Die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum: Dargestellt anhand der Situation in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428423736, 9783428023738


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German Pages 275 [276] Year 1971

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Die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum: Dargestellt anhand der Situation in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428423736, 9783428023738

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ROBERT SCHNEIDER

Die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum

Volkswirtschaftliche Schriften Herauegegeben von Dr. J. Broermann, Berlin

Heft 151

Die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum Dargestellt anband der Situation in der Bundesrepublik Deutschland

Von

Dr. Robert Schneider

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

@ 1971 Duncker & Humblot, Ber!in 41

Gedruckt 1971 bei Berliner !Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02373 0

Vorwort Das Vorwort bietet dem Verfasser Raum, um (nach G. W. F. HegeP) äußerlich und subjektiv von der Schrift, der es vorangeschickt ist, zu sprechen. Die Anregungsinformation (als auslösendes Moment für die subjektive Basisentscheidung, gerade das gewählte Thema zu bearbeiten) habe ich bei der Lektüre der Literaturangaben zu Abschnitt IV ("Wirtschaftspolitische Aufgaben, Möglichkeiten und Ziele der regionalen und lokalen Regierungsinstanzen") im fünften Kapitel von Herbert Gierschs "Allgemeine Wirtschaftspolitik"! bekommen. Literatur über ,wirtschaftspolitische Aufgaben der Gemeinden' ist dort nahezu keine angegeben. Dies erweckte in mir die Vermutung, daß die Gemeinden als wirtschaftspolitische Entscheidungszentren in der Wissenschaft bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden haben. Weitere Nachforschungen nach literarischem Niederschlag zu diesem Gegenstandsbereich erhärteten diese Vermutung und führten zu einem Ergebnis, das demjenigen, zu dem Lampert gekommen ist, ähnelt: " . .. die Gemeinde als Träger, Organ und Objekt der Wirtschafts- und Sozialpolitik" war "bisher kein zentrales wirtschaftswissenschaftliches Un tersuchungsobj ekt" 3 • Durch diese periphere wissenschaftliche Behandlung war meine wissenschaftliche Neugier, wenn man so will, geweckt. Sie zu befriedigen, bedurfte es der Beseitigung nicht geringer Widerstände verschiedenster Art. Im übrigen scheinen allerdings derartige Widerstände nicht nur bei einer Behandlung der Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum zu bestehen; vielmehr sind sie anscheinend beispielsweise auch bei allgemein kommunalpolitischen Untersuchungen vorhanden. Wie anders sollte sonst die Aussage von Theodor Eschenburg gewertet werden, daß er mehrfach versucht habe, Studenten für Doktorarbeiten über die 1 Hege!, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, neu herausgegeben von Georg Lasson, Philosophische Bibliothek, Band 124, Leipzig 1911, S.17. 2 Giersch, Herbert: Allgemeine Wirtschaftspolitik, Erster Band, Grundlagen, in: Die Wirtschaftswissenschaften, Hrsg. E. Gutenberg, Wiesbaden 1960, S. 267 (künftig zitiert: Allgemeine Wirtschaftspolitik I). 3 Lampert, Heinz: Die Gemeinde als Untersuchungsobjekt in den Wirtschaftswissenschaften, in: Kommunalwissenschaftliche Forschung, Mit Beiträgen von Werner Bockelmann u. a., hrsg. von Wolfgang Haus, Schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften e. V. Berlin, Bd. 12, Stuttgart- Berlin - Köln - Mainz 1966, S. 209 ff., hier S. 230.

6

Vorwort

Kommunalpolitik einzusetzen, einige zunächst auch ,angebissen', mit einer Ausnahme aber alle das Rennen aufgegeben hätten4 ? Die vorliegende Arbeit ist, wie jede wissenschaftliche Arbeit, keine ausschließliche Leistung ihres Verfassers. So sind in die Arbeit neben die durch Zitate gewürdigten Vorleistungen anderer auch Kenntnisse eingegangen, die ich in Seminaren und Vorlesungen meiner akademischen Lehrer sammeln konnte. Bei ihnen möchte ich mich aufrichtig bedanken. Gerne erinnere ich mich auch der Diskussionen, die ich insbesondere am Beginn der Arbeit mit meinem früheren Kollegen, Herrn Dr. Gerhard Kleinhenz, geführt habe. Robert Schneider

4 Eschenburg, Theodor: Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik, Band II, Kritische Betrachtungen 1961 - 1965, München 1966, S. 133.

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15

A. Gegenstand, Ziel und Methode der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

B. Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erstes Kapitel

Allgemeine Grundlegung

21

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Die Elemente des Begriffs Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhendes Tätigsein . . . . . . 2. Zum Begriffsmerkmal ,öffentliches Leben' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Merkmal ,leitendes Tätigsein' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung und Anordnung als Merkmale leitenden Tätigseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die schöpferische Initiative als Merkmalleitenden Tätigseins c) Die Verantwortung als tragender Urgrund von Entscheidung, Anordnung und Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 26 27 27 29 29

II. Das Ergebnis des Explikationsprozesses als Basis für die Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Die Begriffsbestimmung von Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Exkurs: Die Definition von Wirtschaftspolitik in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Zum Gemei ndebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II. Die Stadt als spezifische Erscheinungsform der Gemeinde . . . . . . . . . . 42 III. Die Stellung der Gemeindeverbände in der Untersuchung . . . . . . . . 43 C. Wandlung des Begriffsinhalts der kommunalen Selbstverwaltung . . . .

44

I. Staatsbürgerliche Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

8

Inhaltsverzeidmis II. Rechtsfähige Selbstverwaltung .............. . . ....... . .... .. . .. . 46 1. Begriffsbestimmung . ............. .. ............... . ....... . 46 2. Eigener und übertragener Wirkungskreis 46

D. Weitere Abgrenzung des Untersuchungsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Abgrenzungen sachlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Wirtschaftliches Handeln - wirtschaftspolitisches Handeln . . . . 48 2. Regionale Wirtschaftspolitik - Gemeindliche Wirtschaftspolitik 49 II. Räumliche und zeitliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

Zweites Kapitel

Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

55

A. Natürliche Ressourcen, demographische Gegebenheiten und Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

I. Die natürlichen Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

II. Bevölkerung und Bevölkerungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Ill. Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . .

63

B . Normen der Rechtsordnung

. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . 2. Die Selbstverwaltung der Gemeinden nach dem Grundgesetz und nach den Länderverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die kommunale Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz . . b) Die Regelung der gemeindlichen Selbstverwaltung in den Länderverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der rechtliche Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung . . . . a) Die Gewährleistungspflicht des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der verfassungsgerichtliche Schutz der Selbstverwaltung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Schutz durch die Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

66 66 67 67 69 7l 7l 72 72

II. Die gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden . . . . . . 1. Die Bestimmungen über die Finanzhoheit der Gemeinden in den Verfassungen.. .. . . . .... . .............................. . .. . . . a) Die Bestimmungen im Grundgesetz .... . .............. , . . . . b) Die Bestimmungen der Länderverfassungen . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Nonnen der formellen Finanzordnung der Gemeinden . . . . . . . . a) Die Haushaltssatzung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Haushaltsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rücklagen der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80 81 83

73 74 77

Inhaltsverzeichnis 3. Der gesetzlich zugestandene Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Einnahmengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gemeindesteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Realsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern . . . . . . . . b) Gebühren und Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Finanzzuweisungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Aufnahme von Fremdmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Nutzung und Veräußerung des Gemeindevermögens . . . . f) Die Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . 4. Der Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Verwendung der Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

85 85 85 88 90 92 93 95 97 98

Drittes Kapitel

Der Prozeß der wirtschaftspolitisdlen Entscheidungsbildung (Entscheidungsgenesis) in der Gemeinde, Probleme der Entsdleidungskoordination Entsdleidungsorgane und potentielle Beeinftusser wirtsdlaftspolitischer Entsdleidungen

101

A. Die Stufen des wirtschaftspolitischen Entscheidungsbildungsprozesses. . 102

I. Das Erkennen eines Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 104 1. Interne Anregungen 105 2. Externe Anregungen 11. Die Entscheidungsvorbereitung ......................... . . . .. .... 105 1. Die Informationsbeschaffung ....... . .. . .............. . . . .... 2. Die Auswertung der Informationen (lnformationsverarbeitung) a) Die Erfassung der Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der Konsequenzen jeder Alternative . ......... c) Bewertung der Konsequenzen der Alternativen . . . . . . . . . . . . 3. Beratung im Entscheidungsgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 112 113 114 116 119

I11. Die Entscheidung (Der Beschluß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Die Bekanntmachung der Entscheidung . . ........................ 122 B. Probleme der Entscheidungs-Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

I. Abstimmung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen untereinander und mit den Entscheidungen in anderen Sachbereichen . . . . . . 124 11. Abstimmung wirtschaftspolitischer Entscheidungen zwischen den Entscheidungsorganen verschiedener Gemeinden und zwischen denjenigen von Gemeinden und Gemeindeverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I11. Koordination wirtschaftspolitischer Entscheidungen der Entscheidungsorgane von Gemeinden mit denjenigen von Bund bzw. Ländern ........... . .. .. ................. .. .. .. . .. .. ..... .. .. .. .. . 128

Inhaltsverzeichnis

10

C. Die Entscheidungsorgane in den Gemeinden ....... . ................ . . 142 I. Die Vorschriften der Verfassungen .............................. 143

II. Zusammenfassender überblick über die Entscheidungsorgane in den Gemeinden .......... . .............. . ...................... 143 D. Personen, Gruppen und Organe t'on Institutionen, die als BeeinflusseT wirtschaftspolitischer Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane in Erscheinung treten können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

I. überlokale (sog. politische) Parteien und Rathausparteien (Wähler-

vereinigungen)

. . ...... . ... . .. . . ...... . . . .. ........ .. ... . ... ... 147

II. Interessenverbände und (Einzel-)Personen . . . .... . ....... .. ..... 148 III. (Handwerks-, Industrie- und Handels-)Kammern . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Die Industrie- und Handelskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Die Handwerkskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

IV. Die öffentliche Meinung und die örtliche Presse . . . ... ......... . .. 153 V. In der Gemeindeverwaltung tätige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Viertes Kapitel

Zielsetzungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

156

A . Das Zustandekommen wirtschaftspolitischer Zielsetzungen in der Gemeinde (Zielbildungsprozeß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Systematische Erörterung gemeindewirtschaftspolitischer Zielsetzungen 160 I. Steigerung der Rate des örtlichen Wirtschaftswachstums . . . . . . . . . . 161

1. Theoretische Grundlagen örtlichen Wirtschaftswachstums . . . . . . 161

2. Ansatzpunkte zur Steigerung der Rate des örtlichen Wirtschaftswachstums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Kriterien für die Förderung von Nettoinvestitionen . . . . . . . . . . . . 168 4. Förderung der Nachfrage von den ,Exportmärkten' nach den in einer Gemeinde angebotenen Gütern und Dienstleistungen . . . . 173 II. Sicherung stetigen örtlichen Wirtschaftswachstums und Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen . . . . . . . . . . . . 174 1. Beseitigung und Vermeidung einer einseitigen Wirtschafts-

struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Wi~~ungen von Disproportionalitäten im örtlichen Wirtschaftsgefuge .................................. . .............. . .... 177 3. Kriterien für die Sicherung stetigen örtlichen Wirtschaftswachstums und für die Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2.

