Art. 24a MwSt-DVO . . . . . . . 60 3. Spezifische Vermutungen des Art. 24b MwSt-DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Allgemeine Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Regelungen für KMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Beweismittel für die Bestimmung des Leistungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Beweismittel des Art. 24f MwSt-DVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Sonstige wirtschaftlich relevante Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Überprüfung der eingeholten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5. Widerlegung der Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Widerlegung durch den Leistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Widerlegung durch den Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 6. Mehrfachansässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V. Rechtsnatur der Mitteilungen und Erläuterungen der EU-Kommission . . . . . . . . 70 1. Relevante Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Inhaltsverzeichnis

9

2. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 E. Mini-One-Stop-Shop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Ziele und Verwendung des MOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Nicht-EU-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Gegenüberstellung VoES und MOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. EU-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Standortschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Vergleich und Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Nicht-EU- und EU-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Irland als wichtiger Registrierungsstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Auditing im Rahmen des MOSS-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Notwendigkeit zur Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Mehrwertsteuerpflichtige im MOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Informationsübermittlung durch den Mehrwertsteuerpflichtigen . . . . . . . 89 b) Standard Audit File: SAF-MOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Erfahrungen der Steuerpflichtigen im Auditing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Mitgliedsstaaten im MOSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Mitgliedsstaaten im Auditing: Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Würdigung des Auditing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 V. Ausblick auf die Entwicklung der Einortregistrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 VI. Bewertung des MOSS und Identifizierung von Risikogruppen . . . . . . . . . . . . . . 98 F. Ergebnis zweites Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

10

Inhaltsverzeichnis Drittes Kapitel



Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 101

A. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Benötigte Informationen und Informationsquellen für Ermittlungstätigkeiten . . . . . . 103 I. Benötigte Informationen für Ermittlungstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Sammelauskünfte bei Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Relevante Tatbestandsvoraussetzungen von Sammelauskünften . . . . . . . . . . . 109 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Rechtsvergleich Deutschland: Elektronische Übermittlung . . . . . . . . . . . . 111 d) Verhältnismäßigkeit und Auskunftsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Besonderheiten bei Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Besonderheiten bei Datendienstleistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Verweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Ergebnis der nationalen Ermittlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Ermittlungen in Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Rechtsquellen des Informationsaustauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . 123 a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Bewertung des Legislativpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Ermittlungen in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Ermittlungsmöglichkeiten durch Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . 129 3. Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters . . . . . . . . . . 131 E. Ergebnis drittes Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Inhaltsverzeichnis

11

Viertes Kapitel

Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 134

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Dogmatische Diskussion zur Beibehaltung des Bestimmungslandprinzips . . . . . . . . 135 C. Alternative Modelle der Mehrwertsteuererhebung im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . 137 D. Split-Payment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Diskussion auf EU-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Entwicklung ab 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Deloitte Split-Payment-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Diskussion in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 II. Split-Payment-Verfahren in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Split-Payment in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Split-Payment in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Diskussion im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Bewertung der Umsetzungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Technische Umsetzung und Probleme eines Split-Payment-Verfahrens . . . . . . . 147 1. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Technische Anforderungen und Problemstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Erkenntnisse für den DEMDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Erläuterungen zur Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Grundlagen der Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Validierung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Blockchain-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 e) Problemfelder und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Einsatz von Smart Contract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Grundlagen von Smart Contract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Smart-Contract-Systemanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

12

Inhaltsverzeichnis 3. Einsatzmöglichkeiten der Blockchain zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Erfassung von Transaktionsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Modelle einer Krypto-Mehrwertsteuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Übersicht wissenschaftlicher Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. DEMDI-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Grundstruktur des DEMDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Zentrale oder dezentrale Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Zentrale Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Plädoyer der Literatur für dezentrale Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Dezentrale Europäische Verwaltungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 166 e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Netzwerkarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Skizzierung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Notwendigkeit der Blockchain-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Zahlungsverkehrssysteme und der DEMDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Relevanz von Pull-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Identifizierung von Zahlungen im Online-E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Änderungsvorschläge in der europäischen Zahlungsverkehrsinfrastruktur . . . 177 a) Notwendige Änderungen der Zahlungsverkehrsinfrastruktur . . . . . . . . . . 177 b) Europäische Zahlungsverkehrsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Änderungen der PSD 2 und SEPA VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6. Datenschutzrechtliche Probleme beim Einsatz einer Blockchain . . . . . . . . . . 180 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Relevanz für den DEMDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Problemlösung der datenschutzrechtlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . 182 7. Gesamtübersicht DEMDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 8. Änderungen im unionsrechtlichen System der Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . 185

G. Ergebnis viertes Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Fünftes Kapitel

Ergebnisse und Thesen der Arbeit 188

Inhaltsverzeichnis

13

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Legislativakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Judikaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Abkürzungs- und Zitierregeln Basierend auf: Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europa­ rechtlicher Rechtsquellen (AZR) samt Abkürzungsverzeichnis, Dax, Hopf, Maier 7. Auflage Wien 2012 (mit verlagsseitigen Modifikationen).

Abkürzungsverzeichnis BEPS Base Erosion and Profit Shifting BFH Bundesfinanzhof Business Identifier Code BIC BMF Bundesfinanzministerium B2B Business to Business B2C Business to Consumer Central Electronic System of Payment Information CESOP Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters CMAAT dAO deutsche Abgabenordnung Dezentraler Erhebungsmechanismus für die Mehrwertsteuer bei digitalen DEMDI Dienstleistungen EUR Euro International Bank Account Number IBAN KMU Kleine und mittlere Unternehmen MCC Merchant Category Code MIAS Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem MOSS Mini-One-Stop-Shop MSI Mitgliedstaat der Identifizierung MSV Mitgliedstaat des Verbrauchs MwSt Mehrwertsteuer Organisation for Economic Co-operation and Development OECD PoS Proof-of-Stake PoW Proof-of-Work Real time VAT collection RTvat Single Euro Payment Area SEPA Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication SWIFT TIEAs Tax Information Exchange Agreements UID Umsatzsteuer-Identifikationsnummer VAT Value Added Tax

Erstes Kapitel

Einleitung A. Einführung Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft stellt die Regierungen und Finanzverwaltungen seit zwei Jahrzehnten vor große Herausforderungen. Da sich die Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft ständig weiterentwickeln und nicht mit analogen Geschäftsmodellen identisch sind, müssen sich daran auch die zu früheren Zeiten entwickelten Steuer- und Vollzugsgesetze orientieren. Das Zusammenwachsen von europäischen und globalen Wirtschaftsräumen in Form der Globalisierung wird wesentlich durch die Digitalisierung vorangetrieben.1 Leistungen werden vermehrt grenzüberschreitend über das Internet abgewickelt, ohne dass körperliche Waren ausgetauscht werden.2 Trotz des Zusammenwachsens von internationalisierten Wirtschaftssystemen ist das Abschöpfen von wirtschaftlichen Erfolgen der digitalen Wirtschaft durch die nationalen Steuergesetzgebungen und -verwaltungen ein Problem.3 Oberstes Ziel für einen Staat und die Finanzverwaltungen muss es sein, eine faire und einheitliche Besteuerung von Wirtschafts­ beteiligten zu gewährleisten.4 Dies gilt sowohl im Bereich der direkten Steuern als auch im Bereich der indirekten Steuern, speziell der Mehrwertsteuer.5 Nach Bardopoulos ist die Mehrwertsteuer ein geeignetes und flexibles Instrument des Staates, um Umsätze der digitalen Wirtschaft zu erfassen, da sich die Anwendung der Mehrwertsteuer in der virtuellen Welt nicht signifikant von traditionellen Anwendungen unterscheidet. Eine Besteuerung von Geschäftsmodellen der digitalen Wirtschaft kann durch die Mehrwertsteuer besser gewährleistet werden.6 1

OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation  – Interim Report 2018, Inclusive Framework on BEPS (2018) 51, Rz. 131. 2 Lejeune / Claessens, The VAT One Stop Shop System: An Efficient Way to Collect VAT on Digital Supplies into the EU Consumer Market?, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel (Hrsg.), Value Added Tax and the Digital Economy – The 2015 EU Rules and Broader Issues (2016) 102. 3 Beispielsweise: OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (2015) 19, 21, 47; OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 3, Vorwort. 4 Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band II2 (2003) 593 f. 5 Englisch, Seminar G: VAT and Direct Taxation of the Digital Economy, IStR 2016, 717 (717 f.). 6 In diesem Sinne: Bardopoulos, eCommerce and the Effects of Technology on Taxation – Could VAT be the eTax Solution? (2015) 356, 357.

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Kap. 1: Einleitung

Die Mehrwertsteuer ist geeignet wirtschaftliche Wertschöpfung bzw. die Leistungsfähigkeit der Bürger gerecht abzuschöpfen.7 Um eine faire und gerechte Besteuerung für alle Beteiligten in einem Staat sicherzustellen, müssen auch der Vollzug der Steuerpflichten und die korrekte Ermittlung durch einen Staat gewährleistet sein. Das materielle Steuerrecht ist nur vollzugsfähig, wenn die Finanz­ verwaltungen von den verwirklichten Steuertatbeständen erfahren.8 Die zu analogen Zeiten entwickelte Mehrwertsteuer ist territorialitätsbezogen. Daraus ergibt sich, dass für die korrekte Ermittlung der Mehrwertsteuer die Bestimmung des Leistungsortes entscheidend ist. Wird eine Leistung grenzüberschreitend erbracht, ist die Bestimmung des Leistungsortes besonders wichtig.9 Dadurch, dass in der digitalen Wirtschaft alle beteiligten Komponenten bei der Leistungserbringung eine erhöhte Mobilität besitzen,10 ist eine territoriale Zuordnung nicht immer leicht möglich. Als Ergebnis kann somit das Land, in dem die indirekte Besteuerung von Leistungen und das Land, innerhalb dessen der Verbrauch erfolgt, auseinanderfallen.11 Bei der grenzüberschreitenden Erbringung digitaler Dienstleistungen an Verbraucher sind häufig unterschiedliche Länder in die Besteuerung involviert. Alle Leistungsparteien und -komponenten weisen aufgrund der vollständigen elektronischen Abwicklung12 eine hohe Mobilität auf, wodurch sie teilweise anonym und nur schwer greifbar sind. Um einen Abfluss von Steuersubstrat aus den Ländern der wirtschaftlichen Wertschöpfung am Verbrauchsort und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, wurde am 1. 1. 2015 in der Europäischen Union das Bestimmungslandprinzip für die Mehrwertsteuer bei der Erbringung von digitalen Dienstleistungen an Verbraucher13 vollständig umgesetzt.14 Unternehmern aus Drittländern15 sowie EUUnternehmern16 steht als ein Bestandteil der seit 2015 eingeführten Regelungen 7

Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band II2 (2003) 980 f.; Kirchhof, P., Besteuerung im Verfassungsstaat (2000) 25. 8 Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, in: Widmann (Hrsg.), Steuervollzug im Rechtsstaat – 32. Jahrestagung DStJG (2008) 170, 171. 9 Heinrich, Territoriale Anknüpfung als grundlegendes Merkmal der Mehrwertsteuer, in: Achatz / Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer (2010) 21, 22. 10 Kofler / Mayr / Schlager, Taxation of the Digital Economy: „Quick Fixes“ or Long-Term Solution?, ET 2017, 523 (523). 11 Angelehnt an: Hellerstein, Jurisdiction to Tax in the Digital Economy: Permanent and Other Establishments, BIT 2014, 346 (346). 12 In diesem Sinne: Bardopoulos, eCommerce and the Effects of Technology on Taxation – Could VAT be the eTax Solution? (2015) 64, 65. 13 Verbraucher steht sinngemäß für Nichtsteuerpflichtige i. S. von Art. 58 Abs. 1 MwStSystRL. 14 Weidmann, The New EU VAT Rules on the Place of Supply of B2C E-Services – Practical Consequences – The German Example, EC Tax Review 2015, 105 (105, 106). 15 Ein Drittlands-Unternehmer, ist in einem Drittlandsgebiet i. S. von § 1 Abs. 3 S. 3 UStG ansässig. 16 Ein EU-Unternehmer, ist in einem Gemeinschaftsgebiet nach § 1 Abs. 3 S. 1, 2, 4 UStG ansässig.

B. Problemdarstellung

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zum Bestimmungslandprinzip ein vereinfachtes Besteuerungsverfahren zur Verfügung, der sogenannte Mini-One-Stop-Shop (MOSS).17 Das MOSS-Verfahren und der Erhebungsmechanismus sind nicht unumstritten.18

B. Problemdarstellung Schwierigkeiten ergeben sich bei der Überprüfung und Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer durch die Finanzverwaltungen. Bei einem online abgewickelten Verkauf von körperlichen Gegenständen fällt die Bestimmung von mindestens zwei Orten durch die Finanzverwaltungen noch leicht. Dies liegt auch daran, dass die körperlichen Waren bei inländischen oder grenzüberschreitenden Geschäftsprozessen wenigstens dem theoretischen Ermittlungszugriff durch Zoll oder Finanzverwaltung unterliegen können.19 Bei digitalen Dienstleistungen i. S. von Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie)20 bzw. § 3a Abs. 13 UStG (Umsatzsteuergesetz)21, die ausschließlich über das Internet erbracht werden, sind solche Ermittlungszugriffe schwer durchzuführen.22 Sowohl die Verkaufsabwicklung als auch die Leistungserbringung erfolgen über das Internet und sind damit nicht an zuvor definierte Orte und nationalstaatliche Grenzen gebunden.23 Neben geeigneten Regelungen zur Abschöpfung der Mehrwertsteuer in der digitalen Wirtschaft muss auch eine effektive Rechtsdurchsetzung stehen. Zur Prävention oder Aufdeckung einer Mehrwertsteuerhinterziehung in der digitalen Wirtschaft müssen den Finanzverwaltungen und Strafbehörden effektive Ermittlungs- sowie Vollzugsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wie in jeder anderen Wirtschaft verbirgt sich auch hinter der digitalen Wirtschaft eine Schattenwirtschaft, wodurch Steuern bzw. Mehrwertsteuern hinterzogen werden können.24 17

Vgl Art. 358 ff. MwSt-SystRL bzw. § 25a UStG für Drittlandsunternehmer, Art. 25a UStG für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer. 18 Exemplarisch: Lamensch, Tax Assessment in a Digital Context: A Critical Analysis of the 2015 EU Rules, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel (Hrsg.), Value Added Tax and the Digital Economy – The 2015 EU Rules and Broader Issues (2016) 59 f.; Aus Unternehmersicht: EU Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report – Lot 3 Assessment of the implementation of the 2015 place of supply rules and the Mini-One Stop Shop (2016) 57. 19 Brettschneider, Steueroase E-Commerce und ihre Austrocknung – Herausforderung für die EU, die EU-Mitgliedstaaten und Overseas-Händler (Mit Praxishinweis für Overseas-Händler) (2018) 237 ff. 20 RL 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl L 2006/347, 1. 21 Umsatzsteuergesetz 1994 BGBl. 1994/663 i. d. F. BGBl. 1994/819. 22 Europäischer Rechnungshof, Background paper: Collection of VAT and customs duties on cross-border e-commerce (2018) 3, 4. 23 Cockfield et al., Taxing Global Digital Commerce (2013) 95 ff. 24 Vertreter dieser Aussage: OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation – Interim Report 2018, Inclusive Framework on BEPS (2018) 102 ff.; Kemper, Das Internet als „Steuer-

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Kap. 1: Einleitung

Aktuelle Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Mehrwertsteuerpflichten durch Finanzverwaltungen ergeben sich bei digitalen Dienstleistungen.25 Die Rechtsdurchsetzung gestaltet sich im E-Commerce noch schwieriger, wenn als Empfänger einer Leistung ein nicht aufzeichnungspflichtiger Verbraucher involviert ist.26 Ausdruck findet dies darin, dass trotz eines wachsenden Marktes und steigender grenzüberschreitender Erbringung von Leistungen im Onlinehandel keine Daten27 zur Mehrwertsteuerhinterziehung einer ganzen Branche vorliegen.28

C. Aufbau und Schwerpunkte der Arbeit Der erste Teil der Arbeit gibt eine allgemeine Einführung in die digitale Wirtschaft und betrachtet den Online-E-Commerce als Branche, die digitale Dienstleistungen erbringt, näher. Das Problem erscheint weniger greifbar, weil aktuell zur Höhe der Mehrwertsteuerausfälle im Online-E-Commerce keine Zahlen existieren. Aus diesem Grund wird eine eigene Schätzung vorgenommen. Der zweite Teil der Arbeit beschreibt zunächst das aktuelle materielle Mehrwertsteuerrecht bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen. Das Ziel ist es Risikopotenziale durch Mehrwertsteuerhinterziehung in Bezug zum speziellen Besteuerungsverfahren MOSS aufzuzeigen. Anschließend wird das System des grenzüberschreitenden Auditing kritisch analysiert. Ein besonderes Augenmerk wird auf die unabhängige Überprüfung von deklarierten Umsätzen und der Identifizierung von unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen sowie nicht deklarierten Umsätzen gelegt. Wenn der Steuerpflichtige diese Umsätze nicht oder wahrheitswidrig deklariert, müssen den Finanzverwaltungen Instrumente für Eroase“ bei digitalen Dienstleistungen? – Die Durchsetzung der Umsatzbesteuerung bei grenzüberschreitenden digitalen Dienstleistungen –, UR 2017, 169 (169 ff.); Deutscher BRH, Bemerkungen 2015 82. Steueroase Internet – Deutsches Umsatzsteueraufkommen sichern (2015); Traversa / Ceci, VAT Fraud and the Digital Economy within the European Union: Risks and Opportunities, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel (Hrsg.), Value Added Tax and the Digital Economy – The 2015 EU Rules and Broader Issues (2016) 75 ff. 25 Verdeutlicht: Deutscher BRH, Bemerkungen 2015 82. Steueroase Internet – Deutsches Umsatzsteueraufkommen sichern (2015) 52; Deutscher BRH, Bemerkung 2006 Nr. 53, Steuerliche Kontrolle des Internets ohne durchschlagenden Erfolg (2006). 26 Aktuellere Nachweise: Kemper, UR 2017, 169 (170); Ehrke-Rabel, Der digitalisierte Steuerpflichtige, ALJ 2017, 150 (152). 27 In diesem Sinne: EU-Kommission, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen  – Zusammenfassung der Folgenabschätzung – Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister und Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, SWD (2018) 487 final, 2 (Punkt A. Handlungsbedarf). 28 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel: Zahlreiche Herausforderungen bei der Erhebung von MwSt. und Zöllen müssen noch angegangen werden (gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV) (2019) 38 ff.

C. Aufbau und Schwerpunkte der Arbeit

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mittlungen zur Verfügung stehen. Da die Leistung unkörperlich ist und auch die Leistungserbringung elektronisch erfolgt, bieten nur elektronische Ermittlungen eine wirksame und geeignete Methode zur Erhebung von relevanten Daten.29 Im dritten Kapitel werden aktuell verfügbare und geplante Lösungsmöglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung von Mehrwertsteueransprüchen bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen diskutiert. Einzelne Ermittlungen im Massenmarkt Online-E-Commerce sind nicht zielführend. Bei der Identifizierung des Mehrwertsteuerpflichtigen und des mehrwertsteuerbaren Sachverhalts sind Ermittlungen oft auf Informationen von Dritten angewiesen.30 Die Informationen könnten auf nationaler Ebene durch die Mitwirkungspflichten Dritter nach § 143 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung)31 eingefordert werden. Zielführend bei Ermittlungen mit unbekanntem Sachverhalt sind Sammelauskünfte32 oder bei internationaler Amtshilfe Gruppenanfragen.33 Die erfolgversprechendsten Anhaltspunkte sind neben Zahlungsdaten sogenannte Transaktionsdaten von Webanalysediensten. Trotz möglicher Lösungsmöglichkeiten zur Identifizierung und Aufdeckung von steuerbaren Sachverhalten läuft die Finanzverwaltung einer Mehrwertsteuerhinterziehung hinterher. Zunächst muss der mehrwertsteuerpflichtige Umsatz sowie der leistende Unternehmer von den Finanzverwaltungen ermittelt und im Anschluss der Vollzug der angefallenen Mehrwertsteuer sichergestellt werden. Dieses grundsätzliche Problem ergibt sich aus dem aktuellen Erhebungsmechanismus der Selbstdeklarierung von Mehrwertsteuerpflichten. Im vierten Kapitel wird daher ein automatischer Erhebungsmechanismus für digitale Dienstleistungen diskutiert, der direkt an der Transaktion ansetzt, unabhängig vom Mehrwertsteuerpflichtigen. Zu diesem Zweck wird im Rahmen dieser Arbeit ein Erhebungsmodell namens DEMDI (Dezentraler Erhebungsmechanismus für die Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen) selbst entwickelt und vorgestellt. Der automatische Erhebungsmechanismus baut auf der neuen dezentralen Blockchain-Technologie auf. Dieser automatische Erhebungsmechanismus erfolgt auf Ebene des Leistungsempfängers. Schwerpunkte dieses Kapitels bilden daher die technische / tatsächliche Machbarkeit sowie die Diskussion möglicher Entwicklungspotenziale. Am Beispiel des DEMDI-Modells ergeben sich auch viele Folgeprobleme zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen und zum bestehenden Zahlungsverkehrssystem in der EU. 29

In diesem Sinne: OECD, Technische Lösungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug (2017) 3; OECD, Bekämpfung der Steuerkriminalität: Die zehn zentralen Grundsätze (2018) 56; OECD, Technologies for Better Tax Administration – A Practical Guide for Revenue Bodies (2016) 61. 30 In diesem Sinne: Ehrke-Rabel, ALJ 2017, 150 (152); Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 19 f. 31 Bundesabgabenordnung BGBl. 1961/194. 32 Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 10. 33 Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuer­ fahndung (2014) 139.

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Kap. 1: Einleitung

Das übergeordnete Ziel des dritten und vierten Kapitels dieser Arbeit ist es für andere wissenschaftliche Arbeiten bisher nicht vorhandene Lösungsvorschläge aufzuzeigen, die auf andere Mehrwertsteuer-/Steuerprobleme des grenzüberschreitenden Handels übertragen werden können.

D. Verortung und Eigenheiten des Online-E-Commerce I. Unterteilung in Offline- und Online-E-Commerce Die Nutzung des Internets ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dabei ist es schwer eine kohärente Definition der digitalen Wirtschaft sowie des für die Arbeit relevanten Bereichs des Online-E-Commerce vorzunehmen.34 In Europa hatten im Jahr 2017 84 % aller Bürger Zugang zum Internet.35 Neben der Nutzung des Internets nimmt auch die Wertschöpfung durch das Internet zu.36 Seit es das Internet gibt, existiert auch die digitale Wirtschaft.37 Die digitale Wirtschaft ist spätestens durch das BEPS-Projekt in den Fokus der steuerrechtlichen Diskussionen gerückt. Internationale Institutionen, insbesondere die OECD, versuchen sich an einer Definition der digitalen Wirtschaft.38 Als Ergeb­nis verbleibt ein sehr weiter Begriff, der zweckabhängig definiert werden sollte.39 In der digitalen Wirtschaft haben sich viele Wertschöpfungsmodelle entwickelt.40 Aus mehrwertsteuerlicher Perspektive lassen sich die Wertschöpfungs­modelle in entgeltliche Modelle und unentgeltliche Modelle gliedern. Die Unternehmen der unentgeltlichen Modelle generieren ihre Wertschöpfung indirekt oder direkt durch die Vermarktung gewonnener Daten, z. B. Google, Facebook, Insta­

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Bereits erste Definitionsansätze: OECD, Tax Administration Aspects of Electronic Commerce: Responding to the Challanges and Opportunities (2001) 20; Käbisch, Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce – Umsätze in / aus Drittstaaten, in: Henke (Hrsg.), ECommerce und Informatikverfahren im Außenhandel (2001) 31 f. 35 Eurostat, Internetzugang von Personen, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab =table&init=1&language=de&pcode=tin00028&plugin=1, abgefragt am 26. 8. 2019. 36 Exemplarisch: Eurostat, Individuals using the internet for downloading software, https:// ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&plugin=1&language=en&pcode=tin00029, abgefragt am 26. 8. 2019. 37 Schiller, Digital Capitalism – Networking the Global Market System (1999) Überblick zur Geschichte: 2 ff. und der Ausrichtung der Kommunikationsbranche zum Internet: 97 ff., 113 ff., 123 ff. 38 OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (2015) 79 ff. 39 Meyering / Hintzen, Der Begriff der digitalen Wirtschaft und dessen Bezüge zum Elec­ tronic Commerce – Kritische Analyse der Implikationen für die internationale Steuerplanung, BFuP 2017, 451 (465 ff.). 40 Verdeutlicht in: Heinemann, Der neue Online-Handel – Geschäftsmodelle, Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce9 (2018) 41 ff., 117 ff., der eine Vielzahl von möglichen Wertschöpfungsmodellen im Online-Handel darstellt.

D. Verortung und Eigenheiten des Online-E-Commerce

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gram, etc.41 Leistungen entgeltlicher Modelle, des sogenannten E-Commerce, lassen sich weiter in Offline-E-Commerce und Online-E-Commerce unterteilen.42 Leistungen können mehrwertsteuerrechtlich als Lieferung oder als eine sonstige Leistung verstanden werden.43 Der Offline-E-Commerce umfasst die Lieferung eines körperlichen Gegenstands. Das Internet wird lediglich zur Verkaufsanbahnung genutzt, die Lieferung erfolgt nicht elektronisch. Diese erbringenden Unternehmen werden auch als Online Retailer / Seller bezeichnet.44 Die Übertragung des körperlichen Gegenstands erfolgt meist über eine Versendung an eine Adresse. Im Online-E-Commerce wird hingegen ein unkörperlicher elektronischer „Gegenstand“ über das Internet ausgetauscht.45 Nicht nur die Leistung wird über das Internet erbracht, sondern auch die Zahlung erfolgt ausschließlich über das Internet. Der Leistungsaustausch kann auch nicht räumlich zugeordnet werden, sondern erfolgt an ein flexibles Endgerät.46 Die Differenzierung in Online- und Offline-E-Commerce ist für die umsatzsteuerliche Einteilung von Lieferungen und sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 1 UStG bzw. zur inhaltlich identischen europäischen Bezeichnung Dienstleistung nach Art. 24 Abs. 1 MwSt-SystRL notwendig.47 Im Wesentlichen unterscheiden sich beide Begriffe durch die Verschaffung einer körperlichen Verfügungsmacht bei einer Lieferung i. S. von § 3 UStG bzw. Art. 14 Abs. 1 MwSt-SystRL.48 Im OnlineE-Commerce werden digitale Dienstleistungen an den Konsumenten erbracht, die sich mehrwertsteuerrechtlich in Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen nach Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL bzw. § 3a Abs. 13 UStG untergliedern.49

41 Mit einer kurzen Einführung von unentgeltlichen Wertschöpfungsmodellen, unabhängig von der jeweiligen Betrachtung einer Umsatzsteuerbarkeit (mit weiteren Verweisen zur Thematik): Englisch, „Kostenlose“ Online-Dienstleistungen: tauschähnlicher Umsatz?, UR 2017, 875 (875); Englisch, Daten als Entgelt: Ein mehrwertsteuerlich fragwürdiger Ansatz, DB 2017, M4 (M4); Ehrke-Rabel / Pfeiffer, Umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch durch „entgeltlose“ digitale Dienstleistungen – Gratis-Dienste und Apps können der Umsatzsteuer unterliegen!, SWK 2017, 532 (532). 42 Grundlegende Unterteilung: Käbisch, Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce – Umsätze in / aus Drittstaaten 31. 43 Kußmaul / Naumann, Grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen in der USt, DB 2016, 2566 (2567 Rz. 25, 26). 44 Kofler / Mayr / Schlager, ET 2017, 523 (526 f.). 45 Lamensch, European Commission’s New Package of Proposals on E-Commerce: A Critical Assessment, IVM 2017, 137 (141). 46 Kemper, UR 2017, 169 (170); Gaspareniene / Remeikiene / Schneider, The factors of digital shadow consumption, Intellectual Economics 2015, 108 (112). 47 Ecker, in: Melhardt / Tumpel, UStG2 (2015) § 3a Rz. 1. 48 Pernegger, in: Melhardt / Tumpel (Hrsg.), UStG2 (2015) § 3 Rz. 1, 11. 49 Pfeiffer, Änderungen der Leistungsortregelungen und Einführung des EU-UmsatzsteuerOne-Stop-Shops – Rechtslage ab 1. 1. 2015, ÖStZ 2014, 388 (388).

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Kap. 1: Einleitung

II. Eigenheiten im Online-E-Commerce Das Online-E-Commerce zeichnet sich durch eine hohe Mobilität der Leistungserbringung aus. Dadurch kann es nicht nur zu einer örtlich flexiblen Ansiedlung des Leistungserbringers kommen, sondern auch Empfänger digitaler Dienstleistungen sind flexibler.50 Empfänger einer digitalen Dienstleistung können den Leistungsort ländergrenzen- und standortunabhängig wählen. Diese Problemstellung verstärkt sich durch standortverfälschende Maßnahme wie beispielsweise Proxy-Server oder Virtual-Privat-Networks-(VPN)-Verbindungen,51 welche eine Ortsbestimmung i. S. d. Bestimmungslandprinzips erschweren. Durch Proxy- oder VPN-Verbindungen kann die tatsächliche Ortsbestimmung über IP-Adressen stark eingeschränkt werden. Erfolgt die Nutzung des Internets beispielsweise durch die Einwahl über eine VPN-Verbindung ins Firmennetzwerk, repräsentiert die IP-Adresse nicht den tatsächlichen Standort, sondern den Standort des Firmennetzwerks.52 Ein Verbraucher könnte durch die Manipulation des Leistungsortes von günstigeren Mehr­ wertsteuersätzen profitieren, da diese in Europa große Unterschiede aufweisen.53 Im Online-E-Commerce erfolgt die Erbringung und Abwicklung ausschließlich digital. Lediglich die Internetseite ist präsent, wobei der Index einer Homepage oder die Länderkennung keinen eindeutigen Aufschluss zum geographischen Sitz des Leistenden geben. Auch wenn sich die Daten der Homepage auf einem realen Server befinden, ist die Homepage nur im virtuellen Raum anzutreffen.54 Im Vergleich dazu existiert im Offline-E-Commerce eine Versende- oder zumindest eine Postannahmeadresse. Bei der eigentlichen Leistungserbringung im Online-E-Commerce, z. B. dem Download eines Musiktitels, muss dieser auch nicht von der eigentlichen aufgerufenen Internetseite bereitgestellt werden, da der Empfänger der digitalen Dienstleistung unbewusst beim Download der Leistung über mehrere andere Homepages in unterschiedlichen Ländern geroutet werden kann.55 Dies zeigt, dass im Ergebnis alle Beteiligten im Online-E-Commerce mobiler und geographisch unabhängiger sind als im Offline-E-Commerce. Der Leistungsaustausch garantiert in der Bereitstellung, Erbringung einer Leistung sowie im Zahlvorgang Anonymität durch die Mobilität / fehlende Ortsbindung der am Leistungsvorgang Beteiligten.56 Die Leistungserbringung und -abwicklung zeichnet sich durch die häufige Involvierung vieler Intermediäre aus. Dies beginnt mit der Entwicklung bzw. Produktion 50

Meyering / Hintzen, BFuP 2017, 451 (455). OECD, Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (2015) 99. 52 Hassler, Digital und Web Analytics (2017) 166. 53 Mit einer Übersicht zu Anonymisierungsmöglichkeiten: Langhein, Umsatzsteuer und Steuer­planung: Die Umsatzsteuer unter organisatorischen und planerischen Gesichtspunkten (2016) 141. 54 Bardopoulos, eCommerce and the Effects of Technology on Taxation – Could VAT be the eTax Solution? (2015) 44. 55 Bardopoulos, eCommerce and the Effects of Technology on Taxation – Could VAT be the eTax Solution? (2015) 47 f. 56 Meyering / Hintzen, BFuP 2017, 451 (457). 51

D. Verortung und Eigenheiten des Online-E-Commerce

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einer Leistung, geht anschließend über das Anbieten einer Leistung mittels Direktvermarktung bis zur Plattformvermarktung und endet mit der Leistungserbringung sowie Zahlungsabwicklung.57 Eine weitere Besonderheit des Online-E-Commerce liegt in dem typischerweise geringmargigen Umsatz der einzelnen Transaktion,58 wodurch eine Nachvollziehbarkeit der Transaktion für Ermittlungsbehörden und eine Identifizierung der Zahlungsempfänger weiter erschwert wird. Die Zahlungsabwicklung im Online-E-Commerce erfolgt direkt oder indirekt ausschließlich elektronisch, da auch die Leistungserbringung vollständig digital erfolgt.59 Bei der Zahlungsabwicklung von digitalen Dienstleistungen sind sehr häufig mehrere Zahlungsarten anzutreffen.60 Zusätzlich erschweren viele unterschiedliche Zahlungsdienstleister den Zugriff von Ermittlungsbehörden auf Zahlungsdaten. Die elektronischen Zahlungsvorgänge sind nicht spezifisch für den Online-E-Commerce. Eine Identifizierung der Transaktionen im Online-E-Commerce ist dennoch möglich, wenn relevante Zahlungsdaten übermittelt werden. Beispielsweise enthalten Kreditkartenzahlungen, neben den für die Zahlungsabwicklung notwendigen Informationen wie Zahlungsleistender und -empfänger sowie Kontodaten,61 den Merchant Category Code (MCC). Dieser gibt an, in welcher Branche das leistende Unternehmen tätig ist.62 Durch die Zuordnung eines leistenden Unternehmers mittels eines MCC in eine bestimmte Branche, kann näherungsweise der Inhalt einer getätigten Transaktion im Online-E-Commerce ermittelt werden. Bei Visa63 und MasterCard64 verbergen sich hinter dem MCC 5815–5818 sogenannte „Digital Goods“.65 Diese MCC der „Digital Goods“ umfassen größtenteils die Leistungsarten der digitalen Dienstleistungen. 57 Übersicht mit vielen unterschiedlichen Leistungsmodellen und -beziehungen bei der Erbringung: EU-Kommission, Erläuterungen zu den Änderungen der EU-Mehrwertsteuervorschriften bezüglich des Ortes von Telekommunikations-, Rundfunk und elektronischen Dienstleistungen, die 2015 in Kraft treten, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 26 ff. 58 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 37 ff., 88 f. 59 Angelehnt an: Heinemann, Der neue Online-Handel – Geschäftsmodelle, Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce9 (2018) 106 f., mit der Einschränkung das Heinemann die Zahlungsverfahren auf den gesamten Online-Handel beschreibt und eine Nachnahme nur bei Postzustellung möglich ist. Auch erfolgt die Lastschrift bzw. Rechnungsbegleichung indirekt auch über ein elektronisches Zahlungssystem bei einer Bank. 60 Thalhammer / Mansfeld, Mythen des Digital Payments  – Bedeutung von Konversions­ optimierung, Big Data und Local Acquiring, in: Mosen / Moormann / Schmidt, D. (Hrsg.), Digital Payments – Revolution im Zahlungsverkehr (2016) 334. 61 Mit einer Übersicht: Gollob, Die Übermittlung von Auftraggeberdaten im europäischen Zahlungsverkehrsraum am Prüfstand mit Bankgeheimnis und Datenschutz (2014) 16 f. 62 Brugger, Abbruch der Zahlungsströme als Mittel zur Bekämpfung unerlaubter Internetglücksspiele (2013) 155; Mastercard, Quick reference Booklet – Merchant Edition (2017); Visa, Visa Merchant Data Standards Manual (2017). 63 Visa, Visa Merchant Data Standards Manual (2017) 73 ff. 64 Mastercard, Quick reference Booklet – Merchant Edition (2017) 110 ff. 65 Im Detail: MCC 5815 Digital Goods – Audiovisual media including Books, Movies, and Music; MCC 5816 Digital Goods – Games; MCC 5817 Digital Goods – Software Applications (Excluding Games); MCC 5818 Digital Goods – Multi-Category.

24

Kap. 1: Einleitung

E. Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce Im Unterschied zum Offline-E-Commerce ist in den Verwaltungen66 und der Literatur67 das Problem der Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce nur vereinzelt präsent und nimmt keinen breiten Raum ein. Durch den unkörperlichen Charakter der Erbringung von digitalen Dienstleistungen und auch der Verkaufsabwicklung ist keine physische Präsenz vor Ort von Waren oder Verkäufern erforderlich, wodurch eine Greifbarkeit für die Finanzverwaltungen aber auch eine Schätzung des Steuerschadens schwierig bis unmöglich wird.68 Es existieren keine veröffentlichten Zahlen zum Umfang der Mehrwertsteuerhinterziehung im Bereich der digitalen Wirtschaft und im Speziellen des Online-E-Commerce.69 Der Europäische Rechnungshof bemängelt diese Situation und empfiehlt neben der Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung geeignetes Datenmaterial zum Umfang der Hinterziehung zu erheben.70 Diese Voraussetzungen möchte die EU-Kommission durch die Verpflichtung von Zahlungsdienstleistern zur Bereitstellung von Zahlungsinformationen ändern.71 Auch wenn der Umfang der Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce nicht konkret benannt werden kann, so wird dennoch die Existenz einer digitalen Schattenwirtschaft angenommen72 und damit auch das Vorliegen von Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-­E-Commerce.73 Konkrete Beispiele werden durch die EU-Kommission genannt. In einem Impact Assessment wird auf einen Fall verwiesen, in dem sich Web-Shops mit Fernsehangeboten in Drittländern ansiedelten und über das Internet auf dem europäischen Konsumentenmarkt aktiv wurden. Die Umsätze wurden nicht angemessen 66

Exemplarisch: Deutscher BRH, Bemerkung 2006 Nr. 53, Steuerliche Kontrolle des Internets ohne durchschlagenden Erfolg (2006); Deutscher BRH, Bemerkungen 2015 82. Steueroase Internet – Deutsches Umsatzsteueraufkommen sichern (2015). 67 Auswahl an Stimmen: Ehrke-Rabel, ALJ 2017, 150 (151); Kemper, UR 2017, 169 (170); Kruner / Z ühlke, eCommerce im www – Können dem Steuerbetrug im Netz keine Grenzen gesetzt werden? Nationale Ohnmacht in DE gegen internationalen Steuerbetrug – Teil I –, StBp 2010, 269 (274). 68 In diesem Sinne: Ehrke-Rabel, ALJ 2017, 150 (150 ff.). 69 Generelle Betrachtung: EU-Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 70 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 53 ff. 71 EU-Kommission, SWD (2018) 487 final, Punkt: A. Handlungsbedarf. 72 Unterstreichen, das eine digitale Schattenwirtschaft existiert. Mit weiteren Erläuterungen: Brodowski / Freiling, Cyberkriminalität, Computerstrafrecht und die digitale Schattenwirtschaft (Forschungsforum Öffentliche Sicherheit 2011) 63; Gaspareniene / Remeikiene / Schneider, Intellectual Economics 2015, 108 (109); Kemper, UR 2017, 169 (174); Kruner / Zühlke, StBp 2010, 269 (274); Dittmar / Selling, How to Control Internet Transactions? – A Contribution from the Point of View of German Tax Inspectors, Intertax 1998, 88 (88). 73 Bejahen eine Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce: Lamensch / Ceci, VAT fraud – Economic impact, challenges and policy issues – Study – PE 626.076 (2018) 53, 54.

F. Schätzung des Mehrwertsteuerausfallvolumens im Online-E-Commerce 

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de­k lariert.74 In einem anderen Fall wurden Computerspiele durch Marktteilnehmer mit Sitz innerhalb und außerhalb der EU online angeboten, ohne dass eine korrekte Mehrwertsteuerdeklarierung erfolgte.75 Die Vorgehensweise bei diesen Modellen ist ähnlich und verdeutlicht, dass es im digitalen Markt der EU möglich ist, für Verbraucher präsent zu sein, ohne dass eine Deklarierung von mehrwertsteuerrelevanten Umsätzen erfolgt. Unabhängig von dieser Quelle identifizierte die EU-Kommission in einem Richtlinienvorschlag grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs im elektro­ nischen Geschäftsverkehr, der neben dem Offline-E-Commerce auch den Online-­ E-Commerce erfasst.76 Die EU-Kommission nimmt daher an, dass eine Mehrwertsteuerhinterziehung B2C im Online-E-Commerce vorliegt.

F. Schätzung des Mehrwertsteuerausfallvolumens im Online-E-Commerce Bisher existieren keine Zahlen zum Umfang des Mehrwertsteuerausfalls im grenzüberschreitenden Online-E-Commerce. Es liegen auch keine Zahlen vor, wie hoch die Quote der Mehrwertsteuerausfälle zu den deklarierten Umsätzen im Online-E-Commerce ist.77 Auch die Ausmaße der gesamten digitalen Abgabenausfälle im E-Commerce sind bisher nicht mit Zahlen belegbar.78 Für eine Verbesserung dieser Situation plädiert der Europäische Rechnungshof in einem aktuellen Sonderbericht für die Entwicklung einer Methodik, damit Mehrwertsteuererhebungslücken im elektronischen Handel besser geschätzt werden können. Außerdem sollten Mitgliedstaaten dazu in regelmäßigen Abständen Schätzungen vorlegen.79 Um die Relevanz des Themas zu unterstreichen wird im folgenden Abschnitt eine eigene Schätzung vorgenommen. Diese Schätzung hat keinen Anspruch auf Voll 74

Europol, 2017 Situation Report on Counterfeiting and Piracy in the European Union – A joint project between Europol and the European Union Intellectual Property Office, June 2017, 29. 75 EU-Kommission, Commission Staff Working Document Impact Assessment Accompanying the document Proposal for a Council Directive amending Directive 2006/112/EC as regards introduction certain requirements for payment service providers and Proposal for a Council Regulation amending Regulation (EU) No. 904/2010 as regards measures to strengthen administrative cooperation in order to combat VAT fraud, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 10, 11. 76 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 2. 77 Exemplarische und deutlichste Nennung: EU Kommission, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen – Zusammenfassung der Folgenabschätzung – Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister und Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, SWD (2018) 487 final, 1, Punkt A. Handlungsbedarf. 78 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 79 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 53, 54.

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Kap. 1: Einleitung

ständigkeit. Es wird lediglich auf Grundlage von verfügbaren Daten eine Schätzung vorgenommen, damit Anhaltspunkte für eine Bewertung vorliegen. Für die Ermittlung des Ausfallvolumens in der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen wird als Datengrundlage die vereinnahmte Mehrwertsteuer aus dem MOSS-Verfahren herangezogen. Die MOSS-Mehrwertsteuereinnahmen spiegeln nicht die gesamten europaweiten Mehrwertsteuereinnahmen von grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher wider, da Unternehmer im Online-E-Commerce Mehrwertsteuerumsätze auch durch Einzeldeklarierungen in den jeweiligen EU-Ländern vornehmen können.80 Wie hoch die außerhalb des MOSS-Verfahrens deklarierten Umsätze und damit die Mehrwertsteuer von grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen sind, ist aktuell nicht bekannt. Die EU schätzt auf Grundlage von Experteninterviews,81 dass die gesamten europäischen Mehrwertsteuereinnahmen von digitalen Dienstleistungen zu 70 % ihren Niederschlag im MOSS-Verfahren finden.82 Die im gesamten MOSS-Verfahren vereinnahmten Mehrwertsteuern betragen für das Jahr 2015 europaweit 3.000 Mio. EUR. Im Jahr 2016 stiegen die Einnahmen auf 3.440 Mio. EUR und im Jahr 2017 auf 3.800 Mio. EUR. Bis zum Jahr 2018 erhöhte sich die gesamte im MOSS vereinnahmte Mehrwertsteuer auf 4.570 Mio. EUR.83 Bei einer Ermittlung des insgesamt erzielten europäischen Mehrwertsteuervolumens aus grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen ergeben sich aufgrund von Expertenaussagen für das Jahr 2015 geschätzte Gesamteinnahmen i. H. v. 3.900 Mio. EUR, im Jahr 2016 4.472 Mio. EUR; im Jahr 2017 4.940 Mio. EUR und für das Jahr 2018 geschätzte Gesamteinnahmen i. H. v. 5.941 Mio. EUR. Es ist keine Mehrwertsteuerausfallsquote von grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen in einem europäischen Land, noch für die gesamte EU, bekannt.84 Es wird in einer Studie die Auffassung vertreten, dass es zu einem Mehrwertsteuerausfall von nicht mehr als 1 % und damit zu keiner signifikanten Mehrwertsteuerhinterziehung im Bereich des grenzüberschreitenden Online-ECommerce kommt.85 Dieser Ansicht ist aufgrund der oben dargestellten Anonymi 80

Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 124, 188. Eine statistische Quelle bleibt die EU-Studie schuldig. Direkte Erhebungsmethoden sind nach Möglichkeit abzulehnen, da diese immer eine subjektive Komponente enthalten, sd. Gasparéniené et al., The Methodology of Digital Shadow Economy Estimation, E+M Ekonomie a Mangement 2017, 20 (24). Für eine bessere Greifbarkeit der Mehrwertsteuerhinterziehung wird diese Zahl in der nachfolgenden Berechnung berücksichtigt. 82 Dies Studie bezieht sich auf Daten aus den Jahren 2015, 2016. Aktuellere Angaben konnten nicht gefunden werden. Vor diesem Hintergrund wird dieser Wert generalisierend für Folgejahre verwendet. EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 14. 83 EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019, 5. 84 Bezogen auf den E-Commerce: EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 85 EU Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 105 f., 111. 81

G. Ergebnis erstes Kapitel

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tät im Internet und der Mobilität aller am Leistungsvorgang beteiligten Faktoren entgegenzutreten, wie auch Stimmen aus der Literatur betonen.86 Mangels einer speziellen Ausfallsquote bei digitalen Dienstleistungen bietet sich zur Bestimmung des Volumens der europaweiten Mehrwertsteuerhinterziehung bei digitalen Dienstleistungen nur die allgemeine Mehrwertsteuerhinterziehungsquote der EU an. Für das Jahr 2017 betrug der Mittelwert der Mehrwertsteuerhinterziehungsquote 11,2 %.87 Diese Zahl bildet den Mittelwert für alle EU-Länder. Es gibt deutliche Schwankungen der Mehrwertsteuerhinterziehungsquote zwischen den einzelnen Ländern der EU.88 Wendet man die Steuerausfallsquote auf die Expertenaussagen zu den europäischen Gesamteinnahmen aus digitalen Dienstleistungen an, so ergibt sich für das Jahr 2017 ein Mehrwertsteuerausfall von ungefähr 553 Mio. EUR. Diese Zahl stellt eine konservative Schätzung dar. Es sind mehrere Faktoren für eine gute Datengrundlage nur teilweise bzw. gar nicht vorhanden. Es gibt keine vollständige EU-weite Auflistung der vereinnahmten Mehrwertsteuer im B2C-Online-E-Commerce. Ebenso gibt es keine auf den Online-E-Commerce zugeschnittene Quote für die Mehrwertsteuerhinterziehung. Es musste daher auf eine sehr generalisierende Quote zur Ermittlung des Volumens zurückgegriffen werden. Für eine genauere Ermittlung wäre folgendes Vorgehen notwendig: – Die Gesamtermittlung der vereinnahmten Mehrwertsteuer im Online-E-Commerce an Verbraucher. – Die Ermittlung einer Quote für die Mehrwertsteuerhinterziehung bei der grenzüberschreitenden Erbringung digitaler Dienstleistungen an Verbraucher.

G. Ergebnis erstes Kapitel Im Ergebnis sind die Unterschiede zwischen dem legalen Online-E-Commerce und einer Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce nicht groß. Es werden dieselben Zahlungs- und Leistungskanäle verwendet. Diese Tatsache bietet Ansatzpunkte für Ermittlungen und die Rechtsdurchsetzung. Für externe nicht involvierte Parteien ist die Identifizierung von vorgenommenen Transaktio 86 Einige Stimmen: Kemper, Die Umsatzbesteuerung digitaler Dienstleistungen an Nichtunternehmer  – Überlegungen zur Einbindung von „Plattformbetreibern“, UStB 2018, 20 (22 ff.); Erdbrügger, Mögliche Einflüsse der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und des Mehrwertsteuerbetrugs auf die künftige Ausgestaltung des Mehrwertsteuersystems, MwStR 2018, 685 (686 f.). 87 EU-Kommission, Study and Reports on the VAT Gab in the EU-28 Member States: 2019 Final Report, TAXUD/2015/CC/131, 19. 88 Im Sinne von: EU-Kommission, Study and Reports on the VAT Gab in the EU-28 Member States: 2017 Final Report, TAXUD/2015/CC/131, 19; EU-Kommission, Study and Reports on the VAT Gab in the EU-28 Member States: 2018 Final Report, TAXUD/2015/CC/131, 19.

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Kap. 1: Einleitung

nen schwierig. Dies drückt sich sowohl in einer fehlenden Bezifferung der vollständigen Umsätze im Online-E-Commerce sowie fehlender Angaben zur Höhe der Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce aus. Spezielle Gründe lassen sich dafür im Online-E-Commerce durch den Leistungskanal Internet ausmachen, der zu Anonymität und Mobilität von allen Leistungsbeteiligten führt. Außerdem sind Verbraucher als leistungsempfangende Partei involviert. Trotz mangelnder Zahlenbasis ist eine Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce anzunehmen. Bei der Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce gibt es viele Verschränkungen zum Offline-E-Commerce.89

89 Wird oft zusammen erwähnt, exemplarisch: EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 2.

Zweites Kapitel

Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial A. Überblick Im zweiten Kapitel wird auf den seit dem 1. 1. 2015 geltenden rechtlichen Rahmen in der EU zur Mehrwertbesteuerung grenzüberschreitend erbrachter digitaler Dienstleistungen an Verbraucher eingegangen. Neben einer dogmatischen Einordnung sowie der Erläuterung von relevanten historischen Entwicklungen erfolgt eine Beschreibung des aktuellen Systems hinsichtlich der Entstehung von Mehrwertsteuerpflichten im B2C-Online-E-Commerce und des besonderen Besteuerungsverfahrens. Im Mehrwertsteuersystem sind vier Elemente notwendig, um eine korrekte Mehrwertsteuer beim Leistenden zu bemessen: der Leistungsort, die Art der Lieferung oder sonstigen Leistung, der Status des Leistungsempfängers und der Status des Leistenden.1 Diese vier Elemente bieten neben dem Besteuerungsverfahren die Möglichkeit Mehrwertsteuern zu hinterziehen, entweder durch das Manipulieren von Informationen oder durch die fehlende Anzeige von steuerbaren Sach­ verhalten. Bezogen auf digitale Dienstleistungen ist der Leistungsort gemäß Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL der Ort, an dem der Nichtsteuerpflichtige ansässig ist, seinen Wohnsitz2 oder seinen gewöhnlicher Aufenthaltsort3 hat. Bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen ist die vereinnahmte Mehrwertsteuer an das Land, in dem sich der Leistungsort befindet, durch den leistenden Unternehmer abzuführen.4 Digitale Dienstleistungen, die an im Inland ansässige Nichtsteuerpflichtige erbracht werden und damit nicht grenzüberschreitend sind, unterliegen unverändert dem jeweiligen nationalen Besteuerungsverfahren.5 Das System zur Bestimmung einer Mehrwertsteuerpflicht bei grenzüberschreitend erbrachten di 1 Thliveros, EU OSS & MOSS: A Solution to the Challenges of Digital Economy?, in: Kerschner / Somare (Hrsg.), Taxation in a Global Economy (2017) 397. 2 Der Begriff des „Wohnsitz“ ist in Art. 12 MwSt-DVO legaldefiniert. 3 Der „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ einer natürlichen Person ist nach Art. 13 MwSt-DVO legaldefiniert. 4 Kemper, Bestimmung des Leistungsorts am Beispiel der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen – Eine Betrachtung aus Sicht der betroffenen Unternehmer –, UR 2015, 649 (652). 5 Ilsley / Paucksch / Rakhan, Die umsatzsteuerliche Behandlung elektronischer Dienstleistungen ab 1. 1. 2015, MwStR 2014, 259 (262).

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

gitalen Dienstleistungen ist sehr komplex. Neben der Komplexität des Systems stehen technische Probleme bzw. Eigenheiten, die es für die beteiligten Parteien leicht machen Mehrwertsteuern zu hinterziehen.6 Zunächst wird auf die Identifizierungspflicht des Empfängers durch den Unternehmer eingegangen. Im Anschluss werden digitale Dienstleistungen ausführlich erläutert, die sich i. S. von Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL bzw. § 3a Abs. 13 UStG in Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen gliedern. Speziell bei sonstigen auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten.7 Im Anschluss wird die besondere Vermittlerregelung des Art. 9a MwSt-DVO im Detail dargestellt. Durch diese Regelung kommt es zu einer Konzentration von Mehrwertsteuerpflichten bei Plattformen oder Vermittlern.8 Die Kriterien zur Bestimmung des Leistungsortes durch den Unternehmer stellen bei digitalen Dienstleistungen, die an Verbraucher erbracht werden, eine Herausforderung dar9 und bieten viele Möglichkeiten für den Verbraucher zur Vermeidung / Verringerung der Mehrwertsteuer. Neben den Regelungen zur Entstehung einer Steuerpflicht nach Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL und der Bestimmung des Ortes des Verbrauchers nach Art. 24 ff. MwSt-DVO wird das Besteuerungsverfahren i. S. d. MOSS-Verfahrens nach Art. 369a bis 369k MwSt-SystRL für EU-Unternehmer und Unternehmer aus Drittländern besonders berücksichtigt. Flankiert werden diese Regelungen durch Änderungen der MwSt-DVO (EU) Nr. 1042/2013 zum 7. 10. 2013,10 womit Unsicherheiten in der rechtlichen Würdigung der neuen Vorschriften und Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis verhindert werden sollten.11 Der MOSS bietet als spezieller Erhebungsmechanismus zur Verwaltungsvereinfachung ein Wahlrecht zur Einortregistrierung an.12 In diesem Verfahren fallen der Mitgliedsstaat der Identifizierung (Registrierung) und der Mitgliedsstaat des Verbrauchs (MSV) auseinander.13 Aus diesem Grund ist eine sehr enge Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen unumgänglich, die diese zeitlich vor Heraus 6

Lamensch, Fraude TVA et Commerce Digital, in: Herbain (Hrsg.), La Fraude à la TVA (2017) 136. 7 In diesem Sinne: Luther / Sailer, Was sind eigentlich elektronische Dienstleistungen? – Überblick zum aktuellen Stand der Diskussion –, UR 2016, 81 (82, 83). 8 Nguyen, Comments on the Discussion of Article 9a of Implementing Regulation, in: Lang / Lejeune (Hrsg.), VAT / GST in a Global Digital Economy (2015) 80. 9 Lamensch, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 54, 65. 10 DVO (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl L 2013/284, 9. 11 Feil / Weigl / Rothballer, Neuregelung der Ortsbestimmung bei an Nichtunternehmer elektronisch erbrachten Dienstleistungen, BB 2014, 2072 (2073). 12 Ecker / Kronsteiner, Neue Leistungsortregeln ab 1. 1. 2015 und EU-Umsatzsteuer-OneStop-Shop (MOSS), SWK 2014, 896 (899). 13 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 92.

B. Dogmatische Überlegungen

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forderungen stellt. Für die Prüfung der Risikoanfälligkeit schließt sich eine Analyse der Umsätze und des rechtlichen Rahmens zur Überprüfung / zum Auditing von Umsätzen der im MOSS-Verfahren registrierten Unternehmen an. Es wird der Frage nachgegangen, ob die vorhandenen Überprüfungsmechanismen im MOSS geeignet sind, die von den Unternehmen getätigten Angaben zu verifizieren und unbekannte Sachverhalte aufzudecken.

B. Dogmatische Überlegungen I. Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip Grundsätzlich ist die Mehrwertsteuer eine Abgabe auf den Endverbraucher.14 Die Bestimmung des Orts der Besteuerung ist eine entscheidende Frage im grenzüberschreitenden E-Commerce.15 Insbesondere wenn Leistungen digital heruntergeladen oder elektronisch über das Internet erbracht werden.16 Im internationalen Handel lassen sich in grenzüberschreitenden Situationen zwei unterschiedliche Ansatzpunkte zur Mehrwertbesteuerung unterscheiden. Die Einteilung erfolgt in das Bestimmungslandprinzip und das Ursprungslandprinzip. Die Entscheidung, welches Prinzip im internationalen Handel anwendbar ist, bestimmt den Staat, dem das Besteuerungsrecht zusteht.17 Daraus ergibt sich auch der anzuwendende Mehrwertsteuersatz.18 Im Sinne des Bestimmungslandprinzips wird die Mehrwertsteuer im Besteuerungsstaat des Endverbrauchers erhoben. Im Gegensatz dazu erfolgt im Ursprungslandprinzip eine Besteuerung in den Staaten, in denen die Wertschöpfung erfolgt. Als wichtigsten Unterschied identifiziert die OECD, dass beim Bestimmungslandprinzip alle leistenden Unternehmen gleichgestellt sind, wohingegen beim Ursprungslandprinzip alle Verbraucher in den jeweiligen Staaten gleich besteuert werden.19 Das bedeutet, dass nach dem Ursprungslandprinzip dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmers ein Besteuerungsrecht zusteht. Beim Bestimmungslandprinzip steht hingegen ein Besteuerungsrecht dem Staat des tatsächlichen Verbrauchs zu. In Konsequenz fallen nach dem Bestimmungslandprinzip das Land, in dem der Unternehmer ansässig ist und das Land, in dem 14

OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 15. OECD, Consumption Taxation of Cross-Border Services and Intangible Property in the Context of E-Commerce (2003) Kapitel: A. Guidelines on the Definition of the Place of Consumption. 16 OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 10. 17 OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) 12, 13. 18 Krahnert / Seibold, Das Bestimmungslandprinzip auf dem Prüfstand  – Eine kritische Reflexion zur europäisierten Umsatzsteuer im Kontext aktueller Gesetzesänderungen –, IStR 2003, 369 (371). 19 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 20. 15

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

der tatsächliche Verbrauch erfolgt sowie ein Besteuerungsrecht entsteht, auseinander.20 Dieses Ergebnis i. S. d. Bestimmungslandprinzips erreicht man rechtstechnisch entweder durch eine Besteuerung des Leistungsbezugs oder die Verlagerung des Leistungsortes.21 Speziell in B2C-Situationen ergeben sich Rechtsdurchsetzungsprobleme, wenn der leistende Unternehmer sowie der Verbraucher in unterschiedlichen Ländern ansässig sind und dem Land des Verbrauchers nach dem Bestimmungslandprinzip ein Besteuerungsrecht zusteht.22 Zur Erfüllung des Neutralitätsprinzips im grenzüberschreitenden E-Commerce ist allerdings eine Besteuerung i. S. d. Bestimmungslandprinzips notwendig.23 Die indirekte Besteuerung des grenzüberschreitenden E-Commerce nach dem Bestimmungslandprinzip stellt einen internationalen Trend dar.24

II. Lieferungen und Dienstleistungen Im E-Commerce ist eine mehrwertsteuerliche Unterscheidung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen notwendig, da sich daraus unterschiedliche mehrwertsteuerliche Rechtsfolgen ergeben. In diesem Kapitel erfolgt daher eine Grobeinteilung. Nach Art. 14 Abs. 1 MwSt-SystRL liegt eine Lieferung von Gegenständen vor, wenn eine „… Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ angenommen werden kann.25 Demgegenüber normiert Art. 24 Abs. 1 MwSt-SystRL, dass jeder Umsatz eine Dienstleistung darstellt, der keine Lieferung von Gegenständen ist.26 In der EU erfolgt eine Ermittlung der grenzüberschreitenden Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip sowohl über den Leistungsbezug als auch durch die Verlagerung des Leistungsortes. Nach Korn erfolgt die Besteuerung im physischen Warenhandel (Lieferungen) tendenziell durch den Leistungsbezug. Wohingegen eine Bestimmung der Besteuerung des nichtphysischen Handels (Dienstleistungen) durch eine Leistungsortverlagerung erfolgt.27 Zwar gilt grundsätzlich für B2CDienstleistungen nach Art. 45 MwSt-SystRL das Ursprungslandprinzip. Bei dieser Regelung gibt es allerdings viele Ausnahmen. Tatsächlich orientiert sich die Be 20

Mit einer ausführlichen Darstellung: Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 13 ff. 21 Nicht nur bezogen auf den E-Commerce: Korn, Seminar J: Erhebung der Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen in bestimmungslandbasierten Mehrwertsteuersystemen, IStR 2018, 643 (644). 22 Mit Erläuterungen zu direkten und indirekten Steuern: Hellerstein, BIT 2014, 346 (349, 350). 23 In diesem Sinne: OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 13. 24 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 21. 25 In nationaler Umsetzung in § 3 Abs. 1 UStG zu finden. 26 In nationaler Umsetzung in § 3a Abs. 1 UStG zu finden. 27 Korn, IStR 2018, 643 (644).

C. Historische Entwicklung

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steuerung von verschiedenen Dienstleistungsarten am Verbrauchsort.28 Für digitale Dienstleistungen gilt das Bestimmungslandprinzip nach Art. 58 MwSt-SystRL. Im Unterschied zu dem in der EU noch anzutreffenden Ursprungslandprinzip empfiehlt die OECD für B2C-Dienstleistungen ausschließlich das Bestimmungslandprinzip.29

C. Historische Entwicklung I. Allgemeines Der aktuell weitgehenden Verwirklichung des mehrwertsteuerlichen Bestimmungslandprinzips bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen ging eine lange Entwicklung voraus. Vor der Einführung des Bestimmungslandprinzips im Jahr 2015 hatten die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze der Mitgliedsstaaten aufgrund des Ursprungslandprinzips einen entscheidenden Einfluss auf die Standortentscheidungen von EU-Unternehmen im Online-E-Commerce.30 Die Bedeutung von grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher ist seit Ende des letzten Jahrtausends kontinuierlich gestiegen. Dieser Entwicklung musste auch ein harmonisiertes europäisches Mehrwertsteuersystem i. S. d. Ursprungslandprinzips Rechnung tragen.31 Durch das Aufblühen der digitalen Wirtschaft gab es zwei theoretische Antagonisten zur Erfassung von mehrwertsteuerbaren Umsätzen, welche die wissenschaftliche Diskussion bestimmten: das Ursprungslandprinzip und das Bestimmungslandprinzip. Seit dem 1. 1. 2015 ist bei erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher EU-weit das Bestimmungslandprinzip anwendbar. Die Einführung des Bestimmungslandprinzips steht dem langfristigen Ziel der Harmonisierung eines europäischen Mehrwertsteuersystems entgegen. Die aktuellen Regelungen sollen nur Übergangsbestimmungen bilden, um als langfristiges Ziel die Mehrwertbesteuerung bei grenzüberschreitenden Lieferungen von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen im Ursprungsland zu implementieren. Dies findet Ausdruck in Art. 402 Abs. 1 MwSt-SystRL.32 Die Verwirklichung des Ursprungslandprinzips wurde übergangsweise verworfen, da es eine weitgehende Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze und ein Vertrauen der Mitgliedsstaaten untereinander bei der Erhebung33 sowie ein weitergehendes 28

Korn, IStR 2018, 643 (646). OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 90 ff. 30 Endert / Trinks, Elektronische Dienstleistungen in der Umsatzsteuer  – Praxisprobleme und aktuelle Entwicklungen, SteuK 2013, 397 (400). 31 Jeweils mit einer übersichtlichen Darstellung: Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 28 f.; Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 25 ff. 32 RL 2006/112/EG ABl. L 2006/347, 1. 33 Siehe dazu: Prätzler, Europäische Kommission plant die große Mehrwertsteuerreform – Weitreichende Änderungen vorgeschlagen, StuB 2018, 24 (27). 29

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Clearingsystem erfordert, um die Steuereinnahmen in den Mitgliedsstaat des Verbrauchs fließen zu lassen.34 Durch die Einführung des Bestimmungslandprinzips verwirklicht sich eines der wichtigsten internationalen Dogmen der Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Handel, das Neutralitätsprinzip.35

II. Entwicklungen in der OECD Um den Abfluss von Mehrwertsteuersubstrat zu verhindern und Wettbewerbsverzerrungen im E-Commerce zu vermeiden wurde bereits im Jahr 1998 von der OECD als wirksame Methode die Besteuerung von Umsätzen am Ort der wirtschaftlichen Entstehung bzw. des Verbrauchs in Betracht gezogen.36 Dieses Bekenntnis zum Bestimmungslandprinzip bei indirekten Steuern und der Implementierung effektiver Besteuerungsverfahren für die digitale Wirtschaft wird regelmäßig von der OECD wiederholt und bekräftigt.37 In diesem Zusammenhang wurde das Neutralitätsprinzip wesentlich in der Vergangenheit38 und aktuell von der OECD propagiert. Zur Konkretisierung des Neutralitätsprinzips wurden folgende internationale Leitlinien für die Mehrwertsteuer entwickelt: – Unternehmer sollten nicht die Mehrwertsteuerlast tragen, es sei denn, dies ist ausdrücklich vorgesehen. – Vergleichbare Unternehmen und Sachverhalte sollen einem vergleichbaren Steuer­niveau unterliegen. – Mehrwertsteuervorschriften sollten nicht der wichtigste Faktor bei Geschäftsentscheidungen sein. – Das Besteuerungsniveau sollte ausländische Unternehmer gegenüber inländischen weder benachteiligen noch begünstigen. – Ausländische Unternehmer sollten keiner abzugs- oder erstattungsfähigen Mehrwertsteuer unterliegen. – Der Verwaltungsaufwand für ausländische Unternehmer sollte nicht unverhältnismäßig oder unangemessen sein.39 34 EU-Kommission, Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System, KOM 2010, 695 endgültig, 7 f. 35 Frühe Nennung: OECD, Electronic Commerce: Taxation Framework Conditions (1998) 4. 36 OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No. 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 10 ff.; OECD, Electronic Commerce: Taxation Framework Conditions (1998) 4. 37 Siehe dazu: OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) Punkt 3.2.; OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation  – Interim Report 2018, Inclusive Framework on BEPS (2018) 19, Rz. 19. 38 Übersicht: OECD, Electronic Commerce: Taxation Framework Conditions (1998) 4; OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No. 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 4. 39 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 26 ff.

C. Historische Entwicklung

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Die Einführung des Bestimmungslandprinzips und damit eine Besteuerung am Ort des Verbrauchs sind Ausdruck des Neutralitätsprinzips.40 International herrscht weitgehender Konsens, dass im Bereich der Mehrwertbesteuerung des internationalen Handels das Bestimmungslandprinzip angewendet werden sollte.41 In den Folgearbeiten der Ottawa Konferenz im Jahr 1998 wurde für den Bereich der indirekten Steuern ein geeigneter Erhebungsmechanismus für den E-Commerce thematisiert.42 In späteren Arbeiten setzte die OECD in B2C-Situationen auf ein vereinfachtes Registrierungsverfahren von nicht ansässigen Unternehmen. Gleichzeitig wurde die Gefahr identifiziert, dass eine Registrierung bei einem solchen Verfahren nur auf dem „guten Willen“ des Unternehmers aufbaut.43 Die Verlagerung von Mehrwertsteuerpflichten auf Intermediäre i. S. d. Art. 9a MwSt-DVO wurde durch die OECD im Jahr 2017 im Dokument „Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – When the Supplier Is Not Located In the Jurisdiction of Taxation“ bestätigt. Das Dokument teilt dabei die Intermediäre für die Entstehung einer Mehrwertsteuerpflicht in zwei Kategorien ein, zum einen durch Rechtsbeziehungen „contractual approach“ und zum anderen durch die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes „deemed supplier approach“. Es wird nicht darauf eingegangen, welche Intermediäre konkret gemeint sind, außer dass diese an der digitalen Lieferkette beteiligt sein müssen (z. B. digitale Plattformen). Zahlungsdienstleister in der digitalen Lieferkette werden weder ausgeschlossen noch genauer in den Beispielen genannt.44 Daraus lässt sich ableiten, dass sowohl in der EU als auch auf internationaler Ebene eine Mehrwertsteuererhebung im E-Commerce bei zwischengeschalteten Intermediären oder Plattformen favorisiert wird.

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Beschreibt die Umsetzung im ECOFIN-Rat mit Verweis auf die oben erwähnten Taxation-­ Framework-Conditions: Vellen, Vorschläge der Europäischen Kommission zur Umsatzbesteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs, UR 2000, 401 (402). 41 OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) 13. 42 OECD, Electronic Commerce: Taxation Framework Conditions (1998) 5. 43 OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No. 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 17, 18. 44 OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) 27–29.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

III. Umsetzung des Bestimmungslandprinzips in der EU 1. Rechtslage vor 2015 Auf EU-Ebene setzte sich seit Anfang der 2000er-Jahre die EU-Kommission für eine bisher nicht bestehende Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Regelungen für E-Commerce und digitale Dienstleistungen in B2C-Situationen ein.45 Die folgenden rechtlichen Maßnahmen lassen sich in zwei unterschiedliche Entwicklungslinien einteilen, zum einen in B2C-Situationen mit Drittlandunternehmen und zum anderen in B2C-Situationen mit in der EU ansässigen Unternehmern. Im Allgemeinen sah das Konzept der EU-Kommission für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem folgende Merkmale vor:46 – Ein vereinfachtes Besteuerungsverfahren sowie einen Abbau von administrativen Aufwendungen für Wirtschaft und Verwaltungen, – Vermeidung von Steuerverkürzungen und Erhaltung des Steueraufkommens, – Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer sowie – Abkehr von der physischen Erfassung von Leistungsvorgängen und eine Anpassung der mehrwertsteuerlichen Regelungen.47 Die ersten legistischen Vorschläge für den E-Commerce mündeten auf EUEbene in die Einführung der Richtlinie 2002/38/EG48, die am 15. 5. 2002 in Kraft trat und bis zum 1. 7. 2003 umgesetzt werden musste. In der Richtlinie 2002/38/ EG wurde unter anderem erstmals der Leistungsort nach dem Bestimmungslandprinzip bei elektronisch erbrachten Dienstleistungen von Drittlandunternehmern an Verbraucher eingeführt. Dieser rechtliche Rahmen galt im Wesentlichen bis zum 31. 12. 2014 fort.49 Zuvor wurden von Drittlandunternehmen erbrachte elek­ 45 Achatz, Änderung der Umsatzbesteuerung durch die E-Commerce-Richtlinie, in: Achatz / Tumpel (Hrsg.), Umsatzsteuer im elektronischen Zeitalter (2002) 54; EU-Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MwSt), KOM (2000) 349 endg. 46 EU-Kommission, Ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem ein Programm für den Binnenmarkt, KOM (96) 328 endg. 47 Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr – Analyse der Besteuerung des Warenverkehrs im Binnenmarkt nach dem Gemeinschaftsrecht und dem österreichischen Umsatzsteuerrecht (1997) 145 f. 48 RL 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 zur Änderung und vorübergehenden Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen, ABl. L 2002/128, 41. 49 Rechtsentwicklung in: Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 42 f. Die RL 2002/38/EG galt bis zum 30. 6. 2006, wurde anschließend durch die RL 2006/58/EG und RL 2006/138/EG bis zum 31. 12. 2008 verlängert. Durch die RL 2008/8/EG gab es eine erneute Verlängerung bis zum 31. 12. 2014.

