Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts: Dargestellt anhand der Entwicklung der Ermessensansprüche innerhalb der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte [1 ed.] 9783428517848, 9783428117840

Das Öffentliche Recht kann inzwischen auf eine 50-jährige Geschichte unter dem Grundgesetz zurückblicken. Eine ihrer int

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German Pages 334 Year 2006

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Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts: Dargestellt anhand der Entwicklung der Ermessensansprüche innerhalb der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte [1 ed.]
 9783428517848, 9783428117840

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1012

Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts Dargestellt anhand der Entwicklung der Ermessensansprüche innerhalb der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte

Von

Tanja Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TANJA SCHMIDT

Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1012

Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts Dargestellt anhand der Entwicklung der Ermessensansprüche innerhalb der ersten zwei Nachkriegsjahrzehnte

Von Tanja Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11784-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie und all jenen, die mich unterstützt haben Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2003 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum befinden sich durchgängig auf dem Stand von August 2003. Diese Untersuchung zur Subjektivierung des Verwaltungsrechts erwuchs aus einer Idee meines Doktorvaters Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl. Ihm bin ich zuallererst und zu besonderem Dank verpflichtet. Zum einen unterstützte er mich über den gesamten Zeitraum der Anfertigung der Arbeit hinweg durch ein offenes Ohr und eine offene Tür. Zum anderen ließ er mir jedoch auch stets den notwendigen Freiraum, um meine eigenen Gedanken verfolgen und Vorstellungen präzisieren zu können. Die fachlich und menschlich hilfreiche Betreuung durch Herrn Prof. Dr. Wahl half mir auch durch unsichere Phasen der Promotionszeit. Mein Dank gilt ebenfalls Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger für seine Bereitschaft, die Zweitkorrektur meiner Dissertationsschrift zu übernehmen und für die Mühen, die mit der raschen Erstellung des Zweitgutachtens verbunden waren. Vorliegende Arbeit wäre in dieser Form nicht ohne die Hilfe meiner Freunde entstanden. Ihnen danke ich vielmals für den fachlichen Austausch, ihre praktische Mithilfe und auch für die notwendigen Ablenkungen während des oft von einem Tunnelblick begleiteten Schreibprozesses. Von meinen Helfern seien insbesondere Dr. Wolfram Spelten, Anna Welscher, Dr. Stefanie Klein, Dr. Christian Schrader, Lisa Mohn, Claudia Schallenmüller, Lutz Langheineken, Larissa Triebenbacher sowie meine Schwester Christina und meine Mutter Johanna Schmidt dankend erwähnt. Der größte Dank richtet sich letztendlich jedoch an meine Eltern. Erst ihre wohlwollende ideelle und finanzielle Unterstützung machte es mir auch tatsächlich möglich, das langfristige Vorhaben einer Promotion erfolgreich zu meistern. Es sind meine Eltern, denen ich diese Arbeit am meisten verdanke. München, im Juli 2005

Tanja Schmidt

Inhaltsübersicht 1. Teil Einführung in die Untersuchung

23

§ 1 Subjektivierungsthematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Untersuchungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 30

2. Teil Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

39

§ 3 Wandel des Verhältnisses von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Abschnitt: Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Die Epoche des klassischen Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Rechtsstellung des Einzelnen im klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . § 6 Grundzüge der Ermessenslehre im klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . § 7 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

42 42 47 66 76

2. Abschnitt: Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 8 Grundlegende Veränderungen des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 9 Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 § 10 Ermessenslehre nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 § 11 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen 121

3. Teil Entwicklung des formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

131

§ 12 Unterteilung in formelle und materielle subjektiv öffentliche Rechte . . . 131 1. Abschnitt: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . § 13 Ursprünge des Anspruchs im Verwaltungsrecht der Weimarer Republik . . § 14 Das formelle subjektiv öffentliche Recht nach Kriegsende . . . . . . . . . . . . . § 15 Das formelle subjektiv öffentliche Recht unter dem Bonner Grundgesetz

140 140 148 157

8

Inhaltsübersicht § 16 Rechtsgrundlagen und Tatbestandsvoraussetzungen des formellen Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 17 Das formelle subjektiv öffentliche Recht als Symptom der Subjektivierung der Ermessenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

2. Abschnitt: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . § 18 Einführung in die Thematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Nichtexistenz eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts vor der Grundgesetzeinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20 Das materielle subjektiv öffentliche Recht nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Anspruchskonstruktionen der Zivil- und der Verwaltungsrechtsprechung § 22 Besonderheiten von Rechtsgrundlagen und Inhaberschaft des materiellen Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Der Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung als Symptom der Intensivierung verfassungsrechtlicher Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 210 221 229 246 255 265

3. Abschnitt: Vergleich der Entwicklungen von formellem und materiellem Ermessensanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 § 24 Gegenüberstellung der Entstehungsgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

4. Teil Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

281

§ 25 Weiterentwicklung der Subjektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 § 26 Veränderungsdruck und Veränderungschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Resümee Zusammenfassung und Schlussgedanke

297

Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung in die Untersuchung

23

§ 1 Subjektivierungsthematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Subjektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektivierung im Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung des Subjektivierungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dimensionen der Subjektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatstheoretische Verflechtungen der Subjektivierung . . . . . . . . . . . . . a) Verstärkung des Rechtsstaatsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionsbestimmung der Staatsgewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Positionierung des Einzelnen gegenüber dem Staat . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Auswirkungen auf das Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Grundrechtsgeltung als Verstärkung des Subjektivierungsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektivierung im Teilbereich des Verwaltungsermessens . . . . . .

23 23 23 24 27 27 27 28 28 28

§ 2 Untersuchungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Phänomen des subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Phänomen des Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Untersuchungszeitraum und -materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dichte der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlegende Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kommentierung der Themenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forschungsdefizit im verwaltungsrechtshistorischen Bereich . . . . . . . . 2. Aktualität der untersuchten rechtsgeschichtlichen Problematik . . . . . . 3. Subjektives Recht als Schnittstelle zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 31 31 32 33 33 34 35 35 35

29 29

36 37

2. Teil Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen § 3 Wandel des Verhältnisses von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

39

10

Inhaltsverzeichnis I.

Veränderungen im rechtsdogmatischen Zusammenwirken von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abriss der dogmengeschichtlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40

1. Abschnitt Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht

42

§ 4 Die Epoche des klassischen Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendige Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Methodische und inhaltliche Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutung des klassischen Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 44 45 46

§ 5 Rechtsstellung des Einzelnen im klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . I. Entwicklungsskizze der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht . . . . . . . 1. Stellung des Einzelnen in vorkonstitutioneller Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung des subjektiv öffentlichen Rechts in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erstmalige Erwähnung subjektiv öffentlicher Rechte bei Gerber . . b) Labands Rolle als Wegbereiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eingliederung der subjektiv öffentlichen Rechte in das System des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dogmatische Bearbeitung durch Georg Jellinek . . . . . . . . . . . . . . . e) Bühlers Habilitationsschrift als vorläufiger Endstand der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stagnation in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entwertung des subjektiv öffentlichen Rechts unter dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsmethodischer und staatstheoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . 1. Positivismus als Rechtsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konstruktion des subjektiv öffentlichen Rechts in Anlehnung an das Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entdeckung der Figur des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abkehr von einer naturrechtlichen Begründung subjektiver Rechte 2. Spannungen zwischen monarchischem Staatsverständnis und liberalem Rechtsstaatlichkeitsstreben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hohes Vertrauen in die Stabilität subjektiver Rechte trotz ihrer Gesetzesabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Neutralität als Folge eines wirtschaftlichen Sicherungsbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstellung des Bürgers als Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsenspunkte über das Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . 1. Zwingender Rechtssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 48 49 49 50 50 51 51 52 53 54 54 54 55 57 58 59 61 62 63 64

Inhaltsverzeichnis

11

2. Notwendigkeit eines rechtlich geschützten Interesses . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 64 65

§ 6 Grundzüge der Ermessenslehre im klassischen Verwaltungsrecht . . . . . . . I. Rechtswissenschaftliche Erörterung der Ermessensproblematik . . . . . . . . 1. Rechtsbindung der Verwaltung als Konsequenz des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Skizzierung der spätkonstitutionellen Ermessenslehre . . . . . . . . . . . . . . 3. Intensivierte Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik . . . . . . 4. Rückschritte im nationalsozialistischen Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . II. Folgewirkungen der Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . 1. Gerichtliche Ermessensüberprüfung seit dem 19. Jahrhundert . . . . . . 2. Ermessensrechtsprechung in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . III. Staatstheoretische Bedingtheit der Ermessenslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 66

§ 7 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen I. Stand der juristischen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegensätzlichkeit von Ermessen und Rechtsbindung zu Beginn des klassischen Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterentwicklung der Ermessensfehlerlehre in der Weimarer Republik II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68 69 71 71 72 73 73 75 76 76 76 77 78

2. Abschnitt Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht § 8 Grundlegende Veränderungen des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Relevanz verfassungsrechtlicher Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wesentliche Änderungen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortentwicklung zum materiellen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formeller Rechtsstaatsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wandlung zum materiellen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherung der Rechtsbindung über die Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorrang der Verfassung und Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des subjektiv-rechtlich orientierten Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechte als Freiheitsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Ausfluss des rechtsstaatlichen Verfassungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausbau der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit nach 1945 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79 80 81 81 82 82 84 84 86 86 88 89 90

12

Inhaltsverzeichnis

§ 9 Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutungen des subjektiven Rechts und bekannte Definitionsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die neue Dimension der unmittelbaren Grundrechtsgeltung . . . . . . . . . . . 1. Staatstheoretischer Hintergrund des Bonner Grundrechtskatalogs . . . a) Objektiv-rechtliche Bedeutung der Grundrechte und ihr Gehalt als Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Menschenbild des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinflussung der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht durch die Grundrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis der Grundrechte zu den subjektiv öffentlichen Rechten b) Verdrängung des subjektiv öffentlichen Rechts als Folge eines Lehrendualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Legislative Ausgestaltung des subjektiv öffentlichen Rechts innerhalb grundrechtlicher Direktiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Modifizierungen der Definition des subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Redundanz der Kriterien des zwingenden Rechtssatzes und der Rechtsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fokussierung auf den Schutzwillen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritische Würdigung der Schutznormtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutungswandel des subjektiv öffentlichen Rechts nach 1949 . . . . . . . 1. Grenzziehung zwischen Exekutive und Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung der Recht- und Machtsphären von Staat und Bürger . . . V. Kritische Bestandsaufnahme und Perspektiven des subjektiven Rechts . . § 10 Ermessenslehre nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Wesen des Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes „Ermessen“ . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit als Hauptcharakteristikum des Ermessens . . . . . . . . . 3. Materiell-rechtliche Betrachtungsweise der Ermessensproblematik . . II. Einführung in die aktuellen Ermessenslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht über die verschiedenen Definitionsansätze des Ermessens a) Bestimmung anhand der Normstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung anhand der Ermächtigung zur Normkonkretisierung c) Bestimmung anhand der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptfunktionen des Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . 1. Gestufte Rechtsbindung des Verwaltungsermessens . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung und Beschreibung der rechtlichen Bindung . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsmäßigkeit der Ermessenseinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überblick über Grenzen und Fehler der Ermessensausübung . . . . . . . . . . 1. Ermessensmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 93 93 93 94 95 95 97 98 99 100 102 104 105 105 106 107 108 108 109 109 110 110 111 111 111 112 113 113 114 115 115 118 118

Inhaltsverzeichnis

13

2. Ermessensfehlgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Ermessensüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 § 11 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen I. Ermessensreduktion durch subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtstheoretische Begründung der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahr einer Überdehnung der Ermessensreduktion . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung subjektiv öffentlicher Rechte im Ermessensbereich . . . . . . . 1. Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung . . . . a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Teil Entwicklung des formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht § 12 Unterteilung in formelle und materielle subjektiv öffentliche Rechte . . . I. Einteilungsmöglichkeiten der subjektiv öffentlichen Rechte . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung nach der Rechtsschutzmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterscheidung nach dem Inhalt des Rechtsanspruchs . . . . . . . . . . . . . 3. Fortentwicklung der Bühlerschen Unterscheidung unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterscheidung nach dem Grad der rechtlichen Gebundenheit der Verwaltungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritische Bewertung der Einteilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beurteilung der Unterscheidung nach dem Grad der rechtlichen Gebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beurteilung der Unterscheidung nach dem Anspruchsinhalt . . . . . . . . a) Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts als rein formelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts als rein materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidung für die Einteilung nach dem Anspruchsinhalt des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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§ 13 Ursprünge des Anspruchs im Verwaltungsrecht der Weimarer Republik I. Frühe Ansätze zur Konstruktion des formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Walter Jellineks Vorarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheidung des formellen vom materiellen subjektiven Recht durch Bühler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rezension Bühlers durch Jellinek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anerkennung durch Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wiederaufnahme in Jellineks Verwaltungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Typische Probleme der dogmatischen Anspruchskonstruktion . . . . . . . . . . 1. Einbindung des Ermessens in den Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktion des Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Funktion der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen der Dichotomie auf die Ermessensfehlerlehren . . . . . . 5. Vergleich mit dem aktuellen formellen Ermessensanspruch . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 14 Das formelle subjektiv öffentliche Recht nach Kriegsende . . . . . . . . . . . . . I. Übergangsrechtliche Situation für die Überprüfbarkeit der Ermessensakte 1. Gesetzliche Regelung der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung in der Rechtswissenschaft . . . III. Inhalte der ersten landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 15 Das formelle subjektiv öffentliche Recht unter dem Bonner Grundgesetz I. Indirekte inhaltliche Anerkennung um 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zurückhaltende und uneinheitliche Aussagen der Rechtsprechung . . . 2. Otto Bachofs Neukonstruktion des Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . II. Explizite Nennung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ab 1951 1. Intensivierte Rechtsprechungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmende Grundhaltung der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auseinandersetzung um die Rechtsfigur des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ab 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ablehnende Position des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Argument der fehlerhaften Anspruchskonstruktion . . . . . . . . . . . . . b) Argument des fehlenden Bedarfs an einem formellen subjektiven Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflösung der Einsprüche des Verwaltungsgerichtshofs . . . . . . . . . d) Entscheidungspraxis der Folgejahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Meinungsverschiedenheiten innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitreichende Anerkennung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts 1. Überblick über die landes- und bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfestigung des subjektiven Rechts in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Rechtsgrundlagen und Tatbestandsvoraussetzungen des formellen Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schwacher Aussagewert gerichtlicher Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Begründung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . 2. Vermeintliche Propagierung eines allgemeinen formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betroffenheit als Kriterium einer Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmung von subjektiven Rechten über die Schutznormtheorie . . . . . 1. Entwicklung der Schutznormtheorie in der Rechtswissenschaft . . . . . a) Erarbeitung der Grundsätze durch Bachof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Positive Rezeption des Schutzzweckgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufnahme der Schutznormtheorie in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . 3. Wahrnehmung der Schutznormtheorie unter dem besonderen Aspekt der spezialgesetzlichen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundrechte als Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Divergierende Ansichten in der rechtswissenschaftlichen Literatur . . 2. Unterschiedliche Entscheidungspraxis der Bundesgerichte . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilung der anspruchsbegründenden Tauglichkeit der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gleichbehandlungsgrundsatz als Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sympathien für Art. 3 Abs. 1 GG in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequente Ablehnung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilung einer Geeignetheit von Art. 3 Abs. 1 GG als Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weitere Begründungsansätze der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsstellung als Verfahrensbeteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formelles Hauptgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsatz einer gesetzmäßigen Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 17 Das formelle subjektiv öffentliche Recht als Symptom der Subjektivierung der Ermessenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Bestimmung des Anspruchsinhalts durch die Ermessensfehlerlehre . . . . . 205

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Inhaltsverzeichnis II. Grundtendenz einer Verengung der Ermessensgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Subjektivierung auf die Ermessensgrenzen . . . . . . . . . 1. Ermessensreduktion aufgrund einer unmittelbaren Geltung von subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessensreduktion aufgrund einer mittelbaren Geltung von subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung individualrechtsschützender Prinzipien . . . . . . . . . . . . b) Abwägungsfaktor der subjektiven Idee in der Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwei Dimensionen der Subjektivierung der Ermessenslehre . . . . . . . . . . .

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2. Abschnitt Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts § 18 Einführung in die Thematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtstheoretische Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strikte Verpflichtung der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermessensreduktion auf Null als Voraussetzung eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Rechtsinstitut der konkreten Ermessensreduktion auf Null . . 2. Übertragbarkeit der Grundsätze der subjektiven Berechtigung des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtskonstruktives Verhältnis von materiellem und formellem Recht 4. Anmerkung zur Prüfung und Darstellung des materiellen Rechts . . . II. Schwierigkeiten der Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezeichnung als Ermessensreduktion auf Null . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezeichnung als materieller Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prozessuale Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtstheoretische Wesentlichkeit des materiellen Anspruchs trotz seiner Praxisirrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sicherheitsrecht als praktischer Hauptanwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 1. Nähe des materiellen Anspruchs zu polizeirechtlichen Fragestellungen 2. Zur Verallgemeinerungsfähigkeit von im Polizeirecht gewonnenen Ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Nichtexistenz eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts vor der Grundgesetzeinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Amtshaftungsrechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge der Zivilrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Grundlegung durch Jellineks Schädlichkeitsgrenze . . . . II. Ablehnende Haltung der frühen Verwaltungsrechtsprechung . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Ursachen der Unübertragbarkeit amtshaftungsrechtlicher Grundsätze auf das Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kategorisierung in gebundene und ungebundene Verwaltung . . . . . . . 2. Schutzzweckausrichtung von Ermessensnormen an öffentlichen Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die rechtspraktisch notwendige Voraussetzung der Verpflichtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 20 Das materielle subjektiv öffentliche Recht nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Theoretische Grundlegung durch Otto Bachof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgreifen der Thematik in der Verwaltungsrechtsprechung der Länder . 1. Fortschrittliche Entscheidungen auf landesverwaltungsgerichtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erstes Aufkeimen der Idee vom Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Aussagen der Landesverwaltungsrechtsprechung nach 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geringe Erfolgsquote der Vornahmeklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auffällige Bedeutungslosigkeit des prozessualen Aspekts . . . . . . . e) Spezielle Anwendungsgebiete im Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . f) Bewertung der positiven landesgerichtlichen Entscheidungen . . . . 2. Normalfall einer Ablehnung des Verpflichtungsanspruchs . . . . . . . . . . 3. Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . III. Billigung in der verwaltungsrechtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im BandsägeFall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Widerstreitende Reaktionen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . 1. Das restriktive Privatweg-Urteil des Verwaltungsgerichts Minden . . . 2. Streifzug durch die rechtwissenschaftliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Anerkennung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts als richterrechtliches Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortführung der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung . . . . . . . . . 2. Bestätigung durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Angezweifelte Automatismen im Entwicklungsprozess des materiellen Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 21 Anspruchskonstruktionen der Zivil- und der Verwaltungsrechtsprechung I. Zivilrechtliche Konzeption eines Ermessens- und Pflichtbereichs der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konstruktion einer behördlichen Verpflichtung im Ermessensbereich 2. Pflicht- und Ermessensbereich in der Amtshaftungsrechtsprechung . . II. Verwaltungsrechtliche Konzeption einer Ermessensreduktion auf Null . . 1. Figur der Ermessensreduktion auf Null . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessensreduktion auf Null in der Verwaltungsrechtsprechung . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Kritischer Vergleich beider Konstruktionen einer Verpflichtung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewertung der zivilgerichtlichen Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung der verwaltungsgerichtlichen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 22 Besonderheiten von Rechtsgrundlagen und Inhaberschaft des materiellen Ermessensanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verwaltungsrechtlicher Begründungsansatz über die Schutznormtheorie . II. Verfassungsrechtliche Begründungsmöglichkeiten über die Grundrechte 1. Ablehnung eines direkten grundrechtlichen Anspruchs . . . . . . . . . . . . 2. Existenz eines subsidiär geltenden grundrechtlichen Schutzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtsdogmatische Ableitung eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Einordnung der rechtswissenschaftlichen Beiträge c) Anmerkung zur praktischen Bedeutung einer grundrechtlichen Anspruchsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechte in ihrer Funktion als Auslegungsdirektiven des Gesetzesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staat-Bürger-Beziehung als Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit eines grundrechtlichen Anspruchs auf behördliches Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgenbeseitigungslast und Selbstbindung der Verwaltung . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251 252 253 254 255 255 256 256 257 258 260 261 262 262 263 264 265

§ 23 Der Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung als Symptom der Intensivierung verfassungsrechtlicher Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Intensive Einwirkung und Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben . . 266 II. Verfassungsrechtliche Verstärkung der Subjektivierungsidee . . . . . . . . . . . 267

3. Abschnitt Vergleich der Entwicklungen von formellem und materiellem Ermessensanspruch § 24 Gegenüberstellung der Entstehungsgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinsamkeiten beider Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ähnlichkeit der zeitlichen Entwicklungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ähnlichkeit der Initiativkräfte der Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ähnlichkeit der Anspruchsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterschiede der beiden Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiedlicher Zeitpunkt der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiedliche Bedeutung des prozessualen Aspekts . . . . . . . . . . . . .

268 268 268 269 270 271 272 272 272 273

Inhaltsverzeichnis 3. Unterschiedliche Argumentation bei der grundrechtsunmittelbaren Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiedliche Intensität der Diskussionen um die Entwicklung der beiden Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwangs- und Gegenläufigkeiten in der Entstehung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 275 275 279 279

4. Teil Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

281

§ 25 Weiterentwicklung der Subjektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. Konsolidierung der subjektivierten Ermessensdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Prognose eines Wandels der deutschen Ermessenslehre . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 26 Veränderungsdruck und Veränderungschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besonderheit der deutschen Ermessenslehre im gemeinschaftsrechtlichen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakteristika der deutschen Ermessensdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesen der europarechtlichen Ermessenslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Merkmale der Ermessenslehren anderer europäischer Mitgliedstaaten 4. Ursachen der Eigenartigkeit der deutschen Ermessenslehre . . . . . . . . . II. Veränderungsdruck durch Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Veränderungschancen für die deutsche Ermessensdogmatik . . . . . . . . . . . .

284 285 286 286 288 290 292 294

Resümee Zusammenfassung und Schlussgedanke

297

Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AGStPO Anm. AöR Art. ASt. Az BayBgm BayVBl BayVerfGHE BayVGH BayVGHE BBBl. Bd. Bearb. BGB BGBl. BGH BSG BSGE BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. d.h. DBG DJZ DOK DÖV DR DV DVBl

anderer Ansicht Absatz Ausführungsgesetz zur Strafprozessordnung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Antragssteller(in) Aktenzeichen Der bayerische Bürgermeister Bayerische Verwaltungsblätter Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Bundesbaublatt Band Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise das heisst Deutsches Beamtengesetz Deutsche Juristenzeitung Die Ortskrankenkasse Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt

Abkürzungsverzeichnis EGV EL ESVGHE

etc. EuGH f. FEVS ff. Fn. GBl. GewArch GG GVBl. h. A. HdL Hrsg. i. d. F. JA JR Jura JuS JZ Kl. LSG LVG MDR MRVO mwN n. F. NJW Nr. NVwZ OLG OVG OVGE

PrGS PrVwBl

21

Vertrag zur Gründung der Europäischen Union Ergänzungslieferung Entscheidungssammlung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder et cetera, und sonstige Europäischer Gerichtshof folgende (Seite) Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte fortfolgende (Seiten) Fußnote Gesetzesblatt Gewerbearchiv Grundgesetz Gesetzes- und Verordnungsblatt herrschende Ansicht Handbuch des Lärms und der Luftreinhaltung Herausgeber in der Fassung Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kläger(in) Landessozialgericht Landesverwaltungsgericht Monatsschrift für Deutsches Recht Militärregierungsverordnung mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte für das Land NordrheinWestphalen (Münster) und für das Land Niedersachsen in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes NordrheinWestphalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes Preußische Gesetzsammlung Preußisches Verwaltungsblatt

22 PVG RdA RegBl. RG RGZE Rn. s. S. Saarl. RuStZ SGb SJZ Sp. u. a. u. ä. VBlBW VersR VerwArch VerwRspr VG VGG VGH VGH BW vgl. VOBl. BZ VVDStRL VwGO VwVfG ZaöRV zit. z. B.

Abkürzungsverzeichnis Polizeiverwaltungsgesetz Recht der Arbeit Regierungsblatt Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer siehe Satz, Seite Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Die Sozialgerichtsbarkeit Süddeutsche Juristen-Zeitung Spalte und andere und ähnliche(s) Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtssprechung in Deutschland Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtsgesetz(e) Verwaltungsgerichtshof Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg vergleiche Verordnungsblatt der britisch besetzten Zone Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zitiert zum Beispiel

Es geht hier um die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Grenzen einerseits und dem einzelnen Bürger und seinen Rechten andererseits.“1

1. Teil

Einführung in die Untersuchung § 1 Subjektivierungsthematik Mit den eingangs zitierten Worten versuchte Henke im Jahr 1968, die Bedeutung und Funktion des subjektiv öffentlichen Rechts zu erfassen. Erkennbar wird dabei die grundsätzliche Stellung des subjektiven Rechts in der deutschen Rechtsordnung nach 1949. So ist denn auch die Herausbildung von subjektiv öffentlichen Rechten als eine der wichtigsten Veränderungen des Verwaltungsrechts unter dem Grundgesetz zu begreifen. Das Entstehen subjektiver Rechte ist eine konkrete Auswirkung der Subjektivierungstendenz. Sie dient dieser dogmengeschichtlichen Untersuchung als Ausgangspunkt und Rahmen. An ihr orientiert sich die folgende Darstellung der Entwicklungen der Ermessensdogmatik. I. Begriff der Subjektivierung Die Subjektivierung des Verwaltungsrechts ist als Schlagwort für eine wesentliche Neuentwicklung unter der Geltung des Bonner Grundgesetzes inzwischen eine so gewöhnliche Bezeichnung, dass mit ihrer Nennung oft keine inhaltliche Erklärung mehr miteinhergeht2. Um aber der Gefahr von Missdeutungen und Unklarheiten vorzubeugen, sei dieser Arbeit eine kurze Einleitung vorangestellt, die das Phänomen der Subjektivierung beschreibt. 1. Subjektivierung im Verwaltungsrecht Es ist eine schwierige Aufgabe, den Inhalt des Subjektivierungsbegriffs klar zu umreißen. Im Prinzip umfasst die Subjektivierung die allgemeine Idee einer

1 2

Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 8. Etwa bei Danwitz, System, 1996, S. 76 oder Wesel, Geschichte, 2001, S. 548.

24

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

Rechtssubjektivität des Einzelnen3. Zugleich beschreibt sie aber auch eine Veränderung der Konzeption des Verwaltungsrechts nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Schließlich war das klassische Verwaltungsrecht originär als ein rein objektiver Normkomplex konzipiert, dessen Aufgabe im Ausgleich öffentlicher Interessen bestand4. Nach 1949 veränderten die subjektiv-rechtlichen Grundgesetzinhalte das Verwaltungsrecht zunehmend. Infolgedessen entwickelte das Verwaltungsrecht über die unmittelbare Grundrechtsgeltung einen teilweise subjektiv-rechtlichen Charakter5. Diesen Vorgang und seine Rezeption in der Verwaltungsrechtsdogmatik schildert der kaum präzise bestimmbare Begriff der Subjektivierung. 2. Entwicklung des Subjektivierungsbegriffs In der Verwaltungsrechtswissenschaft ist die Subjektivierung erstaunlicherweise eine nur selten verwendete Bezeichnung6. Schließlich beschreibt sie die 3 Es wird auf eine besondere Nennung der weiblichen Form zugunsten der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des Textes verzichtet. Dem normalen Wortgebrauch entsprechend gilt die männliche Bezeichnung demnach als geschlechtsneutraler Oberbegriff. 4 So Schmidt, NJW 1967, S. 1635 ff. (S. 1640). 5 Die Veränderung der Schutzrichtung der polizeilichen Generalklausel dient als typisches Beispiel dieses allgemeinen Wertungswandels zugunsten des Individualrechtsschutzes. So gingen Rechtsprechung und Literatur bis zur Bandsäge-Entscheidung im Jahr 1960 übereinstimmend davon aus, dass die Generalklausel lediglich dazu bestimmt war, öffentliche Interessen zu schützen, etwa Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 248 mwN in Fn. 47). Erst das Bundesverwaltungsgericht berief sich auf die verfassungsrechtlich ausgestaltete Subjektstellung des Individuums und verankerte den individualrechtsschützenden Gedanken im allgemeinen Polizeirecht. Seitdem ist unbestritten, dass die polizeirechtliche Generalklausel auch die Interessen Einzelner zu beschützen bestimmt ist, so Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, 2002, Rn. 498; Schenke, Polizeirecht, 2003, Rn. 104 (mwN in Fn. 176); Knemeyer, Polizeirecht, 2002, Rn. 134. Zur Annahme einer nun „doppelten Schutzrichtung“: Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 375 ff.); Schmatz, Opportunitätsprinzip, 1964, S. 185 ff.; Knemeyer, VVDStRL 35 (1977) S. 221 ff. (S. 251 ff.): Besonders lesenswert ist die Darlegung des staatstheoretischen Hintergrundes von Frotscher, DVBl 1976, S. 695 ff. (S. 698 f.). 6 Die Subjektivierung wird in den Lehrbüchern von Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 8, Rn. 1 ff., Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 1 ff. und Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 30 ff. nicht ausdrücklich als solche bezeichnet. Allerdings wird ihre Konkretisierung in Form des subjektiv öffentlichen Rechts themastiert. Teils wird die Subjektivierung auch allgemeiner als „Individualisierung“ beschrieben. Beispielsweise spricht Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 359) von „einer starken individualistischen Tendenz, die ein Kennzeichen der doktrinalen und judiziellen Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren gewesen ist“. Hingegen findet sich bei Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizeirecht, 2002, § 1, Rn. 30 der Begriff der Versubjektivrechtlichung. Er bezeichnet die Auswirkung der Subjektivierung dahingehend, dass die Verrechtlichung des Staat-Bürger-Verhältnisses durch die steigende Anerkennung subjektiver Rechte voranschreitet. Der Gewinn dieser eigenständigen Bezeichnung ist jedoch nicht ersichtlich, daher wird sie im Folgenden nicht verwendet.

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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Individualberechtigung des Einzelnen als ein wesentliches Charakteristikum des Verwaltungsrechts nach In-Kraft-Treten des Grundgesetzes7. Soweit ersichtlich erscheint die Subjektivierung als Begriff zum ersten Mal in einem Beitrag von Bachof im Jahr 1963. Schon damals versteht er die „Subjektivierung‘ des Staat-Bürger-Verhältnisses“8 als eines der besonders wichtigen Kennzeichen des deutschen Verwaltungsrechts. Als Symptome der Subjektivierung beobachtet Bachof, dass sich die Auslegungstendenz öffentlich-rechtlicher Normen zunehmend individualinteressenfreundlicher entwickelt und dass subjektive Interessen unter dem Grundgesetz auch als gerichtlich durchsetzbare subjektive Rechte anerkannt werden9. Der Begriff der Subjektivierung hätte sich geeignet, den steigenden Einfluss subjektiver Rechte auf das öffentliche Recht abstrakt zu erfassen. Allerdings macht ihn sich die Verwaltungsrechtswissenschaft zur Beschreibung dieses Prozesses damals nicht zunutze. Erst in den achtziger Jahren findet er rückblickend Verwendung. Ossenbühl verwendet den Begriff der „Subjektivierung‘ des StaatBürger-Verhältnisses“10, indem er die ehemals rein objektiv-rechtliche Charakterisierung des Verwaltungsrechts durch Jellinek mit der teils subjektiv-rechtlichen Orientierung des aktuellen Verwaltungsrechts vergleicht. Dabei misst Ossenbühl der Subjektivierung die Bedeutung einer „kopernikanischen Wende des Verwaltungsrechts“11 zu. Der beschriebene Wandel gründet in einer grundlegenden Perspektivenverschiebung des Verwaltungsrechts, welches ausgehend von der Wahrung ausschließlich öffentlicher Interessen nun auch auf die Beachtung subjektiver Interessen gerichtet ist. In diesem Sinn benutzt auch Stolleis wenig später die Bezeichnung „Subjektivierung des Verwaltungsrechts“12. Als neuen Grundzug des Verwaltungsrechts der Bundesrepublik beschreibt er, dass der Einzelne der Verwaltung nicht mehr nur als Rechtsobjekt, sondern als Rechtssubjekt gegenübersteht. 7 Gleichwohl ist die Subjektivierung in der jetzigen Rechtsordnung von hoher Relevanz. Ihre Bedeutung liegt in der Konzeption einer subjektiven Berechtigung des Einzelnen, die sowohl das Verfassungsrecht wie auch das Verwaltungsrecht durchdrungen hat. Auswirkungen des Grundprinzips der Subjektivierung sind auch die über die Menschenrechtswürde gesicherte Garantie der Rechtssubjektivität oder das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes, wenngleich diese jedoch an sich meist unangesprochen bleiben. 8 Bachof, Entwicklungstendenzen, 1963, S. 3 ff. (S. 11). 9 Siehe bei Bachof, Entwicklungstendenzen, 1963, S. 3 ff. (S. 11). 10 Ossenbühl, Weiterentwicklung, 1987, S. 1143 ff. (S. 1146). 11 Ossenbühl baut diesen Gedanken in einem Aufsatz zum 40-jährigen Jubiläum des Bundesverwaltungsgerichts in DVBl 1993, S. 753 ff. (S. 756) aus. Wieder aufgegriffen wird er von Danwitz, System, 1996, S. 76 f., welcher den „durch die umfassende Subjektivierung des Verwaltungsrechts“ ausgelösten Systemwandel beschreibt, wenig später auch bei Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 497 in Fn. 5). 12 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 243).

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

In diesen wenigen Äußerungen erschöpft sich der Gebrauch des Subjektivierungsbegriffs. Dessen ungeachtet erfasst er die Grundidee einer Berechtigung des Einzelnen im Verhältnis zur öffentlichen Gewalt so treffend, dass die Subjektivierung Titel und Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sein wird. Die Subjektivierung wird als Fortentwicklung des öffentlichen Rechts im Grundsatz positiv gewertet13. Allerdings sind insbesondere in jüngerer Zeit auch Einwände erhoben worden, die den Grad der erreichten Individualisierung des öffentlichen Rechts als übersteigert und daher für das Gemeinwesen als problematisch empfinden14. Maßgeblich hierfür erwies sich die Beobachtung, dass die Geltendmachung entgegenstehender Individualansprüche eine planende und vorsorgende Tätigkeit der Verwaltung oftmals erschweren, manchmal sogar verhindern kann15. Es ist wichtig, die Gefahren einer „Überbewertung des Individuellen“16 grundsätzlich zu thematisieren. Darüber hinaus ist es aber nicht möglich, sich abstrakt ein Urteil über die Frage zu bilden, inwieweit diese Warnungen berechtigt sind und ein gemeinwohlverträgliches Ausmaß der Versubjektivierung schon überschritten ist. Aussagen hierzu bedürften einer fachbereichsspezifischen Untersuchung über den erreichten Grad der Versubjektivierung und damit verbundener schädlicher Auswirkungen auf die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben. Ein solches Vorhaben muss jedoch an anderer Stelle verwirklicht werden.

13 Speziell zur Entwicklung im Grundrechtsbereich: Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 79. 14 Redeker, NJW 1993, S. 1835 f. (S. 1835) kritisiert das Ausmaß der Subjektivierung deutlich als ein Problem der „extrem weit getriebenen“ Individualisierung. Ähnlich defensiv äußert sich schon Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 389 ff.), er befürchtet in Entwicklung, 1960, S. 227 ff. (S. 233 f.) eine Schwächung der rechtsstaatlichen Idee durch ein Kontrollübermaß. Zu den Folgeproblemen einer durch subjektive Rechte verursachten Überreglementierung: Roellecke, Zustand, 1986, S. 27 ff. (S. 41 ff.); Merten, Verhältnis, 1987, S. 53 ff. (S. 68 f.). Die meisten dieser Bedenken finden Erwähnung in einem Aufsatz von Weiß, DÖV 1978, S. 601 ff. mit dem paradoxen Titel „Verrechtlichung als Selbstgefährdung des Rechts“. Hier werden sie schon durchweg substantiierter vorgetragen als noch viele Jahre zuvor von Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 102: „Die Einführung immer neuer ,Rechte‘ und die daraus folgende Auflösung des Rechtssystems in Anspruchsbeziehungen kann sich leicht zu einer Krise des Rechtsstaats auswachsen.“ 15 Denkbar sind solche Situationen in Fällen der Planung von Großprojekten wie Fernstraßen, Flughäfen, Bahnstrecken, Kernkraftwerken, sonstigen atomaren Lagerstellen etc., die es mit einer Vielzahl von verwaltungsgerichtlichen Klagen und Entschädigungsverfahren aufzunehmen haben. 16 Merten, Verhältnis, 1987, S. 53 ff. (S. 68).

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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II. Dimensionen der Subjektivierung Der Grundgedanke der Subjektivierung ist in rechtswissenschaftliche Zusammenhänge verschiedenster Art eingebunden. Seine Auswirkungen sind nicht nur auf der staatstheoretischen Ebene sichtbar, auch anhand der konkreten Ausgestaltung subjektiver Rechte lässt sich die Bedeutung der Subjektivierung erkennen. 1. Staatstheoretische Verflechtungen der Subjektivierung Die Subjektivierung beeinflusst staatstheoretische Fragestellungen grundlegend. Die Entscheidung über die Rechtssubjektivität des Einzelnen stellt wichtige Weichen für maßgebliche Grundentscheidungen des öffentlichen Rechts. a) Verstärkung des Rechtsstaatsgedankens Der Subjektivierungsgedanke effektuiert die rechtsstaatliche Idee in zweierlei Hinsicht. Über die Schaffung und Stärkung subjektiver Rechte verbessert sie quantitativ die rechtliche Einbindung der Staatsgewalt, die zuvor nur über eine objektiv-rechtliche Normierung erreicht werden konnte17. Die Einbettung der Exekutivgewalt in einen (auch subjektiv-rechtlichen) Normkomplex ist neben ihrer Überprüfung durch die Judikative ein wesentliches Merkmal einer rechtsstaatlichen Staatsorganisation. Daneben nimmt die Subjektivierungsidee das Individuum als Subjekt in das rechtliche Beziehungsgefüge des Rechtsstaats auf und berechtigt es subjektiv zur Einhaltung eines gewissen Normprogramms. Dadurch kann der Einzelne die Judikative zur Kontrolle staatlichen Handelns zwingen18. Die Leistungsfähigkeit einer rechtsstaatlichen Staatsorganisation wird im Ergebnis durch das Vorhandensein subjektiver Rechte verstärkt, denn diese intensivieren letztlich die (subjektiv-)rechtlichen Bindungen des staatlichen Handelns.

17 Das Ermessen etwa war zuvor nur durch objektive Normen wie z. B. das Willkürverbot eingeschränkt. Nach 1949 musste die behördliche Ermessensausübung neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch sämtliche Grundrechte beachten. 18 Ähnlich findet sich dieser Gedanke bei Roellecke, Zustand, 1986, S. 27 ff. (S. 31), nach dessen Ansicht, das subjektive Recht „zum Rechtsstaat wie das Benzin zum Auto“ gehört. Dass das subjektive Recht jedoch nicht automatisch „Grundlage des Rechtsstaates“ ist, so Roellecke, Zustand, 1986, S. 27 ff. (S. 32), beweist die Konzeption eines formellen Rechtsstaats im Deutschen Reich (siehe unter § 4 III und § 8 II 1 a).

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

b) Funktionsbestimmung der Staatsgewalten Ebenso ist die Definition der Funktionsbereiche der verschiedenen Staatsgewalten von der Subjektivierungsidee beeinflusst. Der Gedanke einer Rechtssubjektivität begünstigt ein subjektives Rechtsschutzsystem. Damit entscheidet die Gestaltung der Klagebefugnis, ob der Einzelne einen mehr oder weniger restriktiven Zugang zum Gerichtsverfahren erhält. Indem die Ausgestaltung der Klageberechtigung definiert, inwieweit Verwaltungshandlungen einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen oder nicht, bestimmt sie auch das Verhältnis der Funktionsbereiche von Judikative und Exekutive19. Insofern hat die Subjektivierung in der deutschen Rechtsordnung nach 1945 dazu beigetragen, die Kompetenzen der jeweiligen Staatsgewalten abzugrenzen. c) Positionierung des Einzelnen gegenüber dem Staat Die wichtigste Rolle spielt die Subjektivierungsidee allerdings in der Problematik, das Verhältnis von Individuum und Staat festzulegen. Indem die Grundrechte dem Einzelnen eine Rechtssubjektivität zugestehen, heben sie ihn aus seiner ehemaligen Stellung eines von der positiven Rechtssetzung abhängigen Objekts heraus. Dadurch erwächst der Einzelne zum originär (grund-) rechtsberechtigten Subjekt eines Rechtsverhältnisses, das seine Freiheitsräume dem Staat gegenüber bewahren und diese Lebensbereiche selbstbestimmt und unabhängig gestalten kann. Diese Verbesserung der individuellen Rechtsstellung erreicht der Subjektivierungsgedanke, indem er dem Einzelnen zunächst subjektive Rechte20 gewährt und zugleich ein subjektives Rechtsschutzsystem errichtet, das die gerichtliche Durchsetzbarkeit der eingeräumten, subjektiven Rechte gewährleistet. 2. Konkrete Auswirkungen auf das Verwaltungsrecht Rechtstechnisch21 liegt die Bedeutung der Subjektivierung darin, die Rechtsstellung des Einzelnen auszugestalten und damit seine Position gegenüber den Trägern öffentlicher Gewalt zu definieren.

19 Später zeigt § 9 IV 1, inwiefern die Legislative über die Ausgestaltung der Klagebefugnis in dieses Verhältnis miteinbezogen wird. 20 Zur weltweiten Entwicklung einer steigenden Grundrechtsbedeutung: Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 1 ff. 21 Mit dem Begriff „rechtstechnisch“ ist die Umsetzung von abstrakten, rechtstheoretischen Ansätzen in konkrete Formen und Figuren des Rechts angesprochen.

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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a) Unmittelbare Grundrechtsgeltung als Verstärkung des Subjektivierungsgedankens Im klassischen Verwaltungsrecht definierte der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen Staat und Individuum auf einfachrechtlicher Ebene. Diese Situation veränderte die Einführung des Bonner Grundgesetzes nach 1949 grundlegend. Seitdem stehen die Anerkennung und Gestaltung subjektiver Rechte vor dem Hintergrund des originär subjektiv-rechtlichen Charakters der Grundrechte und ihrer unmittelbaren Geltung über Art. 1 Abs. 3 GG. Die Grundrechte wirken sich leitlinienhaft auf die Ausformung des Staat-Bürger-Verhältnisses aus, welches aber aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts dennoch einfachrechtlich und daher mit Hilfe subjektiver Rechte geregelt werden muss. Damit lässt sich die Frage nach subjektiven Rechten nicht mehr ohne Rücksicht auf die Art und das Ausmaß der verfassungsrechtlichen Einwirkung beantworten. Die Grundrechte haben die Subjektivierungsthematik um eine verfassungsrechtliche Dimension bereichert. Seitdem ist die Subjektivierung untrennbar mit der Thematik verfassungsrechtlicher Vorgaben und ihrer Einwirkung auf die einfachrechtliche Ebene verbunden. Diese neue, verfassungsrechtliche Komponente bewirkt eine Stärkung der Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt. Sie begünstigt die Erschaffung neuer subjektiv-rechtlicher Positionen des Einzelnen und verstärkt die bestehenden Individualrechte. Darüber hinaus gewährleistet sie aber auch den prozessualen Schutz der subjektiven Rechte über die Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Einführung eines Justizgewährungsanspruchs in Art. 19 Abs. 4 GG22. Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Subjektivierung verbessert die Rechtsstellung des Einzelnen aufgrund einer veränderten Wertung und Auslegung der Normen quantitativ und qualitativ23. Im Gegenzug verringert sich der Aktionsradius des Staats, weil das Rechtsstaatsprinzip die öffentliche Gewalt zwingt, bestehende Individualrechte zu achten. b) Subjektivierung im Teilbereich des Verwaltungsermessens Als breit verwirklichte Grundtendenz zieht sich die Subjektivierung seit 1945 durch das gesamte öffentliche Recht. Sie in dieser Breite einer wissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen, übersteigt jedoch hier den Rahmen des Mög22 Nach Ossenbühl, DVBl 1993, S. 753 ff. (S. 756) erlangte die verfassungsrechtlich bedingte Verstärkung der subjektiven Rechte eine „Eigendynamik“. Diese führte zu einer erstmaligen Ausrichtung des Verwaltungsrechts nun auch an subjektiven Rechten, wodurch es grundlegend umgestaltet wurde. 23 So auch Martens, DÖV 1976, S. 457 ff. (S. 458); zur „Expansion des subjektivöffentlichen Rechts“: Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 497); zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Einflüsse: Kloepfer, Grundrechte, 1970, S. 1 ff.

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

lichen. Daher wird die Darstellung der Subjektivierungsentwicklung in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Als Teilbereich des öffentlichen Rechts bietet sich dabei eine Untersuchung des Verwaltungsermessens an. Schließlich kann dieses als klassische Grundform des Verwaltungshandelns eine gewisse Repräsentativität für das gesamte Verwaltungsrecht beanspruchen. Der Subjektivierungsgedanke hat sich jedoch auch auf dem begrenzten Bereich des Verwaltungsermessens so mannigfaltig niedergeschlagen, dass nicht alle Auswirkungen, sondern nur Teilaspekte untersucht werden können. Der Fokus dieser Arbeit richtet sich deshalb auf die Anerkennung von subjektiven Rechten im Bereich des Ermessens.

§ 2 Untersuchungsumfang Inhaltlich beschränkt sich die folgende Untersuchung darauf, lediglich einen Teil der dogmengeschichtlichen Entwicklung des Subjektivierungsgedankens in der deutschen Verwaltungsrechtsordnung darzustellen. Infolgedessen thematisiert diese Arbeit, auf welche Weise sich die rechtliche Stellung des Individuums im Bereich des Verwaltungsermessens nach 1945 verändert hat. I. Fragestellung der Arbeit Die dogmengeschichtliche Untersuchung rankt sich um folgende Leitfragen: Wie veränderte die grundrechtlich verbesserte Stellung des Individuums die Ermessenslehren im deutschen Verwaltungsrecht? Wer erkannte die Einflüsse, wer vollzog die Entwicklung und woher kamen die wesentlichen Impulse? Inwiefern ist die Entwicklung von Ansprüchen im Bereich des Ermessens retrospektiv als zwingend zu beurteilen? Angestrebt wird die Erforschung des Prozesses, wie sich subjektive Rechte im Bereich der Ermessensdogmatik entwickelten und inwiefern dabei die verfassungsrechtlich verstärkte Idee der Subjektivierung eine entscheidende Rolle spielte. Als Ermessensansprüche werden der formelle Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch und der materielle Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung infolge einer Ermessensreduktion auf Null untersucht24.

24 Anstelle der korrekten Bezeichnungen des Anspruchs auf bestimmte Ermessensentscheidung als „materielles subjektiv öffentliches Recht“ und des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung als „formelles subjektiv öffentliches Recht“ wird im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit auch ihre Verkürzung auf den Begriff „materielles und formelles Recht“ verwendet. Die bündigere Bezeichnung dieser beiden subjektiven Rechte als formeller und materieller Ermessensanspruch ist (noch) nicht gebräuchlich. Weil sie aber praktisch und unmissverständlich ist, kann sie Eingang in diese Arbeit finden.

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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Die Entstehung von Individualrechten auf dem Gebiet des Ermessens lohnt einer aufmerksamen Betrachtung: Weil das Ermessen als Kernbereich hoheitlichen Handelns vor 1945 objektiv-rechtlichen Bindungen nur fragmentarisch, hingegen aber keinen subjektiv-rechtlichen Einschränkungen unterlag25, verblüfft die rasche Bejahung von subjektiven Rechtspositionen im Bereich des Ermessens nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die vollständige Veränderung der Ermessensdogmatik durch das Erstarken der subjektiven Rechte ist außergewöhnlich und daher für eine wissenschaftliche Untersuchung besonders interessant. Die Erarbeitung dieser rechtsgeschichtlichen Vorgänge muss sich allerdings auf den dogmengeschichtlichen Aspekt der Subjektivierungstendenz beschränken. Eine umfassende rechtsgeschichtliche Betrachtung der Entwicklung der Ermessensansprüche würde den Umfang einer möglichen Untersuchung übersteigen26. Als Gegenstand dieser Arbeit wird somit die dogmengeschichtliche Entdeckung und Begründung der subjektiven Rechte im Bereich des Ermessens festgelegt. II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes In der Thematik der subjektiven Rechte im Bereich des Ermessens treffen zahlreiche Problemkreise aufeinander. Schließlich ist schon jedes einzelne Thema – sowohl das der subjektiven Rechte als auch das des Ermessens – sehr komplex und vielschichtig. Infolgedessen ist es nochmals nötig, den Umfang dieser Untersuchung sinnvoll weitergehend zu begrenzen. 1. Phänomen des subjektiv öffentlichen Rechts Die subjektiv öffentlichen Rechte sind die rechtliche Verkörperung des Subjektivierungsgedankens im öffentlichen Recht. Sie spiegeln die Rechtsstellung des Einzelnen wider und konkretisieren dadurch die Idee der Subjektivierung auf einfachrechtlicher Ebene27. Diese Untersuchung betrachtet die Subjektivie25 Das Ermessen war im Absolutismus und bis in die frühkonstitutionelle Zeit hinein ein Bereich unkontrollierbarer Hoheitsgewalt, der erst über die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips rechtlich erfasst wird. Nach 1949 bewirkt die unmittelbare Grundrechtsbindung über Art. 1 Abs. 3 GG, dass die Ermessensfreiheit über eine objektivrechtliche Bindung hinaus zunehmend durch mehr Individualansprüchen begrenzt wird. 26 Angedeutet wird hier die Erforschung der Subjektivierungstendenz unter Gesichtspunkten der Rechtsempirie, Rechtssoziologie, Rechtspsychologie und anderen Spezialbereichen der Rechtswissenschaft. 27 Auch Henke, Lehre, 1974, S. 495 ff. (S. 496) schreibt dem subjektiv öffentlichen Recht die Funktion zu, die juristische Stellung des Bürgers in der Gesellschaft zu definieren. Bei der Neubestimmung des Staat-Bürger-Verhältnisses würdigt Frotscher,

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

rung der Ermessensdogmatik im Folgenden ausschließlich unter dieser allgemeinen und eher rechtstechnischen Sichtweise. Speziellere Bedeutungsdimensionen des subjektiven Rechts bleiben deswegen weitgehend ausgeklammert. Zudem wird die besondere Problematik subjektiver Rechte des Staats oder juristischer Personen außer Acht gelassen, so dass nur subjektiv öffentliche Rechte Privater Beachtung finden. Außerdem konzentriert sich die Untersuchung auf diejenigen subjektive Rechte, die der Einzelne im vertikalen, also klassisch-hoheitlichen Verhältnis gegenüber dem Staat besitzt. Somit werden jene Rechtspositionen innerhalb von Kooperationsverhältnissen zwischen Staat und Individuum nicht behandelt. 2. Phänomen des Ermessens Die Facetten der Ermessensthematik sind ebenso reichhaltig wie die des subjektiven Rechts, so dass auch hier eine Klarstellung des untersuchten Ermessensbegriffs getroffen werden muss. Die Beobachtung beschränkt sich zunächst auf jenes Ermessen im Bereich des öffentlichen Rechts, das die Verwaltung ausübt. Innerhalb dieses Verwaltungsermessens wird aus Gründen der Vereinfachung nur das Rechtsfolgeermessen untersucht. Alle weiteren Themenkreise, die mit einer Lockerung der rechtlichen Bindung des Verwaltungshandelns verbunden und daher mit dem Ermessen inhaltlich eng verknüpft sind, werden ausgespart28. Diese Arbeit betrachtet die Veränderung des Ermessens aus einer materiellrechtlich und damit dogmatisch orientierten Perspektive. Der Aspekt einer proDVBl 1976, S. 695 ff. (S. 702) die Entwicklung der subjektiven Rechte in ihrer Bedeutung als „deutliche Wegmarken“. 28 Die wichtigste Thematik ist sicherlich der Beurteilungsspielraum. Auch hier wird die Existenz subjektiver Rechte diskutiert. Die anhand des Rechtsfolgeermessens entwickelten Voraussetzungen eines Anspruchs werden auf den Beurteilungsspielraum für übertragbar gehalten, so z. B. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 31; Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 611). Das formelle subjektiv öffentliche Recht wird im Bereich des Beurteilungsspielraumes allerdings unterschiedlich bezeichnet: Obermayer, BayVBl 1975, S. 257 ff. (S. 260) nennt es „Recht auf sachverständige Beurteilung“. Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 107) spricht vom Anspruch auf „fehlerfreien Gebrauch des Beurteilungsspielraums“. Hingegen erwähnen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 32 das „Recht auf eine Entscheidung aufgrund einer von sachfremden Erwägungen freien . . . Beurteilung und Wertung“. Ebenso ist ein materieller Anspruch auf eine bestimmte Beurteilung denkbar, dazu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 32 und (missverständlich formuliert) auch Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 611). Genauso können auch im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung subjektive Rechte bestehen, siehe dazu Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 611) und Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 109). Gleiches gilt für den Verwaltungsbereich der planerischen Gestaltungsfreiheit oder für den Fall von Koppelungsvorschriften.

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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zessualen Überprüfbarkeit von Ermessenshandlungen wird nur am Rande gestreift29. 3. Untersuchungszeitraum und -materialien Das Entstehen subjektiver Rechte veränderte die Ermessensdogmatik am stärksten in den ersten zwei Jahrzehnten nach Kriegsende. Der Untersuchungszeitraum dieser Darstellung ist daher auch auf diese Nachkriegsjahre bis etwa Mitte der sechziger Jahre begrenzt. Von diesem Zeitpunkt an kann die Entstehung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht als abgeschlossen gelten30. Aufgrund der Masse an Materialien ist es zudem notwendig, auch den Umfang der behandelten Rechtsprechungsmaterialen einzuengen. Aus diesem Grund beschränkt sich die Untersuchung grundsätzlich auf die Auswertung oberlandes- und bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung. Sofern erstinstanzliche Entscheidungen für die Entwicklung der Ansprüche von besonderer Bedeutung waren, wurden allerdings auch diese miteinbezogen. 4. Dichte der Darstellung Die Untersuchung der Entwicklungsverläufe von subjektivem Recht und Ermessen nach 1945 ist ein raumgreifendes Projekt. Im Rahmen dieser Arbeit können die Entstehungsprozesse daher nur soweit abgebildet werden, als es für das Grundverständnis ihres Zusammenspiels unerlässlich ist. Infolgedessen ist diese Abhandlung darauf begrenzt, das Entstehen von subjektiven Rechten im Bereich des Ermessens nachzuzeichnen. Aber auch dieses Thema kann nur bis zu einem gewissen Grad erforscht werden. Schließlich wird eine rechtsgebietsübergreifende Untersuchung der Entwicklung des formellen und materiellen Anspruchs auf Ermessensentscheidung angestrebt31. Ziel dieser Untersuchung ist es, einen Überblick über Ausgangsund Endpunkt der Entwicklung der Ermessensansprüche und eine Beschreibung ihres Verlaufs zu bewerkstelligen. Nicht zu leisten ist daher eine detailgenaue 29 Dieser Arbeitsansatz findet sich auch bei Weitzel, Justitiabilität, 1998, S. 24 ff. Jedoch darf die Tatsache nicht unterbewertet werden, dass sich die Praxis in weiten Teilen auf die Theorie stets prägend auswirkte. 30 Schließlich wandelt sich deren Konstruktion in den folgenden Jahren nicht mehr wesentlich, dazu § 25 I. 31 Eine weitere Beschränkung auf ein Teilgebiet des Verwaltungsrechts (z. B. auf das Polizeirecht) vermag die Subjektivierungsentwicklung nicht in ihrer Breite und in ihrem Gesamtzusammenhang darzustellen. Ein fachspezifische Untersuchung erscheint in diesem Zusammenhang sprunghaft und zusammenhangslos. Gerade weil sich die Ansprüche fachübergreifend entwickelt haben, ist eine überblickshafte Darstellungsart die richtige.

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

Forschung. Die Schwierigkeit und Stärke dieser Arbeit liegt jedoch in der Aufgabe, abseits von der Entdeckung interessanter Einzelaspekte die Entwicklung der Ermessensansprüche in ihrem Gesamtzusammenhang erkennen und in den weiten Rahmen der verwaltungsrechtlichen Subjektivierungstendenz setzen zu können32. III. Grundlegende Vorarbeiten Aufgrund ihrer übersichtsartigen Darstellung muss sich diese Untersuchung auf rechtsgeschichtliche Vorarbeiten stützen. Für die Themenkomplexe subjektives Recht und Ermessen konnte neben zahlreichen aktuellen Arbeiten33 auch auf einige wertvolle, ältere Untersuchungen34 zurückgegriffen werden. Für das Verständnis des historischen Hintergrundes der subjektiv öffentlichen Rechte bot sich die Dissertation von Hartmut Bauer35 an. Seine dogmengeschichtliche und periodenübergreifende Darstellung der Rechtsstellung des Einzelnen reicht vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Sie bietet einen umfassenden Überblick sowohl über die verschiedenen Inhalte und Strukturen des subjektiven Rechts als rechtliche Figur wie auch über die allgemeine Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat in der jeweiligen Rechtsordnung. Im Bereich des Ermessens durfte die Dissertation von Ulla Held-Daab36 nicht übersehen werden. Ihre intensive und kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ermessenslehren des klassischen Verwaltungsrechts sowie eine Darstellung des Ge- oder Misslingens ihrer Rezeption nach 1945 sind wichtige Bausteine in der Erforschung der historischen Grundlagen der heutigen Ermessenslehre. Beide Arbeiten halfen dieser Untersuchung, die jeweiligen Entwicklungen nach 1945 in einem größeren dogmengeschichtlichen Rahmen sehen und ihre Bedeutung einschätzen zu können. Sie waren eine wichtige Arbeitsgrundlage, zumal sich bislang nur wenig andere Werke mit Gegenständen der deutschen Verwaltungsrechtsgeschichte beschäftigt haben37. 32 Auch Bauer, Grundlagen, 1986, S. 21 thematisiert die notwendig geringe Darstellungsdichte übergreifender Untersuchungen. 33 Z. B. Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993; Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997; Masing, Mobilisierung, 1997; Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998; Weitzel, Justitiabilität, 1998; Laub, Ermessensreduzierung, 2000. 34 Wichtige Grundlagen dieser Arbeit waren die geschichtlichen Ausführungen von Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968 und Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964 sowie der Beitrag von Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. Als unentbehrlich erwiesen sich die verwaltungsrechtshistorischen Erkenntnisse von Stolleis, Geschichte 2, 1992 und Geschichte 3, 1999, sowie der Sammelband von Jeserich/Pohl/Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 1 bis 5, 1983 bis 1987. 35 Grundlagen, 1986. 36 Ermessen, 1996. Die Zeitspanne dieser Arbeit erstreckt sich vom Zeitalter des Absolutismus bis zur positivistischen Lehre der Weimarer Republik. Ihre Inhalte tragen wesentlich zum Verständnis der Entstehung der Ermessensdogmatik bei.

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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IV. Kommentierung der Themenauswahl 1. Forschungsdefizit im verwaltungsrechtshistorischen Bereich Verschiedene Gründe motivierten zur Erstellung dieser Arbeit. Einer davon ist das erwähnte Forschungsdefizit auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtsgeschichte. Deswegen versucht diese Arbeit, in die rechtsgeschichtliche Erforschung des Verwaltungsermessens einen weiteren Teilbeitrag einzufügen38. Zwar ist hier die historische Erarbeitung auf nur einen Ermessensaspekt, nämlich auf die Entstehung subjektiver Rechte auf Ermessensentscheidungen beschränkt. Allerdings ergeben sich gerade aus der Kombination der Ermessensdogmatik mit der Thematik der subjektiven Rechte weitere interessante Betrachtungsmöglichkeiten. 2. Aktualität der untersuchten rechtsgeschichtlichen Problematik Eine historische Betrachtung von Ermessen und subjektiven Rechten ist aber nicht nur von rein wissenschaftlichem Interesse39. Momentan gewinnt sie insbesondere unter dem Aspekt an Bedeutung, dass nationale Rechtsordnungen zunehmend mit inter- und supranationalen Regelungen korrelieren und daher einem bisher unbekannten Rechtfertigungsbedarf ausgesetzt sind. Darum ist es von Belang, die Funktionsweise nationaler Normkomplexe auf internationaler Ebene oder in anderen Rechtssystemen prognostizieren und hierüber die Konkurrenzfähigkeit einer nationalen Rechtsordnung beurteilen zu können. Die Kenntnis innerrechtlicher Strukturen und ihrer nationalen Bedingt- und Besonderheiten ist dafür unerlässlich40. In diesem Zusammenhang spielt die Erarbeitung der rechtshistorischen Grundlagen eine wichtige Rolle41: Nur sie ermöglicht es, das Rechtssystem in seiner zeitlichen Dimension zu begreifen.

37 Siehe dazu Jeserich/Pohl/Unruh, Grundzüge, 1983, S. 3 ff. (S. 7). Abgesehen davon verweisen Hain/Schlette/Schmitz, AöR 1922 (1997), S. 32 ff. (S. 33 in Fn. 3) auf die dogmatischen Defizite im Bereich des Rechtsfolgeermessens und auch Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997, S. 7 behauptet, dass sich die Lehre „mit dem Begriff des Ermessens . . . kaum näher befaßt“ habe und die „Ermessensfehlerlehre . . . bis heute ein Schattendasein“ (S. 206) führe. 38 Nicht ersichtlich ist, warum Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 9 für verwaltungsgeschichtliche Abhandlungen beginnend mit der Nachkriegszeit das Fehlen eines genügenden historischen Abstandes moniert. 39 Zum Nutzen rechtsgeschichtlicher Arbeiten: Carsten, Erfahrungswert, 1983, S. 1 f. (S. 2). 40 Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997, S. 8 erwähnt beispielsweise, dass die umfassende Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe auf einem spezifisch deutschen Rechtsstaatsverständnis beruht. 41 Nationale Rechtsordnungen umschreibt Pache, Abwägung, 2001, S. 191 treffend als Wettbewerbsfaktoren im internationalen Konkurrenzkampf.

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

Zwar konnte sich das Verwaltungsrecht aufgrund seiner naturgemäß stark national-introvertierten Prägung bislang am längsten dem Einfluss der Veränderungen auf supranationaler Ebene und der Öffnung der Rechtsordnung nach außen entziehen42. Die Auswirkungen des Europarechts sind jedoch seit Mitte der achtziger Jahre nicht mehr zu übersehen43. Im Zuge dieser Entwicklung unterliegt auch die deutsche Ermessensdogmatik heute dem Erwartungsdruck einer gemeinschaftsrechtlichen Anpassung44. Ohne eine grundlegende Kenntnis des Entstehungsprozesses der bestehenden Ermessensdogmatik fehlt aber das Verständnis, unter welchen Möglichkeiten und mit welchen Vor- und Nachteilen sich diese auf andere oder neu entstehende Rechtsordnungen übertragen lässt45. Infolgedessen erscheint eine Erarbeitung ihrer dogmengeschichtlichen Grundlagen unaufschiebbar. Besonders klarlegungsbedürftig ist die Ermessenslehre auch deswegen, weil diese „trotz aller Versuche, sie dogmatisch zu klären, nach wie vor zu den umstrittensten und verworrensten Kapiteln unseres Verwaltungsrechts gehört“46. Ein dogmengeschichtlicher Blick auf die Ermessenslehre im Nachkriegsdeutschland ist daher nicht nur in rechtsgeschichtlicher Hinsicht ergiebig, sondern auch aus zukunftsorientierten Gründen interessant. 3. Subjektives Recht als Schnittstelle zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht Nicht zuletzt eröffnet die Verknüpfung der Ermessensthematik mit derjenigen der subjektiven Rechte die Möglichkeit, den Einfluss der verfassungsrechtlichen Komponente auf das Verwaltungsrecht besser zu erkennen und zu verstehen.

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Sinngemäß bei Scheuner, DÖV 1963, S. 714 ff. (S. 714). Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 495 f.) bezeichnet den Zeitpunkt, in welchem sich das deutsche Verwaltungsrecht von seiner Binnenorientierung löst und nach außen öffnet, als den Beginn einer „zweiten Phase“ des Verwaltungsrechts und datiert ihn auf die Jahre nach 1985. 44 Nach Brenner, Gestaltungsauftrag, 1996, S. 432 hat die gemeinschaftsrechtliche Beeinflussung des deutschen Rechts eine Dimension erreicht, die Jahre zuvor noch unvorstellbar war. Die Anpassung des nationalen Rechts kann geschehen, indem es sich auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene durchsetzt oder indem dort auf seine Durchsetzung verzichtet wird. Wahrscheinlicher ist jedoch ein Mittelweg in Form einer Überarbeitung des nationalen Rechts nach gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen (dazu in § 26 II). Auch Ossenbühl, Verwaltungshandeln, 2002, § 10, Rn. 10 (Fn. 12) rechnet damit, dass den deutschen Ermessenslehren im Zuge der nationalen Angleichung der Dogmatiken des Gemeinschaftsrechts eine Revision bevorsteht. 45 Dieses gegenwartsbezogene Anliegen historischer Arbeiten beschreibt und verfolgt auch Bauer, Grundlagen, 1986, S. 15. 46 Menger, DVBl 1965, S. 662 (S. 662). 43

1. Teil: Einführung in die Untersuchung

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Anhand der grundrechtlich motivierten Entwicklung von Ermessensansprüchen erwächst die Frage, welcher verfassungsrechtlichen Einwirkung das primär einfachgesetzlich geregelte Ermessen nach Grundgesetzgebung ausgesetzt war und es heute ist. Insbesondere die geschichtliche Betrachtung macht sichtbar, wie stark das Gewicht verfassungsrechtlicher Vorgaben für das Verwaltungsrecht und die dort angesiedelte Ermessenslehre nach 1949 zugenommen hat47 und auch wie dieser Erkenntnisprozess vonstatten gegangen ist. Das subjektive Recht erlaubt aber nicht nur, die wechselseitigen Abhängigkeiten von Verfassungs- und Verwaltungsrecht aufzuzeigen und in ihrem Veränderungsprozess zu beobachten. Es ist vor allem deswegen ein attraktiver Untersuchungsgegenstand, weil mit der Gestaltung des subjektiven Rechts zahlreiche Grundfragen des öffentlichen Rechts aufgeworfen werden. Das subjektive Recht ist ein Kristallationspunkt48 öffentlich-rechtlicher Grundentscheidungen und bestimmt dadurch den Rechtsstaatscharakter eines Staats, die Funktionen der Staatsgewalten, die Stellung des Einzelnen zum Staat und das Rechtsschutzsystem. V. Aufbau der Arbeit Dieser Arbeit geht ein Grundlagenteil voran. Er folgt der Einleitung (§§ 1, 2) und behandelt das Wesen von Ermessen und subjektiven Rechten sowie ihr Verhältnis zueinander vor 1945 und in der heutigen Rechtsordnung (§§ 3–11). Diese umfangreiche Einführung ist zum einen erforderlich, um die Rechtslage am Anfangs- und am Endpunkt der untersuchten Entwicklung zu verstehen. Zum anderen erlaubt sie es, die Bedeutung der Anspruchsentwicklung in ihrem Ausmaß zu erfassen.

47 Die Umkehrung des Verhältnisses von Verwaltungs- und Verfassungsrecht spiegeln folgende, häufig zitierte Aussagen wider: Der Satz „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“ von Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1924, Vorwort charakterisiert das klassische Verwaltungsrecht. Nach 1945 wird hingegen der Titel des Aufsatzes von Werner, DVBl 1959, S. 527 ff. „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht“ wegweisend. Verfassungsrechtliche Inhalte haben das Ermessen in subjektiv-rechtlicher Hinsicht wie folgt durchdrungen. Zum einen unterlag es im Laufe der Zeit einer zunehmenden Beschränkung und Strukturierung durch verfassungsrechtlich verstärkte, subjektive Rechte. Zum anderen entwickelten sich subjektive Rechte, mit Hilfe derer der Einzelne Ermessensentscheidungen erzwingen oder verhindern konnte. 48 Den Begriff des „Kristallationspunktes“ gebraucht Pache, Abwägung, 2001, S. 2 allerdings in einem anderen Zusammenhang. Er umschreibt damit das Wesen des Beurteilungsspielraums. Weil dieser – ebenso wie das subjektive Recht – dazu dient, die Funktionen der Staatsgewalten untereinander abzugrenzen, wie auch die Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat über das Ausmaß des individuellen Rechtsschutzes zu bestimmen, ist die Bezeichnung auch auf das subjektive Recht übertragbar.

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1. Teil: Einführung in die Untersuchung

Es schließt sich der Hauptteil an. Er zeichnet die Entstehung des formellen und materiellen subjektiv öffentlichen Rechts nach (§§ 12–22). Dabei ist die Darstellung nicht auf den Entstehungsprozess begrenzt, sie behandelt auch die Entwicklung der verschiedenen Begründungsansätze und Konstruktionen der beiden Ansprüche. Als Ergebnis der Arbeit wird feststehen, ob die Entstehung der Ermessensansprüche als ein Teilaspekt der Subjektivierung zu werten ist und welche Rolle die Konkretisierung verfassungsrechtlicher Leitideen auf der einfachrechtlichen Ebene der Ermessensdogmatik dabei spielt (§§ 17, 23). Der Hauptteil endet mit einem Vergleich der Entwicklung von formellen und materiellen Recht, der Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Gegenläufigkeiten aufdecken wird (§ 24). Der letzte Teil der Arbeit beleuchtet kurz die Weiterentwicklung der subjektivierten Ermessenslehre nach Abschluss des Untersuchungszeitraums (§ 25). Abschließend wird der Blick auf die Zukunftsperspektiven der deutschen Ermessensdogmatik gelenkt (§ 26), um hieran die Richtung und die Chancen ihrer Fortentwicklung im internationalen, aber vorrangig im gemeinschaftsrechtlichen Kontext zu diskutieren.

2. Teil

Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen Die Frage, inwieweit subjektiv öffentliches Recht und Ermessen als Erscheinungsformen des öffentlichen Rechts in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen oder ob sie ohne Bezüge nebeneinander existieren können, ist je nach Entwicklungsstand des Verwaltungsrechts unterschiedlich beantwortet worden. Wie sich die Auffassungen vom Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts und des Ermessens im Laufe des letzten Jahrhunderts einschneidend verändert haben, so waren auch jene Theorien einem steten Wandel ausgesetzt, die entweder versuchten, die wechselseitige Bedingtheit der beiden entgegengesetzten Rechtsinstitute zu begründen oder die Grenzlinie zwischen subjektiven Rechten und Ermessen im öffentlichen Recht nachzuzeichnen. Um den Wandel des Verhältnisses von subjektiven Rechten und Ermessen besser verstehen zu können, wird sein Anfangs- und Endpunkt hier vorab in einem Grundlagenteil skizziert.

§ 3 Wandel des Verhältnisses von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen im Überblick I. Veränderungen im rechtsdogmatischen Zusammenwirken von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen Nach heutigem Rechtsverständnis stehen sich die Rechtsformen von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen konträr gegenüber1. Diejenigen Bereiche des Verwaltungshandelns, die der Gesetzgeber als Ermessensspielräume ausgestaltet hat, kann der Einzelne nicht determinieren. Wo das Verwaltungshandeln hingegen genau bestimmt ist, können subjektive Rechte des Einzelnen auf dieses rechtlich bestimmte Verwaltungshandeln bestehen2. 1 Diese Gegensätzlichkeit von Ermessen und subjektivem Recht bezeichnet Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 39 dennoch nicht als „antinomisch“. Zu Recht betont Mayer hingegen, dass Ermessen und subjektives Recht sich gegeneinander bedingen, also aufeinander rückbezogen sind. 2 Der Normalfall ist ein materieller Anspruch im Bereich des Verwaltungshandelns, die besonderen Fälle von Ansprüchen im Bereich der Ermessensverwaltung werden im Hauptteil (§§ 13–23) erörtert.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

Das Verhältnis von subjektivem Recht und Ermessen stellt sich heute demnach als einseitig reziprok dar und kann mit folgender Kurzformel wiedergegeben werden: Je weiter die Rechte des Einzelnen reichen, desto enger ist der Ermessensfreiraum der Verwaltung. Diese These lässt sich jedoch nicht problemlos umkehren. So muss eine Ermessenseinschränkung nicht zwangsläufig durch subjektive Rechte bedingt sein, sie kann auch durch objektive Rechtssätze erfolgen. Im klassischen Verwaltungsrecht3 spielte das subjektive Recht als ermessensbegrenzender Faktor eine untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt der juristischen und staatstheoretischen Diskussion lag auf der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips, sie befasste sich daher nur mit der Bindungswirkung objektiver Gesetze. Erst durch die theoretisch ausgerichteten Systematisierungsbestrebungen des Privatrechts erhielt die Entwicklung des subjektiv öffentlichen Rechts ih-ren maßgeblichen Anstoß. Vom rechtspolitischen Aspekt der Beschränkung der Staatsmacht blieb die Entwicklung somit relativ unbeeinflusst. Eine detaillierte Darstellung der Lösungsansätze aus dem klassischen und dem aktuellen Verwaltungsrecht bleiben diese schemenhaften Aussagen aber schuldig. Notwendig ist daher eine Einführung in die rechtstheoretischen Ansätze der Komponenten von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen, bevor auf die Theorien ihr Zusammenwirken betreffend eingegangen wird. II. Abriss der dogmengeschichtlichen Entwicklung Die Betrachtung beginnt mit dem klassischen Verwaltungsrecht zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht war nach ihrer Systematisierung, welche im wesentlichen Bühler durch seine Habilitation4 geleistet hat, zu einem gewissen inneren Abschluss gekommen5. Auch die Ermessensdogmatik wurde in ihren Grundzügen von der Gerichtspraxis akzeptiert, wenngleich eine Homogenität der verschiedenen Ansichten damals noch nicht erreicht wurde. Das öffentlich-rechtliche Verhältnis von subjektivem Recht und Ermessen und die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Rechtsdogmatik waren nur am Rande Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Ausschlaggebend für dieses Desinteresse waren mehrere Umstände. In vorkonstitutioneller Zeit äußerte sich das Staatshandeln gegenüber dem Bürger in Form des ursprünglich als Prärogativrecht bestehenden Ermessens. Das staatliche Handeln wurde zunächst über die Errichtung von Länderverfassungen6 und später auch über die Umsetzung des Rechtsstaatsgedankens begrenzt. Im Deutschen 3

Der Begriff „klassisches Verwaltungsrecht“ wird sogleich in § 4 I erklärt. Subjektive oeffentliche Rechte, 1914. 5 Für die Rechtsdogmatik im Allgemeinen stellt dies Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1985, S. 77 ff. (S. 89) fest. 4

2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

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Reich setzten Normen des objektiven Rechts in Form von Verfassungs- oder einfachgesetzlichem Reichsrecht den grundsätzlich unbegrenzten, staatlichen Befugnissen Schranken. Eine Begrenzung des Ermessens durch subjektive Rechte wie sie Art. 1 Abs. 3 GG dem heutigen Rechtsverständnis entsprechend ausdrückt, fand sich damals jedoch kaum als Denkansatz. Schließlich stand die Konstruktion subjektiver Rechte im öffentlichen Recht noch am Anfang ihrer Entwicklung7. Erst nachdem der subjektive Charakter der Grundrechte unumstritten war8 und ihre Bindungswirkung verfassungsrechtlich niedergelegt wurde, konnte das Ermessen als Ausdruck staatlicher Hoheitsgewalt auch durch subjektive Rechte wirksam eingeschränkt werden9. Nachdem subjektive Rechte als rechtliche Grenze staatlicher Eingriffe anerkannt wurden, wuchs die Erkenntnis, dass subjektive Rechte des Bürgers mit den hoheitlichen Befugnissen des Staats in Form des Ermessens gegenseitig verschränkt sein können. Dieser rechtsdogmatische Wandel ist zugleich Ausdruck einer geänderten staatstheoretischen Auffassung: Dem Bürger wurde in zunehmendem Maße ein freier Lebensbereich zuerkannt. Hierüber konnte der Einzelne mit Hilfe seiner subjektiv öffentlichen Rechte selbstbestimmt verfügen. Es oblag seiner Entscheidung, ob er einen Zugriff der Staatsgewalt dulden oder abwehren wollte. Insofern ist die rechtliche Konstruktion einer Inhaberschaft von subjektiven Rechten Indiz eines fortentwickelten, staatstheoretischen Fokus: Vom Zeitpunkt der Entstehung subjektiver Rechte an wird der Bürger verstärkt nicht mehr als vom Staat behandeltes Objekt, sondern als handelndes Subjekt betrachtet10. 6 Die Verfassungen der Länder wurden von den Herrschern meist freiwillig erlassen, um Kompromisse mit den zunehmend einflussreicheren Ständen des Bürgertums zu schließen, so Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 237). 7 Siehe dazu auch die bei Dubischar, Recht, 1990, Sp. 249 ff. dargestellte Parallelentwicklung im Zivilrecht, welche erst Mitte des 19. Jahrhunderts als abgeschlossen gelten kann. Im öffentlichen Recht blieben die Erörterungen bei Gerber, Oeffentliche Rechte, 1852 zunächst ohne weitere Wirkung. 8 Das subjektiv-rechtliche Wesen der Grundrechte war lange Zeit strittig; weiterführende Nachweise bei: Kleinheyer, Grundrechte, 1975, S. 1047 ff. (S. 1058 f., Rn. 201 f.); Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 246 ff.); ausführlich dargestellt von Sachs, Grundrechte, 1988, S. 508 ff. 9 Hierfür war ein Wandel der Grundrechtsbedeutung nötig, denn ursprünglich sollten die Grundrechte die rechtliche Bindung des Staatshandelns sichern. Ihr subjektiver Rechtscharakter, wie er heute im Vordergrund steht, wurde damals noch äußerst kontrovers diskutiert. Nach damals herrschender Ansicht handelte es sich bei ihnen um objektive Rechtssätze, welche die dem Monarchen originär zustehende Staatsgewalt begrenzen sollten. Nach 1849 wurde die Machtbeschränkung jedoch über die Idee des Rechtsstaatsprinzips erreicht. Das Recht bestand zu dieser Zeit vorwiegend aus objektiven Normen. Somit dauerte es ein weiteres Jahrhundert, bis nach 1949 die Begrenzung der Staatsmacht zusätzlich über die bindende Wirkung der als subjektiv-rechtlich verstandenen Grundrechte erzielt werden konnte. 10 Aufgrund eines obrigkeitsgeprägten Staat-Bürger-Verhältnisses existierte die rechtliche Anerkennung privater Interessen vor 1945 nur in sehr begrenztem Ausmaß. Aus der subjektiv-rechtlichen Tendenz des Grundgesetzes ist jedoch der Verfassungsauftrag

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

1. Abschnitt

Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht Bei der Einführung des Grundgesetzes im Jahr 1949 befand sich die Rechtswissenschaft auf der Suche nach einem Ausgangspunkt für die Entwicklung der Ermessenslehre. Auf die Theorien der chronologisch vorangegangen nationalsozialistischen Lehre konnte nicht zurückgegriffen werden, da diese rechtsstaatlich defizitär waren und aufgrund ihrer ideologischen Dogmatisierung einem wissenschaftlichen Anspruch nicht genügten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die auf breiter Basis getragene Ablehnung des nationalsozialistischen Unrechts, welche die Perspektive noch weiter zurück in der Geschichte lenkte. Der Blick fiel auf das Verwaltungsrecht der Weimarer Republik11, das bestimmt war vom Bestreben nach einer wissenschaftlich-systematischen Durchdringung der Verwaltungsrechtsmaterie 12. In den vierzig Jahren relativer politischer Stabilität nach der Reichsgründung im Jahr 1871 entwickelte sich das Verwaltungsrecht durch Anregungen der Verwaltungsrechtsprechung und Impulse der Verwaltungsrechtswissenschaft zu einem beachtlichen Normkomplex, dessen Struktur umfassend systematisch erfasst wurde. Schließlich wurden die Inhalte dieses Verwaltungsrechts für jenes im Nachkriegsdeutschland übernommen13. Die Änderungen durch die nationalsozialistische Lehre wurden als Dunkelpunkt deutscher Geschichte außer Betracht gelassen.

§ 4 Die Epoche des klassischen Verwaltungsrechts Der Begriff des klassischen Verwaltungsrechts wird keineswegs einheitlich gebraucht14. Aus diesem Grund muss der Darstellung von subjektivem Recht abzuleiten, jene Bereiche des öffentlichen Rechts subjektiven Rechten zugänglich zu machen, in denen der Staat Angelegenheiten des Einzelnen regelt, welche ihn so stark betreffen, dass eine Missachtung seiner individuellen Interessen den Einzelnen in eine Objektstellung abdrängen würde. 11 Diese Haltung beschreibt Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 233 f.) auch als die einheitliche Linie der ersten Verwaltungslehrbücher in der Bundesrepublik nach 1949. 12 Die rechtspositivistische Methode entwickelte sich schon zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach Gründung des Deutschen Reichs erstreckte sie sich dann auch auf das reichseinheitliche Verwaltungsrecht. 13 Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 16 f. kritisiert die unreflektierte Übernahme der spätkonstitutionellen Ermessenslehre nach 1945. Schließlich war die verfassungsrechtliche und methodische Situation nach Kriegsende eine andere als im klassischen Verwaltungsrecht. 14 Achterberg, DÖV 1979, S. 737 ff. (S. 739), Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1209) und auch Bull, Verwaltungsrecht, 2000, S. 37 verwenden ihn für die Ablösung der Verwaltungsrechtswissenschaft von der allgemeinen Staatswissenschaft, mit der eine Systematisierung anhand der juristischen Methode einherging.

1. Abschn.: Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht

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und Ermessen ein kurzer Abriss über die Bezeichnung, die zeitliche Einordnung und das Wesen des klassischen Verwaltungsrechts vorangehen. I. Notwendige Begriffsklärung Um die Bedeutung, die Wertungen und die konkreten Regelungen des klassischen Verwaltungsrechts richtig erfassen zu können, muss eine Einordnung in den verwaltungsgeschichtlichen Gesamtzusammenhang stattfinden. Die Entstehung des Verwaltungsrechts setzt begrifflich den Staat als Institution voraus. Bis weit über das Mittelalter hinaus war eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht nicht bekannt, da Machtträger und Untertan eine im Grunde privatrechtliche Beziehung miteinander verband15. Erst von jenem logischen Augenblick an, in dem die Herrscherperson nicht mehr mit dem Staat identifiziert, sondern als dessen Organ begriffen wurde, gelang die Objektivierung eines nun abstrakten Staatsgebildes. Für dieses musste ein besonderes, also ein öffentliches Recht geschaffen werden16. Eine neue Epoche des Verwaltungsrechts begann, als sich das öffentlichrechtliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger vom Gewalt- zum Rechtsverhältnis wandelte17. Ermöglicht wurde dies durch die Entwicklung der Verwaltungsrechtswissenschaft, die sich aufgrund ihrer Verrechtlichung von der Staatswissenschaft abgespalten und dadurch auch von nicht-juristischen Elementen gelöst hatte. Dieser Prozess kennzeichnet das „moderne“ Verwaltungsrecht. Allerdings ist der Begriff des modernen Verwaltungsrechts in sich widersprüchlich: Zum einen setzt „modern“ begriffsnotwendig einen wesentlichen Fortschritt voraus, zum anderen wird das Verwaltungsrecht aber zu dieser Zeit erstmals als rechtliche Materie von der juristischen Methode durchdrungen. Es erscheint damit zum ersten Mal überhaupt als positives Recht und verdient die Betitelung als „Rechts“- (im Sinne von Norm) Materie. Teils wird diese Ära des Verwaltungsrechts aber auch „klassisch“ genannt. Diese Titulierung der Epoche des Verwaltungsrechts der Weimarer Republik ist aus verschiedenen Gründen begrifflich passender. So bringt die Bezeichnung „klassisch“ eine gewisse Vorbildhaftigkeit und Mustergültigkeit zum Ausdruck. Darüber hinaus stellt dieser Begriff eine abgeschlossene Phase der RechtsdogAnders gebraucht jedoch Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1973, S. 59 den Begriff des klassischen Verwaltungsrechts. Für ihn ist der Übergang des Befehls zur Norm und die Umwandlung des Staatsdienertums in das Berufsbeamtentum nach dem Ersten Weltkrieg für das moderne Verwaltungsrecht bezeichnend. Allerdings bleibt diese, von Forsthoff gebrauchte Begrifflichkeit singulär. 15 So Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 17. 16 Als völlig abgeschlossen kann diese Entwicklung nach Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 17 erst im Absolutismus gelten. 17 So Achterberg, Verwaltungsrecht, 1986, S. 67.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

matik vor der Entdeckung der Verfassungsabhängigkeit des Verwaltungsrechts dar. Insofern entspricht die Bezeichnung als klassisches Verwaltungsrecht auch dem allgemeinen Verständnis des Adjektivs „klassisch“18. Zudem wird der Begriff „modern“ im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrecht uneinheitlich verwendet und ist vom Wortsinn her mehrdeutig19, so dass im Ergebnis auf den Begriff des klassischen Verwaltungsrechts zurückgegriffen werden soll. Sein Gegenstück ist das heute gültige, also das aktuelle Recht. II. Zeitliche Dimension Die Ära des klassischen Verwaltungsrechts beginnt mit dem Zeitpunkt der Einführung der bundeseinheitlichen Reichsverfassung von 187120. Dieses reichsumspannende Gesetzeswerk gab der bis dahin partikularstaatlich geprägten Verwaltungswissenschaft einen festen Rahmen und gleichzeitig eine neue Orientierung. Indem die Verfassung der Verwaltungswissenschaft eine gewisse Kontinuität garantieren konnte, verhalf sie ihr zu einem neuen Auftrieb21. Die Bedingungen für eine Entwicklung, Entfaltung und Fortentwicklung einer Verwaltungsrechtswissenschaft waren optimal. Der wissenschaftliche Eifer war groß. Die politischen Ereignisse der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Form von Demokratisierung, Republikanisierung und aktuellen Fragen der Verfassungslehre22 ließen die Verwaltungslehre hingegen verhältnismäßig unberührt23. In dieser Zeit trat sie in ein Stadium der Konsolidierung ein24.

18 Zur allgemeinen Bedeutung des Begriffs „klassisch“: vgl. Brockhaus, Bd. 12, 1997, S. 58. 19 Zwar ist das Verwaltungsrecht der Weimarer Republik der neueren Zeitgeschichte zuzurechnen. Allerdings steht seine Epoche am Beginn der jungen Geschichte des Verwaltungsrechts. Seine Beizeichnung als „modern“ als Synonym für zeitgemäß oder dem neuesten Stand entsprechend war damals richtig, ist jedoch heute schlichtweg irreführend, auch Bauer, Grundlagen, 1986, S. 125. 20 Dass Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 85) den Zeitpunkt geringfügig abweichend auf die Einführung der Verfassung des Norddeutschen Bundes im Jahr 1866 datiert, wird außer Betracht gelassen. 21 Deutlich wird dies anhand der Aussage von Laband, Staatsrecht, Bd. 1, 1876, S. V: „Dagegen gewinnt das Verständnis dieser Verfassung selbst, die Erkenntnis ihrer Grundprinzipien und der aus den letzteren herzuleitenden Folgesätze . . . ein immer steigendes Interesse.“ 22 So blieb der staatsrechtliche Wandel nach Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1198 f. (Sp. 1210) für das öffentliche Recht methodisch und inhaltlich ohne größere Folgen. 23 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 107 nimmt an, dass das junge Fach der Verwaltungswissenschaft seine eben errungene Anerkennung nicht wieder durch theoretische Grundsatzdebatten riskieren wollte, an denen das Interesse ohnehin geringer war als im abstrakter ausgerichteten Staatsrecht. 24 So bei Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 101) und Bauer, Grundlagen, 1986, S. 127.

1. Abschn.: Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht

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Die Machtübernahme durch Hitler stellt einen Endpunkt der klassischen Verwaltungswissenschaft dar. Von diesem Moment an stand ihre Fortentwicklung still. In rechtsstaatlicher Hinsicht waren sogar Rückschritte aufgrund der Angleichung des Verwaltungsrechts an die Zielsetzungen des Nationalsozialismus25 zu verzeichnen. Die nationalsozialistische Verwaltungslehre stigmatisierte den Rechtsstaat als „schlaue Konstruktion des rücksichts- und bedenkenlosen Individualismus der liberalen Epoche“26 und verspottete die Schutzfunktion des Rechts als liberales Überbleibsel27. Aufmerksam registriert Stolleis als Grundtendenzen des nationalsozialistischen Verwaltungsrechts eine Entwicklung vom Individualrecht zur Kollektivpflicht, die Negierung der Gesetzesbindung und der Existenz subjektiv öffentlicher Rechte sowie letztlich die Auflösung der formalen und berechenbaren Rechtsordnung28. Das klassische Verwaltungsrecht umfasst daher die Zeitspanne von der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 bis zur Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes. Seine Entwicklung verlief bis zum Ende der Weimarer Republik konstant. III. Methodische und inhaltliche Grundzüge Das klassische Verwaltungsrecht veränderte die ihr zeitlich vorangehende öffentlich-rechtliche Materie sowohl in methodischer als auch inhaltlicher Hinsicht grundlegend. Die aufstrebende Methode des wissenschaftlichen Rechtspositivismus bemühte sich um eine Verwissenschaftlichung der Regelungen des öffentlichen Rechts in Anlehnung an das Zivilrecht und erreichte diese auch29. Diese juristische Methode hatte sich die Abstraktion der gültigen Rechtssätze und -institute sowie deren systematische Verknüpfung zum Ziel gesetzt30. Der Paradigmenwechsel von der idealistischen Staatsrechtslehre hin zur juristischen Verwaltungsrechtswissenschaft bedingte eine Reduktion auf das juristisch Greifbare. Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Strenge wurden zu den Schlagwörtern der neuen Methodenlehre31. Mit dem Rückzug auf das bloße Recht kappte die Rechtswissenschaft ihre Wurzeln zu den metaphysischen Grundlagen und Bedingungen des Rechts, sie verzichtete auf den Gedanken materieller Gerechtig25 Dargestellt werden diese etwa in den Aufsätzen von Forsthoff, DR 1935, S. 331 ff. und DR 1935, S. 398 ff. 26 Kirchheimer, Kritische Justiz 9 (1976) S. 39 ff. (S. 39). 27 So Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 318. 28 So Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 360 ff. 29 Siehe bei Köbler, Positivismus, 2001, S. 3321 f. 30 Nach Achterberg, DÖV 1979, S. 737 ff. (S. 741). 31 Erwähnt bei Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 89).

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

keit und konzentrierte sich auf die Entwicklung einer formal ausgestalteten Systematik des bestehenden positiven Rechts32. Im Rahmen der Entwicklung der begrifflich-systematischen juristischen Arbeitsweise kommt Otto Mayer eine besondere Vorreiterrolle zu33. Sein „Deutsches Verwaltungsrecht“34 gilt als grundlegendes Werk der Verwaltungsrechtswissenschaft und war richtungsweisend für viele spätere Verwaltungsrechtler35. Wenngleich diese zunächst wissenschaftsund später gesetzespositivistische Vorgehensweise Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend kritischer betrachtet wurde36, so ist sie doch für das klassische Verwaltungsrecht als generell vorherrschend zu bezeichnen. Inhaltlich zeichnet sich das klassische Verwaltungsrecht durch die Anerkennung des Rechtsstaatsprinzips aus. Aus dem Dualismus zwischen konservativer Monarchie und liberalem Bürgertum entstand der bürgerliche Rechtsstaat37. Seine Umsetzung erfolgte, indem sich sämtliche Formen des Verwaltungshandelns an rechtsstaatlichen Erfordernissen auf theoretischer Ebene messen lassen mussten. Plötzlich waren sie zu Gegenständen des rechtswissenschaftlichen Interesses geworden. Aber auch in der Praxis war durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit 1863 staatliches Handeln rechtlich überprüfbar und damit für den Bürger in begrenztem Ausmaß berechenbar geworden. Folglich wandelte sich die obrigkeitliche Beziehung zwischen Staat und Bürger in ein Rechtsverhältnis. Dieses wurde durch das neue Verwaltungsrecht konkretisiert und durch die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit gerichtlich überprüfbar38. IV. Bedeutung des klassischen Verwaltungsrechts Die Verwaltungsrechtsmaterie erfuhr somit sowohl in systematisch-methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht eine fast vollständige Umstrukturierung. Wenngleich die spätere und auch heutige Rechtswissenschaft die juristische Methode nicht mehr in derselben Strenge wie noch im klassischen Verwaltungsrecht vertritt, so hat sich die rechtsstaatliche Idee als Verfassungsgrundsatz erhalten und weiter entwickelt. Im Bereich des Verwaltungsrechts schlug sie sich im Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nieder. Die Notwendigkeit eines recht- und gesetzmäßigen Verhaltens der Verwaltung bildet heute die Basis der verwaltungsrechtlichen Dogmatik, deren Grundfiguren des Gesetzesvorrangs 32

So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 53. So wertet Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 98). 34 Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1895. 35 So auch Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 43. 36 Siehe bei Kaufmann, Rechtspositivismus, 1990, Sp. 321 ff. (Sp. 327); Köbler, Positivismus, 2001, S. 3321 f.; Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 204 f. 37 So Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 28. 38 Dies stellt Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 243 fest. 33

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und -vorbehalts39 schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Umrissen erkannt und diskutiert wurden. Daher ist es richtig, das klassische Verwaltungsrecht als Ausgangspunkt für verwaltungsrechtliche Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 zu betrachten40.

§ 5 Rechtsstellung des Einzelnen im klassischen Verwaltungsrecht Diese Arbeit soll einen Beitrag zu Klärung des besonderen Einflusses der subjektiven Rechte auf die Entwicklung der Ermessenslehren in der Bundesrepublik leisten. Da als Ausgangspunkt der Untersuchung die Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht festgelegt wurde, müsste die Darstellung damit beginnen, die Bedeutung der subjektiven Rechte in der Ermessenslehre zu behandeln. Zwei Gründe sprechen jedoch dagegen. Zum einen war das Verhältnis von subjektivem Recht und Ermessen vor 1945 kaum Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen. Es muss daher selbständig aus der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht und der Ermessensdogmatik entwickelt werden. Zum anderen ist eine getrennte Darstellung der beiden einzelnen Lehren vor ihrem zeitgeschichtlichen Hintergrund wichtig für ein gewisses Ausgangsverständnis. Ohne dieses lässt sich nur schwer erklären, weshalb im klassischen Verwaltungsrecht lediglich schwache Verbindungslinien zwischen subjektivem Recht und Ermessen existierten. Aus diesen Gründen folgt zunächst eine Untersuchung des Entstehungsprozesses des subjektiv öffentlichen Rechts und seiner Präsenz im klassischen Verwaltungsrecht41. I. Entwicklungsskizze der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht Die Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat festigte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer rechtlichen Position. Die Entstehung einer individuellen Rechtsstellung kann jedoch nicht ohne das Wissen um jene Faktoren verstanden werden, die diese Entwicklung begleiteten und bestimmten. Aus diesem Grund wird der Beschreibung der Stellung des Einzelnen im klassischen 39 Etwa bei Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 9, Rn. 7 oder Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2002, § 6. 40 Auch nach Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 415 und Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 13 diente der Diskussionsendstand der Weimarer Republik für den Bereich der Ermessenslehre als Grundlage für seine weitere Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Gleiches gilt für das subjektiv öffentliche Recht. 41 Die folgende Darstellung im Rahmen des Grundlagenteils muss skizzenhaft und an den wesentlichen Inhalten orientiert bleiben. Detaillierte Ausführungen bei: Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 12–22; Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 1–39; Bauer, Grundlagen, 1986, S. 22–116; Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 370–376 und Bd. 3, 1999, S. 214 f., 363–364.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

Verwaltungsrecht ein kurzer Überblick über den historischen Hintergrund vorangestellt. 1. Stellung des Einzelnen in vorkonstitutioneller Zeit Es ist kein einfaches Vorhaben, die Rechtsstellung des Einzelnen von damals und heute zu vergleichen. Im Gegensatz zum heutigen Rechtssystem war der Staat bis in das 18. Jahrhundert42 nicht als juristische Person erkannt43, auch die Trennung von öffentlichem und privatem Recht war noch nicht vollzogen44. Bis zu jenem entscheidenden Zeitpunkt, an welchem von der Entstehung des öffentlichen Rechts die Rede sein kann, bestand die rechtliche Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschten aus miteinander kollidierendem Recht und Gegenrecht. Die jeweilige Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses war durch die individuelle Interessenskonstellation und nicht durch das Gesetz bestimmt. Die Rechtsbeziehungen der Untertanen untereinander und die zwischen Untertan und Herrscher galten als gleichwertig. Somit kam dem öffentlichen Recht im Sinne eines für den Herrschenden geltenden Rechts keine vorrangige Stellung zu45. Folge dieses rein intersubjektiven Verhältnisses war ein Rechtsschutz in „Verwaltungssachen“, der sich in keiner Hinsicht von den ordentlichen Streitbarkeiten unterschied46. Es bedurfte damit keiner eigenen Kategorie eines öffentlichen Rechts oder einer öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit. Das im Mittelalter noch in gewissem Maße ausgewogene gegenseitige Rechte- und Pflichtenverhältnis wurde im Absolutismus durch das feindliche Gegenüber von Herrschaftsrechten des Staatsoberhauptes und subjektiven Rechten des Untertans verdrängt47. Zwar überdauerte die Konstruktion von Recht und Gegenrecht in den Begriffen des Notstandsrechts des Staats (ius eminens) und des wohlerworbenen Rechts des Untertans (iura quaesita)48. Aufgrund der Übermacht des absolutistischen Herrschers wurden die Untertanenrechte aber nach und nach bedeutungslos49.

42 Nach Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1973, S. 184 war zu diesem Zeitpunkt die Rechtsordnung so strukturiert, dass sie das Entstehen von Rechten Einzelner gegen den Staat erlaubte. 43 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 22 f. 44 Nach Stolleis, Öffentliches Recht I, 1984, Sp. 1189 ff. (Sp. 1196). 45 So Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 9. 46 Nach Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 61). 47 So bei Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 12 und Bauer, Grundlagen, 1986, S. 123. 48 Siehe ausführlich bei: Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 10; Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 157 ff.; Bull, Verwaltungsrecht, 2000, S. 38. Zu den erworbenen Rechten: Pirson, Jura Quaesita, 1978, Sp. 472 ff.

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In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhren die Rechte des Einzelnen eine weitere Beschränkung, indem die Durchsetzung der wohlerworbenen Rechte als Justizsache50 auf den Zivilrechtsweg verlagert wurde. Zwar konnte der Bürger dort als Rechtspersönlichkeit seine zivilen Rechte einklagen, im Verhältnis zur Staatsgewalt hingegen war er ein rechtloser Untertan51. Da die Rechtsordnung zur Verfügung des Souveräns stand, mussten auch alle Versuche missglücken, das Recht zu instrumentalisieren, um die Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat abzusichern. Erst der überpositivistische Ansatz des Naturrechts und die damit verbundene Forderung nach einer Positivierung der Menschen- und Bürgerrechte führten wieder zu einer Beschäftigung mit den subjektiven Rechten des Bürgers52. 2. Entwicklung des subjektiv öffentlichen Rechts in der Rechtswissenschaft a) Erstmalige Erwähnung subjektiv öffentlicher Rechte bei Gerber Den ersten wissenschaftlichen Versuch zur Begründung subjektiv öffentlicher Rechte unternahm Carl Friedrich von Gerber (1823–1891) in seinem Werk „Ueber oeffentliche Rechte“ aus dem Jahr 1852. Er akzeptierte die Theorie des Staats als juristische Person53 und nahm diese wesentliche, strukturelle Voraussetzung einer rechtlichen Beziehung zwischen Staat und Bürger unproblematisch an. Da Gerber als erster ihren Charakter als Rechtsverhältnis erkannte, gelang es ihm, das Staatshandeln in rechtlichen Kategorien zu erfassen54. Dennoch betrachtete er das öffentliche Recht ausschließlich als objektives55, die Idee subjektiver Rechte verfolgte er nicht. Individualrechtliche Positionen be49 So Turegg/Kraus, Lehrbuch, 1962, S. 11. Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 11 weist auf die Unvereinbarkeit der Souveränitätsidee mit der eines Rechtsverhältnisses zwischen Herrscher und Beherrschtem hin. 50 So bei Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 60). 51 Nach Bauer, Grundlagen, 1986, S. 124. 52 Die Erörterungen um das subjektive Recht können hier nur skizzenhaft, die verschiedenen Ansichten nur schlaglichtartig dargestellt werden. Zu den konträr zur damals herrschenden Ansicht verlaufenden Auffassungen von Gneist, Rechtsstaat, 1872 oder Bornhak, Grundriß, 1907 oder zum Gesetzesvollziehungsanspruchs Fleiners, Institutionen, 1911, S. 145 ff.: Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 16 ff. und Wieland, Konzessionsabgaben, 1991, S. 101 f. 53 So Stolleis, Juristen, 2001, S. 237; siehe bei Gerber, Oeffentliche Rechte, 1913, S. 18. 54 Nach Achterberg, DÖV 1979, S. 737 ff. (S. 742). 55 So Friedrich, Staatsrechtwissenschaft, 1997, S. 297. Gerbers objektiv geprägtes Rechtsverständnis wird deutlich anhand seiner Aussage in Oeffentliche Rechte, 1913, S. 65, dass auch subjektive Rechte „nur die Schranken der Rechte des Monarchen vom Gesichtspunkte der Unterthanen aus betrachtet“ seien. Damit beschränkt sich seiner Ansicht nach der Gehalt subjektiver Rechte auf eine objektiv-rechtlich begründete Begrenzung staatlicher Macht.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

griff er lediglich als Reflexrechte56. Gerbers Leistung bestand in der Übertragung der zivilrechtlichen Konstruktion des Rechtsverhältnisses in das öffentliche Recht. Die Anerkennung und Ausbreitung seiner Theorien schritt jedoch nur zögerlich voran57. b) Labands Rolle als Wegbereiter Erst nach der Reichsgründung griff Paul Laband (1838–1918) als einer der führenden Staatsrechtslehrer des klassischen Verwaltungsrechts in seinem Hauptwerk „Das Staatsrecht des Deutschen Reiches“ der Jahre 1876 bis 1882 Gerbers Lehre wieder auf und verhalf ihr erfolgreich zu weiterer Verbreitung58. Nach der Auffassung von Laband war mit dem Vorhandensein einer Reichsverfassung auch das Bedürfnis nach einer staatsrechtlichen Dogmatik entstanden59. Allerdings führte er die Entwicklung der Rechte des Einzelnen gegen den Staat inhaltlich nicht weiter. Den Grundrechten maß er keinen subjektiv-rechtlichen Charakter zu. In Labands Staatstheorie war dem Bürger somit noch die Rolle als Objekt staatlichen Handelns zugewiesen60. c) Eingliederung der subjektiv öffentlichen Rechte in das System des Verwaltungsrechts Im Rahmen einer konsequenten Überarbeitung der gesamten Materie des allgemeinen Verwaltungsrechts anhand der juristischen Methode fügte Otto Mayer (1846–1924) in seinem Klassiker „Deutsches Verwaltungsrecht“ von 1895 auch das Staat-Bürger-Rechtsverhältnis als eine der dogmatischen Grundfiguren in sein verwaltungsrechtliches System ein61. Unübersehbar ist die starke Orientierung an den Institutionen des Privatrechts, die Mayer für die Anforderungen des öffentlichen Rechts zu nutzen versuchte62. So betonte er für das subjektiv öffentliche Recht den Unterschied, dass sich hier nicht – wie im Zivilrecht – gleichwertige Rechtssubjekte gegenüber ständen, sondern „das Element der 56 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 335; auch Sachs, Grundrechte, 1988, S. 513 f. 57 So Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 15; siehe auch Gerber, Oeffentliche Rechte, 1913, S. 63 ff. 58 So Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 258). 59 Siehe bei Laband, Staatsrecht, Bd. 1, 1876, S. V f. oder Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 257). 60 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 345. 61 Exemplarisch ist die Aussage von Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1895, S. 86: „Es handelt sich bei der Verwaltung um das Verhältnis zwischen Staat und Unterthan. In dieses soll durch das Verwaltungsgesetz Recht und Rechtsordnung gebracht werden.“ 62 So Achterberg, DÖV 1979, S. 737 ff. (S. 742).

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rechtlichen Mehrwertigkeit, . . . die öffentliche Gewalt“63 zu beachten sei. Aus dieser Perspektive lässt sich auch seine Begrifflichkeit des allgemeinen Gewaltverhältnisses für das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger erklären64. d) Dogmatische Bearbeitung durch Georg Jellinek Zehn Jahre später lehnte sich Georg Jellinek im „System der subjektiven öffentlichen Rechte“ an die zivilistischen Theorien des Privatrechts an. Dort definierte er das subjektive Recht als „die von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte auf ein Gut oder ein Interesse gerichtete menschliche Willensmacht“65. Die Besonderheit im öffentlichen Recht offenbarte sich seiner Ansicht nach in der „Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen“66. Die Art der Ansprüche richtet sich nach dem Statusverhältnis67, in welchem Jellinek die Person des Bürgers zur Rechtspersönlichkeit des Staats sah. Durch die Einordnung verschiedenster rechtlicher Positionen, die allerdings noch nicht einheitlich als subjektiv öffentliche Rechte betrachtet wurden, gelang ihm eine bislang unerreichte Systematisierung der subjektiven Rechte. Diese erlaubte es, die bisherigen Ansätze der Verwaltungspraxis besser zuzuordnen und diskursiv fortzuentwickeln68. e) Bühlers Habilitationsschrift als vorläufiger Endstand der Entwicklung In seiner Schrift „Die subjektiven oeffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung“ betrachtete Bühler im Jahr 1914 die bisherige dogmatische Entwicklung und den gerichtlichen Schutz der subjektiven Rechte kritisch. Seine Definition orientierte sich inhaltlich an der Rechtsprechung der Landesverwaltungsgerichte, bis heute ist sie grundlegend geblieben und wirkt in der Schutznormtheorie fort69. Das Vorliegen eines subjektiv öffentlichen Rechts bestimmte Bühler wie folgt:

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Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1895, S. 109 f. Beschrieben bei Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 211). 65 Jellinek, System, 1919, S. 44. Nach Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 375 und Bauer, Grundlagen, 1986, S. 74 ff. (auch Fn. 44) bildet Jellinek das subjektiv öffentliche Recht somit aus einer Synthese zwischen Windscheidts Willens- und Iherings Interessenstheorie. 66 Jellinek, System, 1919, S. 51. 67 Das Staat-Bürger-Verhältnis teilt Jellinek, System, 1919, S. 86 f., S. 94 ff. in vier Statusverhältnisse ein: Die Untertanenstellung als passiver Status (status subjectionis), der negative Status (status libertatis) zur Schaffung einer individuellen Freiheitssphäre, der positive Status (status civitatis) des als Staatsmitglied anspruchsberechtigten und daher leistungsempfangenden Bürgers und der aktive Status des am Staatsleben aktiv mitwirkenden Bürgers. 68 So urteilt Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 376. 64

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

„Subjektives öffentliches Recht ist diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber berufen könne, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf.“70

Nach dieser Definition erfordert die Existenz eines subjektiven Rechts einen zwingenden Rechtssatz, seine Bestimmung zum Schutz von Individualinteressen und seine Bestimmung dazu, dass sich der Einzelne der Verwaltung gegenüber auf ihn berufen kann71. Das Werk Bühlers war der letzte wesentliche Beitrag des klassischen Verwaltungsrechts zum subjektiv öffentlichen Recht. 3. Stagnation in der Weimarer Republik Wie das Verwaltungsrecht im Allgemeinen, so blieb auch das subjektiv öffentliche Recht im besonderen von den verfassungsrechtlichen Änderungen der Weimarer Republik weitgehend unberührt. Die von der Wissenschaft im Spätkonstitutionalismus aktiv betriebene Entwicklung des subjektiv öffentlichen Rechts trat wieder in eine beruhigte Phase ein72. Damit stand die Existenz des subjektiv öffentlichen Rechts nicht mehr zur Diskussion73. Die „verwaltungsrechtliche ,Alltagsarbeit‘“74 begann. Auch der aufkommenden anti-positivistischen Richtung der jüngeren Weimarer Staatsrechtslehre gelang es nicht, die Materie des öffentlichen Rechts wieder in ihren ideellen und materiellen Begründungszusammenhang einzufügen75. So verlagerte sich der Anwendungsbereich der subjektiv öffentlichen Rechte mit ihrer praktischen Fragestellung nach dem Rechtsschutz zunehmend auf das Gebiet des Verwaltungsrechts. Die Grundlagendiskussion um die Grundrechtsgeltung und -wirkung blieb hingegen dem Verfassungsrecht vorbehalten76.

69 So etwa Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 212) oder Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 133 (mwN in Fn. 489 zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). 70 Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 224. 71 In dieser Weise zusammengefasst von Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 18. 72 In diesem Zusammenhang merkt Scheuner, Rechtsstellung, 1937, S. 82 ff. (S. 88) an, dass die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung beim Entstehungsprozess des subjektiv öffentlichen Rechts gegenüber der Rechtswissenschaft nur eine untergeordnete Rolle spielten. 73 So Wieland, Konzessionsabgaben, 1991, S. 108 (mwN in Fn. 79). 74 Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 376. 75 Ob ihr deswegen ein praktisches Versagen vorgeworfen werden muss, wie bei Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1211 f., ist eher zweifelhaft. 76 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 95 f.

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4. Entwertung des subjektiv öffentlichen Rechts unter dem Nationalsozialismus Die Konzeption des subjektiv öffentlichen Rechts im klassischen Verwaltungsrecht widersprach den Vorstellungen des stark ideologisch geprägten, nationalsozialistischen Verwaltungsrechts. Demnach bildete die nationalsozialistische Idee der Einbindung des Einzelnen in die Gemeinschaft einen unüberwindbaren Gegensatz zur Vorstellung einer Individualsphäre, die mit Hilfe von subjektiven Rechten gegenüber dem Staat abgegrenzt und geschützt werden kann77. Subjektive Rechte wurden als nicht gemeinschaftskonform verurteilt und daher bekämpft78. Aus nationalsozialistischer Sicht hemmten sie die „restlose Überwindung der liberalen Zweigliederung: Untertan – öffentliche Gewalt“79, weil die Einordnung des bindungslosen Individuums80 in die Staatsordnung erreicht werden sollte81. Es herrschte jedoch auch keine Einigkeit darüber, wie mit dem subjektiv öffentlichen Recht verfahren werden sollte, das ganz allgemein als Fehlentwicklung des Liberalismus verstanden wurde. Maunz proklamierte sein Ende, und andere Äußerungen votierten für seine Umwandlung in eine „volksgenössische Rechtsstellung“. Aber es gab auch Stimmen82, die den Begriff an sich erhalten, sich jedoch seines individualistischen Inhaltes entledigen wollten. Die Thematisierung eines solch formalistischen Problems bezeugt, dass es dem Nationalsozialismus gelungen war, das subjektive Recht seines Grundgedankens und Kerngehaltes, den Gedanken der Rechtssubjektivität einfach-rechtlich zu konkretisieren, zu entleeren.