C. Beziehungen zwischen den diskuti ert en gemeindewi rtschaftspoli tischen

Zielsetzungen, insbesondere Zielantinomie und Zielkomplementarit ät . . 184

Inhaltsverzeichnis

11

Fünftes Kapitel

Gemeindewirtschaftspolitische Instrumente A. Systematisierung gemeindewi rtschaftspolitischer Instrumente

188 190

B. Analyse gemeindewirtschaftspolitischer Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

I. Infl.uenzierende hoheitliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ortsrechtliche Vorschriften über die äußere Gestaltung von baulichen Anlagen und von Werbeanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verkehrsrechtliche Regelungen ......... . ...... . ... . . .. . ..... 4. Gemeindesteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewerbesteuer . . . . . . . . aa) Individuelle Vereinbarungen, Stundung und Erlaß . . . . . . bb) Die Gestaltung der Hebesätze bei der Gewerbesteuer und die Erhebung bzw. Nichterhebung der Lohnsummensteuer . .. .. .. . . ........ . ... .. ..... . ....... .. . ..... . . . . b) Gestaltungsmöglichkeiten bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Infl.uenzierende nicht-hoheitliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bereitstellung von anforderungsgerechten Grundstücken und Errichtung von anforderungsgerechten Betriebsgebäuden . . . . . . 2. Finanzhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewährung von Darlehen und verlorenen Zuschüssen . . . . . . b) Beteiligung einer Gemeinde an privaten Betrieben (rechtlich selbständigen wirtschaftlichen Unternehmen) . . . . . . . . . . . . . . c) Zinsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherheitsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Grundlagen der Übernahme von Sicherheitsleistungen durch Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formen der Sicherheitsleistung . . ..... .. .... . .. ... . . ... cc) Die Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 196 198 199 200 200 201 205 212 215 217 223 223 227 229 231 232 232 233

III. Informative Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Werbung ........ . ....... . . . .... . . . ........... . ...... . .. .... . 237 2. Beratung . .. . . .... . .. ..... . . . . . . . ..... . . .. . ....... . ... ... .. . . 241 C. Zur optimalen Kombination gemeindewirtschaftspolitischer Instru-

mente . . . .. .. .. ... .. ..... ... .. . . ..... . . .. . . ..... ... . ................ 242 Schlußbemerkungen

244

Literaturverzeichnis

246

Abkürzungsverzeichnis ABI. AfK

AO (RAO)

BAnz Bay BayBS BayGAG BayGemO BayVerf BBauG BGB BGBl. I, II, III Brem BrhStVerf BVerfGE BVerfGG BVerwGE BW BWGemO BWKAG BWVerf DGO DÖV DVBl DVO EinfGRealStG FA FAZ

Amtsblatt Archiv für Kommunalwissenschaften (Reichs-)Abgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl. S. 1993), i. d. F . vom 22. Mai 1931 (RGBl. I S. 161), seither vielfach geändert Bundesanzeiger, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz Bayern, bayerisch Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bayerisches Gemeindeabgabengesetz vom 20. Juli 1938 (BayBS I S. 553) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Jan. 1952 (GVBl. S. 19) i. d. F. vom 23. Juni 1967 (GVBl. S. 361) = Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 (GVBI. S. 3) Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) = Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195), seither vielfach geändert = Bundesgesetzblatt, Teil I, Teil II, Teil III =Bremen = Verfassung für die Stadt Bremerhaven vom 4. November 1947 (BremGBl. S. 291) i. d. F. der Ortsgesetze vom 18. Mai 1960 (BremGBl. S. 66) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243) i. d. F . des Gesetzes vom 3. August 1963 (BGBl. I S. 589) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg, baden-württembergisch Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25. Juli 1955 (GBl. S. 129) i. d. F. vom 6. Juli 1965 (GBl. S. 165) Kommunalabgabengesetz für Baden-Württemberg vom 18. Februar 1964 (GBl. S. 71) = Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 (GBl. S.173) Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RGBI. I S.49) Die öffentliche Verwaltung, Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I S. 961) i. d. F. des Gesetzes vom 27. Dezember 1951 (BGBl. I S . 996) Finanzarchiv Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, D-Ausgabe

Abkürzungsverzeichnis GBI. GemHVO GemO GewStG GG GkGNW

GrStG

GUG GVBI. HandwO HBKWPI

HBKWPIII

HdB

HdFI HdSW

Hess HessGemO HessVerf HGB HmbVerf

13

Gesetzblatt Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden (Gemeindehaushaltsverordnung) vom 4. September 1937 (RGBl. I S. 921) Gemeindeordnung Gewerbesteuergesetz i. d. F. vom 25. Mai 1965 (BGBI. I S. 459), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 53) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBI. I S. 1), mehrfach geändert Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 26. April 1961 (GVBI. S. 190) i. d . F. des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen sowie des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 25. Februar 1964 (GVBI. S. 45) Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 (RGBI. I S. 986) i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. August 1951 (BGBI. I S. 519), mehrfach geändert, zuletzt durch Gesetz vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 905) Gesetz über die Umwandlung kurzfristiger Inlandsschulden der Gemeinden vom 21. September 1933 (RGBI. I S. 647) i. d. F. vom 29. März 1935 (RGBI. I S. 456) Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) i. d. F . vom 28. Dezember 1965 (BGBI. 1966 I S. 2) Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, herausgegeben in Verbindung mit den kommunalen Spitzenverbänden im Auftrage des Forschungsinstitutes für Sozial- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Köln von Hans Peters, Erster Band, Kommunalverfassung, Berlin - Göttingen - Heidelberg 1956 Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, herausgegeben in Verbindung mit den Kommunalen Spitzenverbänden von Hans Peters, Dritter Band, Kommunale Finanzen und kommunale Wirtschaft, Berlin Göttingen - Heidelberg 1959 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage, unter Mitarbeit von zahlreichen Fachgelehrten und praktischen Betriebswirten, herausgegeben von Hans Seischab und Kar! Schwantag, Stuttgart 1956 ff. Handbuch der Finanzwissenschaft, Zweite völlig neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Wilhelm Gerloff und Fritz Neumark, Erster Band, Tübingen 1952 ff. Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, zugleich Neuauflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften, herausgegeben von Erwin von Beckerath u. a., Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1956 ff. Hessen, hessisch = Hessische Gemeindeordnung vom 25. Februar 1952 (GVBI. I S. 11) i. d. F. vom 17. Dezember 1964 (GVBI. I S. 209) = Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 (GVBI. S. 229) Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGBl. S. 219) Verfassung der Freien und Hansestadt Harnburg vom 6. Juni 1952 (GVBI. S. 117)

14 IHKG JbNSt KAG MinBlFin Nds NdsGemO NdsVerf NJW NW: NWGemO NWVerf RGBl. RGZ RHO RhPf RhPfGemO RhPfVerf ROG RücklVO Saarl SaarlGemO SaarlVerf SchlH SchlHGemO SchlHLS SchrVfS StabG WRV ZfN ZgesStW

Abkürzungsverzeichnis Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (Preußisches) Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 (GS S.152) Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Gemeindeordnung vom 4. März 1955 (GVBl. S. 55) i. d. F. vom 9. Januar 1967 (GVBl. S. 4) Vorläufige niedersächsische Verfassung vom 13. April 1951 (GVBl. S. 103) i. d. F. vom 29. Febr. 1956 (GVBl. S. 13) Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 (GVBl. S. 283) i. d. F. vom 25. Februar 1964 (GVBl. S. 45) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 (GVBl. S. 127) mit Änderungsgesetz vom 11. Mai 1954 (GVBl. S. 131) Reichsgesetzblatt Teil I (seit 1922) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 (RGBl. 1923 li S. 17) i. d. F. vom 14. April1930 (RGBl. li S. 693) Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz vom 27. September 1948 (GVBl. S. 335) i. d. F . vom 25. September 1964 (GVBl. S . 145) Verfassung für Rheinland-Pfalzvom 18. Mai 1947 (GVBI. S. 209) i. d . F . vom 19. Januar 1952 (GVBl. S . 45) Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965 (BGBl. I S. 306) Rücklagenverordnung vom 5. Mai 1936 (RGBl. I S. 435) Saarland, saarländisch Saarländisches Gesetz Nr. 788 über die Selbstverwaltung der Gemeinden, Ämter und Landkreise (Kommunalselbstverwaltungsgesetz) vom 15. Jan. 1964 (ABl. S. 123) Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 (ABl. S. 1077) mit mehreren Änderungsgesetzen Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 24. Jan. 1950 (GVBl. S. 25) i. d. F. vom 21. April1964 (GVBl. S. 39) Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dez. 1949 (GVBl. 1950 S. 3) i. d. F. vom 15. März 1962 (GVBl. S. 123) Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I S. 582) Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Verfassung) (RGBl. S . 1383) Zeitschrüt für Nationalökonomie Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Einleitung A. Gegenstand. Ziel und Methode der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die multifunktionale Organisation Gemeinde, und zwar als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum, das durch Entscheidungsprozesse gekennzeichnet wird. Dabei wird eine konkrete Situation, die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, zugrunde gelegt. Das Ziel der Arbeit ist, wie (nach unserer Auffassung) allgemein das Ziel wissenschaftlicher Bemühungen, auf das Erkennen eines Gegenstandsbereiches gerichtet: Die gemeindliche Wirtschaftspolitik in ihrer Verursachung durch menschliche Entscheidungen soll untersucht werden. Auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der zuständigen gemeindlichen Entscheidungsorgane, als Wurzel der gemeindlichen Wirtschaftspolitik, richtet sich also unser Interesse. Das Phänomen der wirtschaftspolitischen Entscheidung der Entscheidungsorgane wird, als tragendes Element, in den Mittelpunkt unserer Bemühungen gestellt. Die Feststellung, daß die Wirtschaftspolitik im allgemeinen und die gemeindliche Wirtschaftspolitik im besonderen auf die Entscheidungen der zuständigen Entscheidungsorgane zurückzuführen ist, ist nicht neu. Dennoch finden sich bis in die jüngste Zeit in der Fachliteratur Vorstellungen, die den Eindruck erwecken, als ob es sich bei der Wirtschaftspolitik um eine zwangsläufige, mechanistisch-determinierte Entwicklung handle. Mit Hilfe des entscheidungsorientierten Ansatzes gelingt es, deterministische Vorstellungen (die beispielsweise Grundlagen der Gedankengänge von Karl Marx sind) zu überwinden. Die Methode, das Finden des Weges zum Ziel der Untersuchung, wird von den dem Gegenstand eigentümlichen Schwierigkeiten gefordert. Die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes verlangt, die Erkenntnisse verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (wie der Wirtschaftswissenschaft, der Rechtswissenschaft, der Wissenschaft von der Politik, der Soziologie, der Psychologie) miteinander zu verbinden. Insofern kann unser Vorhaben als ,interdisciplinary approach' angesehen werden. Diese Durchbrechung disziplinärer Schranken ist nach unserer Ansicht eine unerläßliche Notwendigkeit, wenn wir zu empirisch gehaltvollen Aussagen über die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum kommen wollen1 •

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Einleitung

Das Ziel der Arbeit wird dadurch zu erreichen versucht, daß der Gegenstandsbereich durch ein nach logischen Prinzipien geordnetes Gefüge empirisch-kognitiver Sätze erfaßt und abgebildet wird. Solche Sätze (Aussagen) sollen uns über die Beschaffenheit der realen Gegenstände der erfahrbaren Wirklichkeit in einer Weise informieren, daß über die Frage hinaus nach dem, was vorliegt, auch eine Antwort darauf gegeben werden kann, warum die Sachverhalte so oder so sind. Die Untersuchung wird also auf die (Zusammenhänge) klärende, deskriptive und systematisierende Darstellung (unter Benutzung theoretischer Erkenntnisse) beschränkt. Grundsätzlich besteht nicht die Absicht, Probleme, die zur gesetzlichen Regelung anstehen (de lege ferenda), in die Arbeit in entsprechender Weise mit einzubeziehen. So bleiben Fragen, die sich auf die Finanzreform, insbesondere die Gemeindefinanzreform2, die Neuordnung der Verwaltungsgrenzen und die kommunale 1 In dem allgemeinen Gehalt dieser Aussage wissen wir uns mit Giersch einig: Giersch, Herbert: Allgemeine Wirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 21 f. Vgl. auch: Köttgen, Arnold: Die Gemeinde als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, in: AfK, 1. Jg./1962, 1. Halbjahresband, S. 3 ff., hier S.17 ff. 2 Einen gedrängten historischen Überblick bis zum Jahre 1957 über die finanzwissenschaftliche Diskussion des permanenten Problems von Gemeindefinanz- bzw. -steuerreformen gibt Horster, Robert: Die Reform des deutschen Gemeindesteuersystems, Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten, N. F. Heft 16, hrsg. von G. Schmölders, Berlin 1958, S. 11 ff.; vgl. auch das noch heute vielzitierte Gutachten von Popitz, Johannes: Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, Gutachten, erstattet der Studiengesellschaft für den Finanzausgleich, Berlin 1932. Vgl. zum Problemkreis der Gemeindefinanzreform aus der Vielzahl der Veröffentlichungen ferner: Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, Zur gegenwärtigen Problematik der Gemeindefinanzen (abgeschlossen am 11. Juli 1959), Köln 1959; Görg, Hubert: Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Problematik des kommunalen Finanzsystems, in: Kommunale Finanzen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 8, Stuttgart 1960, S. 7 ff.; Heckt, Wilhelm: Zur Gemeindefinanzreform, in: DÖV, 15. Jg., März 1962, Heft 6, S. 207 ff.; Schriftenreihe der Forschungsstelle der Friedrich-Ebert-Stiftung: Kommunale Finanzreform, Hannover 1962; Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung: Zur Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Tatsachen, Probleme und Möglichkeiten, Hannover 1964; Döring, Ewald: Kritische Analyse der Vorschläge zur Gemeindesteuerreform, Diss. Frankfurt/M. 1964 (vgl. auch die dort angeführte Literatur); Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart- Köln- Berlin- Mainz 1966; Die Finanzreform und die Gemeinden, Mit einer Einführung von Fritz Neumark und Beiträgen von Wilhelm Heckt u. a., Schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften e. V. Berlin, Bd. 14, Stuttgart- Berlin- Köln- Mainz 1966; Institut "Finanzen und Steuern", Die große Finanzreform- Gutachten -,Heft 80, Bonn 196ß; KarlBräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (Hrsg.): Kommunale Finanzreform, Stellungnahme zu den Vorschlägen der Sachverständigenkommission für die Finanzreform, o. 0. (Wiesbaden) 1967; Littmann, Konrad, unter Mitarbeit von Peter Halm, Dorothea Moock und Christa Littmann-Steding: Die Gestaltung des kommunalen Finanzsystems unter raumordnungspolitischen Gesichtspunkten, Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Abhandlungen, Bd. 50, Hannover 1968, S. 48 ff., S. 91 ff.