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tronische Dienstleistungen – wenn überhaupt – im Sitzstaat des leistenden Unternehmers, also außerhalb der EU, besteuert. Die Folge war, dass wenn der Drittstaat keine Besteuerung vorsah, die elektronisch erbrachten Dienstleistungen mehrwertsteuerfrei in die EU erbracht werden konnten.50 Durch die Richtlinie 2002/38/EG wurde auch ein besonderes Besteuerungsverfahren eingeführt, das Drittlandunternehmern eine vereinfachte Erklärungsform ermöglichte, das sogenannte VoES51 nach Art. 26c ff. RL 2002/38/EG und mit Änderungen nach Art. 357 ff. MwStSystRL i. d. F. 2006/112/EG52. In dem VAT-on-E-Service-­Verfahren53 (VoES) registrierte sich der Drittlandunternehmer in einem Mitgliedsstaat seiner Wahl. Der Mitgliedsstaat der Registrierung vereinnahmte die in dem jeweiligen Mitgliedsstaat anfallende Mehrwertsteuer für erbrachte elektronische Dienstleistungen und führte die eingehobene Mehrwertsteuer an die Empfängerländer i. S. d. Bestimmungslandprinzips ab.54 Die Leistungsortbestimmung für Drittlandunternehmer erfolgte nach Ar.t 58 MwSt-SystRL i. d. F. der RL 2008/8/EG55 i. S. d. Bestimmungslandprinzips. Das Bestimmungslandprinzip galt in B2C-Situationen vor dem Jahr 2015 nur originär für Drittlandunternehmer, wenn diese elektronische Leistungen erbrachten. Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen waren nicht erfasst. Allerdings wurde durch die Einführung des Art. 9 Abs. 4 i. V. m. Art. 9 Abs. 3 i. d. F. RL 2002/38/EG bestimmt, der bisher nur Telekommunikationsleistungen umfasste, dass die Mitgliedsstaaten zusätzlich den Leistungsort bei Radio- und Fernsehdienstleitungen in das Inland verschieben können, wenn eine Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung droht.56 Davon hatte das BMF gemäß § 3a Abs. 16 UStG i. d. F. BGBl II Nr. 2003/383 durch eine Verordnung Gebrauch gemacht,57 wodurch es bei Telekommunikationsdienstleistungen sowie bei Radio- und Fernseh­ dienstleistungen zu einer Verlagerung des Leistungsortes i. S. d. Bestimmungslandprinzips nach Österreich kam.58 Im Gegensatz dazu war bei B2C-Situationen für EU-Unternehmer das Ursprungslandprinzip anwendbar, das seine Gültigkeit in der Fassung des Art. 45 MwSt-SystRL i. d. F. 2008/8/EG bis zum 1. 1. 2015 behalten konnte. Für EU-Unternehmer wurde kein besonderes Besteuerungsverfahren 50

Jansen / Slagmann, Die neuen Regelungen zur Umsatzbesteuerung von elektronischen Leistungen, IStR 2003, 757 (759,760); Brenner, Umsatzsteuerliche Behandlung von E-Commerce-Leistungen, SWK 2003, 516 (519); Melhardt, Besteuerung des E-Commerce, SWK 2002, 350 (351). 51 VoES = „VAT on E-Service“. 52 RL 2006/112/EG ABl. L 2006/347, 1. 53 Teilweise auch als „One-Stop-Shop“-Verfahren bezeichnet. 54 Melhardt, SWK 2002, 350 (351). 55 RL 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/ EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl. L 2008/44, 11. 56 Kindl / Reinbacher, Ort von Dienstleistungen bei B2B-Umsätzen und B2C-Umsätzen, in: Achatz / Tumpel (Hrsg.), Leistungsort der Umsatzsteuer (2010) 169. 57 VO BGBl. II Nr. 2003/383 i. d. F. BGBl. II Nr. 2009/221. 58 Brenner, SWK 2003, 516 (517).

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

vorgesehen, auch galt i. S. d. Ursprungslandprinzips der jeweilige Mehrwertsteuersatz für in dem Mitgliedsstaat ansässige Unternehmen.59 Die unterschiedlichen Regelungen zwischen EU-Unternehmern und Drittstaatsunternehmern sowie die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze der Mitgliedsstaaten für erbrachte elek­ tronische Dienstleistungen an Verbraucher führten zu Wettbewerbsverzerrungen.60 So kam es zur Ansiedlung von in der EU ansässigen Unternehmen in Mitgliedsstaaten mit geringer Mehrwertsteuer und zu einer Benachteiligung zwischen EU- und Drittlandunternehmen.61 Die Konsequenz war, dass es aus Wettbewerbsüberlegungen und auch bei der administrativen Leistungsortermittlung des empfangenden Verbrauchers für Drittlandunternehmen günstiger war, sich in einem mehrwertsteuerniedrigen Mitgliedsstaat anzusiedeln.62 Diese Diskrepanz verdeutlichte sich bis Ende 2014 durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % in Luxemburg bei der grenzüberschreitenden B2C-Erbringung digitaler Dienstleistungen (konkret beim Verkauf von E-Books).63 Diese Besteuerungspraktik Luxemburgs wurde durch den EuGH als unionsrechtswidrig erachtet, wodurch Luxemburg verpflichtet wurde, E-Books als elektronische Leistung zu betrachten und ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz nicht mehr anwendbar war.64 2. Rechtslage nach 2015 Zum 1. 1. 2015 wurde sowohl für EU-Unternehmer als auch Drittlandunternehmer das Bestimmungslandprinzip auf Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie auf sonstigem Wege erbrachte Dienstleistungen65 ausgedehnt.66 Dadurch konnten die zuvor beschriebenen Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden.67 Nach der Einführung der neuen Regelungen im Jahr 2015 erkannte die EUKommission Handlungsbedarf. Insbesondere für Kleinstunternehmen und KMU 59

Nieskens, Gemeinschaftsrechtliche Neuregelungen zum Ort der sonstigen Leistung – Revision der §§ 3a, 3b UStG durch das sog. Mehrwertsteuerpaket –, UR 2008, 677 (681 f.). 60 Ilsley / Paucksch / Rakhan, MwStR 2014, 259 (259). 61 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (106). 62 Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 51 ff.; Pinkernell, Das Steueroasen-Dilemma der amerikanischen IT-Konzerne, IStR 2013, 180 (184). 63 Langhein, Umsatzsteuer und Steuerplanung: Die Umsatzsteuer unter organisatorischen und planerischen Gesichtspunkten (2016) 129; Kußmaul / Naumann, Grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen in der Umsatzsteuer  – Kritische Betrachtung der geltenden B2C-Regelungen –, MwStR 2016, 565 (572); Korn, Seminar E: Mehrwertsteuer und nichtansässige Unternehmer, IStR 2012, 707 (709). 64 EuGH 5. 3. 2015, C-479/13 und C-502/13, Frankreich / Kommission und Luxemburg / Kommission. 65 DVO (EU) Nr. 1042/2013 ABl. L 2013/284, 9, Erwägungsgrund 1. 66 Erläutert die Einführung der Bestimmungen: Endert / Trinks, SteuK 2013, 397 (398). 67 Mayr, Änderungen bei den sonstigen Leistungen im UStG ab 2015 – Leistungsort (Teil I), taxlex 2014, 309 (309, 310).

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(kleine und mittlere Unternehmen) verursachten die im Bestimmungsland­prinzip umgesetzten Änderungen hohe administrative Kosten bei der Ermittlung des Leistungsortes, aber auch im Bereich der Rechnungsstellung, etc.68 Dadurch waren nationale Kleinstunternehmerregelungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht anwendbar.69 Die EU-Kommission setzte sich daraufhin für Vereinfachungsregelungen bei KMU im Mehrwertsteuerbereich ein, von denen ca. 430.000 Unternehmen profitieren sollten.70 Am 5. 12. 2017 verabschiedete die EU-Kommission die Richtlinie (EU) 2017/2455, die neben der Bekämpfung der Fulfillmentproblematik auch die Reduzierung mehrwertsteuerlicher Pflichten bei grenzüberschreitenden digitalen Dienstleistungen für Kleinstunternehmen vorsah.71 Seit dem 1. 1. 2019 ist im neu eingeführten Art. 58 Abs. 2 MwSt-SystRL bzw. in Art. 3a Abs. 5 UStG72 in bestimmten Konstellationen für Kleinstunternehmer das Ursprungslandprinzip anwendbar, sodass der Steuersatz des Ansässigkeitsstaats des Unternehmers maßgeblich ist.73 Es gelten folgende Voraussetzungen i. S. d. Art. 58 Abs. 2 lit. a–c MwSt-SystRL: – Der Leistende muss in einem Mitgliedsstaat ansässig sein oder hat seinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder festen Niederlassung, seinen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Mitgliedsstaat,74 – die digitalen Dienstleistungen müssen an einen Verbraucher erbracht werden, der in einem anderen Mitgliedsstaat als der Leistende ansässig ist und – der Nettogesamtbetrag darf im laufenden Kalenderjahr nicht den Wert von 10.000 EUR überschreiten. 99 % der Unternehmen in der EU sind Mikrounternehmen oder KMU. Problematisch ist, dass es sich bei Art. 58 Abs. 2 MwSt-SystRL um eine Mussbestimmung handelt. Von Lamensch wird der Wechsel zwischen dem Pflichteintritt ins MOSS-Verfahren zu den nationalen Regelungen i. S. d. Ursprungslandprinzips als 68

EU-Kommission, Aktualisierung der Mehrwertsteuer für den elektronischen Geschäftsverkehr Fragen und Antworten vom, MEMO/16/3746, 5. 12. 2016, 2; EU-Kommission, Modernisierung der Mehrwertsteuer für den elektronischen Geschäftsverkehr: Fragen und Antworten vom, MEMO/16/3746, 5. 12. 2017, 2. 69 Prätzler / Z awadosky, JStG 2018: Übersicht und kritische Würdigung der geplanten umsatzsteuerlichen Änderungen, MwStR 2018, 636 (642). 70 EU-Kommission, Mehrwertsteuer: Kommission begrüßt Einigung über einfachere und effizientere Vorschriften für Unternehmen, die ihre Waren online vertreiben, KOM IP/17/4404. 71 RL (EU) 2017/2455 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen, ABl. L 2017/348, 7, Erwägungsgrund 3. 72 Veröffentlicht im JStG 2018 Bundesgesetzblatt I Nr. 62/2018 vom 14. 8. 2018 in Artikel 4. 73 Vellen, Neue bzw. geplante Richtlinien und Verordnungen, EU-UStB 2017, 68 (69 f.). 74 Im Unterschied zu Art. 58 Abs. 2 lit. a MwSt-SystRL, stellt die nationale Norm des Art. 3a Abs. 5 Z. 1 lit. a UStG auf das Betreiben eines Unternehmens ab und darauf, dass in einem anderen Mitgliedstaat keine Betriebsstätte bestehen darf.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

kritisch gesehen. Er ist nicht fließend und erfolgt rückwirkend.75 Auch kommt es durch die Einführung dieser Mikrounternehmerregelung zu Wettbewerbsverzerrungen für Drittlandsunternehmer. Weiter könnten sich EU-Mikrounternehmen wieder in Mitgliedsstaaten mit einem niedrigen Mehrwertsteuersatz ansiedeln.76 Eine Ausnahme für Mikrounternehmer vom Bestimmungslandprinzip ist auch nicht mit den Empfehlungen der OECD vereinbar.77 Gemäß Art. 58 Abs. 3 MwSt-SystRL bzw. Art. 3a Abs. 5 Z. 1 lit. c UStG wechselt das Ursprungslandprinzip wieder zum Bestimmungslandprinzip, sobald der Wert von 10.000 EUR überschritten wird oder der Unternehmer i. S. d. Art. 58 Abs. 3, 4 MwSt-SystRL bzw. Art. 3a Abs. 5 Z. 2 UStG auf dieses Recht für mindestens zwei Kalenderjahre verzichtet. Diese Vereinfachung für Mikrounternehmen kann auch missbräuchlich verwendet werden. Mikrounternehmen könnten ermutigt werden, die mit einer Registrierung im MOSS verbundenen erheblichen Kosten zu vermeiden, indem Einnahmen verschwiegen werden, um unterhalb des Schwellenwerts zu bleiben.78 3. Entwicklung der Einortregistrierung Das System der Einortregistrierung zum Abführen von Mehrwertsteuereinnahmen galt in Form des VoES-Verfahrens bereits seit 2003 für elektronische Dienstleistungen, die aus Drittländern an Verbraucher in der EU erbracht wurden. Für Drittlandsunternehmer war somit im Unterschied zu EU-Unternehmern das Bestimmungslandprinzip anwendbar.79 Ziel der Einführung dieses Systems war es, faire Wettbewerbsbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr zu schaffen.80 Konkret sollte der Zugang für Drittlandsunternehmer zum europäischen Markt nicht durch einen zu hohen Verwaltungsaufwand erschwert werden. Ein weiterer Aspekt war die Sicherstellung einer effektiven Besteuerung.81 Die Einführung dieses vereinfachten elektronischen Registrierungsverfahrens für den EU-Binnenmarkt lag mit den Folgearbeiten zum Ottawa Framework der OECD auf einer Linie82 und wurde später durch die von der OECD publizierten „Internationalen Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung“ bekräftigt.83 Neben einer Egalisierung von höheren Ermittlungspflichten von Steuerpflichtigen durch

75

Lamensch, IVM 2017, 137 (139, 140). Lamensch, IVM 2017, 137 (140). 77 In diesem Sinne: Lamensch, in: Herbain 142. 78 Lamensch, in: Herbain 142. 79 Brenner, SWK 2003, 516 (519). 80 RL 2002/38/EG ABl. L 2002/128, 41, Erwägungsgrund 1, 2. 81 Jansen / Slagmann, IStR 2003, 757 (760 f.). 82 OECD, Taxation and Electronic Commerce – Implementing the Ottawa Taxation Framework Conditions (2001) 72, 74. 83 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 97 ff. 76

C. Historische Entwicklung

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die Bestimmung des Leistungsorts stand aber auch von Anfang an die wirksame Implementierung geeigneter Maßnahmen zur Erhebung und Kontrolle der Mehrwertsteuer.84 Am 1. 1. 2015 wurde das Prinzip der Einortregistrierung vom VoES für Drittlandsunternehmer durch die Einführung des MOSS auf EU-Unternehmer ausgedehnt.85 Das MOSS-Verfahren steht EU-Unternehmern durch die EU-Regelung und Drittlandsunternehmer durch die Nicht-EU-Regelung zur Verfügung. Beim MOSS handelt es sich um ein Selbstdeklarierungssystem,86 das im Zuge des immer stärkeren grenzüberschreitenden Handels auch auf den B2C-Distanzhandel von Gegenständen ausgedehnt wird.87 In einem harmonisierten Mehrwertsteuersystem, insbesondere bei einem vereinfachten Besteuerungsverfahren mit einer einzigen Anlaufstelle, ist eine ausgebaute Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden für den Bereich der indirekten Besteuerung unerlässlich. Dies geschah bei der Einführung des VoES-Verfahrens zunächst durch die flankierende VO Nr. 792/200288 und später durch die VO Nr. 1798/200389. In der aktuellen Fassung zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und der Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer ist die MwSt-ZVO (Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung)90 seit dem 1. 1. 2013 in Kraft. Sie regelt sowohl die Zusammenarbeit im VoES-Verfahren bis zum 31. 12. 2014 in Art. 38 bis 42 MwSt-ZVO als auch ab dem 1. 1. 2015 die Zusammenarbeit im Rahmen des MOSS-Verfahrens mit Drittlandunternehmen und EU-Unternehmen nach Art. 43 bis 47 MwSt-ZVO.

84

OECD, Taxation and Electronic Commerce – Implementing the Ottawa Taxation Framework Conditions (2001) 50, 51. 85 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (114 f.). 86 Backu / Bayer, Mehrwertsteueränderungen in Europa – Konsequenzen für international tätige IT-Unternehmen, UStB 2014, 321 (322, 323). 87 RL (EU) 2017/2455 ABl. L 2017/348, 7. 88 VO (EG) Nr. 792/2002 des Rates vom 7. Mai 2002 zur vorübergehenden Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MWSt.) im Hinblick auf zusätzliche Maßnahmen betreffend den elektronischen Geschäftsverkehr, ABl. L 2002/128, 1. 89 VO (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92, ABl. L 2003/264, 1. 90 VO (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2010/268, 1.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen I. Identifizierung des Leistungsempfängers durch den Unternehmer Für die Entstehung einer Mehrwertsteuerpflicht und zur Ermittlung des Leistungsortes i. S. einer Dienstleistung nach Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL bzw. sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 13 UstG ist es wichtig den Status des Leistungsempfängers von digitalen grenzüberschreitenden Dienstleistungen als Nichtsteuerpflichtigen zu identifizieren. Die Eigenschaft eines Nichtunternehmers ermittelt sich bei einer Person oder Personengemeinschaft nach § 3a Abs. 5 Z. 3 UStG, indem diese Eigenschaft über den Negativkatalog des § 3a Abs. 5 Z. 1, 2 UStG definiert wird. Danach liegt keine Nichtunternehmereigenschaft vor, wenn nach § 3a Abs. 5 Z. 1 UStG eine Unternehmerschaft gemäß § 2 UStG besteht, wobei auch die nicht steuerbaren Umsätze, auf alle erbrachten sonstigen Leistungen wirken.91 Weiter liegt keine Nichtunternehmereigenschaft nach § 3a Abs. 5 Z. 2 UStG bzw. Art. 43 Abs. 2 MwSt-SystRL vor, wenn eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person eine UID (Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) hat.92 Nach Art. 13a MwSt-DVO i. V. m. Art. 58 MwSt-SystRL liegt der Leistungsort nach Buchstabe a an dem Ort, an dem Handlungen zu ihrer zentralen Verwaltung ausgeführt werden und wodurch eine Ansässigkeit begründet wird. Alternativ bestimmt sich der Leistungsort nach der Niederlassung i. S. d. Buchstaben b als Ort jeder anderen Niederlassung mit einer hinreichenden Beständigkeit und Struktur. Diese Beschreibungen geben lediglich die Grundsätze der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 10 MwSt-DVO und einer festen Niederlassung nach Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO wieder.93 Der Status des Leistungsempfängers ist aber für den leistenden Steuerpflichtigen schwierig zu ermitteln, wenn der Empfänger keine geeigneten Informationen zur Identifizierung angibt. Gemäß Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 MwSt-DVO kann der Leistende fakultativ zur Entstehung des Steuertatbestandes davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger den Status eines Nichtsteuerpflichtigen hat, wenn dieser bei der Leistungsabwicklung keine UID angibt.94

91

Siehe: Rz. 638o UStR; Ecker, in: Melhardt / Tumpel, UStG2 § 3a Rz. 85. Bezogen auf die EU-Regelung: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/ EU, 50. 93 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 51. 94 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 53 ff. 92

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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II. Leistungsarten 1. Allgemeines und Grundsatz der Unteilbarkeit Erbringt der leistende Unternehmer an einen Verbraucher Telekommunikations-­ dienstleistungen, Rundfunk- oder Fernsehleistungen oder sonstige elektronische Dienstleistungen grenzüberschreitend, so liegt der Leistungsort beim Verbraucher als Leistungsempfänger, wo er seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.95 Andere Dienstleistungen sind im Gegensatz am Ort des Dienstleistungserbringers steuerbar.96 Die Leistungsarten müssen deshalb klar voneinander abgegrenzt werden. Für eine präzisere und einheitliche Anwendung der MwStSystRL konkretisiert die tertiärrechtlich erlassene MwSt-DVO einzelne Bestimmungen.97 Die MwSt-DVO enthält für jede Leistungsart in Art. 6a, 6b, 7 und Anhang I MwSt-DVO eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen. Die Ermittlung des Leistungsortes des Verbrauchers geschieht über spezielle Vermutungen nach Art. 24 ff. MwSt-DVO, die von den einzelnen Leistungsarten abhängig sind. Die genaue Zuordnung der erbrachten Leistung zur jeweiligen Leistungsart ist deshalb für die Leistungsortbestimmung wichtig. Durch die Bestimmung der Leistungsart und der darauf aufbauenden Ermittlung des Leistungsorts ergibt sich der anzuwendende Steuersatz.98 Die einzelnen Aspekte werden aus diesem Grund in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich dargestellt. Von E-Commerce-Unternehmen werden häufig mehrere Leistungen zusammen angeboten.99 Wenn mehrere digitale Dienstleistungen zusammentreffen und diese bei der Ermittlung des Leistungsortes über einen einzigen Leistungsweg erbracht werden, ergeben sich bei der Ermittlung keine besonderen Probleme. Allerding können sich Probleme bei Mischleistungen ergeben, wenn andere körperliche Gegenstände oder andere nicht digitale Dienstleistungen zu digitalen Dienstleistungen hinzutreten. So kann eine Dienstleistung aus mehreren Elementen bestehen.100 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der einzelne Umsatz nicht in mehrere Dienstleistungen künstlich aufzuspalten. Dennoch muss anhand der wesentlichen Merkmale einer Dienstleistung geprüft werden, ob gesonderte Hauptleistungen oder eine einzige zusammenhängende Dienstleistung vorliegen.101 Bei einer Aufspaltung muss für die Kundschaft in der Nebenleistung ein eigener Zweck vorlie-

95

Mayr, taxlex 2014, 309 (309, 310). EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 17. 97 Erläutert allgemein Verordnungen und deren Rechtsvereinheitlichungscharakter, was auch auf die MwSt-DVO übertragbar ist. Schaumburg, Rechtsquellen des Europäischen Steuerrechts, in: Schaumburg / Englisch (Hrsg.), Europäisches Steuerrecht (2015) 41, 45 f. 98 Heuser, Umsatzsteuerliche Ortsverlagerung bei elektronischen Dienstleistungen ab 2015 – Anpassung der IT-Systeme rechtzeitig starten, BBK 2014, 197 (198). 99 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (107). 100 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 24. 101 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 24. 96

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

gen. Diese darf jedoch nicht nur ein Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.102 2. Telekommunikationsleistungen Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH sind Telekommunikationsleistungen weit auszulegen und umfassen neben der Übertragung von Signalen auch alle Leistungen, die durch eine Übertragung von Signalen ermöglicht werden.103 Dies kommt auch in Art. 24 Abs. 2 MwSt-SystRL zum Ausdruck. Art. 6a Abs. 1 MwSt-DVO enthält die folgenden Regelbeispiele für Telekommunikationsdienstleistungen i. S. d. Art. 24 Abs. 2 MwSt-SystRL, auf nationaler Ebene umgesetzt in UStR Rz. 641o: a. Festnetz- und Mobiltelefondienste zur wechselseitigen Ton-, Daten- und Videoübertragung einschließlich Telefondienstleistungen mit bildgebender Komponente (Videofonie); b. über das Internet erbrachte Telefondienste einschließlich VoIP-Diensten (Voice over Internet Protocol); c. Sprachspeicherung (Voicemail), Anklopfen, Rufumleitung, Anruferkennung, Dreiwegeanruf und andere Anrufverwaltungsdienste; d. Personenrufdienste (Paging-Dienste); e. Audiotextdienste; f. Fax, Telegrafie und Fernschreiben; g. den Zugang zum Internet einschließlich des World Wide Web; h. private Netzanschlüsse für Telekommunikationsverbindungen zur ausschließlichen Nutzung durch den Dienstleistungsempfänger. Gemäß Art. 6a Abs. 2 MwSt-DVO sind elektronisch erbrachte Dienstleistungen sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen nicht im Tatbestand der Telekommunikationsdienstleistungen umfasst. Zur Abgrenzung von Telekommunikationsdienstleistungen zu elektronisch erbrachten Dienstleistungen geht die EU-Kommission in ihren Erläuterungen gesondert auf Helpdesk-Dienstleistungen ein. In der Abgrenzung handelt es sich beispielsweise bei einem Telefon-Helpdesk nicht um elektronische Dienstleistungen nach Art. 7 Abs. 3 lit. n MwSt-DVO, sondern um Telekommunikationsdienstleistungen. Dazu müssen diese Dienstleistungen eigenständig erbracht werden, dürfen kein Mittel für eine bessere Auswertung der erbrachten Hauptleistung darstellen und müssen mit dieser eng verbunden 102 103

Grundlegend: EuGH 25. 2. 1999, C-349/96, Card Protection Plan. EuGH 3. 5. 2012, C-520/10, Lebara / H MRC.

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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sein.104 Liegen keine eigenständigen Leistungen vor, unterliegen diese derselben steuerlichen Behandlung.105 3. Rundfunk- und Fernsehleistungen Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen umfassen nach Art. 6b Abs. 1 MwStDVO audio- und audiovisuelle Inhalte wie Rundfunk- oder Fernsehsendungen, die auf der Grundlage eines Sendeplans über Kommunikationsnetze durch einen Mediendienstanbieter unter dessen redaktioneller Verantwortung der Öffentlichkeit zum zeitgleichen Anhören oder Ansehen zur Verfügung gestellt werden. Der Begriff der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen ist nach 642k UStR 2000 eng auszulegen. Nach Erwägungsgrund zwei der VO Nr. 1042/2013 orientiert sich das Konzept der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an der Richtlinie 2010/13/ EU106 und sollte unter Bezugnahme darauf präzisiert werden. Nach Art. 6b Abs. 2 MwSt-DVO sind unter Absatz 1 folgende, nicht abschließende, Regelbeispiele zu verstehen: a. Rundfunk- oder Fernsehsendungen, die über einen Rundfunk- oder Fernseh­ sender verbreitet oder weiterverbreitet werden; b. Rundfunk- oder Fernsehsendungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netzwerk (IP-Streaming) verbreitet werden, wenn sie zeitgleich zu ihrer Verbreitung oder Weiterverbreitung durch einen Rundfunk- oder Fernseh­ sender übertragen werden. Die EU-Kommission verweist insbesondere auf die redaktionelle Verantwortung des Leistenden, um eine Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung zu begründen, da ansonsten elektronische Dienstleistungen vorliegen. Diese Differenzierung ist insofern wichtig, da Rundfunk- oder Fernsehdienstleistungen in einigen Mitgliedsstaaten im Gegensatz zu elektronischen Dienstleistungen einem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Für eine weitere Abgrenzung zu elektronischen Dienstleistungen müssen bei einer Verbreitung über das Internet die audio- und audiovisuellen Inhalte dem Leistungsempfänger synchron zur Verfügung gestellt werden. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei „Pay-per-View“ um eine elektronische Dienstleistung, da der Leistungsempfänger die Dienstleistungen nach Wunsch abrufen kann.107 Zur weiteren Abgrenzung enthält Art. 6b Abs. 3 MwSt-DVO einen Katalog mit Negativbeispielen, der in UStR 641p übernommen wurde. 104

EuGH 13. 3. 2014, C-366/12, Klinikum Dortmund / Finanzamt Dortmund. EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 21. 106 RL 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 2010/95, 1. 107 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 18 f., 21. 105

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

4. Sonstige auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen a) Allgemeine Erläuterungen Im Sinne von § 3a Abs. 13 UStG bzw. Art. 58 Abs. 1 lit. c MwSt-SystRL und Art. 7 Abs. 1 MwSt-DVO muss eine sonstige auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt sowie ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre. In einem Arbeitspapier hat die EU-Kommission betont, dass alle vier Voraussetzungen der Definition vorliegen müssen, um eine elektronisch erbrachte Dienstleistung zu begründen.108 Um eine bessere Greifbarkeit der Definition zu gewährleisten, nennt Art. 7 Abs. 2 MwSt-DVO folgende Dienstleistungen als Regelbeispiele: a. Überlassung digitaler Produkte allgemein, z. B. Software und zugehörige Änderungen oder Upgrades; b. Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken, z. B. eine Website oder eine Webpage, vermitteln oder unterstützen; c. von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Daten­ inputs des Dienstleistungsempfängers; d. Einräumung des Rechts, gegen Entgelt eine Leistung auf einer Website, die als Online-Marktplatz fungiert, zum Kauf anzubieten, wobei die potenziellen Käufer ihr Gebot im Wege eines automatisierten Verfahrens abgeben und die Beteiligten durch eine automatische, computergenerierte E-Mail über das Zustandekommen eines Verkaufs unterrichtet werden; e. Internet-Service-Pakete, in denen die Telekommunikations-Komponente ein ergänzender oder untergeordneter Bestandteil ist (d. h. Pakete, die mehr ermöglichen als nur die Gewährung des Zugangs zum Internet und die weitere Elemente wie etwa Nachrichten, Wetterbericht, Reiseinformationen, Spielforen, Webhosting, Zugang zu Chatlines usw. umfassen); f. die in Anhang I genannten Dienstleistungen. Gegenbeispiele sind in Art. 7 Abs. 3 MwSt-DVO definiert. Die Liste in Art. 7 Abs. 2 lit. f MwSt-DVO i. V. m. Anhang I enthält eine Positivliste mit weiteren Spezifizierungen. Die Formulierung „… fällt insbesondere …“ in Art. 7 Abs. 2 MwStDVO deutet darauf hin, dass es sich bei Absatz 2 sowie bei Anhang I um keine abschließende Liste handelt. Im Gegensatz dazu steht Art. 7 Abs. 3 MwSt-DVO, 108

Value Added Tax Comittee, Working Paper No 843, KOM taxud.c.1 (2015) 694775, 3.

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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der Negativbeispiele mit einer abschließenden Aufzählung enthält.109 Sonstige elektronische Dienstleistungen sind von Lieferungen und anderen sonstigen Leistungen, die über das Internet abgewickelt werden, abzugrenzen. Sobald eine elektronische Dienstleistung auf einem körperlichen Gegenstand (Datenstick oder DVD, CD) gespeichert wird, liegt keine sonstige auf elektronischem Wege erbrachte Leistung mehr vor.110 Da die Abgrenzung zwischen einer sonstigen Leistung und einer auf elektronischem Wege erbrachten sonstigen Dienstleistung meist schwierig ist, normiert Art. 58 Abs. 1 S. 2 MwSt-SystRL klarstellend: „Kommunizieren Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger über E-Mail miteinander, bedeutet dies allein noch nicht, dass die erbrachte Dienstleistung eine elektronisch erbrachte Dienstleistung wäre.“ Da es sich bei dieser Leistungsart um einen Auffangtatbestand handelt, die Reichweite der Vorschrift entsprechend weit ist und damit vielfältige Leistungen erfasst,111 wird für eine genauere Abgrenzung auf die einzelnen Merkmale der oben genannten Definition näher eingegangen. b) Automatisierte Leistungserbringung über ein elektronisches Netzwerk Als erste Tatbestandsvoraussetzung muss die Leistungserbringung über ein elektronisches Netz erfolgen. Grundsätzlich ist die Nutzung des Internets zur Geschäftsanbahnung für eine mehrwertsteuerliche Beurteilung irrelevant.112 Maßgeblich ist auch nicht die Leistungsübermittlung, sondern wie der Leistungsvorgang abgewickelt wird.113 So normiert Art. 58 Abs. 1 S. 2 MwSt-SystRL wie oben dargestellt, dass bei einer Erbringung über E-Mail (z. B. eine Datei wird per E-MailAnhang versandt) die Leistung zwar über ein elektronisches Netzwerk erbracht wird, allerdings in diesem Fall keine elektronische Dienstleistung vorliegen kann. Auch stellen eine Bestellung im Internet und der anschließende Versand einer körperlichen Ware im Offline-E-Commerce keine Leistungserbringung über ein elektronisches Netzwerk dar.114 Dass allein der Leistungsvorgang für das Vorliegen des Merkmals der Informationstechnologie entscheidend ist, wird durch Art. 7 Abs. 3 lit. t, u MwSt-DVO115 sowie durch die EU-Kommission bestätigt. Danach können online gebuchte Dienstleistungen materieller Art, wie zum Beispiel Veranstaltungen auf dem Ge 109

Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (107). Ilsley / Paucksch / Rakhan, MwStR 2014, 259 (260). 111 Luther / Sailer, UR 2016, 81 (82). 112 Luther / Sailer, UR 2016, 81 (83). 113 Bezug zur Vorgängernorm: Lange, Umsatzsteuerrechtliche Aspekte des E-Commerce, UR 2000, 409 (410). 114 Luther / Sailer, UR 2016, 81 (83). 115 Art. 7 Abs. 3 lit. t MwSt-DVO verweist auf ähnliche Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaft, des Unterrichts und der Unterhaltung. Art. 7 Abs. 3 lit. u umfasst ähnliche Dienstleistungen wie Beherbergungsleistungen, Mietwagen, Restaurantdienstleistungen und Personenbeförderungsdienste. 110

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

biet des Sports, der Wissenschaft, etc. keine elektronischen Dienstleistungen sein. Auch wenn die Vertragsabwicklung automatisiert funktioniert, so werden diese nicht über ein elektronisches Netzwerk erbracht.116 Wie gerade dargestellt, ist ein weiteres damit zusammenhängendes Merkmal die im Wesentlichen automatisierte Erbringung. Zur genaueren Bestimmung, ob das Merkmal vorliegt, kommt es erneut darauf an, wie die Leistung erbracht und ausgeführt wird. In der deutschen Rechtsprechung wurde der Begriff der automatisierten Leistungserbringung bei Partnervermittlungsplattformen näher definiert. Eine automatisierte Erbringung liegt demnach vor, wenn die Internetplattform ohne menschliches Zutun eine rein elektronische Such- und Filterfunktion für die Vermittlung von Kontakten zur Verfügung stellt.117 Beispielsweise werden entgeltliche Preisvergleichsdienste oder die Abfrage von Datenbanken normalerweise automatisiert erbracht und sind deshalb als elektronische Dienstleistungen zu bezeichnen,118 wenn die anderen Komponenten auch vorliegen. c) Merkmal der minimalen menschlichen Beteiligung Das einhergehende Merkmal zur Automatisierung ist das Tatbestandsmerkmal der minimalen menschlichen Beteiligung. Dabei erweist sich meist der Grad der menschlichen Beteiligung bei der Leistungsabwicklung als das schwierigste und damit das wichtigste Kriterium.119 Bei der bloßen zahlungspflichtigen Abfrage einer automatisierten Datenbank liegt unzweifelhaft eine minimale menschliche Beteiligung vor.120 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn bei der Leistungserbringung ein menschlicher Beitrag inkludiert ist. In diesem Zusammenhang erläuterte das Value Added Tax Committee der EU-Kommission im Jahr 2015, dass der Ausgangspunkt einer Auslegung die Leistung an sich sei.121 Später wurde der Aspekt der minimalen menschlichen Beteiligung durch das Value Added Tax Committee erneut konkretisiert. Zwar ist der Angelpunkt die eigentliche Leistung, umfasst aber auch auf die in unmittelbarem Zusammenhang stehende Leistungsabwicklung und -erbringung.122 Der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) formte im Jahr 2016 bei auf elektronischen Weg erbrachten sonstigen Leistungen den Begriff der minimalen menschlichen Beteiligung weiter aus. Streitgegenstand war die Frage, ob von der Klägerin eine Dienstleistung i. S. einer elektronisch er 116

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 23. Zwar zur alten Rechtslage der „elektronisch erbrachten Dienstleistungen“ entschieden, aber übertragbar auf die neue Rechtslage seit 2015: BFH v. 1. 6. 2016 – XI R 29/14 = Weigel, Partnervermittlung im Internet als „auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung“, UStB 2016, 289 (290 f.). 118 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 22. 119 In diesem Sinne: Luther, Rechtsprechung: Lieferung, sonstige Leistung, UR 2016, 789 (795). 120 Luther / Sailer, UR 2016, 81 (84). 121 Value Added Tax Comittee, KOM taxud.c.1 (2015) 694775, 6. 122 Value Added Tax Comittee, Working Paper No 896, KOM taxud.c.1 (2016) 922288 – EN, 6. 117

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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brachten Dienstleistung nach § 3a Abs. 4 Nr. 14 dUStG a. F. erbracht worden war. Die Klägerin hatte für in Deutschland erzielte Umsätze keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben.123 d) Höchstgerichtliche Ausformung des Merkmals der minimalen menschlichen Beteiligung aa) Sachverhalt und Entscheidung der Vorinstanz Die Klägerin war in den Vereinigten Staaten ansässig und erbrachte ohne nennenswerte Betriebs- oder Managementpräsenz den Zugang zu sexuellen Kontaktbörsen für Verbraucher in Deutschland. Für eine monatliche Mitgliedsgebühr erhielten die Kunden Zugang zu in der Plattform enthaltenen Communities. Teilnehmer konnten in diesen Communities andere Profile suchen und einsehen. Daneben unterhielt die Klägerin eine Beschwerde-Hotline. Außerdem wurden durch Mitarbeiter Mitgliederaktivitäten kontrolliert und soweit notwendig sanktioniert. Außerdem erfolgte eine Bewertung der Mitgliederprofile. Das wesentliche Leistungsbündel war aus Sicht der Klägerin die Zurverfügungstellung einer Community, die über eine bloße Informationsüberlassung hinausgeht. Zusätzlich wurde unterstrichen, dass mehr als nur ein minimales menschliches Zutun vorliegt, weil die Mitarbeiter umfangreich die Communities betreuten. Die Klägerin trug vor, das unter anderem aus diesen Gründen keine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung anzunehmen sei und sich deshalb der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 dUStG in den Vereinigten Staaten befinde, weshalb eine Umsatzsteuerpflicht in Deutschland zu verneinen sei. Demgegenüber wendete das beklagte Finanzamt ein, dass der Zugang zu den Inhalten der Internetseite sowie Teilnehmerprofilen ohne eine menschliche Beteiligung und damit automatisiert erfolgt.124 In der Erstinstanz wies das Finanzgericht Köln die Klage ab. Im Zusammenhang mit dem Merkmal der minimalen menschlichen Beteiligung verwies das Gericht auf den Zugang der Teilnehmer zur umfangreichen Datenbank von Teilnehmerprofilen, die ohne einen automatisierten Prozess nicht möglich wäre. Die menschlichen Leistungen durch die Klägerin seien nur vorbereitender oder sichernder Natur und daher nicht Teil der Hauptleistung. Das Merkmal der nur minimalen menschlichen Beteiligung sei daher erfüllt.125 In der Revision rügte die Klägerin die Entscheidung des Gerichts. Der Begriff der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen sei enger auszulegen. Insbesondere die Überprüfung von Profilen durch Mitarbeiter gehe über das Merkmal einer minimalen menschlichen Beteiligung hinaus.126 123

BFH v. 1. 6. 2016 – XI R 29/14. FG Köln, Urteil vom 14. 05. 2014 – 9 K 3338/09, Rn. 4–31. 125 FG Köln, Urteil vom 14. 05. 2014 – 9 K 3338/09, Rn. 32 ff. 126 Weigel, UStB 2016, 289 (289). 124

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

bb) Entscheidung des Bundesfinanzhofs Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Köln als unbegründet ab.127 Das Merkmal der nur minimalen menschlichen Beteiligung sah das Gericht bei der Leistungserbringung als gegeben an. Maßgeblich ist der eigentliche Leistungsvorgang, das bedeutet, wie die Leistung tatsächlich vorgenommen wird. Für die Teilnehmer der Communities ergibt sich als Leistungsbild eine vollständig automatisierte Suche bzw. Kontaktaufnahme. Die menschliche Beteiligung der Teilnehmer durch den Suchvorgang untereinander stellt ebenfalls keinen Bestandteil der erbrachten Leistung dar und ist deshalb nicht entscheidend für das Merkmal der nur minimalen menschlichen Beteiligung. Ebenfalls ist die Inbetriebnahme eines elektronischen Systems oder dessen Wartung keine wesentliche menschliche Beteiligung.128 Als Folge musste die Klägerin als Drittlandsunternehmer nach § 3a Abs. 4 Nr. 14 dUStG a. F. die Mehrwertsteuer in Deutschland entrichten. cc) Bewertung Durch die höchstgerichtliche Entscheidung des BFH wurde erstmalig der Grad der menschlichen Beteiligung definiert.129 Auch wenn sich die Rechtsgrundlage der elektronischen erbrachten Dienstleistung und das Merkmal der minimalen menschlichen Beteiligung auf eine Rechtslage vor 2015 beziehen, sind diese Merkmale auf die aktuelle Rechtslage übertragbar. Der Tatbestand der elektronisch erbrachten Dienstleistungen wurde zum 1. 1. 2015 um Telekommunikations- und Rundfunkund Fernsehleistungen erweitert.130 In der Literatur wurde bemängelt, dass die BFH „Alles-oder-nichts“ Auslegung der minimalen menschlichen Beteiligung den Aspekt des Leistungsumfangs nur minimal außer Acht lässt. Auch ist es nicht sachgerecht, die Betrachtung des Zeitpunkts der Leistung auf die Sicht des Kunden zu beschränken, da somit andere Leistungselemente über längere Zeiträume unberücksichtigt bleiben.131 Luther stellt fest, dass die Entscheidung des BFH wesentlich auf der Datenbankabfrage als Leistungsbestandteil aufbaut. Er schlussfolgert daraus, dass wenn die Mitarbeiter in die Kontaktsuche stärker involviert gewesen wären, keine elektronisch erbrachte Leistung vorgelegen hätte.132 Wie auch Grambeck unterstreicht, ist der BFH auf einer Linie mit dem Value Added Tax Committee. Maßgeblich bei der 127

BFH v. 1. 6. 2016 – XI R 29/14, Tenor. BFH v. 1. 6. 2016 – XI R 29/14, Rn. 44–48. 129 Verweist auf die Situation: Luther / Sailer, UR 2016, 81 (84). 130 Endert / Trinks, SteuK 2013, 397 (398). 131 Grambeck, Auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen – Eine neue Großbaustelle im Umsatzsteuerrecht, NWB 2016, 3931 (3935). 132 Luther, UR 2016, 789 (795). 128

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Beurteilung der menschlichen Beteiligung ist das Abstellen auf den Zeitpunkt und die Erkennbarkeit aus Sicht des Kunden. Ebenfalls wird zu Recht die Frage aufgeworfen, ab welchen Grad eine mehr als nur minimale menschliche Beteiligung vorliegt.133 Der BFH hat durch seine „Alles-oder-nichts“ Auslegung eine einfache und handhabbare Regelung geschaffen. Sobald aus Sicht des Kunden erkennbar eine menschliche Beteiligung zum Zeitpunkt der Leistungsabwicklung vorliegt, ist eine elektronisch erbrachte Dienstleistung zu verneinen. Es verbleiben Zweifelsräume, welche Sicht des Kunden auf die eigentliche Leistungsabwicklung zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheidend ist. Bei längeren Zeiträumen und Leistungsvorgängen (beispielsweise mehrere Downloadvorgänge) wäre auf die Initiierung der Leistungsabwicklung abzustellen. e) Merkmal der Informationstechnologie Nicht zu vernachlässigen ist als letztes Merkmal die Informationstechnologie. Es soll die trennscharfe Abgrenzung von Online- zu Offline-E-Commerce sicherstellen und elektronische Dienstleistungen von ähnlichen Leistungen abgrenzen. Im Fokus für die Einordnung dieses Merkmals steht wieder die Erbringung der Leistung und Ausführung.134 Dadurch tritt die eigentliche Auswertung und Nutzung der Dienstleistung durch den Verbraucher in den Hintergrund, wodurch erneut der Weg der Leistungserbringung maßgeblich ist.135 Als Bestandteil der Leistungserbringung zählt beim Einsatz von Informationstechnologie auch die Kommunikation mit dem Kunden. Eine einschränkende Interpretation dieses Merkmals wird von Vellen vorgenommen. Danach sollen nur wesensmäßig über das Internet zu erbringende Leistungen erfasst werden.136 Diese Interpretation wird von Luther / Sailer aufgrund einer zu starken Einengung des Auslegungsfokus und des entgegenstehenden Richtlinienzwecks abgelehnt.137 Eine Leistungserbringung ohne Internetnutzung kann somit gedanklich möglich sein, da das wesentliche Merkmal das Erfordernis der Informationstechnologie ist.

133

Grambeck, NWB 2016, 3931 (3934, 3935). Value Added Tax Comittee, KOM taxud.c.1 (2015) 694775, 6. 135 Übertragbar auf die aktuelle Rechtslage: Nieskens, Umsatzsteuerliche Änderungen im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, UR 2003, 313 (321 f.). Verdeutlicht die Unterscheidung Offline- und Online-E-Commerce. Beste Verdeutlichung durch; „Vielmehr ist die Modalität der Leistungserbringung, also der eingeschlagene elektronische Weg, ausschlaggebend.“ 136 Übertragbar auf die aktuelle Rechtslage: Vellen, Neue EU-Rechtsakte zur Umsatzbesteuerung des Elektronischen Geschäftsverkehrs, UR 2003, 53 (57, 58). Bezieht sich auf das Beispiel des Fernunterrichts, dass mit einer menschlichen Komponente versehen ist, aber in der Leistungsabwicklung Online anstatt Offline erbracht wird. 137 Luther / Sailer, UR 2016, 81 (84 f.). 134

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Entscheidend dafür ist die tatsächliche Ausführung der Leistung, und eben nicht wie die Leistung anschließend genutzt wird.138 Beispielsweise könnte ein Überwachungsdienst auch den Eigentümer über eine Störung automatisiert unterrichten, ohne dass das Internet zwischengeschaltet ist.139

III. Zurechnung der Steuerpflicht bei Vermittlern 1. Besonderheiten der digitalen Lieferkette Bei der Leistungsabwicklung und -erbringung an einen Verbraucher in der digitalen Wirtschaft sind sehr häufig mehrere Unternehmer involviert, die unterschiedliche Leistungsanteile erbringen.140 Die Ermittlung nach dem letzten, verantwortlich leistenden Unternehmer als Mehrwertsteuerpflichtigen kann komplex werden. Ein Mehrwertsteuersystem muss sich deshalb diesen Gegebenheiten anpassen und rechtssicher identifizieren, welcher Unternehmer für die Mehrwertsteuer in der digitalen Lieferkette verantwortlich ist.141 Viele digitale Dienstleistungen, die über ein Telekommunikationsnetz,142 eine Schnittstelle143 oder ein Portal144 (z. B. einen AppStore) an einen Verbraucher erbracht werden, sind von einem sogenannten Vermittler i. S. d. Art. 9a MwSt-DVO bereitgestellt. Der Beteiligungsgrad der Parteien an der digitalen Leistungsabwicklung kann schwanken und ist nicht auf eine bestimmte Konstellation beschränkt. Die EU-Kommission verweist in diesem Zusammenhang in ihren Erläuterungen auf Schwierigkeiten bei der Ermitt 138 Treiber, Zum Vorliegen von „auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen“ beim Bereitstellen einer Datenbank („Suchmaschine“) im Internet, DStR 2016, 2097 (2101). 139 Beispiel i. S. von: Luther / Sailer, UR 2016, 81 (84). 140 Grambeck, Neuer Leistungsort bei elektronischen Dienstleistungen ab 2015 – Grundsätzliche Herausforderungen für die Unternehmen und Anmerkungen zur Zukunft der sog. Branchenlösung –, UR 2013, 241 (244 f.). 141 In diesem Sinne: Claessens / Corbett, Intermediated Delivery and Third-Party Billing: Implications for the Operation of VAT Systems around the World, in: Lang / Lejeune (Hrsg.), VAT / GST in a Global Digital Economy (2015) 61. 142 Telekommunikationsnetze sind Netzwerke, die für die Ton- und Datenübertragung genutzt werden können. Sie umfassen Kabelnetze, Telefonnetze und Netzwerke von InternetDiensteanbietern (ISP), sind aber nicht darauf beschränkt. Sie sollten alle Einrichtungen einschließen, die den Zugriff zu Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischen Diensten ermög­lichen. Erfasst in Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 16. 143 Der Begriff Schnittstelle umfasst ein Portal, ist jedoch ein weiter gefasstes Konzept. Im Kontext der elektronischen Datenverarbeitung ist sie als Gerät oder Programm zu verstehen, dass die Kommunikation zwischen zwei unabhängigen Systemen oder zwischen einem System und dem Endanwender ermöglicht. Erfasst in Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 16. 144 Als Portal wird jegliche Art von elektronischen Shops, Websites oder ähnlichen Umgebungen bezeichnet, die dem Verbraucher elektronische Dienstleistungen direkt anbieten, ohne ihn für die Abwicklung des Vorgangs z. B. auf die Website oder das Portal eines anderen Dienstleistungserbringers umzuleiten. Verbreitete Beispiele für Portale sind Appstores, elek­ tronische Marktplätze und Websites, die elektronische Dienstleistungen zum Verkauf anbieten. Erfasst in Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 16.

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lung eines Leistenden der mehrwertsteuerpflichtig ist, wenn Lieferketten lang und grenzüberschreitend sind.145 Entstünde die Mehrwertsteuerpflicht beim Entwickler von elektronischen Dienstleistungen, dann wäre es für Entwickler schwierig bei der letztendlichen Leistungserbringung an den Verbraucher alle notwendigen Informationen zur Bestimmung des Leistungsorts und des Status des Empfängers zu ermitteln.146 Vor der Einführung des Bestimmungslandprinzips im Jahr 2015 war nicht immer klar, wer Leistender war und die Mehrwertsteuerpflicht tragen musste. So kamen beim Verkauf von Apps der Entwickler sowie der Appstorebetreiber in Betracht und viele App-Storebetreiber verlagerten die Mehrwertsteuerpflicht auf die Entwickler.147 In dieser Gemengelage hat die EU-Kommission eine Regelung durch die Verordnung 1042/2013 vom 7. 10. 2013148 in Art. 9a MwSt-DVO etabliert, die zu einer Konzen­ tration von Mehrwertsteuerpflichten bei wenigen Unternehmern und zu komplexen Normen führt. Insbesondere die in Art. 9a MwSt-DVO enthaltenen Ausnahmen führen dazu, dass Zahlungsdienstleister von der Regelung ausgenommen wurden. Neben einer Darstellung des rechtlichen Rahmens wird die Frage aufgeworfen, ob die Vermittlerlösung bei digitalen Dienstleistungen ein geeigneter Weg ist. 2. Allgemeines zur Zurechnung der Mehrwertsteuerpflicht in der digitalen Leistungskette Die MwSt-SystRL stellt für die Identifizierung des Mehrwertsteuerpflichtigen bei digitalen Dienstleistungen, die in Lieferketten über Vermittler an Verbraucher erbracht werden, keine spezielle Vorschrift zur Verfügung. Nach Art. 28 MwStSystRL werden Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt, als ob sie die Dienstleistung selbst erhalten oder erbracht haben. Es wird eine Leistungskette fingiert.149 Problematisch ist, dass meist bei der Erbringung von elektronischen Dienstleistungen der Anbieter, also der Appstore nicht in eigenem Namen auftritt. Der Appstore stellt lediglich die Infrastruktur zur Verfügung. Als Folge ist die Dienstleistungskommission nicht anwendbar.150 In Art. 9a MwSt-DVO wird durch eine doppelte Fiktion bei der Erbringung der elektronischen Dienstleistung die 145 Mit Beispielen zu typischen Lieferwegen: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 25 f. 146 Claessens / Corbett; in: Lang / Lejeune 63 f. 147 Erläuternd: Endert / Trinks, SteuK 2013, 397 (400). 148 DVO (EU) Nr. 1042/2013 ABl. L 2013/284, 9. 149 Höink, Umsatzsteuer und Apps, in: Solmecke / Taeger / Feldmann (Hrsg.), Mobile Apps: Rechtsfragen und rechtliche Rahmenbedingungen (2013) 336. 150 Bezieht sich auf die deutsche Rechtslage vor 2015, die aber sinngemäß auf die österreichische Rechtslage zur Dienstleistungskommission übertragbar ist: Blaufus / Freyer / Trinks, Umsatzbesteuerung elektronischer Dienstleistungen  – Praktische Probleme einer gesetzeskonformen Besteuerung, DStR 2011, 2269 (2273).

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Dienstleistungskommission nach § 3a Abs. 4 UStG angenommen.151 Nach Ansicht der EU-Kommission ist die Rechtslage des Art. 9a MwSt-DVO inhaltlich identisch zu Art. 28 MwSt-SystRL.152 Zum Vorliegen der Fiktion einer Dienstleistungskommission hat der EuGH die Maßgeblichkeit von Art. 28 MwSt-SystRL gegenüber weitergehenden nationalen Fiktionen betont.153 Claessens / Corbett ziehen daraus den Schluss, dass die Interpretation des Art. 28 MwSt-SystRL und damit auch die Interpretation des Art. 9a MwSt-DVO ausschließlich auf der Auslegung von EURecht und nicht auf nationalen Gesetzen basieren sollte.154 3. Vermittlerregelung des Art. 9a MwSt-DVO Nach Art. 9a Abs. 1 Unterabs. 1 MwSt-DVO greift bei der Erbringung von elektronisch erbrachten Dienstleistungen über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal wie einen Appstore die widerlegbare Vermutung, dass der Mehrwertsteuerpflichtige i. S. d. Art. 28 MwSt-SystRL im eigenen Namen, aber für Rechnung des Anbieters dieser Dienstleistungen tätig ist. Die Vermutungswirkung greift dabei auf jeder Ebene der Leistungskette, bei der ein Vermittler als Empfänger von elektronischen Dienstleistungen gilt und diese dann weiter erbringt.155 Wird die elektronische Dienstleistung an einen Verbraucher und damit Nichtunternehmer erbracht, so ist der letzte Vermittler in der Leistungskette, der nunmehr der Nächste in der Leistungskette an den Endverbraucher ist,156 nach Art. 9a MwSt-DVO für die Abführung der Mehrwertsteuer an das Bestimmungsland verantwortlich.157 Die EU-Kommission wollte die Besteuerung möglichst nah am Endverbraucher durchführen, um zu gewährleisten, dass alle notwendigen Informationen vorliegen, damit der Verbraucher und der Leistungsort nach Art. 24 ff. MwSt-DVO bestimmt werden kann.158 Bei der Beurteilung, ob ein Vermittler als Mehrwertsteuerpflichtiger in der Leistungskette beteiligt ist, müssen der Sachverhalt und die Art der Vertragsbeziehungen geprüft werden. Besteht eine Diskrepanz zwischen dem Sachverhalt und den Vertragsbeziehungen, so ist ausschließlich die wirtschaftliche Realität maßgeblich.159 Ein Vermittler ist zweifellos „… an der Erbringung …“ nach Art. 9a MwSt-DVO beteiligt, wenn ein Mehrwertsteuerpflich 151

Von der deutschen Rechtslage übertragen: Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (566). EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 26 f. 153 EuGH 14. 7. 2011 Rs. C-464/10, Pierre Henfling et al. / État belge Rz. 43. 154 Claessens / Corbett, in: Lang / Lejeune 73. 155 Claessens / L ejeune, Taxation of B2C TBE Services under EU VAT from 2015, IVM 2014, 7 (9). 156 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr 1042/2013/EU, 26 f., 39. 157 Sterzinger, Beabsichtigte Änderungen des UStG durch das StÄndAnpG-Kroatien, UStB 2014, 184 (185); Sterzinger, Änderungen des Umsatzsteuergesetzes durch das Kroatien-Steuerrechtsanpassungsgesetz, UR 2014, 797 (797). 158 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 39. 159 Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (567); Grambeck, Umsatzbesteuerung von elek­ tronischen Dienstleistungen – Eine kritische Auseinandersetzung mit der Neuregelung und ein Blick ins Drittland, NWB 2014, 3230 (3238). 152

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tiger die Abrechnung mit dem Empfänger einer elektronischen Dienstleistung autorisiert, die Erbringung der Leistung genehmigt und / oder die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegt. Diese Eigenschaft des Vermittlers kann auch nicht durch die Widerlegung der Vermutung nach Art. 9a Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO beseitigt werden. Liegt nur eine der oben genannten Bedingungen vor, so ist stets davon auszugehen, dass der Vermittler im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen Steuerpflichtigen tätig wird und damit Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO anwendbar ist.160 Als Vermittler unter den Bedingungen des Absatz 1 gelten nach Art. 9a Abs. 2 MwSt-DVO auch Telefondienste, die über das Internet erbracht werden sowie einschließlich VoIP-Dienste, wenn diese über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal wie einen Appstore erbracht werden. Weil Telefondienste auch über Vermittler erbracht werden können, ist in diesem Bereich eine eindeutige Zurechnung der Mehrwertsteuerpflicht notwendig.161 Art. 9a MwSt-DVO erfasst keine Rundfunk- und Fernsehleistungen nach Art. 6b MwSt-DVO. Da Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen eine enge redaktionelle Verantwortung voraussetzen, kann der Vermittler nach Art. 9a MwStDVO kein Dienstleistungserbringer von Rundfunk- und Fernsehleistungen sein.162 4. Widerlegung der Vermutung und Ausnahmen Nach Art. 9a Abs. 1 Unterabs. 1 MwSt-DVO kann die Vermutung widerlegt werden, wenn der Anbieter einer elektronischen Dienstleistung „… von dem Steuerpflichtigen ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt.“ Hat der Vermittler die Vermutung des Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO widerlegt, so gilt er nicht mehr als Leistender und ist auch zur Abführung der Mehrwertsteuer nicht verpflichtet.163 Für die ausdrückliche Nennung des Leistungserbringers durch den Steuerpflichtigen nach Art. 9a Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a und b MwSt-DVO müssen folgende kumulativ notwendigen Bedingungen vorliegen:164 – Zunächst müssen auf der von jedem an der Erbringung der Dienstleistung beteiligten Steuerpflichtigen ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnung die betreffende Dienstleistung und der Erbringer der Dienstleistung angegeben werden (mit einem ausreichend deutlichen Hinweis, in einfachen B2C-Verhältnissen ist nur eine Mehrwertsteuerrechnung notwendig). 160

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 37, 38. EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 47. 162 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 48 f. 163 Maunz / Wobst, Branchenlösung heute und morgen – Unionsrechtswidrigkeit von § 45h TKG –, UR 2013, 773 (778). Der Artikel bezieht sich auf die Dienstleistungskommission und damit indirekt auf die Entstehung einer Mehrwertsteuerpflicht. 164 Hammerl, Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von elektronisch erbrachten Dienstleistungen am Beispiel von digitalen Vertriebsplattformen (2016) 31 f.; EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 28. 161

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

– Die Rechnung oder Quittung für den Verbraucher muss Angaben zur betreffenden Dienstleistung sowie den Erbringer und Merkmale zu dessen Identifizierung (Firmenname, UID, etc.) enthalten. – Darüber hinaus darf der an der Erbringung der Dienstleistung beteiligte Steuerpflichtige weder die Abrechnung und die Erbringung der Dienstleistung an den Verbraucher autorisieren noch die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegen.165 Diese kumulativ geforderten Bedingungen müssen in einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien zum Ausdruck kommen. Widerlegt der Vermittler nach Art. 9a MwSt-DVO nicht die Vermutung wie oben ausgeführt, so ist er für die Ermittlung des Leistungsortes und das Abführen der vereinnahmten Mehrwertsteuer verantwortlich. Kann in einer Leistungskette jeder Vermittler bis auf einer die Vermutung des Art. 9a MwSt-DVO widerlegen, so ist fraglich, wie die anderen Vermittler behandelt werden. Es gilt deshalb die Regel, dass der Prüfungsbeginn auf Ebene des Endverbrauchers erfolgt.166 Die Vermutungswirkung des Art. 9a MwSt-DVO wird bis zu dem Vermittler weitergereicht, der dem Endverbraucher am nächsten ist und die Vermutungswirkung nicht widerlegen kann.167 5. Ausnahmen von Art. 9a MwSt-DVO Die Vermutungsregelung des Art. 9a MwSt-DVO findet nach Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO keine Anwendung für Steuerpflichtige, die lediglich Zahlungen in Bezug auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen oder für Telefondienste, die über das Internet erbracht werden, einschließlich VoIP-Dienste (Voice over Internet Protocol) abwickeln und nicht an der Erbringung dieser elektronisch erbrachten Dienstleistungen oder Telefondienste beteiligt sind. Grundsätzlich sind die aufgeführten Dritten an der Leistungserbringung beteiligt, auch wenn der Anteil an der Leistungserbringung klein sein mag.168 Die EU-Kommission nimmt in ihren Erläuterungen dazu mehrere Konkretisierungen vor und unterscheidet drei Kategorien:169 – Anbieter von Zahlungsdiensten, – Internetdiensteanbieter / Betreiber sowie – Mobilfunkbetreiber. 165

Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (111 f.). EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 28. 167 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 39. 168 Veranschaulicht dies mit einem Beispiel unter Verweis auf die deutsche Rechtslage, die mit Blick auf die Dienstleistungskommission nach Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO übertragbar ist. Feil / Weigl / Rothballer, BB 2014, 2072 (2076). 169 Angelehnt an: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 30, 33. 166

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Anbieter von Zahlungsdiensten (z. B. Kreditkartenunternehmen, PayPal) gelten nicht als an der Erbringung der Dienstleistung Beteiligte, wenn diese nur die Zahlung abwickeln.170 Diese Regelung ist deckungsgleich mit der allgemeinen Unionsrechtslage des Art. 28 MwSt-SystRL, wonach bei einem Zahlungsdienstleister keine Dienstleistungskommission vorliegt.171 Internetdiensteanbieter sind ebenfalls nicht an der Erbringung der Dienstleistung beteiligt, wenn diese das Internet (WLAN, Kabel, Satellit, etc.) zur Abwicklung der Leistung zur Verfügung stellen. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Mobilfunkbetreiber bei der Leistungsabwicklung die Übertragung von Inhalten oder die Abwicklung der Zahlung ermöglicht. Mobilfunkbetreiber können ausnahmsweise eine Vermutung nach Art. 9a MwSt-DVO begründen, wenn sie über diese Beteiligung an der Leistungsabwicklung hinausgehen und damit an der Erbringung der Dienstleistung beteiligt sind. Die EU-Kommission verweist auf Fälle, in denen das zur Verfügung gestellte Netz für die Erbringung wesentlich ist und der Zahlungseinzug organisiert wird.172 Eine abschließende Beurteilung, ob der Ausnahmetatbestand nach Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO vorliegt, muss sich an dem allgemeinen Grundsatz der wirtschaft­ lichen Realität und vertraglichen Vereinbarung messen lassen.173 6. Art. 9a MwSt-DVO und die Modernisierung des Zahlungsverkehrs Von Nguyen wird außerdem angenommen, dass als logische Konsequenz des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands nach Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO die Annahme einer Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 lit. d MwSt-SystRL für Umsätze des Kontokorrentverkehrs im Zahlungs- und Überweisungsverkehr begründet wird und damit eine steuerbefreite Tätigkeit vorliegt.174 Liegt umgekehrt keine Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 lit. d MwSt-SystRL vor, so wäre der Ausnahmetatbestand des Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO zu verneinen und eine Verschiebung der Mehrwertsteuerpflicht auf den Vermittler würde greifen. Neben der digitalen Wirtschaft entwickeln sich auch neue Zahlungsformen im Internet, die sich von herkömmlichen Zahlungsdienstleistern i. S. d. Art. 135 Abs. 1 lit. d MwSt-SystRL unterscheiden.175 Diese neuen Zahlungsformen, auch Digital Payments genannt, verwenden verstärkt IT-Systeme und bieten in Echtzeit abgewickelte virtuelle Zahlungen sowie mobile Zahlungssysteme an.176 Da 170

Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (567). Maunz / Wobst, UR 2013, 773 (779). 172 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 32, 33. 173 Grambeck, NWB 2014, 3230 (3238). 174 Nguyen, in: Lang / Lejeune 81. 175 Henkow, VAT and Virtual Reality: How Should Cryptocurrencies Be Treated for VAT Purposes?, in: Lang / Lejeune (Hrsg.), VAT / GST in a Global Digital Economy (2015) 50, 55. 176 Cimiotti, Veränderungen in der Payment-Branche – Szenarien für das Bezahlen 2025, in: Mosen / Moormann / Schmidt, D. (Hrsg.), Digital Payments – Revolution im Zahlungsverkehr (2016) 135 ff.; Heinemann, Der neue Online-Handel – Geschäftsmodelle, Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce9 (2018) 20, 106, 144. 171

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raus leitet sich die Frage ab, ob eine Veränderung der Zahlungsvorgänge hin zu virtuellen Zahlungsdiensten auch zu einer Veränderung hinsichtlich der Einstufung als Zahlungsdienstleister i. S. von Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO führt. Dadurch könnte der Tatbestand des Zahlungsdienstleisters nicht mehr bejaht werden, wodurch die Vermittlervermutung des Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO wieder greifen und eine Mehrwertsteuerpflicht in der Leistungskette begründet werden könnte.177 Die Modernisierung des Zahlungsverkehrs führt zu zahlreichen Neuerungen und Nutzungsmöglichkeiten gegenüber traditionellen Zahlungsverkehrsanbietern. Insbesondere Kryptowährungen bieten neue Funktionalitäten, die zusätzlich zum Zahlungsvorgang angeboten werden können. Neben der bloßen Zahlungsfunktion von Krypto­ währungen könnten sogenannte Smart Contract unterschiedlichste Funktionen und Abwicklungsmodalitäten erfassen. Smart Contract sind selbstexekutierende flexibel gestaltbare Programme, die auf einer Blockchain administriert werden.178 Beispielsweise könnte ein Smart Contract vertraglich vereinbarte Bedingungen überwachen und Zahlungen autorisieren oder in einer zukünftigen Anwendung als selbstständig handelnde Organisationen Geschäftstätigkeiten wahrnehmen, als sog. Decentralised Autonomous Organizations.179 Es kann somit zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, ab welchem Leistungsumfang in der Zahlungsabwicklung und den damit zusammenhängenden Komponenten noch Zahlungsdienstleister nach Art. 9a Abs. 3 MwSt-DVO vorliegen. Zukünftige Entwicklungen im Kryptowährungsbereich ermöglichen die technische Gestaltung komplexer Nebenleistungen. Neben diesen Abgrenzungsfragen werden in der Literatur die hohen Dokumentationsanforderungen für die Ausnahmeregelung des Absatz 3,180 die teilweise unbestimmten Rechtsbegriffe und der über Art. 28 MwSt-SystRL hinausgehende Anwendungsbereich kritisiert.181

IV. Bestimmung des Leistungsortes 1. Entwicklung der Leistungsortbestimmung im Online-E-Commerce Im Sinne des Bestimmungslandprinzips unterliegt eine grenzüberschreitend erbrachte digitale Dienstleistung der Mehrwertsteuer am Ort des Verbrauchers.182 Da digitale Dienstleistungen gewöhnlich aus der Ferne erbracht werden und dabei Ländergrenzen unerheblich sind, ist die Ortsermittlung des Verbrauchers und damit des Leistungsortes für die Umsetzung des Bestimmungslandprinzips von 177

Nguyen, in: Lang / Lejeune 80, 81. Veronesi, Die Blockchain, in: Anderl (Hrsg.), #Blockchain in der Rechtspraxis (2020) 5, 6. 179 Schmidt, Kryptowährungen und Blockchains (2019) 56. 180 Grambeck, UR 2013, 241 (247). 181 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (113). 182 Sterzinger, Ort der an einen Nichtunternehmer erbrachten elektronischen Dienstleistung, UStB 2014, 213 (214 ff.); OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 92 f. 178

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entscheidender Bedeutung. Der Ort des Verbrauchers bestimmt dadurch die Höhe der auf den Nettobetrag der erbrachten Leistung anfallenden Mehrwertsteuer und den Staat, der die Mehrwertsteuer erhält.183 Seit 2015 gelten hierfür besondere Regelungen in den Art. 24 ff. MwSt-DVO, um den tatsächlichen Leistungsort zu ermitteln. Ziel der EU-Kommission war es dabei Regelungen zu implementieren, die den Binnenmarkt aufgrund ihrer Komplexität nicht einschränken. Dieses Bekenntnis wurde von der EU-Kommission durch die Strategie und die Schaffung eines digitalen Binnenmarkts bekräftigt.184 Um den administrativen Aufwand nicht ausufern zu lassen, hat die EU in Art. 24 ff. MwSt-DVO Vermutungen zur Identifizierung des Leistungsortes implementiert.185 Allgemein wurde von Unternehmen und der EU-Kommission als das stärkste Hemmnis für das Zusammenwachsen eines digitalen Binnenmarkts das umfangreiche Mehrwertsteuersystem in der EU identifiziert.186 Bei der Bewertung der im Jahr 2015 eingeführten Regelungen wurde von Online-E-Commerce-Unternehmen als drängendstes Problem neben den unterschiedlichen Mehrwertsteuersystemen die Identifizierung des Leistungsortes B2C genannt.187 Für natürliche Personen, also bei Verbrauchern, ermittelt sich der Leistungsort über die Ansässigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. Art. 58 Abs. 1 MwSt-SystRL i. V. m. Art. 24 MwSt-DVO. Die Ermittlung erfolgt durch den Erbringer einer Leistung, also den Unternehmer. Unerheblich ist für die Ortsermittlung, ob es sich bei dem Leistenden um einen in der EU ansässigen Unternehmer oder einen Drittlandsunternehmer handelt.188 Die Umsetzung des Bestimmungslandprinzips durch die Ermittlung des Ortes des Verbrauchers und damit des Besteuerungsortes ist eine der größten Herausforderungen im Online-E-Commerce.189 Als Vorläufer zur aktuellen Umsetzung setzte sich bereits 2003 das Bestimmungslandprinzip bei der Erbringung elektronischer Dienstleistungen von Drittlandsunternehmern an in der EU ansässige Verbraucher in der RL 2002/38/EG durch.190 In diesem alten System musste der leistende Unternehmer ebenfalls den 183 Lamensch, The 2015 Rules for Electronically Supplied Services – Compliance Issues, IVM 2015, 11 (11). 184 EU-Kommission, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, KOM 2015 192 final, 20 f. 185 Pfeiffer, ÖStZ 2014, 388 (389). 186 EU-Kommission, Commission Staff Working Document Impact Assessment Accompanying the document Proposals for a Council Directive, a Council Implementing Regulation and a Council Regulation on Modernising VAT for cross-border B2C e-Commerce, SWD 2016, 379 final, 7. 187 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 50, 55 ff. 188 Lamensch, Unsuitable EU VAT Place of Supply Rules for Electronic Services – Proposal for an Alternative Approach, WTJ 2012, 77 (79). 189 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 93. 190 RL 2002/38/EG ABl. L 2002/128, 41.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Ansässigkeitsstaat des Endverbrauchers identifizieren, um den Besteuerungsstaat zu bestimmen.191 Dieses System kann als Vorläufer zu den seit 2015 anwendbaren Regeln zur Ortsbestimmung des Verbrauchers gesehen werden, jedoch mit nicht so umfangreichen Ortsbestimmungsvorschriften.192 Die 2015 eingeführten Regeln bauen darauf, dass es verhältnismäßig einfach ist, den Ort des Verbrauchers während der Verkaufsabwicklung zu bestimmen. Die Regeln sollen auch eine gewisse Flexibilität haben, um zukünftige Entwicklungen im IT-Bereich erfassen zu können.193 Tatsächlich ist es aber in einem digitalen Kontext aufgrund des fehlenden physischen Bezugspunkts, der relativ schnellen Geschäftsabwicklung und der Anonymität bei Onlinetransaktionen schwierig aussagekräftige Informationen zur Ortsbestimmung zu erlangen.194 Hinzu kommt, dass die Leistungen elektronisch an unterschiedlichste Endgeräte des Verbrauchers erbracht werden können, die sich aufgrund ihrer Mobilität verschieben lassen, auch transnational und somit Schwierigkeiten bei der Ortsermittlung verursachen.195 Dabei muss für jede Leistungserbringung eine Ortsbestimmung erfolgen. Im B2C-OnlineE-Commerce ist die Transaktionsanzahl sehr hoch, erreicht allerdings in der einzelnen Transaktion meistens keinen hohen Umsatz, woraus sich eine weitere Schwierigkeit bei der Ortsermittlung ergibt.196 Im Gegensatz zu B2B-Situationen steht keine länderspezifische UID zur Ermittlung des Leistungsortes bei B2C-­ Situationen zur Verfügung.197 Es ergeben sich folglich viele Risikopunkte bei der korrekten Ermittlung der Mehrwertsteuerschuld. Im folgenden Abschnitt werden die Regelungen zur Ortsermittlung näher erläutert. Besonders wird auf die Dokumentationspflichten und die Überprüfung durch die Finanzverwaltungen eingegangen. 2. Vermutung der physischen Anwesenheit nach Art. 24a MwSt-DVO Die widerlegbaren Vermutungen des Art. 24a MwSt-DVO erstrecken sich sowohl auf B2B- als auch auf B2C-Situationen,198 da ansonsten der Erbringer bei jedem Umsatz prüfen müsste, ob es sich beim Empfänger um einen Unternehmer oder Verbraucher handelt.199 Wenn digitale Dienstleistungen über Telefonzellen,

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Brenner, SWK 2003, 516 (516); Melhardt, SWK 2002, 350 (351); Jansen / Slagmann, IStR 2003, 757 (761); Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 150 ff. 192 Im Unterschied zu Art. 24 ff. MwSt-DVO in der VO (EU) Nr. 1042/2013 ist in der RL 2002/38/EG vom 7. 5. 2002 keine explizite Normierung zur Ortsbestimmung abgebildet. Siehe dazu: Jansen / Slagmann, IStR 2003, 757 (761). 193 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 61. 194 Lamensch, WTJ 2012, 77 (80 f.). 195 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (108). 196 Lamensch, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 48 f. 197 Sterzinger, UStB 2014, 213 (214). 198 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (108). 199 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 61.