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So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 102 f. Scheuner, Rechtsstellung, 1937, S. 82 ff. (S. 86) kommentierte den „Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts . . . als Ausdruck einer bestimmten, nun überwundenen politischen Ideenwelt“. 79 Maunz, Grundlagen, 1934, S. 30. Die Auffassung vom subjektiven Recht als liberale Fehlentwicklung zeigt sich in der Aussage von Hofacker, DZ 1935, Sp. 723 ff. (Sp. 724), dass „sich die Rechtsauslegung zur Einmischung der Zivilgerichte in die Verwaltung . . . und zu der Erfindung von subjektiven Rechten und von Pflichten der öffentlichen Verwaltung“ verirrte. 80 Dieser Ausdruck sowie weitere Ausführungen zur Thematik der subjektiven Rechte finden sich bei Koellreutter, Verwaltungsrecht, 1936, S. 12. 81 Beispielhaft ist ein Zitat von Scheuner, Rechtsstellung, 1937, S. 82 ff. (S. 89): „. . . wirken kann aber die Persönlichkeit nur in Verbundenheit zur Gemeinschaft.“ Ebenso kennzeichnend ist eine Äußerung von Maunz, Grundlagen, 1934, S. 31: „. . . daß es weder Rechte des einzelnen noch von Untergemeinschaften gegen den politischen Führer geben kann, da das dem konkreten Rechtsgebilde Führer vollkommen widersprechen würde“. 82 Siehe bei Bauer, Grundlagen, 1986, S. 128; Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 363 f. 78

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

II. Rechtsmethodischer und staatstheoretischer Hintergrund Alle dargestellten Ansichten fußen auf der damals herrschenden juristischen Methode des Positivismus sowie auf der Staatstheorie des monarchischen Konstitutionalismus und sind nur vor diesem Hintergrund verständlich. Inwieweit sich im klassischen Verwaltungsrecht der rechtsmethodische und staatstheoretische Rahmen als Entwicklungsimpuls oder als Hemmung auf die Theorien zum subjektiv öffentlichen Recht auswirkte, soll Inhalt folgender Ausführungen sein. 1. Positivismus als Rechtsmethode Die positivistische Methodenlehre in der Rechtswissenschaft stützte ihre wissenschaftliche Anerkennung auf die Abkehr von allen nichtjuristischen Elementen, um durch Begriffsystematik und Logik das rechtliche Element zu isolieren83. Auf diese Weise versuchte die Verwaltungsrechtswissenschaft, sich von einer staatswissenschaftlich ausgerichteten „Mischlehre, welche Geschichte, Politik und Nationalökonomie bunt vermengte“84, abzugrenzen und sich als eigene Disziplin zu behaupten85. a) Konstruktion des subjektiv öffentlichen Rechts in Anlehnung an das Privatrecht Der Positivismus als neue wissenschaftliche Methode entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst im Rahmen der historischen Rechtsschule des Zivilrechts86. Weil viele Verwaltungswissenschaftler auf die musterhafte Dogmatik des Zivilrechts blickten87, drang der Positivismus auch in das öffentliche Recht ein. Bald wurde die positivistische Methode für die Konstruktion eines gesamtdeutschen Staatsrechts als notwendig erachtet, um das Rechtsstaatsprinzip umzusetzen und ein Willkürhandeln zu verhindern88. Die zivilrechtlichen Wurzeln der positivistischen Lehre machten sich auch bei der Erarbeitung des Wesens des subjektiv öffentlichen Rechts bemerkbar, da 83

So bei Stolleis, Konstitution, 2001, S. 274. Fleiner, Umbildung, 1906, S. 8. 85 Die Trennung von Verwaltungs- und Staatsrecht setzt nach Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 229 f. demnach erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. 86 Siehe dazu die Ausführungen bei Kaufmann, Rechtspositivismus, 1990, Sp. 321 ff. (Sp. 322 ff.). 87 Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1207) bemerkt die Auffälligkeit, dass viele Verwaltungsrechtler ihr wissenschaftliches Wirken im Bereich des Zivilrechts begannen und erst später in das öffentliche Recht wechselten (z. B. Gerber und Laband). 88 So Stolleis, Konstitution, 2001, S. 272. 84

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dieses in Auseinandersetzung mit der Konstruktion des subjektiven Rechts im Privatrecht erarbeitet wurde89. Manche Charakteristika des subjektiv privaten Rechts wurden übernommen. Andererseits wurde das subjektiv öffentliche Recht auch gerade über die Abgrenzung zu seinem zivilrechtlichen Äquivalent definiert90. Bei der Bestimmung des subjektiv öffentlichen Rechts entpuppte sich als großes Defizit, dass seine Definition nicht losgelöst von der Frage der prozessualen Durchsetzbarkeit erfolgen konnte. Die Rechtsmacht zur gerichtlichen Durchsetzung des subjektiven Rechts war eine unerlässliche Voraussetzung seiner Existenz und nicht nur eine prozessuale Randthematik. Im Zivilrecht hingegen erschien das subjektive Recht „nicht mehr als vom Richter gewährte Klage sondern als vom Gesetz begründeter Anspruch“91. b) Entdeckung der Figur des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Bürger Als weiteres Beispiel für die Bestrebung, das gesamte öffentliche Recht positivistisch zu erfassen, dient die Beobachtung, dass die ursprünglich zivilrechtliche Figur des Rechtsverhältnisses auf das Verhältnis von Staat und Bürger übertragen wurde. Für die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, in dem sich zwei Rechtssubjekte mit gegenseitigen Rechten und Pflichten zueinander befinden, war die Anerkennung einer Rechtspersönlichkeit des Staats unabdingbar. Wenngleich deren Bejahung schon in der absolutistischen Lehre angelegt war, so fand die Vorstellung einer Rechtspersönlichkeit des Staats jedoch erst im Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts breite Zustimmung92. Indem es der juristischen Methode nun gelang, Staat und Bürger durch die Konstruktion eines Rechtsverhältnisses zueinander in Beziehung zu setzen, legte sie den theoretischen Grundstein für die Anerkennung subjektiv öffentlicher Rechte. Zugleich wird in der Konstruktion des Rechtsverhältnisses ein Wandel der Staat-Untertan-Beziehung zu einem rechtlich durchformten Verhältnis sicht89

Nach Masing, Mobilisierung, 1997, S. 64. So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 73. 91 Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 7. Die Lösung des subjektiv öffentlichen Rechts von seinem Merkmal der gerichtlichen Durchsetzbarkeit erreichte die Lehre erst über die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, siehe § 9 III 1. Seitdem gibt das subjektiv öffentliche Recht ebenso wie das subjektive private Recht dem Einzelnen einen materiellen Anspruch, kraft dessen bestimmte Handlungen oder Unterlassungen gefordert werden können, zu denen der Inhaber der hoheitlichen Gewalt bindend verpflichtet ist (so definiert von Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 690 f.). 92 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 48; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 678. 90

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bar93. Dieser zeugt von einer Fortentwicklung der Stellung des Einzelnen vom Untertan zum Bürger, dessen Achtung sich in seiner Einbindung in ein Rechtsverhältnis widerspiegelt. Allerdings war die Position des Bürgers als Beteiligter am Rechtsverhältnis eher formal konstruiert, als tatsächlich garantiert. Die Überlegenheit staatlicher Herrschaftsmacht gegenüber dem Einzelnen ist ein wesentliches Kennzeichen des monarchischen Staates. Sie bewirkte eine stark hierarchische Prägung der als Rechtsverhältnis konstruierten Beziehung zwischen Staat und Bürger94. Auch wenn die Rechtslehre dem Einzelnen eine Subjektstellung95 zugestand, die ihn mit dem Staat in ein Rechtsverhältnis96 gegenseitiger Berechtigung und Verpflichtung97 einbettete, die Verschiedenheit der beteiligten Rechtssubjekte Staat und Bürger blieb eine unausgesprochene Grundannahme der damaligen Staatslehre98. Der Staat war seinem Wesen nach dem Einzelnen gegenüber souverän99. Die Unterwerfung des Einzelnen unter die Staatsgewalt wurde von der Staatsrechtswissenschaft nicht hinterfragt, da sie als Gegenleistung des Bürgers für die rechtliche Bindung des Staats verstanden wurde100. Aufgrund der Vorstellung vom Staat als etwas Übermächtiges, wenngleich nicht Übergesetzliches, war es dem Bürger trotz seiner formal-rechtlichen Stellung daher nur beschränkt möglich, politische Stoßkraft gegen den „ungleichen Spielpartner“ Staat zu entfalten. Das subjektiv öffentliche Recht gelangte daher nicht zu seiner vollen Wirkkraft101.

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Achterberg, Verwaltungsrecht, 1986, § 20, Rn. 69. Exemplarisch ist die Aussage von Gerber, Oeffentliche Rechte, 1913, S. 63: „Die staatsrechtliche Stellung eines Untertanen ist die eines staatlich Beherrschten“. 95 Auch der allgemeine Sprachgebrauch der damaligen Rechtswissenschaft unterstreicht die Aufwertung der Stellung des Einzelnen, indem die Verwendung von Begriffen wie Rechtsverhältnis, Bürger, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung u. ä. gängig wird. Da diese Formulierungen erst durch die Erarbeitung des Verwaltungsrechts anhand der juristischen Methode entstanden und daher noch relativ jung sind, können sie nach Stolleis’ These aus Untertan, 1981, S. 65 ff. (S. 65) noch kein Indiz eines veränderten politischen Bewusstseins darstellen. 96 Der Begriff des Rechtsverhältnisses war in der staatsrechtlichen Literatur des klassischen Verwaltungsrechts durchaus üblich, wenn auch nicht durchgängig gebräuchlich. Die anderweitige Bezeichnung als allgemeines Gewaltverhältnis legt nach Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 211) Zeugnis für ein spezifisches Verständnis des subjektiv öffentlichen Rechts ab. 97 Ob auch der Staat subjektiv öffentliche Rechte besaß, war sehr umstritten; siehe dazu Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. 98 Wahl, Grundrechte, 1981, S. 346 ff. (S. 360) umschreibt diese Phase als ein „Auseinanderreißen von rechtlicher und politischer Freiheit“. 99 So Fleiner, Institutionen, 1919, S. 154. Dementsprechend argumentiert Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1914, S. 107 f., dass es in der Natur subjektiver Rechte läge, begrenzt zu sein, weswegen sie aus dem „Verständnis der rechtlichen Allmacht des Staates“ heraus auf Seiten des Staats nicht denkbar seien. 100 So Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 173. 94

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c) Abkehr von einer naturrechtlichen Begründung subjektiver Rechte Mit der Anlehnung an die positivistische Methode entfiel die Notwendigkeit außerrechtlicher Regelungen102. Der Rechtsbegriff reduzierte sich auf die geltenden Normen in Form von Gesetzes-, Richter- oder Gewohnheitsrecht. Der Einbezug göttlicher Vorschriften, des Naturgesetzes, der Vernunft, der Idee der Gerechtigkeit oder von Menschenrechten als weitere Rechtsquellen neben dem positiven Recht wurde als unwissenschaftlich und unjuristisch empfunden und infolgedessen nicht anerkannt103. Diese Einstellung trug dem Positivismus die Bezeichnung als Antithese zum Naturrecht ein. Diese Veränderung im rechtsmethodischen Denken lässt sich am Beispiel der Grundrechte nachzeichnen. Das Zurücktreten ihrer naturrechtlichen Begründung hinter die positivrechtliche104 ist hier besonders auffällig. So waren die Grundrechte von 1848 noch mit der bürgerlich-liberalen Forderung nach einer dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiheitssphäre des Einzelnen verknüpft und als Abwehrrecht gegen die staatliche Herrschaftsmacht konzipiert105. Nach 1871 wurden die Interessen des Bürgertums jedoch ausreichend geschützt. Die Gesetzgebungstätigkeit des Reichs orientierte sich an rechtsstaatlichen Maßstäben und goss die grundrechtlichen Inhalte in einfaches Recht106. 101 Ursächlich hierfür ist auch die bei Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 297 dargelegte „prekäre Durchsetzbarkeit“ des subjektiven Rechts trotz entstehender Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dennoch ist es richtig, wenn Masing, Mobilisierung, 1997, S. 62 die Rolle des öffentlichen Rechts als „maßgebliche[s] Vehikel der Entwicklung des Untertanen zum Bürger“ beschreibt. Es schuf schließlich die theoretischen Grundlagen dieser Fortentwicklung. 102 Eine andere Ursache für die Hinwendung zu positivistischen Begründungsansätzen für das subjektive Recht ist in den geschichtlichen Ereignissen der Revolution von 1848 und ihren Nachwirkungen zu sehen. Subjektive Rechte waren naturrechtlich konzipiert, ihre Existenz war von staatlichen und politischen Rahmenbedingungen unabhängig gedacht, so Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 297. Allerdings geriet dieser idealistische Ansatz von 1848 mit dem Scheitern der Märzrevolution zunehmend in Vergessenheit. 103 Auch die Bezeichnung des Bürgers als Untertan, wie sie zumindest noch zu Beginn der rechtspositivistischen Epoche üblich war, zeugt von der Selbstverständlichkeit, mit der die Möglichkeit einer vorstaatlichen und damit überpositiven Berechtigung des Einzelnen kategorisch verneint wurde, ähnlich auch Wahl, Grundrechte, 1981, S. 346 ff. (S. 347). 104 So auch Oestreich, 1978, S. 102; Kleinheyer, Grundrechte, 1975, S. 1047 ff. (S. 1058); Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 295 f. 105 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 62 f. Nach Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 372 sollten sie den gesellschaftlichen Wandel von der Ständegesellschaft in eine bürgerliche herbeiführen. 106 Zwar sah sich das Bürgertum vor allem durch Eingriffe der Verwaltung bedroht. Allerdings vertrauten die Bürger auf die Wahrung des Gesetzesrechts durch die Exekutive aufgrund des Rechtsstaatsprinzips, so nach Wahl, Grundrechte, 1981, S. 346 ff. (S. 357), ähnlich auch Oestreich, Geschichte, 1978, S. 101.

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Somit erschien es zunehmend unnötiger, eine direkte Grundrechtsgeltung zu forcieren107. Letztlich verblieben die Grundrechte in einer Position der rechtlichen Unverbindlichkeit. Sie waren bloße Leitsätze für die Gesetzgebung108. Paradoxerweise wurde diese, aus heutiger Sicht defizitäre Situation jedoch nicht als problematisch empfunden. Für Giese waren „die in den einfachen Gesetzen stehenden Grundrechte . . . viel wertvoller“ und „weit eher im stande, dem Individuum seine staatsfreie Sphäre wirksam zu schützen“109. Die unterlassene Aufnahme von Grundrechten in die Reichsverfassung von 1871110 zeugt davon, dass eine stärkere Grundrechtswirkung durchweg für entbehrlich gehalten wurde111. Die Akzeptanz der Funktionslosigkeit der Grundrechte änderte sich auch in der Weimarer Republik nicht, obwohl sie einen Grundrechtskatalog verfassungsrechtlich festlegen ließ. Mangels einer Bindungswirkung verschafften die Grundrechte im Vergleich zu den subjektiv öffentlichen Rechten dem Einzelnen gegenüber der Verwaltung kein „Mehr“ an Berechtigung112. 2. Spannungen zwischen monarchischem Staatsverständnis und liberalem Rechtsstaatlichkeitsstreben Da sich weder die Volkssouveränität noch der Parlamentarismus als Hauptforderungen der Revolution von 1848 durchsetzen konnte, blieb die Staatsform der Länder monokratisch geprägt113. Sie wandelte sich lediglich von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie114 und bildete damit einen unverrückbaren Rahmen für die Überlegungen der Staatsrechtswissenschaft.

107 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 373. Nach Wieland, Konzessionsabgaben, 1991, S. 100 verblieb den Grundrechten daher lediglich die „Funktion eines Gesetzgebungsprogramms“. 108 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 60. Laut Sachs, Grundrechte, 1988, S. 526 zeigt sich die geringe Bedeutung der Grundrechte auch anhand ihrer geringen Relevanz innerhalb der Rechtsprechung. 109 Giese, Grundrechte, 1905, S. 89. 110 Nach Fleiner, Institutionen, 1919, S. 168 finden sich Grundrechte als „eine besondere Garantie der ,individuellen Freiheitsrechte‘ nur aus historischen Gründen“ in den Länderverfassungen. 111 So die Ansicht von Bauer, Grundlagen, 1986, S. 64 und Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 296; ausführlicher auch Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 372 f. 112 Siehe auch bei Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 215. 113 So Griewank, Ursachen, 1972, S. 146 ff. (S. 44). 114 Deren Charakteristika beschreibt Böckenförde, Verfassungstyp, 1981, S. 146 ff. (S. 148 ff.).

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a) Hohes Vertrauen in die Stabilität subjektiver Rechte trotz ihrer Gesetzesabhängigkeit Dem in der Revolution unterlegenen Bürgertum gelang es nicht, sich umfassend an der politischen Mitbestimmung zu beteiligen115. Da sich die Monarchie aber nur um den Preis ihrer eigenen Rechtsbindung behaupten könnte, war ihre Macht geschmälert. Die gegenüberstehenden Machtfaktoren von monarchischer Exekutive und einem Teil des Volkes zustehender Legislative prägten als „dualistische Grundstruktur“116 das Staatsleben der konstitutionellen Monarchie. Als Verbindungsglied zwischen Monarch und Volk fungierte dabei die Gesetzesgeltung. Die Idee eines objektiven und nicht vom Willen des Herrschers abhängigen Rechts resultierte aus der Anerkennung des Rechtstaatsgrundsatzes. Das Gesetz sollte als Instrument dienen, einen Ausgleich zwischen öffentlichem Wohl und individueller Freiheit und damit zwischen monarchischen und bürgerlichen Interessen zu erreichen. Über die Anerkennung des Rechtstaatsprinzips sah das Bürgertum das politische Ziel der Grundrechte auch ohne deren direkte Geltung erreicht. Die staatliche Macht war durch die Festsetzung verbindlicher Normen gebändigt. Aus den Äußerungen damaliger Staatswissenschaftler lässt sich die Auffassung herauslesen, dass die Grundrechte nur ein Schritt auf dem Weg zum Legalitätsprinzip gewesen waren, aber mit dessen Erreichung ihre Notwendigkeit verloren hatten117. Anders als das heutige Rechtsverständnis, das vom Vorrang der Verfassung ausgehend das einfache Recht als eine Konkretisierung der Grundrechte betrachtet, sah man die Grundrechte im klassischen Verwaltungsrecht nur als „kasuistisch gefasste Darlegung des Prinzips der gesetzmäßigen Verwaltung“118. Weil den Grundrechten im Vergleich zum Gesetzmäßigkeitsprinzip kein Mehrwert für die Begrenzung staatlichen Handeln zukam, wurden sie mit Errichtung des Rechtsstaats überflüssig119. 115

So Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 87). Bauer, Grundlagen, 1986, S. 45. 117 Nach Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 129 hatten die Grundrechte „keine aktuelle Bedeutung mehr“. Aber auch nach Fleiner, Institutionen, 1919, S. 168 verliehen sie „dem einzelnen Bürger keine Befugnis, die er nicht schon zuvor besessen hätte“. 118 Anschütz, Verfassungsurkunde, Bd. 1, 1912, S. 98. 119 Stellvertretend für andere Grundrechte sei hier Art. 5 S. 1 der Revidierten Preußischen Verfassung („Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.“) genannt, anhand dessen Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, 1988, S. 104 f. darstellt, dass die Grundrechtsanwendung innerhalb des Gesetzesvorbehalts nicht die Ausnahme blieb, sondern zur Regel wurde. Hieraus folgerte man, dass in nicht gesetzlich geregelte Bereiche des Grundrechts sogar ohne gesetzliche Grundlage eingegriffen werden konnte. Im Ergebnis führte dies zu einem Leerlaufen der Grundrechte. Ausgehend von dieser Entwicklung ist auch die von Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 215 erwähnte Auffassung besser zu verstehen, dass die Grundrechte gegen 116

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Parallel zu dieser Entwicklung setzte sich auch bei den einfachen subjektiven Rechten die Auffassung durch, dass dem Einzelnen eine individuelle Rechtsstellung gegenüber dem Staat nicht originär zu eigen sei120, sondern ihm erst positiv-rechtlich verliehen werden müsse121. Infolgedessen konnte der Gesetzgeber aufgrund seiner Kompetenz zur gesetzlichen Ausgestaltung der Rechtsstellung des Einzelnen nach Belieben subjektive Rechte jederzeit begründen oder auch aufheben. Diese Abhängigkeit der subjektiv öffentlichen Rechte122 drückt der Begriff der Gesetzesakzessorietät aus. Mit der Ablehnung eines naturrechtlichen Ursprungs von Rechten des Einzelnen war in der verfassten Monarchie schließlich auch ihre vorrechtliche Begründung nicht mehr denkbar123. Demnach konnte der Einzelne subjektive Rechte nur erlangen, indem der Staat sie ihm durch Vertrag oder einseitigen Hoheitsakt verlieh124. Allerdings bedeutete die einfachgesetzliche Festschreibung subjektiv öffentlicher Rechte für den Einzelnen im Vergleich zu seiner vorherigen, grundrechtlich geprägten Rechtsstellung kein qualitatives Minus. Die subjektiven Rechte waren für den Bürger tatsächlich wertvoller als die nur programmatisch wirkenden Grundrechtsverbürgungen der Landesverfassungen125.

den Gesetzgeber wirken würden, einfachgesetzliche subjektiv öffentliche Rechte aber gegen die Verwaltung. Da die Grundrechte mangels Bindungswirkung und Durchsetzbarkeit aber keine Bindungskraft entfalten konnten, so etwa Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 262 f.), ist auch dieses Ansicht nur beschränkt nachvollziehbar. 120 So Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 173 und Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 297. 121 Dazu hält Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1895, S. 112 fest, dass „die Macht über die öffentliche Gewalt nichts Natürliches, in ihm selbst Liegendes [sei], das er schon mitbrächte . . . Alle Macht . . . ist nur abgeleitet von ihm, ist Macht an der öffentlichen Gewalt des Staates.“ 122 Nach Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 1988, S. 22 waren in der damals geltenden „staatlichen“ Staatstheorie vorstaatliche Rechte nicht möglich. Subjektive Rechte des Bürgers leiteten sich demnach alleine aus seinem Dienst am Staat her und mussten begrifflich notwendigerweise durch den Staat begründet werden. 123 Vgl. dazu Jellinek, System, 1905, S. 47: „Es liegt nicht in der Freiheit des Individuums, den Staat zu bewegen, eine von ihm vorgenommene Handlung . . . für rechtlich relevant zu erklären. Das kann der Natur der Sache nach stets nur durch . . . den Beschluß des Staates geschehen.“ 124 So Friedrichs, Subjektives Recht, 1928, S. 823 ff. (S. 825 f.), so auch Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. (S. 303). 125 So die Wertung von Merten, Verhältnis, 1987, S. 53 ff. (S. 63 f.), ähnlich auch Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 372 f. Friedrich, Staatsrechtswissenschaft, 1997, S. 297 f. merkt allerdings an, dass die Durchsetzbarkeit der subjektiv öffentlichen Rechte immer noch problematisch war. Sie sollte zwar über die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erreicht werden. Den Gerichten verblieb aber vor allem anfangs ein großer Entscheidungsfreiraum über die Zu- oder Aberkennung von subjektiven Rechten.

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b) Politische Neutralität als Folge eines wirtschaftlichen Sicherungsbedürfnisses Die Entwicklung subjektiver Rechte wurde nicht nur durch die aus sich heraus verständlichen Versuche der noch absolutistisch geprägten Monarchie gehemmt, eine Beteiligung des Volkes am Staatsleben – sei es direkt durch politische Rechte oder indirekt durch die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Staat – nicht zuzulassen oder zu unterdrücken126. Auch das ehemals so politisch aktive Bürgertum schien sich mit der gegenwärtigen Situation einer rechtlichen Abhängigkeit vom Gesetzgeber zu arrangieren. Es ließ allmählich vom Ziel ab, seine politische Partizipation vollständig zu verwirklichen127. Eine Erklärung mag die Traumatisierung durch das Scheitern der Paulskirchenverfassung bieten, die sich in einer pragmatischen Abkehr vom Idealen hin zum Greifbaren auswirkte128. Auch auf den Bereich der Rechtswissenschaft schlug sich diese Stimmung nieder. Als herrschende rechtswissenschaftliche Methode setzte sich der Positivismus durch, formale Garantien wurden betont129. Eine entsprechend nüchterne Stimmung prägte auch die Ausgestaltung des subjektiv öffentlichen Rechts. Beispielhaft ist die Beobachtung, dass sich bis auf das Wahl- und das Schöffenrecht130 kein weiteres subjektives Recht im politischen Bereich finden lässt, wohingegen zahlreiche öffentlich-rechtliche Berechtigungen des Einzelnen in wirtschaftlich relevanten Lebensbereichen existierten131. In diesem Punkt versöhnte sich die Monarchie mit dem Bürgertum, dem eine Absicherung seiner materiellen Positionen wichtiger geworden war als die Durchsetzung des politischen Ziels, umfassend an der Staatsmacht teilzuhaben. Dass die wirtschaftlichen Interessen des Bürgertums treibende Kraft bei der Schaffung von subjektiv öffentlichen Rechten waren, zeigt sich zudem bei einem Blick auf Berechtigung des Einzelnen in sozialen Bereichen. So bestanden im Armen- und Fürsorgerecht lediglich Reflexrechte132, also keine einklagbaren Ansprüche aufgrund subjektiver Rechte.

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So bei Bauer, Grundlagen, 1986, S. 46 f. Zwar konnte das Bürgertum über das Parlament Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben. Allerdings war dem Monarchen nicht nur die Exekutive vorbehalten, ihm standen zudem Eingriffsrechte in die Gesetzgebung zu, siehe dazu Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, 1988, S. 57 f. 128 So formuliert Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 274 f. 129 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 276 ff. 130 Zum Wahlrecht: Merten, Verhältnis, 1987, S. 53 ff. (S. 64). Das Schöffenrecht ist erwähnt bei Fleiner, Institutionen, 1919, S. 167. 131 Fleiner, Institutionen, 1919, S. 167 nennt Ansprüche auf Bezüge oder Zuwendungen finanzieller Art, sowie den Anspruch auf Erteilung eines Patentschutzes. Im Bereich des Gewerberechts galten nach Wieland, Konzessionsabgaben, 1991, S. 109 die Konzessionen als subjektiv öffentliche Rechte. 132 So nach Koellreutter, Verwaltungsrecht, 1936, S. 12. 127

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Die vorrangige Zielrichtung der subjektiv öffentlichen Rechte war damit auf die Sicherung materieller, individueller Interessen gerichtet. Begreift man den politischen Gehalt subjektiver Rechte in der Forderung nach einem Ausbau der Rechtsstellung des Einzelnen, dann ist dieser als gering zu beurteilen. Treffend umschreibt Stolleis die subjektiv öffentlichen Rechte daher als „positivierte und ins Verwaltungsrecht abgedrängte Kümmerform der politischen Grundrechte“133. Die Rechtslehre der Weimarer Republik erkannte das politische Potential der Grundrechte134 zur Bindung des Gesetzgebers und wollte es nutzen. Aus Mangel an ausreichender Zeit und an günstigen politischen Voraussetzungen gelang es ihr jedoch nicht, die Grundrechtswirkung auf das Verwaltungsrecht zu erstrecken135. c) Rechtsstellung des Bürgers als Kompromiss Die Situation der politischen Machtverteilung bei Entstehung des klassischen Verwaltungsrechts liefert einen weiteren Stein für das Mosaik eines umfassenden Verständnisses des subjektiven Rechts. Die Vertreter des monarchischen Prinzips forcierten einen größtmöglichen Machterhalt und die Bewahrung ihrer exekutiven Handlungsfreiheit. Das Bürgertum hingegen verlangte nach einer wirtschaftsfreundlichen Rechtsordnung, die ihre materiellen Besitzwerte schützen und ihm Rechtssicherheit als wichtige ökonomische Voraussetzung bieten konnte136. Beide Interessen fanden in der Gestaltung des subjektiv öffentlichen Rechts als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips kompromissartig zueinander. Im Bereich der Exekutive konnte sich die Monarchie um den Preis der eigenen Bindung an die Rechtsordnung die Enklave eines de facto relativ unbegrenzten Handelns erhalten. Das Bürgertum sah hingegen seine wirtschaftlichen Interessen nicht mehr durch staatliche Willkür gefährdet und verzichtete auf eine politische Ausweitung seiner Kräfte gegenüber der monarchischen Staatsgewalt137. Weshalb das Bürgertum, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so energisch um eigene Rechte kämpfte, sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ermüdet zeigte, lässt sich vielfältig begründen. Ursächlich waren jedenfalls auch folgende zwei Umstände: Durch die Umsetzung des Rechtsstaatsprin133

Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 375. Wahl, Grundrechte, 1981, S. 346 ff. (S. 350) umschreibt das Potential der Grundrechte in ihrer Bedeutung, eine Rechtssubjektivität des Einzelnen gegenüber dem Staat prinzipiell und auf Dauer anzuerkennen (mwN auf S. 357 in Fn. 82). 135 So die Analyse von Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 242. Hier wird die Wertung von Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1208 f.) geteilt, dass das klassische Verwaltungsrecht die Distanz zur sozialen Realität aufgab und schleichend die Aufgabe der Verteidigung der erreichten Positionen übernahm. 136 So nach Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 91) oder Masing, Mobilisierung, 1997, S. 67. 137 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 374. 134

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zips waren die Interessen des Bürgertums, vor allem seine wirtschaftlichen, zunächst befriedigt138. Daneben spielte auch das bürgerliche Bestreben eine wichtige Rolle, seine erreichte Stellung gegenüber dem aufstrebenden Vierten Stand sichern139. Die Saturiertheit des Bürgertums erklärt, weshalb es das politische Potential des subjektiv öffentlichen Rechts nicht intensiver zur Entwicklung und Verstärkung von individuellen Rechtspositionen gegenüber dem Staat nutzte. Abschließend lässt sich resümieren, dass die rechtsmethodischen und staatstheoretischen Rahmenbedingungen des klassischen Verwaltungsrechts eine notwendige Voraussetzung waren, um die Theorie des subjektiv öffentlichen Rechts überhaupt entwickeln zu können. Gleichzeitig ist damit jedoch auf seine Schwächen zu verweisen. Denn auch der geringe praktische Anwendungsbereich sowie die Abhängigkeit des subjektiven Rechts vom politischen Konsens des Gesetzgebers erklären sich vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des klassischen Verwaltungsrechts. III. Konsenspunkte über das Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts Anschließend an die Entwicklungsgeschichte und den staatstheoretischen Hintergrund des subjektiv öffentlichen Rechts sollen nun seine strukturellen Merkmale erwähnt werden140. Auch wenn zu keinem Zeitpunkt eine einhellige Definition des subjektiv öffentlichen Rechts bestand, so wird es heute doch „als eine einheitliche, sowohl staats- wie auch verwaltungsrechtliche Rechtspositionen des Untertanen erfassende Rechtsfigur“141 gewertet. Sie hat ihre Entstehung und Entwicklung dem Konnex zwischen Verwaltungsrecht und Rechtsstaat zu verdanken142.

138 Den Interessen des Bürgertums drohte nach Grimm, Grundrechtstheorie, 1987, S. 234 ff. (S. 265) seitens der Exekutive keine Gefahr mehr, da die Grundrechtsprinzipien durch die Reichsgesetzgebung Gestalt gefunden hatten. Ihre Einhaltung war durch das Gesetzmäßigkeitsprinzip und die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit gesichert. 139 Nach Grimm, Öffentliches Recht II, 1984, Sp. 1198 ff. (Sp. 1207) war das Ziel eines demokratischen Staatsaufbaus aus dem Blickwinkel geraten. Hierdurch wären nicht nur die Rechte des Bürgertums, sondern auch die des zahlenmäßig überlegenen Arbeiterstandes gestärkt worden. 140 Dabei beschränkt sich die Darstellung auf diejenigen Merkmale, auf denen die Begriffsbildung durch Bühler, Subjektive oeffentlichen Rechte, 1914, S. 21 ff. beruht. Seine Definition ist bis heute Ausgangspunkt der Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts. 141 Bauer, Grundlagen, 1986, S. 126. 142 So Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 101).

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1. Zwingender Rechtssatz Die bei Giese formulierte „Priorität des objektiven Rechts“143 sah das subjektive Recht als einen Teil der objektiven Rechtsordnung. Demnach ist der subjektiv-rechtliche Teil aus der objektiven Rechtsordnung abzuleiten und daher auch von ihr abhängig. Diese Auffassung ist typisch für die Ablösung der naturrechtlichen durch die positivistische Begründung subjektiver Rechte. Mit der Gesetzesakzessorietät des subjektiv öffentlichen Rechts stand somit seine erste Voraussetzung fest: Erforderlich war die Existenz eines für die Verwaltung zwingenden Rechtssatzes. Die Notwendigkeit eines bestimmten Rechtssatzes schloss subjektive Rechte im Bereich ermessensgewährender Normen damit zunächst noch aus. 2. Notwendigkeit eines rechtlich geschützten Interesses Zudem musste durch diesen Rechtssatz ein individuelles Interesse geschützt werden, das unter Auslegung des objektiven Gesetzesrechts ermittelt wurde. Problematisch war dabei die Abgrenzung von echten subjektiven Rechten im Sinne von Ansprüchen und bloßen Rechtsreflexen144, die lediglich eine faktische, aber keine rechtliche Begünstigung bewirken. Diese Grenzziehung wurde von den Gerichten zunächst pragmatisch-kasuistisch gehandhabt. Bei einem Blick auf die Wissenschaft erscheint dasselbe Bild. So formalistisch der allgemeine Ansatz des Positivismus war, so kasuistisch arbeitete er bei der Frage, welche Interessen lediglich als Reflexrechte und welche als schützenswert zu beurteilen sind145. Letztlich gelang der Wissenschaft keine systematische Einordnung146. 3. Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung Das subjektive Recht konnte seinem Zweck, individuelle Interessen zu schützen, in der Realität nur gerecht werden, wenn neben dem Rechtsbesitz in der Theorie auch die Rechtsdurchsetzung in der Praxis trat. Eine weitere, unabdingbare Voraussetzung eines subjektiven Rechts war daher, dass die zwingende 143

Giese, Grundrechte, 1905, S. 62 f. Siehe zur Verwendung der Bezeichnung „Rechtsreflex“ die Ausführungen von Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 299 f.), in denen er aus guten Gründen den üblicheren, aber missverständlichen Begriff des Reflexrechtes zugunsten desjenigen vom Rechtsreflex verwirft. 145 Zu diesem Ergebnis gelangt Bauer, Grundlagen, 1986, S. 80 f. 146 Fleiner, Institutionen, 1919, S. 166 scheint vor dem Versuch einer Definition zu kapitulieren, wenn er eingesteht: „Subjektives Recht und Reflex unterscheiden sich durch kein äußeres Merkmal. Darin liegt die formale Schwäche des Gegensatzes“. 144

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Rechtsnorm zu dem Zweck erlassen worden war, dass sich der Einzelne auf ihre Einhaltung vor Gericht berufen konnte147. Diese enge Verbundenheit des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts mit seiner prozessualen Seite erlaubte im 19. Jahrhundert noch keine Lösung der Frage nach dem Bestehen von subjektiven Rechten ohne die Beantwortung der Problematik ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit148. Diese Verklammerung war nicht zuletzt durch das Enumerationsprinzip bedingt, das den Rechtsschutz in den meisten Verwaltungsgerichtssachen bestimmte149. Die selektive Aufzählung zulässiger Rechtsstreitfälle gab damals Anlass zu der Vermutung, dass der Gesetzgeber über die Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen eine verwaltungsgerichtliche Klage zulässig ist, gleichzeitig auch regeln wollte, unter welchen Umständen ein materielles Recht für den Einzelnen besteht150. IV. Zusammenfassung Obige Ausführungen belegen, dass das subjektiv öffentliche Recht durch seinen zeitgeschichtlichen Rahmen stark geprägt ist. Als Institut des klassischen Verwaltungsrechts ist sein Wesen Ausdruck für die Bedeutung, welche dem Recht in spätkonstitutioneller Zeit allgemein zugedacht wurde. Nachdem das Rechtsstaatsprinzip die Rechtsgeltung für Staat und Bürger als verbindlich eingeführt hatte, galt das Recht als ein Medium, eine Art Brückenschlag zwischen den Gegensätzen von monarchischem Handeln und parlamentarischer Mitbestimmung. Diese Bezeichnung ist auch auf das subjektiv öffentliche Recht übertragbar. Auch dieses versetzte den Einzelnen über die Idee eines Rechtsverhältnisses zwar formal in eine rechtliche Beziehung zur juristischen Person des Staats und genügte damit den Interessen des Bürgertums. Allerdings war eine darüber hinaus gehende Beschränkung exekutiver Handlungsbefugnisse mit Hilfe des gesetzesakzessorisch ausgestalteten subjektiven Rechts nicht

147 So die Definition von Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 48 f., wobei er sich in Fn. 66 auf die Umschreibung durch Jellinek, System, 1919, S. 79 beruft, wonach es für ein subjektives Recht erforderlich sei, dass „dem Individuum die Fähigkeit gegeben ist, Normen des öffentlichen Rechtes in seinem Interesse in Bewegung zu setzen“. 148 Bauer, Grundlagen, 1986, S. 79 zeigt die Unklarheiten auf, welche in dieser Frage bei Bühler und Jellinek bestanden. 149 Siehe etwa bei Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909 ff. (S. 912) oder Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1002). 150 Infolgedessen galt als anerkannt, dass der Gesetzgeber durch die Aufnahme von Tatbeständen in den enumerativen Katalog der zugelassenen Klagen zum einen die Anerkennung eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts regeln und zum anderen das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmen wollte, so etwa Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1002) oder Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 685.

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möglich, schließlich wurde es als politischer Kompromiss zwischen bürgerlichen und monarchischen Interessen geboren.

§ 6 Grundzüge der Ermessenslehre im klassischen Verwaltungsrecht Mit der Konzeption des subjektiven Rechts hat die Ermessenslehre gemein, dass beide eine rechtliche Bindung der Staatsgewalt voraussetzen. Insbesondere die Ermessenslehre verlangt nach einer Entscheidung über die Frage, welches Staatshandeln rechtlich gebunden und welches rechtlich ungebunden ist. Wird das Ermessen pauschal als rechtlich ungebundenes Verwaltungshandeln definiert, so erscheint seine Bezeichnung im klassischen Verwaltungsrecht zunächst nicht anders, als sie heute auch gilt. Auf den zweiten Blick offenbaren sich jedoch grundlegende Unterschiede zwischen der damaligen und der heutigen Ermessenslehre. Auch im Bereich des Ermessens ist deswegen wieder auf seine Behandlung im klassischen Verwaltungsrecht zurückzukommen, um den Ausgangspunkt seiner Weiterentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg erfassen zu können151. I. Rechtswissenschaftliche Erörterung der Ermessensproblematik Neben der Entwicklung des subjektiv öffentlichen Rechts war die rechtliche Erfassung und damit die Beschränkung des monarchisch-exekutiven Handelns im Rahmen des Ermessensbegriffs eine weitere Leistung des klassischen Verwaltungsrechts. Zuvor wurden staatliche Handlungen im Ermessensbereich als originär aus der Herrschaftsmacht erwachsend und keiner Legitimation bedürftig betrachtet152. Weil die Ermessensakte nicht in rechtlichen Kategorien erfasst waren, blieben sie gerichtlich unüberprüfbar153. Folge dieser Auffassung war eine grundsätzlich unbeschränkte Handlungsfreiheit des Staates154. Zwar begrenzte

151 Siehe dazu Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 89 ff. Auch Ehmke, Ermessen, 1960, S. 22 nimmt die Ermessenslehre am Ende der Weimarer Republik als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Ermessenlehre nach 1945. 152 So Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1001, Fn. 5). 153 So Fleiner, Institutionen, 1919, S. 244 ff. Dass Ermessen im klassischen Verwaltungsrecht eine Freiheit von rechtlichen Maßstäben bedeutet, steht in einem interessanten Widerspruch zu seiner Wortbedeutung. So ist nach Stern, Ermessen, 1964, S. 16 der Wortstamm von Ermessen auf das Wort „Maß“ zurückzuführen. Ermessen bedeutet im Grunde, nach Maß zu handeln. Das Ermessen des klassischen Verwaltungsrechts orientierte sich aber gerade nicht an rechtlichen Maßstäben. 154 Überspitzt beschreibt Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 13 die Rechtslage als „völligen Dirigismus auf allen Gebieten“.

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die Existenz vereinzelter Gegenrechte das staatliche Handeln, die Möglichkeit einer abstrakten Einschränkung war aber noch nicht erkannt. Erst die rechtsstaatliche Idee schuf die geistigen Voraussetzungen für die Idee einer rechtlichen Bindung des Staatshandelns und seiner gerichtlichen Kontrollierbarkeit. 1. Rechtsbindung der Verwaltung als Konsequenz des Rechtsstaatsprinzips Der Rechtstaat als dogmatisches Prinzip wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein Instrument zur Beschränkung staatlicher Handlungsbefugnisse entdeckt. In der Erkenntnis, über das Gesetz die Interessen und Rechte von bürgerlichem Volk und monarchischem Herrscher zum Ausgleich bringen zu können, lag der Schlüssel zur Bindung der Staatsmacht an das Gesetz. Über das Instrument des Gesetzes konnte die Lehre den Rechtsstaatsgedanken konsequent in das Prinzip der Rechtmäßigkeit der Verwaltung umsetzen155. War das Ermessen zuvor ein Restbereich freier und unkontrollierbarer monarchischer Machtausübung, der lediglich der schwachen Sollensregelung einer zweckgebundenen Ausübung unterlag156, so wurde nun die Forderung nach „der Bindung des individualrechtlich relevanten Staatshandelns an allgemeine Normen“157 von der Lehre wahrgenommen. Die Zähmung der Staatsmacht wurde schließlich in Form von Gesetzesvorrang und -vorbehalt realisiert158. Allerdings galt der Gesetzesvorbehalt nicht so umfassend wie heute159. Er war nur bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum einschlägig160. Die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage und damit die Verrechtlichung des Verwaltungshandelns wurde daher nur für die begrenzten Bereiche von Eigentumsund Freiheitseingriffen anerkannt. In diesen Bereichen führten die Ermes155 Praktisch ließ sich die theoretisch erreichte Einengung des staatlichen Handlungsraums aber nur nach und nach realisieren, da der Zugang zur neu erschaffenen Verwaltungsgerichtsbarkeit anfangs lediglich enumerativ eröffnet wurde. 156 So Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 163; ähnlich auch die Formulierung von Werner, DVBl 1959, S. 527 ff. (S. 530) vom Ermessen als „das Ventil für die Exekutive im bürgerlichen Rechtsstaat“. 157 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 85 ff. (S. 91). 158 Für Schrimpf, Der Staat 18 (1979), S. 59 ff. (S. 60) stellt der Gesetzesvorbehalt „die spezifische Verknüpfung von bürgerlicher Freiheit und staatlichem Gewaltmonopol her“. 159 Die prinzipielle Geltung des Gesetzesvorbehalts wird von Art. 20 Abs. 3 GG vorausgesetzt, siehe statt vieler: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 30, Rn. 15 ff. 160 Siehe etwa bei Werner, DVBl 1959, S. 527 ff. (S. 529). Der nach heutigem Verständnis wohl naheliegende Umkehrschluss, dass erst recht alle Einzeleingriffe einer gesetzlichen Legitimation bedürfen, ist nach Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 148, S. 157 und S. 168 f. nicht zwingend: Der Zweck des Gesetzesvorbehalts sei es nicht primär gewesen, den einzelnen vor staatlicher Willkür zu schützen. Ziel sei die Zentralisierung und Vereinheitlichung der Verwaltung durch objektives Recht in Form von Gesetzen gewesen.

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sens(fehler)lehren allerdings de facto zu einer spürbaren Beschränkung der staatlichen Handlungsfreiheit161. Insbesondere aufgrund der steigenden Interventionsfunktion war die Begrenzung von staatlicher Macht für den Einzelnen von großer Bedeutung162. 2. Skizzierung der spätkonstitutionellen Ermessenslehre163 Zielsetzung der positivistischen Methode war es, das Rechtsstaatsprinzip in sämtlichen Bereichen des Verwaltungshandelns umzusetzen. Dies förderte das Entstehen von Theorien, die sich um eine rechtliche Kategorisierung des Verwaltungshandelns bemühten164. Insbesondere zu Beginn des klassischen Verwaltungsrechts zeigten sich die Einteilungen noch als recht unterschiedlich165. Folgende Grundlinien lassen sich jedoch erkennen: Die Frage nach der Weite von Rechtsbindung und Rechtsschutz stand stets im Vordergrund, da die Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips auch im Bereich der Verwaltung als Grundprämisse allgemein anerkannt war166. Das Verwaltungsermessen hingegen blieb als rechtsfreier Raum hoheitlichen Handelns konzipiert. Es wurde als notwendiger Rest monarchischer Handlungsfreiheit betrachtet, der seine Existenzberechtigung ausnahmsweise außerhalb der Rechtsordnung besitzt. Sein gedankliches Gegenüber war die rechtlich gebundene Verwaltung167. Diese Gegensätzlichkeit verhinderte eine Einbindung des Verwaltungsermessens in das rechtsstaatliche System, da Ermessenshandlungen als rechtsfrei konzipiert waren. Das Institut eines „außerrechtlich“ verstandenen Ermessens zeigte sich 161 Jedoch möchte Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 170 diese Wirkung relativiert wissen und erinnert an die Weitergeltung vorkonstitutioneller Eingriffsnormen und die Ansicht, dass sogar Zuständigkeitsregelungen dem Anspruch des Gesetzesvorbehalts genügten. Hierdurch hätte der Schutzzweck des Gesetzesvorbehalts nur in sehr begrenztem Maße verwirklicht werden können, weswegen ein Unterlaufen des rechtsstaatlichen Konzepts nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich gewesen sei. 162 Siehe speziell zur Intenventionsfunktion: Stolleis, Konstitution, 2001, S. 253– 282. 163 Zum (im weiteren häufig verwendeten) Begriff der spätkonstitutionellen Ermessenslehre: Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 70–235. 164 Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 5 beschreibt dies als „Spaltung der Verwaltungstätigkeit in einen Rechts- und einen Nichtrechtsbereich“. 165 Siehe dazu im Überblick: Hofer-Zeni, Ermessen, 1981, S. 12–32; Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 6–16; Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 70–98. 166 Umstritten ist hingegen die Weite der Rechtsbindung im konkreten Fall. Insbesondere nach der Jahrhundertwende lässt sich jedoch eine Tendenz zugunsten einer Ausweitung der Gesetzesbindung feststellen, so die Wertung von Hofer-Zeni, Ermessen, 1981, S. 21 und 26 über die Ermessenslehren von Tezner und Walter Jellinek. 167 So etwa Ehmke, Ermessen,1960, S. 10. Deutlich wird dies anhand der Aussage von Laun, Ermessen, 1910, S. 257: „Es besteht ein scharfer, prinzipieller Gegensatz zwischen dem freien Ermessen im engeren, eigentlichen Sinn und der gesetzlichen Gebundenheit.“

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als mit der rechtsstaatlichen Grundidee einer rechtlichen Erfassung des Staatswesens nicht vereinbar168. Es wurde kein Konsens über das Problem erreicht, wo die Grenze zwischen ungebundenem Verwaltungsermessen und gebundenem Gesetzesvollzug zu verorten ist. Verschiedenste Ermessenfehlerlehren entstanden169. So verneinte etwa Laun die Möglichkeit einer scharfen Grenzziehung an sich, denn „von der striktesten bis zur vagsten Norm gibt es nur einen allmählichen Übergang“170. Er verwies jedoch auf Ermessensschranken subjektiver und objektiver Art171. Jellinek listete eine Vielzahl von Ermessensfehlern als eigene Kategorie neben den rechtlichen Fehlern einer Maßnahme auf172. Bühler kritisierte diese Fehlerlehren als zu kompliziert und reduzierte alle Arten von Ermessensfehlern auf solche mangelnder Sorgfalt und mangelnder Sachlichkeit173. Bei allen Unklarheiten lässt sich aber eine Grundtendenz der Ermessensfehlerlehren destillieren: Prinzipiell wurden zwar nur unbestimmte Rechtsbegriffe für gerichtlich überprüfbar gehalten, dem Gericht stand es jedoch auch offen, besonders schwerwiegende Ermessensfehler zu rügen. Diese kompromissartige Lösung zeugt von der dogmatischen Vagheit und der pragmatischen Orientierung damaliger Ermessenslehren174. 3. Intensivierte Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik Die sich bis dahin zügig entwickelnde Ermessenslehre gelangte – entgegen der Tendenz im allgemeinen Verwaltungsrecht – auch in der Weimarer Republik nicht eine Phase des Stillstandes. Sie blieb einerseits vom staatstheoretischen Methodenstreit weitgehend unberührt175. Ihre dogmatischen Standpunkte erwiesen sich im wesentlichen als standhaft. Nachdem sich der Verwaltungs168 Die Unsicherheiten der herrschenden Lehre zeigen sich in Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 22, der die den Ermessensbereich regelnde Normen als „eine Art Zwischengebilde“ bezeichnet. Hingewiesen sei an dieser Stelle jedoch auf Kelsens Ermessenstheorie als Rechtsanwendung im Stufenaufbau der Rechtsordnung. Sie befreite zwar die Ermessenslehre vom Dogma des rechtsfreien Ermessens, konnte sich letztlich jedoch trotz ihrer Klarheit nicht durchsetzen, so Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 214. 169 Diese sprechen sich teilweise untereinander sogar die Legitimation ab: Etwa Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 167 zu Laun, Ermessen, 1910 und Jellinek, Gesetz, 1913. Ein Überblick über die Ermessenslehren bietet Erichsen, Grundlagen, 1971, S. 162 ff. 170 Laun, Ermessen, 1910, S. 259. 171 So Laun, Ermessen, 1910, S. 265. 172 Jellinek, Gesetz, 1913, S. 335 ff. 173 Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 170. 174 So auch Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 213. 175 So nach Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 256.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

rechtsweg aber für immer mehr öffentlich-rechtliche Streitsachen öffnete, konnte anderseits die Frage nach der Funktionsabgrenzung von Exekutive und Legislative unter dem Aspekt der Gewaltenteilung jedoch nicht mehr übergangen werden. Dies ließ in der Weimarer Republik eine erneute Beschäftigung mit Ermessensfragen aufkeimen176. Letztlich konnten dabei aber keine klaren, dem Zivilrecht vergleichbaren Bestimmungen und Grenzziehungen gefunden werden. Die Funktionsbereiche von Justiz und Verwaltung blieben lediglich sphärenhaft getrennt177. Wider Erwarten fand keine Anpassung an den veränderten staatsrechtlichen Rahmen der Weimarer Republik statt. Die Ermessenslehre wurde mit den Prämissen des Spätkonstitutionalismus weitergeführt178. Die Gegensätzlichkeit von rechtlich ungebundener Ermessensausübung und rechtlich determiniertem, richterlich voll überprüfbarem Verwaltungshandeln konnte deswegen auch nicht überwunden werden. An diesem Punkt setzte die methodische Kritik Kelsens an179. Er legte einen Gegenentwurf des Ermessens vor und sah es als legitimierte Rechtsanwendung im Stufenaufbau der Rechtsordnung und daher als erforderlichen und nur graduell abgestuften Konkretisierungsspielraum bei der Normanwendung180. Allerdings fand seine positivistische Theorie zu wenige Anhänger, um sich letztlich behaupten zu können. Eine gewisse Scheu vor Grundsatzdebatten im noch relativ jungen Fach der Verwaltungsrechtswissenschaft mag mitursächlich gewesen sein181. Da Kelsens Ansatz nicht auf breiter Basis rezipiert wurde, erhielt sich der spätkonstitutionellen Ermessenslehre folgender Widerspruch: Sie wollte das Ermessen einerseits als Freiheit vom Recht begreifen, musste anderseits aufgrund des Rechtsstaatsprinzips aber gerade rechtsfreien Räumen (wie etwa dem Er-

176 Beschrieben bei: Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1985, S. 77 ff. (S. 83); Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1003). 177 So Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 213. 178 Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1003) erwähnt zwar erste Demokratisierungsbestrebungen zur Zeit der Weimarer Republik. Diese konnten sich jedoch nicht dauerhaft durchsetzen. 179 Das Statut von der Freiheit der Verwaltung ist für Kelsen, Zeitschrift für soziales Recht, 1929, S. 80 (S. 91) Beweis dafür, dass „politische Tendenzen zu jener beispiellosen Verrenkung der Rechtslehre“ geführt haben. Ihm folgte in der Argumentation Merkl, Verwaltungsrecht, S. 142 ff., dazu ausführlich bei Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 6. 180 So etwa Kelsen, Zeitschrift für soziales Recht, 1929, S. 80 ff. (S. 93 f.), siehe auch bei Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 214 und Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 237. 181 Dies mutmaßt Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 213. In diesem Zusammenhang stellt Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 250 ff. die Versäumnisse dar, die auch nach 1949 noch aufgrund der Missachtung Kelsens Ermessenslehre erfolgten.

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messen) die Anerkennung versagen182. Die Dichotomie von Ermessen und Recht blieb somit bestehen. 4. Rückschritte im nationalsozialistischen Verwaltungsrecht Im Nationalsozialismus wurde der Gesetzesvorbehalt als hinfällig beurteilt. Alle rechtlichen Schranken des Verwaltungshandelns wurden aufgegeben. Schließlich galt der Dualismus zwischen Herrscher und Gesellschaft als aufgehoben183. Wie es um die Qualität der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Arbeit dieser Epoche bestellt war, verdeutlicht eine Äußerung Koellreutters. Es spricht Bände, wie sehr er von der Überflüssigkeit des Gesetzesvorbehalts überzeugt war, weil „die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung . . . im nationalsozialistischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit“184 sei. Da die Entwicklungen des nationalsozialistischen Verwaltungsrechts als Rückschritte der Ermessenslehre zu werten sind, ist damit auch hier auf den Stand der Lehre in der Weimarer Republik zurückzublicken. Während dieser Zeit erreichte die Umsetzung des Rechtsstaatsgedankens einen inneren Abschluss, so dass sich die Ermessenslehre der Weimarer Republik als Ausgangspunkt der deutschen Ermessensdogmatik nach 1945 gelten muss185. II. Folgewirkungen der Entstehung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Wichtige erste Impulse für die Entwicklung der Ermessenslehre gingen ab 1863 von der Errichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern aus186. Grundsätzlich waren Akte des Verwaltungsermessens nicht auf gerichtlichem Wege überprüfbar. Allerdings verbreitete sich vor allem bei den unteren Verwaltungsgerichten die Praxis, in beschränktem Umfang eine Kontrolle von Ermessenshandlungen vorzunehmen187. In den folgenden Jahrzehnten sah sich die Wissenschaft daher vor die Aufgabe gestellt, die Frage zu beantworten, ob Verwaltungsentscheidungen in Form von Tat-, Rechts- oder Ermessensfragen einer gerichtlichen Überprüfung zugängig sind und in welcher Intensität diese erfolgen kann188.

182

So formuliert Hofer-Zeni, Ermessen, 1981, S. 31. So Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 362. 184 Koellreuter, Verwaltungsrecht, 1936, S. 11. 185 So im Ergebnis auch Hofer-Zeni, Ermessen, 1981, S. 9. 186 Hierzu grundlegend: Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909–930. Vgl. dazu Mayer, PrVwBl 22 (1900/01), S. 96: „Der Ausbau der Verwaltungsrechtswissenschaft ist nur möglich geworden mit der Verwaltungsrechtspflege.“ 187 Dazu ausführlicher: Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 109 f. 188 So Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 414. 183

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1. Gerichtliche Ermessensüberprüfung seit dem 19. Jahrhundert Als Prämisse der Rechtswissenschaft stand fest, dass die Verwaltung bei der Ausübung ihres Ermessens in einer Art „rechtlichem Freiraum“ handelt. Weil die Einbettung des Verwaltungsermessens in die Rechtsordnung noch nicht gelungen war, konnte die damalige Lehre das Ermessen gedanklich noch nicht an rechtlichen Maßstäben messen. Damit war derjenige Bereich des Verwaltungshandelns einer gerichtlichen Prüfung entzogen, der dem freien Ermessen zugeordnet wurde189. Die Tätigkeit des Verwaltungsgerichts beschränkte sich damit auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle190. Wenngleich die damalige Lehre in dem Punkt übereinstimmte, dass Fragen der Ermessensausübung grundsätzlich nicht Gegenstand der richterlichen Kontrolle sind, so bestand jedoch eine zum Teil entgegengesetzte Praxis der unteren Verwaltungsgerichtsinstanzen191. Vereinzelt überprüften diese doch die behördliche Ermessensausübung. Diese Unregelmäßigkeiten lassen sich unter anderem dadurch erklären, dass die Verwaltungsgerichte personell eng mit den Verwaltungsbehörden verknüpft waren192: Daher sahen sie ihre Funktion eher als Widerspruchsinstanz, denn als gerichtliches Organ und nahmen dementsprechend auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle der angegriffenen Maßnahmen vor193. Die gerichtliche Überprüfung des Ermessens war jedoch eine Ausnahme von der Regel, dass Ermessensakte keiner gerichtlichen Prüfung unterlagen. 189 So Laun, Ermessen, 1910, S. 105 f.; Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 17. 190 Auch die Rechtmäßigkeitskontrolle wurde zum Teil nur revisionsartig ausgeübt, so Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 109 f. Zwar bemerkt Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 29, dass auch Tatfragen der Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichts unterfielen. Allerdings stellt Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 110 ff. die Schwierigkeiten einer Abgrenzung von Tatsachen- und Rechtsfragen dar, siehe dazu auch Apelt, Verwaltungsrechtspflege, 1901, S. 238. Zwar berechtigt auch § 114 VwGO die Verwaltungsgerichte nur zu einer Rechtmäßigkeitsprüfung. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang aber, dass heute die Anzahl und Dichte die rechtlichen Maßstäbe im Vergleich zu früher immens angestiegen ist. Die Rechtmäßigkeitsprüfung im klassischen Verwaltungsrecht ist daher mit der heutigen nicht vergleichbar. Zu den Schwierigkeiten, die Begrifflichkeiten „Recht“ und „Ermessen“ in das heutige Verwaltungsrecht zu übertragen, noch unter § 13 II 4. 191 Beispielhafte Urteile nennen Bühler, Subjektive oeffentlichen Rechte, 1914, S. 162 ff. und Heuer, Generalklausel, 1988, S. 381 ff. 192 Nach Menger, Grundrechte, 1959, S. 717 ff. (S. 725) entsprach die Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgrund fehlender richterlicher Unabhängigkeit im Sinne einer Form der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Richter nicht den Voraussetzungen eines Gerichts nach Art. 92 ff. GG. Nachvollziehbar wird dies anhand der Aussage von Apelt, Verwaltungsrechtspflege, 1901, S. 39, denn für ihn ist die Verwaltungsrechtspflege „nicht etwas außerhalb der Verwaltung Liegendes und daher von dieser grundsätzlich Verschiedenes“. 193 So im Ergebnis auch bei Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 109 f.

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2. Ermessensrechtsprechung in der Weimarer Republik In der Weimarer Republik wurde das Dogma von der Unkontrollierbarkeit des Ermessens durch die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichte aufgeweicht. Dass die Aktivität der Gerichte im Bereich der Ermessensüberprüfung zunahm, ist auf zwei Umstände zurückzuführen: Zum einen drangen über eine stärkere Überprüfung von unbestimmten Rechtsbegriffen194 rechtliche Kategorien in jene Bereiche des Verwaltungshandelns ein, die ehemals dem rechtsfreien Ermessen zugeordnet worden waren. Zum anderen spielte aber auch die Fortentwicklung der Ermessensfehlerlehren eine wichtige Rolle für die steigende Ermessenskontrolle. Ihr Ringen um eine Grenzziehung zwischen den Bereichen eines unüberprüfbaren Ermessens und eines gerichtlich kontrollierbaren, da gesetzlich gebundenen Verwaltungshandelns bedingte, dass die Verwaltungsgerichte die Möglichkeit einer Ermessensüberprüfung nicht mehr kategorisch ausschließen konnten. Indem die Gerichte die Kontrolle von Verwaltungshandlungen ausdehnten195, wurde die ehemals so strikt gezogene Grenze zwischen Ermessensakten und rechtsgebundenen Maßnahmen der Verwaltung durchlässig. Auch innerhalb des Ermessenbereichs wurden Rechtsbindungen zunehmend akzeptiert und ihre Einhaltung von den Verwaltungsgerichten überwacht. Für die Betrachtung der Ermessenskontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist somit festzustellen, dass die Verwaltungsgerichte nicht strikt am Grundsatz der Nichtüberprüfbarkeit von Ermessensakten festhielten. Die gerichtliche Kontrolle von Ermessensentscheidungen intensivierte sich infolgedessen und aufgrund der sich ausdifferenzierenden Ermessensfehlerlehren196. III. Staatstheoretische Bedingtheit der Ermessenslehren Es liegt nahe, das „klassische Misstrauen des liberalen Bürgertums gegen die fürstliche Verwaltung“197 als Motor der Schaffung von Gesetzesvorrang und -vorbehalt zu betrachten. Richtig ist aber, dass der Argwohn des bürgerlichen Lagers primär dazu diente, die Voraussetzungen von Gesetzesvorrang und -vorbehalt in Form des Rechtsstaatsprinzips zu schaffen. Die Durchsetzung des Ge194 Festgestellt von Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 213, ähnlich für den Württembergischen Verwaltungsgerichtshof: Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 17. 195 Dies weist Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 17 ff. für die Verwaltungsrechtsprechung in Württemberg, Preußen und Bayern nach. 196 Im Gegensatz zur heutigen Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bestanden allerdings umfassende Zugangsbeschränkungen zu den Verwaltungsgerichten: Grundsätzlich galt das Enumerationsprinzip, welches die zulässigen Klagetatbestände abschließend aufzählte. Eröffneten Generalklauseln den Verwaltungsrechtsweg, wurde der Gerichtszugang durch eine Klagebefugnis beschränkt. 197 Menger, Grundrechte, 1959, S. 717 ff. (S. 721).

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

setzesvorbehalts entsprang hingegen letztlich dem wissenschaftlichen Eifer198 an der systematischen Aufarbeitung des Verwaltungsrechts anhand der juristischen Methode, welcher entscheidend zur Entwicklung der Ermessenslehre als Teil der Verwirklichung des formalen Rechtsstaats beitrug199. All dies spricht dafür, das politische Potential der Ermessenslehre als durchaus gering zu beurteilen200. Treffend kann die spätkonstitutionelle Ermessenslehre daher als Ausdruck der Verbindung von „liberale[r] Tradition mit politischer Opportunität“201 bezeichnet werden. Die Verwaltungsgerichtsgesetze der Länder geben ein gutes Beispiel dafür ab. Held-Daab beschreibt sie als einen „Kompromiss zwischen liberaler Rechtsschutzforderung und konservativem Beharren auf einem abgeschirmten Machtbereich der Verwaltung“202. Ihr Wesen erklärt sie als Gegenleistung der konservativ-monarchischen Herrscher für die Kooperationsbereitschaft der ehemaligen Opposition203. Augenfällig ist die Parallele der Ermessenslehre zum subjektiv öffentlichen Recht, das ebenso einen Ausgleich zwischen dem monarchischen Machtinteresse und den bürgerlichen, materiellen Anliegen darstellt204.

198 Diesen stellt Scheuner, Rechtsstellung, 1937, S. 82 ff. (S. 88) zwar nur für das subjektiv öffentliche Recht fest. Seine Aussage ist jedoch auch auf die Entwicklung der Ermessensdogmatik übertragbar. 199 So Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 88. 200 Eine wesentliche Ursache für die apolitische Ermessenslehre liegt darin, dass der Ermessensbegriff im klassischen Verwaltungsrecht im Vergleich zum heutigen noch nicht demokratisiert war. So wird die Staatsmacht vorrechtlich konzipiert und bedarf keiner Legitimation. Dies gilt auch für ihre Handlungen, sofern sie dem rechtsfreien Bereich des Ermessens und nicht dem rechtlich gebundenen Verwaltungshandeln zugerechnet werden. Zwar wird die monarchische Staatsgewalt durch das konstitutionelle Gesetz aus rechtsstaatlichen Gründen beschränkt (umschrieben bei HeldDaab, Ermessen, 1996, S. 93 f. und S. 228 f.). Die Souveränität des Staats offenbart sich jedoch in der Kurzformel vom Recht als Schranke des ansonsten rechtsfreien Staatshandelns. Auch die Ermessenslehre entspringt damit einem Interessensausgleich zwischen Monarch und Volk. Werner, DVBl 1959, S. 527 ff. (S. 530) sieht hinter der Ermessenslehre den „Kompromiß als politische Lebensform“. 201 Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 89. 202 Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 99. 203 So Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 100. 204 Siehe schon unter § 5 II 2 c. Als Folge dieser entpolitisierten und formalisierten Ermessenslehre, die ausschließlich rechtsstaatlich argumentiert, werden die Vorteile eines verfassungsrechtlich begründeten Schutzes von Individualrechten vernachlässigt. In der Tendenz einer allgemeinen Abkehr von positiv- oder überrechtlichen Begründungsansätzen basieren die Ermessenstheorien des klassischen Verwaltungsrechts nicht mehr auf Ideen einer originären, subjektiven Berechtigung des Einzelnen, sondern richten sich nach dem formal-rechtsstaatlichen Ziel einer gesetzmäßig handelnden Verwaltung. Aus heutiger Sicht ist diese Reduktion rückwärtsgewandt.

1. Abschn.: Rechtslage im klassischen Verwaltungsrecht

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IV. Zusammenfassung Der Fokus der damaligen Ermessenslehre konzentrierte sich auf die entscheidende Frage, welche staatlichen Handlungen dem freien Ermessen unterliegen und welche rechtlich gebunden sind. Der Umfang der Rechtsbindung des Verwaltungshandelns bestimmte auch, wie weit rechtliche Kategorien in das Ermessen eindringen konnten und wie die Ermessensfehlerlehren gestaltet waren. Mit dieser Frage war zugleich die Thematik der verwaltungsgerichtlichen Kontrollbefugnis über Ermessensakte verbunden. Hierüber bestimmte sich auch das Verhältnis von Judikative und Exekutive205. Allerdings fand das klassische Verwaltungsrecht keine abstrakte Lösung für das Problem, inwieweit Ermessensakte rechtlich gebunden und gerichtlich kontrollierbar sind. Pragmatisch verwies die Lehre über das Enumerationsprinzip auf den Willen des Gesetzgebers206. Auch die Erarbeitung der Ermessenfehler gelang nicht einheitlich. Es wurden die verschiedensten Theorien vertreten. Zudem blieb die kategoriale Unterscheidung von rechtsfehlerhafter und zweckwidriger Ermessensausübung unerkannt: Infolgedessen wurden Ermessensfehler entweder als rein grammatische Mängel bei der Auslegung der Ermächtigungsnorm begriffen oder sie erfuhren nur bei besonderer Schwere gerichtliche Beachtung207. Schließlich bleibt das klassische Verwaltungsrecht eine positive Bestimmung des Ermessens schuldig. Anfangs konnte das Ermessen nur als Restkompetenz des Monarchen definiert werden. Aber auch das Verwaltungsrecht der Weimarer Republik vermochte es nicht, das Ermessen ausführlicher zu definieren denn als einen Restbereich, welcher der Verwaltung bei der Normanwendung unter Beachtung aller Rechtsschranken noch zusteht208. Letztlich gelang dem klassischen Verwaltungsrecht damit nur eine negative Abgrenzung209. 205

So auch Hofer-Zeni, Ermessen, 1981, S. 10. Siehe schon unter § 5 III 3. Ähnlich wie beim subjektiven Recht wurde auch hier die Auffassung vertreten, dass nur diejenigen Ermessensentscheidungen justitiabel seien, deren Zulässigkeit zur Verwaltungsklage gesetzlich festgelegt war. Grundlegend für den jeweiligen Standpunkt in der Diskussion um eine weite oder enge Auslegung der gerichtlichen Zulassungsklauseln war die Rolle, welche man der Verwaltung in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft zudachte: Konservative Stimmen sahen die Funktion der Verwaltung im Vollzug der Gesetze, der so nah wie möglich am Willen des Gesetzgebers und so gut wie möglich von den Gerichten überprüfbar sein sollte. Typisch hierfür ist die Aussage von Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1914, S. 85: „Vollziehung bedeutet Wirksammachen des Gesetzes in Gebundenheit an dieses“. Das liberale Lager hingegen betonte den schöpferischen Aspekt der Verwaltungsarbeit, den eine allzu enge Koppelung an Legislative oder Judikative störe. Dazu allgemein Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 414. 207 So Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 92. 208 Siehe dazu Laun, Ermessen, 1910, S. 47 ff. und Jellinek, Gesetz, 1913, S. 40 und S. 33 f. 206

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

§ 7 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen Nach dieser einführenden Darstellung der Entwicklung und Ausgestaltung von subjektiv öffentlichen Rechten und der Ermessens(fehler)lehren steht abschließend ihr Verhältnis zueinander im Mittelpunkt. Gezeigt werden soll dabei, welche Wechselwirkungen subjektiv öffentliche Rechte und Ermessen nach der Vorstellung von Rechtstheorie und Rechtspraxis im klassischen Verwaltungsrecht erzeugten und wie beide aufgrund dessen zueinander in Beziehung gesetzt wurden. I. Stand der juristischen Dogmatik 1. Gegensätzlichkeit von Ermessen und Rechtsbindung zu Beginn des klassischen Verwaltungsrechts Als Ergebnis der Ausführungen gilt, dass sich Ermessen und rechtliche Gebundenheit im klassischen Verwaltungsrecht als verschiedene Kategorien des Verwaltungshandelns gegenüberstanden. Aufgrund ihrer konträren Konzeption waren beide vorerst nicht miteinander vereinbar. Infolgedessen war die Verwaltung überall dort, wo ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt war, nicht durch objektive Rechtssätze gebunden. Umgekehrt konnte die Verwaltung kein Ermessen ausüben, sofern das Verwaltungshandeln objektiv-rechtlich in Form von Gesetzen determiniert war210. Dieses ausschließliche Verständnis von Recht und Ermessen wirkte sich auf das subjektive Recht dahingehend aus, dass seine Existenz im Bereich des Verwaltungsermessens ausgeschlossen war, weil hier die notwendige zwingende Rechtsnorm nicht bestehen konnte211. Die damalige Rechtslage erscheint aus heutiger Perspektive widersprüchlich. Zum einen war die Vorstellung eines Rechtsverhältnisses zwischen der juristischen Person Staat und der natürlichen Person des Bürgers allgemein anerkannt. Schließlich war ein Rechtsverhältnis notwendige Voraussetzung für eine Befähigung des Einzelnen, bestimmte materiell-rechtliche Ansprüche gegen den Staat innezuhaben und diese auch gerichtlich durchsetzen zu können. Zum anderen wurde aber das Konzept des Rechtsverhältnisses zwischen Bürger und Staat nicht konsequent weiter gedacht. So hätte sich aus der Anerkennung einer 209

So auch das Ergebnis von Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 259. So Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1914, S. 85. Dabei verhinderte die Priorität des objektiven Rechts vor dem subjektiven nicht, dass auch das subjektive Recht eine Bindungswirkung entfalten konnte. Die Priorität des objektiven Rechts hatte lediglich die Abhängigkeit der subjektiven Rechte vom objektiven Gesetzesrecht zur Folge, so auch Giese, Grundrechte, 1905, S. 62. 211 Siehe etwa bei: Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 22; Fleiner, Institutionen, 1919, S. 165; Maunz, Grundlagen, 1934, S. 28. 210

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individuellen Rechtsstellung des Bürgers, aufgrund derer er fähig ist, Verwaltungshandeln in bestimmten Bereichen zu determinieren, der logische Umkehrschluss ergeben müssen, dass in eben diesen Bereichen subjektive Rechte die exekutive Handlungsfreiheit beschränken. Ein solcher Konnex zwischen Ermessensfehlerlehre und subjektiv öffentlichem Recht wurde durch das dichotomisch verstandene Verhältnis von Ermessen und Recht verhindert. Aus diesem Grund begegnet in den Theorien des klassischen Verwaltungsrechts das uns heute selbstverständlich erscheinende, rechtliche Phänomen der Ermessensbeschränkung durch subjektiv öffentliche Rechte – sofern es überhaupt erscheint – nur als Randbemerkung. 2. Weiterentwicklung der Ermessensfehlerlehre in der Weimarer Republik Die strikte Abstinenz des Ermessens von rechtlichen Elementen bestand jedoch nicht lange. Spätestens die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche eine richterliche Überprüfung von Ermessensakten in steigendem Umfang zur Folge hatte, zwang die Lehre zur Suche nach neuen Lösungsansätzen. Zwar gelang der Verwaltungsrechtswissenschaft nicht die Aufhebung des Widerspruchs zwischen dem Dogma der Rechtsungebundenheit des Ermessens und der gleichzeitig stattfindenden Ausbildung einer Ermessensfehlerlehre. Allerdings entwickelte sich der Ermessensbegriff dahingehend, dass er zunehmend rechtliche Maßstäbe eindringen ließ212. Der Anstoß hierzu ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die Notwendigkeit der gerichtlichen Überprüfbarkeit einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens in begrenztem Maße anerkannt wurde. Damit mussten Theorien zur Bestimmung der Ermessensfehler entwickelt werden. Auch wenn sich die verschiedenen Ermessensfehlerlehren uneinheitlich und schwer konsensfähig gestalteten, so schufen sie doch erstmals einen rechtlichen Rahmen für die behördliche Ermessensausübung. Zur selben Zeit war auch das subjektiv öffentliche Recht zu einem etablierten Rechtsinstitut geworden. Es wuchs das Bewusstsein, dass das subjektive Recht – gleich dem objektiven Recht – auf Ermessensfreiräume der Exekutive beschränkend wirken könne. Dass die Existenz subjektiv öffentlicher Rechte rechtsfreie Ermessensräume schmälern konnte, war in der Lehre zwar erkannt, wurde allgemein jedoch nicht thematisiert213. Erst wenige Jahre vor Entstehung 212 Zu beobachten etwa bei: Fleiner, Institutionen, 1919, S. 133 f.; Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 24 ff.; Scheuner, VerwArch 33 (1928), S. 68 ff.; Maunz, Grundlagen, 1934, S. 25; Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 211. 213 Wenngleich das subjektive Recht von Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1914, S. 90 und Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161 f. anerkannt wurde, so schwingt auch Skepsis mit. Fleiner, Institutionen, 1919, S. 165 f. etwa sah hierdurch die Gefahr einer zu großen Einschränkung der Handlungsfreiheit, was seiner Ansicht

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der Weimarer Republik leitete Bühler ein formelles subjektiv öffentliches Recht in Form eines Anspruchs auf richtige Ermessensausübung ab214. Allerdings war die tatsächliche Wirkung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens aufgrund der Umstrittenheit des Fehlerbegriffs in der Ermessenslehre kaum wahrnehmbar215. Im großen und ganzen lag es noch in der Hand der Gerichte, wann und in welchem Umfang sie Verwaltungshandlungen kontrollierten. Zwar war in der Weimarer Republik die potentiell ermessenbeschränkende Kraft subjektiv öffentlicher Rechte rechtstheoretisch erkannt216. Ihre Entfaltung scheiterte jedoch an der uneinheitlichen und zurückhaltenden Praxis der Verwaltungsgerichte. II. Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, dass die ermessensreduzierende Wirkung subjektiv öffentlicher Rechte in Wissenschaft und Praxis wenig Aufmerksamkeit erlangte. Erstaunlich ist dieser Umstand, weil die Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts und des Ermessens schon entwickelt war217. Sie hätten als Bausteine des Gedankens einer ermessensbeschränkenden Auswirkung subjektiver Rechte fungieren können. Es ist nicht offensichtlich, warum gerade die Ermessensreduktion als Teilaspekt des subjektiv öffentlichen Rechts vernachlässigt wurde. Eine Suche nach der Ursache scheint deshalb lohnend. Es liegt nahe, den Grund im fehlenden politischen Bewusstsein um die Stärkung und den Gebrauch subjektiv öffentlicher Rechte zur Zeit des klassischen Verwaltungsrechts zu sehen. Dabei drängt sich die Überlegung auf, dass das bürgerliche Lager damals das Potential der Rechtsfigur des subjektiven Rechts nicht erkannt hat, für jeden Einzelnen bestimmte Lebensbereiche von den Zugriffen des Staats völlig freizuhalten und sich als Gleichberechtigte in einem Rechtsverhältnis zu behaupten. Diese Erklärung ist zwar vordergründig plausibel, letztlich aber nicht richtig. Denn das subjektiv öffentliche Recht entstand gerade aus einer politischen tendenziell reaktionären Grundhaltung und ist in nach auch der Grund war, weshalb der Gesetzgeber viele Rechtspositionen des Bürgers nicht zu gerichtlich durchsetzbaren Individualrechten ausgestalten würde. 214 Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161 f. 215 So bestätigt auch Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1914, S. 90 die Existenz eines „rechtlichen Anspruch[s] gegen den Staat“, sieht diesen aber nur „je nach dem Inhalt und dem Grad der Bestimmtheit“ der staatlichen Rechtspflichten als bestehend. 216 Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 215 beschreibt, wie damals das Bewusstsein um ein subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung entstand. 217 So ließ sich die Ermessensbeschränkung aus den Prämissen der herrschenden, rechtspositivistischen Methode arbeitenden Lehre als gesetzliche Begrenzung staatlichen Handelns konstruieren. Aber auch die Konstruktion der Staat-Bürger-Beziehung als Rechtsverhältnis, das durch gegenseitige Rechten und Pflichten den jeweils anderen in seiner Handlungsfreiheit einschränkte, war schon bekannt.

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seiner Ausgestaltung durch diese geprägt. Seine Gesetzesakzessorietät, die Schwierigkeiten seiner prozessualen Durchsetzbarkeit und seine Begrenztheit auf ökonomisch bedeutsame Lebensbereiche zeugen davon. Aus diesem Grund war das subjektiv öffentliche Recht als schlagkräftiges Instrument einer fortschreitenden Verwirklichung subjektiver Interessen für die Begrenzung und Berechenbarkeit des staatlichen Handlungsfreiraums ungeeignet. Ausgehend vom Verständnis der Fragilität des subjektiven Rechts im klassischen Verwaltungsrecht218 wird die grundlegende Bedeutung der verbindlichen Grundrechtsgeltung sichtbar. Erst die Einführung der bundesdeutschen Verfassung im Jahr 1949 besaß die politische Kraft und die rechtskonstruktive Unumgänglichkeit, den Einzelnen als originär berechtigtes Subjekt zu betrachten und ihm infolgedessen eine eigene Machtsphäre gegenüber der staatlichen Gewalt rechtlich garantieren zu können. 2. Abschnitt

Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht Ziel dieser Untersuchung ist es, die Entwicklung der jüngeren Ermessensdogmengeschichte der Bundesrepublik unter dem Aspekt der Subjektivierung besser begreifen zu können. Nachdem im ersten Abschnitt die Ausgangssituation des Entwicklungsprozesses beschrieben wurde, soll in der zweiten Hälfte des Grundlagenteils sein Endpunkt konturiert werden.

§ 8 Grundlegende Veränderungen des Verwaltungsrechts In den Jahren nach der Einführung des Grundgesetzes wurde das Verwaltungsrecht umfassend verfassungsrechtlich umgestaltet. Weil die Entwicklung der Ermessenslehre nur vor ihrem verwaltungsrechtlichen Hintergrund verständlich ist, unterbleibt an dieser Stelle nicht ein kurzer, vergleichender Blick auf die wesentlichen Veränderungen des Verwaltungsrechts gegenüber seinem Status quo ante vor In-Kraft-Treten der Bonner Verfassung.

218 Treffend reduziert Bartlsperger, DVBl 1970, S. 30 ff. (S. 32) die Bedeutung der subjektiven Rechte im klassischen Verwaltungsrecht auf „individuelle Beanstandungsmöglichkeiten, welche die Gesetzmäßigkeit des Staats zusätzlich garantieren“. Ähnlich gering schätzt auch Ehmke, Ermessen, 1960, S. 17 die subjektiven Rechte als „nur formelle Prozessstellungen“ ein.

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I. Relevanz verfassungsrechtlicher Neuerungen Als ein wichtiges Charakteristikum des klassischen Verwaltungsrechts lässt sich die Tatsache anführen, dass es von verfassungsrechtlichen Fragen weitgehend unberührt geblieben ist. Zwar erwies sich der gemeinsame staatstheoretische Hintergrund für das Verfassungs- und Verwaltungsrecht als durchaus prägend. Allerdings waren die beiden Rechtsmaterien im wesentlichen nur durch diesen Hintergrund verbunden und besaßen kaum anderweitige gegenseitige Berührungspunkte. Ursächlich hierfür war sicher das damalige Bemühen der Verwaltungsrechtswissenschaft, sich von der Staatsrechtswissenschaft zu lösen, um eine gewisse Eigenständigkeit als neue, juristische Disziplin behaupten zu können. So konnte auch die Weimarer Verfassung nicht dagegen wirken, dass Verfassungs- und Verwaltungsrecht auseinander divergierten. Schließlich war das Gesetzes- und damit auch das Verwaltungsrecht noch nicht unmittelbar an das Verfassungsrecht gebunden und dadurch miteinander verknüpft219. Diese Selbständigkeit des klassischen Verwaltungsrechts, welche aus heutiger Sicht außerordentlich hoch einzuschätzen ist, verhalf ihm zu einer größeren Kontinuität als das Verfassungsrecht. Während sich das Verfassungsrecht durch den Zusammenbruch der monarchischen Staatsform im Jahr 1918 einem existentiellen Wandel ausgesetzt sah, überdauerte das Verwaltungsrecht diesen staatsorganisatorischen Umbruch, ohne sich sichtbar zu verändern. Pointiert kommentierte Otto Mayer diese Entwicklung mit dem viel zitierten Satz „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“220. Die Einführung des Grundgesetzes brach die Unabhängigkeit des Verwaltungsrechts. Schließlich erlaubte das rechtswissenschaftliche Vakuum, das die nationalsozialistische Rechtslehre hinterlassen hatte221, auch keine vollständige und umfassende Neukonstruktion des Verwaltungsrechts. Allerdings veranlasste die bislang konstante und eigenständige Entwicklung des Verwaltungsrechts die Verwaltungsrechtswissenschaftler, den Blick auf die Systematik des klassischen Verwaltungsrechts zu werfen. Die meisten der Institute des bürgerlich-liberalen Verwaltungsrechts wurden zunächst in das Recht der Bundesrepublik übernommen, auch wenn sie im Sinne des Grundgesetzes neu interpretiert werden mussten222. Als „grundlegend neue Situation und Diskontinuität zu Weimar“223 erwies sich dabei, dass das Verfassungsrecht nicht mehr nur als ein bloß äußerlich 219

So Stolleis, Geschichte, Bd. 3, 1999, S. 126. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1924, Vorwort. 221 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 227) spricht von einer fast völligen Zerstörung der Grundlagen des liberalen Verwaltungsrechts durch das nationalsozialistische Regime. 222 So Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 12, Rn. 5. 223 Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. (S. 516); siehe dazu auch Wesel, Geschichte, 2001, S. 547. 220

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auf die Verwaltung einwirkender Faktor begriffen wurde. Vielmehr wurde dem Verfassungsrecht nach 1945 die Bedeutung eines Initiators und Motors für grundlegende Veränderungen und Fortentwicklungen der Verwaltungsrechtsmaterie zugemessen. Aufgrund der gravierenden Auswirkungen, denen das Verwaltungsrecht nach In-Kraft-Treten des Grundgesetzes unterlag, sollen zunächst die Veränderungen des Verfassungsrechts fokussiert werden. Ein umfassendes Verständnis des Verwaltungsrechts und seines Teilgebiets der Ermessenslehre erfordert eine Vorstellung von den Grundstrukturen des Verfassungsrechts und vom Ausmaß seiner Veränderung durch das Grundgesetz. II. Wesentliche Änderungen des Verfassungsrechts Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Grundgesetz als Fundament des deutschen Verfassungsrechts geschaffen werden sollte, sah sich der Verfassungsgeber vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Klar war jedoch sein Ziel: Die neue Verfassung sollte eine Verachtung menschlicher Individualität und menschlicher Freiheit, wie sie zuvor unter dem Nationalsozialismus durch die Herrschenden praktiziert wurde, für künftige Zeiten nach allen Mitteln verhindern. Es sollte dem Grundgesetz gelingen, den Bestand an individueller Freiheit ausreichend zu garantieren, der ein politisches Austarieren des Kräfteverhältnisses zwischen Machtausübenden und Machtunterlegenen zulässt224. Der unverbrüchliche Schutz der Menschenwürde wurde in Art. 1 Abs. 1 GG festgelegt, die Menschenrechte erlangten über Art. 1 Abs. 2 GG Anerkennung. Die Grundrechte gingen dem Verfassungstext als erste Artikel voran und waren als besondere subjektiv öffentliche Rechte von verfassungsrechtlichem Rang ausgestaltet. Art. 1 Abs. 3 GG gewährleistet seitdem ihre unmittelbare Geltung225. Die Errichtung all dieser rechtlichen Instrumente wurde von dem Gedanken getragen, die persönliche Freiheit des Einzelnen wirksam und dauerhaft zu sichern. 1. Fortentwicklung zum materiellen Rechtsstaat Die inhaltlich neue Ausrichtung an der Entwicklung individueller Rechtspositionen war mitursächlich für eine Veränderung der konstitutionellen Rechtsstaatslehre dahingehend, dass sich die bisherige Schwerpunktsetzung auf formell-rechtliche Aspekte hin zu einem mehr materiell geprägten Rechtsstaatsbegriff verschob. 224 Die Bedeutung einer verfassungsrechtlichen Absicherung der individuellen Freiheit wird deutlich, wenn Hesse, Verfassungsentwicklung, 1994, Rn. 27 aufzeigt, dass die Verfassung als „geistige Grundlegung der heutigen Staatlichkeit“ fungiert; siehe auch: Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 6. 225 Beschrieben bei Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 6.

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a) Formeller Rechtsstaatsbegriff Der traditionelle Rechtsstaatsbegriff, wie er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Staatslehre gebräuchlich war, definierte das Verhältnis zwischen Staat und Bürger als eine ausschließlich durch das Recht bestimmte Beziehung. Aufgabe des Rechts war es demnach, dem Staatshandeln Schranken zu setzen und sein Verhalten durch Verfahrensordnungen zu normieren226. Infolgedessen konzentrierte sich die Staatslehre auf die Ausgestaltung des Rechtsstaats zu einer Funktionenordnung der Gewalten, welche auf die Gebote einer präzisen Normgestaltung, des Gesetzesvorbehaltes, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der gerichtlichen Verwaltungskontrolle aufbaute227. Die Umsetzung materiell-rechtlicher Aspekte wie Gerechtigkeit und Rechtssicherheit stand dabei zurück228. b) Wandlung zum materiellen Rechtsstaat Dass die Nationalsozialisten den formal-rechtsstaatlichen Ansatz Jahrzehnte später nicht verwarfen, erstaunt zunächst. Das nationalsozialistische Regime verwendete sogar die aus dem Rechtsstaatsgedanken entwickelten Formen des Staatshandelns, um die jeweils gewünschten Regelungsinhalte durchzusetzen. Es störte damals nicht, dass die Regelungsgehalte oftmals in massivem und offensichtlichem Widerspruch zur Gerechtigkeitsidee standen229. Diese Beobachtung zeigt, wie verschieden die Konzeption des formellen und des materiellen Rechtsstaatsprinzips ist und welche unterschiedlichen Ergebnisse seine Umsetzung zur Folge haben230.

226 So bei Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 50. Er erörtert in Fn. 1 die Schwierigkeiten einer klaren Grenzziehung zwischen formellem und materiellem Rechtsstaatsbegriff. Diese Problematik soll hier jedoch vernachlässigt werden. 227 Eine ausführliche Darstellung der formalen Rechtsstaatselemente findet sich bei Achterberg, JA 1980, S. 210 ff. (S. 211 f.). 228 Es ist klar, dass die positivistische Methode aufgrund ihrer formalistischen Ausrichtung für eine materielle Ausformung des Rechtsstaatsprinzips, wie es dem Grundgesetz von 1949 zugrunde liegt, ungeeignet war, so auch Wittkämper, Rechtsstaat, 1983, S. 431 ff. (S. 433). Dennoch ist schon die Beachtung formell-rechtlicher Garantien als respektabler Fortschritt zum obrigkeitsgeprägten Polizeistaat zu werten. Nach Benda, Rechtsstaat, 1994, Rn. 2 f. entsprach eine materiell-rechtliche Dimension des Rechtsstaatsprinzips zudem nicht dem staatstheoretischen und vor allem nicht dem politischen Hintergrund des Konstitutionalismus. 229 Dazu Stolleis, Rechtsstaat, 1990, Sp. 367 ff. (Sp. 374). 230 Maurus erkannte schon im Jahr 1878 als Mangel in der Konzeption des formellen Rechtsstaats, dass dieser materielles Unrecht nicht immer verhindern kann. Er konstatiert in Verfassungsstaat, 1878, S. 100: „Der Staat aber, in welchem auch das Unrecht gesetzlich besteht, oder bestehen kann, ist nicht der Rechtsstaat“.

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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges offenbarte sich die Vordergründigkeit des formellen Rechtsstaatsprinzips. Der Umgang der Nationalsozialisten mit dem formellen Rechtsstaatsprinzip gab ausreichend Anlass, dessen Nützlichkeit grundsätzlich zu überdenken231. Deswegen erschienen in einer neuen deutschen Verfassung die Elemente der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit so unerlässlich, dass sie sogar der Verfügung des parlamentarisch repräsentierten Volkswillens entzogen wurden. Nach 1949 erwuchsen sie zu zentralen und unabänderlichen Bestandteilen des Rechtsstaatsprinzips232. Die Fortentwicklung des Rechtsstaatsprinzips besteht im wesentlichen darin, dass dem Recht neben seiner ursprünglichen Funktion als Form staatlichen Handelns auch die weitere Aufgabe zugestanden wurde, bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Gemeinschafts- und des staatlichen Lebens innerhalb festgelegter Grundsatzentscheidungen mitzuwirken. Im Zusammenhang der Rechtsgestaltung ist die Bindung des Gesetzgebers über Art. 1 Abs. 3 GG wie auch des Verfassungsgebers über Art. 79 Abs. 3 GG an die materiellen Verfassungsinhalte erwähnenswert. Indem der Verfassung zum Ziel gesetzt worden war, eine persönliche und sachliche Gleichheit zu schaffen und zu wahren233, verließ sie die Dimension eines rein staatlichen Regelwerks. Sie erlangte den Rang einer gesellschaftlichen Grundordnung234. Als konkrete Auswirkung dieses Prozesses kann etwa die Entwicklung der grundrechtlichen Schutzpflicht genannt werden. An ihr lässt sich beispielhaft zeigen, wie sich die Weiterentwicklung vollzog. Im ehemals rein formellen Rechtsstaat, der vor allem auf eine Bändigung und Mäßigung staatlicher Interventionen ausgerichtet war, konnten Rechte des Bürgers nur auf die Abwehr staatlichen Handelns sein. Heute hingegen erlaubt ein stär-

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So auch Scheuner, Entwicklung, 1960, S. 227 ff. (S. 248). So Benda, Rechtsstaat, 1994, Rn. 8 und Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 7. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt diese Rechtsstaatselemente in ständiger Rechtsprechung seit BVerfGE 3, S. 225 ff. (S. 237) über E 7, S. 89 ff. (S. 92); E 7, S. 194 ff. (S. 196); E 20, S. 323 ff. (S. 331); E 22, S. 322 ff. (S. 329); E 25, S. 269 ff. (S. 290) bis E 35, S. 41 ff. (S. 47). Achterberg, JA 1980, S. 210 ff. (S. 210) verweist ferner auf das Ziel des Rechtsfriedens. In Fn. 3 erwähnt er auch Radbruchs Aufzählung der Zweckmäßigkeit als weiteres materielles Rechtsstaatselement. Allerdings ist es wichtig, hier den falschen Eindruck zu vermeiden, die Erkenntnis um die Notwendigkeit eines materiellen Rechtsstaats habe auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens des deutschen Volkes beruht. Verfassungsgebung und damit die Festlegung der Staatsprinzipien und -strukturen erfolgte auf Initiative und unter der Aufsicht der Alliierten; siehe dazu Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 232). 233 So Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 18, Rn. 19. 234 So bei Hesse, Verfassungsrecht, 1994, Rn. 10. Diese Auffassung bewirkte letztlich auch die Anerkennung des objektiv-rechtlichen Gehalts der Bonner Grundrechte. 232

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ker materiell orientiertes Staatsverständnis, dass sich Staat und Bürger im Rahmen eines Anspruchsverhältnisses gegenüberstehen können235. 2. Sicherung der Rechtsbindung über die Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit Die Existenz einer Verfassungsgerichtsbarkeit ist für einen Rechtsstaat in Form des Verfassungsstaats nicht zwingend erforderlich236. Angesichts einer effizienten Durchsetzung der rechtlichen Bindungswirkung ist es jedoch nötig, dass rechtsrelevante Verstöße sanktionierbar sind237. Aber nicht nur deswegen ist die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit von großer Wichtigkeit. Es bedarf ihrer auch, weil die notwendige Offenheit von Verfassungsnormen immer wieder die Frage nach der angemessenen Schärfe der richterlichen Kontrolle aufwirft. Bis heute gilt dies als ungelöstes Problem. Gerade ein derart unbestimmt und vage gehaltenes Regelwerk wie das Grundgesetz benötigt ein bestimmtes Verfahren, um im Streitfall seinen Inhalt verbindlich konkretisieren zu können. Andernfalls riskiert es über eine mangelhafte oder schlicht fehlende Begriffsfindung die Gefahr der Bedeutungslosigkeit238. 3. Vorrang der Verfassung und Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts Um die Auswirkungen verfassungsrechtlicher Inhalte auf das Verwaltungsrecht ermitteln zu können, ist es wichtig, das Verhältnis von Verfassungsrecht zu einfachem Gesetzesrecht kurz darzulegen. Heute wird es von den Schlagwörtern des Vorrangs der Verfassung und der Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts umschrieben. In dieser Grundsätzlichkeit ist das Verhältnis anerkannt, zumal die Auslegung der Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 100 GG keinen anderen vertretbaren Rückschluss zulässt239. 235 Innerhalb dieses Rechtsverhältnisses nimmt der Staat die Position des Adressaten und der Einzelne die des Anspruchsberechtigten ein. Inhalt des Anspruchs ist eine Schutzpflicht mit grundrechtlich festgelegtem Inhalt. Umfassend dazu: Scheuner, Entwicklung, 1960, S. 229 ff. (S. 247 ff.); Klein, DVBl 1994, S. 489 ff. (S. 494 f). In § 22 II 3 a wird die Weiterentwicklung des Staatsverständnisses nochmals detaillierter beleuchtet, da sie für die Entwicklung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung eine unerlässliche Voraussetzung war. 236 Dazu im weiteren: Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. (S. 499). 237 So Wahl/Rottmann, Bedeutung, 1985, S. 340 ff. (S. 342 f.). 238 So Hesse, Verfassungsrecht, 1994, Rn. 15 und 18. Allerdings rechtfertigt nach Hesse, Verfassungsentwicklung, 1994, Rn. 27 der Beitrag des Bundesverfassungsgerichts zur Grundgesetzverwirklichung aufgrund seiner jahrzehntelangen Arbeit die Behauptung, dass dem Grundgesetz die Umsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung in Form der Festlegung von bestimmten Zielen und Richtlinien „in unerwartetem Ausmaß gelungen“ sei.

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Das Verhältnis von Verfassungsrecht zu einfachem Recht ist somit durch den Vorrang der Verfassung bestimmt240. Inhalt des Grundsatzes vom Verfassungsvorrang ist, dass alle staatliche Gewalt an das Grundgesetz gebunden ist, so dass sich kein Akt hoheitlicher Gewalt im Widerspruch zur Verfassung befinden darf. Dies vereitelt die Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch einfaches Recht241. Wird das Verhältnis der Rechtsebenen jedoch aus der Perspektive des einfachen Rechts betrachtet, so kommt der Terminus von der Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts ins Spiel. Er besagt, dass sich verfassungsrechtliche Inhalte wie eine durchsichtige Folie über das einfache Recht legen242. Das einfache Recht wird einerseits durch die Entfaltung des Verfassungsrechts als eine „Schicht vorrangigen Rechts“243 inhaltlich begrenzt. Anderseits wirken verfassungsrechtliche Inhalte auf das einfache Recht aber auch positiv gestaltend. Somit kann jede Entscheidung des Verwaltungsrechts als potentielle Verfassungsentscheidung Relevanz erlangen244. Das Grundgesetz verbindet erstmals die beiden Zielsetzungen, das Verfassungsrecht klar an der Spitze der Rechtsordnung zu positionieren und es zugleich über eine Verfassungsgerichtsbarkeit einklagbar zu gestalten. Aufgrund der hierdurch erzeugten Ausstrahlungswirkung in das einfache Recht kann das Verfassungsrecht heute einen weitaus größeren Anwendungsbereich für sich reklamieren als je zuvor245.

239 Seit BVerfGE 1, S. 14 ff. (S. 61); siehe ausführlich: Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff. (S. 403). 240 Der Verfassungsvorrang wird jedoch als Geltungs- und nicht als Anwendungsvorrang verstanden, klärend dazu Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513 ff. (S. 521). Der Verfassungsvorrang erscheint der heutigen Verfassungslehre als selbstverständlich. Er ist in seiner jetzigen Form jedoch ein staatsgeschichtliches Novum. So wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert der Vorrang der Verfassung noch durch die geringe juristische Bindungswirkung der Grundrechte wie auch durch die vorherrschende Auffassung verhindert, die Verfassung sei in ihrer rechtlichen Bedeutung ein Gesetz wie jedes andere. Die tatsächliche Bedeutung des Verfassungsrechts reduzierte sich somit auf eine programmatische, so bei Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. (S. 491 ff.). 241 Die Möglichkeit einer einfachrechtlichen Verfassungsänderung würde den Anspruch der Verfassung gefährden, als Grundordnung der staatlichen Gemeinschaft zu gelten, bemerkt Hesse, Verfassungsrecht, 1994, Rn. 15. 242 Beschrieben bei Zuck, Verwaltungsrecht, 1991, S. 155 ff. (S. 155). 243 Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 496). 244 So Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 18, Rn. 1a. 245 Ähnlich auch Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 362).

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III. Auswirkungen des subjektiv-rechtlich orientierten Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht Vor diesem Hintergrund musste es zu konkreten Veränderungen des Verwaltungsrechts nach 1945 kommen. Seine Errichtung und Ausprägung orientierte sich damals in hohem Maße an verfassungsrechtlichen Inhalten246. Schon bald schloss die Rechtswissenschaft aus dem Vorrang der Verfassung auf die Vorstellung vom „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht“247. Auch heute ist es noch ein zentrales Problem, den Grad der Einflussnahme verfassungsrechtlicher Direktiven oder den Grad der notwendigen Eigenständigkeit des Verwaltungsrechts zu bestimmen248. 1. Grundrechte als Freiheitsgarantien Die Fortentwicklung des Rechtsstaats – von der ursprünglichen Zwecksetzung der Errichtung formal-rechtlicher Garantien hin zum Schutz materieller Werte – ist eng verbunden mit dem Ideal der persönlichen Freiheit des Menschen249. Das rechtsstaatliche Bewusstsein um die Notwendigkeit individueller Freiheitsbereiche findet im Bonner Grundgesetz in der Ausgestaltung der Grundrechte als Abwehr- und Freiheitsrechte des Einzelnen seinen Ausdruck. Die Freiheit des Einzelnen erfährt ihre rechtliche Anerkennung gegenüber dem Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 GG. Erst diese Bindungsklausel schreibt die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht fest. Zugleich ist Art. 1 Abs. 3 GG für die Subjektivierung ihr „wichtigstes methodisches Kriterium“250. Es schreibt die Beachtung grundrechtlich definierter, subjektiver Rechtspositionen erstmals verbindlich und umfassend vor und setzt diese um. Inhaltlich spiegelt sich die Bedeutung der Grundrechte im individualistischen Grundzug der Bonner Verfassung wider. Dieser stieß nicht nur Fortentwicklun-

246 So auch Obermayer, NJW 1987, S. 2642 ff. (S. 2643); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 12, Rn. 5. 247 Titel des Aufsatzes von Werner, DVBl 1959, S. 527 ff. 248 Siehe hierzu: Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. (S. 502); Pietzcker, Grundrechtsbetroffenheit, 1984, S. 131 ff. (S. 149). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung zweier Phasen in der Geschichte der Bundesrepublik. So war man nach 1949 zunächst um die Verarbeitung der neu gewonnenen Prämisse der Verfassungsabhängigkeit des einfachen Rechts bemüht und versuchte, diese in den jeweiligen Rechtsgebieten konsequent zu erkennen und umzusetzen. Erst Jahrzehnte später rückten die Folgeprobleme des Verfassungsverständnisses als gesellschaftliche Grundordnung mehr und mehr in den Blickpunkt. Sie führten zu einer kritischeren Perspektive auf das bislang problemlos als vorrangig akzeptierte Verfassungsrecht, siehe bei Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff. (S. 403). 249 Ähnlich Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 360). 250 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 243).

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gen im Bereich des Verfassungsrechts an, auch das Verwaltungsrecht wurde zunehmend subjektiv-rechtlich ausgestaltet. Ein Beispiel der Veränderungen, die durch die Grundrechtsdogmatik initiiert wurden, ist etwa die Aufgabe der Konstruktion des besonderen Gewaltverhältnisses zugunsten des Sonderrechtsverhältnisses251. Sie wurde ebenso wie die Grundrechtsbindung des Staats auch bei privatrechtlicher Handlungsform252 aus dem Geltungsanspruch der Grundrechte abgeleitet. Des weiteren vergrößerte sich der Anwendungsbereich der Grundrechte aufgrund Art. 1 Abs. 3 GG über das materielle Recht hinaus auch auf das Verfahrensrecht253 sowie auf die neuere Rechtsmaterie des europäischen Gemeinschaftsrechts254. Über die Grundrechte wurden nicht nur neue Bereiche subjektiver Berechtigungen für mögliche Ansprüche des Bürgers erschlossen, auch der Inhalt bereits bestehender Ansprüche wurde auf der Basis grundrechtlicher Überlegungen erweitert. Hiervon zeugt das Institut des Folgenbeseitigungsanspruchs255 sowie die Ableitung einer staatlichen Schutzpflicht256. Die Konzeption des Grundrechtsgehaltes über ihren Abwehrcharakter hinaus als Leistungs- und Mitwirkungsrechte bewährte sich in der Entwicklung des Untermaßverbotes und bewirkte, dass die Notwendigkeit einer grundrechtswahrenden und -begünstigenden Verfahrensgestaltung257 oder Organisation von staatlichen Einrichtungen erkannt wurde258. Wie einerseits die subjektiven Rechtspositionen an sich durch die Entwicklung neuer Rechte259 eine Ausweitung erfuhren, so vergrößerte sich anderseits 251 Dargestellt bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 32, Rn. 28 ff., siehe dazu auch BVerfGE 33, S. 1 ff. (S. 10 ff.). 252 Siehe dazu ausführlich bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 22, Rn. 20 ff. 253 So nach der Aussage in BVerfGE 24, S. 367 ff. (S. 401): „Rechtsschutz ist wesentliches Element des Grundrechts selbst“, auch in BVerfGE 39, S. 156 ff. (S. 163); E 69, S. 315 ff. (S. 355); E 84, S. 34 ff. (S. 46) und BVerfG NJW 1996, S. 3202 (S. 3202). 254 Die Grundlage und Reichweite der Grundrechtsgeltung im Gemeinschaftsrecht ist lebhaft umstritten, siehe dazu: Streinz, Grundrechtsschutz, 1989 oder Klein, VVDStRL 50 (1991), S. 56 ff. (S. 78 ff.). 255 Siehe dazu Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 ff. (S. 34 ff.) und BVerwG DÖV 1971, S. 857 ff. (S. 858). 256 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 39, S. 1 ff. (S. 42) über E 46, S. 160 ff. (S. 164); E 49, S. 89 ff. (S. 132); E 53, S. 30 ff. (S. 57); E 56, S. 54 ff. (S. 73, 78 und 80); E 77, S. 170 ff. (S. 214 f.); E 79, S. 174 ff. (S. 201) bis E 88, S. 203 ff. (S. 251). 257 Zuerst in BVerfGE 53, S. 30 ff. (S. 65), danach in E 63, S. 131 ff. (S. 143 f.); E 65, S. 1 ff. (S. 44); E 73, S. 280 ff. (S. 296) und E 84, S. 34 ff. (S. 46). 258 Siehe etwa in BVerfGE 35, S. 79 ff. (S. 120 ff.). 259 Etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in BVerfGE 65, S. 1 ff. (S. 41 ff.) oder das Recht auf ein ökonomisches Existenzminimum in BVerfGE 82, S. 60 ff. (S. 85).

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auch der Kreis der subjektiv Berechtigten von natürlichen Personen über Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen, was im Fall einer grundrechtstypischen Gefährdungslage zu der Möglichkeit einer Grundrechtsträgerschaft für juristische Personen des öffentlichen Rechts führte260. Weiterhin sind als tragende Prinzipien unseres Rechtssystems die Prinzipien der Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu erwähnen261. Im Verwaltungsrecht finden sie Beachtung als rechtsstaatliche Grundsätze. All diese Prinzipien wurden primär aus der Grundrechtsdogmatik entwickelt262. Seitdem haben sie sich im Zusammenhang mit dieser als unerlässlich erwiesen. 2. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Ausfluss des rechtsstaatlichen Verfassungsprinzips Zwar ist den Grundrechten der größte Einfluss auf die Gestaltung des Verwaltungsrechts beizumessen, doch besitzt auch das Rechtsstaatsprinzip eine grundlegende Bedeutung für die Subjektivierungstendenz. Schließlich ist die Verwaltungstätigkeit das klassische Konfrontationsgebiet von staatlichen und privaten Interessen. Ein rechtsstaatlicher Staatsaufbau benötigt daher das Recht als Instrument eines notwendigen Interessensausgleichs, weil es in seiner konkreten Ausgestaltung das Verhältnis zwischen Staat und Bürger regelt263. Das Grundgesetz begreift als maßgebliche Auswirkung des Rechtsstaatsprinzips auf die Verwaltung das Gebot ihres gesetzmäßigen Verhaltens. Dieser Grundsatz lässt sich Art. 20 Abs. 3 GG entnehmen, er konkretisiert sich in der Lehre vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes264. Da der Rechtsstaatsgedanke jedoch älter ist als die Bundesrepublik, waren Gesetzesvorrang und -vorbehalt schon der konstitutionellen Staatslehre bekannt265. Die Bonner Verfassung forcierte aber nicht nur die Geltung der Normhierarchie durch ihren unbedingten Verfassungsvorrang in einem strikteren Maße. Sie entwickelte auch den im Gesetzesvorbehalt angelegten Bestimmtheitsgrundsatz um die demokratische Idee weiter266. Es ist demnach nicht mehr ausreichend, dass die jeweilige Ermächtigungsnorm für die Verwaltung hinreichend bestimmt ist, um eine Abhängigkeit

260 So seit BVerfGE 15, S. 256 ff. (S. 262); E 19, S. 1 ff. (S. 5); E 21, S. 362 ff. (S. 372); E 30, S. 112 ff. (S. 120); E 31, S. 314 ff. (S. 322); E 61, S. 82 ff. (S. 102); E 73, S. 118 ff. (S. 191); BVerfG DÖV 1987, S. 819 ff. (S. 820) und BVerfG NVwZ 1994, S. 262 f. (S. 262). 261 Ähnlich Hofmann, Entwicklung, 1995, Rn. 54. 262 Auch Badura, 1997, Verfassungsrahmen, S. 55 ff. (S. 60). 263 Dementsprechend statuiert BVerwGE 1, S. 159 ff. (S. 161), dass im Rechtsstaat „die Beziehungen des Bürgers zum Staat grundsätzlich solche des Rechts“ sind. 264 So Badura, 1997, Verfassungsrahmen, S. 55 ff. (S. 59). 265 So Scheuner, AöR 95 (1970), S. 353 ff. (S. 359). 266 Siehe bei Badura, Verfassungsrahmen, 1997, S. 55 ff. (S. 59 f.).