A. Gegenstand, Ziel und Methode der Untersuchung

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Gebietsreform3 beziehen, grundsätzlich unberücksichtigt. Auch die Beantwortung der Fragen, ob wirtschaftspolitische Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane mit einer angestrebten optimalen räumlichen Ordnung vereinbar sind oder wenn nicht, durch welche Änderungen des bestehenden Zustandes bessere Ergebnisse erzielt werden könnten, muß in dieser Arbeit offenbleiben4 • Die Behandlung der beispielhaft angeführten Probleme würde, nach unserer Ansicht, größtenteils über den durch das Thema gesteckten Rahmen hinausgehen. Außerdem möchten wir Aussagen, die mit Problemen der Gemeinden zusammenhängende Reformen fordern, den Vertretern der an solchen Neuregelungen dieser Sachverhalte Interessierten bzw. den Wissenschaftlern überlassen, die beauftragt sind, entsprechende Gutachten zu erstellen oder die sich bei ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit etwa nach der Maxime von Karl Marx richten, daß es darauf ankommt, die Welt zu verändern. Wenn normative Aussagen nicht zu umgehen sind, werden wir uns bemühen, sie als unsere Auffassung kenntlich zu machen.

B. Aufbau der Untersuchung Da der Untersuchungsgegenstand höchst komplex ist, soll, bevor wir uns der Untersuchung selbst zuwenden, im Interesse der Übersichtlichkeit der dabei zu beschreitende Weg skizziert werden. 3 Über die im Zusammenhang mit der Verwaltungsneugliederung auftretenden Fragen liegt ein umfangreiches Schrifttum vor. Die folgenden Literaturangaben können daher nur eine Auswahl darstellen: Die Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland, Gutachten des Sachverständigenausschusses für Raumordnung, Stuttgart 1961; Bahrdt, Hans Paul: Die Gemeinde in der Industriegesellschaft, Köln 1962, S. 35 ff.; Isbary, Gerhard: Raumordnung und territoriale Verwaltungsgliederung, in: Raumordnung und kommunale Selbstverwaltung, o. 0. o. J. (1962), S. 59 ff.; Deutscher Gemeindetag und Deutscher Landkreistag (Hrsg.): Die Region als neue Raumordnungseinheit, o. 0. 1964; Weber, Werner: Entspricht die gegenwärtige kommunale Struktur den Anforderungen der Raumordnung? Empfehlen sich gesetzgeberische Maßnahmen der Länder und des Bundes? Welchen Inhalt sollten sie haben? Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des Fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages, Karlsruhe 1964, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Bd. I (Gutachten), Teil 5, München und Berlin 1964 (vgl. auch die umfangreichen Literaturangaben in dieser Abhandlung); Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, Zwischengemeindliche Zusammenarbeit 11, Ergänzung und Weiterführung, Köln 1966, S. 39 ff.; Bewerunge, Lothar: Das Ende der Zwerggemeinden, Nordrhein-Westfalen macht Fortschritte beim Schaffen lebensfähiger Kommunen, in: FAZ, D-Ausgabe, vom 24. August 1967, Nr. 195, S. 2. 4 Vgl. dazu beispielsweise: Storbeck, Dietrich: Die wirtschaftliche Problematik der Raumordnung, Eine Untersuchung über Notwendigkeit, Ziele und Mittel der Raumordnung im System der Marktwirtschaft, Volkswirtschaftliche Schriften, hrsg. von J. Broermann, Heft 47, Berlin 1959, insbes. S. 82 f. (künftig zitiert: Die wirtschaftliche Problematik der Raumordnung).

2 Schneider

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Einleitung

Die Arbeit ist in fünf Kapitel eingeteilt. Das erste Kapitel dient gewissermaßen der Vorbereitung, gibt eine allgemeine Grundlegung. Aus Gründen der gegenseitigen Verständigung werden die Begriffe, die für die Arbeit von zentraler Bedeutung sind, ihrem Inhalt und Umfang nach bestimmt und das Thema abgegrenzt5 • Dem Begriff Wirtschaftspolitik wird einmal deshalb vergleichsweise große Aufmerksamkeit gewidmet, weil die Entscheidungsorientierung dieses Begriffes herausgearbeitet werden mußte, zum anderen, weil in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von (in Begriffsumfang und Begriffsinhalt teilweise voneinander abweichender) Definitionen zu finden ist. Dabei sind unsere Studien zum Begriff Wirtschaftspolitik nicht so sehr darauf abgestellt, verschiedene Begriffsauffassungen aufzuzählen und Bedeutungsvergleiche anzustellen, sondern vielmehr darauf, den Begriffsgegenstand kritisch zu untersuchen. Die Analyse der Merkmale des Begriffs Politik (Wirtschaftspolitik ist ja ein integraler Bestandteil der Politik6 ) und die daran anschließende Verknüpfung dieser Merkmale unter Einschluß des Sachbereiches, der Wirtschaft, ermöglicht uns die Bestimmung des Begriffs Wirtschaftspolitik, wie er in der Arbeit verwendet werden wird. Die Festlegung des Begriffs Gemeinde, die Untersuchung der Wandlungen des Begriffsinhaltes der kommunalen Selbstverwaltung sowie weitere sachliche, räumliche und zeitliche Abgrenzungen vervollständigen dieses Kapitel. Bei jeder wirtschaftspolitischen Entscheidung ist gemeindlichen Entscheidungsorganen ein Entscheidungsrahmen vorgegeben, in den die jeweilige wirtschaftspolitische Entscheidung eingepaßt werden muß. Gegenstand des zweiten Kapitels sind derartige Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik. Neben den natürlichen Ressourcen, den demographischen Gegebenheiten und den Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger wird vor allem die Legitimation für das Fällen wirtschaftspolitischer Entscheidungen durch gemeindliche Entscheidungsorgane dargestellt. Darüber hinaus wird gezeigt werden, wie diese Legitimation in der Rechtsordnung ihre finanzielle Fundierung findet. 5 "Die Klärung von Begriffen ist eine Voraussetzung für jede ernsthafte wissenschaftliche Tätigkeit." (Stegmüller, Wolfgang: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Eine kritische Einführung, Dritte, wesentlich erweiterte Auflage, Stuttgart 1965, S. 368.) Zur Notwendigkeit begrifflicher Abgrenzungen siehe z. B. auch: Lompe, Klaus: Wissenschaftliche Beratung der Politik, Ein Beitrag zur Theorie anwendender Sozialwissenschaften, in: Wissenschaft und Gesellschaft, Bd. 2, Schriften des Forschungsinstituts für Gesellschaftspolitik und beratende Sozialwissenschaft e. V., hrsg. von Gerhard Weisser, Göttingen 1966, S. 15 ff. 8 Die Ansicht, daß die Wirtschaftspolitik ein Teilbereich der Politik ist, wird besonders deutlich vertreten von: Giersch, Herbert: Allgemeine Wirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 18; Möller, Hans und Holzheu, Franz: Art. Wirtschaftspolitik, in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. von Hermann Kunst und Siegfried Grundmann, in Verbindung mit Wilhelm Schneemelcher und Roman Herzog, Stuttgart - Berlin 1966, Sp. 2546 ff., hier Sp. 2546.

B. Aufbau der Untersuchung

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Im ersten Hauptabschnitt des dritten Kapitels wird der (mehrstufige) Prozeß der wirtschaftspolitischen Entscheidungsbildung (,decision making process'), die Entscheidungsgenesis, in der Gemeinde behandelt. Wenn man den Entscheidungsbildungsprozeß als Prozeß der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen kennzeichnet, wird klar, daß hier Probleme der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung (einschließlich Prognose- und Ungewißheitsprobleme) im Mittelpunkt der Erörterung stehen. Neben der Abstimmung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen untereinander sowie der Abstimmung wirtschaftspolitischer Entscheidungen mit den Entscheidungen in anderen Sachbereichen einer Gemeinde ist die Abstimmung zwischen den Entscheidungen der Entscheidungsorgane der Gemeinden und den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Entscheidungsorgane anderer Entscheidungszentren Gegenstand der Ausführungen in einem weiteren Hauptabschnitt (II) des dritten Kapitels. Probleme der Koordination von Entscheidungen der Entscheidungsorgane von Gemeinden mit denjenigen von Bund bzw. Ländern werden anhand der Koordination raumordnungs- und raumwirtschaftspolitisch relevanter Entscheidungen sowie der Koordination konjunkturpolitisch relevanter Entscheidungen untersucht. Im Anschluß an die Diskussion dieser Zusammenhänge wird die Frage beantwortet, wer die Zielsetzungs- und Mittelentscheidungen in der Gemeinde trifft. Es werden die Entscheidungsorgane der Gemeinden (als Verursacher gemeindlicher Wirtschaftspolitik) vorgestellt. In Abschnitt IV des dritten Kapitels wird das Problem der Beeinflussung wirtschaftspolitischer Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane durch Personen, Gruppen und Organe von Institutionen reflektiert. Übrigens zeigte es sich insbesondere hier, daß in Deutschland (im Gegensatz zu den USA) die Erforschung von Entscheidungsbildungsprozessen gemeindlicher Entscheidungsorgane von den Wissenschaftlern der zuständigen Disziplinen bisher weitgehend vernachlässigt wurde7 • Am Beginn des vierten Kapitels finden sich Ausführungen über die wissenschaftliche Gewinnung wirtschaftspolitischer Ziele und über den wirtschaftspolitischen Zielbildungsprozeß in der Gemeinde. Im Mittelpunkt der Ausführungen dieses Kapitels steht allerdings die systematische Erörterung (die Erklärung und Diskussion des jeweiligen Zielsetzungsinhalts) von auf der Basis technologischer Grundlegung eingeführter gemeindewirtschaftspolitischer Zielsetzungen. 7 Vgl. zu dieser Aussage neben der in den Fußnoten 4 und 195 im dritten Kapitel angegebenen Literatur auch noch: Schmelzer, Horst und Becker, Reiner: Material für eine Analyse politischer Machtstrukturen in Gemeinden, hrsg. von der politischen Akademie Eichholz - Institut für kommunalpolitische Bildung und Forschung - der Konrad-Adenauer-Stiftung für politische Bildung und Studienförderung e. V., o. 0. 1968, S. 7.

2•

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Einleitung

In Abschnitt III im vierten Kapitel werden die Beziehungen zwischen den diskutierten gemeindewirtschaftspolitischen Zielsetzungen, insbesondere die Zielkomplementarität und die Zielkonkurrenz, untersucht. Auch gemeindewirtschaftspolitische Ziele werden mit der Absicht gesetzt, sie zu erreichen. Die Erreichung gemeindewirtschaftspolitischer Zielsetzung (der Programmsituation) erfordert den Einsatz von Mitteln. Die Untersuchung gemeindewirtschaftspolitischer Mittel (oder Instrumente) ist Gegenstand des fünften Kapitels. Die Fülle und die Vielgestaltigkeit gemeindewirtschaftspolitischer Instrumente erfordert u. E . zunächst eine Systematisierung. Diese Fülle der Instrumente ist auch die Ursache dafür, daß nicht alle, sondern nur ausgewählte Instrumente analysiert werden. Am Schluß des fünften Kapitels werden schließlich noch Probleme beleuchtet, die bei der Bestimmung der optimalen Kombination gemeindewirtschaftspolitischer Instrumente auftreten.

Erstes Kapitel

Allgemeine Grundlegung Die Analyse der Begriffsinhalte und die Festlegung der Begriffsbestimmungen liefern uns das notwendige Instrumentarium, um zu den Phänomenen vorzudringen, denen unsere Aufmerksamkeit gilt. Wir beginnen mit der wissenschaftlichen Definition der Grundbegriffe1 . Die Darstellung wird also insofern nicht heuristisch aufgebaut. Damit folgen wir nicht den Anregungen Euckens, der die Ansicht vertritt, daß wissenschaftliche Begriffe erst am Ende einer Untersuchung gewonnen werden können2 • Der Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten ist unseres Erachtens nicht so groß, wie es den Anschein hat. Denn: in beiden Fällen muß den Bemühungen um die Begriffsbestimmung das Eindringen in das zu erkennende Gegenstandsgebiet (also eine Sachanalyse) vorausgehen. "Dem Benennen geht das Erkennen voraus3 . " Die Gründe für diese Art des Vorgehens sind solche der Kommunikation. Die interpersonelle Verständigung erfordert (nach unserer Ansicht bereits zu Beginn einer wissenschaftlichen Abhandlung) die Bekanntgabe dessen, was unter dem jeweiligen Begriff verstanden wird.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik ,Den' Begriff Wirtschaftspolitik gibt es nicht. Wie bei zahlreichen Begriffen im Bereich der Sozialwissenschaften unterscheiden sich die wissenschaftlichen Begriffsbestimmungen hinsichtlich ihres Begriffsinhalts und ihres Begriffsumfangs. Die Ursache dieser unterschiedlichen Begriffsbestimmungen ist darin zu sehen, daß dem Begriff Politik im uns 1 Vgl. dazu die Zusammenstellung bei Robinson, Richard: Definition, Oxford 1950, Should Definitions come at the Beginning or at the End?, S. 3 f. 2 Eucken, Walter: Die Grundlagen der Nationalökonomie, Achte Auflage, in: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, hrsg. von W. Kunkel, H . Peters, E. Preiser, Abteilung Staatswissenschaft, Berlin - Heidelberg- New York 1965, insbes. S. 7 f., 27 ff., 228 ff. 3 Szyperski, Norbert: Zur Proble matik der quantitativen Terminologie in der Betriebswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse, Bd. 16, hrsg. von Erich Kosiol, Berlin 1962, S. 18; vgl. dazu auch: Hartmann, Nicolai: Möglichkeit und Wirklichkeit, 2. Aufl., Meisenheim am Glan 1949, S. 475.