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Kiosk-Telefone, WLAN-Hot-Spots,200 Internetcafés, Restaurants oder Hotel­lobbys erbracht werden und dafür der Empfänger physisch an diesem Ort anwesend sein muss, vermutet Art. 24a Abs. 1 MwSt-DVO, dass der Empfänger an dem betreffenden Ort ansässig ist, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und die Dienstleistung dort tatsächlich genutzt und ausgewertet werden. Diese Regelung wurde eingeführt, da es sich bei diesen Leistungen um gelegentliche und gewöhnlich geringfügige Beträge handelt, die zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würden, um die Informationen zur Ermittlung des Ortes durch den leistenden Unternehmer bereitzustellen.201 Es handelt sich um eine widerlegbare Vermutung und keine abschließende Aufzählung, es sind lediglich Beispiele. Die Vermutung greift auch, wenn die Dienstleistungen an ähnlichen Orten erbracht werden.202 Die Vermutung des Art. 24a Abs. 1 MwSt-DVO gilt gemäß Art. 24a Abs. 2 MwSt-DVO ebenfalls, wenn sich der Ort an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn während einer Personenbeförderung befindet. In diesen Fällen befindet sich nach Absatz 2 der Leistungsort in dem Land, in dem sich das Abgangsland der Personenbeförderung befindet. Art. 24a MwStDVO findet nur Anwendung auf Dienstleistungen, die der Leistende an seinem Ort erbringt, nicht jedoch auf andere Dienstleistungen, die von anderen Diensteanbietern währenddessen erbracht werden. Dienstleistungen, die nur durch eine Verbindung erbracht werden, wobei die Verbindung über Kommunikationsnetze hergestellt wurde (sogenannte Over-the-top-Dienstleistungen203), fallen daher aus dem Anwendungsbereich des Art. 24a MwSt-DVO.204 Zur Abgrenzung wird in den Erläuterungen folgendes Beispiel genannt: Erwirbt ein ausländischer Dienstleistungsempfänger in seinem Spanienurlaub in einem Internetcafé an seinem Urlaubsort eine zweistündige Zugangsmöglichkeit zum Internet, so unterliegt das Guthaben der spanischen Mehrwertsteuer. Alle sonstigen digitalen Over-the-topDienstleistungen, die während der möglichen Internetverbindung erbracht werden, unterliegen nicht dieser Vermutung205 und sind in den jeweiligen Mitgliedstaaten mehrwertsteuerpflichtig.

200 Der Begriff „WLAN-Hot-Spot“ bezeichnet einen spezifischen Ort und nicht ein großes geografisches Gebiet mit WLAN-Abdeckung. Siehe in: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 16. 201 DVO (EU) Nr. 1042/2013 ABl. L 2013/284, 9, Erwägungsgrund 10. 202 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 62. 203 „Over-the-top“-Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die nur mithilfe einer Verbindung erbracht werden können, die über Kommunikationsnetze hergestellt wird (d. h. für die eine Basis-Telekommunikationsdienstleistung benötigt wird) und für die daher die physische Anwesenheit des Empfängers am Ort der Erbringung nicht erforderlich ist. Gefunden in: EUKommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 15. 204 Feil / Weigl / Rothballer, BB 2014, 2072 (2074). 205 Abgewandelt von: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 62.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

3. Spezifische Vermutungen des Art. 24b MwSt-DVO a) Allgemeine Regelung Im Gegensatz zu Art. 24a MwSt-DVO eröffnet sich der Anwendungsbereich des Art. 24b Abs. 1 MwSt-DVO nur für digitale Dienstleistungen, die gemäß Art. 58 MwSt-SystRL B2C erbracht werden, und bezieht sich daher nicht auf gemischte Nutzungen oder B2B-Situationen nach Art. 44 MwSt-SystRL.206 Art. 24b Abs. 1 MwSt-DVO stellt vier unterschiedliche Vermutungen in den Buchstaben a–d zur Bestimmung des Leistungsortes zur Verfügung. Gemeinsam ist allen aufgeführten Vermutungen des Art. 24b Abs. 1 lit. a–c, dass nicht auf den tatsächlichen Wohnort abgestellt wird, sondern auf den Ort der tatsächlichen Nutzung,207 an dem sich voraussichtlich das Endgerät zur Leistungsabwicklung befindet:208 – Wenn über einen Festnetzanschluss eine digitale Dienstleistung erbracht wird, so befindet sich dort der Leistungsort gemäß der Vermutung des Art. 24b Abs. 1 lit. a MwSt-DVO. – Wird die Leistung über ein mobiles Netz erbracht, so gilt die Vermutung nach Art. 24b Abs. 1 lit. b MwSt-DVO, dass sich der Leistungsort in dem Land befindet, „… das durch den Ländercode der bei Inanspruchnahme der Dienstleistungen verwendeten SIM-Karte bezeichnet wird …“. Die Vermutung gilt unabhängig davon, ob es sich bei der SIM-Karte um eine Prepaid- oder um eine Karte mit nachträglicher Abrechnung handelt.209 – Der Leistungsort bei der Erbringung über einen Decoder, ein ähnliches Gerät oder eine Programm- oder Satellitenkarte ist i. S. von Art. 24b Abs. 1 lit. c MwSt-DVO an dem Ort, an dem sich der Decoder oder das ähnliche Gerät befindet. Alternativ befindet sich der Leistungsort dort, wo die Programm- oder Satellitenkarte versendet wurde. Wird die Leistung an einem Festnetzanschluss gemeinsam mit einer Programm- oder Satellitenkarte erbracht, dann ergibt sich aus der Formulierung „… und kein Festnetzanschluss verwendet wird …“ exklusiv die Vermutungswirkung des Art. 24b Abs. 1 lit. a MwSt-DVO. – Wird die Leistung nicht über die nach Art. 24a und Art. 24b Abs. 1 lit. a–c MwSt-DVO definierten Wege an Verbraucher erbracht, so ermittelt sich der Leistungsort nach Art. 24b Abs. 1 lit. d MwSt-DVO durch zwei einander nicht widersprechende Beweismittel i. S. v. Art. 24f MwSt-DVO. Diese Norm stellt 206

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 65. Verweist nur auf den Ort der tatsächlichen Nutzung in Zweifelssituationen. Allerdings ist dieser Gedanke auch folgerichtig auf die den Art. 24a bis 24f MwSt-DVO immanente Bestimmung des Leistungsortes zuzuordnen: Siehe dazu: DVO (EU) Nr. 1042/2013 ABl. L 2013/284, 9, Erwägungsgrund 7. 208 Gibt eine übersichtliche Darstellung der Vermutungen zu Art. 24b MwSt-DVO, beschreibt allerdings nicht den Gedanken direkt: Grebe, Besteuerung elektronischer Dienstleistungen im Umsatzsteuerrecht – Teil I, UStB 2017, 212 (218). 209 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 66. 207

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einen Auffangtatbestand dar und soll über den Verweis auf Art. 24f MwSt-DVO Rechtssicherheit ermöglichen und auch flexibel genug in der Anwendung sein, um zukünftige Entwicklungen erfassen zu können.210 b) Regelungen für KMU Die Anwendung dieser Regelungen, insbesondere die Ortsermittlung gemäß Art. 24b Abs. 1 lit. d MwSt-DVO mit zwei einander nicht widersprechender Beweismittel nach Art. 24f MwSt-DVO wird von KMU und Mikrounternehmen als sehr aufwendig erachtet. Diese Regelungen führen teilweise dazu, dass Unternehmen Geoblocking einsetzten, um eine Steuerpflicht nicht in anderen Mitgliedsstaaten zu begründen und damit nicht die umfangreichen Ortsermittlungsregelungen anwenden zu müssen. Dies ist nachteilig für den Umsatz von Unternehmen und die Entwicklung des Gemeinschaftsmarktes. Kleinere Unternehmen nehmen deshalb Abstand von einer Erweiterung ihrer Geschäftsaktivitäten in andere Mitgliedsstaaten, da die Erhebung von mehreren Informationen nachteilig für den Prozess der Verkaufsabwicklung sein kann und auch Mehrkosten im Unternehmen verursacht.211 Aus diesen Erkenntnissen heraus entschloss sich die EU-Kommission einen Schwellenwert für KMU bei Onlineumsätzen vorzuschlagen, für den vereinfachte Regelungen zur Bestimmung des Verbrauchsortes gelten. Für KMU sollte ein sogenanntes soft landing eingeführt und damit die mehrwertsteuerliche Situation für diese Unternehmen weitestgehend an den inländischen Handel angenähert werden.212 Umgesetzt wurde dies in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2459 des Rates am 5. 12. 2017 mit Wirkung zum 1. 1. 2019.213 Zu diesem Zweck wurde Art. 24b MwSt-DVO geändert. Die Verfahrensvereinfachung für KMU greift nach Art. 24b Abs. 2 MwSt-DVO, wenn ein in einem EU-Mitgliedsstaat ansässiger Unternehmer Leistungen im laufenden und vorangegangenen Kalenderjahr von maximal 100.000 EUR erbracht hat. Ist dies der Fall, so genügt es zur Bestimmung des Leistungsortes, wenn ein Beweismittel des Art. 24f MwSt-DVO herangezogen wird. Gemäß Art. 24b Abs. 3 MwSt-DVO verliert diese Bestimmung ihre Wirkung, wenn der Schwellenwert von 100.000 EUR überschritten wird und gilt erst wieder, wenn die Bedingungen des Art. 24b Abs. 2 MwSt-DVO vorliegen. Diese Regelung gilt nur für EU-Unternehmer. Durch das Abschwächen der Vermutungswirkung von zwei Beweismitteln auf ein Beweismittel zur Identifizierung des Leistungsortes wird betrügerisches Handeln durch Verbraucher vereinfacht.214 210

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 68. EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 58, 59. 212 EU-Kommission, MEMO/16/3746, 5. 12. 2016, Punkt: Was schlägt die Kommission vor? 213 DVO (EU) Nr. 2459/2017 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/122/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 2017/348, 32. 214 Lamensch, IVM 2017, 137 (141). 211

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Damit ist es nun durch die Manipulation nur eines Beweismittels möglich, den Leistungsort in mehrwertsteuerniedrige Länder zu verschieben. Lamensch sieht neben dieser unternehmerfreundlichen Regelung die Möglichkeit, dass sehr leicht durch die Manipulation der IP-Adresse Verbraucher den Leistungsort in ein Drittland verlegt werden kann, in dem unter Umständen überhaupt keine Mehrwertsteuer anfällt.215 4. Beweismittel für die Bestimmung des Leistungsortes a) Beweismittel des Art. 24f MwSt-DVO Für die Identifizierung des Leistungsortes müssen gemäß Art. 24b Abs. 1 lit. d MwSt-DVO zwei sich nicht widersprechende Beweismittel i. S. v. Art. 24f MwStDVO gegeben sein. Unterabschnitt 3c konkretisiert in Art. 24e und Art. 24f MwStDVO Beweismittel für die Bestimmung des Ortes des Verbrauchers aber auch für die Wiederlegung von Vermutungen. In diesem Abschnitt soll auf die Beweismittel des Art. 24f MwSt-DVO zur Identifizierung des Ortes des Verbrauchers und damit des Leistungsortes eingegangen werden. Durch die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze in der EU kann sich für den Verbraucher ein Vorteil durch die Verschleierung seines tatsächlichen Leistungsortes ergeben, indem er diesen in einen Mitgliedstaat mit einer niedrigen Mehrwertsteuer verlagert.216 In Art. 24f lit. a–f MwSt-DVO werden insgesamt sechs exemplarische Beweismittel aufgeführt. Die nicht abschließende Aufzählung ergibt sich aus Art. 24f S. 1 MwSt-DVO („… als Beweismittel insbesondere Folgendes:“). Die Liste enthält keine Gewichtung einzelner Beweismittel, und der leistende Unternehmer ist in der Auswahl zweier Beweise zur Iden­ tifizierung nicht gebunden.217 Art. 24f MwSt-DVO enthält folgende Beweismittel: a. die Rechnungsanschrift des Verbrauchers; b. die Internet-Protokoll-Adresse (IP-Adresse) des von dem Dienstleistungsempfänger verwendeten Geräts oder jedes Verfahren der Geolokalisierung; c. Bankangaben wie der Ort, an dem das für die Zahlung verwendete Bankkonto geführt wird oder die der Bank (oder Zahlungsdienstleister218) vorliegende Rechnungsanschrift des Dienstleistungsempfängers; d. der Mobilfunk-Ländercode (Mobile-Country-Code  – MCC) der Internationalen Mobilfunk-Teilnehmerkennung (International Mobile Subscriber Identity – IMSI), der auf der von dem Dienstleistungsempfänger verwendeten SIM-Karte (Teilnehmer-Identifikationsmodul – Subscriber Identity Module) gespeichert ist; 215

Lamensch, in: Herbain 143. Veltrop, Identification of Customers of E-Services under EU VAT, IVM 2014, 264 (269). 217 Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (569). 218 Äußert sich zu durch von Dritten bereitgestellten Informationen. EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 82. 216

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e. der Ort des Festnetzanschlusses des Dienstleistungsempfängers, über den ihm die Dienstleistung erbracht wird; f. sonstige wirtschaftlich relevante Informationen. b) Sonstige wirtschaftlich relevante Informationen Bei Art. 24f lit. f MwSt-DVO handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der bei zukünftigen wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen den Unternehmern die Möglichkeit geben soll, aussagekräftige Informationen vom Verbraucher zur Ermittlung des Leistungsortes zu erhalten. Die EU-Kommission gibt in ihren Erläuterungen eine exemplarische Aufzählung von sonstigen wirtschaftlich relevanten Informationen und verweist auf die Vielfältigkeit möglicher Erkenntnisquellen, die jedoch aus dem Aspekt der Zuverlässigkeit heraus ausgewählt werden müssen.219 Ergeben sich Qualifikationskonflikte durch viele sich widersprechende Informationen oder können keine zwei sich nicht widersprechende Informationen ermittelt werden, so ist der Unternehmer dazu angehalten, den am ehesten zutreffenden Ort des tatsächlichen Verbrauchs zu ermitteln.220 Grambeck kritisiert in diesem Zusammenhang den nicht vorhandenen Mechanismus zur Klärung von Identifikationsdefiziten,221 der auch rechtlich bindend wäre und für Rechtssicherheit sorgen könnte. c) Überprüfung der eingeholten Informationen Es fragt sich auch, wie oft die leistenden Unternehmer Informationen einholen und wie ausführlich die erhobenen Beweismittel geprüft werden müssen. In diesem Zusammenhang obliegt dem Leistenden nach Art. 23 Abs. 2 MwSt-DVO die Ermittlung des Ortes des Leistungsempfängers, durch die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen. Die Überprüfung erfolgt „… mittels der handelsüblichen Sicherheitsmaßnahmen  …“, in Art. 23 Abs. 2 MwSt-DVO werden exemplarisch die Kontrolle von Angaben zur Person oder von Zahlungen aufgeführt. Die EUKommission ist der Ansicht, dass es bei handelsüblichen Kontrollen keine umfassende Sicherheit bei der Ermittlung des Leistungsortes geben kann. Liegt eine 219

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 77, 78. Weitere Informationsquellen umfassen: Eindeutige Zahlungsverkehrssysteme, Geschäftsbeziehung des Verbrauchers, Verkaufsstelle von Geschenkgutscheinen, Ländergebundene Geschenkgutscheine, Unterlagen von Drittanbietern von Zahlungsdiensten, Eigenbescheinigung des Dienstleistungsempfängers. 220 Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (569 ff.); Verweist in Situationen von Qualifikationskonflikten oder nicht korrekt ermittelbarer Beweise auf die klarstellende Wirkung von: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, 07. 10. 2013, Erwägungsgrund 7. 221 Grambeck, NWB 2014, 3230 (3234 ff.).

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

regelmäßige Geschäftsbeziehung vor, dann ist eine intensive Eingangsprüfung zur Ermittlung des Leistungsortes ausreichend, auch für nachfolgend getätigte Käufe. Nach gängiger Geschäftspraxis, jedoch nicht für jeden Kaufvorgang, sollte darüber hinaus eine proaktive Überprüfung erfolgen.222 Da die Überprüfung des Leistungsortes nicht bei jeder getätigten Transaktion erneut stattfindet, ist es für Verbraucher möglich, den Leistungsort nach Registrierung und wiederholtem Leistungsabruf in andere Länder zu verschieben, in denen ein anderer Mehrwertsteuersatz anwendbar ist. Selbst wenn sich aufgrund der geänderten Beweislage ein anderer Leistungsort ergeben würde, so würden den Unternehmer lediglich die Obliegenheit einer abgeschwächten wiederholten Überprüfung treffen. Im Ergebnis kann der Verbraucher von niedrigen Mehrwertsteuersätzen profitieren, wenn er eine einmalige, verifizierte Registrierung in einem solchen Land vorgenommen hat und danach die Nutzung in einem Land mit hohen Mehrwertsteuersätzen erfolgt. Aber auch der Unternehmer kann durch eine Manipulation profitieren. Verschiebt der leistende Unternehmer den Leistungsort in Länder mit einer niedrigen Mehrwertsteuer, hat er dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber steuerehrlichen Unternehmern. 5. Widerlegung der Vermutungen a) Widerlegung durch den Leistungserbringer In diesem Abschnitt wird überprüft in welchen Situationen Unternehmer und im Besonderen der Fiskus die Möglichkeit haben, einmal aufgestellte Vermutungen und den dadurch (bewusst oder unbewusst) falsch definierten Leistungsort zu widerrufen. Eine solche Regelung ist notwendig, um in Prüfungssituationen nachträglich die tatsächliche Besteuerung sicherzustellen. Nach Art. 24d Abs. 1 MwSt-DVO kann der Leistungserbringer die spezifischen Vermutungen nach Art. 24a, 24b Abs. 1 lit. a,  b und  c MwSt-DVO für digitale Dienstleistungen durch drei einander nicht widersprechende Beweismittel widerlegen, wenn sich aus diesen der Ort, an dem der Verbraucher ansässig ist, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, ergibt. Der Fiskus kann ebenfalls aufgestellte Vermutungen nach Art. 24a, 24b und 24c MwSt-DVO widerlegen, wenn nach Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den leistenden Unternehmer bestehen. Der mehrwertsteuerpflichtige Unternehmer muss ebenfalls die Widerlegung von Vermutungen vornehmen, sobald Informationen verfügbar sind, anhand derer der tatsächliche Ansässigkeitsort des Verbrauchers identifiziert werden kann.223 Dies gilt allerdings 222 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 79. 223 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, 07. 10. 2013, Erwägungsgrund 9.

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nur für die spezifischen Vermutungen des Art. 24a und 24b Abs. 1 lit. a, b und c MwSt-DVO. Die allgemeine Vermutung durch zwei einander nicht widersprechende Beweismittel des Art. 24b Abs. 1 lit. d i. V. m. Art. 24f MwSt-DVO sind hiervon nicht erfasst. Diese drei einander nicht widersprechenden Beweismittel können aus Art. 24f MwSt-DVO entnommen werden.224 Aus Sicht der EU-Kommission besteht für den Unternehmer keine Pflicht, die bereits bestehenden spezifischen Vermutungen zu widerlegen.225 Dies ergibt sich aus Absatz 1 (Argument: „… so kann er eine Vermutung … widerlegen …“). Eine Widerlegung der spezifischen De-minimis-Vermutung des Art. 24a MwSt-DVO soll nur ausnahmsweise und mit höheren Hürden möglich sein.226 b) Widerlegung durch den Fiskus Für die Widerlegung der Vermutungen durch den Fiskus sind keine Beweise notwendig. Es ist ausreichend, wenn Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den Leistungserbringer vorliegen.227 Es fragt sich, wie umfangreich die Widerlegungswirkung durch den Fiskus ist, da in Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO nur die Art. 24a, 24b und 24c MwSt-DVO umfasst sind. Sofern durch den Unternehmer über die allgemeinen Vermutungen nach Art. 24f MwSt-DVO der Leistungsort ermittelt wurde, kann der Fiskus über den Verweis des Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO auf Art. 24b Abs. 1 lit. d i. V. m. Art. 24f MwSt-DVO diese Vermutungen widerlegen. Dies bestätigt sich auch in der Ansicht der EU-Kommission, dass alle Vermutungen durch den Fiskus widerlegbar sind.228 Allerdings kann es bei der Widerlegung von Vermutungen durch den Fiskus zu Konflikten mit Besteuerungsrechten kommen, da das Besteuerungsrecht nicht mehr eindeutig einem Mitgliedsstaat zugeordnet werden kann.229 Hammerl wirft die Frage auf, ob der Fiskus durch den leistenden Unternehmer vorgenommene Widerlegungen spezifischer Vermutungen nach Art. 24a, 24b oder 24c MwSt-DVO ebenfalls widerlegen kann, i. S. einer doppelten Widerlegung von Beweismitteln. Eine Antwort auf diese Frage ergibt sich nicht direkt aus dem Gesetz. Es handelt sich um eine Regelungslücke, da die Bestandskraft der Vermutungswiderlegung durch den leistenden Unternehmer nicht umfassend sein kann. Hammerl vertritt die Ansicht, dass 224

Veltrop, IVM 2014, 264 (267); Claessens / L ejeune, IVM 2014, 7 (9); Grebe, UStB 2017, 212 (218). 225 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 72. 226 Aus den Erwägungsgründen ergibt sich, dass für Art. 24a MwSt-DVO nur eingeschränkt die Beweissituation gilt. Dies soll auch auf die Beweiswirkung der Widerlegung durch Art. 24d MwSt-DVO anwendbar sein. In diesem Sinne: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, 07. 10. 2013, Erwägungsgrund 10; EU Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 73, 74. 227 Grebe, UStB 2017, 212 (218). 228 EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 73. 229 Kußmaul / Naumann, MwStR 2016, 565 (569).

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

diese Regelungslücke nur über die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 22 BAO geschlossen werden könnte.230 Der Zweck des Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO ist es, bei Hinweisen des Fiskus auf falsche Anwendung oder Missbrauch der Vermutungsregelungen diese widerlegen zu können und dadurch den tatsächlichen Besteuerungsort zu ermitteln. Wie oben gezeigt, kommt dies auch in der Ansicht der EU-Kommission zum Ausdruck, dass der Fiskus vollumfänglich alle aufgestellten Vermutungen widerlegen kann. Daher ist nach Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO die Widerlegungsreichweite des Fiskus als weit anzusehen und umfasst somit auch die Widerlegung von durch den Unternehmer vorgenommenen Widerlegungen von Beweismitteln. Im Vergleich sind die Anforderungen der Vermutungswiderlegung durch den Fiskus nach Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO gegenüber der Vermutungswiederlegung durch den Leistungserbringer nach Art. 24d Abs. 1 MwSt-DVO geringer. Während der Leistungserbringer eine Widerlegung „… durch drei einander nicht widersprechende Beweismittel …“ vorlegen muss, genügen für die Widerlegung durch den Fiskus „… Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den Leistungserbringer …“. Dies führt zu einer geringeren Widerlegungsschwelle von Vermutungen durch den Fiskus. Als Folge könnte der Leistungsort durch die Vermutungen der Art. 24a, 24b MwSt-DVO widerrufen werden und der Leistungserbringer wäre mit potenziellen Mehrwertsteuernachforderungen konfrontiert. Ein Weiterreichen dieser Mehrwertsteuerforderungen an die leistungsempfangenden Nichtsteuerpflichtigen erscheint nicht praktikabel. Gleichzeitig sollte bei Vorliegen von falscher Anwendung oder Missbrauch der Fiskus leichter in die Lage versetzt werden den Leistungsort aufgrund verifizierbarer Daten zu ermitteln. Außerdem wird der Fiskus voraussichtlich nicht über ähnlich umfangreiche Daten zur Leistungsortbestimmung wie der Leistungserbringer verfügen bzw. diese erheben können. In einer Gesamtbetrachtung ist deshalb die Bevorzugung der Vermutungswiderlegung für den Fiskus verständlich, gleichwohl verschiebt dies die Bedeutung der Vermutungswiederlegung durch den Fiskus auf das Tatbestandsmerkmal „… Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den Leistungserbringer …“. c) Hinweise auf falsche Anwendung oder Missbrauch Nach Absatz 2 ist nicht legal definiert, wann ein Hinweis auf falsche Anwendung oder Missbrauch durch den Unternehmer vorliegt. Aus Sicht der EU-Kommission ist Absatz 2 nicht weit auszulegen und der Anwendungsbereich soll für den Fiskus eingeschränkt werden. Echte Fehler in der Anwendung sind nach Ansicht der EU-Kommission nicht umfasst. Vielmehr wird ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten durch den Unternehmer vorausgesetzt. Bei der Beweiswürdigung ist der Fiskus zur Überprüfung der falschen Anwendung oder des Missbrauchs nicht an 230 Hammerl, Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von elektronisch erbrachten Dienstleistungen am Beispiel von digitalen Vertriebsplattformen (2016) 53.

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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den Beweismittelkatalog des Art. 24f MwSt-DVO gebunden.231 Ecker / K ronsteiner sehen Missbrauch gegeben, wenn der Unternehmer den Kunden systematisch einen Steuervorteil verschafft.232 Im Ergebnis hat Art. 24d MwSt-DVO ein weites Anwendungs- und Handlungsspektrum, um vorgenommene Vermutungen zur Bestimmung des Leistungs- und damit auch Besteuerungsortes zu widerlegen. Dies gilt umso mehr für den Fiskus, der bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten umfangreiche Möglichkeiten hat, den tatsächlichen Leistungsort zu ermitteln. Gleichzeitig ist die Rechtssicherheit für Unternehmer gewährleistet, da echte Fehler bei der Bestimmung des Leistungsorts ausgeklammert sind. Die Handlungsfähigkeit des Fiskus wird auch dadurch gewährleistet, dass der Fiskus für die Neudefinition des Leistungsortes nicht an die Bedingung der drei einander sich nicht widersprechenden Beweismittel des Absatz 1 gebunden ist. Es bleibt aber fraglich, ob der Fiskus durch die vom Unternehmer technisch zur Verfügung gestellten Daten tatsächlich die Möglichkeit hat, falsch aufgestellte Vermutungen zu erkennen. 6. Mehrfachansässigkeit Es kann in verschiedenen Situationen zu Qualifikationskonflikten kommen, in denen der Dienstleistungsempfänger in mehreren Mitgliedstaaten ansässig / wohnhaft ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In diesen Fällen ist Art. 24 MwStDVO anwendbar und klärt die Zuständigkeitskonflikte im Besteuerungsrecht, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Der Ort des tatsächlichen Verbrauchs der Dienstleistung sollte in Qualifikationskonflikten letztendlich entscheidend für die Leistungsortbestimmung sein.233 In diesem Zusammenhang regeln Art. 24 lit. a und b MwSt-DVO den Leistungsort. Werden digitale Dienstleistungen an nichtsteuerpflichtige juristische Personen erbracht, so ist in Qualifikationskonflikten der Ort nach Art. 13a lit. a MwSt-DVO vorrangig. Es sei denn, es liegen i. S. v. Art. 24 lit. a MwSt-DVO Anhaltspunkte für den tatsächlichen Ort nach Art. 13a lit. b MwSt-DVO vor. Im Unterschied dazu normiert Art. 24 lit. b MwSt-DVO, dass bei natürlichen Personen vorrangig der gewöhnliche Aufenthaltsort entscheidend ist. Es gilt von diesem Grundsatz eine Ausnahme, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die digitale Dienstleistung am Wohnsitz des Verbrauchers in Anspruch genommen wird. Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass es zu Qualifikationskonflikten zwischen Art. 24a und Art. 24b MwSt-DVO nur kommen kann, wenn eine spezifische Vermutung durch eine Steuerbehörde gemäß Art. 24d Abs. 2 MwSt-DVO widerlegt wird. Auch kann es zu Qualifikationskonflikten durch die 231

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 72, 73. Ecker / Kronsteiner, SWK 2014, 896 (898). 233 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, 07. 10. 2013, Erwägungsgrund 7. 232

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

allgemeinen Vermutungen des Art. 24f MwSt-DVO kommen, wenn Beweismittel vorliegen, die auf mehrere Ansässigkeiten des Verbrauchers hindeuten. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn aufgrund der nicht erschöpfenden Liste des Art. 24f MwSt-DVO mehrere Beweismittel zu dem Schluss führen, dass unterschiedliche Besteuerungsorte vorliegen.234 In diesen Fällen ist Art. 24 MwSt-DVO anwendbar und soll für Klarheit sorgen.

V. Rechtsnatur der Mitteilungen und Erläuterungen der EU-Kommission 1. Relevante Mitteilungen Die zum 1. 1. 2015 neu eingeführten Regelungen legen dem Unternehmer umfangreiche administrative Pflichten auf. Für die EU-Kommission war es für den Erfolg der neu eingeführten Regelungen wichtig, dass die Regelungen einheitlich in der EU angewendet werden und bei den umfangreichen Änderungen ausreichende Informationen für die Unternehmen zur Verfügung stehen.235 Aus diesem Grund hat die EU-Kommission in der Vorbereitungsphase mehrere Erläuterungen und Mitteilungen236 herausgegeben, welche den rechtlichen Rahmen für Unternehmer und Mitgliedsstaaten genauer definieren. Diese Mitteilungen enthalten detailliertere Informationen als die kodifizierten Regelungen und sind deshalb alle relevant für das Verständnis der Besteuerung und des Besteuerungsverfahrens von digitalen Dienstleistungen.237 Teilweise konnten durch Konsultationen die betroffenen Unternehmen Einfluss auf die Mitteilungen nehmen, insbesondere auf die Erläuterungen, um so durch die Beantwortung von Zweifelsfragen Rechtssicherheit zu erlangen.238 Im Zusammenhang mit den neuen Regelungen hat die EU-Kommission folgende Mitteilungen veröffentlicht: – Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer vom 23. Oktober 2013;239 – Erläuterungen zu den Änderungen der EU-Mehrwertsteuervorschriften bezüglich des Ortes von Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischen Dienstleis 234

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 58, 59. Raponi / O’Sullivan, VAT and Taxation of the Digital Economy from the Perspective of the EU Policy Maker, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel (Hrsg.), Value Added Tax and the Digital Economy – The 2015 EU Rules and Broader Issues (2016) 16. 236 Es soll vereinfachend von Mitteilungen gesprochen werden, da die nachfolgenden Dokumente der EU-Kommission unterschiedliche Bezeichnungen tragen. Die genaue Bezeichnung schwankt in der Literatur und in den Veröffentlichungen durch die EU-Kommission. 237 Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 123. 238 Nguyen, in: Lang / Lejeune 79 f. Bezieht sich auf die Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Art 9a MwSt-DVO. 239 EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013). 235

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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tungen, die 2015 in Kraft treten, vom 3. April 2014 (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates);240 – Informationen für Unternehmen, die sich für die Miniregelung für eine einzige Anlaufstelle (MOSS) anmelden (Zusätzliche Leitlinien – Prüfung der MOSSDaten)241 und – SAF-MOSS XML Schema specifications DG TAXUD, vom 04. 11. 2014.242 Die Veröffentlichungen von Softlaw-Mitteilungen durch die EU-Kommission folgen einem allgemeinen Trend in der internationalen Steuerpolitik im Bereich der Mehrwertsteuer243 zur vereinheitlichten Lösung von Problemen in der digitalen Wirtschaft. Dies ist bei der anonymen Abwicklung von digitalen Dienstleistungen im B2C-Bereich besonders notwendig und stellt bei nicht klaren Regelungen durch eine falsche Anwendung die Unternehmen vor hohe Risiken,244 z. B. durch die falsche Ermittlung des Leistungsortes. 2. Problemdarstellung Problematisch bei der Einbeziehung der Mittlungen in der Auslegung und Konkretisierung von Rechtsnormen ist, dass die Mitteilungen nach Aussage der EUKommission nicht rechtsverbindlich sind, sondern nur der Erläuterung von Rechtsvorschriften dienen und die Ansicht der EU-Kommission wiedergeben.245 Es fragt sich, welche rechtliche Qualität diese Dokumente haben, um für eine Auslegung der MwSt-SystRL sowie der MwSt-DVO und deren nationaler Umsetzung im UStG bzw. UStR herangezogen werden zu können. Die MwSt-DVO entfaltet als Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV eine allgemeine Geltung, ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in den Mitgliedsstaaten. Richtlinien, konkret die MwSt-SystRL, sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV für die Mitgliedsstaaten verbindlich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels. Deren genaue Ausgestaltung, also die Wahl der Form und des Mittels, bleibt den innerstaatlichen Stellen überlassen. 240

EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU. EU-Kommission, Informationen für Unternehmen, die sich für die Miniregelung für eine einzige Anlaufstelle (MOSS) anmelden Zusätzliche Leitlinien – Prüfung der MOSS-Daten, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014. 242 EU-Kommission, Guide to the VAT mini One Stop Shop (MOSS), https://ec.europa.eu/ taxation_customs/business/vat/telecommunications-broadcasting-electronic-services/content/ guide-vat-mini-one-stop-shop-moss#explanatory, abgefragt am 23. 6. 2021. Unterpunkt: Leitfaden zur einzigen Anlaufstelle und Leitlinien für ihre Überprüfung für 2015, IT-Informationen. 243 Beispiel: OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017). 244 Rendahl, Methodological Notes on a Changing Legislative Landscape, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel (Hrsg.), Value Added Tax and the Digital Economy – The 2015 EU Rules and Broader Issues (2016) 173, 174. 245 Beispielsweise: EU-Kommission, Erläuterungen zur DVO Nr. 1042/2013/EU, 1 Disclaimer; EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013) 2. 241

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Daneben existiert in Art. 288 Abs. 5 AEUV auch noch für die EU-Kommission die Möglichkeit Empfehlungen und Stellungnahmen abzugeben. Diese sind nicht verbindlich und begründen keine einklagbaren Rechte.246 Die oben genannten Mitteilungen passen vom reinen Wortsinn nicht unter diese Kategorien. Unabhängig von der genauen Bezeichnung der Mitteilungen (Leitfaden, Erläuterungen, Informationen, Leitlinien) ist zu prüfen, ob diese Mitteilungen i. S. einer funktional-inhaltlichen Analyse des Vertragstextes in eine Kategorie des Art. 288 Abs. 5 AEUV einzuordnen sind. Die Mitteilungen sind als Empfehlungen zu behandeln, da Stellungnahmen in einem prozessualen Kontext als sachverständige Beurteilung gesehen werden müssen, was offensichtlich nicht vorliegt. Auch handelt es sich um Empfehlungen, da die Mitteilungen eher als Handlungsvorschläge an die Mitgliedsstaaten anzusehen sind, die ein bestimmtes Verhalten anraten und damit eine weiche Harmonisierung bewirken wollen.247 Es besteht Uneinigkeit hinsichtlich der rechtlichen Wirkung von Mitteilungen.248 Alle oben genannten Mitteilungen wurden auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht.249 Da es, wie oben dargestellt, eine breite Palette von Bezeichnungen für die Mitteilungen der EU-Kommission gibt, verwundert es nicht, dass es Unsicherheiten über deren rechtliche Bedeutung und auch Bindung gibt.250 Das deutsche BMF hat sich zu diesen Mitteilungen geäußert. Es wurde eine rechtliche Wirkung verneint und nur nationale Regelungen in den Vordergrund geschoben.251 Es gibt im Gegensatz zu Deutschland in Österreich keine explizite Regelung, die solche Mitteilungen von vornherein ausschließt. Die Mitteilungen der EU-Kommission werden auf der BMF-Homepage veröffentlicht,252 und auch in der Literatur werden die Mitteilungen zur Interpretation herangezogen.253 Auch wenn Uneinigkeit bei der Berücksichtigung besteht, so werden die Mitteilungen

246

Streinz, Europarecht10 (2016) 184 f. Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im Europäischen Verwaltungs- und Wirtschaftsraum (2011) 61 f. 248 Oellerich, Grundsatz und Grenzen mitgliedstaatlicher Verfahrensautonomie beim Vollzug harmonisierten Steuerrechts, in: Schaumburg / Englisch (Hrsg.), Europäisches Steuerrecht (2015) 912; Schaumburg, in: Schaumburg / Englisch 50 f.; Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im Europäischen Verwaltungs- und Wirtschaftsraum (2011) 65 ff. 249 EU-Kommission, Guide to the VAT mini One Stop Shop (MOSS), https://ec.europa.eu/ taxation_customs/business/vat/telecommunications-broadcasting-electronic-services/content/ guide-vat-mini-one-stop-shop-moss#explanatory, abgefragt am 23. 6. 2021. 250 Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission im Europäischen Verwaltungs- und Wirtschaftsraum (2011) 22. 251 Deutsches BMF, 17. 12. 2014 – IV D 1 – S 7058/14/10004 BStBl. 2015 I, 43. 252 Siehe: Bundesministerium für Finanzen, Neue Leistungsortregeln für elektronisch erbrachte Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie USt-One-Stop-Shop (MOSS), https://www.bmf.gv.at/steuern/selbststaendige-unternehmer/ umsatzsteuer/Leistungsortregel_Neu_2015.html, abgefragt am 26. 8. 2019. 253 Verweist auf die Existenz der Mitteilungen: Pernegger, in: Melhardt / Tumpel (Hrsg.), UStG2 (2015) Art. 25a Rz. 11. 247

D. Geltende Rechtslage für digitale Dienstleistungen

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nicht als komplett rechtlich irrelevant angesehen.254 Es stellt sich daher die Frage, welche Bindungswirkung oder zu mindestens Beachtlichkeit durch diese Mitteilungen besteht.255 Mitteilungen dürfen für sich genommen nicht das Verantwortlichkeitsgefüge oder die bestehenden rechtlichen Handlungsformen ersetzen. Diese sind eher als Softlaw von verbindlichen Handlungsformen abzugrenzen. Die rechtliche Qualität ist oberhalb der rechtlichen Bedeutungslosigkeit und unterhalb des bindenden Rechts einzuordnen. Die EU-Kommission will eine Lenkungswirkung erzielen, weshalb eindeutig von Softlaw zu sprechen ist.256 3. Schlussfolgerung Im Bereich der Mehrwertsteuer besteht ein hoher Harmonisierungsbedarf, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.257 Allein aus diesem Grund sind konkretisierende Mitteilungen hinsichtlich des gewollten einheitlichen Regelungsziels bei komplexen rechtlichen Sachverhalten unerlässlich, wie dies im Jahr 2015 durch die neuen Regelungen für digitale Dienstleistungen geschah. Allerdings sind die Mitteilungen weder für den EuGH noch für die Mitgliedsstaaten rechtlich bindend. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Interpretationshilfen von den Gerichten zurückgewiesen werden oder von den Mitgliedsstaaten anders interpretiert werden, um höhere Steuereinnahmen zu lukrieren.258 Lamensch verweist in diesem Zusammenhang auf das EuGH-Urteil Grimaldi,259 demnach sind nationale Gerichte „… verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen.“260 Es ergibt sich daraus eine Berücksichtigungspflicht der Mitteilungen, die aber nicht dem Primär- oder Sekun 254

Einige Stimmen: Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 140; Weimann, Neuer „Trick“ der Finanzverwaltung gegen Umsatzsteuerbetrug – ELeistungen und „MOSS“ ab 1. 1. 2015 – EU-Kommission zur Interpretation der Umsatzsteuer, StB 2015, 31 (34). 255 Hetmeier, in: Lenz / Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar (2012) Art 288 AEUV 33 f. 256 Übertragen von: V. Graevenitz, Mitteilungen, Leitlinien, Stellungnahmen – Soft Law der EU mit Lenkungswirkung, EuZW 2013, 169 (169). 257 Allgemein: Fehling, Entwicklung und Stand der Harmonisierung, in: Schaumburg / Englisch (Hrsg.), Europäisches Steuerrecht (2015) 482 Rz. 10.10. 258 Lamensch, Soft law and EU VAT: From informal to inclusive governance?, WJOVL 2016, 9 (20). 259 Lamensch, The Use of Soft Law by the European VAT Legislator, and What the CJEU Makes of It, in: Lang et al. (Hrsg.), CJEU – Recent Developments in Value Added Tax 2015 (2015) 37, 38. 260 EuGH 13. 12. 1989, C-322/88, Salvatore Grimaldi / Fonds des maladies professionnelles, Rz. 18.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

därrecht gleichkommt.261 Berücksichtigungspflichten gehen nicht so weit wie eine richtlinienkonforme Auslegung, umfassen aber die Auseinandersetzung mit den Mitteilungen.262 Auf Grundlage dessen können nationale Behörden und Gerichte von den Mitteilungen abweichen, sofern diese gegen Primär- oder Sekundärrecht sowie gegen spezielleres nationales Recht verstoßen.263 In diesem Zusammenhang merkt Kokott an, dass kein Rechtsschutz zur Klärung des unbefriedigenden, schwebenden Rechtsstatus der Mitteilungen möglich ist,264 da Rechtsschutz nur gegen Akte, die Rechtswirkungen erzeugen, zulässig ist.265 Da die Mitteilungen eine erhebliche Bedeutung in der Praxis haben und damit dem Bedürfnis nach Klarstellung entgegenkommen,266 müssen diese in einer Auslegung beachtet werden. Es erwächst daher eine Berücksichtigungspflicht der Mitteilungen für die Rechtsanwendung. Einschränkend bleibt zu vermerken, dass diese nur eine Berücksichtigung in der Auslegung erfahren dürfen, sofern kein Widerspruch gegen Primär- oder Sekundärrecht besteht.

E. Mini-One-Stop-Shop I. Überblick Digitale Dienstleistungen werden häufig grenzunabhängig über das Internet erbracht. Ein leistendes Unternehmen muss damit nicht in dem Land des Verbrauchs ansässig sein, um digitale Dienstleistungen an den Verbraucher zu erbringen. Befindet sich der Leistungsort im Land des empfangenden Verbrauchers i. S. d. Bestimmungslandprinzips und entsteht damit in diesem Land eine Mehrwertsteuerpflicht, so hat der leistende Unternehmer in diesem Land auch seinen Deklarations- und Zahlungspflichten nachzukommen.267 Als Konsequenz können bei grenzüberschreitender Erbringung der Ansässigkeitsstaat des erbringenden Unternehmens und der Staat der Besteuerung i. S. d. Bestimmungslandprinzips auseinanderfallen.268 Seit 2015 gelten für EU- und Drittlandsunternehmen in B2CSituationen umfangreiche Verpflichtungen bei der Bestimmung des Leistungsortes und dessen Dokumentation. Das Bestimmungslandprinzip macht es erforderlich, dass in jedem Land, in dem eine Mehrwertsteuerpflicht entsteht, eine Registrierung 261 Siehe dazu das nachfolgende Urteil zum Kartellrecht, dass übertragen wird auf den indirekten Vollzug der MwSt-SystRL und MwSt-DVO: EuGH 13. 12. 2012, C-226/11, Expedia /  Autorité de la concurrence. 262 Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV / A EUV Kommentar (2012) Art. 288 Rz. 146. 263 V. Graevenitz, EuZW 2013, 169 (172, 173). 264 Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (2018) S. 15 Rz. 40. 265 EuGH 20. 3. 1997, C-57/95, Französische Republik, Königreich Spanien / Kommission der Europäischen Gemeinschaften. 266 Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (2018) S. 15 Rz. 38–40. 267 Grebe, UStB 2017, 212 (212). 268 Lamensch, IVM 2015, 11 (11).

E. Mini-One-Stop-Shop

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und Deklarierung erfolgen muss. Erbringt ein Unternehmer europaweit digitale Dienstleistungen, so sind theoretisch 28 unterschiedliche Registrierungs- und Deklarierungsverfahren notwendig. Um diese Verpflichtungen zu verringern, führte die EU 2015 sowohl für EU als auch Drittlandsunternehmer das Wahlrecht einer Einortregistrierung ein,269 den sogenannten MOSS270. Die Neueinführung dieses Systems wurde als revolutionär bezeichnet.271 Die Einortregistrierung erfolgt in einem Mitgliedsstaat, der als Mitgliedsstaat der Identifizierung (MSI) bezeichnet wird. Der Mitgliedsstaat fungiert als „Postkasten und Zahlstelle“.272 Der MSI vereinnahmt die deklarierte Mehrwertsteuer über ein Onlineportal und leitet diese an den Mitgliedsstaat des Verbrauchs (MSV)273 weiter.274 Die Pflicht des Mehrwertsteuerpflichtigen zur Einreichung von Umsatzsteuererklärungen nach nationalen Vorschriften bleibt davon unberührt.275 Das Selbstdeklarierungssystem des MOSS wurde hinsichtlich der effektiven Kontrolle deklarierter Umsätze276 sowie der fehlenden Ermittlungsmöglichkeiten gegenüber nicht registrierten Unternehmern und deklarierten Umsätzen kritisiert.277 Für eine Evaluierung des MOSS-Erhebungsverfahrens wird daher zunächst der rechtliche Rahmen des MOSS überblicksartig dargestellt. Im Anschluss wird die tatsächliche Ansiedlung und Deklarierung von Umsätzen durch Unternehmen im Rahmen des MOSS analysiert, um Schlüsse hinsichtlich der Konzentration von Überprüfungspflichten und damit Steuerausfallrisiken zu ziehen. Es wird der Frage nachgegangen, ob mögliche Mehrwertsteuerrisikofälle und -gebiete durch das bestehende rechtliche Überprüfungssystem einer hohen Entdeckungswahrscheinlichkeit ausgesetzt sind. Für die Beurteilung dieser Frage wird das Auditing einer kritischen Analyse unterzogen. In einer Gesamtbewertung wird die Frage gestellt, ob das aktuelle System der Selbstdeklarierung im Rahmen des MOSS ein geeignetes und missbrauchssicheres Erhebungsverfahren darstellt.

269

Claessens / L ejeune, IVM 2014, 7 (9). Im deutschen Sprachraum ist auch der Begriff „Kleine Einzige Anlaufstelle“ = KEA für das MOSS-Verfahren gebräuchlich. Dieser Begriff hat sich in der Mehrheit nicht durchgesetzt und wird daher auch nicht verwendet. 271 Lamensch, IVM 2015, 11 (15). 272 Ecker / Kronsteiner, SWK 2014, 896 (899). 273 Der Mitgliedstaat des Verbrauchs, ist der Mitgliedstaat indem sich der Leistungsort befindet. 274 Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era: A Critical Analysis and Proposals for Reform (2015) 138. 275 EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013) 3. 276 Lamensch, Are „reverse charging“ and the „one-stop-scheme“ efficient ways to collect VAT on digital supplies?, WJOVL 2012, 1. 277 Thliveros, in: Kerschner / Somare 419; EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 106. 270

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

II. Erläuterungen 1. Rechtsquellen Seit 2015 können sich Unternehmen für den MOSS entscheiden. Der MOSS steht sowohl EU-Unternehmen durch die EU-Regelung nach Art. 358a bis 369 MwSt-SystRL in nationaler Umsetzung nach Art. 25a UStG als auch Drittlandsunternehmen durch die Nicht-EU-Regelung nach Art. 369a bis 369k MwSt-SystRL bzw. § 25a UStG zur Verfügung. Die beiden Regelungen funktionieren ähnlich, weisen jedoch einige Unterschiede auf. Daneben stehen sekundärrechtliche Normen der Art. 57a bis 63c MwSt-DVO, Art. 43 bis 47 MwSt-ZVO278 sowie speziell zum MOSS-Verfahren die MwSt-ZDVO (Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsdurchführungsverordnung)279. Es gibt keine direkte Umsatzgrenze, um den MOSS anwenden zu dürfen. Allerdings gelten die Regelungen des MOSS über den Eröffnungstatbestand der digitalen Dienstleistungen des Art. 58 Abs. 1 i. V. m. Art. 358 MwSt-SystRL nach Art. 58 Abs. 2 MwSt-SystRL bei Umsätzen unter 10.000 EUR für EU-Unternehmer nicht.280 Durch die Einführung einer Umsatzschwelle sollten die Schranken für den Zugang von KMU zum digitalen Binnenmarkt gesenkt werden.281 Die Mehrwertsteuervoranmeldungen müssen für Drittlandsunternehmer gemäß Art. 364 MwSt-SystRL282 bzw. § 25a Abs. 7 UStG und für EU-Unternehmer nach Art. 396f MwSt-SystRL283 bzw. Art. 25a Abs. 3 UStG unabhängig von vereinnahmten Umsätzen bis zum 20. Tag nach Ablauf des Quartals erfolgen. 278

VO (EU) Nr. 904/2010 ABl. L 2010/268, 1. DVO (EU) Nr. 815/2012 der Kommission vom 13. September 2012 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EU) Nr. 904/2012 des Rates hinsichtlich der Sonderregelungen für gebietsfremde Steuerpflichtige, die Telekommunikationsleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen (EU) Nr .815/2012 der Kommission vom 13. September 2012 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EU) Nr. 904/2012 des Rates hinsichtlich der Sonderregelungen für gebietsfremde Steuerpflichtige, die Telekommunikationsleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen, ABl. L 2012/249, 3. 280 Vellen, EU-UStB 2017, 68 (69 f.). 281 EU-Kommission, MEMO/16/3746, 5. 12. 2016, 1. 282 Gemäß Art. 2 Z. 19 i. V. m. Art. 4 (RL (EU) 2017/2455 ABl. L 2017/348, 7) wird Art. 364 mit Wirkung vom 1. 1. 2021 wie folgt gefasst: „Der nicht in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige, der diese Sonderregelung in Anspruch nimmt, hat im Mitgliedstaat der Identifizierung für jedes Kalenderquartal eine Mehrwertsteuererklärung elektronisch abzugeben, unabhängig davon, ob Dienstleistungen, die unter diese Sonderregelung fallen, erbracht wurden oder nicht. Die Mehrwertsteuererklärung ist bis zum Ende des Monats nach Ablauf des Steuerzeitraums, der von der Erklärung umfasst wird, abzugeben.“ 283 Gemäß Art. 2 Z. 25 i. V. m. Art. 4 (RL (EU) 2017/2455 ABl. L 2017/348, 7) wird Art. 369f mit Wirkung vom 1. 1. 2021 wie folgt gefasst: „Der Steuerpflichtige, der diese Sonderregelung in Anspruch nimmt, hat im Mitgliedstaat der Identifizierung für jedes Kalenderquartal eine Mehrwertsteuererklärung elektronisch abzugeben, unabhängig davon, ob innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen oder 279

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EU-Unternehmen müssen sich gemäß Art. 369a MwSt-SystRL bzw. Art. 25a Abs. 1 UStG in dem Mitgliedsstaat identifizieren, in dem der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt oder sich die feste Niederlassung befindet. Die Unternehmen verwenden weiterhin ihre nationale UID.284 Demgegenüber ist die Nicht-EU-Regelung für Unternehmer anwendbar, die in der EU keinen Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und keine feste Niederlassung haben oder gemäß Art. 358a MwSt-SystRL bzw. § 25a Abs. 1 UStG anderweitig verpflichtet sind, sich für mehrwertsteuerliche Zwecke erfassen zu lassen. Drittlandsunternehmer haben daher die Möglichkeit, sich in einem beliebigen Mitgliedsstaat zu registrieren. Das Drittlandsunternehmen erhält nach Registrierung eine UID vom MSI. Bei Ausübung des Wahlrechts auf Basis der Nicht-EU- oder EU-Regelung können die Unternehmen nur einen Mitgliedsstaat wählen, in dem alle Umsätze für digitale Dienstleistungen erfasst werden. Dabei bestimmt sich die Mehrwertsteuerpflicht nicht nach dem MSI im MOSS-System, sondern nach den nationalen Regelungen des MSV.285 Der MSI leitet gemäß Art. 46 Abs. 1 MwSt-ZVO nach Vereinnahmung der Mehrwertsteuer diese an den MSV weiter. Bis zum 31. 12. 2018 konnte der MSI einen Prozentsatz der vereinnahmten Mehrwertsteuer286 einbehalten, zuletzt 15 %. Ab dem 1. 1. 2019 schrumpft dieser Prozentsatz gemäß Art. 46 Abs. 3 MwSt-ZVO auf null. 2. Ziele und Verwendung des MOSS Ziel des MOSS war es die administrativen Kosten durch eine Einzelregistrierung und Deklarierung von Umsätzen im Vergleich zu möglichen 28 Deklarierungen deutlich zu senken. Trotz dieses Vereinfachungssystems bleibt der Mehrwertsteuerpflichtige in dem Mitgliedstaat des Leistungsortes beschwert. Eine Untersuchung der EU-Kommission schätzt, dass die Nutzung des MOSS für ein durchschnittliches Unternehmen, das grenzüberschreitende digitale Dienstleistungen an Verbraucher erbringt, jährliche Kosten von ca. 2.200 EUR verursacht. Ohne das MOSS-Verfahren hätte das durchschnittliche Unternehmen 41.000 EUR an Kosten zu tragen.287 Allerdings bleibt zu beachten, dass eventuell anfallende Vorsteuern im MSV nicht im MOSS-Verfahren erklärt werden können. Für die EU-Regelung können diese über die elektronische Mehrwertsteuererstattung288 und in der Nicht-EU-Regelung Dienstleistungen, die unter diese Sonderregelung fallen, getätigt bzw. erbracht wurden oder nicht. Die Erklärung ist bis zum Ende des Monats nach Ablauf des Steuerzeitraums, der von der Erklärung umfasst wird, abzugeben.“ 284 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 93. 285 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 94 f. 286 Im Folgenden wird von diesem Betrag als Verwaltungsabzug gesprochen. 287 EU Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 14 f., 103. 288 Im Sinne der RL 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, ABl. L 2008/44, 23.

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i. S. d. 13. Mehrwertsteuerrichtlinie289 oder bei einer Registrierung über die jeweilige nationale Mehrwertsteuererklärung geltend gemacht werden.290 Dies bedeutet für die am MOSS-Verfahren teilnehmende Unternehmen Cashflow-Nachteile.291 Die Auswertung von Experteninterviews ergab, dass im Jahr 2015 ca. 60 % bis 80 % aller Umsätze,292 die mit grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen B2C erzielt wurden, über die Portale der EU- und Nicht-EU-Regelung des MOSS deklariert wurden.293 99 % der Mehrwertsteuereinnahmen im MOSS werden von 13 % der dort registrierten Unternehmen deklariert.294 Daraus lassen sich die Befunde ableiten, dass entweder in der Branche wenige große Unternehmen viele digitale Dienstleistungen an Verbraucher erbringen oder dass lediglich die großen Unternehmen ihre Umsätze deklarieren. 3. Nicht-EU-Regelung295 a) Allgemeines Die Nicht-EU-Regelung umfasst seit 2015 an Verbraucher auf sonstigem Wege erbrachten elektronischen Dienstleistungen auch Telekommunikations-, sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen von nicht in der EU ansässigen OnlineE-Commerce-Händlern.296 Das VoES-Verfahren wurde mit dem 1. 1. 2015 durch die Nicht-EU-Regelung des MOSS ersetzt, gemäß § 25a UStG. Unternehmen aus Drittstaaten haben bei diesem besonderen Verfahren die Möglichkeit, sich in einem Mitgliedsstaat ihrer Wahl zu registrieren und die Mehrwertsteuer an den Registrierungsstaat abzuführen. Dieser verteilt anschließend die nach Ländern deklarierte Mehrwertsteuer an die jeweiligen Mitgliedsstaaten. Die Mitgliedsstaaten stellen für die Erklärung der Mehrwertsteuerpflichten und die Registrierung eine eigene 289

13. RL 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechts­ vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern  – Verfahren der Erstattung der Mehrwert­steuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige, ABl. L 1986/ 326, 40. 290 EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013) 20 f. 291 Beyme / Steger, Praktische Hinweise und gebührenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem MOSS-Verfahren, Stbg 2017, 259 (260 ff.). 292 Für weitere Berechnungen wird angenommen, dass der Umsatzmittelwert aller grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen B2C, die im MOSS deklariert werden 70 % beträgt. 293 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 14. 294 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 16. 295 Sofern nicht anders vermerkt, siehe zur Ermittlung der Daten Anhang 1. 296 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 130.

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Plattform zur Verfügung. Bis zum 30. 6. 2020 war gemäß § 33 AVOG (Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz) in Österreich das Finanzamt Graz-Stadt nach Art. 17 AVOG a. F. für nicht in der EU ansässige Unternehmen, die Österreich als Registrierungsstaat im Rahmen der Nicht-EU-Regelung gewählt haben, zuständig.297 b) Gegenüberstellung VoES und MOSS Bis zum Ende des VoES am 31. 12. 2014 hatten sich 575 Unternehmen EU-weit registriert. Der Registrierungsschwerpunkt lag mit mehr als 50 % im Vereinigten Königreich. In Österreich hatte sich kein Drittlandsunternehmer registriert.298 Im Jahr 2015 hatten sich EU-weit 996 Unternehmen für die Nicht-EU-Regelung registriert.299 Wobei zu berücksichtigen ist, dass der Wechsel vom VoES zur NichtEU-Regelung ein aktiver Vorgang war und somit nicht mehr aktive Unternehmen aussortiert wurden. Die EU-Kommission vermutet, dass die Zahl der registrierten Unternehmen deutlich höher wäre, wenn die Plattformregelung des Art. 9a MwSt-DVO nicht verabschiedet worden wäre. Dadurch wäre nämlich eine deutlich größere Zahl von mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmern entstanden, da die Bündelungswirkung des Art. 9a MwSt-DVO nicht gegriffen hätte. Das Vereinigte Königreich und Irland bildeten bis zum zweiten Quartal 2016 den Registrierungsschwerpunkt aller registrierten Drittlandsunternehmen. Das Vereinigte Königreich300 ist in der EU das Land mit der höchsten Registrierungsdichte.301 Irland hatte den größten Zuwachs an registrierten Unternehmen beim Systemwechsel. Begründen lässt sich die Konzentration von Drittlandsunternehmen im Vereinigten Königreich und in Irland unter anderem durch die englische Verwaltungssprache.302 Dies erleichtert als Standortfaktor die Kommunikation zwischen internationalen Unternehmen und Finanzverwaltungen, insbesondere wenn diese Unternehmen nicht in dem Registrierungsland ansässig sind.303 Zudem handelt es sich bei den meisten registrierten Online-E-Commerce-Händlern der Nicht-EURegelung um Unternehmen aus den Vereinigten Staaten als Drittland,304 womit 297

Pernegger, in: Melhardt / Tumpel Art. 25a Rz. 3 ff.; geändert durch: Finanz-Organisationsreformgesetz BGBl. I Nr. 104/2019. 298 Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 143. 299 EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019, 6. 300 Insgesamt 616 Unternehmen. 301 Diese Zahlen stammen aus einer älteren Quelle: EU-Kommission, VAT Aspects of crossborder ecommerce – Options for modernisation Final report 131 f. Die Zahlen werden verwendet, weil diese die einzigen verfügbaren Daten zur Entwicklung in den jeweiligen Mitgliedstaaten sind. 302 Bereits für das VoES-Verfahren: Jansen / Slagmann, IStR 2003, 757 (760). 303 Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 134, 135. 304 EU Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 131; Als Beleg dafür auch die Zielgruppen Fallausrichtung auf US-Unternehmen in Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 155.

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eine Rechts- und Sprachverwandtschaft einhergeht. Dies wird durch eine Statistik der EU-­Kommission aus dem Jahr 2015 unterstrichen, wonach 54 % des di­ gitalen Markts von in den Vereinigten Staaten angesiedelten Onlinediensten be­ dient wird.305 Eine Analyse der Mehrwertsteuereinnahmenverteilung der registrierten Unternehmen ergibt, dass besonders die Registrierungsstaaten Irland und das Vereinigte Königreich ins Gewicht fallen. Diese beiden Staaten vereinnahmten im Jahr 2016 bis zum zweiten Quartal 87 % der gesamten EU-weiten Mehrwertsteuerein­ nahmen.306 Die Einnahmentendenz durch die Nicht-EU-Regelung ist klar steigend. Im Vergleich des Jahres 2015 zum Jahr 2016 wuchsen die Einnahmen um ca. 75 % (von ca. 300 Mio. EUR auf 530 Mio. EUR). Vom Jahr 2016 bis zum Jahr 2017 sanken die Einnahmen um ca. 25 % auf 400 Mio. EUR. Dies lässt sich durch den Wechsel eines großen Unternehmens von der Nicht-EU-Regelung zur EU-Regelung erklären. Ein leichter Anstieg konnte im Jahr 2018 mit Einnahmen von 450 Mio. EUR verzeichnet werden.307 Die Gesamtmehrwertsteuereinnahmen durch die Nicht-EU-Regelung beliefen sich im Jahr 2015 auf ca. 300 Mio. EUR. Dies stellt mehr als eine Verdoppelung der Mehrwertsteuereinnahmen gegenüber den VoES-Einnahmen im Jahr 2014 in Höhe von 137,9 Mio. EUR dar.308 Wie sich die Einnahmen weitereinwickeln werden, ist schwierig abzuschätzen. Es besteht keine ausreichende Datenlage, die sich aus der fehlenden Datenabfrage im Onlineformular des MOSS309 ergibt.310 c) Schlussfolgerungen Es fällt bei einer Gesamtbetrachtung der im Verhältnis enorme Mehrwertsteuereinnahmenanstieg beim Wechsel vom VoES zur Nicht-EU-Regelung auf. Das Wachstum der Mehrwertsteuereinnahmen führt die EU-Kommission auf ein

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EU-Kommission, Warum wir einen digitalen Binnenmarkt brauchen, https://ec.europa. eu/commission/sites/beta-political/files/dsm-factsheet_de.pdf, abgefragt am 26. 8. 2019. Es ist nicht erläutert, ob diese Unternehmen digitale Dienstleistungen erbringen. 306 Siehe Anhang 1. 307 EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019, 3, 4. 308 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 132 f. 309 Sowohl für die EU- wie auch Nicht-EU-Regelung. 310 In diesem Sinne auch Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Abgeordneten Dr. Thomas Gambke et al. – Drucksache 18/10119 – Erfahrungswerte zur Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung digitaler Dienstleistungen, Drucksache 2016, 18/10229, Punkt 4.

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gesteigertes steuerkonformes Bewusstsein der Unternehmen zurück, die vor Einführung der Nicht-EU-Regelung im Jahr 2015 ihre Einnahmen korrekt deklarieren wollten.311 Lamensch vermutet, dass die Zahl der registrierten Unternehmen deutlich höher liegen müsste. Dies liege am Erhebungsmechanismus, der trotz des Systemwechsels 2015 nicht grundlegend anders gestaltet worden sei. Aus dem Anstieg der registrierten Unternehmen vom VoES zur Nicht-EU-Regelung wird abgeleitet, dass viele Unternehmen zuvor die geltenden Regelungen nicht einhielten, da die Anzahl der erbringenden Unternehmen vor und nach dem Systemwechsel annähernd konstant geblieben sei. Lamensch leitet aus diesem Befund eine mangelhafte Effektivität des VoES sowie darauf aufbauend der Nicht-EU-Regelung ab. Diese These wird auf die fehlenden Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltungen zurückgeführt.312 Bestätigt wird diese Vermutung auch durch Ruppe / Achatz. Registrierungsunwillige Drittlandsunternehmer haben ihrer Ansicht nach aufgrund fehlender Kontroll- und Verfolgungsmöglichkeiten und des nach wie vor komplizierten Verfahrens keine Registrierungsanreize für die Nicht-EU-Regelung.313 Zusammenfassend zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Umsätze und Mehrwertsteuereinnahmen von digital erbrachten Dienstleistungen aus Drittländern in die EU ab. Dokumentiert wird dies durch die Nicht-EU-Regelung. Besonders auffällig ist der deutliche Registrierungs- und Einnahmenschwerpunkt von Drittlandsunternehmen im Vereinigten Königreich. Aus dieser Situation ergeben sich für den anstehenden Brexit besondere Herausforderung. 4. EU-Regelung314 a) Allgemeines Ein besonderer Unterschied ergibt sich beim Vergleich und der Evaluierung zwischen EU- und Nicht-EU-Regelung. Im Gegensatz zum Bestimmungslandprinzip in der Nicht-EU-Regelung galt für digitale Dienstleistungen vor der Einführung der EU-Regelung, nach Art. 25a UStG, im MOSS am 1. 1. 2015 das Ursprungslandprinzip. Eine Konsequenz war, dass sich B2C erbringende Unternehmer in Mitgliedstaaten mit niedriger Mehrwertsteuer, wie z. B. Luxemburg, ansiedelten. Seit 2015 gilt diese Wettbewerbsverzerrung nun nicht mehr.315 Im Kalenderjahr 311 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 129 f. 312 In diesem Sinne und mit ausführlicher Begründung: Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 143 f. 313 Ruppe / Achatz, Umsatzsteuergesetz Kommentar5 (2018) § 25a Rz. 3. 314 Sofern nicht anders vermerkt, siehe zur Ermittlung der Daten Anhang 2. 315 Langhein, Umsatzsteuer und Steuerplanung: Die Umsatzsteuer unter organisatorischen und planerischen Gesichtspunkten (2016) 129 f.

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2015 beliefen sich die europaweiten Mehrwertsteuereinnahmen der EU-Regelung auf 2.700 Mio. EUR. Für das Jahr 2016 wurden 2.900 Mio. EUR vereinnahmt.316 Im Jahr 2017 stiegen die Einnahmen um ca. 17 % auf 3.400 Mio. EUR. Diese Wachstumsrate steigerte sich im Jahr 2018 um ca. 21 % auf Einnahmen in Höhe von 4.100 Mio. EUR. Bei der Betrachtung der geographischen Verteilung der Einnahmen ist besonders auffällig, dass die Mehrwertsteuereinnahmen in Luxemburg rückläufig sind. Demgegenüber wächst der Betrag der Mehrwertsteuereinnahmen im Vereinigten Königreich und Irland. Am stärksten wachsen im Verhältnis zu anderen Mitgliedsstaaten auf niedrigem Niveau die Mehrwertsteuereinnahmen in Deutschland.317 Es wird vermutet, dass die Mehrwertsteuereinnahmen Luxemburgs weiter sinken werden, verursacht durch den Wechsel vom Herkunftslandprinzip zum Bestimmungslandprinzip.318 Deutschland hatte im zweiten Quartal 2016 EU-weit die meisten Unternehmensregistrierungen, dicht gefolgt vom Vereinigten Königreich. Irland und Luxemburg haben im Vergleich zu Deutschland und dem Vereinigten Königreich relativ wenig registrierte Unternehmen.319 b) Standortschwerpunkte In einem weiteren Schritt wird überprüft, inwiefern ein Zusammenhang zwischen registrierten Unternehmen und vereinnahmter Mehrwertsteuer besteht. Es fällt auf, dass eine hohe Registrierungsdichte von Unternehmen nicht mit hohen Mehrwertsteuereinnahmen einhergeht. In Irland und Luxemburg sind relativ wenige Unternehmen ansässig, die aber unverhältnismäßig viel zu den EU-weit insgesamt vereinnahmten Mehrwertsteuern beitragen. Somit ist in Irland und Luxemburg eine geringe Anzahl großer Unternehmen registriert. Es kommt zu einem regionalen Schwerpunkt der vereinnahmten Mehrwertsteuer in Irland mit 21 % und in Luxemburg mit 46 % der gesamt vereinnahmten Mehrwertsteuer durch die EURegelung.320 Es ergibt sich die Frage, woraus sich diese regionalen Schwerpunkte ergeben. Im Unterschied zur Nicht-EU-Regelung sind die in der EU-Regelung registrierten Unternehmen in diesem Mitgliedsstaat ansässig, weshalb steuerplanerische Aspekte bei einer Standortwahl berücksichtigt werden können. Es gibt in diesen Ländern besondere Besteuerungsregime, sogenannte IP-Boxen, die intel 316 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 139 f. 317 Siehe Anhang 2. Es wurde auf das ältere Datenmaterial zurückgegriffen, weil es das einzige verfügbare für die jeweiligen Mitgliedstaaten war. 318 EU-Kommission, TAXUD/2015/CC/131, 55. 319 Siehe Anhang 2. 320 Siehe Anhang 2. Es wurden einige Mitgliedstaaten mit nicht relevanter vereinnahmter Mehrwertsteuer oder mangels verfügbarer Daten ausgelassen.