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exekutiver Tätigkeit von der Gesetzgebung zu erzeugen. Vielmehr müssen „wesentliche“ Entscheidungen, also Staatsakte, die den Schutz- und Ordnungsbereich der Grundrechte tangieren267, von einem ausreichenden Grad demokratischer Legitimation getragen sein268. 3. Ausbau der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit nach 1945 Der Wunsch nach einer optimalen Verwirklichung der rechtsstaatlichen Idee führte über Art. 19 Abs. 4 GG zur Entstehung eines Rechtsschutzstaats. Infolgedessen wurde jegliches staatliche Handeln der gerichtlichen Kontrolle unterworfen, die verwaltungsgerichtliche Tätigkeit wuchs in bislang unbekannte Dimensionen an269. Der Ausbau der Gerichtsbarkeiten sollte helfen, die klare Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten einer Sicherung und Förderung der individuellen Rechtsverwirklichung effektiv realisieren zu können270. Die Intensivierung des Verwaltungsrechtsschutzes nach 1945 lässt sich auf zwei verschiedene Mechanismen zurückführen. So gebietet die Rechtsweggarantie die Schaffung einer von der Verwaltung organisatorisch und personell unabhängigen Gerichtsbarkeit. Der Zugang zu den Verwaltungsgerichten ist über die inzwischen in § 40 VwGO kodifizierte Generalklausel bewusst offen und weit gehalten271. Zugleich ist der im Grunde prozessual ausgestalteten Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG auch eine Art Rückwirkung auf das materielle 267 Hierdurch erfolgte auch eine Veränderung in der Form einer Erweiterung des Eingriffsbegriffs, so Badura, Verfassungsrahmen, 1997, S. 55 ff. (S. 60). 268 Der Legitimationsgrad bewegt sich dabei von der bloßen Zustimmung des Bundestages bis hin zur parlamentarischen Ermächtigungsnorm. In diesem Zusammenhang spricht Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 497) von einer Verschärfung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt. 269 So auch Zeidler, Der Staat 1 (1962), S. 321 ff. (S. 322) und Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 241). Ein derart umfassender Rechtsschutz war dem Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt deswegen unbekannt, weil die Institution eines Verwaltungsrechtsschutzes noch jung und ihre Befugnisse umstritten waren. Die beherrschende Stellung der Judikative nach 1945 kann nur unter Verweis auf ihre zeitgeschichtliche Eingebundenheit in die Nachkriegszeit erklärt werden. Es waren die Erfahrungen unter der nationalsozialistischen Regierung, etwa das Ausmaß materiellen Unrechts und die prozessuale Unfähigkeit, hiergegen gerichtlich vorgehen zu können, die bei Errichtung der Bundesrepublik zu einem besonderen Bewusstsein um die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes führten. Eine gestärkte Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde als geeignetes Mittel betrachtet, der „systematischen Negation personaler Individualität und staatlicher Normativität durch die NS-Gewaltherrschaft“ (Danwitz, System, 1996, S. 86) künftig vorzubeugen. 270 So Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 14. In diesem Zusammenhang beurteilt Wesel, Geschichte, 2001, S. 548 die Erweiterung des Rechtsschutzes auf die Leistungsverwaltung durch das Fürsorge-Urteil im Jahr 1954 und Verwerfung der Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses im Jahr 1972 als signifikante Entwicklungen der Subjektivierung.

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Recht zu entnehmen. Schließlich ist es notwendig, die Staat-Bürger-Beziehung als rechtliche auszugestalten, wenn die umfassende Rechtsweggarantie ihre Wirkung für den Einzelnen überhaupt entfalten soll. Nur dann kann diese auch Gegenstand richterlicher Kontrolle sein272. IV. Zusammenfassung Wenn Stern resümiert, dass „das grundgesetzliche Verfassungsrecht nachhaltig auf alles Verwaltungsgeschehen und das dieses regulierende Recht einwirkt“273, so ist es leicht, sich ihm anzuschließen. Allerdings wurde der Verwaltungsdogmatik auch die weitere Dimension der Grundrechtsdogmatik aufgebürdet, die einen Zuwachs an Komplexität und Kompliziertheit im Verwaltungsrecht verursachte274. Zugleich erweiterte die Grundrechtsdogmatik damit die Anwendungsbereiche des Verwaltungsrechts275. Die in der Verfassung angelegte subjektiv-rechtliche Grundtendenz bewirkte letztlich ein Wachstum und eine Ausdifferenzierung des Verwaltungsrechts von deutlich individualrechtlicher Prägung276. 271 So Ibler, Rechtsschutz, 1999, S. 11. Zwar wurde die Generalklausel erst im Jahr 1960 bundesrechtlich in der Verwaltungsgerichtsordnung niedergelegt, siehe bei Herzog, NJW 1992, S. 2601 ff. (S. 2601). Aber schon ab 1946 fand sich in § 22 VVG der US-Zonen-Länder eine Generalklausel, so Obermayer, NJW 1987, S. 2642 ff. (S. 2642). Ab 1948 galt diese dann bundesweit durch ihre Aufnahme in die MRVO Nr. 195. Es ist davon auszugehen, dass ihre Idee 1949 Einfluss auf die Gestaltung des Art. 19 Abs. 4 GG und 1960 auf § 40 VwGO nahm. 272 Dies ist die Aussage des Verrechtlichungsgebots von Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 14 ff., welches inhaltlich von Wahl, Vorb § 42 Abs. 2 VwGO, 1997, Rn. 52 unter dem Begriff des Subjektivierungsauftrags wieder aufgegriffen wird. Demnach erfordert Art. 19 Abs. 4 GG die Schaffung einfacher subjektiv öffentlicher Rechte; a. A. Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 482. 273 Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 740. 274 So Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 243). Ähnlich auch Wahl, JuS 1984, S. 577 ff. (S. 578), der im Baunachbarrecht eine „grundrechtliche ,Überhöhung‘ oder ,Fundierung‘“ verzeichnet. 275 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 248) spricht hier die Ausdehnung der Verwaltung in bislang dem Recht nicht zugänglich gemachte Räume an. 276 So bezeichnet Wesel, Geschichte, 2001, S. 550 das heutige Verwaltungsrecht als „bürgerfreundlich, ohne verwaltungsfeindlich zu sein“; ähnlich auch Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 495) und Zeidler, Der Staat 1 (1962), S. 321 ff. (S. 331), welcher die Bezeichnung eines „Arrangement zwischen Staat und Bürger“ wählt. Stellt sich die Frage nach den maßgeblichen Kräften dieser grundlegenden, inhaltlichen Veränderung des Verwaltungsrechts aufgrund des grundrechtlichen Einflusses, so fällt ein interessanter Fakt ins Auge. Weil die Verfassung arm an konkreten Gestaltungsvorgaben im Bereich des Verwaltungsrechts ist und die Gesetzgebung nur geringe Aktivitäten über die Normierung des Bundesverwaltungsprozess- und -verfahrensrechts hinaus gezeigt hat, trugen letztlich Wissenschaft und Rechtsprechung den Hauptanteil an der verfassungsrechtlichen Überarbeitung des Verwaltungsrechts, so Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 12, Rn. 8; zur Rechtsprechung siehe

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§ 9 Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts nach 1945 Die allgemeine Problematik des Verhältnisses von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht wirkt in hohem Maße auch auf die Komponenten des subjektiv öffentlichen Rechts und des Ermessens ein. Insbesondere das subjektiv öffentliche Recht unterlag aufgrund der neuen Grundrechtsdogmatik einem starken verfassungsrechtlichen Einfluss, welcher zu einer weitgehenden Modifikation der klassischen Konzeption des subjektiven Rechts führte. Aufgrund der starken Geltungskraft der Grundrechte und ihrer grundsätzlichen Bedeutung als Wertesystem für die gesamte Rechtsordnung veränderten sie die Position des Einzelnen im deutschen Staatsrecht innerhalb eines Jahrhunderts vom gewaltunterworfenen Untertan zum anspruchsberechtigten Bürger277. I. Bedeutungen des subjektiven Rechts und bekannte Definitionsschwierigkeiten In der Rechtsfigur des subjektiv öffentlichen Rechts spiegelt sich das Grundproblem der Stellung des Menschen im Recht wider278. Diese grundsätzliche Bedeutung des subjektiven Rechts ist jedoch seit mehreren Jahrzehnten in der allgemeinen Rechtsanwendung ins Hintertreffen geraten. Als erste Assoziation wird hingegen meist die prozessuale Seite des subjektiv öffentlichen Rechts erwähnt, hiernach ist es im Verwaltungsprozess für die Klagebefugnis von Relevanz. Eine solche Betrachtung verkürzt allerdings die Bedeutung des subjektiv öffentlichen Rechts, die inzwischen „weit über die Prozesssituation hinausgewachsen ist“279. So bestimmt das subjektive Recht auch materiell die Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Bürger. Indem es die Rechtsstellung des Individuums definiert, die dem Einzelnen Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit und auch Freiheit von staatlicher Macht einräumen kann280, fungiert es als Konkretisierung der verfassungsrechtlich vorgesehenen Subjektstellung des Bürgers. Das subjektiv öffentliche Recht verwirklicht die grundgesetzliche Leitidee von der selbständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeit des Menschen281. Brohm, DÖV 1982, S. 1 ff. (S. 1). Nach Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 2, Rn. 12 übernahm die Rechtsprechung den größeren Teil dieser Entwicklungsarbeit. Die Wissenschaft hingegen verharrte in einer lediglich dienenden Position, so Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 243). 277 So Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 242). 278 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 186. Ähnlich auch die Aussage von Roellecke, Zustand, 1986, S. 32, subjektive Rechte verbänden das gesamte Rechtssystem und damit Rechtsnormen, -setzung, und -anwendung mit allen einzelnen, mit der Gesellschaft. 279 Roellecke, AöR 114 (1989), S. 589 ff. (S. 597). 280 So Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 52.

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Die Metapher vom subjektiven Recht als „Generalschlüssel zum dogmatischen System“282 würdigt nicht nur die grundlegende Bedeutung dieses Rechtsinstituts. Sie erklärt auch seine Funktion als Berührungs- und Verknüpfungspunkt sowohl zwischen den Rechtssphären von Staat und Bürger als auch zwischen den Staatsgewalten untereinander283. Nach einer fassbaren Definition des subjektiv öffentlichen Rechts suchte Bühler schon im Jahr 1914284. Auch wenn seine Charakterisierung aus heutiger Sicht als gelungen gilt, so scheint eine abstrakte Begriffsbestimmung momentan aufgrund der verschiedensten Erscheinungsformen des subjektiv öffentlichen Rechts nur noch sehr begrenzt oder gar nicht mehr möglich285. Inzwischen ist die Stellung des Bürgers in Berechtigungen verschiedenster Arten und Bestimmtheitsgrade zerfallen286. Die Wissenschaft weist eine an Unüberschaubarkeit grenzende Vielfalt von Bestimmungsversuchen auf, die sich mit der Erfassung, Systematisierung oder kritischen Auseinandersetzung dieser Berechtigungen befassen287. Den zusätzlichen Faktor der Grundrechtsdogmatik und die fehlende Einigkeit über die Diskussionsgrundlagen hat für die Problematik des subjektiven Rechts einen hohen Grad an Komplexität bewirkt. Es ist zu vermuten, dass heute „das subjektive öffentliche Recht zu einem unentwirrbaren gordischen Knoten verflochten“288 ist. 281

So die Formulierung in BVerwGE 1, S. 159 ff. (S. 161). Roellecke, AöR 114 (1989), S. 589 ff. (S. 597). 283 An dieser Stelle wird nochmals auf die eingangs zitierten Worte von Henke, Subjektives öffentliches Recht, 1968, S. 8 verwiesen, da er die Bedeutung des subjektiv öffentlichen Rechts in diesem Zusammenhang treffend umschreibt. 284 Umsichtig spricht Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 224 seiner gefundenen Definition die Wirkung gleich einer Zauberformel ab, die helfe, alle Schwierigkeiten der Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts mit einem Schlag zu beseitigen. 285 Etwa Krebs, Rechtsschutz, 1985, S. 191 ff. (S. 200) über das subjektiv öffentliche Recht, welches „eher ein dogmatisches Dilemma als ein fest umrissenes Rechtsinstitut“ sei oder etwas optimistischer Larenz, Struktur, 1977, S. 127 ff. (S. 147), der es als offenen und ausfüllungsbedürftigen Rahmenbegriff bezeichnet. Von einer Unmöglichkeit der Definition gehen aus: Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 102; Krebs, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 2000, Art. 19 Abs. 4, Rn. 60; Ress, Subjektives öffentliches Recht, 1979, S. 105 ff. (S. 117 f.) spricht sogar von einer „verfehlte[n] Idee einer einheitlichen Kategorie“. 286 So nach Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 51. Dabei wird allgemein unterschieden zwischen subjektiv öffentlichen Rechten im materiellen Recht (zu den Typisierungsversuchen: Scherzberg, DVBl 1988, S. 129 ff. und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 55 ff.) und im Verfahrensrecht (vgl. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 47; Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 41 f.; Richter, Verwaltungsrecht, 2000, S. 72 ff.). 287 Eine empfehlenswerte Übersicht zum Streitstand findet sich bei Bauer, Grundlagen, 1986, S. 154 ff. (S. 155). 288 Bauer, Grundlagen, 1986, S. 160. 282

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II. Die neue Dimension der unmittelbaren Grundrechtsgeltung Da die Figur des subjektiv öffentlichen Rechts im klassischen Verwaltungsrecht kaum verfassungsrechtlichen Einflüssen ausgesetzt war, wurde sie damals als zum Verwaltungsrecht gehörig eingeordnet und zunächst von den Grundrechten auf Verfassungsebene isoliert behandelt. Nach 1949 nahm jedoch die Grundrechtsdogmatik über ihre Wirksamkeitsklausel Art. 1 Abs. 3 GG Einfluss auf das Verwaltungsrecht. Das in der Nachkriegszeit entstehende Verwaltungsrecht musste das subjektiv öffentliche Recht erst vor diesem neuen verfassungsrechtlichen Hintergrund begreifen lernen. 1. Staatstheoretischer Hintergrund des Bonner Grundrechtskatalogs In diesem Zusammenhang entsteht die Frage, welche Rolle den staatstheoretischen Rahmenbedingungen für die vergleichsweise starke Betonung individueller Rechtspositionen im öffentlichen Recht zukam. a) Objektiv-rechtliche Bedeutung der Grundrechte und ihr Gehalt als Wertentscheidung Die Besonderheit am Grundrechtskatalog der Bonner Verfassung lag nicht nur in der direkten Grundrechtsgeltung über Art. 1 Abs. 3 GG. Eine weitere Veränderung bewirkte die Entdeckung ihres objektiv-rechtlichen Potentials für die Ausgestaltung eines verfassungsrechtlichen Wertesystems. Sie bedeutete einen Fortschritt gegenüber der älteren Ansicht, Grundrechte seien lediglich auf Verfassungsebene geschützte subjektive Rechte289. Das Bundesverfassungsgericht entwickelte in seinem grundlegenden Lüth-Urteil290 die Auffassung, dass den Grundrechten neben ihrer primär subjektivrechtlichen Funktion auch eine objektiv-rechtliche Dimension zu eigen ist. Aus ihrem objektiv-rechtlichen Gehalt lassen sich infolgedessen allgemeine Prinzipien für die gesamte Rechtsordnung gewinnen. Grundrechte sind ihrem Wesen nach daher nicht nur subjektive Rechte, sondern verkörpern zugleich eine objektiv-rechtliche Wertentscheidung der Verfassung291. Nach Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG sind die Grundrechte als „verfassungsmäßige Verbürgung von Werten“292 von allen Trägern hoheitlicher Gewalt zu achten. Über diesen Eingang 289 So die herrschende Meinung in der Weimarer Republik; siehe bei Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 17; Forsthoff/Frey, Rechtsstaat, 1976, S. 190. Sie ist auch Ausgangspunkt der grundrechtlichen Verfassungsrechtsprechung, siehe noch in BVerfGE 7, S. 198 ff. (S. 204 f.). 290 BVerfGE 7, S. 198 ff. (S. 205 ff.), fortgeführt durch E 49, S. 89 ff. (S. 141 f.); E 56, S. 54 ff. (S. 73); E 73, S. 261 ff. (S. 269). 291 So etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 2002, Vorb. vor Art. 1, Rn. 3.

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der verfassungsrechtlichen Werteordnung in das einfache Recht wird das Verfassungsrecht mit dem einfachen Recht eng verflochten. b) Menschenbild des Grundgesetzes Neben diesem methodischen Aspekt der Grundrechtsdogmatik ist aber auch ihr individualrechtsfreundlicher Gehalt hier von Belang. Er beruht auf einem spezifischen Menschenbild der Verfassung. Die Idealvorstellung des Grundgesetzes vom Menschen bildete sich in Abgrenzung zum nationalsozialistischen Menschenbild293. Als Leitsatz kann nach 1945 gelten: Wie der Staat dem Menschen verpflichtet ist, so muss es auch das Recht sein. Ausgangspunkt ist demnach der Mensch als Leitbild und Maßstab der objektiven Rechtsordnung294, die wiederum alle staatliche Gewalt über Art. 20 Abs. 3 GG bindet. Die Fokussierung des Staatswesens auf den Einzelnen findet ihren rechtlichen Ausdruck im Gebot der Achtung der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG295. Das Bonner Grundgesetz dient aber seinerseits nicht nur der Wahrung der Freiheitlichkeit des Menschen, es setzt diese zugleich voraus. Die Ausgestaltung der Grundrechte als unmittelbar geltende subjektive Rechte von Verfassungsrang sieht den Menschen als eine zu autonomen Entscheidungen fähige und willige Person. Der Mensch wird begriffen als eine Person, die sich ihrer Freiheit bewusst ist und diese aktiv im Gemeinschaftsleben einbringt296. Dieser „mündige Mensch“ muss als Individuum seitens des Staats adäquat behandelt werden. Abstrakt erfordert dies, dass der Staat dem Einzelnen eine gewisse Eigenverantwortlichkeit und somit eine Freiheit von staatlicher Determination zugesteht. Konkret führt dies zur Einräumung subjektiver Rechte für den Einzelnen, damit dieser seinen Freiheitsbereich gegenüber dem Staat gestalten und durchsetzen kann.

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Forsthoff/Frey, Rechtsstaat, 1976, S. 190. Als Negativerfahrung unter dem nationalsozialistischen Regime war insbesondere die vorausgegangene systematische Unterdrückung menschlich-individueller Freiheit prägend. Deswegen kann das Menschenbild bei Grundgesetzschaffung als die direkte Umkehrung des nationalsozialistischen Ideals einer Persönlichkeitsverwirklichung im Kollektiv bezeichnet werden. Denn das Grundgesetz sieht den Menschen als ein im Grunde autonomes Wesen, das um seinen Eigenwert geachtet wird. 294 Seit BVerfGE 5, S. 85 ff. (S. 204 f.) ständige Rechtsprechung, später auch E 6, S. 32 ff. (S. 41); E 7, S. 198 ff. (S. 205); E 12, S. 45 ff. (S. 51); E 21, S. 362 ff. (S. 372); stellvertretend für die Literatur: Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 51. 295 Diese ist als Grundsatznorm und Leitprinzip der gesamten Verfassung voran gestellt. Die Verwendung des Menschenwürdebegriffs an einer solch exponierten Stellung in der Staatsordnung sowie seine Ausgestaltung durch jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen darauf schließen, dass der Wahrung des grundrechtlichen Menschenbildes eine hohe Priorität beigemessen wird. 296 So nach Hesse, Grundrechte, 1994, Rn. 13. 293

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Die objektiv-rechtliche Bedeutungsdimension der Grundrechte und das der Verfassung zugrunde liegende Menschenbild erwiesen sich als wichtige Initiatoren der Subjektivierung des Verwaltungsrechts. Das individualrechtsfreundliche Menschenbild des Grundgesetzes gebot es, die Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber dem Staat auszubauen und damit letztlich auch in vermehrtem Umfang private Interessen anzuerkennen297. Diese Tendenz wurde durch den objektivrechtlichen Aspekt der Grundrechte verstärkt, der den Gedanken einer subjektiven Berechtigung als wesentliches Element in die grundrechtliche Werteordnung integrierte und ihm dadurch größere Wirkungskraft verlieh. 2. Beeinflussung der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht durch die Grundrechtsdogmatik Aus der Konstruktion der Grundrechte mit einer bisher unbekannten, unmittelbaren Wirksamkeit resultiert eine entscheidende Alternation des subjektiv öffentlichen Rechts. Denn erstmals in seiner Geschichte vermitteln Grundrechte dem Einzelnen eine Rechtsposition, die nicht mehr von der Gunst des Gesetzgebers abhängig, sondern unverbrüchlich in der Verfassung festgeschrieben ist. Zwar obliegt die Ausgestaltung des subjektiv öffentlichen Rechts im einfachen Recht nach wie vor dem Gesetzgeber. Durch die Verfassung ist jedoch ein zu wahrender Mindestumfang des subjektiven Rechts festgelegt, der nicht mehr zur Disposition der Legislative steht. a) Verhältnis der Grundrechte zu den subjektiv öffentlichen Rechten Die Problematik des Verhältnisses von einfachem Recht und Verfassungsrecht lässt sich auf die Konstellation zwischen subjektiv öffentlichen Recht und den Grundrechten übertragen298. Unterschiedlich ist dabei aber, dass die Bezeichnung „subjektiv öffentliches Recht“ als Oberbegriff für individualrechtliche Positionen des Einzelnen sowohl auf verfassungs- als auch auf verwaltungsrechtlicher Ebene gebräuchlich ist. Die Tatsache allein, dass alle Grundrechte subjektiv öffentliche Rechte sind299, rechtfertigt jedoch noch nicht ihre Bezeich297 Beispielhaft für die Folgeentwicklung des individualistischen Grundzuges der Verfassung, dass ehemals öffentliche Interessen zunehmend auch als private qualifiziert wurden, ist etwa die Anspruchszuerkennung im Fürsorgebereich seit BVerwGE 1, S. 159 ff. oder auf dem Gebiet des polizeilichen Einschreitens seit BVerwGE 11, S. 95 ff. Erwähnenswert ist auch die Anerkennung von Verträgen zwischen Einzelnem und Verwaltung, die Beachtung von privaten Interessen bei Ermessensentscheidungen (BVerwGE 42, S. 133 ff. (S. 137)), die Sicherung von Individualrechten durch Verfahrensgestaltung (BVerfGE 53, S. 30 ff. (S. 62 ff.)) oder der Persönlichkeitsschutz in neueren technischen Entwicklungen (BVerfGE 65, S. 1 ff.); siehe auch bei Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 2, Rn. 16. 298 So Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 15, 49 oder Krebs, Rechtsschutz, 1985, S. 191 ff. (S. 203).

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nung als Prototypen der subjektiv öffentlichen Rechte300. Hingegen geben die klare Normgestaltung der Grundrechte als subjektive Berechtigungen, ihre unmittelbare Geltung und ihr besonderer Schutz durch die Verfassungsbeschwerde Anlass, sie als besondere, weil außerordentlich effektive, subjektiv öffentliche Rechte zu betrachten. Aufgrund ihrer Natur als Abwehr- und Freiheitsrechte können Grundrechte dem Einzelnen helfen, staatliche Eingriffe zu vermeiden oder abzuwenden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts. Deswegen können Grundrechte zwar durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzesrechts oder durch die Bildung einfach-rechtlicher dogmatischer Figuren zur Anerkennung subjektiv öffentlicher Rechte beitragen301, diese jedoch selbst im Normalfall nicht ersetzen302. Eine klare Systematik der Einwirkung der Grundrechte auf einfachgesetzliche subjektiv öffentliche Rechte ist bislang nicht entwickelt worden303. Eine entscheidende Rolle spielen die Grundrechte als „Quelle und Vermittler“304 subjektiver Rechte, indem sie als Grundsatznormen den Gesetzgeber nicht nur dazu ermächtigen, sondern ihn sogar dazu auffordern, ihren Inhalt auf einfachgesetzlicher Ebene zu konkretisieren305. Für die Rechtsstellung des Einzelnen im Staat ist dies deswegen konkret entscheidend, weil er seine Rechtssphäre dann durch Ansprüche sichern kann und sich nicht auf die vage, grundrechtliche Garantierung seiner subjektiven Rechte verlassen muss.

299 Allerdings ist der Umkehrschluss nicht richtig, dass alle subjektiv öffentlichen Rechte auch stets Grundrechte sind; im Ergebnis auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 49. Darüber hinaus ist der subjektiv-rechtliche Charakter der Grundrechte unumstritten, siehe z. B. bei Sachs, Grundrechte, 1988, S. 530 ff. mwN und S. 540 (mwN in Fn. 276) und Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 212 mwN unter Fn. 54 f.). 300 Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 608) spricht von den Grundrechten als „subjektive Rechte par excellence“. 301 So Richter/Schuppert/Bumke, Verwaltungsrecht, 2000, S. 72. 302 Statt vieler: Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 78; a. A. Zuleeg, DVBl 1976, S. 509 ff. (S. 514). 303 Siehe dazu den Überblick bei Ramsauer, AöR 111 (1986), S. 501 ff. (S. 506 ff.). Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 49 ff. versucht eine Differenzierung von gesetzgeberischer Gestaltung der Grundrechte anhand ihrer Auswirkungen. Denkbar ist jedoch, dass aufgrund der Vielfalt der Konkretisierungsmöglichkeiten keine Aussage über gemeinsame Prinzipien gefunden werden kann. 304 Sachs, Grundrechte, 1988, S. 540. 305 Dies ist Inhalt der Forderung eines grundrechtlichen Subjektivierungsgebots, siehe dazu schon unter § 8 III 3 (Fn. 272).

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b) Verdrängung des subjektiv öffentlichen Rechts als Folge eines Lehrendualismus In der Entwicklung der Lehre von den Grundrechten und der Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts bestehen zahlreiche Parallelen und Berührungspunkte306. Ihr unterschiedlicher Rechtscharakter – die Grundrechte als Verfassungsrecht und die einfachen subjektiv öffentlichen Rechte als Verwaltungsrecht – hatte letztlich jedoch die Ausbildung von zwei unterschiedlichen, dogmatischen Linien zur Folge. Die zu Beginn des klassischen Verwaltungsrechts noch einheitliche Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht, die sämtliche verwaltungs- und staatsrechtliche Rechtspositionen des Einzelnen umfasste, veränderte sich mit dem Grundgesetz. Einerseits entwickelte sich eine eigenständige Grundrechtslehre. Im Vergleich zur allgemeinen Idee der subjektiven Rechte ist die Grundrechtslehre als speziell zu begreifen, da nur den Grundrechten als subjektiven Rechten ein Verfassungsrang und eine unmittelbare Bindungswirkung zukommt. Anderseits beschränkte sich die Lehre des subjektiv öffentlichen Rechts unter Beibehaltung ihrer klassischen Konzeption zunehmend auf den verbliebenen Bereich des Verwaltungsrechts. Infolgedessen wurde das subjektiv öffentliche Recht überwiegend als Rechtsfigur des Verwaltungsrechts begriffen307. Somit konnte die Grundrechtsdiskussion nicht mehr zusammen mit derjenigen des einfachgesetzlichen, subjektiv öffentlichen Rechts geführt werden konnte. Diese Faktoren verursachten nach 1949 eine Auftrennung der bisher einheitlichen Lehre. Diese „kategoriale Spaltung“308 ist allerdings nicht so absolut zu verstehen, als dass keine Kontaktpunkte zwischen den verschiedenen Theorien existieren würden. So wirken die Grundrechte auf die Schaffung und Gestaltung einfacher subjektiver Rechte ein und beide werden vom Oberbegriff subjektiv öffentlicher Rechte erfasst. Eine gravierende Auswirkung der Grundrechtsdogmatik liegt etwa darin, dass sie die Bedeutung des einfachen subjektiv öffentlichen Rechts für die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis minderte. So war nach Grundgesetzeinführung zu beobachten, dass der Anwendungsbereich des subjektiv öffentlichen Rechts zwar für Adressatenklagen schwindet, für Nicht-Adressatenklagen jedoch anwächst. Diese Gegenläufigkeit beruht auf der Auffassung, dass die für die Klagebefugnis notwendige Rechtsverletzung bei Adressaten immer aus einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund unrechtmäßigen Verwaltungshandelns gewonnen werden könne309. Für die Ableitung von Rechtspositionen jenseits 306

So Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 115. So Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 213). 308 Bauer, Grundlagen, 1986, S. 130. Bauer umschreibt auch die theoretisch und praktisch unterschiedliche Behandlung des subjektiven Rechts auf Verfassungs- und Verwaltungsebene. 307

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der Grundrechte besteht damit kein Bedürfnis310, so dass die Suche nach der Existenz eines verletzten subjektiven Rechts überflüssig wird. Nur wenn die Klagebefugnis eines Nicht-Adressaten311 in Frage steht, muss das einfache Gesetzesrecht zur Begründung subjektiver Rechte herangezogen werden. Der Anwendungsbereich des subjektiv öffentlichen Rechts, das in seiner klassischen Konzeption in der Regel nur dem Normadressaten zustand, hat sich somit auf die Fälle einer Drittbetroffenheit verlagert312. Somit verhilft Art. 2 Abs. 1 GG zu einer Klagebefugnis gegenüber Eingriffen in Rechte des Adressaten, welche zahlenmäßig den größten Anteil des Verwaltungshandelns darstellen. Dem subjektiv öffentlichen Recht verbleiben als Anwendungsbereich damit nur noch Fälle im Bereich der Drittbetroffenheit und der Leistungsverwaltung313. c) Legislative Ausgestaltung des subjektiv öffentlichen Rechts innerhalb grundrechtlicher Direktiven Die Entscheidung darüber, welche Interessen rechtlich geschützt sind, so dass sie als subjektiv öffentliches Recht den Einzelnen zu ihrer gerichtlichen Durchsetzung befähigen, ist heute so wie zur Zeit des klassischen Verwaltungsrechts Aufgabe des Gesetzgebers314. Diesen Umstand beschreibt die Wissenschaft als „spezifische Normativität oder Rechtssatzabhängigkeit“315 des subjektiven Rechts. Anders als vor 1949 ist der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung über 309 Diese Ansicht verbreitet sich infolge des Elfes-Urteils, BVerfGE 6, S. 32 ff. (S. 40 f.), sie wird nur ansatzweise kritisiert, siehe dazu z. B. Wahl, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 115 oder Pietzcker, Grundrechtsbetroffenheit, 1984, S. 131 ff. (S. 146 f.). Weiterführend: Krebs, Rechtsschutz, 1985, S. 191 ff. (S. 202 f.). 310 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 144. 311 Gebräuchlicher als die Bezeichnung „Nicht-Adressat“ ist die des „Dritten im Verwaltungsrechtsverhältnis“. 312 So auch Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 119 f. und Bauer, Grundlagen, 1986, S. 144. 313 Im Bereich der Leistungsverwaltung zeigt sich der grundrechtliche Einfluss auf subjektive Rechtspositionen nur mittelbar. Eine direkte grundrechtliche Ableitung von Anspruchspositionen wird von der herrschenden Ansicht (statt vieler: Krebs, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 2000, Art. 19 Abs. 4, Rn. 60; a. A. siehe bei Bauer, Grundlagen, 1986, S. 146 (Fn. 101)) lediglich in sehr begrenztem Maße akzeptiert und weitestgehend dem einfachen Recht überlassen. Bei der Schaffung und Auslegung von Gesetzesrecht sind jedoch die verfassungsrechtlichen Wertungen als Indizien für oder gegen eine rechtliche Anerkennung von privaten Interessen zu beachten (vgl. die Darstellung von BVerwGE 1, S. 159 ff. bei Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 121). 314 So das BVerfG in E 78, S. 214 ff. (S. 226) und E 84, S. 34 ff. (S. 49 f.); siehe auch bei Sachs, Grundrechte, 1988, S. 539 (mwN in Fn. 270); Krebs, Rechtsschutz, 1985, S. 191 ff. (S. 205 f.) 315 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 118.

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subjektive Rechte aber nicht ungebunden. Er muss die grundrechtlichen Direktiven in einer Art und Weise achten und umsetzen, die zu einer angemessenen Ausgestaltung der Grundrechtsposition des Individuums führt316. An der Frage nach der Angemessenheit entsteht nochmals das Problem der Stellung des einfachen Rechts zum Verfassungsrecht317. Die Position des Gesetzesrechts ist auszuloten zwischen den beiden Extremen dieser Diskussion318, die sich mit den Begriffen der Abhängigkeit oder der Eigenständigkeit des Gesetzesrechts umschreiben lassen. In dieser Frage vertritt diese Arbeit die Ansicht, dass eine normexterne Wirkung von Grundrechten, also abseits ihrer einfachrechtlichen Ausgestaltung, zugunsten der Bedeutung des einfachen Gesetzesrechts zu verneinen ist319. Die somit angenommene, norminterne Wirkung der Grundrechte hingegen zwingt den Gesetzgeber bei der Schaffung von subjektiv öffentlichen Rechten, die richtlinienähnlichen Gehalte der Grundrechte zu erkennen und zu konkretisieren320. III. Verfassungsrechtliche Modifizierungen der Definition des subjektiv öffentlichen Rechts Vergleicht man die heutige Konstruktion des subjektiv öffentlichen Rechts mit der Bühlers321, so erscheint diese nur geringfügig unterschiedlich. Auf den ersten Blick treten die verfassungsrechtlichen Einflüsse nicht hervor, zudem 316 Dies gilt nach Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 45 vor allem für den klassischen Eingriffsbereich, in dem die Konkretisierung der Grundrechte auf einfach-rechtlicher Ebene geboten ist. Die grundrechtliche Bindung wird allerdings im Rahmen der Leistungsverwaltung oder bei Rechten Dritten schwächer. 317 So auch Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 607). 318 Siehe die Darstellung bei Wahl, DVBl 1996, S. 641 ff. (S. 641), sowie Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 284 ff. 319 Ausführlicher dazu Wahl, DVBl 1996, S. 641 ff. (S. 650). Ähnlich auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 122 ff., dieser schließt jedoch die normexterne Wirkung der Grundrechte nicht in gleichem Maße aus. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung vor allem im Bereich des Drittschutzes zwar selten, aber letztlich doch auf die normexterne Wirkung der Grundrechte zurückgreift, wenn sich aus dem einfachen Recht keine Schutznorm ergibt und ansonsten eine schwere und unerträgliche Beeinträchtigung der grundrechtlichen Stellung vorläge. So misst Bauer, Grundlagen, 1986, S. 147 diesem Vorgehen nur marginale Bedeutung zu. 320 Wahl, DVBl 1996, S. 641 ff. (S. 642) betrachtet dies als Bewältigung einer Doppelaufgabe, in der es notwendig sei, „die relative Bindung und die relative Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zusammenzudenken“. 321 Angesprochen ist hier die Definition von Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 224. Nach Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 102 tragen die „Eckpfeiler dieser Begriffsbestimmung heute“ noch. Nach 1949 passt Bühler in Altes und Neues, 1955, S. 269 ff. seine Definition an die veränderten verfassungsrechtlichen Bedingungen an.

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weist der Wortlaut der Definition nur wenige Abweichungen auf322. Die Typologie des subjektiv öffentlichen Rechts richtet sich immer noch vorrangig nach dem Anspruchsinhalt323 und es existiert auch heute noch kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch324. Auf den zweiten Blick tauchen jedoch Aspekte auf, die vermuten lassen, dass sich nicht nur das Verwaltungsrecht im Allgemeinen, sondern auch das subjektiv öffentliche Recht im besonderen mit der Einführung des Grundgesetzes wesensmäßig verändert hat. Inwieweit das subjektiv öffentliche Recht heute anders als noch vor 1945 begründet wird, zeigt eine Darstellung der Veränderungen seiner einzelnen Voraussetzungen. 1. Redundanz der Kriterien des zwingenden Rechtssatzes und der Rechtsmacht Die bei Bühler noch notwendige Voraussetzung eines zwingenden Rechtssatzes325 verschwand mit der Entwicklung der Ermessensfehlerlehren, die seit der Weimarer Republik das Eindringen rechtlicher Kategorien in die bislang rechtsfreie Sphäre des Verwaltungsermessens forcierten. Mit der Eingliederung des Ermessens als Bestandteil der Rechtsordnung326 konnten sich dann auch im Bereich des Verwaltungsermessens subjektive Rechte des Einzelnen entwickeln. Das Vorhandensein eines zwingenden Rechtssatzes wurde somit für die Beurteilung eines subjektiv öffentlichen Rechts irrelevant. Bachof übernimmt hierbei eine Vorreiterrolle, indem er die rechtliche Eingebundenheit des Ermessens auf322 Zum Vergleich noch einmal der Ansatz von Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 224: „Subjektives öffentliches Recht ist diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf.“ Die aktuellen Definitionen scheinen im Kern ähnlich, so z. B. Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 8, Rn. 2 zur Natur des subjektiv öffentlichen Rechts als „die dem einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können“. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 27 setzten „ein materielles Gesetz . . ., das aufgrund eines bestimmten Tatbestands einen Verpflichteten . . . und einen Berechtigten zu bestimmen gestattet, der durch die Rechtsfolge . . . unmittelbar ausschließlich oder zumindest auch im Eigeninteresse gegenüber dem Verpflichteten begünstigt werden soll“, voraus. 323 Scherzberg, DVBl 1988, S. 129 ff. (S. 133) legt dazu Parallelen offen zwischen der Kategorisierung von Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43 II, III und Jellinek, System, 1905, S. 87; ähnlich auch Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 102 f. 324 So Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 30. 325 Zuletzt wird es noch bei Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1950, S. 149 für notwendig erachtet. 326 Hierzu ausführlich in § 10.

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greift und damit auch im Bereich des Ermessens an „zwingend“ geltende Rechtssätze anknüpfen kann327. Deutlich später betonen Bauer328 und Ossenbühl329 nochmals, dass nur das Vorhandensein einer Verhaltenspflicht für den Hoheitsträger entscheidet. Subjektiv öffentliche Rechte sind demnach überall dort denkbar, wo die Verwaltung pflichtgemäß handeln muss – jedenfalls auch im Bereich des Ermessens330. Noch gravierender zeigte sich der verfassungsrechtliche Einfluss darin, dass die Konzeption des Art. 19 Abs. 4 GG das Kriterium der Rechtsmacht überflüssig werden ließ331. Aufgrund der Rechtsweggarantie ist die Anerkennung eines subjektiven Rechts nicht mehr von seiner Befähigung zur Einklagbarkeit abhängig. Die Rechtsweggarantie setzt den Bestand subjektiver Rechte vielmehr voraus. Schon 1955 erkannte Bachof, dass „aus der Gesamtkonzeption des GG . . . auf einen Rechtsschutz aller bislang nur objektivrechtlich geschützten Interessen zu schließen sei“332. Die Voraussetzung für das Entstehen subjektiver Rechte ist demnach nicht prozessual in der Bestimmung einer Einklagbarkeit gewisser Interessen verankert, sondern beruht auf einer materiell-rechtlichen Verfas-

327 Erste Äußerungen in Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69, später führt er seine Ansicht ähnlich in VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 75 f.) und in Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 295) aus. 328 Grundlagen, 1986, S. 136 f. 329 Rechtsquellen, 2002, Rn. 22. 330 Über diesen Gedanken lassen sich subjektive Rechte sogar im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung begründen, so etwa mit unterschiedlicher Argumentation: Hoffmann, JuS 1973, S. 615 ff. (S. 617); Morner, NJW 1973, S. 1207 f.; Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 611); Erichsen, VerwArch 71 (1980), S. 289 ff. (S. 291 f.); Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 1355 f.; Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 137; a. A. BVerwGE 39, S. 235 ff. (S. 237) oder Richter/Schuppert/ Bumke, Verwaltungsrecht, 2000, S. 71. 331 So Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 686; Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 33 (mwN unter Fn. 158); Sachs, Grundrechte, 1988, S. 535 (mwN in Fn. 250). 332 Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 301). Schon zuvor bemerkt Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 74), dass es der individualrechtsschützenden Konzeption des Grundgesetzes widerspräche, wenn die Rechtsordnung „den Einzelnen als ,Rechtsuntertan‘ . . . statt als . . . Rechts,subjekt‘“ betrachte. Aus diesem Grund müssen alle „geschützten Interessen bzw. gewollte Begünstigungen . . . [als] subjektive Rechte“ anerkannt werden, so Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 301). Die damals als recht fortschrittlich zu wertende Auffassung Bachofs opponierte noch zur Ansicht von Jellinek, Saarl. RuStZ 1952, S. 81 ff. (S. 82), wonach der Gesetzgeber alle Freiheit besitzt, über Begünstigung oder bloßes Reflexrecht zu entscheiden. Diese Freiheit akzeptiert Bachof aufgrund der individualrechtsfreundlichen Tendenz der Verfassung hingegen nur eingeschränkt. Bachof fand zunächst in BVerfGE 27, S. 297 ff. (S. 305), dann in BVerwGE 72, S. 226 ff. (S. 229 f.) und letztlich auch in der Lehre Anerkennung, siehe dazu Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 116. Die verfassungsrechtlich beschränkte Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gilt heute als grundlegende Erkenntnis für das Verständnis der Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht; zur heutigen h. A.: Bauer, Grundlagen, 1986, S. 138 (Fn. 64).

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sungsentscheidung zur Schaffung individualrechtlicher Positionen333. Anhand des bekannten Satzes „Art. 19 Abs. 4 GG schafft keine subjektiven Rechte, sondern setzt diese voraus“334 wird deutlich, dass die Frage nach der Existenz eines subjektiven Rechtes der Frage nach seiner gerichtlichen Geltendmachung vorgelagert ist335. Es gilt heute als unumstritten, dass der Rechtsschutz nicht mehr Inhalt des subjektiven Rechts, sondern allein das rechtstechnische Mittel seiner Durchsetzung ist336. 2. Fokussierung auf den Schutzwillen des Gesetzgebers Somit verbleibt von den drei Voraussetzungen Bühlers nur noch diejenige, wonach der Rechtssatz zumindest auch den Interessen Privater zu dienen hat. Damit ist auch schon die Kurzformel der heutigen Schutznormtheorie beschrieben. Wo früher die Abgrenzung von durchsetzbarem Recht und bloßem Interesse dem klassischen Verwaltungsrecht noch Schwierigkeiten bereitete337, fragt die Verwaltungsrechtsprechung heute nach der Existenz eines rechtlich geschützten Interesses338. Als Methodik für die Beurteilung eines geschützten Interesses entwickelte sich die Schutznormtheorie. Hiernach ist anhand des Telos der einschlägigen Norm zu beurteilen, ob diese nicht nur dem Allgemeininteresse, sondern auch individuellen Interessen zu dienen bestimmt ist339. Soweit die betreffende Norm 333

So bei Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 56. Etwa bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 43 (mwN in Fn. 141). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung seit BVerfGE 15, S. 275 ff. (S. 281), später dann in E 27, S. 297 ff. (S. 305); E 51, S. 176 ff. (S. 185); E 61, S. 1 ff. (S. 49); E 78, S. 214 ff. (S. 226); E 83, S. 182 ff. (S. 194 f.); E 84, S. 34 ff. (S. 49) und BVerwGE 60, S. 154 ff. (161 f.); E 84, S. 375 ff. (S. 377). 335 So Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 397. Vgl. auch Lorenz, Rechtsschutz, 1983, S. 11: „Die Eröffnung des Rechtsweges setzt einen rechtlich geregelten Raum voraus.“ 336 So Scherzberg, DVBl 1988, S. 129 ff. (S. 132, Fn. 34). Es ist nach Bartlsperger, DVBl 1970, S. 30 ff. (S. 32) richtigerweise nicht viel gewonnen, wenn unter dem Grundgesetz das Merkmal der Rechtsmacht überflüssig wurde. Hierdurch verschiebt sich die Problematik der Anerkennung subjektiver Rechte lediglich in den Bereich des materiellen Rechts, ohne dass eine Vereinfachung der Thematik damit einhergeht. 337 Siehe hierzu stellvertretend die Bedenken von Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 229. 338 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 138; Krebs, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 2000, Art. 19 Abs. 4, Rn. 60. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 684 merkt an, dass rechtsstaatliche Aspekte beim Vorhandensein einer objektiv-rechtlich gewährten Begünstigung zugunsten eines subjektiven Rechts sprechen. Diese Entwicklung ist in der Lehre nicht unumstritten geblieben, siehe dazu bei Bauer, Grundlagen, 1986, S. 138 (Fn. 67) und Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 117 (Fn. 672), S. 118. 339 Statt vieler: Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 42, Rn. 83 (mwN in Fn. 148); Happ, in: Eyermann/Fröhler/Geiger, VwGO, 2000, § 42, Rn. 86; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 44. 334

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entweder bestimmte Personen nicht ausdrücklich begünstigt oder eine solche Begünstigung ausdrücklich ausschließt340, muss sich ihre Auslegung am Willen des Gesetzgebers sowie an verfassungsrechtlichen Wertungen orientieren341. Es gehört zu den umstrittensten Fragen im Rahmen der Schutznormtheorie, ob bei der Auslegung auf den Willen des historischen Gesetzgebers oder auf eine gegenwärtig-objektive Beurteilung abzustellen ist, die den historischen Willen durch einen mutmaßlich aktuellen ersetzt. In der Lehre ist allerdings eine Tendenz zugunsten letzterer Ansicht zu beobachten, die auf den hypothetischen Willen des Gesetzgebers abstellt342. Um anhand der Schutznormtheorie bestimmen zu können, ob ein subjektiv öffentliches Recht vorliegt, muss der potentielle Inhaber des subjektiven Rechts auch vom Schutzzweck der einschlägigen Norm betroffen sein. Schön formuliert die Theorie, dass sich in dieser individuellen Betroffenheit das „Subjektive am subjektivem Recht“343 zeige. Die Praxis befindet sich allerdings immer noch auf der Suche nach einer praktikablen Erfassung dieses Begriffs. Eine systematische Erfassung des Betroffenheitskriteriums ist jedoch aufgrund teils unberechenbarer Kausalitäten und der Unterschiedlichkeit der dennoch erforderlichen normativen Grundwertungen nicht möglich344. Fehlt es dem Einzelnen an einer individuellen, rechtlichen Betroffenheit345, so ist dieser bloß durch einen Rechtsreflex346 in seinen faktischen, aber rechtlich nicht geschützten Interessen berührt. In einem solchen Fall steht der objektiven Pflicht des Hoheitsträgers kein Recht des Einzelnen gegenüber. Der Hoheitsträger wird dann lediglich im öffentlichen Interesse und nicht in seiner Ausgleichsfunktion privater Interessen tätig. Eine von Gesetz oder Verfassung 340 Die ausdrückliche Erwähnung des Schutzzwecks ist selten. Eine Ausnahme findet sich in § 5 Abs. 7 S. 3 LBO BW, hier wurde ein bestimmter Anteil der bauordnungsrechtlich angeordneten Abstandsflächen im Gesetzestext speziell als nachbarschützend bezeichnet. 341 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 64. 342 Dies konstatiert schon Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 10 f.; so auch Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 209 f. In: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 400 geht Huber von einer „Nachrangigkeit der historischen Auslegung und . . . primäre[n] Ausrichtung am ,Normprogramm‘“ aus; im Ergebnis ähnlich Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 8, Rn. 10. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 16 verweisen darüber hinaus auf die Notwendigkeit der Anerkennung gewandelter Wertungen in BVerwGE 1, S. 159 ff. 343 Roellecke, AöR 114 (1989), S. 589 ff. (S. 596). 344 So Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 120. 345 Zur Ermittlung der Betroffenheit muss auf eine umfangreiche Kasuistik an anderer Stelle verwiesen werden, siehe dazu etwa die Darstellung der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung bei Happ, in: Eyermann/Fröhler/Geiger, VwGO, 2000, § 42, Rn. 86. 346 Zu deren Kategorisierung: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 11.

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intendierte Begünstigung des Einzelnen entfällt. Infolgedessen besteht kein subjektives Recht347. 3. Kritische Würdigung der Schutznormtheorie Wenngleich die Schutznormtheorie durchgängig von der Rechtsprechung angewendet wird und auch im Schrifttum zum größten Teil Anerkennung erfahren hat348, so sieht sie sich dennoch grundlegender Kritik ausgesetzt349. Richtig ist, dass die Schutznormtheorie letztlich keine inhaltliche Präzisierung leisten konnte. Sie verlagerte die Fragestellung von subjektiven Rechten auf rechtlich geschützte Interessen350. Die Konkretisierung der Schutznormtheorie durch die Rechtsprechung wird vielerorts als „verwirrende Kasuistik“351 und damit auch aufgrund ihrer mangelnden Rechtssicherheit kritisiert352. Eine solch pauschale Verurteilung der Schutznormtheorie wird den in Rechtsprechung und Lehre unternommenen Systematisierungsbestrebungen aber nicht gerecht353. Die Beliebigkeit der Ergebnisse kann als Schwäche der Schutznormtheorie ausgelegt werden. Allerdings ist das Spiegelbild dieser Schwäche eine Entschei347 Dazu: Altpeter, Rechte, 1995, Rn. 139; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 9; Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 399. 348 Dies behauptet schon Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 608); so auch Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 95 (mwN in Fn. 131 f.). 349 Siehe dazu Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 153 ff.; Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 35 ff. Zu den weiteren kritischen Ansätzen hinsichtlich der Rechtssatzabhängigkeit und des Interessensbegriffs: Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 96. 350 So Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 399. 351 Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 8, Rn. 9. Ähnlich moniert auch Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 118 f. eine vielfältige und unüberschaubare Einzelfalljudikatur. 352 So Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. (S. 304 ff.); Zuleeg, DVBl 1976, S. 509 ff. (S. 511 ff.); Breuer, DVBl 1983, S. 431 ff. (S. 432 f.). Siehe insbesondere die Darstellung der Beliebigkeit der Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen der Schutznormtheorie von Bauer, Grundlagen, 1986, S. 148 (Fn. 111) anhand des Falls des Altenwerder Fischers auf S. 149 ff. 353 Dies gilt umso mehr unter dem Aspekt, dass es aufgrund der Unterschiedlichkeit der zahlreichen Materien gar nicht möglich ist, eine einheitliche und allen Problemsituationen gerecht werdende Aussage zu finden. Auch nach Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 130 darf der „Differenzierungsbedarf des Regelungsgegenstandes . . . nicht durch schematische Lösungen verdeckt werden“, so dass die Einzelnormjudikatur einer Einzelfalljudikatur vorzugswürdig sei. Berechtigt ist hingegen die kritische Anmerkung von Bauer, Grundlagen, 1986, S. 141. Er rügt einen Rückgriff auf Wertungen, bei dem nicht gleichzeitig deren Bezugspunkte deutlich dargelegt werden. Das Resultat eines solchen Vorgehens sind große Anwendungsunsicherheiten in der Rechtspraxis.

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dungsflexibilität, die sich letztlich auch als Stärke der Schutznormtheorie erweist. Die Entwicklungsoffenheit für sich wandelnde Wertvorstellungen sichert der Schutznormtheorie als methodische Figur letztlich eine überdurchschnittliche Anpassungsfähigkeit und einen hohen Grad an Praktikabilität354. Im Ergebnis steht die Existenzberechtigung der Schutznormtheorie an sich daher nicht in Frage. IV. Bedeutungswandel des subjektiv öffentlichen Rechts nach 1949 Im klassischen Verwaltungsrecht war die Perspektive des subjektiv öffentlichen Rechts vor allem auf das vertikale Staat-Bürger-Verhältnis ausgerichtet. In der Bundesrepublik hingegen wurde das subjektive Recht mit gänzlich neuen Fragestellungen verbunden und musste sich unter anderen Aspekten neu orientieren355. 1. Grenzziehung zwischen Exekutive und Judikative In seiner Funktion als Voraussetzung der Klagebefugnis berührt das subjektiv öffentliche Recht eine allgemeine Problematik der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Es spielt eine maßgebliche Rolle bei der Bestimmung der Funktionsbereiche von Exekutive und Judikative. Diese Abgrenzung ist generell eine Aufgabe der Legislative356, denn indem der Gesetzgeber drittschützende Normen gestaltet357, entscheidet er zwischen den „Entscheidungsmaßstäben der Verwaltung und den Überprüfungsmaßstäben der Verwaltungsgerichtsbarkeit“358. Soweit in bestimmten Bereichen des Verwaltungshandelns subjektive Rechte bestehen, ist dieses schließlich der Kontrolle der Judikative unterworfen. Mit der Gestaltung subjektiver Rechte wird damit auch eine Entscheidung getroffen, ob die Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung oder der Justiz obliegen soll359. 354 So Bauer, Grundlagen, 1986, S. 142 f.; Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 118; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 128. Damit einher geht auch die grundsätzliche Problematik der Grenze der Normierbarkeit an sich, siehe dazu Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 105 ff. 355 Abstrakt wurde die folgende Thematik schon anhand der Subjektivierung in § 1 II 1 aufgeworfen. 356 Siehe dazu die Ausführungen von Jesch, Gesetz, 1961, S. 226 ff. 357 Der Gesetzgeber kann über die Existenz subjektiver Rechte direkt bestimmen, indem er sie im Normtatbestand ausdrücklich bezeichnet oder verneint. Er kann sie aber auch indirekt erschaffen, indem er die Ziele der Normgebung als individualschützend wertet, die im Rahmen der Schutzrichtungsauslegung entscheidend sind. 358 Danwitz, System, 1996, S. 78. 359 So Roellecke, AöR 114 (1989), S. 589 ff. (S. 596). Das subjektiv-rechtliche System hat das Verhältnis von Judikative und Exekutive nach Einführung des Grundgesetzes nachhaltig verändert. Die unmittelbare Wirkung der inhaltlich detaillierten Grund-

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2. Abgrenzung der Recht- und Machtsphären von Staat und Bürger Für den Einzelnen und dessen Verhältnis zum Staat hat das subjektiv öffentliche Recht sowohl eine materielle als auch eine prozessuale Bedeutung. In materieller Hinsicht ist das subjektive Recht ein notwendiges und zentrales Element einer rechtsstaatlichen Ordnung, die den Einzelnen nicht als ein zur Autonomie unfähiges und passives Objekt staatlicher Gewalt betrachten will. Hierin zeigt sich eine Seite des subjektiv öffentlichen Rechts, die seinen Charakter als bloßes Abwehr- und Freiheitsrecht übersteigt360. Darüber hinaus verhindert das subjektive Recht, dass sich im Staat-Bürger-Verhältnis die beiden Rechtssphären abgegrenzt und ohne Berührungspunkte gegenüber stehen. Vielmehr bewirkt es, dass beide das jeweilige Gegenüber als Rechtssubjekt und die eigene Abhängigkeit von diesem aufgrund des „Rechtsverhältnisses“ in begrenztem Maße anerkennen361. Auch in prozessualer Hinsicht nimmt das subjektiv öffentliche Recht als Schlüsselbegriff des Verwaltungsgerichtsverfahrens eine wichtige Stellung ein. Es ist Voraussetzung der Klageberechtigung. Insofern vollzieht sich an ihm die Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen zugunsten subjektiver Rechtspositionen auf einfach-rechtlicher Ebene362.

rechte sowie die stärkere rechtliche Wirksamkeit des Verfassungsrechts, welche sich nach Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff. (S. 401) anhand des Bestehens einer Verfassungsgerichtsbarkeit erklären lässt, führten zu einer steigenden Verrechtlichung sämtlicher staatlicher Handlungsprozesse. Damit weitete sich zugleich der Funktionsbereich der Judikative stetig zu Lasten der Exekutive aus. 360 So Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 53; Erichsen, Verwaltungshandeln, 2002, § 11, Rn. 30. Ähnlich Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 117, der die Funktion des subjektiv öffentlichen Rechts in der Einbringung der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen über den Aspekt des Personalen und Individuellen sieht. 361 Weiterführend: Scherzberg, DVBl 1988, S. 129 ff. (S. 132). 362 So Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 14 f. Nur am Rande soll die Funktion des subjektiven Rechts als Ausgleichsfaktor in mehrdimensionalen Rechtsverhältnissen erwähnt werden. So ist das subjektive Recht über seine Funktion im zweidimensionalen, vertikalen Verhältnis zwischen Staat und Bürger hinausgewachsen, in das nun zunehmend auch die Interessen Dritter eingebunden werden müssen. Damit wird die horizontale Konfliktlage Privater zur öffentlichen Aufgabe und tritt in eine öffentlich-rechtliche Dimension ein, ausführlicher: Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 61 f.

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V. Kritische Bestandsaufnahme und Perspektiven des subjektiven Rechts Die teilweise problematischen Entwicklungen des subjektiv öffentlichen Rechts haben in rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Hinsicht Kritik laut werden lassen363. In Bezug auf die Grundrechtsdogmatik wurde sogar die Überflüssigkeit des subjektiv öffentlichen Rechts moniert364. Als gewichtiges Argument muss sich die Schutznormtheorie den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich dem Problem der Bestimmung subjektiver Rechte nicht genähert, sondern lediglich den Diskussionsschwerpunkt von den subjektiven Rechten auf die rechtlich geschützten Interessen verschoben habe. Eine Grenzziehung anhand der Interessenskategorien von subjektiv und objektiv ist aber stets nur relativ und daher variabel365. Demgegenüber kritisiert die Rechtsverhältnistheorie die Schutznormtheorie nicht nur. Sie entwickelt sogar ein alternatives System. Dabei wird die Konstruktion eines subjektiv öffentlichen Rechts zugunsten einer objektivierten Gesamtbewertung des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Bürger aufgegeben366. Die Position des Einzelnen zum Staat bestimmt sich demnach nicht mehr anhand seines durch subjektive Rechte abgesteckten Autonomiekreises, sondern umfassender durch seine gesetzlich definierte Stellung im Rechtsverhältnis zum Staat367. Ob diese Einwände durch eine bloße Neubenennung des subjektiv öffentlichen Rechts – etwa in individualisierbares Interesse – entkräftet werden könnten368, soll in diesem Rahmen aber dahingestellt bleiben. 363 Diese rechtsdogmatische Kritik beschränkt sich jedoch auf die Literatur, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingegen ist nach Fischer, Auswirkungen, 1997, S. 118 kein „weiterer Bedeutungswandel des subjektiven öffentlichen Rechts . . . in Sicht“; auch bei Schmidt, Wirtschaftsrecht, 1990, S. 452 f. (mwN in Fn. 132) und Ruffert, DVBl 1998, 69 ff. (S. 69 f.). 364 So Achterberg, Verwaltungsrecht, 1986, § 20, Rn. 68, er bezeichnet das subjektiv öffentliche Recht als „schlicht überflüssig“; ähnlich absolut auch Zuleeg, DVBl 1976, S. 509 ff. (S. 514). 365 Denn das öffentliche Interesse setzt sich letztlich auch nur aus einer Summe aggregierter subjektiver Interessen zusammen, der Umschlag von den subjektiven Interessen einiger in das öffentliche Interesse vieler soll dennoch nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Art sein, so Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 57; ähnlich auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 142 und Richter/Schuppert/Bumke, Verwaltungsrecht, 2000, S. 68; siehe dazu auch schon die Argumentation unter § 9 III 3. 366 So Ruffert, DVBl 1998, 69 ff. (S. 69 f.). 367 Dargestellt etwa bei Henke, DÖV 1980, S. 621 ff. (S. 622 ff.), Achterberg, Verwaltungsrecht, 1986, § 20, Rn. 68 f. oder Bauer, DVBl 1986, S. 208 ff. (S. 215 ff.). Zur Problematik des Nachbarschutzes im Baurecht: Breuer, DVBl 1983, S. 431 ff. (S. 437) und Wahl, Jus 1984, S. 577 ff. (S. 585 f.).

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§ 10 Ermessenslehre nach 1945 Anders als die Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht war die Ermessenslehre nicht in vergleichbarer Weise von den verfassungsrechtlichen Neuerungen durch das Grundgesetz betroffen. Wesentlicher war die Fortentwicklung dahin, dass das Verhältnis von Recht und Ermessen von der Verwaltungsrechtswissenschaft zunehmend besser erfasst wurde. Infolgedessen entstanden ausdifferenzierte Ermessensfehlerlehren sowie der Anspruch auf fehlerfreie und bestimmte Ermessensentscheidung. I. Begriff und Wesen des Ermessens Der Begriff des Ermessens beschreibt kein in sich geschlossenes Rechtsinstitut und ist aufgrund seiner unterschiedlichsten Erscheinungsarten auch schwer durch eine Definition erfassbar369. Eine einheitliche Aussage kann nur über seine funktionelle Bedeutung getroffen werden: Ermessen begegnet überall dort, wo eine Regelung konkreter Sachverhalte über generalisierende Normen nicht möglich ist, so dass mit dem Ziel der Rechtskonkretisierung einer zur Einzelentscheidung berufenen Stelle eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden muss370. Allerdings wird der Begriff des Ermessens im heutigen rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch je nach Entscheidungsart und -träger ähnlich vielfältig wie noch im klassischen Verwaltungsrecht verwendet371. Aus diesem Grund gehen der Darstellung der Ermessensentwicklung eine Erklärung und Einschränkung des umfangreichen Untersuchungsgegenstandes voran.

368 So Bauer, Grundlagen, 1968, S. 130. Er betrachtet die Veränderungen des subjektiv öffentlichen Rechts als „Ausdruck eines prinzipiellen ,Verständniswandels‘, der sich unter dem Mantel der unverändert fortgeführten Begrifflichkeit vollzogen hat“. Anders jedoch: Krebs, Rechtsschutz, 1985, S. 191 ff. (S. 210); Huber, Konkurrenzschutz, 1991, S. 104; schon früh Bachof, VVDStRL 1954 (12), S. 37 ff. (S. 72). 369 Deutlich wird Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 2 mit dem Ausdruck des „terminologischen Chaos“. Nagel merkt auf S. 1 an, dass zahlreiche und teils verschiedenste Erscheinungen unter den Ermessensbegriff gefasst werden. Ähnlich sieht Obermayer, NJW 1987, S. 2642 ff. (S. 2645) die Ermessenslehre als ein „Labyrinth überholter Verwaltungsvorstellungen und avantgardistischer Theorieerwägungen“. 370 So Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 169). 371 So nach Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 10. Ein Überblick zum Ermessensbegriff des klassischen Verwaltungsrechts findet sich bei Tezner, Ermessen, 1924, S. 14–28, die semantischen Ungenauigkeiten des Ermessensbegriffs erwähnt auch Stolleis, Geschichte 2, 1992, S. 414–415.

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1. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes „Ermessen“ Ermessen begegnet dem Bürger in allen drei Bereichen der Staatsgewalt. Es ist sowohl als gesetzgeberisches, als richterliches oder als Ermessen der Verwaltung bekannt. Diese Arbeit als verwaltungsrechtsgeschichtliches Projekt beschränkt sich auf letzteres. Innerhalb des Verwaltungsermessens wird das Ermessen an verschiedenen Stellen innerhalb des Normaufbaus diskutiert. Die herrschende Lehre unterscheidet dabei bisher noch372 zwischen den Begriffen „unbestimmter Rechtsbegriff“ auf der Tatbestandsseite und „Ermessen“ auf der Rechtsfolgenseite. Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Debatte liegt auf dem Bereich des kognitiven Ermessens373. In dieser Arbeit wird jedoch das „voluntative“374 Ermessen Gegenstand der Untersuchung sein. Im Folgenden bleibt daher die Ermessensausübung in speziellen Bereichen wie z. B. Prognose- und Risikoentscheidungen, Planungs- und Normsetzungsermessen375 aufgrund ihrer Besonderheiten außer Betracht. Es wird lediglich das klassische Verwaltungsermessen als typisches in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt376. 2. Unabhängigkeit als Hauptcharakteristikum des Ermessens Als das wichtigste Wesensmerkmal des Verwaltungsermessens charakterisiert Bullinger seine „doppelte Unabhängigkeit . . . von den beiden anderen Staatsgewalten, der Legislative und der Justiz“377. Das Ermessen bedeutet damit für die Verwaltung Handlungsfreiheit in zweifacher Hinsicht: Im Verhältnis zur Legislative besteht der Freiraum des Verwaltungsermessens in der Fähigkeit zur eigenen, schöpferischen Rechtsfolgensetzung, ohne dabei direkt an gesetzgeberische Vorgaben gebunden zu sein378. Hingegen besitzt die Exekutive gegenüber der 372 Die aufkommende Gegenansicht stellt Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 168 ff. mwN in Fn. 6) überzeugend dar; siehe auch bei Brohm, JZ 1995, S. 369 ff. (S. 373 mwN in Fn. 35). 373 So Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 33). 374 Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 4. Synonym hierzu gebraucht Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 10 den komplizierteren Begriff des „volitiven“ Verhaltensermessens. 375 Die Einteilung der besonderen Ermessensarten ist uneinheitlich, weiterführend dazu: Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 55 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 16 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 114, Rn. 34 ff.; Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 10. 376 Ähnlich verfährt Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 107). Zum Begriff des klassischen Verwaltungsermessens: Wolff, in: Sodan/Ziekow, 2003 (5. EL), VwGO, § 114, Rn. 11 (mwN in Fn. 3). 377 Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1001). 378 Dies bezeichnen Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 37) als „delegatorischen Charakter“ der Ermessensnorm. Indirekt ist die Ermessensausübung

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Judikative, die über Art. 19 Abs. 4 GG staatliches Handeln umfassend kontrolliert, aufgrund der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Ermessenentscheidungen ebenfalls gewisse Handlungsspielräume379. 3. Materiell-rechtliche Betrachtungsweise der Ermessensproblematik Die Ermessensdiskussion kann aus unterschiedlichen Perspektiven und unter verschiedenen Fragestellungen geführt werden. Aus Sicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit wirft das Ermessen als gerichtlich unüberprüfbarer Handlungsraum Probleme im Bereich der Kontrolldichte auf. Daneben ist die Verwaltung aus praktischen Erwägungen aber auch um die Entwicklung von Strukturen der Ermessensausübung bemüht. Der Blickwinkel der Rechtstheorie richtet sich wiederum auf das Wesen des Ermessens als Element der Normstruktur380. Die Ermessensdebatte wurde bislang vom Aspekt der Kontrollfreiheit des behördlichen Handelns beherrscht381. Diese rechtsgeschichtliche Untersuchung verfolgt jedoch schwerpunktmäßig die Entwicklung des materiell-rechtlich orientierten, dogmatischen Ermessensbegriffs. Infolgedessen werden die damit verbundenen Probleme der gerichtlichen Überprüfbarkeit sowie der Maßstäbe der Ermessensausübung nur am Rande thematisiert. II. Einführung in die aktuellen Ermessenslehren Die Ermessenslehren orientieren sich heute an den gesetzlichen Rahmenvorschriften von § 40 VwVfG und § 114 VwGO. Diese Normen definieren den Ermessensbegriff allerdings nicht, sondern setzen ihn voraus. So statuiert § 40 VwGO nur die materiell-rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung für die Verwaltung, deren Einhaltung durch die Verwaltungsgerichte kontrolliert werden kann. § 114 VwGO regelt die Modalitäten der gerichtlichen Nachprüfung der Ermessensausübung382. Letztlich erfolgt jedoch in keiner der beiden gesetzlichen Regelungen eine inhaltliche Bestimmung des Ermessensbegriffs383. Diese ist bislang der Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen geblieben. allerdings durchaus an gesetzliche Vorgaben gebunden, wie in § 40 VwVfG betont wird. 379 Umfassend hierzu Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 172). 380 Diese Einteilung stammt von Weitzel, Justitiabilität, 1998, S. 30 f. 381 So Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 2 mwN; auch Ehmke, Ermessen, 1960, S. 7. 382 Siehe bei Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 114, Rn. 1a; Redeker, in: Redeker/Oerzten, VwGO, 2000, § 114, Rn. 1 f.; Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 1. 383 Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 1 empfindet diese Minimalregelung enttäuschend, die nach Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, 1982, § 40, Rn. 1 mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Allerdings vermutet Brink-

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1. Übersicht über die verschiedenen Definitionsansätze des Ermessens Eine einheitliche Ansicht über die Begriffsbestimmung des Ermessens hat sich bislang noch nicht gebildet. Vielmehr existiert eine Vielzahl von Definitionsversuchen384. Hier verdienen die wichtigsten Herangehensweisen an die Bestimmung des Verwaltungsermessens eine kurze Erwähnung. a) Bestimmung anhand der Normstruktur Eine Besonderheit von Ermessensnormen beruht auf ihrer Normstruktur. Das Charakteristikum einer partiellen Offenheit der Ermessensnorm besagt, dass diese der Verwaltung einen Spielraum bei der Setzung einer bestimmten Rechtsfolge einräumt385. Anders als im Normalfall einer konditionalen Norm ist damit bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes die Rechtsfolge nicht zwingend angeordnet386. Tatbestand und Rechtsfolge sind lediglich fakultativ verknüpft387 und räumen der Verwaltung als Normanwender die Wahlmöglichkeit zwischen mehreren rechtlich zulässigen Rechtsfolgen ein. Nur eine solche Normstruktur gesteht der Verwaltung die Freiheit zu, aus mehreren, rechtlich zulässigen Entscheidungen eine sachgerechte zu wählen, die aus Zweckmäßigkeitsgründen unter eigener Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des Einzelnen zu fällen ist388. Der Umfang der behördlichen Entscheidungsfreiheit ist dabei nicht konstant, sondern variiert389. b) Bestimmung anhand der Ermächtigung zur Normkonkretisierung Entscheidungsfreiheit bedeutet aber keine vollkommen freie Rechtsfolgenwahl durch die Verwaltung. Der Exekutive ist das Ermessen zum Zweck der Rechtsverwirklichung durch Rechtskonkretisierung deswegen eingeräumt390, trine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 21 hinter der fehlenden Festlegung des Ermessensinhalts und der Ermessensgrenzen eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die begriffliche Klärung selbst offen zu lassen und damit der Rechtsprechung und der Literatur zu überlassen. 384 Siehe dazu die Ausführungen zum Ermessensbegriff bei Pache, Abwägung, 2001, S. 21 ff. 385 Statt vieler: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 11. 386 So Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 37). Nach Ipsen, Verwaltungsrecht, 2001, Rn. 512 überwiegen generell binäre Normstrukturen. 387 So bei Ipsen, Verwaltungsrecht, 2001, Rn. 524. 388 Ähnlich formuliert die Ermessensregelung des § 73 Abs. 1 LVwG SchlH, die das Ermessen weit ausführlicher als § 40 VwVfG beschreibt. 389 Die Weite des Handlungsfreiraums orientiert sich an der typischen Funktion des jeweiligen Ermessens. So wird das stark gesetzesgebundene Dispensermessen tendenziell enger gehandhabt als das kreativ und flexibel ausgeübte Planungsermessen, siehe bei Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1009).

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weil generalisierende Normen einer Konkretisierung bedürfen. Die Konkretisierung wiederum erfordert eine wertende Abwägung über die wortlautorientierte Anwendung hinaus391. Um von einer Ermessensnorm sprechen zu können, bedarf es daher neben der Unbestimmt- oder Offenheit einer Norm auch der behördlichen Tätigkeit, gesetzliche Leitentscheidungen über eine Verdichtung zu konkreten Handelsprogrammen zu gestalten392. Somit prägt nicht nur die eingeschränkte Wahlmöglichkeit der Exekutive das Wesen von Ermessensentscheidungen, sondern auch ihre eigenbestimmte Wertabwägung der konkret-individuellen Interessens- und Konfliktlage393. c) Bestimmung anhand der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit Die bislang übliche Fokussierung der Ermessensproblematik auf das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit bedingte seine Verengung auf den Aspekt der gerichtlichen Kontrolle394. Heute tritt hingegen zunehmend auch sein Wesen als „Ermächtigungs- und Entscheidungsphänomen“395 in den Vordergrund. Ergänzt man die dargestellten Ermessenscharakteristika um das ihrer begrenzten gerichtlichen Kontrollierbarkeit, so lässt sich der Wesensgehalt des Ermessens mit folgender Definition erfassen. Ermessen ist demnach eine „Ermächtigung der Exekutive zur am Gesetzeszweck orientierten, effizienten Konkretisierung einer unbestimmt gefassten Rechtsfolge, die eingeschränkt justitiabel ist“396. 390 So Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 165. Diese Ermessensfunktion ist eine Fortentwicklung zur spätkonstitutionellen Ermessenslehre. Damals galt das Verwaltungsermessen noch als prinzipiell zur Rechtsanwendung gegensätzlich, weil das Ermessen als restliche, den monarchischen Kräften verbliebene Hoheitsbefugnis begriffen wurde, welche nicht den „Zwängen“ des Rechtsstaatsgebots unterworfen war, so Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 63 mwN, sowie schon bei den Ausführungen unter § 6 I. Die Ausklammerung des Ermessens aus den rechtlichen Kategorien des Staatshandelns konnte mit der stetigen Fortentwicklung der Rechtsstaatsidee nicht aufrecht erhalten werden, ebenso Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 106 f. Erst in der Weimarer Republik begann die Lehre dann am Einbau des Ermessens in die Rechtsordnung des Staats zu arbeiten. 391 Etwa Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 63; BVerwG NJW 1999, S. 75 ff. (S. 78 f.). 392 So Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1009). 393 Nach Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 167) etwa ist das Ermessen „eine besondere Zuständigkeit zur Rechtskonkretisierung im Rahmen einer vorgegebenen Zweckbestimmung“. 394 Hierzu: Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 ff. (S. 174 ff.) und Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 ff. (S. 225 ff.). 395 Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, 1982, § 40, Rn. 5. 396 Weitzel, Justitiabilität, 1998, S. 51.

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2. Hauptfunktionen des Ermessens Abschließend sollen die beiden wichtigsten Funktionen des Ermessens noch stichwortartig erwähnt werden. Allgegenwärtig ist das rechtspraktische Problem, dass das tägliche Leben durch eine gesteigerte gegenseitige Beeinflussung oder Abhängigkeiten jeglicher Art zunehmend komplexer wird. Dieser Umstand und die „normale“ Irrationalität menschlichen Handelns sind Ursachen für die Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit sozialer Faktoren. Verhalten sich nun das Gesetzesrecht und seine Anwendung hierzu statisch, so ist die Verwirklichung des Gesetzeszwecks gefährdet. Diesem Risiko kann mit dem Instrument des Ermessens begegnet werden, weil die Verwaltung durch Entscheidungs- und Handlungsfreiräume zu einem der aktuellen Situation adäquaten Gesetzesvollzug befähigt wird397. Neben dieser notwendigen Flexibilität der Verwaltungsarbeit dient die Figur des Ermessens auch der Einzelfallgerechtigkeit, indem sie eine dem konkreten Fall angepasste Entscheidung ermöglicht398. Denn der Gesetzgeber muss von einer gesetzlichen Festsetzung der Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Norm absehen, will er einen höheren Grad an Individualgerechtigkeit durch jeweils angemessene Entscheidungen für konkrete Sachverhalte leisten. Hier schließt sich der Kreis der Gedankenführung, denn für eine situationsangepasste Einzelentscheidung bedarf es einer Flexibilität und damit einer Offenheit der Normstruktur. III. Bedeutung der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung setzt den Rahmen für die Verknüpfung des Ermessens mit rechtlichen Kategorien. Dieses Prinzip errichtet das rechtliche Gerüst, in dem sich das Ermessen entfalten kann. Rechtliche Bindung und Ermessensfreiheit stehen nicht mehr bezugs- und berührungslos nebeneinander. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gilt als wichtiges Merkmal eines rechtsstaatlichen Staatsaufbaus und ist in Deutschland seit 1949 in Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankert399. Die Normierung ihrer einfachrechtlichen Kon397 So Henneke, in: Knack, VwVfG, 2000, § 40, Rn. 10. Pache, Abwägung, 2001, S. 24 erinnert an den Aspekt, dass die funktionelle Eigenbedeutung gleichzeitig auch die verfassungsrechtliche Eigenständigkeit der Verwaltung respektiert. 398 So Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 170); Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 2, 14; Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 35) erklären, dass der Gerechtigkeits- und Gleichheitsgedanke zunächst in der Form formaler Garantien Ausdruck fand, später aber die Weiterentwicklung hin zur Einzelfallgerechtigkeit stattgefunden hat.

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kretisierung findet sich für den Teilbereich des Ermessens in § 40 VwVfG, der eine Ermessensausübung außerhalb rechtlicher Bindungen ausschließt400. 1. Gestufte Rechtsbindung des Verwaltungsermessens Die Tätigkeit der Verwaltung ist in unterschiedlichem Grad an rechtliche Vorgaben gebunden. Dadurch ist ihre Aktivität auch in unterschiedlicher Intensität von den Verwaltungsgerichten kontrollierbar. Die Übergänge der verschiedenen Möglichkeiten rechtlicher Bindung des Verwaltungshandelns sind fließend. Sie bewegen sich auf der gesamten Bandbreite von äußerst detaillierten gesetzlichen Vorgaben bis hin zu einem im Vergleich dazu relativ geringen Ausmaß an rechtlicher Bestimmtheit401. Akte der gebundenen Verwaltung entsprechen aufgrund ihres Merkmals der strengen Gesetzesbindung dabei dem Grundsatz des gesetzmäßigen Verwaltungshandelns in vollem Umfang402. Die für die Verwaltungstätigkeit einschlägige Norm verknüpft als „ius strictum“ den Tatbestand zwingend mit einer bestimmten Rechtsfolge. Bei ihrer Anwendung verbleibt der Verwaltung kein Spielraum. Ihr Verhalten ist gerichtlich voll überprüfbar403. Eine solch enge Gesetzesbindung der Verwaltung ist jedoch nicht in allen Fällen praktikabel404. Das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite löst daher eine strenge rechtliche Rückkoppelung des Verwaltungshandelns405. Die Handlungsform des Ermessens verhält sich als Wahlmöglichkeit der Verwaltung zwischen mehreren vom Gesetzgeber als rechtmäßig vorgesehenen Handlungsalternativen konträr zur rechtlich vorgegebenen Rechtsfolgenwahl im Rahmen der gebundenen Verwaltung. Es existiert damit keine rechtliche Ungebundenheit, wie die 399 Zuvor war die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns ein ungeschriebener rechtsstaatlicher Grundsatz, auch unter § 6 I 1 oder bei Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 4 (mwN in Fn. 5 f.). Über Art. 79 Abs. 3 GG ist die Aufnahme in den Bestand der Ewigkeitsgarantie verbunden. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung, die das Grundgesetz der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung zumisst, so Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 12. 400 So Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 3, 21. 401 So Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 227. 402 Etwa bei Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 3. 403 Statt vieler: Ipsen, Verwaltungsrecht, 2001, Rn. 515 ff. Bei gebundenen Entscheidungen besitzt derjenige, der durch diesen Rechtssatz begünstigt wird, „ein (materielles) subjektiv öffentliches Recht auf die rechtlich vorgeschriebene Verhaltensweise“ (Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 763) als Korrelat zur Pflicht der Verwaltung zum determinierten Normvollzug. 404 Siehe dazu obige Ausführungen zu den Funktionen des Ermessens in § 10 II 2. 405 Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 2 weist daneben auf den Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite hin, der ebenso Entscheidungsfreiräume der Verwaltung begründet und ihre rechtliche Bindung lockert.

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überholte Floskel des „freien Ermessens“ vermuten lässt406. Das Ermessen ist stets rechtlich gebunden, wenngleich auch weniger strikt407. 2. Begründung und Beschreibung der rechtlichen Bindung Es gilt zu ermitteln, welchen rechtlichen Bindungen das Rechtsfolgeermessen unterliegt. Der Gesetzeswortlaut des § 40 VwVfG verweist neben den gesetzlichen Grenzen des Ermessens auch auf den „Zweck der Ermächtigung“. Zweck der Ermessenseinräumung und -ausübung ist die Verwirklichung der gesetzlichen Zielsetzung, das Ermessen ist daher „zweckgebunden“. Infolgedessen muss sich das Verwaltungsermessen als eine besondere und der legislativen untergeordnete Art der Rechtsfindung an Zweck und Ziel des jeweils einschlägigen Gesetzes ausrichten und mit diesem übereinstimmen408. Die Zweckgebundenheit des Ermessens kann grundsätzlich als Gegenleistung der Verwaltung für die Anerkennung ihrer funktionellen Eigenständigkeit durch den Gesetzgeber gewertet werden409. 3. Verfassungsmäßigkeit der Ermessenseinräumung Das spätkonstitutionelle Ermessensverständnis als rechtsfreier Raum der Verwaltung überdauerte bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik. Verdeutlicht wird dies durch das Phänomen, dass rechtlich nicht vollständig determinierbare Ermessensräume der Verwaltung für rechtsstaatlich bedenklich gehalten wurden410. Schon bald gewann aber jene Auffassung auf breiter Basis an Raum, 406 So auch Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 3. Dass der Begriff des „freien Ermessens“ schon sprachlogisch verfehlt ist, legt Weitzel, Justitiabilität, 1998, S. 33 f. offen, zuvor schon Stern, Ermessen, 1964, S. 16. 407 So Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 765, seit BVerfGE 9, S. 137 ff. (S. 147) ständige Rechtsprechung. Mit dieser schwächeren Verpflichtung der Verwaltung besitzt auch der Einzelne eine schlechtere Position gegenüber der gebundenen Verwaltung. Im Bereich des Verwaltungsermessens kann er lediglich „ein (formelles) subjektives Recht auf fehlerfreie Verwaltungsentscheidung“ (Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 766) gerichtlich geltend machen, das sich nur im Ausnahmefall zu einem – dem materiellen subjektiven Recht gleichwertigen – Anspruch verdichten kann. 408 Siehe dazu Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 117 ff.; ähnlich auch Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, 1982, § 40, Rn. 6, wonach die Behörde in Übereinstimmung mit einer allgemeinen oder speziellen (gesetzlichen) Zielbestimmung ihren Verhaltensmaßstab im Einzelfall festzulegen und danach zu handeln hat. Daher existiert auch lediglich ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab für die richterliche Kontrolle des Ermessens. 409 Die Akzeptanz einer Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber auf eine rechtliche Bindung der Verwaltung verzichtet und sie dadurch zu einer eigenwertenden und -verantwortlichen Entscheidungstätigkeit ermächtigt, so Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 764 f.

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welche das Ermessen nicht mehr als rechtsstaatsfeindlich betrachtete411. Allerdings gehört die Frage nach den Voraussetzungen einer verfassungsmäßigen Ermessenseinräumung immer noch zu den aktuellen Themen der Verwaltungsrechtswissenschaft. Heute ist das Ermessen legitimiert durch die Notwendigkeit einer rechtlichen Ermächtigung, die Existenz rechtlicher Bindung sowie deren gerichtliche Überprüfbarkeit412. Auch aus der doppelten Freiheit der ermessensausübenden Exekutive von den beiden anderen Staatsgewalten resultiert bei genauerer Betrachtung kein Problem der Gewaltenteilung. Zwar ist die Exekutive in gewissen Bereichen von Legislative und Judikative unabhängig. Sie steht aber zu den anderen Staatsgewalten in einem besonderen Verhältnis, da die Legislative durch eine offene oder restriktive Normgestaltung bestimmt, in welchem Ausmaß Sachkomplexe entweder dem freien Verwaltungshandeln zugeordnet und der Kontrolle der Judikative entzogen sein sollen, oder inwieweit diese als gebundene Verwaltungsentscheidungen geregelt sind und daher einer gerichtlichen Überprüfung unterfallen413. Darüber hinaus wird die Gewaltenteilungsproblematik durch eine funktionelle Betrachtungsweise entschärft414: Da ein Tätigwerden der Exekutive im Rahmen ihrer Ermessensausübung als situationsangepasste, aber gesetzeszweckorientierte Rechtserzeugung zu begreifen ist, bedeutet exekutives Handeln keinen unzulässigen Übergriff in den Aufgabenbereich der Legislative415.

410 Von Abneigung zeugt die Bezeichnung des Ermessens als „Fremdkörper im Rechtsstaat“ (Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1003)). Huber, Niedergang, 1953, S. 59 ff. (S. 66) nennt das Ermessen ein für die Rechtsstaatslehre problematisches trojanisches Pferd. 411 Siehe dazu in BVerfGE 8, S. 274 ff. (S. 326); E 9, S. 137 (S. 147 ff.); E 14, S. 105 ff. (S. 113 f.); E 49, S. 168 ff. (S. 184) und in BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 96). Nachweise zu anderen Ansichten bei Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 765 (Fn. 158). Günstig für die frühe Akzeptanz von Ermessensräumen nach 1945 erwies sich auch, dass die Ermessensausübung schon damals nicht mehr nur staatlichen, sondern auch privaten Interessen diente. Weil das behördliche Ermessenshandeln zudem für sachgemäßere, individualisiertere und dadurch gerechtere Entscheidungen unerlässlich war, wurde das Ermessen schnell als wesentliches Element effektiver Verwaltung akzeptiert, so Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 766. Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 21 beurteilt das Verwaltungsermessen schließlich als „verwaltungstechnisch unentbehrlich und rechtsstaatlich unbedenklich“. 412 So Martens, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 39 f. 413 Siehe dazu auch Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 172). 414 Zur inzwischen vorherrschenden Ansicht statt vieler: Sachs, in: Sachs, GG, 2003, Art. 20, Rn. 82 und Benda, Rechtsstaat, 1994, Rn. 39 f. Hiernach ist die Wahrnehmung einer Staatsaufgabe demjenigen Organ zugewiesen, das diese tatsächlich am besten erfüllen kann. 415 Weil die Exekutive die Tätigkeit des Gesetzgebers nur für den Fall eines gesetzgeberischen Regelungsdefizits ergänzt, substituiert sie die Legislativmacht nicht vollständig, so auch Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 225.

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Allerdings widersprechen verschiedene Argumente der Gewaltenteilung und des Demokratieprinzips einer unbegrenzten Übertragung quasi-gesetzgeberischer Normsetzungskompetenzen auf die Verwaltung416. So ist es primär Aufgabe des Gesetzgebers, die gesetzliche Ermächtigung zur Ermessensausübung nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend zu bestimmen und zu begrenzen417. Unter diesem Aspekt erweist sich die Zuweisung der Letztentscheidungsbefugnis an die Exekutive bei gesetzlich nicht eindeutig gelösten Sachfragen als nicht unproblematisch418.

416 Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung hat die Normsetzung, soweit wie möglich, bei der hierfür primär zuständigen Legislative zu verbleiben. Das Demokratieprinzip hingegen gebietet, dass die Gesetzgebung als originärste aller staatlichen Aufgaben dem Parlament als direkt legitimierten Organ obliegt. Dieser Gedanke führte über die Wesentlichkeitstheorie, die seit BVerfGE 33, S. 1 ff. (S. 10 ff.) ständige Rechtsprechung ist, zu einer Beschränkung der Ermächtigungsmöglichkeiten zugunsten der Exekutive, siehe bei Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1005); Bryde, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 1996, Art. 80, Rn. 4; umfangreich dazu auch Ossenbühl, Vorrang, 1996, Rn. 41 ff. 417 So BVerfGE 6, S. 32 ff. (S. 42) und später E 8, S. 71 ff. (S. 76); E 8, S. 274 ff. (S. 325); E 9, S. 83 ff. (S. 87); E 13, S. 153 ff. (S. 160) und E 20, S. 150 ff. (S. 158); auch etwa Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 5. Als vages Kriterium einer danach zulässigen Ermächtigung gilt die Vorherseh- und Berechenbarkeit der dadurch ermöglichten Eingriffe für den Betroffenen, so Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 17 und Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 1977, S. 635. 418 Allerdings vertritt die Rechtsprechung heute unter der normativen Ermächtigungslehre den Standpunkt, dass Art. 19 Abs. 4 GG eine Grundentscheidung für eine umfassende rechtliche Kontrolle des strittigen Verwaltungshandelns in Form einer tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung darstellt. Nur durch eine gesetzgeberische Entscheidung kann die Letztentscheidungsvermutung zugunsten der Judikative widerlegt werden, so auch Herzog, NJW 1992, S. 2601 ff. (S. 2603). Laut Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 63 hat das BVerfG jedoch bisher eine Festlegung vermieden und greift zur Begründung der normativen Ermächtigungslehre meist auf die seit BVerfGE 61, S. 82 ff. (S. 111) ständige Rechtsprechung des BVerwG (zuletzt E 94, S. 307 ff.) zurück. Ähnlich verfährt der überwiegende Teil der Lehre, so z. B. Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 63 (mwN unter Fn. 173), Rn. 516; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 95, 100; Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 19, Rn. 516 (mwN in Fn. 417); weiterführend dazu: Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 ff. Demgegenüber hinterfragt eine eher funktionale Betrachtungsweise (etwa: Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 226; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 2002, Art. 19, Rn. 48; im Ergebnis auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 1996, Art. 19 Abs. 4, Rn. 90 f.) die vermeintliche Konsequenz der Rechtsweggarantie anhand der einfachen These, dass die richterliche Prüfung stets gesetzesakzessorisch ist und daher eines gesetzlichen Prüfungsmaßstabs bedarf. Im Bereich des Ermessens habe der Gesetzgeber jedoch bewusst auf die Setzung eigener, vom Richter zu überprüfender Wertungen verzichtet und diese der Verwaltung überlassen. Weil die Legislative für das Verwaltungsermessen keinen gesetzlich strukturierten Rechtsraum eröffnen wolle, fehle es der Verwaltungsgerichtsbarkeit hier originär an einer Zuständigkeit. Aus diesem Grund sei schon der Ausdruck der Einschränkung gerichtlicher Kontrollbefugnisse verfehlt.

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IV. Überblick über Grenzen und Fehler der Ermessensausübung Nach der abstrakten Auseinandersetzung um den Rechtsbindungsgrad des Ermessens werden nun dessen konkrete Auswirkungen im Bereich der Ermessensfehlerlehre ins Auge gefasst. Klärend sei vorangestellt, dass der bloße Wortlaut des Ermessensfehlers zwar jegliche Mangelhaftigkeit sowohl in tatsächlichen wie in rechtlichen Bereichen erfasst. Im rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch ist die Bedeutung des Ermessensfehlers jedoch auf die „gerichtlich kontrollierbaren Rechtsfehler des Ergebnisses und des Vorgangs der Ermessensbetätigung“419 begrenzt. Ein Ermessensfehler setzt das Überschreiten der Ermessensgrenzen voraus und zieht als Rechtsfolge die Rechtswidrigkeit der Ermessenshandlung nach sich420. Die Rechtswissenschaft konnte schon bei der Gründung der Bundesrepublik nicht auf einer einheitlichen Ermessensfehlerlehre aufbauen. Auch heute wäre es angesichts der zahlreichen Alternativen in Form von Zweiteilungs- oder Einfehlerlehren421 noch falsch, von einer gleichmäßigen Klassifikation der Ermessensfehler zu sprechen. Allerdings folgt der größte Teil der Auffassungen inzwischen einer Dreiteilung der Fehlergruppen in Ermessensmangel, -fehlgebrauch und -überschreitung422. 1. Ermessensmangel Der Fehler des Ermessensmangels423 beruht auf einem Verstoß der Behörde gegen die Pflicht aus § 40 VwVfG, „ihr Ermessen . . . auszuüben“424. So ist für eine Verletzung des § 40 VwVfG auch nicht erforderlich, dass die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessensspielraum vorsätzlich keinen Gebrauch gemacht hat. Es genügt die fahrlässig falsche Ansicht des Ermessensträgers, er sei 419

Alexy, JZ 1986, S. 701 ff. (S. 707). Ein Verstoß gegen die Ermessensgrenzen unterliegt nach § 114 S. 1 VwGO der gerichtlichen Überprüfung. Eine darüber hinaus gehende Zweckmäßigkeitsprüfung, wie sie etwa im Widerspruchsverfahren stattfindet, ist dem Gericht schon aus Gründen der Gewaltenteilung versagt, stellvertretend: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 44 oder Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 175). 421 Überblick bei: Alexy, JZ 1986, S. 701 ff. und Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 105 ff. 422 Siehe statt vieler: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 4. Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 19 spricht von „sachlich . . . weitgehend[er] Einigkeit“ in der Frage der Ermessensfehler. 423 Der Ermessensmangel wird auch als Ermessensnichtgebrauch, -unterlassung, -unterschreitung oder -ausfall bezeichnet. 424 Alexy, JZ 1986, S. 701 ff. (S. 713) erkennt, dass der Ermessensmangel im Gegensatz zu Ermessensfehlgebrauch und -überschreitung, deren Fehlerstruktur der von „normalen“ Rechtsfehlern gleicht, den einzigen, wirklich ermessensspezifischen Fehler darstellt. 420

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entweder ganz oder teilweise in seiner Entscheidung an ein Gesetz gebunden oder es bedürfe im konkreten Fall keiner Ermessensbetätigung, um die Rechtswidrigkeit der ergangenen Entscheidung wegen Ermessenmangels zu bejahen425. 2. Ermessensfehlgebrauch Übt die Behörde ihr Ermessen aus und geschieht dies innerhalb der rechtlichen Grenzen, verfehlt sie dabei aber zielgerichtet oder unbewusst den Zweck der Ermächtigung, so liegt ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs426 vor. Für diese „praktisch bedeutsamste und dogmatisch umstrittenste“427 Fehlerkategorie ist wichtig, die dafür erforderliche Zweckverfehlung zu einer rechtlich unbeachtlichen Unzweckmäßigkeit abzugrenzen428. Der Ermächtigungszweck ergibt sich aus der Perspektive des Gesetzgebers bei Einräumung der Ermächtigung429, seine Erfüllung wird als innere Grenze der Ermessensausübung betrachtet. Eine Missachtung der gesetzlichen Zielvorstellungen oder für die Ermessensausübung maßgeblicher Aspekte430 verstößt gegen die Pflicht der Verwaltung zur Erfüllung des Ermächtigungszwecks. Sie bedeutet eine Verletzung der inneren Ermessensgrenzen und ist damit ein rechtlich relevanter Ermessensfehler. 3. Ermessensüberschreitung Dieser Fehlertatbestand bezieht sich auf eine Überschreitung der äußeren, oder gemäß § 40 VwVfG der „gesetzlichen“ Grenzen des Ermessens. Zur Wahrung der gesetzlichen Grenzen ist die Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet. Verletzt die Verwaltung dennoch die äußeren Ermessensgrenzen, so lassen sich diese Fehler in zwei Gruppen einteilen431:

425 So Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 16; Ipsen, Verwaltungsrecht, 2001, Rn. 538; Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 23 ff. (mit Nachweis der einschlägigen Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung); Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 21; Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 77 ff. 426 Ermessensmissbrauch oder -willkür werden als synonyme Bezeichnungen des Ermessensfehlgebrauchs verwendet. 427 Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 18. 428 Nach Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 62, 72; Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 28. 429 Laut BVerwGE 51, S. 164 ff. (S. 166) ist zur Ermittlung des Ermächtigungszwecks die einschlägige Norm nicht isoliert zu betrachten, sondern maßgeblich auch auf die vom Gesetzgeber gewollte Ordnung der Materie abzustellen. 430 Diese lassen sich größtenteils jeweils aus dem Ermächtigungszweck ableiten, so Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 22. 431 Etwa bei Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 73.

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Die erste Gruppe erfasst die Ermessensausübung außerhalb der Ermächtigungsgrundlage. Schließlich ist nur die Ermessensausübung innerhalb ihrer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage rechtmäßig. Der äußere Rahmen ist überschritten, wenn die Behörde eine Rechtsfolge wählt, die nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist432. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm nicht gegeben oder wurde eine gesetzlich nicht vorgesehene Rechtsfolge gewählt, dann beansprucht die Verwaltung ein „Mehr“ an Entscheidungsspielraum, obwohl dieser gesetzlich nicht vorgesehen ist433. Die Ermessensbetätigung muss sich jedoch nicht nur an der rechtlichen Grenze ihrer Ermächtigungsnorm, sondern auch an den sonstigen, einschlägigen Sätzen des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts orientieren. Neben höherrangigem einfachen Recht ist das Verfassungsrecht im Rahmen der Ermessensentscheidung zu beachten434. In diesem Zusammenhang spielt die Berücksichtung der Grundrechte bei der Ermessensausübung eine besondere Rolle435. V. Zusammenfassung Die Fortentwicklung des Rechtsstaats zu einer Staatsform, die auf die Schaffung materieller Gerechtigkeit und auf die Wahrung subjektiver Rechte ausgerichtet war, barg ein großes Veränderungspotential für Wesen und Weite des Verwaltungsermessens. 432

So Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 20. Bei Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 17; Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 75 f. 434 Etwa Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 114, Rn. 39. Insbesondere die Verfassungsprinzipien müssen in die Entscheidungsfindung der Verwaltung einfließen, siehe dazu Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 83, dort unter Fn. 263 ff. auch Nachweise zur Rechtsprechung zur Einwirkung des Rechtsstaatsgebots, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit auf Ermessensentscheidungen. Eine weitere, wichtige Beschränkung des Ermessens über das Institut der Selbstbindung ist auf die Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführen, siehe hierzu statt vieler: Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 103 ff. 435 Die grundrechtlichen Auswirkungen auf die Ermessensbeschränkung sind dogmatisch jedoch noch nicht eindeutig geklärt, siehe dazu Alexy, JZ 1986, S. 701 ff. (S. 702): Der grundrechtliche Einfluss auf die Ermessensentscheidung wird sowohl in Rechtsprechung wie auch in der Lehre zum einem Teil über eine eigene Grundrechtsprüfung des Ermessensaktes festgestellt, so etwa VGH Hessen, ESVGH 33, S. 223 ff. (S. 226 ff.) und auch: Stern, Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1353 f. (mwN in Fn. 152); Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 23 oder Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 50 f. Hingegen sieht die andere Auffassung den grundrechtlichen Einfluss sichert über die eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit gewährleistet, so etwa: BVerwGE 56, S. 254 ff. (S. 264); Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 36 ff.; Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 82 ff. Letztere Ansicht ist insofern zu bevorzugen, als sie eine Grundrechtsverletzung einheitlich unter der Gruppe der Ermessensüberschreitung verortet und richtigerweise nicht zwischen der Vereinbarkeit mit einfachem oder mit höherrangigem Recht differenziert. 433

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Aufgrund der sich verändernden Betrachtung des Verhältnisses zwischen Ermessen und Recht hat sich im Laufe der Zeit sowohl die Funktion des Ermessens als auch seine Stellung in der Rechtsordnung gewandelt: Herrschte im klassischen Verwaltungsrecht noch die Ansicht, Recht fungiere bloß als Begrenzung des ansonsten freien Ermessens, ist dies unter dem Rechtsstaatsverständnis des Grundgesetzes nicht länger vertretbar. Dieses sieht für das Recht die Funktion als „Bedingung und Maxime administrativer Tätigkeit“436 vor. Dadurch verändert sich die Bedeutung des Ermessens von einem ehemals rechtlich ungebundenen Handlungsfreiraum der Verwaltung hin zu einem Instrument zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks437. Mit dem Einbau des Ermessens in die rechtsstaatliche Ordnung geht die Entwicklung einer detaillierten Fehlerlehre einher. Ihren äußeren Rahmen bildet § 40 VwVfG. Da zudem Verfassungsprinzipien oder Grundrechte in die Ermessensausübung eingehen und sie dadurch beschränken können, ist die Entscheidungsfreiheit der Verwaltungsbehörden im Bereich des Ermessens erheblich eingeschränkt worden.

§ 11 Wechselwirkungen zwischen subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen Im Vergleich zur spätkonstitutionellen Ermessenslehre ist das Verhältnis von Recht und Ermessen im heutigen Verwaltungsrecht gereift. Insbesondere in den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende haben Rechtsprechung und Lehre über das Zusammenspiel von subjektivem Recht und Ermessen einige, mehrheitlich konsensfähige Aussagen gefunden. Eine entscheidende Neuerung brachte die verfassungsrechtlich bedingte Modifizierung des subjektiv öffentlichen Rechts und ihr dadurch veränderter Einfluss auf die Ermessenslehre. Seitdem bewirken subjektive Rechte als Teile des objektiven Rechts explizit eine Beschränkung des Verwaltungsermessens, wenn sie für die konkrete Entscheidung einschlägig sind. Zudem kann die objektive Pflicht der Verwaltung zur pflichtgemäßen Ermessensausübung auf Seiten des Einzelnen grundsätzlich ein subjektives Recht auf Einhaltung dieser Pflicht erzeugen.

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Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 106 f. Doch mutmaßt Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 122, dass „diese Konsequenz . . . sich noch immer nicht in vollem Umfang durchzusetzen vermocht“ habe, und vermutet in Fn. 99 als Ursache die relative große Stabilität des Verwaltungsrechts gegenüber verfassungsrechtlichen Entwicklungen. 437

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I. Ermessensreduktion durch subjektive Rechte Die Ermessensausübung der Verwaltung hat die subjektiv öffentlichen Rechte als Bestandteile der Rechtsordnung über Art. 20 Abs. 3 GG zu achten. Ausgangspunkt ist die Idee eines verfassungsrechtlichen Subjektivierungsgebots438, dessen Zielsetzung in der einfach-rechtlichen Durchnormierung des Staat-Bürger-Verhältnisses zur Schaffung rechtlicher und damit durch den Bürger einklagbarer Verhaltenspflichten seitens des Staats besteht. In Anbetracht dessen erfordert Art. 19 Abs. 4 GG, im Innen- sowie im Grenzbereich des Ermessens ein normatives System zu etablieren. Die rechtliche Strukturierung des Ermessensbereichs bewirkte zusammen mit der Bindung der Verwaltung an eben diese rechtlichen Strukturen aus heutiger Sicht eine beachtliche Einengung der bis 1949 nahezu unüberprüf- und unnormierbaren Ermessensfreiheit439. 1. Rechtstheoretische Begründung der Einschränkung Das Phänomen der Ermessensreduktion440 kann umschrieben werden als eine Verengung des Ermessensspielraums im Einzelfall. Sie ist abzugrenzen von einer abstrakt-generellen Beschränkung der Ermessensausübung441. Ursächlich für eine Ermessensreduktion sind damit die besonderen Umstände des Einzelfalls. Sie müssen jedoch außerhalb der Ermächtigungsnorm zu finden sein, da sich diese im Fall einer Ermessensreduktion nicht verändert. Die ermessensreduzierenden Faktoren sind nicht nur objektiv-rechtlicher, sondern auch subjektiv-rechtlicher Art. So beeinflussen subjektiv öffentliche Rechte des Einzelnen auf verschiedenste Weise die Ermessensausübung der Verwaltung442. Dies trifft insbesondere für die Grundrechte als spezielle subjektiv öffentliche Rechte zu443. Zum einen können sie sich als zweckbestimmend für 438 Siehe dazu schon unter § 8 III 3 und § 9 II 2 a sowie bei Wahl, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 77 und Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 14 ff.). 439 Vgl. Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 64: „Dieses rechtstaatliche Ermessen ist unter rechtsstaatlichen Vorzeichen einem starken Schrumpfungsprozeß unterlegen.“, ähnlich auch Lorenz, Rechtsschutz, 1973, S. 22 f. 440 Die Begriffe der Ermessensreduzierung (stellvertretend etwa bei Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 55) oder Ermessensschrumpfung (insbesondere bei BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97), sowie bei Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 55 ff.) werden synonym zum Begriff der Ermessensreduktion gebraucht. 441 So bei Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 39 f.). Weiterführend: Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 183 ff. und § 18 I 1 b. 442 Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 1, Rn. 195 spricht noch undifferenziert von der Notwendigkeit einer grundrechtskonformen Handhabung des Verwaltungsermessens. Auch Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 226) erwähnt nur pauschalisierend eine vorrangige Betrachtung der Grundrechte im Einzelfall, die zur Ermessensschrumpfung führt.

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die Ermächtigungsgrundlage erweisen444. Im Fall ihrer Missachtung folgt die Rechtswidrigkeit der Entscheidung dann aus einem Ermessensfehlgebrauch. Zum anderen entfalten die Grundrechte eine ermessensbegrenzende Wirkung über das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Bei einem schweren und unerträglichen Eingriff in den Grundrechtsgehalt liegt somit eine rechtswidrige Ermessensüberschreitung vor. 2. Gefahr einer Überdehnung der Ermessensreduktion Im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen erweist es sich als problematisch, dem grundrechtlichen Einfluss schematisch eine ermessensbegrenzende Wirkung zuzugestehen. Denn durch die allzu rasche Annahme einer Ermessensreduktion besteht die Gefahr, dass sich die Verwaltungsgerichte aufgrund einer frei argumentierenden, grundrechtlichen Güterabwägung zu tief in die Rolle der Verwaltung hineinbegeben. Schließlich ist die wertende Letztentscheidung über kollidierende Interessen im Fall legislativer Regelungslücken vom Gesetzgeber ursprünglich der Exekutive und nicht der Judikative zugedacht445. Ein Übergreifen der Gerichte in exekutive Befugnisse würde Folgeprobleme erzeugen. Materielle Fehlentscheidungen der Gerichte aufgrund mangelnder Sachkompetenz sowie die reale Gefahr einer resignierenden und ineffizienten Verwaltung wären wahrscheinlich446. Um diese Risiken zu vermeiden, bedarf die Anwendung der Ermessensreduktion als 443 Sowohl Rechtsprechung wie Literatur erkennen die begrenzende Einwirkung der Grundrechte auf das Ermessen grundsätzlich an, siehe: Stern, Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1354 (mwN in Fn. 151); Liebetanz, in: Obermayer/Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 38 (mit Beispielen in Rn. 39); Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 85). Die Rechtsprechung leistete durch ihre einzelfallbezogene Entscheidungspraxis bisher jedoch keinen Beitrag zur Systematisierung, so auch Stern, Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1354 (mwN in Fn. 153). Aber auch in der Literatur beschränkt sich die Behandlung des Problemkomplexes im Wesentlichen auf die Bejahung einer ermessensreduzierenden Wirkung, ohne weitergehende methodische Fragen aufzuwerfen oder gar zu beantworten (stellvertretend: Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 216 ff.), der lediglich die Rechtsprechung rezensiert). Allein Stern, Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1354 f. gelingt eine Kategorisierung der einschlägigen Rechtsprechung. Dabei differenziert Stern nicht nach der Methode der grundrechtlichen Einwirkung, sondern nach den Gebieten der Verwaltung: Während sich im Bereich der Eingriffsverwaltung subjektive Rechte als negativ-eingriffsbegrenzend auswirken, können hingegen in der Planungs- oder Leistungsverwaltung subjektive Rechtspositionen Ermessensentscheidungen auf eine positive Besserstellung des Einzelnen hin steuern. 444 Nach Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 63 (mwN in Fn. 199). 445 So Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 173 f.); Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 227). 446 Siehe bei Herzog, NJW 1992, S. 2601 ff. (S. 2603 f.); Zeidler, Der Staat 1 (1962), S. 321 ff. (S. 327); Brohm, JZ 1995, S. 369 ff. (S. 371). Sendler, DVBl 1982, S. 923 ff. (S. 932) moniert einen vermehrten Zeitaufwand und dadurch verursachte Verfahrensverzögerungen.

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

„dehnbares Instrument in der Hand der Rechtsprechung“447 stets sorgfältiger Überlegung und Begründung. Es ist wichtig, sich des Ausnahmecharakters der Ermessensreduktion auf Null bewusst zu bleiben448. Die allgemeine Problematik einer gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen rechtlicher Ermessensbeschränkungen spitzt sich zu im Extremfall der Ermessensreduktion auf Null. Hier unterliegt die gesetzgeberische Entscheidung für Ermessensnormen und für einen Entscheidungsspielraum der Verwaltung in besonderem Maße der Gefahr, von der Judikative missachtet zu werden. Denn unterstellt das Verwaltungsgericht eine vollständige Ermessensreduktion vorschnell, so wird die ursprünglich der Verwaltung zugewiesene Abwägung unzulässig durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt449. II. Entwicklung subjektiv öffentlicher Rechte im Ermessensbereich Die allgemeine Pflicht der Verwaltung zu gesetzmäßigem Verhalten aus Art. 20 Abs. 3 GG konkretisiert sich in einfach-rechtlichen Normen. Der jeweiligen objektiven Pflicht der Verwaltung zur Normeinhaltung kann im Einzelfall ein subjektiv öffentliches Recht des Einzelnen gegenüberstehen, wenn die verpflichtende Norm dazu dient, private Interessen zu schützen. Auf dem Gebiet des Verwaltungsermessens haben sich auf dem Boden des Grundgesetzes zwei Arten von subjektiv öffentlichen Rechten entwickelt. 1. Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung Es liegt in der Natur eines Anspruchs, dass er den Einzelnen berechtigt, eine bestimmte Leistung fordern zu können450. Dieser Anspruchsinhalt erweist sich allerdings im Ermessensbereich aufgrund der Normoffenheit als problematisch: Weil die Ermächtigungsnorm den Tatbestand gerade nicht zwingend mit der

447

Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 232). So im Ergebnis auch BVerwGE 80, S. 233 ff. (S. 245). 449 Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 57. BVerwG, NVwZ 1988, S. 525 f. (S. 526) warnt vor „einer die Funktionentrennung überspielenden Verschiebung der Verantwortung von den Verwaltungsbehörden auf die Gerichte“. Hain/ Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 60 ff.) plädieren für eine sorgsam zurückhaltende Handhabung dieser besonderen Rechtsfigur. Rennert, in: Eyermann/ Fröhler/Geiger, VwGO, 2000, § 114, Rn. 32 umschreibt diese Situation im Ergebnis ähnlich mit dem Erfordernis der Offensichtlichkeit der praktischen (Entscheidungs)Alternativlosigkeit. Ein eigenes Prüfungsschema, das diesen strengen Anforderungen genügen soll, entwickelt Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 232 ff.). 450 Vgl. hierzu die Definition des subjektiv-öffentlichen Anspruchs von Weidenkaff, in: Creifelds/Weber, Rechtswörterbuch, 2002, S. 1332 als Befugnis in Form eines Rechtsanspruches, vom Staat „die Vornahme einer bestimmten Handlung zu verlangen“. 448

2. Abschn.: Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht

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Rechtsfolge verknüpft, sondern der Verwaltung die Entscheidungsfreiheit über verschiedene, rechtmäßige Rechtsfolgen einräumt, besitzt der Einzelne keinen Anspruch auf eine bestimmte und damit günstigere oder zweckmäßigere Rechtsfolgenwahl451. Für den Einzelnen ist es somit nicht möglich, die Verwaltungsentscheidung inhaltlich zu determinieren. a) Rechtsgrundlage Ein Anspruch gegen die Verwaltung auf Einhaltung der Ermessensgrenzen war allerdings schon vor Entstehung eines bundeseinheitlichen Verwaltungsrechts bekannt452. Eine Regelung der Ermessensgrenzen findet sich später in § 40 VwVfG. Dieser Paragraph dient zwar nicht als Rechtsgrundlage des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung. § 40 VwVfG lässt aber den Rückschluss auf die Entscheidung der Rechtsordnung zu, dass ein subjektives Recht auf Einhaltung der rechtlichen Ermessensbindungen bestehen kann453. Als Rechtsgrundlage für das jeweilige subjektiv öffentliche Recht ist deswegen diejenige einschlägige Ermessensnorm anzusehen, aus welcher sich über die Schutznormtheorie ein subjektiv öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung ableiten lässt454. b) Tatbestand Die Inhaberschaft des subjektiv öffentlichen Rechts setzt eine rechtliche Betroffenheit des Einzelnen durch die Ermessensentscheidung voraus. Es steht ihm daher nicht zu, eine lediglich im Allgemeininteresse ausgeübte Ermessenstätigkeit überprüfen zu lassen455. Erst wenn eine Auslegung der Ermessensermächti451

So etwa Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 54. Zuerst bei Jellinek, Gesetz, 1913, S. 116 (unter § 13 I), nach 1945 seit BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 98) in ständiger Rechtsprechung anerkannt, siehe dazu BVerfGE 27, S. 297 ff. (S. 307) und BVerwGE 19, S. 149 ff. (S. 150 und 152); E 37, S. 112 ff. (S. 113); E 60, S. 7 ff. (S. 41). Nachweise in der Literatur finden sich bei Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 106, Fn. 2); a. A. ist jedoch Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 137. 453 Schließlich begründet § 40 VwVfG ebenso wenig subjektiv öffentliche Rechte wie der allgemeinere Art. 19 Abs. 4 GG. Beide setzen deren Existenz voraus, so etwa Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853), ähnlich Liebetanz, in: Obermayer/ Fritz, VwVfG, 1999, § 40, Rn. 48. 454 I. E. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 33; siehe hierzu auch die Darstellung der umfangreichen Entscheidungskasuistik bei Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 141 f. 455 So nach Henneke, in: Knack, VwVfG, 2000, § 40, Rn. 39; Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 575). Ein solch allgemeines Recht auf ermessensfehlerfreien Ermessensgebrauch existiert nach Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 135 ebenso wenig wie ein allgemeiner Gesetzesvollzugsanspruch. 452

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gung dahingehend möglich ist, dass sie auch im Interesse des Betroffenen bestehen soll, so besitzt dieser einen Anspruch gegen die Verwaltung auf Einhaltung der Ermessensgrenzen456. c) Anspruchsinhalt Der Inhalt dieses subjektiven Rechts ist auf die Einhaltung der Rechtsbindung gerichtet457. Für die Verwaltung besteht daher bei der Ermessensausübung neben der Pflicht zur Wahrung der Ermessensgrenzen auch die Pflicht zur Entscheidung überhaupt458. Das subjektive Recht findet seine Entsprechung im Prozessrecht in § 114 VwGO. Dieser Paragraph gewährleistet dem Betroffenen gerichtlichen Schutz dahingehend, dass seine Belange in der behördlichen Ermessensentscheidung berücksichtigt werden459. Der Einzelne besitzt deshalb ein formelles Prüfungsrecht, welches entweder die Aufhebung einer rechtswidrigen belastenden Entscheidung oder die Neubescheidung für den Fall nach sich zieht, dass eine Begünstigung rechtswidrig versagt wurde460. Die Bezeichnung des subjektiv öffentlichen Rechts als formeller Anspruch461 lässt deutlich werden, dass er im Vergleich zum materiellen Anspruch auf eine bestimmte Verwaltungsleistung nur ein Minus darstellt462. 2. Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung Das „zweite“ subjektiv öffentliche Recht im Bereich des Ermessens ist der materielle Anspruch auf ein inhaltlich bestimmtes Verwaltungshandeln463. Im Gegensatz zum oben dargestellten formellen Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung kann der Einzelne mit Hilfe des materiellen Anspruchs die Ermessensentscheidung nicht nur hinsichtlich der Einhaltung der Ermessensgrenzen, 456 Spätestens seit BVerwGE 11, S. 331 ff. (S. 333) ständige Rechtsprechung, auch E 37, S. 112 ff. (S. 113 mwN). 457 Auch Sachs, Grundrechte, 1988, S. 546. 458 So Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 108). Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 22 spricht beim Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung insoweit vom doppelten Anspruchsinhalt. 459 So in BVerwGE 78, S. 40 ff. (S. 44). 460 Siehe bei Redeker, in: Redeker/Oerzten, VwGO, 2000, § 114, Rn. 11 und Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 54. 461 Dieser Begriff entspricht nach Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 136 dem herrschenden Gebrauch. Die Einteilung der subjektiven Rechte in die Kategorien „formell“ und „materiell“ folgt in § 12. 462 Ähnlich Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 33. 463 Weiterführend: Hain/Schlette/Schmitz, Ermessen, AöR 122 (1997), S. 32 ff.; Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 215 mwN in Fn. 3); Gern, DVBl 1987, S. 1194 ff.; Dietlein, DVBl 1991, S. 15 ff.