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Kap.1.: Allgemeine Grundlegung

interessierenden (speziellen) Fall der Wirtschaftspolitik von den einzelnen Wirtschaftswissenschaftlern verschiedene Begriffsmerkmale zugeordnet werden. Primärer Ansatzpunkt für eine sach- und zweckgerechte Bestimmung des Begriffsinhalts von Wirtschaftspolitik für die vorliegende Arbeit ist daher der Begriff Politik. Dieser Begriff wird zunächst auf seine Begriffsmerkmale hin untersucht. Die isolierten Begriffsmerkmale werden analysiert und interpretiert. Nach der Explikation des formalen Begriffs Politik kann dann der Begriff Wirtschaftspolitik, wie er in dieser Arbeit benutzt werden soll, formuliert werden: Den materiellen Inhalt erhält der formale Begriff Politik dadurch, daß wir den Tätigkeitszweig (Sachbereich) hinzufügen. I. Die Elemente des Begriffs Politik

Schäffle war der Ansicht, daß "Politik ein höchst schwankender Begriff ist, ein vielgestaltiger Proteus ... " 4 • Die Situation ist insofern unverändert, als es auch in der Gegenwart keinen allgemein akzeptierten Begriff Politik gibt. Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Begriffsklärung haben verschiedenartige, zum Teil umstrittene Ergebnisse gebracht5. Diese Ergebnisse zeigen, daß sowohl der Begriffsumfang einmal 4 Schäffle, Albert: "Über den wissenschaftlichen Begriff der Politik, in: ZgesStW, 53. Jg. (1897), 4. Heft, S. 579 ff., hier S. 579. Ipsen scheint mit dieser Ansicht Schäffles nicht konform zu gehen: vgl. Ipsen, Hans Peter: Politik und Justiz, Das Problem der justizlosen Hoheitsakte, Harnburg 1937, S. 232, insbes. Fußnote 125; vgl. auch: Eulenburg, Franz: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik, Staat und Wirtschaft, Zürich- Leipzig 1938, S. 3; von Beckerath, Erwin: Politik und Wirtschaft: ist eine rationale Wirtschaftspolitik möglich?, in: Einkommensbildung und Einkommensverteilung, hrsg. von W. G. Hoffmann, SchrVfS, N. F. Bd.13, Berlin 1957, S. 25 ff., hier S. 25. 5 Vgl. die Begriffszusammenstellungen bei Stier-Somlo, Fritz: Politik, Fünfte, vielfach ergänzte Auflage, Leipzig 1921, S. 21 ff.; Grewe, Wilhelm: Zum Begriff der politischen Partei, in: Um Recht und Gerechtigkeit, Festgabe für Erich K aufmann zu seinem 70. Geburtstage, Stuttgart und Köln 1950, S. 65 ff., hier S. 70 ff.; ferner: Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre, Zweite, durchgesehene Auflage, Stuttgart- Berlin- Köln- Mainz 1966, S. 679 ff. Krüger gewinnt unter Heranziehung der Merkmale, die die einzelnen Definitionen als die entscheidenden ansehen, drei Gruppen von Begriffsbestimmungen. In der ersten Gruppe wird als entscheidendes Merkmal der Staat erkannt. Zu dieser Gruppe zählen die Begriffsbestimmungen z. B. von Jellinek, Georg: Allgemeine Staatslehre, Fünfter, um ein durchgesehenes Verzeichnis der Neuerscheinungen vermehrter Neudruck (der dritten Auflage), Berlin 1929, S. 180; Koellreutter, Otto: Deutsches Staatsrecht, Stuttgart und Köln 1953, S. 72. Die zweite Gruppe von Begriffsbestimmungen sieht als entscheidendes Merkmal die Macht an. Hierher gehören z. B. Fleiner, Fritz: Politik als Wissenschaft, Zürich 1917, S. 4; Weber, Max : Politik als Beruf, Vierte Auflage, Berlin 1964, S. 8. Die Begriffsbestimmung Carl Schmitts (dritte Gruppe) spricht von einer politischen Relation dann, wenn sie "den Modus äußerster Gegensätzlichkeit angenommen hat" (Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre, a.a.O., S. 681). Diese äußerste Gegensätzlichkeit wird durch das Freund-Feind-Verhältnis gekennzeichnet. Siehe: Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen, Text von 19-32 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1963, S. 26 ff., S. 30.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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weiter, dann wieder enger gefaßt wird als auch, daß die Gesamtheit der Begriffsmerkmale (Begriffsinhalt) variiert. In dieser Arbeit wird mit Helfritz "Politik als die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende, leitende Tätigkeit im öffentlichen Leben" 6 bezeichnet. Dieser Begriffsbestimmung lassen sich folgende (begriffskonstituierende) Merkmale entnehmen: (1) das Merkmal des auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Tätigseins (Handelns7); (2) das Merkmal des Tätigseins im öffentlichen Leben; (3) das Merkmal des leitenden Tätigseins. Auch in anderen Definitionen von Politik sind einige dieser Merkmale zu finden. So ist nach Besson Politik " ... Führung von Gemeinwesen auf der Basis von Machtbesitz"8 • Wolff versteht unter" ... dem vieldeutigen Wort ,Politik' . . . die Leitung und Gestaltung des öffentlichen Lebens im Ganzen und seiner Sachbereiche (z. B .... Wirtschaftspolitik ...}" 9 • Zurgenauen Bestimmung des Begriffsinhalts müssen die oben angeführten Merkmale des Begriffs Politik analysiert und interpretiert werden. 8 Helfritz, Hans: Allgemeines Staatsrecht, Mit einem Abriß der Staatstheorien, Fünfte erweiterte und veränderte Auflage, o. 0. 1949, S. 25 (im Original z. T. gesperrt, der Verf.). Die beiden ersten Merkmale dieses formalen Begriffes Politik übernimmt auch Meinhold zur Bestimmung des Begriffes Volkswirtschaftspolitik, ohne allerdings den Inhalt dieser Merkmale näher zu bestimmen. Vgl.: Meinhold, Wilhelm: Volkswirtschaftspolitik, München 1955, S. 1 f. 7 Aktion, Tätigkeit, Handlung und Aktivität werden synonym gebraucht. Vgl.: Dorsch, Friedrich: Psychologisches Wörterbuch, Siebente, umgearbeitete und erweiterte Auflage, unter Mitarbeit von Werner Traxel, Testverzeichnisse und Testerklärungen, Mit einem Anhang: Einführung in die mathematische Behandlung psychologischer Probleme von Wilhelm Witte, Harnburg- Bern 1963, S. 10, Stichwort Aktion. 8 Besson, Waldemar: Art. Politik, I. Wissenschaftstheoretische und ethische Grundlegung, in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. von Hermann Kunst und Siegfried Grundmann, in Verbindung mit Wilhelm Sehneerneicher und Roman Herzog, Stuttgart- Berlin 1966, Sp. 1547 ff., hier Sp. 1548 (im Original kursiv, der Verf.). Die Kritik an dieser Definition richtet sich gegen die pleonastische Formulierung. Führung bedeutet doch entscheiden und anordnen (vgl. die Ausführungen auf S. 27 ff.). Entscheidungen und Anordnungen können für ein Gemeinwesen nur getroffen werden, wenn der/die Führende(n) Macht besitzt(en). Gleichviel, ob die Macht Persönlichkeitsmacht (Charisma), Organisationsmacht oder Besitzmacht ist. Auf welcher Grundlage als auf der der verschiedenen Arten von Macht soll die Führung eines Gemeinwesens sonst beruhen? 9 Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht I, Ein Studienbuch, Siebente, neubearbeitete Auflage, München 1968, S. 73 (künftig zitiert: Verwaltungsrecht I); siehe auch : v. Eynern, Gert: "Politologie", in: Zeitschrift für Politik, Jg. 1 (N. F.), Heft 111954, S . 83 ff., hier S. 83.

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Kap.l.: Allgemeine Grundlegung 1. Auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhendes Tätigsein

Auf Zweckmäßigkeitserwägungen10 beruhendes Tätigsein bzw. Handeln (Tun oder Unterlassen11 ) bedeutet, eine (menschliche) Handlung so zu gestalten, daß sie dem erstrebten Zweck dient. Es wird davon ausgegangen, daß die Handlungen der leitend Tätigen im öffentlichen Leben zweckmotiviert sind12 ; mit anderen Worten: Der antreibende Bestimmungsgrund des Handeins ist der Zweck. Die Handlungen werden also durch willentliches Handeln (Bewußtseinsakte) und nicht durch Triebregungen oder ohne Bewußtsein verlaufendes Reflexverhalten13 hervorgerufen14. Unter Zweck wird "ein vorgestellter und gewollter künftiger Zustand, der mit Hilfe von Mitteln herbeigeführt wird" 15, verstanden. Dabei ist der Zweck das letzte (oberste) Ziel (Endziel), das angestrebt wird. In der Theorie der (Wirtschafts-)Politik wird in der Regel als Zweck (= letztes Ziel) die Maximierung des kollektiven Nutzens, der "collective ophelimity function", eines Gemeinwesens angesehen16. Es erhebt 10 Damit ist nicht (etwa im Sinne von Machiavelli) gemeint, daß die Zweckmäßigkeit der einzig zulässige Maßstab des politischen Verhaltens sei. Recht und Gesetz sind nicht nur soweit zu beachten, wie es für den gesetzten Zweck nützlich erscheint, vielmehr können Zweckmäßigkeitserwägungen immer nur innerhalb der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen angestellt werden. 11 Vgl. zum Begriff des Handelns: Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der verstehenden Soziologie, Studienausgabe, hrsg. von Johannes Winckelmann, Erster Halbband, Köln- Berlin 1964, S. 3 (künftig zitiert: Wirtschaft und Gesellschaft I). 12 Vgl. z. B. zur Zweckmotivation politischen Handelns: Stampfer, Friedrich: Grundbegriffe der Politik, 3. Aufl., Hannover 1954, S. 11, 13 ff.; Pütz, Theodor: Theorie der allgemeinen Wirtschaftspolitik und Wirtschaftslenkung, Wien 1948, S. 18; Friedrich, Carl Joachim: Prolegomena der Politik, Politische Erfahrung und ihre Theorie, in: Erfahrung und Denken, Schriften zur Förderung der Beziehungen zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften, Bd. 25, Berlin 1967, S. 82. Vgl. aber auch die Ausführungen von : Oakeshott, Michael: Rationales Verhalten, in: Rationalismus in der Politik, POLITICA, Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft, hrsg. von Wilhelm Hennis und Hans Maier, Bd. 25, Neuwied und Berlin 1966, S. 91 ff., insbes. S. 99 ff. (künftig zitiert: Rationales Verhalten). 13 Bezüglich der möglichen Einteilungskriterien für das sinnhafte Handeln vgl. Wundt, Wilhelm: Grundzüge der Physiologischen Psychologie, Bd. 3, 6. Aufl., Leipzig 1920, S. 233 f.; Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft I, a.a.O., S. 17 f.; Oakeshott, Michael: Rationales Verhalten, a.a.O., S. 95 f. 14 "Menschliche Tätigkeit ist immer bewußte, zweckgerichtete Tätigkeit ... " (Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Georg Klaus und Manfred Buhr, Leipzig o. J., S. 620). In bezugauf die leitend Tätigen im öffentlichen Leben erscheint diese Aussage durchaus realistisch. Ähnlich auch : Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, in: JbNSt, Bd. 158 (1943), S. 1 ff., hier S. 21. 15 Der Große Brockhaus, Sechzehnte, völlig neubearbeitete Auflage in zwölf Bänden, Zwölfter Band Unk- Zz, Wiesbaden 1957, S. 755, Stichwort Zweck. 18 Die einzelnen Autoren ver wenden verschiedene Formulierungen, die aber nur Varianten im Ausdruck für dasselbe, was gemeint ist, sind. Vgl. z. B.