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lektuelle Wirtschaftsgüter steuerlich bevorzugen.321 Damit ein besonderes Besteuerungsregime einschlägig ist und qualifizierte Einkünfte steuerlich bevorzugt werden können, müssen qualifizierte intellektuelle Wirtschaftsgüter vorliegen. Dazu zählen Patente sowie Markenrechte, Know-how und Software,322 die für den Online-­ E-Commerce besonders wichtig sind. Irland erfasst seit 2016 in der „Knowledge Development Box“ Patente,323 Computerprogramme324 sowie ähnliche Marken­ rechte325. In der Ausgestaltung der „Knowledge Development Box“ ist die irische Gesetzeslage mit internationalen Maßstäben zu IP-Box-Regimen326 auf einer Linie und erhält weiterhin den international attraktiven steuerlichen Standort für ITKonzerne. Ziel von internationalen Steuergestaltungen ist es meist die Gewinne aus den geschäftlichen Aktivitäten nur gering oder nicht besteuert weiterzuleiten. Irland bietet dafür eine gute DBA-Infrastruktur.327 Im Vereinigten Königreich galt seit 2013 ebenfalls ein IP-Box-Regime,328 das seit Mitte 2016 im Zuge des BEPSAktionspunktes 5 in eine „Patentbox“ umgewandelt wurde.329 Luxemburg ist ebenfalls ein steuerlich attraktiver Standort. Neben einer Vorzugsbesteuerung durch IP-Boxen, die auch Software umfasst,330 existieren auch Steuervorteile für zugewanderte IT- und Marketingexperten.331 Eine weitere Begründung für das ehemals hohe Umsatzvolumen in Luxemburg kann auch das zuvor geltende Ursprungslandprinzip sein. Die wettbewerbsvorteilhaften niedrigen Mehrwertsteuersätze sind i. S. d. Bestimmungslandprinzips nun nicht mehr auf grenzüberschreitend erbrachte digitale Dienstleistungen anwendbar. Dadurch verliert der zuvor mehrwertsteuerlich attraktive Standort Luxemburg an Anziehungskraft.332 Wie oben dargestellt, zeigt sich dies auch in den sinkenden Mehrwertsteuereinnahmen.

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Evers, L. / Miller / Spengel, Intellectual property box regimes: effective tax rates and tax policy considerations, Int Tax Public Finance 2015, 502 (507 ff.). 322 Evers, L., Intellectual Property (IP) Box Regimes – Tax Planning, Effective Tax Burdens, and Tax Policy Options (2015) 54 ff. 323 Qualifying patent in Section 769 G (1) Finance Act 2015. 324 Computer program in Section 769 G (1); 769 H Finance Act 2015. 325 Category of assets in Section 769 R (1) Finance Act 2015. 326 Grundlegend dazu: OECD, Wirksame Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015, OECD / G20 Projekt Gewinnverlagerung (2016) 26. 327 Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce (2014) 131 ff. 328 Johnson, The beginning of the end for the UK Patent Box?, Journal of Intellectual Property Law & Practice 2015, 152 (152 f.). 329 Roxburgh, Finance Act 2016, ET 2017, 120 (122); Casley / P ybus / Vincent Susan, The Future of UK Interest Deductibility and the Patent Box Regime, ITPJ 2016, 171 (175). 330 Vukovic / Mermet, An Overview of the Future Luxembourg Intellectual Property Tax Regime, ITPJ 2018, 39 (40). 331 Entspricht der normativen Situation 2013: Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce (2014) 136. 332 EU-Kommission, TAXUD/2015/CC/131, 55.

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5. Vergleich und Gesamtbewertung333 a) Nicht-EU- und EU-Regelung In einem abschließenden Schritt werden Rückschlüsse aus den Daten der EURegelung und der Nicht-EU-Regelung gezogen. Das Verhältnis der vereinnahmten Mehrwertsteuer von der Nicht-EU-Regelung zur EU-Regelung ist annähernd zehnmal so hoch. Betrachtet man die Veränderung der Gesamteinnahmen des MOSS für den Veranlagungszeitraum 2016 gegenüber dem Veranlagungszeitraum 2015 steigen die gesamten Mehrwertsteuereinnahmen um ca. 14,6 % auf 3.440 Mio. EUR. Im Jahr 2017 wuchsen die Gesamteinnahmen um ca. 10,5 % auf 3.800 Mio. EUR. Diese Wachstumstendenz verdoppelte sich im Jahr 2018 auf ca. 20,5 % mit 4.570 Mio. EUR.334 Beim Vergleich der registrierten Unternehmen zur vereinnahmten Mehrwertsteuer zwischen der EU-Regelung und der Nicht-EU-Regelung fällt das besondere Gewicht des Vereinigten Königreichs bei der Nicht-EU-Regelung ins Auge. Bei der EU-Regelung ist der hohe Anteil an der vereinnahmten Mehrwertsteuer in Luxemburg mit 46 % und die gleichzeitig geringe Anzahl von Unternehmen augenfällig. Das deutet, wie oben begründet, auf wenige große Unternehmen hin. Dieser Befund ist keineswegs auf die Nicht-EU-Regelung übertragbar, da Luxemburg keine relevanten Einnahmen in dieser Regelung erzielt und auch keinen Schwerpunkt für registrierte Unternehmen bildet. Trotz alledem ist das Vereinigte Königreich auch ein wichtiger Standort für die EU-Regelung, es nimmt den vierten Platz der gesamt vereinnahmten Mehrwertsteuer für digitale Dienstleistungen ein und ist das zweit wichtigste Land für Registrierungen der EU-Regelung.335 Eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2016 identifizierte die Länder, die am meisten vom gesamten Transfer der vereinnahmten Mehrwertsteuer profitieren. Diese werden weitestgehend durch die Größe der Wirtschaft, der Bevölkerung und der Kaufkraft der Einwohner definiert.336 Am meisten profitiert bei der EU-­ Regelung337 vom Transfer das Vereinigte Königreich. Bei der Nicht-EU-Regelung338 ist dies Deutschland.339 333

In dem nachfolgenden Kapitel werden die Daten aus dem Zweiten Kapitel E. II. 3. NichtEU-Regelung, E. II. 4. EU-Regelung sowie aus Anhang 1, 2 verwendet. 334 EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019, 5. 335 Für eine Analyse werden erneut die älteren Daten aus Anhang 1, 2 verwendet. Weil diese die einzige verfügbare Quelle zu einzelnen Mitgliedstaaten enthält. 336 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 135 f. 337 Rang der Empfängerländer der höchsten Mehrwertsteuerbeträge in der EU für die EURegelung: 1. Vereinigtes Königreich; 2. Deutschland; 3. Frankreich; 4. Italien; 5. Niederlande. 338 Rang der Empfängerländer der höchsten Mehrwertsteuerbeträge in der EU für die NichtEU-­Regelung: 1. Deutschland; 2. Frankreich; 3. Vereinigtes Königreich; 4. Schweden; 5. Italien. 339 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 136.

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Insgesamt sank der Gesamteinnahmenanteil der Top 3 MSI vom Jahr 2016 mit 73,8 % auf 68 % im Jahr 2018. Für die Nicht-EU-Regelung ist diese Tendenz noch deutlicher. Vom Jahr 2016 sank der Gesamteinnahmenanteil der Top 3 MSI von 92,5 % auf ca. 86 % im Jahr 2018.340 b) Irland als wichtiger Registrierungsstandort Irland ist sowohl in der EU- als auch Nicht-EU-Regelung eine nicht zu vernachlässigende Größe bei der Konzentration von Unternehmen / Einnahmen. Die vereinnahmte Mehrwertsteuer in Luxemburg durch die EU-Regelung ist im Vergleich des Jahres 2016 zum Jahr 2015 um 20 % gesunken. Dieser Rückgang wurde durch das Wachstum der vereinnahmten Mehrwertsteuer in Irland um ca. 35 % mehr als aufgefangen.341 Dies gewinnt umso mehr an Bedeutung, wenn durch den 2016 beschlossenen Brexit und den anstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, Unternehmen die EU- und Nicht-EU-Regelung nicht mehr nutzen können.342 Voraussichtlich wird es zu einer Steigerung der registrierten Unternehmen und auch der vereinnahmten Mehrwertsteuer in Irland kommen. Aufgrund der englischen Verwaltungssprache in Irland wird dies insbesondere für Unternehmen gelten, die bisher die Nicht-EU-Regelung in Anspruch genommen haben.343 Erbringer digitaler Dienstleistungen, die bisher im Vereinigten Königreich ihren Sitz hatten und daher die EU-Regelung in Anspruch nehmen konnten, könnten zur Nicht-EU-Regelung wechseln und sich in Irland registrieren lassen. Ein alternatives Szenario könnte zu einem Ansässigkeitswechsel von zuvor im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen führen. Dies würde zu einem Anstieg der registrierten Unternehmen und vermutlich der vereinnahmten Mehrwertsteuer in der EU-Regelung führen. Ein Indiz dafür zeigt sich bereits im Veranlagungszeitraum 2017, in dem Irland eine Steigerung der Gesamt-MOSS-Mehrwertsteuereinnahmen auf 1.440 Mio. EUR verzeichnen konnte.344 Auch hat sich die vereinnahmte Mehrwertsteuer der Nicht-EU-Regelung von 2016 auf 2017 mit 65 Mio. EUR nahezu verdoppelt. Dies gilt auch für die vereinnahmte Mehrwertsteuer ohne Verwaltungsabzug durch die EU-Regelung von 555 Mio. EUR im Jahr 2016 auf 1.375 Mio. EUR im Jahr 2017. Seit 2017 hat sich die gesamte vereinnahmte Mehr-

340

EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019, 2 ff. Siehe dazu: Anhang 2. 342 Van de Leur, Brexit and VAT, IVM 2016, 301 (302). 343 Siehe dazu bereits die Begründung zur Konzentration von Unternehmen der Nicht-EU-­ Regelung in Irland und im Vereinigten Königreich: Zweites Kapitel E. II. 3. b) Gegenüberstellung VoES und MOSS. 344 Irish Tax and Customs, Annual report 2018, https://www.revenue.ie/en/corporate/docu ments/statistics/registrations/payments-from-ireland-by-quarter.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. Der Wert von 1.184,336 Mio. EUR ergibt sich durch die Addition aller Quartale des Jahres 2017. 341

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wertsteuer von 1.440 Mio. EUR um ca. 16 % auf 1.674 Mio. EUR im Jahr 2018 erhöht. Auffällig ist, dass die Einnahmen durch die Nicht-EU-Regelung im Jahr 2018 nicht zugenommen haben.345 c) Schlussfolgerungen Zusammenfassend ergibt sich aus den oben beschriebenen Fakten eine Konzentration registrierter Unternehmen und auch vereinnahmter Mehrwertsteuer in wenigen EU-Ländern. Die Einnahmen stehen in keinem Zusammenhang mit der Anzahl der registrierten Unternehmen. Unabhängig von der Anzahl der Unternehmen ist primär die Konzentration der vereinnahmten Mehrwertsteuer für die Staatseinnahmen der Empfängerländer interessant. Es zeichnet sich eine steigende Bedeutung Irlands für Mehrwertsteuereinnahmen durch digitale Dienstleistungen ab, die voraussichtlich in Zukunft für die EU-Regelung, aber insbesondere für die Nicht-EU-Regelung weiter zunehmen wird. Bisher bildet das Vereinigte Königreich einen Schwerpunkt im Rahmen der Nicht-EU-Regelung, diese Situation wird sich nach dem Brexit ändern. Daneben steht die nach wie vor große Bedeutung Luxemburgs als Standort für große Unternehmen, die digitale Dienstleistungen in der EU-Regelung B2C erbringen. Auch ist der Anteil der vereinnahmten Mehrwertsteuer in der Nicht-EU-Regelung zwischen dem Ende des VoES-Verfahrens am 31. 12. 2014 und der Einführung des MOSS verhältnismäßig stark gewachsen.346 Diese Tatsache steht für den Befund, dass viele der leistenden Unternehmer aus Drittländern nicht mehrwertsteuerkonform waren, obwohl die Regelungen im VoES-Verfahren mit den neuen Regelungen seit dem Jahr 2015, insbesondere mit Blick auf das Bestimmungslandprinzip, vergleichbar sind. In einer Gesamtbetrachtung fallen die Hauptkonsumentenländer, welche die Mehrwertsteuereinnahmen erhalten und die wichtigsten Länder der Registrierung bzw. der vereinnahmten Mehrwertsteuer auseinander. Der MSV hat ein bedeutendes Interesse an der korrekten Deklarierung und Aufdeckung von Mehrwertsteuereinnahmen.347 Dem grenzüberschreitenden Auditing kommt daher eine wichtige Stellung zu. Es fragt sich, ob die Auditingregelungen bei einem Auseinanderfallen der beteiligten EU-Länder eine geeignete Rechtsdurchsetzung gewährleisten. 345 Die Daten des Jahres 2016 wurde aus Anhang 1, 2 entnommen, Begründung siehe dort. Die Einnahmen der Jahre 2017, 2018 wurden quartalsweise addiert. Der Verwaltungsabzug von 30 % für die Einnahmen des ersten Quartals des Jahres 2017 bzw. von 15 % für die nachfolgenden Quartale bis zum letzten Quartal 2018 nach Art. 46 Abs. 3 MwSt-ZVO wurden für die EU-Regelung bereinigt: Irish Tax and Customs, Annual report 2018, https://www.revenue. ie/en/corporate/documents/statistics/registrations/payments-from-ireland-by-quarter.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 346 Siehe dazu oben: Zweites Kapitel E. II. 3. b) Gegenüberstellung VoES und MOSS. 347 Lamensch / Ceci, VAT fraud – Economic impact, challenges and policy issues – Study – PE 626.076 (2018) 20, 21; Amand, The 2016 European Commission VAT Action Plan: Weaknesses of a Clearing System and Possible Alternatives, IVM 2016, 238 (239, 240).

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III. Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen Bei der Bestimmung des Leistungsortes werden durch den leistenden Unternehmer umfangreiche Daten vom Konsumenten erhoben.348 Zwischen 2003 und Ende 2014 konnten die leistenden Drittlandsunternehmer im Wesentlichen frei entscheiden, welche Daten verwendet werden, um den Leistungsort zu bestimmen.349 Durch die Regelungen seit 2015 müssen die Daten hinreichend ausführlich sein, um den Steuerbehörden eine ausreichende Überprüfungsmöglichkeit der deklarierten Umsätze zu ermöglichen. Diese Daten müssen vom 31. Dezember des jeweiligen Jahres an, in dem der Umsatz getätigt wurde, zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Dies gilt unabhängig von der Beendigung des MOSS-Verfahrens.350 Für die EU-­Regelung ist Art. 369k MwSt-SystRL in nationaler Umsetzung nach Art. 25a Abs. 10 UStG und für die Nicht-EU-Regelung Art. 369 MwSt-SystRL in nationaler Umsetzung nach § 25a Abs. 12 UStG anwendbar. Wird den Verpflichtungen nicht nachgekommen, so stellt dies einen zwingenden Ausschlussgrund vom MOSSVerfahren nach Art. 58b Abs. 2 lit. c MwSt-DVO dar. Von Minor / Gärnter wird angezweifelt, ob die langen Aufbewahrungspflichten EU-Datenschutzstandards im Lichte des EuGH-Urteils Digital Rights Ireland351 standhalten können.352 Damit die Informationen sowohl für die EU- und Nicht-EU-Regelung als hinreichend ausführlich betrachtet werden, müssen diese die folgenden Informationen nach Art. 63c Abs. 1 MwSt-DVO enthalten: a. Mitgliedstaat des Verbrauchs, in dem die Dienstleistung erbracht wird; b. Art der erbrachten Dienstleistung; c. Datum der Dienstleistungserbringung; d. Steuerbemessungsgrundlage unter Angabe der verwendeten Währung; e. jede anschließende Erhöhung oder Senkung der Steuerbemessungsgrundlage; f. anzuwendender Mehrwertsteuersatz; g. Betrag der zu zahlenden Mehrwertsteuer unter Angabe der verwendeten Währung; h. Datum und Betrag der erhaltenen Zahlungen; i. alle vor Erbringung der Dienstleistung erhaltenen Vorauszahlungen; j. falls eine Rechnung ausgestellt wurde, die darin enthaltenen Informationen; 348

Siehe beispielsweise oben: Zweites Kapitel D. IV. 4. Beweismittel für die Bestimmung des Leistungsortes. 349 In diesem Sinne: Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 131. 350 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 99. 351 EuGH 8. 4. 2014, C-293/12 und C-594/12, Digital Ireland Rights. 352 Minor / Gärtner, VAT on electronically supplied services to EU consumers 146.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

k. Name des Dienstleistungsempfängers, soweit dem Steuerpflichtigen bekannt; l. Informationen zur Bestimmung des Orts, an dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Entscheidend für die Bestimmung des Leistungsortes ist Art. 63c Abs. 1 lit. l MwSt-DVO. Buchstabe l enthält die wichtigen Informationen zur Bestimmung des Leistungsortes, darauf bauen die Informationen nach Buchstaben a, d und f auf. Die Aufzeichnungen müssen nach Art. 63c Abs. 2 MwSt-DVO sowohl dem MSI als auch dem MSV auf Verlangen353 unverzüglich und für jede einzelne erbrachte Dienstleistung auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt werden. „… unverzüglich  …“ bedeutet aus Sicht der EU-Kommission innerhalb eines Monats und kann bei Nichtbeibringung zum Ausschluss vom Verfahren führen. Für die Rechnungsstellung galten die Vorschriften des Mitgliedsstaats des Verbrauchs bis zum 31. 12. 2018.354 Seit dem 1. 1. 2019 richten sich nach Art. 219a Abs. 2 lit. a sublit. i MwSt-SystRL die Vorschriften der Rechnungsstellung nach den Vorschriften des Mitgliedsstaats der Identifizierung, wenn der leistende Unternehmer die EU-­Regelung oder die Nicht-EU-Regelung im MOSS-Verfahren gewählt hat.355

IV. Auditing im Rahmen des MOSS-Verfahrens 1. Notwendigkeit zur Harmonisierung Verglichen mit dem MOSS gibt es wenige Gebiete innerhalb des Mehrwertsteuersystems, die ein stärkeres Bedürfnis nach internationaler Amtshilfe, dem Austausch von Informationen und einem effektiven Besteuerungsmechanismus als der B2C-Bereich des grenzüberschreitenden Online-E-Commerce haben.356 Die legistischen Regelungen zur Abwicklung eines grenzüberschreitenden Auditing bei auseinanderfallenden zuständigen Prüfungsstaaten (MSV und MSI) befinden sich unter anderem in Art. 369 und 369k MwSt-SystRL und Art. 63c MwSt-DVO. Das bisher noch nicht reibungslose Ineinandergreifen der Prüfung von Unternehmen im MOSS stellt ein Problem dar.357 Mehrwertsteuerprüfungen sind in der EU bisher nicht harmonisiert und stellen auch Unternehmen vor Schwierigkeiten.358 Für eine bessere Koordinierung der Mitgliedsstaaten untereinander hat die EU-Kommission drei unverbindliche Leitlinien mit dem Ziel veröffentlicht, das Auditing 353

Ecker / Kronsteiner, SWK 2014, 896 (901). EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013) 27. 355 RL (EU) 2017/2455 ABl. L 2017/348, 7, Gemäß Art. 1 Z. 2 i. V. m. Art. 4. 356 In diesem Sinne: Westberg, International Administrative Cooperation and Exchange of Information in the Area of VAT, in: Lang / Lejeune (Hrsg.), VAT / GST in a Global Digital Economy (2015) 166. 357 Raponi / O’Sullivan in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 17. 358 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 104. 354

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im MOSS-Verfahren für Unternehmer und Finanzverwaltungen zu erleichtern und praktische einheitliche Standards zu etablieren:359 – Zusätzliche Leitlinien – Prüfung der MOSS-Daten,360 – Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer,361 – SAF-MOSS XML Schema specifications DG TAXUD.362 Das Auseinanderfallen von MSI und MSV im vereinfachenden MOSS-Verfahren führt dazu, dass sowohl der MSI als auch der MSV die Aufzeichnungen überprüfen können. Im Gegensatz zur individuellen Registrierung in 28 europäischen Ländern, in denen nur die örtliche Finanzverwaltung verantwortlich ist.363 Zwei Jahre nach der Einführung des MOSS gab es erste vereinzelte Erfahrungen mit dem Auditing.364 2. Mehrwertsteuerpflichtige im MOSS a) Informationsübermittlung durch den Mehrwertsteuerpflichtigen Der grenzüberschreitend leistungserbringende Unternehmer muss nach Art. 63c Abs. 1 MwSt-DVO hinreichend ausführliche Aufzeichnungen führen, aus denen sich der Leistungsort durch die Finanzverwaltungen bestimmen lässt. Nach Absatz 2 müssen diese Informationen unverzüglich auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt werden können. Nicht geregelt ist, wie detailliert und ausführlich die aufbewahrten Informationen zur konkreten Leistungsortbestimmung nach Art. 24f MwSt-DVO sein müssen. Diese Informationen sind entscheidend für die Ermittlung des Leistungsortes und damit für die unabhängige Überprüfung von deklarierten Umsätzen durch die Finanzverwaltungen. Die wichtigste Information zur Bestimmung des Leistungsortes befindet sich in Art. 63c Abs. 1 lit. l MwSt-DVO. Aus der Information des Art. 63c Abs. 1 lit. l MwSt-DVO lassen sich die folgenden Informationen des Art. 63c Abs. 1 MwStDVO bestimmen und auch durch die Finanzverwaltungen verifizieren: – Buchstabe a: „Mitgliedstaat des Verbrauchs, in dem die Dienstleistung erbracht wird;“ 359

In diesem Sinne: EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, Einleitungstext. 360 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014. 361 EU-Kommission, Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (2013). 362 EU-Kommission, SAF-MOSS XML Schema specifications DG TAXUD (2014). 363 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 96. 364 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 111.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

– Buchstabe d: „Steuerbemessungsgrundlage unter Angabe der verwendeten Währung;“ – Buchstabe f: „anzuwendender Mehrwertsteuersatz;“. Dies bedeutet, dass bei einer fehlerhaften oder missbräuchlich angegebenen Information zu Buchstabe l, die Informationen der Buchstaben a, d und f und damit die Höhe der Mehrwertsteuer sowie das Empfängerland der Mehrwertsteuer falsch ermittelt wurden. Somit müssen die Informationen des Buchstaben l bei einem Auditing so ausführlich wie möglich sein, um den Finanzverwaltungen eine ausreichende, unabhängige Verifizierung der sich daraus ergebenden Informationen der Buchstaben a, d und f zu ermöglichen. Um einen reibungsloseren Ablauf eines Auditing zwischen Unternehmen und Finanzbehörden zu ermöglichen, hat die EU-Kommission einen unverbindlichen Leitfaden herausgegeben, der die Kontaktaufnahme und die Methode zur Bereitstellung der im Rahmen der Prüfung erforderlichen Informationen harmonisieren soll.365 b) Standard Audit File: SAF-MOSS Das Konzept des Standard Audit File for Tax (SAF-T) wurde von der OECD im Jahr 2005 eingeführt.366 Es beruht auf dem Prinzip, dass automatisch steuerrelevante Daten aus dem Buchhaltungssystem des Steuerpflichtigen in standardisierter Form extrahiert werden und somit leichter den Finanzverwaltungen für eine Prüfung zur Verfügung gestellt werden können.367 Diese Technologie wird in der EU seit einigen Jahren verstärkt eingesetzt. Damit wird das Ziel einer schnelleren und effizienteren Kommunikation sowie Informationsgewinnung für die Finanzverwaltungen verfolgt.368 Unter Buchstabe  d des Dokuments „Zusätzliche Leitlinien  – Prüfung der MOSS-Daten“ haben drei Viertel der Mitgliedsstaaten369 die Verwendung der Standarddatei für den MOSS, des sogenannten SAF-MOSS, im XML-Format bei der Übermittlung der Aufzeichnungen freiwillig akzeptiert.370 Bei den Leitlinien handelt es sich um ein rechtlich nicht bindendes „gentlemen’s agreement“

365

EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, Einleitung. OECD, Guidance Note: Guidance on Tax Compliance for Business and Accounting Software (2005). 367 Bronżewska, Introduction of the Standard Audit File for Tax (SAF-T), European Taxation 2016, 569 (569). 368 Petrosino, Are You Ready for the Tax Technology?, IVM 2019 Vol. 30 No. 2, Kapitel: 1., 2.2. bis 2.5., 4. Es werden folgende Länder genannt: Polen, Spanien, Italien, Belgien und Frankreich. 369 Folgende Länder sind nicht den Empfehlungen der EU-Kommission gefolgt und verzichten auf einen vereinheitlichten Rahmen: DE, EL, FR, IT, CY, LV, RO. 370 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, 2. 366

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der Mitgliedsstaaten untereinander.371 Unter den beigetretenen Ländern befinden sich die bedeutendsten Registrierungsstandorte für die EU-Regelung (Luxemburg, Vereinigtes Königreich, Irland) und die Nicht-EU-Regelung (Vereinigtes Königreich, Irland). Nicht beigetretene Mitgliedsstaaten begründeten ihre Entscheidung mit Implementierungsschwierigkeiten. Bei den nicht beigetretenen Staaten handelt es sich unter anderem um Italien, Deutschland und Frankreich, die zugleich die größten Absatzmärkte digitaler Dienstleistungen in der EU sind.372 In einer im Jahr 2016 durchgeführten Studie verzeichneten die Mitgliedsstaaten bisher keine Erfahrungen mit dem Standard Audit File SAF-MOSS, zeigten aber Bereitschaft zur Implementierung.373 Bisher verwenden nur die Niederlande das SAF-MOSS zur Übermittlung von relevanten Daten von registrierten Händlern.374 Der tatsächliche Wirkungsradius des SAF-MOSS ist daher sehr begrenzt. c) Erfahrungen der Steuerpflichtigen im Auditing Die Erfahrungen von Steuerpflichtigen mit dem neuen Auditing des MOSS durch den MSI oder MSV beschränken sich bis Mitte 2016 auf einzelne Fälle. Es ist daher schwierig, eine abschließende Bewertung des bisherigen Auditing vorzunehmen. Die Kontaktaufnahme erfolgte in einem Fall direkt durch die MSV, ansonsten über den MSI. Die Anfragen beschränkten sich auf allgemeine Fragen zum Prozess der Kundenidentifizierung und bezogen sich nicht auf einzelne Transaktionen. Unternehmen sehen die fehlenden Erfahrungen mit Audits als kritisch an, da diese Rechtsunsicherheit nach sich ziehen. Als zukünftiges Problem werden vielfache Auditanfragen von unterschiedlichen Finanzverwaltungen identifiziert, verbunden mit höheren Verwaltungskosten und erwarteten Sprachschwierigkeiten. Aus den folgenden Gründen präferieren Unternehmen die ausschließliche Prüfung durch den MSI: – Vereinfachte Kommunikation aufgrund der gemeinsamen Sprache, – räumliche Nähe zu den Finanzverwaltungen, – Koordinierung durch den MSI und lediglich – ein einziger, einfacher Kontakt für Unternehmen zu den Finanzverwaltungen.

371

EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 117. 372 Zu den nicht beigetretenen Staaten siehe: EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, 2, 3. Die Absatzmarktgröße wurde von den Hauptempfängerländern abgeleitet. Bezüglich der Empfängerländer siehe oben: Zweites Kapitel Punkt: E. II. 5. a) NichtEU- und EU-Regelung. 373 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 111. 374 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 31.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Darüber hinaus betrachten die meisten Unternehmen mögliche Prüfungen in mehreren Mitgliedsstaaten allgemein als negativ und sehen die Softlaw-Bestrebungen der EU-Kommission zur Vereinheitlichung der Auditaktivitäten als positiv an.375 3. Mitgliedsstaaten im MOSS a) Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten Der Erfolg des MOSS und auch das Auditing hängen von der Entwicklung und der Zusammenarbeit geeigneter IT-Systeme ab.376 Dafür ist es notwendig, dass der MSI und der MSV als berechtigte Prüfstaaten377 das Auditing koordinieren, notwendige Daten für eine korrekte Mehrwertbesteuerung im MOSS erhalten oder die notwendigen Daten vorrätig halten. Für eine vereinfachende Prüfung stellt die Softlaw-Regelung der „Zusätzlichen Leitlinien“ neben dem SAF-MOSS-Format zur Bereitstellung der erforderlichen Informationen im Rahmen der Prüfung noch Übereinkünfte zur Kontaktaufnahme mit den Unternehmen im Rahmen der Prüfung zur Verfügung.378 Der erste Kontakt sollte nach Möglichkeit über den MSI erfolgen. Das Dokument verweist auf Fälle, in denen es notwendig sein kann, dass der MSV mit dem Unternehmen direkt Kontakt aufnimmt, z. B. bei Rückfragen zu empfangenen Daten. Dies berührt nicht die Fähigkeit des MSV, Informationen nach Art. 63c Abs. 1 MwSt-DVO einzuholen.379 Allerdings fragt sich, bei welchen Prüfungsanfragen eine Koordinierung über den MSI dann noch zwingend notwendig ist, da der Katalog des Art. 63c Abs. 1 MwSt-DVO bereits alle relevanten Informationen zur Ermittlung der Mehrwertsteuerpflichten vollständig umfasst. Weiter sollte der Unternehmer über den MSI nach landesüblichen Verfahren kontaktiert werden. Im Falle der Nicht-EU-Regelung sollte die Kontaktaufnahme per E-Mail erfolgen. Auch sollte der MSV mit dem Unternehmer unabhängig von der Nicht-EU- oder EU-Regelung per E-Mail in Kontakt treten.380 Als wichtigster europäischer MSV ist Deutschland den „Zusätzlichen Leitlinien“ überhaupt nicht beigetreten und erklärt damit die Softlaw-Bestrebungen der EU-Kommission zur Harmonisierung des Auditing für nicht anwendbar.381

375 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 115 ff. 376 Raponi / O’Sullivan, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 17. 377 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 99 ff. 378 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, 1. 379 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, 2. 380 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014, 2. 381 Deutsches BMF, 17. 12. 2014 – IV D 1 – S. 7058/14/10004 BStBl. 2015 I, 43.

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Weiter sind von den vier größten Volkswirtschaften Europas382 ebenfalls Frankreich und Italien nicht beigetreten.383 b) Mitgliedsstaaten im Auditing: Erfahrungen In der Einführungsphase setzte die EU-Kommission auf die Aufklärung der Unternehmen über die 2015 neu eingeführten Regelungen.384 Das neue Besteuerungssystem des MOSS führte zur Einführung neuer Software in den Finanzverwaltungen und zur Verwendung von Daten unabhängiger Dritter zur Überprüfung der deklarierten Daten. Konkret verfolgen die Mitgliedsstaaten keinen spezifischen Ansatz, um beispielsweise die Einhaltung der korrekten Identifizierung des Leistungsortes sicherzustellen. Ein Risikoschwerpunkt wurde in der Einhaltung der seit 2015 geltenden Regelungen bei KMU gesehen.385 Lejeune / Claessens identifizieren folgende Punkte, die während einer Prüfung einer Betrachtung unterzogen werden sollen:386 – Art der erbrachten Dienstleistungen; – Korrekte Anwendung des jeweiligen Mehrwertsteuersatzes; – Anwendbarkeit der Vermittlerregelung des Art. 9a MwSt-DVO; – Überprüfung des Verbraucherstatus; – Ermittlung des Leistungsorts. Diese Ansätze befinden sich auf einer Linie mit den Empfehlungen der EUKommission. Während einer Prüfung des Unternehmers durch einen Mitgliedsstaat wird empfohlen, anstatt einzelner Transaktionen den Prozess der Unternehmen zur Identifizierung der Mehrwertsteuerpflichten zu überprüfen.387 Die deutsche Finanzverwaltung bemängelte im Jahr 2016 in einer kleinen Anfrage des Bundestags, dass es zu technischen Problemen durch „… nicht valide Nachrichten im Rahmen des Informationsaustausches  …“ der Mitgliedsstaaten 382

Siehe auch die Größe der Volkswirtschaft: Eurostat, BIP und Hauptkomponenten (Produktionswert, Ausgaben und Einkommen), http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do? dataset=nama_10_gdp&lang=de, abgefragt 23. 6. 2021. 383 EU-Kommission, KOM Informationen für MOSS 13. 06. 2014. 384 So stellt die EU-Kommission Informationen über ein Portal zur Verfügung, dass neben den europäischen Amtssprachen auch russische und japanische Übersetzungen enthält. EU-Kommission, Guide to the VAT mini One Stop Shop (MOSS), https://ec.europa.eu/ taxation_customs/business/vat/telecommunications-broadcasting-electronic-services/content/ guide-vat-mini-one-stop-shop-moss#explanatory, abgefragt am 23. 6. 2021. 385 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 106, 107. 386 Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 101. 387 EU-Kommission, SWD 2016, 379 final, 86.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

gekommen sei.388 Auch wurden zwei Jahre nach Einführung des MOSS auf EUEbene noch Probleme in der Ausführung des MOSS gemeldet, die neben der Nutzung des MOSS-Onlineportals auch die Kommunikation des MSV mit dem MSI betrafen.389 Die Mitgliedsstaaten hatten bis zum Jahr 2016 keine größeren Erfahrungen mit dem Auditing im Rahmen des MOSS. Mehrheitlich wurde dies mit dem zu frühen Zeitpunkt seit der Einführung der neuen Regelungen begründet. Zusätzlich wurden folgende Gründe erwähnt: – Fehlende Anzeichen, dass Unternehmen in eine Mehrwertsteuerhinterziehung von signifikanter Höhe involviert sind. – Das Hinterziehungsvolumen wird als gering eingeschätzt. – Die geringe Anzahl der registrierten Unternehmen. – Es wurden keine Anfragen von anderen Mitgliedsstaaten erhalten. – Es wurden andere Prioritäten gesetzt. Darüber hinaus identifizierte lediglich ein Mitgliedsstaat Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung und Ermittlung von Mehrwertsteueransprüchen bei Drittlandsunternehmern. Auch gibt es bisher keine geeigneten Daten, um im Rahmen eines Risikomanagements effektiv die Prüfungsaktivitäten zu koordinieren.390 Auch kam es bei der Einführung geeigneter MOSS-IT-Systeme in einzelnen Mitgliedstaaten zu Problemen. Die deutsche Finanzverwaltung war Schlusslicht bei der Umsetzung des MOSS-Systems und musste zur Einführung des MOSS auf ein Übergangssystem der EU-Kommission zurückgreifen. Das deutsche BMF sicherte zu bis Anfang 2017 ein eigenes MOSS-IT-System in Betrieb zu haben.391 Dass die Übermittlung von Daten zwischen den Mitgliedsstaaten auch drei Jahre nach Inkrafttreten des MOSS noch nicht reibungslos funktionierte, zeigt sich in einer Stellungnahme der EU-Kommission an das Vereinigte Königreich. Gemäß Art. 2, 3 MwSt-ZDVO müssen die Mitgliedsstaaten untereinander über eine elektronische Schnittstelle Informationen über die Steuerpflichtigen zur Verfügung stellen.392 Das Vereinigte Königreich als MSI hatte die Kontodaten von Steuerpflichtigen nicht erhoben und konnte deshalb den anderen Mitgliedstaaten die Kontodaten im Rahmen der Informationsübermittlung nicht mitteilen.393 388

Deutscher Bundestag, Drucksache 2016, 18/10229, Punkt 7. Deutscher Bundestag, Drucksache 2016, 18/10229, Punkt 12. 390 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 111, 112. 391 Deutscher BRH, Bemerkungen 2016, Band I zur Haushals- und Wirtschaftsführung des Bundes Teilband 3 von 3 (2017) Kapitel 67, 569–572. 392 DVO (EU) Nr. 815/2012 ABl. L 2012/249, 3. 393 EU Kommission, Vertragsverletzungsverfahren im Juli: Wichtigste Beschlüsse, MEMO/ 18/4486, 19. 7. 2018, Punkt 10. Steuern und Zollunion; Steuern: Kommission fordert Vereinigtes Königreich auf, seine nationale Praxis betreffend die kleine einzige Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer (Mini-One-Stop-Shop) mit den EU-Vorschriften in Einklang zu bringen. 389

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Im Jahr 2019 veröffentlichte der Europäische Rechnungshof einen Sonderbericht zum E-Commerce, der eine aktuelle Bewertung des MOSS und der Prüfungs­ aktivitäten der Mitgliedstaaten enthält. Der Europäische Rechnungshof stellt unter anderem fest, dass Prüfungsaktivitäten bei Unternehmen in der EU-Regelung sehr begrenzt stattgefunden haben und in der Nicht-EU-Regelung fast nicht durchgeführt wurden. Erfasst wurde die Gesamtanzahl an Prüfungen für die Nicht-EURegelung und EU-Regelung gegenüber den insgesamt registrierten Händler vom Zeitraum 2015 bis zu den jüngsten verfügbaren Daten.394 Insgesamt fällt die sehr geringe Gesamtzahl der durchgeführten Prüfungen seit Einführung des MOSS im Jahr 2015 auf. Bei einem Vergleich der durchgeführten Prüfungen als MSI und MSV wird auf einem sehr geringen Level der insgesamt durchgeführten Prüfungen deutlich, dass die Finanzverwaltungen in der Rolle als MSV mehr Prüfungen durchführen.395 Dies könnte daran liegen, dass der MSV ein größeres Interesse bei der Durchführung von Prüfungen hat, um den korrekten Vollzug der Mehrwertsteuer sicherzustellen. Schließlich erhält der MSV als Staat des Leistungsortes die Mehrwertsteuer für die digital erbrachten Dienstleistungen. Der Europäische Rechnungshof betont darüber hinaus, dass die Prüfungstätigkeiten für die Mehrwertsteuererhebung nicht wirksam sind.396 Zusammenfassend haben die Mitgliedstaaten bisher sehr wenig Erfahrungen bei der Prüfung von MOSS-Daten gesammelt. Die Prüfungsaktivitäten sind fünf Jahre nach Einführung des MOSS sehr überschaubar. Insbesondere fällt auf, dass die Mitgliedstaaten fast keine Erfahrungen mit Prüfungen von Nicht-EU-Unternehmern haben. Auch sonst gab es Probleme bei der Bereitstellung geeigneter IT-­Systeme, um einen reibungslosen Informationsfluss zwischen den Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten gewährleisten zu können. Insgesamt liegt die Vermutung nahe, dass die Mitgliedstaaten stärkere Prüfungsaktivitäten durchführen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein vollkommen neues System zur Erhebung und Entstehung der Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen im Jahr 2015 eingeführt wurde. Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass aufgrund der geringen Prüfdichte leistende Unternehmer im MOSS kaum Prüfungen zu erwarten haben. 4. Würdigung des Auditing Trotz Harmonisierungsbestrebungen fällt bei einer Gesamtbewertung auf, dass das fehlende Vertrauen und auch die fehlende Fähigkeit der Mitgliedsstaaten zur Konzentration von Prüfungsverantwortung im Land der Identifizierung zu doppelten Prüfungskompetenzen führen. Aus den Zahlen ergibt sich, dass es wenige große Erbringer digitaler Dienstleistungen gibt, die sich abhängig von der Nicht 394

Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 29 ff. Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 30. 396 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 31. 395

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

EU- oder EU-Regelung in einer überschaubaren Anzahl von Mitgliedsstaaten registrieren.397 Neben dem MSI können potenziell 27 weitere Finanzverwaltungen Prüfungskompetenzen innehaben. Dies stellt eine unbefriedigende Situation für Steuerpflichtige dar. Die Harmonisierungsmaßnahmen durch die Koordinierungsbefugnisse des MSI können zu einem höheren Koordinierungsniveau führen. Ziel muss es sein, möglichst effektive Überprüfungsmöglichkeiten zu implementieren. Die umfangreichen Bestimmungspflichten des Steuerpflichtigen zur Identifizierung des Leistungsorts sollten nicht noch durch zusätzliche Verwaltungskosten in die Höhe getrieben werden. Ein einfaches System dürfte auch die Steuerehrlichkeit von leistenden Unternehmern erhöhen. Es fällt das Fehlen geeigneter technischer Instrumente auf, um Mehrwertsteueransprüche nicht nur zu validieren, sondern auch unabhängig von den Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Dies ist umso wichtiger, wenn der MOSS nur „Postkasten und Zahlstelle“ ist.398 Dieser Befund leitet sich unter anderem auch aus der bisher nicht erfolgten Verwendung des SAF-MOSS ab. Neben weiteren normativen Bestrebungen zur Harmonisierung von Prüfungsaktivitäten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten muss auch der Ausbau von geeigneten technischen Lösungen innerhalb der EU zur Aufdeckung und unabhängigen Überprüfung von deklarierten Umsätzen stehen. Dies ist bisher nicht der Fall. Der hohe Sprung von Mehrwertsteuereinnahmen in der Nicht-EU-Regelung durch die Einführung des MOSS deutet darauf hin, dass insbesondere Drittlandsunternehmer keinem hohen Entdeckungs- und Vollzugsrisiko sowohl unter dem VoES als auch dem MOSS ausgesetzt sind. Die wachsende Bedeutung wird durch den starken Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen in diesem Bereich und die geringe Zahl der Registrierungen verdeutlicht.399 Das deutet darauf hin, dass mehrheitlich große Unternehmen den MOSS dominieren. Der Schlussfolgerung, dass dies auch für den gesamten Markt anzunehmen ist, kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Es kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass alle Umsätze, die im MOSS deklariert werden, mit den tatsächlichen Umsätzen übereinstimmen. Auch wenn sich die Regelungen des MOSS im Einklang mit den Leitlinien der OECD und dem Bestimmungslandprinzip befinden, so sind diese Regelungen dennoch einem Durchsetzungsrisiko ausgesetzt.400 Der MOSS baut auf der freiwilligen Registrierung auf.401 Eine Nichtregistrierung im MOSS hat für einen Drittlandsunternehmer keine Konsequenzen, es senkt sogar die Entdeckungswahrscheinlichkeit. Dies wird auch durch den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs 397

Siehe oben: Zweites Kapitel E. II. 5. c) Schlussfolgerungen. Ecker / Kronsteiner, SWK 2014, 896 (899). 399 Lamensch, IVM 2017, 137 (141). 400 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht: Bekämpfung des innergemeinschafllichen MwSt.-Betrugs: Weitere Maßnahmen sind erforderlich (gemäß Art. 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV), 35,46, Punkte: 90–92. 401 Europäischer Rechnungshof, Background paper: Collection of VAT and customs duties on cross-border e-commerce (2018) 2. 398

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bestätigt, der dokumentiert, dass bis Ende 2017 kaum Prüfungen von registrierten EU-Unternehmern und fast keine Prüfungen von Drittlandsunternehmern durchgeführt wurden.402 Als Resümee lässt sich ziehen, dass das MOSS keine geeignete Antwort auf dieses Problem hat.

V. Ausblick auf die Entwicklung der Einortregistrierung Das System des Mini-One-Stop-Shops wurde von der EU-Kommission als erfolgreich erachtet.403 Das Prinzip lediglich eines Registrierungsstandorts und einer Zahlstelle im MSI wurde vom MOSS zu einem One-Stop-Shop (OSS) ausgebaut, der auch den grenzüberschreitenden B2C-Handel von Gegenständen umfasst.404 Ende des Jahres 2017 hatte der Rat im Mehrwertsteuerpaket für den elektronischen Handel405 den Anwendungsbereich des OSS auf folgende Bereiche ausgedehnt: – Die Nicht-EU-Regelung und die EU-Regelung werden auf alle sonstigen B2C erbrachten Dienstleistungen, exklusive digitale Dienstleistungen, erweitert. – Die EU-Regelung gilt neben allen sonstigen B2C-Leistungen nun auch für den grenzüberschreitenden B2C-Versandhandel innerhalb der EU. – Dies gilt auch für Fernverkäufe von aus Drittstaaten eingeführten Gegenständen in Sendungen von höchstens 150 EUR als Sachwert. Die Bestimmungen traten am 1. 7. 2021 in Kraft.406 Bei der Ermittlung des Leistungsorts bei der Lieferung von Gegenständen wird die Missbrauchsanfälligkeit niedriger als bei der Erbringung digitaler Dienstleistungen beurteilt. Dies ergibt sich durch die eindeutige Zuordnung einer Lieferadresse des Verbrauchers und aus einer höheren Abwicklungszeit der Transaktion.407 402

Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 31. EU-Kommission, Commission Staff Working Document Impact Assessment Accompanying the document Proposal for a Council Directive laying down rules relating to the corporate taxation of a significant digital presence and Proposal for a Council Directive on the common system of a digital services tax on revenues resulting from the provision of certain digital services, SWD (2018) 81 final 21. 3. 2018, 75. 404 Luu / Dzienisik, Von Soft Law zu Hard Law im Bereich der Mehrwertsteuer – Bei der grenzüberschreitenden Mehrwertsteuer kommen gewichtige Änderungen ins Rollen, Expert Focus 2017, 584 (552 ff.). 405 RL (EU) 2017/2455 ABl. L 2017/348, 7 VO (EU) 2017/2454 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2017/348, 1 DVO (EU) 2017/2459 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/122/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 2017/348, 32. 406 VO (EU) 2020/1318 der Kommission vom 22. September 2020 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/21 und (EU) 2020/194 in Bezug auf den Geltungsbeginn als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, ABl. L 2020/309, 4. 407 Lamensch, IVM 2017, 137 (141). 403

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Im zunehmenden grenzüberschreitenden Handel sieht die EU-Kommission die Erfüllung von B2C-Complianceanforderungen in der Vereinfachung von Zahlungs- und Deklarierungsformen durch OSS-Systeme, unabhängig von der grenzüberschreitenden Lieferung von Gegenständen, Dienstleistungen oder sonstigen elektronischen Nutzungsmöglichkeiten. Die erleichterten Complianceanforderungen bilden jedoch nur einen Teil der Maßnahmen zur Senkung der Mehrwertsteuerhinterziehung im E-Commerce, daneben müssen auch geeignete Instrumente zur Rechtsdurchsetzung implementiert werden.

VI. Bewertung des MOSS und Identifizierung von Risikogruppen Das grundsätzliche Problem ist, dass der MOSS keine passende Lösung für die lückenlose Identifizierung von Drittlandsunternehmern, die digitale Dienstleistungen in den EU-Markt erbringen408 sowie allgemein für die Gewährleistung der Überprüfung deklarierter Umsätze unabhängig vom Unternehmer hat. Dieses Problem ist mit dem Selbstdeklarierungssystem des MOSS verknüpft, das im Wesentlichen auf die freiwillige Deklarierung von Umsätzen durch die leistenden Unternehmer baut, ohne geeignete Instrumente zur Rechtsdurchsetzung bereitzustellen.409 Es leitet sich die Frage ab, ob dies ein wichtiges systemimmanentes Problem darstellt oder ob das Problem vernachlässigt werden kann. Indizien zur Beantwortung dieser Frage lassen sich aus der Verteilung der Umsatzgröße von am MOSS-Verfahren beteiligten Unternehmen und der Verknüpfung von allgemeinen E-Commerce-Umsatzgrößen der beteiligten Unternehmen ziehen. Betrachtet man die Zusammensetzung der im MOSS registrierten Unternehmen, dann fällt auf, dass mehrheitlich kleinere Unternehmen registriert sind, die allerdings im Verhältnis zu den Gesamtumsätzen nur wenig gegenüber großen Unternehmen beitragen. 13 % der registrierten Unternehmen deklarieren 99 % der gesamten Umsätze für digitale Dienstleistungen in der EU.410 Auffällig ist, dass zwischen kleinen Unternehmen mit Umsätzen von weniger als 5.000 EUR und Unternehmen mit mittleren Umsätzen von 5.001 bis 100.000 EUR hinsichtlich Registrierungsanzahl und deklarierter Umsätze im Verhältnis eine Diskrepanz in der Statistik des MOSS besteht. Vergleicht man dies mit Umsätzen von KMU zu großen Unternehmen im E-Commerce,411 dann ist auffällig, dass mittlere Unternehmen im MOSS verhältnismäßig weniger deklarieren als im gesamten E-Commerce.412 Dies deutet darauf 408

In diesem Sinne: Lamensch, IVM 2017, 137 (138). EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 2. 410 EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 135. 411 Es handelt sich um eine Statistik bezogen auf das Offline-E-Commerce in Deutschland. Eine komplette Vergleichbarkeit zum Online-E-Commerce ist nicht gegeben. Allerdings sind die Wege und der Abwicklungsmechanismus des Offline-E-Commerce mit dem Online-ECommerce vergleichbar, weswegen eine Berücksichtigung der Daten zur Auswertung erfolgt. 412 Statista, E-Commerce-Umsätze der Top 10, Top 100 und Top 500 der Online-Shops in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2017 (in Milliarden Euro), https://de.statista.com/statistik/ 409

F. Ergebnis zweites Kapitel

99

hin, dass verhältnismäßig wenige mittlere Unternehmen ihre Umsätze im MOSSVerfahren deklarieren, obwohl der Marktanteil größer ist. Aus der Datenlage geht hervor, dass die meisten leistenden Unternehmen große Unternehmen sind, die digitale Dienstleistungen an Verbraucher erbringen und Umsätze im MOSS deklarieren. Diese Unternehmen sind schlicht zu groß, um Marktverluste durch negative Schlagzeilen wegen Mehrwertsteuerhinterziehung zu riskieren. Darüber hinaus haben diese Unternehmen meistens in ihren Marktsegmenten eine Monopolstellung inne,413 weswegen Mehrwertsteuerhinterziehung keine Relevanz für diese Unternehmen hat, da die Verbraucher ohnehin den Preis bezahlen müssen. Eine negative öffentliche Meinung durch Steuerhinterziehung und -vermeidung hat für multinationale Konzerne seit den letzten Jahren einen starken Einfluss auf die Entscheidungsfindung.414 Die Risikogruppe wird bei mittelständischen bis zu kleinen Unternehmen gesehen, die grenzüberschreitend digitale Dienstleistungen erbringen und aufgrund des hohen Konkurrenzdruckes oder zur Gewinnmaximierung Mehrwertsteuerhinterziehung betreiben sowie keinen Anreiz in dem Schutz ihrer Reputation sehen.415

F. Ergebnis zweites Kapitel Trotz eines ausschließlich digitalen Erklärungsmechanismus im MOSS gibt es keine Anzeichen dafür, dass im MOSS systemimmanente digitale Ermittlungsinstrumente oder Möglichkeiten vorliegen, um systematisch gegen die Nicht- oder Unterdeklarierung von leistenden Unternehmern vorzugehen. Dieses Problem verschärft sich durch die Tendenz, dass die wichtigsten MSV und MSI auseinanderfallen.416 Deutlich wird dies an fehlenden Ermittlungstätigkeiten des MSV und MSI.417 Sollte es zu einer weiteren Konzentration von Überprüfungspflichten im Rahmen des Auditing beim MSI kommen, dann wird sich voraussichtlich Irland zu dem wichtigsten Land für die Überprüfung von Mehrwertsteuerpflichten aus grenzüberschreitend erbrachten, digitalen Dienstleistungen entwickeln. daten/studie/203792/umfrage/umsatzanteil-der-groessten-online-shops-in-deutschland/, abgefragt am 23. 6. 2021. 413 Verdeutlicht die Marktdominanz von Apple und Google, bedingt durch die Bindung der Endkunden an das jeweilige Gerät: Statista, Umsatz im Apple App Store und Google Play Store weltweit in den Jahren 2014 bis 2016 (in Milliarden US-Dollar), https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/180896/umfrage/apple-app-store-vs-google-playstore-umsatz/, abgefragt am 23. 6. 2021. 414 Am Beispiel von Starbucks verdeutlicht sich der Einfluss von NGOs in der öffentlichen Debatte und die Lenkungswirkung auf Konzerne durch eine negative öffentliche Meinung. Van den Hurk, Starbucks versus the People, BIT 2014, 27 (27, 28, 33). 415 In diesem Sinne: Azam / Mazur, Cloudy with a Chance of Taxation, FTR 2018, No. 411, (31). 416 Siehe dazu: Zweites Kapitel E. IV. 4. Würdigung des Auditing. 417 Europäischer Rechnungshof, Background paper: Collection of VAT and customs duties on cross-border e-commerce (2018) 2, 3.

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Kap. 2: Digitale Dienstleistungen und Missbrauchspotenzial

Lamensch kritisiert, dass der Erhebungsmechanismus des MOSS sich lediglich auf die Erfassung und Ermittlung von deklarierungswilligen Mehrwertsteuerpflichtigen konzentriert.418 Insbesondere werden von Lamensch Drittlandsunternehmer als Risikogruppe identifiziert, was zu Wettbewerbsnachteilen für EUUnternehmen führt, da diese leichter einer effektiven Kontrolle unterliegen419 Wird allgemein eine Mehrwertsteuerhinterziehung durch erbringende Unternehmer von digitalen Dienstleistungen angenommen, so fragt es sich, ob eine Änderung des Systems notwendig ist, wenn die Hinterziehungsbeträge vernachlässigbar sind. Trotz der im Online-E-Commerce tendenziell geringwertigen Transaktionen420 ergeben viele Überweisungen ein hohes Hinterziehungsvolumen. In diesem Sinne argumentieren Gebauer / Nam / Parsche, dass ein insgesamt hohes Hinterziehungsvolumen bei systemimmanenten Schwächen des Mehrwertsteuersystems erreicht werden kann, selbst wenn das einzelne Hinterziehungsvolumen nur einen geringen Wert erreicht.421 Dass in diesem Bereich Potenzial hinsichtlich einer besseren Greifbarkeit der Mehrwertsteuerhinterziehung durch Bereitstellung von verwertbaren Daten sowie besserer Ermittlungsmöglichkeiten durch die Finanzverwaltungen besteht, verdeutlicht die Richtlinieninitiative der EU-Kommission zur Erhebung von Zahlungsverkehrsdaten durch Zahlungsdienstleister.422 Da aktuell das Erhebungsverfahren MOSS keine systematische Überprüfung und Identifizierung von Mehrwertsteuerpflichten sicherstellen kann, geht die Arbeit im nächsten Kapitel der Frage nach, ob aktuelle oder geplante rechtliche Instrumente sowie elektronische Ermittlungsmethoden der Finanzverwaltungen geeignet sind, diesen Missstand aufzufangen.

418

Lamensch, in: Herbain 144. Lamensch, IVM 2017, 137 (138). 420 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 88 f. 421 Gebauer / Nam / Parsche, Can Reform Models of Value Added Taxation Stop the VAT Evasion and Revenue Shortfalls in the EU?, JoEPR Vol. 10 No. 1 2007, 1 (11). 422 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018. 419

Drittes Kapitel

Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce A. Problemdarstellung Trotz der ausschließlichen elektronischen Leistungserbringung und Zahlung von digitalen Dienstleistungen ergibt sich, wie zuvor in den beiden ersten Kapiteln dargestellt, das Paradoxon, dass mehrwertsteuerrelevante Sachverhalte bei digitalen Dienstleistungen von den Finanzverwaltungen ohne Mitwirkung des Mehrwertsteuerpflichtigen schwer identifiziert werden können. Dies gilt insbesondere für kleinere Unternehmen und Drittlandsunternehmen.1 Im Gegensatz zur Verwendung von Bargeld werden alle beteiligten Transaktionskomponenten dokumentiert. Per se müsste sich daraus die leichte Nachvollziehbarkeit und Überprüfung von getätigten Transaktionen ergeben2 und die Finanzverwaltungen in die Position versetzt werden, deklarierte Umsätze zu überprüfen, undeklarierte Umsätze zu identifizieren sowie Mehrwertsteuerpflichtige zu identifizieren. Doch das bestehende System der Entstehung von Mehrwertsteuerpflichten bei digitalen Dienstleistungen und das Besteuerungsverfahren MOSS hat nur teilweise befriedigende Antworten gefunden.3 Die im vorherigen Kapitel dargestellten Lücken innerhalb des Systems der Mehrwertsteuerentstehung und -erhebung verbleiben. Daraus leitet sich die Frage ab, ob die bestehenden Vollzugsmechanismen auf nationaler und internationaler Ebene sowie die aktuell verfügbaren Ermittlungsinstrumente der Finanzverwaltungen geeignet sind, diesen Problemen wirksam zu begegnen. Die OECD identifizierte durch die Einführung des Bestimmungslandprinzips und eines vereinfachten Besteuerungsverfahren in der Mehrwertsteuer die Notwendigkeit, insbesondere mit Blick auf gebietsfremde Anbieter, die Vollzugskapazitäten auszubauen. Dies soll durch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit erreicht werden.4 Daneben unterstreicht die OECD die Verwendung von elektronischen Ermittlungsinstrumenten in der Finanzverwaltung und die starke Bedeutung von Big Data Anwendungen. Entscheidend für eine erfolgreiche Auswertung und damit den Ausbau von Vollzugskapazitäten sind die zur Verfügung stehenden 1 In diesem Sinne: Lamensch / Ceci, VAT fraud – Economic impact, challenges and policy issues – Study – PE 626.076 (2018) 20. 2 Lamensch, in: Herbain 133. 3 Zusammenfassung: Zweites Kapitel F. Ergebnis zweites Kapitel. 4 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 103.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Daten.5 Lamensch sieht den Einsatz von technologischen Instrumenten als Schlüssel bei der Rechtsdurchsetzung durch Finanzverwaltungen innerhalb der digitalen Wirtschaft und gleichzeitig das Bedürfnis technologische Instrumente weiter auszubauen.6 Die EU-Kommission betont, dass durch Ermittlungen der Finanzverwaltungen Mehrwertsteuerpflichtige und deren Standort im Online-E-Commerce schwer ermittelt werden können. Dies führt zu einer erschwerten Verwaltungs­ zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten.7 Bei der Durchführung von Ermittlungstätigkeiten ergeben sich insbesondere die folgenden Probleme bei digitalen Dienstleistungen: Die nationale Ermittlungs­ hoheit stößt bei der häufig grenzüberschreitenden Leistungserbringung an ihre Grenzen,8 Verbraucher sind als Empfänger der digitalen Dienstleistung involviert9 und es liegt eine hohe Anzahl an Transaktionen10 sowie geringmargiger Umsätze vor11. Diese Faktoren verhindern oder erschweren die Ermittlungstätigkeiten der Finanzverwaltungen. Das nachfolgende Kapitel beschreibt eine Auswahl theoretisch verfügbarer rechtlicher Mechanismen und Ermittlungsinstrumente. Zunächst wird analysiert, welche Daten für grenzüberschreitend digital erbrachte Dienstleistungen an Verbraucher erlangt werden müssten, um deklarierte Umsätze unabhängig zu überprüfen und unbekannte Mehrwertsteuerpflichtige sowie unbekannte Umsätze zu identifizieren. Im nächsten Schritt werden geeignete Informationsquellen zum Schürfen von Informationen ermittelt. Informationen von Zahlungsdienstleistern oder Telekommunikations- bzw. Datendienstleistern eignen sich, um gebündelte Daten über potenzielle mehrwertsteuerliche Sachverhalte zu erlangen.12 Diese werden im Folgenden als Informationsknoten bezeichnet. Nachdem Informationsknoten mit geeigneten Daten identifiziert wurden, werden rechtliche Instrumente zum Schürfen von relevanten Informationen erläutert. Die Verfügbarmachung von geeigneten Informationen zur Datenanalyse muss an erster Stelle stehen. Aus diesem Grund wird zunächst auf nationaler Ebene das Ermittlungsinstrument der Sammelauskünfte näher betrachtet. Eine Beurteilung der Effektivität konzentriert sich auf die Erhebung von geeigneten Zahlungs- und Transaktionsdaten.13 5

In diesem Sinne: OECD, Technologies for Better Tax Administration – A Practical Guide for Revenue Bodies (2016) 48 f. 6 Deutlich formuliert: Lamensch, IVM 2017, 137 (146). 7 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 8 Am Beispiel Deutschland: Kemper, UStB 2018, 20 (22). 9 Ehrke-Rabel, ALJ 2017, 150 (152). 10 Lamensch, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 48 f. 11 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 37 ff., 88 f. 12 In diesem Sinne: OECD, Bekämpfung der Steuerkriminalität: Die zehn zentralen Grundsätze (2018) 31. 13 Angelehnt an, mit übersichtlicher Darstellung: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 19 f.

B. Benötigte Informationen und Informationsquellen 

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Der häufig grenzüberschreitende Charakter digitaler Dienstleistungen führt dazu, dass Finanzverwaltungen im Online-E-Commerce besonders auf internationale Amtshilfe angewiesen sind.14 Deshalb werden Ermittlungsmöglichkeiten im Bereich der Mehrwertsteuer auf Ebene der EU und zu Drittstatten auf ihre Effektivität bei Ermittlungen im B2C-Online-E-Commerce näher beleuchtet. Auf europäischer Ebene ist die Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (EU) Nr. 904/2010 (MwSt-ZVO) maßgeblich. Abschließend wird das Legislativpaket der EU-Kommission zur Einführung der Übermittlung von Zahlungsdaten erläutert15 und analysiert. In Bezug auf Drittstaaten bieten eventuell Doppelbesteuerungsabkommen und die OECD Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters (CMAAT) Ansatzmöglichkeiten für Ermittlungen.

B. Benötigte Informationen und Informationsquellen für Ermittlungstätigkeiten I. Benötigte Informationen für Ermittlungstätigkeiten Der Kern einer Datenanalyse liegt in der Bereitstellung geeigneter Daten in einer Qualität, die für eine Analyse ausreichend ist. Das bedeutet im Allgemeinen, dass die Daten genau, vollständig, konsistent, zeitlos, glaubwürdig und interpretationsfähig sein müssen.16 Das Schürfen von Informationen ist ein wichtiger Schritt, um für die Analyse von Daten (Data Mining) geeignete und ausreichende Informationen für Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Kritisches Element bei einem Data Mining ist es geeignete Quellen zum Schürfen zu identifizieren und diese bei Notwendigkeit miteinander zu verknüpfen.17 Grundlegend unterscheiden Ermittlungsbehörden zunächst zwischen internen Informationsquellen, in denen Daten von Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt werden sowie Datenbank­ abfragen. Darüber hinaus gibt es externe Informationsquellen, die unabhängig vom Steuerpflichtigen erhoben werden und von Dritten stammen.18 Nach Kirchmayr 14

Basierend auf: Westberg, in: Lang / Lejeune 166. Ursprüngliche Initiative: EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018; EUKommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der Betrugsbekämpfung, KOM (2018) 813 final 12. 12. 2018. 16 Han / Kamber / Pei, Data Mining: Concepts and Techniques3 (2012) 84. 17 In diesem Sinne, mit dem Fokus auf der Verknüpfung von unterschiedlichen Datenquellen: OECD, Advanced Analytics for Better Tax Administration – Putting Data to Work (2016) 51. 18 Kolar, Informationsbeschaffung der Abgabenbehörde für Außenprüfungen, in: Eberl / Leopold / Huber (Hrsg.), Brennpunkt Betriebsprüfung – Vorhof zum Finanzstrafverfahren (2018) 58 f., 65. 15

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Schliesselberger ist ein Dritter „… jeder, der nicht unmittelbar vom bipolaren Abgaben(verfahrens)verhältnis betroffen ist“.19 In diesem Abschnitt erfolgen nur Erläuterungen mit dem Fokus auf externe Informationsquellen, da interne Informationsquellen des Mehrwertsteuerpflichtigen manipulationsanfällig sein können. Bei internen Informationsquellen der Finanzverwaltungen liegen keine geeigneten Daten für Ermittlungen vor,20 um vollständig deklarierte Umsätze zu verifizieren sowie unbekannte mehrwertsteuerbare Sachverhalte bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen aufzudecken. Es könnten Daten beim eigentlichen Leistungsaustausch einer digitalen Dienstleistung abgeschöpft werden. Zahlungsdaten stellen für Finanzverwaltungen eine wichtige Erkenntnisquelle für Ermittlungen dar.21 Der Zahlungsvorgang kann auch im Online-E-Commerce eine wichtige Spur sein, um leistende Unternehmer zu identifizieren.22 Eine weitere wichtige Erkenntnisquelle können im E-Commerce Transaktionsdaten darstellen. Transaktionsdaten kommen seit den letzten Jahren eine stärker werdende Bedeutung für Ermittlungen durch Finanzverwaltungen zu. Dies gilt insbesondere für Transaktionsdaten, die von Dritten erhoben werden, welche gebündelt über Daten von potenziell undeklarierten Steuern verfügen, wie zum Beispiel von Airbnb23 oder von großen Internet-Handelsplattformen24 (vermutlich eBay). Grundsätzlich müssen Ermittlungen bei digitalen Dienstleistungen sowohl bei der Überprüfung von deklarierten Umsätzen als auch bei der Identifizierung von undeklarierten Umsätzen und dem Mehrwertsteuerpflichtigen auf der Spur der getätigten Transaktion aufbauen.25 Bei der Überprüfung von deklarierten Umsätzen im MOSS erfolgt die Prüfung auf Basis der vom Mehrwertsteuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Daten.26 Eine Ermittlung von nicht deklarierten Umsätzen bei einem unbekannten Steuerpflichtigen kann nicht auf Basis von deklarierten Umsätzen erfolgen, diese stehen der Finanzverwaltung nicht zur Verfügung. Auch ist die Transaktion nicht bekannt, da der Verbraucher als zweite involvierte Partei 19

Kirchmayr, Schutzwürdige Interessen Dritter im Abgabenverfahren, in: Holoubek (Hrsg.), Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens (2006) 479. 20 Bestätigung durch: EU VAT Forum, Consolidated report on Cooperation between Member States and Businesses in the field of e-Commerce / modern commerce, KOM taxud.c.4 (2018) 1507602, 6. 21 In diesem Sinne, mit dem Fokus auf Steuerflucht und Bankdaten: Ambos, Bankenermittlungen der Steuerfahndung im In- und Ausland (2012) 21, 25. 22 Mit dem Fokus auf Zahlungsvorgänge: Erdbrügger, MwStR 2018, 685 (686). 23 Talaska / Cremers, Auskunftsersuchen an „Airbnb“: Sind Selbstanzeigen noch möglich?, DB 2018, 1824 (1824, 1825). 24 Bolz, Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung zu Internetdaten, AktStR 2013, 671 (671 ff.). 25 In diesem Sinne: Kemper, UStB 2018, 20 (23). 26 Mit Erläuterungen zu den Daten: Lejeune / Claessens, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 99.

B. Benötigte Informationen und Informationsquellen 

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in der Transaktion keinen Informationspflichten unterliegt.27 Bei undeklarierten Umsätzen von unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen beginnen die Ermittlungen mehr oder weniger im „Dunkeln“. In den folgenden Kapiteln wird auf Ermittlungen bei unbekannten Umsätzen von unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen ein Hauptaugenmerk gelegt.

II. Informationsquellen Die Verwendung von Drittinformationen durch Finanzverwaltungen ist ein beliebtes Instrument, um steuerbare Sachverhalte zu überprüfen oder aufzudecken.28 Auskünfte werden meist von Dritten eingeholt, um einen konkreten Anfangsverdacht zu erhärten, abzusichern, zu ergänzen oder abzurunden.29 Bei einem unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen gibt es wenige Ansatzpunkte für erfolgreiche Ermittlungen. Diese Ermittlungen müssen daher den Verbraucher als Ausgangspunkt wählen, da von diesen die digitalen Dienstleistungen bezahlt werden.30 Ermittlungen über Zahlungsdaten im Online-E-Commerce sind aber nicht unproblematisch, weil digitale Zahlungen ein Massengeschäft sind und sehr viele Transaktionen zwischen den Parteien abgewickelt werden.31 Der Empfänger einer Zahlung wird voraussichtlich der Mehrwertsteuerpflichtige sein, bzw. wenn Zahlungsdienstleister zwischengeschaltet sind, bietet dies einen Ansatzpunkt, um den dahinterstehenden Mehrwertsteuerpflichtigen zu identifizieren. Allgemein bieten Kunden- und Bankdaten von Finanzinstituten und Zahlungsdienstleistern eine geeignete Datenquelle für Big Data Analysemodelle, um steuerliche Ermittlungen zu verbessern.32 Die finnische Finanzverwaltung hat bereits die Abfrage von Zahlungsdaten bei Dritten im E-Commerce erfolgreich erprobt.33 Ebenfalls verwenden die Vereinigten Staaten34, Australien sowie Norwegen Zahlungsdaten von Dritten zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung im E-Commerce.35

27

Ehrke-Rabel, ALJ 2017, 150 (152). Beispiele: Cockfield, Big Data and Tax Haven Secrecy, FTR 2016, 483 (501); Houser /  Sanders, The Use of Big Data Analytics by the IRS: Efficient Solution or the End of Privacy as We Know it?, Vand. J. Ent. & Tech. L. 2017, 817 (821). 29 Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 10. 30 In diesem Sinne, mit einem Augenmerk auf Zahlungsdienstleister, die Transaktionsdaten von Verbrauchern erfassen sollen: EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 7. 31 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 96. 32 Cockfield, FTR 2016, 483 (500, 501). 33 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 4. 34 Department of the Treasury Internal Revenue Service, Instructions for Form 1099-K Payment Card and Third Party Network Transactions, https://www.irs.gov/pub/irs-pdf/i1099k. pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 35 EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 118. 28

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Bisher konzentrieren sich Vorschläge zur Verbesserung von Ermittlungen im ECommerce auf Zahlungsdaten von Zahlungsdienstleistern.36 Aufgrund mangelnder Quellen gibt es keine Hinweise, dass steuerliche Ermittlungen bei digitalen Dienstleistungen intensiv von Transaktionsdaten von Web-Analytics-Diensten Gebrauch machen oder ein Ausbau geplant ist. Der häufigste weltweit verwendete Web-Analytics-Dienst ist mit ca. 65 bis 85 % Google Analytics.37 Google Analytics wird verwendet, um den Verkaufsprozess von Websites zu optimieren.38 Gewonnene Informationen umfassen unter anderem den Ort des Nutzers und das genaue Nutzerverhalten.39 Aus diesem Grund bietet Google Analytics eine geeignete Quelle für eine Bestimmung von Mehrwertsteuerpflichten bei digitalen Dienstleistungen. Die gewählten Beispiele von Informationsknoten von Kreditkartennetzwerken sowie Google Analytics bieten eine geeignete Informationstiefe, um eine Basis für Ermittlungen bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher zu schaffen. Insbesondere werden Potenziale in der Verknüpfung beider Datenquellen gesehen, damit der Transaktionsinhalt mit mehrwertsteuerrelevanten Informationen, getätigten Zahlungen für digitale Dienstleistungen zugeordnet werden kann.