2. Abschn.: Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht

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sondern auch hinsichtlich des Entscheidungsinhalts determinieren. Infolgedessen ist aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falls die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit der Verwaltung auf die Wahl einer einzigen, rechtlich zulässigen Entscheidung beschränkt. Sie existiert damit nicht mehr als solche464. a) Rechtsgrundlagen Die Rechtsgrundlagen des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung sind nicht unumstritten: Teils werden sie aus der Figur der Selbstbindung der Verwaltung abgeleitet465, teils wird vage auf Grundrechte oder sonstige Verfassungssätze zurückgegriffen466. Richtig ist jedoch auch hier, die Ermessensermächtigung selbst als Rechtsgrundlage des subjektiven Rechts zu betrachten. Um letztlich jedoch einen bestimmten Anspruch bejahen zu können, bedarf es zusätzlich der Tatbestandsvoraussetzung einer Ermessensreduktion auf Null. b) Tatbestand Voraussetzung für die Zuspitzung der Ermessensreduktion auf nur eine rechtlich zulässige Entscheidung ist nach herrschender Ansicht eine Situation der schweren Gefährdung wichtiger Rechtsgüter. Nur eine Kombination von tatsächlichen und rechtlichen Faktoren bewirkt eine Ermessensreduktion auf Null467. Damit ist die Frage nach dem Kreis der wichtigen Rechtsgüter und nach der Schwere der Gefährdung zu beantworten. Für die Bestimmung der 464 So Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, § 40, Rn. 30. Die absolute Verkürzung der Wahlfreiheit der Verwaltung erklärt die Bezeichnung der „Ermessensreduktion auf Null“, so auch Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 41); ähnlich Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 24. Der praktische Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts ist äußerst gering. So nennt etwa Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 60 (Fn. 187 ff.) nur zehn Anwendungsbereiche. In der Rechtsprechung stehen der Bejahung einer Ermessensreduktion auf Null ebenso viele Fälle einer Verneinung gegenüber, so bei Henneke, in: Knack, VwVfG, 2000, § 40, Rn. 74; a. A. jedoch Vogel, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 400. Unverhältnismäßig groß ist hingegen das wissenschaftliche Interesse an der Ermessensreduktion auf Null. Die Faszination liegt wohl in dem kuriosen Umstand, dass ein und dieselbe Ermessensnorm die Verwaltung im Normalfall zu einer freien Rechtsfolgenwahl berechtigen und sie im Ausnahmefall vergleichbar der gebundenen Verwaltung zu einer bestimmten Entscheidung zwingen kann, so Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 215) oder auch Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 34). 465 Bei Stern, Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1359 mwN in Fn. 183; Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 21. 466 Bei Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 7, Rn. 25; Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 108). 467 So Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 114, Rn. 6; Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 42 f.).

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relevanten Rechtsgüter ist ihre Position innerhalb der Rechtshierarchie entscheidend468. Dagegen muss bei der Beurteilung des Grades ihrer Gefährdung stets ein hoher Maßstab gewählt werden469. Erst aus einer Kombination von Rechtsgutqualität und Gefährdungsgrad lässt sich im konkreten Fall ermitteln, ob ein Tatbestand der Ermessensreduktion auf Null anzunehmen ist470. c) Anspruchsinhalt Liegt im konkreten Fall eine Ermessensreduktion auf Null vor, so ist der Einzelne berechtigt, von der Verwaltung eine bestimmte Leistung fordern. Das angerufene Verwaltungsgericht wird aufgrund des materiellen Anspruchs ein Verpflichtungsurteil nach § 113 Abs. 5 VwGO erlassen471. Je nach Spruchreife der Sache ergeht ein Vornahme- oder Bescheidungsurteil. Der Anspruch ist zudem über die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO gesichert.

468 Nach Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 44). Dass im Bereich der Grundrechte deswegen stets von wichtigen Rechtsgütern auszugehen ist, bezeugt der Rechtsprechungsnachweis bei Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 46, Fn. 42). 469 Eine solch restriktive Betrachtung empfiehlt sich schon aufgrund der Problematik eines Übergreifens der Verwaltungsgerichtsbarkeit in exekutive Kompetenzen, siehe schon in § 11 I 2. 470 Auf breiter Basis wird die Auffassung vertreten, dass sich Qualität des Rechtsgutes und Quantität der Gefährdung gegenseitig ausgleichen können. So wie bei einem hohen Rechtsgut schon bei geringer Gefährdung das Ermessen auf Null reduziert sein kann, so ist diese Situation auch für eine extrem hohe Gefährdung eines eher niedrig einzustufenden Rechtsgutes anzunehmen. Allerdings divergieren die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur extrem in der Frage, welches Rechtsgut welcher Gefährdung unterliegen muss, damit der Tatbestand der Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden muss. Diese Problematik ist im Rahmen des Anspruchs auf behördliches Einschreiten immer noch eines der umstrittensten Themen im Polizeirecht. Dabei lässt sich im Groben eine Tendenz der Lockerung der ehemals sehr engen Voraussetzungen beobachten: Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 378) bestimmte noch als Voraussetzung, dass „eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für wesentliche . . . Rechtsgüter“ besteht und Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 179 bestätigt dies in seiner Analyse der Amtshaftungsrechtsprechung des BGH. Dann ließ VG Saarlouis (12.12.1968), DVBl 1965, S. 595 f. (S. 595) – [Einstellungsantrag] im Jahr 1968 für eine Ermessensreduzierung auf Null schon ein offensichtliches Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm ausreichen. Ähnlich niedrig begriff auch BVerwG (22.01.1971), E 37, S. 112 ff. (S. 114) – [Garagenausfahrt] die Voraussetzungen eines Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten, eine bloße Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs genügte schon. Zur inzwischen umfassenden Kasuistik dieser Problematik: Wolf, in: Wolf/Stephan, Polizeigesetz, 1999, § 3, Rn. 19; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, 2002, Rn. 499 (mwN in Fn. 580–583). 471 So in BVerwGE 16, S. 214 ff. (S. 218 f.).

2. Abschn.: Rechtslage im aktuellen Verwaltungsrecht

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III. Zusammenfassung In der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stand die Gestaltung des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts unter dem Eindruck einer bestmöglichen Verwirklichung des Rechtsstaatsgedankens. Hilfreich sollte die Einführung des Grundgesetzes sein, sie veränderte die Verwaltungstätigkeit tiefgreifend472. Die verfassungsrechtlich bedingte Tendenz zur Verrechtlichung schlug sich auch in der Ermessenslehre nieder. Beispielsweise wurden in den ersten Jahren nach 1945 Entscheidungsspielräume der Verwaltung auf der Tatbestandsseite kategorisch verneint. Erst in den siebziger Jahren lockerte sich diese Auffassung allmählich durch die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums wieder473. Auch die Probleme, die der Einbau des Ermessens in eine rechtsstaatliche Staatsordnung der Verwaltungsrechtswissenschaft anfangs bereitete, zeugen von einer Scheu vor exekutiven Ermessensräumen an sich. Diese Beobachtungen sind charakteristisch für eine erste Phase des deutschen Verwaltungsrechts474, die vom Bemühen gekennzeichnet ist, alle rechtlich nicht erfassbare und damit unkontrollierbare Verwaltungstätigkeit zurückzudrängen475. Eine Änderung dieser Perspektive ist erst vor etwa zwei Jahrzehnten eingetreten476. Seitdem wird die Notwendigkeit einer flexiblen, mit dem Instrument des Ermessens hantierenden Verwaltung sowohl zugunsten einer effizienten Verwaltungstätigkeit als auch zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit akzeptiert. Diese Entwicklung orientierte sich an der Erkenntnis einer eigenständig-funktionellen Bedeutung der Verwaltung, anstatt die Abhängigkeit der Exekutive von Legislative und Judikative zu fokussieren. Allerdings ist die im Folgenden untersuchte Entwicklung der Ermessensansprüche zeitlich auf die erste Phase des Verwaltungsrechts zu datieren. Die Verrechtlichungstendenz des Verwaltungsrechts war insbesondere in den ersten Jah472 Von da an beschränkte der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts einerseits den gesetzesfreien Bereich der Verwaltung auf einen geringen Teil der Leistungsangelegenheiten. Er führte anderseits zu einer indirekten Normierung der restlichen Verwaltungsbereiche. Zudem verbesserte die Einführung der Generalklausel die Kontrolle der Verwaltungsgerichte über die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben in der Verwaltungstätigkeit; dazu auch Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1003). 473 Deswegen bezeichnet Ossenbühl, DVBl 1993, S. 753 ff. (S. 759) die Entwicklung der Ermessenskontrolle auch als Wellenbewegung. 474 Siehe dazu die Ausführungen von Franßen, DVBl 1998, S. 413 ff. (S. 418 f.) und Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 496 ff.). 475 Ossenbühl, DÖV 1968, S. 618 ff. (S. 618) spricht sogar von einem unheilvollen Grad an Restriktion des Verwaltungsermessens. Auch für Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 498) ist die „Phobie gegenüber dem Ermessen“ ein Kennzeichen des öffentlichen Rechts nach 1949. 476 Ausschlaggebend hierfür war die neue Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, beginnend mit BVerfGE 49, S. 89 ff. (S. 90).

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2. Teil: Zusammenspiel von subjektiv öffentlichem Recht und Ermessen

ren der Bundesrepublik besonders stark. Daher erlag auch die Ermessenslehre dem Bestreben, die Ermessensausübung unter Inkaufnahme einer Beschränkung der Ermessensfreiheit umfassend materiell-rechtlich zu normieren wie auch eine möglichst lückenlose, richterliche Verwaltungskontrolle zu erreichen477. Zurückgeführt wird die Ermessensbegrenzung auf die dem deutschen Verwaltungsrecht immanente Abwehrhaltung gegenüber dem Ermessen478. Als Folge dieser Ermessensphobie wurde bislang lediglich die Intensivierung der objektiv-rechtlichen Bindung des Ermessens fokussiert479. Folglich scheint die Annahme gerechtfertigt, dass die Rolle subjektiver Rechte in diesem Zusammenhang unterschätzt worden ist. Diese Beobachtung motiviert zu folgender Untersuchung. Denn sie wird versuchen, die Bedeutung der subjektiv öffentlichen Rechte für die Beschränkung der exekutiven Ermessensräume nach 1945 zu erarbeiten. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf der Entstehung der Ansprüche auf fehlerfreie und bestimmte Ermessensausübung.

477 So auch Nagel, Rechtskonkretisierungsbefugnis, 1993, S. 30 f.; Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 216). 478 Siehe dazu bei Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 172) und Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 498). 479 Dass sich die Betrachtung der Ermessensreduzierung bisher auf objektiv-rechtliche Einflüsse beschränkt, liegt sicher auch am Umstand, dass die Beschränkung staatlicher Handlungsbefugnisse maßgeblich über objektives Recht erreicht wurde, bevor die subjektiv öffentlichen Rechte quantitativ und qualitativ verbessert wurden und sich ebenso ermessensbegrenzend auswirken konnten.

3. Teil

Entwicklung des formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht § 12 Unterteilung in formelle und materielle subjektiv öffentliche Rechte Obwohl sich das formelle und das materielle subjektiv öffentliche Recht nicht durchweg geradlinig entwickelten, wird ihr erstaunlicher Entstehungsprozess heute als nahezu selbstverständlich aufgefasst. Es ist ein wichtiges Anliegen dieser Untersuchung, die Besonderheit der Entwicklung des formellen und materiellen subjektiv öffentlichen Rechts sowie der Entdeckung ihrer gegenseitigen Bedingtheit zu veranschaulichen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zunächst notwendig, dass die Verwendung der Bezeichnungen „formell“ und „materiell“ geklärt wird. Diese wird bislang nicht nur recht unterschiedlich gehandhabt, zudem ist die momentan mehrheitlich akzeptierte Unterscheidung mit der Gefahr von Missverständnissen belastet. I. Einteilungsmöglichkeiten der subjektiv öffentlichen Rechte Schon im Jahr 1914 erkannte Bühler die „Notwendigkeit, zwischen materiellen und formellen subjektiv öffentlichen Rechten zu unterscheiden“1. Fast neunzig Jahre später ist heute die Verständigung auf eine einheitliche Verwendung der Begriffe „formell“ und „materiell“ zwar im Bereich des subjektiv öffentlichen Rechts erfolgt. In anderen Bereichen der Rechtswissenschaft wird ihre Wortbedeutung jedoch sehr unterschiedlich gehandhabt2. Wie der folgende Abschnitt zeigen wird, beeinflussten diese vielfältigen Verständnismöglichkeiten von „materiell“ und „formell“ auch die Einteilungskriterien für die subjektiv öffentlichen Rechte. So entwickelten sich im Laufe des letzten Jahrhunderts vier verschiedene Auffassungen darüber, wie subjektiv öffentliche Rechte in formelle und materielle einzuteilen sind. 1

Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161. Siehe hierzu die Darstellung der Bedeutung des Begriffspaares „formell“ und „materiell“ im legislativen, exekutiven und judikativen Bereich bei Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 20, Rn. 19 ff., 26 ff. und 32, 40 ff. und 51 ff. 2

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

1. Unterscheidung nach der Rechtsschutzmöglichkeit Chronologisch korrekt betrachtet wurde die Unterscheidung von formellen und materiellen subjektiv öffentlichen Rechten erstmals von Georg Jellinek getroffen3. Für ihn war die „Anerkennung eines individualisierten Rechtsschutzanspruches“4 Merkmal des formellen subjektiv öffentlichen Rechts. Das formelle Recht bedurfte der positiv-rechtlichen Zuweisung einer Rechtsschutzmöglichkeit. Deshalb existierte es auch viel seltener als das materielle Recht5, das schon im Fall eines „ausdrücklichen oder implicite anerkannten Individualinteresses“6 vorliegen konnte. Ein materielles Recht konnte in der Rechtsordnung demnach auch bestehen, wenn sich seine Akzeptanz äußerlich durch die Zuweisung einer Klagebefugnis nicht fixieren ließ. Diese Vorstellung vom materiellen subjektiven Recht erschwerte seine Abgrenzung zur ungewollten Begünstigung in Form des Reflexrechts. Anders als nach der heutigen Einteilung bietet nach der Differenzierung Jellineks das materielle subjektiv öffentliche Recht dem Einzelnen einen schwächeren Schutz als das formelle, dessen prozessuale Durchsetzbarkeit positiv-rechtlich festgelegt sein musste. Da sich diese Begriffsfindung jedoch später als singulär und nicht durchsetzungsfähig erwiesen hat, wird sie auch hier nicht weiter verfolgt7. 2. Unterscheidung nach dem Inhalt des Rechtsanspruchs Anders ging Bühler vor. Der positivistischen Methode entsprechend näherte er sich der Abgrenzung von der zivilrechtlichen Dogmatik. Für ihn stand das formelle subjektive Recht im gleichen Verhältnis zum materiellen wie der „zivilprozessuale Rechtsschutzanspruch zu dem geltend gemachten materiellem Recht“8. Im öffentlichen Recht gestaltete sich die Unterscheidung jedoch schwieriger, da der Staat für beide Ansprüche Anspruchsgegner war. Im Hin3 Die Ausführungen von Jellinek, System, 1905, S. 70 f. entstehen schon ein Jahrzehnt vor der bekannteren Unterscheidung von Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161 f. Darüber hinaus verweist Rupp, Grundfragen, 1991, S. 177 (Fn. 226) auf eine weitere frühe Unterscheidung durch Laun, Ermessen, 1910, S. 99 (Fn. 1). 4 Jellinek, System, 1905, S. 70. 5 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 51 f., Fn. 15. 6 Jellinek, System, 1905, S. 70 f. 7 Insbesondere nach Einführung des Grundgesetzes durch Art. 19 Abs. 4 GG wurde diese Ansicht obsolet, da „zwar nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG allein, wohl aber aus der Gesamtkonzeption des GG . . . auf einen Rechtsschutz aller bislang nur objektivrechtlich geschützten Individualinteressen zu schließen sei“ (Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 301)) und der Rechtsschutz damit nicht mehr nur im Falle einer spezialgesetzlichen Regelung besteht. 8 Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161.

3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

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blick auf den Anspruchsinhalt blieb Bühlers Einteilung aber immer noch aussagekräftig: Konnte über das formelle subjektiv öffentliche Recht die Einhaltung von Verfahrenspositionen beansprucht werden, so diente das materielle Recht der Durchsetzung von Rechtsinhalten gegenüber dem Staat. Beide Rechte waren als Untergruppen der subjektiv öffentlichen Rechte über den Verwaltungsrechtsweg durchsetzbar9. Die Definition Bühlers wurde von der Verwaltungsrechtswissenschaft in der Nachkriegszeit zunächst übernommen. Schon im Jahr 1948 lehnte sich Bachof an die Gegenüberstellung von formellem und materiellem Anspruch an10. Wie Bühler unterschied er dabei die subjektiv öffentlichen Rechte nach dem Umfang ihres Anspruchsinhalts in materielle und formelle. Allerdings formulierte er umständlich, dass das materielle subjektive Recht auf einen vollen Interessensschutz gerichtet sei, wohingegen beim formellen Recht lediglich das Interesse an der Verfahrensbeteiligung gesichert wäre11. Letztlich schloss sich Bachof damit der Bühlerschen Unterscheidung zwischen dem Schutz materieller (im Sinne rechtsinhaltlicher) Positionen und dem Schutz lediglich formaler (im Sinne verfahrensrechtlicher) Positionen jedoch an. Ähnlich differenzierte Turegg inhaltlich nach dem Gebiet des Verwaltungsrechts, auf welchem die subjektiven Rechte bestehen. Subjektiv öffentliche Rechte im Verfahrensrecht stufte er als formell ein, solche im Bereich der nach materiell-rechtlichen Aspekten bestimmten Verwaltungszweige als materiell12. Deutlich formulierte später Haueisen diese Kategorisierung, wonach das materielle subjektiv öffentliche Recht auf eine bestimmte Sachentscheidung und das formelle lediglich auf die Einhaltung gewisser Verfahrensvorschriften oder -grundsätze gerichtet sei13.

9 So Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161. Im Anschluss an diese Ausführungen widmet sich Bühler der Untersuchung der Rechtsprechung zu einem der vielen formellen subjektiv öffentlichen Rechte, dem „Anspruch auf die richtige Ausübung des freien Ermessens“. Der Ausdruck der „richtigen Ausübung“ wird später von Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 749) zu „fehlerfreier Ausübung“ verbessert. Diese Bezeichnung birgt nicht mehr die Gefahr, dass der Anspruchsinhalt in Form einer Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit der Verwaltungsgerichte missverstanden werden kann. Allein auf diese Rechtsfigur hat sich der heutige Begriff des formellen subjektiven Rechts im Laufe seiner Entwicklung verengt, so dass die Bezeichnungen formelles subjektiv öffentliches Recht und formeller Ermessensanspruch im Folgenden synonym Verwendung finden können. 10 Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 749). Hier vertritt Bachof allerdings noch, dass ein materieller Anspruch unter Anerkennung eines „freien“ Ermessens nicht konstruierbar sei. 11 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 67 ff. 12 Indem Turegg, Generalklausel, 1956, S. 37 deutlich macht, dass er nicht mit dem Einteilungsfaktor der Rechtsmacht arbeitet, wird auch der Unterschied zur Jellineks Unterscheidung klar erkennbar, die ausschließlich darauf basiert. 13 Bei Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 521).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Die Trennung des formellen vom materiellen subjektiv öffentlichen Recht kann nach dieser Auffassung klar vollzogen werden: Das formelle Recht verschafft lediglich einen Anspruch auf die Beachtung verfahrensrechtlicher Positionen (z. B. Recht auf Anhörung), das materielle Recht hingegen gibt einen Anspruch auf ein inhaltlich bestimmtes Handeln des staatlichen Gegenübers (z. B. Recht auf Erlaubniserteilung). 3. Fortentwicklung der Bühlerschen Unterscheidung unter dem Grundgesetz Den Anstoß zu Veränderungen bei der Bestimmung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts gab die Rechtsfigur des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung. Indem sie als Unterfall des formellen Rechts zunehmend an Bedeutung gewann14, musste die Rechtwissenschaft die Aufgabe ihrer systematischen Einordnung bewältigen. Bühlers einfache und klare Unterscheidungsmöglichkeit wurde infolgedessen in zweierlei Hinsicht modifiziert. Zum einen half der Anspruch auf fehlerfreie Ermessenentscheidung, die Beschränkung des formellen Rechts auf nur verfahrensrechtliche Positionen15 zu überwinden. Da die meisten Ermessensentscheidungen im materiellen Bereich getroffen wurden16, erschien eine Eingrenzung des formellen subjektiven Rechts auf den Verfahrensbereich willkürlich. Die Unterscheidung nach prozessualem oder materiellem Bereich des Verwaltungsrechts erwies sich als nicht mehr sinnvoll. Es gelang der Ermessenslehre nach 1945 jedoch, die bisher übliche Gleichsetzung von formellem Recht und Verfahrensrecht sowie materiellem Recht und Sachrecht17 in ein neues System auf die Ermessenverwaltung zu übertragen. So sichert heute das formelle Recht das Interesse an einer bestimmten Gestaltung des Verfahrens. Das materielle Recht hingegen schützt das Interesse am Inhalt der Sachentscheidung, also am Ergebnis des Verfahrens18. Eine weitere Veränderung beruhte darauf, dass der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach heutigem Verständnis auch die Beachtung materieller Rechtspositionen erfordert. Zwar soll das formelle Recht einen rechtmäßigen Ermessensentscheidungsprozess gewährleisten. Dies schließt jedoch nicht aus, auch materielle Rechtspositionen in die Entscheidung einfließen zu lassen. Nach 1949 vergrößerte sich insbesondere über das Verfassungsrecht die Rele14 Die Akzeptanz des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen beschreibt Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 163 f. 15 So noch bei Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 161. 16 So Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 573). 17 Zu diesen Kategorien: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 21, Rn. 10. 18 So auch Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 851).

3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

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vanz von materiellen Aspekten, die von da an bei Ermessensentscheidungen verstärkt Beachtung fanden19. 4. Unterscheidung nach dem Grad der rechtlichen Gebundenheit der Verwaltungsentscheidung Ab den siebziger Jahren macht sich jedoch eine andere Abgrenzung der Begriffe „formell“ und „materiell“ im Bereich der subjektiv öffentlichen Rechte bemerkbar. Sie orientierte sich daran, wie strikt das begehrte Verwaltungshandeln rechtlich gebunden war20. Damit bestand das Unterscheidungsmerkmal nun nicht mehr in der Art des geschützten Interesses, sondern im Grad der Gebundenheit des behördlichen Verhaltens21. Infolge dieser Einteilung gewährt das materielle Recht dem Einzelnen einen Anspruch auf ein inhaltlich bestimmtes, behördliches Verhalten. Aus seinem formellen Recht hingegen steht ihm nur der Anspruch auf Einhaltung der Ermessensgrenzen und damit auf eine ganze Bandbreite staatlicher Verhaltensmöglichkeiten innerhalb der pflichtgemäßen Ermessensausübung zu. Der Anspruch aus dem formellen Recht erweist sich im Vergleich zum gebundenen, materiellen Anspruch somit als weniger determiniert. II. Kritische Bewertung der Einteilungsmöglichkeiten Nur die letzten beiden Einteilungen werden heute noch diskutiert. Es soll an dieser Stelle erörtert werden, für welche der beiden Kategorisierungen die besseren Argumente sprechen und welche damit im Folgenden der Untersuchung zugrunde gelegt wird22. Konkret stellt sich die Frage: Ist die vom Grad der rechtlichen Gebundenheit des begehrten Handelns ausgehende und damit an der Sichtweise der verpflichteten Behörde orientierte Unterteilung der subjektiven Rechte vorteilhafter als diejenige, die an die Art des Anspruchsinhalts anknüpft?

19 Mit Verfassungsgebung wurde vor allem die Wahrung der Grundrechte und der Verfassungsgrundsätze wichtig. Eine ausführliche Aufzählung aller materiellen Ermessensbindungen findet sich bei Stern, Ermessen, 1964, S. 25 f. 20 So Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 851). 21 Treffend Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 574). 22 Relativierend ist jedoch voranzustellen, dass die folgend betrachteten Unterscheidungsmöglichkeiten zwar nach verschiedenen Merkmalen die Einteilung in formelle und materielle subjektive Rechte treffen. Letztlich führen beide jedoch zu denselben Ergebnissen, d.h. nach beiden Einteilungsmöglichkeiten besitzt der Einzelne bei formellem und materiellem Recht denselben Anspruchsinhalt, wenn er sein subjektives Recht gerichtlich durchsetzt. Die Frage, welche Unterscheidung zu bevorzugen ist, stellt sich daher als rein theoretische dar.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

1. Beurteilung der Unterscheidung nach dem Grad der rechtlichen Gebundenheit Als problematisch bei der Differenzierung nach dem Grad der Gebundenheit erweist sich, dass im Fall einer Ermessensreduktion auf Null eine Deckungsgleichheit von formellem und materiellem Recht besteht. Denn der Anspruch auf eine inhaltlich ungebundene Ermessensentscheidung verengt sich im Fall der Ermessensreduktion zu einem Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Verhalten. Allerdings tritt dieselbe Situation auch bei der modifizierten Bühlerschen Einteilung ein, da das Interesse an einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung dann im Ergebnis dem Interesse an einer inhaltlich bestimmten Entscheidung gleichkommt23. Für diesen Ausnahmefall erweisen sich somit beide Unterscheidungskriterien als gleichermaßen ungeeignet. Als entscheidendes Argument gegen die Einteilung nach dem Grad der behördlichen Gebundenheit spricht aber, dass sich diese Kategorisierung an der objektiven Pflicht der Verwaltung orientiert. Damit wird die Unterscheidung von formellen und materiellen Rechten aus der Sicht der verwaltenden Behörde und nicht aus jener des berechtigten Individuums vorgenommen. Letztlich geschieht die Einteilung nicht ausgehend von der Rechtsgrundlage des Anspruchs, sondern von seinem Ergebnis her. Aufgrund seiner mehr symptom- denn ursachenorientierten Kategorisierung verfolgt das Unterscheidungskriterium der Gebundenheit daher einen fragwürdigen Ansatz. 2. Beurteilung der Unterscheidung nach dem Anspruchsinhalt Allerdings ist auch jene Unterteilungsmöglichkeit nicht unangefochten, die aufgrund einer „subjektiven“ Sichtweise je nach Inhalt und Umfang des subjektiv öffentlichen Rechts differenziert. Sie ist insbesondere aufgrund ihrer unzureichenden Unterscheidungskraft Angriffen ausgesetzt. a) Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts als rein formelles Recht Dass der Anspruchsinhalt als Unterscheidungskriterium ungeeignet sei, kritisiert Henke mit der Behauptung, dass im Bereich des Verwaltungsermessens stets nur ein rein formales Recht auf Einhaltung der Ermessensgrenzen bestehen könne24. Weil das subjektiv öffentliche Recht nur konstruiert worden sei, um die Klagebefugnis gegen objektive Ermessensgrenzverletzungen dogmatisch begründen zu können, trage es keine materielle Substanz in sich25. In diesem Punkt muss Henke zugestimmt werden. Allerdings rechtfertigt dies nicht, das 23 24

Siehe etwa bei Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 574). So Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 651).

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Einteilungsmerkmal des Anspruchsinhalts generell zu verwerfen. Beispielsweise erlangt dieses rein formale Recht26 für den Ausnahmefall der Ermessensreduktion auf Null einen materiellen Gehalt, weil es sich dann zum Anspruch auf ein inhaltlich determiniertes Handeln der Behörde wandelt. Auch Ossenbühl argumentiert mit dem Mangel an materiell-rechtlicher Substanz27. Seiner Ansicht nach können subjektiv öffentliche Rechte auf dem Gebiet des Ermessens lediglich auf das rechtmäßige Zustandekommen eines Entscheidungsvorgangs gerichtet sein. Daher seien diese Rechte immer formell. Anders als Henke räumt er jedoch ein, dass im Einzel- und Ausnahmefall auch eine bestimmte Maßnahme Anspruchsinhalt sein könne. Dadurch verringert er seine Differenzen zur der von ihm angegriffenen Unterscheidungsmöglichkeit. Es ist der vorgebrachten Kritik letztlich zuzugestehen, dass innerhalb der Ermessensverwaltung stets nur ein formeller Anspruch möglich ist, weil in generell-abstrakter Weise niemals eine gebundene Entscheidung verlangt werden kann. Denkbar ist eine gebundene Entscheidung und damit ein materieller Anspruchsinhalt jedoch in concreto für den Ausnahmefall einer Ermessensreduktion auf Null. Deswegen behält der Begriff des formellen Rechts im Ausgangsund Normalfall seine Geltung, im Sonderfall ist auf die Bezeichnung des materiellen Rechts zurückzugreifen. b) Wesen des subjektiv öffentlichen Rechts als rein materielles Recht Pietzcker beanstandet die Kategorisierung nach dem Anspruchsinhalt mit der inhaltlich entgegengesetzten These, der Anspruch sei überhaupt nicht als formell zu bezeichnen28. Denn über das Recht, eine Entscheidung an sich und die Vermeidung von Ermessensfehlern verlangen zu können, erreiche der Einzelne zwar keine bestimmte, aber doch eine für ihn günstigere und insofern teilweise auch inhaltlich festgelegte Verwaltungsentscheidung. Der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung sei somit nur als materielles, jedoch nicht als formelles subjektives Recht einzustufen. Die Kritik von Pietzcker lässt sich letztlich aber auf ein zu enges Verständnis des Begriffes „formell“ zurückführen. Die Tatsache, dass materielle Aspekte in die Ermessensentscheidung mit einfließen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ermessensentscheidungen auch formelle Garantien zu achten haben, wie z. B. Beteiligungsrechte. Aus diesem Grund ist es nicht richtig, den Anspruchs25 Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 651, Fn. 16) verweist zur Begründung auf die Ausführungen von Pfeiffer, DÖV 1962, S. 776 ff., der die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage im Bereich des Ermessens ablehnt. 26 So nach Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 651). 27 Bei Ossenbühl, DÖV 1976, S. 463 ff. (S. 467). 28 So Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 108).

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inhalt einseitig als nicht formell anzusehen. Der Anspruch ist schließlich nicht nur auf den Inhalt der Ermessensentscheidung, sondern auch auf ihren Entscheidungsfindungsprozess gerichtet. c) Entscheidung für die Einteilung nach dem Anspruchsinhalt des subjektiven Rechts Die Kritik an der Unterscheidung der subjektiven Rechte nach dem Interesse, das über den Anspruch durchgesetzt werden kann, ist im Ergebnis nicht stichhaltig. Angesichts der Nachteile einer Einteilung nach dem Grad der rechtlichen Gebundenheit wird hier die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Rechten favorisiert, die sich am Anspruchsinhalt der jeweiligen subjektiv öffentlichen Rechte orientiert. III. Zusammenfassung Somit ist festzuhalten, dass das formelle subjektiv öffentliche Recht zu einem Anspruch auf Einhaltung der rechtlichen Ermessensgrenzen beim Entscheidungsfindungsprozess führt. Ermessensentscheidungen werden sowohl im Sachrecht (z. B. das Entschließungs- und Auswahlermessen im Gefahrenabwehrrecht) als auch im Verfahrensrecht (z. B. das Ermessen bei der Rücknahme oder dem Widerruf von Verwaltungsakten) getroffen. In beiden Bereichen fließen materiell-rechtliche wie auch verfahrensrechtliche Aspekte in die Entscheidung ein. Der Anspruchsinhalt umfasst daher die Beachtung beider Aspekte. Im Gegensatz dazu ist das materielle subjektiv öffentliche Recht nicht nur auf die Beachtung von Verfahrensgarantien gerichtet, sondern speziell auf das Erreichen eines bestimmten Verfahrensergebnisses. Nach diesen Ausführungen zur Unterscheidung von „formellem“ und „materiellem“ subjektiv öffentlichen Recht wird abschließend die Frage nach Sinn und Zweck der Unterscheidung aufgeworfen. Gegen eine Fortführung dieser Differenzierung spricht, dass die Verwendung der beiden Begriffe in der heutigen Verwaltungslehre nur noch sehr vereinzelt üblich ist29. Zudem birgt die mehrdeutige Besetzung der Begriffe „materiell“ und „formell“ die Gefahr von Missverständnissen. Infolgedessen wird die Be29 So finden sich diese Begriffe heute nur in wenigen der größeren Werke, so z. B. Oerzten, in: Redeker/Oerzten, VwGO, 2000, § 42, Rn. 147; Rennert, in: Eyermann/ Fröhler/Geiger, VwGO, 2000, § 114, Rn. 3; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 2000, Rn. 159. Bei Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 42, Rn. 91 ist der Begriff „formell“ in Klammern gesetzt. Stern spricht in Staatsrecht 3/1, 1988, S. 1359 von der „Wandlung des formellen . . . zu einem materiellem subjektiv-öffentlichen Recht“. Nur Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2, Rn. 86 befassen sich noch ausführlicher mit dieser Differenzierung.

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zeichnung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts oftmals für völlig verschiedene rechtliche Phänomene verwendet. Als weitere Schwäche dieser Unterscheidung fällt ins Gewicht, dass sie für den Fall einer Ermessensreduktion aufgrund der Angleichung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht versagt. Anhand dieser Beobachtungen wird deutlich, dass das formelle subjektive Recht nicht kategorisch dem Bereich des Verwaltungsermessens und das materielle subjektive Recht ebenso nicht ausdrücklich der gebundenen Verwaltung zuzuordnen ist. Die Abgrenzung zwischen beiden ist keine klare Grenzlinie, sondern vielmehr ein fließender Übergang30. Diese Problematik erkannte im Grunde schon Bachof vor über fünfzig Jahren31. Dennoch plädierte er für eine Beibehaltung der Unterscheidung, um den prinzipiell unterschiedlichen Anspruchsumfang der beiden Rechte besser verdeutlichen zu können. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb an dieser Unterscheidung festzuhalten ist. Im Rahmen dieser Arbeit, welche die Thematik der verschiedenen Ansprüche in ihrer Entwicklung und gegenseitigen Einflussnahme behandelt, ist der Gebrauch der Begriffskategorien von „formellem“ und „materiellem“ subjektiv öffentlichem Recht schon deswegen unentbehrlich, weil er historisch bedingt ist. Gerade die Tatsache, dass diese Differenzierung heute als überflüssig aufgefasst wird, bezeugt, wie sehr die zuvor als so unterschiedlich empfundenen formellen und materiellen Rechte in ihrem Entwicklungsprozess nach 1945 zusammengewachsen sind. Die historische Darstellung des Entstehungsprozesses der Ermessensansprüche basiert im Folgenden auf der Einteilung in formelle und subjektive Rechte aufgrund ihres Anspruchsinhalts.

30 Ausgehend von der Beobachtung, dass beide Rechte einer individualschützenden Rechtsnorm bedürfen und sich nur hinsichtlich ihres Anspruchsumfangs unterscheiden, statuiert Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 377) stellvertretend für die heute herrschende Ansicht: „Zwischen dem formellen und dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht gibt es keinen qualitativen, sondern lediglich einen quantitativen Unterschied.“ Deswegen ist auch die seltene Nennung der Einteilung in „formelle“ und „materielle“ subjektiv öffentliche Rechte in der Verwaltungsrechtswissenschaft wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich die Lehre des lediglich quantitativen Unterschiedes zwischen formellem und materiellem Recht und damit der schwachen Unterscheidungskraft von nur graduellen Abstufungen bewusst ist. 31 Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 71 bezeichnet die Unterscheidung als „nicht grundsätzlicher Art“.

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1. Abschnitt

Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts Aufbauend auf der spätkonstitutionellen Ermessensfehlerlehre hatte sich der Gedanke eines subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung schon vor Einführung des Grundgesetzes entwickelt. Allerdings gelang die praktische und umfassende Umsetzung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts erst im Verwaltungsrecht der Bundesrepublik. Die prozessuale Durchsetzbarkeit individueller Rechtspositionen wurde durch die verwaltungsgerichtliche Generalklausel begünstigt, so dass sich der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bis zur Mitte der fünfziger Jahre als ungeschriebene Rechtsfigur etablieren konnte. Diese Untersuchung stellt zunächst chronologisch jene Umstände und Abläufe dar, die nach anfänglichen Widerständen letztendlich eine breite Akzeptanz des formellen subjektiven Rechts in Rechtstheorie und Rechtspraxis erfuhren. Eine systematisch orientierte Betrachtung der Diskussion um die Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch ergänzt den ersten Abschnitt des Hauptteils.

§ 13 Ursprünge des Anspruchs im Verwaltungsrecht der Weimarer Republik Das formelle subjektiv öffentliche Recht ist kein Produkt des neueren Verwaltungsrechts, welches durch das Grundgesetz im materiell-rechtsstaatlichen Sinne überformt wurde32. Weil die Geschichte dieses subjektiven Rechts eng mit jener der Ermessensfehler verbunden ist, lässt sich der Beginn seiner Entwicklung schon kurz nach Beginn des letzten Jahrhunderts aufspüren. Teils wird die Entdeckung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts fälschlicherweise Bühler zugeschrieben33. Dieser beschäftigte sich zwar intensiv mit dessen Behandlung in Lehre und Rechtsprechung, doch war Bühlers Konstruktion zuvor schon Jellinek bekannt. Nach ersten Untersuchungen in der Zeit der Weimarer Republik verschwand das formelle Recht dann längere Zeit aus der Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Betrachtungen. Erst in der Nachkriegszeit erforderte die bundesweit eingeführte verwaltungsgerichtliche Generalklausel wieder die Beschäftigung mit der Thematik, unter welchen Umständen dem Einzelnen ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Überprüfung von Ermessensentschei-

32

So auch Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 4. Ausdrücklich bei Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 4. Aber auch Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 (Fn. 17) erwähnt Bühler als erste Quelle des formellen subjektiv öffentlichen Rechts. 33

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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dungen zusteht. Zunächst wird der Blick aber auf den Beginn der Entwicklung gerichtet. I. Frühe Ansätze zur Konstruktion des formellen subjektiv öffentlichen Rechts Im Jahr 1910 notierte Laun, dass „so weit das Ermessen reicht, entgegenstehende Individualrechte ausgeschlossen sind“34. Dieser Satz verdeutlicht die Verwendung des Begriffs „freies Ermessen“ für jenen Bereich der Verwaltungstätigkeit, der keinen rechtlichen Bindungen unterliegt. Diese Aussage ist charakteristisch für die spätkonstitutionelle Ermessenslehre und ihr Dogma von der Ausschließlichkeit von freier Ermessensausübung und gebundenem Verwaltungshandeln35. 1. Walter Jellineks Vorarbeit Im Vergleich hierzu war die Ermessenslehre von Walter Jellinek weiter fortgeschritten. Sie dachte die Auflösung der Gegensätzlichkeit von Ermessen und rechtlicher Gebundenheit zumindest schon an. Jellinek begriff das Ermessen nicht mehr ausschließlich als rechts- und damit bindungsfreien Hoheitsbereich der Exekutive, sondern als durchaus partiell beschränkbar. Die Beschränkung des Ermessens leitete er aus der rechtlichen Gebundenheit des Verwaltungshandelns ab. Eine entscheidende Voraussetzung des subjektiv öffentlichen Rechts war damit schon entdeckt. Somit ist Jellineks Aussage, dass „das subjektive Recht . . . genau so weit reichen kann als die Rechtskontrolle überhaupt“36, heute Grundlage der Einsicht, dass der Umfang des subjektiven Rechts nicht größer als die objektive Pflicht der Behörde zur Achtung der rechtlichen Vorschriften sein kann. Jellinek gelang es, die Verbindung zwischen dem subjektiven Recht und der objektiv-rechtlichen Gebundenheit des Ermessens herzustellen, indem er den Inhalt des subjektiven Rechts des Einzelnen zutreffend darin verstand, „dass die Behörde diese Freiheit nicht fehlerhaft gebrauchen darf“37. Gerade weil zu dieser Zeit noch kein Konsens über die Ermessensfehlerlehre sowie über das We34

Laun, Ermessen, 1910, S. 261. Siehe dazu auch Laun, Ermessen, 1910, S. 31 f. Mehr als ein Jahrzehnt später spricht Tezner, Ermessen, 1924, S. 112 den subjektiven Rechten auf dem Gebiet des Ermessens deutlich schärfer noch jegliche Berechtigung ab. Ihre Existenz empfindet er, als wenn „ein dem Gesetze gänzlich unbekannter Anspruch zur Geltung gebracht wird, über den eine Verhandlung durchzuführen, Vergeudung von staatlicher Arbeit und staatlichem Gelde wäre“. 36 Jellinek, Gesetz, 1913, S. 116. 37 Jellinek, Gesetz, 1913, S. 117. 35

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

sen und die rechtlichen Kontrollmöglichkeiten der Handlungsmaßstäbe der Ermessensverwaltung bestand, ist der von Jellinek erzeugte Konnex zwischen subjektivem Recht und objektiver Pflicht als wichtige Erkenntnis der Verwaltungsrechtssystematik zu begreifen. 2. Scheidung des formellen vom materiellen subjektiven Recht durch Bühler Eine andere Leistung ist Ottmar Bühler zuzurechnen. Er siedelte das formelle subjektiv öffentliche Recht aufgrund seines Anspruchsinhalts im Bereich der Verfahrensgarantien an. Den Anspruch auf die „richtige“ Ausübung des Ermessens betrachtete er als ein besonderes unter mehreren formellen Rechten38. Bei der Frage nach den Maßstäben einer „richtigen“ Ermessensausübung musste auch Bühler zugestehen, dass hier eine grundsätzliche Klärung noch nicht zu verzeichnen sei. Anhand einer Untersuchung der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung registrierte er jedoch, dass der formelle Anspruch faktisch schon anerkannt sei39. Über die Beobachtung, dass bei den untersuchten Urteilen der Schwerpunkt der gerichtlichen Prüfung auf formellen Aspekten liege, erklärte Bühler die Einordnung des Anspruchs auf die richtige Ausübung des Ermessens als formelles Recht40. Die Arbeit von Bühler ist deswegen als grundlegender Beitrag zur Entstehung des Rechts auf fehlerfreie Ermessenentscheidung zu würdigen, weil er als erster den Charakter und die Voraussetzungen des formellen subjektiven Rechts detailliert erfasst und den Nachweis seiner Existenz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte erbracht hat.

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So Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 162. So bei Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 163 f. Zur Verstärkung seiner Behauptung zitiert er Apelt, Verwaltungsrechtspflege, 1911, S. 286, wonach das Ermessen „vielmehr beschränkt und bestimmt durch die der Behörde obliegende Pflicht [sei], alle ihre Entschließungen nur nach sachlichen und sachgemäßen Gesichtspunkten und so zu treffen, dass den Anforderungen des Gemeinwohls Rechnung getragen, die Verletzung berechtigter privater Interessen aber, soweit es irgendwie möglich, vermieden wird“. 40 So Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 219. Seine Behauptung (S. 208), dass sich bei unrichtiger Ausübung des freien Ermessens die notwendige Rechtsverletzung nicht konstruieren lasse, erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Allerdings ist die „unrichtige“ Ausübung der Schlüsselbegriff. Anhand seiner im Folgenden aufgezählten Beispiele macht Bühler deutlich, dass er sich hier nur gegen eine umfassende Überprüfung der Richtigkeit der Ermessensentscheidung stellt. Der Begriff der Richtigkeit umfasst schließlich neben der Recht- auch die Zweckmäßigkeit des behördlichen Handelns. Im Grunde will Bühler ein subjektives Recht auf eine gerichtliche Überprüfung von Rechtsfehlern im Rahmen der Ermessensausübung jedoch nicht ablehnen, siehe auch bei Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 (Fn. 17). 39

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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3. Rezension Bühlers durch Jellinek Wenngleich Walter Jellinek das Bühlersche Werk sehr harsch kommentierte41, so bestand im Punkt der subjektiven Rechte im Ermessensbereich zwischen den beiden doch ein weitgehender Konsens. Auch Jellinek vertrat die Ansicht, dass die behördliche Abwägung bei Ermessensentscheidungen keinen Anspruch auf eine „bestimmte Ausübung des Ermessens“42 zulässt. Dies kann jedoch lediglich in bezug auf Zweckmäßigkeitserwägungen gelten, da für Jellinek hinsichtlich der Rechtsfehler von Ermessensentscheidungen eine Rechtskontrolle und damit auch ein subjektives Recht denkbar war43. In diesem Zusammenhang monierte er auch die Verwendung der Bezeichnung als „Anspruch auf richtige Ausübung des Ermessens“ durch Bühler. Nach Jellineks Ansicht bestand das Risiko, dass das subjektive Recht missverständlich auch auf eine Einhaltung und Überprüfung von Zweckmäßigkeitsaspekten bezogen werden könnte44. Strittig zwischen Jellinek und Bühler blieb außerdem die Einordnung bestimmter Fehlerarten im Rahmen der Ermessensentscheidung45. 4. Anerkennung durch Richter Wie unsicher die Rechtswissenschaft bei der Bestimmung der rechtlichen Bindung des Ermessens war, wird in den Formulierungen Richters sichtbar. Für ihn war das Ermessen „wiederum irgendwie rechtlich begrenzt und geregelt“46. Wenngleich nach seiner Auffassung eine Ermessenskontrolle des behördlichen Handelns grundsätzlich ausgeschlossen war47, so merkte Richter doch auch an, dass eine willkürliche Ausübung der gesamten Rechtsordnung schade. Ermessensmissbrauch bedeutete für ihn eine Nichterfüllung hoheitlicher Pflichten

41

In Jellinek, AöR 32 (1914), S. 580 ff. Jellinek, AöR 32 (1914), S. 580 ff. (S. 593). 43 Zwar stellt Jellinek dies nicht ausdrücklich fest. Diese Behauptung lässt sich aber in Konsequenz seiner Aussage in AöR 32 (1914), S. 580 ff. (S. 593) begründen: „Soweit das [subjektive Recht] ,richtig‘ vom Standpunkte der Zweckmäßigkeitserwägungen betrachtet wird, gibt es einen solchen Anspruch . . . nicht.“ Dabei geht Jellinek allerdings wenige Zeilen später davon aus, dass „das Gesetz vorschreiben kann, die Behörde habe bei Ausübung ihres Ermessens gewisse Erwägungen anzustellen oder zu meiden.“ 44 Diese Feststellung nutzt Bachof in Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 (Fn. 17), um den Begriff des „Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung“ zu prägen, der noch heute gebräuchlich ist. Umständlicher, wenngleich präziser wäre allerdings die Bezeichnung „Anspruch auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung“. 45 Vgl. die unterschiedliche Behandlung von Abwägungsfehlern anhand des Hufschmied-Falls bei Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 210 ff. und Jellinek, Gesetz, 1913, S. 341 ff. 46 Richter, AöR 8 n. F. (1925), S. 1 ff. (S. 66). 47 So Richter, AöR 8 n. F. (1925), S. 1 ff. (S. 40). 42

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

durch den Staat, der aufgrund der Möglichkeiten seiner rechtlichen Bindung auch im Bereich des Ermessens Verpflichteter sein kann48. Infolge dieses Ermessensbegriffs war für Richter auch die Idee einer subjektiven Berechtigung vorstellbar, so dass er die Möglichkeit erkannte, dass dem Einzelnen ein subjektives und gerichtlich durchsetzbares Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung zusteht49. Er reiht sich damit in die Tradition von Bühler und Jellinek ein, die ein subjektives Recht auf Wahrung der rechtlichen Ermessensgrenzen anerkennen, ohne diese präzise beschreiben zu können. 5. Wiederaufnahme in Jellineks Verwaltungslehre In seinem Verwaltungsrechtslehrbuch argumentierte Walter Jellinek im Jahr 1928 ähnlich wie schon zuvor 1914. Er verwies zunächst auf die Problematik, dass eine einseitige, rechtliche Bindung der Verwaltung im Bereich des Ermessens anders als beim gebundenen Verwaltungshandeln nicht bestünde. Es fehle daher an der erforderlichen Willensmacht, um ein subjektiv öffentliches Recht anerkennen zu können50. Anhand eines Vergleichs des behördlichen Ermessens im öffentlichen Recht mit dem Ermessen eines Einzelnen im Privatrecht gelangte Jellinek jedoch zu der Erkenntnis, dass auch für das behördliche Ermessen ein gewisser Grad an Gebundenheit existiert51. Insofern akzeptierte er das Vorhandensein rechtlicher Maßstäbe auch im Bereich des Ermessens. Die Verbindung zwischen Ermessen und subjektivem Recht stellte Jellinek über den Gedanken her, dass sich das subjektive Recht so weit erstreckt, wie das Ermessenshandeln überprüfbar ist52. Die Existenz subjektiv öffentlicher Rechte im Bereich des Ermessens konnte nach den Ausführungen Jellineks in der damaligen Rechtswissenschaft zwar als überwiegend anerkannt, wenngleich nicht als unumstritten gelten53. Insbesondere die Streitfrage um das Maß der rechtlichen Einbindung des Ermessens ver-

48

So Richter, AöR 8 n. F. (1925), S. 1 ff. (S. 40 f.). Siehe dazu Richter, AöR 8 n. F. (1925), S. 1 ff. (S. 66) mit Rückverweisen auf Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 162 und Jellinek, AöR 32 (1914), S. 580 ff. (S. 593 f.). 50 So Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 201. 51 Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 200 nennt das Verbot der Willkür und das Gebot, sich nicht durch rechtswidrige Erwägungen beeinflussen zu lassen, wie auch die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung. 52 So Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 201, aber auch schon in Gesetz, 1913, S. 116. Seine Ansicht hält Jellinek auch in der zweiten und letzten Auflage seines Verwaltungsrechtsbuchs von 1929 unverändert aufrecht. 53 Stellvertretend für die Gegenansicht sieht Tezner, Ermessen, 1924, S. 110 f. die objektive Pflicht der Behörde zur Prüfung der Beschwerde wegen falscher Ermessensausübung nicht mit der Thematik eines subjektiven Rechts verknüpft. 49

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hinderte, dass die Thematik des Rechts auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung tiefergehend diskutiert werden konnte. II. Typische Probleme der dogmatischen Anspruchskonstruktion Die frühen Auffassungen zum subjektiv öffentlichen Recht waren zögerlich formuliert und von der Unsicherheit über den Verlauf der Ermessensgrenzen gezeichnet. Es lässt sich erahnen, welche Schwierigkeiten das spätkonstitutionelle Ermessensverständnis der Begründung eines Ermessensanspruchs bereitete. 1. Einbindung des Ermessens in den Rechtsstaat Als größtes Hindernis für eine Konstruktion des subjektiven Rechts im Bereich der „freien“ Verwaltung entpuppte sich die Uneinigkeit über die Frage, welche Stellung dem Ermessen innerhalb der Rechtsordnung zuzuweisen war. Zum einen war das Ausmaß der rechtlichen Gebundenheit der Ermessenstätigkeit und damit die objektive Pflicht der Behörde weder gesetzlich, noch durch Rechtsprechung oder Lehre klar umrissen. Da die Verbindung zwischen objektiver Pflicht der Behörde und subjektivem Recht des Einzelnen dogmatisch noch nicht eindeutig vollzogen war, war zum anderen die Auflösung der vermeintlichen Gegensätzlichkeit von Ermessensfehler und subjektivem Recht unmöglich54. Oft rief auch die Angst vor einer Zwangsläufigkeit, mit der ein Ermessensfehler ein subjektives Recht auf dessen gerichtliche Kontrolle auszulösen schien55, eine strikte Ablehnung subjektiver Rechte hervor. 2. Funktion des Ermessens Außerdem wurde die Funktion des Ermessens damals anders begriffen als heute. So wie jetzt das Verständnis dominiert, Ermessen sei eine notwendige Unbestimmtheit im Rahmen des Normvollzugs, so überzeugt zeigte sich die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik noch von der Natur des Ermessens als Element der schöpferischen Verwaltung und Rückzugsgebiet monarchischer Exekutivbefugnisse56. Rechtsgebundene und rechtsbindungsfreie Verwaltung wurden damals als kategorial gegensätzlich empfunden. Die Dichotomie 54 Schließlich war die Vorstellung noch nicht präsent, dass Ermessen und Anspruch deswegen auf zwei verschiedenen Ebenen liegen, weil der Gegensatz zum Ermessen eben nicht das subjektive Recht, sondern die objektiv-rechtliche Gebundenheit ist, treffend formuliert von Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 377). 55 Eine Differenzierung im Sinne der heutigen Schutznormtheorie, dass nicht jeder Ermessensfehler als objektive Pflichtverletzung der Verwaltung ein subjektives Recht auslöst, gelang im klassischen Verwaltungsrecht nur Jellinek, Gesetz, 1913, S. 117. 56 Ähnlich beschrieben von Stolleis, Geschichte, Bd. 2, 1992, S. 414.

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von Ermessen und Recht erschwerte es, das Ermessen in einen rechtlichen Rahmen zu betten. Rechtstheoretisch war das Ermessen ein fremdes Element im rechtsstaatlichen Gefüge57. Zwar bewirkte die Entscheidungspraxis der Gerichte, Ermessensakte auf ihre Fehlerhaftigkeit zu überprüfen, de facto eine rechtliche Begrenzung des Ermessens. Die Rechtswissenschaft beschränkte sich jedoch darauf, diese „widersprüchliche“ Praxis zu erklären, anstatt an ihrer dogmatischen Auflösung zu arbeiten. Auch dies erklärt die damals zu beobachtende Zögerlichkeit und Umstrittenheit der verschiedenen Ermessensfehlerlehren. 3. Funktion der Verwaltung Auch wurde die Funktion des öffentlichen Rechts im klassischen Verwaltungsrecht anders verstanden als nach heutiger Auffassung. Unter einer Vernachlässigung der historischen Perspektive gerät allzu schnell die Tatsache in Vergessenheit, dass erst die grundrechtliche Anerkennung einer rechtlichen Privatsphäre des Bürgers einen grundsätzlichen Verständniswandel innerhalb des öffentlichen Rechts auslöste. Wird die Funktion der Exekutive heute zumindest auch im Schutz von Individualinteressen gesehen, so wurden die Aufgaben der Verwaltung vor 1945 als fast ausschließlich im öffentlichem Interesse liegend verstanden58. Infolgedessen konnten individuelle Interessen nur für den Ausnahmefall eines gesetzlich geregelten, subjektiv öffentlichen Rechts Beachtung finden. Rechtssystematisch bestanden jedoch keine weitergehenden Möglichkeiten, über private Interessen auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis von Staat und Bürger Einfluss zu nehmen. Die damalige Auffassung vom öffentlichen Recht als Regelungskomplex für rein öffentliche Angelegenheiten war somit ein weiteres Hindernis für die Anerkennung subjektiver Rechte. 4. Auswirkungen der Dichotomie auf die Ermessensfehlerlehren Auf der Akzeptanz einer letztlich nur vordergründigen Antinomie von Ermessen und Recht59 beruhten auch die Schwierigkeiten bei dem Versuch, Fehlerhaftigkeiten bei der Ermessensentscheidung konsequent in unüberprüfbare Zweckmäßigkeits- und in kontrollierbare Rechtsfehler zu unterteilen. Auf den ersten Blick scheint diese Unterscheidung inhaltlich der heutigen verwaltungsprozes57

Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 208: „Ermessensfehler sind ja gerade begrifflich da ausgeschlossen, wo zwingende Rechtsvorschriften für das Verfahren vor einer Behörde bestehen“. Der Unterschied zum heutigen Verständnis von Recht und Ermessen wird anhand der Aussage von Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 743) sichtbar. Er begreift die Grenzen zwischen freier und gebundener Verwaltung als flüssig, es existierten „alle nur möglichen Abstufungen“. 58 Statt vieler: Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 1953, S. 677. 59 So das Urteil von Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 31.

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sualen Regelung zu entsprechen. § 114 VwGO besagt allerdings, dass bis auf Ermessensfehler im Bereich der Zweckmäßigkeit alle rechtlich relevanten Ermessensfehler einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Anders als im klassischen Verwaltungsrecht bezeichnet § 114 VwGO rechtlich relevante Ermessensfehler somit nicht als Rechtsfehler, sondern als Ermessensfehler. Diese Gegenüberstellung macht deutlich, dass der Ermessensbegriff des klassischen Verwaltungsrechts nach heutiger Begrifflichkeit lediglich den unkontrollierbaren Bereich der Zweckmäßigkeitserwägungen bei Ermessensentscheidungen erfasst. Auch heute ist wie zu Zeiten Jellineks in diesem Kernbereich des Ermessens ein subjektives Recht mangels rechtlicher Bindung der Verwaltung nicht konstruierbar. Hingegen wird jene Verwaltungstätigkeit, die nach heutiger Terminologie als Ermessensausübung einen inneren oder äußeren Ermessensfehler nach sich ziehen kann, im klassischen Verwaltungsrecht als „rechtsfehlerhaft“ bezeichnet. Sie wird daher nicht mehr dem Bereich der freien Verwaltungstätigkeit, sondern der rechtlichen gebundenen Verwaltung zugeordnet. Die Möglichkeit eines subjektiven Rechts ist gedanklich bereits entwickelt. Es wird jedoch nicht im Bereich des Ermessens, sondern im Bereich der gebundenen Verwaltung lokalisiert. 5. Vergleich mit dem aktuellen formellen Ermessensanspruch Aus diesen Ausführungen lassen sich zwei Einsichten gewinnen. Zum einen bestehen inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen den Lehren vom subjektiven Recht auf dem Gebiet des Verwaltungsermessens von damals und heute. Zum anderen wird aber auch deutlich, dass sich die Begrifflichkeiten verändert haben. Insofern ist eine Übertragung der heutigen Bezeichnung des subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch auf den Wortgebrauch im klassischen Verwaltungsrecht nicht im Maßstab „eins-zu-eins“ möglich. Denn das Ermessen umschrieb eben nur den letzten, rechtlich nicht determinierbaren Freiraum der Zweckmäßigkeitserwägungen und nicht einen in rechtliche Strukturen eingebetteten Bereich. Bildlich gesprochen stand das Ermessen außerhalb der Rechtsordnung, es war kein Freiraum innerhalb des Rechtssystems. Mit diesem Verständnis des Ermessensbegriffs war die Vorstellung von subjektiven Rechten unvereinbar60.

60 Als Vermutung soll in den Raum gestellt bleiben, ob eine Bezeichnung des formellen subjektiven Rechts als Anspruch auf „Einhaltung der rechtlichen Bindungen bei der Ermessensausübung“ nicht eine größere Akzeptanz gewonnen hätte als die missverständliche Bezugnahme auf die „richtige“ Ermessensausübung.

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III. Zusammenfassung Die heutige Lehre vom formellen subjektiv öffentlichen Recht war in ihren inhaltlichen Grundzügen schon im klassischen Verwaltungsrecht entwickelt, auch wenn die wissenschaftliche Diskussion hierüber mit anderen Begrifflichkeiten geführt wurde. Das Dogma der Gegensätzlichkeit von Ermessen und subjektivem Recht blockierte eine Intensivierung der Ermessensfehlerlehre und damit eine Fortentwicklung und Ausbreitung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts. Schließlich bedurfte die lückenlose Verzahnung von Ermessen und subjektiven Rechten einer klaren Definition des Verhältnisses von Recht und Ermessen. Die notwendige Integration des Verwaltungsermessens in den rechtsstaatlichen Staatsaufbau gelang dem Verwaltungsrecht jedoch erst nach Kriegsende.

§ 14 Das formelle subjektiv öffentliche Recht nach Kriegsende In der kurzen Phase zwischen Beendigung des Zweiten Weltkrieges durch die Alliierten im Mai 1945 und der Errichtung des Bonner Grundgesetzes vier Jahre später war die Verwaltungsrechtswissenschaft durch einen umfassenden Stillstand fast aller ihrer Tätigkeiten gekennzeichnet61. Die Besatzungsmächte drängten allerdings ihrerseits auf eine Wiederaufnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit62, welche unter dem nationalsozialistischen Regime vollständig zum Erliegen gebracht worden war63. Diesem Verlangen kamen die Bundesländer mit der Einführung von Verwaltungsprozessordnungen nach. Mit geringen Änderungen bewahrten die Prozessordnungen ihre Geltung bis zur Einführung der bundeseinheitlichen Verwaltungsprozessordnung am 21. Juni 1960. Sie gelten zunächst als Rahmenbedingung der gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen.

61 Zugleich erfolgt die Rückbesinnung auf die Inhalte des Rechts der Weimarer Zeit, so Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 234 f.). 62 Dementsprechend ordnete das Kontrollratsgesetz Nr. 36 vom 10.10.1946 die Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit an, siehe bei Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 1; Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1987, S. 1178 ff. (S. 1179). 63 Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1987, S. 1178 ff. (S. 1178) zeigt auf, wie trotz einer formellen Aufrechterhaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Individualrechtsschutz letztlich eingestellt wurde.

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I. Übergangsrechtliche Situation für die Überprüfbarkeit der Ermessensakte Bevor die Entstehung des formellen subjektiven Rechts dargestellt wird, folgt ein Überblick über die verwaltungsprozessuale Rechtslage der deutschen Nachkriegszeit. Die Kenntnis folgender rechtlicher Rahmenbedingungen der Ermessensüberprüfung ist aus verschiedenen Gründen erforderlich. Die gesetzliche Regelung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsund insbesondere Ermessensakten ist ein wichtiger Rahmenfaktor für die Anerkennung von Ermessensansprüchen. Zudem ist der Beobachtung Rechnung zu tragen, dass bei vielen Themen nicht das wissenschaftliche Interesse an ihnen, sondern ihre praktische Relevanz über das Ausmaß ihrer rechtswissenschaftlichen Behandlung entscheidet. Nicht zuletzt ist eine Darstellung der verwaltungsgerichtlichen Lage auch deswegen geboten, weil sie sich im Vergleich zu den älteren Regelungen in Preußen und Süddeutschland nach 1945 langfristig gravierend verändert hat. Anstatt des bislang fast durchgängig geltenden Enumerationsprinzips64 wurde nun die verwaltungsgerichtliche Generalklausel in den Prozessrechten der Länder eingeführt, noch bevor diese in Art. 19 Abs. 4 GG ihre verfassungsrechtliche Verankerung fand65. Insbesondere Klagen gegen Ermessensentscheidungen stand damit erstmals der Weg zur gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich offen66. Die Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgte in den verschiedenen Besatzungszonen auf unterschiedliche Weise67. Für die vier Länder der amerikanischen Besatzungszone ergingen bis 1947 im wesentlichen gleichlautende Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (VVG)68. In der briti64 Lediglich Württemberg und Sachsen eröffneten den Weg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit auch vor 1945 über eine Generalklausel, so Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909 ff. (S. 912). 65 So Bachof, DÖV 1953, S. 417 ff. (S. 418); Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1987, S. 1178 ff. (S. 1179). 66 Zwar erlaubte eine die polizeilichen Angelegenheiten betreffende Generalklausel in Preußen auch die gerichtliche Überprüfung der polizeilichen Ermessensakte, etwa nach Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909 ff. (S. 923). Allerdings sind diese Fälle aufgrund ihrer Zuweisung durch besondere gesetzliche Vorschriften aber als „ausnahmsweise Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes“ der Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Ermessensfragen zu betrachten, so auch Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 653 (Fn. 1). Sie dienen daher gerade nicht als Beispiel einer generellen Überprüfung behördlicher Ermessensakte. 67 Die folgende Darstellung beschränkt sich jedoch auf das Gebiet der amerikanischen und britischen Besatzungszone. Diese Eingrenzung ist deswegen angebracht, weil die Rechtslage im französisch besetzten Gebiet keine Besonderheiten, jedoch einen räumlich sehr beschränkten Anwendungsbereich aufweist, so auch bei Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 3. 68 Auch bei: Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1987, S. 1178 ff. (S. 1179); Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 1.

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schen Zone gelang eine erste einheitliche Regelung erst mit der am 1. April 1948 in Kraft getretenen Verordnung der Britischen Militärregierung (MRVO) Nr. 141, welche die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte durch die Generalklausel erweiterte69. Diese Verordnung wurde am 15. September 1948 durch die MRVO Nr. 165 abgelöst, die inhaltlich den süddeutschen Verwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzen ähnelte und letztlich zu einer umfassenden Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit führte. Im Ergebnis wurde damit das bislang geltende Enumerationsprinzip der Ländergerichtsbarkeiten ausgehebelt. Der Rechtsschutz erweiterte sich aufgrund der inhaltlich unbeschränkten Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in erheblichem Umfang. 1. Gesetzliche Regelung der Klagebefugnis Immer wenn ein Rechtsschutzsystem den Rechtsweg über eine Generalklausel grundsätzlich gegenüber jedem Streitgegenstand eröffnet, so muss die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens von der Voraussetzung der Klagebefugnis abhängig sein. Die Klagebefugnis war in den süddeutschen Ländern allgemein in § 23 VGG und speziell für die Anfechtungsklage in § 35 Abs. 1 VGG geregelt. § 36 VGG erwähnt die Möglichkeit der gerichtlichen Ermessensüberprüfung70. Dabei fordern nun auch §§ 23, 35 VGG entsprechend den bisherigen preußischen und hamburgischen Vorschriften eine Rechtsverletzung. Die Regelung für den süddeutschen Raum ähnelt damit der Normierung in der britisch besetzten Zone71. 69

So Sieveking, MDR 1948, S. 315 ff. (S. 315 f.). Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (für Bayern: Gesetz Nr. 39 vom 25.09.1946 (GVBl. S. 281 ff.) i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 30.09.1949 (GVBl. S. 258); für Bremen: Gesetz vom 05.08.1947 (GBl. S. 171); für Hessen: Gesetz vom 31.10. 1946 (GVBl. S. 194 ff.) i. d. F. vom 30.06.1949 (GVBl. S. 137 ff.) und das Änderungsgesetz vom 06.03.1954 (GVBl. S. 21); für das ehemalige Württemberg-Baden: Gesetz Nr. 110 vom 16.10.1946 (RegBl. S. 221 ff.)) § 23 [Aktivlegitimation] Soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist, kann nur klagen, wer ein ihm zustehendes Recht geltend macht oder eine ihm angesonnene Verbindlichkeit bestreitet. Die Zugehörigkeit zu einem öffentlichen Verbande und die persönliche Rechtsstellung stehen einem Rechte gleich. § 35 [Anfechtungsklage] (1) Die Anfechtungsklage ist gegeben, wenn jemand behauptet, durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. (anders in Württemberg-Baden: Die Anfechtungsklage ist gegeben, wenn jemand behauptet, in einem ihm zustehenden Recht verletzt oder mit einer ihm nicht obliegenden Verbindlichkeit belastet zu sein.) § 36 [Ermessen] Soweit Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu befinden, kann die Anfechtungsklage, wenn nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist, nur darauf gestützt werden, daß von diesem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht sei, insbesondere, daß Ermessensmißbrauch vorliege. 71 So Sieveking, MDR 1948, S. 315 ff. (S. 317). 70

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Hier regulierte § 23 MRVO Nr. 165 die Frage der Klagebefugnis72. Allerdings betont § 23 Abs. 1 MRVO Nr. 165 stärker als § 35 VGG, dass die Anfechtungsklage neben der objektiven Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes auch des subjektiven Elements der Rechtsverletzung bedarf73. Dass nach den neuen Verwaltungsprozessregelungen eine objektive Rechtswidrigkeit und eine subjektive Rechtsverletzung wie selbstverständlich als getrennt betrachtet wurden74, ist eine Neuerung des Verwaltungsprozessrechts75. Aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 36 VVG, 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165 lassen sich auch Rückschlüsse auf den Umfang der Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen ableiten76. Die besondere Regelung der Ermessenskontrolle der beiden Vorschriften legt nahe, dass der Gesetzgeber sie als gesetzliche Ausnahme des Verbots der gerichtlichen Ermessensüberprüfung betrachtet77. Theoretisch bleibt die gerichtliche Ermessenskontrolle damit auch nach 1945 der Ausnahmefall78. Im Endeffekt bewirkt die verwaltungsgerichtliche Generalklausel tendenziell aber dennoch eine quantitative Zunahme der Überprüfung von Ermessenentscheidungen, dies schränkt die Handlungsspielräume der Verwaltung in gesteigertem Maße ein79.

72 § 23 [Anfechtungsklage] der Militärregierungsverordnung Nr. 165 (VOBl. BZ 1948, S. 265) (1) Die Anfechtung eines Verwaltungsaktes kann nur darauf gestützt werden, daß der Verwaltungsakte den Kläger in seinen Rechten beeinträchtige, weil er rechtswidrig sei. Die Klage ist auch bei Nichtigkeit des Verwaltungsakts zulässig. (2) Als rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt auch anzusehen, wenn die Tatsachen, die ihn gerechtfertigt hätten, nicht vorhanden waren. (3) Sind die Verwaltungsbehörden ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so kann die Anfechtung insoweit nur darauf gestützt werden, als die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten seien oder von dem Ermessen in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei. 73 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 79. 74 Statt vieler: Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 614 f. 75 Schließlich war der Zugang zu den Verwaltungsgerichten zuvor bis auf wenige Ausnahmen über das Enumerationsprinzip und damit rein objektiv-rechtlich geregelt, siehe auch unter § 14 I (Fn. 64). 76 Obwohl beide Bestimmungen inhaltlich die gleiche Aussage treffen, ist der Militärregierungsverordnung eine systematisch bessere Normierung gelungen, da sie die zwei Arten von inneren und äußeren Ermessensfehlern aufzählt, so die Wertung von Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 743, 748) und Fachinger, NJW 1949, S. 244 ff. (S. 244). 77 So Sieveking, MDR 1948, S. 315 ff. (S. 317); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 653. 78 Zu diesem Ergebnis kommt ebenso Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 747). 79 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 657 bemerkt schon früh, dass „der Bereich des Ermessens durch den fortschreitenden Prozeß der Juridifizierung verengt worden ist“.

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2. Voraussetzungen der Klagebefugnis So wie sich über das junge Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung eine breite wissenschaftliche Grundsatzdiskussion entzündete80, so divergierten auch die Ansichten über die Voraussetzungen der Klagebefugnis zur Anfechtung von Ermessensfehlern. Da der Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit enumerativ geregelt war, hatte sich bislang die Frage nach der Klagebefugnis weitgehend nicht gestellt81, so dass die bisherige Entscheidungspraxis im Bereich der Ermessensüberprüfung keine Anhaltspunkte bieten konnte. Als Ausgangs- und Orientierungspunkt musste daher auf die gesetzliche Rechtslage zurückgegriffen werden. Bei der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften war das Verhältnis zwischen den Normenkomplexen dogmatisch umstritten, welche zum einen die Möglichkeit der gerichtlichen Ermessenskontrolle regelten und sich zum anderen mit der allgemeinen Klagebefugnis befassten. Die Frage war demnach, ob § 36 VGG oder § 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165 ein selbständiges Klagerecht begründen, oder ob diese Vorschriften nur eine Beschränkung der gerichtlichen Prüfungsbefugnis von Ermessensakten bedeuten und daher eine reguläre Klagebefugnis nach § 35 VGG bzw. § 23 Abs. 1 MRVO Nr. 165 erfordern82. Als 80 Ihre Darstellung würde an dieser Stelle aber zu weit führen. Daher wird für die Behandlung der Thematik, ob ein Recht verletzt sein muss oder eine Rechtsphärenoder Interessensbeeinträchtigung ausreicht, verwiesen auf: Werder/Labs/Ortmann, Kommentar, 1949, S. 64 ff.; Witten, DV 1949, S. 339 (S. 341); Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 78 ff.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 615. 81 Dies gilt nur im Grundsatz, daneben merkt Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909 ff. (S. 912) differenzierend an, dass in Bayern neben der aufzählenden Zulassung der Streitgegenstände zum Teil auch die Geltendmachung subjektiver Rechte gefordert wurde. 82 Die erste Ansicht, wonach die das Ermessenshandeln betreffenden Normen einen Sonder- und Ausnahmefall zu den allgemeinen Normen darstellen, vertrat etwa Rupp, DÖV 1948, S. 104 ff. (S. 105). Seine Aussage kann dahin ausgelegt werden, dass sich §§ 35 und 36 VVG begrifflich ausschlössen. Damit müsste auf die Frage nach der Klagebefugnis bei Ermessensentscheidungsanfechtungen eine eigene Antwort isoliert von der allgemeinen Diskussion um das subjektiv öffentliche Recht gefunden werden. Nach der Gegenauffassung ist § 36 VGG, bzw. § 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165 ein Spezial- und Unterfall zu § 35 VGG, bzw. § 23 Abs. 1 MRVO Nr. 165, so dass sich die Klagebefugnis für Ermessensentscheidungen nach den allgemeinen Regeln bestimmt. So etwa Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748); Werder/Labs/Ortmann, Kommentar, 1949, S. 68; Witten, DV 1949, S. 339 ff. (S. 340); Dersch, RdA 1952, S. 310 ff. (S. 303); Krüger, NJW 1953, S. 1369 ff. (S. 1372). Gegen die erste Ansicht spricht, dass sie die Diskussion um das Bestehen eines subjektiven Rechts lediglich auf die nicht leichter zu beantwortende Frage nach der Existenz eines rechtlich geschützten Interesses verlagern würde, so auch Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 83. Hingegen ist das subjektiv öffentliche Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Rechtswissenschaft seit Jellinek bekannt und Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748) hält es mit einer rechtsstaatlich geordneten Verwaltung vereinbar. Entscheidend ist das von Krüger, NJW 1953, S. 1369 ff.

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Ergebnis dieser Diskussion kristallisierte sich letztlich heraus, dass eine Klagebefugnis gegen Ermessensentscheidungen das Vorhandensein eines subjektiv öffentlichen Rechts nach allgemeinen Regeln verlangt. Das subjektive Recht kann damit nicht separat aus § 36 VGG oder § 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165 abgeleitet werden. II. Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung in der Rechtswissenschaft Obwohl mit der Verfassungsgebung „die für das Fach notwendigen staatlichen Strukturen“83 wieder existierten, wurde die Verwaltungsrechtswissenschaft noch nicht intensiviert betrieben. Davon zeugt die geringe Zahl neu entstandener staats- oder verwaltungswissenschaftlicher Werke vor 194984. In der verwaltungsrechtlichen Literatur dieser Zeit lässt sich auch das subjektive Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch kaum entdecken. Zwar werden in den wenigen Aufsätzen und Lehrbüchern die Ermessenslehren auch unter dem Aspekt ihrer gerichtlichen Nachprüfbarkeit dargestellt85. Allerdings bleibt dort das Recht des Einzelnen unerwähnt, eine solche Ermessenskontrolle einzuleiten. Die Sachkomplexe Ermessen und subjektiv öffentliches Recht werden zwar jeder für sich behandelt, ihre Verbindung wird hingegen nicht thematisiert86. Deshalb gelingt es noch nicht, das subjektive Recht als mögliches Äquivalent der objektiven Pflicht der Behörde zur Handhabung des Ermessens innerhalb des gesetzlichen Rahmens hinzuzudenken87. (S. 1372) vorgebrachte Argument, dass der Gesetzgeber das subjektive Recht als bestehend voraussetzen muss, sofern er dem Einzelnen die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen Ermessensakte zugestehen und diese nicht der Gefahr der Wirkungslosigkeit aussetzen will. 83 Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 227 ff. (S. 236). 84 Dabei verweist Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1984, S. 227 ff. (S. 234 f.) auf eine Bedarfsdeckung durch den Neudruck älterer Werke (so z. B. der dritten, aber unveränderten Auflage von Walter Jellineks Verwaltungsrecht im Jahr 1948) oder den Rückgriff auf die Klassiker von Otto Mayer, Fritz Fleiner oder Julius Hatschek. 85 Fachlinger, NJW 1959, S. 244 ff.; Schmidt-Brücken, DÖV 1949, S. 41 ff.; Werder/Labs/Ortmann, Kommentar, 1949, S. 67 hingegen behaupten, dass „freies Ermessen und subjektives öffentliches Recht sich gegenseitig ausschließen“, ebenso: Nebinger, Verwaltungsrecht, 1946, S. 201 ff. und Verwaltungsrecht, 1949, S. 199 ff.; Peters, Verwaltung, 1949, S. 12 f. 86 So z. B. bei Nebinger, Verwaltungsrecht, 1946, S. 223 ff., 284 ff. und Verwaltungsrecht, 1949, S. 201 ff., 246 ff.; Peters, Verwaltung, 1949, S. 10 ff., 141 ff. und auch noch später Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 115. 87 Beispielhaft ist hier die Beobachtung von Krönig, MDR 1948, S. 130 ff. (S. 130) in seiner Rechtsprechungsanalyse der ersten Jahre nach 1945, dass „Ermessensmißbrauch als Rechtsverletzung“ aufgefasst werde. Auch er schafft lediglich einen vagen Bezug zwischen Ermessen und subjektivem Recht, eine Auseinandersetzung mit der

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Ein erster gedanklicher Anstoß findet sich in Bachofs vielbeachtetem Aufsatz „Die verwaltungsgerichtliche Ermessenskontrolle“88, in welchem er für das subjektive Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung plädiert. Bachof verweist auf die praktische Anerkennung des formellen subjektiven Rechts innerhalb der richterlichen Ermessenskontrolle. Seiner Ansicht nach ergibt sich das subjektive Recht auch aus einer rechtsstaatlich gebotenen Auslegung der Verwaltungsgerichtsgesetze89. Gegen die Annahme eines formellen subjektiven Rechts wendet sich Nebinger mit der Behauptung, dass die Klagebefugnis bei Ermessensfehlerhaftigkeit selbstverständlich gegeben und aus diesem Grund ein subjektives Recht für den Erfolg einer Anfechtungsklage nicht notwendig sei90. Allerdings leidet Nebingers Argumentation darunter, dass er die Überflüssigkeit des subjektiven Rechts auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht begründen kann. Seine Ablehnung ist daher nicht stichhaltig91. Beide Beiträge zeigen, dass die Thematik des Ermessensanspruchs nicht zum Inhalt desjenigen Fragenkreises gehörte, mit dem sich die Rechtswissenschaft in der Nachkriegszeit primär beschäftigte. Als eher theoretische Randproblematik wurde ihm nur wenig Aufmerksamkeit zuteil.

Problematik der Rechtsverletzung aufgrund ermessensfehlerhaften Maßnahmen erfolgt aber nicht. Diese einseitige Betrachtung fällt ebenso bei Nebinger, Verwaltungsrecht, 1949, S. 201 ins Auge. Er erwähnt etwa den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als besonderes subjektives Recht nicht, wenn er die „gleichmäßige Behandlung der Einzelnen“ als Grundsatz der Ermessensausübung aufzählt. 88 Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. 89 So Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748). 90 Nebinger, Verwaltungsrecht, 1949, S. 227: „Es ist klar, daß einem Antragsteller . . . verwaltungsgerichtlicher Schutz auf der Grundlage des § 36 VGG zusteht“. 91 Dies moniert auch Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 (Fn. 17): „So hätte man doch wohl den Versuch einer Begründung für diese Behauptung erwarten dürfen!“ Letztlich muss sich Nebinger die Vermutung entgegenhalten lassen, dass sich hinter seiner Aussage ein unreflektiertes Unbehagen vor den vermeintlichen Folgen eines subjektiven Rechtes verbirgt, die den Weg zu einer unbelasteten und lediglich an juristischen Fragstellungen orientierten Betrachtung versperrt. Wenn Nebinger, Verwaltungsrecht, 1949, S. 227 die Konsequenzen des subjektiven Rechts als eine Überschwemmung der Verwaltungsgerichte mit Anfechtungsklagen gegen Ermessensentscheidungen beschreibt, die „das freie Verwaltungsermessen als Lebenselement einer gesunden Verwaltung“ bedrohen würden und auf S. 226 f. bittet „Man verschone uns mit der unmöglichen Konstruktion eines subjektiven Rechts auf fehlerfreie Anwendung des freien Verwaltungsermessens!“, zeugt dies von seinen persönlichen, politischen Vorbehalten gegenüber einer Berechtigung des Einzelnen zur Initiierung einer gerichtlichen Kontrolle von Ermessensakten, die seine sachliche Argumentation unterlaufen.

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III. Inhalte der ersten landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen Die untergeordnete Bedeutung des subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung spiegelt sich auch in den Inhalten der ersten Gerichtsentscheidungen nach Kriegsende wider92. Die richterlichen Äußerungen konzentrieren sich auf die Klärung der gerichtlichen Überprüfungsbefugnis und damit auf die Einteilung der Streitgegenstände in kontrollierbare Rechts- und unkontrollierbare Ermessensfragen93. Gegenstände des gerichtlichen Interesses sind daher vor allem diejenigen rechtlichen Maßstäbe, die das Ermessenshandeln der Verwaltung normieren und beschränken94. Zugleich wird vielfach versucht, die objektive Pflicht der Verwaltung zur Achtung der rechtlichen Ermessensgrenzen zu beschreiben. Dem Korrelat zu den Pflichten der Verwaltung, also den subjektiven Rechten des Einzelnen schenkt die Rechtsprechung hingegen wenig Beachtung. Bis 1950 ist nicht zu entdecken, dass die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte das formelle subjektiv öffentliche Recht ausdrücklich nennt oder sich inhaltlich mit diesem befasst95.

92 Die im Rahmen der Untersuchung behandelten Rechtsprechungsentscheidungen werden im Folgenden ausführlicher als üblich mit ihrem Datum und einem Kurztitel zitiert, damit zum einen die chronologische Einordnung wie auch die Wiedererkennung der jeweiligen Fälle erleichtert wird. Darüber hinaus sind diese Entscheidungen in ein Rechtsprechungsverzeichnis am Ende dieser Arbeit aufgenommen worden, da sie teilweise schwierig auffindbar sind. 93 So BayVGH (03.11.1947), BayVGHE 1 (1947–48), S. 28 ff. (S. 29 f.) – [„Kochstube]; BayVGH (24.11.1948), BayVGHE 1 (1947–48), S. 126 ff. (S. 128) – [3 Schwestern]; OVG Hamburg (16.12.1948), DV 1949, S. 220 f. (S. 221) – [Tochterzimmer]. 94 Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehlerhaftigkeit wurde in folgenden Beispielen angenommen: Ausserachtlassen einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung für den Anklagesteller in VGH BW (14.05.1948), VerwRspr 1 (1949), S. 164 ff. (S. 167 f.) – [Uhrenwerkstätte]; völlige Willkür oder offensichtliche Fehlsamkeit in OLG Hamm (06.07.1948), DV 1948, S. 66 f. (S. 67) – [Leichenwagen]; in OVG Hamburg (16.12.1948), DV 1949, S. 220 f. (S. 221) – [Tochterzimmer] hingegen wird schon am Gesetzestext des § 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165 orientiert zwischen Ermessensüberschreitung und -missbrauch unterschieden, wenig später hingegen verwendet das OVG Hamburg (10.03.1949), MDR 1949, S. 315 f. (S. 316) – [Unbilligkeit] aber wieder eine vage Formel einer „offensichtliche[n], aus keiner Erwägung vertretbare[n] Fehlsamkeit eines Verwaltungsaktes“; weitere Beispiele bei Krönig, MDR 1948, S. 130 ff. (S. 131 f.). 95 Als Ausnahme mag VGH BW (17.06.1949), VerwRspr 2, S. 58 ff. (S. 62) – [Staatsbeamter] gelten, in welchem dem Kläger ein „Anspruch auf sachgemäße abschließende Bescheidung seines Antrags“ zugesprochen wird. Allerdings war das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Behörde in diesem Fall durch verbindliche Zusicherungen besonders qualifiziert, weswegen dieser Sonderfall keine Allgemeingültigkeit erlangen kann.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Es ließe sich aus dieser Betrachtung der Schluss ziehen, das subjektive Recht sei der Rechtsprechung unbekannt gewesen. Ganz anders urteilt hingegen Bachof 96. Er ist sich sicher, dass die Rechtsprechung durch ihre Entscheidungspraxis, ermessensfehlerhafte Entscheidungen über das Rechtsschutzmittel der Anfechtungsklage zu kassieren, ein subjektives Recht de facto schon anerkannt habe97. Diese Annahme ist jedoch aus folgenden Gründen vorschnell und nur vordergründig nachvollziehbar. Das subjektive Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung wurde schon seit Beginn des Jahrhunderts zumindest in der Rechtswissenschaft diskutiert, auch bald nach 1945 entstanden hierzu wieder Beiträge98. Wenn nun die Rechtsprechung mit ihrer Entscheidungspraxis im Ergebnis der Anerkennung eines subjektiven Rechts entspricht99, so kann mangels bestätigender Kommentierung der bestehenden Ansichten ihre lediglich indirekte Beachtung dieser Thematik nicht schon als positive Anerkennung gewertet werden. Es ist aber insofern auch keine ablehnende Haltung ableitbar, da sich die Rechtsprechung mit dieser Problematik nicht inhaltlich beschäftigte. Mangels einer Auseinandersetzung mit der Existenz und den Voraussetzungen eines subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung sind seitens der Rechtsprechung weder bestätigende noch ablehnende Positionen festzustellen. Vielmehr orientiert sich die Verwaltungsrechtsprechung aufgrund der Unruhe und Unsicherheiten der frühen Nachkriegsjahre rückgerichtet an der Rechtsprechung der Weimarer Republik und führt diese im Grundsatz unverändert fort. IV. Zusammenfassung Nach 1945 reflektiert die Behandlung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts in der Verwaltungsrechtslehre wie auch in der Verwaltungsrechtsprechung die Rechtslage zum Ende der Weimarer Republik. So bot einerseits das Verwaltungsrecht der Nationalsozialisten keinen Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung, anderseits waren verfassungsrechtliche Neuerungen noch nicht 96

SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748). Eine ähnliche Beobachtung zur Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts findet sich schon bei Apelt, Verwaltungsrechtspflege, 1911, S. 286. Wenngleich eher unter dem Aspekt der Überprüfbarkeit der behördlichen Ermessensentscheidungen an sich stellt Apelt dennoch eine Tendenz der Rechtsprechung zur Bejahung einer Rechtsverletzung fest, sofern das behördliche Handeln „insoweit zu gerechtfertigten Bedenken“ hinsichtlich einer nicht pflichtgemäßen Ermessensausübung Anlass gibt. 98 Etwa Nebinger, Verwaltungsrecht, 1949, S. 226 f.; Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff.; Witten, DV 1949, S. 339 ff. 99 Schließlich ließ die Rechtsprechung Anfechtungsklagen gegen Ermessensakte zu und beschied diese teilweise auch positiv. Im Ergebnis wurden die Kläger in diesen Fällen so behandelt, als hätten sie ein formelles subjektives Recht besessen. 97

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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eingetreten. Die Zeitspanne von 1945 bis zur Verfassungsgebung im Jahr 1949 kann daher im Verwaltungsrecht lediglich als unselbständige und an neuen Inhalten arme Phase der Vorbereitung oder des Übergangs betrachtet werden100. Sie drückt insofern aber auch beispielhaft die Verworrenheit und das Provisoriumshafte als allgemeine Charakteristika dieses Zeitabschnitts aus.

§ 15 Das formelle subjektiv öffentliche Recht unter dem Bonner Grundgesetz Erwartungsgemäß veränderte sich die verwaltungsrechtswissenschaftliche und rechtspraktische Beschäftigung mit dem Recht auf ermessensfehlerfreie Ausübung mit der Einführung des Grundgesetzes nicht schlagartig, sondern nur allmählich. Wenngleich Bachof dieses subjektive Recht schon relativ früh thematisiert101, so nimmt die Rechtsprechung in den folgenden Jahren die Rechtsfigur des Ermessensanspruchs zuerst nur vereinzelt auf. Erst ab Mitte der fünfziger Jahre gewinnt die Vorstellung, dass der Einzelne ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung besitzen kann, sowohl in der Rechtstheorie als auch in der Rechtspraxis zunehmend an Akzeptanz. I. Indirekte inhaltliche Anerkennung um 1950 1. Zurückhaltende und uneinheitliche Aussagen der Rechtsprechung In den ersten Jahren der Verwaltungsrechtsprechung unter der neuen Verfassung ist in der Debatte um die Ermessensansprüche nur eine zaghafte Bewegung bemerkbar. Wie schon vor 1949 thematisiert ein Großteil der Entscheidungen das formelle subjektive Recht nicht102, obwohl die Verwaltungsgerichte fehlerhafte Ermessensentscheidungen für den Fall erfolgreich beschiedener Anfechtungsklagen kassieren103. Das Oberwaltungsgericht Hamburg fällt am 13.02.1950 eine erste Entscheidung, die sich inhaltlich mit der Thematik der Ermessensbegrenzung aufgrund eines subjektiven Rechts beschäftigt. Hier beurteilt das Gericht die unterschiedliche Behandlung des Antragsstellers bei Verweigerung einer Baugenehmigung 100 Scharf bemängelt Galette, DVBl 1955, S. 276 ff. (S. 277) diese Zeit als „Verwaltungsrechtsvakuum“. Seine Aussage muss im Hinblick auf seine Äußerung zur der „gewaltsame[n] Unterbrechung unserer deutschen Rechtsentwicklung durch die Besatzungsmächte nach 1945“ jedoch relativiert werden. 101 In Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 ff., siehe in § 14 II. 102 Siehe: LVG Minden (24.01.1950), DVBl 1951, S. 478 f. (S. 478) – [Kleingarten]; BVerwG (31.03.1954), BVerwGE 1, S. 99 ff. – [Rechtsanwaltszulassung]. 103 So etwa OVG Lüneburg (21.04.1950), OVGE 1, S. 233 ff. (S. 235) – [Miethöchstpreis].

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

aufgrund einer Verletzung des Gleichheitssatzes als rechtswidrig und hebt die Versagung infolgedessen auf104. Dass der ermessensbeschränkende Rechtssatz hier ein subjektiver ist, scheint in diesem Fall allerdings eher zufällig. Zudem wertet das Gericht nicht eigens den Umstand, dass das Gleichheitsgebot als subjektives Recht für die Ermessensbegrenzung verantwortlich ist. Die Rechtsstellung des Klägers wird nicht thematisiert, sein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung damit auch nicht105. Schon wenig später verknüpft hingegen der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Pflicht der Behörde, „nach pflichtgemäßen Ermessen im Sinne des Gesetzes zu handeln“, mit dem Recht jedes Einzelnen hierauf, der von der Verfügung der Behörde betroffen ist106. Zwar ist die Voraussetzung der Betroffenheit wegen ihrer begrifflichen Unschärfe zu kritisieren. Beachtlich aber bleibt, dass es einer gerichtlichen Entscheidung zum ersten Mal gelingt, die Pflicht der Behörde in eine Verbindung zum Anspruch eines Einzelnen zu setzen. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Anerkennung des formellen subjektiven Rechts. Klarer in der Argumentation fordert das Oberverwaltungsgericht Münster107, dass auch für die Überprüfung von Ermessensakten aufgrund der gesetzlichen Vorschriften § 23 Abs. 1 und 3 MRVO Nr. 165 die Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts zu fordern sei. Indem das Gericht sämtliche Normen prüft, die dem Antragsteller ein subjektives Recht verleihen könnten, erkennt es konkludent die Existenz eines solchen an. Ausdrücklich spricht hingegen das Oberwaltungsgericht Hamburg vom Rechtsanspruch des Einzelnen, „nicht ermessensfehlerhaft beschieden zu werden“108. Das Oberverwaltungsgericht benennt damit zum ersten Mal die Existenz des formellen subjektiven Rechts ausdrücklich109. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die dargestellten Entscheidungen als Einzelfälle aus der Masse der Entscheidungen herausstechen, die einen Anspruch auf Überprüfung von Ermessensentscheidungen noch ablehnen110. Die wenigen Urteile lassen jedoch schon eine Vorstellung vom subjektiven Recht 104

OVG Hamburg (13.02.1950), DVBl 1950, S. 539 f. (S. 540) – [Rübenkamp]. Die Bezeichnung von Art. 3 Abs. 1 GG als im „Grundgesetz normierten Gleichheitssatzes“ weckt sogar Zweifel, ob OVG Hamburg (13.02.1950), DVBl 1950, S. 539 f. (S. 541) – [Rübenkamp] diesen überhaupt als subjektives Recht prüft. 106 BayVGH (01.03.1950), BayBgm 1950, S. 284 (S. 284) – [Betroffen]. 107 OVG Münster (20.03.1950), AöR 71 (1951/52), S. 86 ff. (S. 87 f.) – [Wohnungsamt]. 108 OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 113) – [Heilpraktikergesetz]. 109 Der Fall behandelt die Frage der Zulassung zum Beruf des Heilpraktikers, siehe OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 111 ff.) – [Heilpraktikergesetz]. 105

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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ansatzweise sichtbar werden, nach welcher dieses als Gegenstück zur objektiven Pflichtverletzung infolge einer Überschreitung der Ermessensgrenzen konstruiert ist. 2. Otto Bachofs Neukonstruktion des Ermessensanspruchs Wie die Rechtsprechung so fokussiert auch die Literatur nach 1949 zunächst andere Themen als das subjektive Recht. Allerdings bereitet es der Lehre nach der Grundgesetzgebung zunehmend Schwierigkeiten, ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aufgrund der klassischen Bühlerschen Definition zu begründen. Solange das Vorhandensein eines zwingenden Rechtssatzes als unabdingliche Voraussetzung gilt, ist deren Bejahung im Bereich der offenen Ermessensnorm nicht möglich111. Diese Prämisse blockiert gedanklich die Annahme eines subjektiven Rechts auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens. Diese theoretische Zwickmühle überwindet Bachof, als er sich zum zweiten Mal mit dem subjektiven Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens beschäftigt112. Er erkennt, dass die vorherrschenden Differenzen hinsichtlich des Ermessensbegriffs Ursache der Fehlkonstruktion des subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch sind113. Zunächst ist Bachof um eine Klärung der Rechtsbindungen des Ermessens bemüht. Seiner Ansicht nach ist die Verwaltung stets zur Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessens verpflichtet. Verletzt sie aber diese Pflicht, dann verletzt sie gleichzeitig auch „die dem Staatsbürger aus der Pflicht erwachsenden Rechte“114. Indem Bachof dem Ermessen die rechtliche Gebundenheit gegenüberstellt und erst in einem zweiten Schritt nach dadurch begründeten subjektiven Rechten fragt115, gelingt es ihm, 110 Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 87) wertet die im Ergebnis sehr zurückhaltende Rechtsprechung als Scheu, das formelle subjektiv öffentliche Recht anzuerkennen. 111 Auch Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1950, S. 149 steht dem Ermessensanspruch noch ablehnend gegenüber: „Da das subjektive öffentliche Recht seinem Wesen nach mit dem Verwaltungsermessen in Widerspruch steht, kann es nur auf den Rechtssätzen des zwingenden Rechts beruhen.“ 112 Die Ausführungen von Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 betrachtet Naumann, DVBl 1951, S. 583 f. (S. 583) in seiner insgesamt recht positiven Rezension des gesamten Werks als „sehr bedeutsam“. Wie später zahlreiche Bezugnahmen auf Bachofs Werk zeigen, hat Naumann dieses nicht überschätzt. 113 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69. 114 Ob aus jeder Rechtspflicht der Behörde subjektive Rechte des Einzelnen erwachsen, klärt Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 70 noch nicht. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des formellen subjektiv öffentlichen Rechts erreicht Bachof allerdings über besondere Voraussetzungen seiner Aktivlegitimation. 115 Detaillierter führt Bachof diese Überlegung einige Jahre später nochmals in VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 75 f.) aus.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

die vermeintliche Gegensätzlichkeit von Ermessen und subjektivem Recht aufzulösen. Infolge von Bachofs Konzeption des subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung finden sich mehrere positive Stellungnahmen hierzu in der Literatur. Sie entbehren jedoch einer vergleichbar detaillierten Begründung. Krüger verweist vage auf die Notwendigkeit einer Anerkennung dieses Rechts für die Verwirklichung des sozialen Rechtsstaats116. Lediglich festgestellt, jedoch nicht weiter begründet wird die Existenz eines formellen subjektiv öffentlichen Rechts in einem Beitrag von Naumann sowie in der Kommentierung von Eyermann/Fröhler/Hofmann117. II. Explizite Nennung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ab 1951 1. Intensivierte Rechtsprechungstätigkeit Nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen von Bachofs Ausführungen finden sich auch in der Verwaltungsrechtsprechung immer deutlichere Äußerungen zum subjektiven Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. In einer Mietrechtsstreitigkeit um die Festsetzungen der Preisbehörde billigt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Februar 1951 dem Einzelnen einen „Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der angerufenen Behörde“118 zu. Allerdings erschöpft sich die Begründung des Anspruchs in einem Verweis auf Krüger119. Das Gericht erwähnt, nachdem es das subjektive Recht festgestellt hat, nur noch die Möglichkeit seiner prozessualen Geltendmachung über § 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165.

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In Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 87). Siehe bei Naumann, AöR 71 (1951/52), S. 93 ff. (S. 94) und Eyermann/Fröhler/Hofmann, VVG, 1950, S. 133. Ausgehend von der heute einheitlichen Bezeichnung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts als Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung finden sich in den sehr frühen Beiträgen noch recht unterschiedliche Bezeichnungen. So fordert Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 87) ein „allgemeines staatsbürgerliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung“ durch die Behörden anzuerkennen. Naumann, AöR 71 (1951/52), S. 93 ff. (S. 94) benennt wiederum das „formelle subjektive Recht auf sachgerechte Behandlung im Ermessensbereich“. Unter der Annahme, dass bei in das Ermessen der Behörde gestellten Akten kein subjektives Recht vorliege, formulieren Eyermann/ Fröhler/Hofmann, VVG, 1950, S. 133 vorsichtiger „ein subjektives Recht darauf, daß die Beh[örde] von ihrem Ermessen iS des Ges[etzes] Gebrauch macht.“ 118 OVG Lüneburg (23.02.1951), OVGE 4, S. 203 ff. (S. 204) – [Mädchenkammer] gewährt den Anspruch jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass damit eben gerade keine bestimmte Ermessensentscheidung verlangt werden kann. 119 DVBl 1951, S. 85 ff. 117

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Allerdings folgen nun die Gerichte in verschiedenen Gebieten des Verwaltungsrechts vereinzelt dieser Entscheidung120. In einem baurechtlichen Sachverhalt stuft das Oberverwaltungsgericht Hamburg im Sommer 1951 die Verweigerung einer Baugenehmigung als fehlerhaft und rechtswidrig ein, weil diese unter anderem das „formelle subjektive Recht der Kl. auf Berücksichtigung dieser Enteignungsgesichtspunkte“121 verletze. Das Gericht moniert hier zwar nur die mangelnde Beachtung von Aspekten der Enteignungsfrage. Gleichwohl lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass die Existenz der Rechtsfigur des formellen subjektiv öffentlichen Rechts unterstellt wird122. Im Bereich des Berufszulassungsrechts attestiert das Oberverwaltungsgericht Münster dem Antragsteller einer Ausnahmegenehmigung „einen Anspruch darauf, dass sein Antrag ordnungsgemäß und frei von Rechtsfehlern geprüft und beschieden wird“123. Dasselbe Gericht bescheidet wenige Monate später eine Klage gegen die Versagung einer Namensänderung erfolgreich. Dabei wertet es das Verhalten der Behörde, die sich in diesem Fall irrig rechtsgebunden sah, als Verletzung des Rechts „darauf, dass ihm nicht durch einen Rechtsirrtum der Behörde die vom Gesetz gegebene Möglichkeit einer ihm günstigen Ermessensentscheidung genommen wird“124. Wenn sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 1952125 auf seine vorangegangene Entscheidung vom 01.03.1950126 bezieht, so wird deutlich, dass er das Recht auf ermessensfehlerfreien Ermessensgebrauch als inzwischen anerkannt betrachtet127. Haueisen deckt in seiner Rechtsprechungsanalyse auf, dass die Gerichte das formelle subjektiv öffentliche Recht in den Entscheidungen einfach unterstellen – teilweise, ohne es zu benennen, und durchgängig, ohne es zu begründen128. 120 Für weiterführende Rechtsprechungsnachweise: Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 522 f.). 121 OVG Hamburg (14.06.1951), DVBl 1952, S. 244 ff. (S. 246) – [Baustufenplan]. 122 Dies geht insbesondere aus der Gegenüberstellung von formellem und materiellem Recht hervor, so OVG Hamburg (14.06.1951), DVBl 1952, S. 244 ff. (S. 246). 123 OVG Münster (08.08.1951), MDR 1953, S. 124 f. (S. 124) – [Damenschneiderin]. 124 OVG Münster (11.12.1951), DÖV 1952, S. 444 f. (S. 445) – [Namensänderung]. 125 Nach BayVGH (17.01.1952), DÖV 1952, S. 598 (S. 598) – [Bürgermeister] ist „auch bei der Entscheidung von Fragen nach freiem (pflichtgemäßem) Ermessen nicht gänzlich ausgeschlossen, daß der . . . ,Betroffene‘ . . . geltend machen kann, er sei in seinen Rechten verletzt worden“. 126 BayVGH (01.03.1950), BayerBgm 1950, S. 284 (S. 284) – [Betroffen]. 127 Als mögliche Verletzungen des formellen subjektiven Rechts nennt der BayVGH (17.01.1952), DÖV 1952, S. 598 (S. 598) – [Bürgermeister] eine im behördlichen Ermessen stehende Ablehnung eines Antrags aufgrund der ermessensfehlerhaften Erwägung, die Behörde sei hierzu verpflichtet. 128 So Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 522).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Auffällig ist zudem, dass die allgemeine Problematik des formellen subjektiv öffentlichen Rechts über seine verfahrensrechtliche Relevanz als Klagebefugnis in den Verwaltungsprozess hineingetragen wird. Da das formelle subjektive Recht auf die Einhaltung und gerichtliche Überprüfung der Ermessensgrenzen durch die Verwaltung gerichtet ist, kann es nur die Anfechtungsklage zum Ziel haben129. Sehr ungewöhnlich ist daher der Erfolg einer Verpflichtungsklage vor dem Landesverwaltungsgericht Minden im Jahr 1951130. Hier weigert sich ein Schuldirektor, mehrere Kinder in die Sexta aufzunehmen, obwohl er zuvor vier schlechter qualifizierte Kinder aufgrund vertraglicher Verpflichtungen zugelassen hat. Nach Ansicht des Gerichts ist das subjektiv öffentliche Recht der Eltern auf Aufnahme ihrer Kinder aufgrund des Verstoßes gegen den unmittelbar geltenden Gleichheitssatz verletzt131. Ein solches „vom Grundgesetz verbotenes Messen mit zweierlei Maß“ habe dazu geführt, dass in diesem Fall die Verpflichtung zur Aufnahme der Kinder auszusprechen sei, auch wenn ein Recht auf Einschulung nicht bestünde. Dieser Fall erlangt jedoch keine Präzedenzbedeutung, er behält einen Ausnahmecharakter. 2. Zustimmende Grundhaltung der Literatur Als Giese dieses Urteil kommentiert, lässt er das überraschende Ergebnis unerwähnt, dass das Gericht den Eltern einen materiellen, da inhaltlich determinierten Anspruch zugebilligt hat. Hingegen erachtet er die Zuerkennung eines Rechtsanspruchs auf „missbrauchfreie Handhabung des behördlichen Ermessens“132 für bemerkenswert. Die von ihm aufgeworfene Frage, ob es sich hier, „wenn die behördliche Maßnahme eindeutig durch Rechtsnorm, hier sogar Verfassungsnorm bestimmt war“133, überhaupt noch um Ermessen handeln würde, zeugt davon, dass die Systemkategorien von Ermessens- oder Rechtshandlung trotz der Anerkennung des formellen Rechts noch nicht restlos überwunden sind. In der Literatur lassen sich Anfang der fünfziger Jahre einige zustimmende Beiträge entdecken. So leitet Dersch das Recht auf eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens direkt aus den prozessrechtlichen Vorschriften ab134, obgleich 129 Siehe dazu stellvertretend bei Pfeifer, DVBl 1963, S. 653 ff. (S. 657 f.). Deutlich wird dies anhand OVG Hamburg (20.09.1951), DVBl 1952, S. 246 f. (S. 247) – [Schlitzbauteile], wenn das Gericht nur die angefochtene Verweigerung der Bauerlaubnis kassiert, dabei aber nicht über eine „richtige“ Erteilung der Bauerlaubnis befindet. 130 LVG Minden (30.07.1951), JZ 1952, S. 490 f. (S. 491) – [Schuldirektor]. 131 Das Recht stand den Eltern aufgrund ihrer Funktion als Antragssteller in Vertretung ihrer Kinder aufgrund der damals in § 1631 BGB und heute in § 1629 BGB geregelten Vertretungsmacht zu. 132 Giese, JZ 1952, S. 491 (S. 491). 133 Giese, JZ 1952, S. 491 (S. 491).

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dies weder explizit aus deren Wortlaut zu entnehmen ist noch das formelle subjektive Recht als ungeschriebene Rechtsfigur damals als unumstritten gelten kann135. In der dritten Auflage erwähnt Ernst Forsthoff in seinem „Lehrbuch des Verwaltungsrechts“ im Jahr 1953 nun auch das „Recht auf fehlerfreien, d.h. die gesetzlichen Schranken wahrenden und nur durch sachliche Erwägungen bestimmten Ermessensgebrauch“136, verzichtet aber auf dessen Begründung oder Ableitung. III. Auseinandersetzung um die Rechtsfigur des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ab 1952 Die Phase des stillschweigenden Umgangs mit dem Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung durch die Rechtsprechung beendet im Jahr 1952 ein Beschluss des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs137, der ein formelles subjektives Recht ausdrücklich ablehnt. Infolgedessen positionieren sich jene Aussagen, die sich mit dem Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung beschäftigen. In bezug auf die Entscheidung nehmen die Beiträge stets eine ausdrücklich positive oder negative Stellung ein. Insofern ist der Beschluss des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs ein wichtiger Impuls für die Diskussion um den formellen Ermessensanspruch. 1. Ablehnende Position des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs Dieser Beschluss befasst sich mit einer Streitigkeit um eine Wohnungszuweisung, in welcher der Verwaltungsgerichtshof als Berufungsinstanz das vorausgegangene Urteil des Verwaltungsgerichts anlässlich einer Kostenentscheidung überprüfen musste. Die in dieser Entscheidung vorgebrachten Einwände gegen das formelle subjektive Recht sind repräsentativ für ein damals zu beobachtendes Misstrauen gegenüber dem Ermessensanspruch. Aus diesem Grund wird ihre Argumentation einer kritischen Betrachtung unterzogen. a) Argument der fehlerhaften Anspruchskonstruktion Zunächst wendet sich der Verwaltungsgerichtshof gegen die Rechtsfigur des formellen subjektiv öffentlichen Rechts an sich. Wenngleich das erstinstanzliche Urteil noch von einem Recht „auf ein von Ermessensfehlern freies Vorgehen 134 135 136 137

So Dersch, RdA 1952, S. 301 ff. (S. 303). Siehe dazu die Streitdarstellung in § 14 I 2 (Fn. 82). Anders als in den früheren Auflagen: Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1953, S. 159. VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. – [Wohnraumzuweisung].