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sich nun die Frage, ob den leitend Tätigen ein Beurteilungsmaßstab zur Verfügung steht, aufgrund dessen sie ihre Handlungen, mit denen sie den erstrebten Zweck zu erreichen suchen, gestalten. Bei diesem leitenden Tätigsein (Handeln) geht es - das sei hier vorweggenommen (ohne damit einer näheren Bestimmung vorzugreifen) zum einen um die (Zwischen-)Zielsetzungsentscheidungen und zum anderen um Entscheidungen darüber, wie die erstrebten (Zwischen-)Zielsetzungen zu erreichen gesucht werden17• Wie die Erfahrung lehrt, entschließen sich (in einem demokratischen Gemeinwesen in der Regel im Wege der Mehrheitsentscheidung) die leitend Tätigen, die sich mehreren Handlungsmöglichkeiten gegenübersehen, normalerweise für diejenige, die sie18 für die zweckmäßigste halten. Dabei ist die zweckmäßigste Handlungsalternative die, welche den erstrebten Zweck bestmöglich erfüllt. Aus dieser Formulierung folgt für die leitend Tätigen die Notwendigkeit, alle Handlungsalternativen abwägend zu vergleichen19 . Der Beurteilungsmaßstab, nach dem die Handlungen gestaltet werden, ist das Rationalprinzip als Maxime vernünftigen Handelns. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine objektiv feststellbare Rationalität; denn objektive Maßstäbe zur Feststellung rationalen Handeins gibt es in der Mehrzahl der Fälle nicht. Die Rationalität wird hier vielmehr als subjektive Rationalität verstanden20 • Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 19; Tinbergen, Jan: On the Theory of Economic Policy, Second edition, Amsterdam 1955, S. 1; Sauermann, Heinz : Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Erster Band, Zweite, durchgesehene Auflage, in: Die Wirtschaftswissenschaften, Hrsg. E. Gutenberg, Wiesbaden 1965, S. 45; Burdeau, Georges: Einführung in die politische Wissenschaft, POLITICA, Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft, hrsg. von Wilhelm Hennis und Roman Schnur, Bd. 12, Neuwied am Rhein und Berlin 1964, S. 87. 17 Vgl. zur näheren Bestimmung des auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden leitenden Tätigseins die Ausführungen zu 3 in diesem Abschnitt. 18 Damit entscheiden aber auch allein die leitend Tätigen (genauer: in einem demokratischen Gemeinwesen in der Regel die Mehrheit des zuständigen Entscheidungsgremiums) über das kollektive Nutzenmaximum. Vgl. dazu: Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 20 und 21 Fußnote 1. 19 Vgl. Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 19. 20 "Die Behauptung, der Mensch befolge, soweit er überhaupt vernünftig handle, das wirtschaftliche Prinzip, meint ... nicht eine objektive, sondern lediglich eine subjektive Rationalität." (Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 3; im Original gesperrt, der Verf.); vgl. dazu auch Möller, Hans: Die Rationalität der wirtschaftlichen Handlungen, in: JbNSt, Bd. 156 (1942), S. 241 ff., insbes. S. 247 ff.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

2. Zum Begriffsmerkmal ,öffentliches Leben'

Die Schwierigkeiten bei der Handhabung des Wortes öffentlich rühren aus der Vielzahl der verschiedenen Bedeutungen im Sprachgebrauch her. Ein Blick auf die Bedeutungsgeschichte zeigt, daß das Wort zunächst bedeutete, daß etwas bekannt ist21 • In dem Begriff öffentliches Leben ist das Wort öffentlich eine Übersetzung von publicus. Öffentlich meint insofern den Bereich "des populus, des Volks, und zwar des organisierten Volks, des Volks als Gemeinde, als Staat"22 • Leitendes Tätigsein im öffentlichen Leben bedeutet demnach das Handeln der zuständigen Organe des Staates (des Zentralstaates und der Gliedstaaten), der Gemeinden, aber auch der sonstigen vom Staat im Wege der Kompetenzdelegation mit hoheitlicher Befugnis23 ausgestatteten Institutionen. Dabei werden durch das leitende Tätigsein im öffentlichen Leben gemeinsame, über die Sphäre des einzelnen hinausgreifende (überindividuelle) Angelegenheiten der Mitglieder von Gemeinwesen geregelt. Mit diesem Begriffsmerkmal wurde dem inhaltlich nicht bestimmten Begriff Politik im Sinne der Teleologie ein bestimmter Inhalt gegeben. Der inhaltlich nicht bestimmte Begriff der Politik im Sinne der Teleologie bekommt allerdings eine ganz andere Ausrichtung, wenn statt des Merkmals ,im öffentlichen Leben' z. B. das Merkmal ,Unternehmung' als begriffskonstituierend eingesetzt wird. In diesem Fall wird damit das leitende Tätigsein in der Sphäre eines (oder jedenfalls weniger) Wirtschaftssubjekte gekennzeichnet, das grundsätzlich nur am Interesse dieses Wirtschaftssubjektes orientiert ist. Im Gegensatz dazu ist, wie oben bereits ausgeführt, leitendes Tätigsein im öffentlichen Leben auf die Wahrnehmung der über individuelle Beziehungen hinausreichenden Belange der Mitglieder eines Gemeinwesens gerichtet24 • 21 Vgl. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 19. Auflage, bearbeitet von Walther Mitzka, Berlin 1963, S. 520. 22 Smend, Rudolf: Zum Problem des Öffentlichen und der Öffentlichkeit, in: Bachof, Otto, u . a. (Hrsg.): Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, Bd. 6 der Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik e. V. Mainz, München 1955', S. 11 ff., hier S. 12; vgl. auch Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, a .a .O., S. 520; ferner Wolff, Hans J .: Verwaltungsrecht I, a.a.O.,

s. 11.

23 Zu diesem Begriff siehe: Huber, Ernst Rudolf: Wirtschaftsverwaltungsrecht, Erster Band, Zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen 1953, S. 689 (künftig zitiert: Wirtschaftsverwaltungsrecht I). 24 Ähnlicher Ansicht ist wohl Scheuner, Ulrich : Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen in der neueren Staatslehre, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag am 15. Januar 1962, hrsg. von Konrad Hesse, Siegfried Reicke, Ulrich Scheuner , Tübingen 1962, S. 225 ff., hier S. 253.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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3. Das Merkmal,leitendes Tätigsein'

Nur das leitende Tätigsein25 , nicht aber das ausführende oder vollziehende Handeln, wird als konstituierendes Merkmal des Begriffs Politik angesehen. Die Merkmale leitender Tätigkeit sind nach Kosiol: die Entscheidung, die Anordnung und die Initiative, wobei die Verantwortung als "tragender Urgrund" (nicht als eigenständiges Merkmal) angesehen wird26 • Diese Merkmale können wir mutatis mutandis auch für unseren Zweck übernehmen. a) Entscheidung und Anordnung als Merkmale leitenden Tätigseins

Leitende Tätigkeit ist zunächst dadurch charakterisiert, daß Entscheidungen getroffen werden. Dabei bedeutet entscheiden, aus mehreren möglichen Alternativen eine Handlungsalternative auswählen27 • 25 Ebenso Weber, Max: Politik als Beruf, a.a.O., S. 7; Scheuner, Ulrich: Grundfragen des modernen Staates, in: Wandersleb, Hermann (Hrsg.), bearbeitet von Erich Traumann, Recht - Staat - Wirtschaft, Dritter Band, Düsseldorf 1951, S. 126 ff., hier S. 135. Nach Bergstraesser besteht dagegen Politik in der Bildung und dem Vollzug des Willens eines Verbandes (Bergstraesser, Arnold: Zum Begriff des politischen Stils, in: Faktoren der politischen Entscheidung, Festgabe für Ernst Fraenkel, hrsg. von Gerhard A. Ritter und Gilbert Ziebura, Berlin 1963', S. 39 ff., hier S. 47'). Dagegen geht es nach Ellwein "im Bereich der Politik ... nicht um das Durchführen des einmal Entschiedenen ..." (Ellwein, Thomas: Politische Verhaltenslehre, 4., überarbeitete Auflage, Stuttgart 1965, S. 51). - G. und E. Küchenhoff bezeichnen "A 11 e (vom Verf. gesperrt) auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Tätigkeit in öffentlichen Dingen ..." als Politik (Küchenhoff, Günther und Küchenhoff, Erich: Allgemeine Staatslehre. Sechste überarbeitete und ergänzte Auflage, Stuttgart- Berlin- KölnMainz 1967, S. 13). Hier wird Helfritz falsch interpretiert und auch fälschlicherweise zitiert. Zwischen führendem und leitendem Tätigsein wird hier im Gegensatz etwa zu Schumpeter (Schumpeter, J oseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Sechste Auflage, Berlin 1964, S. 123 f.) nicht unterschieden. 26 Vgl. Kosiol, Erich: Organisation der Unternehmung, in: Die Wirtschaftswissenschaften, Hrsg. E. Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 107; ders.: Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, rowohlts deutsche enzyklopädie, Bd. 256/257, Reinbek bei Harnburg 1966, S. 70. Ähnlicher Ansicht ist Sandig, Curt: Betriebswirtschaftspolitik, 2., völlig neu bearbeitete Auflage von "Die Führung des Betriebes. Betriebswirtschaftspolitik", Stuttgart 1966, S. 19 (künftig zitiert: Betriebswirtschaftspolitik). 27 Sirnon z. B. verwendet die Begriffe Wahl und Entscheidung meist synonym. Vgl. Simon, Herbert A.: Das Verwaltungshandeln, Eine Untersuchung der Entscheidungsvorgänge in Behörden und privaten Unternehmen, mit einem Vorwort von Chester J. Barnard, in: Verwaltung und Wirtschaft, Schriftenreihe der Westfälischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Heft 12, Stuttgart 1955, S. 3 (künftig zitiert: Das Verwaltungshandeln); amerikanische Ausgabe: Ders.: Administrative Behavior, A Study of Decision-Making Process in Administrative Organization, With a foreword by Chester J. Barnard, Second Edition, With new Introduction (Paperback Edition), New York- London 1965,

S.4.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Die Entscheidungen müssen frei getroffen werden. Wird aufgrund von Anordnungen, also zuvor getroffener leitender Entscheidungen, gehandelt, liegt keine leitende Tätigkeit (und damit auch nicht politisches Handeln) vor, sondern ausführendes (verwaltendes) Handeln28 • Diese leitenden Entscheidungen sind sowohl zielsetzender29 (Was-Entscheidungen) als auch zielstrebiger (Wie-Entscheidungen) Art. Durch die Ziel- oder Zielsetzungsentscheidungen werden die politischen Ziele eines Gemeinwesens, die verfolgt werden sollen, festgelegt. Die Mittelentscheidungen (auch Zielerreichungsentscheidungen genannt) beziehen sich auf die Wahl der Mittel, mit denen die vorgegebenen Ziele zu erreichen versucht werden. Aber auch die ausführende Tätigkeit (die Tätigkeit der Verwaltung) erfordert Entscheidungen im Sinne von Wahlüberlegungen. Der Unterschied zur leitenden Entscheidung liegt darin, daß das ausführende Handeln bereits durch eine zuvor getroffene (leitende) Entscheidung festgelegt wurde. Es ist eine Frage der organisatorischen Gestaltung des Ausführungsbereiches, ob diese leitenden Entscheidungen alle Einzelheiten derart determinieren, daß die Entscheidungen, die die ausführende Tätigkeit erfordert, "ausschließlich die eigene Person bzw. die eigene Tätigkeit"30 betreffen. Bei weniger in Einzelheiten gehenden leitenden Entscheidungen bzw. bei entsprechender Organisation des Ausführungsbereiches können innerhalb desselben Entscheidungen z. B. darüber getroffen werden, wer den Vollzug durchzuführen hat (Vollzugsentscheidungen), nicht aber über die Sache selbst31 • Das ist eine organisatorische Frage, die in diesem Zusammenhang in den Hintergrund tritt. 28 Grundsätzlich übereinstimmend Friedrich, Carl J.: Der Verfassungsstaat der Neuzeit, in: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, hrsg. von W. Kunkel, H . Peters, E. Preiser, Abt. Staatswissenschaft, Ber lin - Göttingen Heidelberg 1953, S. 419; vgl. auch Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II (Organisations- und Dienstrecht), Ein Studienbuch, Zweite, neubearbeitete Auflage, München und Berlin 1967, S. 61 (künftig zitiert: Verwaltungsrecht II). 29 "Die Setzung der Z i e 1 e der Politik ist eine reine W i 11 e n s e n t scheid u n g." (Amonn, Alfred: Leitfaden zum Studium der Nationalöko~ nomie, Bern 1945; S. 115.) so Kosiol, Erich: Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 101. 31 Wegen der Freiheitsgrade der (kommunalen) Verwaltungstätigkeit siehe: Hartftel, Günter, Sedatis, Lutz, Claessens, Dieter: Beamte und Angestellte in der Verwaltungspyramide, Organisationssoziologische und verwaltungsrechtliche Untersuchungen über das Entscheidungshandeln in der Kommunalverwaltung, hrsg. von Otto Stammer, Berlin 1964, insbes. S. 88 ff. ("Die Stufen der Entscheidungsfreiheit im Verwaltungsverfahren - das Ermessen"), S. 97 ff. ("Das Ausmaß der Entscheidungsfreiheit im Verwaltungsverfahren"); bezüglich des "Ermessens" im Urteil des kommunalen Verwaltungspersonals siehe S. 105 ff. (künftig zitiert: Beamte und Angestellte in der Verwaltungspyramide). Siehe zu diesem Problemkreis auch Ellwein, Thomas: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Wissenschaft von der Politik, 1. Bd., hrsg. von Ossip K. Flechtheim und Otto Heinrich von der Gablentz in Verbindung mit Hans Reif im Auftrage des Otto-Suhr-Instituts an der Freien