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten I. Vorbemerkungen Nach § 114 Abs. 1 BAO sind die Finanzverwaltungen verpflichtet die Gleichmäßigkeit in der Besteuerung sicherzustellen. Das umfasst neben der Überprüfung von deklarierten und nichtdeklarierten Umsätzen, auch die Verpflichtung zukünftige Abgabenansprüche durch organisatorische Vorkehrungen zu sichern.40 Damit im Bereich des Online-E-Commerce bei B2C-Situationen die Gleichmäßigkeit in der Besteuerung sichergestellt werden kann, ist es wie oben dargestellt notwendig, ausgehend vom Verbraucher, massenhaft Flussdaten zu erheben.41 Auf der Grundlage der Flussdaten können unbekannte mehrwertsteuerpflichtige Umsätze und unbekannte Mehrwertsteuerpflichtige identifiziert werden. 36

Mit Ausführungen zum Richtlinienvorschlag: EU-Parlament, Protection of EU financial interest on customs and VAT: Cooperation of national tax and customs authorities to prevent fraud, IP / D/ALL / F WC/2015-001/LOT4/C4; PE 636.470, 78, 79. 37 Abhängig von der Quelle und dem verwendeten Maßstab: W3 Techs  – Web Technology Survey, Usage of traffic analysis tools for websites, https://w3techs.com/technologies/ overview/traffic_analysis/all, abgefragt am 23. 6. 2021; Meier / Zumstein, Web Analytics & Web Controlling – Webbasierte Business Intelligence zur Erfolgssicherung (2013) 209. 38 Alhlou / Asif / Fettman, Google Analytics Breakthrough – From Zero to Business Impact (2016) xii Foreword. 39 Marek, Web Analytics Overview, LTR 2011, Vol. 47 No. 5, 5 (5, 7). 40 Ritz, Bundesabgabenordnung – Kommentar6 (2017) § 114, Rz. 1–3. 41 Siehe dazu: Drittes Kapitel B. II. Informationsquellen.

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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Ermittlungsstrukturen sind zunächst auf die Verfügbarkeit von geeigneten Daten angewiesen. Die folgenden Kapitel analysieren nationale rechtliche Möglichkeiten zum Schürfen und damit zur Gewinnung geeigneter Informationen für nationale mehrwertsteuerliche Ermittlungen im Online-E-Commerce. Es wird auf das rechtliche Instrument der Sammelauskünfte und damit zusammenhängend Besonderheiten mit den oben genannten Informationsknoten von Zahlungsdienstleistern sowie Google Analytics eingegangen. Kritische Punkte für das erfolgreiche Schürfen von Daten im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen sind die Verhältnismäßigkeit sowie die Geltendmachung von Verschwiegenheitspflichten durch Dritte. Diese Ermittlungsmöglichkeiten bieten im Online-E-Commerce den größten Nutzen, darüberhinausgehende bzw. allgemeine Ermittlungsmöglichkeiten werden deshalb vernachlässigt.

II. Sammelauskünfte bei Dritten 1. Rechtsquellen Damit die Gleichmäßigkeit in der Besteuerung nach § 114 Abs. 1 BAO durchgesetzt werden kann, ist die Finanzverwaltung nach § 143 Abs. 1 BAO berechtigt von Dritten maßgebliche Tatsachen zu abgabenrechtlichen Sachverhalten durch Auskunftsersuchen zu erheben. Die Anwendung von Auskunftsersuchen an Dritte nach § 143 BAO ist subsidiär gegenüber § 165 BAO, wonach erst andere Personen befragt werden dürfen, wenn das Verfahren mit dem Abgabenpflichtigen nicht zum Ziel führen oder keinen Erfolg versprechen.42 Für ein Auskunftsersuchen ist es nicht notwendig, dass ein konkretes Abgabenverfahren bereits anhängig ist. Nach Stoll ist § 143 BAO insbesondere anwendbar, wenn „…  noch nicht bekannte, aber vermutete Abgabenansprüche festzustellen …“ sind.43 Bei der Ermittlung von unbekannten Unternehmern, die digitale Dienstleistungen nach Österreich erbringen, sind der Mehrwertsteuerpflichtige und damit der mehrwertsteuerrelevante Sachverhalt nicht bekannt. Die Einleitung eines Abgabenverfahren gegenüber einem unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen würde nicht zum Ziel führen bzw. keinen Erfolg versprechen. Aus diesem Grund ist § 143 BAO bei der Gewinnung von abgabenrelevanten Tatsachen zielführender und anwendbar. Zur Gewinnung von ersten Informationen kann als besonderes Instrument der Auskunftspflicht eine Sammelauskunft nach § 143 BAO gestellt werden.44 Bei einer Sammelauskunft wird eine zentrale Auskunftsperson zu vielen ähnlichen steuerlichen Sachverhalten befragt.45 Der Vorteil für die Ermittlungsarbeit der Finanzverwaltungen im On 42

Blazina, So prüft die Finanz2 (2011) 76. Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1595, 1596. 44 Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 1. 45 Zum deutschen Sammelauskunftsersuchen: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 19. 43

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

line-E-Commerce liegt auf der Hand, es können viele mögliche steuerlich relevante Sachverhalte bei einer zentralen Person abgefragt werden. Durch die Formulierung „jedermann“ in § 143 Abs. 1 BAO wird verdeutlicht, dass die Finanzverwaltung unabhängig, ob eine persönliche Abgabenpflicht besteht oder eine juristische Person / Personengemeinschaft betroffen ist, relevante Informationen anfordern kann.46 Zwar kann eine juristische Person nicht wie eine natürliche Person als Auskunftsperson fungieren, trotzdem kann die juristische Person zu einer Auskunft über den gesetzlichen oder steuerlichen Vertreter herangezogen werden.47 Die Arbeit konzentriert sich auf den oben beschriebenen Informationsknoten der Zahlungsdienstleister sowie Google Analytics als Auskunftspersonen.48 Für Zahlungsdienstleister ist das Bankgeheimnisses als besondere Regelungen im Auskunftsersuchen relevant. Für Datendienstleister wie Google Analytics sind hingegen die allgemeinen Regeln des § 143 BAO einschlägig.49 Es fragt sich, ob auch in einem Finanzstrafverfahren Informationen erhoben werden können. Nach § 82 Abs. 1 FinStrG müssen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass der Verdächtigte Täter eines Finanzvergehens ist.50 Bei unbekannten Mehrwertsteuerpflichtigen und unbekannten Umsätzen kann kein Steuerausfallvolumen genannt werden, noch ist ein konkreter Mehrwertsteuerpflichtiger bekannt, es bestehen auch keine Ansatzpunkte zur Ansässigkeit, etc. Für ein Finanzvergehen muss ein Verdacht und damit mehr als eine bloße Vermutung vorliegen. Ein Verdacht muss auf Tatsachen begründet werden.51 Aufgrund der oben dargestellten Gegebenheiten kann keine Tatsache angenommen werden. Es handelt sich mehr um Vermutungen. Ein Finanzstrafverfahren kann daher nicht eingeleitet werden. Die Finanzverwaltung ist weiterhin für die Ermittlung zuständig, bis die Ermittlungen einen Verdacht begründen können.

46

Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1598, 1599. Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 9. 48 Siehe oben: Drittes Kapitel B. II. Informationsquellen. 49 Angelehnt an: Ehrke-Rabel / Hödl, Effizienter Steuervollzug im Lichte des Datenschutzes unter Berücksichtigung von Kryptowährungen, in: Jahnel (Hrsg.), Datenschutzrecht: Jahrbuch 2016 (2016) 247, 248, 256. 50 Exemplarisch: VwGH 20. 6. 1990, 89/13/0231 ÖStZB 1991, 25; VwGH 20. 1. 2010, 2008/ 13/0042 SWK 2010, R. 51; VwGH 25. 2. 2010, 2010/16/0021 SWK 2010, R. 64. 51 Seiler, S. / Seiler, T., FinStrG – Finanzstrafgesetz -Kommentar5 (2018) § 83 Rz. 7. 47

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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2. Relevante Tatbestandsvoraussetzungen von Sammelauskünften a) Allgemeines Nach § 143 Abs. 1 BAO kann die Finanzverwaltung Auskunft über die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen verlangen. Nach Stoll kann nur über solche Tatsachen Auskunft eingeholt werden, über welche der Steuerpflichtige verfügt, d. h., die dem Wissenskreis des Befragten zugeordnet werden können. Andere Dritte müssen nicht bemüht werden, um eine Auskunft zu erlangen. Außerdem ist eine Tatsache maßgeblich, wenn sie nach vernünftiger Beurteilung für die Besteuerung oder die richtige Bemessung hilfreich ist.52 Unger vertritt eine engere Auslegung. Maßgeblich ist „… eine Tatsache dann, wenn damit zu rechnen ist, dass die Auskunft hierüber eine abgabenrechtliche Entscheidung herbeiführen, beeinflussen oder festigen kann.“53 Ein Auskunftsverfahren oder insbesondere eine Sammelauskunft dient dazu, Vermutungen durch Ermittlungserkenntnisse auszuschließen oder zu erhärten. Aus diesem Grund müssen auch Auskunftsersuchen umfasst sein, die unabhängig von einer Prognoseentscheidung, sondern nur aufgrund rationaler Überlegungen ein Auskunftsersuchen rechtfertigen. Aus diesen Gründen ist eine Entscheidung für die Auslegung von Stoll zu treffen. Da die oben genannten Informationsknoten über relevante Informationen im Online-E-Commerce verfügen54 und durch die bereitgestellten Daten auch hilfreich bei Ermittlungsarbeiten sein könnten, handelt es sich um maßgebliche Tatsachen. b) Umfang der Auskunftspflicht Die Daten müssten theoretisch in gängigen elektronischen Formaten übermittelt werden, damit ein Data Mining wirksam arbeiten kann. Nach § 143 Abs. 2 BAO umfasst die Auskunftserteilung auch das Vorlegen oder die Einsichtnahme von Urkunden und anderen schriftlichen Unterlagen. Bei einer bloßen wörtlichen Auslegung sind hiervon keine elektronischen Formate erfasst, da es sich um keine schriftlichen Unterlagen handelt. Es ergibt sich die Frage, ob bei einer extensiveren Auslegung auch elektronische Formate übermittelt werden müssten. In der Literatur wird lediglich der schriftliche Beweis aufgeführt, ohne dass konkret angesprochen wird, ob auch gängige elektronische Formate erfasst sind.55 Zunächst kann bei Urkunden und anderen schriftlichen Unterlagen auch nur die Einsichtnahme durch den Befragten gestattet werden. Das bedeutet, dass selbst wenn elektronische Formate von § 143 Abs. 2 BAO umfasst wären, nur die Einsichtnahme 52

Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1600, 1601. Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht – Eine systematische Analyse (2007) 39, 40. 54 Siehe oben: Drittes Kapitel B. II. Informationsquellen. 55 Ritz, BAO6 § 143 Rz. 11; Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 16; Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1602, 1603. 53

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

vor Ort gestattet werden kann. Nach Kotschnigg entscheidet die Behörde über die Form der angeforderten Unterlagen. In Bezug auf schriftliche Dokumente vertritt Kotschnigg die Meinung, dass Kopien der Originale sowie Excel-Dateien als Auskunft versandt werden könnten.56 Man könnte bei einer extensiven Auslegung vertreten, dass unter § 143 Abs. 2 BAO bei dem Merkmal „… andere schriftlichen Unterlagen …“ auch gängige elektronische Formate verstanden werden. Dennoch hat der Befragte im Zweifel ein Wahlrecht, entweder die elektronischen Formate vorzulegen oder nur die Einsicht zu gestatten. Grundsätzlich ist nach Stoll bei der Form der Auskunft auf Zweckmäßigkeitsund Zumutbarkeitsgesichtspunkte Rücksicht zu nehmen. Ebenfalls genießt die schriftliche Beantwortung des Ersuchens Vorrang vor der mündlichen Auskunft.57 Folgt man dem Pfad des extensiven Verständnisses von § 143 Abs. 2 BAO, wonach auch gängige elektronische Formate als Auskunft herangezogen werden können, so kann sich eine Öffnung der Norm gegenüber der verpflichtenden elektronischen Übermittlung ergeben. Genießt eine schriftliche Beantwortung aus Zweckmäßigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten Vorrang, könnte auch in einer zunehmend digitalisierten Welt die elektronische Übermittlung als vorrangig angesehen werden. Schließlich erfolgt die papierne zur Verfügungstellung oder Einsichtnahme von Unterlagen weit überwiegend erst nach Ausgabe aus einem elektronischen System, quasi in einem weiteren Verarbeitungsschritt. Aus dieser Perspektive erscheinen elektronische Formate sowohl zweckmäßiger für die Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung als auch zumutbarer für den Auskunftspflichtigen. Andererseits normiert § 143 Abs. 2 BAO explizit ein Wahlrecht des Auskunftspflichtigen. Zumal eine im konkreten Einzelfall unbekannte Beurteilung der Finanzverwaltung zur Zumutbarkeit der Auskunft bei einer häufig in der Praxis anzutreffenden stark zersplitterten individuellen elektronischen Systemlandschaft des Auskunftspflichtigen zu weitgehend erscheint. Insgesamt würde dieses extensive Verständnis des § 143 Abs. 2 BAO sowie die Verpflichtung des Auskunftspflichtigen zur Extraktion von elektronischen Formaten voraussichtlich einer justiziellen Überprüfung zugeführt werden müssen, wodurch deutliche Unsicherheiten in der Erhebung geeigneter Formate für die Finanzverwaltungen verbleiben. Zusammenfassend wäre eine Übermittlung elektronischer Formate erstrebenswert, damit diese direkt einer elektronischen Verarbeitung zugeführt werden könnten. Eine bloße Einsichtnahme bei einer sehr großen Anzahl von Datensätzen ist nicht sinnvoll. Die verpflichtende Verschaffung der Daten in elektronischen Formaten könnte weiter durch eine Beschlagnahme bei Gefahr in Verzug nach § 89 Abs. 2 FinStrG in Betracht kommen.58

56

Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 15, 16. Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1602, 1603. 58 Lehner, Der Erhebungs-, Nachschau- und Prüfungsauftrag – Rechtlicher Hintergrund und Auswirkung auf die Verwaltungspraxis, taxlex 2006, 344 (A. Die Erhebung gem. § 143 BAO). 57

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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c) Rechtsvergleich Deutschland: Elektronische Übermittlung Bei einem Vergleich zum deutschen Pendant in § 93 Abs. 4 dAO kann der Auskunftspflichtige seine Auskünfte schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Nach § 93 Abs. 4 S. 2 dAO kann die Finanzverwaltung vom Auskunftspflichtigen eine schriftliche Auskunft verlangen.59 Damit wird eindeutig die elektronische Auskunft als verpflichtende Auskunftsart gegenüber der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Selbst bei einem Rechtsvergleich mit Deutschland muss der Schluss naheliegen, dass keine elektronische Übermittlung von Auskünften verlangt werden kann. Außerdem wird in der deutschen Regelung die elektronische Auskunft separat aufgeführt, was in § 143 Abs. 2 BAO nicht der Fall ist. Der Rechtsvergleich legt deshalb nahe, dass von dem Begriff „… andere schriftliche Unterlagen  …“ nach § 143 Abs. 2 BAO keine elektronischen Formate umfasst sind. Somit besteht die Gefahr, dass notwendige Daten für ein Data Mining über das Sammelauskunftsersuchen nach § 143 BAO eventuell nur zur Einsichtnahme und nicht in elektronischer Form zur Verfügung stehen. Es wäre für eine effektive Ermittlungsarbeit empfehlenswert, die angefragten Daten in elektronischer Form zu erhalten. d) Verhältnismäßigkeit und Auskunftsgrenzen Als weitere Bedingung zur Auskunftserteilung müssen die allgemeinen rechtsstaatlichen Kriterien der Verhältnismäßigkeit vorliegen.60 Eine Prüfung findet dogmatisch nicht in der Ermessensentscheidung statt.61 Konkret bedeutet dies, dass eine Auskunftspflicht nur unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit und Geeignetheit besteht.62 Ermittlungen mit dem Instrument der Sammelauskünfte, die ins Blaue hinein Daten abfragen, ohne dass ein konkreter Anlass besteht, sind unzulässig. Nach Kotschnigg erfolgen Auskunftsersuchen ins Blaue hinein, wenn diese hauptsächlich auf Erkundigung oder Vorratsspeicherung ausgerichtet sind.63 Aus diesem Grund ist bei der Prüfung, ob eine Sammelauskunft gestellt werden darf, die Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen.64 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung spielt die Zweck-Mittel-

59 Wagner, in: Wedelstädt, von (Hrsg.), Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung Kommentar22 (2018) § 93 AO Rz. 15a, 16. 60 Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1603, 1604. 61 Im Unterschied zur deutschen Norm § 93 dAO, in der die Verhältnismäßigkeit während der Ermessensentscheidung geprüft wird: Siehe dazu: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 45. 62 Ritz, BAO6 § 143 Rz. 7; Lehner, taxlex 2006, 344 (A. Die Erhebung gem. § 143 BAO). 63 Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 143 Rz. 14. 64 Unterstreicht die Bedeutung: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 35.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Relation eine besondere Bedeutung. Das heißt, dass der persönliche, zeitliche Einsatz und sachliche Aufwand des Auskunftspflichtigen gegenüber dem voraussichtlichen Ermittlungsergebnis der Finanzverwaltungen abzuwägen sind.65 Eine weitere Auskunftsgrenze wird durch § 143 Abs. 3 BAO gezogen, der auf §§ 170 bis 174 BAO verweist. Die Zeugenverweigerungsrechte sind sinngemäß auf Auskunftspersonen übertragbar und es finden damit die allgemeinen Beweisaufnahmeverbote Anwendung.66 Für den konkreten Fall sind die Verweigerungsgründe des § 171 BAO besonders interessant. Der Auskunftspflichtige darf die Sammelauskunft zurückweisen, wenn eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht.67 Für Sammelauskünfte im Online-E-Commerce kommen insbesondere die Entschlagungsrechte der gesetzlich anerkannten Pflichten zur Verschwiegenheit sowie Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nach § 171 Abs. 1 lit. c BAO in Betracht. Ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist oder ob Verweigerungsgründe vorliegen, wird, sofern ein Auskunftsersuchen möglich ist, nachfolgend in einer genaueren Betrachtung bei den Informationsknoten Kreditinstitute und Datendienstleistern vorgenommen. 3. Besonderheiten bei Kreditinstituten Bei Auskunftsersuchen gelten Besonderheiten bei Kreditinstituten, welche § 143 BAO verdrängen.68 Grundsätzlich gilt nach § 38 Bankwesengesetz (BWG) das Bankgeheimnis. Die historisch starke Wirkung des Bankgeheimnisses schränkte auch abgabenrechtliche Verfahren ein, nur bei eingeleiteten Finanzstrafverfahren wurde das Bankgeheimnis gelockert.69 Seit dem 5. 10. 2016 kann das Bankgeheimnis für Anfragen der Finanzverwaltungen durchbrochen werden und es steht ein abfragebereites zentrales Kontenregister zur Verfügung.70 Eine Abfrage ist allerdings nur unter bestimmten Bedingungen zulässig.71 Es fragt sich, ob bei Zahlungs­ dienstleistern eine Sammelauskunft ausgehend von Verbrauchern möglich ist, damit durch die Verdichtung von Zahlungsströmen Mehrwertsteuerpflichtige im Online-E-Commerce identifiziert werden können. 65

Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S 1604, 1605. Stoll, Auskunftspflichten und Geheimnisschutz im Abgabenrecht, in: Ruppe (Hrsg.), Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben (1980) 213. 67 Abgeleitet von: Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht – Eine systematische Analyse (2007) 19. 68 Doralt, Das Bankgeheimnis im Abgabenverfahren, ÖJZ 1981, 652 (Punkt: 3. Der Schutz der Kundenunterlagen im Rahmen einer Hausdurchsuchung). 69 Daxkobler / Pamperl, Das schleichende Ende des Bankgeheimnisses? – Aufrechterhaltung im Inland bei gleichzeitiger Durchbrechung im Rahmen des internationalen Auskunftsverkehrs?, SWK 2014, 998 (998, 999). 70 Heller, Kontenregistereinsicht und Konteneinschau – Praxisgesichtspunkte aus Sicht der Finanzverwaltung, ZWF 2017, 23 (23). 71 Fried, Kontenregistereinschau und Konteneinschau – Praxisgesichtspunkte aus Sicht des Betroffenen, ZWF 2017, 25 (26 ff.). 66

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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Zur Erfassung von Zahlungsinformationen eignen sich auf nationaler Ebene am besten solche Institute, welche Girogeschäfte übernehmen, i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BWG. Als Alternative kommen die Verbraucherbanken in Betracht. Beim Schürfen von Daten bei Zahlungsdienstleistern sind Kreditinstitute nach § 1 Abs. 1 BWG als Auskunftspflichtige involviert. Aus diesem Grund muss das Bankgeheimnis in § 38 BWG berücksichtigt werden. § 38 Abs. 2 BWG enthält eine Auflistung von möglichen Durchbrechungstatbeständen. Nach § 38 Abs. 2 Nr. 11, 12 BWG ist eine Durchbrechung i. S. d. Nummer 11 möglich, wenn die Abgabenbehörden des Bundes ein Auskunftsverlangen gemäß § 8 des Kontenregister- und Konteneinschaugesetzes (KontRegG) stellen oder nach Nummer 12 eine Übermittlungspflicht nach § 3 KontRegG und eine Auskunftserteilung nach § 4 KontRegG besteht. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 KontRegG können Abgabenbehörden im Interesse der Abgabenerhebung, wenn diese zweckmäßig und angemessen sind, elektronisch Einsicht in das Kontenregister nehmen. Im Sinne von § 4 Abs. 2 KontRegG dürfen die Suchbegriffe nur konkrete Personen oder Konten betreffen. Das bedeutet, dass Sammelauskünfte, bei denen „… eine persönlich unbekannte, aber durch gemeinsame Merkmale definierbare Gruppe von Menschen …“72 gesucht wird, nicht möglich sind.73 Damit Ermittlungshandlungen im Online-E-Commerce erfolgreich wären, müssten ausgehend vom Verbraucher Kontobewegungen für digitale Dienstleistungen identifiziert werden. Diese Gruppe der Verbraucher eint einzig das Merkmal, dass für digitale Dienstleistungen über deren Konten an leistende Unternehmer gezahlt wurde. Ebenfalls sind weder Mehrwertsteuerpflichtige noch deren Umsätze identifiziert. Nach § 4 Abs. 2 KontRegG ist eine Sammelauskunft nicht möglich, da es sich um keine konkrete Person oder konkretes Konto handelt. Auskunftsersuchen in der Form von Sammelauskünften an Kreditinstitute zur indirekten Ermittlung von nichtansässigen leistenden Unternehmern im Online-E-Commerce über österreichische Verbraucherkonten sind daher nicht möglich. Die Sonderbestimmungen des Bundesgesetzes über die Meldepflicht von Kapitalabflüssen und von Kapitalzuflüssen (Kapitalabfluss-Meldegesetz) könnten nach § 38 Abs. 2 Nr. 13 BWG eine Anwendung zum Schürfen von Daten eröffnen. Nach § 3 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz sind aber erst Abflüsse natürlicher Personen von mindestens 50.000 EUR meldepflichtig.74 Die Beträge im Online-E-Commerce sind aber geringwertig.75 Relevante Daten über das Kapitalabfluss-Meldegesetz für Ermittlungen im Online-E-Commerce sind daher nicht zu erlangen. 72

Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 255. Fried, ZWF 2017, 25 (26). 74 Starl, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten bei Prüfungsmaßnahmen zu Kapitalabflussmeldungen – Wann muss die Herkunft des abgeflossenen Kapitals offengelegt werden?, SWK 2018, 814 (814); Heller / Steffl, Erhebungen zu abgabenrechtlich relevanten Sachverhalten nach dem Kapitalabfluss-Meldegesetz – Abgabenbehördliche Befugnisse im Rahmen der Betrugsbekämpfung, SWK 2018, 1095 (1095, 1096). 75 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 88 f. 73

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

4. Besonderheiten bei Datendienstleistern a) Problemdarstellung Als nächstes wird beim Informationsknoten Web Analytics am Beispiel von Google Analytics untersucht, ob eine Sammelauskunft zulässig wäre und geeignete Daten zum Data Mining erlangt werden können. Mit den Daten von Google Analytics können sehr gut Umsätze von einzelnen Websites76 und der Ort des Verbrauchers ermittelt werden.77 Daten auf Nutzer- und Ereignisebene werden auf Analytics-Servern gespeichert.78 Es wird davon ausgegangen, dass diese Daten in den Google-Rechenzentren gespeichert sind. Diese befinden sich in Europa in Belgien, Dänemark, Finnland, Niederlanden und Irland.79 Diese Information ist für das Schürfen von Informationen im Rahmen von Ermittlungen interessant. Relevante Informationen befinden sich nicht auf Servern in Österreich. Daraus ergeben sich zwei Folgefragen: Könnte mit dem Instrument der Sammelauskünfte über Google-Österreich80 ein Zugriff auf abgabenrelevante Daten im Ausland hergestellt werden? Diese Problemstellung ist bei Ermittlungen nicht neu, es kommt zuweilen bei Ermittlungen vor, dass Daten auf ausländischen Servern verwaltet werden. Daraus ergibt sich die nächste Fragestellung: Kann der Auskunftspflichtige typische Entschlagungsrechte für Datendienstleister geltend machen?81 b) Verhältnismäßigkeit In der ersten Problemstellung sind die Frage der Verhältnismäßigkeit und das Erfordernis der Möglichkeit für die Zulässigkeit einer Sammelauskunft entscheidend. Zum Merkmal der Möglichkeit als Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung von Auskunftsverfahren führt Stoll aus, dass „… nur erfüllbare, nicht aber (objektiv) unerfüllbare Auskünfte verlangt werden dürfen.“ Dies trifft außerdem auch auf eine subjektive Unmöglichkeit zu.82 Das Merkmal der Unmöglichkeit kann in der Praxis zu Problemen führen, wenn Finanzverwaltungen und Gerichte nicht beurtei 76

Clifton, Advanced Web Metrics with Google Analytics3 (2012) 9 ff. Alhlou / Asif / Fettman, Google Analytics Breakthrough – From Zero to Business Impact (2016) 17, 18. 78 Google, Datenaufbewahrung, https://support.google.com/analytics/answer/7667196?hl= de, abgefragt am 23. 6. 2021. 79 Google, Standorte von Rechenzentren, https://www.google.com/about/datacenters/inside/ locations/?hl=de, abgerufen am 23. 6. 2021. 80 Google, Our offices, https://about.google/intl/en/locations/?region=europe&office=vienna, abgerufen am 23. 6. 2021. 81 Angelehnt an: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 52. 82 Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143 S. 1604. 77

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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len können, ob eine Firma tatsächlich Zugriff auf Datenbestände hat und deshalb die Auskunft verweigern kann.83 In Deutschland musste der BFH entscheiden, ob Daten, die sich auf einem ausländischen Server befinden, einen Ausschlussgrund darstellen. Das Gericht entschied, dass es einzig auf die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit ankommt.84 Im konkreten Fall wurden bereits einzelne Anfragen der deutschen Finanzverwaltungen durch die deutsche Firma beantwortet, was darauf schließen ließ, dass die deutsche Firma eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Daten im Ausland hatte.85 Bezogen auf die österreichische Praxis dürfte es deshalb für Ermittlungen hilfreich sein, nationale Auskunftspflichtige, die möglicherweise Zugriff auf ausländische Datenbanken haben, zunächst durch einzelne Auskunftsersuchen zu testen. Im nächsten Schritt kann die Finanzverwaltung Sammelauskünfte stellen und das mögliche Argument der fehlenden Zugriffsmöglichkeit des Auskunftspflichtigen entkräften. Bei der eigentlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, wie bereits erwähnt, das Zweck-Mittel-Verhältnis entscheidend.86 Das eingesetzte Mittel der Sammelauskunft darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu den verfolgten Zwecken stehen. Außerdem ist der zeitliche, persönliche und sachliche Aufwand des Auskunftspflichtigen gegenüber dem erreichbaren Ermittlungserfolg abzuwägen.87 Der Zweck der Sammelauskunft besteht in der Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung und damit der Gleichmäßigkeit in der Besteuerung zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips.88 Die Auswertung von Daten im Rahmen von Google Analytics erfolgt automatisch. Google Analytics bereitet die Daten für den Nutzer auf und stellt Analysen zur Verfügung. Die kostenlose Analyse, die Google Analytics anbietet,89 führt dazu, dass Google mit der Analysesoftware viele unterschiedliche Websites erfasst und daher sehr ergiebige Datenmengen bereithält.90 Aus diesem Grund gibt es auch keinen anderen besser geeigneten Auskunftspflichtigen. Der Aufwand für Google, dem Sammelauskunftsersuchen nachzukommen, dürfte gering sein. Wie oben erläutert stellt Google bereits seinen Kunden anonymisierte Daten von Internetnutzern zur Verfügung. Wenn Google diese Daten zur Verfügung stellen kann, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass steuerlich relevante Daten auch bei Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltung übermittelt werden können. Außerdem wird der sachliche Aufwand des Auskunftspflichtigen durch eine sinngemäße Anwendung der Zeugengebühr nach §§ 143 Abs. 4 i. V. m. 176 BAO ge 83 Angelehnt an: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 52. 84 BFH v. 16. 05. 2013 – II R 15/12 BStBl. 2014 II, 225. 85 Dazu die Vorinstanz: Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. 02. 2012 – 5 K 397/10. 86 Siehe oben: Drittes Kapitel C. II. 2. d) Verhältnismäßigkeit und Auskunftsgrenzen. 87 Mit teilweiser Berücksichtigung der deutschen Rechtslage: Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht – Eine systematische Analyse (2007) 39. 88 Angelehnt an: Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 231. 89 Google, Die beste Lösung für Ihr Unternehmen, https://marketingplatform.google.com/ intl/de/about/analytics/compare/, abgefragt am 23. 6. 2021. 90 Waisberg, Google Analytics Integrations (2015) 121.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

mildert. Die Zeugengebühr berechtigt zum Ersatz der notwendigen Barauslagen (beispielsweise Auslagen für das Anfertigen von Kopien, Personalaufwand, Porto, etc.), die im Zusammenhang mit dem Auskunftsersuchen stehen.91 Bei einer Abwägung des verhältnismäßig geringen Aufwands für Google die Daten zur Verfügung zu stellen und dem sehr hohen Gut der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, könnte die Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Zur Unterstreichung der hohen Relevanz für die Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung könnte das Hinterziehungsvolumen für Österreich und in Europa im Online-E-Commerce ermittelt werden.92 Außerdem ist die Sammelauskunft geeignet, d. h. die Daten sind förderlich für die Ermittlung von mehrwertsteuerbaren Sachverhalten. Ein Ausschluss durch Unzumutbarkeit kann nicht gesehen werden.93 c) Verweigerungsgründe Um eine Sammelauskunft zu verhindern, könnte Google-Österreich Verweigerungsgründe sowie zivilrechtliche Absprache zwischen Google-Österreich und dem ausländischen Serverbetreiber anführen. Es ergibt sich die Frage, ob solche Verweigerungsgründe statthaft wären. Privatrechtliche Vereinbarungen zur Geheimhaltung oder Verschwiegenheitspflichten sind als Verweigerungsgründe nicht statthaft.94 Weiter könnten Entschlagungsrechte nach § 171 Abs. 1 lit. c BAO vorliegen. Eine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht nach § 171 Abs. 1 lit. c i. V. m. 171 Abs 2 BAO scheidet in diesem Verhältnis aus.95 Auch andere gesetzliche Verschwiegenheitspflichten sind nicht bei dem mittelbaren Zugriff auf ausländische Server relevant.96 Man könnte an datenschutzrechtliche Aspekte denken, da Google Analytics Verbraucherdaten verarbeitet, auf welche die Finanzverwaltung im Rahmen der Sammelauskunft indirekt zugreifen will. Doch Google Analytics anonymisiert diese Daten zur Auswertung.97 Daneben bestehen noch Entschlagungsrechte aus einem Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, nach § 171 Abs. 1 lit.  c BAO. Durch die Auskunft gegenüber der Finanzverwaltung, könnten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Google oder von Google-Kunden betroffen sein. Schließlich werden von Google Analytics zum Beispiel Umsätze sowie Verbraucherinformationen erhoben und wären damit für Auskünfte relevant. Google 91

Ritz, BAO6 § 176 Rz. 1a, 4. Siehe oben: Erstes Kapitel F. Schätzung des Mehrwertsteuerausfallvolumens im OnlineE-Commerce. 93 Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 143, S. 1604, 1605. 94 Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht – Eine systematische Analyse (2007) 19; Tanzer, in: Althuber / Tanzer / Unger (Hrsg.), BAO Handbuch (2016) § 171 S. 478. 95 Mit einer Übersicht: Dax-Csörgeö, Auskunftspflichten versus Verschwiegenheitspflichten – ein Widerspruch?, taxlex 2017, 50 (51, 52). 96 Mit einer Übersicht: Kotschnigg, Beweisrecht der BAO: Spezialkommentar (2011) § 171 Rz. 29 ff., 71 ff. 97 Alhlou / Asif / Fettman, Google Analytics Breakthrough – From Zero to Business Impact (2016) 17, 18. 92

C. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten

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könnte deshalb geltend machen, dass durch die Sammelauskunft Daten zu Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen betroffen sind. Nach Tanzer liegt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, bei sonstigen (noch) nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Umständen wie Produktionsweisen, Bezugsquellen, Geschäftsbeziehungen, deren Kenntnis Schaden durch die Konkurrenz befürchten ließe, vor.98 Der Schutz ist auf die Offenbarung eigener Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gerichtet.99 Die Sammelauskunft hat allerdings nicht zum Ziel betriebliche Technologien, beispielsweise das Protokoll der Analysesoftware zu erfragen, sondern nur Daten aus dieser Analysesoftware zu erhalten. Entschlagungsrechte bestehen demnach nicht.

III. Ergebnis der nationalen Ermittlungsmöglichkeiten Zusammenfassend sind nationale Ermittlungen im Bereich des Online-E-Commerce schwer durchführbar. Allgemein ist das Instrument der Sammelauskünfte vielversprechend. Über den Informationsknoten Zahlungsdienstleister bzw. Kreditinstitute sind keine Sammelauskünfte zu erlangen, wodurch die Konkretisierung und Ermittlung von mehrwertsteuerpflichtigen Umsätzen im Online-E-Commerce erschwert wird. Einzig über den Informationsknoten Google Analytics könnten Transaktionsdaten mithilfe der Sammelauskünfte nach § 143 BAO gewonnen werden. Das Argument der fehlenden Zugriffsmöglichkeit bei Transaktionsdaten, die sich auf ausländischen Servern befinden, kann Sammelauskünfte ausschließen und ist daher sehr kritisch. Diese Argumentation muss durch vorausplanende Ermittlungstätigkeiten widerlegt werden, indem durch Einzelauskünfte zu konkreten steuerlichen Ermittlungsverfahren zunächst eine grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit auf Datenbestände bejaht werden kann. Selbst wenn ein Sammelauskunftsverfahren im Bereich der Transaktionsdaten erfolgreich wäre, so könnten die Daten voraussichtlich und im schlechtesten Fall nur schriftlich zur Verfügung stehen bzw. es könnte durch den Auskunftspflichtigen nur die Einsicht gewährt werden, nach § 143 Abs. 2 BAO. Eine elektronische Auswertung der Ermittlungsdaten kann nur über die Einspeisung elektronischer Daten sichergestellt werden. Es müsste daher das Ziel sein, diese durch § 143 Abs. 2 BAO zu erlangen. Die elektronische zur Verfügungstellung von Formaten bleibt allerdings mit Problemen behaftet. In einer Gesamtbetrachtung bieten daher nationale Ermittlungsmöglichkeiten keine geeigneten und beständigen Voraussetzungen zur Rechtsdurchsetzung im Online-E-Commerce. Zumal die im Zweifel ermittelten mehrwertsteuerrelevanten Daten nur einen Ausgangspunkt für weitere Ermittlungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten bilden können. Für die weitere Konkretisierung von Umsätzen und Mehrwertsteuerpflichtigen wären daher internationale Ermittlungsmaßnahmen notwendig. 98 99

Tanzer, in: Althuber / Tanzer / Unger (Hrsg.), BAO Handbuch § 171 S. 479. Stoll, BAO Kommentar Band II (1994) § 171 S. 1825.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten I. Allgemeines Innerhalb der Mehrwertsteuer hat das Gebiet des grenzüberschreitenden Handels mit Verbrauchern ein sehr starkes Bedürfnis nach Verwaltungszusammenarbeit, dem Austausch von Informationen und der gemeinsamen Mehrwertsteuererhebung. Dies verdeutlicht sich am MOSS, der auf dem automatischen Informationsaustausch zwischen MSV und MSI sowie der Mehrwertsteuererhebung durch den MSI für den MSV basiert.100 Wichtige Instrumente für die Effizienz des Erhebungsmechanismus und die Rechtsdurchsetzung gegenüber ausländischen Unternehmern sind der Austausch von Informationen und die Verwaltungszusammenarbeit von Finanzverwaltungen.101 Dieses Mantra wird von der OECD auch in den „Internationalen Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung“ bekräftigt. Die internationale Amtshilfe könnte genutzt werden, um den leistenden Unternehmer zu identifizieren, den Kundenstatus zu überprüfen, das Umsatzvolumen zu ermitteln sowie den Vollzug der Mehrwertsteuererhebung sicherzustellen.102 In der nachfolgenden Betrachtung wird der Austausch von relevanten Daten auf internationaler Ebene für Ermittlungen im Online-E-Commerce zwischen den Finanzverwaltungen untersucht. Als Grundlage der Untersuchung dient die Annahme, dass der leistende Unternehmer und die getätigten Umsätze den Finanzverwaltungen unbekannt sind. Davon ausgehend wird die Erhebungsmöglichkeit von relevanten Zahlungs- und Transaktionsdaten durch die internationale Amtshilfe evaluiert. Dreh- und Angelpunkt der EU-Amtshilfe im Bereich der Mehrwertsteuer ist die MwSt-ZVO. Die MwSt-ZVO ist nur begrenzt bei der Identifizierung unbekannter mehrwertsteuerrelevanter Sachverhalte im Online-E-Commerce nützlich. Damit die Ermittlungsarbeit im Bereich des E-Commerce verbessert werden kann,103 hat die EU-Kommission in einem Legislativpaket, bestehend aus einer Richtlinie104 und einer Verordnung105, die Einführung von Aufzeichnungspflichten bei Zahlungsdienstleistern sowie der anschließenden Übermittlung der Aufzeichnungen an die Finanzverwaltungen durchgesetzt.106

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Angelehnt an: Westberg, in: Lang / Lejeune 166. OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) Preface 10. 102 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 103. 103 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3, 4. 104 RL (EU) 2020/284 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister, ABl. L 2020/62, 7. 105 VO (EU) 2020/283 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der Betrugsbekämpfung, ABl. L 2020/62, 1. 106 RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7, Erwägungsgrund 1 bis 4. 101

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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Doch auch die internationale Amtshilfe mit Drittstaaten ist wichtig, gerade wenn man berücksichtigt, dass alleine 54 % des digitalen europäischen Markts von in den Vereinigten Staaten angesiedelten Onlinediensten bedient wird.107 Für den Austausch von Informationen mit Drittstaaten kommen verschiedene Abkommen zum Austausch von Informationen in Betracht. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bieten teilweise nach Art. 26 OECD-MA die Möglichkeit im Bereich der Mehrwertsteuer Informationen auszutauschen108 und Gruppenanfragen durchzuführen. Dies ist für Ermittlungstätigkeiten im Online-E-Commerce ein vielversprechendes Instrument. Darüber hinaus könnte die OECD Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters109 (CMAAT) für den Informationsaustausch von Nutzen sein.

II. Ermittlungen in Mitgliedstaaten 1. Rechtsquellen des Informationsaustauschs Am 7. 10. 2010 wurde die MwSt-ZVO verabschiedet. Ziel war es die Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zu verbessern und grenzüberschreitende Mehrwertsteuerhinterziehung besser zu bekämpfen sowie eine erfolgreiche Mehrwertsteuererhebung bei gebietsfremden Anbietern sicherzustellen. Die erste Verordnung (EU) Nr. 904/2010110 wurde seitdem durch die Verordnungen (EU) Nr. 2017/2454111, (EU) Nr. 2018/1541112 sowie (EU) Nr. 2018/1909113 geändert.114 Grundsätzlich obliegt den Mitgliedstaaten der Vollzug der Mehrwertsteuer. Durch grenzüberschreitende Umsätze wie im Online-E-Commerce entsteht ein hohes Bedürfnis zur Verwaltungszusammenarbeit 107

EU-Kommission, Warum wir einen digitalen Binnenmarkt brauchen, https://ec.europa. eu/commission/sites/beta-political/files/dsm-factsheet_de.pdf, abgefragt am 26. 8. 2019. Es ist nicht erläutert, ob diese Unternehmen digitale Dienstleistungen erbringen. 108 Ecker, Digital Economy International Administrative Cooperation and Exchange of Information in the Area of VAT, in: Lang / Lejeune (Hrsg.), VAT / GST in a Global Digital Economy (2015) 158. 109 OECD, The Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters – Amended by the 2010 Protocol (2011). 110 VO (EU) Nr. 904/2010 ABl. L 2010/268, 1. 111 VO (EU) 2017/2454 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2017/348, 1. 112 VO (EU) 2018/1541 des Rates vom 2. Oktober 2018 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 904/2010 und (EU) 2017/2454 zur Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2018/259, 1. 113 VO (EU) 2018/1909 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich des Informationsaustauschs zur Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung von Konsignationslagerregelungen, ABl. L 2018/311, 1. 114 Terra / Kajus, Administrative cooperation and combating fraud in the field of value added tax, in: Terra / Kajus (Hrsg.), Administrative Cooperation and Combating Fraud in the Field of VAT (Stand 5. 3. 2019, ibfd.org) Siehe: Preface. Ausgenommen ist die Verordnung zur Einführung gewisser Anforderungen für Zahlungsdienstleister, weil auf diese separat eingegangen wird.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

und des Informationsaustausches zwischen den Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten.115 Es gibt unterschiedliche, sehr weitreichende Arten des Informationsaustauschs in der MwSt-ZVO. Man unterscheidet den Informationsaustausch auf Ersuchen, automatische Auskünfte sowie Spontanauskünfte. Außerdem wird über die Plattform Eurofisc ein schneller Informationsaustausch für die Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung, insbesondere des Karussellbetrugs, ermöglicht.116 Ein Ersuchen erfolgt über ein Standardformular. Bei einem Ersuchen dürfen nur Informationen angefragt werden, die Relevanz für die Mehrwertsteuerhebung haben und einen konkrete / n Einzelfall / Einzelfälle betreffen.117 Der Informationsaustausch auf Ersuchen nach Art. 7 Abs. 1, 2 MwSt-ZVO ist zum Zweck von Informationsersuchen die einzige rechtliche Grundlage. Bei Vorliegen eines rechtmäßigen Ersuchens übermittelt die ersuchte Behörde Informationen. Es sind solche Informationen zu übermitteln, welche für die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer hilfreich sind.118 Zur Beschaffung der Informationen führt die ersuchte Behörde die notwendigen Ermittlungen durch, nach Art. 7 Abs. 2 MwSt-ZVO. Verweigerungsgründe zur Anfrage der ersuchenden Behörde sind in Art. 7 Abs. 4 MwStZVO normiert.119 Ein Auskunftsersuchen kann durch die ersuchte Behörde nicht abgelehnt werden, nur weil sich die Informationen im Besitz einer Bank, eines anderen Finanzinstituts, eines Bevollmächtigten oder einer Person, die als Agent oder Treuhänder auftritt, befinden oder weil sie sich auf Eigentumsanteile einer juristischen Person beziehen, nach Art. 54 Abs. 5 MwSt-ZVO.120 In einer von der EUKommission im Jahr 2017 veröffentlichten Informationserhebung zur Bewertung der MwSt-ZVO gaben acht Mitgliedstaaten an, dass das Auskunftsersuchen nach Art. 7 MwSt-ZVO zur Überwachung und Erhebung der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Transaktionen sehr effektiv ist. Die restlichen 19 Mitgliedstaaten äußerten, dass lediglich Art. 7 MwSt-ZVO effektiv ist. Demgegenüber erachten die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten den automatischen und spontanen Informationsaustausch nach Art. 14, 15 MwSt-ZVO als weniger effektiv.121 115

Angelehnt an: Rosner-Liskounig / Stiastny, Änderung der Verwaltungszusammenarbeitsverordnung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, SWI 2018, 536 (536). 116 Schaumburg, Amts- und Rechtshilfe in Steuersachen, in: Schaumburg / Peters (Hrsg.), Internationales Steuerstrafrecht (2015) 195, 196. 117 Daurer, Die Amtshilfe in Steuersachen auf unionsrechtlicher Grundlage, in: Lang /  Schuch / Staringer (Hrsg.), Internationale Amtshilfe in Steuersachen (2011) 32. 118 Terra / Kajus, 1. Council Regulation (EU) No. 904/2010 on administrative co-operation and combating fraud in the field of VAT (Recast), in: Terra / Kajus (Hrsg.), Administrative Cooperation and Combating Fraud in the Field of VAT (Stand 5. 3. 2019, ibfd.org) Siehe: 1. 5. 2 Exchange of information on request. 119 Torres-Richoux, The Council Regulation on Administrative Cooperation and Combating Fraud in the Field of Value Added Tax (904/2010), in: Günther / Tüchler (Hrsg.), Exchange of Information for Tax Purposes (2013) 337, 338. 120 Schaumburg, Grenzüberschreitende Amts- und Rechtshilfe, in: Schaumburg / Englisch (Hrsg.), Europäisches Steuerrecht (2015) 883. 121 EU-Kommission, Commission Staff Working Document Impact Assessment Accompanying the document Amended proposal for a Council Regulation – Amending Regulation

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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2. Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Online-E-Commerce Es ergibt sich die Frage, ob die Ermittlungsmöglichkeiten der MwSt-ZVO auch im Bereich des Online-E-Commerce von Nutzen sein können. Bei einem Auskunftsersuchen muss es das Ziel sein, ermittlungsrelevante Daten von Informationsknoten zu erheben. Relevante Daten könnten über den Informationsaustausch auf Anfrage nach Art. 7 MwSt-ZVO erhoben werden. Nach Art. 7 Abs. 1 MwStZVO dürfen nur Informationen angefragt werden, die konkrete Einzelfälle betreffen.122 Ausgehend von der Prämisse, dass keine Mehrwertsteuerpflichtigen noch Umsätze bekannt sind, können keine konkreten Einzelfälle erfragt werden, sondern es müssen zunächst über Zahlungs- und Transaktionsdaten Leistungsströme identifiziert werden. Ein konkreter Einzelfall ist daher nicht bekannt. Demnach wäre Art. 7 Abs. 1 MwSt-ZVO nicht anwendbar. Sammelauskünfte sind nicht in der MwSt-ZVO normiert. Eine Abfrage von Informationen, mit deren Hilfe eine Gruppe von Mehrwertsteuerpflichtigen identifiziert werden kann, ist daher nicht möglich. Dass die aktuell verfügbaren Instrumente der MwSt-ZVO für den E-Commerce nicht geeignet sind, wurde auch in einer von der EU-Kommission im Jahr 2017 veröffentlichen Befragung deutlich. 51 % der Befragten123 (exklusive Finanzverwaltungen) beurteilten die aktuellen Instrumente der MwSt-ZVO als ineffektiv, um die Mehrwertsteuerhinterziehung bei neuen Geschäftsmodellen und im ECommerce zu bekämpfen. Lediglich 16 % der Befragten beurteilten die aktuellen Instrumente der MwSt-ZVO in diesem Gebiet als effektiv.124 Für eine verbesserte Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung sollte der automatische Informationsaustausch auch E-Commerce Daten (Identifikationen der Anbieter, Kunden, Daten zu Transaktionen, etc.) von Plattformbetreibern umfassen.125 Der Europäische Rechnungshof veröffentlichte im Jahr 2019 einen Sonderbericht zum elektronischen Handel, in dem unter anderem die Verwaltungszusammenarbeit bei digitalen Dienstleistungen B2C bewertet wurde. Darin stellte er fest, dass der Informationsaustausch auf Ersuchen sowie der spontane Informationsaustausch bisher im E-Commerce nur begrenzt genutzt wurden. Beim Informationsaustausch auf Ersuchen waren mehr als die Hälfte der Ansuchen von einer Verzögerung betroffen. Normalerweise muss nach Art. 10 MwSt-ZVO eine möglichst rasche Informationsübermittlung erfolgen, spätestens nach drei Monaten.126 (EU) No. 904/2010 as regards measures to strengthen administrative cooperation in the field of value added tax, SWD (2017) 428 final 30. 11. 2017, 154. 122 Daurer, in: Lang / Schuch / Staringer 32. 123 Bei den Befragten handelte es sich um insgesamt 58 Teilnehmer, die mehrheitlich privaten Unternehmen aus 12 verschiedenen Mitgliedstaaten angehörten. Siehe dazu: EU-Kommission, SWD (2017) 428 final 30. 11. 2017, 174. 124 EU-Kommission, SWD (2017) 428 final 30. 11. 2017, 124. 125 EU-Kommission, SWD (2017) 428 final 30. 11. 2017, 137. 126 Bezogen auf die konkrete Norm der MwSt-ZVO: Schaumburg, in: Schaumburg / Englisch 884.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Nur in wenigen Fällen erfolgte eine Begründung nach Art. 12 MwSt-ZVO, warum die ersuchte Behörde nicht in der Lage war, dem Ersuchen fristgerecht nachzukommen. Insgesamt beläuft sich für ausgewählte Mitgliedstaaten vom Jahr 2015 bis zum Jahr 2018 der Informationsaustausch zum elektronischen Handel auf 306 Fälle.127 Auch die Generaldirektion der EU-Kommission für die EU-Politik in den Bereichen Steuern und Zoll (TAXUD) bestätigte, dass es Schwierigkeiten beim Informationsaustausch auf Ersuchen im Bereich der Mehrwertsteuerhinterziehung im E-Commerce gibt.128 Daraus leitet sich ab, dass selbst wenn konkrete Einzelfälle bekannt sind, von den verfügbaren Instrumenten in der MwSt-ZVO nur ungenügend Gebrauch gemacht wird. Das bedeutet, dass die MwSt-ZVO keine geeigneten Ermittlungsinstrumente für unbekannte mehrwertsteuerliche Ermittlungen im E-Commerce bietet. Damit Ermittlungen im Online-E-Commerce erfolgreich wären, müssten Sammelauskünfte / Sammelersuchen mithilfe der MwSt-ZVO bei Informationsknoten durchgeführt werden. Diese Sammelersuchen wären aus Sicht der EU-Kommission129 und der belgischen Finanzverwaltung130 nicht verhältnismäßig. Die ersuchte Behörde könnte deshalb den Informationsaustausch nach Art. 54 Abs. 1 MwStZVO verweigern.131 Theoretisch wären Sammelauskünfte nach der MwSt-ZVO bei Zahlungsdaten nicht durch Bankgeheimnisse etc. begrenzt, i. S. d. Art. 54 Abs. 5 MwSt-ZVO.132 Dem steht allerdings Art. 54 Abs. 2 MwSt-ZVO entgegen, wonach nur ersuchte Behörden Informationen übermitteln müssen, wenn dies nicht nationalen Vorschriften der ersuchenden Behörde entgegensteht. Wie oben ausgeführt sind Sammelauskünfte aufgrund nationaler Vorschriften zur Erhebung von Zahlungsinformationen nicht möglich.133 Selbst wenn eine Verhältnismäßigkeit bei einer Anfrage bejaht werden könnte, würden weitere Verweigerungsgründe ein Auskunftsersuchen verhindern. Finanzverwaltungen haben daher über den Informationsaustausch der MwStZVO keine Möglichkeiten Informationen bei Dritten (Informationsknoten) im Rahmen von Sammelauskünften über mehrwertsteuerrelevante Transaktionen im Online-E-Commerce zu erheben und dadurch unbekannte Mehrwertsteuerpflichtige und Umsätze zu identifizieren.134

127

Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 24–26. EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 71. 129 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 130 Angabe durch E-Mailanfrage erhalten: Von “ SPF Finances | Administration Générale de la Fiscalité | Business Partner AGFisc Boulevard du Roi Albert II 33 boîte 80, 1030 Bruxelles“, Sachbearbeiter: Victoria Louis, 12. 12. 2018. 131 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 132 Torres-Richoux, in: Günther / Tüchler 338. 133 Siehe oben: Drittes Kapitel C. II. 3. Besonderheiten bei Kreditinstituten. 134 Siehe dazu (nicht explizit auf den Online-E-Commerce bezogen): EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. 128

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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3. Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister a) Vorbemerkungen Am 12. 12. 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ein Legislativpaket, das einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/ 112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister135 sowie für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der Betrugsbekämpfung136 umfasste. Dem Legislativpaket wurde durch den Zugang zu Zahlungsdaten ein hohes Potenzial zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung zugesprochen.137 Aufgrund des Bestimmungslandprinzips können betrügerische Unternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat, einem Drittland oder einem Drittgebiet ansässig sind, einen unfairen Marktvorteil erlangen, indem sie Mehrwertsteuern hinterziehen.138 Ein Ziel dieses Vorschlags ist es die Ermittlungsinstrumente der Finanzverwaltungen im elektronischen Geschäftsverkehr auszubauen und dadurch den Mehrwertsteuerbetrug einzudämmen.139 Anfang 2018 identifizierte das EU VAT Forum als ein Hauptproblem der Rechtsdurchsetzung von Finanzverwaltungen im E-Commerce, dass notwendige Daten zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs in der „traditionellen“ Verwaltungszusammenarbeit zwischen Finanzverwaltungen nicht zu erlangen seien. Zum einen würden die Daten oft in anderen Jurisdiktionen aufbewahrt und zum anderen befänden sich Daten zur Identifizierung von Betrügern auf Online-​Plattformen, Zahlungsdienstleistern oder anderen Intermediären, die nicht Teil der Transaktion seien.140 Um den Finanzverwaltungen effiziente und wirksame Instrumente zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung an die Hand zu geben, sollen Zahlungsdaten von Zahlungsdienstleistern erhoben werden. Die Daten werden zentral auf EU-Ebene in der CESOP Datenbank (Central Electronic System of Payment Information) gespeichert und stehen Betrugsbekämpfungsexperten (Eurofisc-Verbindungsbeamten) der Mitgliedstaaten zur Verfügung.141 Am 18. 2. 2020 wurde das Legislativpaket durch den Rat der Europäischen Union angenommen und tritt am 1. 1. 2024 in Kraft.142

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EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018. EU-Kommission, KOM (2018) 813 final 12. 12. 2018. 137 EU-Parlament, IP / D/ALL / F WC/2015-001/LOT4/C4; PE 636.470, 73, 74. 138 RL (EU) 2020/284 ABl L 2020/62, 7, Erwägungsgrund 2. 139 Angelehnt an: EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 9 ff. 140 EU VAT Forum, KOM taxud.c.4 (2018) 1507602, 6. 141 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Stellungnahme 1/2019 zu zwei Legislativvorschlägen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs, 14. 03. 2019, 6. 142 RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7; VO (EU) 2020/283 ABl. L 2020/62, 1. 136

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

b) Erläuterungen Das Legislativpaket gliedert sich in die Richtlinie zur Änderung der MwStSystRL (MwSt-SystRLNov)143 und die Verordnung zur Änderung der MwSt-ZVO (MwSt-ZVONov)144. Kernelement des Legislativpaketes ist die nationale Erhebung von Zahlungsdaten und die anschließende Zusammenführung in einer europä­ ischen Datenbank CESOP. Im CESOP werden diese Daten aggregiert, bereinigt und Eurofisc Verbindungsbeamten für Analysen zur Verfügung gestellt.145 Auf der Richtlinienebene wird in Titel XI Kapitel 4 der Abschnitt 2a sowie die Art. 243a bis 243d MwSt-SystRLNov eingefügt. Art. 243a MwSt-SystRLNov enthält Definitionen, die Begriffe mit der PSD 2 (EU) 2015/2366146 und der SEPA Verordnung (EU) Nr. 260/2012147 harmonisieren. Art. 243b MwSt-SystRLNov führt eine Aufzeichnungspflicht für Zahlungsdienstleister ein. Die Aufzeichnungspflicht gilt nur für Zahlungsdienstleister, wenn sich der Zahler in einem Mitgliedstaat befindet und eine grenzüberschreitende Übermittlung von Geldmitteln an einen Zahlungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat oder Drittstaat vornimmt. Außerdem müssen pro Quartal mehr als 25 Zahlungsvorgänge an diesen Zahlungsempfänger ausgeführt worden sein, nach Art. 243b Abs. 2 MwSt-SystRLNov. Der Schwellenwert von 25 Zahlungsvorgängen wurde gewählt, weil aus Sicht der EU-Kommission eine durchschnittliche Online-Bestellung im Wert von 95 EUR erfolgt. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Umsatz von ca. 10.000 EUR pro Jahr in den Mitgliedstaaten, der eine wirtschaftliche Tätigkeit begründen kann und damit mehrwertsteuerpflichtig ist.148 Außerdem werden dadurch nichtkommerzielle Zahlungen also private Zahlungen von der Aufzeichnungspflicht ausgeschlossen.149 Aus Sicht der EU-Kommission bleibt die Verhältnismäßigkeit gewahrt, weil Zahlungsdienstleister unter diesem Schwellenwert keine Zahlungsdaten an die Finanzverwaltungen übermitteln müssen.150 Der Ort des Zahlungsempfängers i. S. d. Art. 243b Abs. 2 MwSt-SystRLNov wird nach Art. 243c Abs. 2 MwSt-SystRLNov über die IBAN oder BIC durch den 143

RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7. VO (EU) 2020/283 ABl. L 2020/62, 1. 145 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Stellungnahme 1/2019 zu zwei Legislativvorschlägen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs, 14. 03. 2019, 6. 146 RL (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/ EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. L 2015/337, 35. 147 VO (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. L 2012/94, 22. 148 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 14. 149 RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7, Erwägungsgrund 6. 150 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 6, 7. 144

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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Zahlungsdienstleister ermittelt. Alternativ erfolgt die Identifizierung des Ortes des Zahlers oder Zahlungsempfängers über die Unternehmenskennung des für diesen handelnden Zahlungsdienstleisters.151 Die Bestimmung des Leistungsortes nach der MwSt-DVO bleibt davon unberührt.152 Es werden nur Daten verarbeitet, die es den Finanzverwaltungen ermöglichen Ermittlungen mit den folgenden Zielen durchzuführen: den Lieferer / Unternehmer zu identifizieren, die Zahl der Vorgänge und ihren Geldwert sowie den Ursprung der Zahlungen zu überprüfen.153 Über die Aufzeichnung der MwSt-Identifikationsnummer soll der Mehrwertsteuerpflichtige identifiziert werden und ein Abgleich mit deklarierten Umsätzen erfolgen. Verfügt der Zahlungsdienstleister nicht über die MwSt-Identifikationsnummer, müssen die Finanzverwaltungen weitere Ermittlungen durchführen, damit der potenzielle Mehrwertsteuerpflichtige identifiziert werden kann.154 Das bedeutet, dass die Finanzverwaltungen grundsätzlich nur Zahlungsverkehrsdaten erkennen können, aber keine Informationen zum Inhalt der Transaktion erhalten. Es soll für die Übermittlung der Aufzeichnungen vom Zahlungsdienstleister an die nationalen Finanzverwaltungen ein elektronisches Standardformat verwendet werden, nach Art. 24b Abs. 2 lit. b MwSt-ZVONov. Der Europäische Datenschutzbeauftragte unterstützt in einer Stellungnahme die Initiative zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung. Es werden keine gravierenden Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen identifiziert. Zusätzlich wird empfohlen die konkrete Einschränkung der Rechte der betroffenen Personen zu benennen und darauf hingewiesen, dass das CESOP Sicherheitsstandards erfüllen muss.155 Die Verordnungsnovelle umfasst die Einführung eines zentralen elektronischen Zahlungsinformationssystems (CESOP). Zusätzlich zu Art. 2 Abs. 1 MwSt-ZVO werden insbesondere die Art. 24a bis 24f MwSt-ZVONov in die MwSt-ZVO eingefügt. Zunächst werden Zahlungsinformationen durch Zahlungsdienstleister gesammelt und auf nationaler Ebene durch die jeweilige zuständige nationale Behörde gespeichert, nach Art. 24b Abs. 1 MwSt-ZVONov. Die Daten werden quartalsweise erhoben und durch den Zahlungsdienstleister spätestens am Ende des Monats, der auf das Quartal folgt, an die nationale Datenbank durch ein elektronisches Standardformular übermittelt, i. S. d. Art. 24b Abs. 2 lit. a,  b MwSt-ZVONov. Nach Art. 24b Abs. 3 MwSt-ZVONov übermittelt die zuständige nationale Behörde spätestens am zehnten Tag des zweiten Monats nach Ablauf des Quartals die gesammelten Daten an das CESOP auf EU-Ebene.

151

RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7, Erwägungsgrund 5. RL (EU) 2020/284 ABl. L 2020/62, 7, Erwägungsgrund 4. 153 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 6, 7. 154 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 15. 155 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Stellungnahme 1/2019 zu zwei Legislativvorschlägen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs, 14. 03. 2019, 11. 152

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

Zur Untersuchung und Aufdeckung von mutmaßlichem Mehrwertsteuerbetrug gewährt die EU-Kommission Eurofisc-Verbindungsbeamten Zugang zu den gespeicherten Daten,156 nach Art. 24d MwSt-ZVONov. Der Zugang erfolgt über das Eurofisc-Netz.157 Zunächst werden die Zahlungsdaten zentral gespeichert. Anschließend erfolgt die Aggregation der gespeicherten Zahlungsdaten. Das bedeutet, dass für jeden Zahlungsempfänger ein vollständiger Überblick über die empfangenen Zahlungen in der EU generiert werden soll.158 Dabei sollen Duplikate gelöscht, Fehler korrigiert oder gemeldet werden, kurzum die Daten sollen bereinigt werden.159 Für diesen Prozess soll ein eigenes System entwickelt werden, das Identitäten abgleicht und eine Zuordnung von Zahlungsempfängern zu konkreten Mehrwertsteuerpflichtigen vornimmt oder zumindest die Identität hinter dem Zahlungsempfänger ermittelt. Damit eine Identität bestimmt werden kann, müssen die Daten validierten Informationen, z. B. der UID zugeordnet werden können. Die Kriterien zur Risiko­ analyse werden gemeinsam mit Eurofisc und den Mitgliedstaaten entwickelt.160 Danach wird zentral eine Risikoanalyse vorgenommen, indem die generierten Daten mit anderen nationalen Quellen überprüft werden. Die Ergebnisse können analysiert werden und mögliche weitere Ermittlungshandlungen auslösen. Im Zweifel können die Ermittlungen zentral auf die Rohdaten im CESOP zugreifen.161 Zahlungsdienstleister sind nicht zwingend in den Mitgliedstaaten des Zahlenden oder des Zahlungsempfängers ansässig. Unter anderem entschied sich deshalb die EU-Kommission für einen Vorschlag mit zentraler Datenbank, da nur darüber eine europaweite Aggregation, Bereinigung und Auswertung der Daten sicher­gestellt werden kann.162 c) Bewertung des Legislativpakets Das Legislativpaket zur Übermittlung von Zahlungsdaten an Finanzverwaltungen hat das Potenzial die Mehrwertsteuerhinterziehung im E-Commerce wirksam zu bekämpfen. Es gelten jedoch einige allgemeine Einschränkungen sowie Spezifika im Online-E-Commerce, auf die in diesem Kapitel aufmerksam gemacht wird. Der Schwellenwert des Art. 243b Abs. 2 MwSt-SystRLNov geht davon aus, dass 25 Zahlungen pro Quartal bei einem durchschnittlichen Wert von 95 EUR pro Zahlung über das Jahr verteilt, annähernd 10.000 EUR Umsatz ergeben und damit mehrwertsteuerpflichtige Umsätze begründen können.163 Im Online-E-Com­ 156

VO (EU) 2020/283 ABl. L 2020/62, 1, Erwägungsgrund 14. EU-Kommission, KOM (2018) 813 final 12. 12. 2018, 3. 158 VO (EU) 2020/283 ABl. L 2020/62, 1, Erwägungsgrund 7. 159 EU-Kommission, KOM (2018) 813 final 12. 12. 2018, 3. 160 EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 30. 161 EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 99, 100. 162 EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 30, 31, 96–98. 163 EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 13, 14. 157

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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merce sind die meisten Umsätze geringwertig und liegen damit im Schnitt unter 95 EUR pro Zahlung.164 Aus diesem Grund könnten für den Online-E-Commerce mehr Zahlungsdaten übermittelt werden, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten keine mehrwertsteuerpflichtigen Umsätze begründen. Bisher orientiert sich der Schwellenwert und damit die Verhältnismäßigkeit ausschließlich an der Anzahl der Zahlungen. Eine Verhältnismäßigkeit des Schwellenwertes von 25 Zahlungen pro Quartal kann daher in Zweifel gezogen werden. Deshalb wäre als weiterer Schwellenwert die Gesamthöhe der Zahlung empfehlenswert. Ein weiteres Problem im Rahmen der Ermittlungen ergibt sich durch die fehlende Zuordnung des Leistungsinhalts zum Zahlungsvorgang. Ermittlungen wären wesentlich effektiver, wenn weitere Transaktionsinformationen vorliegen würden. In einer abschließenden Betrachtung besteht noch Klarstellungs- und Konkretisierungsbedarf. Es ist zu empfehlen, ähnlich wie bei der Einführung des MOSS, vor in Kraft treten der Bestimmungen detaillierte Leitlinien oder Erläuterungen zu veröffentlichen.165 Eine korrekte Implementierung des Legislativpakets in der Zahlungsverkehrslandschaft ist für eine korrekte Umsetzung und die Erhebung von verwertbaren Informationen wichtig. Dabei können nicht alle Spezifika in einer stark diversifizierten europäischen Zahlungsverkehrslandschaft berücksichtigt werden, sondern es sollten die Hauptzahlungsmethoden erfasst werden. Die Initiative der EU-Kommission ist für eine effektive Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung sehr zu begrüßen, zeigt aber auch die Probleme, denen Ermittlungen im Zahlungsverkehr gegenüberstehen. Außerdem zeigt sich, dass das Grundwissen über die Leistungs- und Zahlungsabwicklung im Internet der Schlüssel für erfolgreiche Ermittlungen und Gesetzesinitiativen ist.