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

der Behörde“138 ausgeht, verwirft das Berufungsgericht diese Idee mit der Begründung, dieses subjektive Recht könne nicht zu der erwünschten Kassation der angefochtenen Ermessensentscheidung führen. In dieser Behauptung spiegelt sich die Grundvorstellung der Bühlerschen Trennung von formellem und materiellem Recht wider. Danach kann das formelle subjektive Recht lediglich auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Positionen gerichtet sein, jedoch keine materielle Entscheidung im Sinne einer Aufhebung erwirken. Zuzugestehen sind dem Gericht hingegen die Zweifel an der Richtigkeit der Bezeichnung des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung als formelles subjektives Recht. Schließlich besitzt der Begriff des „formellen Rechts“ viel Potential für Missverständlichkeiten139. Allerdings gibt das Rechtsmittel der Anfechtungsklage dem Einzelnen gerade die Möglichkeit, auch bei nur formell rechtswidrigen Verwaltungsakten deren Kassation als materiell-rechtliche Entscheidung gerichtlich zu erzwingen. Insofern dient die Anfechtungsklage dem Rechtsschutz des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung. Die Aussage des Verwaltungsgerichtshofs, dass das subjektive Recht nicht eine Kassation von Ermessensentscheidungen erreichen könne, ist daher nicht nachvollziehbar. Ebenso erscheinen die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs unverständlich, dass das formelle subjektive Recht ein unzulässigerweise neben oder außerhalb des Ermessensverfahrens stehendes Recht sei und nicht zu einer Anfechtungsklage führen könne140. b) Argument des fehlenden Bedarfs an einem formellen subjektiven Recht Darüber hinaus besteht nach Ansicht des Gerichts für dieses subjektive Recht auch kein Bedarf. Der Beschluss begründet seine Behauptung mit der vertretbaren Ansicht, für eine Klagebefugnis nach §§ 36, 35 VGG sei ein „rechtsschutzbewehrtes Interesse“ ausreichend und demnach der Nachweis des subjektiven Rechts nicht notwendig141. Allerdings muss bei der Frage sowohl nach verletzten Interessen des Klägers als auch bei der Frage nach verletzten Rechten des Klägers eine Wertung vorgenommen werden, ob die Positionen des Einzelnen im konkreten Fall rechtlich geschützt und einklagbar sind, d.h. ob hierfür eine Klagebefugnis besteht. Diese 138 VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 405) – [Wohnraumzuweisung]. 139 Auf die Unstimmigkeit des Begriffs des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ist in dieser Arbeit schon unter § 12 II 3 hingewiesen worden. 140 Auch Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 407) beurteilt diese Bemerkungen des VGH hinsichtlich des subjektiven Rechts auf ermessensfehlerfreien Gebrauch als nicht richtig. 141 VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 405) – [Wohnraumzuweisung].

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Wertung ist austauschbar, da es irrelevant ist, ob sie unter dem Aspekt der betroffenen Interessen oder der betroffenen Rechte erfolgt. Allerdings überzeugt der Umstand, dass die Entscheidung über die Klagebefugnis auch unter dem Aspekt des rechtsschutzbewährten Individualinteresses möglich ist, für sich noch nicht als Argument, um das subjektiv öffentliche Recht wegen seiner Überflüssigkeit insgesamt abzulehnen. c) Auflösung der Einsprüche des Verwaltungsgerichtshofs Trotz seiner negativen Haltung gegenüber dem formellen subjektiven Recht erwähnt der Verwaltungsgerichtshof unter Rückbezug auf ein früheres Urteil die Voraussetzungen für ein der Verwaltung gegenüber bestehendes „Recht auf sinngemäßen Ermessensgebrauch“142. Inhaltlich entsprechen diese Bedingungen Bachofs Ausführungen zur Inhaberschaft des subjektiven Rechts143. Wenn das Gericht dann die „Anerkennung eines allgemein selbständigen subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch . . . weder systematisch noch praktisch“144 als befriedigend betrachtet, obwohl es inhaltlich Bachofs Konstruktion des subjektiven Rechts folgt, so ist seine Argumentation nicht mehr widerspruchsfrei. Es ist allerdings möglich, diesen Widerspruch aufzulösen. Denn im Fortgang der Argumentation führt der Verwaltungsgerichtshof die Gefahr der Popularklage als ein vermeintlich weiteres Argument gegen das formelle subjektive Recht auf145. An dieser Stelle wird ersichtlich, dass sich das Gericht insbesondere gegen ein allgemeines, d.h. jedermann ohne besondere Nähe zur angegriffenen Ermessensentscheidung zustehendes Recht auf deren Überprüfung wendet146. Letztlich verneint der Verwaltungsgerichtshof damit die Konstruktion des subjektiven Rechts im Bereich des Verwaltungsermessens aber nicht generell. Er will lediglich einer intensiven Ausweitung von Anfechtungsklagen gegen Ermessensentscheidungen entgegenwirken, die infolge eines allgemeinen

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VGH BW (07.08.1951), zit. aus: DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 406). So ist nach Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 72 „nur derjenige aktiv legitimiert, eine Ermessensentscheidung anzugreifen, dessen materielle Interessen durch die zur Anwendung gelangte Rechtsnorm geschützt werden sollen“. 144 VGH BW (07.08.1951), zit. aus: DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 405 f.). 145 VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 406) – [Wohnraumzuweisung]. 146 Die Entscheidung des VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 406) – [Wohnraumzuweisung] zweifelt insofern zu Recht an, dass sich Bachof einem solch generellen Recht anschließen würde. Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 407) kontert schon damals treffend, dass sich die Gefahr der Popularklage bei der vorherrschenden Konzeption des subjektiv öffentlichen Rechts nicht ergebe, weil dieses Recht eben nur einem begrenzten Personenkreis zustehe, nämlich zu deren „Schutz die betreffenden Verfahrensvorschriften bestehen“. 143

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

und voraussetzungslosen formellen subjektiven Rechts eintreten könnte147. Insofern kann Nebinger diesen Beschluss auch nicht als Exempel des allgemeinen Widerwillens der Verwaltungsgerichte deuten, einen Rechtsanspruch des Einzelnen auf Überprüfung der Einhaltung der Ermessensgrenzen anzuerkennen148. d) Entscheidungspraxis der Folgejahre Schon im Jahr darauf gibt der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof seine abwehrende Position gegenüber dem formellen subjektiven Recht auf. Im November 1953 entscheidet er in einem mit einer Sondernutzungserlaubnis befassten Fall, dass der Kläger zwar nicht die Genehmigung von der Behörde verlangen könne, jedoch ein Recht darauf habe, „dass die Behörde von ihrem Ermessen einen fehlerfreien Gebrauch macht“149. Damit bleibt der vorangegangene Wohnraumzuweisungs-Beschluss die einzige gerichtliche Entscheidung, die sich zur Konstruktion des formellen Rechts offen ablehnend äußerte. Die überwiegende Anzahl der Entscheidungen bestätigen hingegen das subjektive Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch mehr oder weniger ausdrücklich150. Neben noch vagen Formulierungen wie dem Recht auf sorgfältige Prüfung und Aufklärung des Tatsachenmaterials151 und zur Geltendmachung „gesetzwidrige[r] Ermessensanwendung“152 finden sich auch deutlichere Aussagen. So umschreibt das Oberverwaltungsgericht Münster das Wesen des formellen subjektiven Rechts zutreffend als „ein von dem geltend gemachten materiellen Anspruch zu unterscheidendes formelles Recht des ASt. auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens“153.

147 Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 406) kommentiert diese Furcht vor der Popularklage übertrieben als „Kinderschreck für überlastete Verwaltungsgerichte“. 148 So Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628). 149 VGH BW (06.11.1953), zit. aus: Haueisen, NJW 1954, S. 418 f. (S. 418). 150 Z. B. BayVGH (10.06.1952), BayVGHE 5, S. 119 ff. (S. 121) – [Zufahrtsschmälerung]; VGH BW (16.01.1953), DÖV 1953, S. 641 – [Bebauungsplan]; BayVGH (27.01.1953), BayVGHE 6, S. 5 ff. (S. 7) – [Wertminderung]; BayVGH (28.01.1953), BayVGHE 6, S. 7 ff. (S. 8) – [Wohnsiedlungsgesetz]; VGH Hessen (09.10.1953), ESVGHE 2, S. 215 ff. (S. 216) – [Verlöbnis]. Auch Haueisen, NJW 1954, S. 418 f. (S. 418, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) beobachtet eine Tendenz der Verwaltungsgerichte, das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch „teils uneingeschränkt, teils mehr in andeutender Form“ anzuerkennen und es gerichtlich zu schützen. 151 So OVG Hamburg (07.04.1952), DVBl 1953, S. 334 f. (S. 335) – [Sonntagshandelserlaubnis]. 152 BayVGH (29.07.1953), VerwRspr 6, S. 44 ff. (S. 46) – [Wohnungssuchender]. 153 OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 27) – [Kottens].

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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2. Meinungsverschiedenheiten innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur In der Rechtswissenschaft begnügen sich manche Autoren nicht mit der Bejahung des formellen subjektiven Rechts, sondern forcieren darüber hinaus die Entwicklung verfassungsrechtlicher Begründungsansätze. Naumann proklamiert, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns erfordere zwingend ein Recht des Betroffenen dahingehend, dass die Behörde die ihm dienenden Verwaltungsvorschriften beachtet154. Zwar bezieht sich seine Argumentation auf den Rechtsanspruch auf ein rechtmäßiges Verwaltungsverfahren. Sie lässt sich jedoch auf den hierzu spezielleren Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung als besonderen Anwendungsfall übertragen. Noch stärker werden die Wechselbeziehungen zwischen Verwaltungs- und Verfassungsrecht von Bachof 155 betont. Seiner Ansicht nach ist aus dem demokratischen Element der Bonner Verfassung der hohe Stellenwert des Einzelnen zu folgern. Der Einzelne ist innerhalb der objektiven Rechtsordnung wiederum durch die Einräumung von Individualrechten zu schützen. Ausgehend von diesem Gedanken sind auch im Verwaltungsrecht alle „durch objektive Rechtssätze gesicherte[n] Positionen des Bürgers im Verhältnis zum Staat als subjektive Rechte anzusehen“156. Da auch Ermessensnormen dem Schutz individualrechtlicher Positionen dienen können, ist es möglich, dass diese subjektive Rechte begründen. Nicht nur die Sympathie gegenüber dem Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, auch die Vorbehalte ihm gegenüber spricht die Literatur deutlicher als die Verwaltungsrechtsprechung aus. Durchaus vehement wendet sich Nebinger gegen die Existenz eines Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch157 und argumentiert, dass es auch kein Recht auf ein gerechtes Urteil der ordentlichen Gerichte gäbe158. Da diese Behauptung ohne eine Erklärung oder Begründung aufgestellt wird, kann sie nicht überzeugen, zumal der aufgeführte Vergleich in zweierlei Hinsicht unstimmig ist: Erstens schenkt das formelle subjektive Recht keinen vergleichbaren Anspruch auf eine gerechte Entscheidung, mit seiner Hilfe kann nicht einmal eine zweckmäßigere Entscheidung herbeigeführt werden. Zweitens existiert entgegen 154

So Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 406). In Bachof, DÖV 1953, S. 417 ff. 156 Bachof, DÖV 1953, S. 417 ff. (S. 421). 157 Dabei gesteht Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628) gleichzeitig zu, dass die Anfechtungsklage gegen Ermessensmissbrauch möglich sein müsse. Jedoch beharrt er darauf, diese Möglichkeit „vom Gesetzgeber auf das den tatsächlichen Bedürfnissen wirklich entsprechende Maß“ zu beschränken. 158 So Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628). 155

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

der Aussage Nebingers im Bereich des Gerichtsverfahrensrechts ein Anspruch auf eine rechtmäßige Entscheidung. Aus der Existenz einschlägiger Berufungsund Revisionsvorschriften ist dies zwingend zu folgern. Huber hingegen hält die Rechtsfigur des formellen subjektiv öffentlichen Rechts schlichtweg für nicht erforderlich, um einen ausreichenden Rechtsschutz gegen Ermessensverletzungen zu bieten159. Seiner Ansicht nach besteht eine Klagebefugnis ohnehin bloß bei einem Eingriff in ein „unabhängig davon bestehendes Recht des Betroffenen“160. Weshalb nach der Ansicht von Huber das subjektive Recht nicht die Klagebefugnis vermitteln kann, wird erst nachvollziehbar, wenn er ausführt, dass ein bloßer Ermessensfehler nur ein Verstoß gegen das objektive Recht, aber noch keine subjektive Rechtsverletzung sei161. Insofern widerspricht seine Position auch nicht direkt der Ansicht von Bachof, wonach eine Rechtsverletzung nur für den Fall vorliegt, dass in gesicherte Positionen des Bürgers eingegriffen wird, daneben aber anderweitige Ermessensfehler ohne die Folge einer subjektiven Rechtsverletzung denkbar bleiben. Allerdings gelingt es Huber nicht, die Möglichkeiten und ihre Voraussetzungen anzudenken, in denen ein Ermessensfehler nicht nur objektiv rechtswidrig, sondern auch subjektiv-rechtlich relevant sein kann. In eine ähnliche Richtung zielen die Angriffe von Schneider162. Er verneint das „angeblich subjektive Recht auf sachgerechte Behandlung“163, weil sich aus einer objektiven Rechtswidrigkeit nicht schon eine Rechtsbeeinträchtigung ergeben könne. Infolgedessen teilt er mit Huber die Skepsis, dass ein rein formelles subjektiv öffentliches Recht für die Bejahung einer Klagebefugnis nicht ausreiche, sondern vielmehr eine darüber hinausgehende Verletzung materiellen Rechts nötig sei. Diese Bedenken sind hinsichtlich der Konstruktion eines allgemeinen subjektiv öffentlichen Rechts begründet, das jedem Betroffenem ohne Rücksicht auf eine ihn bevorzugende gesetzliche Wertung zustehen soll164. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit sich die kritischen Äußerungen im Widerspruch zu Bachofs Konzeption des formellen Rechts sehen. Dieses erfordert als Unterform des subjektiv öffentlichen Rechts einen Rechtssatz, welcher „der Befriedigung von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist“165. Damit schafft Bachof

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So bei Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 658 f. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 659. 161 So Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 658. 162 Schneider bezeichnet den formellen Anspruch in ZaöRV 19 (1958), S. 449 ff. (S. 459) als „nicht nur entbehrlich, sondern geradezu irreführend“. 163 Schneider, ZaöRV 19 (1958), S. 449 ff. (S. 459) unter Verweis auf den ebenfalls nicht anerkannten Anspruch auf eine richtige Entscheidung. 164 Auch Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 (S. 852, Fn. 21) legt Schneiders Aussagen später dahingehend aus. Die Idee eines allgemeinen formellen subjektiv öffentlichen Rechts wird ausgeführt in § 16 I 2. 160

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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gerade besondere Voraussetzungen, unter denen eine Verletzung des objektiven Rechts auch einen Eingriff in subjektive Rechte bedeuten kann. Die ablehnenden Auffassungen kreisen somit nicht um die Figur des formellen subjektiven Rechts an sich, sondern lediglich um die Frage, wann im Einzelfall ein solches Recht anzuerkennen ist166. Die Streitpunkte beziehen sich letztlich auf unterschiedliche Wertungen im konkreten Fall167. In der Rechtswissenschaft besteht trotz begrifflicher Differenzen ein breiter Konsens über die Idee eines subjektiven Rechts, das auf Einhaltung der gesetzlichen Ermessensgrenzen durch die Verwaltung gerichtet ist und durch die Gerichte kontrolliert wird. Nicht übersehen werden kann aber das beachtliche Meinungsspektrum, das für jeden Einzelfall unterschiedlich diskutiert, welche Aspekte und Wertungen in die Entscheidung konkret einfließen sollen, ob ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung angenommen wird. IV. Weitreichende Anerkennung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts kann das formelle subjektiv öffentliche Recht anhand der zahlreichen Bestätigungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur nun als anerkannte und zum Inventar der deutschen Rechtsordnung gehörende Rechtsfigur gelten168. Auch in der Entscheidungspraxis der Gerichte tauchen keine entgegengesetzten Fälle mehr auf. Insgesamt macht sich ein Abflachen der Diskussion um das Recht auf ermessensfehlerfreien Gebrauch bemerkbar. Der vorangegangene Meinungsstreit ist ausgefochten.

165 Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 296). Der Schutznormgedanke klingt bei Bachof schon in Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 71 f. an, in Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. wird er jedoch genauer ausgearbeitet. 166 Dies ähnelt der Beobachtung in der Rechtsprechung, vgl. dazu die Aussagen zu VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. – [Wohnungszuweisung] in § 15 III 1. 167 Dies wird insbesondere deutlich anhand der Äußerung Schneiders, ZaöRV 19 (1958), S. 449 ff. (S. 460): „Judikatur und Lehre nehmen dabei an, daß hierzu nicht nur die Fälle gehören, in denen jemand ein subjektives . . . Recht im strengen Sinne verliehen ist, sondern auch solche Lagen, in denen das objektive Recht ein Individualinteresse (des Klägers) als schützenswert, also als ,sein Recht‘ im weitesten Sinne anerkennt.“ 168 Nach Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 248) ist dieses Recht „wiederholt so eingehend begründet worden, daß auf die einschlägigen Äußerungen verwiesen werden darf“, und Bachof, JZ 1955, S. 431 ff. (S. 434) bemerkt: „Daß jemand ,in seinen Rechten‘ auch durch eine Ermessensentscheidung verletzt werden kann, gehört offenbar jetzt so sehr zum gefestigten Bestand von Lehre und Rechtsprechung, daß das Gericht sich damit nicht mehr näher auseinanderzusetzen braucht.“

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

1. Überblick über die landes- und bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung kann auf der oberen Ebene der Landesverwaltungsrechtsprechung als grundsätzlich anerkannt gelten. Allerdings geht dies aus nur wenigen Entscheidungen so deutlich hervor wie etwa aus dem Unterbringungs-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster169. Das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt im Jahr 1955 sich zum ersten Mal mit der Thematik des formellen subjektiven Rechts. Anlass ist eine beamtenrechtliche Streitigkeit. In diesem Fall begehrte die Klägerin die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall. Die dabei einschlägige Regelung in § 111 Abs. 3 DBG170 wertet das Gericht als „offensichtlich eine im Interesse des vom Dienstunfall Betroffenen geschaffene Ermessensnorm“171. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts begründe diese Norm den Anspruch der Klägerin „gegen die zuständige Behörde, dass diese bei Vorliegen der Voraussetzungen in die Prüfung der Ermessenshandhabung überhaupt eintritt“172. Diese Ausführungen des Gerichts sind in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen setzt das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Urteil die landesgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch fort. Unter Aufnahme der Impulse aus der Schutznormtheorie entwickelt sie diese dahingehend weiter, dass über die Definition des Begünstigtenkreises der betroffenen Norm die Inhaberschaft des subjektiven Rechts greifbarer bestimmbar und dadurch beschränkbar wird. Indem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts § 111 Abs. 3 DBG als individualrechtsschützend beurteilt, steht das Urteil zugleich in der Entwicklungslinie einer sich zugunsten einer subjektiven Berechtigung ändernden Normwertung173. 169 Das aus dem Gesetzestext der § 23 Abs. 3, 24 MRVO Nr. 165 abzuleitende „subjektive-öffentliche Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens“ ist nach Ansicht von OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, S. 218 ff. (S. 221) – [Unterbringung] „in Rechtsprechung und Rechtslehre überwiegend anerkannt“. 170 § 111 des Deutschen Beamtengesetzes (vom 26.01.1937, RGBl. I S. 59, i.F.d. Änderungsgesetzes vom 21.10.1941, RGBl. S. 646): (3) Ist der Verletzte in Folge des Unfalls so hilflos geworden, daß er nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen kann, so kann zu dem Ruhegehalt für die Dauer dieser Hilflosigkeit ein Zuschlag bis zur Erreichung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge beantragen. (. . .) 171 BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall]. 172 BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall]. 173 Der Grundstein der individualrechtsschützenden Tendenz wurde von der Rechtsprechung des BVerwGs nur wenig zuvor in BVerwG (24.06.1954), BVerwGE 1, S. 159 ff. – [Fürsorge] gelegt. Das Gericht erachtete eine Beibehaltung der vor 1945 geltenden Rechtsauffassung für den Bereich des Fürsorgerechts als verfassungswidrig, wonach der Bürger nicht „Subjekt der behördlichen Verfassung, sondern nur Objekt des behördlichen Handelns“ (S. 160) sei. Auf S. 161 betonte es, dass die Prinzipien

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Das Dienstunfall-Urteil errichtet auf bundesgerichtlicher Ebene nicht nur den rechtlichen Rahmen für die Geltung individualrechtlicher Positionen. Durch eine zunehmend individualrechtsfreundliche Wertung im Bereich bislang rein objektiv-rechtlich verstandener Normen wird auch der Einfluss subjektiver Rechte im Bereich des Verwaltungsrechts verstärkt. Diese wesentlichen Eckpunkte der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung behalten die folgenden Entscheidungen bei174. Ab Anfang der sechziger Jahre wird das subjektive Recht schon in der Verwaltungsrechtsprechung sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene unangefochten akzeptiert und als gereiftes Rechtsinstitut unter Hinweis auf vorausgegangene Entscheidungen zitiert175. Da weitgehend Einigkeit über die Existenz eines formellen subjektiv öffentlichen Rechts besteht, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Rechtsprechung auf seine rechtliche Konstruktion. So betont das Bundesverwaltungsgericht den des Grundgesetzes zu einer Auslegung des Fürsorgerechts dahingehend leiten würden, dass dem Betroffenen ein Rechtsanspruch zuzuerkennen sei. 174 Nicht immer wird das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch vergleichbar klar artikuliert und genau begründet wie in BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. – [Dienstunfall]. Ähnlich klar erwähnt auch OVG Lüneburg (15.10.1953), BBBl. 1954, S. 279 ff. (S. 279) – [Aufbaugesetz] den „Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die Verwaltungsbehörde“. Ebenso setzt sich OVG Lüneburg (15.04.1959), DÖV 1960, S. 143 f. – [Nachtruhe(Berufung)] durchaus ernsthaft und detailliert mit dem subjektiven Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung auseinander. Beispielhaft für den Großteil der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ist ein Urteil des VGH Freiburg (04.05.1955), VerwRspr 8, S. 223 ff. (S. 227) – [Schulgebäude], das den Kläger nur „ausnahmsweise unter den erörterten Voraussetzungen des Vorliegens eines Ermessensfehlers berechtigt, wegen Versagung des Dispenses Klage zu erheben“. Die Entscheidung behandelt zwar die Thematik der Ermessensfehlerhaftigkeit, problematisiert dabei jedoch nicht das für die Klagebefugnis notwendige formelle subjektive Recht. 175 Auf Landesebene wird auf OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 11, S. 113 ff. (S. 115) – [Fleischbeschau] hingewiesen, in dem des Bürgers „Rechtsanspruch darauf, daß sein Antrag ordnungsgemäß und frei von Rechtsfehlern geprüft und beschieden wird“, mit Verweisen auf die eigene Rechtsprechung auf S. 116 erwähnt wird. Einige Jahre später spricht hingegen OVG Lüneburg (23.06.1967), DVBl 1967, S. 759 ff. (S. 760) – [Schlachterei] deutlich vom „Anspruch des Begünstigten auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens“. Auf Bundesebene wird in diesem Zusammenhang besonders häufig BVerwG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge] zitiert (etwa in BVerwG (28.06.1963), BVerwGE 16, S. 190 ff. (S. 193) – [Kraftdroschke]). Allerdings ist ihre Bedeutung im Grunde nicht im Bereich des formellen, sondern des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts anzusiedeln, später in § 20 IV. Diese Rechtsprechungslinie wird fortgeführt vom: BVerwG (15.07.1964), BVerwGE 19, S. 149 ff. (S. 150, 152) – [Fürsorgeverhältnis]; BVerwG (17.09.1964), BVerwGE 19, S. 252 ff. (S. 154 f.) – [Religionslehrer]; BVerwG (21.11.1967), DVBl 1968, S. 154 ff. (S. 155) – [Bahnhofskiosk]; BVerwG (22.01.1971), BVerwGE 37, S. 112 ff. (S. 113) – [Garagenausfahrt].

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Unterschied zwischen einer lediglich objektiven Verpflichtung der Behörde und einer zusätzlichen subjektiven Berechtigung des Einzelnen176. Zudem lässt sich die Ausweitung der Inhaberschaft des formellen subjektiv öffentlichen Rechts auf Dritte im Sinne von Nicht-Adressaten registrieren177. Nach einigen Jahren gelangt die Thematik des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch vor das Bundesverfassungsgericht. Dieses wendet im Jahr 1969 in einer Wiedergutmachungsstreitigkeit die Rechtsfigur des formellen subjektiven Rechts wie selbstverständlich und ohne weitere Begründung an178. 2. Verfestigung des subjektiven Rechts in der Literatur Ab Mitte der fünfziger Jahre werden die Stimmen leise, welche das formelle subjektiv öffentliche Recht bislang kritisch musterten179. Wenn Forsthoff das formelle subjektive Recht im Jahr 1956 noch als „umstritten“ bezeichnet, so kann er nur auf die Einwände früherer Jahre hinweisen180. Inhaltlich neue Argumente finden sich hingegen nicht. Die rechtswissenschaftliche Literatur hat das subjektive Recht im Bereich des Ermessens auf breiter Front akzeptiert181. Allerdings existieren Begründungsansätze des Ermessensanspruchs nur sehr ver176

BVerwG (06.06.1958), BVerwGE 7, S. 89 ff. (S. 94) – [Kohlereserven]. BVerwG (31.01.1958), BVerwGE 6, S. 167 ff. (S. 169 ff.) – [Eheanerkennung]; BVerwG (13.01.1961), BVerwGE 11, S. 331 ff. (S. 332 f.) – [Nachtruhe]. 178 BVerfG (17.12.1969), BVerwGE 27, S. 297 ff. (S. 307 ff.) – [Wiedergutmachung]. 179 Eine letzte Ausnahme stellt allerdings die Dissertation von Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 100 ff. dar, zu dessen im Ergebnis nahezu unvertretbaren Thesen jedoch erst in § 16 IV 1 Stellung genommen wird. Auch Wertenbruch, Sozialverwaltungsrecht, 1970, S. 293 ff. (S. 361) behauptet noch 1970 schematisch, dass sich der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung „weder auf Normen stützen noch logisch begründen“ lässt. Da dieser These jedoch keine Begründung folgt, bleibt eine Auseinandersetzung mit ihr versagt. 180 So muss Forsthoff, Lehrbuch, 1956, S. 169 ff. auf die bekannten Einwürfe von Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628), Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 658 f. und Schneider, ZaöRV 19 (1958), S. 449 ff. (S. 459 f.) verweisen. 181 Siehe dazu die zahlreichen Bezugnahmen auf das formelle subjektiv öffentliche Recht: Krüger, DVBl 1955, S. 208 ff. (S. 209) nennt „ein formales Recht des Staatsbürgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung innerhalb der Sphäre des gesetzten Rechts“. Wolff, Verwaltungsrecht I, 1956, S. 120 f. spricht vom „Anspruch darauf, nicht durch einen ermessensfehlerhaften Verwaltungsakt beeinträchtigt zu werden“. Fröhler, Staatsaufsicht, 1957, S. 50 zitiert den „neuerdings in Rechtslehre und Rechtsprechung entwickelten Anspruch des Staatsbürgers auf fehlerfreie Handhabung des Verwaltungsermessens“. Turegg/Kraus, Lehrbuch, 1962, S. 167 f. resümieren: „Ob es ein subjektives-öffentliches Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch gibt, . . . war bisher bestritten. . . . Im Hinblick auf § 114 VwGO wird man diesen Standpunkt wohl nicht mehr aufrecht erhalten können.“. Auch nach Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 31 „wurde bislang von der herrschenden Meinung dem einzelnen . . . allenfalls ein formaler Rechtsanspruch gegenüber der Behörde auf Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens zuerkannt“. Laut Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 850) 177

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einzelt oder lediglich fragmentarisch. Zumeist wird nur auf den Wortlaut der verwaltungsprozessrechtlichen Regelungen oder auf die Grundsätze der Verfassung hingewiesen182. V. Zusammenfassung Anfang des 20. Jahrhunderts war die Idee eines subjektiv öffentlichen Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung nur in der Rechtstheorie angedacht und durch diese konstruiert worden. Die Rechtspraxis hingegen pflegte einen unreflektierteren Umgang damit, weil sie in zahlreich vorgenommenen Ermessensüberprüfungen das subjektive Recht zwar stillschweigend vorauszusetzen schien, sich aber mit dieser Thematik nicht weiter befasste. Im Nachkriegsdeutschland vergegenwärtigen die neuen verwaltungsprozessualen Regelungen den Fragenkomplex um das subjektive Recht wieder. Die nicht eindeutig formulierte, gesetzliche Regelung der Klagebefugnis zur Anfechtung von Ermessensakten regt die wissenschaftliche Diskussion an, sich intensiver mit dem Recht des Einzelnen auf Einhaltung der Ermessensgrenzen und dessen gerichtlicher Durchsetzbarkeit zu beschäftigen. Die Rechtsprechung nimmt diese Erörterungen jedoch erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren wahr183. Ab Mitte der fünfziger Jahre kann das formelle subjektiv öffentliche Recht schließlich als in der Literatur weithin anerkannt und in der Rechtsprechung durchgängig praktiziert gelten. Es existiert nun als ungeschriebene Rechtsfigur des deutschen Verwaltungsrechts. Zwar wurde es im Jahr 1960 bei Schaffung einer bundeseinheitlichen Verwaltungsprozessordnung nicht explizit gesetzlich gebilligt. Die nahezu unveränderte Übernahme der zwischen 1948 und 1959 geltenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen in §§ 42 Abs. 2, 114 S. 1 VwGO184 legt jedoch die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber die scheint der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung „längst zu dem gesicherten Bestand des allgemeinen Verwaltungsrechts zu zählen“. 182 Vor allem bei den Kommentierungen des geltenden Verwaltungsprozessrechts fehlt oft jedwede Begründung, etwa bei: Eyermann/Fröhler, VwGO, 1960, § 114, Rn. 8; Klinger, VwGO, 1960, S. 151; Koehler, VwGO, 1960, S. 891. Als besonders rückständig erweisen sich folgende Kommentare, da sie das formelle subjektiv öffentliche Recht noch gar nicht erwähnen: Redeker/Oerzten, VVG, 1960, § 42, Rn. 51 ff. und Schunck/Clerck, VwGO, 1961, S. 180 ff. Nach Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 523) findet sich in der Entscheidungspraxis der Gerichte jedoch ein vergleichbares Begründungsdefizit. 183 Dies gilt zumindest für die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Der ersten Entscheidung (BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. – [Dienstunfall]) ging hier die im wesentlich von Bachof angeführte rechtswissenschaftliche Debatte zu Beginn der fünfziger Jahre voraus. 184 Die neuen Paragraphen §§ 42 Abs. 2, 114 S. 1 VwGO wurden dem in der britischen Zone zuvor geltenden § 23 Abs. 1, 3 MRVO Nr. 165 nachgestaltet.

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Rechtslage hinsichtlich des formellen subjektiv öffentlichen Rechts nicht ändern wollte und somit die bestehende Entscheidungspraxis indirekt akzeptierte. Es dauerte kaum mehr als ein Jahrzehnt, bis die Phase der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um das formelle subjektiv öffentliche Recht abgeschlossen war. Im wesentlichen rankte sich die Debatte um folgende zwei Streitpunkte185: Zunächst galt es die unüberbrückbar erscheinende Gegensätzlichkeit zwischen Ermessen und Recht dahingehend zu bewältigen, dass sich beide nicht weiterhin in einer „entweder-oder“-Ausschließlichkeit gegenüberstanden. Insbesondere in der frühen verwaltungsrechtlichen Literatur lassen sich Schwierigkeiten feststellen186, die sich aus der übernommenen, aber später revidierten These ergeben haben, objektives oder subjektives Recht und Ermessen seien unvereinbar. Erst die Erkenntnisse einer rechtsstaatlich fortentwickelten Ermessenslehre ermöglichten eine rechtstheoretische Verbindung zwischen Ermessen und subjektivem Recht. Die Vorstellung, dass „freies Ermessen“ und „gebundene Maßnahmen“ nicht zwei Kategorien von Handlungsformen der Verwaltung, sondern lediglich verschiedene graduelle Abstufungen eines im Grundsatz stets rechtlich gebundenen Verwaltungshandelns darstellen, ebnete den Weg für die Konzeption eines Individualrechts auf Beachtung der rechtlichen Grenzen des Verwaltungshandelns. Daneben lässt sich beobachten, dass eine Vielzahl von Angriffen gegen das subjektive Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung auf der Angst vor einer dadurch ausgelösten Flut von verwaltungsgerichtlichen Klagen beruhte187. Diese Furcht basierte auf einem Missverständnis der Konstruktion des subjektiven Rechts188, das als Jedermanns-Recht und damit als jedem Staatsbürger oder 185

So auch Bachof, JZ 1957, S. 431 ff. (S. 434). Stellvertretend soll hier auf die aus heutiger Sicht widersprüchlichen erscheinenden Ausführungen von Eyermann/Fröhler/Hofmann, VVG, 1950, S. 133 verwiesen werden: „Kein subjektives öffentliches Recht liegt vor, sofern ein Akt in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt ist, dagegen besteht ein subjektives Recht darauf, daß die Beh[örde] von ihrem Ermessen iS des Ges[etzes] Gebrauch macht.“ Auch die Formulierung bei Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 36, wonach das subjektive Recht im Bereich des Ermessens zwar fehle, aber der Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch davon zu unterscheiden sei, weisen auf die Schwierigkeiten im Umgang mit den Begrifflichkeiten von Recht und Ermessen hin. Ebenso behauptet Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 35 f., dass das Ermessen nicht in ein freies und ein gebundenes aufzuspalten sei, da es sich bei letzterem um „die Ausfüllung eines Rechtsbegriffs, d.h. um eine bloße Subsumtion“ handele. Infolgedessen wird verständlich, warum er im ersten Bereich des sogenannten freien Ermessens die Existenz eines subjektiven Rechts vehement ablehnt. 187 So warnt VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. – [Wohnraumzuweisung], dass die Tätigkeit der Verwaltung lahmgelegt werden könne. Laut Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628) droht sogar die Gefahr von Kreislaufstörungen und eines Bewegungsverlusts der Verwaltung. 188 Ursächlich war die indifferente Haltung der Rechtsprechung zur Begründung des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung, siehe dazu aber erst unter § 16 I 2. 186

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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jedem durch die Ermessensentscheidung Betroffenen zustehend aufgefasst wurde189. Die Rechtswissenschaft hingegen verband schon seit der Entdeckung der Rechtsfigur diese mit den Ansätzen der Schutznormtheorie190. Demnach konnte sich auf das formelle subjektiv öffentliche Recht nur derjenige berufen, dem die objektiven, ermessensbeschränkenden Normen zu dienen bestimmt waren. Es verwundert, dass diese Voraussetzung des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht deutlicher wahrgenommen wurde. Die letzten Missdeutungen und Meinungsverschiedenheiten um das formelle subjektiv öffentliche Recht ließen sich schließlich zu Beginn der sechziger Jahre beilegen.

§ 16 Rechtsgrundlagen und Tatbestandsvoraussetzungen des formellen Ermessensanspruchs Nachdem die Anerkennung des subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung chronologisch dargestellt wurde, wird sich die Untersuchung im Folgenden mit den rechtstheoretischen Grundlagen des Anspruchs und den Fragen seiner Inhaberschaft beschäftigen. Heute können diese als weitgehend geklärt gelten191, einer ausführlicheren Betrachtung bedarf es daher nicht. Doch so umstritten das formelle subjektive objektive Recht in den Jahren nach 1945 an sich war, so ungelöst waren noch Jahre später Einzelfragen seiner Rechtsgrundlage und Aktivlegitimation. Systematisch betrachtet sind die Anspruchsgrundlage des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung sowie die Anspruchsvoraussetzungen voneinander verschiedene Fragestellungen. Sie werden aber nicht klar getrennt behandelt, das Augenmerk liegt meist nur allgemein auf den Voraussetzungen des subjektiven Rechts192. Allerdings ist die Diskussion um die Rechtsgrundlage nicht ohne 189 Dieser Auffassung gibt Schnapp, DVBl 1969, S. 596 ff. (S. 597) Ausdruck, indem er der herrschenden Lehre unterstellt, sie würde ein formelles Recht annehmen, „ohne Rücksicht darauf, ob das jeweilige objektive Recht eine causa für ein subjektives Recht abgibt“. 190 So Jellinek, Gesetz, 1913, S. 116 f., später Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 71 f. 191 Siehe dazu die Darstellung unter § 11 II 1. 192 So etwa Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853 ff.), der verschiedene Rechtsgrundlagen unter dem Aspekt einer möglichen Ableitung eines allgemeinen Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung untersucht; ähnlich auch Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 574 ff.), der umfassend den Meinungsstand darstellt und dabei Grundrechte neben dem tatsächlichen Betroffensein als Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte aufzählt. Nur Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 71 geht systematisch richtig vor und trennt aus Gründen der Übersichtlichkeit und der wissenschaftlichen Genauigkeit zwischen Anspruchsgrundlage und Aktivlegitimation.

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Grund eng mit derjenigen um die Inhaberschaft verknüpft. Die Rechtsgrundlage eines Anspruchs determiniert schließlich auch immer den Kreis seiner Berechtigten. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Frage nach der Rechtsinhaberschaft des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Betätigung deswegen nicht isoliert von seiner Rechtsgrundlage untersucht werden. I. Schwacher Aussagewert gerichtlicher Äußerungen Da sich die Gerichte regelmäßig an den für die Falllösung relevanten Entscheidungsumständen orientieren, finden sich nur wenige Ausführungen, die über die prozessuale Bedeutung des Ermessensanspruchs als Klagebefugnis hinausgehen. Weil die Begründungsansätze der Rechtsprechung kaum explizit angesprochen werden, sind sie nur schwierig aufzudecken und müssen indirekt gewonnen werden. 1. Fehlende Begründung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts Bei Wiederaufnahme der deutschen Verwaltungsrechtsprechung nach 1945 lassen die ohnehin raren Äußerungen der Gerichte zur Thematik des formellen subjektiven Rechts die Vermutung zu, dass sich die Rechtsprechung mit dieser Problematik nicht tiefergehend inhaltlich auseinandergesetzt hat. Sofern die Entscheidungsorgane ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung ausdrücklich anerkennen, halten sie sich nicht mit eigenen Begründungsansätzen und Umschreibungen dieses Rechts auf, sondern verweisen lediglich auf dessen Erwähnung in der rechtswissenschaftlichen Literatur193. So verneint etwa das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ein Recht des Staatsbürgers auf eine bestimmte Ermessensentscheidung der angerufenen Behörde, gesteht diesem aber den als existent unterstellten „Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der angerufenen Behörde“194 zu. Der Senat begründet diesen Anspruch nicht weiter, sondern beruft sich auf die von Krüger geforderte Anerkennung eines allgemeinen formellen subjektiven Rechts195. Damit ist dieses Urteil typisch für die damalige Entscheidungspraxis, den Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nur zu erwähnen, ohne ihn argumentativ zu untermauern196.

193 194

Dies bestätigt auch Weber, JuS 1973, S. 62 (S. 62). OVG Lüneburg (23.02.1951), OVGE 4, S. 203 ff. (S. 204) – [Mädchenkam-

mer]. 195

Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 87). Ähnlich geht das LVG Minden (30.07.1951), JZ 1952, S. 491 f. (S. 492) – [Schuldirektor] vor und verweist auf die Ausführungen von Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 f.; OVG Münster (11.12.1951), DÖV 1952, S. 444 ff. (S. 445) – [Namensänderung] hingegen nimmt Bezug auf Klinger, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1950, S. 101.

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Allerdings lassen sich ab Anfang der fünfziger Jahre auch weitergehende Äußerungen über das formelle subjektive Recht in den Entscheidungsgründen finden. Diese beziehen sich jedoch eher auf die praktisch relevante Frage nach dem Kreis der Anspruchsberechtigten. Auf diese Thematik ist die richterliche Aufmerksamkeit gerichtet, da sich die Klagebefugnis hieran entscheidet197. Eigenständige Versuche einer Begründung des subjektiven Rechts durch die Rechtsprechung sind dagegen nicht aufzuspüren198. Ab etwa Mitte der Fünfziger Jahre akzeptiert die Verwaltungsrechtsprechung das formelle subjektiv öffentliche Recht als bestehend, ohne dass zuvor eine Phase der Auseinandersetzung mit dieser Problematik festzustellen gewesen wäre. Die jeweiligen Entscheidungen verweisen jetzt über vorangegangene Rechtsprechung auf eine „gefestigte“ Ansicht. Daher sehen sie auch nicht die Notwendigkeit, selbst zur Thematik der subjektiven Rechte im Bereich des Ermessens Stellung zu nehmen199. So wähnt sich etwa das Oberverwaltungsgericht Münster schon 1953 mit der Anerkennung eines formellen Rechts des Antragstellers auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens „in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Rspr. und Rechtslehre“200. Allerdings liegt die erste bundesgerichtliche Rechtsprechung erst im Jahr 1955 vor201, so dass sich erst nach diesem Zeitpunkt eine Begründungsbedürftigkeit des subjektiven Rechts erübrigen kann. 196 Dies ist etwa zu beobachten in den Entscheidungen: OVG Münster (20.03.1950), AöR 1971 (1951/52), S. 86 ff. (S. 86) – [Wohnungsamt]; OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 113) – [Heilpraktikergesetz]; OVG Hamburg (14.06.1951), DVBl 1952, S. 244 ff. (S. 246) – [Baustufenplan]; OVG Münster (08.08.1951), MDR 1953, S. 124 f. (S. 125) – [Damenschneiderin]; OVG Hamburg (20.09.1951), DVBl 1952, S. 246 ff. (S. 247) – [Schlitzbauteile]; OVG Münster (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter]; OVG Hamburg (07.04.1952), DVBl 1953, S. 334 ff. (S. 335) – [Sonntagshandelserlaubnis]. 197 OVG Münster (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter] bestimmt, dass Berechtigter eines (formellen) Anspruchs aus dem Schwerbehindertengesetz auch nur ein Schwerbeschädigter sein kann. Abgesehen von dieser speziellen Regelung gelingt BayVGH (17.01.1952), DÖV 1952, S. 598 (S. 598) – [Bürgermeister] eine gemeingültige Aussage, wonach die Inhaberschaft auf „von einer solchen Entscheidung ,Betroffene‘“ beschränkt ist. 198 OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, 218 ff. (S. 221) – [Unterbringung] rezitiert nur die Ansicht in Rechtsprechung und Rechtslehre, dass sich die Anerkennung des formellen subjektiven Rechts in der Tatsache widerspiegle, dass in § 24 MRVO 165 die Vorschrift des § 23 Abs. 3 MRVO 165 für entsprechend anwendbar gehalten wird. 199 Als Beispiele einer unkommentierten Aufnahme des subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch in den Entscheidungsinhalt dienen etwa: OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 8, S. 113 ff. (S. 115) – [Fleischbeschau]; BVerwG (18.08. 1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 96) – [Bandsäge]; BVerwG (20.03.1962), BVerwGE 14, S. 84 ff. (S. 87) – [Justizinspektor]. 200 OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 27) – [Kottens]. 201 Entscheidend war hier BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall].

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

2. Vermeintliche Propagierung eines allgemeinen formellen subjektiv öffentlichen Rechts In einigen rechtswissenschaftlichen Darstellungen findet sich der Begriff des allgemeinen subjektiv öffentlichen Rechts202. Er lässt vermuten, dass es sich hierbei um eine Art Unterkategorie oder einen anderen Typus des „normalen“ subjektiven Rechts handelt. Bei genauerer Betrachtung des allgemeinen subjektiven Rechts fällt hingegen auf, dass seine Besonderheit darin besteht, dass es die Frage nach der Inhaberschaft des formellen Rechts für sich mit „jedermann“ beantwortet. Nach der Grundidee des allgemeinen subjektiven Rechts kann sich folglich jede Person auf die Rechtsgrundlage dieses subjektiven Rechts berufen. Zur Begründung liegt damit der Rückgriff auf Grundrechte als Jedermannsrechte nahe203. Zwar lehnte die rechtswissenschaftliche Literatur die Konstruktion eines allgemeinen subjektiv öffentlichen Rechts schon früh nahezu geschlossen ab204. Immer wieder wurde sie jedoch ins Spiel gebracht205. Ein Blick auf die Entscheidungsinhalte der Rechtsprechung offenbart, worauf die Vorstellung eines allgemeinen und damit jedermann zustehenden Rechts auf fehlerfreie Ermessenentscheidung gegründet ist. Einige Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte206 scheinen das Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens ausdrücklich „jedem“ zuzuweisen. So befindet 1952 das Oberverwaltungsgericht Hamburg die Beklagten dazu berechtigt, „wie jeder Staatsbürger“207 eine sorgfältige Prüfung und Aufklärung ihres Vertrags verlangen zu können. Wenige Jahre später schließt sich das Oberverwaltungsgericht Münster den vorinstanzlichen Ausführungen dahingehend an, dass „jeder . . . einen Rechtsanspruch darauf habe, dass sein Antrag ordnungsgemäß und frei von Rechtsfehlern geprüft und beschieden werde“208.

202 Etwa bei Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 575); Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853). 203 So etwa Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853 ff.). 204 Statt vieler: Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 524); Bachof, Verfassungsrecht, Bd. 1, 1963, S. 65 f. 205 Vor allem bei Hoffmann-Becking, JuS 1973, S. 615 ff. (S. 618). Auch Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964 behandelt den Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch in seiner Form als allgemeines formelles subjektives Recht. 206 OVG Hamburg (20.09.1951), DVBl 1952, S. 246 f. (S. 247) – [Schlitzbauteile] spricht von einem Anspruch des Staatsbürgers. Auch OVG Münster (11.12.1951), DÖV 1952, S. 444 f. (S. 445) – [Namensänderung] beschränkt die Inhaberschaft des Rechts nicht und gesteht es somit jedem Kläger zu. 207 OVG Hamburg (07.04.1952), DVBl 1953, S. 334 f. (S. 335) – [Sonntagshandelserlaubnis]. 208 OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 11, S. 113 ff. (S. 116) – [Fleischbeschau].

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Welche Intention der Gerichte hinter diesen Aussagen steht, ist nicht erkennbar. Es bleibt im unklaren, ob es sich um bewusste Angaben zum Kreis der Anspruchsberechtigten des subjektiven Rechts oder nur um eine sorglose Verwendung des Begriffs „jedermann“ handelt, der im Grunde durch weitere Voraussetzungen einschränkbar gedacht ist. Eine Antwort darauf lässt sich im Hinblick auf die große Masse der Entscheidungen finden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen äußert sich diese gar nicht zur Problematik der Rechtsinhaberschaft des formellen Ermessensanspruchs209. Zunächst entsteht der Eindruck, dass die Inhaberschaft auch keinen Einschränkungen unterliege, weil sie eben nicht besonders thematisiert wird. Eine positive Anerkennung des allgemeinen subjektiv öffentlichen Rechts kann der Rechtsprechung auf der anderen Seite aber auch nicht unterstellt werden. Schließlich wurde dies seitens der Rechtsprechung aus nie ausdrücklich proklamiert oder begründet210. Nicht vergessen werden darf daher, dass die dargestellten Entscheidungen lediglich eine von mehreren Tendenzen der landesgerichtlichen Verwaltungsrechtsprechung darstellen, der sich einige, aber durchaus nicht alle Gerichte angeschlossen haben211. Der Großteil der gerichtlichen Entscheidungen in den fünfziger Jahren zeichnet sich durch eine dogmatische Unschärfe im Umgang mit dem subjektiven Recht sowie durch ein Begründungsdefizit in der Frage aus, auf welcher Rechtsgrundlage der Anspruch auf ermessensfehlerfreies Handeln beruht und wer ihn besitzen kann. Die systematisch sorglose Handhabung der Zulassung 209 Ohne Bezugnahme auf die Inhaberschaft des subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch entschieden die Gerichte in diesen Fällen: OVG Lüneburg (23.02.1951), OVGE 4, S. 203 ff. (S. 204) – [Mädchenkammer]; OVG Hamburg (14.06.1951), DVBl 1952, S. 244 ff. (S. 246) – [Baustufenplan]; OVG Münster (08.08.1951), MDR 1953, S. 124 ff. (S. 125) – [Damenschneiderin]; OVG Münster (11.12.1951), DÖV 1952, S. 444 f. (S. 445) – [Namensänderung]; OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 27) – [Kottens]. 210 Diese Tatsache lässt sich insofern erklären, als dass die Thematik in den Entscheidungen in der Regel unter prozessualen Aspekten aufgegriffen wird. Es liegt daher in der Natur der Rechtsprechung, dass sich diese tendenziell mehr mit der Frage nach der Zulässigkeit der Klage denn mit den Voraussetzungen des materiellen Anspruchs befasst. 211 Inhaltlich verschieden dazu waren jene Entscheidungen, die eine besondere Stellung des Anspruchsberechtigten voraussetzen, so z. B. aufgrund einer Verfahrensbeteiligung durch Antragsstellung, siehe BVerwG (23.11.1967), DVBl 1968, S. 746 ff. (S. 748) – [Salmonellen]). Ähnlich wendet sich VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 403 ff. – [Wohnraumzuweisung] generell gegen eine undifferenzierte Anerkennung des formellen subjektiven Rechts. Teilweise prüfen einige Entscheidungen auch schon detaillierter, ob sich ein Anspruch des Einzelnen aufgrund seiner Begünstigung durch die betreffende Norm im konkreten Fall ergibt. Ein solches Vorgehen findet sich z. B. bei OVG Hamburg (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter] oder in VGH BW (16.01.1953), DÖV 1953, S. 641 – [Bebauungsplan], in welchem die Schutzrichtung des Aufbaugesetzes zugunsten des Einzelnen verneint wird, da es nach Ansicht des Gerichts nur Rechte der Allgemeinheit begründet.

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von Klagen gegen Ermessensentscheidungen hatte zur Folge, dass die Rechtsprechung missverstanden wurde. Ihre Ansicht wurde dahingehend aufgefasst, als bedürfe es für ein subjektives Recht neben der Ermessensverletzung keiner weiteren Voraussetzungen, weswegen der Anspruch jedermann zustehe und ein allgemeines subjektives formelles Recht zu befürworten sei. Diese Konstruktion eines allgemeinen Ermessensanspruchs, wie sie von der Rechtsprechung scheinbar favorisiert wurde, war mitursächlich für eine pauschale Ablehnung des subjektiven Rechts an sich212. Die überwiegende Ansicht der Literatur betonte hingegen, dass eine Verletzung objektiven Rechts nicht automatisch eine subjektive Rechtsverletzung bedinge. Diese Erkenntnis setzt sich schließlich auch in der Rechtsprechung auf Landes- und Bundesebene durch. In späteren Entscheidungen wurde sie deutlich zum Ausdruck gebracht213. Im Ergebnis ist die Idee eines allgemeinen und jedermann zustehenden formellen subjektiv öffentlichen Rechts jedoch deswegen abzulehnen, weil sie den im öffentlichen Recht grundsätzlichen Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Recht missachtet. Eine mögliche Rechtsgrundlage eines Ermessensanspruchs muss daher besondere Kriterien aufweisen, mit deren Hilfe sich die Rechtsinhaberschaft beschränken lässt und sich infolgedessen nicht jeder, sondern nur ein bestimmter Personenkreis auf sie berufen kann. II. Betroffenheit als Kriterium einer Rechtsinhaberschaft Der Kreis der Berechtigten eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung lässt sich über das Charakteristikum der Betroffenheit einschränken214. Dass die Bestimmung dieses Merkmals nur ansatzweise möglich ist, erweckt auf den ersten Blick Zweifel, ob die Betroffenheit als Kriterium überhaupt geeignet ist. Da das Betroffenheitsmerkmal im Laufe der Diskussion um die Inhaberschaft des Ermessensanspruchs jedoch öfters auftaucht, findet es Eingang in diese Arbeit.

212 Etwa bei: Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 658; Schneider, ZaöRV 19 (1958), S. 449 ff. (S. 459). 213 Beginnend mit VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 403 ff. – [Wohnraumzuweisung], setzte sich diese Wahrnehmung besonderes schnell in der Rechtsprechung des BayVGH durch, so etwa in BayVGH (17.01.1953), BayVGHE 6, S. 5 ff. (S. 5 f.) – [Wertminderung] oder BayVGH (29.07.1953), VerwRspr 6, S. 44 ff. (S. 46) – [Wohnungssuchender]. 214 Die Betroffenheit dient jedoch nur als Merkmal, die Inhaberschaft des subjektiven Rechts festzulegen. Als notwendige Rechtsgrundlage des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung ist dann grundsätzlich auf die jeweils einschlägige Ermessensermächtigung zurückzugreifen.

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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In der Rechtsprechung taucht die Voraussetzung der Betroffenheit erstmals im Jahr 1950 in einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auf. Das Urteil spricht demjenigen, „der von der Verfügung der Behörde betroffen wird“215, das Recht darauf zu, dass die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen im Sinne des Gesetzes handelt. Diese Aussage bestätigt zwei Jahre später der Gerichtshof, indem er dem „von einer solchen Entscheidung ,Betroffene[n]‘“216 die Möglichkeit der Anfechtungsklage gegen Ermessensakte zubilligt. Für das Kriterium der Betroffenheit besteht jedoch dieselbe Gefahr wie im Fall des allgemeinen formellen subjektiv öffentlichen Rechts. Auch hier ist es möglich, wenngleich nicht richtig, eine Aussage der Rechtsprechung aufgrund ihrer unpräzisen Verwendung des Betroffenheits-Begriffs dahingehend zu konstruieren, dass die Betroffenheit als entscheidendes Kriterium der Inhaberschaft des subjektiven Rechts fungiert. Diese Intention kann der Rechtsprechung aufgrund der geringen Anzahl der Entscheidungen, die auf das Merkmal der Betroffenheit abstellen, insgesamt aber nicht unterstellt werden. Die erwähnten Entscheidungen besitzen daher keine Repräsentation für eine bestimmte Linie der Verwaltungsrechtsprechung. Indes schwenkt auch Forsthoff auf die Argumentation über das Betroffenheitskriterium ein. Er sieht als Anspruchsberechtigten den „durch einen auf Ermessen beruhenden Verwaltungsakt Betroffene[n]“217 in Abgrenzung zum (nicht betroffenen) Dritten. Insofern schließt sich Forsthoff den Erläuterungen Haueisens an, wonach Träger des formellen subjektiv öffentlichen Rechts derjenige ist, der im konkreten Fall unmittelbar oder mittelbar verletzt ist218. Über diese Konstruktion vermeidet Haueisen eine pauschale Berechtigung jedes Einzelnen, hierdurch schützt er sich vor dem Gegenargument einer Popularklagengefahr219. Steht das Betroffenheitskriterium zur Beurteilung, so fällt eine Tatsache positiv ins Gewicht. Das Merkmal der Betroffenheit erlaubt es, subjektive Rechte unabhängig vom Gesetzgeber zu begründen, weil es als Rechtsgrundlage des subjektiven Rechts auf Grundrechte zurückgreift220. Allerdings erweist sich ein gravierender Nachteil der Betroffenheit als unüberwindbar: Seine Bestimmung 215

BayVGH (01.03.1950), BayBgm 1950, S. 284 (S. 284) – [Betroffen]. BayVGH (17.01.1952), DÖV 1952, S. 598 (S. 598) – [Bürgermeister]. 217 Forsthoff, Lehrbuch, 1953, S. 159. 218 So Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 523 f.). 219 Siehe bei Haueisen, DVBl 1952, S. 521 ff. (S. 524). Weiterführende Ausführungen dazu sowie die Besprechung ähnlicher Ansichten von Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), S. 35 ff. (S. 49) und Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 653 ff. ) bei Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 577 f.). 220 So kann nach Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), S. 35 ff. (S. 49) ein subjektives Recht immer dann angenommen werden, „wenn ein Gewaltunterworfener von einer staatsrechtlichen Norm konkret betroffen ist“. 216

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

kann nur anhand der vagen Kriterien von unmittelbar oder mittelbar vorgenommen werden. Der Betroffenheitsbegriff ist daher nicht ausreichend präzisierbar und im Ergebnis zu weit gefasst221. Infolgedessen konnte sich das Abgrenzungskriterium der Betroffenheit in der Folgezeit nicht durchsetzen222. III. Bestimmung von subjektiven Rechten über die Schutznormtheorie Der Denkansatz der Betroffenheit birgt jedoch schon die Grundidee der Schutznormtheorie in sich, wie sie heute mit ganz überwiegender Mehrheit vertreten wird. Die Schutznormtheorie definiert die Voraussetzungen einer Anspruchsberechtigung für ein subjektives Recht über die Fragestellung, ob der Einzelne im konkreten Fall von der Norm begünstigt werden soll. Damit versucht auch die Schutznormtheorie letztlich, eine „rechtlich“ qualifizierte Betroffenheit zu umschreiben. 1. Entwicklung der Schutznormtheorie in der Rechtswissenschaft Wie schon bei der allgemeinen Thematik des subjektiv öffentlichen Rechts sind auch für den Ausgangspunkt der Schutznormtheorie die Stellungnahmen von Jellinek und Bühler von grundlegender Bedeutung. Jellinek äußert sich nur sehr formal zur Macht des Untertanen, „in seinem eigenen Interesse durch Klage die Aufhebung des rechtlich nicht einwandfreien Staatsaktes herbeizuführen“223. Bühler stellt hingegen den Bezug zwischen Norm und Individualinteresse deutlicher heraus: Als Unterform des subjektiv öffentlichen Rechts bedarf es seiner Ansicht nach für den Anspruch des Einzelnen auf fehlerfreien Ermessensgebrauch eines „zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes“224. Bühler dachte den Konnex zwischen verletzter objektiver Norm und

221 Insofern ist die Betroffenheit mit demselben Makel wie die Schutznormtheorie belastet, letztlich eine rein kasuistische Lehre zu sein. Hoffmann-Becking, JuS 1973, S. 615 ff. (S. 617) ist jedoch a. A., wobei er allerdings die Tatsache übersieht, dass auch bei einem allgemeinen subjektiven Recht eine Beschränkung über den Eingriffscharakter und damit letztlich wieder über die Betroffenheit vorgenommen wird. Da die Bestimmungsproblematik lediglich von der Schutznorm auf den Betroffenheitsbegriff verlagert wird, stellt das Betroffenheitskriterium insofern keinen Gewinn gegenüber der Schutznormtheorie dar. 222 Auch nach Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 607) wird im Jahr 1975 „eine solche Ansicht aber wohl nicht wirklich vertreten“. 223 Jellinek, Gesetz, 1913, S. 117. Er erkennt schon 1913 in Ansätzen die Inhalte der heutigen Schutznormtheorie, wenn er von der Notwendigkeit spricht, dass die Rechtsordnung den Betroffenen mit einer Rechtsmacht zur klagweisen Durchsetzung seines eigenen Interesses ausstatten müsse. Die vergleichsweise hohe Anforderung der Rechtsmacht erklärt sich aufgrund der besonderen Unterscheidung Jellineks von formellen und materiellen Rechten (siehe in § 12 II 1). 224 Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 224.

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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subjektivem Recht rechtstheoretisch damit schon in der Zeit vor der Bonner Verfassung an. a) Erarbeitung der Grundsätze durch Bachof Otto Bachofs Beiträge zur Bestimmung von subjektiv öffentlichen Rechten haben entscheidend zur Ausbildung der Schutznormtheorie beigetragen225. Allerdings zitiert er zunächst noch missverständlich Jellineks Satz „Soweit daher die Überprüfung derartiger Ermessensfehler reicht, reicht auch das subjektive Recht des Einzelnen“226 und suggeriert damit, dass die Pflicht zur Beachtung der Ermessensgrenzen mit dem Recht des Einzelnen auf deren Überprüfung übereinstimmen würde. Bei der Frage nach der Anspruchsberechtigung macht Bachof schließlich deutlich, dass die Inhaberschaft des subjektiven Rechts davon abhängt, ob die verletzte Norm das „Individualinteresse des Klägers . . . zu schützen bestimmt ist . . . [und ihm] nicht nur beiläufig“227 dient. b) Positive Rezeption des Schutzzweckgedankens Schon damals wird die Ansicht Bachofs weitgehend positiv rezensiert. Insbesondere in Spezialbeiträgen in Aufsatzform finden sich zahlreiche Bezugnahmen auf ihn. In der Kommentierung des Wohnungszuweisungs-Beschlusses228 gesteht auch Naumann dem Verwaltungsgerichtshof zu, dass eine irgendwie geartete Verletzung subjektiver Interessen neben der objektiven Rechtsverletzung allein nicht für die Anerkennung einer subjektiven Rechtsverletzung durch fehlerhafte Ermessensausübung ausreiche229. Nach seiner Auffassung muss das verletzte objektive Recht den „besonderen Interessen des Klägers zu dienen bestimmt“230 sein.

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So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 70 ff. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 70. Allerdings lautet das zitierte Original in Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 211 etwas anders: „Soweit die Überprüfung derartiger Ermessensfehler reicht, reicht auch das subjektive Recht des einzelnen“. 227 Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 71. Schon 1955 erkennt Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 297) am Beispiel des Fürsorgerechts den erst einige Jahrzehnte später breit thematisierten Verständniswandel, welches Gemeininteresse (zumindest auch) als geschütztes Individualinteresse zu betrachten ist. 228 Der Beschluss des VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. – [Wohnungszuweisung] ist die einzige Entscheidung, die sich ausdrücklich kritisch gegenüber dem formellen subjektiv öffentlichem Recht äußerte. 229 So Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 406). 230 Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 406). 226

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Auch Bender kommentiert eine steigende Tendenz der Entdeckung subjektiver Rechte231. In Anlehnung an Bachof erachtet Fröhler als Voraussetzung eines klagbaren subjektiven Rechts, dass „die Ermessensentscheidung ihrer Zweckrichtung nach auch das Individualinteresse berücksichtigen soll“232. Dies ist nach Fröhler immer dann der Fall, wenn neben öffentlichen Interessen auch private in die abwägende Entscheidung einfließen. Der Gehalt der Schutznormtheorie setzt sich bei der Standardliteratur, wie auch in den Lehrbüchern und etwas später in den Kommentaren233 durch. Zum Beispiel hält es Forsthoff unter dem Aspekt des umfassenden Rechtsschutzes für möglich, dass ein von einer Ermessensnorm Betroffener deren Gebrauch rügen kann, wenn diese „ausschließlich oder auch in seinem Interesse geschaffen worden ist“234. Diesen Gedanken führt Martens dahingehend fort, dass lediglich im öffentlichen Interesse erlassene Ermessensnormen somit keinen subjektiven Anspruch auf ihren rechtmäßigen Gebrauch begründen können235. Nicht in allen Quellen wird allerdings die Notwendigkeit einer individualrechtsschützenden Normrichtung so deutlich erkannt. So äußert sich Turegg noch vage über die Notwendigkeit einer Rechtsverletzung, die seiner Ansicht nach gegeben sein müsse, „insbesondere wenn es sich um eine Ermessensnorm handelt, die in seinem [Anm.: des Betroffenen] Interesse geschaffen worden ist“236. Er stellt hingegen nicht zwingend heraus, dass eine Rechtsverletzung stets erforderlich ist. Auch Stern bleibt nur oberflächlich, wenn er allgemein von einem „Recht auf funktionsgemäßes Verhalten der Verwaltung“237 spricht. Seine Konzeption der Verwaltung, die als Einrichtung nicht aus einem Selbst231 In Bender, Verwaltungsrecht, 1956, S. 75 (Fn. 3). Bender verweist hinsichtlich seiner Definition der subjektiven Rechte auf Bachof in der Folge von Jellinek und Bühler. Er folgt dem Ansatz der Schutznormtheorie, indem er als Voraussetzung des subjektiven Rechts fordert, „daß die begünstigende Norm unmittelbar ein bestimmtes individuelles Interesse in der Weise schützen will, daß sie dem Willen des einzelnen Rechtssubjektes die Macht gibt, das normgemäße Verhalten des Hoheitsträgers zu verlangen“. 232 Fröhler, Staatsaufsicht, 1957, S. 51. 233 Koehler, VwGO, 1960, S. 900 erachtet unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwGs als Voraussetzung eines „Anspruch[s] auf fehlerfreie Ermessenshandhabung“, dass die Ermessensnorm ganz oder mindestens auch zum Schutze des Betroffenen geschaffen wurde. Eyermann/Fröhler, VwGO, 1960, § 114, Rn. 8 übernehmen lediglich die Ausführungen von Fröhler, Staatsaufsicht, 1957, S. 51. Noch früher findet sich allerdings bei Eyermann/Fröhler/Hoffmann, VGG, 1950, S. 133 schon die Fragestellung, ob „der Gesetzgeber die Norm im Interesse des Einzelnen erlassen“ hat. 234 Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1956, S. 170. 235 So Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 248). Mit der zunehmenden Anerkennung privater Interessen verringerte sich gleichzeitig die Anzahl der Ermessensnormen, welche die Verwaltung zu einem rein öffentlich-rechtlichen Interessensausgleich ermächtigen und subjektive Rechte ausschließen. 236 Turegg/Kraus, Lehrbuch, 1962, S. 168. 237 Stern, Ermessen, 1964, S. 37.

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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zweck heraus, sondern für den Einzelnen agiert, läuft Gefahr, dahingehend falsch verstanden zu werden, es könne im Grunde jedermann zur Anfechtung von Ermessensakten berechtigt sein. Die Existenz eines solch allgemeinen subjektiv öffentlichen Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung negiert Simon später. Zugleich stellt er fest, dass nur derjenige berechtigt ist, „dem die Ermessensentscheidung nach dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zugute kommen soll“238. Mit Beginn der siebziger Jahre lässt sich als herrschende Auffassung feststellen, dass nur eine zumindest auch im Interesse des Betroffenen errichtete Ermessensermächtigung ein formelles subjektives Recht erzeugen kann239. 2. Aufnahme der Schutznormtheorie in der Rechtsprechung Die Grundidee einer Orientierung an der Zweckrichtung der betreffenden Ermessensnorm taucht vereinzelt in der Rechtsprechung recht früh auf. Schon zu Beginn der fünfziger Jahre beschäftigen sich die ersten Entscheidungen mit der Frage nach der individuellen Berechtigung für Ermessensansprüche. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 1950240 geht geradezu lehrbuchartig vor, wenn sie nach dem Sinn fragt, weshalb der Verkehrsaufsichtsbehörde nach § 4 StPO241 Ermessen eingeräumt ist. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Ermessensermächtigung den Interessen des Verkehrs, aber nicht denen der anliegenden Gebäudeinhaber dient. Deswegen könnten sich die Kläger nicht auf eine Verletzung des § 4 StPO berufen, der Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens bliebe ihnen somit versagt242. Ebenso deutlich, fast akribisch, diskutiert das Oberverwaltungsgericht Hamburg243 alle für die Ermessensentscheidung relevanten Belange, die in diesem Fall in die Abwägung über die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbeschädigten einzubeziehen waren244. Nach Aussage des Gerichts hat das Schwer238

Simon, BayVBl 1987, S. 227 ff. (S. 227). So Weber, JuS 1973, S. 62 (S. 62 mwN). 240 OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. – [Schotterweg]. 241 § 4 der Straßenpolizeiordnung (vom 13.11.1937, RGBl. I S. 1181 ff.) (1) Die Verkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen aus Gründen der Sicherheit oder der Leichtigkeit des Verkehrs durch polizeiliche Anordnungen verbieten oder beschränken. (. . .) 242 OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 108 f.) – [Schotterweg]. Der Ermessensanspruch wurde jedoch im betreffenden Fall nicht thematisiert, da das Klagebegehren auf einen Rechtsanspruch und damit auf Verpflichtung der Behörde zu einem inhaltlich bestimmten Verhalten statt auf die Kassation eines Verwaltungsakts gerichtet war. 243 OVG Hamburg (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter]. 239

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beschädigtengesetz die Beachtung der Interessen des Beschädigten zum Regelungsgegenstand. Es sei eben gerade dazu geschaffen, den Interessen eines Schwerbeschädigten zu dienen. In diesem Oberverwaltungsgerichtsurteil stand fest, dass dem Schwerbeschädigten hieraus ein formelles subjektiv öffentliches Recht erwachsen kann. Allerdings unterscheiden sich diese beiden Urteile von den gerichtlichen Äußerungen im Großteil aller Fälle. Dort wird der Schutznormgedanken entweder erst gar nicht in die Überlegungen miteinbezogen245 oder im konkreten Fall nicht auf die Ermessensnormen übertragen246. Fortschrittlich erweist sich erst 1955 wieder das Dienstunfall-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts247. Die Ermessensnorm des § 111 Abs. 3 DBG wird als „offensichtlich eine im Interesse des vom Dienstunfall Betroffenen geschaffene“248 Regelung beurteilt. Das Gericht bestätigt die individualschützende Richtung des Ermessensnormzwecks als Voraussetzung für die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf Prüfung der Ermessenshandhabung. Mit dieser Entscheidung kann der Schutznormgedanke auch auf bundesgerichtlicher Ebene als eingeführt gelten. Er wird in den Folgejahren fortgeführt249. 244 Die einschlägigen Normen dieses Rechtstreits waren §§ 13, 14 SBG (in ihrer Fassung vom 12.01.1923, RGBl. I S. 60). 245 Stellvertretend für die meisten Entscheidungen steht LVG Minden (30.07.1951), JZ 1952, S. 490 f. (S. 491) – [Schuldirektor], wonach allein aus der objektiven Pflicht der Behörde zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzen dem Einzelnen „ein subjektives Recht auf ermessensmißbrauchsfreies Verhalten der Behörde“ zustehen soll. Auch der Verweis auf die differenziertere Ansicht von Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 ff. ändert nichts daran, dass das Gericht mit der Schutzrichtung der Ermessensnorm eine wichtige Voraussetzung des subjektiven Rechts unerwähnt lässt. 246 OVG Lüneburg (23.03.1951), OVGE 4, S. 203 ff. (S. 204) – [Mädchenkammer] verneint einerseits das Recht des Klägers auf eine bestimmte Ermessensentscheidung, weil die einschlägige Ermessensnorm der Preisgesetzgebung lediglich allgemeine Interessen schütze, es gesteht ihm aber andererseits gleichzeitig den Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Dieser Widerspruch bleibt dem Gericht allerdings verborgen. Ähnlich auch VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. (S. 405 f.) – [Wohnraumzuweisung]. Hier verweist der VGH über eine frühere Entscheidung desselben Senats darauf, dass eine individualrechtsschützende Tendenz der verletzten Norm Voraussetzung eines subjektiven Rechts sei. Allerdings untersucht der Senat die Schutzrichtung der betreffenden Ermessensnorm in diesem Fall nicht, da das formelle subjektive Recht pauschal verneint wird. Teilweise fließt der Schutzweckgedanke zwar indirekt ein, wird aber nicht explizit ausgesprochen. Sowohl im BayVGH (10.06.1952), BayVGHE 5, S. 119 ff. (S. 120 ff.) – [Zufahrtsschmälerung] als auch in BayVGH (02.03.1954), BayVGHE 7, S. 143 f. (S. 143 f.) – [Gerüche] werden zwar die Interessen des Nachbarn thematisiert. Es geht jedoch aus den Entscheidungen nicht deutlich hervor, dass die rechtliche Anerkennung der privaten Interessen das Bindeglied zwischen Ermessensfehler und Rechtsverletzung darstellt. 247 BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. – [Dienstunfall]. 248 BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall].

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3. Wahrnehmung der Schutznormtheorie unter dem besonderen Aspekt der spezialgesetzlichen Grundlage In manchen verwaltungsrechtswissenschaftlichen Beiträgen, die sich mit den Voraussetzungen des formellen subjektiv öffentlichen Rechts beschäftigen, ist der Begriff der „spezialgesetzlichen Grundlage“ zu finden250. Sein Inhalt beschränkt sich auf die Feststellung, dass das subjektiv öffentliche Recht als Anspruch einer Rechtsgrundlage in Form einer einfachrechtlichen Norm bedarf251. Neu ist diese Erkenntnis freilich nicht. Mit Akzeptanz des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung wird sie auf Bundesebene rechtspraktisch und ohne Probleme angewandt252. Zwischen dem Erfordernis einer spezialgesetzlichen Grundlage und der Schutznormtheorie bestehen allerdings keine inhaltlichen, sondern nur begriffliche Differenzen. Die Bestimmung der Rechtsinhaberschaft über die Methode der Schutznormtheorie erfordert schließlich eine spezielle und einfachrechtliche Norm, auf die sich der Einzelne berufen können muss. Eine Untersuchung des Schutzzwecks der Norm setzt das Vorhandensein einer Norm, also einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage, schon notwendig voraus. Insofern sind beiden Methoden nicht verschiedene Wege immanent, subjektive Rechte abzuleiten, sondern diese bedingen einander253. 249 So in BVerwG (06.06.1958), BVerwGE 7, S. 89 ff. (S. 91 ff.) – [Kohlereserven]; BVerwG (13.01.1961), BVerwGE 11, S. 331 ff. (S. 332 f.) – [Nachtruhe]; BVerwG (17.09.1964), BVerwGE 19, S. 252 ff. (S. 254 f.) – [Religionslehrer]; BVerwG (26.10.1967), BVerwGE 7, S. 155 ff. (S. 161) – [Studienassessorin]; BVerwG (23.11.1967), DVBl 1968, S. 746 ff. (S. 748) – [Salmonellen]. Des weiteren lassen die zahlreichen Rechtsprechungsverweise in BVerwG (22.01.1971), BVerwGE 37, S. 112 ff. (S. 113) – [Garagenausfahrt] den Rückschluss auf eine Anerkennung der Schutznormtheorie aufgrund ständiger Rechtsprechung zu, zumal Urteile mit entgegenstehender Aussage nicht zu entdecken sind. Zu diesem Ergebnis gelangt auch Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 575). 250 Weber, JuS 1973, S. 62 (S. 62) gebraucht ihn, um eine in der Entscheidungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts verwendete Voraussetzung des subjektiven Rechts zu bezeichnen, wohingegen Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 852, Fn. 21) das Erfordernis einer „spezialgesetzliche[n] Begründung“ der traditionellen Lehre zuordnet und vorwiegend Quellen der Rechtslehre zitiert. Vorsichtig stellt er auch im Bereich bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die Bedingung einer spezialgesetzlichen Grundlage fest. Siehe auch bei Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 607, Fn. 7). 251 Unter dieser Prämisse eignen sich sowohl Grundrechte als auch die weiteren, unter § 16 V und § 16 VI dargestellten Ansätze nicht zur Begründung des formellen subjektiven Rechts. 252 Etwa beim Rückgriff auf die Norm des § 111 Abs. 3 DBG in BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall], bei der Suche nach einer rechtlichen Grundlage in BVerwG (12.10.1962), BVerwGE 15, S. 59 ff. (S. 63) – [Wahlkonsul] und dem Versuch in BVerwG (26.10.1967), BVerwGE 28, S. 155 ff. (S. 167) – [Studienassessorin], aus §§ 6, 90, 202 Abs. 2 LBG einen Anspruch abzuleiten.

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IV. Grundrechte als Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts Wenngleich die Schutznormtheorie heute nahezu unangefochten als Methode zur Entwicklung subjektiver Rechte angesehen wird, so bemühten verschiedene Autoren auch immer wieder die Grundrechte für die Ableitung eines subjektiven Rechts auf Einhaltung der Ermessensgrenzen. Die Idee eines Rückgriffs auf die Grundrechte gründet in dem Bestreben, das formelle subjektiv öffentliche Recht vor Zugriffen des Gesetzgebers zu schützen. Werden subjektive Rechte als Konkretisierung von originären, individuellen Rechtspositionen begriffen, so kann der Gesetzgeber nicht mehr frei über ihre Erschaffung und Gestaltung verfügen254. Grundsätzlich entspricht die Notwendigkeit einer gestärkten und unabhängigen Stellung des Einzelnen gegenüber dem Staat auch dem materiellen Rechtsstaatsverständnis der Bonner Verfassung, wie es sich in der Idee einer grundrechtlichen Berechtigung niedergeschlagen hat. Diese Darstellung untersucht im Folgenden, die Tauglichkeit der Grundrechte als Anspruchsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts allgemein anhand des Auffanggrundrechts Art. 2 Abs. 1 GG. Unterschiede zwischen den spezielleren Grundrechten werden dabei vernachlässigt. 1. Divergierende Ansichten in der rechtswissenschaftlichen Literatur Die Behandlung dieser Thematik in der rechtswissenschaftlichen Literatur ist gespalten. Einige Meinungen stellen sich ausdrücklich gegen eine Geeignetheit der Grundrechte, die Mehrzahl der sich damit befassenden Beiträge zeigt sich einer Ableitung des subjektiven Rechts aus Grundrechten im Grunde jedoch nicht abgeneigt. Schon in Bachofs grundlegender Arbeit von 1951 findet sich die Behauptung, dass die Grundrechte „ein subjektives Recht auf ein ihnen gemäßes Verhalten 253 Somit lässt sich hier vermuten, dass die Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung sich einem durch die landesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in früheren Jahren hervorgerufenen Anschein widersetzen wollte, die Annahme eines subjektiven Rechts bedürfe keiner weitere Voraussetzungen neben einer objektiven Pflichtverletzung. Durch das Abstellen auf die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Grundlage zugunsten des Betroffenen konnte inhaltlich der Schutznormgedanken in die Rechtsprechung übernommen werden, ohne ihn dabei direkt ansprechen und begründen zu müssen. 254 Diesen Gedanken entwickelt Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 651 ff.) ausgehend von der konstitutionellen Konzeption des subjektiv öffentlichen Rechts als einzelne, gesetzesakzessorische Rechtsposition des Bürgers, die politisch, aber nicht rechtlich abgesichert war. Die grundrechtliche Stellung des Individuums begreift Henke, DVBl 1954, S. 649 ff. (S. 654) daher „als notwendigen Widerpart der staatlichen, also gesetzlichen Rechtsordnung“.

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der Behörde“255 gewähren. Allerdings ist diese Feststellung sehr allgemein gehalten und gibt keinen Aufschluss darüber, wie das subjektive Recht konstruiert sein soll oder was genau Maßstäbe für ein „gemäßes“ behördliches Verhalten sein können. Der konkrete Aussagewert dieser Anmerkung nicht höher ist als der Gehalt das Prinzip des rechtmäßigen Verwaltungshandelns aus Art. 20 Abs. 3 GG. Zumindest deutet Bachof aber damit die künftige, individualrechtsfreundliche Tendenz des gesamten Verwaltungsrechts richtungsweisend an256. Außerordentlich progressiv ist insofern die Vorstellung von Dürig im Jahr 1958, die Funktion von Art. 2 Abs. 1 GG als das subjektiv-rechtliche Gegenstück zur objektiv-rechtlichen Gesetzmäßigkeit des Eingriffs nach Art. 20 Abs. 3 GG zu interpretieren. So folgert er aus der allgemeinen Handlungsfreiheit ein „formelles subjektives Recht auf Freiheit von allen ungesetzlichen Belastungen“257 des Einzelnen. Seine Ansicht setzt sich im Laufe der folgenden Jahre durch, so dass schon bald eine ermessensfehlerhafte Belastung nahezu unstrittig als Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG anerkannt wird258. Ablehnend äußert sich hingegen zuvor Turegg zur Begründung subjektiver Rechte für den Fall innerer Ermessensfehler259. Dass es seiner Ansicht nach hier bislang an einer Rechtsgrundlage für ein Recht auf ermessensfehlerfreie Verwaltung fehle260, ist dahingehend auszulegen, dass Turegg die Grundrechte als Anspruchsgrundlage verwirft. Diese Haltung erstaunt insbesondere im Hinblick darauf, dass er im Falle äußerer Ermessensfehler die grundrechtlich ge-

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Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 74. So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 75 ff. 257 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 2 Abs. 1, Rn. 26 behauptet, dass dieses Recht dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ermessensausübung gleichkomme. 258 Deutlich wird dies etwa anhand des Aufsatzes von Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. (S. 304), der ausdrücklich vom Anspruch des Einzelnen spricht, „von der Verwaltung nur in Übereinstimmung mit dem Gesetz belastet zu werden“. Aufgrund Art. 19 Abs. 4 GG sei der Anspruch vor den Gerichten durchsetzbar. Zwar ist diese Äußerung nicht speziell auf das Verwaltungsermessen bezogen, aber unproblematisch hierauf übertragbar. Für den Bereich der Abwehr ermessensfehlerhafter Belastungen wird diese Ansicht in späteren Jahren insbesondere von Hoffmann-Becking, DVBl 1973, S. 850 ff. (S. 854 f.) und JuS 1973, S. 615 ff. (S. 618) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufrecht erhalten. Auch der Beitrag von Schmidt, NJW 1967, S. 1635 ff. (S. 1640) weist in dieselbe Richtung, behandelt allerdings anhand der Drittschutzproblematik das Verwaltungshandeln allgemein und nicht die Ermessensausübung im speziellen. 259 Turegg, Generalklausel, 1956, S. 62 gebraucht zwar den Terminus der „Rechtsverletzung innerhalb der Ermessensverwaltung“. Dass Turegg diesem das Verwaltungshandeln außerhalb der gesetzlichen Ermessensgrenzen gegenüberstellt, lässt erkennen, dass er mit dieser Kategorisierung innere und äußere Ermessensfehler unterscheidet. 260 So Turegg, Generalklausel, 1956, S. 64. 256

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prägte Rechtsstellung des Einzelnen durchaus verletzt sieht261. Hier kann der von Turegg vorgenommenen Differenzierung nicht gefolgt werden, dass im Falle äußerer Ermessensfehler Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sei, im Falle innerer Ermessensfehler jedoch nicht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die allgemeine Handlungsfreiheit je nach Ermessensfehlerart einen unterschiedlichen Geltungsbereich besitzen sollte262. Auch Kohlmann erachtet die allgemeine Handlungsfreiheit untauglich, als Rechtsgrundlage für das formelle subjektiv öffentliche Recht fungieren zu können263. Dabei ist ohnehin fraglich, ob seine Ausführungen nicht einer Relativierung bedürfen, wenn er diesen als Prämisse voranstellt, dass Art. 2 Abs. 1 GG nicht länger als ein Grundrecht, sondern als eine „Verfassungsgrundbestimmung“ zu benennen ist264. Eine solche Behauptung ist aufgrund des Wortlautes, der geschichtlichen Entwicklung und der praktizierten Handhabung des allgemeinen Freiheitsgrundrechts nicht vertretbar265. Für Kohlmann disqualifiziert sich Art. 2 Abs. 1 GG deshalb als Anspruchsgrundlage, da aus ihm kein hinreichend konkreter Obersatz gebildet werden kann266. Konsequent verneint er daher kategorisch, aus Art. 2 Abs. 1 GG als „Hauptfreiheitsrecht“ 267 einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegenüber rechtswidrigem staatlichen Handeln abzuleiten268. In seinen abschließenden Erwägungen kann Kohlmann kein Bedürfnis für ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch erkennen kann, da seiner Ansicht nach die Rechtsstellung des Individuums hinreichend über die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG und die Pflicht der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG gesichert ist269. An dieser Stelle keimt der Zweifel, ob der Kohlmann die Fragestellung überhaupt richtig erfasst hat270. Infolgedessen wird seiner Gegenmeinung kein großes Gewicht beigemessen werden. 261

Siehe bei Turegg, Generalklausel, 1956, S. 61. Erklären lässt sich diese Unterscheidung jedoch vor ihrem geschichtlichen Hintergrund: In einer auf die äußeren Ermessensfehler beschränkten Grundrechtsgeltung wirkt schließlich die konstitutionelle Vorstellung einer Ausschließlichkeit von Ermessen und Rechtsgeltung fort. 263 So das Ergebnis von Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 59 f. 264 Siehe bei Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 54. 265 Spätestens seit BVerfG (16.01.1957), BVerfGE 6, S. 32 ff. (S. 36) – [Elfes] ist diese Auffassung ständige Rechtsprechung. Sie gilt auch in der Rechtswissenschaft seitdem als unumstritten, siehe dazu Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 2, Rn. 1 (mwN in Fn. 2). 266 Im Ergebnis bemängelt Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 57 jedoch nur den ungenau umrissenen Inhalt des allgemeinen Freiheitsrechts. 267 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 2 Abs. 1, Rn. 26; später aber zurückhaltender Di Fabio, in Maunz/Dürig, GG, 2001 (39. EL), Art. 2 Abs. 1, Rn. 21. 268 So Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 59 f. 269 So Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 100 f. 270 Auch Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 573, Fn. 1) setzt sich inhaltlich nicht mit Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964 auseinander, da er dessen Konzeption 262

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2. Unterschiedliche Entscheidungspraxis der Bundesgerichte Die Meinungen über die Rolle der Grundrechte bei der Ableitung subjektiver Rechte divergieren in der Rechtsprechung ebenso sehr wie in der Literatur. Sogar Verfassungs- und Verwaltungsrechtsprechung behandeln die Frage durchaus unterschiedlich, inwieweit sich ein durch Ermessenentscheidungen Betroffener vor Gericht zur Begründung seiner Klagebefugnis auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen kann. a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch fußt auf dem allgemeinen Abwehranspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG271. Infolge dieses grundrechtlichen Abwehranspruchs kann der Einzelne sich gegenüber dem Staat immer auf eine Grundrechtsverletzung berufen, wenn in seine Handlungsfreiheit eingegriffen wurde und der Eingriff nicht der verfassungsmäßigen Ordnung272 entspricht, also rechtswidrig ist. Diese Erkenntnis ist auf die Frage nach der Überprüfung von belastenden Ermessensakten übertragbar. Auch darf der Einzelne grundsätzlich über Art. 2 Abs. 1 GG verlangen, dass eine Ermessensentscheidung verfassungsgemäß ist. Um jeder formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehenden Norm273 zu genügen, muss die Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen sein. Andernfalls ist dem Einzelnen der Weg zur Verfassungsbeschwerde über Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG eröffnet. Zwei Jahre nach den grundlegenden Ausführungen im Elfes-Urteil entscheidet das Bundesverfassungsgericht in derselben Thematik nochmals274. Als sich von Art. 2 Abs. 1 GG für durch Rechtsprechung und Literatur überholt ansieht. Die Veraltetheit der Arbeit kritisiert auch Mayer, DVBl 1965, S. 923 (S. 923) in seiner Rezension von Kohlmanns Schrift. Er merkt an, dass Kohlmann zudem die sich inzwischen gebildete und herrschende Auffassung ignoriert, obwohl sie konträr zu seiner Ansicht verläuft. 271 Entwickelt wurde der Abwehranspruch in der Elfes-Entscheidung. Zu ihrer Bedeutung: Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 854, Fn. 43). BVerfG (16.01. 1957), BVerfGE 6, S. 32 ff. (S. 36) – [Elfes] klärt, dass Art. 2 Abs. 1 GG als subjektives Recht die Handlungsfreiheit umfassend und nicht nur in ihrem Kernbereich schützt. Der subjektiv-rechtliche Charakter von Art. 2 Abs. 1 GG ist seitdem unumstößlich festgestellt, so Dürig, JZ 1957, S. 169 ff. (S. 170). 272 Den Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ präzisiert BVerfG (16.01.1957), BVerfGE 6, S. 32 ff. (S. 38) – [Elfes] als die „gemäß der Verfassung aufgebaute und im Rahmen der Verfassung sich haltende Rechtsordnung“. 273 Auch dieser Ausdruck wurde im Elfes-Urteil geprägt. Seitdem gehört er der ständigen Verfassungsrechtsprechung an und ist von der Rechtslehre akzeptiert, so auch Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Art. 2 Abs. 1, Rn. 38 (mwN in Fn. 131). 274 Überprüft wurde die Verordnung über die Herstellung von Arzneifertigwaren (vom 11.02.1943, RGBl. I S. 99), in der die Erzeugung von Arzneifertigwaren vollständig untersagt wurde. Der mit Heiltränken gewerbetreibende Kläger war zuvor auf-

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die Frage stellt, ob die angegriffene staatliche Maßnahme mit der allgemeinen Handlungsfreiheit zu vereinbaren sei, leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG erneut den Anspruch ab, „durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung begründet ist“275. Das Gericht erkennt insoweit treffend, dass die Wahrnehmung der nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützten individuellen Freiheit voraussetzt, dass der Einzelne diese gegen unberechtigte Eingriffe seitens der Staatsmacht wirksam verteidigen kann276. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts räumt der Abwehranspruch gegen ungerechtfertigte Eingriffe dem Einzelnen damit auch für den Bereich des Ermessens eine Rechtsstellung ein, die ihm einen Anspruch auf Einhaltung der Ermessensgrenzen und deren richterlicher Überprüfung zugesteht. b) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Werden belastende Ermessensentscheidungen angefochten, so stützen sich die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hingegen auf die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Grundlage. Sie bejahen den Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nur bei einer individualrechtsschützenden Ausrichtung der einschlägigen Ermessensermächtigung277. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch nicht ohne Auswirkung geblieben. Über die Adressatentheorie dringt der Gedanke des grundrechtlichen Abwehranspruchs in die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ein. Somit eignet sich Art. 2 Abs. 1 GG für eine unkomplizierte Begründung der Klagebefugnis des Adressaten. Steht jedoch die Klagebefugnis eines Dritten zur Frage, so scheint die Verwaltungsrechtsprechung eine unbegrenzbare Drittklagebefugnis zu fürchten. Infolgedessen lehnt sie ein Anfechtungsrecht für Nicht-Adressaten aus Art. 2 Abs. 1 GG ab und greift auf das Erfordernis einer spezialgesetzlichen Grundlage zurück278. Beachtlich erscheint demnach ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1968279. Anlässlich einer Konkurrentenklage beantwortet das Gericht grund dieser Verordnung verurteilt worden, die im Beschluss des BVerfG (08.01.1959, BVerfGE 9, S. 83 ff. (S. 86 f.) – [Arzneifertigwaren] durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. 275 BVerfG (08.01.1959), BVerfGE 9, S. 83 ff. (S. 88) – [Arzneifertigwaren]. 276 BVerfG (08.01.1959), BVerfGE 9, S. 83 ff. (S. 88) – [Arzneifertigwaren]. 277 Dies stellen auch Schmidt, NJW 1969, S. 2162 f. (S. 2162 f.) und HoffmannBecking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 854 mwN über Fn. 47 in Fn. 29, 30) fest. Bei begünstigenden Maßnahmen ist ohnehin auf den Schutzzweck der einfachgesetzlichen Norm abzustellen. Eine Berufung auf den Abwehrcharakter der Grundrechte ist schließlich nicht gewinnbringender, so Weber, JuS 1973, S. 62 (S. 62). 278 Ebenso die Beobachtung von Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 854). 279 BVerfG (30.08.1968), BVerwGE 30, S. 191 ff. – [Winzergenossenschaft].

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die Frage nach der Klagebefugnis eines nicht von einer Subvention betroffenen Dritten allein anhand seiner Grundrechtsstellung. Das Gericht orientiert sich hier nicht an der Schutzzwecktheorie280. Allerdings kann diese Entscheidung nicht pauschal als Abwendung vom Schutzzweckgedanken betrachtet werden281, weil die Schutznormtheorie bei der vorliegenden Materie der Subventionsvergabe gar keine Anwendung finden konnte, da keine einschlägigen einfachrechtlichen Regelungen existierten. Aus diesem Grund erfolgt der Rückgriff auf die Grundrechte des Klägers, die im Verhältnis zur einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage jedoch nur subsidiär zur Anwendung kommen282. Im Grundsatz hält das Bundesverwaltungsgericht damit an der Schutznormtheorie fest. Seine partielle Verwendung der Adressatentheorie dient lediglich dazu, die Geltendmachung der Klagebefugnis argumentativ zu erleichtern. Im Bereich der Drittklagen bestimmt das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis aber regelmäßig über die Schutznormtheorie283. Das Bundesverwaltungsgericht wahrt mit dieser Entscheidungspraxis nicht nur den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts, sondern nutzt auch die größere Praktikabilität des Schutznormkriteriums. Es gestaltet sich schließlich einfacher, eine individualrechtsschützende Tendenz bei der jeweils einschlägigen Norm festzustellen, als eine mögliche grundrechtliche Betroffenheit zu beurteilen. 3. Beurteilung der anspruchsbegründenden Tauglichkeit der Grundrechte Im Anschluss an die Darstellung, wie sich die Idee einer Herleitung des formellen Ermessensanspruchs aus den Grundrechten entwickelt hat, beleuchtet nun eine kritische Betrachtung die Stärken und Schwächen der grundrechtlichen Begründung. Mit ihrer Hilfe kann die Geeignetheit der Grundrechte

280 In BVerfG (30.08.1968), BVerwGE 30, S. 191 ff. (S. 196 ff.) – [Winzergenossenschaft] wird Art. 9 Abs. 3, 14 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG angeprüft, ein Eingriff in diese Grundrechte jedoch verneint. Die Subventionsvergabe an den Nichtkläger wird lediglich als (letztlich gerechtfertigter) Eingriff in die über das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit des klagenden Dritten beurteilt. 281 So bei Mössner, JuS 1971, S. 131 ff. (S. 134). 282 Insofern ist auch fraglich, ob das BVerwG mit dem Winzergenossenschaft-Urteil wirklich eine entscheidende Wende hin zur Ableitung der Drittklagebefugnis aus Grundrechten und damit die Annäherung an die Bundesverfassungsrechtsprechung vollzogen hat, wie es Schmidt, NJW 1969, S. 2162 f. (S. 2163) und Selmer, NJW 1969, S. 1266 f. (S. 1267) annehmen. 283 Als Ausnahme ist jedoch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erwähnenswert, die in schwerem Widerspruch zum Anwendungsvorrang des einfachen Rechts steht. In BVerwG (18.12.1959), BVerwGE 10, S. 91 ff. (S. 92) – [Kirchnahe Gaststätte] stützt das Gericht den Schutz der Klägerinteressen auf die grundrechtlich nach Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistete Religionsausübung, weil sich aus dem einfachen Recht keine individualrechtsschützende Wirkung ergab.

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als Anspruchsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts abgeschätzt werden. Die Vorteile einer grundrechtlichen Ableitung des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung liegen auf der Hand. Zunächst ermöglicht die Begründung subjektiver Rechte über Grundrechte, die Ausgestaltung der subjektiven Rechtsstellung des Einzelnen teilweise von der Verfügungsmacht des Gesetzgebers zu lösen284. Zudem vereinfacht eine grundrechtsgestützte Konzeption die Feststellung der Klagebefugnis in zweifacher Hinsicht. Einerseits erübrigt sich die Differenzierung zwischen dem Adressaten und dem Dritten hinsichtlich der Klagebefugnis. Anderseits lässt sich die Frage der Klageberechtigung auf die Beurteilung einer grundrechtlichen Betroffenheit reduzieren285. Eine grundrechtliche Bestimmung des formellen subjektiven Rechts benötigt daher das Erfordernis der Betroffenheit, um der Möglichkeit einer Popularklage gegen ermessensfehlerhaftes Verwaltungshandeln vorzubeugen. Mit dem Merkmal der Betroffenheit sind jedoch auch Schwierigkeiten verbunden, da sich um die Bestimmung der Betroffenheit und der Qualität des grundrechtlichen Eingriffs zahlreiche Ansichten ranken286. Damit sind jedoch noch nicht alle die Definitionsprobleme genannt. Aufgrund des primär freiheitsrechtlichen Charakters der Grundrechte287 kann das formelle subjektiv öffentliche Recht nur als Abwehrrecht gegen belastende Ermessenentscheidungen konstruiert werden. Der lediglich rudimentär ausgeprägte Leistungscharakter der Grundrechte erweist sich als nachteilig, da er meist nicht ausreicht, um eine rechtswidrig versagte Begünstigung fordern zu können288. Um den Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung grundrechtlich begründen zu können, wird demnach die heikle Unterscheidung zwischen einer belastenden und einer begünstigenden Ermessensentscheidung erforderlich289. 284

Siehe bei Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 651 ff.). So die Idee von Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. (S. 306); auch aufgenommen in Zuleeg, DVBl 1976, S. 509 ff. (S. 514 f.). Ob das Kriterium der Betroffenheit die Feststellung der Klagebefugnis tatsächlich vereinfachen würde, wird schon in § 16 II ernsthaft in Frage gestellt. 286 Auch werden ihre Kriterien je nach Grundrecht anders definiert. Weiterführende Aussagen bei: Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 80 ff. und Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 2002, Vorb. vor Art. 1, Rn. 25 ff. 287 Ausführlich dazu bei Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 1, Rn. 147 ff. 288 So bei Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 855) und JuS 1973, S. 615 ff. (S. 618). Zwar wäre ein solcher Leistungsanspruch rechtstheoretisch möglich. Bislang wird er allerdings nicht anerkannt, so auch Wahl/Schütz, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2, Rn. 63. Zum Streitstand: Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 690 ff. 289 Die damit verbundenen Problematiken stellt Ehlers, Verwaltung, 2002, § 1, Rn. 36 ff. dar. Auch bei Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 9, Rn. 49 wird deutlich, dass sich eine eindeutige Einordnung des Verwaltungshandelns aufgrund seiner mögli285

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Damit verbundene Abgrenzungsschwierigkeiten schlagen sich zusätzlich negativ auf die Geeignetheit der Grundrechte als Anspruchsgrundlage subjektiv öffentlicher Rechte nieder. Darüber hinaus bringt der Anwendungsvorrang des einfachgesetzlichen Rechts einen wichtigen Aspekt in die Diskussion um die grundrechtlichen Herleitung ein290. Schließlich gebietet der Anwendungsvorrang des einfachgesetzlichen Rechts, dass immer dann auf die einfachgesetzliche Normierung als verfassungskonkretisierende Regelung abzustellen ist, wenn eine solche für den jeweiligen Sachverhalt besteht. Da das einfache Recht im Lichte des Verfassungsrechts auszulegen ist, kommt das Verfassungsrecht aber noch mittelbar zur Anwendung291. Die Existenz einer einfachgesetzlichen Regelung verhindert lediglich den unmittelbaren Zugriff auf das Verfassungsrecht. Der Grundsatz des Anwendungsvorrangs ist auf die Begründung subjektiver Rechte übertragbar. Auch hier scheidet eine unmittelbare Anwendbarkeit der Grundrechte aus, wenn eine einfachgesetzliche Regelung vorzufinden ist. Da im Bereich des Ermessens eine gesetzliche Normierung grundsätzlich in Form der erforderlichen Ermessensermächtigung bestehen wird, verbietet der Anwendungsvorrang des einfachgesetzlichen Rechts den unmittelbaren Rückgriff auf die Grundrechte als Anspruchsgrundlage. Die Wirkung der Grundrechte ist darauf beschränkt, als Grundideen und Leitprinzipien bei der Anwendung einfachrechtlicher Normen Beachtung zu finden. Lediglich bei der Bestimmung subjektiv öffentlicher Rechte fließen sie über die Schutznormtheorie in die Entscheidung ein, ob die Ermessensermächtigung zumindest auch dem Individualrechtsschutz dient oder nicht292. Diese mittelbare Einwirkung auf die Anerkennung subjektiver Rechte entspricht dem Verhältnis von Verfassungsrecht zu einfachem Recht in höherem Maße als eine unmittelbare Ableitung aus Grundrechten und ist daher systemgerechter. Im Ergebnis ist es daher systemwidrig, den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ermessensausübung unmittelbar aus den Grundrechten herzuleiten – es sei denn, eine einfachgesetzliche Regelung der Ermessentätigkeit fehlt.

cherweise gleichzeitig belastenden und begünstigenden Wirkung schwierig gestalten kann. 290 So auch Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 109). 291 Zur Verneinung einer normexternen Grundrechtswirkung, siehe schon im Grundlagenteil unter § 9 II 2 c. 292 Randelzhofers Behauptung in BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 575), dass Grundrechte im Rahmen der Schutznormtheorie außer Betracht blieben, ist somit schlichtweg falsch.

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V. Gleichbehandlungsgrundsatz als Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts Für bestimmte Sachverhalte kann es eine weitere Begründungsalternative sein, das formelle subjektive Recht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu entwickeln293. Soweit das Verwaltungsermessen rechtlich gebunden ist, unterliegt es dem Verbot der Ungleichbehandlung294. Art. 3 Abs. 1 GG enthält sowohl die objektive Verpflichtung der Verwaltung zur Gleichbehandlung als auch das subjektive Recht des Einzelnen hierauf. Verursacht nun eine Verwaltungshandlung aufgrund eines Ermessensfehlers295 eine Ungleichbehandlung, so verletzt die Verwaltung damit nicht nur ihre objektive Pflicht zur Achtung des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch das subjektive Recht des Einzelnen auf Gleichbehandlung mit einem Dritten, in dessen Fall ermessensfehlerfrei entschieden worden ist oder wird296. Die größte Problematik bei der Feststellung einer Ungleichbehandlung liegt jedoch in der Schwierigkeit, das Ausmaß der Rechtsgeltung für das Verwaltungsermessen zu bestimmen. 1. Sympathien für Art. 3 Abs. 1 GG in der Literatur Das Meinungsbild der Literatur verhält sich gegenüber einer Ableitung eines subjektiven Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch aus Art. 3 Abs. 1 GG durchaus facettenreich, im Grunde aber positiv297. Schon bald nach Verfassungsgebung entstehen zustimmende, jedoch argumentativ kaum fundierte Stellungnahmen. Dürig proklamiert 1958 das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch als eine Form des Rückgriffs „auf das Hauptgleichheitsrecht“ 298 des Art. 3 Abs. 1 GG. Jedoch lässt er dieser Behaup293 Insbesondere für die Anfechtung von rechtswidrig versagten Begünstigungen bietet sich ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG an. So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 72 und später Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 856 f.). 294 Siehe bei: Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 1356 ff.; Heun, in: Dreier, GG, 1996, Art. 3, Rn. 47; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 3, Rn. 242 ff. 295 Dabei ist es unerheblich, ob es sich um den speziellen Ermessensfehler der Willkür handelt, der oft im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG genannt wird, oder um einen allgemeinen Ermessensfehler. 296 Zur Notwendigkeit einer Vergleichsperson oder -gruppe bei: Ipsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2002, Rn. 755; Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 2002, Art. 3, Rn. 4; Heun, in: Dreier, GG, 1996, Art. 3, Rn. 16, 21 f. 297 Neben den folgend im Einzelnen dargestellten Quellen auch: Krüger, DVBl 1955, S. 208 ff. (S. 211 f.) und Leibholz, DVBl 1951, S. 193 ff. (S. 195). Koellreutter, Staatsrecht, 1953, S. 54 erwähnt lediglich das Willkürverbot und auch Maunz, Staatsrecht, 1954, S. 94 äußert sich nur indirekt über die Unzulässigkeit einer willkürlichen Ermessensausübung anhand des Beispiels der Ablehnung einer Beamtenbewerbung. 298 Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 31.

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tung keine Begründung folgen299. Ähnlich oberflächlich beruft sich Martens im Jahr 1962 auf die wiederholt begründete Existenz des formellen subjektiven Rechts, das nach herrschender Ansicht aus Art. 3 GG abgeleitet werden könne300. Auch Mayers Behauptung, das formelle subjektiv öffentliche Recht werde „üblicherweise aus dem Gleichheitssatz abgeleitet“301, bleibt ohne tauglichen Nachweis302. Zur gleichen Zeit sind andere Autoren darum bemüht, die Konstruktion des formellen Ermessensanspruchs über Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Der Begründungsansatz von Bachof betont neben der ermessensbeschränkenden Natur des Gleichheitsgrundsatzes auch sein subjektiv-rechtliches Wesen303. Allerdings begründet Bachof den Anspruch des Einzelnen „auf das der objektiven Rechtsnorm entsprechende Verhalten der Behörde“304 über einen Rückgriff auf die allgemein individualrechtsfreundliche Tendenz des Grundgesetzes. Nach Mangoldt/Klein reicht schon eine Missachtung der Gebote und Verbote von Art. 3 Abs. 1 GG für ein Klagerecht gegen die betreffende Handlung aus, ohne dass sich der Betroffene auf eine über Art. 3 Abs. 1 GG hinausgehende Grundrechtsverletzung berufen können muss305. Eindeutig ablehnend gegenüber der Ableitung eines subjektiven Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG äußert sich Kohlmann. Da er aber die aus dem klassischen Verwaltungsrecht übernommene kategorische Trennung von Ermessen und Recht noch nicht aufgegeben hat und entgegen der ganz herrschenden Ansicht 299 Der Verweis von Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 36 auf BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall] geht insofern fehl, als dass das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung dort nicht aus dem Gleichheitsgrundrecht allgemein, sondern aus der einfachrechtlichen Norm des § 111 Abs. 3 DBG abgeleitet wurde, so auch Hoffmann, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 855, Fn. 61). 300 Die von Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 248, Fn. 43) zitierten Quellen begründen zwar den Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung, der Großteil von ihnen nimmt dabei jedoch nicht Bezug auf das grundrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Dabei erwähnt Martens: Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 295, Fn. 34), Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1961, S. 173 und Wolff, Verwaltungsrecht I, 1959, S. 224 f. Lediglich zwei der zitierten Quellen, nämlich Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 73 f. und Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 36 setzen sich überhaupt mit Art. 3 Abs. 1 GG auseinander. 301 Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 32. 302 Der Verweis von Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 32 (Fn. 47) auf Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 1962, S. 120 ist unstimmig, da dieser Art. 3 Abs. 1 GG unerwähnt lässt. 303 So Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 74. 304 Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 74. 305 Siehe die Ausführungen bei Mangoldt/Klein, GG, Bd. 1, 1957, S. 194, die inhaltlich stark dem Beitrag von Ipsen, Gleichheit, 1954, S. 111 ff. (S. 126) angenähert sind, worin Art. 3 Abs. 1 GG als ein subjektiv öffentliches Recht auf Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes aufgefasst wird.

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Art. 3 Abs. 1 GG zudem die Qualität als Grundrecht abspricht306, ist eine weitere Auseinandersetzung mit seiner schon damals kaum vertretbaren Ansicht nicht gewinnbringend. Einige Jahre später kann Hoffmann-Becking auf eine herrschende Meinung in Rechtsprechung307 und Lehre verweisen. Er erarbeitet die Anspruchskonstruktion detaillierter. Seiner Ansicht nach gewährt Art. 3 Abs. 1 GG ein subjektives (Grund)Recht auf Gleichbehandlung. Bewirkt nun eine ermessensfehlerhafte Entscheidung eine Ungleichbehandlung, so ist Art. 3 Abs. 1 GG als „subjektives Recht auf Vermeidung dieses speziellen Ermessensfehlers verletzt“308. Demnach würden alle Fälle einer willkürlichen Ungleichbehandlung durch fehlerhafte Ermessensentscheidungen einen rechtswidrigen Eingriff in das Gleichbehandlungsrecht verursachen309. Die Auffassung von Hoffmann-Becking setzt sich im weiteren nahezu unangefochten fort, so dass in der Folgezeit nur noch hierauf Bezug genommen wird310. Neues zur Konstruktion des Anspruchs aus Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht beigetragen. 2. Konsequente Ablehnung durch die Rechtsprechung Innerhalb der Rechtsprechung lässt sich dagegen nur ein einziger Fall entdecken, in dem ausdrücklich auf die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen abgestellt wird. Allerdings finden sich in dem betreffenden Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Minden311 keine inhaltlich neuen Ausführungen, sondern nur der Weiterverweis auf Bachof 312.

306 So ist es nach Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 92 f. nicht denkbar, dass das Gleichheitsgebot ein „subjektiv-öffentliches Recht gewährt“, da es sich bei Art. 3 Abs. 1 GG um „eine objektive Verfassungsnorm handelt“. Diese Ausführungen wurden schon von Mayer, DVBl 1965, S. 923 (S. 923) als nicht überzeugend beurteilt. Zur h. A. siehe statt vieler: Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 3, Rn. 209 (mwN in Fn. 706). 307 Auch hier ist der Verweis von Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 856, Fn. 66) auf BVerfG (23.01.1957), BVerfGE 6, S. 84 ff. (S. 91) – [Wahlgleichheit] insofern verfehlt, als das BVerfG lediglich den subjektiven Charakter des Art. 3 Abs. 1 GG feststellt, jedoch keinen Anspruch des Einzelnen im Bereich des Ermessens damit verbindet. 308 Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 856). 309 Aufgrund der Rechtsschutzgarantie ist die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG gerichtlich verfolgbar, so Hoffmann-Becking, JuS 1973, S. 615 ff. (S. 617). 310 In einer Urteilsbesprechung verweist Erichsen, VerwArch 64 (1973), S. 299 ff. (S. 303, Fn. 19) auf Hoffmann-Becking, der in JuS 1973, S. 615 ff. (S. 617) den subjektiven Charakter des Gleichbehandlungsgebots bestätigt. Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. (S. 110) stimmt ihm wenig später diesbezüglich zu. 311 LVG Minden (30.07.1951), JZ 1952, S. 490 f. (S. 491) – [Schuldirektor].