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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Ein weiteres Kennzeichen leitenden Tätigseins ist die Anordnung. Sie ist mit der leitenden Entscheidung gekoppelt. Um das Ergebnis des Entscheidungsprozesses durchzusetzen, muß es durch Anordnungen oder Weisungen (z. B. in Form von Gesetzen oder Rechtsverordnungen) wirksam gemacht werden. Das Recht, das Ergebnis alternativer Wahlüberlegungen anzuordnen (dadurch wird auch der Vollzug durch die dem Entscheidungsorgan zugeordneten ausführenden Organe, der Verwaltung, in die Wege geleitet) und damit das Handeln (Verhalten) von Menschen eines Gemeinwesens festzulegen (nötigenfalls zu erzwingen) oder zu beeinflussen, steht demjenigen zu, der die leitenden Entscheidungen trifft, der die legitime und legale Entscheidungsmacht, die Herrschaftsgewalt, besitzt. Dabei ist es in diesem Zusammenhang von sekundärer Bedeutung, ob sie originärer oder abgeleiteter Natur ist. b) Die schöpferische Initiative als Merkmalleitenden Tätigseins

Ein Tätigkeitsmerkmal leitenden Handeins ist auch die Möglichkeit, daß der/die Entscheidungsträger eigene Initiative entfalten kann (können)32. Initiative entfalten bedeutet, Aktivität aus eigenem Antrieb heraus entwickeln, nicht nur auf von außen kommende Impulse zu reagieren. Hier manifestiert sich also das schöpferische Element33, und zwar um so deutlicher, je grundlegender die Entscheidung für das Gemeinwesen ist. Schöpferisch tätig sein heißt, die realen Gegebenheiten, die Umweltbedingungen auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse hin zu untersuchen und daraus neue (im Sinne von bisher nicht beachteten) (Zwischen-)Ziele und Mittel abzuleiten. c) Die Verantwortung als tragender Urgrund von Entscheidung, Anordnung und Initiative

Sich verantworten heißt, für die gefällten Entscheidungen einstehen, für die Handlungsweise eintreten. Die Verantwortung ist eine alle Entscheidungen begleitende Tatsache. Einstehen bedeutet das AufsichnehUniversität Berlin, Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln und Opladen 1965, S. 333.. 32 Gleicher Meinung Friedrich, Carl Joachim: Freiheit und Verantwortung, Zum Problem des demokratischen Totalitarismus, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, hrsg. von Heinz-Dietrich Ortlieb, 4. Jahr, Zur Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Festausgabe für Eduard Heimann zum 70. Geburtstage, Tübingen 1959, S. 124 ff., hier S. 126. 33 Auch Hans J. Wolffist der Ansicht, daß politisches Handeln schöpferischen Charakter hat. Vgl. Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht I, a.a.O., S. 73.

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Kap.l.: Allgemeine Grundlegung

menmüssen der Folgen einer Handlung34• Dieses Aufsiehnehmenmüssen ist strenge Notwendigkeit. Die Frage danach, vor wem sich die leitend Tätigen im öffentlichen Leben (Politiker, Mitglieder eines Entscheidungsorgans) zu verantworten haben, ist in einer Demokratie zunächst dahingehend zu beantworten, daß dies derjenige Personenkreis ist, der die Mitglieder des Entscheidungsorgans berufen hat: die zuständige Wählerschaft35 • Um den ,Willen' dieser Wählerschaft zu erkunden, müssen in regelmäßigen Abständen Wahlen abgehalten werden. Durch diese Wahlen haben die Wähler die Gelegenheit, zu den in der abgelaufenen Wahlperiode getroffenen Entscheidungen der Politiker Stellung zu nehmen. Hier ist den Wählern die Möglichkeit geboten, das Handeln der Mitglieder eines Entscheidungsorgans gutzuheißen oder zu verwerfen. Das heißt aber nichts anderes, als sie erneut zu wählen oder sie nicht zu wählen. Im Zeitpunkt der Wahl wird den Entscheidungsträgern also der Wert oder Unwert ihrer Handlungsweise spätestens zugerechnet. Neben diese Verantwortung vor den Wählern kann bei den einzelnen Politikern noch die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen treten, die in ihrem Grad der Ausprägung von der ethischen Differenzierung des einzelnen Politikers abhängig ist36 • Schließlich darf die Verantwortung vor dem Gesetz nicht außer acht gelassen werden. Das gilt insbesondere auch bei den Entscheidungsträgern, die durch Kompetenzdelegation zu leitend Tätigen im öffentlichen Leben geworden sind (was immer auf gesetzlicher Grundlage geschieht), bei denen aber die Entscheidungen nicht durch repräsentative Versammlungen zustande kommen. Der Wert oder Unwert ihrer Handlungsweise trifft letztlich das Organ, das ihnen die Kompetenz delegiert und die Entscheidungsbefugnis zugestanden hat. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden wir - der Einfachheit und Kürze des Ausdrucks halber (und nur deswegen) - unter leitendem Tätigsein das Treffen von (leitenden) Entscheidungen verstehen. Dabei ist aber immer mitzudenken, daß die (leitenden) Entscheidungen mit der 34 "Die· Folgen, als die G e s t a 1 t , die den Zweck der Handlung zur S e e 1 e hat, sind das Ihrige (das der Handlung Angehörige) ... " (Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, a.a.O., S. 101). Vgl. ferner über Verantwortung und Zurechnung als "real-ethische Tatsache": Hartmann, Nicolai: Ethik, 4., unveränderte Auflage, Berlin 1962, S. 725 f. 35 " ••• durch die Wahl bleibt auch die moderne Demokratie recht eigentlich ,responsible government' ... " (Ellwein, Thomas: Politische Verhaltenslehre, a.a.O., S. 21). 38 Vgl. auch die Ausführungen über die Verantwortung vor dem Gewissen bei Scheuner, Ulrich: Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen in der neueren Staatslehre, a.a.O., S. 259; Sandig, Curt: Betriebswirtschaftspolitik, a.a.O., S. 67 ff.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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Anordnungsbefugnis gekoppelt sind, mehr oder weniger schöpferischen Charakter tragen, und daß die Verantwortung die tragende Basis darstellt. II. Das Ergebnis des Explikationsprozesses als Basis für die Begriffsbestimmung Nach der analysierenden Untersuchung des formalen Begriffs Politik kann nunmehr der Begriff Wirtschaftspolitik formuliert werden. Zu diesem Zweck fügen wir dem formalen Begriff Politik den Sachbereich hinzu. Damit erhalten wir folgendes Ergebnis: 1. Die Begriffsbestimmung von Wirtschaftspolitik

Wirtschaftspolitik ist die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende leitende Tätigkeit der Organe des Staates (des Zentralstaates und der Gliedstaaten in einem föderativen Staatswesen), der vom Staat abgeleiteten öffentlich-rechtlichen Anstalten (z. B. die Deutsche Bundesbank) und Körperschaften (z. B. Gemeinden), der internationalen Organisationen und der supranationalen Gemeinschaften und sonstiger, durch Kompetenzdelegation seitens der Organe des Staates bestimmter Institutionen ("beliehene Verbände" 37), die die Gestaltung der Wirtschaft in einem Gebiet oder Bereich zum Gegenstand hat. Aus Gründen der Präzisierung und Konkretisierung bedarf diese Begriffsbestimmung der Ergänzung und Erläuterung. (1) Unter Wirtschaftspolitik verstehen wir also nur die auf der Grundlage von Zweckmäßigkeitserwägungen zustande gekommenen leitenden Entscheidungen. Die Organe, die diese Entscheidungen durchzuführen haben (Verwaltungsorgane), ,treiben' nicht Wirtschaftspolitik. (2) Nur die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden leitenden Entscheidungen der in der Definition aufgeführten Organe fallen unter den Begriff Wirtschaftspolitik. Nur die mit Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Entscheidungsorgane38 können für über individuelle Beziehungen hinausreichende Angelegenheiten der Mitglieder eines Gemeinwesens verbindliche Entscheidungen treffen, den Vollzug dieser Entscheidungen durch Anordnung auslösen und dadurch das wirtschaftliche Handeln der Mitglieder des Gemeinwesens festlegen oder beeinflussen. 37 Vgl. zur Bestimmung dieses Begriffes: Huber, Ernst Rudolf: Wirtschaftsverwaltungsrecht I, a.a.O., S. 533 ff. 38 Welches diese Organe in der Gemeinde sind, wird im 3. Kapitel dargestellt werden. Die Darstellung der Organe des Zentralstaates usw. würde über den Rahmen dieser Untersuchung hinausgehen.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Sie allein tragen auch für die getroffenen Entscheidungen die Verantwortung gegenüber den von den Entscheidungen Berührten, und sie können von diesen auch zur Verantwortung gezogen werden. (3) Primäres Kriterium zur Kennzeichnung der wirtschaftspolitischen Entscheidungsorgane ist, daß sie mit ihren Entscheidungen überindividuelle Angelegenheiten, gemeinsame Angelegenheiten der Mitglieder von Gemeinwesen regeln. Daß daneben die Träger von Wirtschaftspolitik sich als Träger (ursprünglicher oder abgeleiteter39) hoheitlicher Gewalt auszeichnen, ist u. U. für die Durchsetzung wirtschaftspolitischer Entscheidungen wichtig, denn dadurch können die Entscheidungsorgane sie auch gegen Widerstände durchsetzen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Träger von Wirtschaftspolitik wirtschaftspolitische Entscheidungen nicht nur mit Hilfe hoheitlicher Gewalt, sondern auch mittels nicht-hoheitlicher (also schlicht-verwaltender oder rechtsgeschäftlicher) Maßnahmen verwirklichen können. In letzterem Fall unterscheiden sich die Träger von Wirtschaftspolitik40 von privaten Wirtschaftssubjekten darin, daß sie über individuelle Beziehungen hinausreichende Belange der Mitglieder von Gemeinwesen wahrnehmen. (4) Wir schließen aus unserer Definition von Wirtschaftspolitik bewußt die Tätigkeit aus, die die Beeinflussung der Entscheidungsorgane durch außerhalb der Entscheidungsorgane stehende Personen, Gruppen und Organe von Institutionen (aus der Vielzahl der Beeinflusser seien einige aufgeführt: Hierher gehören beispielsweise in ihrer Bedeutung so unterschiedliche Institutionen wie die oberen Bundesgerichte und die sog. Interessenverbände) zum Gegenstand hat41 • Damit wird die Tatsache festgehalten, daß die Stellung dieser Personen und Organe von 39 Vgl. zu den mit der Delegation von hoheitlicher Gewalt zusammenhängenden Problemen Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre, a.a.O., S. 870 ff. 40 Beliehene Verbände verlieren allerdings in diesem Fall ihren öffentlichen Charakter und damit auch die Eigenschaft als Träger von Wirtschaftspolitik. 41 Derselben Ansicht sind die Autoren, die im folgenden Abschnitt 2 in der zweiten Gruppe aufgeführt sind. Auch die Autoren der ersten Gruppe sind wohl hier einzureihen. Anderer Ansicht (in bezug auf die allgemeine Politik) Weber, Max: Politik als Beruf, a.a.O., S. 7. Weber versteht unter Politik sowohl die Leitung als auch "die Beeinflussung der Leitung eines politischen (im Original gesperrt, der Verf.) Verbandes ... " Mit Einschränkungen so wohl auch Fleiner, Fritz: Politik als Wissenschaft, a.a.O., S. 4. - An anderer Stelle bezeichnet Max Weber allerdings ein soziales Handeln, das die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes bezweckt, als "politisch-orientiert" (Wirtschaft und Gesellschaft I, a.a.O., S. 39). Dieser Art des sozialen Handeins stellt er das eigentlich "politische" Handeln gegenüber (Wirtschaft und Gesellschaft I, a.a.O., S. 40). In dieser Formulierung kommt u. E . zum Ausdruck, daß Weber zwischen Leitung und Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes doch unterscheiden will und unter Politik schließlich doch nur die Leitung eines politischen Verbandes versteht.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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Institutionen im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß42 eine an~ dere als diejenige der Entscheidungsorgane ist. Sie können nur auf den Stufen der Anregung und der Entscheidungsvorbereitung Aktivität ent~ falten. Die Zurverfügungstellung von angeforderten und nicht angefor~ derten Informationen (die in mannigfaltigster Weise erfolgen kann, z. B. in der Form von Gutachten, aber auch in der von Streiks oder Streik~ drohungen) kann der Vorbereitung wirtschaftspolitischer Entscheidun~ gen dienen. Sie schließt aber unter keinen Umständen die Zuständigkeit für das Treffen der wirtschaftspolitischen Entscheidungen ein43 • Die Personen, Gruppen und Organe von Institutionen sind nicht in der Lage, für die Mitglieder eines Gemeinwesens allgemeinverbindliche wirtschaftspolitische Entscheidungen zu fällen. Selbst wenn die Beeinflussung der Entscheidungsorgane (da die wirtschaftspolitischen Entschei~ dungen in der Regel von Gremien gefällt werden, kann sich in diesem Falle die Beeinflussung auf das Entscheidungsgremium als Ganzes oder auf die Mitglieder eines Entscheidungsgremiums im einzelnen richten) die höchstmögliche Intensität erreicht, bleibt diesen außerhalb der Entscheidungsorgane stehenden Beeinflussern die Möglichkeit verschlossen, die Entscheidungen zu fällen und das Ergebnis des Entscheidungsprozesses anzuordnen. Wenn sie die Entscheidungen selbst fällen könnten, hätten sie es nicht nötig, als Beeinflusser in Erscheinung zu treten. Allein das Entscheidungsorgan fällt die Entscheidung, faßt den Beschluß". Nur ihm 42 Im einzelnen werden wir auf die Stufen des wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozesses in der Gemeinde im 3·. Kapitel eingehen. Über den Spezialfall der Entscheidungsbildung gemeindlicher Entscheidungsorgane hinaus, können diese Stufen generelle Gültigkeit bezüglich der Entscheidungsbildung beanspruchen. Unsere hier gemachten Aussagen werden dadurch noch deutlicher hervortreten. 43 Diese Ansicht kommt dem Inhalt (nicht der Formulierung) nach (speziell für Interessenverbände) auch z. B. in einer allgemeinen Stellungnahme des damaligen Bundeswirtschaftsministers Erhard gegenüber dem Bundesverband der Deutschen Industrie zum Ausdruck: Die bedeutsame Aufgabe dieses Bundesverbandes bei der wirtschaftspolitischen Willensbildung wird anerkannt, gleichzeitig aber betont, "daß die letzte Verantwortung für die Wirtschaft ... eines Volkes beim Staate liegt" (Erhard, Ludwig : Deutsche Wirtschaftspolitik, Der Weg der Sozialen Marktwirtschaft, Düsseldorf- Wien und Frankfurt/Main 1962, S. 239). Die Rolle speziell des "volkswirtschaftlichen Beraters" besteht nach Küng "lediglich in der Entscheidungsvorbereitung, nicht aber in der Entscheidung selbst ... da er ja auch nicht direkt die Verantwortung für das Gelingen oder Mißlingen trägt" (Küng, Emil: Der Interventionismus, Volkswirtschaftliche Theorie der staatlichen Wirtschaftspolitik, Bern 1941, S. 40). 44 Daß es "dem Politiker" überlassen bleibt zu entscheiden, welche der Forderungen "der Interessenverbände" "ganz erfüllt werden, an welchen Abstriche vorgenommen werden und welche endlich völlig unberücksichtigt bleiben", ist auch die Ansicht von Heinz Müller (Müller, Heinz: Möglichkeiten und Grenzen einer Unterstützung des Politikers durch den Nationalökonomen, in: v. Beckerath, Erwin, Meyer, Fritz W., Müller-Armack, Alfred (Hrsg.): Wirtschaftsfragen der freien Welt, Zum 60. Geburtstag von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, Frankfurt am Main o. J. (1957), S. 51 ff., hier S. 52). Vgl. auch allgemein zur politischen Entscheidung: Scheuner, Ulrich : Die Par-