III. Ermittlungen in Drittstaaten 1. Allgemeines Das folgende Kapitel prüft Ermittlungsmöglichkeiten im Online-E-Commerce in Drittstaaten. Notwendig wäre es, über Sammelauskünfte von ausländischen Informationsknoten Daten von potenziell relevanten mehrwertsteuerlichen Sachverhalten zu erheben. Zu diesem Zweck müssen geeignete rechtliche Instrumente vorliegen, damit unbekannte Mehrwertsteuerpflichtige und unbekannte Umsätze ermittelt werden können. Es gibt eine Reihe an multi- und bilateralen Abkommen, die einen Informationsaustausch mit Drittstaaten im Bereich der Mehrwertsteuer ermöglichen.166 Es werden nur vielversprechende internationale Abkommen mit 164

Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 88 f. 165 In diesem Sinne, siehe oben: Zweites Kapitel D. V. 1. Relevante Mitteilungen. 166 Ecker, in: Lang / Lejeune 158.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

einem potenziellen Bezug zu Drittländern näher analysiert. Dazu wird überprüft, ob ein Informationsaustausch für Mehrwertsteuern eröffnet wird und geeignete Instrumente zum Informationsaustausch vorliegen. In Betracht kommen insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), basierend auf dem OECD-Musterabkommen167, Tax Information Exchange Agreements (TIEAs)168 und das Council of Europe / OECD Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters (CMAAT)169. Im Jahr 2002 entwickelte die OECD TIEAs, um die internationale Kooperation in Steuerangelegenheiten zu fördern. Durch den Austausch von Informationen sollten schädliche Steuerpraktiken besser bekämpft werden können. Zu diesem Zweck wurde für die TIEAs ein Musterabkommen entworfen (TIEAs-MA).170 Das TIEAs-MA ist stärker auf direkte Steuern ausgerichtet. Zwar enthält Art. 3 Abs. 2 TIEAs-MA eine Bestimmung, wonach die vertragsschließenden Parteien das Abkommen auch auf indirekte Steuern anwenden können. Theoretisch wäre davon auch die Mehrwertsteuer umfasst. Nach Ecker umfassen in der Praxis wenige TIEAs auch die Mehrwertsteuer.171 Aus diesem Grund werden TIEAs in den nachfolgenden Betrachtungen ausgelassen. Für die Betrachtung von DBA wird das OECD-MA 2017172 zugrunde gelegt. Nach Art. 26 Abs. 1 OECD-MA umfasst der Informationsaustausch Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Die Informationen müssen voraussichtlich erheblich sein. Außerdem normiert Art. 26 Abs. 1 OECD-MA eindeutig, dass Art. 1, 2 OECD-MA den Informationsaustausch nicht einschränkt. Seit einer Neukommentierung des OECD-MA im Jahr 2012 werden neben Einzelauskunftsersuchen auch sogenannte Gruppenanfragen ermöglicht. Diese Anfragen umfassen Informationsersuchen zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen, die nicht namentlich identifiziert sind (vergleichbar mit Sammelauskünften).173 In der Praxis umfassen nicht viele DBA auch die Mehrwertsteuer. Dies liegt zum Teil daran, dass DBA meistens auf älteren OECD-MA basieren, wodurch der Informationsaustausch von Steuern jeder Art und Bezeichnung noch nicht erfasst ist.174 Es hängt vom konkreten DBA ab, ob ein Informationsaustausch durch Gruppenanfragen für den Bereich der Mehr 167

OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017 (2017). OECD, Agreement on Exchange of Information on Tax Matters (2002). 169 OECD, The Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters – Amended by the 2010 Protocol (2011). 170 Oberson, International exchange of information in tax matters: towards global transparency (2015) 56, 57. 171 Ecker, A VAT / GST Model Convention – Tax Treaties as Solution for Value Added Tax and Goods and Services Tax Double Taxation (2013) 414. 172 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017 (2017). 173 Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuer­ fahndung (2014) 144. 174 Ecker, A VAT / GST Model Convention – Tax Treaties as Solution for Value Added Tax and Goods and Services Tax Double Taxation (2013) 413. 168

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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wertsteuer zulässig ist. Dieses Instrument ist sehr vielversprechend. Aus diesem Grund wird im nächsten Kapitel näher auf die Bedingungen einer Gruppenanfrage in Art. 26 Abs. 1 OECD-MA eingegangen. Die Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters ist auch für die Mehrwertsteuer anwendbar, nach Art. 2 Abs. 1 lit. b Unterabs. iii Unterlit. c CMAAT-MA. Im CMAAT-MA gibt es fünf unterschiedliche Methoden zum Informationsaustausch: Informationsersuchen auf Anfrage, Art. 5 CMAAT-MA; automatischer Informationsaustausch, Art. 6 CMAAT-MA; spontaner Informationsaustausch, Art. 7 CMAAT-MA; gleichzeitige Prüfung, Art. 8 CMAAT-MA; gemeinsame Prüfung vor Ort, Art. 9 CMAAT-MA. Alle Methoden unterliegen den allgemeinen Bestimmungen des Art. 4 CMAAT-MA. Nach Art. 4 Abs. 1 CMAATMA muss der Informationsaustausch voraussichtlich erheblich für die Verwaltung oder den Vollzug der von dem CMAAT-MA umfassten Steuern sein. Der Informationsaustausch in Art. 5 CMAAT-MA ist sehr weitgehend und umfasst auch Gruppenanfragen i. S. d. Art. 26 OECD-MA.175 Daher wird auch das Instrument der CMAAT einer näheren Betrachtung unterzogen. 2. Ermittlungsmöglichkeiten durch Doppelbesteuerungsabkommen Durch Gruppenanfragen könnten Ermittlungen im Online-E-Commerce erfolgreich durchgeführt werden. Die Frage ist, ob es rechtlich zulässig ist über Gruppenanfragen die notwendigen Daten für Ermittlungen im Online-E-Commerce bereitzustellen. Notwendig wären Zahlungs- oder Transaktionsdaten, die von Verbrauchern ausgehen, um den Flussdaten folgend die Umsätze und die Mehrwertsteuerpflichtigen zu erkennen. Maßgebliches Kriterium zur Zulässigkeit von Gruppenanfragen bildet Art. 26 Abs. 1 OECD-MA mit dem Erfordernis, dass die Informationen voraussichtlich erheblich sein müssen. Nach dem OECD-MA Kommentar umfasst die Formulierung „… voraussichtlich erheblich …“ in Art. 26 Abs. 1 OECD-MA den am weitest möglichen Informationsaustausch. Erheblich sind Informationen dann, wenn im konkreten Fall die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der ersuchende Staat ein Besteuerungsrecht hat. Ohne die Suchanfrage würde der ersuchende Staat die Besteuerung nicht sicherstellen können. Gleichzeitig sollen Auskunftsersuchen i. S. einer fishing expedition vermieden werden. Eine die Gruppenanfrage ausschließende fishing expedition liegt vor, wenn das Ersuchen für eine Steuerangelegenheit eines bestimmten Steuerpflichtigen wahrscheinlich unerheblich ist und in keinen Zusammenhang steht.176 Ein Informationsersuchen ist nicht allein deshalb eine fishing expedition, wenn der Name oder die Adresse des Steuerpflichtigen nicht bekannt ist. Sind der Name oder die Adresse 175

Oberson, International exchange of information in tax matters: towards global transparency (2015) 70. 176 Bach, Gruppenanfragen nach Art. 26 Abs. 1 OECD MA und deren Bedeutung für Art. 26 Abs. 1 DBA CH, PStR 2013, 72 (Punkt: 2. Informationsaustausch nach Art. 26 OECD-MA).

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

des potenziellen Steuerpflichtigen nicht bekannt, muss der ersuchende Staat andere ausreichende Informationen zur Identifizierung des Steuerpflichtigen bereithalten. Zu diesem Zweck muss der ersuchende Staat eine ausführliche Beschreibung der Gruppe, der Eigenschaften und Umstände, die zu einem Ersuchen führen, darlegen.177 Es bedarf einer Beschreibung, die ein typisches Verhaltensmuster darstellt, das ausschließlich dazu dient Steuern zu hinterziehen. Diese Analyse erfolgt aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters.178 Außerdem muss dargelegt werden, warum die angefragten Informationen notwendig sind, die Gruppe von Steuerpflichtigen zu identifizieren.179 Es findet sich im Kommentar keine exakte Beschreibung, ob eine Anfrage für die Erhebung von notwendigen Verbraucherdaten im Online-E-Commerce unzulässig wäre. Aus den im OECD-MA Kommentar aufgeführten Beispielen könnte sich eine Bewertung ergeben.180 In einem Beispiel wird eine Informationsanfrage abgelehnt, weil zu breit nach Kontoinformationen gefragt wird und die Gruppe der potenziell Steuerpflichtigen nicht genau beschrieben werden kann. Außerdem kann nicht das potenziell steuerschädliche Verhalten belegt werden.181 In der Rechtspraxis wird das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit teilweise sehr eng gezogen. In einer luxemburgischen Gerichtsentscheidung wurde ein Informationsersuchen zur genauen Identifizierung von Personen hinter mehreren bekannten Konten als unzulässige fishing expedition ausgelegt. Obwohl bereits die Konten explizit benannt werden konnten und auch ein konkreter Ermittlungsfall vorlag.182 In einer aktuelleren schweizerischen Gerichtsentscheidung wurde hingegen das Erfordernis einer klar umgrenzten Gruppe stärker vernachlässigt. Für eine voraussichtliche Erheblichkeit war vielmehr die Begründung entscheidend, wie und warum Gründe für die Annahme bestehen, dass die Gruppe potenziell gegen Steuergesetze verstoßen hat.183 Bezogen auf das Instrument der Gruppenanfrage kann die Gruppe der Mehrwertsteuerpflichtigen nur als potenziell mehrwertsteuerpflichtig bezeichnet werden. Die Zahlungen könnten auch für nicht mehrwertsteuerpflichtige Zwecke erfolgen. Die Gruppenanfrage betrifft auch nur indirekt Steuerpflichtige. Ziel ist 177

OECD, OECD Model Tax Convention – Commentary on Article 26 (2017) Paragraph 1 Rz. 5–5.2. 178 Bach, PStR 2013, 72 (Punkt: 3.3. Inhaltliche Anforderungen an eine zulässige Gruppenanfrage). 179 Oswald, Verfahrensrechtliche Aspekte der internationalen Amtshilfe in Steuersachen (2015) 436, 437; Valdés Zauner, Exchange of Information through Group Request, in: Günther / Tüchler (Hrsg.), Exchange of Information for Tax Purposes (2013) 491. 180 OECD, OECD Model Tax Convention – Commentary on Article 26 (2017) Paragraph 1 Rz. 8.1. ff. 181 Valdés Zauner, in: Günther / Tüchler 496. 182 Haslehner, Luxembourg: The Standard of „Foreseeable Relevance“ 324 ff.; Tribunal administratif du Grand-Duché de Luxembourg (dritte Kammer), 17. 5. 2013, numéro 32502 du role, in: Kemmeren et al. (Hrsg.), Tax Treaty Case Law around the Globe 2014 (2015). 183 Bundesgericht 12. 9. 2016, 2C-276/2016; Papadopoulos, Switzerland: Demarcation between an Acceptable Group Request and an Unacceptable „Fishing Expedition“, in: Lang et al. (Hrsg.), Tax Treaty Case Law around the Globe 2017 (2018) 393 ff.

D. Internationale Ermittlungsmöglichkeiten

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es Informationen zu Flussdaten von Verbrauchern zu erlangen, um darauf aufbauend Ermittlungen gegen potenzielle Mehrwertsteuerpflichtige durchzuführen. Die Mehrwertsteuerpflichtigen müssen auch nicht zwingend in dem ersuchten Land ansässig sein. Es liegen deshalb Gründe vor, die oben beschriebene Gruppenanfrage als eine unzulässige fishing expedition zu klassifizieren. Durch dieses Beispiel wird verdeutlicht, wie schwierig es ist eine DBA-rechtliche Gruppenanfrage durchzuführen, insbesondere bei Vorermittlungen, in denen noch keine konkrete Untersuchung zu einem bestimmten Steuerzahler nachgewiesen werden kann. Die Gruppenanfrage wird dazu benötigt, um Vermutungen und Spekulationen zu konkretisieren und konkrete Ermittlungen einleiten zu können.184 DBA bieten im Online-E-Commerce bei unbekannten Umsätzen und Mehrwertsteuerpflichtigen keine geeigneten rechtlichen Instrumente für Ermittlungen an. 3. Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters Die CMAAT wurde im Jahr 1988 von der OCED als multilaterales Instrument für OECD-Länder verkündet. Der Rahmen wurde im Jahr 2010 auf Nicht-OECDLänder ausgedehnt. Mit der CMAAT soll der Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten zwischen den teilnehmenden Ländern vereinfacht werden.185 Aktuell sind 129 Jurisdiktionen der CMAAT beigetreten,186 darunter sind alle EU-Mitgliedstaaten.187 Nach Art. 5 Abs. 1 CMAAT-MA ist der Informationsaustausch auf Ersuchen bei Personen und Transaktionen möglich. Dadurch eröffnet sich nach Art. 5 Abs. 1 CMAAT-MA die Möglichkeit Gruppenanfragen durchzuführen.188 Der allgemeine Art. 4 Abs. 1 CMAAT-MA verweist allerdings auf den OECD-Standard der voraussichtlichen Erheblichkeit.189 Genauso wie im OECDKommentar wird ausgeführt, dass die voraussichtliche Relevanz den Austausch von Informationen weitestgehend ermöglichen soll, ohne dass es zu einer fishing expedition kommt oder zu Informationsersuchen, die wahrscheinlich nicht für Steuerangelegenheiten einer bestimmten Person oder Gruppe / Kategorie von Personen relevant sind.190 Aus diesem Grund ist auf die oben dargestellten Ausfüh 184

Angelehnt an: Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung (2014) 150. 185 Mosquera Valderrama, Legitimacy and the Making of International Tax Law: The Challenges of Multilateralism, WTJ 2015, 344 (Punkt: 5. 2. 2. 1. 2. Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters). 186 OECD, Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters, http://www. oecd.org/ctp/exchange-of-tax-information/convention-on-mutual-administrative-assistancein-tax-matters.htm, abgefragt am 23. 6. 2021. 187 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 18. 188 Oberson, International exchange of information in tax matters: towards global transparency (2015) 70. 189 Valdés Zauner, Exchange of Information through Group Requests 488, 489. 190 OECD, Explanatory Report of the Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters as amended by the 2010 Protocol (2010) Article 4 Rz. 50.

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Kap. 3: Ermittlungs- und Vollzugsmöglichkeiten im Online-E-Commerce 

rungen zur voraussichtlichen Erheblichkeit zu verweisen. Verwendet man dieselben Suchkriterien, um mehrwertsteuerrelevante Informationen für Ermittlungen im Online-E-Commerce zu erlangen,191 ist eine Gruppenanfrage mit der CMAAT nicht durchführbar. Der Europäische Rechnungshof führte im Jahr 2018 eine Umfrage zur Verwendung des CMAAT im E-Commerce durch. Bisher hatte kein Mitgliedgliedstaat von der CMAAT für internationale Ermittlungen im E-Commerce Gebrauch gemacht.192 Die CMAAT bietet daher keine geeigneten rechtlichen Instrumente, damit notwendige Daten für Ermittlungen im Online-E-Commerce erlangt werden können.

E. Ergebnis drittes Kapitel In diesem Kapitel wurde verdeutlicht, wie schwer es im Online-E-Commerce ist den notwendigen Vollzug der Mehrwertsteuer zu gewährleisten. Der Online-ECommerce zeichnet sich durch vielfältige Informations- und Zahlungskanäle aus. Geeignete Informationsquellen können nur in sogenannten Informationsknoten liegen. Von diesen Informationsknoten müssen Flussdaten (Zahlungs- und Transaktionsdaten) erhoben werden, die es ermöglichen den Leistungs- und Zahlungsweg, ausgehend vom Verbraucher, zu identifizieren. In diesem Zusammenhang wird der Informationsknoten Google Analytics besonders betont, der vielversprechende Analysen liefern kann. Durch die Auswertung von Daten könnten die Umsätze und auch der Mehrwertsteuerpflichtige ermittelt werden. Das dafür notwendige Schürfen von relevanten Daten ist das Kernstück dieses Kapitels. Im Ergebnis wird festgestellt, dass es keine effektiven rechtlichen Möglichkeiten auf nationaler und EU-Ebene sowie in Beziehung zu Drittstaaten gibt, notwendige Daten von Informationsknoten zu erheben. Als gemeinsames Merkmal wird ein konkreter Ermittlungsfall oder eine näher umgrenzte Person bzw. umgrenzter Sachverhalt gefordert, damit grenzüberschreitenden Informationsersuchen nachgekommen werden kann. Dies stellt ein Problem bei Vorermittlungen dar, wenn noch keine ausreichende Konkretisierung besteht. Weiter wird das vielversprechendste Instrument bei Ermittlungen mit Drittländern, die Gruppenanfrage in DBA, kaum Anwendung finden, weil Mehrwertsteuern mehrheitlich nicht unter die DBA fallen.193 Selbst wenn Informationsersuchen im Rahmen von Sammelauskünften oder Gruppenanfragen erfolgreich wären und die notwendigen Daten beschafft werden könnten, stellen diese Daten nur einen Moment oder eine Zeitspanne dar. Der kontinuierliche Fluss von Informationen zum Data Mining in Analyseprogrammen ist nicht gegeben. Dieses Problem wurde von Seiten der EU-Kommission erkannt 191

Siehe oben: Drittes Kapitel D. III. 2. Ermittlungsmöglichkeiten durch Doppelbesteuerungsabkommen. 192 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 18. 193 Ecker, A VAT / GST Model Convention – Tax Treaties as Solution for Value Added Tax and Goods and Services Tax Double Taxation (2013) 413.

E. Ergebnis drittes Kapitel 

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und führte zum Vorschlag eines Legislativpakets zur Einführung von Aufzeichnungspflichten bei Zahlungsdienstleistern.194 Ein Hauptmerkmal dieses Legislativpakets ist die Einführung einer zentral organisierten Ermittlungsinstanz, dem CESOP, zur Auswertung von potenziell relevanten Zahlungsdaten. Problematisch ist, dass selbst, wenn dadurch geeignete Informationen zur Verfügung stehen, ein Vollzug in Drittstaaten schwierig und aufwendig ist. Diese Erkenntnis wird von der Tatsache gestützt, dass es bisher nur ein Abkommen zur Zusammenarbeit im Mehrwertsteuerbereich mit Drittstaaten gibt.195 Am 1. 9. 2018 trat die Übereinkunft zwischen der EU und dem Königreich Norwegen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Betrugsbekämpfung und die Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer in Kraft.196

194

EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 3. Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 18. 196 Beschluss (EU) 2018/1089 des Rates vom 22. Juni 2018 über den Abschluss – im Namen der Union – der Übereinkunft zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Norwegen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Betrugsbekämpfung und die Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2018/195, 1. 195

Viertes Kapitel

Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung A. Einleitung Grundsätzlich bieten neue Technologien viel Potenzial, um Compliance-Anforderungen1 für Steuerzahler zu senken und gleichzeitig nützliche Instrumente für Finanzverwaltungen zur Verfügung zu stellen.2 Die Einführung von neuen Technologien sollte immer Vorteile nach sich ziehen, ansonsten ist eine Einführung abzulehnen. Am Beispiel der grenzüberschreitend digital erbrachten Dienstleistungen an Verbraucher verdeutlichen sich die Schwierigkeiten, denen Steuerzahler und Finanzverwaltungen in der Digitalisierung gegenüberstehen. Für Steuerzahler bzw. Mehrwertsteuerpflichtige entstehen hier erhöhte Compliance-Anforderungen3 und Finanzverwaltungen stehen wenige wirksame Instrumente zur Verfügung, den Vollzug und die Erhebung der Mehrwertsteuer gegenüber steuerunehrlichen Unternehmern sicherzustellen.4 Der Erhebungsmechanismus der Selbstdeklarierung von Umsätzen (MOSS) führt dazu, dass Finanzverwaltungen zunächst auf die Registrierung und Deklarierung von Umsätzen des Mehrwertsteuerpflichtigen vertrauen müssen.5 Daraus ergibt sich ein Missstand im Vollzug der Mehrwertsteuer für die Finanzverwaltungen, wenn Mehrwertsteuerpflichtige steuerunehrlich sind. Aus diesem Grund wird im nächsten Kapitel überprüft, ob die Einführung eines im Rahmen dieser Forschungsarbeit erarbeiteten neuen dezentralen Erhebungsmechanismus für die Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen (DEMDI) in B2C-Situationen theoretisch umsetzbar wäre und ob dies zur Senkung von Compliance-​Anforderungen für Mehrwertsteuerpflichtige sowie zu einem besseren Vollzug und Mehrwertsteuererhebung durch die Finanzverwaltungen führt. In dem entwickelten DEMDI-Modell sollen Banken / Zahlungsdienstleister (im Folgenden wird von Zahlungsdienstleistern gesprochen) während der Zahlungsabwicklung 1 Ausführliche Darstellung und Erläuterungen zum Begriff „Tax Compliance“, der in etwa als „eigenmotivierte Erfüllung von Mitwirkungspflichten“ übersetzt werden kann: Pischel, Blockchain im Steuerbereich – Einsatzmöglichkeiten zur Sicherstellung der Tax Compliance, GRC aktuell 2019, 63 (63). 2 OECD, Tax Challenges Arising from Digitalisation  – Interim Report 2018, Inclusive Framework on BEPS (2018) 202 ff. 3 Exemplarisch, mit dem Augenmerk auf Drittlandsunternehmer: Lamensch, IVM 2017, 137 (141). 4 Exemplarisch: EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018, 1, 2. 5 Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 144.

B. Dogmatische Diskussion zur Beibehaltung des Bestimmungslandprinzips 

135

die korrekte Mehrwertsteuer direkt an die Finanzverwaltungen abführen. Die Überlegungen konzentrieren sich nur auf digital erbrachte Dienstleistungen an Verbraucher und dienen als Umsetzungsbeispiel. Neue automatisierte oder manuelle Formen der Mehrwertsteuererhebung während des Zahlungsvorgangs wurden bisher mehrheitlich unter dem Begriff Split-Payments diskutiert.6 Damit Zahlungsdienstleister die korrekte Mehrwertsteuer einbehalten, müssen geeignete Informationen zur Ermittlung der Mehrwertsteuer bei digital erbrachten Dienstleistungen zur Verfügung stehen.7 Diese Informationslücke zwischen Zahlungssystemen und der Übermittlung von Leistungen im Internet gegenüber der Mehrwertsteuer8 soll durch die Blockchain-Technologie überbrückt werden. Die Blockchain-Technologie als Allheilmittel für Probleme auf der Welt zu betrachten, wie es viele BlockchainEnthusiasten äußern, führt zu weit.9 Es ergeben sich bei dem beschriebenen DEMDI-Modell nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, wie zum Beispiel im Datenschutz10 sowie Folgeprobleme im Zahlungsverkehr. Ein Fokus der Untersuchung liegt daher auf der Identifizierung von Umsetzungsschwierigkeiten des DEMDI-Modells und der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten. Die Entwicklung neuer innovativer Erhebungsmechanismen muss auf bereits diskutierten Theorien und Modellen aufbauen. Neben einer Beschreibung von Split-Payment-Modellen in Theorie und Praxis werden die Blockchain-Technologie und ihre Einsatzmöglichkeiten zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung diskutiert. Darauf folgt die Beschreibung des DEMDI-Modell und die notwendige Einbettung in die Zahlungsverkehrssysteme zur Erhebung der Mehrwertsteuer. Wie jedes innovative Konzept ist auch dieses nicht frei von Folgeproblemen, die abschließend dargestellt werden.

B. Dogmatische Diskussion zur Beibehaltung des Bestimmungslandprinzips Es sollten Wege gefunden werden, die es ermöglichen den vollständigen Vollzug der Mehrwertsteuer im Online-E-Commerce sicherzustellen. Es fragt sich deshalb, ob das seit dem Jahr 2015 verwirklichte Bestimmungslandprinzip im Online-E-Commerce bei fehlenden Vollzugs- und Ermittlungsmöglichkeiten geeignet ist oder ob nicht ein Wechsel zum Ursprungslandprinzip notwendig ist. 6

Frühe Erwähnung in: PWC, Study on the feasibility of alternative methods for improving and simplifying the collection of VAT through the means of modern technologies and / or financial intermediaries, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 144. 7 Prätzler, Split Payments in VAT Systems – Is This the Future?, IVM 2018, 66 (69). 8 Ainsworth, VAT Fraud as a Policy Stimulus – Is the US Watching? VAT Withholding, RTvat and the Mittler Model, Boston University School of Law Working Paper No 11-08, 7. 9 Bal, Does the Tax Sector Need Blockchain? (2018) 8. 10 Beispielsweise in: Böhme / Pesch, Technische Grundlagen und datenschutzrechtliche Fragen der Blockchain-Technologie, DuD 2017, 473 (477 f.).

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Das Ursprungslandprinzip hätte den Charme, dass Vollzugs- und Ermittlungstätigkeiten im Besteuerungsstaat des ansässigen Unternehmers besser durchgeführt werden können.11 Diese möglichen Probleme im Zusammenhang mit dem Bestimmungslandprinzip wurden bereits im Jahr 2001 durch die OECD erkannt.12 Zur Bekämpfung dieser Probleme setzt die OECD auf ein vereinfachtes Registrierungsverfahren und eine Konzentration der Mehrwertsteuerpflichtigen bei Plattformbetreibern.13 Doch diese Mechanismen führen im Rahmen des Bestimmungslandprinzips zu den im zweiten und dritten Kapitel14 genannten Vollzugs- und Ermittlungsschwierigkeiten im Online-E-Commerce. Die Tatsache, dass ein vereinfachtes Registrierungsverfahren nicht geeignet ist, um den vollständigen Vollzug bei digitalen Dienstleistungen sicher zu stellen, bedeutet nicht, dass das Bestimmungslandprinzip an sich im Online-E-Commerce nicht geeignet ist. Vielmehr müssen andere Erhebungsmechanismen entwickelt werden, damit diese Probleme im Rahmen des Bestimmungslandprinzips nicht auftreten. Die Anwendung von moderner Technologie ist das Schlüsselelement beim Vollzug von Mehrwertsteuerpflichten im Rahmen des Bestimmungslandprinzips bei Umsätzen im E-Commerce. Ebenfalls bietet das Neutralitätsprinzip als Grundlage des Bestimmungslandprinzips grundlegende Vorteile im Bereich der grenzüberschreitenden indirekten Besteuerung,15 die im Vergleich gegenüber dem Ursprungslandprinzip dominieren. Der OECD folgend ist das zentrale Dogma der Mehrwertsteuer, dass die Mehrwertsteuer dem Staat zufließt, „… in dem der Endverbrauch stattfindet“.16 Die Wiedereinführung eines Ursprungslandprinzips würde dieses Prinzip verletzen. Außerdem würde es erneut zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, wie bereits vor der Einführung der aktuellen Regelungen im Jahr 201517 und damit zur Bildung von „Steueroasen“. Die einheitliche Anwendung des Bestimmungslandprinzips in der EU führt außerdem zu einer Vermeidung der Doppelbesteuerung von Dienstleistungen. Dieses Ziel ist ausdrücklich in der MwSt-SystRL genannt.18 Insgesamt ist eine Beibehaltung des Bestimmungslandprinzips daher aus dogmatischen und steuerpolitischen Gesichtspunkten notwendig. Im nächsten Kapitel werden Potenziale zu alternativen Erhebungsmechanismen vorgestellt und ein eigenes Modell entwickelt, damit unabhängig von Ermittlungen durch Finanzverwaltungen der Vollzug in der Mehrwertsteuer im Online-E-Commerce gewährleistet werden kann. 11

Fuhrmann, Umsatzsteuern im elektronischen Handel (2012) 13. OECD, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce – A Report from Working party No. 9 on Consumption Taxes to the Committee of Fiscal Affairs (2001) 17, 18. 13 OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) 30 ff., 35 ff. 14 Siehe oben: Zweites Kapitel F. Ergebnis zweites Kapitel; Drittes Kapitel E. Ergebnis drittes Kapitel. 15 Mit einer Übersicht der wesentlichen Punkte des Neutralitätsprinzips: OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 26 ff. 16 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 21. 17 Weidmann, EC Tax Review 2015, 105 (106). 18 Korn, IStR 2018, 643 (644); RL 2006/112/EG ABl L 2006/347, 1, Erwägungsgründe 61, 62. 12

C. Alternative Modelle der Mehrwertsteuererhebung im E-Commerce 

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C. Alternative Modelle der Mehrwertsteuererhebung im E-Commerce Im Jahr 2019 empfahl der Europäische Rechnungshof der EU-Kommission im Rahmen eines Sonderberichts zur Bekämpfung der Abgabenhinterziehung im E-Commerce neue „… technologiebasierte Systeme …“ zur Erhebung auszuloten.19 Bereits im Jahr 2000 wurden neue Mehrwertsteuererhebungsmodelle im ­ -Commerce von der OECD durch die Technical Advisory Group (TAG) diskuE tiert. Es wurden vier Optionen zur Erhebung von Steuern bei grenzüberschreitenden Verkäufen eingehender erläutert.20 Die Option eines vertrauenswürdigen Dritten (Trusted third party) zur Erhebung von Steuern schloss auch Finanzinstitute mit ein. Dieser Option, unter Einbeziehung von Finanzinstituten, wurde eine Absage erteilt. Finanzinstitute verfügten nicht über geeignete Informationen zur Erhebung von Steuern. Auch der Austausch von Kundeninformationen würde zu ernsthaften Problemen im Zusammenhang mit Sicherheit, Betrug und der Privatsphäre führen.21 In den Folgejahren favorisierte die OECD bei der grenzüberschreitenden Mehrwertsteuererhebung gebietsfremder Anbieter einen registrierungs­basierten Erhebungsmechanismus mit einem vereinfachten Verfahren zur Registrierung und Erfüllung von Auflagen.22 Damit der Vollzug und die Erhebung der Mehrwertsteuer sichergestellt werden kann, empfiehlt die OECD eine verstärkte internationale Amtshilfe zur Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Identifizierung des leistenden Unternehmers.23 Dieses Modell eines vereinfachten registrierungsbasierten Erhebungsmechanismus wurde im Jahr 2017 von der OECD erneut bekräftigt.24 In der Literatur sprachen sich im Jahr 2018 Azam / Mazur für eine Verlagerung der Mehrwertsteuerpflicht vom leistenden Unternehmer auf Zahlungsdienstleister (Banken, Kreditkartenunternehmen oder andere Zahlungsinstitute) aus. Zahlungsdienstleister sind effektive Intermediäre zur Erhebung der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Diese sind Teil fast jeder digitalen Transaktion. Auch verfügen diese Intermediäre bereits über geeignete Informationen aufgrund des regulären Geschäftsbetriebs zur Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer. Der leistende Unternehmer übermittelt nach Abschluss der Leistung Informationen und eine Anfrage an Zahlungsdienstleister die Mehrwertsteuer von der Gesamtzahlung einzubehalten. Anschließend führt der Zahlungsdienstleister die Mehrwertsteuer an die jeweilige Finanzverwaltung ab.25 19

Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht – Elektronischer Handel 54. OECD, Report by the Technology Technical Advisory Group (TAG) (2000) 7 f., 14 f. 21 OECD, Report by the Technology Technical Advisory Group (TAG) (2000) 17 ff. 22 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 96. 23 OECD, Internationale Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung (2017) 103. 24 OECD, Mechanisms for the Effective Collection of VAT / GST – Where the supplier is not located in the jurisdiction of taxation (2017) 40 ff. 25 Azam / Mazur, FTR 2018, No. 411 (55 ff.). 20

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Der stärkere Einbezug von Zahlungsdienstleistern zur Erhebung der Mehrwertsteuer wird auch von Lamensch befürwortet. Ihre Vorschläge konzentrieren sich stärker auf ein Erhebungsmodell im Online-E-Commerce.26 Bereits zur Einführung des MOSS wurde von Lamensch die Ansicht geäußert, dass der leistende Unternehmer im Fall digitaler Dienstleistungen nicht der beste Mehrwertsteuerpflichtige ist, um die Mehrwertsteuer effektiv zu erheben.27 In diesem Zusammenhang wird eine teilweise oder vollständige Verlagerung der Mehrwertsteuerpflicht auf Zahlungsdienstleister oder Banken gefordert.28 Kernelement eines Vorschlages ist es eine Software in das Bankzahlungssystem zu integrieren, die relevante Informationen zur Transaktion erfasst und die korrekte Mehrwertsteuer berechnet. Die Mehrwertsteuer soll anschließend entweder bei Banken oder leistenden Unternehmern gesammelt werden und von Banken, leistenden Unternehmern oder zertifizierten Dritten an die Finanzverwaltungen übermittelt werden.29 Das von der OECD propagierte vereinfachte registrierungsbasierte Erhebungsmodell hat sich im MOSS bei digitalen Dienstleistungen verwirklicht. Wie im zweiten und dritten Kapitel verdeutlicht,30 gelangt dieser Erhebungsmechanismus und die Ermittlungskapazitäten der Finanzverwaltungen im Online-E-Commerce beim Vollzug an ihre Grenzen, wodurch eine vollständige Erhebung der Mehrwertsteuer nicht sichergestellt werden kann. Wie Lamensch und Azam / Mazur oben erläutert haben, können neue Erhebungsmodelle, welche die Zahlungsdienstleister in den Mittelpunkt stellen, eine Mehrwertsteuererhebung im E-Commerce sicherstellen.

D. Split-Payment I. Grundlagen 1. Allgemeines Für die Entwicklung alternativer Mehrwertsteuererhebungsmodelle im E-Commerce ist es wichtig von anderen Erhebungsmechanismen und Theorien zu lernen und auf internationalen sowie europäischen Erfahrungen aufzubauen. Neue Mehrwertsteuererhebungsmodelle zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung mit einem stärkeren Fokus auf Zahlungsdienstleister werden nicht nur für den ­E-Commerce seit mehreren Jahren diskutiert. Weitere Erhebungsmechanismen, die zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung diskutiert werden, sind unter anderem das Reverse-Charge-Verfahren 26

Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 279 ff. Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 279. 28 Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 281. 29 Lamensch, European Value Added Tax in the Digital Era 281 ff. 30 Siehe oben: Zweites Kapitel E. IV. 4. Würdigung des Auditing; Drittes Kapitel E. Ergebnis drittes Kapitel. 27

D. Split-Payment

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und das Split-Payment-Verfahren. Das Reverse-Charge-Verfahren ist nur in B2BSituationen anwendbar, außerdem hilft es nicht gegen die Unterdeklarierung der Mehrwertsteuer oder fehlender Zahlung der Mehrwertsteuer.31 Aus diesem Grund ist das Reverse-Charge-Verfahren bei grenzüberschreitenden B2C-Situationen mit digitalen Dienstleistungen und gebietsfremden Anbietern nicht zweckmäßig. Die nachfolgenden Ausführungen zur Ermittlung geeigneter alternativer Erhebungsmodelle für digitale Dienstleistungen konzentrieren sich deshalb auf das Split-Payment-Verfahren. Es gibt viele unterschiedliche Modelle eines Split-Payment und eine große Bandbreite von möglichen technischen Umsetzungen. Abhängig vom Modell nehmen Zahlungsdienstleister eine zentrale Rolle ein.32 Der Definition von Brettschneider folgend kann Split-Payment „… sowohl an die Zahlung eines Geldbetrages seitens des Kunden als auch an den Erhalt des Geldbetrages seitens des Verkäufers anknüpfen, und die Umsatzsteuer kann damit entweder bei Zahlung oder Geldeingang gesplittet werden. Die einzubehaltende Umsatzsteuer würde von Banken bzw. Zahlungsdienstleistern berechnet werden.“33 Unabhängig von dem konkreten Modell ist daher die grobe Gemeinsamkeit aller Split-Payment-Modelle, dass beim Zahlvorgang die Mehrwertsteuer direkt / indirekt an die Finanzverwaltungen gezahlt wird.34 Auf OECD-Ebene wurde trotz der Favorisierung eines registrierungsbasierten Erhebungsmechanismus im E-Commerce der Split-Payment-Mechanismus nicht vollständig abgelehnt. Im Jahr 2017 waren Split-Payment-Modelle Thema im vierten Treffen des Global Forum on VAT.35 Im Jahr 2019 wurden auf dem fünften Treffen des Global Forum on VAT erneut alternative Erhebungsmechanismen mit einem Augenmerk auf Split-Payment behandelt.36

31

Prätzler, IVM 2018, 66 (66, 67). Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report – Executive Summary (2017) 4. 33 Brettschneider, Steueroase E-Commerce und ihre Austrocknung – Herausforderung für die EU, die EU-Mitgliedstaaten und Overseas-Händler (Mit Praxishinweis für Overseas-Händler) (2018) 180. 34 In diesem Sinne: Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 25. 35 OECD, Fourth Meeting of the OECD Global Forum on VAT Paris, 12–14 April 2017 Draft Agenda, http://www.oecd.org/tax/consumption/agenda-fourth-global-forum-vat.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 36 OECD, Fifth Meeting of the Global Forum on VAT 20–22 March 2019 Melbourne Australia, http://www.oecd.org/tax/consumption/agenda-fifth-global-forum-on-vat.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 32

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

2. Diskussion auf EU-Ebene a) Entwicklung ab 2010 Auf europäischer Ebene wurde zur Verbesserung der bisherigen ex post Mehrwertsteuererhebung durch die Finanzverwaltungen bereits im Jahr 2010 eine Studie in der EU durchgeführt, in der verschiedene neue Mehrwertsteuererhebungs­modelle diskutiert wurden.37 Im Allgemeinen wurden in der Studie Zahlungsdienstleister stärker in den Mittelpunkt gestellt und Optionen diskutiert, die unter anderem auf einem Split-Payment-Verfahren aufbauen. Einem Split-Payment-Modell beispielhaft folgend, sollte der Käufer die jeweilige Mehrwertsteuer auf ein gesperrtes Mehrwertsteuerbankkonto einzahlen. Dadurch wäre bereits in einem frühen Stadium der Mehrwertsteuererhebung die Mehrwertsteuer tatsächlich vorhanden und der potenziell steuerunehrliche Unternehmer könnte nicht verschwinden, ohne dass die Mehrwertsteuerpflicht beglichen wurde.38 Die Studie verwies allerdings auch auf erhebliche Investitionskosten.39 Es wurden insgesamt fünf Split-Payment-Modelle diskutiert, die von automatischen bis zu manuellen Split-Payment-Erhebungsmechanismen reichen.40 Als politische Empfehlung schlug die Studie eine Kombination von Modellen vor, mit der in Echtzeit-Transaktionen überwacht werden können (limited data warehouse model) und eine Möglichkeit besteht, Zahlungen für Transaktionen zu sperren (split payment model).41 Die Debatte über neue Erhebungsmodelle wurde im Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer der EU-Kommission aus dem Jahr 2010 belebt. Im Grünbuch wurde das Split-Payment-Modell als potenziell neues Mehrwertsteuererhebungsmodell erwähnt. Als Vorteile wurde die Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung in der EU, insbesondere des Karussellbetrugs genannt. Demgegenüber wurden die hohen Anfangsinvestitionen als Nachteil dargestellt.42 Trotz negativer Reaktionen von Unternehmen entschied die EU-Kommission, dass die Durchführbarkeit des Split-Payment-Modells weiter mit den Mitgliedstaaten geprüft wird.43 Als Folge, der seit dem Jahr 2015 geltenden Regelungen im B2C-Bereich bei grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistungen, wurde von der EU-Kommission ein Maßnahmenpaket im Jahr 2016 zur Modernisierung des grenzüberschreitenden B2C-Handels vorgeschlagen.44 Ziel war es mit diesem Maßnahmenpaket unter anderem eine effektive Besteuerung der digitalen Wirtschaft sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wurde als Option das Split-Payment-Verfahren verworfen. 37

PWC, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 19. PWC, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 11. 39 PWC, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 243, 244. 40 PWC, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 8, 23 ff. 41 PWC, KOM – Order no TAXUD/2009/AO-05, 250, 251. 42 EU-Kommission, KOM 2010, 695 endgültig, 22 ff. 43 Lejeune / Daou / De Maeijer, The European Commission’s Communication on the Future of VAT: A Recipe for Growth?, IVM 2012, 99 (103). 44 EU-Kommission, SWD 2016, 379 final, 7. 38

D. Split-Payment

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Konkret wurde für Banken, Kreditkartenanbieter oder andere Zahlungsdienstleister eine Pflicht zur Erhebung der anfallenden Mehrwertsteuer und Abführung an die jeweilige Finanzverwaltung vorgeschlagen. Als entscheidende Gründe wurden mangelnde zur Verfügung stehende Informationen zur Durchführung der Mehrwertsteuererhebung durch Banken, die eingeschränkte Rolle von Zahlungsdienstleistern in der Zahlungsabwicklung sowie Probleme mit der damals in Kraft befindlichen Zahlungsdiensterichtlinie 2007/64/EG45 identifiziert.46 b) Deloitte Split-Payment-Studie Dennoch wurde in der EU das Modell eines Split-Payment nicht vollständig verworfen. Im Auftrag der EU-Kommission wurde im Dezember 2017 eine neue Studie zum Split-Payment-Mechanismus als alternative Mehrwertsteuererhebungsmethode publiziert.47 In dieser Studie wurden viele verschiedene Varianten der Mehrwertsteuererhebung durch Split-Payment thematisiert. Dabei wurden der aktuelle und zukünftige rechtliche Rahmen in der EU, die in Frage kommenden Transaktionen, potenzielle Pflichten der beteiligten Parteien sowie tatsächliche und finanzielle Auswirkungen auf Stakeholder berücksichtigt. Im Ergebnis lehnte die Studie das Split-Payment-Modell aufgrund der Kosten ab, welche den Nutzen überwiegen würden.48 Die unterschiedlichen Modelle könnten potenziell die europaweite Mehrwertsteuerhinterziehung um 27 % bis zu 56 % reduzieren.49 Demgegenüber würden damit zusammenhängende Verwaltungskosten für die Mehrwertsteuerpflichtigen um ca. 70 % erhöht werden.50 Aber auch die Finanzverwaltungen würden deutlich veränderte Aufgaben wahrnehmen müssen. Obwohl die Studie im Ergebnis die Einführung eines Split-Payment ablehnte, wurde die starke Wirkung zur Verringerung der Mehrwertsteuerhinterziehung im Bereich des Karussellbetrugs oder der Nichtdeklarierung unterstrichen. Die größte Effektivität kann das Split-Payment-Verfahren in einem begrenzten Anwendungsbereich bei bestimmten Formen der Mehrwertsteuerhinterziehung bzw. bei der Mehrwertsteuerhinterziehung in einer bestimmten Branche entfalten.51 45

RL 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinie 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/ 60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 2007/319, 1. 46 EU-Kommission, SWD 2016, 379 final, 22, 26. 47 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017). 48 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 1, 2. 49 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report – Executive Summary (2017) 6. 50 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 172. 51 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report – Executive Summary (2017) 7, 9.

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Die letzte Ablehnung eines Split-Payment-Mechanismus auf EU-Ebene fand in einem Impact Assessment zum Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung zusätzlicher Anforderungen für Zahlungsdienstleister52 statt. Die Einführung eines Split-Payment wurde mit dem Verweis auf zu hohe Kosten und nicht zur Verfügung stehender Informationen für Zahlungsdienstleister zur korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer abgelehnt.53 3. Diskussion in der Literatur In Anknüpfung an das Split-Payment-Verfahren entstanden auch in der Literatur mehrere technische Modelle zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung. Insbesondere Ainsworth vertrat mit seinem Modell einer Echtzeit-Mehrwertsteuererhebung (real-time VAT collection, im Folgenden als RTvat bezeichnet) einen sehr ähnlichen Ansatz zu den im Jahr 2010 vorgeschlagenen Split-Payment-Modellen einer automatischen Erhebung der Mehrwertsteuer auf Ebene der Zahlungsdienstleister.54 Mit dem Unterschied, dass in seinem Modell die Erhebung bei der Konsumentenbank (die Bank, welche die Überweisung an den leistenden Unternehmer ausführt) erfolgen sollte. Im Gegensatz zum Reverse-Charge-Mechanismus erfolgt im RTvat eine Quellenerhebung der Mehrwertsteuer. Der Vorschlag konzentriert sich daher auf die tatsächliche Erhebung der Mehrwertsteuer.55 Der Ansatz von Ainsworth baut auf dem Vorschlag von Jennings auf.56 In Jennings Modell erfolgt keine monatliche bzw. quartalsmäßige Erhebung der Mehrwertsteuer, sondern bei jeder Transaktion wird die jeweilige Mehrwertsteuer im Zahlungsausgleich (Settlement) eingesammelt.57 Ainsworth sieht neben der Bekämpfung des Karussellbetrugs, den Anwendungsbereich der RTvat in der Unterdeklarierung von Umsätzen, unabhängig von B2B- oder B2C-Situationen. Wenn Finanzverwaltungen die Waren- und Dienstleistungsströme nicht erfolgreich überwachen können, sollten Finanzverwaltungen sich auf Elemente ausrichten, die überwacht werden können. In diesem Fall Zahlungen, welche über vertrauenswürdige Dritte erfolgen.58 Williams wendet ein, dass eine Mehrwertsteuererhebung auf Ebene der Zahlungsdienstleister umfangreiche Informationen von allen beteiligten Parteien erfordert und deshalb der Sicherheitsstandard zum Schutz der Daten hoch sein muss. Ferner werden Barzahlungen nicht erfasst, wodurch nach wie vor Möglichkeiten bestehen Mehrwertsteuern zu hinterziehen.59 Dagegen wird eingewendet, dass das zukünf 52

EU-Kommission, KOM (2018) 812 final 12. 12. 2018. EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 31. 54 Alternativen 1–3 wurden in diesem Zusammenhang thematisiert: PWC, KOM – Order no. TAXUD/2009/AO-05, 8, 27 ff., 32 ff., 37 ff. 55 Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 5. 56 Ainsworth, Technology Can Solve MTIC Fraud – VLN, RTvat, D-VAT certification, IVM 2011, 153 (157). 57 Jennings, The EU VAT System – Time for a New Approach?, IVM 2010, 257 (257). 58 Ainsworth, Technology Can Solve MTIC Fraud – 3 and Final, IVM 2011, 232 (232). 59 Williams, Technology Can Solve MTIC Fraud – 2, IVM 2011, 230 (230–232). 53

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tige Mehrwertsteuersystem mit RTvat Anreize schaffen müsste, dass Barzahlungen im Alltag zurückgedrängt werden. Außerdem sei kein System fehlerfrei / lückenlos und es würden immer Möglichkeiten zur Hinterziehung der Mehrwertsteuer im System bestehen. Dennoch würde das RTvat zu einer signifikanten Senkung der hinterzogenen Mehrwertsteuer führen sowie Ansatzpunkte für Ermittlungen im Bereich der direkten Steuern liefern.60 Zur besseren Verortung der Effektivität und Gestaltung eines Split-Payment-Verfahrens werden Umsetzungsbeispiele stärker beleuchtet. Zu diesem Zweck werden existierende europäische Split-Payment-Verfahren in Polen und in Italien näher erläutert.61 Außerdem wird auf die Diskussion im Vereinigten Königreich eingegangen, ob für den E-Commerce ein Split-Payment zur Erhebung der Mehrwertsteuer hilfreich wäre.62

II. Split-Payment-Verfahren in der EU 1. Split-Payment in Italien Als ältestes noch verwendetes Umsetzungsbeispiel in der EU trat das italienische Split-Payment zum 1. 1. 2015 in Kraft.63 Zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sah es die Einführung des Split-Payment von Anfang 2015 bis Ende 2017 für öffentliche Körperschaften vor.64 Für mehrwertsteuerpflichtige Lieferungen oder Dienstleistungen an öffentliche Körperschaften werden die Zahlungen durch die zahlende öffentliche Körperschaft aufgeteilt. Der leistende Unternehmer erhält den Nettobetrag und die angefallene Mehrwertsteuer wird auf ein gesperrtes Mehrwertsteuerkonto des Finanzministeriums eingezahlt.65 Das Split-Payment wurde bis 30. 6. 2020 verlängert und der Anwendungsbereich auf Unternehmen, die von zentralen und lokalen Behörden kontrolliert werden sowie auf eine Reihe von Unternehmen, die an der Börse notiert sind, ausgedehnt.66 Um Cashflow-Probleme für Unternehmer abzumildern, werden Bestimmungen angepasst, die eine einfachere Auszahlung der Vorsteuer ermöglichen.67 Die zusätzlichen Mehrwert 60

Ainsworth, IVM 2011, 232 (232, 233). Prätzler, IVM 2018, 66 (67, 68). 62 HMRC, Alternative method of VAT collection – split payment – Summary of Responses 7. 11. 2018; HMRC, Alternative method of VAT collection – split payment – Consultation document 13. 3. 2018. 63 Mit dem Gesetz 23/12/2014, no. 190 („Stabilitätsgesetz“ oder 190/2014). 64 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1401 des Rates vom 14. Juli 2015 zur Ermächtigung Italiens, eine von den Artikeln 206 und 226 der Richtlinie 2005/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung einzuführen, ABl. L 2015/217, 7. 65 Ministero dell’Economia e delle Finanze, 2014: A turning point for Italy – Structural reforms in Italy since september 2014, (2015), 31. 66 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/784 des Rates vom 25. April 2017 zur Ermächtigung der Italienischen Republik, eine von Artikel 206 und 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sonderregelung anzuwenden, und zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/1401, ABl. L 2017/118, 17. 67 La Grutta, Split-Payment Mechanism for Public Bodies, IVM 2015, 94 (94). 61

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

steuereinnahmen, die seit Einführung dem Split-Payment zugeschrieben werden können, beliefen sich im Jahr 2015 auf 2.500 Mio. EUR und im Jahr 2016 auf 1.000 Mio. EUR.68 Auf Unternehmerseite hat die Einführung des Split-Payment zu einmaligen Kosten geführt, die für kleinere Unternehmen von 1.200 EUR und bei großen Unternehmen bis zu 15.000/20.000 EUR reichen.69 Da zwei Zahlungen von den öffentlichen Körperschaften buchhalterisch erfasst und getätigt werden müssen, sind der Arbeitsaufwand sowie die Bankgebühren gestiegen. Abhängig vom Unternehmen haben sich Cashflow-Nachteile eingestellt, unter denen bestimmte Branchen stärker leiden als andere.70 2. Split-Payment in Polen Zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung und um stabile Mehrwertsteuereinnahmen zu gewährleisten, beschloss Polen im Jahr 2017 die Einführung eines Split-Payment-Mechanismus zum 1. 7. 2018.71 Split-Payment ist auf B2BTransaktionen für Lieferungen und Dienstleistungen anwendbar, die per elektronischer Banküberweisung beglichen werden.72 Banken eröffnen blockierte Mehrwertsteuerbankkonten, auf die der kaufende Unternehmer die angefallene Mehrwertsteuer einzahlt. Sobald der Käufer sich für das Split-Payment entscheidet, genießt er verschiedene Vorteile im polnischen Mehrwertsteuersystem. Der Käufer trifft die Entscheidung, ob das Split-Payment-Verfahren angewendet wird.73 Der Mechanismus wird nur auf Wirtschaftssektoren mit bestimmten Waren und Dienstleistungen angewendet, die besonders hinterziehungsanfällig sind.74 Das Split-Payment gilt nur für Zahlungen die in polnischer Währung abgewickelt werden.75 Die EU hat gemäß Art. 395 Abs. 1 MwSt-SystRL die Maßnahme Polens bis zum 28. 2. 2022 erlaubt.76 68

Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 35, 36. 69 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 33. 70 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 37, 38. 71 Sinngemäße Übersetzung: Gesetz vom 15. 12. 2017 zur Annahme des Mehrwertsteuergesetzes sowie einiger anderer Gesetze (Gesetzesblatt 2018, Punkt 62). 72 Mitran, European Trends in Split VAT, Internal Auditing & Risk Management 2017 Vol. 48 No. 4, 43 (47). 73 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 40. 74 Sarnowski / Selera, Reducing the VAT Gap – Polish Experience and Legislative Measures Introduced in Years 2016–2018, IVM 2019, 121 (125). 75 Uchmańska, Split Opinions about the Split-Payment Mechanism? A Discussion of the Polish Example, IVM 2019 Vol. 30 No. 2, Punkt: 1. Introduction; 3. SPM Amendments. 76 Durchführungsbeschluss (EU) 2019/310 des Rates vom 18. Februar 2019 zur Ermächtigung Polens, eine von Artikel 226 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme einzuführen, ABl. L 2019/51, 19.

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Das Split-Payment-Verfahren soll zukünftig verpflichtend angewendet werden. Außerdem sollen auch nichtansässige Unternehmer in Polen, sofern diese ein Bankkonto bei einer polnischen Bank unterhalten, von der Regelung erfasst werden.77 Für Uchmańska ergibt sich ein gemischtes Bild bei der Evaluierung des Split-Payment in Polen. Auf der einen Seite wurde seit Einführung des Mechanismus weniger Mehrwertsteuer hinterzogen, obwohl sie dieses Ergebnis nicht allein auf das Split-Payment zurückführen kann. Demgegenüber stehen Anwendungsprobleme, ob eine Transaktion wirklich unter eine der im Katalog aufgeführten Waren oder Dienstleistungen fällt, was zu Rechtsunsicherheit führt. Insgesamt ist es schwierig eine abschließende Bewertung vorzunehmen, da der Mechanismus noch zu nicht lange vorhanden ist und voraussichtliche Änderungen abgewartet werden müssen.78 3. Diskussion im Vereinigten Königreich Im Vereinigten Königreich begann im März 2017 eine öffentliche Diskussion zur Einführung eines Split-Payment-Verfahrens. Die Diskussion konzentrierte sich auf effektivere Mehrwertsteuererhebungsmechanismen für den E-Commerce, speziell um die Fulfillmentproblematik mit Überseehändlern im Offline-E-Commerce besser bekämpfen zu können.79 Die Finanzverwaltung schätzt, dass zwischen 2015 und 2016 1.000 bis 1.500 Mio. GBP durch Mehrwertsteuerhinterziehung im ECommerce verloren gegangen sind.80 Ein Split-Payment-Verfahren wurde bisher nicht eingeführt. Ziel war es Zahlungsdienstleister zur Erhebung der korrekten Mehrwertsteuer zu verpflichten. Die Diskussion zielte auf B2C-Situationen und vernachlässigte die sonst bei Split-Payment dominante Fokussierung auf B2B-­ Situationen.81 Im Ergebnis nahm das Vereinigte Königreich Abstand von einer kurz- bis mittelfristigen Umsetzung eines Split-Payment-Verfahrens. Allerdings werden die Stärken eines Split-Payment im E-Commerce herausgestrichen und es wird die Absicht geäußert, dass weitere Analysen notwendig sind, um eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Die Finanzverwaltung geht auch auf die Split-Payment-Studie aus dem Jahr 2017 von Deloitte82 ein. Es wird darauf verwiesen, dass die Studie nur teilweise auf das vorgeschlagene Modell anwendbar sei und die Finanzverwaltung überzeugt ist, dass ein Split-Payment in Echtzeit

77

Sarnowski / Selera, IVM 2019, 121 (125). Uchmańska, IVM 2019 Vol. 30 No. 2, Punkt: 5. The SPM in Practice; 6. Conclusion. 79 HMRC, Alternative method of VAT collection  – split payment  – Call for evidence 20. 3. 2017, 3, 4. 80 HMRC, Alternative method of VAT collection – split payment – Consultation document 13. 3. 2018, 3. 81 Prätzler, IVM 2018, 66 (68). 82 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017). 78

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

helfen könnte im grenzüberschreitenden E-Commerce die Mehrwertsteuerhinterziehung zu bekämpfen und die Erhebung zu revolutionieren.83

III. Bewertung der Umsetzungsbeispiele In einer abschließenden Zusammenfassung der Diskussionsansätze und Umsetzungsbeispiele des Split-Payment-Verfahrens lassen sich zwei wesentliche Fragestellungen herausstreichen: Wer erhebt die Mehrwertsteuer und welche Transaktionen werden erfasst? Die meisten Split-Payment-Verfahren konzentrieren sich auf B2B-Situationen. Ausgehend vom Modell des Vereinigten Königreichs sind aber auch Split-Payment-Modelle denkbar, die sich auf B2C-Situationen beziehen können. In diesem Zusammenhang wird die Meinung der britischen Finanzverwaltung herausgestrichen, die Split-Payment insbesondere für den E-Commerce als geeignet ansieht.84 Ausgehend vom Zahlungsvorgang kann die Aufteilung der Gesamtzahlung durch einen Intermediär im Zahlungsprozess (Banken, Zahlungsdienstleister, Versicherungen, Kreditkartenunternehmen) oder durch die Aufteilung der Zahlung durch den Kunden selbst (Unternehmen, öffentliche Körperschaften, etc.) erfolgen. Bei der Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Entwurf des DEMDI-Modells in B2C-Situationen ist von einer Erhebung der Mehrwertsteuer mittels einer Aufteilung der Zahlung durch den Verbraucher als Kunden abzuraten. In den oben genannten Beispielen haben entweder Unternehmer oder öffentliche Körperschaften die getrennten Zahlungen vorgenommen. Diese Kunden unterliegen gesetzlichen Pflichten und stehen einer Überprüfung der korrekten Aufteilung durch die Finanzverwaltungen grundsätzlich zur Verfügung. Dies ist beim Verbraucher nicht der Fall. Es ist schwer vorstellbar, dass im schnelllebigen Online-E-Commerce mit dem Ziel einer hohen Konversionsrate, Verbraucher zwei getrennte Überweisungen tätigen, geschweige denn, dass der Verbraucher über Kreditkartenzahlungen oder Lastschriftverfahren keine getrennten Zahlungen manuell vornehmen kann. Ebenfalls wird der Verbraucher schlicht kein Interesse haben zwei getrennte Zahlungen vorzunehmen. Die Maßnahme wäre unverhältnismäßig und würde voraussichtlich die Geschäftsfähigkeit des Online-E-Commerce stark einschränken. Daher muss es das Ziel sein die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer über die Einbindung von Intermediären (Zahlungsdienstleister, etc.) in ein Erhebungsmodell sicherzustellen. Eine wirksame Erhebung über Intermediäre kann nur bei elektronischen Überweisungen vorgenommen werden, dies bestätigt sich in den vorliegenden automatischen Split-Payment-Modellen, die alle auf elektronische Überweisungen ausgerichtet sind und in Echtzeit eine Erhebung vornehmen. Eine Ausdehnung des Split-Payment auf Vorsteuern und einer auto-

83 HMRC, Alternative method of VAT collection – split payment – Summary of Responses 7. 11. 2018, 18, 19. 84 Siehe dazu: Viertes Kapitel D. II. 3. Diskussion im Vereinigten Königreich.

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matischen Verrechnung, wie es Ainsworth in seinem RTvat Modell entwirft,85 ist für B2C-Transaktionen nicht zwingend notwendig, da der zahlende Verbraucher nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Für den leistenden Unternehmer könnte dies allerdings zu Cashflow-Nachteilen führen. Umsatz- oder Transaktionsschwellenwerte, weitreichende Ausnahmebestimmungen sowie die freiwillige Teilnahme am Split-Payment-Verfahren, etc. sind abzulehnen. Diese Annahme wird von den Erfahrungen Bulgariens mit dem Split-Payment-Verfahren abgeleitet. In den Jahren 2003 bis 2007 wurde in Bulgarien ein Split-Payment verwendet.86 Die Erfahrungen waren nicht zufriedenstellend, da das System nach wie vor Hinterziehungsmöglichkeiten durch andere Hinterziehungsformen ermöglichte.87 Pashev führt dies unter anderem auf das Ausnutzen von rechtlichen Ausnahmetatbeständen sowie Schwellenwerten zurück. Zusätzlich betont er in bargeldintensiven Wirtschaften die Notwendigkeit neben dem Split-Payment-Verfahren Prüfungen durchzuführen.88 Da Zahlungen im Online-E-Commerce ausschließlich digital abgewickelt wird, besteht hierfür keine Notwendigkeit.

IV. Technische Umsetzung und Probleme eines Split-Payment-Verfahrens 1. Problemdarstellung Die Mehrwertsteuer ist nicht an das moderne Zahlungssystem angepasst. Im modernen Handel werden Geschäfte in Minuten abgewickelt, die Mehrwertsteuererhebung und der Ausgleich mit der Vorsteuer erfolgen nicht mit der gleichen Geschwindigkeit oder mit derselben Effizienz.89 Für die Einführung eines automatischen Split-Payment-Verfahrens ist eine Übermittlung von Informationen an den mehrwertsteuererhebenden Zahlungsdienstleister zwingend notwendig. Dies ist nur ein Beispiel für Herausforderungen, mit denen sich ein Split-Payment-Verfahren vor Einführung auseinandersetzen muss. Das nachfolgende Kapitel gibt eine Übersicht über Probleme, die sich bei einem Split-Payment-Verfahren ergeben und die auch in den Darstellungen eines neuen automatisierten Erhebungsmechanismus für den Online-E-Commerce berücksichtigt werden müssen.

85

Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 7. Mitran, Internal Auditing & Risk Management 2017 Vol. 48 No. 4, 43 (46). 87 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 23. 88 Pashev, Countering cross-border VAT fraud: the Bulgarian experience, Journal of Financial Crime 2007, 490 (491 ff., 500). 89 In diesem Sinne: Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 7. 86

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

2. Technische Anforderungen und Problemstellungen Bei einer Echtzeit-Erhebung der Mehrwertsteuer durch zwischengeschaltete Intermediäre ist eine Verknüpfung mit mehrwertsteuerrelevanten Informationen und elektronischen Zahlungssystemen notwendig. Bei digitalen Dienstleistungen setzt dies voraus, dass Zahlungsdienstleister als zwischengeschaltete Intermediäre über korrekte Informationen zur Erhebung der Mehrwertsteuer verfügen. Der Zahlungsdienstleister muss erkennen können, welche Transaktionen einen mehrwertsteuerrelevanten Sachverhalt auslösen, zusätzlich zu weiteren Informationen i. S. d. Bestimmungslandprinzips.90 Im Jahr 2018 war die EU-Kommission der Ansicht, dass das technische Sammeln von mehrwertsteuerrelevanten Informationen durch Zahlungsdienstleister zur Durchführung der Mehrwertsteuererhebung sehr aufwendig ist.91 Bei der Ermittlung der notwendigen Informationen muss nicht zwingend der erhebende Zahlungsdienstleister eine aktive Rolle einnehmen. In Ecuador ist der leistende Unternehmer bei Kartenzahlungen verpflichtet auf allen Rechnungen und Preisen die Mehrwertsteuer auszuweisen, wodurch Zahlungsdienstleister passiv die Mehrwertsteuer aufgrund der vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Informationen einziehen.92 Dieser Ansatz einer Verlagerung der Informationsverschaffung auf den leistenden Unternehmer an den Zahlungsdienstleister ist auch auf den DEMDI-Ansatz zu übertragen. Ainsworth wirft zu Recht die Frage auf, wie die Authentizität der zur Verfügung gestellten Informationen bei einer Erhebung in Echtzeit durch Zahlungsdienstleister sichergestellt werden kann. Hacker könnten Attacken auf den Datentransfer ausführen und die Erhebung der Mehrwertsteuer an der Schnittstelle der Intermediäre manipulieren. Es steht auch die Frage im Raum, welche Daten erhoben werden müssen, damit eine Echtzeit-Erhebung durch die notwendigen Informationen vorgenommen werden kann und gleichzeitig der Datenschutz der übermittelten Daten gewährleistet ist.93 Übertragen auf den Online-E-Commerce in B2C-Situationen würde dies besonders rechtlich geschützte Daten von Verbrauchern betreffen. Im Modell von Azam / Mazur soll die Übermittlung von erhebungsrelevanten Informationen über das Versenden der Rechnung an den Intermediär durch den leistenden Unternehmer erfolgen. Wie im Modell beschrieben muss im Erhebungsprozess eine zweite Verifizierung der übermittelten Informationen gewährleistet sein, in deren Modell erfolgt dies durch ein elektronisches Zertifikat.94 Der Vorschlag basiert auf einem OECD-SAF-T-Standard zur Übermittlung von steuerrelevanten 90

Brettschneider, Steueroase E-Commerce und ihre Austrocknung – Herausforderung für die EU, die EU-Mitgliedstaaten und Overseas-Händler (Mit Praxishinweis für Overseas-Händler) (2018) 180. 91 EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 31. 92 Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 10. 93 Ainsworth / Madzharova, Real-time Collection of the Value-added Tax: Some Business and Legal Implications, Boston University School of Law Working Paper No. 12-51, 18, 19 f. 94 Azam / Mazur, FTR 2018, No. 411 (56).

D. Split-Payment

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Daten, der mittels Blockchain-Technologie transferiert wird. Grundsätzlich ist diese Art der zertifizierten Informationsübermittlung bereits in den Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrats vorgesehen.95 Das Modell eines zukünftigen DEMDI-Systems muss die Authentizität der übermittelten Daten gewährleisten. 3. Lösungsansätze Alle in der EU existenten Split-Payment-Modelle weisen ein getrenntes Mehrwertsteuerkonto auf, das für den normalen Zugriff des Steuerpflichtigen blockiert ist. Auf dieses Mehrwertsteuerkonto wird die erhobene Mehrwertsteuer eingezahlt. Wie oben dargestellt kann bei Verbrauchern als Käufer nicht davon ausgegangen werden, dass auf das Mehrwertsteuerkonto getrennt eingezahlt wird.96 Dies bedeutet, dass der Intermediär verpflichtet bzw. gezwungen werden muss, zwei getrennte Zahlungen vorzunehmen (manuell oder automatisch). Darüber hinaus treten bei einen blockierten Mehrwertsteuerkonto Cashflow-Nachteile für den leistenden Unternehmer, insbesondere für Unternehmen mit dünner Gewinnmarge, in Krisenzeiten, etc., hinzu.97 Als Lösungsansatz ist denkbar, dass auch die Vorsteuer des leistenden Unternehmers über das blockierte Mehrwertsteuerkonto verrechnet wird, so wie es im RTvat-Modell der Fall ist.98 Wird ein Split-PaymentVerfahren allerdings nur auf einen begrenzten Wirtschaftsbereich angewendet und nicht vollständig auf das gesamte Wirtschaftssystem, so kann eine simultane Verrechnung auf einem Mehrwertsteuerkonto mit der erhobenen Mehrwertsteuer und der Vorsteuer nicht gewährleistet werden, um Cashflow-Nachteile zu vermeiden. Damit Cashflow-Nachteile abgemildert werden, können Unternehmen, die am Split-Payment teilnehmen, beispielsweise von einer schnelleren Auszahlung der Vorsteuer profitieren99 oder das Mehrwertsteuerkonto dient als Verrechnungskonto für andere Steuern des Unternehmers.100 Erbringen Drittlandsunternehmer digitale Dienstleistungen an Verbraucher in der EU, so stellt sich im Zweifel das Problem des Vorsteuerausgleiches über blockierte Mehrwertsteuerkonten nicht, da keine Ausgaben in Europa getätigt werden, welche der Vorsteuer unterliegen. Diese These wird durch die Tatsache gestützt, dass mehrheitlich Unternehmen aus den Vereinigten Staaten Onlinedienste innerhalb der EU erbringen.101 95

Azam / Mazur, FTR 2018, No. 411 (50). Siehe dazu oben: Viertes Kapitel D. III. Bewertung der Umsetzungsbeispiele. 97 Ainsworth / Madzharova, Boston University School of Law Working Paper No. 12-51, 11. 98 Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 7. 99 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 38. 100 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report – Executive Summary (2017) 34, 35. 101 EU-Kommission, Warum wir einen digitalen Binnenmarkt brauchen, https://ec.europa. eu/commission/sites/beta-political/files/dsm-factsheet_de.pdf, abgefragt am 26. 8. 2019. Es ist nicht erläutert, ob diese Unternehmen digitale Dienstleistungen erbringen. 96

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Erfahrungen wurden beispielsweise in Ecuador bei Zahlungsdienstleistern mit einem automatischen Split-Payment-Verfahren bisher nur mit Kreditkarten oder Zahlungskarten gesammelt.102 Es leitet sich die Frage ab, wie bei nichtansässigen Zahlungsdienstleistern oder neuen Zahlungsmethoden (Bitcoin, Wallet-Payments = z. B. PayPal103) eine Erhebung der Mehrwertsteuer beim Zahlungsvorgang gewährleistet werden kann.104 Es können nicht alle Zahlungsformen erfasst werden. Dies verdeutlicht sich bei Barzahlungen im Split-Payment-Verfahren. Barzahlungen werden im Vergleich zu elektronischen Zahlungen vergleichsweise anonym abgewickelt.105 Aufgrund fehlender Intermediäre im Zahlungsvorgang und Anonymität ist eine Mehrwertsteuererhebung im Split-Payment nicht möglich. Ein DEMDI sollte sich nur auf Zahlungsformen konzentrieren, die am häufigsten im OnlineE-Commerce verwendet werden. 4. Erkenntnisse für den DEMDI Unabhängig welches Split-Payment-Verfahren entworfen wird, es müssen KMU sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis berücksichtigt werden. Diese Erfordernisse ergeben sich durch Proportionalitätsgedanken, wie aus der Mitteilung der EU-Kommission zum rumänischen Split-Payment ersichtlich ist.106 Die Einführung eines Split-Payment führt unweigerlich zu zusätzlichen Transaktionskosten in der Form von eventuell mehreren Zahlungsaufträgen, Buchhaltungskosten, Transaktionskosten, etc. Für globale Konzerne, die bereits ausgefeilte elektronische Systeme haben, dürften die Kosten im Verhältnis geringer sein als für KMU.107 Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass sobald Schwellenwerte und Ausnahmetatbestände für KMU eingeführt werden, sich eine Lücke im System zur Mehrwertsteuerhinterziehung öffnet.108 Als Erleichterung könnte das blockierte Mehrwertsteuerkonto bei KMU zum Ausgleich mit anderen Steuern dienen.109 Zusätzlich könnte eine kostenlose Software für KMU zur Übermittlung erhebungsrelevanter Informationen zur Verfügung gestellt werden und somit die anfänglichen Verwaltungskosten senken. Ebenfalls sollte das Modell nicht op 102

Ainsworth, Boston University School of Law Working Paper No. 11-08, 10. Steinacker / Krauß, E-Payment und Mobile Payment, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), ­E-Commerce – Rechtshandbuch (2017) 944, 954. 104 In diesem Sinne: Prätzler, IVM 2018, 66 (69). 105 Ainsworth / Madzharova, Boston University School of Law Working Paper No. 12-51, 14. 106 EU-Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat gemäß Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates, KOM (2018) 666 final 8. 11. 2018, 2, 3. 107 Ainsworth / Madzharova, Boston University School of Law Working Paper No. 12-51, 13, 14. 108 Am Beispiel Bulgariens: Pashev, Journal of Financial Crime 2007, 490 (495 ff.); Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 23. 109 Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 34, 35. 103

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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tional sein. Die Folge wäre, dass die Mehrwertsteuerhinterziehung nicht effektiv bekämpft werden kann sowie die rechtlichen Regelungen komplexer / unsicherer werden. Außerdem stellen sich keine Größeneffekte ein, wodurch Entwicklungskosten für Mehrwertsteuerpflichtige und Finanzverwaltungen steigen.110

E. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich die Grundlinie erkennen, dass von einer Erhebung bei Intermediären im Zahlungsvorgang Abstand genommen wird, wenn das SplitPayment statt nur B2B- auch / nur B2C-Situationen erfassen soll. In diesem Fall wird eingewendet, dass der Intermediär, also Zahlungsdienstleister, nicht über ausreichende Informationen zur Erhebung der Mehrwertsteuer verfügt. Bei der Umsetzung eines Split-Payment-Modells bei grenzüberschreitend digital erbrachten Dienstleistungen kann die zur Verfügungstellung von geeigneten Informationen und der anschließenden Mehrwertsteuererhebung bei Zahlungsdienstleistern als Hauptproblem angesehen werden. Die Informationsübermittlung an Zahlungsdienstleister muss mit dem leistenden Unternehmer verknüpft werden. Bei der Informationsübermittlung ergeben sich Unterprobleme mit der Gewährleistung der Authentizität von Informationen, dem Datenschutz von Verbrauchern sowie der Umsetzung der übermittelten Informationen in eine Mehrwertsteuererhebung bei vielen verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten im Online-E-Commerce. Da in B2C-Situationen der Verbraucher als Käufer nicht effektiv bei der Erhebung wäre, können nur Zahlungsdienstleister eine wirksame Erhebung sicherstellen. Um eine möglichst große Anzahl von Zahlungsformen im Online-E-Commerce zu erfassen, müssen geeignete Implementierungspunkte für den DEMDI im Zahlungsverkehr gefunden werden. Daneben ergeben sich Umsetzungsprobleme mit der Form des automatischen Erhebungsmechanismus, dem Cashflow, der Verwaltung der erhobenen Mehrwertsteuer sowie den Vereinfachungsregeln für KMU.