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Auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.1953313 kann nicht auf eine anspruchsbegründende Wirkung von Art. 3 Abs. 1 GG rückgeschlossen werden314. Zwar verneint das Gericht einen Entschädigungsanspruch auf Grundlage des Gleichheitsgebots, gesteht dem Kläger aber zugleich einen Anspruch darauf zu, dass die Versagung der Entschädigung nicht willkürlich erfolgt315. Ob dieser Anspruch auf Art. 3 Abs. 1 GG basiert, ist allerdings weder angesprochen, noch dem Verweis auf Jellineks Ausführungen zu entnehmen316. Im Gros aller anderen richterlichen Entscheidungen wurde dagegen entweder auf eine spezialgesetzliche Grundlage oder auf sonstige Grundrechte zurückgegriffen, ohne eine anspruchsbegründende Wirkung des Gleichheitsgrundsatzes zu erwägen317. 3. Beurteilung einer Geeignetheit von Art. 3 Abs. 1 GG als Anspruchsgrundlage Als problematisch erweist sich bei Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Automatismus von Pflichtverletzung gleich Rechtsverletzung hier nicht durch die Schutznormtheorie durchbrochen wird und somit ungehindert funktionieren kann. Wenn damit jede fehlerhafte Ermessenentscheidung prinzipiell eine Verletzung des Gleichheitsgrundrechts nach sich ziehen kann, so wirft dies mehrere Fragen auf. Zunächst muss geklärt werden, ob die Kongruenz zwischen objektiver Pflichtverletzung und subjektiver Rechtsverletzung die notwendigen Ermessensspielräume der Verwaltung nicht in zu großem Maße beschneidet. Diese theoretische Fragestellung wird jedoch schon durch die Praxis der Gerichte entschärft, im Bereich des Art. 3 Abs. 1 GG keine vergleichbar „engmaschige“ Prüfung vorzunehmen318 und die Entscheidungsfreiräume der Verwaltung in relativ gro312 Dort nimmt Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 93 resümierend Bezug auf den „Gleichheitssatz, aus dem dem Interessenten ein subjektives Recht auf Gleichbehandlung mit anderen in gleicher Lage befindlichen Interessen zufließt“. 313 BVerfG (24.07.1953), BVerfGE 3, S. 4 ff. – [Vergütungsverordnung]. 314 Entgegen der Behauptung von Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964, S. 81 liegt eine Herleitung über Art. 3 GG auch nicht im Sinne von Krüger, DVBl 1955, S. 208 ff. (S. 209), da sie lediglich auf die ermessensbegrenzende, aber nicht anspruchsbegründende Wirkung von Art. 3 Abs. 1 GG hinweist. 315 BVerfG (24.07.1953), BVerfGE 3, S. 4 ff. (S. 10) – [Vergütungsverordnung]. 316 Siehe bei Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 211. 317 Diese Praxis wurde in dem scharf kritisierten Urteil des BVerwG (07.01.1972), BVerwGE 39, S. 235 ff. – [Schleusenzulassung] auch für den Bereich der gesetzesfreien Verwaltung fortgeführt. 318 Vergleichsmaßstab ist der Prüfungsumfang im Rahmen der Schutznormtheorie. Da hier die Anspruchsgrundlage regelmäßig in der einschlägigen Ermessensnorm zu finden ist, kann hinsichtlich des Anspruchsinhalts unproblematisch auf die herrschen-

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ßem Umfang zu wahren. Schließlich stellt auch die vage Formulierung des Gleichheitsgebots keine hinreichend engen rechtlichen Maßstäbe für eine hohe Kontrolldichte bereit319. Rein theoretisch betrachtet ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG nicht über das Willkürverbot hinaus das Verwaltungshandeln auf alle Ermessensfehler gerichtlich überprüft werden könnte. Allerdings bedarf die Konstruktion eines subjektiven Rechts aus dem Gleichheitsgebot immer einer Relationsgruppe oder -person, um eine Rechtsverletzung im Vergleich zum jeweils anderen feststellen zu können320. Dieser gedankliche „Umweg“ ist bei allen anderen Konstruktionen nicht erforderlich und erschwert die Ableitung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots scheidet völlig aus, sofern sich keine Ungleichbehandlung feststellen lässt. Wird dennoch an der Überlegung festgehalten, dass jede fehlerhafte Ermessensentscheidung prinzipiell eine Rechtsverletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zur Folge haben kann, so steht die Berechtigung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts in Frage, dessen Konstruktion aufgrund des Gleichheitsrechts überflüssig zu sein scheint321. An dieser Stelle gewinnt der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts gegenüber Normen des Verfassungsrechts wieder an Bedeutung. Eben weil nach dem Aufbau unserer Rechtsordnung einfachrechtliche Normen primär anzuwenden sind, muss versucht werden, das Recht auf fehlerfreie Entscheidung zunächst aus diesen abzuleiten, bevor auf Grundrechte zurückgegriffen werden kann. Nicht nur wegen konstruktiver Schwierigkeiten, sondern vor allem aufgrund des bedeutenden Arguments des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts erweist sich Art. 3 Abs. 1 GG im Ergebnis als nicht geeignet, um als unmittelbare rechtliche Grundlage des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bestehen zu können322.

den Ermessensfehlerlehren Bezug genommen werden. Eine sehr detaillierte Überprüfung des Ermessenshandelns ist damit möglich. 319 Laut Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 2002, Art. 3, Rn. 17 ist im Bereich von Art. 3 GG ein Spektrum „von einer sehr großzügigen Prüfung bis zu einer sehr strengen Prüfung“ auszumachen (siehe dazu auch seine Darstellung in Rn. 18 ff.). Tendenziell muss bei Art. 3 GG im Vergleich zu anderen Grundrechten aber von einer geringeren Prüfungsdichte ausgegangen werden. 320 Hierzu schon in § 16 V (Fn. 296). 321 Dieser Gedanke begegnet bei Turegg, Generalklausel, 1956, 60 f., der im Falle der Willkür eine bloße Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG für anerkannt hält und die Frage nach einer Verletzung eines (anderen) subjektiv öffentlichen Rechts nicht stellt. 322 Ähnlich wie bei der Diskussion um eine grundrechtliche Ableitung des formellen Ermessensanspruchs (§ 16 IV 3) kann auch das Gleichheitsgebot als Anspruchsgrundlage subjektiver Rechte allerdings dann in Frage kommen, wenn keine einschlä-

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VI. Weitere Begründungsansätze der Literatur Die meisten Beiträge zur Begründung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts befassen sich mit dem grundrechtlichen Ansatz oder dem Schutznormzweck. Im Rahmen dieser Untersuchung soll jedoch auch auf die weniger populären, aber ebenso vertretenen Auffassungen ein kurzer Blick geworfen werden. 1. Rechtsstellung als Verfahrensbeteiligter Unabhängig von gesetzlichen Wertungen versucht Forsthoff das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch auch über die Stellung des Betroffenen als Verfahrensbeteiligter zu begründen323. Er selbst verweist hinsichtlich der Existenz dieser Idee auf eine Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1953. Das Gericht sah den Betroffenen hier schon deswegen als berechtigt, eine „gesetzeswidrige Ermessensanwendung geltend“324 zu machen, weil er aufgrund seiner Bewerbung am Zuweisungsverfahren beteiligt war. Diese Entscheidung wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht begründet, Forsthoff bemüht sich allerdings darum. Für ihn ist der Eintritt „in ein engeres Verhältnis zur Verwaltung“325 ausschlaggebend für ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung326. Letztlich wurde die Begründung eines formellen subjektiven Rechts über die Verfahrensbeteiligung in lediglich einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgenommen327. Auch in der Literatur fand sie nur wenig Beachtung und wurde nicht fortentwickelt328. gigen einfachrechtlichen Normen existieren und der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts dann nicht gilt. 323 Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1956, S. 170 betrachtet diesen Ansatz als der Schutznormtheorie gleichwertig. 324 BayVGH (29.07.1953), VerwRspr 6, S. 44 ff. (S. 46) – [Wohnungssuchender]. 325 Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1956, S. 170. Die Begründung gelingt Forsthoff, Lehrbuch, 1956, S. 170 aber nur ansatzweise, weil er offen lässt, welche rechtliche Konstruktion oder Gedanke sich hinter seinem Ansatz verbirgt. Seine eigene Bezeichnung der Argumentation als „einleuchtend“ kompensiert diesen Mangel nicht. 326 Die Anspruchsberechtigung des Einzelnen aus seiner faktisch der Verwaltung angenäherten Stellung abzuleiten, erinnert zunächst an die zivilrechtliche Konstruktion der culpa in contrahendo. Allerdings ist diese Rechtsfigur auf das Verwaltungsrechtsverhältnis nur begrenzt übertragbar. Unterschiede lassen sich etwa hinsichtlich des zu ersetzenden Schadens aufdecken, siehe bei Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 607 ff. (S. 607). 327 BVerwG (23.11.1967), DVBl 1968, S. 746 ff. (S. 748) – [Salmonellen]. 328 Nur aus Gründen der Vollständigkeit wird die Verfahrensbeteiligung zitiert bei Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958 (4. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 34, in der Besprechung von BVerwG (07.01.1972), BVerwGE 39, S. 235 ff. – [Schleusenzulassung] durch Morner, NJW 1973, S. 1207 f. (S. 1208) und im kommentierenden Aufsatz von Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 852, Fn. 21).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

2. Formelles Hauptgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG Unabhängig vom Schutzzweckgedanken einschlägiger Normen konstruiert Naumann im Jahr 1955 einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegenüber rechtswidrigem Verwaltungshandeln. Dessen Rechtsgrundlage leitet er „über Art. 19 Abs. 4 GG aus dem Recht auf Freiheit von ungesetzlichen Verwaltungsmaßnahmen“329 ab. Eine nachvollziehbare Begründung bleibt er jedoch schuldig. Ebenso vage zeigt sich die Formulierung Bettermanns, wonach Art. 19 Abs. 4 GG dem Verletzten eine Klagebefugnis gebe330. Seine Aussage ist zudem mißverständlich, denn sie lässt nicht erkennen, ob die Rechtsschutzgarantie nur die Klagebefugnis im Sinne einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit der ohnehin bestehenden Rechte zugesteht oder für den Betroffenen eigene, materielle Rechte erzeugt. Deutlicher fordert hingegen Dersch das Recht, dass „die Behörde innerhalb der Grenzen des freien Ermessens tätig werde“331. Lorenz vertritt wiederum die These eines weitaus weniger konkreten, allgemeinen Verrechtlichungsgebots332, welches er in Art. 19 Abs. 4 GG verkörpert sieht. Seiner Ansicht nach spricht die formale Rechtsschutzgarantie als Argumentationshilfe im Zweifelsfall für die Begründung subjektiver Rechte333. Auch wenn in all diesen Quellen Art. 19 Abs. 4 GG nicht als ausschließliche Rechtsgrundlage, sondern nur als Indiz für die Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung herangezogen wurde, so stand die spätere Literatur diesen Ansichten aus einem entscheidenden Grund eindeutig ablehnend gegenüber334. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet vergleichbar mit seiner einfachgesetzlichen Konkretisierung in § 42 Abs. 2 VwGO oder auch § 113 Abs. 1 VwGO lediglich den Rechtsschutz von Rechtspositionen, deren materieller Bestand ohnehin schon durch die Rechtsordnung gesichert ist335. Die genannten 329 Naumann, Vorbeugender Rechtsschutz, 1955, S. 391 ff. (S. 403 f.). Dessen Kritisierung durch Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853, Fn. 39) und Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 576, Fn. 34) übersieht, dass Naumann nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG als Rechtsgrundlage abstellt. In unpräziser Formulierung ist für ihn das Recht auf Freiheit von ungesetzlichen Verwaltungsmaßnahmen Grundlage des Ermessensanspruchs. 330 So Bettermann, Grundrechte, 1959, S. 779 ff. (S. 783). 331 Dersch, RdA 1952, S. 301 ff. (S. 303 f.). Er leitet das formelle subjektive Recht aus den vor 1960 geltenden verwaltungsprozessualen Regelungen in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ab. 332 Siehe dazu schon unter § 8 III 3 (Fn. 272). 333 So Lorenz, Rechtsschutzgarantie, 1973, S. 51 ff. 334 Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853) beurteilt den Ansatz als „für unsere Frage unergiebig“ und Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 576) stellt fest, „daß heute niemand allein aus Art. 19 Abs. 4 GG ein subjektiv-öffentliches Recht, auch nicht einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung herleiten will“. 335 So auch Hoffmann-Becking, DVBl 1970, S. 850 ff. (S. 853), der darüber hinaus zu Recht den Gedanken ablehnt, aus § 114 VwGO oder aus seinen vorausgegangenen

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Normen sind daher nur als formale Garantien ausgestaltet. Sie begründen subjektive Rechte nicht, sondern schützen sie lediglich, indem sie ihre rechtliche Durchsetzbarkeit garantierten. Aus diesem Grund können sie auch nicht zur Bestimmung subjektiver Rechte beitragen. 3. Grundsatz einer gesetzmäßigen Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG Ähnlich versucht eine andere Auffassung, das Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aus der Pflicht der Verwaltung zu einem gesetzmäßigen Verhalten aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleiten. Nach dieser Ansicht ist das formelle subjektive Recht konstruierbar als Korrelat zur verfassungsrechtlich verankerten Verpflichtung, rechtmäßig zu handeln und damit auch die Ermessensgrenzen zu achten336. Diese Prämisse missachtet allerdings in besonderem Ausmaß die wichtige Besonderheit des öffentlichen Rechts gegenüber dem Zivilrecht, dass im öffentlichen Recht objektive öffentliche Pflichten unabhängig von subjektiv öffentlichen Rechten bestehen können337. Die entscheidende Schwäche der Argumentation über Art. 20 Abs. 3 GG besteht infolgedessen darin, dass sie „den grundsätzlichen, im System unserer Rechtsordnung, auch im öffentlichen Recht, angelegten Unterschied zwischen objektiver Rechtslage und subjektiv-öffentlichem Recht“338 nicht würdigt. Aufgrund dieser Fehlerhaftigkeit konnte sie sich letztlich nicht durchsetzen. VII. Zusammenfassung Alle dargestellten Ansätze zur Ableitung des Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung lassen sich danach unterscheiden, wie intensiv der Rechtsinhaber betroffen sein muss oder wie weit der Kreis berechtigter Personen gezogen wird. Keine besonderen Anforderungen an die Rechtsinhaberschaft verlangen jene Ansätze, die Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 20 Abs. 3 GG als mögliche Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts betrachten. Hingegen erfordert eine Ableitung des subjektiven Rechts aus der Verfahrensbeteiligung Regelungen ein formelles subjektiv öffentliches Recht ableiten zu können. Schließlich behandelt die Regelungsmaterie dieser Normen die Prüfungsbefugnis bei objektiver Rechtswidrigkeit und nicht die Begründetheit einer Rechtsverletzung. 336 Statt vieler: Klinger, VwGO, 1960, S. 151. Seiner Ansicht nach ist aus der Tatsache, dass die Verwaltung „nach pflichtmäßigem Ermessen handeln und sich vor allem jeder Willkür enthalten“ muss, ein formelles Recht des Staatsbürgers herzuleiten. 337 So bei Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 8, Rn. 7 f. 338 Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 573 ff. (S. 575).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

oder der Betroffenheit zumindest, dass der Rechtsinhaber sich in einem faktischen Näheverhältnis zum Verwaltungshandeln befindet oder sich in ein solches begibt. Wird das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung dann aus einem Grundoder Gleichheitsrecht hergeleitet, so reicht es nicht, dass der Schutzbereich der einschlägigen Verfassungsnorm eröffnet ist. Der Inhaber des formellen subjektiven Rechts muss darüber hinaus durch die Maßnahme grundrechtlich betroffen sein. Noch enger sind jedoch die Voraussetzungen der Schutznormtheorie. Hiernach muss sich der Einzelne im konkreten Fall auf eine spezielle Rechtsnorm berufen können, die ihm nur aufgrund seiner besonderen Betroffenheit und daher nicht jedermann zusteht. Folgende Beurteilung der verschiedenen Begründungsvarianten orientiert sich an der Frage, inwiefern die unterschiedlichen Argumentationen der Systematik des öffentlichen Rechts entsprechen. Geprüft werden sie deshalb anhand zweier allgemeiner Grundsätze des öffentlichen Rechts. So gilt es zum einen, die Unterscheidung von objektiver Verpflichtung und subjektiver Berechtigung als wichtiges Charakteristikum des öffentlichen Rechts zu beachten339. Wird demnach für die Inhaberschaft keine rechtliche, im Sinne von normativ intendierter Betroffenheit vorausgesetzt, so ist es schwierig, das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung als subjektives Recht eindeutig vom reinen Rechtsreflex abzugrenzen. Als taugliche Ansätze verbleiben somit nur noch jene Argumentationen, die sich auf den Schutzzweck der Norm oder auf Grund- und Gleichheitsrechte beziehen. Zum anderen verlangt die Systematik des öffentlichen Rechts, den Grundsatz des Anwendungsvorrangs der einfachrechtlichen Norm zu wahren. Deshalb muss die grund- und gleichheitsrechtliche Begründungsmöglichkeit immer dann als mögliche Rechtsgrundlage des formellen subjektiv öffentlichen Rechts ausfallen, wenn eine einfachgesetzliche Ermessensermächtigung besteht. Für die Mehrzahl aller Situationen, in denen ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zur Diskussion steht, erweist sich die Schutznormtheorie im Ergebnis als einziger systemgerechter Begründungsansatz. Letztlich ist damit nur die Schutznormtheorie in allen Fällen mit den genannten Grundprinzipien des öffentlichen Rechts zu vereinbaren. Aus diesem Grund favorisiert auch die herrschende Ansicht340 die Schutznormtheorie als Herleitungsmethode des formellen subjektiv öffentlichen Rechts.

339

Siehe bei Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 991. Statt vieler: Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 95 (mwN in Fn. 131) oder Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 534 (mwN in Fn. 247). 340

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§ 17 Das formelle subjektiv öffentliche Recht als Symptom der Subjektivierung der Ermessenslehre Die Entwicklung des subjektiven Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung ist ein Teilstück der Subjektivierung des Verwaltungsrechts der Bundesrepublik. Auf welche Weise die Subjektivierung speziell im Bereich der Ermessenslehre an Raum und Bedeutung gewann, zeigen die folgenden Ausführungen. I. Bestimmung des Anspruchsinhalts durch die Ermessensfehlerlehre Die Konstruktion eines formellen Anspruchs auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass das Ermessen durch einen rechtlichen Rahmen strukturiert ist. Schließlich ist der Inhalt des formellen Anspruchs auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung gerichtet. Nur ihre Bestimmung erlaubt einen Rückschluss auf den Anspruchsinhalt. Stellt sich die Frage nach dem Anspruchsinhalt des formellen Rechts, so ist der Blick auf den Umfang der rechtlichen Bindung des Ermessens zu lenken. Wie stark die rechtliche Bindung des behördlichen Ermessens verstanden wurde, hat sich seit seiner grundsätzlichen Anerkennung gegen Ende des 19. Jahrhunderts kontinuierlich verändert341. Die zunächst entwickelte Kategorisierung des Verwaltungshandelns in rechtsfreies Ermessenshandeln und rechtlich gebundenen Gesetzesvollzug wandelte sich nach 1945 maßgeblich. Von da an führte das Streben nach Rechtsstaatlichkeit zu der Vorstellung, dass Rechtsbindung und Ermessensfreiheit fließend ineinander greifen342. So wie die rechtliche Bindung des Ermessens damit im Laufe der Zeit mehr und mehr Raum einnahm343, so erweiterte sich auch der Inhalt des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung. Deutlich wird dies anhand folgender Beobachtung: Half das formelle Recht um 1900, Fälle grober Willkür gerichtlich anfechten zu können, so ist mit seiner Hilfe heute eine Kassation von Ermessensentscheidungen schon bei nur geringen Abwägungsfehlern möglich. Resümierend lässt sich daher feststellen, dass sich mit der Intensivierung der rechtlichen Ermessensbindungen und der zunehmenden Entdeckung von Ermessensgrenzen 341 Bei der Untersuchung dieses Veränderungsprozesses bereitet die Beobachtung Schwierigkeiten, dass der Gebrauch der Begrifflichkeiten von Recht und Ermessen je nach zeitlicher Bedingtheit differiert (so in § 13 II 5). Es ist daher stets inhaltlich zu klären, welche Arten des Verwaltungshandelns der rechtlich durchdrungenen oder der rechtsfreien Sphäre des Ermessens zuzuordnen sind. 342 Ossenbühl, DÖV 1968, S. 618 ff. (S. 619) beschreibt dieses Ermessensverständnis als „gesetzesakzessorische und gesetzesgelenkte Wahlfreiheit der Verwaltung bei der Rechtsfolgenbestimmung“. 343 Die Veränderungen sind in § 10 V zusammengefasst worden.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

auch der Inhalt des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung proportional erweitern konnte. II. Grundtendenz einer Verengung der Ermessensgrenzen Die detaillierte Nachzeichnung des dogmengeschichtlichen Prozesses, wie sich der Inhalt des formellen subjektiven Rechts seit seiner Entstehung bis heute verändert hat, würde eine präzise Untersuchung des Verlaufs der rechtlichen Ermessensgrenzen erforderlich machen. Ein solches Vorhaben übersteigt den Umfang dieser Arbeit344, da sich die Ermessensfehlerlehren nicht nur im Laufe ihrer Entwicklung grundlegend verändert haben, sondern auch zu jeder Zeit an sich heftig umstritten waren345. Dagegen ist es hier möglich, Aussagen über die Grundtendenz der Entwicklung der Ermessensfehlerlehre zu treffen. Im Laufe von mehr als einem Jahrhundert, in dem sich die Rechtswissenschaft und -praxis mit Ermessensspielräumen und deren rechtlicher Bindung beschäftigt hatte, verengten sich die Ermessensgrenzen deutlich. Eine Beschränkung des Handlungsspielraumes der Verwaltung war die Folge. Vor allem für die Zeit nach Einführung des Grundgesetzes ist eine starke Zunahme der Kontrolldichte bei Ermessensentscheidungen signifikant. Einen wichtigen Faktor spielte die Verwaltungsgerichtspraxis, die rechtlichen Bindungen des Verwaltungsermessens auf verfassungs- und einfachrechtlicher Ebene verstärkt zu betonen und die Ermessensgrenzen dadurch kontinuierlich enger zu ziehen. III. Auswirkungen der Subjektivierung auf die Ermessensgrenzen Die beschriebene Grundtendenz einer Verringerung des Ermessensspielraums hat unterschiedliche Hintergründe. So bewirkte der allgemein wachsende Normierungsgrad zunehmend eine objektiv-rechtliche Erfassung des Ermessens. Seit Einführung des Grundgesetzes machte sich aber auch der Einfluss subjektiver Rechte mehr und mehr bemerkbar. Um die Auswirkungen der Subjektivierung auf die Ermessenslehre konkret erfassen zu können, muss die Bedeutung der Stellung des Einzelnen für die Ermessensfehlerlehre untersucht werden. Schließlich hatte sich die Position des Einzelnen sowohl in rechtstheoretischer und als auch in rechtspraktischer Hin-

344 Ein Ansatz hierzu findet sich etwa bei Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. oder in der zwar zeitlich beschränkten, aber sehr detaillierten Arbeit von Held-Daab, Ermessen, 1996. 345 Passend hier Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1973, S. 99. Er beurteilt in Bezug auf Laun und Jellinek die „Versuche, Ermessensfehler zu spezialisieren und systematisch zu ordnen, . . . ohne nachhaltigen Erfolg“.

1. Abschn.: Entstehung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts

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sicht deutlich verbessert. Gezeigt werden soll, aufgrund welcher methodischer Weichenstellungen subjektive Rechte seit 1949 eine Verengung des Ermessensspielraumes bewirken. 1. Ermessensreduktion aufgrund einer unmittelbaren Geltung von subjektiven Rechten Eine Beschränkung des behördlichen Ermessens ist zunächst über die unmittelbare Geltung subjektiver Rechte denkbar. Ausschlaggebend ist hier die quantitative Zunahme an subjektiven Rechten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Vergleich zur Ermessenslehre des klassischen Verwaltungsrechts346. Weil neben objektiv-rechtlichen Normen nun auch vermehrt subjektive Rechte existieren und zu beachten sind, ist für die Ermessensausübung auch die Anzahl an äußeren Ermessensgrenzen gestiegen. Unmittelbar geltende, subjektive Rechte können neben einfachen subjektiv öffentlichen Rechten und Grundrechten auch höherrangige subjektive Rechte auf völker- oder gemeinschaftsrechtlicher Ebene sein. Die Verletzung solcher subjektiven Rechte im Rahmen der Ermessensausübung stellt einen rechtserheblichen Ermessensfehler dar, der die Ermessensentscheidung gerichtlich anfechtbar und aufhebbar werden lässt. 2. Ermessensreduktion aufgrund einer mittelbaren Geltung von subjektiven Rechten Subjektive Rechte können sich allerdings auch über ihre nur mittelbare Geltung beschränkend auf die Ermessensausübung auswirken. Entscheidend ist die ihnen zugrundeliegende Vorstellung einer subjektiven Berechtigung des Einzelnen im öffentlich-rechtlichen Verhältnis347. Diese subjektive Idee wirkt abstrakt auf die Rechtsordnung und konkret auf die Ermessensausübung ein. Sie trägt zur Entwicklung allgemeiner, aber individualrechtsschützender Rechtsgrundsätze bei. Daneben beeinflusst sie die Anwendung des bestehenden Rechts aber auch dahingehend, dass Individualrechte in zunehmendem Maße in die Ermessensentscheidung Eingang finden.

346 In Bezug auf § 5 II wird nochmals daran erinnert, dass das Verwaltungshandeln damals primär durch objektive Normen beschränkt war, da subjektive Rechte nur vereinzelt und vorwiegend in wirtschaftlich relevanten Bereichen existierten. Zudem waren sie vom Willen des Gesetzgebers abhängig und damit letztlich verfügbar. 347 Die im Folgenden auch als „subjektive Idee“ bezeichnete Idee einer subjektiven Berechtigung des Einzelnen gegenüber dem Staat entspringt der Grundhaltung der Bonner Verfassung, wonach eine ideale Rechtsordnung individualrechtsfreundlich ausgestaltet sein soll, siehe schon unter § 9 II 1 b.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

a) Entwicklung individualrechtsschützender Prinzipien Eine Konsequenz aus dem Gedanken der subjektiven Berechtigung ist die Schaffung von Rechtsgrundsätzen, die sich schützend und fördernd auf den Bestand subjektiver Rechte auswirken. Als wichtigstes Beispiel dient Art. 19 Abs. 4 GG. Der Gehalt der Rechtsschutzgarantie gewährleistet, dass jede Verletzung eines bestehenden subjektiven Rechts den Weg zu den Gerichten eröffnet. Damit besitzt jeder subjektiv Berechtigte die Möglichkeit, sein Recht auch gerichtlich durchsetzen zu können. Ähnlich indirekt individualrechtsschützend wirkt die subjektive Idee über die Entstehung und Fortentwicklung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, über die Ausprägung des Vertrauensschutzes und die Betonung der Rechtssicherheit als Grundprinzip sowie über die Entwicklung des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgrundsatzes348. Weil all diese individualrechtsfreundlichen Rechtsprinzipien als äußere Grenzen der Ermessensausübung Beachtung finden müssen, beschränken sie die Anzahl der behördlichen Entscheidungsalternativen. Die behördliche Ermessensfreiheit wird dadurch beschnitten. b) Abwägungsfaktor der subjektiven Idee in der Ermessensentscheidung Ein anderer Aspekt der subjektiven Berechtigung zeigt sich bei der Rechtsanwendung, auch hier kommt die subjektive Idee zur Geltung. Im Rahmen der Ermessensausübung müssen subjektive Interessen gewahrt werden, wenn sie als subjektive Rechte ausgestaltet sind. Subjektive Interessen werden aber darüber hinaus auch geschützt, indem sie über indirekte individualrechtsschützende Rechtsgrundsätze349 Eingang in die Rechtsanwendung finden können. Die im Einzelfall entscheidende Behörde muss daher nicht nur die klar subjektiv-rechtlichen Normen berücksichtigen, sondern zudem jene rechtlichen Vorschriften und Grundsätze beachten, die subjektiven Interessen indirekt zur Durchsetzung verhelfen. Infolgedessen wird die behördliche Ermessensfreiheit weiter beschränkt. Diese Darstellung illustriert, auf welch unterschiedliche Weise die Subjektivierung auf die Ermessenslehre Einfluss genommen hat. Ihr Beitrag zur zunehmenden Ermessensverkürzung ist heute unübersehbar. Im Ergebnis führte die wachsende Anerkennung subjektiver Rechte und die Erkenntnis ihrer Einflußnahmemöglichkeiten auf die Ermessensausübung zu einer drastischen Verkürzung der Ermessensspielräume der Verwaltung. 348

So im Ergebnis auch Bullinger, JZ 1984, S. 1001 ff. (S. 1005). Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Vertrauensschutz, Rechtssicherheit, Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz wurden schon im vorangegangenen Abschnitt § 17 III 2 a aufgezählt. Als weitere Prinzipien sind auch die Selbstbindung der Verwaltung und der Grundsatz der Folgenbeseitigung zu nennen. 349

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IV. Zwei Dimensionen der Subjektivierung der Ermessenslehre Die Idee der subjektiven Berechtigung wirkt sich auf die Ermessensfreiheit zunächst mittelbar oder unmittelbar beschränkend aus. Aufgrund der Notwendigkeit, die subjektiven Rechte zu beachten, bleiben der Verwaltung jene Entscheidungsalternativen verwehrt, die in subjektiv-rechtlicher Hinsicht unzulässig sind. Zugleich erfordert der subjektive Ansatz, dem Einzelnen ein subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung einzuräumen, damit er sich diese Verengung der behördlichen Ermessensfreiheit auch nutzbar machen kann. Der Subjektivierungsgedanke bewirkt im Rahmen der Schutznormtheorie daher eine Begünstigung derjenigen Auslegung des Normzwecks, welche die subjektiven Rechte des Einzelnen am besten wahrt. Die Ermessensermächtigung ist im Zweifelsfall demnach dahingehend auszulegen, dass diese auch den Interessen Privater zu dienen bestimmt ist und damit ein subjektives Recht auf ihren fehlerfreien Gebrauch begründet. Dieses Ergebnis beweist, dass die Subjektivierung in den Bereich der Ermessenslehre in doppelter Hinsicht Eingang gefunden hat. Einerseits beschränkt sie über die Existenz von subjektiven Rechten die behördliche Ermessensfreiheit. Anderseits gewährt sie dem Einzelnen einen Anspruch auf die Einhaltung aller rechtlichen Bindungen bei der Ermessensausübung. Angesichts der Tatsache, dass vor der Verfassungsgebung im Jahr 1949 dem Verwaltungsermessen nahezu keine subjektiv-rechtlichen Grenzen gesetzt waren, erscheint das Ausmaß beträchtlich, in welchem die Ermessensausübung heute von der subjektiven Idee bestimmt und dadurch im wesentlichen begrenzt wird. Die beschriebene doppelte Dimension der Subjektivierung der Ermessensfehlerlehre lässt sich auch in der Rechtsfigur des materiellen Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung wiederentdecken. Ob und inwieweit dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht die Umsetzung des Subjektivierungsgedankens noch in gesteigertem Ausmaß gelang, soll am Ende des folgenden Abschnitts in § 23 erörtert werden. 2. Abschnitt

Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts Der Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung steht im Zuge zweier Gesamtentwicklungen des deutschen Verwaltungsrechts seit Grundgesetzgeltung. Der materielle Ermessensanspruch ist zum einen Vorbild für die Entdeckung individualrechtsbegünstigender Züge der Rechtsordnung und deren einfachrechtlicher Anerkennung durch die Schaffung neuer subjektiver Rechte. Zum anderen fügt er sich ein in die Tendenz einer stetig zunehmenden Verrecht-

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

lichung und dadurch Verengung der Ermessensräume der Verwaltung. Insofern ist die Entstehung des materiellen Ermessensanspruchs beispielhaft für die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts unter der Bonner Verfassung.

§ 18 Einführung in die Thematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts Im Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung kumulieren die dogmatischen Unsicherheiten, die im Bereich des Verwaltungsermessens wie im Bereich der subjektiv öffentlichen Rechte bestehen. Um seine Konstruktion, Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen später untersuchen zu können, muss daher zunächst der Charakter dieses Anspruchs klärend dargestellt werden. I. Rechtstheoretische Konzeption Der Begriff des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts könnte sich in Anlehnung an das Zivilrecht definieren lassen als „Befugnis, von einem bestimmten Subjekt ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen“350. In dieser Form ist er allerdings nicht auf den besonderen Bereich des Ermessens übertragbar. Hier ist der Verwaltung Handlungsfreiheit eingeräumt, so dass ein bestimmtes behördliches Verhalten grundsätzlich nicht erzwingbar ist. Eine Annäherung an das materielle subjektiv öffentliche Recht muss somit über die ihm ähnliche Rechtsfigur des formellen Rechts geschehen. Die folgende einführende Darstellung versucht daher, das materielle Recht in seiner Abgrenzung zum formellen Recht zu erfassen und untersucht, inwieweit sich nach inzwischen ganz herrschender Auffassung351 die Konstruktion des materiellen Rechts von jener des formellen Rechts unterscheidet, d.h. welche Merkmale also das formelle zum materiellen Recht qualifizieren. 1. Strikte Verpflichtung der Behörde Wie das formelle Recht basiert auch das materielle Recht auf der Grundidee der rechtlichen Erfassung und Eingrenzung des Verwaltungsermessens durch eine Norm, die zumindest auch dem Schutz eines Einzelnen dient. Auf ihre Einhaltung kann sich der Betroffene aufgrund der individualschützenden Richtung des Normzwecks berufen.

350

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 43, Rn. 6. Statt vieler: Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 39 ff. mwN in Fn. 20). 351

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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a) Ermessensreduktion auf Null als Voraussetzung eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts Beide subjektiv öffentlichen Rechte unterscheiden sich in den Folgewirkungen einer Ermessensreduktion. Eine solche führt im Fall eines formellen Rechts zur Verringerung der Anzahl rechtlich zulässiger Entscheidungsvarianten. Letztlich verengt sich dadurch der Anspruchsinhalt. Besteht hingegen ein materielles Recht, so ist das Verwaltungsermessen schon so stark reduziert, dass die Ermessensfreiheit nur noch rechtstheoretisch, aber nicht mehr praktisch besteht. Die Behörde ist dann verpflichtet, die letzte ermessensfehlerfreie Entscheidung zu fällen352. Im Ergebnis kommt die im konkreten Fall strikte Handlungspflicht der Behörde einer gebundenen Entscheidung gleich, wie sie regelmäßig Inhalt eines materiellen Rechts im Bereich der gebundenen Verwaltung ist353. b) Zum Rechtsinstitut der konkreten Ermessensreduktion auf Null Das Wesen einer Ermessensreduktion lässt sich abstrakt umschreiben als Konstellation, in der sich aufgrund der besonderen Umstände des Falles aus der Vielzahl der rechtlich möglichen Entscheidungen einige als ermessensfehlerhaft erweisen. Die Wahlmöglichkeit der Verwaltung beschränkt sich damit auf die übrigen zulässigen, weil ermessensfehlerfreien Entscheidungsvarianten. Für die besondere Fallgestaltung der Ermessensreduktion auf Null bewirkt ein Zusammentreffen ermessensreduzierender Faktoren im konkreten Fall eine Zuspitzung der gesetzlichen Vorgaben, so dass nur noch eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ergehen kann. Alle anderen sind als ermessensfehlerhaft zu qualifizieren354. 352 Es sei denn, die Behörde wäre nicht zum Erlass der Entscheidung befugt. Sofern ein Ausschlusstatbestand in Form der Unmöglichkeit, der Unzumutbarkeit, der Verwirkung oder der Subsidiarität vorliegt, entfällt eine Entscheidungspflicht, dazu auch Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 44 ff. oder Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 159. 353 Wenn Martens, DÖV 1976, S. 457 ff. (S. 461) anspricht, dass dieses Recht „im praktischen Ergebnis einem strikten Vornahmeanspruch gleichkommen“ kann, so wird der Unterschied zum Anspruchsinhalt des formellen Rechts deutlich, aufgrund dessen lediglich eine ermessensfehlerfreie, aber keine inhaltlich bestimmte Entscheidung verlangt werden kann. 354 Diese Definition der Ermessensreduktion auf Null entspricht dem Ansatz der Rechtsprechung und des größeren Teils der Literatur, siehe dazu Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 155 (mwN in Fn. 400). Die Verringerung der Ermessensfreiheit auf nur noch eine rechtlich zulässige Ermessensentscheidung umschreibt Gerhard, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114, Rn. 27 treffend als „praktische Alternativenlosigkeit im konkreten Fall“. Mögliche Ursachen einer Reduktion lassen sich verschiedentlich kategorisieren: Nachvollziehbar ist die von Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 21 vorgenommene Unterscheidung in solche Umstände, welche die Behörde durch Selbstbindung

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Allerdings darf die Ermessensreduktion auf Null nicht mit dem Fall einer abstrakten Ermessensreduktion355 verwechselt werden. Eine abstrakte Ermessensreduktion liegt immer dann vor, wenn der Verwaltung eine Wahlfreiheit aus rechtlichen Gründen versagt bleibt, obwohl ihr eine gesetzliche Ermächtigung Ermessen eingeräumt hat. Meist gebieten dann verfassungsrechtliche Vorgaben eine Auslegung der Ermessensnorm als gebundene Vorschrift356. Die Rechtsfigur einer Ermessensreduktion auf Null als Voraussetzung einer inhaltlich bestimmten Ermessensentscheidung erfordert hingegen, dass die Gründe der Ermessensreduktion nicht abstrakt-rechtlich bestehen, sondern sich gerade aus den Besonderheiten des Einzelfalls ergeben. Somit kann die konkrete Ermessensreduktion auch nicht mit der Figur des intendierten Ermessens, sowie mit dem Koppelungsverbot gleichgesetzt werden. Beide wirken sich als abstrakte Ermessensbeschränkungen generell und damit nicht nur im konkreten Fall einengend auf die Wahlfreiheit der Behörde aus357. 2. Übertragbarkeit der Grundsätze der subjektiven Berechtigung des Einzelnen Wenn sich das materielle Recht vom formellen Recht im Ausmaß der objektiv-rechtlichen Verpflichtung der Verwaltung unterscheidet, so wirft dies die Frage auf, ob auch in subjektiv-rechtlicher Hinsicht Differenzen zwischen den beiden Rechtsfiguren existieren. Die Voraussetzungen einer subjektiven Berechtigung werden für das materielle Recht erneut ausgehend vom formellen Recht untersucht358.

selbst herbeigeführt hat, und in solche, die aufgrund der speziellen Sachlage des Falls außerhalb des behördlichen Einflussbereichs liegen. Ebenso plausibel stellt sich aber auch die von Gern, DVBl 1987, S. 1194 ff. (S. 1198 f.) aufgezeigte Möglichkeit der Kategorisierung in Faktoren der Ermessensnormauslegung und Faktoren der Ermessennormüberlagerung dar. Auch Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 32 ff. stützt im Grunde die Differenzierung von Gern, indem sie unterscheidet zwischen inneren Gründen (Tatbestandsintensivierung, Gesetzesvorschriften und Abwägungsüberschuss) und äußeren Gründe (Wirkung der Grundrechte, der Verfassungsgrundsätze, des einfachgesetzlichen Rechts, Selbstbindung, Folgenbeseitigungslast und europarechtliche Bindungen) der Ermessensreduktion. Die Unterscheidung ist angelehnt an eine Systematisierung der ermessensreduzierenden Gründe in diejenigen, deren Nichtachtung innere Ermessensfehler verursachen würden, und in diejenigen, deren Vernachlässigung äußere Ermessensfehler nach sich zögen. Allerdings liegt der Gewinn dieser Unterteilungen nicht auf der Hand. Daher werden sie an dieser Stelle lediglich erwähnt, aber keiner weiteren Untersuchung unterworfen. Zu weiteren Unterscheidungsmöglichkeiten: Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 156 ff. 355 Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 20 verwendet den Begriff der „generellen Ermessensbeschränkung“ synonym. 356 So Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 40). 357 Weiterführend: Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 20 ff., wie auch die grundlegende und kritische Auseinandersetzung von Klein, DÖV 1964, S. 856 ff.

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Der Konstruktion eines formellen Ermessensanspruchs bereitete das Erfordernis eines zwingenden Rechtssatzes zunächst Schwierigkeiten, da sich im Bereich des Ermessens keine zwingenden Rechtssätze finden lassen. Für das materielle Recht wird die Problematik des zwingenden Rechtssatzes jedoch hinfällig. Wenn aus dem materiellen Recht ein inhaltlich bestimmter Anspruch abgeleitet werden kann, dann sind die Rechtsbindungen des Verwaltungshandelns in der konkreten Situation so intensiv, dass die Ermessensentscheidung im Ergebnis einer gebundenen Entscheidung gleicht. Als zweite Voraussetzung einer individuellen Berechtigung muss aufgrund der Schutznormtheorie das einschlägige objektive Recht zumindest auch den Interessen des Einzelnen zu dienen bestimmt sein. Nicht anders als beim formellen Recht wird diese Frage auch für das materielle Recht primär über die Auslegung der Schutzrichtung der einfach-rechtlichen Ermessensnorm gelöst. Die von Bühler eingebrachte Notwendigkeit der Rechtsmacht wird seit Bachofs Ausführungen zur Bedeutung der Rechtsweggarantie als überkommen betrachtet359. Im Zusammenhang mit dem materiellen Recht führt dies zu keinen Besonderheiten. Die Frage nach der subjektiven Berechtigung für das materielle Recht kann anhand der Lösungen des formellen Rechts beantwortet werden. Beide Konstruktionen stimmen diesbezüglich überein. 3. Rechtskonstruktives Verhältnis von materiellem und formellem Recht Die Ausführungen zur objektiv-rechtlichen Gebundenheit und zur subjektiven Berechtigung im Fall des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts lassen erkennen, inwieweit seine Konstruktion auf das formelle Recht rückbezogen ist. Beiden Ansprüchen ist gemein, dass sie dem Einzelnen zur Durchsetzung der rechtlichen Bindung des Verwaltungsermessens dienen. Auf der Seite der objektiven Verpflichtung besteht jedoch ein Unterschied dahingehend, dass sich der materielle Anspruch aufgrund der Ermessensreduktion auf Null auf ein im Ergebnis vollständig gebundenes Verwaltungshandeln richtet. Über das materielle Recht erreicht der Einzelne eine einzige, inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung. Anders als beim formellen Recht muss hier zur Berechtigung des Einzelnen ein Grad der Verpflichtung der Behörde hinzutreten, der eine strikte Gebundenheit über die Einhaltung rechtlicher Bindungen bei Ermessenshandlungen hinaus verursacht. Der materielle Anspruch baut auf 358 Die Kürze der folgenden Darstellung rechtfertigt sich mit dem Rückverweis auf die Ausführungen zum formellen subjektiv öffentlichen Recht unter § 9 III. 359 Siehe dazu: Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 47 ff. und Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 73), ausgeführt in: Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 301), schon unter § 9 III 1 (Fn. 326).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

dem formellen Anspruch insofern auf, als er nicht nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Bindung des Verwaltungshandelns erfordert. 4. Anmerkung zur Prüfung und Darstellung des materiellen Rechts Der Prüfungsschwerpunkt hinsichtlich der Existenz eines formellen Rechts liegt auf der subjektiven Berechtigung. Schließlich lässt sich die objektive Verpflichtung der Verwaltung relativ unstreitig anhand der Ermessensfehlerlehre beantworten. Um aber ein materielles Recht festzustellen, ist zunächst der Grad der Rechtsbindung der Verwaltung zu untersuchen, bevor eine subjektive Berechtigung aufgrund einer möglichen individualrechtsschützenden Ausrichtung der objektiv-rechtlichen Bindungen bejaht werden kann. Die Suche nach dem Anspruch kann erst beginnen, wenn die Ermessensreduktion auf Null bereits außer Frage steht360. Die Feststellung einer strikten Verpflichtung der Verwaltung kann sich aber schwierig gestalten, da es für die Bejahung einer Ermessensreduktion auf Null der Untersuchung des Zusammentreffens mehrerer Faktoren im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung bedarf. Abstrahierende Aussagen sind hierzu kaum möglich361. Infolgedessen beschränkt sich die folgende Darstellung darauf, neben der allgemeinen Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts auch den Meinungsstreit um seine Anspruchskonstruktion sowie die Erkenntnis veränderter Rechtsgrundlagen chronologisch nachzuzeichnen362. II. Schwierigkeiten der Begriffsbestimmungen Die dogmatischen Unsicherheiten hinsichtlich des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung spiegeln sich auch in begrifflichen Differenzen wider. Bevor die Entwicklung des materiellen Anspruchs erarbeitet werden kann, ist daher zunächst eine Anmerkung zu den verwendeten Begrifflichkeiten notwendig.

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So Schnapp, DVBl 1969, S. 596 ff. (S. 597). Auch nach Gerhard, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114, Rn. 27 lassen sich keine inhaltlichen Maßstäbe aufstellen, zumal die Fälle behördlichen Eingreifens kein einheitliches Profil besitzen; so schon unter § 11 II 2 b (Fn. 466). 362 Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null werden nur am Rande thematisiert. 361

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1. Bezeichnung als Ermessensreduktion auf Null Schon für das Phänomen der Ermessensreduktion lassen sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur verschiedene Bezeichnungen ausfindig machen. Andere Bezeichnungen wie Ermessensreduzierung oder -schrumpfung werden synonym verwendet zu dem hier gebrauchten Begriff der Ermessensreduktion363. Für den Spezialfall der Ermessensreduktion auf Null ist auch die Beschreibung als Ermessensreduktion auf Eins364 denkbar. Für diesen Fall wird die Anzahl der zulässigen Entscheidungsvarianten statt des Umfangs des verbleibenden behördlichen Entscheidungsfreiraums anvisiert365. Letztlich bleibt die Begriffswahl eine Frage der Perspektive366. Folgend wird an der gebräuchlicheren Bezeichnung der Ermessensreduktion auf Null festgehalten367. 2. Bezeichnung als materieller Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung Die Verwendung des Begriffs des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts ist vor allem deswegen unstimmig, weil damit in seiner dogmatischen Konstruktion eine kategoriale Verschiedenheit zum formellen Recht suggeriert wird, die so nicht existiert. Schließlich stellt der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung keine qualitative, sondern lediglich eine quantitative Veränderung zum formellen Ermessensanspruch dar368. Das materielle Recht ist eine Art „übersteigertes formelles subjektiv öffentliches Recht“. Seine Bezeichnung als „materielles Recht“ ist letztlich jedoch dadurch gerechtfertigt, dass der Inhalt des materiellen Ermessensanspruchs einem materiellen Recht im Bereich der gebundenen Verwaltung entspricht369. 363

So auch Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 (1997), S. 32 ff. (S. 39, Fn. 18). Etwa bei Menger/Erichsen, VerwArch 58 (1967), S. 171 ff. (S. 179). 365 Auch bei Mutius, Jura 1987, S. 92 ff. (S. 100). 366 Ebenso Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 154. 367 Die Umformulierung von Bachof, Diskussionsbeitrag, 1985, S. 179 zur „Nullreduktion des Ermessens“ fand keinen Anklang. 368 So zuerst Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 377), später findet Götz, Polizeirecht, 1977, S. 71 die bildhafte Umschreibung eines quantitativen Erstarkens des Rechtsanspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung zum Recht auf Einschreiten. 369 So Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2, Rn. 86. Zur Entscheidung für die Verwendung des Begriffs des materiellen Rechts siehe auch schon unter § 12 II 2 c. Der Behauptung von Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 24 muss widersprochen werden, der Begriff des „materiellen Rechts“ würde im Bereich des Ermessens überwiegend angenommen: So lässt sich diese Formulierung nur bei wenigen Autoren aufspüren, etwa bei Obermayer, NJW 1963, S. 1177 ff. (S. 1183) oder Schenke, Polizei364

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Ebenso ist die knappe Umschreibung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung als „Anspruch auf Einschreiten“ zulässig, wie sie insbesondere in polizeirechtlichen Sachverhalten häufig auftaucht. Da sich die Verwaltung grundsätzlich sowohl zur Vornahme als auch zur Unterlassung behördlicher Maßnahmen entschließen kann370, erfasst diese Bezeichnung zwar nur eine von zwei behördlichen Entscheidungsmöglichkeiten. Allerdings ist aber auch nur der Anspruch auf Einschreiten als erste Alternative durchgehend praxisrelevant, so dass die Begriffsverkürzung auf Einschreitensanspruch zulässig ist. III. Prozessuale Durchsetzbarkeit Nur am Rande soll auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts eingegangen werden371. Anders als das formelle Recht, das den Betroffenen lediglich zur Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO berechtigt, muss das materielle Recht aufgrund seines inhaltlich bestimmten Anspruchsumfangs notwendigerweise über die Verpflichtungsklage durchsetzbar sein. § 113 Abs. 5 VwGO erlaubt je nach Spruchreife ein Bescheidungs- oder sogar Vornahmeurteil372. Spruchreife liegt für den Spezialfall der Ermessensreduktion auf Null aber nur dann vor, wenn das Gericht alle möglichen Ermessensentscheidungen erkennen und beurteilen kann373 und „jede andere Entscheidung über diesen Antrag . . . zwangsläufig ermessensfehlerhaft“374 ist. Insbesondere in der Literatur wurden angesichts der Möglichkeit eines Vornahmeurteils Bedenken laut, dass die Verwaltungsgerichte Entscheidungen der recht, 2003, Rn. 104. Der Rest der rechtswissenschaftlichen Literatur spricht lediglich vom „Anspruch auf bestimmte Entscheidung“, siehe dazu stellvertretend Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 138. 370 Auf diese beiden Möglichkeiten einer bestimmten Ermessensentscheidung verweist Vogel, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 397. Letztlich ist die neutrale Bezeichnung des polizeilichen Ermessens über das Einschreiten oder Unterlassen als „Entschließungsermessen“ passender. 371 Zwar ist diese Thematik kein Schwerpunkt dieser Arbeit. Allerdings setzt eine rechtstheoretische Erörterung die Kenntnis des prozessualen Rahmens voraus, da sich die prozessuale Relevanz einer Thematik im Regelfall als grundlegend für deren theoretische Behandlung erweist. Für das materielle Recht etwa: Pfeifer, DÖV 1962, S. 776 ff.; Hegel, JZ 1963, S. 15 ff. 372 Siehe dazu Wilke, Anspruch, 1983, S. 831 ff. (S. 833) oder Ossenbühl, Verwaltungshandeln, 2002, § 10, Rn. 22. 373 Die besonders hohen Voraussetzungen eines Vornahmeurteils hinsichtlich einer Ermessensentscheidung werden jedoch nur in seltenen Fällen vorliegen, so auch Martens, Jus 1962, S. 245 ff. (S. 251). 374 BVerwG (02.07.1963), BVerwGE 16, S. 194 ff. (S. 197) – [Ruhestand]; vgl. damit die spiegelbildliche Aussage in BVerwG (12.07.1963), BVerwGE 16, S. 214 ff. (S. 219) – [Hauptentschädigung], wonach ein Verpflichtungsurteil dann möglich ist, „wenn doch nur ein ganz bestimmter Ermessensentscheid jeden denkbaren Ermessensfehler vermeidet“.

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Verwaltung vorschnell ersetzen könnten. Die staatsrechtliche Problematik einer Übergriffsgefahr in exekutive Entscheidungsräume würde dadurch verschärft375. Bis heute sind die Unsicherheiten bei der Grenzziehung judikativer Befugnisse für den Fall der Ermessensüberprüfung noch nicht beseitigt. IV. Rechtstheoretische Wesentlichkeit des materiellen Anspruchs trotz seiner Praxisirrelevanz Der praktische Anwendungsbereich des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts ist im Vergleich zu anderen Rechtsinstituten relativ gering. Seine Behandlung erweist sich letztlich als nahezu rein theoretisches Problem376. Damit drängt sich die Frage auf, ob diese Rechtsfigur und ihr korrelierender Anspruch zu Recht die Stellung eines zentralen Gegenstandes der universitären Verwaltungslehre beanspruchen377. Aus mehreren Gründen wird der Ermessensreduktion auf Null ein hohes wissenschaftliches Interesse entgegengebracht. Schon ihre rechtliche Konstruktion ist äußerst kurios. So kann sich die grundsätzliche Ermessensfreiheit der Verwaltung im speziellen Fall der Ermessensreduktion auf Null auf eine Entscheidung verengen, die vom praktischen Ergebnis her zwar der gebundenen Verwaltung zuzurechnen ist, theoretisch aber noch dem Bereich der Ermessensverwaltung angehört. Interessanter noch als dieser rechtstechnische Aspekt ist die rechtstheoretische Bedeutung des aus der Ermessensreduktion erwachsenden Anspruchs. Schließlich trifft in der Figur des materiellen Ermessensanspruchs die intensivierte, rechtliche Einbindung des Verwaltungshandelns auf die zunehmend individualrechtsfreundliche Wertungstendenz378. Wird der materielle Anspruch als 375 Beispielsweise warnt Püttner, Handlungsspielräume, 1985, S. 131 ff. (S. 144) vor der Missbrauchsgefahr des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts als einer „jederzeit verfügbaren Allzeitwaffe der Gerichte“. Diese kann angesichts der von Stelkens, NWVBl 1989, S. 335 ff. (S. 339) angestellten Beobachtung einer „ausufernden Praxis, schnell, vielleicht zu schnell, eine Ermessensschrumpfung auf Null anzunehmen“, zumindest nicht als irrelevant von der Hand gewiesen werden; dazu auch schon § 11 I 2. 376 So Ossenbühl, DÖV 1976, S. 463 ff. (S. 468), auch Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 26 f. Für das Polizeirecht bestätigt Rachor, in: Lisken/Denninger, Polizeirecht, 2001, F, Rn. 115 diese Behauptung, da nach seiner Beobachtung die Ermessensfehlerlehre im Vergleich zum Verhältnismäßigkeitsprinzip nur eine kleine Rolle spielt; siehe die Verweise unter § 11 II 2 (Fn. 460). 377 Polemisch bemerkt Jarass, Diskussionsbeitrag, 1985, S. 206, dass seiner Vermutung nach die Reduktion auf Null in jeder zweiten Ermessensklausur als vertretbare Lösung erachtet werde. 378 Daneben lässt sich die Einwirkung des Verfassungs- auf das Verwaltungsrecht nachzeichnen anhand der rechtlichen Durchdringung des behördlichen Ermessens und einer zugleich verstärkten Akzentuierung subjektiv-rechtlicher Positionen. Treffend er-

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Symbol einer stetig wachsenden Anerkennung subjektiver Interessen seitens des Staats begriffen379, so rechtfertigt sich das wissenschaftliche Interesse. V. Sicherheitsrecht als praktischer Hauptanwendungsbereich Innerhalb der vergleichsweise geringen praktischen Relevanz der Ermessensreduktion auf Null ist kurz auf das Polizei- und Ordnungsrecht380 als größten Anwendungsbereich einzugehen. Die Verpflichtung zur strikt gebundenen Entscheidung trotz grundsätzlicher Ermessenseinräumung findet sich zwar in sämtlichen Fachbereichen des Verwaltungsrechts und damit auch außerhalb gefahrenabwehrrechtlicher Regelungen381. Dort beruht sie allerdings meist auf dem Grundsatz der Selbstbindung, auf der Folgenbeseitigungslast oder auf der Feststellung eines intendierten Ermessens382 und ist nicht wie im Sicherheitsrecht im Regelfall auf eine Ermessensreduktion auf Null zurückzuführen. Das Polizeirecht ist auch deswegen ein interessantes Beobachtungsfeld, weil sich hier die Behandlung des materiellen Anspruchs auf eine Ermessensentscheidung mit derjenigen in den Erörterungen über die allgemeine Problematik der Ermessensreduktion auf Null teilweise überschneidet. Eine Gleichsetzung der Erkenntnisse aus beiden Bereichen birgt jedoch die Gefahr einer voreiligen Induktion. Vorneweg wird deswegen die Übertragbarkeit der sicherheitsrechtlichen Argumentation auf die verwaltungsrechtliche Diskussion der Ermessensreduktion überprüft. kennt König, BayVBl 1969, S. 45 ff. (S. 45) den Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Verhalten als einen Teilaspekt der „Wandlungen im verwaltungssystematischen Denken rechtsstaatlicher Prägung“. Ähnlich beschreibt auch Henke, DVBl 1965, S. 783 ff. (S. 784 f.) den prinzipiellen Wandel der öffentlichen Ordnung. 379 Über diese Feststellung hinaus betrachtet Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 215) den Anspruch als „beredtes Symptom für den Wandel vom Rechtsstaat, der Freiheit durch Begrenzung garantiert, zum sozialen Rechtsstaat, der Freiheit auch durch Leistung gewährleistet“. Siehe dazu auch Heinrich, DVBl 1966, S. 425 ff. (S. 431), der beispielhaft anhand der Darstellung des nachbarrechtlichen Abwehranspruchs eine veränderte Wertung des positiven Rechts zugunsten privater Interessen nachzeichnet. 380 Die Begrifflichkeiten von Polizei-, Ordnungs-, Gefahrenabwehr- und Sicherheitsrecht werden im Folgenden gleichberechtigt verwendet unter der Bedeutung als Regelung jeglicher der Gefahrenabwehr dienenden Staatstätigkeit. 381 Eine Bestandsaufnahme würde den Umfang dieser Untersuchung übersteigen. Aus diesem Grund soll hier auf die anderen Darstellungen verwiesen werden, welche die Ermessensreduktion im Ausländer-, Bau-, Beamten-, Einbürgerungs-, Gewerbe-, Immissions-, Staatsangehörigkeits-, Straßen-, Subventions- und Verwaltungsverfahrensrecht aufzeigen, so: Gern, DVBl 1987, S. 1194 ff. (S. 1195 ff.) und en detail bei: Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 50–167. 382 Siehe bei: Erichsen/Martens, Verwaltungshandeln, 1975, S. 115 ff. (S. 156); Gerhard, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114, Rn. 27 (mwN in Rn. 20 ff.). Die Entstehung eines materiellen Anspruchs aufgrund Selbstbindung oder Folgenbeseitigungslast der Verwaltung wird ausführlicher in § 22 II 4 behandelt.

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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1. Nähe des materiellen Anspruchs zu polizeirechtlichen Fragestellungen Seit Mitte der sechziger Jahre wird der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung als ein zentrales Thema des Polizeirechts behandelt383. Dies belegt nicht nur ein Blick in ältere und neuere Auflagen verbreiteter Polizeirechtslehrbücher. Auch in der Theorie des Sicherheitsrechts war der Anspruch auf Einschreiten immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen384. Ursächlich für die Thematisierung des Ermessensanspruchs ist die außerordentlich starke verfassungsrechtliche Durchdringung des Polizeirechts385. Seine sicherheitsrechtliche Natur bedingt schon wesensmäßig eine hohe Grundrechtsrelevanz, welche sich auf den gefahrenabwehrrechtlichen Regelungskomplex über die Grundrechtsgeltung in Form einer verschärften Ermessensreduktion auswirken kann. Aus diesem Grund sind sicherheitsrechtliche Sachverhalte prädestiniert für die Problematisierung des materiellen Ermessensanspruchs386. 2. Zur Verallgemeinerungsfähigkeit von im Polizeirecht gewonnenen Ergebnissen Verschiedene Gründe veranlassen die Frage, inwiefern die im Polizeirecht gewonnenen Erkenntnisse auf das allgemeine Verwaltungsrecht rückübertragbar sind. Ausschlaggebend ist gewiss, dass ein sicherheitsrechtlicher Ausgangsfall die Entwicklung des mit der Ermessensreduktion auf Null verbundenen Anspruchs maßgeblich anstieß. Zudem ist das Gros jener Literatur, die sich mit der Thematik des materiellen Rechts befasst, dem sicherheitsrechtlichen Sektor zuzuordnen. Als wesentlicher Unterschied fällt dabei zunächst die besondere Ermessensstruktur der gefahrenabwehrrechtlichen Generalklausel ins Auge. So folgt diese nicht dem „einfachen Aufbau“ einer Ermessensnorm von Tatbestandsbeschreibung und offener Rechtsfolgenwahl. Das im Bereich des Gefahrenabwehrrechts geltende Opportunitätsprinzip387 räumt der Verwaltung auf der Rechtsfolgen383 Nach Breuer, Grundrechte, 1977, S. 89 ff. (S. 103 f.) gehört der Einschreitensanspruch sogar zu den „meistdiskutierten Errungenschaften des neueren Polizei- und Ordnungsrechts“. 384 Dietlein, DVBl 1991, S. 685 ff. (S. 685) erinnert an die Anstöße von Isensee, Sicherheit, 1983, S. 33 f. zur Aufwertung des Anspruchs zum Grundrecht auf Sicherheit. Auch befasste sich schon im Jahr 1977 eine Staatsrechtslehrertagung mit der Thematik „Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive“. 385 Ausführlicher dazu Franßen, Einfluß, 1978, S. 201 ff. (S. 201 f.). 386 Diese Behauptung lässt sich anhand eines Blicks auf die Rechtsprechung bestätigen, dazu im Folgenden unter § 20 II 1 e. 387 Siehe ausführlich hierzu bei Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 50 ff.

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seite ein „zweistufiges“388 Ermessen ein. Die zuständige Behörde besitzt daher sowohl auf der Ebene der Entschließung als auch auf der Ebene der Auswahl des geeigneten Mittels oder Adressaten einen Entscheidungsfreiraum. In der Struktur unterscheiden sich Entschließungs- und Auswahlermessen jedoch nicht von sonstigen Ermessensermächtigungen. Beim Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung ist zu beachten, dass beide Ermessensspielräume der Verwaltung auf Null reduziert sein müssen. Somit ist in sicherheitsrechtlichen Fällen die Wahrscheinlichkeit, eine „doppelte“ Ermessensreduktion auf Null annehmen zu können, erheblich verringert. Hinderlich für eine Reduktion auf Null ist auch die Geltung des Subsidiaritätsprinzips. Hiernach darf ein behördliches Einschreiten nur für den Fall begehrt werden, dass der Einzelne eine Gefahrsituation aus eigenen Kräften nicht abwenden kann. Auch die Möglichkeit einer Selbsthilfe wird relevant, wenn die Entscheidungsfreiheit aufgrund einer Selbsthilfeoption nicht auf ein behördliches Tätigwerden verengt ist. Im Ergebnis ist der im Polizeirecht vorzufindende Anspruch auf Einschreiten nicht wesentlich anders konstruiert als der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung. Schließlich konkretisiert sich das im Gefahrenabwehrrecht geltende Opportunitätsprinzip in der behördlichen Handlungsform des Ermessens. Abgesehen von den vernachlässigbaren Unterschieden hinsichtlich des Entschließungs- und Auswahlermessens und der Subsidiaritätsproblematik handelt es sich beim Anspruch auf Einschreiten und beim materiellen Anspruch um ein- und dasselbe Phänomen389. Infolgedessen können die im Polizeirecht gefundenen Aussagen, die aufbauend auf einem baupolizeilichen Bundesverwaltungsgerichtsurteil390 im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht weiterentwickelt wurden, über die Figur des Einschreitensanspruchs in das allgemeine Verwaltungsrecht auf den materiellen Anspruch transferiert werden391.

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Schenke, Polizeirecht, 2003, Rn. 94. Schon Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 246), ähnlich Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 37. 390 BVerwG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge]. 391 So auch Kloepfer, Grundrechte, 1970, S. 13: „Der Anspruch auf polizeiliches Handeln, Äquivalent für das grundsätzliche Gewaltmonopol des Staates, zeigt die allgemeine Möglichkeit zur grundrechtlichen Erschließung staatlicher Kompetenzen.“ Nach Breuer, Grundrechte, 1977, S. 89 ff. (S. 105) sind „Ansprüche auf ein behördliches Tätigwerden zum Schutze der grundrechtlichen Freiheit . . . gegenüber jedem Verwaltungsträger“ denkbar. Ähnlich greift auch Knemeyer, VVDStRL 35 (1977), S. 221 ff. (S. 250) auf eine Darstellung anhand des Polizeirechts zurück, um den individuellen Schutzanspruch zu verdeutlichen. 389

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§ 19 Nichtexistenz eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts vor der Grundgesetzeinführung Da die Entwicklung des Anspruchs auf ein bestimmtes behördliches Verhalten nicht nur in rechtstheoretischer, sondern auch in chronologischer Hinsicht auf der Figur des Anspruchs auf fehlerfreien Ermessensgebrauch aufbaut, lässt sich seine Entstehung erst nach Schaffung der Bonner Verfassung datieren. Allerdings prägte bereits die Amtshaftungsrechtsprechung des Reichsgerichts wichtige Grundzüge, die sich noch in der heutigen Konstruktion des Anspruchs auf Einschreiten entdecken lassen. Vor diesem Hintergrund wird die historische Vorgeschichte des materiellen Anspruchs skizziert. I. Amtshaftungsrechtsprechung des Reichsgerichts Da zur Beurteilung einer Amtshaftung die Amtspflicht festgestellt werden muss, spielt ihre Thematisierung in der zivilrechtlichen Entscheidungspraxis eine wichtige Rolle. Anders als im Verwaltungsprozess sucht die Zivilrechtsprechung aber nicht schon auf der Primärebene nach einem Recht des Einzelnen auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln. Sie thematisiert die Pflicht der Verwaltung anhand der Entschädigungsfrage erst auf der Sekundärebene. Außerdem ist die Amtshaftungspflicht auch nicht per se mit einer behördlichen Verhaltenspflicht gleichzusetzen 392. Von all diesen Unterschieden kann jedoch abgesehen werden, da für die Entschädigungsthematik immer auch die Frage nach einer behördlichen Pflicht inzident gelöst werden musste. Die vom Reichsgericht entwickelten inhaltlichen Grundsätze einer Verpflichtung der Verwaltung sind somit auf den Anspruch auf behördliches Handeln projizierbar393. 1. Grundzüge der Zivilrechtsprechung Wenngleich die spätkonstitutionelle Ermessenslehre das Verwaltungsermessen gesetzlichen Schranken unterwarf, so galt das Opportunitätsprinzip im Bereich des Sicherheitsrechts absolut. Insbesondere durch Rechte Privater war es unbe-

392 Nach Maurer, Verwaltungsrecht, 2002, § 26, Rn. 16 besteht insofern ein historischer Unterschied, als die Amtspflicht im Innenverhältnis zwischen Amtswalter und Dienstherrn, die Rechtspflicht aber nach außen gegenüber dem Bürger besteht. Ähnlich argumentiert Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 37. Kritisiert wird diese Unterscheidung jedoch von Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 131). Weiterführende Hinweise zu Parallelen zwischen der Amtspflicht gegenüber Dritten und dem subjektiven Recht auf Verwaltungshandeln bei Rüfner, Schadensersatzleistungen, 2002, § 47, Rn. 18 (Fn. 51). 393 So auch in den Aufsätzen von Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 650) und Frotscher, DVBl 1976, S. 695 ff. (S. 702 f.).

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schränkbar394. Ein materielles subjektiv öffentliches Recht im Bereich des Ermessens war somit ausgeschlossen395. Den ersten Anstoß zur Änderung bewirkte das populäre Rodel-Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1921396. Hier klagte die Witwe ihres bei einem Rodelunfall verstorbenen Mannes gegen die zuständige Behörde auf Schadensersatz. Nach deren Auffassung habe diese die Gefahrlage aufgrund des weit verbreiteten Rodelns amtspflichtwidrig geduldet. Das Reichsgericht bejahte hier den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung aufgrund behördlichen Unterlassens397, es sprach der Witwe Schadensersatz zu. Nach Ansicht des Gerichts besaß die Klägerin zumindest „als Reflex der Rechtslage, ein Recht auf Polizei“398. Aussagen zum individualrechtsschützenden Charakter der zugrundegelegten polizeirechtlichen Generalklausel enthielt das Urteil noch nicht399. Erst in späteren Entscheidungen des Reichsgerichts wurde die Problematik der Drittbezogenheit der Amtspflichtverletzung thematisiert400.

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Siehe dazu etwa bei Ohle, PrVBl 46 (1924/25), S. 361 f. (S. 361): „Ein Hereinreden der Bürger, ein Klagrecht auf Tätigwerden der Verwaltung . . . würde nach der damaligen Auffassung das Wesen des Staates überhaupt geleugnet und ihn zu einem privatrechtlichen Verein mit weitgehenden Kontroll- und Aufsichtsbefugnissen seiner Mitglieder herabgewürdigt haben.“ 395 Für die Rechtsprechung des Preußischen OVG bestätigt von Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 86). 396 RG (15.11.1921), PrVBl 43 (1921/22), S. 394 f. – [Rodel] wird zwar meist zum Nachweis der reichsgerichtlichen Amtshaftungsrechtsprechung zitiert. Heuer, Generalklausel, 1988, S. 399 ff. weist jedoch nach, dass der Verpflichtungstatbestand trotz bestehenden Verwaltungsermessens schon ab 1876 in der Rechtsprechung des Reichsgerichts auftaucht. 397 Siehe dazu die originelle Stelle, an welcher das RG (15.11.1921), PrVBl 43 (1921/22), S. 394 f. (S. 395) – [Rodel] das behördliche Verhalten rügt: „Statt dessen sah sie [die Behörde] mit verschränkten Armen zu, daß der Rodelunfug in den Straßen Saarbrückens sich weiter austobte, wie er sich ohne polizeiliches Verbot kaum ärger austoben konnte.“ 398 Ohle, PrVBl 46 (1924/25), S. 361 f. (S. 362). 399 Ermächtigungsgrundlage des polizeilichen Ermessens war damals noch: § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes (vom 31.06.1931, PrGS S. 79) (1) Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwenden, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Der Wortlaut von § 14 PVG findet sich heute nahezu unverändert in den aktuellen, polizeilichen Generalklauseln der Länder wieder. 400 So sieht das RG (26.02.1935), RGZE 147, S. 144 (S. 147) – [Villengrundstück] die Amtspflicht der Polizei aufgrund der Generalklausel „nicht nur zum Schutze der Allgemeinheit, sondern auch des Einzelnen“ bestehend, später attestiert das RG (15.12.1939), RGZE 162, S. 273 ff. (S. 275) – [Verkehrszeichen] „eine Verletzung der Amtspflicht, die der Polizeibehörde gegenüber den Verkehrsteilnehmern obliegt“; ähnlich deutlich auch der BGH (30.04.1953), VerwRspr 5, S. 832 ff. – [Räuberbande].

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Bedeutender war die Tatsache, dass die Amtshaftungsrechtsprechung über die Feststellung bestimmter Amtspflichten die theoretischen Erkenntnisse der klassischen Ermessenslehre401 in die Praxis umsetzte. Wenngleich nicht das Reichsgericht die Idee eines rechtlich beschränkten Ermessens initiierte402, so trug es doch wesentlich zu ihrer Realisierung bei. Allerdings blieb die Rechtslage in sich widersprüchlich: Der Einzelne konnte zwar Schadensersatz bei einer rechtswidrig unterlassenen Ermessensentscheidung fordern. Es blieb ihm jedoch versagt, die Vornahme der Ermessensentscheidung auf verwaltungsrechtlicher Ebene zu erzwingen403. Verletzte die Behörde ihre von Rechtsprechung und Lehre bejahte Handlungspflicht im Bereich der Ermessensverwaltung404, so wirkte sich dies nur auf der Sekundärebene aus. Der Betroffene konnte dann eine zivilrechtliche Entschädigung verlangen. Einen materiellen, verwaltungsrechtlichen Anspruch auf Primärebene besaß er jedoch nicht. Erschwerend kam hinzu, dass die Anerkennung von Amtshaftungsansprüchen durch die Zivilgerichte nur „unter gravierenden Umständen“405 vorgenommen wurde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzte diese restriktive Haltung fort406. 2. Dogmatische Grundlegung durch Jellineks Schädlichkeitsgrenze Schon für die Rechtsprechung des Reichsgerichts erwies es sich als schwierig, jene Situationen abstrakt zu definieren, in denen das Opportunitätsprinzip beschränkt galt. Fraglich war, unter welchen Umständen es der Verwaltung versagt war, sich im Fall eines Unterlassens auf ihr Ermessen zu berufen, weil sie in eben diesen Fällen als strikt verpflichtet betrachtet wurde. Das Reichsgericht fand hierauf keine einheitliche Antwort, sondern entwickelte eine Kasuistik, die

401 Angesprochen ist damit eine Konzeption des Ermessens als exekutive Handlungsform innerhalb eines rechtsstaatlichen Rahmens. 402 Die Vorstellung, dass staatliches Handeln und damit auch Ermessensakte rechtlichen Schranken unterworfen sein müssen, geht schließlich schon auf das der Reichsverfassung von 1871 zugrundliegende Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zurück. Umgesetzt wurde diese Idee in den Ermessenslehre von Laun, Ermessen, 1910, S. 47 ff., Jellinek, Gesetz, 1913, S. 157 ff. und Tezner, Ermessen, 1924. 403 Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 650) verweist hier passend auf die Ähnlichkeit zum Prinzip des „dulde und liquidiere“. 404 Nachweise unter Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 176 f. 405 Ossenbühl, DÖV 1976, S, 463 ff. (S. 468). 406 Der BGH (22.12.1952), VerwRspr 5, S. 319 ff. (S. 320) – [Bombenentschärfung] fordert „unmittelbare Gefahren für wichtige Rechtsgüter“. Im Urteil des BGH (07.01.1960), VersR 1960, S. 237 f. (S. 238) – [Basaltpflaster] wurde sogar für nötig erachtet, dass „jeden Augenblick schwerste Unfälle auch mit Todesfolge“ eintreten hätten können. Weiterführend die Rechtsprechungsübersicht bei Vogel, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 398 f.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

sich vage am Willkürkriterium und an der Schwere der Beeinträchtigung der individuellen Rechtsgüter orientierte407. Der Bundesgerichtshof hingegen zog diese Grenze entlang der Formel, dass das behördliche Handeln für die Abwendung „unmittelbare[r] Gefahren für wesentliche Rechtsgüter“408 notwendig sein müsse. Schon früh wurde auf Walter Jellinek verwiesen409. Noch früher als Jellinek sprach allerdings Arnstedt im Jahr 1905 von einer polizeilichen Eingriffspflicht in „Fällen unmittelbar drohender Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit“410. Er äußerte sich jedoch nicht weiter über die Voraussetzungen der Eingriffspflicht. Für die Suche nach einer theoretischen Grundlegung der Grenzziehung zwischen Ermessens- und Pflichtbereich ist damit doch auf Jellinek zurückzukommen. In seinem Verwaltungsrechtsbuch von 1928 beschrieb Jellinek die Grenzen der Ermessenstätigkeit am Beispiel der Polizeigewalt411. Er definierte eine Übermaßgrenze, welche der heutigen Zumutbarkeitsgrenze entspricht, sowie eine Untergrenze, die an das verfassungsrechtliche Untermaßverbot erinnert. Die Untergrenze war bestimmt durch die Schädlichkeit behördlichen Handelns412. Wird diese unterschritten, so verlässt die Behörde nach Jellineks Ansicht den Bereich des Ermessens und ist zum Einschreiten verpflichtet413. Welche öffentlich-rechtlichen Konsequenzen eine Überschreitung der Schädlichkeitsgrenze nach sich zieht, deutete Jellinek nur mit der schemenhaften Formulierung an, dass „sich die Kraft der Polizeierlaubnis“ breche und „eine Gesetzesverletzung begangen“ worden sei414. Er verpasste die Gelegenheit, die Pflicht der Verwaltung zum Einschreiten positiv zu begründen. Das behördliche Nichteinschreiten begriff Jellinek nur als Fehler und schadensersatzauslösenden Tatbestand. Hingegen zog er noch nicht die Folgerung einer Handlungspflicht 407

So auch schon Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 180. BGH (22.12.1952), VerwRspr 5, S. 319 ff. (S. 320) – [Bombenentschärfung]. 409 Z. B. nimmt der BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung] auf die Ermessensgrenzenlehre von Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 432 f. Bezug. 410 Arnstedt, Polizeirecht I, 1905, S. 48. 411 In Ansätzen findet sich die folgende Argumentation Jellineks schon in Gesetz, 1913, S. 268 f., vollständig ausgeführt wird sie jedoch erst in Verwaltungsrecht, 1928, S. 416 f. 412 Jene definiert Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 416 als Situation, in welcher „die Untätigkeit der Behörde anfängt so schädlich zu werden, daß das Recht ein Einschreiten fordert“. 413 Wann die Schädlichkeitsgrenze überschritten ist, bestimmt sich laut Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 417 „nach gesellschaftlichen Anschauungen“. In dieser Formulierung ist seine Ansicht heute nicht mehr vertretbar, da der gesellschaftlichen Ansicht nur in begrenztem Umfang normative Wirkung zugestanden wird, etwa Schenke, Polizeirecht, 2003, Rn. 100. 414 Jellinek, Gesetz, 1913, S. 268 (hier bezeichnet er die Schädlichkeitsgrenze verwirrend als „eine eigenartige Schranke des Polizeibefehls“) und S. 417. 408

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der Verwaltung. Seine Auffassung festigte sich in der späten rechtswissenschaftlichen Literatur der Weimarer Republik415 und hatte bis nach 1945 Bestand416. II. Ablehnende Haltung der frühen Verwaltungsrechtsprechung Auch die nachkriegszeitliche Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichte entsprach Jellineks Schädlichkeitslehre, da sie sich zu einem subjektiven Recht auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung äußerst restriktiv verhielt. Zahlreiche Entscheidungen verfochten in ihrer Grundhaltung, dass Rechtsansprüche im Bereich des Verwaltungsermessens nicht konstruierbar417 und ihr Anwendungsbereich auf die rechtsgebundene Verwaltungstätigkeit beschränkt seien418. Auch hier begegnet wieder die rigoros gedachte und daher unüberwindbar scheinende Trennung zwischen Ermessens- und Rechtsakten der Verwaltung, die als Axiom des klassischen Verwaltungsrechts bis in die Anfänge des bundesrepublikanischen Verwaltungsrechts fortdauerte. III. Ursachen der Unübertragbarkeit amtshaftungsrechtlicher Grundsätze auf das Verwaltungsrecht Nach Kriegsende dauerte es ein Jahrzehnt, bis sich die Konstruktion eines subjektiven Rechts auf eine im konkreten Fall gebundene Ermessensentscheidung durchsetzte. Folgend werden die Gründe angesprochen, weshalb sich die amtshaftungsrechtlichen Inhalte der Zivilrechtsprechung noch lange Zeit hemmend auf das Verwaltungsrecht auswirkten, so dass sich ein subjektives Recht auf Einschreiten vor Grundgesetzeinführung gar nicht und danach nur allmählich entwickelte.

415 So etwa Drews, Polizeirecht, 1931, S. 39, der auch einen „Rechtsanspruch darauf, daß die Polizei . . . zu seinen Gunsten einschreiten muß“ verneint – allerdings mit der Ausnahme, dass „das Gesetz oder eine andere Rechtsnorm einen solchen ausdrücklich vorsieht“ (S. 41). 416 Siehe dazu: Rupp, DÖV 1948, S. 104 ff. (S. 106 ff.); Peters, Verwaltung, 1949, S. 12 (Fn. 4); Eyermann/Fröhler/Hofmann, VGG, 1950, S. 133. 417 Siehe stellvertretend dazu BayVGH (03.11.1947), BayVGHE 1, 28 ff. (S. 30) – [Kochstube]. Hier wurde der Erlass eines Verpflichtungsurteils deswegen ausgeschlossen, da die begehrte Maßnahme eine Ermessenshandlung war. Dies ist auch Ergebnis eines Urteils über ein Klägerbegehren, als Beamter angestellt zu werden, das in VGH BW (17.06.1949), VerwRspr 2, S. 58 ff. – [Staatsbeamter] mangels des behaupteten Rechtsanspruchs erfolglos blieb. Ebenso reichte in OVG Hamburg (13.02.1950), DVBl 1950, S. 539 f. – [Rübenkamp] eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht zur Verurteilung zur Erteilung einer Baugenehmigung, es ließ nur eine Anfechtungsklage gelingen. 418 So der BayVGH (24.11.1948), BayVGHE 1, S. 126 ff. (S. 128) – [3 Schwestern].

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1. Kategorisierung in gebundene und ungebundene Verwaltung Die Antinomie zwischen Ermessen und Recht setzte sich gezwungenermaßen in der These fort, dass das subjektive Recht auf eine bestimmte Leistung mit der behördlichen Handlungsform des Ermessens unvereinbar sei. Die Auffassung, dass inhaltlich bestimmte, subjektive Rechte nur im Bereich der rechtlich gebundenen Verwaltung existierten und demnach auf dem Gebiet der Ermessensakte nicht denkbar seien, wurde meist nicht hinreichend begründet419. Sie schien denknotwendig aus der rechtlichen Ungebundenheit des sogenannten freien Ermessens zu folgen. Hier stand die Rechtswissenschaft vor demselben Dilemma wie schon beim formellen subjektiv öffentlichen Recht: Anspruch und Ermessen wurden dichotomisch aufgefasst, obwohl diese Gegensätzlichkeit rechtstheoretisch auflösbar war. Erst als die rechtliche Einbettung des Ermessens rechtstheoretisch durchdrungen war, wuchs die Erkenntnis, dass sich das Verhältnis von Anspruch und Ermessen über das Bindeglied der rechtlichen Gebundenheit des Verwaltungshandelns bestimmen lässt420. Bis zur Entdeckung dieser Verbindung zwischen Ermessen und subjektivem Recht wurde der subjektive Anspruch pauschal abgelehnt. Für das materielle subjektive Recht ließ sich diese Problematik jedoch einfach über einen Rückgriff auf das formelle Recht lösen, so dass sich hier kein Diskussionsschwerpunkt des materiellen Ermessensanspruchs entwickelte. 2. Schutzzweckausrichtung von Ermessensnormen an öffentlichen Belangen Nicht nur die fehlende rechtsdogmatische Konzeption erschwerte die Bildung eines Anspruchs im Bereich der Ermessenshandlungen. Auch eine individualrechtsschützende Wertung der betreffenden objektiven Norm war als weitere Voraussetzung eines subjektiven Rechts erforderlich. Eine subjektiv-rechtliche Auslegung öffentlich-rechtlicher Normen war vor Geltung des Bonner Grundrechtskatalogs jedoch eine seltene Ausnahme. Schließlich wurde das öffentliche Recht als Normativierung des Ausgleichs öffentlicher, und nicht subjektiver Interessen begriffen421. Nur langsam nach Grundgesetzeinführung setzte sich 419 Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1950, S. 149 charakterisiert „das subjektive öffentliche Recht seinem Wesen nach mit dem Verwaltungsermessen in Widerspruch“. Eyermann/Fröhler/Hofmann, VGG, 1950, S. 133 verneinen ein subjektives Recht, „sofern ein Akt in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt ist“. Ähnlich Wolff, Verwaltungsrecht I, 1956, S. 120 und Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 245). 420 Das Verhältnis umschreibt Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 377) passend mit der Aussage, „Ermessen und Anspruch liegen auf zwei verschiedenen Ebenen“. 421 Hierauf deutet auch schon seine Bezeichnung als „öffentliches“ Recht hin. Diese Auffassung entspricht auch der klassischen Abgrenzung des Staats- und Verwaltungsrechts zum Privatrecht, dessen Regelungsgegenstand primär subjektive Interessenskollisionen sind.

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das Bewusstsein durch, dass die Grundrechte eine individualrechtsfreundliche Auslegung auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts gebieten. Exemplarisch lässt sich diese Entwicklung anhand der polizeilichen Generalklausel nachvollziehen, die aufgrund ihrer ausgeprägten Grundrechtsrelevanz nach 1949 deutlich an subjektiv-rechtlich geprägten Charakterzügen hinzugewann. Zuvor wurde die Aufgabe der Gefahrenabwehr als Angelegenheit des öffentlichen Interesses begriffen422. Infolgedessen war dem Umstand, dass die Vornahme der Gefahrenabwehr den Einzelnen begünstigen konnte, nur die Bedeutung eines Rechtsreflexes beigemessen423. Nahezu übereinstimmend in Rechtsprechung und Literatur424 herrschte diese Auffassung, bis ihr die BandsägeEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 1960 widersprach425. Noch heute gilt dieses Urteil als Meilenstein in einer sich gewandelten Entwicklung zugunsten einer subjektiv-rechtlicher Interessenswertung. 3. Die rechtspraktisch notwendige Voraussetzung der Verpflichtungsklage Abschließend ist noch auf die Rechtsschutzmöglichkeit der Verpflichtungsklage einzugehen. Als prozessuale Voraussetzung des inhaltlich bestimmten Ermessensanspruchs spielt sie eine wichtige Rolle. Vor 1945 sahen die verwaltungsprozessualen Regelungen der Länder eine gerichtliche Verpflichtung der Verwaltung nur in Einzelfällen vor. Als eigene Klageart hingegen existierte die Verpflichtung noch nicht426. Vor Gericht tauchte das rechtstheoretische Problem eines materiellen Anspruchs daher weder im Bereich der gebundenen Verwaltung noch auf dem Gebiet der Ermessensausübung auf. Anders stellte sich die Situation nach Kriegsende dar. Mit der Wiederherstellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde auch der Rechtsbehelf der Verpflich422 Siehe bei Schneeberger, Rechtsanspruch, 1962, S. 77 ff. (S. 86); ausführlich: Würtenberger/Heckmann/Riggert, 2002, Rn. 498; Knemeyer, Polizeirecht, 2002, Rn. 131. 423 Ähnlich auch Franßen, Einfluß, 1978, S. 201 ff. (S. 215). 424 Als exemplarisch für die Ansicht der Rechtsprechung gilt OVG Münster (28.07.1952), OVGE 6, S. 43 ff. (S. 51) – [Verkaufsbude], wonach sich die gefahrenabwehrrechtliche Prüfung auf die Frage beschränkt, „ob ein Einschreiten nach Lage aller in Betracht kommenden Umstände vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus zweckmäßig und geboten ist“. Beispielhaft für die Literatur ist die Aussage von Wolff, Verwaltungsrecht III, 1973, S. 56. Er sieht die Aufgabe der Generalklauseln in „der Bewahrung eines objektiven Rechtszustandes, auch wenn einzelne Zivilpersonen dadurch – reflektorisch – begünstigt werden“. 425 BVerwG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge] betont die Notwendigkeit, die nachbarlichen Interessen zu berücksichtigen, denen die baupolizeilichen Normen in diesem Fall zu dienen bestimmt waren. 426 Nach Rüfner, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 909 ff. (S. 913). Eine Darstellung der vereinzelt vorgenommenen Ersetzung behördlicher Entscheidungen durch die Verwaltungsgerichte bietet Jellinek, Verwaltung, 1928, S. 292 f.

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tungsklage eingeführt. Zugleich bewirkte die Errichtung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel, dass auch Ermessensakte einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr grundsätzlich entzogen waren. Aufgrund dieser Neuerungen war nun ein prozessualer Rahmen vorhanden, innerhalb dessen die materiellrechtliche Frage nach einer behördlichen Verpflichtung zu einer bestimmten Ermessensentscheidung in der Entscheidungspraxis erstmals diskutiert werden konnte427. Solange die Verpflichtungsklage als Rechtsschutzmöglichkeit noch nicht bestand, wurde die Thematik des materiellen Ermessensanspruchs lediglich in der zivilrechtlichen Amtshaftungsrechtsprechung behandelt428. Da im Rahmen der Amtshaftungsprüfung nur die Feststellung einer bestehenden Amtspflicht und deren Verletzung notwendig war, verengte sich die Fragestellung auf den Aspekt der objektiven Verpflichtung der Behörde. Die Frage nach einer subjektiven Berechtigung gelangte hingegen erst im Rahmen der verwaltungsprozessualen Verpflichtungsklage vor die Verwaltungsgerichte. Weil die Verpflichtungsklage über § 42 Abs. 2 VwGO eine Verletzung subjektiver Rechte voraussetzte, musste neben einer behördlichen Handlungspflicht auch die Verletzung einer damit korrelierenden subjektiven Berechtigung des Einzelnen bestimmt werden429. Die Aufnahme der Verpflichtungsklage in die Reihe der verwaltungsprozessualen Rechtsbehelfe schuf damit bisher nicht bestehende Möglichkeiten, sich mit der Existenz eines materiellen subjektiven Rechts auseinander zu setzen. IV. Zusammenfassung Erst nach Ende des zweiten Weltkriegs errichtete die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage den prozessualen Rahmen für den materiellen Ermessensanspruch. Weitere wichtige materiell-rechtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung schufen auch die Fortentwicklung der Ermessensfehlerlehre sowie die individualrechtsfreundliche Wertung des Grundgesetzes. In der Summe veränderten diese drei Faktoren das Verwaltungsrecht so, dass die Bedingungen für die Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts nach 1945 so günstig wie nie zuvor waren.

427 So Götz, Polizeirecht, 1970, S. 62; ausführlich hierzu Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 650 f.). 428 Hier merkt Vogel, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 398 an, dass auch heute noch die meisten Streitfälle eine Einschreitenspflicht der Behörden auf der Sekundärebene der Entschädigung thematisieren, da zumindest im Sicherheitsrecht in der Regel mehr abgeschlossene als noch andauernde Gefahrsituationen existierten. 429 So auch Schneeberger, Rechtsanspruch, 1962, S. 77 ff. (S. 89).

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§ 20 Das materielle subjektiv öffentliche Recht nach 1945 Wie schon im Fall des formellen subjektiv öffentlichen Rechts beschäftigt sich Otto Bachof als erster systematisch mit der Entwicklung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts. Obwohl sich seine Erkenntnisse später als grundlegend erweisen, rezipiert die Verwaltungsrechtsprechung die von Bachof geprägte Dogmatik wiederum nur zaghaft und ungleichmäßig. Erst gegen Ende der fünfziger Jahre beginnt sie auf breiter Ebene den Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Verhalten zu akzeptieren. Diesen Entwicklungsprozess zeichnet folgender Abschnitt nach. I. Theoretische Grundlegung durch Otto Bachof Zum einen bilden die Inhalte der Amtshaftungsrechtsprechung den Ausgangspunkt für die Entstehung des materiellen subjektiven Rechts. Die dort gezogene Grenzlinie zwischen einem Handeln nach dem Opportunitätsprinzip und einer behördlichen Handlungspflicht bestimmt sich nach der Schädlichkeitsgrenze von Jellinek430. Allerdings ist der Rückbezug auf die Zivilrechtsprechung für die Entwicklung des materiellen Ermessensanspruchs wenig hilfreich, da es ihr nicht gelang, die gedachte Gegensätzlichkeit von Ermessen und Anspruch zu überwinden. Auf dem Weg zu einer dogmatischen Konstruktion des materiellen Rechts ist die Begründung des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung durch Bachof im Jahr 1948431 ein wichtiger Zwischenschritt. Sie erlaubt die logische Konsequenz, für den Sonderfall einer besonders intensiven Einwirkung ermessensreduzierender Faktoren einen Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung anzunehmen. Angesichts der später bestehenden Unsicherheiten um die Konstruktion eines solchen Anspruchs zeichnet Bachof schon im Jahr 1948 ein außergewöhnlich klares Bild von den Voraussetzungen dieses materiellen subjektiv öffentlichen Rechts: „Jedoch kann ausnahmsweise der Fall eintreten, daß auch eine reine Ermessensentscheidung nach den besonderen Umständen gerade dieses Falles bei Anstellung sachgemäßer Erwägungen nur in einem einzigen Sinne ausfallen kann, wo also die abstrakt weiteren Grenzen des Ermessens durch die Sachlage konkret so eingeengt werden, daß nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist, jede andere Entscheidung also begriffsnotwendig auf einem Ermessensfehler beruhen müßte. In diesem Fall wird man einen positiven Anspruch des Gerichts für zulässig halten dürfen.“ 432

430 431 432

Bei Jellinek, Verwaltungsrecht, 1928, S. 416 f. So Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748 f.), schon unter § 15 I 2. Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 750).

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Noch transparenter wird die Anspruchskonstruktion in Bachofs Ausführungen von 1951. Indem er das subjektive Recht hier in Verbindung mit dem Grad der rechtlichen Gebundenheit der Ermessensausübung setzt, leitet er für den konkreten Fall einer vollständigen rechtlichen Bindung des Ermessens die Möglichkeit eines materiellen Rechts ab433. Bachof untermauert seine Argumentation anhand von zwei frühen Entscheidungen434, die eine Verpflichtung der Verwaltung auch im Bereich der Ermessensausübung zumindest theoretisch für zulässig erachteten. Sein innovativer Ansatz wird jedoch zunächst weder in der Literatur435 noch in der Rechtsprechung436 als dogmatisches Fundament des materiellen subjektiven Rechts rezipiert. II. Aufgreifen der Thematik in der Verwaltungsrechtsprechung der Länder Obwohl Bachofs Arbeit zunächst singulär bleibt, taucht der Gedanke einer Verpflichtung der Verwaltung im Ermessensbereich schon in frühen Entscheidungen der Rechtsprechung auf. Allerdings ist insofern nicht von einer gegenseitigen Beeinflussung, sondern von einer parallelen Entwicklung auszugehen. Schließlich befasst sich der erste Fall schon so früh mit der Problematik des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung, dass Bachofs Aufsatz hierfür nicht ideengebend gewesen sein kann437.

433 Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 93 zählt verschiedene mögliche ermessensreduzierende Faktoren wie „zahlreiche andere Normen“, die „Kombination mehrerer formeller subjektiver Rechte“ oder „die konkreten Umstände des Einzelfalls“ auf. 434 OVG Hamburg (26.07.1948), DV 1949, S. 23 f. – [Autorückverschaffung] und VG Stuttgart (15.06.1949) – [Kriegsverletzung], zit. aus: Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 94 f. 435 Davon zeugt z. B. Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 87), der einerseits ein Recht auf ein bestimmtes Ergebnis der Ermessenstätigkeit im Falle willkürlichen Handelns bejaht, anderseits aber behauptet: „Die theoretische Rechtfertigung dieses sicherlich richtigen Ergebnisses steht noch aus“. 436 Die Idee einer möglichen Verpflichtungsklage ziehen nicht in Betracht: OVG Münster (08.08.1951), MDR 1953, S. 124 f. (S. 124) – [Damenschneiderin]; OVG Hamburg (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter]; OVG Hamburg (07.04.1952), DVBl 1953, S. 334 f. (S. 334) – [Sonntagshandelserlaubnis]; OVG Münster (28.07.1952), OVGE 6, S. 43 ff. (S. 51) – [Verkaufsbude]. Eine Ausnahme stellt das Urteil des OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. (S. 392) – [Chirurg] dar. 437 So sind nach Bachof, Verfassungsrecht, Bd. 2, 1967, S. 245 (Fn. 90) Aufsatz und Urteil in etwa zeitgleich erschienen. Insofern vermutet er, dass „in einer bestimmten Situation bestimmte Gedanken gewissermaßen in der Luft liegen und die Priorität ihrer Äußerung oft ein Zufall ist“.

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1. Fortschrittliche Entscheidungen auf landesverwaltungsgerichtlicher Ebene a) Erstes Aufkeimen der Idee vom Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung Im Jahr 1948 muss das Oberlandesgericht Hamburg über einen typischen Nachkriegssachverhalt urteilen. Der Eigentümer eines zu Kriegszeiten eingezogenen Fahrzeugs verklagt die zuständige Behörde auf dessen Rückverschaffung. Da die Entscheidung hierüber dem behördlichen Ermessen unterliegt, stellt das Gericht zunächst fest, dass „der Kläger allenfalls einen Rechtsanspruch auf den Bescheid schlechthin, nicht jedoch auf einen bestimmten“438 habe. Anschließend benennt das Oberlandesgericht aber auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf einen inhaltlich bestimmten Bescheid. Es erfordere eines Tatbestandes, in dem die „Sachlage eine bevorzugte Entscheidung zugunsten des Klägers verlangt und sowohl die von der Behörde tatsächlich getroffene als auch jede andere Entscheidung als Ermessensmissbrauch oder -überschreitung erscheinen lassen würde“439. Das Gericht verneint aber das Vorliegen dieser besonderen Fallgestaltung440, so dass die Verpflichtungsklage in diesem Fall erfolglos blieb. Allerdings äußert sich des Oberlandesgerichts Hamburg damit als erstes Rechtsprechungsorgan zu der Möglichkeit und den Erfordernissen eines materiellen Ermessensanspruchs. Vergleichbar mit dieser Entscheidung beurteilt ein Jahr später das Verwaltungsgericht Stuttgart die Ablehnung einer Zuzugsgenehmigung als fehlerhaft. Auch hier ergeht aufgrund des bestehenden Restermessens der Behörde hinsichtlich der Ausgestaltung der Genehmigung nur ein Bescheidungsurteil441. Als zugrundegelegte Idee wird in dieser Entscheidung aber sichtbar, dass ein Vornahmeurteil gegenüber der Ermessensverwaltung nur dann ausgesprochen werden kann, wenn eine Ermessensreduktion auf Null vom Gericht festgestellt werden kann, der Rechtsstreit also spruchreif ist.

438

OVG Hamburg (26.07.1948), DV 1949, S. 23 f. (S. 24) – [Autorückverschaf-

fung]. 439

OVG Hamburg (26.07.1948), DV 1949, S. 23 f. (S. 24) – [Autorückverschaf-

fung]. 440 Das Gericht erkennt, dass neben dem Klägerbegehren auf Rückverschaffung des Autos noch weitere rechtlich zulässige Aspekte für die Ermessensausübung der Behörde relevant sein können, und überlässt die Entscheidung daher der Behörde. 441 VG Stuttgart (15.06.1949) – [Kriegsverletzung], zit. aus: Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 94 f. (S. 95).

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b) Inhaltliche Aussagen der Landesverwaltungsrechtsprechung nach 1949 In allen folgenden landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen442, die einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes behördliches Handeln als möglich erachten, begegnen durchgehend die Voraussetzungen der Ermessensreduktion auf Null und der Spruchreife443. Begehrt der Kläger eine bestimmte Ermessensentscheidung, so besteht vor den Verwaltungsgerichten Einigkeit darüber, dass nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zudem eine Rechtsverletzung notwendig ist444. Meist begründen die Entscheidungen die Rechtsverletzung nur indirekt, indem sie auf die Ermessensfehlerhaftigkeit aller alternativen Ermessensentscheidungen abstellen445. Die einzige rechtmäßige und damit nicht rechtsverletzende Ermessensentscheidung muss nach Auffassung der Gerichte dem Vornahmeantrag des Klägers entsprechen446. 442 Diese Fälle existieren zwar nur vereinzelt, doch ist ihre Anzahl immer noch zu groß, als dass eine Darstellung aller einzelnen Entscheidungen hier möglich wäre, die sich mit dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht befassen. Im Folgenden kann daher nur auf die Grundaussagen dieser Rechtsprechung und einige auffällige Übereinstimmungen eingegangen werden. 443 Insbesondere das prozessuale Erfordernis der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO erweist sich auch in der späteren Rechtsprechung als unumstritten. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Entscheidung dann spruchreif, wenn das Gericht aufgrund der Kenntnis „alle[r] für die Entscheidung über das Klagbegehren maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erlaß des Verwaltungsakts“ (Kopp/Schenke, VwGO, 2003, § 113, Rn. 193 mwN in Fn. 269) in der Lage ist, über das Klagbegehren zu entscheiden. 444 So ist in OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 109) – [Schotterweg] ein Rechtsanspruch nur dann denkbar, wenn der „beantragte Verwaltungsakt das einzige Mittel zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Ordnung gewesen wäre“. Drei Jahre später nennt OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 28) – [Kottens] als Voraussetzung eines materiellen subjektiven Rechts wiederum die Spruchreife. Auch BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 245) – [Facharzt] und BSG (20.03.1959, BSGE 9, S. 232 ff. (S. 239) – [Schienbeinbruch] fordern, dass die Sache „in jeder Beziehung spruchreif war“. 445 OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 114) – [Heilpraktikergesetz] verlangt etwa, dass „jede andere Ermessensentscheidung notwendig auf einem Ermessensfehler beruhen müßte“. Ähnlich setzt OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 109) – [Schotterweg] voraus, dass „die Verweigerung der beantragten Maßnahme als behördlicher Ermessensfehler zu betrachten wäre“. OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, S. 218 ff. (S. 222) – [Unterbringung] erachtet einen Anspruch nur dann als möglich, „wenn jede andere Entscheidung auf einem Ermessensfehler beruhen würde“. Auch BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 245) – [Facharzt] und BSG (20.03.1959), BSGE 9, S. 232 ff. (S. 239) – [Schienbeinbruch] äußern sich ähnlich. 446 Nach OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 28) – [Kottens] muss die „neue fehlerfreie Ermessensentscheidung allein im Sinne des Antrags ergehen“ können. Deutlich spricht OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. (S. 389 f.) – [Chirurg] davon, dass die Ermessensfreiheit der Behörde im konkreten Fall „auf nur eine inhaltlich bestimmte Entscheidung beschränkt ist“. BayVGH (28.10.1957),

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Unter welchen Umständen eine ermessensfehlerhafte Ermessensentscheidung auch eine Rechtsverletzung verursacht, wird in den Entscheidungsgründen kaum erwähnt447. Breiten Konsens findet hierbei die Schutznormtheorie, die selbstverständlich und unausgesprochen auf das materielle subjektiv öffentliche Recht übertragen und angewendet wird. Als Voraussetzung eines materiellen Ermessensanspruchs erachten die landesgerichtlichen Entscheidungen somit zweierlei. Zunächst muss die Ermessensermächtigung zumindest auch dem Recht des betroffenen Einzelnen zu dienen bestimmt sein. Zugleich darf aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nur eine rechtlich zulässige Ermessensentscheidung verbleiben, da alle anderen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sind. c) Geringe Erfolgsquote der Vornahmeklagen Die gerichtlichen Entscheidungen bestimmen zwar die Voraussetzungen eines subjektiv öffentlichen Rechts recht genau. Dem Klagebegehren in Form einer behördlichen Verpflichtung geben sie in der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht statt448. Regelmäßig scheitern die Verpflichtungsklagen an mangelnder Spruchreife, da sich die Gerichte auch nach sorgfältiger Prüfung nicht imstande sehen, alle für die Ermessensentscheidung relevanten Aspekte erkennen und in eine Wertung stellen zu können. Anderen Urteilen gegenüber kann wiederum der Vorwurf einer vorschnellen Entscheidung erhoben werden, da sie eine Spruchreife und damit das Vornahmebegehren übereilt bejahen449. BayVGHE 11, S. 110 ff. (S. 117) – [Standesbeamtin] erachtet den Erlass eines Verpflichtungsurteils als zulässig, da „nach der gegebenen Sach- und Rechtslage nur eine Entscheidung rechtmäßig sein kann und jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft und rechtswidrig wäre“. Zusammenfassend äußert sich OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 11, S. 113 ff. (S. 115) – [Fleischbeschau] zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung, wenn diese „nur in dem einen Sinne des Vornahmeantrags denkbar ist, demnach nur so erfolgen kann und infolgedessen jede andere Ermessensentscheidung ermessensfehlerhaft sein würde.“ 447 Für die polizeirechtliche Generalklausel stellt dies schon Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 182 fest. Ursächlich für dieses Argumentationsdefizit ist die vorangegangene Erarbeitung dieser Thematik im Rahmen des formellen subjektiv öffentlichen Rechts, mehr unter § 24 II 4. 448 Den vier Urteilen, in denen ein Vornahmeanspruch gegenüber der Verwaltung bejaht wurde, so OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, S. 218 ff. (S. 222 f.) – [Unterbringung]; BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 245 f.) – [Facharzt]; BayVGH (28.10.1957), BayVGHE 11, S. 110 ff. (S. 118) – [Standesbeamtin]; BSG (20.03.1959), BSGE 9, S. 232 ff. (S. 239 f.) – [Schienbeinbruch], steht eine Mehrzahl von sechs der zehn untersuchten Entscheidungen gegenüber, die ein Vornahmeurteil ablehnen. 449 Die Kritik von Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 196 scheint etwa im Hinblick auf BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 245 f.) – [Facharzt] nicht unangebracht, wenn das BSG lediglich auf die Ausführungen der Vorinstanz verweist, um festzustellen, dass die Sache „in jeder Beziehung spruchreif war“. Ein solches

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

d) Auffällige Bedeutungslosigkeit des prozessualen Aspekts Anders als beim formellen Ermessensanspruch ist die prozessuale Dimension für den Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung kein vergleichbar wichtiger Entwicklungsmotor. Nur in wenigen Fällen dient die Frage, ob die Vornahmeklage im Bereich der Ermessensentscheidungen überhaupt eine statthafte Klageart darstellen kann, vor Gericht als Einstieg in die Thematisierung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts450. Der prozessuale Aspekt des materiellen Ermessensanspruchs wird hingegen öfter als weiterführende Anmerkung zum Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung erörtert. Hieran erarbeiten die Urteile Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen formellem und materiellem Recht451. e) Spezielle Anwendungsgebiete im Verwaltungsrecht Letztlich lässt sich auch eine Aussage über diejenigen Gebiete des Verwaltungsrechts gewinnen, auf welchen die Entscheidungen einen Vornahmeanspruch gegen die Behörde thematisieren oder sogar bestätigen. Der Schwerpunkt der Fälle liegt im Bereich des Beamtenrechts452, sowie der Berufszulassungsregelungen453. Daneben spielen auch gefahrenabwehrrechtliche Sachverhalte454 eine wichtige Rolle. Auf diesen Gebieten häufen sich die Vornahmeurteile auf eine bestimmte Ermessensentscheidung, in anderen sind sie hingegen nur vereinzelt anzutreffen455.

Vorgehen birgt die Gefahr eines unkontrollierbaren Übergreifens judikativer Tätigkeit in originär exekutive Kompetenzen. 450 Dies ist nur in drei von zehn untersuchten Entscheidungen festzustellen, so in: OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 108 f.) – [Schotterweg]; OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 28) – [Kottens]; BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 242) – [Facharzt]. 451 Ansatzweise schon in OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 114) – [Heilpraktikergesetz], später umschreibt OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 27) – [Kottens] ein vom „materiellen Anspruch zu unterscheidendes formelles Recht . . . auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens“. Den materiellen Anspruch begründet klar OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. (S. 389 f.) – [Chirurg]: Hiernach steht in besonderen Fällen das formelle Recht „einem materiellsubjektiven Recht in der Wirkung gleich und kann mit der Klage auf Vornahme einer Amtshandlung . . . geltend gemacht werden“. 452 OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. – [Chirurg]; BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. – [Facharzt]; BayVGH (28.10.1957), BayVGHE 11, S. 110 ff. – [Standesbeamtin]. 453 OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. – [Heilpraktikergesetz]; BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. – [Facharzt]; OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 11, S. 113 ff. – [Fleischbeschau]. 454 OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. – [Schotterweg]; OVG Lüneburg (30.06.1960), DVBl 1960, S. 648 f. – [Entlüfter].

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f) Bewertung der positiven landesgerichtlichen Entscheidungen Behauptet Wolff nun im Jahr 1959, dass die Verwaltungsgerichte für den Fall der Ermessensreduktion auf Null „in zunehmendem Maße“456 materielle Ansprüche im Bereich des Ermessens annehmen würden, so kann dieser Aussage nicht direkt widersprochen werden. Allerdings vermittelt diese Behauptung den Eindruck, als sei eine positive Entscheidungspraxis schon zur Normalität geworden. Die Rechtsprechungswirklichkeit besagt jedoch ganz das Gegenteil. Die Ablehnung eines Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung stellt immer noch den Regelfall dar. Es finden sich in den fünfziger Jahren nur wenige landesgerichtliche Entscheidungen, die einen materiellen Ermessensanspruch bejahen. Anfangs prägen diese nur eine schwache Tendenz. Indem sie sich aber gegen die herrschende Rechtsprechungsansicht stellen, behaupten sie sich später als richtungsweisend. 2. Normalfall einer Ablehnung des Verpflichtungsanspruchs Die landesverwaltungsgerichtlichen Urteile zeigen sich überwiegend ablehnend gegenüber der Anerkennung eines subjektiven Rechts auf eine bestimmte Ermessensentscheidung457. Dennoch ist ihre Auffassung ambivalent. So gewährt sie den Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung als Minus des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung. Allerdings wird der logisch nächste Schritt zur Bejahung des materiellen Rechts im Fall einer Ermessensreduktion auf Null noch nicht weitergedacht458. Einen anderen Ansatz vertritt demgegenüber das Bundesverwaltungsgericht. Es verneint damals die Existenz eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts 455 OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. – [Kottens] liegt ein bauplanungsrechtlicher Sachverhalt zugrunde, BSG (20.03.1959), BSGE 9, S. 232 ff. – [Schienbeinbruch] ist hingegen mit einer krankenversicherungsrechtlichen Fragestellung befasst. 456 Wolff, Verwaltungsrecht I, 1959, S. 141. 457 Siehe OVG Münster (08.08.1951), MDR 1953, S. 124 f. (S. 124) – [Damenschneiderin]; OVG Hamburg (20.09.1951), DVBl 1952, S. 246 f. (S. 247) – [Schlitzbauteile]; OVG Hamburg (07.04.1952), DVBl 1953, S. 334 f. (S. 335) – [Sonntagshandelserlaubnis]; OVG Münster (28.07.1952), OVGE 6, S. 43 ff. (S. 51) – [Verkaufsbude]; VGH Hessen (09.10.1953), ESVGHE 2, S. 215 ff. (S. 216) – [Verlöbnis]; LSG Berlin (17.02.1956), DOK 1956, S. 330 f. (S. 330) – [Versicherungsbeitritt]. 458 So OVG Hamburg (21.09.1951), VerwRspr 4, S. 524 ff. (S. 528) – [Schwerbeschädigter], typisch auch OVG Lüneburg (23.02.1951), OVGE 4, S. 203 ff. (S. 204) – [Mädchenkammer]: „Wenn nun auch dem Staatsbürger kein Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung zusteht, so hat er dennoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde.“

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schon deswegen, weil im Fall eines gerichtlichen Urteils über eine Ermessensentscheidung niemals die erforderliche Spruchreife eintreten könne459. Diese Auffassung erscheint zunächst folgerichtig und daher auch systematisch stringenter. Allerdings übersieht sie den möglichen Fall einer Ermessensreduktion auf Null. Anerkennenswert ist jedoch die Grundidee, dass im Bereich des Verwaltungsermessens hohe Maßstäbe an die Spruchreife einer Sache zu stellen sind. Nach herrschender landes- und bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung besitzt der Kläger letztendlich damit nur die Möglichkeit, die Kassation eines vorangegangenen Ermessensakts im Wege der Anfechtungsklage anzustreben. Weil ihm das subjektive Recht auf eine bestimmte Entscheidung noch nicht zugesprochen wird, bleibt ihm auch das Rechtsmittel der Verpflichtungsklage auf eine Ermessensentscheidung versagt. 3. Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts In den fünfziger Jahren teilen die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts mit der allgemein herrschenden Auffassung noch die Ansicht, dass im Bereich der Ermessensverwaltung eine Verpflichtungsklage aufgrund des fehlenden Anspruchs nicht konstruierbar sei460. Allerdings erscheinen im Jahr 1957 zwei Entscheidungen, die auf bundesgerichtlicher Ebene ein Umdenken durchscheinen lassen461. In einer ersten Entscheidung erkennt das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit einer gerichtlichen Verpflichtung der Behörde prinzipiell an, beschränkte sie jedoch auf den Ausnahmefall, dass „nach Feststellung der Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnungsgründe kein sonstiger ermessensfehlerfreier Ablehnungsgrund denkbar bleibt“462. Nach Ansicht des Gerichts liegt dieser 459 Siehe dazu beispielhaft: BVerwG (13.06.1958), BVerwGE 7, S. 110 f. (S. 111) – [Wohnungsbaudarlehen]. 460 Nachweisbar ist die Ablehnung der Konstruktion eines materiellen Ermessensanspruchs allerdings nur indirekt über die Beobachtung, dass sie in der damaligen Verwaltungsrechtsliteratur keine Erwähnung findet, so etwa in: Forsthoff, Lehrbuch, Bd. 1, 1950, S. 167 f.; Bender, Verwaltungsrecht, 1965, S. 75 f.; Wolff, Verwaltungsrecht I, 1956, S. 173 ff.; Turegg/Kraus, Lehrbuch, 1962, S. 149. 461 Die von Wolff, Verwaltungsrecht I, 1958, S. 134 genannten früheren Urteile des BVerwG (18.02.1955), BVerwGE 1, S. 321 ff. (S. 326 f.) – [Kleingartenverein] und BVerwG (29.11.1955), BVerwGE 2, S. 349 ff. (S. 351) – [Vermessungsingenieur] behandeln zwar auch die Thematik subjektiver Rechte in Bereichen, in denen Ansprüche vor 1945 noch zugunsten eines Handlungsspielraums der Verwaltung verneint wurden. Sie können jedoch im Zusammenhang mit dem hier untersuchten materiellen Ermessensanspruch aufgrund einer Reduktion auf Null nicht verwertet werden, da es sich dort um verfassungsrechtlich intendierte und damit abstrakte Ermessensreduktionen handelt. 462 BVerwG (11.02.1957), BVerwGE 4, S. 283 ff. (S. 285) – [Beschwer].