3 Schneider

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Kap.l.: Allgemeine Grundlegung

hat die Rechtsordnung die Macht verliehen, diesen Beschluß durch Anordnung zum Vollzug zu bringen. Der Beschluß, die Entscheidung ist also das Reservat des Entscheidungsorgans4s. Die soziologische Analyse der realen Machtbeziehungen muß selbstverständlich stets im Auge behalten werden (vgl. die Darstellung der Beeinflusser wirtschaftspolitischer Entscheidungen in der Gemeinde im 3. Kapitel dieser Arbeit). (5) Den Vereinigungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber (oder einzelnen Arbeitgebern) ist in ihrer Eigenschaft als Tarifvertragsparteien die Zuständigkeit für die Setzung von (Tarif-)Normen (Tarifautonomie), die ,objektives Recht' sind, übertragen worden (Delegation der staatlichen Rechtsetzungsgewalt kraft Gesetzes). Die unmittelbare und unabdingbare Rechtsverbindlichkeit der Tarifnormen gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bewirkt den überindividuellen Charakter46 • Die Tarifvertragsparteien sind insoweit Träger von Wirtschaftspolitik47 (beliehene Verbände). (6) Die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende leitende Tätigkeit der in der Definition aufgeführten Organe hat die Gestaltung der Wirtschaft in einem Gebiet oder Bereich zum Gegenstand. Die Gestaltung der Wirtschaft, also das wirtschaftliche Handeln von Wirtschaftssubjekten, ist Gegenstand der Wirtschaftspolitik, der wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Das wirtschaftliche Handeln, das als das Aufstellen und der teien und die Auswahl der politischen Leitung im demokratischen Staat, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien, in: DÖV, 11. Jg., September 1958, Heft 25, S. 641 ff., hier S. 643; Loewenstein, Karl: Verfassungslehre, 2., durch einen Nachtrag auf den Stand von 1969 gebrachte Auflage, Tübingen 1969,

s. 42.

45 Kritiker könnten diese Aussage als ,antidemokratisch' bezeichnen. Antidemokratisch insofern, als die Abgabe von Informationen, m. a. W. die Heranziehung von außerhalb der Entscheidungsorgane Stehender, als Mittel zur Verwirklichung der Demokratie angesehen wird. Sie würden damit aber nur zu erkennen geben, daß sie die Absicht, die wir verfolgen, nicht verstehen: Dadurch, daß wir das Treffen von leitenden Entscheidungen im öffentlichen Leben zum Kriterium für die Abgrenzung der Träger von Wirtschaftspolitik heranziehen, wird die Möglichkeit, angeforderte und nicht angeforderte Informationen bei der Entscheidungsvorbereitung ,anzubringen', nicht geleugnet. Genausowenig wird geleugnet, daß durch die Informationen eine Entscheidung ,mitmotiviert' werden kann. Es wird dagegen festgehalten, daß zwischen bloßer Beeinflussung und Entscheidung ein Unterschied besteht, der weder zu übersehen ist, noch vernachlässigt werden kann. 48 Vgl. dazu: Huber, Ernst Rudolf: Wirtschaftsverwaltungsrecht, Zweiter Band, Zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen 1954, S. 423. 47 Zur Frage, inwieweit die verfassungsrechtliche Regelung den Tarifvertragsparteien das Recht zugesteht, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu fällen (Träger von Wirtschaftspolitik zu sein), m. a. W., wo die Grenzen der Tarifautonomie liegen, siehe Biedenkopf, Kurt H.: Grenzen der Tarifautonomie, Karlsruhe 1964.

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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Vollzug von Wirtschaftsplänen angesehen werden kann48 , wird durch die Wirtschaftspolitik in eine bestimmte Richtung gelenkt. Entscheidungen aus anderen Sachbereichen der Politik werden nicht berücksichtigt, auch wenn von ihnen gestaltende Einflüsse auf den Bereich der Wirtschaft ausgehen. (7) Jeder Träger von Wirtschaftspolitik kann (durch seine Organe) auch zum Beeinflusser der wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Entscheidungsorgane anderer Träger von Wirtschaftspolitik werden, und zwar dann, wenn er eine gewünschte wirtschaftspolitische Entscheidung nicht selbst treffen kann. Beispielsweise können Gemeindeorgane, insbesondere aber die Organe der Zusammenschlüsse von Gemeinden49 , die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Organe des Zentralstaates oder des für sie zuständigen Gliedstaates zu beeinflussen suchen•0 • In diesem Falle werden sie also im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß auf den Stufen entweder der Anregung und/oder der Entscheidungsvorbereitung tätig. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane bzw. die Organe der Zusammenschlüsse von Gemeinden sind insoweit Beeinflusser, da sie die von ihnen gewünschte Entscheidung nicht selbst treffen können. (8) Zur Abrundung unserer Ausführungen sei noch kurz auf mögliche Kriterien für die rangmäßige Einordnung der Träger von Wirtschaftspolitik hingewiesen51 • Als solche Kriterien können herangezogen werden: (a) die Zahl der Entscheidungsvariablen, die dem jeweiligen Träger von Wirtschaftspolitik zur Verfügung stehen; 48 Ohm, Hans: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik, Band I, SystematischTheoretische Grundlegung, 2. verb. und ergänzte Auflage, Sammlung Göschen Band 1195, Berlin 1965, S. 9 (künftig zitiert: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik I). 49 Solche Zusammenschlüsse sind in der Bundesrepublik Deutschland z. B . die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene: Deutscher Städtetag, Deutscher Städtebund, Deutscher Gemeindetag, Deutscher Landkreistag. Vgl. zur Tätigkeit der kommunalen Spitzenverbände als Beeinflusser: Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Erster Band, Allgemeiner Teil, 9., neubearbeitete Auflage, München und Berlin 1966, S. 55{1 f. (künftig zitiert: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I); Ziebill, Otto: Bürger- Städte- Staat, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Heft 12, Stuttgart und Köln 1963, S. 100 ff. (Nachdruck aus: HBKWP I, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1956, S. 581 ff.). 50 Vgl. dazu z. B. die Ausführungen von Köhler, der den Organen der Stadt München empfiehlt, auf den Stufen der Anregung und Entscheidungsvorbereitung bei Landes- und Bundesorganen wegen der Verkehrsverbesserung tätig zu werden (Köhler, Johannes: Finanzpolitische Betrachtungen zum Haushalt der Landeshauptstadt München, Schriftenreihe des "Studieninstitut für angewandte Haushalt- und Steuerpolitik e. V.", München 1965, S. 29 f.). 51 Es wäre wissenschaftlich reizvoll, würde aber den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, die Stellung der einzelnen Träger von Wirtschaftspolitik zueinander (unter Heranziehung von Rechtsnormen) zu untersuchen.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

(b) die Größe des Gebietes, auf das sich die wirtschaftspolitischen Entscheidungen beziehen (z. B. Bundesgebiet, Gemeindegebiet); (c) die Beantwortung der Frage, ob die Herrschaftsgewalt bzw. Entscheidungsmacht ursprünglicher oder abgeleiteter Art ist. Zieht man diese drei Kriterien zusammen zur Untersuchung der Stellung der einzelnen Träger von Wirtschaftspolitik heran, so ist es möglich, zwischen dominanten und akzidentellen Trägern von Wirtschaftspolitik zu unterscheiden, wobei unter dominant das Vorherrschen eines Trägers von Wirtschaftspolitik zu verstehen ist. 2. Exkurs: Die Definition von Wirtschaftspolitik in der wirtschaftswissenschaftlichen Literaturs2

In der Fachliteratur finden sich unterschiedlich weite Fassungen des Begriffes Wirtschaftspolitik im Hinblick darauf, wer als Träger von Wirtschaftspolitik angesehen wird. Neuhauser53, Preiser54 und Wagemann55 kennen nur einen homogenen Träger von Wirtschaftspolitik, nämlich den ,Staat'. In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, ob dies nur aus Gründen der Vereinfachung geschieht, unter ,Staat' also eine aggregierte Größe zu verstehen ist, oder ob wirklich nur das, was im Sinne des Staatsrechts mit Staat bezeichnet wird, gemeint ist. Wäre letzteres der Fall, würde u. E . der Blickwinkel zu sehr eingeengt, tatsächliche dezentralisierte Aspekte der Wirtschaftspolitik blieben unberücksichtigt. Das auch z. B. insbesondere deshalb, weil, wenn vom ,Staat' die Rede ist, meist nur an den Zentralstaat gedacht wird. Die Möglichkeit, daß in einem Bundesstaat die Organe der Gliedstaaten wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, wird dann negiert. Angenommen, diese Interpretation trifft zu, so wird damit eine Pluralität von Trägern der Wirtschaftspolitik geleugnet. 52 Es wird an dieser Stelle nicht die Absicht verfolgt, etwa alle je in der Fachliteratur vorgeschlagenen Begriffsbestimmungen von Wirtschaftspolitik vollständig zu erfassen. Die Zusammenstellung hat nur selektiven Charakter. 53 Neuhauser, Gertrud: Zur Klärung einiger Grundbegriffe der theoretischen Wirtsch?ftspolitik, in: ZfN, Bd. XVII, 1957, S. 244 ff., hier S. 253·: " . . . die drei grundsätzlich möglichen Gestaltungendes Verhältnisses zwischen dem Staatdem Träger der Wirtschaftspolitik . .. " 54 Preiser, Erich: Das Rationalprinzip in der Wirtschaft und in der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 17: "Die praktische Wirtschaftspolitik ist der Inbegriff der Maßnahmen, durch die der Staat die Wirtschaft ... beeinflußt." 55 Wagemann, Ernst: Wirtschaftspolitische Strategie, Von den obersten Grundsätzen wirtschaftlicher Staatskunst, Neubearbeitete 2. Auflage, Harnburg o. J ., S. 18: "In der Wirtschaftspolitik (im Original gesperrt, der Verf.) beeinflußt, lenkt und gestaltet der Staat (im Original gesperrt, der Verf.) die Wirtschaft (im Original gesperrt, der Verf.) . . ."