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie I. Problemdarstellung Die Blockchain-Technologie kann die Informationslücke im Online-E-Commerce zwischen leistenden Unternehmer und mehrwertsteuererhebenden Zahlungsdienstleistern überbrücken. Der leistende Unternehmer ist in der Leistungsabwicklung dem Verbraucher näher und sollte über alle notwendigen Informationen verfügen, damit i. S. d. Bestimmungslandprinzips die korrekte Mehrwertsteuer erhoben werden kann. Bei einer Umsetzung des DEMDI-Modell in einer automa 110

In diesem Sinne: PWC, KOM – Order no. TAXUD/2009/AO-05, 162, 163.

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

tisierten Erhebung durch Zahlungsdienstleister ergeben sich hauptsächlich Fragestellungen die technischer Natur sind und Fragen des Zahlungsverkehrs sowie der Informationsübermittlung. Zur Informationsübermittlung wird im nachfolgenden Kapitel auf die Blockchain-Technologie mit ihrem dezentralen Konsensmechanismus eingegangen. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden Möglichkeiten untersucht, wie eine Verknüpfung der Informationen mit einer effektiven Erhebung im Zahlungsverkehr hergestellt werden kann. Die OECD spricht der BlockchainTechnologie die Fähigkeit zu, neue Wege zur Verwaltung von großen Mengen mehrwertsteuerrelevanter Transaktionen zu finden. Anwendungsmöglichkeiten bieten sich beim Austausch von Daten mit Dritten, bei der Erfüllung von Compliance-Anforderungen und der Identifizierung von Sachverhalten an.111 Es handelt sich um eine neue Technologie der viel Potenzial zugeschrieben wird,112 wobei die bisherigen tatsächlichen Anwendungsfälle im Steuerbereich überschaubar sind.113 Es finden sich vereinzelt theoretische Überlegungen in der Literatur, die eine Mehrwertsteuererhebung im Zahlungsverkehr durch die Blockchain-Technologie ermöglichen wollen. Van der Bosch / Diederichsen / Demetrius entwerfen unabhängig von der Split-Payment-Diskussion mithilfe der Blockchain-Technologie ein System zur automatischen Erhebung der Mehrwertsteuer, die Daten zur Identifizierung mehrwertsteuerrelevanter Transaktionen bereithält.114 Im Modell von Azam / Mazur gibt es ebenfalls eine Verwendung der Blockchain-Technologie zur Echtzeit-Erhebung der Mehrwertsteuer. Notwendige Bedingung ist, dass die Verwendung digitaler Rechnungen verpflichtend vorgeschrieben wird. Die Blockchain dient als Instrument zum Informationstransfer.115 Damit die Notwendigkeit des Einsatzes der Technologie und die Verwendbarkeit verstanden werden, ist eine Darstellung der Technologie und der Philosophie hinter der Blockchain wichtig.116 Daher wird in den folgenden Kapiteln die Blockchain-Technologie und Smart Contract allgemein erläutert. Anschließend werden Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie beschrieben, bevor der konkrete Einsatz der Technologie im DEMDI-Modell näher diskutiert wird. Abschließend wird auf notwendige legistische Änderungen im Zahlungsverkehr und dem unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystem eingegangen sowie Folgeprobleme durch den Einsatz der Technologie überblicksartig dargestellt. 111 OECD, Technologies for Better Tax Administration  – A Practical Guide for Revenue Bodies (2016) 24, 53. 112 Bal, Does the Tax Sector Need Blockchain? 8. 113 Beispielsweise diskutiert im Mehrwertsteuersystem des Golf-Kooperationsrat: Ainsworth / Alwohaibi, The First Real-Time Blockchain VAT: GCC Solves MTIC Fraud, Tax Notes International 2017, 695 (695). 114 Bosch, van der / Diederichsen / Demetrius, Blockchain in Global Finance and Tax, Derivates & Financial Instruments 2018 Vol. 20 No. 1, Punkt: 3.3. Blockchain: Make money smart, 3.4. Roadblocks still to overcome. 115 Azam / Mazur, FTR 2018, No. 411 (51 ff.). 116 In diesem Sinne: Buchleitner / Rabl, Blockchain und Smart Contracts – Revolution oder alter Wein im digitalen Schlauch, ecolex 2017, 4 (4).

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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II. Blockchain-Technologie 1. Erläuterungen zur Blockchain-Technologie a) Vorbemerkungen Einer Studie des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2015 folgend gingen 73 % der Befragten davon aus, dass bereits im Jahr 2025 Finanzverwaltungen durch die Blockchain-Technologie automatisch und in Echtzeit Steuern erhoben werden können.117 Wichtigster Vorteil der Blockchain-Technologie und daraus resultierend ihre Zweckmäßigkeit für das DEMDI-Modell ist die Tatsache, dass sie aufgrund ihrer kryptographischen Verkettung und des dezentralen Speichers für Trans­a ktionen, Vertrauen zwischen unbekannten Akteuren, insbesondere im Internet, herstellen kann.118 Trotz der dominanten Präsenz der Kryptowährung Bitcoin119 und der Verknüpfung mit dem Thema Blockchain,120 sammeln sich unter dem Begriff Blockchain inzwischen eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten (z. B. öffentliche, private Blockchain) und Systemen, die auf derselben technologischen Grundphilosophie aufbauen.121 b) Grundlagen der Blockchain-Technologie Die zugrunde liegende Philosophie der Blockchain-Technologie verzichtet auf vertrauensbildende zwischengeschaltete Intermediäre (wie Banken, Behörden, Versicherungen, etc.) im Internet. Die Technologie schafft Vertrauen direkt zwischen Parteien im Internet, wodurch diese direkt miteinander Transaktionen abwickeln können.122 Die Verifizierung von Transaktionen erfolgt nicht wie sonst durch Intermediäre,123 sondern eine Transaktion wird durch den Technologieeinsatz mit ausschließlich zwei Teilnehmern vorgenommen.124 Die Blockchain kann als Basistechnologie, auf der Kryptowährungen wie Bitcoin und Anwendungen wie Smart 117 World Economic Forum, Deep Shift – Technology Tipping Points and Societal Impact – Survey Report, 2015, 26. 118 Schrey / T halhofer, Rechtliche Aspekte der Blockchain, NJW 2017, 1431 (1431). 119 Siehe dazu, das Whitepaper: Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008. 120 In diesem Sinne: Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain (2019) 9. 121 Martini / Weinzierl, Die Blockchain-Technologie und das Recht auf Vergessenwerden – Zum Dilemma zwischen Nicht-Vergessen-Können und Vergessen-Müssen, NVwZ 2017, 1251 (1252). 122 Ainsworth / Shact, Blockchain Technology Might Solve VAT Fraud, Tax Notes International 2016, 1165 (1166). 123 Dies wurde erst möglich, durch das Lösen des sogenannten „Double-Spending-Problem“ bei Bitcoin. 124 Hinerasky / Kurschildgen, Künstliche Intelligenz und Blockchain – neue Technologien in der Besteuerungspraxis, DB 2016, 35 (35).

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Contract basieren, verstanden werden. Das Vertrauen wird über die Validierung von Daten hergestellt, die auf Blöcken abgelegt sind, welche über kryptographische Verfahren miteinander verbunden und bei allen Teilnehmern des Systems vorhanden sind. Dadurch ist das unbemerkte Verändern der einmal abgelegten Informationen mit vertretbarem Aufwand so gut wie nicht zu bewerkstelligen. Das Vertrauen in die Daten ist somit sichergestellt.125 Dies kann nur in einem Netzwerk gewährleistet werden, in dem jeder Nutzer Zugriff auf die abgelegten Daten hat und diese verwaltet (distributed ledger), wodurch sofort die Echtheit der Informationen bestätigt werden kann.126 Es findet eine gleichrangige Übertragung der Informationen statt (peer-to-peer = P2P), d. h. die Kommunikation, also das Senden und Empfangen erfolgt direkt zwischen den Parteien.127 Sind die Informationen einmal in die Datenbank eingegeben, kann der Datensatz nicht mehr geändert werden (irreversibility of records). Parteien kommunizieren untereinander über eine eindeutige Blockchain-Adresse, bestehend aus Buchstaben und Ziffern. Jede Partei kann alle Transaktionen und deren Historie sehen. Allein aufgrund der Blockchain-Adresse kann die dahinterstehende Identität nicht aufgedeckt werden, man spricht von einer Pseudoanonymität.128 Die Pseudoanonymität geht verloren, wenn reale Sachverhalte einer Adresse und der dahinterstehenden Person zugeordnet werden können. Damit die wiederholte Verwendung einer Adresse nicht zu einer Zuordnung von Umsätzen und dahinterstehender Personen führt, gibt es Systeme (beispielsweise Point-of-Sale-Systeme), die für jeden Umsatz eine neue Adresse generieren oder Software zur Verschleierung von Transaktionen.129 Nach Bal ist die zugrunde liegende Technologie (P2P-Netzwerk, kryptographische Algorithmen, distributed ledger und dezentraler Konsensmechanismus) nicht neu. Die Blockchain-Technologie vereinigt diese unterschiedlichen Technologien.130 Das Blockchain-Netzwerk besteht aus miteinander zusammenhängenden Computern, die als Knoten (nodes oder peers) bezeichnet werden.131 Zur Überprüfung und der Übermittlung von Transaktionen verwendet jeder Knoten eine einheitliche Software.132 Zur sicheren Kommunikation über den unsicheren Kanal Internet baut die Blockchain-Technologie auf die Public-Key-Kryptografie als mathematische Grundlage.133 Im Unterschied dazu generiert der Teilnehmer ein 125

Ertel / L öhmann, Angewandte Kryptographie5 (2018) 151. Iansiti / L akhani, The Truth about Blockchain, Harvard Business Review 2017, 118 (121). 127 Bashir, Mastering Blockchain – Distributed ledgers, decentralization and smart contracts explained (2017) 20. 128 Iansiti / L akhani, Harvard Business Review 2017, 118 (125). 129 Schmidt, N., Kryptowährungen und Blockchains – Technologie, Praxis, Recht, Steuern (2019) 22, 23. 130 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 9. 131 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 12. 132 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 10. 133 Antonopoulos, Bitcoin und Blockchain Grundlagen und Programmierung – Die Blockchain verstehen, Anwendungen entwickeln (2018) 58, 59. 126

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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privates und öffentliches Schlüsselpaar. Der öffentliche Schlüssel wird als Adresse bekannt gegeben, der private Schlüssel bleibt geheim. Sobald ein Teilnehmer eine Transaktion tätigt, unterschreibt dieser mit seinem privaten Schlüssel.134 Durch den zum privaten Schlüssel gehörenden öffentlichen Schlüssel kann die Transaktion validiert und sichergestellt werden, dass die Nachricht tatsächlich vom Besitzer des privaten Schlüssels stammt. Dadurch wird die Authentizität der gesendeten Nachricht gewährleistet.135 c) Validierung von Informationen Erstellt ein Teilnehmer eine neue Transaktion, werden die Informationen zu einem Block zusammengesetzt,136 die alle miteinander verbunden sowie kryptographisch durch einen Hash-Algorithmus verschlüsselt sind.137 Die Richtigkeit des Inhalts der Transaktion wird über einen Konsens im Gesamtnetzwerk festgestellt. Werden anschließend noch sechs weitere Folgeblöcke angehängt, gilt zumindest bei Bitcoin die Transaktion als irreversibel verifiziert, der Rechenaufwand wäre für Angreifer zu groß, um die Nachricht zu ändern.138 Der Konsensmechanismus kann durch ein „Proof-of-Work“ (PoW) Konzept durchgeführt werden. Die Arbeit des Konsensmechanismus zur Validierung des Inhalts der Transaktion und damit das Hinzufügen eines neuen Blocks zur Chain wird „Mining“ genannt.139 Die Personen, die eine Validierung im Netzwerk vornehmen heißen Miner. Miner stehen untereinander in Konkurrenz und können auf den Inhalt der Transaktion keinen Einfluss nehmen, sondern stellen nur die Übermittlung von Informationen durch das Hinzufügen von Blöcken sicher.140 Das Hinzufügen von Blöcken geschieht durch das Lösen eines rechenintensiven Hashpuzzle. Der Miner, der als Erstes das Hashpuzzle gelöst hat, erhält eine Belohnung (virtuelle Währung). Das Lösen des Blockchain-Algorithmus ist ressourcenintensiv.141 Um im Nachhinein bestehende Blöcke zu verändern oder gefälschte Blöcke einzuschieben, müssten alle Blockreihen parallel bei allen Knoten, die eine identische Blockchain-Kopie haben, verändert werden.142

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Ertel / L öhmann, Angewandte Kryptographie5 (2018) 164. Kaulartz, Die Blockchain-Technologie – Hintergründe zur Distributed Ledger Technology und zu Blockchains, CR 2016, 474 (475). 136 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 10. 137 Ainsworth / Shact, Tax Notes International 2016, 1165 (1167). 138 Ertel / L öhmann, Angewandte Kryptographie5 (2018) 164. 139 Karame / Androulaki, Bitcoin and Blockchain Security (2016) 33. 140 Loy, Umsatzsteuerbetrug im innergemeinschaftlichen Erwerb: Konzept eines Blockchainbasierten Lösungsansatzes, DStR 2018, 1097 (1102). 141 Drescher, Blockchain Grundlagen – Eine Einführung in die elementaren Konzepte in 25 Schritten (2017) 170 ff. Abhängig vom System und dem gewählten Konsensmechanismus. 142 Pischel, GRC aktuell 2019, 63 (64). 135

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

d) Blockchain-Systeme Es gibt auch andere dezentrale Datenspeicher. Vergleicht man den dezentralen Datenspeicher einer Blockchain mit dem ebenfalls dezentralen Speicher einer Cloud, fallen einige Unterschiede auf. In einer Cloud wird der Gesamtbestand an Daten auf verschiedenen Rechnern aufgeteilt gespeichert. Im Unterschied dazu wird in einem P2P-Netzwerk der Gesamtbestand an Daten auf verschiedenen Rechnern vollständig gespeichert. Es gibt unterschiedliche Modelle der Zugangsbeschränkung zu diesem Blockchain-Netzwerk. Reglementierungen, wer die Blockchain beschreiben und auslesen darf, sind ebenfalls möglich.143 In einer privaten Blockchain ist eine Berechtigung zur Teilnahme am Netzwerk notwendig. Bei einer öffentlichen Blockchain kann jeder teilnehmen und ist schreib- und leseberechtigt.144 Es gibt auch Mischformen bei öffentlichen Blockchain, z. B. können alle Teilnehmer Inhalte lesen, aber nur ein beschränkter Teilnehmerkreis hat Schreibberechtigungen. Der Vorteil einer öffentlichen Blockchain liegt in der hohen Sicherheit und Zuverlässigkeit durch PoW sowie geringeren Kosten, demgegenüber stehen Datenschutzbedenken und Skalierungsprobleme. Private Blockchain stehen nur einer begrenzten Teilnehmeranzahl zur Verfügung, dadurch wird eine stärkere Abhängigkeit von zentralen Instanzen verursacht. Außerdem wird durch den fehlenden PoW ein Manipulationsrisiko erzeugt.145 Die Blockchain ist aufgrund ihrer Architektur fälschungs- und transaktionssicher. Es ergeben sich assoziierte Probleme mit der Architektur der Blockchain, die in der Zukunft Probleme verursachen können.146 e) Problemfelder und Zwischenergebnis Abschließend werden einige Problemfelder der Blockchain-Technologie thematisiert. Bisher brauchen Transaktionen relativ lange, bevor diese als Block in der Chain eingetragen werden. Dies verursacht eine relativ geringe Verarbeitungsanzahl von Transaktionen, die bearbeitet werden können. Zentralisierte Systeme können eine höhere Transaktionsskalierbarkeit gewährleisten und haben damit einen klaren Vorteil gegenüber P2P-Netzwerken.147 Die Ursache liegt in dem dezentralisierten Konsensmechanismus. Es gibt eine Reihe von anderen Konsensmechanismen, die in den letzten Jahren entwickelt wurden. Beispielsweise wird im Proof-of-Stake (PoS) Konsens pseudozufällig ein Knoten ausgewählt, der die

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Hinerasky / Kurschildgen, DB 2016, 35 (35). Kaulartz, CR 2016, 474 (475). 145 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 11. 146 Mit weiterführenden Informationen: Schrey / T halhofer, NJW 2017, 1431 (1432). 147 Bal, Blockchain, Initial Coin Offerings and Other Developments in the Virtual Currency Market, Derivates & Financial Instruments 2018 Vol. 20 No. 2, 3.4. Outlook. 144

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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Transaktion validiert.148 Trotz der Fälschungs- und Transaktionssicherheit der Blockchain kommt es zu Sicherheitsbedenken, wenn 51 %149 der Rechenleistung im System beherrscht werden. Das führt dazu, dass diese Mehrheit Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat.150 Aufgrund des PoW Konsensmechanismus sowie der in Konkurrenz stehenden Miner wird eine hohe Rechenkapazität zur Aufrechterhaltung des Systems benötigt, was zu einer hohen Ressourcenverschwendung, insbesondere im Energiebereich151 führt und Kosten verursacht. Sixt berechnet, dass eine einzige Bitcoin-Transaktion im Schnitt 5,24 USD (United States D ­ ollar) kostet. Eine Bitcoin-Transaktion ist im Vergleich zu Transaktionen im VISA-Netzwerk viel teurer.152 Außerdem ist die Technologie sehr kompliziert und aktuell noch nicht nutzerfreundlich.153 Schrey / Thalhofer prognostizieren, dass das Wachstum von dezentralen Systemen (Blockchain) in Zukunft an Skalierungsgrenzen stößt und als Folge wieder zentrale Datenbanken bevorzugt werden.154 Auf Grundlage von Blockchain-Patentanmeldungen sehen Filippova / Scharl / Filipppov die wichtigsten technischen Trends auf dem Gebiet der Sicherheit. Allgemein umfassen die häufigsten Patentanmeldungen neue Lösungsvorschläge, um die Datenzuverlässigkeit zu erhöhen, Blockchain-Angriffe und bösartiges Verhalten im System zu verhindern sowie die Sicherheit der Transaktionen zu gewährleisten.155 Trotz dieser Nachteile, die Herausforderungen für zukünftige Blockchain-Anwendungen darstellen, ist die Blockchain-Technologie geeignet, um im Internet verschlüsselte, fälschungssichere Informationen zu übertragen. Dies wird durch die dezentrale Architektur des Netzwerks bei öffentlichen Netzwerken ermöglicht. 2. Einsatz von Smart Contract a) Grundlagen von Smart Contract Ein Anwendungsfeld der Blockchain-Technologie bieten Smart Contract als besonderes Abwicklungsinstrument an. Beispielsweise können Zahlungen automatisiert veranlasst / exekutiert werden, sobald bestimmte Bedingungen eingetreten

148 Filippova / Scharl / Filippov, Blockchain: An Empirical Investigation of Its Scope for Improvement, in: Joshi et al. (Hrsg.), Blockchain – ICBC 2019 (Lecture Notes in Computer Science 2019) 3. 149 Auch bezeichnet als: double spend attack. 150 Drescher, Blockchain Grundlagen – Eine Einführung in die elementaren Konzepte in 25 Schritten (2017) 196. 151 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 10. 152 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 102. 153 Filippova / Scharl / Filippov, in: Joshi et al. 4. 154 Schrey / T halhofer, NJW 2017, 1431 (1432). 155 Filippova / Scharl / Filippov, in: Joshi et al. 11.

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

sind.156 In Smart Contract können zusätzlich physische Vermögensgegenstände digital erfasst werden (Token). Token repräsentieren Vermögensgegenstände und können ausgetauscht und übertragen werden.157 Ein Token kann programmiert werden, um viele verschiedene Funktionen (auch gleichzeitig) wahrzunehmen.158 Unter einem Smart Contract versteht man eine Codesequenz, die von einer Blockchain ausgeführt und verwaltet wird. Im Unterschied zu simplen Transaktionsdaten können Smart Contract flexibel beschrieben werden. Diese in sich geschlossenen Computerprogramme werden mit einer speziellen Programmiersprache auf einer individuellen Blockchain geschrieben.159 Es gibt viele unterschiedliche Definitionen und Eigenschaften die Smart Contract zugeschrieben werden. Für Bal existiert ein Smart Contract in digitaler Form, alle Vertragsbestandteile sind in einem Code eingebettet. Reale Gegenstände können durch Token repräsentiert werden. Die Struktur basiert auf Wenn-Dann-Bedingungen. Außerdem können Smart Contract auch auf Informationen aus externen Quellen (Oracles) reagieren und bieten damit eine ereignisgesteuerte Funktionalität. Weiter prüft der Smart Contract, ob alle Bedingungen vorliegen und führt automatisch die vereinbarte Folge aus. Eine menschliche Mitwirkung durch eine Partei ist nicht mehr notwendig. Smart Contract können sowohl auf privaten als auch auf öffentlichen Blockchain programmiert werden.160 Im Unterschied dazu sind für Bashir lediglich die automatische Exekution und die Vertragsdurchsetzung zwei notwendige Eigenschaften eines Smart Contract.161 Die Abwicklung des Vertrags findet im Zweifel ohne staatliche Vollstreckung und völlig automatisiert statt.162 Daraus ergeben sich Möglichkeiten für eine automatisierte Rechtsdurchsetzung von Mehrwertsteuerpflichten im E-Commerce. Wie Loy darstellt, könnte eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung durch Smart Contract sichergestellt werden. Bisher können im Smart Contract nur Zahlungen in Kryptowährungen durchgeführt werden. Zukünftig könnte eine Schnittstelle zum traditionellen Zahlungssystem eingeführt werden,163 wodurch eine automatische Exekution des Smart Contract sowie Erhebung der Mehrwertsteuer in herkömmlichen Zahlungssystemen gewährleistet werden könnte. Der Smart Contract könnte Bedingungen enthalten, die notwendigerweise erfüllt werden müssen, damit eine Transaktion im traditionellen Zahlungssystem ausgeführt 156

Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1252). Dietsch, Umsatzsteuer 4.0 – wie Blockchain grenzüberschreitende Reihengeschäfte transparenter machen könnte, MwStR 2018, 813 (817). 158 Antonopoulos / Wood, Mastering Ethereum – Building Smart Contracts and DApps (2019) 222. 159 Drescher, Blockchain Grundlagen – Eine Einführung in die elementaren Konzepte in 25 Schritten (2017) 249, 250. 160 Mit weiteren Definitionen zu Smart Contract: Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 12, 13. 161 Bashir, Mastering Blockchain – Distributed ledgers, decentralization and smart contracts explained (2017) 204. 162 Buchleitner / Rabl, ecolex 2017, 4 (6). 163 Eha, The race to connect smart contracts to the real world, https://www.americanbanker. com/news/the-race-to-connect-smart-contracts-to-the-real-world, abgefragt am 23. 6. 2021. 157

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wird.164 Traditionelle Zahlungssysteme, wie das Zahlungsnetzwerk SWIFT denken bereits über eine Implementierung von blockchainbasierten Systemen i. S. von distributed ledger Netzwerken sowie Smart Contract nach. SWIFT sieht die Anwendung von distributed ledger und Smart Contract aufgrund der geringen Standardisierung als kritisch an. Zunächst müsste eine Interoperabilität zwischen den Systemen hergestellt werden. Dadurch könnten die Systeme miteinander kommunizieren, wodurch bei Eintritt von Bedingungen im Smart Contract ein Vollzug in der Form einer Zahlungsanweisung im SWIFT-Netzwerk ausgelöst wird. Dafür müssen distributed ledger Technologien den SWIFT-Standard ISO 20022 als Definition in ihre Smart Contract übernehmen, der dann über die Oracles (externe Informationsquellen) eine Exekution auslöst. Die Nachrichtenübermittlung, beispielsweise eine Zahlung im traditionellen Zahlungssystem SWIFT, erfolgt über das Format ISO 20022 XML.165 b) Smart-Contract-Systemanforderungen Es gibt viele blockchainbasierte Plattformen, auf denen Smart Contract geschrieben werden können. Während Bitcoin sich nur für den Zahlungsverkehr verwenden lässt, ist Ethereum eine programmierbare Allzweck-Blockchain, die mehrmals verwendbar ist. Zur Gestaltung von Smart Contract, die auf Ethereum basieren, wird die Programmsprache Solidity verwendet.166 Ethereum bietet eine Umgebung in der programmierte Maschinen arbeiten können, basierend auf der dezentralisierten Blockchain-Technologie. Das Protokoll bietet eine Kommunikationsplattform und ein Netzwerk, in dem jeder eigene Apps aufsetzen kann.167 Es handelt sich nicht um eine eigene Kryptowährung, obwohl Ethereum die Kryptowährung Ether zum Betrieb der Plattform und des Weltcomputers benutzt. Aber anstatt nur den Übergang des Eigentums von Währungseinheiten zu dokumentieren (Bitcoin), wird bei Ethereum der Übergang von allen möglichen Daten ausdrückbar.168 Inhalte des Smart Contract werden in Blöcken gespeichert. In Ethereum ist ein Smart Contract nur ein Code, der ebenfalls in Blöcken gespeichert wird.169 Oracles sind notwendig für das Betreiben von Smart Contract, wenn diese zur Durchführung und des Vollzugs auf externe Informationsquellen angewiesen sind. Optimalerweise basieren 164

Loy, DStR 2018, 1097 (1102, 1103). SWIFT, Information paper: Distributed Ledgers, Smart Contracts, Business Standards and ISO 20022 (2016) 4, 5, 16. 166 Diedrich, Ethereum – blockchains, digital assets, smart contracts, decentralized autonomous organizationsPreview 3 (2016) 27, 28. 167 Dannen, Introducing Ethereum and Solidity – Foundations of Cryptocurrency and Blockchain Programming for Beginners (2017) 1, 2. 168 Antonopoulos / Wood, Mastering Ethereum – Building Smart Contracts and DApps (2019) 2, 10. 169 Diedrich, Ethereum – blockchains, digital assets, smart contracts, decentralized autonomous organizationsPreview 3 37, 178. 165

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diese externen Informationsquellen ebenfalls auf dezentralen Prinzipien sowie der Konsensfindung und setzen kein bloßes Vertrauen in die Information voraus.170 Bezogen auf das DEMDI-Modell können externe Informationsquellen (Oracles) mehrwertsteuerrelevante Informationen vom leistenden Unternehmer sein. Die notwendige dezentrale Konsensfindung ist bei dieser Informationsquelle nicht gegeben, weshalb dieser Informationsquelle nicht bedingungslos zu trauen ist. Dass eine Validierung der Informationen aus externen Quellen erfolgen muss, damit man diesen vertrauen kann, wird auch in Blockchain-Modellen zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung in der Literatur vorgenommen.171 Der Smart Contract könnte mit externen Informationen befüllt werden (ua mit notwendigen Informationen zur Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer) und anschließend einen sicheren Vollzug der Mehrwertsteuerpflicht im regulären Zahlungssystem gewährleisten. 3. Einsatzmöglichkeiten der Blockchain zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung a) Erfassung von Transaktionsdaten Zur Verhinderung der Mehrwertsteuerhinterziehung werden in der Literatur vermehrt Blockchain-Anwendungen thematisiert. Aus diesen Anwendungen können für das DEMDI-Modell Ansätze übertragen werden. In der Literatur gibt es grob zwei Modelle, wie durch den Einsatz der Blockchain-Technologie die Mehrwertsteuerhinterziehung bekämpft werden soll (mit einem starken Fokus auf den Umsatzsteuerkarussellbetrug). Die erste Kategorie beabsichtigt eine Echtzeit-Überprüfung von Rechnungen und der UID sicherzustellen172 sowie die Nachvollziehbarkeit von Transaktionswegen zu erhöhen.173 Andere Modelle gehen noch einen Schritt weiter, indem die Mehrwertsteuer direkt bei Zahlungssystemen erhoben wird174 oder eine eigene Kryptowährung für die Mehrwertsteuererhebung einführen.175 170

Antonopoulos / Wood, Mastering Ethereum – Building Smart Contracts and DApps (2019) 253, 254. 171 In diesem Sinne: Ainsworth / Shact, Tax Notes International 2016, 1165 (1173); Loy, DStR 2018, 1097 (1103). 172 Ainsworth / Shact, Tax Notes International 2016, 1165 (1172 ff.); Fettke / Risse, Blockchain: Wird eine sog. „real time“ Tax Compliance möglich?, DB 2018, 1748 (1751 ff.). 173 Dietsch, MwStR 2018, 813 (817 ff.). 174 In diesem Sinne: Groß, Mit der „Blockchain“ aus dem Umsatzsteuer-Dilemma, UR 2017, 501 (502); Pischel, GRC aktuell 2019, 63 (67); Loy, DStR 2018, 1097 (1103); Azam / Mazur, FTR 2018, No. 411, 49; Bosch, van der / Diederichsen / Demetrius, Derivates & Financial Instruments 2018 Vol. 20 No. 1, Punkt: 3.3. Blockchain: Make money smart. 175 Vertreter dieses Konzepts: Ainsworth et al., A VATCoin Solution to MTIC Fraud: Past Efforts, Present Technology, and the EU’s 2017 Proposal, Tax Notes International 2018, 335

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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Nach Fettke / Risse soll ein auf der Blockchain basierendes Mehrwertsteuersystem die Echtzeit-Überprüfung von Rechnungen und der UID sicherstellen. Dadurch wird die Prüfung über das MIAS, die fehleranfällig und zeitintensiv für den Steuerpflichtigen ist, obsolet. Zum anderen sollen die periodischen zusammenfassenden Meldungen viel intensiver durch eine vollumfassende Prüfung aller Rechnungen erweitert werden. Die Umsetzung soll durch Smart Contract erfolgen. Als dezentrale Plattform soll eine öffentliche zulassungsbeschränkte Blockchain eingesetzt werden.176 Ein frühes Modell von Ainsworth / Shact aus dem Jahr 2016 will ebenfalls Rechnungen auf eine Blockchain bringen. Ziel ist es durch einen digitalen Fingerabdruck mehrwertsteuerrelevante Lieferketten grenzüberschreitend nachzuvollziehen und Prüfungsaktivitäten besser zu koordinieren. Die Blockchain würde Vertrauen zwischen unbekannten Parteien herstellen.177 In diesem Sinne plädiert auch Dietsch für die digitalisierte Darstellung von Lieferketten durch die Blockchain-Technologie. Token und Asset Token sollen mehrwertsteuerrelevante Informationen in Echtzeit auf der Blockchain darstellen. Dadurch würde der grenzüberschreitende vernetzte Informationsaustausch mit und zwischen Finanzverwaltungen vereinfacht werden. Im Ergebnis führt dies zu einem besseren Vollzug und zur besseren Prävention der Finanzverwaltungen. Außerdem würden die Compliance-Anforderungen für Unternehmen gesenkt.178 b) Modelle einer Krypto-Mehrwertsteuererhebung Die zweite Kategorie versucht direkt eine Mehrwertsteuererhebung im regulären Zahlungsverkehr sicherzustellen und verwendet Split-Payment unter Zuhilfenahme der Blockchain. Van der Bosch / Diederichsen / Demetrius wollen mit der Hilfe eines Smart Contract auf Ethereum Basis Geld beschriften. Vereinbaren die Parteien Transaktionen mithilfe eines Smart Contract durchzuführen, so wird in einem SplitPayment-Verfahren der Bruttobetrag aufgeteilt und die Mehrwertsteuer wird während der Zahlung abgeführt.179 Im Sinne von Loy werden Transaktionen nach einer Überprüfung von den Parteien auf einer Blockchain in der Form eines Smart Contract eingetragen. Dieser Ansatz könnte durch ein Split-Payment erweitert werden. Außerdem könnten auch Import- und Exportgeschäfte überwacht werden.180 Bei Pischel sind zuvor Rechnungsinformationen und die UID in einen Smart Contract einzutragen und zu überprüfen. Darauf aufbauend kann eine Art Split-Payment(347 ff.); Wijaya et al., A New Blockchain-Based Value-Added Tax System, in: Okamoto et al. (Hrsg.), Provable Security – 11th International Conference, ProvSec 2017 Xi’an, China, October 23–25, 2017 Proceedings (2017) 471 ff. 176 Fettke / Risse, DB 2018, 1748 (1752 ff.). 177 Ainsworth / Shact, Tax Notes International 2016, 1165 (1172 ff.). 178 Dietsch, MwStR 2018, 813 (817). 179 Bosch, van der / Diederichsen / Demetrius, Derivates & Financial Instruments 2018 Vol. 20 No. 1, Punkt: 3.3. Blockchain: Make money smart. 180 Loy, DStR 2018, 1097 (1102 ff.).

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Verfahren die Mehrwertsteuer erheben. Er spricht sich für ein Mehrwertsteuersystem aus, das auf Smart Contract basiert und mit dem Zahlungsverkehrssystem verknüpft werden soll.181 Trotz der sehr ähnlichen Ansätze zum DEMDI-Modell bleiben Loy und Pischel eine Antwort schuldig, warum die Vertragsparteien ihre Transaktionen auf eine Blockchain eintragen und am Verfahren teilnehmen sollten. Im Modell VATCoin werden reale Transaktionen mit VATCoin verknüpft. Eine spezielle Software und künstliche Intelligenz prüfen Rechnungen in Echtzeit. Zahlungen erfolgen mit einer virtuellen Mehrwertsteuerwährung. Verrechnungen mit Eingangsrechnungen erfolgen mit einer virtuellen Mehrwertsteuervorsteuer.182 Wijaya et al. entwickelten für das indonesische Mehrwertsteuersystem einen blockchainbasierten Token (PAKO) mit dem Mehrwertsteuerzahlungen und die Erstattung der Vorsteuer vorgenommen werden können. Banken dienen als Schnittstelle zur realen Währung. PAKO werden von Banken verkauft und dann anschließend von diesen im Zahlungsvorgang wieder erhoben.183 Die Rechnungserstellung kann erst erfolgen, wenn die ausgewiesene Mehrwertsteuer an die Finanzverwaltung weitergeleitet wurde.184 Die Substitution von realer Währung durch spezielle Kryptowährungen in der Mehrwertsteuer kann zwar die Mehrwertsteuerhinterziehung in B2B-Situationen verhindern, hilft allerdings wenig in B2C-Situationen, in denen der Verbraucher keine Vorsteuererstattung erhält. Verbraucher würden trotz der Einführung von Mehrwertsteuerkryptowährungen nach wie vor mit traditionellen Währungen mehrwertsteuerpflichtig Leistungen von Unternehmern kaufen. Durch die schlichte Nichtdeklarierung von Umsätzen oder durch das Nichtausstellen von Rechnungen könnte das System unterlaufen werden. c) Übersicht wissenschaftlicher Konzepte In einer zusammenfassenden Betrachtung zeichnet sich eine Grundlinie in der Literatur ab, mehrwertsteuerrelevante Informationen / Transaktionen sollen auf die Blockchain gebracht werden und dadurch für eine bessere Überprüfung und Betrugserkennung, vorzugsweise in Echtzeit, zur Verfügung stehen. Ein Teil der Literatur spricht sich für eine direkte Erhebung der Mehrwertsteuer in Zahlungsverkehrssystemen aus. Teilweise wird ausführlich dargestellt, dass die Umsetzung dieses Verfahrens und damit die Erhebung der Mehrwertsteuer im Zahlungsverkehrssystem auf Informationen beruht, die zuvor auf die Blockchain mit der Hilfe von Smart Contract eingefügt wurde. Ainsworth et al. gehen noch einen Schritt weiter und ersetzen die auszuweisende Mehrwertsteuer durch sogenannte VATCoin.185 181

Pischel, GRC aktuell 2019, 63 (66, 67). Ainsworth et al., Tax Notes International 2018, 335 (347 ff.). 183 Wijaya et al., in: Okamoto et al. 476 ff. 184 Fatz et al., Potenziale von Blockchain-Anwendungen im Steuerbereich, HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 2018, 1231 (1234). 185 Ainsworth et al., Tax Notes International 2018, 335 (347 ff.). 182

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Das DEMDI-Modell favorisiert eine direkte Erhebung der Mehrwertsteuer im elektronischen Zahlungsverkehr, mit der Einschränkung auf einen schwer durch die Finanzverwaltungen zu kontrollierenden Wirtschaftssektor, dem Online-ECommerce in B2C-Situationen.

III. DEMDI-Modell 1. Grundstruktur des DEMDI Eine Erhebung der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitend digital erbrachten Dienstleistungen kann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn der erhebende Zahlungsdienstleister über ausreichende Informationen verfügt. Über die notwendigen Informationen zur Bestimmung der korrekten Mehrwertsteuer verfügt der leistende Unternehmer. Dies bedeutet, dass der leistende Unternehmer für die Erhebung der Mehrwertsteuer Informationen an den entsprechenden Zahlungsdienstleister übermitteln muss, damit dieser die korrekte Mehrwertsteuer beim Zahlungsvorgang erheben kann und an die jeweiligen Finanzverwaltungen i. S. d. Bestimmungslandprinzips abführt. Prinzipiell handelt es sich beim leistenden Unternehmer und beim Zahlungsdienstleister, der die Erhebung der Mehrwertsteuer vornimmt, um zwei sich unbekannte Parteien. Zur erfolgreichen Umsetzung müssen Randbedingungen für die Kommunikation der beiden Parteien untereinander und die verpflichtende Umsetzung des Verfahrens gesetzt werden. Vereinfachend dargestellt müssen zwei Folgefragen geklärt werden. Die erste Frage lautet: Wie soll die Kommunikation zwischen dem leistenden Unternehmer und dem erhebenden Zahlungsdienstleister gestaltet werden? Zu diesem Zweck wird näher auf die Blockchain- Technologie und deren Verwendbarkeit im DEMDIModell eingegangen. Anschließend wird ein Entwurf der Netzwerkarchitektur gezeichnet. Darauffolgend stellt sich die zweite Frage, nämlich wie die tatsächliche Erhebung im Zahlungsverkehrssystem gestaltet werden soll. Für die tatsächliche Nutzung des DEMDI-Modells und der Erhebung der Mehrwertsteuer muss das System mit den einzelnen Zahlungsarten im Online-E-Commerce sowie dem Zahlungsverkehrssystem im Allgemeinen harmonisiert werden. 2. Zentrale oder dezentrale Systeme a) Überblick Das nachfolgende Kapitel geht der Frage nach, ob das zuvor skizzierte DEMDIModell auf die Blockchain-Technologie angewiesen ist oder ob eine zentrale Datenbank für die Kommunikation des leistenden Unternehmers mit dem erhebenden Zahlungsdienstleister besser geeignet wäre. Dazu werden mögliche Netzwerkstrukturen diskutiert. Die Vorteile einer öffentlichen zulassungsfreien Blockchain

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

sind Transparenz, dezentrale Abwicklung ohne Intermediäre, die Unveränderlichkeit der Daten und die Datenkorrektheit.186 Aus der Perspektive von Bal preisen Unternehmen und Institutionen sehr oft diese Vorteile an und wollen diese in eigene steuerliche Anwendungen übertragen. Gleichzeitig soll der assoziierte Kontrollverlust durch die dezentrale Netzwerkstruktur, die Kernelement einer Blockchain ist, bei einer Umsetzung sehr stark zurückgedrängt werden. Im Ergebnis tragen die Blockchain-Anwendungen zwar den Namen Blockchain, sind in ihrer Umsetzung vom Grundmodell einer öffentlichen Blockchain weit entfernt. Sobald zulassungsbeschränkte öffentliche oder private Blockchain eingesetzt werden, könnten auch zentrale Datenbanken verwendet werden.187 In öffentlichen zulassungsfreien Blockchain ist jeder Teilnehmer immer schreib- und leseberechtigt. Im Unterschied dazu können bei einer öffentlichen zulassungsbeschränkten Blockchain oder privaten zulassungsbeschränkten Blockchain lediglich autorisierte Teilnehmer auf der Blockchain lesen und schreiben. Diese Eigenschaften teilen zulassungsbeschränkte Blockchain mit zentralen Datenbanken.188 b) Zentrale Systeme Traditionelle Datenbanken haben den Vorteil, dass diese teilweise bereits seit Jahrzehnten verwendet werden. Datenbanken enthalten deshalb weniger Bugs, sind weniger anfällig gegenüber Hackerangriffen, verursachen weniger Kosten, sind leichter zugänglich für Updates sowie Benutzer und bieten eine schnellere Bearbeitung von Prozessen. Demgegenüber ist die Einführung von neuen Technologien meistens sehr kosten- und arbeitsintensiv. Außerdem setzen Blockchain-Anwendungen ein sehr hohes spezialisiertes technisches Wissen voraus. Finanzverwaltungen können diese personellen Kapazitäten nicht bieten und Bestandspersonal zu qualifizieren ist schwierig. Zusätzlich benutzt eine Mehrheit der Unternehmen bereits automatisierte Lohn- und Gehaltsabrechnungen und Steuerverwaltungssysteme, eine Umstellung auf die Blockchain-Technologie ist daher nicht notwendig.189 Der Einsatz von Smart Contract wirft auch viele Probleme auf. Es ergeben sich Probleme mit technischen Aspekten, der Zuverlässigkeit von Oracles, das Risiko falscher Programmierung und Fehlfunktion der Programme.190 Aus diesen Gründen steht Bal der Einführung von Blockchain-Anwendungen im Steuerbereich kritisch gegenüber.191

186

Siehe dazu: Viertes Kapitel F. II. 1. d) Blockchain-Systeme. Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 32. 188 Wüst / Gervais, Do you Need a Blockchain?, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (Hrsg.), 2018 Crypto Valley Conference on Blockchain Technology (2018) 45 (II. Background on Blockchain). 189 Bal, Does the Tax Sector Need Blockchain? 7, 8. 190 Bal, Taxation, Virtual Currency and Blockchain 32. 191 Bal, Does the Tax Sector Need Blockchain? 8. 187

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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c) Plädoyer der Literatur für dezentrale Konzepte Azam / Mazur sehen demgegenüber im Bereich der Mehrwertsteuer ein Hauptanwendungsfeld der Blockchain-Technologie. Aufgrund der dezentralen Netzwerkstruktur hätten alle Computer eine identische Kopie der Datenbank, die immer aktuell gehalten wäre. Dadurch würden sichere Daten in hoher Qualität allen Teilnehmern des Netzwerks zur Verfügung stehen. Der gesamte Prozess der Mehrwertsteuererhebung könnte verschlankt sowie in Echtzeit durchgeführt werden, unnötige Zeitintervalle würden wegfallen, zeit- und kostenintensive Deklarierungen nicht mehr notwendig sein, Steuerstreitigkeiten könnten reduziert und Mehrwertsteuerhinterziehung besser bekämpft werden.192 Für Pischel liegt der wichtigste Vorteil in der vertrauensschaffenden Funktion der Blockchain, die es ermöglicht Daten auszutauschen und zu speichern, ohne dass man einer einzigen Institution vertrauen muss sowie die Daten exklusiv verwaltet. Finanzverwaltungen könnten Daten untereinander austauschen, „…  ohne die Kontrolle vollständig abgeben zu müssen“. Aus diesem Grund ist die Technologie geeignet im Bereich der europäischen Mehrwertsteuer eingesetzt zu werden.193 Der Gedanke einer dezentralen Verwaltung für den Steuerbereich ist auch für Fatz et al. reizvoll. Das Steuerrecht ist nach wie vor national geprägt, der grenzüberschreitende Informationsfluss dementsprechend heterogen. Eine Harmonisierung und länderübergreifende Lösung der Probleme sind unwahrscheinlich. Die dezentrale Speicherung von Daten und deren Austausch könnte diesen Prozess zur Lösung der Probleme erleichtern. Dies hätte Vorteile für die Finanzverwaltungen durch einen effektiveren Vollzug und würde es Unternehmen ermöglichen den Compliance-Anforderungen gegenüber den Finanzverwaltungen einfacher nachzukommen.194 Aus der Sicht von Ainsworth / Viitasaari ist die Blockchain für solche steuerlichen Anwendungen geeignet, die in ihrer Berechnung äußerst komplex sind und Daten von mehreren Behörden gesammelt, gespeichert sowie ausgewertet werden.195 In der Mehrwertsteuer sind die anzuwenden Regelungen zur Berechnung der Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen sehr komplex (beispielsweise die Ermittlung des Leistungsortes).196 Die Daten werden in grenzüberschreitenden Sachverhalten mindestens von zwei Finanzverwaltungen gespeichert, welche auf die Daten zugreifen wollen und auch Prüfungen durchführen müssen.197 Die Voraussetzungen für die Anwendung der Blockchain im Bereich der Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen wären danach gegeben.

192

Azam / Mazur, FTR 2018, No 411 (51 f.). Pischel, GRC aktuell 2019, 63 (65). 194 Fatz et al., HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 2018, 1231 (1233). 195 Angelehnt an: Ainsworth / Viitasaari, Payroll Tax & The Blockchain, Boston University School of Law – Law & Economics Paper No. 17-17, 2. 196 Siehe oben: Zweites Kapitel D. IV. 4. Beweismittel für die Bestimmung des Leistungsortes. 197 Siehe oben: Zweites Kapitel E. IV. 1. Notwendigkeit zur Harmonisierung. 193

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

d) Dezentrale Europäische Verwaltungszusammenarbeit Die EU-Kommission will mit ihrem Fiscalis Programm die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Steuer- und Zollfragen, somit auch der Mehrwertsteuer, verbessern. Bestandteile dieses Programms sind unter anderem die Einführung effizienterer und stärker vernetzter IT-Systeme sowie gemeinsamer Maßnahmen beim Risikomanagement und gemeinsamer Kontrollen.198 Basierend auf dem aktuellen und zukünftigen Fiscalis Programm spricht sich die EU-Kommission zwar für den Ausbau von IT-Kapazitäten, aber nicht für eine Zentralisierung von Aktivitäten aus.199 Auf EU-Ebene lässt sich daher der Trend erkennen, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu verbessern, allerdings nicht durch zentralisierte Aktivitäten, wie z. B. zentrale Datenbanken. Nach Traversa / Ceci kann nur ein dezentralisiertes, zusammenhängendes und arbeitendes System von Finanzverwaltungen in der EU die Mehrwertsteuerhinterziehung im Binnenmarkt besser bekämpfen. Dafür ist es notwendig, dass Finanzverwaltungen über den bloßen Informationsaustausch hinaus gemeinsam die Prüfungs- und Erhebungsverfahren gestalten.200 Diese Entwicklungen würden für ein dezentrales Netzwerk basierend auf der Blockchain-Technologie sprechen. Auch die Entwicklung zur Einbindung von Echtzeit-Transaktionsdaten zur Auswertung in Finanzverwaltungen zeichnet sich in Europa ab.201 Zur Vereinheitlichung der Kommunikationswege sind bereits in sechs Mitgliedstaaten Standard Audit File eingeführt worden.202 Spanien ging noch einen Schritt weiter und führte im Jahr 2017 eine annähernde Echtzeit-Übermittlung von Finanzdaten an die Finanzverwaltungen ein. Von dieser Regelung sind bisher nur bestimmte Kategorien von Mehrwertsteuerpflichtigen (Großunternehmen, Organgesellschaften, Unternehmer, die für die monatliche Rückerstattung registriert sind) erfasst. Die übermittelten Daten umfassen Informationen zu Ausgangs-, Eingangsrechnungen, Anlagegüter und spezifischen innergemeinschaftlichen Transaktionen.203 Den Weg einer Echtzeitinteraktion von Unternehmen mit Finanzverwaltungen zur Betrugserkennung und -prävention gehen bereits viele Länder in Lateinamerika.204 198

EU-Kommission, EU-Haushalt: Engere Zusammenarbeit zwischen den Steuer- und Zollbehörden für eine sicherere und wohlhabendere EU, KOM IP/18/4009. 199 EU-Kommission, Commission Staff Working Document Ex-ante Evaluation – Accompanying the document – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council establishing the „Fiscalis“ programme for cooperation in the field of taxation, SWD (2018) 323 final 8. 6. 2018, 14, 15. 200 Traversa / Ceci, in: Lamensch / Traversa / Van Thiel 86. 201 In diesem Sinne: Doll / Walter, Digitalisierung der Finanzverwaltung und Steuerfunktion – Wohin geht die Reise?, beck.digitax 2020, 2 (2 ff.). 202 Mit einer übersichtlichen Darstellung: Majdanska / Dziwinski, The Potential of a Standard Audit File – Tax in the European Union: A Chance for Coordinated VAT Administration?, BIT 2018, 582 (586 ff.). Es handelt sich um folgende Mitgliedstaaten: Österreich, Luxemburg, Portugal, Frankreich, Polen und Litauen. 203 Petrosino, IVM 2019 Vol. 30 No. 2, Punkt: 2.3. SII in Spain. 204 Mit einer Übersicht: Rodríguez / Ottoni / Huibregtse, How Technology Is Changing Taxation in Latin America, BIT 2019, 141 (144 ff.).

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Daraus lässt sich ableiten, dass Finanzverwaltungen den Echtzeit-Austausch von Informationen vorantreiben wollen. Auf der anderen Seite gibt es in der EU keine Zentralisierungsansätze der IT-Infrastruktur. Vielmehr soll der Austausch zwischen den Finanzverwaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten gefördert werden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten führt dies zu Problemen, wenn mehrere Finanzverwaltungen in Echtzeit über mehrwertsteuerrelevante Informationen verfügen wollen. Das DEMDI-Modell will diese Tendenzen umsetzen, indem neben den mehrwertsteuererhebenden Zahlungsdienstleistern, die in Echtzeit über die mehrwertsteuerrelevanten Informationen vom leistenden Unternehmer verfügen müssen, zusätzlich die Finanzverwaltungen des MSI und des MSV Zugriff auf die Daten haben sollen. Ein weiterer Grund für ein dezentrales Netzwerk, wie das DEMDI-Modell wäre, dass die Leistungskanäle im Online-E-Commerce nicht stetig sind und damit der MSV für eine angebotene digitale Dienstleistung oft wechseln kann, weshalb eine dezentrale Datenbank mit allen relevanten Informationen für den Zugriff aller Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen sollte. e) Bewertung Aus dieser Gemengelage heraus ist eine Entscheidung über eine zentralisierte Datenbank oder über eine dezentrale Netzwerkstruktur auf Basis der BlockchainTechnologie zu treffen. Die Blockchain-Technologie könnte hierfür die Grundlage bieten, dass in Echtzeit zur Erhebung der Mehrwertsteuer durch Zahlungsdienstleister Informationen zur Verfügung stehen und gleichzeitig der MSI und die wechselnden MSV einen Überblick über die mehrwertsteuerrelevanten Transaktionen erhalten. Dies kann durch eine dezentrale Konzeption des Netzwerks erreicht werden. Auf allen Knoten wäre exakt dieselbe Blockchain vorhanden. Jeder Knoten oder Miner könnte durch eine Finanzverwaltung der Mitgliedstaaten repräsentiert werden.205 Die Finanzverwaltungen wären durch die dezentrale Netzstruktur über alle Transaktionen im Bilde und könnten die Mehrwertsteuerhinterziehung aktiver bekämpfen.206 Ein Vertrauensvorschuss in den MSI oder eine zentrale Datenbank wäre nicht mehr notwendig. Darüber hinaus liegt im DEMDI-Modell der Schwerpunkt der Kommunikation zwischen dem leistenden Unternehmer und dem erhebenden Zahlungsdienstleister. Die Finanzverwaltungen haben im DEMDI-Modell bei der Erhebung der Mehrwertsteuer nur eine untergeordnete Bedeutung. Es handelt sich bei den leistenden Unternehmer und den Zahlungsdienstleistern, um potenziell unbekannte Parteien. Aus diesem Grund ist die Blockchain mit ihrer dezentralen Struktur und den Attributen Sicherheit, Unveränderlichkeit sowie Transparenz der Daten die richtige Technologie für diesen Zweck. Damit 205 206

In diesem Sinne u. a.: Dietsch, MwStR 2018, 813 (820). In diesem Sinne: Wijaya et al., in: Okamoto et al. 474.

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

eine abschließende Entscheidung vorgenommen werden kann, ob eine Blockchain oder eine zentrale Datenbank die richtige Wahl für das DEMDI-Modell ist, muss die Netzwerkarchitektur und die Rolle der einzelnen Teilnehmer des DEMDI-Modells genauer beleuchtet werden. 3. Netzwerkarchitektur a) Skizzierung des Systems Im Folgenden wird eine detailliertere Beschreibung des DEMDI-Modells und der Architektur des Systems vorgenommen. Zunächst ist die Frage zu beantworten, welche Rollen die einzelnen Teilnehmer im DEMDI-Modell einnehmen sollen. Neben dem leistenden Unternehmer stehen Zahlungsdienstleister, welche die Mehrwertsteuer im Zahlvorgang erheben und an die Finanzverwaltungen abführen. Die Finanzverwaltungen sollten jederzeit in der Lage sein alle relevanten Transaktionen und die dazugehörigen Informationen einsehen zu können. Das DEMDIModell soll in allen Mitgliedstaaten angewendet werden. Der Prozess zur Erhebung der Mehrwertsteuer im DEMDI-Modell könnte wie folgt aussehen. Der leistende Unternehmer trägt mehrwertsteuerrelevante Informationen in einen Smart Contract ein, der für eine Erhebung durch den Zahlungsdienstleister relevant ist. Aus diesem Grund muss der leistende Unternehmer eine Schreibberechtigung für den Smart Contract besitzen. Den Zugang zur Benutzeroberfläche erlangt der leistende Unternehmer nur, wenn er zuvor eine Registrierung in einem MSI vorgenommen hat.207 Der halb befüllte Smart Contract und die darin enthaltenen Informationen werden in die Blockchain eingetragen, um die Sicherheit und Integrität der Daten sicherzustellen.208 Der halb aufgefüllte Smart Contract wird an alle weiteren Knoten (Zahlungsdienstleister und Finanzverwaltungen) versendet. Der Zahlungsdienstleister, der über den regulären Zahlungsweg eine Autorisierungsanfrage erhalten hat, kann dadurch den Smart Contract zur korrekten Transaktion zuordnen.209 Der Smart Contract löst nach vollständiger Auffüllung aller Informationen ein Split-Payment beim jeweiligen erhebenden Zahlungsdienstleister aus. Der erhebende Zahlungsdienstleister braucht ebenfalls eine Schreibberechtigung sowie eine Leseberechtigung. Der Zahlungsdienstleister überprüft die von dem leistenden Unternehmer bereitgestellten Informationen (ausführendes Konto, Kontoinhaber, etc.) und nimmt eine Validierung vor. Alternativ könnte der Smart Contract auch selbständig die über das Zahlungsnetzwerk gesendeten Informatio 207

In diesem Sinne: Fettke / Risse, DB 2018, 1748 (1754). Angelehnt an: Fatz et al., HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 2018, 1231 (1239). 209 Siehe dazu beispielhaft Autorisierungsanfragen im Internet bei Kreditkartenzahlungen: Steinacker / Krauß, in: Bräutigam / Rücker 939, 940. 208

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nen validieren. Führt der Zahlungsdienstleister die Validierung der Informationen durch, sollte dieser eine Entlohnung erhalten. Eine Validierung der vom Oracle (leistender Unternehmer) eingetragenen Informationen ist notwendig, da diese nicht durch konsensbasierte Mechanismen erzielt werden. Die Finanzverwaltungen erhalten zum einen die erhobene Mehrwertsteuer, zum anderen agieren diese als Supervision im gesamten Verfahren, d. h. es werden Probleme im System erkannt und behoben. Finanzverwaltungen brauchen nicht schreibberechtigt, sondern nur leseberechtigt zu sein. Auch können sie als Miner auftreten, d. h. die Transaktionen im Smart Contract auf die Blockchain eintragen und die Datenintegrität der Blockchain sicherstellen. Loy sieht außerdem die Finanzverwaltungen als Miner in der Pflicht, andere Finanzverwaltungen im Zweifel ersetzen zu können. Zusätzlich soll von Finanzverwaltungen für den Steuerpflichtigen ein Hash210 basierend auf der UID zur Verfügung gestellt werden.211 Nachdem eine Validierung der eingetragenen Informationen durch den erhebenden Zahlungsdienstleister vorgenommen wurde, füllt dieser abschließende Informationen in den Smart Contract ein und der Smart Contract exekutiert selbständig die Mehrwertsteuererhebung durch ein SplitPayment im Zahlungsvorgang beim erhebenden Zahlungsdienstleister. Sofern die Informationen des leistenden Unternehmer mit den Informationen des erhebenden Zahlungsdienstleister nicht übereinstimmen, wird die Zahlungsausführung durch den Smart Contract verworfen. Im Fall der Übereinstimmung der Informationen erfolgt eine Validierung und die Transaktion wird ausgeführt.212 Der Smart Contract ermittelt automatisch die korrekte zu erhebende Mehrwertsteuer und führt zwei elektronische Zahlungsanweisungen aus: Die erste Zahlungsanweisung über den Nettobetrag an den leistenden Unternehmer und die zweite Zahlungsanweisung erfolgt mit der erhobenen Mehrwertsteuer an ein blockiertes Mehrwertsteuerkonto des leistenden Unternehmers bei der jeweiligen Finanzverwaltung. b) Notwendigkeit der Blockchain-Technologie Im Folgenden wird die Frage geklärt, ob für den DEMDI tatsächlich eine Blockchain notwendig ist oder eine zentrale Datenbank besser geeignet wäre. Wüst / Gervais haben für den Einsatz einer Blockchain einen Entscheidungsbaum entwickelt.213 Für die Entscheidung, ob eine Blockchain benötigt wird, müssen zunächst Daten gespeichert werden. Dies ist der Fall. Zum einen werden bei der Übertragung vom leistenden Unternehmer zum erhebenden Zahlungsdienstleister Informationen benötigt, außerdem wollen Finanzverwaltungen über den Inhalt der Transaktionen in Kenntnis gesetzt werden. Gibt es nur einen Schreibberechtigten, 210

Anmerkung des Autors: Vermutlich ist ein Privat- und Public-Key gemeint. Loy, DStR 2018, 1097 (1102). 212 Angelehnt an: Fatz et al., HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 2018, 1231 (1239). 213 Die nachfolgende Prüfung der Notwendigkeit basiert auf: Wüst / Gervais, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (III. Where does a Blockchain make sense?). 211

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sind keine zusätzlichen Sicherheitsgarantien notwendig, weswegen der Einsatz einer zentralen Datenbank besser passt. Neben dem leistenden Unternehmer ist auch der erhebende Zahlungsdienstleister für den Smart Contract schreibberechtigt. Der nächste Entscheidungsast fragt, ob eine vertrauenswürdige Partei vorhanden ist. Im DEMDI-Modell ist dies nur teilweise der Fall. Als vertrauenswürdige Parteien kommt der erhebende Zahlungsdienstleister in Betracht, der für die Validierung der Informationen vom leistenden Unternehmer verantwortlich ist. Allerdings kann der erhebende Zahlungsdienstleister auch nicht selbständig tätig werden. Dadurch kann er keine Transaktion fingieren und er ist vom halb ausgefüllten Smart Contract abhängig. Der erhebende Zahlungsdienstleister ist damit genauso wie der leistende Unternehmer keine vertrauenswürdige Person. Nach Sixt schließt eine Vertrauenswürdigkeit der Knoten die Idee einer Blockchain zusammen mit dem Proof-of-Work-Konzept aus.214 Im DEMDI-Modell kontrollieren sich daher der leistende Unternehmer und der erhebende Zahlungsdienstleister gegenseitig. Dem Zahlungsdienstleister kommt gegenüber dem leistenden Unternehmer eine größere Vertrauensfunktion zu, aufgrund der Tatsache, dass er parallel eine separate Zahlungsaufforderung über die SSL / TLS Verschlüsselung erhält.215 Außerdem würde dieses System der „doppelten Validierung“ eine höhere Sicherheit bei der Zahlungsabwicklung im E-Commerce bedeuten. Es sind somit per se keine vertrauenswürdigen Parteien involviert. Im Modell soll auch nicht jeder schreibberechtigt sein. Damit der leistende Unternehmer Informationen auf der Blockchain eintragen kann, muss sich dieser zuvor registrieren. Dadurch wird gewährleistet, dass der leistende Unternehmer den Finanzverwaltungen bekannt ist. Finanzverwaltungen sind nicht schreibberechtigt, sondern übernehmen nur die Systemadministration und können im Zweifel das Protokoll durch eine Soft Fork ändern.216 Das bedeutet, dass die öffentliche zulassungslose Blockchain nicht geeignet ist. Es gibt potenziell sehr viele unterschiedliche leistende Unternehmer, die nicht vertrauenswürdig sind, deswegen kommt eine zulassungsbeschränkte Blockchain in Frage. Abhängig davon, ob eine öffentliche Überprüfbarkeit der Transaktionen gefordert wird, kann eine öffentliche oder private zulassungs­beschränkte Blockchain einschlägig sein. Es stellt sich die Frage, was in diesem Zusammenhang öffentlich bedeutet. Eine öffentliche Nachvollziehbarkeit erhöht das Vertrauen in das System. Damit die leistenden Unternehmer und die Öffentlichkeit in das System Vertrauen haben, sollte das System nachvollziehbar sein.217 Wenn Transaktionen öffentlich nachvollziehbar sind, ist es außerdem wahrscheinlicher, dass Fehler im System gefunden bzw. Zusammenhänge durch die Öffentlichkeit aufgedeckt

214 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 178, 179. 215 Laudon / Traver, E-commerce – business. technology. society.12 (2017) 295. 216 Angelehnt an: Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 15. 217 Übertragen von Zahlungssystemen: Wüst / Gervais, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (IV. Case by Case, B. Interbank and International Payments).

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werden. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass durch die Öffentlichkeit der Transaktionsdaten Data Mining durch Dritte verhindert wird und damit Umsätze von Unternehmen öffentlich zugänglich sind.218 c) Problemlösungen Problematisch an diesem Modell ist, dass viele Informationen und Transaktionen im Online-E-Commerce bearbeitet werden müssen. Aufgrund des verwendeten PoW Konsensmechanismus in der Blockchain ist der Datendurchsatz ineffizient. Der Durchsatz des Systems ist auch davon abhängig, wie viele Informationen pro Transaktion eingepflegt werden müssen, deshalb sollte die Informationsmenge so gering wie möglich gehalten werden.219 Jeder Mitgliedstaat fungiert als ein Miner, wodurch die Anzahl der Miner begrenzt und die Netzwerkstruktur stärker zentralistisch ist. Darin liegt der Vorteil, dass der Durchsatz von Transaktionen steigt.220 Pischel meint außerdem, dass der Betrieb einer zentralen europäischen Datenbank sehr teuer gegenüber einer dezentralen Struktur wäre.221 Trotz der geringen Anzahl an Minern (nur Finanzverwaltungen) handelt es sich dennoch um eine dezentrale Netzwerkstruktur, deshalb könnten 51 % Attacken oder Sybil Attacken das System lahmlegen. Aus diesem Grund wäre ein geschlossenes System zu präferieren. Bei einer 51 % Attacke werden 51 % der Miner-Rechenleistung beherrscht. Eine mögliche Folge wäre, dass der Miner oder Minerpool seine eigene Blockchain durchsetzt und Inhalte verändern könnte.222 Zwar sind die leistenden Unternehmer, die Zahlungsdienstleister sowie Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten Knoten im Netzwerk. Eine 51 % Attacke kann aber nur durchgeführt werden, wenn 51 % der Miner gestellt werden. Da die Miner von den Finanzverwaltungen gestellt werden und aus allen Mitgliedstaaten bestehen, wird die Wahrscheinlichkeit minimiert, dass mehr als 50 % der Miner von einer einzigen Partei kontrolliert werden und somit die Blockchain manipuliert werden kann. Durch die oben genannten Gründe wird bestätigt, dass eine öffentliche zulassungsbeschränkte Blockchain das richtige Modell zur Umsetzung des DEMDI-Modells ist.

218

In diesem Sinne: Loy, DStR 2018, 1097 (1102). Fettke / Risse, DB 2018, 1748 (1754). 220 Allgemein: Wüst / Gervais, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (III. Where does a Blockchain make sense?). 221 Pischel, GRC aktuell 2019, 63 (66). 222 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme: Blockchains als Basis einer Kryptoökonomie (2017) 15, 105 f. 219

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

4. Zahlungsverkehrssysteme und der DEMDI a) Fragestellungen Die Erhebung der Mehrwertsteuer soll während des Zahlungsvorgangs für digitale Dienstleistungen erfolgen. Es ergeben sich Herausforderungen bei der Umsetzung, die nur gelöst werden können, wenn das DEMDI-Modell korrekt im Zahlungsverkehrssystem des Online-E-Commerce verankert ist. Der leistende Unternehmer ist das Kernelement der Informationsbeschaffung, ohne ihn würden nicht die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, damit die korrekte Mehrwertsteuer später durch den Zahlungsdienstleister erhoben werden kann. Die erhebenden Zahlungsdienstleister verfügen nicht über die notwendigen Informationen.223 Nimmt der leistende Unternehmer nicht am Verfahren teil, kann die mehrwertsteuerpflichtige Transaktion nicht identifiziert werden und der Zahlungsdienstleister kann mangels Informationen keine Mehrwertsteuer erheben. Es muss deshalb ein Mechanismus geschaffen werden, der den leistenden Unternehmer zur Teilnahme am Verfahren zwingt. Dies kann nur erreicht werden, indem der leistende Unternehmer an der Abwicklung des Leistungsvorgangs gehindert wird. Dazu darf die Zahlung vom Verbraucher an den leistenden Unternehmer nicht durchgeführt werden. Dieser ultimative Abbruch der Zahlungsströme hindert den Unternehmer an der Ausübung seines Geschäfts in der EU. Aus diesen Gründen kann nur über eine Echtzeit-Erhebung beim Zahlungsdienstleister ein wirksamer Vollzug gewährleistet werden. Außerdem muss eine Erhebung der Mehrwertsteuer sichergestellt werden, bevor die Zahlung die EU verlässt.224 Optimal wäre eine Erhebung im Land des Leistungsortes des Verbrauchers. Eine Möglichkeit wäre es die Mehrwertsteuer bei der Verbraucherbank zu erheben.225 Der nächste Fragenkomplex ergibt sich bei der Identifizierung von Transaktionen im Online-E-Commerce. Schließlich müssten zum Abbruch der Zahlungsströme Zahlungen für digitale Dienstleistungen von den anderen Zahlungen getrennt behandelt werden. Über die weltweiten Zahlungsverkehrssysteme werden viele unterschiedliche Transaktionen abgewickelt. Zunächst muss eine Unterscheidung zwischen B2B- und B2C-Situationen getroffen werden. Anschließend müssen solche Transaktionen gefiltert werden, die für den Online-E-Commerce getätigt wurden.