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Tatbestand im behandelten Fall jedoch nicht vor, so dass es eine Verpflichtung der Verwaltung schon aus Gründen der Gewaltenteilung verweigert. Allerdings billigt das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Beschluss in abstracto schon die Möglichkeit eines inhaltlich bestimmten Ermessensanspruchs für den Fall einer Ermessensreduktion auf Null. Ähnlich urteilt das Bundesverwaltungsgericht nur wenige Monate später. Im Mai 1957 hebt es ein erstinstanzliches Verpflichtungsurteil auf und erlässt statt dessen ein Bescheidungsurteil463. Der Vorinstanz gesteht es jedoch zu, dass ihre Entscheidung richtig gewesen wäre, „wenn die Behörde nur eine einzige Maßnahme hätte ergreifen, nur auf einem einzigen Weg hätte vorgehen können“464. Beiden Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich damit entnehmen, dass der Erlass eines Verpflichtungsurteils auch für den Bereich des Verwaltungsermessens unter den obig genannten besonderen Umständen für möglich gehalten wird. Auch wenn das Gericht über das Begehren einer Verpflichtungsklage noch in keinem Fall positiv entschieden hat, so bekunden seine Entscheidungen, dass es die Idee eines subjektiven Rechts auf bestimmte Ermessensentscheidung schon aufgegriffen und indirekt anerkannt hat. III. Billigung in der verwaltungsrechtlichen Literatur Abgesehen von der Grundlagenarbeit Bachofs465 behandelt die rechtswissenschaftliche Literatur nach 1949 die Frage nach der Existenz eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts nicht als eigenständiges Thema466. Einige wenige Beiträge sind in der Kommentierung einschlägiger gerichtlicher Entscheidungen aufzuspüren467.

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BVerwG (07.05.1957), BVerwGE 5, S. 50 ff. – [Landesausgleichsamt]. BVerwG (07.05.1957), BVerwGE 5, S. 50 ff. (S. 53) – [Landesausgleichsamt]. 465 In Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. und Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 93 ff., auch schon unter § 20 I. 466 Als Ausnahme erweist sich der als fortschrittlich zu wertende Gedanke eines materiellen Rechts des Einzelnen durch Stern, BayVBl 1959, S. 147 f. (S. 148). Er fordert ein solches subjektives Recht in Form eines Beseitigungsanspruchs gegen denjenigen Nachbarn, der gegen Bauordnungsrecht verstößt. 467 Im Jahr 1951 stellt sich Krüger, DVBl 1951, S. 85 ff. (S. 86 f.) in seiner Anmerkung zu OVG Münster (13.04.1950), DVBl 1951, S. 84 f. – [Hilfsbedürftiger] die Frage nach einem „Recht auf die Vornahme einer in das Ermessen der Behörde gestellten Amtshandlung“. Zwar verneint er sie nicht, jedoch beantwortet oder begründet er sie auch nicht positiv. Anders rollt Pfeiffer, DÖV 1962, S. 776 ff. (S. 779) die Problematik des subjektiven Rechts über den prozessualen Aspekt der statthaften Klageart auf. Er erachtet die Verpflichtungsklage (und damit inzident ein materielles subjektives Recht) für zulässig, sofern der Kläger neben der Verletzung seines formellen subjektiven Rechts auch die besondere Lage des Falles geltend machen kann. 464

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Die dogmatische Annäherung an das materielle subjektiv öffentliche Recht gelingt, indem es zum formellen Recht abgegrenzt wird. Der Inhalt des Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung wird dabei als Minus zum Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung begriffen468. IV. Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Bandsäge-Fall Der Problematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts wird bis zu Beginn der sechziger Jahre im Grunde tendenziell zustimmend, wenn auch stets vorsichtig zurückhaltend begegnet. Diese bis dato recht indifferente Haltung in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft verändert die Bandsäge-Entscheidung noch im August des Jahres 1960. Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht über einen gefahrenabwehrrechtlichen Sachverhalt zu entscheiden. Aufgrund von Staub- und Geräuschbelastungen begehrten die Kläger von der baupolizeilichen Behörde ein Verbot des Kohlen- und Fuhrgeschäfts, das von den beigeladenen Nachbarn betrieben wurde. Als Revisionsinstanz gab das Bundesverwaltungsgericht anders als noch die Eingangs- und die Berufungsinstanz der Verpflichtungsklage statt469. In den Entscheidungsgründen wird ersichtlich, dass nach Ansicht des Gerichts die Zulässigkeit einer Ermessenseinräumung an die Notwendigkeit einer gesetzesgemäßen Ermessensausübung zu knüpfen ist. Besondere Umstände können dabei eine Verringerung des Ermessensspielraums bewirken. Im vorliegenden Sachverhalt sind nach Ansicht des Gerichts „das Ausmaß oder die Schwere der Störung oder Gefährdung“470 von Rechtsgütern maßgeblich. Von dieser Prämisse ausgehend ergibt sich als Kernaussage des Urteils: „Praktisch kann dieserhalb die rechtlich gegebene Ermessensfreiheit derart zusammenschrumpfen, daß nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist . . . Unter dieser besonderen Voraussetzung kann der an sich nur auf ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde gehende Rechtsanspruch im praktischen Ergebnis einem strikten Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln gleichkommen.“ 471 468 So etwa bei Köhler, VwGO, 1960, S. 891. Auch Naumann, DVBl 1952, S. 406 f. (S. 407) verneint in seiner Anmerkung zu VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 403 ff. – [Wohnraumzuweisung] zunächst die Möglichkeit, das materielle aus dem formellen subjektiven Recht abzuleiten, welches „nur den Anspruch darauf, daß sachgerecht geprüft und entschieden wird, aber nicht darauf, wie im Ergebnis entschieden wird“, zugesteht. Etwas anderes gelte allerdings, „wenn jede andere Entscheidung notwendig wieder auf einem Ermessensfehler beruhen müßte“. 469 BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 98) – [Bandsäge]. Zum Sachverhalt und den vorinstanzlichen Entscheidungen: DVBl 1961, S. 125 ff. (S. 125). 470 BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge]. 471 BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge].

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Das „eigentlich Neue und das Sensationelle“472 an diesem Urteil liegt darin, dass auf bundesgerichtlicher Ebene zum ersten Mal ein Einschreitensanspruch auch im Bereich des Verwaltungsermessens anerkannt wird. Zuvor war hier nur ein Abwehranspruch akzeptiert. Zugleich bricht das Bundesverwaltungsgericht mit der Bandsäge-Entscheidung für den Bereich des Sicherheitsrechts mit einer traditionellen Auffassung. Waren gefahrenabwehrrechtliche Normen zuvor fast ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt, so wird nun deren individualrechtsschützender Gehalt entdeckt473, aus welchem sich ein Anspruch auf eine Verwaltungsleistung für den Einzelnen ableiten lässt. Das Urteil selbst entbehrt einer Begründung dieser gewandelten Auffassung. Bachof wagt deswegen die Überlegung, dass ein Verbleib bei der hergebrachten Auffassung „dem Menschenbild des Grundgesetzes und damit der von diesem Bilde bestimmten heutigen Sicht des Verhältnisses von Staat und Bürger“474 widerspräche. Mit dieser Aussage eruiert Bachof die Ausstrahlungswirkung des Verfassungsrechts auf die einfachrechtliche Ebene des Verwaltungsrechts, die in der Bandsäge-Entscheidung nicht explizit thematisiert wird. In zweifacher Hinsicht wird die Relevanz der Beeinflussung des Verwaltungsrechts durch das Verfassungsrecht im Urteil konkret fassbar. So akzeptiert das Bundesverwaltungsgericht die grundrechtlich motivierte Notwendigkeit einer veränderten Wertung und Auslegung ehemals rein objektiver Normen zugunsten nun auch individualrechtlicher Interessen. Infolge der Einsicht, dass der Einzelne für die Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheit über reine Abwehrrechte auch auf einen staatlichen Schutz angewiesen ist475, schließt die Entscheidung einen staatlichen Handlungsanspruch zudem nicht mehr per se aus476. Bei einer Gesamtbetrachtung des Bandsäge-Urteils fällt negativ ins Auge, dass das Gericht weder die Rechtsgrundlage des Ermessensanspruchs ausdrücklich nennt, noch sich mit der Problematik einer drittschützenden Wirkung der einschlägigen, baurechtlichen Normen auseinandersetzt477. Ungeachtet dieser Mängel wird das Urteil jedoch im Grunde als „von einer grundsätzlichen und 472

So wertet Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 129) die Bandsäge-Entscheidung. Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 128 f.) kritisiert hier allerdings zu Recht den pauschalen Verweis des Gerichts auf „die verletzten Normen“, denn das Bundesverwaltungsgericht versäumt es, die einschlägigen, nachbarschützenden Normen genau zu benennen. Zudem setzt es sich nicht mit dem Schutzcharakter jeder einzelnen Norm auseinander. 474 Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 130) verweist zur Begründung auf die Ausführungen des Fürsorgeurteils. 475 Dieser Gedanke findet sich bei Götz, Polizeirecht, 1970, S. 22 und Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 215). 476 Insofern ist es richtig, wenn Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 35 f. unterstreicht, dass dieses Urteil nicht die rechtliche Bindung der Verwaltung verstärkt, sondern lediglich versucht, „die vorhandenen und meist schon verfassungsrechtlich vorgegebenen Bindungen der Verwaltung zu analysieren“. 473

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weitreichenden Bedeutung“478 angesehen. Gerechtfertigt ist diese Wertung, weil es dem Bundesverwaltungsgericht gelang, den Anspruch des Einzelnen in das allgemeine Polizeirecht zu übertragen479. Hierdurch verhalf die Bandsäge-Entscheidung dem subjektiven Recht auf eine bestimmte behördliche Ermessensentscheidung zu breiter Anerkennung480. V. Widerstreitende Reaktionen in Rechtsprechung und Literatur Allerdings wird die Bandsäge-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht kommentar- und kritiklos von Rechtspraxis und -theorie aufgenommen. Im Gegenteil, sie sieht sich methodischen und anscheinend auch grundsätzlichen Einwänden gegen die Begründung eines materiellen subjektiven Rechts ausgesetzt. 1. Das restriktive Privatweg-Urteil des Verwaltungsgerichts Minden Auf bundes- oder landesgerichtlicher Ebene widersetzt sich der BandsägeEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kein Urteil. Nur die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden481 weicht hiervon ab. Das erstinstanzliche Urteil hinterlässt insbesondere auch deswegen Spuren in der rechtswissenschaftlichen Diskussion um das Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung482, weil es die dogmatische Problematik eines materiellen Ermessensanspruchs detailliert prüft. Das Verwaltungsgericht Minden hatte über das Begehren eines Anliegers eines Privatweges zu urteilen. Jener klagte gegen die zuständige Behörde auf den Erlass von Maßnahmen gegenüber den wegunterhaltungspflichtigen Eigen477 Insbesondere Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 129) kritisiert scharf, dass sich BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge] auf die kurze Aussage beschränkt: „Soweit die verletzten Vorschriften zugleich dem Nachbarschutz dienen, sind auch die Nachbarn zu berücksichtigen.“ 478 Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 128). 479 So Wilke, Anspruch, 1983, S. 831 ff. (S. 831) und Gern, DVBl 1987, S. 1194 ff. (S. 1195). Schon 1978 behauptet Franßen, Einfluß, 1978, S. 201 ff. (S. 216), dass das Schrifttum diese Transferleistung als eine „der bedeutsamsten Fortschritte des Polizeirechts in den letzten 25 Jahren“ gewürdigt hätte. 480 Auch wenn Heinrich, DÖV 1966, S. 425 ff. (S. 431 f.) dies für den Bereich des Gewerberechts noch nicht als entschieden ansieht, so überwiegen die positiven Äußerungen, z. B.: Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 247), Schröer, DÖV 1962, S. 132 ff. (S. 134) und Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 374 mwN in Fn. 1). 481 VG Minden (13.05.1964), DVBl 1965, S. 780 ff. – [Privatweg]. 482 Siehe dazu etwa die Urteilsrezensionen von Henke, DVBl 1965, S. 783 ff. und Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), S. 175 ff.

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tümern. Diesen sollte aufgegeben werden, den nach Ansicht des Klägers verkehrsgefährdenden Zustand zu beseitigen483. Als Rechtsgrundlage kam nur die polizeirechtliche Generalklausel in Betracht. Nach einer grammatischen und systematischen Prüfung der Generalklausel urteilt das Gericht, dass sie keine individuellen Interessen schütze. Infolgedessen sei es „systemfremd, wollte man Privatpersonen das Recht zubilligen, die Verwaltungsbehörden im Klagewege zu einem gar nicht beabsichtigten Einschreiten gegen Dritte“484 zu zwingen. Wenngleich sich das Urteil akribisch mit der entgegenstehenden Rechtsprechung auseinandersetzt, so wird nicht nachvollziehbar, weshalb es die Idee einer subjektiven Berechtigung auf den Anwendungsfall der polizeilichen Generalklausel für unübertragbar hält485. Dreh- und Angelpunkt dieser Entscheidung ist letztlich das Problem, der polizeilichen Generalklausel eine individualschützenden Richtung zu attestieren486. Zwar verneint das Verwaltungsgericht diese hier noch in Verkennung der grundrechtlichen Fernwirkung auf das einfache Polizeirecht487 pauschal. Dennoch akzeptiert das Urteil prinzipiell, dass der Einzelne unter besonderen Umständen existentiell auf ein Eingreifen des Staats angewiesen sein kann488. Insofern ist die Kritik dieser Entscheidung nicht so fundamental, wie sie zunächst erscheint. Die im Privatweg-Urteil geäußerte Auffassung weicht von der herrschenden Ansicht im Grunde nur in der Auslegung der polizeilichen Generalklausel ab, deren Schutzrichtung das Verwaltungsgericht Minden traditionell ausschließlich zugunsten des öffentlichen Interesses wertet.

483 Der Sachverhalt findet sich in Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), S. 175 ff. (S. 180 f.). 484 VG Minden (13.05.1964), DVBl 1965, S. 780 ff. (S. 782) – [Privatweg]. 485 Die behauptete Unübertragbarkeit der Rechtsprechung aus der Leistungsverwaltung (so BVerwG (24.06.1954), BVerwGE 1, S. 159 ff. – [Fürsorge] und BVerwG (14.07.1959), BVerwGE 9, S. 78 ff. – [Impfzwang]) auf die sicherheitsrechtliche Eingriffsverwaltung ist nur bedingt richtig. Schließlich ist auch bei der Eingriffverwaltung eine Abhängigkeit des Einzelnen von staatlichen Leistungen in hohem Grade vorstellbar, siehe dazu Henke, DVBl 1965, S. 783 ff. (S. 784). Ebenso ist der angenommene Unterschied zu den zitierten nachbarrechtlichen Fällen, BVerwG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge] und OVG Lüneburg (30.06.1960), DVBl 1960, S. 648 f. – [Entlüfter], nicht ersichtlich. Sowohl dort als auch im vorliegenden Fall dreht sich der Streit um die Feststellung einer individualschützenden Richtung der Ermessensermächtigung und die Möglichkeit eines inhaltlich bestimmten Anspruchs im Falle einer Ermessensreduktion auf Null. 486 Mit der Entscheidung über die Individualschutzrichtung beantwortet sich zugleich auch die Frage nach dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht. 487 Auch Henke, DVBl 1965, S. 783 ff. (S. 784) und Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), S. 175 ff. (S. 181 f.) beurteilen dies im Ergebnis als wiederkehrende Grundproblematik. 488 Wenngleich nach Ansicht von VG Minden (13.05.1964), DVBl 1965, S. 780 ff. (S. 782) – [Privatweg] eine solche Ausnahmesituation „nur ganz selten“ der Fall sein wird.

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Der Schutz privater Interessen wird auch noch in späteren Entscheidungen bei spezielleren sicherheitsrechtlichen Tatbeständen zum Teil abgelehnt489. Der individualschützende Gehalt der Generalklausel ist jedoch unangefochten. Selbst für den Fall, dass die Schutzrichtung als individualbezogen beurteilt wird, scheitert eine große Zahl an Entscheidungen jedoch im konkreten Fall letztlich an der weiteren Voraussetzung einer Ermessensreduktion auf Null490. 2. Streifzug durch die rechtwissenschaftliche Kritik Gemeinsam mit dem Urteil des Mindener Verwaltungsgerichts sprechen sich nur wenige Stimmen gegen die 1960 geäußerte Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts aus. Ähnlich lassen auch Bettermann491 und Menger492 die Möglichkeit eines Anspruchs auf ein bestimmtes, behördliches Handeln daran scheitern, dass sie eine individualrechtsschützende Bedeutung der polizeilichen Generalklausel ablehnen493. Ihre Behauptung, dass die Ordnungsbehörde nicht zugunsten des Einzelnen tätig wurde, entbehrt jedoch der Begründung. Ebenso verneint Samper einen Individualrechtsschutz durch die polizeiliche Generalklausel494. Er entzieht sich weiteren Überlegungen zu einer Verpflichtungsklage im Bereich des Verwaltungsermessens, indem er vorschnell auf die Möglichkeit einer Amtshaftungsklage überleitet. Warnend hebt Czermak in diesem Zusammenhang den bekannten Aspekt hervor, dass eine gerichtliche Verpflichtung zu einer inhaltlich bestimmten Ermessensentscheidung die Gefahr in sich trägt, die exekutiven Kompetenzen durch die Annahme einer Ermessensreduktion zu rasch zu ignorieren. Schließlich trägt die unüberlegte Annahme einer Ermessensreduktion ein beachtliches Missbrauchsrisiko in sich495.

489 So sieht BVerwG (21.11.1967), DVBl 1968, S. 154 f. – [Bahnhofskiosk] im Ladenschlussgesetz keine individualrechtsschützenden Inhalte. Ähnlich weist auch BVerwG (23.11.1967), DVBl 1968, S. 746 ff. (S. 748) – [Salmonellen] nur die Allgemeinheit und nicht den Einzelnen als Schutzobjekt des Bundesseuchengesetzes aus. 490 Beispielhaft ist OVG Münster (25.01.1967), OVGE 23, S. 78 ff. – [Bretterzaun]. Es folgt zwar der Linie der herrschenden Rechtsprechung insofern, als es einen Rechtsanspruch des Einzelnen im Bereich des Ordnungsrechts annimmt. Die Verpflichtungsklage weist es aber letztlich ab, da der Behörde noch rechtlich zulässige, alternative Ermessensentscheidungen offen stünden. 491 NJW 1961, S. 1097 ff. (S. 1099). 492 VerwArch 52 (1961), S. 92 ff. (S. 103 f.). 493 Dabei orientieren sich Bettermann, NJW 1961, S. 1097 ff. (S. 1099) und Menger, VerwArch 52 (1961), S. 92 ff. (S. 104) am strengen Wortlaut der jeweiligen polizeilichen Generalklausel, ohne dessen gewandelte Auslegung anzudenken. 494 So Samper, Polizeiaufgabengesetz, 1965, Art. 4, Rn. 19 f. 495 Trotz dieser kritischen Aussage lehnt Czermak, DÖV 1966, S. 750 ff. (S. 753 f.) die Möglichkeiten einer vollständigen Ermessensüberprüfung für den Fall einer Reduktion auf Null nicht ab.

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Solche Anmerkungen befinden sich aber in der Unterzahl gegenüber einer „immer breiter werdende[n] Phalanx derjenigen, die ein Recht des Einzelnen auf polizeiliches Einschreiten bejahen“496. Sowohl in der rechtswissenschaftlichen Literatur als auch in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden werden letztlich keine tiefgreifenden Einwände gegen ein Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung mehr vorgebracht. Die Konstruktion des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts an sich steht nicht zur Debatte. Die Meinungsverschiedenheiten entzünden sich an den unterschiedlichen Auffassungen über die Voraussetzungen und die Reichweite des materiellen Ermessensanspruchs im konkreten Fall. VI. Anerkennung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts als richterrechtliches Institut Eine breite Akzeptanz des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts schafft die Voraussetzungen, dass sich der Anspruch auf behördliches Einschreiten als verwaltungsrechtliche Rechtsfigur etablieren kann. Da sich der Gesetzgeber bislang nicht um seine Normierung bemüht hat, existiert der materielle Ermessensanspruch bis heute nur als richterrechtliches Institut. 1. Fortführung der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung Spätere Entscheidungen folgen in der Frage nach einem Rechtsanspruch auf polizeiliches Einschreiten ausnahmslos dem Bandsäge-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts497 und erheben es dadurch zur „bahnbrechende[n] Leitentscheidung“498. Ihm gegenüber prüfen nachfolgende Urteile die Voraussetzungen eines möglichen Verpflichtungsurteils allerdings durchgängig präziser499. In den Urteilsbegründungen wird neben dem drittschützenden Gehalt der Ermessensermächtigung als Anspruchsvoraussetzung auch der Tatbestand der Ermessensreduktion auf Null und die Spruchreife eigens untersucht500. 496

Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), S. 175 ff. (S. 180). So etwa: OVG Lüneburg (10.05.1963), DÖV 1963, S. 769 f. (S. 769) – [Kohlenhof]; BVerwG (12.07.1963), BVerwGE 16, S. 214 ff. (S. 218) – [Hauptentschädigung]; BVerwG (22.01.1971), BVerwGE 37, S. 112 ff. (S. 113) – [Garagenausfahrt]; OVG Münster (23.03.1972), DÖV 1972, S. 863 f. (S. 864) – [PKW-Garage]; auch Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 136 mwN). 498 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 210 in Fn. 236). 499 Widersprochen wird daher der Ansicht von Wilke, Anspruch, 1983, S. 831 ff. (S. 833), wonach eine wesentliche Fortentwicklung der Bundesverwaltungsrechtsprechung nicht stattfand. 500 Siehe dazu das Vorgehen in VG Schleswig (22.09.1971) GewArch 1972, S. 267 ff. – [Kieswerk] oder in BayVGH (18.03.1964), BayVBl 1964, S. 228 ff. – [Steilwand]. 497

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Trotzdem bestehen über die Voraussetzungen des Verpflichtungsanspruchs bis heute Unsicherheiten. Nicht einheitlich geklärt ist insbesondere, welche Rechtsgutgefährdung eine Ermessensreduktion auf Null eintreten lässt501. Die hohen Anforderungen der Spruchreife sind ein zusätzlicher Grund, weshalb die Erfolgsquote der angestrengten Verpflichtungsklagen so niedrig ist502. Als wichtige, indirekte Auswirkung der Bundesverwaltungsrechtsprechung erweist sich rückblickend, dass auch private Interessen, die bis dato nur indirekt über öffentliche und objektiv-rechtlich begriffene Normen geschützt werden konnten, nun verstärkt erkannt und verfolgt werden503. 2. Bestätigung durch die Literatur Außer einer kleinen Anzahl kritischer Ansätze504 stoßen die Grundsätze der Bandsäge-Entscheidung auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur auf eine durchgehend positive Resonanz505. Schon ab Mitte der sechziger Jahre wird der Anspruch auf polizeiliches Einschreiten zum feststehenden Begriff in der Verwaltungsrechtswissenschaft506. Erichsen behauptet im Jahr 1977, er sei „kaum noch geeignet, Aufmerksamkeit zu erwecken“507. Allerdings beschränkt sich die Behandlung des materiellen Ermessensanspruchs oftmals auf eine Darstellung der Inhalte der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung, ohne die Anspruchskonstruktion dogmatisch nachzuvollziehen 501 BVerwG (25.02.1969), VerwRspr 20, S. 588 ff. (S. 589) – [Wurstkochen] erachtet den Sachverhalt des Zuführens von Gerüchen und Rauch nur als eine Belästigung, die nicht zum Einschreiten berechtige, wohingegen BVerwG (22.01.1971), BVerwGE 37, S. 112 ff. (S. 114) – [Garagenausfahrt] schon eine Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs ausreichen ließ, auch unter § 11 II 2 b (Fn. 466). 502 So auch Wilke, Anspruch, 1983, S. 831 ff. (S. 831). 503 Zwar urteilen folgende Entscheidungen über Anfechtungsbegehren, doch wird auch hier eine Ausweitung der Anerkennung individueller Berechtigung über die Klagebefugnis sichtbar: BVerwG (13.01.1961), BVerwGE 11, S. 331 ff. (S. 332) – [Nachtruhe] oder auch OVG Lüneburg (05.12.1961), VerwRspr 14, S. 572 f. (S. 573) – [Hundegebell]. 504 Etwa Bettermann, NJW 1961, S. 1097 ff. (S. 1099); Menger, VerwArch 52 (1961), S. 92 ff. (S. 103 f.); Samper, Polizeiaufgabengesetz, 1965, Art. 4, Rn. 19 f.; auch schon unter § 20 V 2. 505 Zahlreiche Nachweise über das umfangreiche Schrifttum bei: Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 375 in Fn. 1); Vogel, in: Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 399 (in Fn. 178). 506 So etwa: Henke, DVBl 1964, S. 649 ff., Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff.; König, BayVBl 1969, S. 45 ff. Auffällig ist hingegen, dass das materielle subjektiv öffentliche Recht in allen Auflagen des Verwaltungsrechtslehrbuchs von Forsthoff von 1950 bis 1973 unerwähnt bleibt und auch bei Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, 1988, S. 1359 nur in einer kurzen Bemerkung mit weiteren Verweisen in den Fußnoten abgehandelt wird. 507 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 210).

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oder zu hinterfragen508. Auffallend sind aus diesem Grund folgende Ausnahmen. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1965 gelingt Buschlinger eine beachtenswert sorgfältige Begründung und dogmatische Aufarbeitung des subjektiven Rechts auf polizeiliches Einschreiten509. Außerdem klärt Wolff endgültig die Problematik des inhaltlich bestimmten Anspruchs im Bereich des prinzipiell rechtsbindungsfreien Ermessens, indem er nochmals darauf hinweist, dass die Frage der Gebundenheit gelöst von derjenigen nach dem Anspruch beantwortet werden muss510. Er verdeutlicht, dass eine subjektive Berechtigung des Einzelnen erst dann bejaht werden kann, wenn zuvor der rechtliche Bindungsgrad des Verwaltungsermessens geklärt wurde. Diese hohe Akzeptanz des materiellen Ermessensanspruchs beruht auf verschiedenen Tatsachen. So hat die Entwicklung der Schutznormtheorie schon wichtige dogmatische Vorarbeit für das Problem geleistet, unter welchen Voraussetzungen Normen des öffentlichen Rechts zu einer subjektiven Berechtigung führen511. Zugleich entspricht der Anspruch auf polizeiliches Einschreiten dem Charakter der Verwaltungsrechtstheorie in der Nachkriegszeit. Er entsteht unter den Bestrebungen um eine fortschreitende Verrechtlichung und damit intensivierte Kontrolle der Verwaltung. Dies sind unerlässliche Rahmenbedingungen für den Einschreitensanspruch, in die er sich nahtlos einfügt512. VII. Angezweifelte Automatismen im Entwicklungsprozess des materiellen Ermessensanspruchs Retrospektiv betrachtet scheint der Entwicklung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts eine gewisse Selbständigkeit innezuwohnen. Sein Entstehungsprozess lief von der Entdeckung rechtlicher Bindungen des Ermessens über die Annahme eines subjektiven Rechts auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung scheinbar unausweichlich auf ein subjektives Recht auf die einzige, fehlerfreie und zugleich inhaltliche bestimmte Ermessensentscheidung hinaus513.

508 So z. B. Schneeberger, Rechtsanspruch, 1962, S. 77 ff. (S. 89 ff.); Obermayer, NJW 1963, S. 1177 ff. (S. 1183); Schmatz, Opportunitätsprinzip, 1966, S. 197 ff.; König, BayVBl 1969, S. 45 ff. (S. 48); Frotscher, DVBl 1976, S. 695 ff. (S. 703). 509 So bei Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 375 ff.). 510 Nach Wolff, Verwaltungsrecht I, 1968, S. 175 ist „die Frage nach Gebundenheit oder Ermessen von Verwaltungsorganen und die nach einem Anspruch ihnen gegenüber“ zu unterscheiden. Dieselbe Aussage trifft schon Jahre zuvor Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 für das formelle Recht (siehe unter § 15 I 2). Wolff manifestiert diese Einsicht jedoch nochmals für das materielle subjektiv öffentliche Recht. 511 Siehe schon unter § 16 III. 512 Auch seitens der Rechtspraxis waren größere Widerstände unwahrscheinlich, da sich mit der Möglichkeit einer Verpflichtungsklage auf Ermessensakte schließlich die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte erweiterte.

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In Anbetracht des staatstheoretischen Hintergrundes vor 1945 mutet die Ausbildung eines rechtlichen und damit gerichtlich forcierbaren Anspruchs des Einzelnen gegen den Staat in den ersten Jahren der Bundesrepublik aber außergewöhnlich an. Schließlich hatte das nationalsozialistische Regime sämtliche Ansätze einer Individualisierung und Subjektivierung des Rechts zu unterdrücken versucht. Auch in der Weimarer Zeit haftete der Lehre von den subjektiv öffentlichen Rechten der Makel einer strengen Gesetzesabhängigkeit an. Aus der geschichtlichen Perspektive erstaunt es, dass der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung auf landesgerichtlicher Ebene schon in den fünfziger Jahren entstand. Schließlich zielte der Rechtsanspruch inhaltlich auf Akte des Verwaltungsermessens, dessen rechtliche Durchdringung zwar schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt hatte, aber erst mit der Bindung aller Staatsgewalten an die Verfassung nach 1949 Rechtswirklichkeit wurde. Zudem war das dieses subjektive Recht nicht nur negatorisch auf die Abwehr staatlicher Tätigkeit, sondern nun auch auf das Plus staatlichen Handelns gerichtet ist. Vor diesem historischen Hintergrund verwundert es, mit welcher Schnelligkeit und Leichtigkeit die Entdeckung des subjektiven Rechts auf eine bestimmte Ermessensentscheidung in der jungen Bundesrepublik vonstatten ging514. Letztendlich wird es der bemerkenswert raschen Entwicklung des materiellen Ermessensanspruchs nicht gerecht, sie nur als selbstverständlich und rechtstheoretisch konsequent zu qualifizieren.

§ 21 Anspruchskonstruktionen der Zivil- und der Verwaltungsrechtsprechung Vor Einführung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel wurde die Problematik, ob die Verwaltung zu einer bestimmten Ermessensentscheidung verpflichtet sein kann, nur von der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Zusammenhang mit Amtshaftungsfällen gestreift. Nach 1945 drang diese Thematik aber auch in die Verwaltungsrechtsprechung ein, so dass sich hier in den folgenden Jahrzehn513 Jene Beiträge, die sich mit dem historischen Aspekt des materiellen Ermessensanspruchs befassen, scheinen als zwingend logische Konsequenz zu begreifen, dass sich das formelle Recht im Falle einer Ermessensreduktion auf Null praktisch in ein materielles Recht verwandelt. So beurteilt etwa Rudolf, DÖV 1962, S. 500 ff. (S. 501) die Entwicklung des Rechts auf bestimmte Ermessensentscheidung als „kein weiter Weg“. Frotscher, DVBl 1976, S. 695 ff. (S. 703) spricht von ihr „als konsequente, von der Verfassungsordnung des GG vorgegebene Weiterführung der älteren haftungsrechtlichen Ansätze“. 514 Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 129) erfasste als erster die staatstheoretische Bedeutung der Gewährung eines inhaltlich bestimmten Ermessensanspruchs, davon zeugt auch seine Aussage: „Fast möge man den Eindruck gewinnen, als habe der Senat selbst die umstürzende Bedeutung seines Urteils nicht voll erkannt, sie mindestens nicht in den Vordergrund rücken wollen.“

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ten das Konzept eines subjektiven Rechts auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung entwickeln konnte. Die Verwaltungsgerichte veränderten jedoch die rechtliche Konstruktion einer Verpflichtung der Verwaltung im Bereich des Ermessenshandelns. Folgender Abschnitt beschreibt die Diskrepanzen in der Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit über die Vorstellung, auf welche Weise sich das Verwaltungsermessen zu einer gebundenen Entscheidung verengen kann. Im anschließenden Vergleich beider Konzeptionen wird dann ein Urteil darüber möglich sein, welche der Konzeptionen zu bevorzugen ist. I. Zivilrechtliche Konzeption eines Ermessens- und Pflichtbereichs der Verwaltung Im Bereich der Amtshaftungsrechtsprechung müssen die zivilrechtlichen Urteile die polizeiliche Einschreitenspflicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr thematisieren, weil die Feststellung einer Amtspflichtverletzung tatbestandsmäßig erforderlich ist. Aus den Entscheidungsinhalten lassen sich Aussagen über die im Folgenden dargestellte Grundidee einer rechtlichen Verpflichtung der Verwaltung zu einer bestimmten Entscheidung ableiten. 1. Konstruktion einer behördlichen Verpflichtung im Ermessensbereich Prinzipiell erkennt die Zivilrechtsprechung an, dass für den Bereich gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen das Opportunitätsprinzip einschlägig ist515. Unter besonderen Umständen kann sich ihrer Ansicht nach die Verwaltung jedoch nicht mehr auf ihr Ermessen berufen, weil sie dann zu einer bestimmten Ermessensentscheidung verpflichtet ist516. Treffend umschreibt diese Situation der Ausdruck vom „Umschlag des Opportunitätsprinzips in das Legalitätsprinzip“517: Steht der Verwaltung aufgrund des ihr eingeräumten Ermessens ein Handlungsspielraum zu, so ist ihr Verhalten im Pflichtbereich auf eine bestimmte Maßnahme beschränkt. Hier existiert weder konkret noch abstrakt ein Entscheidungsfreiraum für das Verwaltungshandeln. Die Grenze zwischen Ermessens- und Pflichtbereich518 zieht die Amtshaftungsrechtsprechung nur selten scharf. Teils wird auf die Schädlichkeitsgrenze 515 Die zivilrechtlichen Entscheidungen orientieren sich an den durchgehend polizeirechtlichen Sachverhalten und sind daher in der Regel auf den sicherheitsrechtlichen Tatbestand der Gefahrsituation für Rechtsgüter bezogen. 516 Beispielhaft ist die Aussage des RG (15.12.1939), RGZE 162, S. 273 ff. (S. 275) – [Verkehrszeichen], dass trotz grundsätzlicher Bejahung eines Ermessensspielraums der Behörde in einer verkehrsgefährdenden Situation kein Entschließungsermessen verbliebe. 517 Martens, JuS 1962, S. 245 ff. (S. 247).

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von Jellinek verwiesen519, teils umschreiben die Zivilgerichte die Grenze zum Pflichtbereich mit dem Begriff der Toleranzgrenze520. Sind wesentliche Rechtsgüter unmittelbar bedroht, so wird regelmäßig eine Handlungspflicht der Behörde angenommen521. 2. Pflicht- und Ermessensbereich in der Amtshaftungsrechtsprechung Frühe zivilrechtliche Entscheidungen konzentrieren sich ausschließlich auf die Feststellung einer behördlichen Pflicht, deren Verletzung den Tatbestand der Amtshaftung erfüllt. Vernachlässigt wird hingegen die Problematik, ob im Bereich des Ermessenshandelns eine Pflicht der Verwaltung überhaupt bestehen kann und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen522. Anlas dieser Entscheidungen ist schließlich eine privatrechtliche Entschädigungsfrage. Infolgedessen hält sich das Interesse an der Formulierung und Lösung dogmatischer Grundfragen in Grenzen. In späteren Amtshaftungsfällen dagegen nehmen die Gerichte bei der Suche nach der verletzten Amtspflicht Bezug auf die Ermessensfreiheit der Behörde. Dies ändert nichts an dem bekannten Ergebnis, dass die vormals zur Ermessensausübung ermächtigte Behörde aufgrund besonderer Umstände verpflichtet sein kann, eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Solche Situationen sind dem Pflichtbereich der Behörde zugeordnet, der strikt vom Ermessensbereich abgegrenzt wird523. Diesem kategorischen Ausschluss einer Handlungsfreiheit im Pflichtbereich scheint ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1952 zu widersprechen. Es verneint die Geltung des Legalitätsprinzips mit der Begründung, dass im Polizeirecht sowohl für die Auswahl- als auch für die Entschließungsent518 Anhand RG (15.12.1939), RGZE 162, S. 273 ff. – [Verkehrszeichen] entwickelt Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 178 das Bild eines Ermessens- und eines Pflichtbereichs und arbeitet folgend (S. 191 ff.) damit. 519 So etwa in BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung]. 520 Ohne weitere Begründung in BGH (02.04.1962), VerwRspr 14, S. 830 ff. (S. 831) – [Autorennen]. 521 So Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 190. 522 Siehe etwa in RG (15.11.1921), PrVwBl 43, S. 394 f. (S. 395) – [Rodel]. Hier wird nur von der „amtlichen Pflicht der Polizei“ zum Einschreiten gesprochen, der Ermessensbereich aber unerwähnt gelassen. Ähnlich setzt sich auch RG (26.02.1935), RGZE 147, S. 144 ff. – [Villengrundstück] nicht mit der Problematik der Verpflichtung im Bereich des Ermessens auseinander. 523 Aus der Tatsache, dass RG (15.12.1939), RGZE 162, S. 273 ff. – [Verkehrszeichen] das behördliche Unterlassen als Amtspflichtverletzung qualifiziert, lässt sich schließen, dass ein Einschreiten im Pflichtbereich der Behörde gelegen hätte. Die Auswahl und Anwendungsart der Mittel überlässt das Gericht hingegen dem Ermessensbereich.

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scheidung „grundsätzlich‘ das Opportunitätsprinzip gilt“524. Bei der Frage nach dem Anwendungsbereich des Opportunitätsprinzips schwingt in der Apostrophierung des „grundsätzlich“ jedoch schon die Auffassung mit, dass es in Ausnahmefällen auch nicht zur Anwendung kommen525 und die Verwaltung damit letztlich doch strikt verpflichtet sein kann. Diese Konzeption umschreibt der Bundesgerichtshof als beschränktes Opportunitätsprinzip526. Insbesondere nachfolgende Entscheidungen verdeutlichen die Vorstellung, dass besondere Umstände das zulässige Verwaltungshandeln auch im Ermessensbereich auf eine bestimmte Entscheidung reduzieren können. In diesen Fällen steht der Behörde kein Handlungsspielraum zu. Auch abstrakt existiert keine Ermessensfreiheit mehr527. II. Verwaltungsrechtliche Konzeption einer Ermessensreduktion auf Null Gänzlich anders geht die Verwaltungsrechtsprechung mit der Möglichkeit einer strikten Verpflichtung der Verwaltung im Bereich des Ermessens um. Über das Instrument der Verpflichtungsklage gelangte diese Frage vor die Verwaltungsgerichte. Nachdem mit der Einführung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel prinzipiell alle hoheitlichen Maßnahmen einer Gerichtskontrolle zugänglich geworden waren, waren die Urteile gezwungen, den Fall einer behördlichen Verpflichtung nun auch im Bereich des Verwaltungsermessens zu thematisieren. 1. Figur der Ermessensreduktion auf Null Unterschiedlich zur Amtshaftungsrechtsprechung vertritt die Verwaltungsrechtsprechung im Geltungsbereich des Opportunitätsprinzips nicht die Vorstellung eines Pflichtbereichs und einer abstrakten Verpflichtung der Verwaltung. Sofern der Verwaltung einmal Ermessen eingeräumt worden ist, besteht dieses nach Auffassung der Verwaltungsgerichte fort und kann nicht zugunsten einer strikten Bindung des Verwaltungshandelns verdrängt werden.

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BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 703) – [Eisenbahnunterführung]. Deutlich benennt der BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung], „daß es Gefahrenfälle gibt, in denen die Polizei einschreiten muß, ohne daß sie sich für ein Untätigbleiben auf ihr verwaltungsmäßiges Ermessen berufen könne“. 526 BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung]. 527 In BGH (22.12.1952), VerwRspr 5, S. 319 ff. – [Bombenentschärfung] versagt der BGH der zuständigen Behörde eine Berufung „auf das ihr sonst zustehende Ermessen“. Auch BGH (07.01.1960), VersR 1960, S. 237 f. – [Basaltpflaster] entzieht der Behörde eine Entscheidungsfreiheit darüber, ob sie tätig werden will, da diese Entscheidung nicht in ihrem Ermessen liege. 525

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Allerdings muss auch der verwaltungsgerichtliche Ansatz für diejenige Situation eine Erklärung finden, in welcher die Verwaltung trotz Ermessensermächtigung zu einer bestimmten Entscheidung gezwungen und damit im Ergebnis materiell verpflichtet sein kann. Die schon auf landesverwaltungsgerichtlicher Ebene präferierte Lösung über die Figur der Ermessensreduktion auf Null setzt sich 1960 über die Bandsäge-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts endgültig durch528. Eine Kernaussage dieses Urteils ist, dass sich der abstrakt bestehende Handlungsspielraum auf nur eine, im konkreten Fall rechtlich zulässige Ermessensentscheidung verringern kann, falls alle anderen Ermessensentscheidungen unzulässig, da rechtsfehlerhaft sind. Wenngleich das Verwaltungsermessen der Behörde für den Sonderfall einer Ermessensreduktion auf Null de facto versagt sein kann, so bleibt es theoretisch stets bestehen. Folglich ist das Ermessen der Verwaltung zwar beschränkbar, wird aber niemals grundsätzlich genommen. 2. Ermessensreduktion auf Null in der Verwaltungsrechtsprechung Nach der Grundauffassung aller verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen konnte die Ermessensfreiheit, sofern sie der Behörde einmal gesetzlich eingeräumt war, nicht wieder durch tatsächliche Umstände des konkreten Falls verloren gehen. Die frühen Urteile formulieren diese Konzeption jedoch noch nicht in dieser Ausdrücklichkeit. Dass die Wendung „wenn jede andere Entscheidung auf einem Ermessensfehler beruhen würde“529 als Voraussetzung eines inhaltlich bestimmten Anspruchs so häufig gebraucht wird, deutet allerdings auf die Vorstellung hin, dass sämtliche Entscheidungen stets der Ermessensfreiheit der Behörde unterliegen – auch wenn alle bis auf eine ermessensfehlerhaft und daher rechtlich unzulässig sind. Klar artikuliert wird die bedingungslose Geltung des Opportunitätsprinzips auch für den Fall einer Ermessensreduktion auf Null schließlich erst im Entlüfter-Urteil530. Hier verneint das Oberlandesgericht Lüneburg entschieden die Geltung des Legalitätsprinzips für den Fall eines Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung. Es verweist in der Urteilsbegründung darauf, dass auch das Verwaltungsermessen einer Rechtskontrolle unterliege. Nur wenige Wochen später wird diese Ansicht durch die Bandsäge-Entscheidung bestätigt531. Die 528 Zwar ist dieser Weg schon von Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 750) angedeutet worden. Da BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge] aber Bachof nicht zitiert, wird verbreitet angenommen, es hätte die Konstruktion selbst entwickelt, so etwa von Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 33. 529 Siehe in OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, S. 218 ff. (S. 222) – [Unterbringung]; OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 114) – [Heilpraktikergesetz]; OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 109) – [Schotterweg]; OVG Münster (26.03.1958), VerwRspr 11, S. 113 ff. (S. 115) – [Fleischbeschau]. 530 OVG Lüneburg (30.06.1960), DVBl 1960, S. 648 f. (S. 648) – [Entlüfter].

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rechtliche Figur der Ermessensreduktion erklärt dort das Phänomen eines inhaltlich bestimmten Anspruchs. Ein Rückgriff auf die Idee eines Pflichtbereichs und die Vorstellung eines Umschlagens in eine rechtliche Verpflichtung der Verwaltung werden dadurch überflüssig532. Auch die nachfolgenden Urteile widersetzen sich, eine Rechtspflicht der Behörde zur einer inhaltlich bestimmten Entscheidung anzunehmen, die im Grunde ihrem Ermessen obliegt533. Sie folgen damit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Wie die Amtshaftungsrechtsprechung kann auch die Verwaltungsrechtsprechung keine einheitlichen Aussagen über die Grenze zwischen Ermessens- und Pflichtbereich treffen. So variieren in der Verwaltungsrechtsprechung die Auffassungen über jene Faktoren, die eine Ermessensreduktion auf Null bewirken können. Einen Anhaltspunkt bietet lediglich die Formel von der „unmittelbaren Gefahr für wesentliche Rechtsgüter“ auf, die schon aus der Amtshaftungsrechtsprechung bekannt ist534. III. Kritischer Vergleich beider Konstruktionen einer Verpflichtung der Verwaltung Die Rechtswissenschaft schloss sich im Ergebnis mehrheitlich der verwaltungsgerichtlichen Konzeption an535. Somit entwickelte sich die aktuell vorherrschende Auffassung in Orientierung hieran536. Aus diesem Grund erscheint dem heutigen Betrachter die Erklärung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung über den Gedanken der Ermessensreduktion auf Null als 531

BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge]. So wenn BVerwG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge] stellvertretend für viele andere Entscheidungen betont, dass der Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung „im praktischen Ergebnis einem strikten Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln gleichkommen“ kann. Auch später in OVG Lüneburg (23.06.1967), DVBl 1967, S. 759 ff. (S. 760) – [Schlachterei] oder OVG Münster (23.03.1972), DÖV 1972, S. 863 f. (S. 864) – [PKW-Garage]. 533 In OVG Lüneburg (10.05.1963), DÖV 1963, S. 769 ff. (S. 769) – [Kohlenhof] wird die Geltung des Opportunitätsprinzips für die polizeiliche Generalklausel festgestellt und daher das Bestehen einer Rechtspflicht abgelehnt: Für die Aufgabenzuweisung in Art. 5 Abs. 1 S. 1 AGStPO bestätigt dies BayVGH (18.03.1964), BayVBl 1964, S. 228 ff. (S. 230) – [Steilwand]. Auch das BVerwG setzt seine eigene Rechtsprechung schließlich in BVerwG (12.07.1963), BVerwGE 16, S. 214 ff. (S. 218) – [Hauptentschädigung] sowie in BVerwG (25.02.1969), VerwRspr 20, S. 588 ff. (S. 589) – [Wurstkochen] fort. 534 So im Ergebnis auch Ossenbühl, DÖV 1976, S. 463 ff. (S. 468) und Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 179 (mwN in Fn. 4). 535 Diese Einschätzung teilt auch Martens, DÖV 1976, S. 457 ff. (S. 460). Siehe dazu auch den Bericht von Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 210 ff.), der auf der Staatsrechtslehrertagung die Konstruktion des BVerwGs verteidigt. 536 Siehe etwa bei Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 215 mwN in Fn. 3) oder in der Darstellung unter § 11 II 2. 532

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

selbstverständlich und nicht anders vorstellbar. Der vergleichende Blick auf den Begründungsansatz der Amtshaftungsfälle ist deswegen eine interessante Perspektivenerweiterung in der Diskussion um das materielle subjektiv öffentliche Recht. 1. Bewertung der zivilgerichtlichen Auffassung Zur Diskussion steht zunächst die Einteilung möglicher Verwaltungsentscheidungen in einen Ermessens- und einen Pflichtbereich, wie sie die Zivilrechtsprechung vornimmt. Für eine solche Unterscheidung spricht die Deutlichkeit ihrer Ergebnisse: Befindet sich die Behörde noch im Ermessensbereich, so besitzt sie eine Entscheidungsfreiheit. Ist hingegen schon der Pflichtbereich eröffnet, so ist die Behörde zu einer bestimmten Ermessensentscheidung verpflichtet. Eine solche behördliche Verpflichtung ist im Ergebnis mit einer Verpflichtung im Bereich des gebundenen Verwaltungshandelns gleichzusetzen, daher erscheint ihre Bezeichnung als Pflichtbereich grundsätzlich passend. Dieser ergebnisorientierte Ansatz übersieht jedoch einen wichtigen Punkt. Ist der Verwaltung Ermessen eingeräumt, so erfordert die Verengung des Verwaltungsermessens zu einer strikten Verpflichtung eine rechtliche Grundlage, um die vom Gesetzgeber gewährte Ermessensfreiheit wieder wirksam zurücknehmen zu können. Die Amtshaftungsrechtsprechung äußert sich weder über die Tauglichkeit der Ermessensermächtigung als Rechtsgrundlage, noch sucht sie nach einer anderen rechtlichen Grundlage. Die Zivilrechtsprechung kann die Rechtspflicht der Verwaltung letztlich nicht logisch begründen537. Weshalb und auf welcher rechtlichen Grundlage sich das Verwaltungsermessen in bestimmten Situationen zu einer Handlungspflicht wandelt, lässt die Konzeption der Zivilgerichtsbarkeit somit unbeantwortet. Daneben deutet die in der Zivilrechtsprechung verwendete Begrifflichkeit vom „limitierten Opportunitätsprinzip“538 auf eine missverstandene Grundauffassung von Opportunitätsgrundsatz und limitierenden, rechtlichen Vorgaben hin. Schließlich sind das Opportunitätsprinzip und seine Handlungsform des Ermessens niemals rechtlich ungebunden, sondern über die Notwendigkeit einer 537 Schließlich beschäftigt sich die Zivilrechtsprechung lediglich mit den Anspruchsvoraussetzungen, jedoch nicht mit der Anspruchsgrundlage. Auch der Verweis von BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung] auf die Schädlichkeitsgrenze von Jellinek, Verwaltungsrecht, 1948, S. 432 f. ersetzt keine Begründung, da Jellinek zwar die Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit eines Nichthandelns der Behörde aufzeigt, aber hieraus noch keine Handlungspflicht konstruiert. Siehe dazu die Kritik von Schröer, DÖV 1962, S. 132 ff. (S. 133). 538 Ähnlich etwa in BGH (11.06.1952), DVBl 1952, S. 702 ff. (S. 704) – [Eisenbahnunterführung].

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Ermächtigungsgrundlage und die Einbettung in die rechtsstaatliche Ordnung schon von Natur aus begrenzt. Aus diesem Grund ist das Opportunitätsprinzip stets limitiert539. Ganz anders geht die Amtshaftungsrechtsprechung in spätkonstitutioneller Tradition jedoch von einer Gegensätzlichkeit von Ermessen und rechtlicher Bindung aus, wie sie heute im rechtsstaatlichen Gefüge nicht mehr vertreten wird. Im Ergebnis leidet die zivilrechtliche Konstruktion eines Pflichtbereichs im wesentlichen an zwei Fehlern. Zunächst verfolgt sie ein überkommenes Verständnis von Ermessen und Recht. Es gelingt ihr zudem nicht, das Ergebnis einer strikten Bindung der Verwaltung rechtlich zu begründen, die trotz ursprünglich bestehenden Verwaltungsermessens unter besonderen Umständen entsteht. Aus diesen Gründen scheitert eine Qualifikation der Amtshaftungsrechtsprechung als rechtstheoretischer Ansatz. Es verbleibt lediglich eine praxisorientierte Beschreibung als Resultat der zivilgerichtlichen Überlegungen. Als dogmatische Grundlegung der behördlichen Verpflichtung ist diese jedoch untauglich. 2. Bewertung der verwaltungsgerichtlichen Dogmatik Ob der Ansatz der Verwaltungsgerichtsbarkeit freilich überlegen ist, steht damit noch nicht fest. In der Vorstellung der Verwaltungsrechtsprechung existiert die behördliche Ermessensfreiheit auch dann, wenn sie sich praktisch auf eine rechtlich zulässige Entscheidung verengt. Als positives Charakteristikum der verwaltungsgerichtlichen Konstruktion fällt zunächst die Flexibilität der Ermessensreduktion ins Auge540. Sie zwingt zu keiner starren Kategorisierung in Form einer Bejahung oder Verneinung der behördlichen Handlungspflicht. Vielmehr bewirkt das Zusammenspiel rechtlicher und tatsächlicher Faktoren eine zunehmende Verringerung des Ermessensspielraumes, an deren Ende ein bestimmter Anspruch entstehen kann. Um den Vorteil dieser Flexibilität zu nutzen, muss sie dem Verwaltungsgericht in Gestalt einer Einzelfallentscheidungskompetenz zustehen. Was auf den ersten Blick als Chance erscheint, birgt jedoch auch die Gefahr, in den Händen des Richters zu einem Instrument der Kompetenzüberschreitung zu werden541. Schließlich hat der Gesetzgeber die Verwaltung aufgrund ihrer Ermessenseinräumung klar zur Letztentscheidung ermächtigt. Hingegen erlaubt der Ausnahmefall einer Ermessensreduktion auf Null und der damit einhergehende An539 540 541

Siehe dazu Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 32 f., 36. Auch erwähnt von Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 179. Siehe dazu schon unter § 11 I 2.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

spruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung jedoch, dass die Entscheidungsbefugnis der Judikative zukommt. Kritik kann aber auch an der Argumentation der verwaltungsrechtlichen Ansicht geübt werden. Wenngleich ihr Gedankengang logisch stringent ist, so bleibt zu überlegen, ob sie als „konstruktives, das Exzeptionelle überbetonendes“542 Institut einer anderen, mehr generalisierenden Begründung bedarf. Die Auslegung einer Ermessensnorm dahingehend, dass sie im Ausnahmefall die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten zwingen kann, zeugt von einem „ungewöhnlichen Normverständnis“543. Wo die Extremsituation einer Verpflichtung der Verwaltung im Bereich des Ermessens rechtlich erklärt werden muss, kann aber auch ein unübliches Normverständnis notwendig sein. Außergewöhnliche Phänomene erfordern außergewöhnliche Definitionen. Für sich ist dies keine bedeutende Kritik an der im übrigen in sich schlüssigen Lösung der Verwaltungsrechtsprechung über die Rechtsfigur der Ermessensreduktion auf Null. 3. Ergebnis des Vergleichs Eine kritische Gegenüberstellung beider Argumentationen lässt ihre Ähnlichkeiten wie auch ihre Unterschiede transparent werden. Gemeinsam sind beiden Abgrenzungen die tatsächlichen Ergebnisse. In der Frage, wann konkret eine Verpflichtung der Verwaltung angenommen werden muss, unterscheiden sie sich nicht wesentlich544. Sowohl nach den Grundsätzen der Amtshaftungsrechtsprechung als auch nach Ansicht der Verwaltungsgerichte muss eine Extremsituation vorliegen, in welcher der Einzelne auf eine bestimmte Ermessensentscheidung nahezu existentiell angewiesen ist. Damit sind auch beide Auffassungen mit denselben Abgrenzungsschwierigkeiten belastet, wann der Fall einer strikten Verpflichtung eintritt545. 542 Kloepfer, Grundrechte, 1970, S. 7 hält daher einen anderen Begründungsansatz für notwendig. 543 Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 197. Seine Kritik ist jedoch insofern zu relativieren, als er den verwaltungsgerichtlichen Ansatz nicht wirklich durchdrungen hat. Auf S. 193 fragt er nach der damals schon bekannten, rechtlichen Grundlage der Verpflichtung. Später auf S. 197 missversteht er die verwaltungsgerichtliche Konzeption und moniert, dass die Ermessensgrundlage „nicht Ermessen und Pflicht“, sondern nur eines von beiden enthalten könne. 544 So Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 192. 545 Die nach zivilrechtlicher Ansicht vorgenommene Grenzziehung bezeichnet Schröer, DÖV 1962, S. 132 ff. (S. 133) „einmal verschieden, zum anderen aber auch praktisch unbrauchbar“. Ähnlich äußert sich Malluche, Opportunitätsprinzip, 1978, S. 180. Auch wenn in der verwaltungsgerichtlichen Abgrenzung aufgrund ihrer wissenschaftlichen Aufbearbeitung (z. B. durch Laub, Ermessensreduzierung, 2000) weniger Unsicherheiten bestehen, so ist auch hier die Grenze zur Ermessensreduktion auf Null nicht einheitlich und abstrakt feststellbar.

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Für das Ziel einer vergleichenden Wertung sind nicht nur diese gemeinsamen Punkte ergiebig. Weitaus mehr interessieren die Differenzen. Aufspüren lassen sich solche in Bezug auf die Qualität der rechtlichen Konstruktionen. Nimmt die Zivilrechtsprechung ergebnisorientiert und ohne weitere Begründung die Existenz eines Pflichtbereichs der Verwaltung an, so gelingt es der Verwaltungsrechtsprechung, die Verpflichtung der Verwaltung rechtssystemkonform als Folge des Spezialfalles der Ermessensreduktion auf Null zu konstruieren. Wenngleich der Ausnahmecharakter der verwaltungsgerichtlichen Anspruchskonstruktion ungewöhnlich ist, so zeigt sich diese dennoch als insgesamt systematisch konsistent und in sich logisch. Aus diesem Grund ist der verwaltungsrechtlichen Konzeption der Vorrang zu geben.

§ 22 Besonderheiten von Rechtsgrundlagen und Inhaberschaft des materiellen Ermessensanspruchs Die Konstruktion des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts mit Hilfe der Ermessensreduktion auf Null erlaubte es Rechtslehre und Rechtspraxis, die Rechtsgrundlagen und die Inhaberschaft dieses Anspruchs weitgehend übereinstimmend anhand des formellen subjektiv öffentlichen Rechts zu erörtern. Dennoch sind beide Diskussionen nicht vollständig deckungsgleich. In welchen Punkten unterschiedliche Lösungen gefunden werden mussten und auf welche Weise dies geschah, wird im folgenden Abschnitt erörtert. I. Verwaltungsrechtlicher Begründungsansatz über die Schutznormtheorie Die Begründung subjektiv öffentlicher Rechte erfolgt heute nach ganz überwiegender Ansicht über die Kriterien der Schutznormtheorie. Weil die Bühlerschen Vorgaben auf die materielle Rechtsstaatsordnung nach 1945 transferiert werden konnten, finden sie bis heute Anwendung. Voraussetzung eines subjektiven Rechts ist demnach die Existenz einer öffentlich-rechtlichen Norm, deren Beachtung der Einzelne aufgrund Art. 19 Abs. 4 GG einklagen kann, da sie nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem des Einzelnen zu dienen bestimmt ist. Aufgrund des notwendigerweise subjektiv-rechtlichen Charakters der Anspruchsgrundlage liegt der Rückgriff auf die Grundrechte nahe. Dieser ist jedoch durch den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts limitiert. Bevor ein Zugriff auf grundrechtliche Positionen zur Debatte steht, ist die Rechtsgrundlage subjektiver Ansprüche daher zunächst auf einfach-rechtlicher Ebene zu suchen546. Infolgedessen ist für den Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung die einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage547 stets Anspruchs-

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

grundlage. Verfassungsrechtlichen Inhalten bleibt eine Auswirkung jedoch nicht versagt. Über die Beurteilung des individualrechtsschützenden Gehalts der jeweiligen Ermessensermächtigung wirken sie mittelbar auf die einfachgesetzliche Ebene ein548. Die Frage aber, ob ein Anspruch zuerkannt werden soll oder nicht, entscheidet sich beim materiellen wie beim formellen subjektiven Recht an der Einschätzung der Schutzrichtung. Weil ihre Beurteilung für jede einzelne Ermächtigungsnorm unterschiedlich ausfällt, lassen sich über die Individualschutzbewertung grundsätzlich keine allgemeinen Aussagen treffen. In der Tendenz ist eine zunehmend individualrechtsfreundlichere Wertung öffentlich-rechtlicher Normen zu beobachten549. II. Verfassungsrechtliche Begründungsmöglichkeiten über die Grundrechte Mit derselben Zielsetzung wie beim Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch wurde auch versucht, das Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung direkt aus den Grundrechten abzuleiten und es damit verfassungsrechtlich zu verankern. Diese Begründungsversuche waren motiviert durch die Vorstellung, die subjektiven Rechte vor einer totalen Verfügbarkeit durch den Gesetzgeber zu schützen und diesem lediglich eine beschränkte Macht über die Gewährung und Einschränkung subjektiver Rechtspositionen zukommen zu lassen. Eine direkte Herleitung aus den Grundrechten ermöglicht es schließlich, dem Gesetzgeber eine autonome Bestimmung der subjektiven Rechte zu versagen und ihm deren Ausgestaltung nur begrenzt zu überlassen. 1. Ablehnung eines direkten grundrechtlichen Anspruchs Einer rein grundrechtlich basierten Begründung subjektiver Rechte ist durch den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts jedoch Grenzen gesetzt. Der Anwendungsvorrang einfachgesetzlichen Rechts sichert dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber einen Spielraum hinsichtlich der Gestaltung subjektiver

546 Stellvertretend für die herrschende Ansicht: Dietlein, DVBl 1991, S. 685 ff. (S. 686 f.). 547 Auf die Randproblematik, ob der Anspruch nun genau in der Aufgabenzuweisungs- oder in der Befugnisnorm begründet ist, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Zu den jeweils unterschiedlichen Ansichten: Knemeyer, DÖV 1978, S. 11 ff. (S. 14 f.) und Mayer, Opportunitätsprinzip, 1963, S. 36 f. 548 Schon ausführlich unter § 22 II 3. 549 Grund ist eine starke Betonung subjektiv-rechtlicher Positionen, die wiederum aus dem „individualistischen, anspruchsfreundlichen Grundzug des Grundgesetzes“ (Isensee, Sicherheit, 1983, S. 51) resultiert.

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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Rechte. Die Suche nach subjektiven Rechten muss daher im Bereich der einfachgesetzlichen Normierung beginnen. Mit dieser Auffassung ist die rein norminterne Wirkung der Grundrechte550 umschrieben, wie sie sich als ganz überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur wiederfindet551. 2. Existenz eines subsidiär geltenden grundrechtlichen Schutzanspruchs Ist keine einfachgesetzliche Regelung vorhanden, der Aussagen über das jeweilige subjektive Recht entnommen werden können, so kann der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts den Rückgriff auf eine grundrechtliche Ableitung nicht verbieten. Allerdings ist es unwahrscheinlich, den subjektiven Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Handeln unmittelbar aus den Grundrechten herleiten zu können. Schließlich beschränkt der leitprinzipienartige Charakter der Grundrechte ihre Tauglichkeit als Anspruchsgrundlage auf besondere Ausnahmesituationen552, in denen die grundrechtliche Freiheit des Individuums existentiell bedroht und nur die Behörde zur Abhilfe fähig ist553. Zu klären bleibt, wie ein subjektives Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung rechtskonstruktiv aus den Grundrechten hergeleitet werden kann. Für das formelle subjektiv öffentliche Recht reichte noch der grundrechtliche Abwehranspruch als Rechtsgrundlage554. Der Anspruchsinhalt des materiellen Rechts umfasst aber nicht nur die Abwehr rechtswidrigen Handelns, sondern auch die Forderung nach einem rechtmäßigen Handeln. Infolgedessen ist umstritten, ob die abwehrrechtliche Konzeption auch zur Begründung des materiellen subjektiven Rechts genügen kann555 oder ob hier550 Siehe dazu bei Wahl, DVBl 1996, S. 641 ff. (S. 647 f.) und Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2003 (42. EL), Art. 19 Abs. 4, Rn. 123 f. 551 Nach Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 135) wurden die Grundrechte vom Bundesverwaltungsgericht nie anspruchsbegründend eingesetzt. Stellvertretend für die Literatur lehnt Knemeyer, Polizeirecht, 2002, § 14, Rn. 134 den Rückgriff auf eine verfassungsrechtliche Begründung ab. Er wertet diesen „als ein Zeichen der Unsicherheit in der Übergangsphase . . . zum Individualschutz“. Auch Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 654) spricht sich für die einfachgesetzliche Generalklausel als Rechtsgrundlage anhand des Beispiels des Anspruchs auf polizeiliches Eingreifen aus. Siehe zum Ganzen: Ramsauer, AöR 111 (1986), S. 501 ff. (S. 513 ff. mwN in Fn. 46c). 552 Nach Klein, DVBl 1994, S. 489 ff. (S. 497) werden sich Grundrechte im Normalfall „kaum je zu definitiven Leistungsansprüchen verdichten lassen“. 553 So bei Breuer, Grundrechte, 1977, S. 89 ff. (S. 105). Diese Lage qualifiziert Breuer, Grundrechte, 1977, S. 104 als eine „durch extreme Gefahrensituationen bedingte Angewiesenheit des Bürgers auf Hilfe von seiten der öffentlichen Gewalt“. 554 Siehe dazu die Darstellung unter § 16 IV 3. 555 Will man den Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Handeln aus der Abwehrfunktion der Grundrechten ableiten, so muss das behördliche Unterlassen einen Grundrechtseingriff darstellen. Diese komplizierte Gleichsetzung kann dadurch umgangen werden, dass den Grundrechten ein Leistungsgehalt zuerkannt wird, der im Falle

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für auf die Idee einer grundrechtlichen Schutzpflicht abgestellt werden muss556. Fast alle Autoren, die sich mit dem Problem der verfassungsrechtlichen Ableitung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung befassen, äußern sich hier ausgesprochen vage557. Zwar wird der Gedanke einer grundrechtlichen Schutzpflicht immer wieder herangezogen, doch bewegt sich die Argumentation zur Begründung der behördlichen Handlungspflicht kaum innerhalb der herrschenden Grundrechtsdogmatik558. a) Grundrechtsdogmatische Ableitung eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts Es wird versucht, die zusammenhangslos nebeneinander stehenden, einzelnen Aussagen zueinander in Beziehung zu setzen. Dazu ist es an dieser Stelle nötig, die verschiedenen Möglichkeiten, Ansprüche auf behördliches Handeln grundrechtlich abzuleiten, kurz zu skizzieren559. Nach Einführung des Grundgesetzes wurde die ehemals rein abwehrrechtliche Bedeutung der Grundrechte durch weitere Geltungsdimensionen ausgebaut560. Ihre „neuen“ Funktionen als objektive Werteordnung oder institutionelle Garantie sowie ihr Charakter als Teilhaberecht oder Verfahrensgarantie sind als Ergänzung und Verstärkung der klassischen Abwehrfunktion zu begreifen561.

eines behördlichen Unterlassens verletzt sein und somit anspruchsbegründend wirken kann. 556 So Dietlein, DVBl 1991, S. 685 ff. (S. 686 mwN in Fn. 20 ff.). 557 Beispielhaft für die Unbestimmtheit der Aussagen: Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 655) erklärt den Begriff der entscheidenden, vom Verfassungsrecht gewährten „Positionen“ nicht weiter. Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 377) nimmt undifferenziert eine Umdeutung der Grundrechte von Abwehrrechten in Teilhaberechte an. Für Breuer, Grundrechte, 1977, S. 89 (S. 105) besteht die Begründung des Anspruchs lediglich darin, dass er „den grundrechtlichen Minimalstandard positiver Schutzansprüche“ konkretisiert. Auch Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 222) lässt offen, ob die Argumentation um die grundrechtliche Schutzpflicht überhaupt im Verfassungsrecht oder nur im einfachen Recht anzusiedeln ist. Mit dem Versuch einer systematischen Konstruktion beschäftigen sich tiefergehend lediglich: Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 137 f.); Isensee, Sicherheit, 1983, S. 54; Dietlein, DVBl 1991, S. 685 ff. (S. 686 f.). 558 Dargestellt ist diese bei: Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 43 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, 2003, Vor Art. 1, Rn. 27 ff. 559 Aus diesem Grund wird hier eine systematische Darstellung erforderlich, wenngleich der Schwerpunkt dieser Arbeit prinzipiell an einer historischen Betrachtung ausgerichtet ist. 560 Ausführlicher: Krebs, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 2000, Vorb. Art. 1–19, Rn. 16 f.; Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 43 (mwN in Fn. 171 f.). Aus einer historischen Perspektive beleuchtet Schmidt, Grundrechte, 1994, S. 188 ff. diese Thematik. 561 So Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 1, Rn. 181.

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Alle grundrechtlichen Funktionen lassen sich in die zwei Grundkategorien von subjektiv-rechtlichem und objektiv-rechtlichem Gehalt der Grundrechte einordnen562. Die subjektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte ist seit ihrer Aufnahme in den Grundrechtskatalog unbestritten563. Sie begründet einen Rechtsanspruch des Einzelnen gegen den Staat564. Der Inhalt dieses Anspruchs beschränkt sich auf die Abwehr grundrechtsbeeinträchtigenden Handelns gegenüber Grundrechtsverpflichten, umfasst jedoch auch die „Beseitigung bestehender und . . . die Unterlassung bevorstehender Störungen“565. Neu ist die Erkenntnis eines objektiv-rechtlichen Gehalts der Grundrechte, aufgrund dessen die Grundrechte als verfassungsrechtlicher Ausdruck einer objektiven Wertordnung begriffen werden. Ausgehend von dieser Vorstellung lassen sich die Ausstrahlungswirkung des Verfassungsrechts in das Privatrecht, die Notwendigkeit einer grundrechtsfreundlichen Ausgestaltung von Verfahrensund Organisationsnormen sowie der Gedanke einer grundrechtlichen Schutzpflicht des Staats ableiten. Der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung lässt sich innerhalb der Grundrechtsdogmatik je nach Anspruchsinhalt unterschiedlich begründen. Möglicherweise greift die begehrte Ermessensentscheidung nicht in Rechte Dritter ein, sondern erfordert lediglich ein Tätigwerden seitens des Staats. Hier dienen noch die negatorischen Hilfsansprüche des subjektiv-rechtlichen Abwehranspruchs als Begründung, denn auch der Inhalt des materiellen Ermessensanspruchs ist darauf gerichtet, eine grundrechtsbeeinträchtigende Ermessensentscheidung zu beseitigen oder ihr vorzubeugen. Schwieriger gestaltet sich hingegen die Argumentation, sobald die begehrte Ermessensentscheidung nicht nur öffentliche Belange, sondern auch die Dritter berührt. In dieser Situation kann der Einzelne einen Rechtsanspruch nicht mehr aus dem abwehrrechtlichen Grundrechtsgehalt ableiten, denn jener schützt ihn nur in der zweidimensionalen Staat-Bürger-Beziehung. Infolgedessen wird der Rückgriff auf die Idee eines grundrechtlichen Schutzanspruchs erforderlich, die aus dem objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalt entspringt. Der grundrechtliche Schutzanspruch ist ein Resultat der Vorstellung, dass es auch Aufgabe des Staats ist, den Einzelnen vor Grundrechtsverletzungen durch Übergriffe Privater zu schützen, indem er diesen entgegentritt oder sie vermeidet566. Wenngleich 562 Etwa bei Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 43 (mwN in Fn. 177) und Sachs, in: Sachs, GG, 2003, Vor Art. 1, Rn. 27 ff. und 39 ff.; a. A. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 2002, Vorb. vor Art. 1, Rn. 3 ff. 563 Zum rechtshistorischen Hintergrund: Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 1999, Art. 1, Rn. 168 ff. 564 So Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 44. 565 Jene bezeichnet Sachs, in: Sachs, GG, 2003, Vor Art. 1, Rn. 42 als mit dem Abwehranspruch wesensmäßig verbundene negatorische Hilfsansprüche.

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der Staat diesen Auftrag primär durch gesetzgeberische Tätigkeit zu erfüllen hat, so ist diese Grundidee auf den Bereich des Gesetzesvollzugs übertragbar567. Ist der Einzelne in seiner Grundrechtsausübung durch Dritte gefährdet, so lässt sich der Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung auch als Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht konstruieren568. b) Systematische Einordnung der rechtswissenschaftlichen Beiträge Diese systematische Darstellung erleichtert eine grundrechtsdogmatische Einordnung jener wenigen Aussagen, die sich mit einer grundrechtlichen Begründung des Anspruchs auf behördliches Handeln auseinandersetzen. Im Jahr 1977 erkennt Maunz, dass sich die grundrechtliche Abwehrfunktion nicht nur auf ein negatorisches Unterlassen erstreckt, sondern dass der Einzelne hierüber von der öffentlichen Gewalt auch eine „Wiederherstellung des Freiheitsraums . . . [durch] Beseitigung der Beeinträchtigung“569 verlangen kann. Eine Zuhilfenahme von negatorischen Hilfsansprüchen ist allerdings nur in jenen Fällen möglich, in denen die Grundrechtsgefährdung vom Staat und nicht vom Dritten ausgeht. Da im Normalfall eine Rechtsgefährdung durch einen Dritten vorliegen wird, versucht Maunz über den Rückgriff auf den Leistungsgehalt der Grundrechte eine letztlich untaugliche Anspruchsbegründung570. Gewinnbringend sind hingegen seine Ausführungen über die Schutzpflicht des Staats, die ihn zur „Abwehr von Beeinträchtigungen [in] eine Garantenstellung“571 versetzen. Der damit korrelierende grundrechtliche Schutzanspruch lässt sich nach Maunz’ Ansicht zum ordnungsrechtlichen Anspruch auf Eingreifen konkretisieren. Im Jahr 1983 erarbeitet Isensee umfassend die Idee der grundrechtlichen Schutzpflichten. Aus ihr leitet er ein Grundrecht auf Sicherheit ab572. Im Be566 Klein, DVBl 1994, S. 489 ff. (S. 490) umschreibt als Pflicht des Staats, „die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter in seinen Schutz zu nehmen“; weiterführend: Klein, NJW 1989, S. 1633 ff.; Dirnberger, DVBl 1992, S. 879 ff.; Erichsen, Jura 1997, S. 85 ff. 567 Siehe dazu Dirnberger, DVBl 1992, S. 879 ff. (S. 882 f.) und Dreier, in: Dreier, GG, 1996, Vorb., Rn. 63. 568 So ausdrücklich bei Dirnberger, DVBl 1992, S. 879 ff. (S. 883). Zu den konkreten Schwierigkeiten dieser Konstruktion: Sachs, Leistungsrechte, 1988, S. 722 ff. 569 Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 137). 570 Zwar ist der grundrechtliche Leistungsgehalt inzwischen prinzipiell als ein Mehr im Vergleich zur bloß abwehrenden Schutzhandlung anerkannt ist. Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 138) verkennt aber die Vergleichbarkeit dieser beiden Situationen. Schließlich muss die Begründung eines Schutzanspruchs gegenüber Eingriffen seitens Dritter über das zweidimensionale Bürger-Staat-Verhältnis hinaus auch den Eingriff in die Rechte Dritter legitimieren können. 571 Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 138). 572 Bei Isensee, Sicherheit, 1983.

2. Abschn.: Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts

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reich des Verwaltungsermessens konstruiert Isensee eine Handlungspflicht der Behörde, indem er die grundrechtliche Einbindung und Steuerung der Ermessensausübung thematisiert573. Den Gedanken der staatlichen Schutzpflicht greift später nochmals Dietlein auf. Nachdem er die Anerkennung der Ansprüche wegen unterlassener Normerlasstätigkeit bejaht, hält er infolgedessen grundsätzlich auch einen grundrechtsunmittelbaren Normenvollzugsanspruch für möglich574. c) Anmerkung zur praktischen Bedeutung einer grundrechtlichen Anspruchsbegründung Die Begründungsansätze eines direkt aus den Grundrechten ableitbaren Anspruchs auf Einschreiten müssen sich aber mit der Frage konfrontieren, wie praktisch relevant ihre Konzeptionen wirklich sind. Schließlich setzt eine unmittelbar grundrechtliche Herleitung des materiellen Ermessensanspruchs voraus, dass keine einfachgesetzliche Normierung besteht575 und eine solche vom Gesetzesvorbehalt nicht gefordert wird. Dies wiederum ist nur in Fällen möglich, in denen das begehrte Handeln des Staats sowohl für den Anspruchsberechtigten als auch für den Dritten keinen eingreifenden Charakter hat. Derartige Konstellationen sind aber nur im Bereich der Leistungsverwaltung denkbar. Damit ist die praktische Bedeutung grundrechtlicher Begründungsversuche tatsächlich auf sehr wenige Ausnahmefälle beschränkt. Zwar sind solche theoretisch konstruierbar, sie entsprechen jedoch nicht den praktisch relevanten Fallgestaltungen, die sich durchgehend im Bereich der Eingriffsverwaltung finden lassen576. Einer grundrechtsunmittelbaren Ableitung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung ist letztlich nur geringe praktische Relevanz zuzumessen.

573 574 575

So Isensee, Sicherheit, 1983, S. 54. So Dietlein, DVBl 1991, S. 685 ff. (S. 686). Schließlich muss der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Beachtung fin-

den. 576 Zu denken wäre an folgende Situation: Ein Unternehmen verlangt von einer Behörde die Rückabwicklung einer Subventionsvergabe, nachdem die Behörde die Subvention an ein anderes Unternehmen unter dem Vorbehalt der Rücknahme rechtswidrig erteilt hat. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde als vergleichbarer und tatsächlich zur Entscheidung stehender Sachverhalt jedoch nur BVerwG (07.01.1972), BVerwGE 39, 235 ff. – [Schleusenzulassung] gefunden.

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3. Grundrechte in ihrer Funktion als Auslegungsdirektiven des Gesetzesrechts Angesichts des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts verbleiben als restlicher Anwendungsbereich grundrechtlicher Einflüsse all jene Situationen, in denen auf einfachgesetzliche Normen zurückgegriffen werden kann. Die Grundrechte spielen eine wichtige Rolle als Auslegungsdirektive des Gesetzesrechts, wenn die Schutzrichtung einfachgesetzlicher Normen zu ermitteln ist577. Es soll jedoch an dieser Stelle nicht ausreichen, pauschal auf die individualrechtsfreundliche Tendenz der Bonner Verfassung hinzuweisen. Vielmehr wird nach einer detaillierten Antwort auf die Frage gesucht, weshalb die Grundrechte eine Auslegung von Ermessensnormen dahingehend erfordern, dass diese Ermächtigungen nicht nur wie bisher dem Ausgleich öffentlicher Interessen, sondern auch der Beachtung und Einbindung privater Interessen dienen. a) Staat-Bürger-Beziehung als Rechtsverhältnis Die Einführung des Grundgesetzes formte das Verhältnis zwischen Staat und Bürger um. Vor 1949 betrachtete die staatliche Gewalt den Einzelnen nicht als Rechtssubjekt, sie sah sich zum Bürger nicht in einer Beziehung gegenseitiger Rechte und Pflichten. Da der Einzelne nur wenig Rechte und Rechtsmacht im öffentlich-rechtlichen Raum besaß, war ihm eine Interaktion mit der öffentlichen Gewalt sowie die aktive Teilhabe am staatlichen Leben versagt. Er war ein Objekt staatlichen Handelns. Infolgedessen kam auch seinen Interessen Beachtung lediglich als Teil des Allgemeininteresses zu. Isoliert waren sie jedoch nicht relevant. Das Grundgesetz hingegen zeichnet ein anderes Menschenbild. Die rechtsstaatliche Idee will den Einzelnen als Subjekt des öffentlichen Rechts in eine Rechtsbeziehung zum Staat setzen. Das Instrumentarium der unmittelbaren Grundrechtsgeltung nach Art. 1 Abs. 3 GG verdeutlicht, dass sich nicht der Mensch am Recht, sondern das Recht am Menschen orientieren soll. Nur dann kann der Einzelne seiner Position als Rechtsuntertan entwachsen578. Aus der verfassungsrechtlichen Würdigung des Einzelnen als Rechtspersönlichkeit ergeben sich für die Auslegung von Ermessensermächtigungen folgende Konsequenzen. Neben öffentlichen Interessen muss die Existenz privater Interessen Anerkennung finden. Aufgabe der öffentlichen Gewalt ist es, private Interessen untereinander sowie mit den öffentlichen Interessen in einen Aus577 Zur Konkretisierung der grundrechtlichen Inhalte durch das Gesetzesrecht siehe unter § 8 II 3. 578 So Jahrreiß, Mensch, 1957, S. 5 ff. und Buschlinger, DÖV 1965, S. 374 ff. (S. 376), siehe auch schon unter § 9 II 1 b.

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gleich zu bringen. Sind derartige Abwägungsentscheidungen mit der öffentlichrechtlichen Handlungsform des Verwaltungsermessens zu treffen, so müssen die von der Rechtsordnung akzeptierten, privaten Interessen auch in den Abwägungsprozess einbezogen werden. Folglich liegt der Zweck einer Einräumung von behördlichem Ermessensspielraum zumindest auch darin, der Wahrnehmung privater Interessen zu dienen. Indem das Verfassungsrecht die Subjektstellung des Individuums innerhalb des öffentlichen Rechts betont, begünstigt es im Ergebnis eine Auslegung von Ermessensnormen als individualrechtsschützend579. b) Möglichkeit eines grundrechtlichen Anspruchs auf behördliches Tätigwerden Für die Begründung eines subjektiven Rechts auf eine bestimmte Ermessensentscheidung, die sowohl ein Unterlassen als auch ein Handeln zur Folge haben kann, ist eine Handlungspflicht seitens des Staats erforderlich. Im liberalen Rechtsstaat des Deutschen Reichs war eine solche nicht vorstellbar, da die subjektiven Rechte des Einzelnen lediglich als negatorische Freiheitsrechte ausgestaltet waren und daher kein Tätigwerden des Staats erzwingen konnten. Auch in diesem Punkt ist die Konzeption der Bonner Verfassung verschieden. Die Menschenwürde ist in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG als Ausgangsgrundrecht gestaltet580. Dieser Artikel stellt den Grundbaustein eines materiellen Rechtsstaatsverständnisses dar, für welches die Frage nach der tatsächlichen Inhaberschaft und Ausübbarkeit von subjektiven Rechten von ebenso wichtiger Bedeutung ist wie ihre formalen Garantien581. Infolgedessen muss der Staat die grundrechtlichen Freiheiten konsequent und mit allen ihm verfügbaren Mitteln schützen. Das bloße Unterlassen von Grundrechtseingriffen ist oft nicht ausreichend. Auch die aktive Beseitigung bestehender und der Verhinderung drohender Grundrechtsverletzungen582 und damit letztlich ein Tätigwerden kann nötig werden. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf ein aktives Handeln des Staats darf somit nicht mehr schon von vornherein als ausgeschlossen gelten. 579 Die inzwischen herrschende Ansicht, dass das grundrechtliche Menschenbild im Zweifel auf eine individualrechtsfreundliche Auslegung und damit auf die Begründung subjektiver Rechte hinwirkt, schlägt sich gegenüber der Gesetzgebung in einem grundrechtlichen Subjektivierungsgebots nieder, siehe dazu schon unter § 8 III 3 (Fn. 272) und § 9 II 2 a (Fn. 305). 580 Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67 ff. (S. 86 f.) beschreibt schon früh die Tragweite dieser Entscheidung. 581 Zum Wandel des formellen zum materiellen Rechtsstaat nach 1945 siehe schon unter § 8 II 1 b. 582 Siehe bei Sachs, in: Sachs, GG, 2003, Vor Art. 1, Rn. 42 (mwN in Fn. 88 f.).

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Damit ist die grundrechtliche Einflussnahme auf die Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht in zweifacher Hinsicht gewinnbringend. Sie fördert erstens eine individualrechtsfreundliche Auslegung der zu untersuchenden Schutznorm. Zweitens ermöglicht sie dem Einzelnen, staatliches Tätigwerden auch als Grundrechtsschutzanspruch einfordern zu können. Infolgedessen widerspricht nichts der Annahme, dass eine grundrechtsorientierte Auslegung der Ermessensermächtigungen unter der besonderen Voraussetzung der Ermessensreduktion auf Null zu einem prozessual durchsetzbaren Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung führen kann583. 4. Folgenbeseitigungslast und Selbstbindung der Verwaltung Neben dem allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Begründungsansatz finden sich auch speziellere Entstehenstatbestände eines materiellen Ermessensanspruchs, die letztlich auf einer verfassungsrechtlichen Erklärung fußen. Allerdings ist ihre Aussagekraft begrenzter und ihre praktische Relevanz geringer, da sie besondere Voraussetzungen für das Bestehen eines materiellen subjektiv öffentlichen Rechts erfordern. Auf diese Herleitungsmöglichkeiten soll daher nur am Rande und aus Gründen der Vollständigkeit eingegangen werden. Ein Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Handeln kann im Fall einer Selbstbindung der Behörde entstehen584. Über das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichten sich Behörden nicht nur durch eigene Zusagen oder Zusicherungen, auch die regelmäßige Verwaltungspraxis kann in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG eine Außenwirkung entfalten585. In diesen Fällen muss die Behörde diejenige Ermessensentscheidung treffen, an die sie gebunden ist. Das subjektive Recht des Einzelnen hierauf ergibt sich einfachgesetzlich586 oder aus dem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG587. Ebenso lässt sich ein Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung auch aus dem Grundsatz der Folgenbeseitigung ableiten. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg wirft diese Thematik im Jahr 1962 auf, indem es aus Gründen der Folgenbeseitigungslast die zuständige Behörde zum Erlass einer Abbruchsanordnung eines baurechtswidrig erbauten Mehrzweckgebäudes verpflichtet588. 583

So im Ergebnis auch Henke, DVBl 1964, S. 649 ff. (S. 655). Grundlegend dazu: Dicke, VerwArch 60 (1968), S. 293 ff. (S. 306 f.); Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 197; Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 6, Rn. 48 ff. 585 Zum Sonderfall einer antizipierten Verwaltungspraxis aufgrund entsprechender Verwaltungsvorschrift: Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. (S. 223, mit Rechtsprechungsnachweisen in Fn. 44). 586 Z. B. für die Zusicherung aus § 38 VwVfG. 587 Weiterführend hierzu die Beiträge von Scheuing, Hoffmann-Riem und Raschauer in VVDStRL 40 (1982), S. 153 ff., S. 187 ff. und S. 240 ff. 584

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Rechtskonstruktiv kann die Folgenbeseitigungslast in besonderen Fällen eine Ermessensreduktion auf Null bewirken589. Sie setzt tatbestandsmäßig das Vorhandensein von Folgen einer rechtswidrigen, hoheitlichen Handlung voraus. Insofern kann sie als Spezialfall nicht den Normalfall des subjektiven Rechts auf eine bestimmte Ermessensentscheidung erklären, in welchem der Kläger meist gerade gegen die Untätigkeit der Behörden und nicht gegen die Folgen ihres Handelns vorzugehen versucht590. III. Zusammenfassung Da der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts stets zu beachten ist, hält sich die praktische Relevanz einer grundrechtsunmittelbaren Ableitung ebenso in Grenzen wie die Praktikabilität einer Begründung des materiellen Ermessensanspruchs über die Folgenbeseitigungslast oder die Selbstbindung der Verwaltung. Letztlich ist damit der verwaltungsrechtlichen Begründung über die Schutznormtheorie die größte praktische Bedeutung beizumessen. Über den Ansatz der Schutznormtheorie erfüllte sich zudem die Forderung nach einer grundrechtlichen Verankerung des subjektiven Rechts. Hier werden die verfassungsrechtlichen Einflüsse über die Bedeutung der Grundrechte als Auslegungsgrundsätze spürbar. Grundrechtliche Inhalte schlagen sich in einer individualrechtsbegünstigenden Tendenz bei der Bewertung der Schutzrichtung der einfachgesetzlichen Ermessensermächtigungen nieder. Diese Beobachtungen entsprechen durchgehend denjenigen, die schon bei der Untersuchung des formellen subjektiv öffentlichen Rechts gewonnen werden konnten591. Eine davon abweichende Argumentation entwickelte sich jedoch für den materiellen Ermessensanspruch über den Gedanken einer grundrechtlichen Schutzpflicht.

§ 23 Der Anspruch auf bestimmte Ermessensentscheidung als Symptom der Intensivierung verfassungsrechtlicher Bindungen Abschließend stellt sich die Frage, ob und wie sich dieses materielle Recht in die Subjektivierungstendenz des allgemeinen Verwaltungsrechts einfügt. 588 OVG Lüneburg (22.03.1962), OVGE 18, S. 341 ff. (S. 348) – [Mehrzweckgebäude]. 589 Zu den Rechtsgrundlagen, Anspruchsvoraussetzungen und der prozessualen Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs siehe Obermayer, JuS 1963, S. 110 ff. (S. 113 ff.). Den Nachweis für die Verwaltungsrechtsprechung führt Laub, Ermessensreduzierung, 2000, S. 200 f. 590 So bei Maunz, BayVBl 1977, S. 135 ff. (S. 135). 591 Siehe unter § 16 VII.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Der materielle Ermessensanspruch ist schon deswegen als Ausfluss des Subjektivierungsgedankens zu werten, weil seine Entwicklung den Einzelnen in die Position versetzt, als Rechtssubjekt einen Anspruch gegenüber der ermessensausübenden Verwaltung geltend machen zu können. Da dieser Ermessensanspruch darüber hinaus dem Einzelnen ermöglicht, nicht nur einen Anspruch auf Einhaltung der rechtlichen Ermessensgrenzen, sondern auch einen inhaltlich bestimmten Anspruch geltend zu machen, steht die Vermutung im Raum, ob sich nicht die Idee der Subjektivierung im materiellen Recht „mehr“ verwirklicht als im formellen Recht. I. Intensive Einwirkung und Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben Ein wesentlicher Unterschied des materiellen zum formellem Recht besteht darin, dass sich in der Figur des materiellen Ermessensanspruchs verfassungsrechtliche Vorgaben in besonders hohem Maße auf die einfachrechtliche Ermessenslehre niedergeschlagen haben. Allerdings behindern sich die Phänomene der verfassungsrechtlichen Einwirkung auf das Verwaltungsrecht und die Tendenz seiner Subjektivierung nicht gegenseitig. Sie verstärken sich. Auch für den materiellen Ermessensanspruch könnte eine intensive Einwirkung verfassungsrechtlicher Vorgaben für eine verstärkte Umsetzung des Subjektivierungsgedankens relevant sein. Schon bei der Entwicklung des formellen Rechts auf ermessensfehlerfreie Entscheidung waren die Impulse des Verfassungsrechts von unerlässlicher Bedeutung. Von den Bemühungen, das formelle Recht auf ein verfassungsrechtliches Fundament zu stellen, zeugt der Versuch, es über den grundrechtlichen Abwehranspruch über das Gleichbehandlungsgebot zu begründen. Zudem half der Einfluss des individualrechtsfreundlichen Grundzuges der Verfassung, die Hürde einer individualrechtsschützenden Auslegung der Ermessensermächtigungen zu überwinden. Schwierig erwies sich dies insofern, als vor Einführung des Grundgesetzes der Normzweck von Ermessensermächtigungen regelmäßig darin begriffen wurde, dem Ausgleich öffentlicher, aber nicht auch privater Interessen zu dienen592. Erst mit der veränderten Prämisse, dass private Interessen durch Ermessensnormen geschützt werden können, wurde auch die Notwendigkeit erkannt, dass dem Einzelnen auch ein Recht auf eine rechtsfehlerfreie Entscheidung zustehen muss. Auf diese Weise konnte die subjektive Berechtigung des Einzelnen auf Überprüfung des behördlichen Ermessens rechtskonstruktiv erreicht werden. 592 Die Ausrichtung an öffentlichen Interessen gründete auch in dem Umstand, dass private Interessen an sich nur in geringem Umfang anerkannt waren. Die Begrenztheit der anerkannten Rechte wurde schon unter § 5 II 2 b aufgezeigt.

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Beim Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung treten verfassungsrechtliche Einflüsse deutlich in den Anspruchskonstruktionen über die Folgenbeseitigungslast oder die Selbstbindung der Verwaltung hervor. Wird anders als bei diesen besonderen Figuren verfassungsrechtlicher Begründungen das materielle subjektive Recht allgemeingültiger hergeleitet, so muss sich die inhaltlich bestimmte Handlungspflicht rechtlich konstruieren lassen. Schließlich ist der materielle Anspruch im Normalfall auf ein behördliches Tätigwerden gerichtet. Wie sich das Verwaltungsermessen auf eine Verpflichtung zu einer bestimmten und damit auf Leistung gerichteten Entscheidung verengen kann, lässt sich erst über das materielle Rechtsstaatsverständnis der Bonner Verfassung rechtlich begründen. Grundlegend ist die Vorstellung, dass der Staat dem Bürger die Grundrechtsfreiheit nicht nur formal, sondern auch tatsächlich garantieren muss593. Somit kann eine Einschreitenspflicht des Staats unter der Voraussetzung gefolgert werden, dass der Einzelne für die Ausübung seiner Grundrechtsfreiheit existentiell Hilfe vom Staat benötigt, die dieser auch leisten kann. Damit erlaubt es die Idee eines grundrechtlichen Schutzanspruchs, den Verpflichtungsinhalt des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung zu begründen. Der materielle Ermessensanspruch hat im Laufe seiner Entwicklung nicht nur den Gedanken eines Individualrechtsschutzes im Ermessensbereich, sondern auch die verfassungsrechtlich motivierte Idee eines Anspruchs auf staatlichen Schutz in sich aufgenommen und umgesetzt. Im Vergleich zum formellen Recht unterliegt das materielle Recht daher einem stärkeren verfassungsrechtlichen Einfluss. Die Entwicklung des materiellen Ermessensanspruchs ist ein aussagekräftiges Beispiel der Einwirkung verfassungsrechtlicher Vorgaben auf das Verwaltungsrecht. II. Verfassungsrechtliche Verstärkung der Subjektivierungsidee Damit ist auf die Ausgangsfrage nach der Bedeutung des materiellen Anspruchs für die Subjektivierungstendenz zurückzukommen. Zur Diskussion steht, welche Rolle der intensiven verfassungsrechtlichen Prägung des materiellen subjektiven Rechts im Zusammenhang mit der Subjektivierung beizumessen ist. Der Subjektivierungsgedanke liegt der Ausgestaltung der Bonner Verfassung als inhaltliche Leitidee zugrunde. Schließlich ist die Vorstellung einer Rechtssubjektivität im Menschenbild des Grundgesetzes verankert. Zugleich muss die 593 Zu den Besonderheiten des materiellen Rechtsstaats: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 18, Rn. 19.

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rechtliche Konkretisierung der Subjektivierungsidee bewältigt werden. Die deutsche Rechtsordnung leistet die Umsetzung des Subjektivierungsgedankens auf einfachgesetzlicher Ebene, indem sie die Schaffung und Erweiterung subjektiver Rechte tendenziell begünstigt. Über die unmittelbare Grundrechtsgeltung wird die Subjektivierungsidee zudem auf verfassungsrechtlichem Niveau in das Rechtssystem hineingetragen. Die Implementierung der Rechtssubjektivität auf einfachgesetzlicher Ebene ist der wichtigste Beitrag des Verfassungsrechts zur Verwirklichung der subjektiven Idee. Die dargestellten Zusammenhänge lassen sich auf die Entwicklung des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung übertragen. Hier schlägt sich die Subjektivierungsidee in einer individualrechtsfreundlichen Auslegung des Normzwecks der Ermessensermächtigung nieder. Begünstigt und verstärkt wird ihre Auswirkung zudem durch eine grundrechtlich motivierte Begründung des materiellen Ermessensanspruchs. Letztendlich ist es dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht in eindrucksvollem Ausmaß gelungen, die im Verfassungsverständnis begründete Subjektivierungsidee auf die einfachrechtliche Ebene des allgemeinen Verwaltungsrechts zu transportieren. 3. Abschnitt

Vergleich der Entwicklungen von formellem und materiellem Ermessensanspruch Am Ende dieser Untersuchung steht eine vergleichende Gegenüberstellung der Entwicklung von formellem und materiellem Recht, um Aussagen über Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten zwischen beiden Entstehungsprozessen gewinnen zu können.

§ 24 Gegenüberstellung der Entstehungsgeschichten I. Gemeinsamkeiten beider Entwicklungen Das formelle und materielle subjektiv öffentliche Recht verbinden viele Gleichartigkeiten. Diese gründen auf dem Umstand, dass beide subjektiven Rechte im Grunde auf derselben Anspruchskonstruktion fußen594.

594 Das materielle Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung ist schließlich nur eine besondere Ausprägung des formellen Rechts auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, so schon unter § 18 I 3.

3. Abschn.: Vergleich der Entwicklungen

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1. Ähnlichkeit der zeitlichen Entwicklungsphasen In zeitlicher Hinsicht haben sich das formelle und das materielle Recht vergleichsweise parallel entwickelt. Werden die Phasen mit einem ausreichend groben zeitlichen Maßstab betrachtet, die beide Ansprüche in ihrer Entstehung jeweils durchschritten haben, so sind sie durchaus ähnlich verlaufen. Sowohl die Anfänge der Entwicklung des formellen als auch die des materiellen Rechts liegen im klassischen Verwaltungsrecht Anfang des 20. Jahrhunderts. Schon im Jahr 1913 stellt Jellinek Überlegungen zu einem subjektiven Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung an. Sie finden allerdings nur zögerlich Eingang in die verwaltungsrechtliche Dogmatik595. Etwa zur selben Zeit fungiert die Amtshaftungsrechtsprechung des Reichsgerichts schon als Wegbereiter für den Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung. Ihr ist die Erkenntnis zu verdanken, dass die Verwaltung trotz Ermessensfreiheit unter besonderen Umständen zu einer bestimmten Entscheidung verpflichtet sein kann596. Somit wurzeln beide Entwicklungen in einem Zeitraum noch vor 1945. Formellem und materiellem Recht ist ebenso gemeinsam, dass ihre Lehre auch in der Nachkriegszeit noch von den verwaltungsrechtswissenschaftlichen Prämissen der Weimarer Republik gezeichnet ist597. Die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist eine Übergangsphase vom zerstörten, nationalsozialistischen Gefüge zum Entstehen einer neuen demokratischen Rechtsordnung. Literatur und Rechtsprechung verharren wie gelähmt in einer Phase des Stillstandes. Anstatt die neue Rechtsordnung kreativ zu errichten, orientieren sich Rechtstheorie und Rechtspraxis zurück. Auch die Entwicklung der subjektiv öffentlichen Rechte ist dadurch gehemmt. Von Beginn der fünfziger Jahre an bewirken dann Verfassungsgebung und eine umfassende Wiederaufnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik der subjektiven Rechte. Insbesondere an Fragen der Klagebefugnis und der Statthaftigkeit von Klagen gegen oder auf Ermessensentscheidungen entzünden sich Meinungsverschiedenheiten. Allerdings sind diese schon nach etwa einem Jahrzehnt ausgetragen. Formelles und materielles subjektiv öffentliches Recht können daher von Mitte der sechziger Jahre an als anerkannt gelten. 595 Wenngleich der Ansatz von Jellinek, Gesetz, 1913, S. 116 f. durch Bühler, Subjektive oeffentliche Rechte, 1914, S. 162 fortgesetzt wird, so nimmt die Verwaltungsrechtsprechung die Idee eines formellen Rechts nicht explizit auf, schon unter § 13. 596 Die Pflicht zum Einschreiten seitens der Verwaltungsbehörden wurde in den größtenteils polizeirechtlichen Sachverhalten der Amtshaftungsfälle entwickelt, siehe unter § 19 I 1. 597 Zur Stagnation des formellen und materiellen Rechts: § 14 IV und § 20 II 2.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

2. Ähnlichkeit der Initiativkräfte der Entwicklungen Sofern die dogmengeschichtliche Entwicklung unter dem Aspekt untersucht wird, ob die entscheidenden Impulse von der Theorie oder von der Praxis ausgingen, lassen sich weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Entstehungsprozess des formellen und des materiellen Rechts entdecken. Schließlich ist in beiden Fällen die Initiativwirkung der Wissenschaft hinter jener der Rechtsprechung zurückgeblieben. Lehre und Literatur entwerfen kaum eigene Ansätze zur Konstruktion der subjektiven Rechte im Bereich des Verwaltungsermessens, sondern beschränken sich auf die Rezension von Entscheidungsinhalten598. Ein wichtiger Ausnahmefall, der die Wissenschaft aus ihrer dienenden Rolle gegenüber der Praxis599 heraustreten lässt, ist in diesem Zusammenhang jedoch zu nennen. Otto Bachof gelingt es, für den formellen und den materiellen Anspruch ein dogmatisches Fundament zu errichten600, bevor sich die Rechtsprechung inhaltlich mit subjektiven Rechten im Ermessensbereich auseinandersetzt601. Gesetzgeberische Aktivitäten haben dagegen auf die Entwicklung der subjektiven Rechte keinen wesentlichen Einfluss. Die Legislative bemüht sich nicht um eine Kodifikation der Ansprüche auf fehlerfreie oder inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung. Bis heute bestehen diese daher nur als ungeschriebene, richterrechtlich erschaffene Figuren. Im Jahr 1960 muss sich der Gesetzgeber allerdings mit der Regelung der Klagebefugnis befassen602. Weil er dabei die zuvor geltende Regelung inhaltlich jedoch nicht ändert, ist davon auszugehen, dass er die Existenz des inzwischen durchweg anerkannten formellen subjektiven Rechts stillschweigend akzeptiert603.

598 Wenngleich sich die Rechtsprechung weniger dogmatisch und strukturiert zeigte, als die Beiträge der Literatur waren, so vollzog letztlich die Rechtspraxis die Anerkennung des subjektiven Rechts. Diese Beobachtung lässt sich auch auf die Entwicklung des materiellen Rechts übertragen. 599 So Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 227 ff. (S. 243). 600 Entscheidend waren die Ausführungen zum formellen Recht in Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748, 750) und Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69, 93. Allerdings wurden Bachofs Ideen damals nur zögerlich rezipiert. Seine Begründung des formellen Rechts fand zunächst nur in der Literatur Beachtung (§ 15 I 2). Ob seine Ausführungen die Anerkennung des materiellen Rechts in der Rechtsprechung beeinflussten, hält Bachof selbst in Verfassungsrecht II, 1967, S. 245 (Fn. 90) für nicht zwingend. 601 Zwar befasste sich die Rechtsprechung schon vor 1948 mit der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, sie ließ dabei jedoch im Rahmen der Klagebefugnis die Problematik des subjektiven Rechts außer acht. 602 Anlass war die Errichtung einer bundeseinheitlichen Verwaltungsprozessordnung zum 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17). 603 So schon unter § 15 V vermutet.

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Letztlich spielt die Rechtsprechung die wichtigste Rolle für die Entwicklung sowohl des formellen als auch des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts. Die Einflussnahme der Rechtswissenschaft ist im Vergleich dazu von untergeordneter Bedeutung. Impulse durch die Gesetzgebung fehlen völlig. 3. Ähnlichkeit der Anspruchsbegründungen Aufgrund der gleichartigen Anspruchskonstruktion von formellem und materiellem subjektiven Recht unterscheiden sich auch ihre Begründungsansätze nicht. Sie reduzieren sich auf zwei wesentliche Argumentationsstränge: Entweder werden die subjektiven Rechte einfachrechtlich über die Schutznormtheorie oder verfassungsrechtlich über eine grund- oder gleichheitsrechtliche Ableitung begründet. Abweichungen hiervon lassen sich nur in Detailfragen feststellen604. Über die Ähnlichkeit in der Begründungsweise der beiden Ermessensansprüche lässt sich auch ihre gemeinsame Schwäche in der Argumentation aufdecken. Wird das subjektive Recht nicht über die Schutznormtheorie, sondern aus den Grundrechten abgeleitet, so droht eine Missachtung des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts. Zudem lastet auf dem formellen und dem materiellen Recht gleichermaßen die Bürde, sich von der spätkonstitutionellen Kategorisierung in freies Ermessen und rechtsgebundenes Verwaltungshandeln lösen zu müssen. Die nach 1945 intensivierte Verrechtlichung des Ermessens ebnet zwar der Entstehung des formellen Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch den Weg. Erst über die Schutznormtheorie gelingt es aber, den fehlerhaften Ermessensgebrauch als objektive Pflichtwidrigkeit mit der subjektiven Rechtsverletzung zu verbinden und dadurch das formelle Recht zu konstruieren. Das materielle Recht kämpft demgegenüber mit anderen Schwierigkeiten. Die Vorstellung der Amtshaftungsrechtsprechung von einem „Pflichtbereich“ der Verwaltung trotz bestehender Ermessensermächtigung ist unter dem Grundgesetz nicht mehr begründbar. Eine Lösung findet die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Ermessensreduktion auf Null. Mit dieser Konstruktion gelingt es, eine strikte Handlungspflicht der Verwaltung verfassungsrechtskonform auch für die Fälle zu begründen, in denen der Verwaltung grundsätzlich ein Ermessensfreiraum eingeräumt ist.

604 Werden die Argumentationsstrukturen im Bereich der grundrechtsunmittelbaren Ableitung genauer untersucht, so fällt auf, dass das materielle Recht nicht über einen Abwehr-, sondern nur über einen Schutzanspruch begründet werden kann, schon unter § 22 II 2 a.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

4. Zusammenfassung Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass zwischen formellem und materiellem Recht wichtige Gemeinsamkeiten bestehen. Nicht nur ihre wesentlichen Entwicklungsphasen gleichen sich, bei der Entstehung beider kommt auch der Rechtsprechung eine maßgebendere Rolle als der Rechtswissenschaft zu. Aufgrund der ähnlichen Anspruchskonstruktion von formellem und materiellem Recht finden sich zudem gemeinsame Argumentationen, Schwächen und Schwierigkeiten. II. Unterschiede der beiden Entwicklungen Trotz aller Gemeinsamkeiten überwiegen aber doch die Unterschiede zwischen dem formellen und dem materiellen subjektiv öffentlichen Recht. Manche Verschiedenheiten beruhen darauf, dass sich vordergründig angenommene Ähnlichkeiten bei genauerer Betrachtung auflösen und Differenzen offen legen lassen. 1. Unterschiedlicher Zeitpunkt der Anerkennung Ein Beispiel für eine solch vordergründige Gemeinsamkeit, die einem tiefgründigeren Blick nicht standhält, ist die chronologische Entwicklung der subjektiven Rechte. Die zeitgleiche Entwicklung von formellem und materiellem Recht kann zwar grob auf die zwei Jahrzehnte nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges datiert werden. Allerdings ist das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung schon ab Mitte der fünfziger Jahre in Rechtsprechung und Literatur nahezu unumstritten605. Hingegen findet das Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung erst einige Jahre später Anerkennung auf Bundesebene606. Diese unterschiedliche, zeitliche Entwicklung von formellem und materiellem Recht lässt sich verschiedentlich erklären. Da das materielle Recht die Idee einer subjektiven Berechtigung mit einer strikten Handlungspflicht der Verwaltung verbindet, baut es auf dem Gedanken einer subjektiven Berechtigung auf. Es bedarf als zusätzlicher Voraussetzung einer Ermessensreduktion auf Null und ist daher um eine Dimension reicher als das formelle Recht. Gerade deswegen konnte die Konstruktion des materiellen Rechts erst über die Argumentation des formellen Rechts entworfen werden. Insofern musste das materielle Recht zeitlich versetzt entstehen.

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Siehe unter § 15 IV. Ausschlaggebend war im Wesentlichen BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge], siehe dazu § 20 IV. 606

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Zugleich wirkte sich ein anderer Umstand hemmend auf eine zügigere Entwicklung des materiellen Rechts aus. Die Anzahl jener Klaganträge, welche einen Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung geltend machen wollen, ist relativ gering gegenüber denjenigen, die eine Kassation rechtswidriger Ermessensentscheidungen begehren und damit letztlich den entscheidenden praktischen Anstoß zur Entwicklung des formellen Rechts geben607. Demnach gelangt die Thematik des materiellen Rechts nur selten in konkreten Fallkonstellationen vor die Verwaltungsgerichte. Infolgedessen konnte die Entscheidungspraxis auch kaum Impulse zur Entstehung des materiellen Rechts geben. Auch die Rechtswissenschaft widmet dem Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung in den Nachkriegsjahren lediglich am Rande Aufmerksamkeit608. All diese Umstände bewirken eine zeitliche Verzögerung bei der Entstehung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts. Seine Entwicklung wird deswegen auch erst abgeschlossen, nachdem das formelle Recht schon einige Jahre anerkannt ist609. 2. Unterschiedliche Bedeutung des prozessualen Aspekts Die zeitlich versetzte Entwicklung ist jedoch nicht der einzige Punkt, in dem sich das materielle Recht vom formellen unterscheidet. Anders als beim formellen Recht werden die Existenz, die Rechtsgrundlage und die Voraussetzungen des materiellen Rechts in den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen meist nicht anhand der Frage nach der Statthaftigkeit einer Verpflichtungsklage auf Ermessenshandeln problematisiert. Im Regelfall werden diese Fragen im Anschluss an das formelle Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung ohne eine besondere prozessuale Relevanz erörtert610.

607 Die Praxisirrelevanz des materiellen Ermessensanspruchs zeigt schon ein Blick in das Rechtsprechungsverzeichnis. Das materielle subjektiv öffentliche Recht war in etwa nur einem Drittel der untersuchten Fälle Gegenstand richterlicher Ausführungen. 608 Siehe unter § 20 III, allerdings sind die frühen Ausführungen von Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 748 ff.) eine wichtige Ausnahme. 609 Datiert man den Abschluss der Entwicklung des materiellen Rechts auf wenige Jahre nach BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge], dem sich Rechtsprechung und Literatur anschlossen, dann gilt das formelle Recht schon Mitte der fünfziger Jahre als allgemein akzeptiert. 610 Über diesen Weg findet allerdings die Thematik des formellen Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung Eingang in die Entscheidungen. Hier wurde in den meisten aller Fälle die Frage nach einem formellen Recht anhand der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage und damit gleichzeitig auch an der Frage, welche Ermessensentscheidungen überhaupt justitiabel sind, problematisiert (so unter § 15 II 1). Für das materielle Recht wurde unter § 20 II 1 d die gegenteilige Beobachtung gemacht.

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Nur in wenigen Fällen dient die Frage danach, ob die Vornahmeklage im Bereich der Ermessensentscheidungen überhaupt eine statthafte Klageart darstellen kann, als Einstieg in die Thematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts611. Erörtert wird diese hingegen öfter als weiterführende Anmerkung zum Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, woran die Urteile Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen formellem und materiellem Recht herausarbeiten612. Erklärbar wird diese Differenz durch die Beobachtung, dass bei der Entwicklung des formellen Rechts auch sein Anspruchsinhalt noch zur Diskussion steht. Der Anspruchsinhalt wird oft in Abgrenzung zu demjenigen des materiellen Rechts bestimmt, wodurch die Problematik eines inhaltlich bestimmten Anspruchs angerissen ist. Dessen Voraussetzungen werden dann im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage erörtert, auch wenn dies für die konkrete Falllösung irrelevant sein kann. Aus diesem Grund ist der Diskussionsbedarf um das materielle Recht großenteils schon gedeckt, bevor es selbst als entscheidungsrelevante Frage vor die Verwaltungsgerichte gelangt. Ein Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung wird somit nicht mehr anhand der Zulässigkeit der Verpflichtungsklagen problematisiert, sondern unter Verweis auf vorherige Entscheidungen diskussionslos angenommen613.