223

Siehe oben: Viertes Kapitel E. Zwischenergebnis. In diesem Sinne: PWC, KOM – Order no. TAXUD/2009/AO-05, 91. 225 Angelehnt an: Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 231 f. 224

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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b) Relevanz von Pull-Systemen Zur Beantwortung des ersten Fragenkomplexes sind zunächst die möglichen Zahlungsmethoden im Online-E-Commerce genauer zu betrachten und zu klassifizieren. Nach Steinacker / K rauß unterscheiden sich die verschiedenen Zahlungsformen im Internet kaum, als einziges entscheidendes Abgrenzungskriterium kann die Art der Autorisierung herangezogen werden. Es gibt grob folgende Zahlungsformen im Internet: kartengestützte Zahlungen (z. B. Kreditkarten), Wallet- bzw. eWallet-Systeme (z. B. PayPal), Online-Überweisungen (z. B. giropay), elektronische Lastschriften, (gesicherter) Rechnungskauf und die Vorauskasse.226 Im OnlineE-Commerce gibt es keine Barkäufe von digitalen Dienstleistungen. Eine weitere Einteilung der Zahlungssysteme im Online-E-Commerce kann durch die Unterscheidung der Zahlungsweise vorgenommen werden. Man kann Zahlungen mit elektronischem Geld (kartengestützte Zahlungen, Wallet- bzw. eWallet-Systeme, Online-Überweisungen, elektronische Lastschriften, Rechnungskauf und Vorkasse) und virtuellen Währungen (Bitcoin, Amazon Coin) unterscheiden. Viele Konsumenten können sich bisher eine Nutzung von virtuellen Währungen nicht vorstellen.227 Dies könnte sich allerdings ändern, wenn die Hemmschwelle für Verbraucher zur Verwendung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel sinkt und damit die Häufigkeit dieser Zahlungsart steigt. Abhängig vom Blockchain-System könnten zwar alle getätigten Transaktionen pseudonymisiert gespeichert werden, insbesondere in einer öffentlichen zulassungsfreien Blockchain. Dies bedeutet allerdings nicht zwingend, dass in einem solchen Blockchain-System Transaktionsdaten für die steuerliche Bewertung und Rechtsdurchsetzung im DEMDI verfügbar sind. In der Zukunft könnten standardisierte Smart Contract für Zahlungen bereits vorhandene Informationen zur mehrwertsteuerlichen Ermittlung verwenden.228 Mangels einer Standardisierung von Kryptowährungen bleibt deren Integration in den DEMDI-Erhebungsmechanismus ausgeklammert. Der Fokus dieser Arbeit liegt daher auf elektronischem Geld, virtuelle Währungen werden in den folgenden Betrachtungen vernachlässigt. Nimmt man eine weitere Kategorisierung vor, so kann eine Differenzierung in der Initiierung des Zahlungsauftrages liegen. Thießen unterschied im Jahr 1999 empfängerinitiierte Bezahlverfahren, d. h. der Zahlungsprozess wird vom Empfänger angestoßen. Im Unterschied dazu beauftragt der Absender bei absenderinitiierten Bezahlverfahren seine eigene Bank mit der Übertragung des Geldes.229 Ein neueres Abgrenzungskriterium von Zahlungsmethoden im Internet stammt von Stengel / Weber 226

Steinacker / Krauß, in: Bräutigam / Rücker 938. Auf Österreich bezogen: Statista, Nutzen Sie die digitale Währung Bitcoin?, https:// de.statista.com/statistik/daten/studie/825243/umfrage/umfrage-zu-der-nutzung-der-digitalenwaehrung-bitcoin-in-oesterreich/, abgefragt am 23. 6. 2021. 228 Bosch, van der / Diederichsen / Demetrius, Derivates & Financial Instruments 2018 Vol. 20 No. 1, Punkt: 3.3. Blockchain: Make money smart. 229 Thießen, Bezahlsysteme im Internet (1999) 22, 23. 227

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

aus dem Jahr 2016, indem zwischen Push- und Pull-Systemen unterschieden wird. Pull-Systeme ziehen das Geld vom Käufer zu sich. Das bedeutet, dass der Unternehmer nach Autorisierungsanfrage den Geldfluss zu sich lenkt. Demgegenüber geht bei Push-Systemen die Zahlungsabwicklung vom Käufer aus.230 Allgemein beginnt eine Pull-Zahlung im Internet zunächst durch die Autorisierung der Zahlung durch den Käufer. Im Anschluss erfolgt das Clearing, d. h. der Unternehmer leitet die Anfrage an den Acquirer (theoretisch auf Unternehmerseite). Dieser leitet anschließend die Anfrage als Clearing über Schemen an den Issuer (theoretisch auf Verbraucherseite) weiter.231 In einem dritten Schritt erfolgt das Settlement, d. h. die Auszahlung durch das Schema an den Acquirer mit anschließender Auszahlung an den Unternehmer bzw. der Ausgleich mit dem Verbraucher.232 Pull-Systeme sind unter anderem kartengestützte Zahlungen, elektronische Lastschriften und Online-Überweisungen (giropay, Sofortüberweisung).233 Pull-Systeme haben im Unterschied zu Push-Systemen den Vorteil, dass der Unternehmer sicherer sein kann, dass er das Geld für seine Leistung erhält.234 Für das DEMDI-Modell ist diese Unterscheidung wichtig, da die initiierende Bereitstellung von Informationen im Verfahren durch den leistenden Unternehmer notwendige Bedingung für die Mehrwertsteuererhebung ist. In Push-Systemen leitet der Verbraucher das Verfahren ein (z. B. durch eine manuelle Überweisung), wodurch der leistende Unternehmer nicht gezwungen ist, den Smart Contract zur Durchführung des Zahlungsvorgangs zu befüllen. Bei Pull-Systemen initiiert zwar der Verbraucher den Zahlungsvorgang, die eigentliche Zahlungsabwicklung wird aber vom leistenden Unternehmer eingeleitet. Wenn die Verbraucherbank bzw. der Issuer die Anfrage erhält, zusammen mit dem halb befüllten Smart Contract, kann sie alle eingetragenen Informationen erneut überprüfen und schließlich das Split-Payment einleiten bzw. wird das Split-Payment vom Smart Contract eingeleitet. Demgegenüber wäre bei einem Push-System der leistende Unternehmer als letztes involviert, wenn er die Zahlung erhält. Daher sollte das DEMDI-Modell nur für Zahlungsformen mit Pull-Systemen gelten. Nimmt man nur Pull-Systeme wie Kreditkartenzahlungen, Lastschriftverfahren ins DEMDI-Modell auf, dann hätte man die meistverwendeten Zahlungssysteme im E-Commerce erfasst235 und könnte darüber eine 230

Stengel / Weber, Digitale und mobile Zahlungssysteme – Technologie, Verträge und Regulation von Kreditkarten, Wallets und E-Geld (2016) 32. 231 Für eine beispielhafte grafische Darstellung bei Kreditkarten: Steinacker / Krauß, in: Bräutigam / Rücker 939, 940. 232 Stengel / Weber, Digitale und mobile Zahlungssysteme – Technologie, Verträge und Regulation von Kreditkarten, Wallets und E-Geld (2016) 29, 30. 233 Steinacker / Krauß, in: Bräutigam / Rücker 939 ff. 234 Thießen, Bezahlsysteme im Internet (1999) 22. 235 Siehe dazu: Statista, Welche der folgernden Zahlungsformen beim Einkauf im Internet haben Sie in den letzten 12 Monaten genutzt?, https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/305220/umfrage/verfahren-zur-bezahlung-in-online-shops-in-oesterreich/, abgefragt am 23. 6. 2021; Statista, Welche Zahlungsmethode nutzen Sie am liebsten, um Einkäufe im Internet zu tätigen?, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/686850/umfrage/bevorzugtezahlungsarten-beim-online-shopping-weltweit/, abgefragt am 23. 6. 2021.

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Informationsübermittlung durch den leistenden Unternehmer sicherstellen. Liegen keine Informationen über den Smart Contract zum durch den Unternehmer initiierten Zahlungsverfahren bei der Verbraucherbank oder beim Issuer vor, findet kein Clearing statt (oder alternativ spätestens beim Settlement) und der Verkaufsvorgang wird auf der Internetseite abgebrochen. Dadurch wird eine Teilnahme des Unternehmers am DEMDI-Modell sichergestellt. Bei einer Nichtteilnahme am Verfahren kann der Unternehmer zwar seine digitalen Dienstleistungen weiter anbieten, aber die am häufigsten verwendeten Zahlungsformen stehen für eine Abwicklung der Geschäfte nicht mehr zur Verfügung. Dadurch wird gewährleistet, dass der leistende Unternehmer sich zum einen registriert und zum anderen die Mehrwertsteuer bei Umsätzen mit digitalen Dienstleistungen bei den häufigsten Zahlungsformen im Internet erhoben wird. c) Identifizierung von Zahlungen im Online-E-Commerce Über Pull-Systeme werden viele Transaktionen abgewickelt, die nicht für digitale Dienstleistungen erfolgen oder B2B sind. Damit der Zahlungsdienstleister eine Unterscheidung treffen kann, ob für die Durchführung der Zahlung ein Smart Contract (bei digitalen Dienstleistungen B2C) erforderlich ist, müssen geeignete Mechanismen zur Unterscheidung vorliegen. Eine Unterscheidung zwischen B2Bund B2C-Transaktionen könnte der erhebende Zahlungsdienstleister, also die Verbraucherbank oder der Issuer treffen. Aufgrund der Know-your-Customer-Regelung im Bankgeschäft sind Banken verpflichtet, den Kontenbesitzer zu kennen.236 Es müsste eine Vermutungsregelung zum Vorliegen der Nichtunternehmerschaft geschaffen werden, damit Zahlungsdienstleister im Zweifel B2C-Transaktionen (bei digitalen Dienstleistungen) blockieren können. Es gibt bisher keine Regelung, die auf einen zukünftigen automatisierten Erhebungsmechanismus übertragen werden kann. Art. 18 Abs. 2 MwSt-DVO enthält bereits eine Vermutungswirkung der Nichtunternehmerschaft bei digitalen Dienstleistungen, wenn die UID nicht vom Dienstleistungsempfänger bekannt gegeben wird. Allerdings bezieht sich diese Vorschrift auf den Dienstleistungserbringer, also den leistenden Unternehmer. Zur Bestimmung des Leistungsortes verwendet Art. 24f lit. c MwSt-DVO als Beweismittel „… Bankangaben wie der Ort, an dem das für die Zahlung verwendete Bankkonto geführt wird oder die der Bank vorliegende Rechnungsanschrift des Dienstleistungsempfängers …“. Zur Bestimmung des Leistungsortes ist nach Art. 24f lit. c Alt. 1 MwSt-DVO nicht entscheidend, dass der Verbraucher auch mit dem Inhaber des Kontos identisch ist. Bzw. wird nach Art. 24f lit. c Alt. 2 MwSt-DVO vermutet, dass sich der Leistungsort bei der Rechnungsanschrift des Dienstleis-

236

Zyl, van / Schulze, The collection of value added tax on cross-border digital trade – part 2: VAT collection by banks, Comparative and International Law Journal of Southern Africa 2014, 316 (320, 321).

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

tungsempfängers befindet. Aus diesem Grund sollte ebenfalls eine Vermutung die folgende Annahme treffen: Sobald eine Transaktion bei digitalen Dienstleistungen über das Konto einer natürlichen Person abgewickelt wird, erfolgt die Transaktion für eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 MwSt-SystRL und zur Durchführung der Zahlung müssen weitere Informationen in Form des Smart Contract vorliegen. Durch diese Einteilung könnten Zahlungsdienstleister im DEMDI-Modell eine Unterscheidung zwischen B2B- und B2C-Transaktionen treffen und somit eine Erhebung der Mehrwertsteuer sicherstellen. Liegt im Zweifel eine wirtschaftliche Tätigkeit vor und die Bezahlung erfolgt über ein privates Konto, müsste der empfangende Unternehmer entweder seine UID beim leistenden Unternehmer angeben oder von seinem Unternehmerkonto bezahlen. Somit ist eine Leistungsabwicklung in B2B-Situationen nicht verwehrt, die Mehrwertsteuererhebung aber gesichert. Selbst wenn Zahlungsdienstleister eine Unterscheidung zwischen B2B- und B2CSituationen treffen können, muss dennoch die zugrundeliegende Leistungsart für die vorgenommene Zahlung bestimmt werden. Es kann vermutlich im Zahlungsverkehr nicht zweifelsfrei bestimmt werden, welche Zahlung für welche Leistung getätigt wurde. Doch die exakte Bestimmung der Leistung im Zahlungsverkehr ist im Zweifel nicht notwendig. Beispielsweise könnte die Leistung oder die Branche pauschal ermittelt werden. Dadurch könnten Zahlungsdienstleister Transaktionen näherungsweise kategorisieren, womit das Blockieren von Zahlungen ermöglicht werden würde. Der nachfolgende Abschnitt untersucht, ob bei Pull-Transaktionen am Beispiel von Kreditkartenzahlungen und Lastschriften eine Unterscheidung des Transaktionsinhalts, konkret bei digitalen Dienstleistungen, möglich wäre. Bei Lastschriften ist aufgrund der Befüllungsregeln nicht ersichtlich, dass die leistende Branche oder die Leistungsart näher definiert wird.237 Es kann daher bei Lastschriften keine näherungsweise Orientierung vorgenommen werden, für welche Leistung die Zahlung erfolgte. Kreditkarten könnten eine Orientierung über den MCC ermöglichen.238 Somit ergeben sich mehr Möglichkeiten zur Eingrenzung der empfangenen Leistung für Zahlungen mit Kreditkarten als bei Lastschriften. Im Jahr 2018 ist die Anzahl der Lastschriften im Euroraum auf ca. 21 Milliarden gewachsen.239 Die Bedeutung von Lastschriften steigt und es sollte deshalb eine Eingrenzung der getätigten Leistungen möglich sein. Im Allgemeinen ist die Bestimmung des Leistungsinhalts im Zahlungsvorgang schwierig. Dies gilt auch für Kreditkartenzahlungen durch Umgehungsmöglichkeiten des Branchencodes.240 237 Österreichische Nationalbank, SWIFT-Befüllungsregeln für den EUR Zahlungsverkehr für ASTI ab November 2016 Version 1.0, Stand 11. 10. 2016, 44. 238 Siehe dazu: Erstes Kapitel D. II. Eigenheiten im Online-E-Commerce. 239 European Central Bank, Payments statistics: 2018, https://www.ecb.europa.eu/press/pr/ stats/paysec/html/ecb.pis2018~c758d7e773.en.html, abgefragt am 26. 8. 2019. 240 Für mehr Informationen und mit einer Darstellung am Beispiel des unerlaubten Internetglückspiel in den Vereinigten Staaten: Brugger, Abbruch der Zahlungsströme als Mittel zur Bekämpfung unerlaubter Internetglücksspiele (2013) 154–158.

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Durch die mangelnde Zuordnung der Leistung kann der Zahlungsdienstleister im DEMDI-Modell eingehende Transaktionen nicht unterscheiden und im Zweifel keine Blockierung der Zahlungsanfrage, bei Nichtvorliegen eines Smart Contract, durchführen. 5. Änderungsvorschläge in der europäischen Zahlungsverkehrsinfrastruktur a) Notwendige Änderungen der Zahlungsverkehrsinfrastruktur Daraus ergibt sich das Erfordernis, dass Zahlungsdienstleister in die Lage versetzt werden müssen, die Leistungsart näherungsweise bestimmen zu können. Aufgrund der Bestimmung der Leistung kann der DEMDI-Mechanismus ansetzen und eine Erhebung der Mehrwertsteuer sicherstellen. Eine Kategorisierung der Leistung im Zahlungsverkehr kann am besten ähnlich wie durch die Brancheninformationen der MCC erfolgen. Dazu müssten die Kommunikationsanforderungen der Zahlungsdienstleister und Banken verändert werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch die EU-Kommission in einem Impact Assessment. Es werden auf technische Herausforderungen beim Split-Payment im Zusammenhang mit der SEPA (Single Euro Payment Area) Verordnung und der Zahlungsdiensterichtlinie 2 verwiesen.241 Die Deloitte Studie aus dem Jahr 2017 vertritt zum Split-Payment die Ansicht, dass eine Umsetzung aufgrund der weitreichenden technischen Anforderungen und unter Berücksichtigung des Datenschutzes der Kunden nicht möglich ist.242 Im folgenden Abschnitt werden überblicksartig notwendige Änderungen in europäischen Zahlungsverkehrssystemen zur Durchführung des DEMDI-Modell thematisiert. b) Europäische Zahlungsverkehrsinfrastruktur Im Januar 2018 trat die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (nachfolgend bezeichnet als Payment Service Directive 2 = PSD 2) in allen Mitgliedstaaten in Kraft. Während in der PSD 1243 noch die Harmonisierung der fragmentierten Zahlungsverkehrsmärkte im Mittelpunkt stand,244 war die PSD 2245 zusätzlich zum Verbraucherschutz und der Zahlungssicherheit auf den Zugang neuer Zahlungsdienstleister 241

EU-Kommission, SWD (2018) 488 final 12. 12. 2018, 31. Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 47 ff. 243 RL 2007/64/EG ABl. L 2007/319, 1. 244 RL 2007/64/EG ABl. L 2007/319, 1, Erwägungsgrund 2, 3. 245 RL (EU) 2015/2366 ABl. L 2015/337, 35. 242

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

(FinTech) gerichtet.246 Viele Verbraucher haben durch fehlende Kreditkarten bisher keinen Zugang zum E-Commerce. Durch den erleichterten Marktzugang für neue Zahlungsmethoden soll diese Schwelle gesenkt werden.247 Auch vertritt die EU einen technologieneutralen Ansatz.248 Dadurch könnten sich neue Zahlungssysteme schnell von den alten Zahlungsverkehrssystemen entkoppeln und neue Implementierungsschwierigkeiten für das DEMDI-Modell ergeben. SEPA wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 260/2012249 und die Verordnung (EU) Nr. 248/2014250 umgesetzt. SEPA ist eine Zahlungsverkehrsinitiative und steht für einen einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum. Es ist Ziel zur Harmonisierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beizutragen, indem alle Zahlungen wie inländische Zahlungen behandelt und Unterscheidungen abgeschafft werden.251 Im Unterschied zu SEPA wollen die PSD 1 und 2 einheitliche Standards und Rechtssicherheit im Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten etablieren sowie die Akzeptanz elektronischer Zahlungsmethoden erhöhen. Nach Huch können dadurch erst die SEPA Dienstleistungen voll zur Geltung kommen.252 Die Zahlungsdienste­ richtlinien sind Bestandteil des SEPA-Projekts und geben gewissermaßen einen Rahmen vor.253 c) Änderungen der PSD 2 und SEPA VO Art. 94 Abs. 1 PSD 2 gestattet die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Zahlungsdienstleister oder Zahlungssysteme, wenn diese zur Verhütung, Ermittlung und Feststellung von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr notwendig sind. In Art. 94 Abs. 2 PSD 2 wird der Datenschutz gestärkt, indem Zahlungsdienstleister nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers personenbezogene Daten abrufen, verarbeiten und speichern dürfen.254 Personenbe 246

EU-Kommission, Payment Services Directive: frequently asked questions, MEMO/15/5793 12. 1. 2018, Fragen 1 bis 3. 247 Donnelly, Payments in the digital market: Evaluating the contribution of Payment Services Directive II, Computer Law & Security Review 2016, 827 (830). 248 Tuba, The technology-neutral approach and electronic money regulation in the EU: identifying the promises and challenges for future regulation in South Africa, Comparative and International Law Journal of Southern Africa 2014, 372 (381 ff.). 249 VO (EU) Nr. 260/2012 ABl. L 2012/94, 22. 250 VO (EU) Nr. 248/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 in Bezug auf die Umstellung auf unionsweite Überweisungen und Lastschriften, ABl. L 2014/84, 1. 251 Huch, Der einheitliche EU-Zahlungsverkehr  – Inhalte und Auswirkungen von PSD I, PSD II und SEPA (2014) 16 ff. 252 Huch, Der einheitliche EU-Zahlungsverkehr  – Inhalte und Auswirkungen von PSD I, PSD II und SEPA (2014) 23, 24. 253 Olshausen, von, Die SEPA-Lastschrift: Erfüllung – Aufrechnung – Insolvenz (2015) 3. 254 Aschenbeck / Drefke, Digital Payment, in: Klebeck / Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen – FinTechs, Mobile Payment, Crowdfunding, Blockchain, Kryptowährungen, ICOs, Robo-Advice (2018) S. 339 Rz. 174.

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zogene Daten sind gemäß Art. 4 Z. 1 DS-GVO255 alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare oder identifizierte natürliche Person beziehen. Der EuGH hat hierzu eine Trennlinie gezogen. Demnach sind Informationen für denjenigen personenbezogen, der über Wissen verfügt, um diese mit zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln einer bestimmten Person zuzuordnen.256 Bei der Erfassung von Branchencodes des leistenden Unternehmers für Transaktionen an Verbraucher wäre dieser Tatbestand erfüllt, da über die Kontodaten der Leistungsinhalt einer Person zugeordnet werden könnte. Es ist weiter fraglich, ob diese Informationen zur Verhütung, Ermittlung und Feststellung von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr durch den Zahlungsdienstleister notwendig sind. Die Informationen dienen zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung, indem Zahlungen blockiert werden würden, die von nicht mehrwertsteuerkonformen leistenden Unternehmern initiiert werden. Die Vorschrift bezieht sich auf die interne Betrugsbekämpfung von Banken / Zahlungsdienstleister. Diesen wird keine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zum Schutz des Finanzwesens übertragen. Ebenfalls wird das bestehende Datenschutzrecht nach Art. 94 Abs. 1 PSD 2 nicht verdrängt.257 Zahlungsdienstleister könnten nicht Branchencodes verarbeiten und verwenden, um Transaktionen für digitale Dienstleistungen zu identifizieren, damit die Mehrwertsteuerhinterziehung bekämpft wird. Es wäre daher notwendig, die erlaubte Verarbeitung von personenbezogenen Daten, um den Passus „die notwendig sind, um Steuerhinterziehung / Mehrwertsteuerhinterziehung zu bekämpfen“ in Art. 94 Abs. 1 PSD 2 zu erweitern. Die SEPA VO (EU) Nr. 260/2012 enthält im Anhang unter „Technische Anforderungen (Artikel 5)“ kein Feld für die verschiedenen Zahlungsmethoden (i. S. d. Art. 5 SEPA VO Überweisungen, Lastschrift und Kartenzahlungen),258 die eine Zuordnung der Leistung durch einen Branchencode des leistenden Unternehmers zulassen würde.259 SEPA Zahlungen und Lastschriften enthalten daher keine Informationen (Branchencode) mit dem ein Zahlungsdienstleister im DEMDI-Modell eine Kategorisierung der Transaktionen vornehmen kann. Optimalerweise würde in die Liste der technischen Anforderungen für alle SEPA Zahlungsarten ein verpflichtendes Feld zur Eintragung des Branchencodes bei Pull-Transaktionen hinzugefügt werden. Die verpflichtende Eintragung des Branchencodes führt dazu, dass beispielsweise bei der Abwicklung einer SEPA Lastschrift zwingend ein Branchencode eingetragen werden muss. Wird kein Branchencode vom leistenden 255

VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 2016/119, 1. 256 EuGH 19. 10. 2016, C-582/14, Patrick Breyer / Bundesrepublik Deutschland; Martini /  Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1252, 1253). 257 Weichert, Die Payment Service Directive 2 und der Datenschutz, BB 2018, 1161 (1164). 258 Huch, Der einheitliche EU-Zahlungsverkehr  – Inhalte und Auswirkungen von PSD I, PSD II und SEPA (2014) 24. 259 VO (EU) Nr. 260/2012 ABl. L 2012/94, 22, Anhang.

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Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

Unternehmer in die Zahlungsdaten eingetragen, kann die Lastschrift nicht abge­ wickelt werden. Aufgrund des Branchencodes kann der erhebende Zahlungsdienstleister im DEMDI-Modell feststellen, ob eine Transaktion B2C mit einer Branche, welche digitale Dienstleistungen vertreibt, durchgeführt wird. Der Branchencode muss durch das kontoführende Institut vergeben werden. Liegt kein parallel beschriebener Smart Contract mit Informationen zur genauen Bestimmung der korrekten Mehrwertsteuer vor, wird die Zahlung nicht ausgelöst. 6. Datenschutzrechtliche Probleme beim Einsatz einer Blockchain a) Grundlagen Das DEMDI-Modell basiert auf einer zulassungsbeschränkten öffentlichen Blockchain.260 Wichtigstes Element dieses Systems ist die zur Verfügungstellung von geeigneten Informationen zur Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer und der anschließenden Erhebung durch Smart Contract. Dafür ist es notwendig, dass Daten verarbeitet, gespeichert und weitergeleitet werden. In einem transparenten Blockchain-System kann jeder alle Informationen einsehen. Privatsphäre oder Datenschutz sind nicht gegeben. Demgegenüber liegt zum Beispiel in einer privaten Blockchain keine Transparenz vor.261 Mischsysteme, wie öffentliche zulassungsbeschränkte Blockchain machen einen Spagat zwischen diesen entgegenstehenden Prinzipien. In der Blockchain werden Identitäten durch pseudonymisierte Adressen dargestellt.262 Nach Martini / Weinzierl lässt sich insbesondere in zulassungsbeschränkten Blockchain leicht ein Personenbezug herstellen, i. S. v. Art. 4 Z. 1 Hs. 1 Alt. 2 DS-GVO. Durch die Vergabe von Zulassungen ergibt sich das Problem, dass die Vergabeinstanz in der Lage ist Rückschlüsse auf die Personen hinter dem öffentlichen Schlüssel zu ziehen. Knoten und Miner (Finanzverwaltungen im DEMDI-Modell) werden als Auftragsverarbeiter nach Art. 4 Z. 8 i. V. m. Art. 28 DS-GVO tätig.263 Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Unveränderlichkeit der Blockchain und dem Recht auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO.264 In der Blockchain verfügt jeder Knoten über eine Kopie des gesamten Netzwerks. Dies stellt die Umsetzung des Vergessen-werdens vor Herausforderung, wenn auf allen Knoten die Informationen gelöscht werden müssen.265

260

Siehe dazu: Viertes Kapitel F. III. 3. c) Problemlösungen. Wüst / Gervais, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (II. Background on Blockchain, B. Tensions between Transparency and Privacy). 262 Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 252. 263 Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1253, 1254). 264 Böhme / Pesch, DuD 2017, 473 (480). 265 Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1255). 261

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

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b) Relevanz für den DEMDI Das DEMDI-Modell erfasst Informationen von Verbrauchern zur Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer und speichert diese in einem Smart Contract. Der erhebende Zahlungsdienstleister verwertet diese Informationen und validiert anschließend die Transaktion. Das DEMDI-Modell wäre nur durchführbar, wenn Aspekte des Datenschutzes gewahrt werden. Datenschutzrechte der leistenden Unternehmer oder der erhebenden Zahlungsdienstleister sind nach Art. 1 Abs. 1 DS-GVO nicht zu berücksichtigen.266 Der Fokus liegt auf dem Verbraucher als natürliche Person und der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nach Art. 4 Z. 1 DS-GVO. Sowohl der leistende Unternehmer als auch der erhebende Zahlungsdienstleister verarbeiten Informationen des Verbrauchers, das umfasst Zahlungen, Leistungskategorien durch den Branchencode und Zahlungsströme. Bei diesen Informationen handelt es sich um personenbezogene Daten nach Art. 4 Z. 1 DS-GVO.267 Sensible Daten i. S. v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO sind nicht betroffen. Grundsätzlich ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten und damit eine Einschränkung des Datenschutzes nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DS-GVO möglich, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt im DEMDI-Modell durch die erhebenden Zahlungsdienstleister bzw. durch die leistenden Unternehmer. Aber auch die Finanzverwaltungen als Miner haben eine Leseberechtigung und validieren alle getätigten Transaktionen. Die Verarbeitung der Informationen steht im öffentlichen Interesse, wenn eine Grundlage im Unionsrecht oder im Recht eines Mitgliedstaats besteht.268 Dies bedeutet, dass für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten im DEMDI-Modell eine Grundlage im Unionsrecht oder im Recht eines Mitgliedstaats geschaffen werden muss, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Zieladäquanz in Art. 5 DS-GVO.269 Die Verarbeitungsgrundlage könnte durch das öffentliche Interesse zur Gleichmäßigkeit in der Besteuerung vorliegen.270 Angelehnt an die Literatur sind der leistende Unternehmer, der erhebende Zahlungsdienstleister sowie die Finanzverwaltungen (Miner) als Verantwortliche bzw. gemeinsam Verantwortliche i. S. d. Art. 24 ff. DSGVO zu betrachten.271 Eine gemeinsame Verantwortlichkeit i. S. d. Art. 26 DS-GVO 266 Anderl / Hörlsberger / Müller, Kein einfachgesetzlicher Schutz für Daten juristischer Personen, ÖJZ 2018, 14 (15). 267 In diesem Sinne: Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 242; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der Betrugsbekämpfung“ – 2019/C 240/07, 16. 07. 2019, Punkt 3.9. 268 VO (EU) 2016/679 ABl. L 2016/119, 1, Erwägungsgrund 45. 269 Angelehnt an: Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 244. 270 Basierend auf: Ehrke-Rabel / Hödl, in: Jahnel 249, 250. 271 Jakúbek / Panic, Das Zusammenspiel zwischen der DSGVO und der Bitcoin Blockchain – Friedliche Koexistenz oder unüberwindbare Differenzen?, MR 2018, 255 (256 ff.).

182

Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

könnte daher gegeben sein, da die Teilnehmer im DEMDI-Modell bewusst und gewollt zusammenwirken und als gemeinsames Ziel die Erhebung der Mehrwertsteuer sowie die Abwicklung der Zahlung haben.272 Das bedeutet, dass die Verantwortlichen dafür Sorge zu tragen haben, dass ein ausreichender Schutz der Verbraucherdaten besteht, i. S. d. Art. 24, 25 DS-GVO. c) Problemlösung der datenschutzrechtlichen Anforderungen Das Kapitel gibt einen Überblick über Lösungsmöglichkeiten und technische Instrumente zur Umsetzung der DS-GVO. Werden zum Datenschutz technische /  kryptographische Verfahren in der Blockchain benutzt, geht dies grundsätzlich zu Lasten der Einfachheit des Systems.273 Die Darstellung berücksichtigt zwei Problemgruppen: Das Recht auf Vergessen-werden nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO und die Anonymisierung bzw. den Schutz von Verbraucherdaten nach Art. 25 DS-GVO beim Austausch über den Smart Contract zur Ermittlung der korrekten Mehrwertsteuer. Das Recht auf Vergessen-werden könnte dadurch umgesetzt werden, indem das Protokoll die automatische Löschung von nicht mehr relevanten Transaktionen vornimmt. Dies ist in der Blockchain-Architektur durch das sogenannte Pruning möglich. Die Integrität der Blockchain und die Historie würden nicht beschädigt werden, wenn die personenbezogenen Daten gelöscht werden würden. Das dazugehörige Ereignis müsste weiterhin als Hash auftauchen.274 Martini / Weinzierl schlagen zur Umsetzung von Löschungsanordnungen eine zentrale Instanz oder eine Minimierung der Knoten vor, um über Schnittstellen direkt in die Blockchain-Historie eingreifen zu können.275 Diese Methoden gehen alle zu Lasten des Konsensmechanismus. Auch läuft die Installierung einer zentralen Instanz zur Durchsetzung von Löschungen dem dezentralen Gedanken hinter der Blockchain entgegen. Dies führt dazu, dass sowohl das Vertrauen in die Integrität und Wahrheit der Daten leidet, außerdem wird die Blockchain angreifbarer. Grundsätzlich empfiehlt das EU Blockchain Observatory and Forum die Vermeidung von gespeicherten persönlichen Daten auf der Blockchain. Diese Herangehensweise deckt sich mit dem Grundprinzip der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO.276 Allerdings sind auch im DEMDI-Modell Verbraucherdaten notwendig, damit unter anderem der Leistungsort bestimmt (Vermutungen nach Art. 24 ff. MwSt-DVO), eine Zuordnung des Smart Contract zwischen leistenden Unternehmer und erhebenden Zahlungsdienstleister erfolgen sowie die Branche 272

Anderl / Schelling, Datenschutz und Blockchain: Ein unauflösbares Dilemma?, ecolex 2019, 633 (634 ff.). 273 Wüst / Gervais, in: IEEE Computer Society Conference Publishing Services (II. Background on Blockchain, B. Tensions between Transparency and Privacy). 274 In diesem Sinne: Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1255). 275 Martini / Weinzierl, NVwZ 2017, 1251 (1255–1257). 276 Anderl / Hörlsberger / Müller, ÖJZ 2018, 14 (1163).

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

183

über Zahlungsverkehrssysteme ermittelt werden kann. Diese Daten sollten durch Datenverschleierung, Verschlüsselung und Aggregation anonymisiert werden.277 Böhme / Pesch verweisen auf Zero-Knowledge-Verfahren zur kryptographischen Verschlüsselung, die eine formale Korrektheitsprüfung der Daten zulassen, ohne den Inhalt zu kennen.278 Diese Methode wäre einsetzbar, wenn der Smart Contract allein die Verbraucherdaten einsehen könnte und keine Auswertung durch Dritte zulässt. Einzig die Finanzverwaltungen müssten anonymisierte Kennzahlen vom Smart Contract erhalten, damit Daten zu den getätigten Transaktionen erzeugt werden und im Zweifel eine Überprüfung der am DEMDI-Verfahren Beteiligten erfolgen kann. Für Schwartmann / Weiß kann eine Vereinbarkeit bei der Verarbeitung personenbezogener Daten mit dem Datenschutz nur durch eine Pseudonymisierung der Daten sichergestellt werden.279 Gewährleistet wird dies nach Anderl / Schelling, indem die Daten verschlüsselt auf der Blockchain abgelegt werden und der Schlüssel zur Identifizierung der Person (Verbraucher) von den eigent­ lichen Daten separiert wird. Insgesamt wird dadurch die Identifizierung des Verbrauchers eingeschränkt. Möchte der Verbraucher seine Daten löschen, dann wird der Schlüssel zur Identifizierung des Verbrauchers gelöscht.280 Diese Sichtweise wird auch von einer Datenschutzbehörde in einer Entscheidung geteilt, wonach das Entfernen eines „…  Personenbezugs („Anonymisierung“) von personenbezogenen Daten … grundsätzlich ein mögliches Mittel zur Löschung i. S. v. Art. 4 Z 2 i. V. m. Art. 17 Abs. 1 …“ DS-GVO darstellen kann.281 Das bedeutet, dass die personenbezogenen Daten im Smart Contract pseudonymisiert abgelegt werden müssen. Eine Löschung der Daten könnte mit der Löschung des Schlüssels zur Pseudonymisierung der Daten erfolgen. Dieses Kapitel zeigt die Schwierigkeiten auf, die bei einem dezentralisierten / transparenten System wie der Blockchain mit dem Datenschutz entstehen können. Die Vereinbarkeit der Blockchain mit Datenschutzstandards ist möglich, wenn Verschlüsselungstechniken verwendet und die Rechte der einzelnen Beteiligten im System genau definiert werden.282 Diese Anforderungen können leichter erfüllt werden, wenn wie im DEMDI-Modell eine zulassungsbeschränkte Blockchain eingesetzt wird.283

277 The European Union Blockchain Observatory and Forum, Blockchain and the GDPR, 10.2018, 29 f. 278 Böhme / Pesch, DuD 2017, 473 (480 f.). 279 Schwartmann / Weiß, Whitepaper zur Pseudonymisierung der Fokusgruppe Datenschutz der Plattform Sicherheit, Schutz und Vertrauen für Gesellschaft und Wirtschaft im Rahmen des Digital-Gipfels 2017 – Leitlinien für die rechtssichere Nutzung von Pseudonymisierungslösungen unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung –, 2017, 22 f. 280 Anderl / Schelling, ecolex 2019, 633 (636). 281 Datenschutzbehörde, Entscheidung GZ: DSB-D123.270/0009-DSB/2018 vom 5. 12. 2018. 282 Anderl / Schelling, ecolex 2019, 633 (637). 283 The European Union Blockchain Observatory and Forum, Blockchain and the GDPR, 10.2018, 5, 30 f.

184

Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

7. Gesamtübersicht DEMDI In einer Gesamtbetrachtung muss sich der Unternehmer zunächst für den Zugang von DEMDI über ein Interface registrieren. Initiiert der Verbraucher eine Transaktion beim leistenden Unternehmer, übermittelt dieser eine elektronische Zahlungsanfrage über das reguläre Zahlungsverkehrssystem per SSL / TLS Verschlüsselung. Der leistende Unternehmer trägt zur Nutzung des DEMDI parallel auf einen Smart Contract Informationen zur Ermittlung der Mehrwertsteuer ein. Der erhebende Zahlungsdienstleister empfängt den halb befüllten Smart Contract und die elektronische Zahlungsanfrage. Durch die parallel empfangenen Informationen über die elektronisch übermittelte Zahlungsanfrage können die Informationen validiert werden. Der Smart Contract exekutiert anschließend das SplitPayment. Eine Nettozahlung wird an den leistenden Unternehmer ausgeführt und die Mehrwertsteuer wird auf ein blockiertes Mehrwertsteuerverrechnungskonto des leistenden Unternehmers überwiesen. Abschließend erfolgt die Löschung des Schlüssels für die pseudonymisierten Verbraucherdaten, die auf dem Smart Contract eingetragen wurden, um die korrekte Mehrwertsteuer zu berechnen.

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 1: Dezentraler Erhebungsmechanismus für die Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen

F. Umsetzung des DEMDI mithilfe der Blockchain-Technologie

185

8. Änderungen im unionsrechtlichen System der Mehrwertsteuer Eine Einführung des DEMDI-Modells führt parallel zu umfangreichen Änderungen der aktuellen unionsrechtlichen Regelungen im Bereich der Mehrwertsteuer. Das DEMDI-Modell kann nur das beste Ergebnis zur Bekämpfung der Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce erzielen, wenn es in der gesamten EU einheitlich und für alle Mitgliedstaaten verpflichtend umgesetzt wird. Ausnahmeregelungen nach Art. 395 MwSt-SystRL wären deshalb nicht möglich. Dieses Kapitel gibt einen Überblick zu den wichtigsten notwendigen Änderungen bei Einführung des DEMDI-Modells auf unionsrechtlicher Ebene. Neue Regelungen müssten im Bereich des Besteuerungsverfahrens sowie auf Ebene der Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten geschaffen werden, damit die gemeinsame blockchainbasierte Kommunikationsplattform im DEMDI-Modell umgesetzt werden kann. Bisher enthält die MwSt-SystRL keine Bestimmungen zum Split-Payment-Mechanismus, auf dem das DEMDI-Modell aufbaut. Es müssten daher Bestimmungen eingefügt werden, die einen Split-Payment-Mechanismus i. S. d. DEMDI-Modell verpflichtend für alle Mitgliedstaaten einführt. Es eignet sich zu diesem Zweck am besten „Titel XII: Sonderregelungen“ der MwSt-SystRL. In diesem Titel sind bereits Sonderbestimmungen zum MOSS aufgenommen. Die Einführung von neuen Bestimmungen i. S. eines Split-Payment-Verfahrens in Titel XII wird auch von der Deloitte Studie präferiert.284 Ersetzt das DEMDI-Modell die Erhebung durch den MOSS für EU- und Drittlandsunternehmer, steht die Frage im Raum, ob die Bestimmungen in Art. 358 bis 369k MwSt-SystRL noch notwendig sind und wegfallen können. Durch die Abschaffung der Regelungen könnten ComplianceAnforderungen für Mehrwertsteuerpflichtige gesenkt werden. Weiter sollten klare Bestimmungen zur Entstehung sowie Verortung von Mehrwertsteuerpflichten im Prozess der Datenübermittlung zwischen dem leistenden Unternehmer und den erhebenden Zahlungsdienstleister eingefügt werden. Die Bestimmungen sollten zwischen EU-Unternehmern und Drittlandsunternehmern unterscheiden. Außerdem sollte im Detail erläutert werden, für welche Transaktionen das DEMDI-Modell verpflichtend anzuwenden ist (ua digitale Dienstleistungen, B2C). Daneben muss eine Aufgabenbeschreibung im Prozess der Erhebung für den leistenden Unternehmer und den erhebenden Zahlungsdienstleister aufgenommen werden. Für eine exakte einheitliche unionsweite Umsetzung und eine erhöhte Rechtssicherheit bei der Informationsübermittlung zwischen leistenden Unternehmer mit dem erhebenden Zahlungsdienstleister ist es notwendig, dass diese Bestimmungen mit detaillierteren Ausführungen übernommen werden. Dies kann eine Verordnung ermöglichen, da sie nach Art. 288 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Als Standort bietet 284

Deloitte, Analysis of the impact of the split payment mechanism as an alternative VAT collection method – Final Report (2017) 49.

186

Kap. 4: Plädoyer für eine automatisierte Mehrwertsteuererhebung 

sich „Kapitel XI: Sonderregelungen“ der MwSt-DVO an. In diesem Kapitel wurden bereits Sonderregelungen zum MOSS in Art. 57a ff. MwSt-DVO aufgenommen, die ebenfalls wegfallen könnten. Bei einer Implementierung eines Kommunikationssystems mit der Hilfe eine Blockchain, in dem die Finanzverwaltungen die Miner sind, ist ebenfalls für eine bessere und einheitliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten eine Verordnung zu plädieren. Es kommt die MwSt-ZVO (EU) Nr. 904/2010 oder die MwSt-ZDVO (EU) Nr. 815/2012 in Betracht. In der MwSt-ZVO könnten Art. 43 bis 47 MwStZVO ersetzt werden oder es wird eine eigene Durchführungsverordnung eingeführt. Dieser legistische Ansatz wurde auch im Legislativpaket der EU-Kommission zur Einführung der obligatorischen Übermittlung und zum Austausch von mehrwertsteuerrelevanten Zahlungsinformationen durch Zahlungsdienstleister gewählt.285 Eine eigene Durchführungsverordnung wäre für die technische Umsetzung des DEMDI-Modells i. S. d. Art. 58 Abs. 2 MwSt-ZVO erstrebenswert, damit die umfangreichen Bestimmungen und die Koordinierung im Entwicklungsprozess aufgenommen werden können. Überlegenswert könnte es sein, das Basisprotokoll des auf der Blockchain basierenden Smart Contract ebenfalls in eine Durchführungsverordnung zu überführen. Zur Vereinfachung für KMU könnten die blockierten Mehrwertsteuerkonten eine Verrechnung mit anderen Steuerarten erlauben, woraus sich auch Implikationen mit anderen Steuerarten ergeben würden.

G. Ergebnis viertes Kapitel Die Diskussion um neue Erhebungsmechanismen in der Mehrwertsteuer ist nicht neu. Durch das Internet und die Ausbreitung des grenzüberschreitenden ECommerce gewinnt die Diskussion um alternative Erhebungsmechanismen zunehmend an Bedeutung. Auch wenn neue Mechanismen notwendig wären, zeigen sich in den Umsetzungsbeispielen des Split-Payment-Schwierigkeiten. Meistens führten Umsetzungsbeispiele im Rahmen eines Split-Payment-Mechanismus zu neuen komplizierten Regelungen, die das ohnehin schon komplizierte Mehrwertsteuerrecht weiter überfrachten. Die Umsetzung eines automatischen Erhebungsmechanismus an der Zahlungsquelle in B2C-Situationen im E-Commerce ist ein effektiver Weg, damit die Mehrwertsteuererhebung sichergestellt werden kann. Allerdings ist die Mehrwertsteuer nicht mit den Leistungs- und Zahlungswegen im Internet synchronisiert. Bisherige Modelle für eine Echtzeitinformationsübermittlung oder Erhebung der Mehrwertsteuer konzentrieren sich mehr oder weniger ausschließlich auf die Blockchain-Technologie zur Informationsübermittlung. Entscheidet man sich für eine Echtzeit-Erhebung der Mehrwertsteuer, ohne die Einführung einer virtuellen Mehrwertsteuer, dann ist die richtige Implementierung des Verfahrens im Zah 285

EU-Kommission, KOM (2018) 813 final 12. 12. 2018, 6.

G. Ergebnis viertes Kapitel

187

lungsverkehr entscheidend für dessen Erfolg. Aus diesem Grund wurde in den vorherigen Kapiteln ein Schwerpunkt auf die Elemente des Zahlungsverkehrs im DEMDI-Modell gelegt. Am Beispiel des DEMDI-Modells zeigen sich viele Umsetzungsschwierigkeiten bei der Einführung einer Echtzeit-Erhebung der Mehrwertsteuer. Neben der schwierigen Implementierung im Zahlungsverkehrssystem ergeben sich auch durch die Übermittlung von Verbraucherdaten datenschutzrechtliche Probleme. Diese Problemfelder sind jedoch lösbar, wie die beschriebenen Lösungswege aufgezeigt haben.

Fünftes Kapitel

Ergebnisse und Thesen der Arbeit Die fortschreitende Digitalisierung stellt eine Herausforderung dar. Am Beispiel des Online-E-Commerce wurden Schwierigkeiten im Zusammenspiel des OnlineE-Commerce mit der Mehrwertsteuererhebung dargestellt. Einfache Lösungen auf komplizierte Fragen konnten auch mit dieser Arbeit nicht gefunden werden. Die komplizierten Fragestellungen zur Rechtsdurchsetzung von mehrwertsteuerpflichtigen Umsätzen in der digitalen Wirtschaft und im Online-E-Commerce erzeugen Lösungsansätze, die ebenfalls kompliziert und ein ganzes Füllhorn von Folgeproblemen ergeben. Kirchhof vertritt die Ansicht, dass das aktuell komplizierte Steuerrecht nur automatisiert werden kann, wenn das materielle Steuerrecht vereinfacht wird.1 Dieses Ziel wäre erstrebenswert, doch ist der Wunsch in einer komplizierten Welt nach Vereinfachung nicht realisierbar, wenn komplizierte Sachverhalte aus unterschiedlichen Fachrichtungen ineinandergreifen. Das Steuerrecht und insbesondere die Mehrwertsteuer nur isoliert zu betrachten, taugt in einer Welt mit vielen Verschränkungen aus unterschiedlichen Themengebieten nicht mehr. Dass in dieser Erkenntnis nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile liegen, ergibt sich von selbst. Allerdings ist die Generierung von Vorteilen aus einer Verknüpfung des Steuerrechts mit informationstechnischen Instrumenten schwierig. Als Beispiel kann das DEMDI-Modell herangezogen werden. Die einfache und bekannte Lösung des Vollzugs über einen registrierungsbasierten Deklarierungsmechanismus in Form des MOSS ermöglicht mehr oder weniger eine Freiwilligkeit Mehrwertsteuern zu zahlen. Andere Mechanismen, wie Split-Payment-Modelle oder das darauf aufbauend entwickelte DEMDI-Modell sind nicht nur technisch kompliziert, sondern auch in der Umsetzung schwierig und müssen Kompromisse in der Ausgestaltung eingehen (nur Pull-Transaktionen, bisher nur Kreditkartenzahlungen umsetzbar, Datenschutz, etc). Es stellt einen unbefriedigenden Zustand dar, wenn zur Rechtsdurchsetzung im Online-E-Commerce keine geeigneten Ermittlungsinstrumente oder -quellen zur Verfügung stehen und andere innovative Erhebungsmechanismen in der Umsetzung sehr kompliziert sind. Diese Erkenntnis, dass eine Notwendigkeit für Änderungen besteht, muss am Anfang eines Entwicklungsprozesses stehen, der in der Rechtsetzung und im Vollzug zu neuen Ermittlungsinstrumenten sowie zu neuen Erhebungsmechanismen führen muss. Es bleibt zu hoffen, dass andere wissen-

1

Kirchhof, G., Der digitalisierte Steuerzahler, ALJ 2017, 125 (127).

Kap. 5: Ergebnisse und Thesen der Arbeit

189

schaftliche Arbeiten auf den formulierten Gedanken und Erkenntnissen aufbauen können. Für eine bessere Greifbarkeit der Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Arbeit werden im Folgenden 12 Thesen formuliert: 1) Es gibt Mehrwertsteuerhinterziehung im Online-E-Commerce. Der Umfang kann bisher nicht konkret bemessen werden. 2) Die korrekte Ermittlung der Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen und die Bestimmung des Leistungsortes sind kompliziert. 3) Der MOSS selbst bietet keinen geeigneten Mechanismus Mehrwertsteuerhinterziehung zu erkennen. Es handelt sich nur um einen Postkasten und eine Zahlstelle.2 4) Mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen, die digitale Dienstleistungen erbringen, registrieren sich in wenigen Mitgliedstaaten, die nicht mit den Mitgliedstaaten des Verbrauchs identisch sind. Daraus ergibt sich ein Gefälle innerhalb der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Überprüfbarkeit und der verfügbaren Informationen. 5) Geeignete Informationsquellen für Ermittlungen im Online-E-Commerce sind vorhanden, erfordern aber den Aufbau technischer Kapazitäten zur Auswertung. 6) Die Hauptinformationsquelle stellen Zahlungsverkehrsdaten dar. Aber auch Transaktionsdaten bieten für Ermittlungen einen guten Ansatzpunkt. 7) Die Identifizierung von nichtdeklarierten Umsätzen und nichtidentifizierten Mehrwertsteuerpflichtigen ist sehr schwierig. Geeignete Informationen zu erlangen und ihre anschließende Auswertung sind kompliziert. 8) Die nationalen und internationalen Ermittlungsmethoden sind im Wesentlichen unzureichend, um im B2C-Bereich bei digitalen Dienstleistungen Mehrwertsteuerpflichtige und getätigte Umsätze zu identifizieren. 9) Das Legislativpaket der EU-Kommission zur Einführung von Aufzeichnungspflichten von Zahlungsvorgängen durch Zahlungsdienstleister ist ein sehr vielversprechender Ansatz, damit Ermittlungen im Online-E-Commerce verbessert werden können. 10) Den effektiven Vollzug können neue technologiebasierte Erhebungsmechanismen gewährleisten, die direkt an der Quelle, dem Zahlungsvorgang ansetzen und eine Erhebung durch Zahlungsdienstleister sicherstellen. 11) Die Blockchain-Technologie bietet viele neue technische Möglichkeiten in einer dezentral aufgebauten EU. Die Technologie kann Vertrauen in den Wahrheitsgehalt von Daten zwischen allen Beteiligten im DEMDI-Verfahren und den europäischen Finanzverwaltungen untereinander schaffen. Die technische 2

In diesem Sinne: Ecker / Kronsteiner, SWK 2014, 896 (899).

190

Kap. 5: Ergebnisse und Thesen der Arbeit

Umsetzung ist kompliziert und die Vorteile einer möglichen Anwendung sollten gegenüber Modellen mit zentraler Datenbank genau abgewogen werden. 12) Split-Payment-Modelle (bzw. das DEMDI-Modell) sind in der Umsetzung technisch aufwendig und ergeben lösbare Folgeprobleme mit Vorschriften des Zahlungsverkehrs und dem Datenschutz. In einer abschließenden optimistischen Betrachtung zeichnen sich am Horizont viele neue technische Anwendungen ab, die das Steuerrecht und steuerliche Prozesse in einem kurz- bis mittelfristigen Zeitraum vereinfachen sowie verschlanken werden. Eine frühe Begleitung durch die Steuerrechtswissenschaften ist daher notwendig. Eine Kernkomponente dieser wissenschaftlichen Konzepte und Gesetzesinitiativen ist der Kampf gegen Steuer- bzw. Mehrwertsteuerhinterziehung. Die Globalisierung und Digitalisierung haben Spielräume für Steuerhinterzieher geschaffen, die sukzessive zurückerobert werden können und müssen.

Anhang Anhang 1: Daten Nicht-EU-Regelung1, 2 VoES Land

Gesamt

Registrierte Unternehmen Ende 2014 [Anzahl]

Nicht-EU-Regelung Registrierte Unternehmen im Q2 2016 [Anzahl]

Gesamt: 575

Gesamt: 1079

310

616

Irland

29

166

Deutschland

46

78

Vereinigtes Königreich

1

Daten aus dem Q2 2016 Vereinnahmte Mehrwert­ steuer, und dann weitergeleitet [Mio. EUR]

Geschätzt 2016 [Mio. EUR]

Gesamt: 253 Mio. EUR3

Gesamt: 482 Mio. EUR4

200

380,78

20,2

38,565

0,759

6

1,446

Die Angaben in Anhang 1 und 2 unterscheiden sich hinsichtlich der Gesamteinnahmen und Registrierungen zur Quelle: EU-Kommission, VAT Mini One-Stop-Shop (VAT MOSS), 09.2019. 2 Sofern nicht anders angegeben, ermitteln sich die Zahlen aus: EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 129 ff. 3 Die prozentuale Verteilung wurde in absolute Zahlen umgerechnet und auf die Gesamteinnahmen bis zum zweiten Quartal 2016 übertragen. 4 Schätzung der Gesamteinnahmen für den Veranlagungszeitraum 2016: EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 132. Die Verteilung der Gesamteinnahmen nach Ländern für den Veranlagungszeitraum 2016 ermittelt sich durch die prozentuale Verteilung bis zum zweiten Quartal 2016, welche auf die Gesamteinnahmen übertragen wurden. 5 Die Zahl entspricht ungefähr der von Irland veröffentlichten Zahl von 36,641 Mio. EUR. Es wird die ermittelte Zahl von der EU-Kommission im Dokument „VAT Aspects of crossborder ecommerce – Options for modernisation Final report – Lot 3 Assessment of the implementation of the 2015 place of supply rules and the Mini-One Stop Shop“ verwendet: Irish Tax and Customs, Annual report 2018, https://www.revenue.ie/en/corporate/documents/statistics/ registrations/payments-from-ireland-by-quarter.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 6 Abzüglich einer Verwaltungsgebühr von 30 % nach Art. 46 MwSt-ZVO und aus Verein­ fachungsgründen auf das zweite Quartal 2016 übertragen, i. S. v.: Deutscher Bundestag, Drucksache 2016, 18/10229, Punkt 4.

192

Anhang VoES

Nicht-EU-Regelung

Luxemburg

13

Niederlande

121

75

sonstige EU

56

140

117

–8 – 32

– – 61,214

Anhang 2: Daten EU-Regelung9 Land

Registrierte Unternehmen im Q2 201610 [Anzahl]

Vereinnahmte Mehrwertsteuer Daten in Q1 2015 übertragen auf Ende 201511 [Mio. EUR]

Vereinnahmte Mehrwertsteuer Daten VZ16 bis Q2 2016 [Mio. EUR]

Geschätzte vereinnahmte MwSt. für VZ16 [Mio. EUR]

12.899

2.692

1.35012

2.77513

Deutschland

2.943

69,36

67,5

138,7514

Vereinigtes Königreich

2.578

161,52

121,5

249,75

Niederlande

1.155

215,36

135

277,5

Luxemburg

104

1.561,36

594

1.221

Gesamt

7

15

AED Luxembourg, Rapport d’activité 2016 et objectifs 2017, 59. In freigelassenen Zeilen wurden verfügbare Einnahmen zur Übersichtlichkeit ausgelassen oder waren nicht verfügbar. 9 Sofern nicht anders angegeben, ermitteln sich die Zahlen aus: EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 127 ff. 10 Mangels verfügbarer Zahlen werden aus Vereinfachungsgründen die registrierten Unternehmen aus dem zweiten Quartal 2016 bei Darstellungen als registrierte Unternehmen 2016 dargestellt. 11 Die prozentuale Verteilung wurde in absolute Zahlen umgerechnet und auf die Gesamteinnahmen für den Veranlagungszeitraum 2015 übertragen. 12 Die prozentuale Verteilung wurde in absolute Zahlen umgerechnet und auf die Gesamteinnahmen bis zum zweiten Quartal 2016 übertragen. 13 Schätzung der Gesamteinnahmen für den Veranlagungszeitraum 2016: EU-Kommission, VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report 139. Die Verteilung der Gesamteinnahmen nach Ländern für den Veranlagungszeitraum 2016 ermittelt sich durch die prozentuale Verteilung bis zum zweiten Quartal 2016, welche auf die Gesamteinnahmen übertragen wurden. 14 Unterscheidet sich von: Deutscher Bundestag, Drucksache 2016, 18/10229, Punkt 1 bis 7. Der Unterschied ist erklärbar durch einen anderen Beurteilungszeitraum, sowie den Abzug von Verwaltungskosten nach Art 46 MwSt-ZVO. Zur Konsistenz mit den anderen ermittelten Zahlen, auf Grundlage der „Lot 3 Untersuchung“ werden diesen der Vorzug gegeben. 15 Übertragen auf die Spalte zweites Quartal 2016 AED Luxembourg, Rapport d’activité 2014 et objectifs 2015, 59. 8

193

Anhang Land

Registrierte Unternehmen im Q2 201610 [Anzahl]

Vereinnahmte Mehrwertsteuer Daten in Q1 2015 übertragen auf Ende 201511 [Mio. EUR]

Vereinnahmte Mehrwertsteuer Daten VZ16 bis Q2 2016 [Mio. EUR]

Geschätzte vereinnahmte MwSt. für VZ16 [Mio. EUR]

Irland

20016

403,8

270

55517

Sonstige EU

280,6

108

222

Österreich

3.969 730

–18





Schweden

642







Frankreich

578







16 Angabe durch E-Mailanfrage erhalten: Von „Revenue Irish Tax und Customs“, Sachbearbeiter: Walsh Gillian, 7. 8. 2018. 17 Die Zahl stimmt nicht mit der von Irland veröffentlichen Zahl überein. Diese beträgt für die EU-Regelung 470,9 Mio. EUR ohne Verwaltungsabzüge von 30 % nach Art. 46 Abs. 3 MwSt-ZVO. Es wird auf die Schätzung und Ermittlung der EU-Kommission im Dokument „VAT Aspects of cross-border ecommerce – Options for modernisation Final report – Lot 3 Assessment of the implementation of the 2015 place of supply rules and the Mini-One Stop Shop“ zur Konsistenz der anderen Ergebnisse zurückgegriffen. Siehe Veröffentlichung von: Irish Tax and Customs, Annual report 2018, https://www.revenue.ie/en/corporate/documents/ statistics/registrations/payments-from-ireland-by-quarter.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021. 18 In freigelassenen Zeilen wurden die Gesamteinnahmen zur Übersichtlichkeit ausgelassen. Für Österreich und Schweden waren darüber hinaus keine Zahlen zu den Einnahmen verfügbar oder Auskünfte wurden verweigert.

Zusammenfassung Aufgrund der Digitalisierung und Globalisierung kommt es zu einer immer höheren grenzüberschreitenden Leistungserbringung. Diese Entwicklung gilt für die gesamte digitalisierte Wirtschaft und den Electronic Commerce. Der unkörperliche, komplexe und von Ländergrenzen unabhängige Charakter von Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Parteien führt zu Schwierigkeiten bei der Überprüfung und Nachvollziehbarkeit von steuerbaren Sachverhalten. Am Beispiel von grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen an Verbraucher, mit einer vollständigen elektronischen Leistungs- und Zahlungsabwicklung, verdeutlichen sich diese Probleme. Bei der Erbringung digitaler Dienstleistungen an Verbraucher hat sich das Bestimmungslandprinzip durchgesetzt. Dies mündete auf EU-Ebene in komplexe Regelungen und der Implementierung des Mini-One-Stop-Shop. Diese Regelungen verursachen Probleme in der Rechtsdurchsetzung. Neben der Entwicklung geeigneter rechtlicher Regelungen steht gleichberechtigt der Vollzug und die Durchsetzung normativer Bestimmungen. Nationale Ermittlungsmöglichkeiten und die internationale Amtshilfe lindern den Missstand bei der Durchsetzung von Mehrwertsteuerpflichten nur teilweise. Es verbleibt ein Ermittlungsund Vollzugsdefizit bei grenzüberschreitend erbrachten digitalen Dienstleistungen. Kernelement für eine erfolgreiche Ermittlungsführung ist die Informationsgewinnung relevanter Flussdaten von zwischengeschalteten Dritten als Dienstleister. Die Identifizierung von Risikoerbringern allein garantiert noch keine Rechtsdurchsetzung. Es werden für eine Verbesserung des Vollzugs neue Erhebungsmechanismen in der Mehrwertsteuer diskutiert und ein eigenes Modell entwickelt. Dieses Modell baut auf einem Split-Payment-Verfahren auf. Die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer erfolgt während des Zahlungsvorgangs und wird durch Zahlungsdienstleister ausgeführt. Zur Informationsübermittlung wird eine zulassungsbeschränkte öffentliche Blockchain verwendet. In diesem dezentralen System muss der leistende Unternehmer mehrwertsteuerrelevante Informationen eintragen, damit der Zahlungsvorgang vom Verbraucher ausgeführt wird. Eine korrekte Implementierung dieses Modells ist nur möglich, wenn Anpassungen im Zahlungsverkehrssystem vorgenommen werden. Schlussendlich darf in der digitalen Wirtschaft die grenzüberschreitende Erbringung am Beispiel digitaler Dienstleistungen nicht zu einer Bankrotterklärung der Gleichmäßigkeit in der Besteuerung führen. Eine Lösung dieses Problems in einer elektronischen Welt muss sich aus der Verknüpfung technischer Methoden ergeben.

Abstract Due to digitisation and the resulting increasing connection of international economic relations, the cross-border supplying of services is also increasing. This development applies to the entire digitized economy and E-commerce. The intangible, complex and cross-border character of service supplying between different parties leads to difficulties in verification and control of taxable transactions. These problems are exacerbated by the example of digital supplied services with complete electronic service and payment processing. For more than two decades, governments, tax administrations and international organisations have been working to develop appropriate measures and regulations for effective taxation and enforcement in electronic commerce. In this context, the destination principle has prevailed in the provision of digital supplied services to consumers. At EU level, this led to complex regulations in value added tax (VAT) and the implementation of the Mini-One-Stop-Shop. The most important feature is that the state where the service is supplied to and thus receives VAT, and the state of the entrepreneur falls apart. This causes problems in tax enforcement. Beside the development of suitable normative provisions, the effective enforcement is just as essential. In principle, the sovereignty and enforcement of the tax authorities ends at their own national borders, but the supplying of services via the Internet does not. National investigations and international administrative assistance partly reduce this problem, but an investigation and enforcement deficit remain in the case of digital supplied services. It is difficult to identify unknown VAT payers and undeclared transactions, particularly in the case of traders’ subject to VAT in third countries. This thesis describes the problem as well as the implementation of information technology investigation methods to verify or uncover unknown taxable transactions. The core element for successful investigation in the area of online-E-commerce is the gathering of relevant flow data from intermediary third parties as service providers. The identification of risk providers alone does not guarantee law enforcement. To improve enforcement, new collection mechanisms for VAT are being discussed and a new model is being developed. This new model is based on a split-payment-procedure. The core element of this new model is the correct implementation in the payment traffic system. The correct collection of VAT takes place during the payment process and is carried out by payment service providers. Suitable information must be available for the payment service provider to collect the correct VAT during the payment transaction. In this decentralised system, the supplying entrepreneur must enter VAT information on the Blockchain in order for the payment transaction to be settled. A correct implementation of this model is only possible if adjustments are made in the European payment transaction system. Finally, the cross-border supplying of services in the digital economy should not lead to curtain call for the ideal of equal taxation. The solution can only be found in the implementation of technical methods.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Durchführungsbeschluss (EU) 2019/310 des Rates vom 18. Februar 2019 zur Ermächtigung Polens, eine von Artikel 226 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahme einzuführen, ABl. L 2019/51, 19. DVO (EU) Nr. 815/2012 der Kommission vom 13. September 2012 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EU) Nr. 904/2012 des Rates hinsichtlich der Sonderregelungen für gebietsfremde Steuerpflichtige, die Telekommunikationsleistungen, Rundfunkund Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen (EU) Nr. 815/2012 der Kommission vom 13. September 2012 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EU) Nr. 904/2012 des Rates hinsichtlich der Sonder­regelungen für gebietsfremde Steuerpflichtige, die Telekommunikationsleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen, ABl. L 2012/249, 3. DVO (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl. L 2013/284, 9.DVO (EU) Nr. 2459/2017 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/122/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 2017/348, 32. Finanz-Organisationsreformgesetz BGBl I Nr. 104/2019. RL 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 zur Änderung und vorübergehenden Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen, ABl. L 2002/128, 41. RL 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 2006/347, 1. RL 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinie 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. L 2007/319, 1. RL 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl. L 2008/44, 11. RL 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, ABl. L 2008/44, 23. RL 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 2010/95, 1. RL (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/ EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. L 2015/337, 35.

Legislativakte

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RL (EU) 2017/2455 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/ EG und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen, ABl. L 2017/348, 7. RL (EU) 2020/284 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/ EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister, ABl. L 2020/62, 7. Umsatzsteuergesetz 1994 BGBl 1994/663 i. d. F. BGBl 1994/819. VO (EG) Nr. 792/2002 des Rates vom 7. Mai 2002 zur vorübergehenden Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MWSt) im Hinblick auf zusätzliche Maßnahmen betreffend den elektronischen Geschäftsverkehr, ABl. L 2002/128, 1. VO (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92, ABl. L 2003/264, 1. VO (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2010/268, 1. VO (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. L 2012/94, 22. VO (EU) Nr. 248/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 in Bezug auf die Umstellung auf unionsweite Überweisungen und Lastschriften, ABl. L 2014/84, 1. VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 2016/119, 1. VO (EU) 2017/2454 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2017/348, 1. VO (EU) 2018/1541 des Rates vom 2. Oktober 2018 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 904/2010 und (EU) 2017/2454 zur Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. L 2018/259, 1. VO (EU) 2018/1909 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich des Informationsaustauschs zur Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung von Konsignationslagerregelungen, ABl. L 2018/311, 1. VO (EU) 2020/283 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden bei der Betrugsbekämpfung, ABl. L 2020/62, 1.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

VO (EU) 2020/1318 der Kommission vom 22. September 2020 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/21 und (EU) 2020/194 in Bezug auf den Geltungsbeginn als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, ABl. L 2020/309, 4. 13. RL 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige, ABl. L 1986/326, 40.

Judikaturverzeichnis BFH v 16. 05. 2013 – II R 15/12 BStBl. 2014 II S. 225. BFH v 1. 6. 2016 – XI R 29/14. Bundesgericht 12. 9. 2016, 2C-276/2016. EuGH 13. 12. 1989, C-322/88, Salvatore Grimaldi / Fonds des maladies professionnelles. EuGH 20. 3. 1997, C-57/95, Französische Republik, Königreich Spanien / Kommission der Europäischen Gemeinschaften. EuGH 25. 2. 1999, C-349/96, Card Protection Plan. EuGH 14. 7. 2011, C-464/10, Pierre Henfling et al. / État belge. EuGH 3. 5. 2012, C-520/10, Lebara / H MRC. EuGH 13. 12. 2012, C-226/11, Expedia / Autorité de la concurrence. EuGH 13. 3. 2014, C-366/12, Klinikum Dortmund / Finanzamt Dortmund. EuGH 8. 4. 2014, C-293/12 und C-594/12, Digital Ireland Rights. EuGH 5. 3. 2015, C-479/13 und C-502/13, Frankreich / Kommission und Luxemburg / Kommission. EuGH 19. 10. 2016, C-582/14, Patrick Breyer / Bundesrepublik Deutschland. FG Köln, Urteil vom 14. 05. 2014 – 9 K 3338/09. Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. 02. 2012 – 5 K 397/10. Tribunal administratif du Grand-Duché de Luxembourg (dritte Kammer), 17. 5. 2013, numéro 32502 du rôle. VwGH 20. 6. 1990, 89/13/0231 ÖStZB 1991, 25. VwGH 20. 1. 2010, 2008/13/0042 SWK 2010, R 51. VwGH 25. 2. 2010, 2010/16/0021 SWK 2010, R 64.

Internetquellen

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Internetquellen Bundesministerium für Finanzen, Neue Leistungsortregeln für elektronisch erbrachte Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie USt-OneStop-Shop (MOSS), https://www.bmf.gv.at/steuern/selbststaendige-unternehmer/umsatz steuer/Leistungsortregel_Neu_2015.html, abgefragt am 26. 8. 2019. Department of the Treasury Internal Revenue Service, Instructions for Form 1099-K Payment Card and Third Party Network Transactions, https://www.irs.gov/pub/irs-pdf/i1099k.pdf, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert). Eha, Brian Patrick, The race to connect smart contracts to the real world, https://www. americanbanker.com/news/the-race-to-connect-smart-contracts-to-the-real-world, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert) . EU-Kommission, Warum wir einen digitalen Binnenmarkt brauchen, https://ec.europa.eu/ commission/sites/beta-political/files/dsm-factsheet_de.pdf, abgefragt am 26. 8. 2019. EU-Kommission, Guide to the VAT mini One Stop Shop (MOSS), https://ec.europa.eu / taxation_customs / business / vat / telecommunications-broadcasting-electronic-services / content /  guide-vat-mini-one-stop-shop-moss#explanatory, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert). European Central Bank, Payments statistics: 2018, https://www.ecb.europa.eu/press/pr/stats/ paysec/html/ecb.pis2018~c758d7e773.en.html, abgefragt am 26. 8. 2019. Eurostat, Individuals using the internet for downloading software, https://ec.europa.eu/ eurostat/tgm/table.do?tab=table&plugin=1&language=en&pcode=tin00029, abgefragt am 26. 8. 2019. Eurostat, Internetzugang von Personen, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table& init=1&language=de&pcode=tin00028&plugin=1, abgefragt am 26. 8. 2019. Eurostat, BIP und Hauptkomponenten (Produktionswert, Ausgaben und Einkommen), http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=nama_10_gdp&lang=de, abgefragt 23. 6. 2021 (aktualisiert). Google, Datenaufbewahrung, https://support.google.com/analytics/answer/7667196?hl=de, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert). Google, Die beste Lösung für Ihr Unternehmen, https://marketingplatform.google.com/intl/ de/about/analytics/compare/, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert). Google, Our offices, https://about.google/intl/en/locations/?region=europe&office=vienna, abgerufen am 23. 6. 2021 (aktualisiert). Google, Standorte von Rechenzentren, https://www.google.com/about/datacenters/inside/ locations/?hl=de, abgerufen am 23. 6. 2021 (aktualisiert). Irish Tax and Customs, Annual report 2018, https://www.revenue.ie/en/corporate/documents/ statistics/registrations/payments-from-ireland-by-quarter.pdf, (inzwischen mit neueren Zahlen) abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert). OECD, Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters, http://www.oecd. org/ctp/exchange-of-tax-information/convention-on-mutual-administrative-assistance-intax-matters.htm, abgefragt am 23. 6. 2021 (aktualisiert).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Sachregister Bestimmungslandprinzip  16 f., 31, 33, 135 f. Blockchain-Technologie  153 ff. – Datenschutz  180 ff. – Dezentrale und zentrale Systemdesigns ​ 163 ff. – Grundlagen  153 f. – Oracle  158 ff., 164, 169 – Smart Contract  157 ff. – Validierungsmechanismus 155 Central Electronic System of Payment Information  123 ff. Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters  103, 134 f. Data Mining  103, 109 ff. Dezentraler Erhebungsmechanismus für die Mehrwertsteuer bei digitalen Dienstleistungen  134 f., 146 ff., 151 ff., 163 ff. – Datenschutzkonformität  182 f. – Integration in Zahlungsverkehrs­systeme ​ 172 ff. – Legistische Änderungspotenziale ​ 177 ff., 185 f. – Netzwerkarchitektur  168 ff. – Pull-Systeme  173 ff. Digitale Dienstleistungen  21, 42 ff. Dokumentationspflichten der Steuerpflichtigen ​87  f. Doppelbesteuerungsabkommen  127 f., 129 ff. Herausforderungen der Informations­ beschaffung  101 ff. Informationsquellen  105 f. Leistungsarten  43 ff. – Automatisierte Leistungserbringung über ein elektronisches Netzwerk  47 f. – Informationstechnologie  51 f.

– Minimale menschliche Beteiligung  48 ff. – Rundfunk- und Fernsehleistungen  45 – Sonstige auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen  46 ff. – Telekommunikationsleistungen  44 f. Leistungsortbestimmung  58 ff. – Beweismittel zur Leistungsortbestimmung  64 ff. – Regelungen für KMU  63 f. – Vermutung der physischen Anwesenheit ​60  f. – Widerlegung von Vermutungen  66 ff. Mehrwertsteuerhinterziehung  24 ff. Merchant Category Code  23, 176 f. Mini-One-Stop-Shop  74 ff. – Auditing im Mini-One-Stop-Shop  88 ff. – EU-Regelung  81 ff., 84 f. – Nicht-EU-Regelung  78 ff., 84 f. – Risikogruppen  98 f. – SAF-MOSS  89, 90 f. – VAT on E-Service  37, 40 f., 79 Offline-E-Commerce 23 Online-E-Commerce  22 f. Reverse-Charge-Verfahren  138 f., 142 Sammelauskünfte  107 ff. – Auskunftsumfang  109 f. – Besonderheiten bei Datendienstleistern ​ 114 ff. – Besonderheiten bei Kreditinstituten ​ 112 f. – Verhältnismäßigkeit  111 f. Schätzung Mehrwertsteuerausfall  25 ff. Status des Leistungsempfängers  42 Soft-Law Regelungen der EU-Kommission ​70  ff.

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Sachregister

Split-Payment  138 ff. – Herausforderungen im E-Commerce ​ 147 ff. – Italien  143 f. – Polen  144 f. Ursprungslandprinzip 31 Vereinfachungsregelungen bei KMU  38 f., 63 f., 76, 151

Vermittlerregelung  52 ff. – Dienstleistungskommission 54 – Modernisierung des Zahlungsverkehrs ​ 57 f. – Widerlegung der Vermutung  55, 56 f. Verwaltungszusammenarbeit in der Mehrwertsteuer  119 ff. Virtual-Privat-Networks 22 Wettbewerbsverzerrungen 38