611 Dies ist nur in drei von zehn untersuchten Entscheidungen festzustellen, so in OVG Münster (11.05.1950), OVGE 2, S. 107 ff. (S. 108 f.) – [Schotterweg], in OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 28) – [Kottens] und in BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 242) – [Facharzt]. 612 Ansatzweise schon in OVG Hamburg (11.05.1950), VerwRspr 3, S. 105 ff. (S. 114) – [Heilpraktikergesetz], später umschreibt OVG Münster (17.03.1953), DÖV 1954, S. 27 f. (S. 27) – [Kottens] ein vom „materiellen Anspruch zu unterscheidendes formelles Recht . . . auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens“. Den materiellen Anspruch begründet klar OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. (S. 389 f.) – [Chirurg]: Hiernach steht in besonderen Fällen das formelle Recht „einem materiellsubjektiven Recht in der Wirkung gleich und kann mit der Klage auf Vornahme einer Amtshandlung . . . geltend gemacht werden“. 613 Nachweisbar in: BVerwG (29.01.1954), BVerwGE 1, S. 74 ff. (S. 75) – [Ehe]; im Ergebnis auch in OVG Münster (13.01.1955), OVGE 9, S. 218 ff. (S. 221 f.) – [Unterbringung] trotz entgegenlautenden Leitsatzes; BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall]; BVerwG (11.02.1957), BVerwGE 4, 283 ff. (S. 285) – [Beschwer]; BVerwG (07.05.1957), BVerwGE 5, 50 ff. (S. 53) – [Landesausgleichsamt]; BSG (03.07.1957), BSGE 5, S. 238 ff. (S. 242) – [Facharzt]; BayVGH (28.10.1957), BayVGHE 11, S. 110 ff. (S. 117) – [Standesbeamtin]. Detaillierter wurde hingegen die Thematik des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts problematisiert in OVG Lüneburg (20.11.1953), OVGE 7, S. 383 ff. (S. 389) – [Chirurg] und in BVerwG (29.11.1955), BVerwGE 2, S. 349 ff. (S. 351 f.) – [Vermessungsingenieur].

3. Abschn.: Vergleich der Entwicklungen

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3. Unterschiedliche Argumentation bei der grundrechtsunmittelbaren Ableitung Ein weiterer Unterschied erwächst aus dem unterschiedlichen Anspruchsinhalt von formellem und materiellem Recht. Anders als beim formellen Recht kann der Einzelne aufgrund eines materiellen Rechts nicht nur die Abwehr von rechtswidrigen Ermessensentscheidungen, sondern auch eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung und damit ein Tätigwerden des Staats verlangen. An dieser Gegensätzlichkeit scheitert eine gemeinsame Begründung der subjektiven Rechte, sofern diese rein grundrechtlich ausgerichtet ist. Zur Ableitung des formellen Rechts genügt schließlich die Abwehrfunktion der Grundrechte. Sie hilft jedoch nicht, einen Anspruch auf Verwaltungshandeln zu begründen, wenn dadurch in den Rechtskreis Dritter eingegriffen wird614. Nur der Gedanke einer staatlichen Schutzpflicht, welcher der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte entnommen werden kann, erlaubt es, einen Anspruch gegenüber dem Staat zu formulieren, der den Eingriff in Rechte Dritter mitumfasst. Aus diesem Grund sind die grundrechtsunmittelbaren Begründungen der beiden subjektiv öffentlichen Rechte grundsätzlich verschieden: Das Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung läßt sich aus der subjektiven, abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte herleiten. Demgegenüber erfordert das Recht auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung eine Begründung über die Schutzpflichten des Staats, die in der objektiv-rechtlichen Grundrechtsfunktion verankert sind. 4. Unterschiedliche Intensität der Diskussionen um die Entwicklung der beiden Ansprüche Die Verschiedenheit zwischen formellem und materiellem Ermessensanspruch zeigt sich auch in dem Ausmaß der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, das die jeweilige Entstehungsgeschichte prägte. Die Idee eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung erregt in den fünfziger Jahren in Rechtsprechung und Literatur breite Aufmerksamkeit. Sowohl zustimmende Auffassungen als auch ablehnende Äußerungen werden deutlich artikuliert615. 614 Der Abwehranspruch ist nur auf die Abwehr und Beseitigung staatlicher Handlungen gerichtet. Mit seiner Hilfe können jedoch keine Maßnahmen erreicht werden, die in Rechte Dritter eingreifen. Ausführlicher in § 22 II 2 a. 615 Die Ausführungen von Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 69 f. und VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 75 f.) wurden zwar zunächst nur durch die Literatur beachtet. Später entzündete sich die Diskussion um die Rechtsgrundlagen und die Reichweite des formellen subjektiv öffentlichen Rechts aber an den kritischen

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Anders zeigt sich hingegen die Situation des Anspruchs auf eine bestimmte Ermessensentscheidung. Seine frühe Begründung durch Bachof im Jahr 1948616 wird anfangs kaum rezensiert. Auch die landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die in den fünfziger Jahren einen Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung bejahen, finden nur mäßig Beachtung617. Weder in ihren Entscheidungen noch in der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich deutlich formulierte Aussagen, was als rechtliche Grundlage des materiellen Ermessensanspruchs diskutiert wird und was die Voraussetzungen einer Inhaberschaft sind. So gilt das materielle Recht mit der Bandsäge-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts618 ein Jahrzehnt später als anerkannt, ohne dass dem eine Phase der kritischen Auseinandersetzung mit seiner Existenz, seiner Herleitung und seinen Voraussetzungen vorangegangen wäre619. Ursächlich für das auffällige Begründungsdefizit620 des materiellen Ermessensanspruchs ist ein Zusammenspiel mehrerer ineinandergreifender Umstände. Zunächst ist für die Begründung des materiellen subjektiv öffentlichen Rechts schon ein Rückgriff auf das formelle Recht möglich. So ist in dem Zeitpunkt, als das materielle subjektiv öffentliche Recht bundesweit Anerkennung findet621, das formelle Recht über die Schutznormtheorie bereits dogmatisch abgesichert und nahezu unumstritten622. Schließlich unterscheiden sich beide Ansprüche lediglich im Grad der rechtlichen Bindung des begehrten Verwaltungshandelns, nicht aber hinsichtlich der Berechtigung des Einzelnen. Die Diskussion um ein subjektives Recht im Bereich des Ermessens an sich wird jeEinwürfen des Beschlusses des VGH BW (25.01.1952), DVBl 1952, S. 404 ff. – [Wohnraumzuweisung] und der rückständigen, aber vehementen Ablehnung des formellen Rechts durch Kohlmann, Ermessensgebrauch, 1964. 616 Bachof, SJZ 1948, Sp. 742 ff. (Sp. 749 f.). 617 Die frühen Urteile, OVG Hamburg (26.07.1948), DV 1949, S. 23 f. (S. 24) – [Autorückverschaffung] und VG Stuttgart (15.06.1949) – [Kriegsverletzung], zit. aus: Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 94 f., erregen ähnlich wie Bachofs Ausführungen nur wenig Aufmerksamkeit. Erst die vereinzelte Anerkennung des materiellen Ermessensanspruchs auf Landesebene führt im Jahr 1960 zu seiner Bestätigung durch das Bundesverwaltungsgericht, siehe dazu unter § 20 II 1 und IV. 618 BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. – [Bandsäge]. 619 Eine solch unkritische Akzeptanz ist zwar auch bei der Entstehung des formellen Rechts festzustellen. Allerdings vermied dort nur die Rechtsprechung eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Thematik (siehe schon § 16 I 1), seitens der Literatur wurde das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch rege diskutiert (so in § 15 III 2). 620 So auch Bachof, DVBl 1961, S. 128 ff. (S. 130) oder Erichsen, VVDStRL 35 (1977), S. 171 ff. (S. 210 mwN in Fn. 236). 621 Spätestens mit BVerfG (18.08.1960), BVerwGE 11, S. 95 ff. (S. 97) – [Bandsäge]. 622 Ein Blick auf die damalige Bundesrechtsprechung bestätigt dies: BVerwG (28.10.1955), BVerwGE 2, S. 288 ff. (S. 290) – [Dienstunfall]; BVerwG (06.06.1958, BVerwGE 7, S. 89 ff. (S. 91 ff.) – [Kohlereserven]; BVerwGE (13.01.1961, BVerwGE 11, S. 331 ff. (S. 332 f.) – [Nachtruhe].

3. Abschn.: Vergleich der Entwicklungen

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doch schon anhand des formellen Rechts ausgetragen. Da zur Feststellung des materiellen Rechts daher auf dieselbe Argumentation wie beim formellen Recht zurückgegriffen werden kann, erscheint dessen eigenständige Diskussion als überflüssig und wird nicht geführt623. Zudem bereitet die Verknüpfung der subjektiven Berechtigung des formellen Rechts mit der Ermessensreduktion auf Null des materiellen Rechts dogmatisch kaum Schwierigkeiten mehr. Denn einerseits steht nach 1945 die Notwendigkeit einer umfassenden rechtlichen Einbindung des Ermessens außer Frage624. Anderseits ist auch die Möglichkeit, die Verwaltung trotz ihrer Ermessensermächtigung zu einer bestimmten Entscheidung verpflichten zu können, über die Amtshaftungsrechtsprechung schon länger bekannt und erregt daher keine weitere Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt schlägt der Konzeption des materiellen Rechts nur ein Bruchteil des Widerstandes entgegen, dem das formelle Recht ausgesetzt war625. Die dadurch vergleichsweise reibungsfreie und unkomplizierte Anerkennung des materiellen Anspruchs trägt ebenfalls dazu bei, dass sich seine Entwicklung nicht in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses manövriert. Dennoch verwundert, mit welcher Widerspruchslosigkeit dem materiellen Ermessensanspruch begegnet wird. So sieht sich das materielle Recht weniger Vorbehalten und Protesten ausgesetzt, obgleich es anders als das formelle Recht den Handlungsspielraum der Verwaltung nicht nur graduell verengt, sondern ihn sogar auf Null reduziert und ihn dadurch in weitaus größerem Umfang als das formelle Recht beschränkt. 623 Hier will Ossenbühl, DÖV 1976, S. 463 ff. (S. 467) widersprechen. Seiner Ansicht nach habe sich die Rechtsprechung bei der Behandlung des materiellen Ermessensanspruchs vom Ansatz des „Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung gelöst“. Da er diese Behauptung aber nicht begründet, bleibt sie bloße Vermutung. 624 Als Reaktion auf das nationalsozialistische „Verwaltungsunrecht“ wurde die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit angestrebt. Ziel war nach Stolleis, Verwaltungsrechtswissenschaft, 1994, S. 241 f. eine umfassende Verrechtlichung des Staat-Bürger-Verhältnisses, die zum Teil über die rechtliche Begrenzung des Verwaltungsermessens erreicht werden sollte. 625 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass sowohl formelles als auch materielles Recht im Grunde selten direkt angegriffen wurden, sondern meist ihre angebliche Voraussetzungslosigkeit und damit ihre zu große Reichweite kritisiert wurden (siehe dazu unter § 15 III 2 und § 20 V 3). Die Ablehnung gegenüber dem formellen Recht wurde jedoch weitaus schärfer geäußert: Nach Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 1954, S. 658 „bedarf es der Konstruktion eines formellen subjektiven öffentlichen Rechts“ nicht. Auch Nebinger, DÖV 1953, S. 626 ff. (S. 628) „vermag nicht einzusehen, warum es ein Recht des Einzelnen auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens geben soll“. Weniger direkt äußern sich die kritischen Stimmen zum materiellen Recht, siehe dazu: Bettermann, NJW 1961, S. 1097 ff. (S. 1099); Menger, VerwArch 52 (1961), S. 92 ff. (S. 103 f.); Samper, Polizeiaufgabengesetz, 1965, Art. 4, Rn. 19 f. und Czermak, DÖV 1966, S. 750 ff. (S. 754 f.).

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Eine Erklärung lässt sich im Hinblick auf die Geisteshaltung der Verwaltungsrechtswissenschaft in den fünfziger und sechziger Jahren entdecken. Ihre Gesinnung ist unübersehbar durch die Grundannahmen des klassischen Verwaltungsrechts geprägt. Sie zu überwinden und die Reichweite der veränderten verfassungsrechtlichen Situation zu erkennen und zu akzeptieren, dauert mehrere Jahrzehnte626. Relevant ist dieser Umstand auch für die Entwicklung der subjektiven Rechte, da der Anspruch auf eine inhaltlich bestimmte Ermessensentscheidung letztlich in der Konsequenz der Durchsetzung und Optimierung der objektiv-rechtlichen Bindung des Verwaltungsermessens steht. Die Rechtsbindung des Staatshandelns war schon im klassischen Verwaltungsrecht aufgrund des Rechtsstaatlichkeitsgedankens eine zentrale Thematik627. Da diese Thematik der Rechtswissenschaft bekannt und vertraut war, stößt die Idee einer Ermessensreduktion auf Null und mit ihr das materielle Recht nach 1945 auf keine nennenswerten Hindernisse. Schwieriger erweist sich denn auch die Entstehungssituation des formellen Rechts und der Annahme einer subjektiven Berechtigung im Bereich des Verwaltungsermessens. Diese Idee erntet partiell massiven Widerspruch, weil die Idee einer subjektiven Berechtigung gegenüber der öffentlichen Gewalt dem klassischen Verwaltungsrecht zwar nicht unbekannt, aber systemfremd erscheint628. Die Entwicklung des Anspruchs auf fehlerfreien Ermessensgebrauch bricht deutlich mit den Auffassungen des klassischen Verwaltungsrechts. Erst über das Menschenbild des Grundgesetzes und die Fernwirkung der Grundrechte lässt sich die rechtspolitisch heikle Frage nach einer subjektiven Berechtigung beantworten. Ein reibungsloser Entstehungsprozess des formellen Ermessensanspruchs war darum unwahrscheinlich. Diese Darstellung demonstriert, weswegen bei der Erschaffung des formellen Rechts mehr Hindernisse zu überwinden waren. Sein „Entwicklungssprung“ 626 Insbesondere die Entwicklung des formellen Ermessensanspruchs wurde hierdurch gehemmt, siehe unter § 15 V. 627 Zwar gelingt es noch nicht, das Ermessen als Rechtsfolgenwahl beim Gesetzesvollzug rechtsstaatlich einzubinden, weil die Ermessensverwaltung als grundsätzlich verschieden zur rechtsgebundenen Verwaltung betrachtet wurde. Dennoch thematisieren die damaligen Ermessensfehlerlehren die Abgrenzung des Ermessenshandelns zum rechtlichen gebundenen Verwaltungshandeln und setzen sich daher mit der Reichweite der Ermessensfreiheit, bzw. ihren rechtlichen Grenzen auseinander. Dazu allgemein Stolleis, Geschichte 2, 1992, S. 414 f. und ausführlich Held-Daab, Ermessen, 1996, S. 92 ff. 628 Subjektive Rechte existieren singulär (siehe Darstellung in § 5 II 2 b), sie waren jedoch gesetzesakzessorisch konzipiert und standen damit zur Disposition des Gesetzgebers. Die originäre Berechtigung jedes Einzelnen gegenüber dem Staat, wie sie zuvor noch von den naturrechtlich inspirierten Grundrechtskatalogen propagiert wurde, verlor ihre Bedeutung im konstitutionellen Rechtsstaat, der für jede Berechtigung und Verpflichtung eine gesetzliche Ausgestaltung erforderte, siehe dazu auch Stolleis, Geschichte 2, 1992, S. 374 f.

3. Abschn.: Vergleich der Entwicklungen

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vom klassischen Verwaltungsrecht war größer als jener des materiellen Rechts. Indirekt erklärt dies auch, weshalb das materielle Recht weniger scharfen Angriffen ausgesetzt war und keine vergleichbaren Emotionen wie noch die Grundsatzdebatte um eine subjektive Berechtigung hervorrufen konnte. 5. Zusammenfassung Als Differenzen in der Entwicklung von formellen und materiellen subjektiven Recht lassen sich demnach ihre unterschiedliche Datierung und eine verschiedene Bedeutung des prozessualen Aspekts feststellen. Außerdem wird für den Fall einer grundrechtsunmittelbaren Ableitung der subjektiven Rechte mit unterschiedlichen Grundrechtsfunktionen argumentiert. Als auffälligste Abweichung beider Entwicklungen fällt auf, dass Rechtstheorie und Rechtspraxis die Entstehung des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch sowohl mit mehr Interesse als auch mit mehr Widerstand begleiteten, als es später beim materiellen Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung der Fall war. III. Zwangs- und Gegenläufigkeiten in der Entstehung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht Am Ende der Gegenüberstellung dieser beiden Entwicklungen soll die Frage aufgeworfen und beantwortet werden, welche der beschriebenen Prozesse determiniert verlaufen sind oder welche von ihnen unerwartet und damit diametral erfolgt sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst die Beobachtung, dass das materielle Recht in seiner Entwicklung dem formellen Recht stets hinterherhinkte. Stellt sich die Frage nach der Zwangsläufigkeit dieses Ablaufs, so lässt sich verschiedentlich begründen, warum der Entwicklungsprozess vom formellen zum materiellen Recht vorgezeichnet war. Das materielle Recht konnte sich zeitlich erst nach dem formellen Recht entwickeln, da seine Konstruktion in der Frage der subjektiven Berechtigung auf der Theorie des formellen subjektiven Rechts aufbaute. Ebenso ist der grundrechtliche Begründungsansatz des materiellen Rechts über staatliche Schutzpflichten Ausdruck einer fortgeschrittenen Grundrechtsdogmatik, die neben der subjektiv-rechtlichen Dimension den Grundrechten auch eine objektiv-rechtliche Bedeutung beimaß. Auch in dieser Hinsicht war vorgezeichnet, dass das materielle dem formellen Recht zeitlich nachfolgen musste. Gegenüber diesen Zwangsläufigkeiten lassen sich folgende Gegenläufigkeiten entdecken. Das materielle Recht auf eine bestimmte Ermessensentscheidung ist deutlich weniger Widerstand exponiert gewesen als das formelle Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung. Es ist schwierig, eindeutig zu erklären, warum die

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3. Teil: Vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht

Vorbehalte gegen das formelle Recht nicht bei der Schaffung des materiellen Rechts wieder laut wurden629. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass das Problem der Konstruktion eines weiteren Anspruchs im Bereich des Ermessens prinzipiell als geklärt empfunden wurde. Weil bei Entstehung des materiellen Ermessenanspruchs schon einige Jahre mehr seit Verfassungsgebung vergangen waren, wird ihm weniger Argwohn entgegengebracht. Schließlich waren dies Jahre, in denen die Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht in größerem Ausmaß entdeckt und umgesetzt werden konnte, als in der Zeitspanne der wenigen Jahre nach 1945 bis zur Entwicklung des formellen Rechts möglich war. Bis sich die Erkenntnis vollständig durchsetzt, dass das Zusammenwirken von Rechtsweggarantie und einer originären Berechtigung des Einzelnen über die unmittelbare Grundrechtsgeltung zu einem gerichtlich einklagbaren, subjektiven Abwehr- oder Leistungsanspruch führt, dauert es allerdings noch bis in die sechziger Jahre. Erst von diesem Zeitpunkt an kann die Existenz subjektiver Rechte auf dem Gebiet des Verwaltungsermessens als weithin akzeptiert gelten. Letztlich ist der Entwicklungsverlauf vom formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht durch die Gegenläufigkeit geprägt, dass der materielle Anspruch ungeachtet seiner stark begrenzenden Wirkung auf das Verwaltungsermessen vergleichsweise bald entstanden ist. Die Anerkennung des materiellen Ermessensanspruchs folgt schließlich schon wenige Jahre nach der vergleichsweise zögerlichen Entstehung des formellen Ermessensanspruchs, dessen schnellere Entwicklung durch die Geltung einiger Prämissen des klassischen Verwaltungsrechts blockiert war. Die Beobachtung, dass der Entstehungsprozess des materiellen Ermessensanspruchs trotz seiner weitreichenden Konsequenzen für den behördlichen Ermessensspielraum so rasch und ungehindert verlief, durchbricht die einfache Vorstellung von einer prognostizierbaren Entwicklung des formellen zum materiellen subjektiv öffentlichen Recht.

629 Zwar wurde unter § 24 II 4 erläutert, welche Faktoren dafür verantwortlich waren, dass sich der Widerstand gegen die Entwicklung des materiellen Rechts in Grenzen hielt. An der Tatsache, dass über das materielle Recht das Verwaltungsermessen viel stärker eingeengt werden konnte, hätte sich die Diskussion über subjektive Rechte im Bereich des Ermessens ebenso gut erneut entzünden können.

4. Teil

Zukunftsperspektiven der Subjektivierung Der Hauptteil dieser Arbeit widmete sich der Entstehung von Ermessensansprüchen in den ersten beiden Jahrzehnten nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland. An diesem Punkt schließt die Untersuchung jedoch noch nicht. An ihrem Ende richtet sich der Blick noch einmal nach vorne und wirft die Frage auf, wie sich die Subjektivierung des Verwaltungsermessens weiter fortentwickelt hat, nachdem diese spätestens in den siebziger Jahren prinzipiell Anerkennung gefunden hatte. Erörtert wird dabei auch, welche Entwicklungsperspektiven sich der subjektivierten Ermessensfehlerlehre1 heute im Rahmen des Öffnungsprozesses der nationalen Rechtsordnung bieten und welche davon realisierbar sind.

§ 25 Weiterentwicklung der Subjektivierung Nachdem die Entwicklung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht einige Widerstände zu überwinden hatte, wurden beide Ansprüche ab Mitte der sechziger Jahre auf breiter Basis akzeptiert. In den kommenden Jahrzehnten ist die subjektivierte Ermessensfehlerlehre durch eine Phase der Festigung und Dogmatisierung geprägt. I. Konsolidierung der subjektivierten Ermessensdogmatik So wie sich der Widerstand gegen die Existenz subjektiver Rechte in den siebziger Jahren verlor2, so erstarkte die Anerkennung von Ermessensansprüchen. Die individualrechtsfreundliche Interessenswertung löste folgenden Automatismus aus.

1 Der Begriff der subjektivierten Ermessensfehlerlehre umschreibt den Einfluss der Subjektivierung auf die Ermessensdogmatik allgemein. Sichtbar wird der Subjektivierungsgedanke sowohl in der Entstehung von Ansprüchen auf eine rechtmäßige bzw. bestimmte Ermessensentscheidung als auch in der Beschränkung des Ermessensfreiraums durch subjektive Rechte, ausführlicher schon unter § 17 IV. 2 Zum Widerstand gegen die Ermessensansprüche in § 24 II 4. Auch wenn die Kritik später nicht verstummte, so richtete sie sich nicht gegen die Idee der Rechtssubjektivität an sich, sondern nur gegen dessen konkrete Ausgestaltung in Form des subjektiven Rechts. Übersichtlich: Ruffert, DVBl 1998, S. 69 ff. (S. 69 f. mwN in Fn. 10 ff.).

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4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

Für den formellen Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung ist Voraussetzung, dass private Belange in die Abwägung der Ermessensentscheidung einfließen müssen3. Indem nach 1945 vormals öffentliche Interessen nun zunehmend als private Belange betrachtet wurden4, erweiterte sich der Anwendungsbereich des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. In der Konsequenz tangierten viele Ermessensentscheidungen, die im klassischen Verwaltungsrecht nur öffentliche Belange abzuwägen hatten und daher einer rechtlichen Kontrolle durch den Einzelnen entzogen waren, nun individuelle Interessen. Damit einhergehend wuchs auch die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf eine bestimmte Ermessensentscheidung5. Förderlich für die Entwicklung dieses Anspruchs war neben dem Wandel in der Betrachtungsweise von öffentlichen Interessen als private auch das Streben nach einer hohen gerichtlichen Kontrolldichte. Das Ziel einer Verrechtlichung der Ermessensausübung6 begünstigte die Entstehung von Ansprüchen im Bereich des Verwaltungsermessens. Zugleich beschleunigte die Ausdifferenzierung der Ermessensfehlerlehre das verstärkte Eindringen rechtlicher Maßstäbe in das Ermessenshandeln der Verwaltung. Die Wirkung der Subjektivierung bestand maßgeblich darin, dass neben der Ermessensbeschränkung durch objektive Normen auch der Einfluss subjektiv-rechtlicher Vorschriften zunehmend an Gewicht gewann. Dieser Bedeutungszuwachs vollzog sich, indem die ermessensreduzierenden Einwirkungsmöglichkeiten subjektiver Normen dogmatisch erfasst wurden7. Zudem spielte die steigende Anerkennung subjektiver Rechte eine wichtige Rolle bei dem Pro3 Dies ist zu folgern aus der Notwendigkeit, dass die Ermächtigungsnorm zumindest auch den Interessen Privater zu dienen bestimmt sein muss und die Abwägung damit letztlich auch den Ausgleich von privaten Interessen bezweckt (detailliert unter § 22 II 3 a). 4 Das anschaulichste Beispiel ist die schon in § 1 I 1 (Fn. 5) und 19 III 2 dargestellte Veränderung der Schutzrichtung der polizeilichen Generalklausel. Vergleichbar damit ist die von Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 162 (mwN in Fn. 456 f.) erwähnte Veränderung des Beamtenrechts, das sich nach 1945 zunehmend subjektiven Rechten öffnete. Aber schon 1963 zitiert Bachof, Entwicklungstendenzen, 1963, S. 3 ff. (S. 12) als Beispiel für den „Wandel in der Beurteilung der Interessensrichtung vieler Normen“ die als individualrechtsschützende anerkannte Wirkung von Vorschriften des Baurechts. 5 Gern, DVBl 1987, S. 1194 ff. (S. 1195 ff.) leistet einen nach Fachbereichen geordneten Überblick über die heute anerkannten Ansprüche im Falle einer Ermessensreduktion auf Null. 6 Beschrieben etwa bei Soell, Eingriffsverwaltung, 1973, S. 64 und Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 173 f.) und DVBl 1993, S. 753 ff. (S. 758 f.). Schon früh moniert Ossenbühl, DÖV 1968, S. 618 ff. (S. 619), dass das Ausmaß der Beschränkung des Verwaltungsermessens einen Grad erreicht habe, „der als unheilvoll bezeichnet werden kann“. 7 Zu den ermessensreduzierenden Möglichkeiten durch subjektive Normen in § 17 III.

4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

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zess, die exekutiven Ermessensspielräume aufgrund ihrer zunehmenden Verrechtlichung stetig zu verengen8. Die fortschreitende rechtliche Beschränkung des Verwaltungsermessens rief gegen Ende der siebziger Jahre Ablehnung und Proteste hervor. Kritische Stimmen sahen die Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung gefährdet und die Funktionsfähigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht mehr gewährleistet9. Die defensive Haltung gegenüber einer weiteren Verrechtlichung des Verwaltungsermessens richtete sich insbesondere gegen das Ausmaß der Kontrolle des exekutiven Handelns. Die Ermessensdogmatik an sich und ihre Ausbildung von zahlreichen Fehlerkategorien blieben hingegen relativ unbestritten. Beide können heute als gefestigt beurteilt werden10. II. Prognose eines Wandels der deutschen Ermessenslehre Erst als die Einflüsse fremder Rechtsordnungen die subjektivierte Ermessensdogmatik zu Beginn der neunziger Jahre in Frage stellten, wurde das Fundament der deutschen Ermessenslehre erschüttert. Seit Mitte der achtziger Jahre öffnet sich das Verwaltungsrecht infolge der Einwirkung von Normen des Gemeinschafts- und des Völkerrechts nach außen11. Wirtschaftliche Verflechtungen verursachen seitdem eine Art „freiwillige“ Konkurrenz der nationalen Rechtsordnungen als Standortfaktoren im internationalen Wettbewerb12 und motivieren diese, sich an anderen nationalen oder an supranationalen Rechtsordnungen zu orientieren. Neben diesem faktischen Veränderungsdruck geht von der Rechtsgemeinschaft der Europäischen Union auch ein normativer Zwang aus, die eigene Rechtsordnung dem Gemeinschaftsrecht anzupassen13. Die Änderungsimpulse des Gemeinschaftsrechts sind aufgrund seiner direkten Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsordnungen seiner Mitgliedstaaten14 besonders ausgeprägt. Aus diesem Grund stehen europarechtliche Einflüsse im 8 Autexier, Diskussionsbeitrag, 1993, S. 312 ff. (S. 314) fasst treffend zusammen: „Das Primat der subjektiven öffentlichen Rechte führt zu einer systematischeren Behandlung und höheren Formalisierung der Einzelentscheidungen der Behörden und ihrer richterlichen Kontrolle.“ 9 So Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 12, Rn. 10; weitere Einwände bei Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, S. 754 ff.; typisch ist etwa das Begehren von Obermayer, NJW 1987, S. 2642 ff. (S. 2645), die Ermessenslehre „aus dem Labyrinth überholter Verwaltungsvorstellungen und avantgardistischer Theorieerwägungen“ zu befreien. 10 Etwa auch Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 10 und 15. 11 So Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. (S. 496). 12 Siehe bei Pache, Abwägung, 2001, S. 191. 13 So Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 309); auch Schwarze, Europäisierung, 1996, S. 789 ff. (S. 791 f.).

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4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

Mittelpunkt, wenn im nun folgenden und gleichzeitig letzten Paragraphen über die Zukunftsperspektiven der subjektivierten Ermessensdogmatik nachgedacht wird. Wie sich mit der deutschen Rechtsordnung auch das Verwaltungsrecht aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen ändert, so ist ebenso für die deutsche, subjektivierte Ermessenslehre über kurz oder lang eine grundlegende Umgestaltung nach gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu erwarten15.

§ 26 Veränderungsdruck und Veränderungschancen Die Bildung des Gemeinschaftsrechts ist in weiten Teilen eher als politische Kompromissfindung zu bewerten denn als rechtliches Substrat der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Weil jeder Staat darin interessiert ist, möglichst viele Elemente seiner Rechtsordnung in das Gemeinschaftsrecht einzubringen, stellt die europarechtliche Lösung oft einen „pragmatischen Mittelweg“16 zwischen den Interessen und damit den Regelungsvarianten der verschiedenen Mitgliedstaaten dar. Infolgedessen ist zu vermuten, dass die deutsche Ermessensdogmatik über den Einfluss des Gemeinschaftsrechts insbesondere dann einer Veränderung ausgesetzt sein wird, wenn sie besonders außergewöhnlich im Vergleich zu anderen Staaten und daher weit entfernt vom europäischen Mittel ist. Soll die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Änderung der subjektivierten deutschen Ermessensdogmatik beurteilt werden, so wird eine Untersuchung notwendig, inwieweit die deutsche Ermessenslehre sich vom gemeinschaftsrechtlichen Konzept und der Regelungen anderer Mitgliedstaaten unterscheidet17. Zu erörtern ist, ob die Subjektivierung des Verwaltungsermessens auch in anderen Rechtsordnung auffindbar oder ob sie ein rein deutsches Spezifikum ist. Anschließend an die Beantwortung dieser Frage lassen sich die Entwicklungsperspektiven der deutschen, subjektivierten Ermessensfehlerlehre beurteilen.

14 Nicht nur die primär- und sekundärrechtlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts wirken unmittelbar. Auch die Bindung der Mitgliedstaaten wie deren Bürger durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ist entscheidend für die europarechtliche Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. 15 Zwar unterliegt das Verwaltungsrecht am stärksten nationalen Prägungen, so schon Scheuner, DÖV 1963, S. 714 ff. (S. 714). Allerdings machte das Gemeinschaftsrecht auch vor dem Verwaltungsrecht, für Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 380) eine der „vermeintlich sicheren Bastionen nationaler Autonomie“, nicht mehr halt. 16 Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2464). 17 Der Umfang dieser Arbeit bedingt, dass eine solche Rechtsvergleichung hier nur im Überblick erfolgen kann und sich auf eine Auswahl folgender Vorarbeiten stützen muss: Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 ff.; Frowein, Kontrolldichte, 1993; Götz/ Klein/Starck, Verwaltung, 1985; Bullinger (Hrsg.): Verwaltungsermessen, 1986; Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997; Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998; Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. und Abwägung, 2001.

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I. Besonderheit der deutschen Ermessenslehre im gemeinschaftsrechtlichen Vergleich Will man den formellen und materiellen Anspruch auf Ermessensausübung einer rechtsvergleichenden Untersuchung unterziehen, so scheitert eine isolierte Betrachtung dieser Rechtsfiguren schon bald daran, dass sie sich in keiner europäischen Rechtsordnung wiederfinden lassen18. Dass die Ermessensansprüche als solche nicht in anderen Rechtsordnungen existieren, bedeutet jedoch nicht, dass ihre Thematik dort nicht besteht oder unbewältigt ist. Diesen Schwachpunkt einer einfachen, textualen Rechtsvergleichung überwindet der funktionale Ansatz der Rechtsvergleichung19. Er favorisiert eine allgemeinere Betrachtungsweise, indem er sein Augenmerk auf das Funktionieren von Normen und Rechtsinstituten richtet20. Den Ausgangspunkt der Vergleichung bildet daher immer die Frage, auf welche Weise die andere Rechtsordnung das jeweilige Sachproblem löst. Für einen Vergleich der subjektivierten Ermessenslehre muss der Blick daher weg von der speziellen Dogmatik subjektiver Ansprüche und ermessensbegrenzender Faktoren auf die allgemeinere Thematik gelenkt werden, ob und in welchem Umfang es eine Rechtsordnung dem Einzelnen erlaubt, eine gerichtliche Kontrolle von behördlichen Ermessensentscheidungen zu initiieren21. Anhand dieser weit angelegten Problemstellung sind verschiedene Themenkreise einheitlich zu betrachten, um rechtsvergleichend taugliche Ergebnisse erreichen zu können22.

18 Schon das Konzept des subjektiv öffentlichen Rechts ist auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene völlig und bei seinen anderen Mitgliedstaaten so gut wie unbekannt, so Triantafyllou, DÖV 1997, S. 192 ff. (S. 193). Auch nach dem Ergebnis der Rechtsvergleichung von Schwarze, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1988, S. 246 ff. existiert das subjektive Recht auf eine fehlerfreie oder bestimmte Ermessensentscheidung nur in Deutschland. 19 So auch bei Starck, JZ 1997, S. 1021 ff. (S. 1026 f.). 20 Siehe dazu Schwarze, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1988, S. 80 ff. (mwN in Fn. 29) oder Starck, JZ 1997, S. 1021 ff. (mwN auf S. 1028 in Fn. 110). 21 Für diese breiter angelegte Betrachtungsweise spricht auch, dass sich die Europäisierung nach Schoch, Europäisierung, 1999, S. 135 ff. (S. 137) nicht nur sektoral begrenzt, sondern vor allem auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts auswirkt. 22 Die rechtsvergleichende Untersuchung wird sich daher im Folgenden an folgenden Teilfragen orientieren: Wie ausdifferenziert oder gar subjektiviert zeigt sich die Ermessensdogmatik? Besteht ein subjektives Rechtsschutzsystem? Auf welche Weise und wie intensiv werden Ermessensentscheidungen gerichtlich kontrolliert?

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1. Charakteristika der deutschen Ermessensdogmatik Eine Voraussetzung für die Herausbildung von Ermessensansprüchen war eine starke Verrechtlichung des deutschen Verwaltungsermessens. So existieren in großem Umfang rechtliche Maßstäbe, anhand derer die Verwaltungsgerichte die Ermessensausübung kontrollieren können. Diese umfangreichen Prüfmöglichkeiten stehen dem Einzelnen über sein Recht auf fehlerfreie oder auf bestimmte Ermessensentscheidung offen23. Das subjektive Rechtsschutzsystem des deutschen Verwaltungsprozessrechts gewährt die individuelle Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfbarkeit von behördlichen Ermessensentscheidungen. Es bezweckt die Wahrung subjektiver Rechte24 und erfordert die Geltendmachung einer Rechtsverletzung für eine Klageberechtigung. Ein rein objektiv-rechtlicher Verstoß befugt den Einzelnen noch nicht zur Klagerhebung. Diese Systementscheidung zugunsten subjektiver Rechte25 erfordert allerdings auch die Schaffung und Gestaltung subjektiv-rechtlicher Positionen26. Grundrechtlich motiviert wurde die Subjektivierung in Form einer rechtlichen Gestaltung der Rechtsstellung des Einzelnen stets voran getrieben. Infolge der Existenz zahlreicher subjektiv-rechtlicher Normen weist das Verwaltungsrecht heute einen hohen Verrechtlichungsgrad auf. Die Kombination der ausgeprägten Verrechtlichung des Verwaltungsermessens mit dem subjektiven Rechtsschutzsystem bewirkt eine beträchtliche Kontrolldichte von Ermessensakten27. Um deren Ausmaß in Relation zum Recht der Europäischen Gemeinschaft und seiner Mitgliedstaaten setzen zu können, bedarf es eines vergleichenden Blicks auf die dort vorzufindenden Möglichkeiten des Einzelnen, gerichtlich gegen Ermessensentscheidungen vorzugehen. 2. Wesen der europarechtlichen Ermessenslehre Schon der Ermessensbegriff ist im Gemeinschaftsrecht weiter gefasst als in der deutschen Ermessenslehre. Er erfasst nicht nur die Befugnis der Verwaltung 23 Die „Aufladung des Ermessensbereichs mit subjektiv-rechtlichen Ansprüchen“ ist nach Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 274) eine Folge der intensiven „Subjektivierung‘ der deutschen Ermessenspraxis“. 24 So etwa Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 ff. (S. 170). 25 Beschrieben z. B. bei Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 11 ff. 26 Als Beispiel kann die Entwicklung der Ermessensansprüche dienen, wie sie in dieser Arbeit nachgezeichnet wurde. 27 Ein Indiz der hohen Kontrolldichte ist der Umstand, dass in Deutschland im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl mehr Verwaltungsprozesse geführt und mehr Verwaltungsrichter beschäftigt werden als in jeder anderen Rechtsordnung, so Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 ff. (S. 171 mwN in Fn. 168); weitere Fakten bei Pache, Abwägung, 2001, S. 181 f.

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zur Bestimmung der Rechtsfolgen einer Norm, sondern auch die zur Beurteilung des Tatbestandes28. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis von Ermessen umschließt „alle Entscheidungs-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume“29 der Verwaltung. Das Gemeinschaftsrecht verfolgt daher einen umfassenderen Ansatz als die deutsche Konzeption des exekutiven Ermessens30. So weit die Auffassung des europarechtlichen Ermessensbegriffs ist, so unscharf zeigt sich die Ermessensfehlerlehre des Gemeinschaftsrechts31. Zwar dienen gemeinschaftsrechtliche Grundsätze wie Gleichheit, Verhältnismäßigkeit, Vertrauensschutz und Rechtssicherheit als rechtliche Maßstäbe, anhand derer Ermessenshandlungen gemessen werden können32. Die Beachtung der genannten Rechtsgrundsätze durch die Verwaltung unterliegt jedoch nur einer Evidenzkontrolle33. Eine Verletzung dieser Prinzipien durch eine Ermessensentschei28 Siehe dazu ausführlicher: Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 384); Danwitz, System, 1996, S. 184 ff.; ähnlich auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 1999, § 31, Rn. 31. Die Beschränkung des exekutiven Entscheidungsfreiraums auf die Rechtsfolgenseite und die vollständige richterliche Kontrolle der Verwaltung bei tatbestandlichen Beurteilungen bezeichnet Sendler, NJW 1994, S. 1518 ff. (S. 1519) als „ganz und gar deutsches Spezifikum“; für Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 277) ist die Trennung von Ermessensspielraum und unbestimmten Rechtsbegriff „ein bemerkenswertes deutsches Eigengewächs“. Hingegen zur gemeinschaftsrechtlichen Konzeption: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 862; Streinz, Europarecht, 2001, Rn. 525; Koenig/Pechstein/Sander, Prozessrecht, 2002, Rn. 540. 29 Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 384), ganz ähnlich auch Streinz, Europarecht, 2001, Rn. 525. 30 Die Enge der deutschen Konzeption wird erkennbar anhand der Begriffsbestimmung durch Starck, Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 167), wonach „Ermessen eine besondere Zuständigkeit zur Rechtskonkretisierung im Rahmen einer vorgegebenen Zweckbestimmung“ sei. Auch der Ermessensbegriff von Ossenbühl, Rechtsquellen, 2002, § 10, Rn. 10 als „normativ begründete, eingegrenzte und dirigierte Rechtsfolgenbestimmung durch die Verwaltung“ zeigt die Strenge der deutschen Definition. Anders ist im Gemeinschaftsrecht hingegen keine normative Ermächtigung zur Ermessensausübung erforderlich, so Rausch, Kontrolle, 1994, S. 302). Ermessen liegt immer dann vor, wenn die Verwaltung komplexe Sachverhalte zu würdigen hat, so etwa Herdegen/Richter, Rechtslage, 1993, S. 209 ff. (S. 244). 31 Die europarechtliche Ermessensfehlerlehre unterscheidet lediglich sonstige Ermessensfehler von dem von Art. 230 Abs. 2 und 232 Abs. 1 EGV erfassten Ermessensmissbrauch, etwa bei Koenig/Pechstein/Sander, Prozessrecht, 2002, Rn. 613. Umfassend zur gemeinschaftsrechtlichen Ermessensfehlerlehre: Bleckmann, Ermessensfehlerlehre, 1997, S. 215 ff. 32 Die rechtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung steht nach Art. 220 EGV dem Europäischen Gerichtshof als Inhaber der obersten rechtlichen Kontrollbefugnis zu. 33 So Danwitz, System, 1996, S. 184 und S. 186 (mwN in Fn. 617). Ähnlich auch Herdegen/Richter, Rechtslage, 1993, S. 209 ff. (S. 246 f.). Everling, Funktion, 1993, S. 293 ff. (S. 307) verweist auf die Ähnlichkeiten zur Ermessenskontrolle in Frankreich.

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dung zieht demnach lediglich dann gerichtliche Konsequenzen nach sich, sofern sie offensichtlich ist34. Die Praxis des Europäischen Gerichtshofs, bei der Ermessensausübung „nur die Einhaltung äußersten Grenzen“35 zu überprüfen, scheint auf eine laxe Kontrolle hinzuweisen. Die Klageberechtigung hingegen ist deutlich offener konzipiert als die Klagebefugnis nach der deutschen Schutznormtheorie36. Verkürzt lässt sich die gemeinschaftsrechtliche Klagebefugnis dahingehend umschreiben, dass schon eine individuelle, unmittelbare Betroffenheit ausreicht, um gegen rechtswidrige Ermessensentscheidungen gerichtlich vorgehen zu können37. Wider Erwarten intensivieren die niedrigen Voraussetzungen einer Klagzulassung die zurückhaltende Ermessenskontrolle aber nicht. Sie erweitern zwar über niedrige Klagezulassungsvoraussetzungen prinzipiell den Zugang zum Gericht. In der Begründetheit der Klage wird das Verwaltungsermessen dann jedoch nur selten und nur auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit überprüft. Im Ergebnis kontrolliert der Europäische Gerichtshof die Ermessensausübung damit deutlich extensiver, als die deutschen Verwaltungsgerichte behördliches Ermessen überprüfen38. 3. Merkmale der Ermessenslehren anderer europäischer Mitgliedstaaten Das weit verbreitete System der Interessentenklage erleichtert dem Einzelnen prinzipiell den Zugang zu den Gerichten. Anders als bei der deutschen Verletztenklage, die eine subjektive Rechtsverletzung für die Klagebefugnis erfordert, reicht im Fall der Interessentenklage schon eine Betroffenheit in eigenen Interessen, um als Klageberechtigter Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht begehren zu können39. Die Interessenklage zieht den Kreis der potentiell Klagebe-

34 Siehe hierzu die Darstellung bei Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 384). Anderes als in Deutschland liegt der Schwerpunkt der gerichtlichen Kontrolle auf der Überprüfung des Verwaltungsverfahrens und nicht auf einer inhaltlichen Kontrolle des Verfahrensergebnisses, so Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2460) und Redeker, NJW 1997, S. 373 f. (S. 374). 35 Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 384). 36 Ausführlich bei Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 121 ff. Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2458) bezeichnet die europäische Rechtsprechung „im Vergleich zum deutschen Recht also ausgesprochen großzügig“. Für Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 310) ist sie Ursache einer „europarechtlich induzierten, erweiterten Klagbarkeit“. 37 Siehe etwa bei Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 ff. (S. 151 ff.); Redeker, NJW 1997, S. 373 f. (S. 374); Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 122; Streinz, Europarecht, 2001, Rn. 530 ff.; Koenig/Pechstein/ Sander, Prozessrecht, 2002, Rn. 390 ff. 38 So Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2461), Redeker, NJW 1997, S. 373 f. (S. 374).

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fugten somit weiter als die Verletztenklage 40. Dieser Umstand sollte eine weitreichende richterliche Kontrolle von Ermessensakten im Grunde begünstigen. In anderen Rechtsordnungen wurde das Verwaltungsermessen nicht vergleichbar stark verrechtlicht. Dort existieren weniger materiell-rechtliche Maßstäbe für eine gerichtliche Ermessensüberprüfung. Damit erscheint die deutsche Ermessensdogmatik als überdurchschnittlich systematisiert im Vergleich zu den Ermessenslehren anderer Staaten. Sowohl die Ausdifferenzierung der Ermessensfehlerlehre als auch die dogmatische Unterscheidung in Beurteilungs- und Entscheidungsfreiräume der Verwaltung ist ein europaweiter Einzelfall41. Infolgedessen müsste die Ermessenskontrolle durch die Verwaltungsgerichte in anderen Rechtsordnungen extensiver sein als in Deutschland. Letztendlich ist für die Kontrolldichte von Ermessensentscheidungen jedoch weder der Kreis der Klageberechtigten noch der Verrechtlichungsgrad für sich alleine entscheidend. Maßgeblich ist insbesondere auch die Grundeinstellung zur gerichtlichen Kontrolle der Verwaltungsbehörden. Die schwache rechtliche Ausformung der Ermessenslehren in anderen Länder liefert ein Indiz dafür, dass der Normierung und gerichtlichen Überprüfung des Verwaltungsermessens keine vergleichbar große Rolle wie in Deutschland beigemessen wird. Aufgrund eines Vertrauens in die Richtigkeit exekutiver Letztentscheidungsbefugnisse wird eine umfassende rechtliche Kontrolle als nicht erforderlich empfunden. Damit ist der entscheidende Grund genannt, weshalb in den europäischen Mitgliedstaaten Ermessensentscheidungen grundsätzlich einer weniger restriktiven, gerichtlichen Kontrolle unterliegen als in Deutschland42.

39 Das zur Verletztenklage gegensätzliche Konzept der Interessentenklage stellen Gerstner, Drittschutzdogmatik, 1995, S. 260 f. und Schwarze, NVwZ 1996, S. 22 ff. (S. 23) rechtsvergleichend am Beispiel des französischen Verwaltungsprozessrechts dar. 40 Im Ergebnis etwa Classen, VerwArch 88 (1997), S. 645 ff. (S. 646). 41 Für Pache, Abwägung, 2001, S. 512 stellt sich im Vergleich zur Lösung anderer europäischer Staaten oder der USA die volle Kontrolle der tatbestandlichen Voraussetzungen und die Verbannung des Ermessens auf die Rechtsfolgenseite als „deutscher Sonderweg“ dar. Dieser ist laut Sendler, NJW 1994, S. 1518 ff. (S. 1519) fast überall unbekannt. 42 Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 273) hält die Maßstäbe, nach denen das Ermessen im Ausland kontrolliert wird, vergleichbar mit denjenigen, die in Deutschland beim Planungsermessen angewandt werden. Hier überprüft das Gericht den Ermessensakt schließlich kaum inhaltlich. Es orientiert sich bei der Kontrolle vielmehr an der Frage, ob sich die Ermessensentscheidung im „Rahmen des vom Gesetz verbliebenen Zweckes“ halte. Speziell für Frankreich stellt Schwarze, NVwZ 1996, S. 22 ff. (S. 24) eine „traditionell geringer ausgeprägt[e]“ Kontrolldichte als in Deutschland fest.

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4. Ursachen der Eigenartigkeit der deutschen Ermessenslehre Werden die Möglichkeiten des Einzelnen, eine gerichtliche Kontrolle von Ermessensakten im deutschen Verwaltungsprozessrecht zu initiieren, mit jenen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene und in anderen europäischen Staaten verglichen, so sticht ins Auge, wie sehr der deutsche Lösungsansatz „von einer mittleren Basis entfernt“43 ist. Sowohl die Dogmatisierung der deutschen Ermessenslehre als auch die Strenge der gerichtlichen Ermessensüberprüfung sucht in Europa ihresgleichen44. Es taucht daher die Frage auf, worauf die festgestellten Eigenarten der deutschen Ermessenslehre zurückzuführen sind. Die nationale Bedingtheit der deutschen Ermessensdogmatik kann an dieser Stelle nicht umfassend oder gar abschließend geklärt werden. Hingegen ist es möglich, einige Rahmenbedingungen anzudeuten, anhand derer sich erklären lässt, weshalb gerade die deutsche Rechtsordnung nach 1945 so günstige Voraussetzungen für die Entwicklung der subjektivierten Ermessenslehre bot. Die wichtigste Rolle ist dem verfassungsrechtlichen Rahmen beizumessen. Der Vorrang der Verfassung und die unmittelbare Grundrechtsgeltung verursachen eine starke Abhängigkeit des Verwaltungsrechts von verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen. Für die Subjektivierung der Ermessenslehre ist dieses Spannungsverhältnis in verschiedener Hinsicht relevant45. Zunächst kann seit Bachof als anerkannt gelten, dass immer dann, wenn eine Norm private Interessen faktisch schützt, diese auch gesetzlich geschützt werden sollen46. Die Unterscheidung von tatsächlich und normativ geschützten Interessen in Rechtsreflexe und subjektive Rechte wurde damit hinfällig. Schützt ein Gesetz de facto private Interessen, dann sind diese auch als gesetzlich geschützt und damit als subjektive Rechte anerkannt. Zudem begünstigen die Grundrechte bei der Entscheidung, welche Interessen als öffentlich und welche als privat zu werten sind, eine subjektiv-rechtliche Auslegung. Sie legen damit den Grundstein für die Weiterentwicklung der deut43

Sendler, NJW 1994, S. 1518 ff. (S. 1520). Die „deutliche Sonderrolle“ der deutschen Ermessenskontrolle beschreibt Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 272) als Ergebnis der rechtsvergleichenden Untersuchung von Frowein, Kontrolldichte, 1993. Ähnlich auch Everling, Funktion, 1993, S. 293 ff. (S. 306), der in anderen Mitgliedstaaten „kaum Parallelen“ zur deutschen Ermessenslehre findet. 45 Auch Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 274 f.) sieht in der verfassungsrechtlichen Überformung des Verwaltungsrechts den Grund für die starke „Subjektivierung“ der deutschen Ermessenspraxis. 46 Bachof, Reflexwirkungen, 1955, S. 287 ff. (S. 301), zuvor auch schon in VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff. (S. 74 f.) leitet diese Erkenntnis aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes ab. 44

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schen Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht47. Mit der verstärkten Anerkennung subjektiver Interessen wurden diese zunehmend auch Gegenstand von behördlichen Ermessensentscheidungen. Deren gerichtliche Überprüfbarkeit sichert wiederum Art. 19 Abs. 4 GG. Das Zusammenspiel dieser besonderen verfassungsrechtlichen Umstände bewirkt im Ergebnis eine sehr intensive Kontrolle des Verwaltungsermessens48. Überdies bestimmt die Verfassung den Zweck der Verwaltungsgerichtsbarkeit und damit insbesondere auch jenen der Ermessensüberprüfung. Das auf den Grundrechten basierende, subjektive Rechtsschutzsystem dient primär dazu, Individualrechte zu wahren. Es bezweckt nur zweitrangig, eine objektiv rechtmäßig handelnde Verwaltung zu gewährleisten49. Aufgrund des subjektiven Rechtsschutzsystems besitzt der Einzelne ein Recht zur Klageerhebung, sofern eine fehlerhafte Ermessensentscheidung seine subjektiven Rechte verletzt. Nicht rein verfassungsrechtlich, sondern auch historisch bedingt ist hingegen der geringe Stellenwert, welcher in Deutschland der Verwaltung und ihren Entscheidungen eingeräumt wird. So wurde das Misstrauen in die Verwaltung50 unter dem nationalsozialistischen Regime schon einmal schrecklich bestätigt, als die Verwaltung ihre Befugnisse zweckentfremdete und diese rechtlich unkontrolliert ausnützte. Nach diesen Erfahrungen sollte eine starke Verrechtlichung der gesamten Verwaltungstätigkeit nach 1945 vor einem wiederholten Machtmissbrauch schützen. Das Ermessen war deswegen besonders stark von der Verrechtlichung betroffen, da es als Freiraum hoheitlichen Verwaltungshandelns zuvor nur sporadisch rechtlich normiert war. Seine mit großen Schritten fortschreitende rechtliche Einbindung und damit intensivierte gerichtliche Kontrolle sind Zeichen eines außerordentlichen Vertrauens in die richterliche Entscheidung51. Spiegelbildlich existiert in Deutschland allerdings ein Misstrauen in administrativ erreichte Lösungen von so beträchtlichem Ausmaß, wie es auf europäischer Ebene52 und in anderen Rechtsordnungen bislang unbekannt ist53.

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Statt vieler Gerstner, Drittschutzdogmatik, 1995, S. 185 ff. Die Abhängigkeit der deutschen Ermessenslehre vom ihrem Verfassungsrahmen, insbesondere von Art. 19 Abs. 4 GG, betont auch Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 540. Ebenso erachtet Nolte, Kontrolldichtemaßstäbe, 1993, S. 278 ff. (S. 289) die „Aufladung des einfachen Rechts durch das Verfassungsrecht“ als Hauptursache für die hohe Kontrolldichte in Deutschland. 49 So etwa bei Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 ff. (S. 170); Rausch, Kontrolle, 1994, S. 32 ff.; Schwarze, NVwZ 1996, S. 22 ff. (S. 23); Wahl, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 13. 50 Zu den Wurzeln dieses Mißtrauens: Menger, Grundrechte, 1959, S. 717 ff. (S. 721). 51 Siehe dazu auch: Starck, Verwaltungsermessen, 1986, S. 15 ff. (S. 24) und Verwaltungsermessen, 1991, S. 167 ff. (S. 181); Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2460). 48

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Als Ertrag dieser Überlegungen verbleibt, dass eine Kombination der spezifisch deutschen Rahmenbedingungen für eine Ausgestaltung der Ermessenslehre verantwortlich war, die dem Einzelnen die gerichtliche Ermessenskontrolle in einem Umfang ermöglicht, die im gemeinschaftsrechtlichen Vergleich bislang singulär geblieben ist. II. Veränderungsdruck durch Rechtsvereinheitlichung Wenn sich die subjektivierte Ermessenlehre als deutsche Besonderheit im europäischen Vergleich entpuppt, so ist zu überlegen, inwieweit die gemeinschaftsrechtlich bedingte Harmonisierung der deutschen Rechtsordnung sie dem Zwang einer Veränderung unterwerfen wird. Es ist durchaus denkbar, dass die deutsche Ermessenslehre unverändert neben der europäischen bestehen kann. Sachverhalte mit gemeinschaftsrechtlicher Relevanz würden dann anhand der europäischen Ermessenslehre entschieden und rein nationale könnten, wie bisher auch, unverändert nach den Grundsätzen der deutschen Ermessensdogmatik behandelt werden54. Wenngleich eine solche Koexistenz von gemeinschaftsrechtlichem und deutschem System theoretisch möglich ist, so ist sie doch nicht wahrscheinlich. Die Vorstellung von einem Nebeneinander von deutscher und europäischer Ermessenslehre verträgt sich nicht mit der Beobachtung, dass die gemeinschaftsrechtliche Verflechtung der europäischen Mitgliedstaaten einen stetigen Angleichungsprozess in allen nationalen Rechtsordnungen bewirkt55. Es ist realitätsfern anzunehmen, dass sich die deutsche, subjektivierte Ermessenslehre diesem auf Dauer entziehen können wird.

52 Denn nach Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2460 f.) sieht sich der Europäische Gerichtshof als spezifisch rechtliches Kontrollorgan und praktiziert die Ermessenskontrolle daher nur in begrenztem Umfang. Er bestätigt, dass vom Glauben an die Richtigkeit der exekutiven Letztentscheidungsbefugnis auch der Umstand zeugt, dass das Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtungsklage kennt und damit die Möglichkeit ablehnt, exekutives Ermessen durch richterliches zu ersetzen. 53 Die beträchtlichen, nationalen Unterschiede beim Vertrauen in eine gerichtliche oder eine administrative Konfliktlösung erachtet auch Classen, Europäisierung, 1997, S. 107 ff. (S. 129) als Ursache verschieden hoher Kontrolldichten. 54 Eine schwache gemeinschaftsrechtliche Kontrollintensität muss einer höheren nationalen Kontrolldichte nicht schaden, so auch Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 387). 55 Schoch, Europäisierung, 1999, S. 135 ff. (S. 153) erklärt dies mit einer faktischen Angleichung der nationalen an die europarechtliche Rechtsordnung. Beispielweise erwähnt Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2464) die Erhöhung der Kontrolldichte in Frankreich und England. Schwarze, NVwZ 1996, S. 22 ff. (S. 26) erkennt hingegen die schwäche Handhabung der sonst so hohen Kontrollintensität des deutschen Verwaltungsprozessrechts als weitere Annäherung. Schon Bachof, VVDStRL 30 (1982), S. 193 ff. (S. 236) beschrieb diesen Angleichungsprozess generell, später dann (statt vieler) Everling, Funktion, 1993, S. 293 ff. (S. 311 mwN in Fn. 51).

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Folglich werden sich die deutsche und die europäische Rechtsordnung im Punkt der Berechtigung Einzelner, Ermessensentscheidungen gerichtlich kontrollieren zu lassen, in Zukunft annähern. Damit ist aber noch keine Aussage darüber gewonnen, wie dieser Adaptionsprozess verlaufen wird. Vorstellbar ist sowohl, dass Elemente der deutschen Ermessensdogmatik in die gemeinschaftsrechtliche Ordnung einfließen werden, wie jedoch auch, dass gemeinschaftsrechtliche Inhalte von der deutschen Ermessenssystematik übernommen werden56. Für die zweite Alternative und somit für eine Veränderung der deutschen Ermessenslehre sprechen zwei gewichtige Gründe. Unter Wahrscheinlichkeitsaspekten betrachtet wird die Eigentümlichkeit der deutschen Ermessensdogmatik dazu führen, dass sich diese einer auf europäischer Ebene auszutarierenden Lösung nähern muss und damit nicht impulsgebend für eine Abweichung des Gemeinschaftsrechts vom politischen und pragmatischen Mittelweg sein kann. Zudem besteht eine beachtliche Gefahr, wenn die deutsche Ermessenslehre und -kontrolle für gemeinschaftsrechtliche Sachverhalte übernommen wird. Der Prozess einer europarechtlich begründeten Ausweitung der Klagebefugnis57 unter gleichzeitiger Beibehaltung der speziell deutschen, starken Verrechtlichung und damit intensiven Überprüfung von Ermessensakten birgt das Risiko eines „Kollaps[es] der Verwaltungsgerichtsbarkeit“58 in sich. Beide Aspekte indizieren deutlich, dass sich das deutsche System der subjektivierten Ermessensdogmatik langfristig europäischen Vorgaben anpassen muss und nicht umgekehrt.

56 Allgemein weist Triantafyllou, DÖV 1997, S. 192 ff. (S. 192) auf das Phänomen der gegenseitigen Wechselwirkung hin, wonach neben dem europarechtlichen Einfluss auf die nationalen Rechtsordnungen sich auch diese selbst auf die Gestalt des Gemeinschaftsrechts auswirken. Auf das subjektivierte Ermessen bezogen polarisiert Oeter, Kontrolldichte, 1993, S. 266 ff. (S. 277) mit der Frage, ob die deutsche Lehre dabei „die Rolle eines Vorreiters auf dem Wege des Fortschritts“ spiele oder der deutsche Sonderweg in der Ermessensdogmatik mit seiner Fixierung auf den Individualrechtsschutz als „potentielle Sackgasse“ zu betrachten sei. 57 Nach Pernice/Kadelbach, DVBl 1996, S. 1100 ff. (S. 1108) erkennt das Gemeinschaftsrecht großzügiger Klagerechte an, als es die deutsche Schutznormtheorie erlaubt. Ähnlich: Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 387); Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 309 ff.). 58 Redeker, NJW 1997, S. 373 f. (S. 374). Nur vage spricht Pache, DVBl 1998, S. 380 ff. (S. 387) davon, dass die gemeinschaftsrechtlich verursachte Öffnung der Klagebefugnis über den Individualrechtsschutz hinaus Anlass zum Überdenken der bislang hohen Kontrolldichte geben könnte. Deutlicher mutmaßt hingegen Everling, Diskussionsbeitrag, 1993, S. 298 ff. (S. 299), dass der Europäische Gerichtshof in manchen Bereichen schon handlungsunfähig wäre, sofern er der deutschen Ermessensdoktrin folgen würde. Auch Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 311) sieht die Gefahr des „Draufsattelns“ der großzügigen Klageberechtigung des europäischen Rechts auf eine relativ große Kontrollintensität des deutschen Rechts.

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4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

III. Veränderungschancen für die deutsche Ermessensdogmatik Die deutsche Ermessenslehre wird sich bei ihrem Einbau in das europäische System allerdings nicht von heute auf morgen an der gemeinschaftsrechtlichen Dogmatik ausrichten können. Die Integration europarechtlicher Vorgaben in die deutsche, subjektivierte Ermessensdogmatik ist aus verschiedenen Gründen eine schwierige und diffizile Angelegenheit. So ist die deutsche Ermessenslehre nicht nur extrem weit vom „europäischen Mittel“ entfernt. Sie ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Einflüsse auf die einfachrechtliche Ebene des Verwaltungsrechts auch stark dogmatisiert. Weil eine Änderung der Ermessensdogmatik die verfassungsrechtlichen Grenzen beachten muss59, sind Veränderungsmöglichkeiten nur beschränkt möglich. Der deutschen Lehre ist somit eine beachtliche Unflexibilität zu bescheinigen. Wenngleich damit viele Hindernisse bestehen, die bei einer zu erwartenden Aufnahme europäischer Inhalte in die deutsche Ermessenslehre überwunden werden müssen, so ruhen in diesem Veränderungsprozess nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch Chancen60. Als erstrebenswerte Perspektive steht dabei zur Diskussion, den Subjektivierungsgrad des deutschen Verwaltungsrechts zu reduzieren. Sein Ausmaß wird zum Teil als übersteigert kritisiert61. Für den Bereich der Ermessenslehre verspricht der gemeinschaftsrechtliche Einfluss diesbezüglich Besserung. Da die subjektiv-rechtliche Prägung des Europarechts schwächer als jene der deutschen Rechtsordnung ist62, besteht die berechtigte Hoffnung, dass eine gemeinschaftsrechtliche Anpassung des deutschen Rechts auch das Ausmaß seiner Subjektivierung verringert. Schon heute ist der gemeinschaftsrechtliche Einfluss auf die deutsche Ermessenslehre erkennbar. Seine Konsequenzen für die vom Einzelnen initiierte Über-

59 Richtig erkennt Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 558 f., dass eine Veränderung der deutschen Ermessenslehre nur über eine Änderung des Verfassungsrechts selbst gelöst werden kann. So kann bei einer Änderung der Lehre vom subjektiv öffentlichen Recht die Fernwirkung der Grundrechte nicht außer Betracht gelassen werden, bei einer Anpassung der Ermessenskontrolle ist nach Brinktrine, Verwaltungsermessen, 1998, S. 559 dementsprechend eine Einschränkung der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich. 60 Ähnlich positiv äußern sich: Herdegen/Richter, Rechtslage, 1993, S. 209 ff. (S. 248), Sendler, NJW 1994, S. 1518 ff. (S. 1520); Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2464); Masing, Mobilisierung, 1997, S. 239; Schoch, Europäisierung, 1999, S. 135 ff. (S. 153). 61 Schon dargestellt in § 1 I 2 (Fn. 14). 62 So auch Classen, VerwArch 88 (1997), S. 645 ff. (S. 647 mwN in Fn. 13) und Sachs, in: Stelkens, VwVfG, 2001, § 40, Rn. 144. In der Darstellung von Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2, Rn. 122 und 126 wird dies deutlich, indem die Initiativberechtigung keiner Rechtsverletzung, sondern nur einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit bedarf.

4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

295

prüfung von Ermessensentscheidungen werden künftig jedoch tendenziell noch stärker präsent sein. Das subjektive Rechtsschutzsystem wird dahingehend aufgebrochen werden, dass zur Klageberechtigung gegen Ermessensentscheidungen nicht mehr eine Rechtsverletzung, sondern nur noch eine faktische Betroffenheit notwendig ist63. Um einer Überlastung der Gerichte vorzubeugen, muss eine solche Weitung der Klageberechtigung an eine Beschränkung der Kontrollintensität gekoppelt sein64. Zugleich erfordert eine Ausdehnung der Klageberechtigung, dass den Verwaltungsgerichten mehr Spielraum in ihrer Beurteilung verbleibt, ob der Antragssteller klagebefugt und seine Klage damit zulässig ist. Eine offenere Gestaltung der Klageberechtigung verhilft den Gerichten indirekt zu mehr Entscheidungsfreiheit und Entscheidungsflexibilität in der Frage, ob und inwieweit sie letztlich behördliches Ermessen gerichtlich überprüfen. Es liegt damit in den Händen der Verwaltungsrichter, das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit neu zu bestimmen und den behördlichen Ermessensentscheidungen dabei ein erhöhtes Eigengewicht beizumessen65. Eine Rücknahme der bislang hohen Kontrolldichte hätte vielfältige, positive Auswirkungen. Nicht nur die Gerichte wären um eine große Anzahl von Streitfällen erleichtert. Indem die Verwaltung zunehmend mehr Bereiche eigenständiger Entscheidungsmöglichkeiten besäße, wäre auch die Position der Verwaltung im Gefüge der Staatsgewalten gestärkt. Als erfreulicher Nebeneffekt einer Neujustierung der Positionen von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit66 könnte eine Imageverbesserung der Verwaltung ihre Akzeptanz auf Seiten des Einzelnen erhöhen. Zugleich ist wahrscheinlich, dass konsensuale Konfliktlösungsverfahren zunehmend gerichtliche Streitentscheidungen zwischen Verwaltung und Einzelnem ersetzen. Damit eröffnet sich die Chance, dass ein Bewusstsein um die individuelle Mitverantwortung in der Entscheidungsfindung die noch vorherrschende Vorstellung von der Verwaltung als feindlichem Gegenüber ablöst67. 63 Wie dieser Umstand mit der Konzeption vom subjektiv öffentlichen Recht konkret zu vereinbaren ist, ist Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen, dazu: Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.; Classen, VerwArch 88 (1997), S. 645 ff.; Masing, Mobilisierung, 1997; Triantafyllou, DÖV 1997, S. 192 ff. (S. 200); Ruffert, DVBl 1998, S. 69 ff. 64 Dazu schon unter § 26 II. 65 Die Stärkung exekutiver Befugnisse erscheint insofern notwendig, als die Übermacht der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit vielfacher Kritik ausgesetzt war. Vgl. dazu die Aussagen von Wittkämper, Rechtsstaat, 1983, S. 431 ff. (S. 435) vom „handlungsunfähigen Rechtsmittelstaat“ oder „Justizstaat“ und von Püttner, Entwicklungstendenzen, 1984, S. 115 ff. (S. 127), der die Gefahr eines Verwaltungsrechts als bloßes „Verwaltungskontrollrecht“ anmahnt. 66 So Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 312).

296

4. Teil: Zukunftsperspektiven der Subjektivierung

Die ganz überwiegende Ansicht der Lehre wertet die skizzierte Entwicklungsperspektive des deutschen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts als positiv und zukunftsfähig68. Auch das Bundesverwaltungsgericht tendiert in seiner jüngeren Rechtsprechung zu einer Rücknahme der Kontrolldichte zugunsten exekutiver Letztentscheidungsbefugnisse69. Ungeklärt ist jedoch, wie sich die diesbezüglich eher als restriktiv zu beurteilende Ansicht des Bundesverfassungsgerichts70 auf den Angleichungsprozess langfristig auswirken wird. Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass die Angleichung der deutschen, subjektivierten Ermessensdogmatik an die Grundsätze der europäischen Ermessenslehre einer komplizierten Gradwanderung gleichkommt. Diese bewegt sich zwischen den verschiedenen Zielsetzungen, über die Verwaltung eine vermehrte Einräumung von eigenverantwortlichen Handlungsbereichen zu effektuieren, aber mit einer Rücknahme der Kontrolldichte zugleich nicht den Rechtsschutz des Einzelnen zu schmälern71. Ob dies gelingen kann, bleibt in der Rechtsentwicklung der kommenden Jahre abzuwarten.

67

Ausführlicher Kopp, Handlungsspielräume, 1985, S. 146 ff. (S. 161 f.). Zustimmend: Herdegen/Richter, Rechtslage, 1993, S. 209 ff. (S. 244); Sendler, NJW 1994, S. 1518 ff.; Schwarze, Europäisierung, 1996, S. 789 ff. (S. 828); Schoch, Perspektive, 1999, S. 279 ff. (S. 311 f.); Pache, DVBl 1999, S. 380 ff. (S. 387) und Abwägung, 2001, S. 408 ff. Anders jedoch Classen, VerwArch 88 (1997), S. 645 ff. (S. 677), der grundsätzliche Konzeptionsunterschiede zwischen der deutschen und der europäischen Konzeption des subjektiv öffentlichen Rechts vage verneint. In Europäisierung, 1997, S. 107 (S. 129) erkennt Classen keinen spezifisch europarechtlichen Anlass zur Aufgabe der deutschen Regeln über die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte aus Gründen der europäischen Harmonisierung. Eine Erklärung bleibt er jedoch schuldig. 69 Zu den Versuchen des Bundesverwaltungsgerichts, zunehmend mehr Beurteilungsspielräume der Verwaltung anzuerkennen: Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2459 mwN in Fn. 33); Schwarze, Europäisierung, 1996, S. 789 ff. (S. 793 in Fn. 23); Everling, Funktion, 1993, S. 293 ff. (S. 308, Fn. 42). Siehe dazu BVerwGE 39, S. 197 ff. (S. 203 ff.); E 72, S. 300 ff. (S. 316 f.); BVerwG, NJW 1995, S. 1690 (S. 1691). 70 Die diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, etwa BVerfGE 83, S. 130 ff. (S. 148 f.); E 84, S. 34 ff. (S. 49 ff.); E 84, S. 59 ff. (S. 77 ff.); E 85, S. 36 ff. (57 ff.); E 88, S. 40 ff. (S. 56 ff.), beurteilt Classen, NJW 1995, S. 2457 ff. (S. 2459 mwN in Fn. 35) als von „deutlich erkennbarer Zurückhaltung“ geprägt; ähnlich auch Everling, Funktion, 1993, S. 293 ff. (S. 308, Fn. 43). 71 Welchen Veränderungen sich die subjektivierte Ermessenslehre dabei konkret unterwerfen muss und welche Konstruktionen sich als geeignet erweisen, die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in sich aufzunehmen, bleibt einer anderen Untersuchung vorbehalten. 68

Resümee

Zusammenfassung und Schlussgedanke Anhand der Entstehung der Ermessensansprüche zeichnete diese Untersuchung die Einflussnahme der Subjektivierung auf das Verwaltungsermessen nach. Abschließend lassen sich ihre wesentlichen Ergebnisse wie folgt zusammenfassen. Auf dem Gebiet des Verwaltungsermessens hatte der Subjektivierungsgedanke im klassischen Verwaltungsrecht noch keinen Platz. Das Ermessen war als rechtsfreier Raum konzipiert und unterlag daher weder objektiv- noch subjektiv-rechtlichen Bindungen. In der Weimarer Republik begünstigte die Fortentwicklung der Fehlerlehren das Einsickern rechtlicher Maßstäbe in den Ermessensbereich. Hierdurch wuchs die Erkenntnis, dass auch subjektive Rechte sich ermessensbeschränkend auswirken können. Wenngleich die Rechtswissenschaft die Möglichkeit eines Ermessensanspruchs damals sah, so wurde er weder thematisiert noch vertieft. Nach 1949 veränderten die Auswirkungen der Verfassungsgebung die deutsche Ermessenslehre maßgeblich. Die Entscheidungsfreiräume der Verwaltung verengten sich aufgrund einer starken Verrechtlichungstendenz zunehmend. Die rechtliche Erfassung und Beschränkung des Ermessens war primär verfassungsrechtlich bedingt. Begünstigt wurde sie jedoch auch durch den Subjektivierungsgedanken. Ebenso wurde die Subjektivierungsidee verfassungsrechtlich verstärkt. Der individualrechtsfreundliche Zug des Grundgesetzes intensivierte sie in zweifacher Hinsicht. Indem der Grundrechtskatalog viele der subjektiv-rechtlichen Positionen konkret formulierte, fanden subjektiv-rechtliche Inhalte eine detaillierte Ausgestaltung. Zudem war sämtliches Staatshandeln nun über die unmittelbare Grundrechtswirkung an grundrechtliche Inhalte gebunden, so dass der Subjektivierungsgedanke in Art. 3 Abs. 1 GG ein wichtiges methodisches Instrument besaß. Infolge dieser individualrechtsgünstigen Umstände entstanden in den ersten beiden Jahrzehnten nach Kriegsende der formelle und materielle Ermessensanspruch. Allerdings war die Begründung der Ermessensansprüche zunächst mit Schwierigkeiten verbunden. Die aus dem klassischen Verwaltungsrecht noch fortwirkende Vorstellung einer Gegensätzlichkeit von Recht und Ermessen erschwerte es, einen Anspruch im Bereich des Ermessens rechtstheoretisch zu

298

Zusammenfassung und Schlussgedanke

konstruieren. Viele der hierauf beruhenden und anscheinend grundsätzlichen Einwände entpuppten sich bei genauerer Betrachtung als bloße Auslegungsfragen, ob im Einzelfall der jeweiligen Ermessensnorm ein individualrechtsschützender Gehalt zuerkannt werden soll oder nicht. Im großen und ganzen entwickelten sich das formelle und das materielle subjektiv öffentliche Recht aber rasch nach Wiedereinführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Schon Mitte der sechziger Jahre können beide als anerkannt gelten. Zwar hinkte der materielle Anspruch in seiner Entwicklung dem formellen Anspruch stets ein halbes Jahrzehnt hinterher. Nichtsdestotrotz überrascht die Schnelligkeit und die Widerspruchslosigkeit, welche die Durchsetzung des Anspruchs auf bestimmte Ermessensentscheidung trotz seiner, das Verwaltungsermessen stark beengenden Auswirkung begleiten. Zu Beginn der siebziger Jahre haben sich die Rechtsfiguren des formellen und des materiellen Ermessensanspruchs in der Ermessensdogmatik und der verwaltungsgerichtlichen Praxis etabliert. Ihre Existenz ist beispielhaft für die fortgeschrittene Ausdifferenzierung und Dogmatisierung der Ermessenslehre. Wird die deutsche Ermessenslehre in einen europarechtlichen Vergleich gesetzt, so fällt die Einzigartig- und Eigentümlichkeit ihrer Systematik ins Auge. Angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsbestrebungen sind dem Fortbestand der deutschen Ermessensdogmatik im internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen realiter keine allzu großen Chancen einzuräumen.

Die trüben Zukunftsperspektiven der deutschen, subjektiv-rechtlich geprägten Ermessenslehre geben Anlass, die Entstehung und Fortentwicklung der Subjektivierungsidee nochmals kritisch zu überdenken. Die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft wertet die Subjektivierung als wichtige und herausragende Errungenschaft. Ebenso wird die Entwicklung des Anspruchs auf fehlerfreie und bestimmte Ermessensausübung in der Ermessenslehre als im Grundsatz richtig beurteilt. In einem größeren, gemeinschaftsrechtlichen Zusammenhang sieht sich die deutsche Ermessenssystematik hingegen neuerdings mit einem Rechtfertigungsbedarf konfrontiert. Mit einemmal steht die subjektivierte Ermessenslehre zur Diskussion. Ihr Fortbestand erscheint ungesichert. Die deutsche Ermessensdogmatik dient damit als geeigneter Anschauungsfall für das Schicksal vieler nationaler Rechtsentwicklungen, die unter landesspezifischen Bedingungen ihre eigene Rechtslogik und -systematik entwickelt haben, aber nun dem Risiko ausgesetzt sind, im inter- und supranationalen Vergleich relativiert oder eliminiert zu werden. Es lässt sich nur spekulieren, welche Strukturen eine Rechtsordnung besitzen müsste, um in der zunehmenden Ver-

Zusammenfassung und Schlussgedanke

299

flechtung nationaler Rechtssysteme bestehen zu können. Eine Beobachtung der Rechtsharmonisierung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene berechtigt aber zur Annahme, dass flexiblere rechtliche Vorgaben in Zukunft bessere „Überlebenschancen“ haben werden als jene Regelungen, die in hohem Maß ausdifferenzierte und detaillierte Rechtsgestaltungen vorweisen. Am Beispiel der subjektivierten, deutschen Ermessensdogmatik lässt sich diese Vermutung jedenfalls bestätigen.

Rechtsprechungsverzeichnis Dieses Rechtsprechungsverzeichnis dient einem chronologisch geordneten Überblick über die untersuchten gerichtlichen Entscheidungen. Darüber hinaus erleichtert es die Auffindbarkeit jener Entscheidungen, die aufgrund ihres Alters teilweise nicht in leicht zugänglichen, amtlichen Sammlungen abgedruckt sind. Soweit möglich, wurden daher zu jeder Fundstelle (maximal zwei) Alternativquellen genannt. Im Text wurde bei der Entscheidungszitierung jeweils auf die zuerst erwähnte und fett markierte Fundstelle zurückgegriffen. Gericht

Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

RG

15.11.1921

III 248/21

PrVBl 43, 394

Rodel

RG

26.02.1935

III 174/34

RGZE 147, 144

Villengrundstück

RG

15.12.1939

III 99/39

RGZE 162, 273

Verkehrszeichen

BayVGH

03.11.1947

36 II 47

BayVGHE 1 (1947–48), 28

Kochstube

VGH BW

14.05.1948

Urteil Nr. 25/48 VerwRspr 1 (1949), 164

Uhrenwerkstätte

OLG Hamm

06.07.1948

5 U 650/47

DV 1948, 66

Leichenwagen

OVG Hamburg

26.07.1948

Bf. 13/48

DV 1949, 23

Autorückverschaffung

BayVGH

24.11.1948

5 II 47

BayVGHE 1 (1947–48), 126

3 Schwestern

OVG Hamburg

16.12.1948

Bf. 76/48

DV 1949, 220

Tochterzimmer

OVG Hamburg

10.03.1949

Bf. 10/49

MDR 1949, 315

Unbilligkeit

VG Stuttgart

15.06.1949

I 376/49

Kriegsverletzung unveröffentl. [zit. aus: Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, 1951, S. 94 f.]

VGH BW

17.06.1949

II 205/48

VerwRspr 2, 58

Staatsbeamter

LVG Minden

24.01.1950

Pr. I 120/48

DVBl 1951, 478

Kleingarten

OVG Hamburg

13.02.1950

Bf. II 318/49

DVBl 1950, 539

Rübenkamp

Rechtsprechungsverzeichnis

301

Gericht

Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

BayVGH

01.03.1950

Nr. 47 III 49

BayerBgm 1950, 284

Betroffen

OVG Münster

20.03.1950

I A 211/49

AöR 71 (1951/52), 86

Wohnungsamt

OVG Münster

13.04.1950

IV A 26/50

DVBl 1951, 84 MDR 1950, 751 FEVS 1, 13

Hilfsbedürftiger

OVG Lüneburg 21.04.1950

II OVG A 113/49

OVGE 1, 233

Miethöchstpreis

OVG Hamburg

11.05.1950

OVG Bf. II 38/50

VerwRspr 3, 105 MDR 1950, 750

Heilpraktikergesetz

OVG Münster

11.05.1950

IV A 265/49

OVGE 2, 107

Schotterweg

OVG Lüneburg 23.02.1951

III OVG A 503/50

OVGE 4, 203

Mädchenkammer

OVG Hamburg

14.06.1951

OVG Bf. II 536/49

DVBl 1952, 244

Baustufenplan

LVG Minden

30.07.1951

I K 128-51 (Beschluß)

JZ 1952, 490

Schuldirektor

VGH BW

07.08.1951

3 K 7/51

unveröffentl. [zit. aus: DVBl 1952, 405]



OVG Münster

08.08.1951

III A 689/50

MDR 1953, 124

Damenschneiderin

OVG Hamburg

20.09.1951

OVG Bf. II 192/51

DVBl 1952, 246

Schlitzbauteile

OVG Hamburg

21.09.1951

Bf II 468/50

VerwRspr 4, 524 FEVS 2, 286

Schwerbeschädigter

OVG Münster

11.12.1951

II A 441/51

DÖV 1952, 444

Namensänderung

VGH Bay

17.01.1952

128 IV 50

DÖV 1952, 598

Bürgermeister

VGH BW

25.01.1952

3. K. 198/51

DVBl 1952, 403

Wohnraumzuweisung

OVG Hamburg

07.04.1952

OVG Bf II 72/51

DVBl 1953, 334

Sonntagshandels erlaubnis

BayVGH

10.06.1952

602 I 49

BayVGHE 5, 119

Zufahrtsschmälerung

BGH

11.06.1952

III ZR 181/51

DVBl 1952, 702 DÖV 1952, 734

Eisenbahnunterführung

302

Rechtsprechungsverzeichnis

Gericht

Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

OVG Münster

28.07.1952

II A 927/51

OVGE 6, 43

Verkaufsbude

BGH

22.12.1952

III ZR 213/51

VerwRspr 5, 319

Bombenentschärfung

VGH BW

16.01.1953

3 K 235/52

DÖV 1953, 641

Bebauungsplan

BayVGH

27.01.1953

76 I 52

BayVGHE 6, 5

Wertminderung

BayVGH

28.01.1953

183 I 51

BayVGHE 6, 7

Wohnsiedlungsgesetz

OVG Münster

17.03.1953

VII B 724/51

DÖV 1954, 27

Kottens

BGH

30.04.1953

III ZR 204/52

VerwRspr 5, 832

Räuberbande

BVerfG

24.07.1953

1 BvR 293/52380)

BVerfGE 3, 4

Vergütungsverordnung

BayVGH

29.07.1953

44 II 1/53

VerwRspr 6, 44

Wohnungssuchender

HessVGH

09.10.1953

OS I 199/52

ESVGHE 2, 215

Verlöbnis

OVG Lüneburg 15.10.1953

I OVG A 248/52

BBBl. 1954, 279 DVBl 1974, 754

Aufbaugesetz

VGH BW



– unveröffentl. [zit. aus: Haueisen, NJW 1954, S. 418 f. (S. 418)]

06.11.1953

OVG Lüneburg 20.11.1953

OVG A 214/52 OVGE 7, 383

Chirurg

BVerwG

29.01.1954

II C 107.53

BVerwGE 1, 74

Ehe

BayVGH

02.03.1954

120 I 53

BayVGHE 7, 143

Gerüche

BVerwG

31.03.1954

II C 66.53

BVerwGE 1, 99 MDR 1954, 654 DVBl 1954, 776

Rechtsanwaltszulassung

BVerwG

24.06.1954

V C 78.54

BVerwGE 1, 159 NJW 1954, 1541 JZ 1954, 757

Fürsorge

OVG Münster

13.01.1955

VIII A 1717/52 OVGE 9, 218 DVBl 1955, 437 DÖV 1955, 380

Unterbringung

BVerwG

18.02.1955

V C 75.54

BVerwGE 1, 321 NJW 1955, 962 MDR 1955, 589

Kleingartenverein

VGH Freiburg

04.05.1955

76/52

VerwRspr 8, 223

Schulgebäude

Rechtsprechungsverzeichnis

303

Gericht

Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

BVerwG

28.10.1955

II C 260.54

BVerwGE 2, 288 NJW 1956, 155 MDR 1956, 265

Dienstunfall

BVerwG

29.11.1955

I C 191.53

BVerwGE 2, 349 NJW 1956, 198 JR 1956, 314

Vermessungsingenieur

LSG Berlin

17.02.1956

9 LSG 80/55-15 DOK 1956, 330 SG (KV) 37/55

Versicherungsbeitritt

BVerfG

16.01.1957

1 BvR 253/56

BVerfGE 6, 32 VerwRspr 9, 261 JZ 1957, 167

Elfes

BVerwG

23.01.1957

2 BvE 2/56

BVerwGE 6, 84

Wahlgleichheit

BVerwG

11.02.1957

III C 268.56 III C 269.56

BVerwGE 4, 283 VerwRspr 10, 636 DVBl 1957, 352

Beschwer

BVerwG

07.05.1957

III C 378.56

BVerwGE 5, 50 NJW 1957, 1648 MDR 1957, 632

Landesausgleichsamt

BSG

03.07.1957

6 RKa 2/55

BSGE 5, 238 SGb 1958, 93 NJW 1957, 1693

Facharzt

Bay VGH

28.10.1957

67 III 56

BayVGHE 11, 110 Standesbeamtin BayVBl 1958, 120 VerwRspr 10, 538

BVerwG

31.01.1958

VII C 44.57

BVerwGE 6, 167 NJW 1958, 725 MDR 1958, 448

Eheanerkennung

OVG Münster

26.03.1958

III A 1295/56

VerwRspr 11, 113

Fleischbeschau

BVerwG

06.06.1958

VII C 227.57

BVerwGE 7, 89 Kohlereserven VerwArch 1959, 77 NJW 1959, 115

BVerwG

13.06.1958

IV C 18.57

BVerwGE 7, 110 NJW 1958, 1890 DVBl 1958, 656

Wohnungsbaudarlehen

BVerfG

08.01.1959

1 BvR 425/52

BVerwGE 9, 83 VerwRspr 12, 12 NJW 1959, 523

Arzneifertigwaren

BSG

20.03.1959

3 RK 13/55

BSGE 9, 232 NJW 1959, 2327 JR 1960, 477

Schienbeinbruch

304 Gericht

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

OVG Lüneburg 15.04.1959

III A 10/59

DÖV 1960, 143

Nachtruhe (Berufung)

BVerwG

14.07.1959

I C 170.56

BVerwGE 9, 78 NJW 1959, 2325 MDR 1959, 864

Impfzwang

BVerwG

18.12.1959

VII C 62.59

BVerwGE 10, 91 VerwRspr 12, 743 NJW 1960, 1361

Kirchnahe Gaststätte

BGH

07.01.1960

III ZR 58/59

VersR 1960, 237

Basaltpflaster

OVG Lüneburg 30.06.1960

I A 123/59

DVBl 1960, 648 HdL 50, 273

Entlüfter

BVerwG

18.08.1960

I C 42.59

BVerwGE 11, 95 VerwRspr 13, 180 NJW 1961, 793

Bandsäge

BVerwG

13.01.1961

VII C 219.59

BVerwGE 11, 331 Nachtruhe VerwRspr 13, 494 NJW 1961, 1129

OVG Lüneburg 05.12.1961

II B 59/61

VerwRspr 14, 572 HdL 50, 274

Hundegebell

BVerwG

II C 6.60

BVerwGE 14, 84 VerwRspr 14, 794 NJW 1962, 1313

Justizinspektor

OVG Lüneburg 22.03.1962

I A 96/61

OVGE 18, 341 DÖV 1962, 467

Mehrzweckgebäude

BGH

02.04.1962

III ZR 15/61

VerwRspr 14, 830 NJW 1962, 1245 MDR 1962, 549

Autorennen

BVerwG

12.10.1962

VII C 8.61

BVerwGE 15, 59 DÖV 1963, 141 DVBl 1963, 728

Wahlkonsul

OVG Lüneburg 10.05.1963

I A 186/62

DÖV 1963, 769 HdL 50, 276

Kohlenhof

BVerwG

28.06.1963

VII C 23.63

BVerwGE 16, 190 Kraftdroschke NJW 1964, 72 JR 1964, 433

BVerwG

02.07.1963

II C 157.60

BVerwGE 16, 194 Ruhestand VerwRspr 16, 39 JZ 1963, 716

BVerwG

12.07.1963

IV C 177.62

BVerwGE 16, 214 HauptVerwRspr 16, 373 entschädigung NJW 1963, 1890

20.03.1962

Rechtsprechungsverzeichnis

305

Gericht

Entscheidungstag

Aktenzeichen

Fundstelle

Kurztitel

BayVGH

18.03.1964

5 IV 60

BayVBl 1964, 228

Steilwand

VG Minden

13.05.1964

3 K 34/63

DVBl 1965, 780

Privatweg

BVerwG

15.07.1964

V C 23.63

BVerwGE 19, 149 FürsorgeMDR 1965, 71 verhältnis DVBl 1965, 205

BVerwG

17.09.1964

II C 121.62

BVerwGE 19, 252 Religionslehrer VerwRspr 17, 308 DVBl 1965, 331

OVG Münster

25.01.1967

IV A 925/66

OVGE 23, 78 DVBl 1967, 546

Bretterzaun

OVG Lüneburg 23.06.1967

III OVG A 113/64

DVBl 1967, 759

Schlachterei

BVerwG

26.10.1967

II C 22.65

BVerwGE 28, 155 Studienassessorin VerwRspr 19, 420 DVBl 1968, 641

BVerwG

21.11.1967

I B 91.67

DVBl 1968, 154 BayVBl 1968, 434

Bahnhofskiosk

BVerwG

23.11.1967

I C 30.65

DVBl 1968, 746

Salmonellen

BVerwG

30.08.1968

VII C 122.66

BVerwGE 30, 191 Winzergenossenschaft NJW 1969, 522 MDR 1969, 337

VG Saarlouis

12.12.1968

2 F 102/68

DVBl 1965, 595

Einstellungsantrag

BVerwG

25.02.1969

I C 7.68

VerwRspr 20, 588 DVBl 1969, 586 DÖV 1969, 465

Wurstkochen

BVerfG

17.12.1969

2 BvR 23/65

BVerfGE 27, 297 DVBl 1970, 270 DÖV 1970, 237

Wiedergutmachung

BVerwG

22.01.1971

VII C 48.69

BVerwGE 37, 112 Garagenausfahrt VerwRspr 22, 854 MDR 1971, 515

VG Schleswig

22.09.1971

10 A 77/70

GewArch 1972, 267 Kieswerk

BVerwG

07.01.1972

IV C 49.68

BVerwGE 39, 235 SchleusenNJW 1973, 724 zulassung JR 1972, 347

OVG Münster

23.03.1972

X A 214/71

DÖV 1972, 863

PKW-Garage

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Personen- und Sachwortverzeichnis Amtshaftung 221 ff. Amtshaftung, Ermessens- und Pflichtbereich 224, 247 ff., 252 f., 271 Amtshaftung, Nähe zum materiellen subjektiven öffentlichen Recht 221 Amtshaftung, Rechtsprechung 221 ff., 225 ff., 269, 277 Angleichungsprozess 293 f., 296 Anspruch 55, 84, 217, 231 Anspruch, Abwehranspruch 191 f., 239, 257 ff., 280 Anspruch, auf Tätigwerden 216, 220, 234, 239, 243 ff., 280 Anspruch, auf Unterlassen 166, 202 Anspruch, formeller Ermessenanspruch 30, 78, 124 ff., 140 ff. Anspruch, Gesetzesvollziehungsanspruch 100, 261 Anspruch, Justizgewährungsanspruch 29 Anspruch, materieller Ermessensanspruch 30, 32, 126 ff., 210 ff. Anspruch, Schutzanspruch 257, 259 f., 264, 267 Anspruchsgrundlage 175, 188 ff., 194 f., 199, 255, 257 Antinomie 146, 226 Anwendungsvorrang 29, 96, 193, 195, 200, 204, 256 f., 262, 265, 271 Arnstedt, Oskar von 224 Arzneifertigwaren 191 f. Aufbaugesetz 171, 179 Auslegung 25, 29, 64, 75, 84, 96, 103, 125, 152, 154, 209, 121 f., 226 f., 239 ff., 254, 262 ff., 290, 298 Ausnahme 72, 124, 136 f., 146, 151, 162, 179, 226, 236, 245, 249, 254 f., 270 Autorennen 248 Autorückverschaffung 230 f., 276

Bachof, Otto 25, 100 f., 133, 139, 154, 156 f., 159 f., 165 ff., 183 f., 189, 197, 198, 213, 229 f., 237, 239, 270, 279, 290 Bahnhofskiosk 171, 242 Bandsäge 24, 171, 177, 220, 227, 238 ff., 250 f., 272 ff. Basaltpflaster 223, 249 Bauer, Hartmut 34, 101 Baustufenplan 161, 171, 179 Bebauungsplan 166, 179 Bender, Bernd 184 Beschwer 236, 274 Bestimmtheit 92, 114, 145 Bestimmtheitsgrundsatz 88, 208 Betroffen 158, 161, 181 Betroffenheit 103, 125, 158, 180 ff., 194, 204, 288, 295 Bettermann, Karl August 202, 242 Bombenentschärfung 223 f., 249 Bretterzaun 242 Bühler, Ottmar 40, 51 f., 69, 78, 99 f., 102, 131 ff., 136, 140, 142 ff., 159, 164, 182, 213, 255 Bullinger, Martin 109 Bundesverfassungsgericht 93, 172, 191 f., 199, 296 Bundesverwaltungsgericht 170 f., 186, 192 f., 201, 227, 235, 236 f., 238 ff., 243, 250 f., 276, 296 Bürgermeister 161, 177, 181 Bürgertum 59, 61, 62 f., 73 Buschlinger, Gerold 245 Chirurg 230, 232, 234, 272 Czermak, Fritz 242

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Personen- und Sachwortverzeichnis

Damenschneiderin 161, 177, 179, 230, 235 Dersch, Hermann 162, 202 Dichotomie 71, 77, 145 f., 226 Dienstunfall 170 f., 173, 177, 186 f., 197, 274, 276 Dietlein, Johannes 261 3 Schwestern 155, 225 Dualismus 46, 59, 71, 97 Dürig, Günter 189, 196 Ehe 274 Eheanerkennung 172 Einstellungsantrag 128 Eisenbahnunterführung 224, 248 f., 252 Elfes 98, 190 f. Entlüfter 234, 241, 250 Entscheidungsfindungsprozess 138 Entscheidungsspielraum 120, 124 Entwicklungsprozess 33, 36, 38, 47, 79, 131, 139, 229, 245 f., 268, 270, 278 ff. Enumerationsprinzip 65, 75, 149 ff. Erichsen, Hans-Uwe 244 Ermessen, Definition 32, 66 ff., 75, 108 ff., 148, 234 Ermessen, Ermessensfehler 69, 75, 77, 118 f., 137, 140, 145, 147, 152, 163, 168, 183, 189 f., 196, 200, 250 Ermessen, Ermessensfehlerlehre 69, 73, 75, 77, 100, 108, 118, 140 f., 146, 148, 205 ff., 214, 228, 281 ff. Ermessen, Funktion 68, 108, 113, 121, 145 Ermessen, Rechtsbindung 67 f., 73, 75 f., 84, 87, 114 f., 126, 145, 159, 205, 213 f., 245 Ermessen, Verfassungsmäßigkeit 113 ff., 115 f. Ermessensgrenzen 118 f., 125 f., 135 ff., 144 f., 155, 159, 162, 166, 169, 173, 183, 188, 192, 203, 205 ff., 266 Ermessensgrenzen, Subjektivierung 205 ff.

Ermessensgrenzen, Verengung 122, 206 ff., 277, 283, 297 Ermessenslehren 30, 34, 47, 69, 73, 110, 153 Ermessenslehren, aktuelle 108 ff. Ermessenslehren, anderer europäischer Staaten 288 f. Ermessenslehren, spätkonstitutionelle 68 ff., 74, 115, 121, 140 ff., 221, 253, 271 Ermessensreduktion 122 ff., 207 ff. Ermessensreduktion auf Null 126 ff., 210 ff. Ermessensreduktion auf Null, Begriff 214 ff. Ermessensreduktion auf Null, Gefahren 124, 217 f. Ermessensreduktion auf Null, Praxisirrelevanz 217 f. Ermessensreduktion, abstrakt 122, 137, 212 Exekutive 28, 59, 62 f., 65, 70, 75, 77 ff., 89, 105 f., 109, 111 f., 116 f., 123, 128 ff., 141, 146, 217, 223, 242, 283, 289, 296 Facharzt 232 ff., 274 Fleischbeschau 171, 177 f., 233 f., 250 Flexibilität 105, 113, 129, 253, 294 f., 299 Folgenbeseitigungsanspruch 87, 108, 132 ff. Folgenbeseitigungslast 218, 264 f., 267 Forschungsdefizit 35 Forsthoff, Ernst 163, 172, 181, 184, 201 Freiheit 28, 57, 59, 67, 70, 81, 86, 91, 94 ff., 111, 116, 141, 189, 202, 239, 257 Freiheit, Entscheidungsfreiheit 108, 111, 121, 125, 127, 220, 252, 295 Freiheit, Ermessensfreiheit 113, 122, 130, 205, 208 ff., 217, 238, 248 ff., 269 Freiheit, Freiheitsrecht 86, 96, 106, 190, 194, 263

Personen- und Sachwortverzeichnis Freiheit, Handlungsfreiheit 59, 62, 68, 77, 109, 190 ff., 210 Fröhler, Ludwig 160, 184 Fürsorge 170, 241 Fürsorgeverhältnis 171 Gefahrenabwehr 138, 218 ff., 227, 234, 238 f., 247 Gerber, Carl Friedrich von 49 f. Gerüche 186 Gesetz 48, 55, 59, 67, 119, 161, 290 Gesetzesabhängigkeit 37, 59 ff., 95, 98 f., 181 f., 201, 246 Gesetzesvorbehalt 47, 67, 71, 82, 88, 208, 261 Gesetzesvorrang 46, 67, 73, 88 Giese, Friedrich 58, 64, 162 Gleichbehandlung(sgrundsatz) 88, 196 ff., 200, 264, 266 Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 GG 29, 87, 89, 101 ff., 122, 190, 202 f., 208, 255, 291 Grundgesetz, Art. 20 Abs. 3 GG 88, 94, 113, 119, 122, 124, 189 f., 203 Grundgesetz, Menschenbild 94 f., 239, 262, 267, 278 Grundrechte, Abwehrrecht 86 ff., 194, 239, 257 ff., 275 Grundrechte, Auslegungsdirektiven 252 ff., 265, 298 Grundrechte, normexterne Wirkung 99, 257 Grundrechte, norminterne Wirkung 99 Grundrechte, objektiv-rechtlicher Wertgehalt 93 f., 259 Grundrechte, Schutzanspruch 257, 259 f., 264, 267 Grundrechte, Verhältnis zu subjektiv öffentlichen Rechten 81, 95 ff. Grundrechtsgeltung 52, 79, 219 Grundrechtsgeltung, mittelbare Grundrechtsgeltung 195, 256

329

Grundrechtsgeltung, unmittelbare Grundrechtsgeltung 24, 29, 58, 81, 86, 93 ff., 195, 162 ff., 168, 257, 275, 279 f., 290, 297 Haueisen 133, 161, 181 Hauptentschädigung 216, 243, 251 Heilpraktikergesetz 158, 177, 232, 234, 250, 274 Held-Daab, Ulla 34, 74 Henke, Wilhelm 23, 136 f. Hilfsbedürftiger 237 Hoffmann-Becking, Michael 198 Huber, Ernst Rudolf 168 Hundegebell 244 Impfzwang 241 Individualisierung 26, 246 Individualrechtsfreundliche Auslegung 25, 29, 209, 226 f., 266 ff., 290 Interessen 59, 61 ff., 65 ff., 88 ff., 101. 165, 262 ff. Interessen, geschützte 57, 64, 98, 101 ff., 124, 133, 146, 290 f. Interessen, objektive 24 f., 184, 226, 262, 282 Interessen, subjektive 25, 52, 62, 79, 95, 102, 111, 168, 182 ff., 208 ff., 213, 218, 227, 239 ff., 281 ff. Isensee, Josef 260 f. Jellinek, Georg 51, 132 Jellinek, Walter 25, 69, 140 ff., 147, 182 f., 199, 223 ff., 229, 248, 269 Judikative 27 f., 75, 105, 110, 116, 123 ff., 217, 254 Justizinspektor 177 Kategorien 48 f., 66, 69, 73 ff., 100, 107, 113, 162, 174 Kategorisierung 68, 97, 129, 133, 135 ff., 145, 197, 205, 215, 226, 253, 271 Kelsen, Hans 70

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Personen- und Sachwortverzeichnis

Kernbereich 31, 147 Kirchnahe Gaststätte 193 Klage, Anfechtungsklage 150 ff., 181, 216, 236, 273 f. Klage, Interessentenklage 288 Klage, Popularklage 165, 181, 194 Klage, Verpflichtungsklage 162, 216, 227 f., 231 ff., 249, 273 f. Klassisches Verwaltungsrecht 24, 29, 40, 42 ff., 80, 88, 146, 269, 278 ff. Klassisches Verwaltungsrecht, Bedeutung 42 ff. Klassisches Verwaltungsrecht, Begriff 46 ff. Klassisches Verwaltungsrecht, Ermessenslehre 66 ff., 76 ff., 108 f., 121, 147 f., 225, 297 Klassisches Verwaltungsrecht, subjektiv öffentliches Recht 40, 47 ff., 93, 97 f., 105, 197, 207, 297 Kleingarten 157 Kleingartenverein 236 Kochstube 155, 225 Koellreutter, Otto 71 Kohlenhof 243, 251 Kohlereserven 172, 187, 276 Kohlmann, Günter 190, 197 Kommentar 184, 240 Kompetenzen 28, 60, 72, 75, 105, 117, 123, 242, 253 Kompromiss 62 f., 66, 69, 74, 284 Konkretisierung 31, 59, 70, 91, 204, 106, 112, 188, 202, 260, 268 Kontrolldichte 110, 200, 206, 282, 286, 289, 295 f. Kottens 166, 177, 179, 232, 234 f., 274 Kraftdroschke 171 Kriegsverletzung 230 f., 276 Krüger, Herbert 160, 176 Laband, Paul 50 Landesausgleichsamt 237, 274 Laun, Rudolf von 69, 141

Legislative 59, 70, 95, 98, 105, 109, 115 f., 123, 129, 270 Lehrbuch 144, 153, 163, 184 f., 219 Lehrendualismus 97 f. Leichenwagen 155 Lorenz, Dieter 202 Mädchenkammer 160, 176, 179, 186, 235 Martens, Wolfgang 184, 197 Maunz, Theodor 53, 260 Mayer, Otto 46, 50, 80 Mehrzweckgebäude 264 f. Meinungsverschiedenheiten 167, 175, 243, 269 Menger, Christian-Friedrich 242 Miethöchstpreis 157 Misstrauen 73, 163, 291 Monarchie 46, 54, 56, 58 ff., 65 f., 74 f., 80, 145 Nachkriegszeit 33, 36, 42, 96, 133, 140, 149, 154, 156, 173, 125, 231, 245, 269, 273 Nachtruhe 187, 244, 276 Nachtruhe (Berufung) 171 Namensänderung 161, 176, 178 f. Nationalsozialismus 42, 45, 53, 71, 80 ff., 94, 148, 156, 246, 269 Naturalismus 49, 57 f., 60, 64 Naumann, Friedrich 160, 167, 183, 202 Nebinger, Robert 154, 166 f. Normierung 27, 82, 113, 122, 130, 150, 155, 135, 206, 245, 257, 261, 289 Oberverwaltungsgericht, Hamburg 161, 178, 185 f. Oberverwaltungsgericht, Lüneburg 160, 176, 264 Oberverwaltungsgericht, Münster 158, 161, 166, 170, 177 f., 185 Objekt 27 f., 41, 79, 262

Personen- und Sachwortverzeichnis Öffentliches Recht 25 ff., 37, 43, 49 f., 54 f. Opportunitätsprinzip 219 ff., 229, 247 ff. Ossenbühl, Fritz 25, 101, 137 Parlament 58, 65, 83 Pietzcker, Jost 137 Positivismus 45 f., 49, 52, 54 f., 57, 60 f., 64, 68, 70, 75, 132 Privatrecht 40, 50 f., 54, 55, 144, 248, 259 Privatweg 240 ff. Prototyp 96 Prozess 25, 30, 43, 83, 206, 279 Prozessrecht 89, 91, 126, 162 Prozessuale Bedeutung 55, 106, 176, 234, 273 f. Prozessuale Durchsetzbarkeit 55, 79, 140, 160, 216 f., 264 Räuberbande 222 Rechtsanwaltszulassung 157 Rechtsbindung 59, 278 Rechtsmacht 55, 100 ff., 133, 213, 262 Rechtsstaat, formell 74, 82 Rechtsstaat, materiell 81 ff., 140, 188, 255 Rechtsstaat, sozialer 160 Rechtsstaatsgedanke 27 f., 40 ff., 45 ff., 54, 58 f., 65, 67 ff., 86 ff., 121, 129, 167, 262 f., 278 Rechtsvereinheitlichung 292 f. Rechtsvergleichung 285 Rechtsverhältnis 28, 43, 46, 48 ff., 55 f., 65, 76 ff., 87, 91, 106 f., 262 f. Religionslehrer 171, 187 Richter, Ingo 168 Rodel 222 f., 248 Rübenkamp 158, 225 Ruhestand 216 Salmonellen 179, 187, 201, 242 Samper, Rudolf 242

331

Schienbeinbruch 232 f., 235 Schlachterei 171, 251 Schlitzbauteile 162, 177 f., 235 Schlussgedanke 297 Schneider, Hans 168 Schotterweg 185, 232, 234, 250, 274 Schuldirektor 162, 176, 186, 198 Schulgebäude 171 Schutznormlehre 51, 102 ff., 107, 125, 170, 175, 182 ff., 193 ff., 204, 209, 213, 233, 245, 255, 264 f., 271, 276, 288 Schutzzweck 103, 187, 204, 226 f. Schutzzweckgedanke 183 ff., 193, 202 Schwerbeschädigter 177, 179, 185 f., 230, 235 Selbstbindung der Verwaltung 127, 218, 264 f., 267 Sicherheitsrecht 218 ff., 239, 242 Simon, Alfons 185 Sonntagshandelserlaubnis 166, 177 f., 230, 235 Spezialgesetzliche Grundlage 187, 192, 199 Staatsbeamter 225 Staatstheorie 27, 40 f. 50, 54, 63, 69, 73 ff., 80, 93 ff., 24 Standesbeamtin 233 f., 274 Status 51, 79 Steilwand 243, 251 Stern, Klaus 90, 184 Stolleis, Michael 25, 45, 62 Studienassessorin 187 Subjekt 27 f., 41, 79, 262 Subjektiv öffentliches Recht, allgemeines 168, 178 ff., 185 Subjektiv öffentliches Recht, Definition 1, 31 f., 52 Subjektiv öffentliches Recht, formelles 78, 124 ff., 138 f., 140 ff., Subjektiv öffentliches Recht, Funktion 105 f., 122 f. Subjektiv öffentliches Recht, materielles 126 ff., 138 f., 209 ff.

332

Personen- und Sachwortverzeichnis

Subjektiv öffentliches Recht, Rechtsgrundlagen 125, 175 ff., 225 ff. Subjektiv öffentliches Recht, Unterteilung 131 ff. Subjektiv öffentliches Recht, Verhältnis: formelles und materielles 210, 215, 238, 257, 268 ff. Subjektiv privates Recht 43, 48, 55 Subjektivierung 23 ff., 79, 86, 95, 205 ff., 246, 266 f., 281 ff. Subjektivierung, Bedeutung 27 ff. Subjektivierung, Begriff 23 ff. Subjektivierung, Dimensionen 209 ff., Subjektivierung, Perspektiven 281 ff. Subjektivierungsgebot 122 Subjektivierungsgedanke 27 ff., 209, 266 f., 297 Subjektivierungsidee 27 ff., 262, 266 ff., 297 f. Subjektivierungstendenz 23, 31, 34, 88, 265, 167 Tochterzimmer 155 Turegg, Kurt Egon von 133, 184, 189 f. Uhrenwerkstätte 155 Unbilligkeit 155 Unterbringung 170, 177, 232 f., 250, 274 Untersuchung, Aufbau 37 f. Untersuchung, Gegenstand 31 ff. Untersuchung, Materialen 33 f. Untersuchung, Zeitraum 33 Untertan 43, 48 f., 52 f., 55 f., 63, 91, 182, 262 Verfahrensbeteiligung 133, 201, 203 f. Verfassungsabhängigkeit 44, 84 f. Verfassungsgerichtsbarkeit 37, 44, 84 f., 89 f., 290 Vergleich, Anspruchskonstruktionen einer Verwaltungsverpflichtung 251 ff.

Vergleich, Entwicklung von formellem und materiellem subjektiv öffentlichen Recht 268 ff. Vergleich, Ermessenslehren innerhalb Europas 284 ff. Vergütungsverordnung 199 Verhältnismäßigkeit 82, 88, 123, 208, 287 Verkaufsbude 227, 230, 235 Verkehrszeichen 222, 247 f. Verlöbnis 166, 235 Vermessungsingenieur 26, 274 Versicherungsbeitritt 235 Vertrauensschutz 82, 88, 208, 287 Verwaltungsgerichtsbarkeit 29, 46, 71 ff., 77, 105, 110, 112, 148 ff., 227, 253, 269, 271, 283, 291 ff. Verwaltungsgerichtshof, baden-württembergischer 163 ff., 183 Verwaltungsgerichtshof, bayerischer 158, 161, 181, 201 Verwaltungshandeln 30, 32, 39, 46, 67 f., 71 ff., 97 f., 105, 113 ff., 126, 200, 291 Verwaltungshandeln, gebunden 70, 75 ff., 114 ff., 141, 144, 174, 213 ff., 252, 271 Verwaltungshandeln, ungebunden 66 Verwaltungsprozess 91, 129, 148 ff., 162, 173, 221, 227 f., 286, 290, 296 Villengrundstück 222, 248

Wahlgleichheit 198 Wahlkonsul 187 Wechselwirkungen 76 ff., 121 ff. Weimarer Republik 42 ff., 52, 58, 62, 69 ff., 75, 77 f., 100, 140 f., 145, 156, 225, 269, 297 Wertminderung 166, 180 Widerspruch 70, 77, 82, 85, 165, 168, 278 Widersprüchlichkeit 43, 76, 146, 165, 223

Personen- und Sachwortverzeichnis Wolff, Hans 235, 245 Wurstkochen 244, 251

Widerspruchslosigkeit 277, 298 Winzergenossenschaft 192 f. Wohnraumzuweisung 179 f., 186, 238, 276

163 ff.,

Wohnsiedlungsgesetz 166 Wohnungsamt 158, 177 Wohnungsbaudarlehen 236 Wohnungssuchender 166, 180, 201

333

174, Zufahrtsschmälerung 166, 186 Zusammenfassung 65, 75, 78, 90, 120, 129, 138, 148, 156, 173, 203, 228, 233, 265, 272, 279, 297 Zwingender Rechtssatz 52, 64 f., 76, 100 ff., 259, 213