A. Der Begriff Wirtschaftspolitik

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Diesen engen Begriffsbestimmungen stehen Fassungen des Begriffs Wirtschaftspolitik gegenüber, mit denen wir im Ergebnis (hinsichtlich der Träger) unseres Begriffsbestimmungsprozesses in etwa übereinstimmen. In diese zweite Gruppe von Autoren lassen sich zunächst Jöhr-56 , Niehaus57 und Wilhelm Weber58 einreihen59 • Zwar wird in diesen Definitionen von z. B. dem ,Staat' als Träger von Wirtschaftspolitik gesprochen. Das ist - unter juristischen Aspekten betrachtet - zweifellos richtig. Denn der ,Staat' als juristische Person ist Träger von Wirtschaftspolitik. Da der Staat aber nur durch seine Organe (im konkreten Fall die leitend tätigen Organe) handlungsfähig wird60, diese Organe also auch die wirtschaftspolitischen Entscheidungen treffen, verwehrt man sich u. E. den Zugang zu Einsichten (insbesondere bei der Entscheidungsbildung), wenn man nicht bis zu den (leitenden) Organen vorstößt. Mahr stellt das Phänomen der Entscheidung in der von ihm entwickelten Definition besonders heraus: Er unterscheidet zwischen Trägern von Wirtschaftspolitik ("Personen oder Organe, die faktisch über die einzuschlagenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Entscheidung fällen und die Macht besitzen sie durchzuführen") und Inspiratoren der Wirtschaftspolitik (das sind Personen oder Organe, die wirtschaftspolitische Entscheidungen nur zu beeinflussen vermögen)61 • Mahr stößt damit zwar bis zu den Organen vor (insofern würde er der von uns entwickelten Begriffsbestimmung von Wirtschaftspolitik am nächsten kommen), aber gleichzeitig bezeichnet er die Organe als Träger von Wirtschaftspolitik. 58 Jöhr, Walter Adolf: Art. Wirtschaftspolitik, in: Staatslexikon, RechtWirtschaft - Gesellschaft, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Sechste, völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Achter Band, Freiburg 1963, Sp. 793 ff., hier Sp. 793: "Unter W. wird im folgenden die Beeinflussung und Gestaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentlich-rechtliche Körperschaften, wie insbes. Gemeinden, Staaten (bei Bundesstaaten: Gliedstaaten und Zentralstaat), sowie internationale Organisationen und supranationale Institutionen verstanden." 57 Niehaus kommt für die Agrarpolitik, als Teilbereich der Wirtschaftspolitik, zu folgender Begriffsbestimmung: "Die Bezeichnung Agrarpolitik kommt in strengem Sinne nur der ordnenden Tätigkeit des Staates und der von ihm autorisierten öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu ... " (Niehaus, Heinrich: Art. Agrarpolitik, (II) Volkswirtschaftlich-politische Problematik, in: HdSW, Erster Band, Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1956, S. 85 ff., hier S. 85). 58 Weber, Wilhelm: Öffentliche Ausgaben in einer langfristigen Wirtschaftspolitik, in: ZfN, Bd. XXVI, Heft 1-3, 1966, S. 363 ff., hier S. 36·3. 59 Vgl. auch die Ausführungen von Pütz, in: Pütz, Theodor: Die Bedeutung der Wirtschaftsverbände für die Gestaltung der Österreichischen Wirtschaftspolitik, in: Verbände und Wirtschaftspolitik in Österreich, Wissenschaftliche Leitung Theodor Pütz, SchrVfS, N. F. Bd. 39', Berlin 1966, S. 135 ff., hier S. 167 ff. 80 Man versteht "unter Organ in einem rechtsfaktischen Sinne diejenigen Menschen ... durch die Gesellschaften oder Juristische Personen wollen und handeln" (Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 42). Vgl. auch ebenda, S.44. 81 Mahr, Werner: Einführung in die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden 1966, S. 227.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Das entspricht nicht unserer Auffassung. Denn Träger von Wirtschaftspolitik können nur der Staat, die Gemeinde usw. sein (vgl. die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt). Ein weiterer Vorbehalt richtet sich gegen Mahrs Aussage, daß z. B. die Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erst "auf dem Wege zu einem Träger der Wirtschaftspolitik"82 sind. In der von uns entwickelten Begriffsbestimmung von Wirtschaftspolitik sind dagegen die Organe der internationalen Organisationen und supranationalen Gemeinschaften mit aufgenommen worden. Über alle Unterschiede hinweg besteht jedoch die gemeinsame Auffassung, daß zwischen Organen, die die wirtschaftspolitischen Entscheidungen treffen un~ Beeinflussern (Inspiratoren), die diese Entscheidungen nur beeinflussen können, unterschieden werden kann. Weissers Definition von Wirtschaftspolitik läßt sich nicht zweifelsfrei einordnen63 • Die Zweifel rühren primär daher, daß Weisser in seiner Begriffsbestimmung den Inhalt des Begriffes öffentlich nicht festlegt. Wird öffentlich in der Weise bestimmt, wie dies in der vorliegenden Arbeit geschehen ist, kann Weissers Begriffsbestimmung von Wirtschaftspolitik zur zweiten Gruppe gerechnet werden. Es ist aber wahrscheinlich, daß Weisser unter "Trägern öffentlicher Verantwortungen" einen größeren Kreis verstanden wissen will. Diese Annahme scheint vor allem im Blick auf das Werk, in dem der Artikel von Weisser steht (Evangelisches Soziallexikon) gerechtfertigt. Denn: von evangelischen Theologen wurde im Loccumer Kirchenvertrag von 1955 der Begriff des "Öffentlichkeitsauftrags der Kirche" ausdrücklich verwendet64 • Läßt man diese Verbindung gelten, wäre vermutlich bei Weisser ,die Kirche' auch ein ,Träger öffentlicher Verantwortung' und damit Träger von Wirtschaftspolitik. Eine eingehendere Untersuchung der Frage, was Weisser unter öffentlich versteht, können wir an dieser Stelle nicht vornehmen. Ebenfalls läßt sich nicht eindeutig dieser zweiten Gruppe von Autoren die Definition von Karl Schiller zurechnen65 • Hier bleibt offen, was dieser Autor unter "faktisch zuständigen Einrichtungen" verstanden wissen will. 62 Mahr, Werner: Einführung in die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, a .a .O., S . 227. 63 Weisser, Gerhard: Art. Wirtschaftspolitik, in: Evangelisches Soziallexikon, hrsg. von Friedrich Karrenberg, 4., vollständig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 1963, Sp. 1358 ff., hier Sp. 1358: "Unter W. verstehen wir die Gesamtheit der Maßnahmen von Trägern öffentl. Verantwortungen zur Gestaltung des Wirtschaftslebens." 6 ' Vgl. z. B. Conrad, Wolfgang: Der öffentlichkeitsauftrag der Kirche, Eine Untersuchung über den Rechtscharakter der Einigungsformel der deutschen Staatskirchenverträge seit 19'45, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, hrsg. von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, Bd. 52, Göttingen 1964. 65 Schiller, Karl: Art. Wirtschaftspolitik, in: HdSW, Zwölfter Band, Stuttgart- Tübingen- Göttingen 1965, S. 210: "Unter Wirtschaftspolitik verstehen wir die gestaltenden Maßnahmen, die der Staat oder von ihm abgeleitete oder

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Eine andere Gruppe von Autoren kennt eine Vielzahl von Trägern von Wirtschaftspolitik: praktisch jeder, der am Wirtschaftsleben teilnimmt, wird als Träger von Wirtschaftspolitik bezeichnet. Zu dieser Gruppe gehören Giersch66 , Hoffmann67 , Morgenstern68 und Pfister69 • Insbesondere Pfister hat- im Hinblick auf die Träger- einen weiten Begriff von Wirtschaftspolitik70 • Träger von Wirtschaftspolitik reichen bei diesem Autor (insgesamt kennt er sieben "Ebenen wirtschaftspolitischen Handelns"; die Personen dieser Ebenen sind die Träger von Wirtschaftspolitik) von den Verbrauchern über "die Angestellten und Beamten der Finanz-, Arbeits-, Wirtschaftsverwaltungen als Verfasser, Ausleger und Vollzieher der Steuer-, Wirtschafts-, Arbeitsgesetze usw.... " 71 bis hin zu den "wenigen Mitglieder(n) des obersten Gremiums jedes Zentralnoteninstitutes ... "72. Der formale Begriff Politik nimmt bei diesem Autor einen ungewöhnlichen Umfang an. Der Entwurf von "Arbeitsgesetzen" durch Beamte der "Arbeitsverwaltung" kann beispielsweise nach unserer Auffassung nicht als wirtschaftspolitisches Handeln bezeichnet werden. Ein Gesetzentwurf wird Makulatur, wenn die (gesetzgebenden) Entscheidungsorgane nicht eine Entscheidung dahingehend treffen, daß eben dieser Gesetzentwurf zum Gesetz wird. Die Beamten können weder die entsprechende Entscheidung treffen, noch das Ergebnis des Entscheidungsprozesses rechtswirksam anordnen. Damit fehlt aber der Tätigkeit der Beamten der wirtschaftspolitische Charakter. faktisch zuständige Einrichtungen im Hinblick auf Wirtschaftsprozeß, Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsordnung treffen." - Aus dieser Definition ist übrigens zu ersehen, daß Schiller keineswegs "ausschließlich auf die staatlichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen ab"-stellt, wie Krüger behauptet (Krüger, Rolf: Das wirtschaftspolitische Instrumentarium, Einteilungsmerkmale und Systematisierung, Volkswirtschaftliche Schriften, hrsg. von J. Br oermann, Heft 110, Berlin 1967, S. 13 Fußnote 2). 66 Giersch, Herbert: Allgemeine Wirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 17 und insbes. S.195 ff. 67 Hoffmann, Walther G.: Allgemeine Wirtschaftspolitik, in: Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, hrsg. von Karl Hax und Theodor Wessels, Bd. II Volkswirtschaft, Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln und Opladen 1966, S. 161 ff., hier S. 163, 171. 68 Morgenstern, Oskar: Die Grenzen der Wirtschaftspolitik, in: Beiträge zur Konjunkturforschung, hrsg. vom Osterreichischen Inst itut für Konjunkturforschung, 5, Wien 1934, S. 133. 69 Pfister, Bernhard: Wirtschaftspolitische Entscheidung und wirtschaftspolitische Verantwortung, in: von Beckerath, Erwin, Meyer, Fritz W., MüllerArmack, Alfred (Hrsg.): Wirtschaftsfragen der freien Welt, a.a.O., S. 32 ff. 70 Zwar setzt Pfister den Begriff Wirtschaftspolitik einmal (S. 32) in Anführungszeichen, läßt eine derartige Kennzeichnung im folgenden aber weg. 71 Pfister, Bernhard: Wirtschaftspolitische Entscheidung und wirtschaftspolitische Verantwortung, a.a.O., S. 33. 72 Ebenda, S. 33.

Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

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Eine Begriffserweiterung, wie sie die Autoren dieser dritten Gruppe im Hinblick auf die Träger von Wirtschaftspolitik vornehmen, erlaubt es nicht, zwischen wirtschaftspolitischem und wirtschaftlichem Handeln zu unterscheiden. Wir haben oben mit Ohm das wirtschaftliche Handeln "als Aufstellung und Vollzug von Wirtschaftsplänen" 73 bezeichnet. Durch spezifisch wirtschaftspolitische Entscheidungen werden die Aufstellung und der Vollzug der Wirtschaftspläne der Wirtschaftssubjekte eines Gemeinwesens festgelegt oder beeinflußt. Zwar werden durch wirtschaftliches Handeln von Wirtschaftssubjekten die Wirtschaftspläne anderer Wirtschaftssubjekte auch beeinflußt; diese gegenseitige Beeinflussung von Wirtschaftsplänen, "die nur Ausfluß aus der wirtschaftlichen Aktivität der Wirtschaftssubjekte ist" 74, kann deshalb nicht als Wirtschaftspolitik bezeichnet werden, weil "deren Planziele ausschließlich an der Wahrung und Förderung des eigenen ökonomischen Interesses orientiert sind"75 • Wirtschaftspolitik hat aber die Regelung gemeinsamer, über individuelle Beziehungen hinausgehender, Angelegenheiten der Mitglieder von Gemeinwesen zum Gegenstand. So sind beispielsweise Verbraucher nicht in der Lage, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen. Sie entfalten wirtschaftliche, nicht aber wirtschaftspolitische Aktivität. Diese Wirtschaftssubjekte können versuchen, die Entscheidungen der wirtschaftspolitischen Entscheidungsorgane zu beeinflussen (z. B. auch durch wirtschaftliche Aktivität). Damit ,treiben' sie aber keine Wirtschaftspolitik, eben weil sie die Entscheidungen zur Verwirklichung der von ihnen gewünschten Situation nicht selbst treffen und den Vollzug der Entscheidungen verbindlich für die Wirtschaftssubjekte eines Gemeinwesens anordnen können.

B. Zum Gemeindebegriff I. Begriffsbestimmung In der soziologischen Literatur sind bis zu 94 Gemeindebegriffsbestimmungen zusammengestellt worden76 • Jedoch können wir, um für die vorliegende Arbeit den Begriff der Gemeinde77 sach- und zweckgerecht bestimmen zu können, nicht auf einen spezifischen Gemeindebegriff der Ohm, Hans: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 9. Ebenda, S. 12. 75 Ebenda. 78 Siehe bei Hillery jr., George A.: Definitions of Community: Areas of Agreement, in: Rural Sociology, Volume 20, June 1955, S. 111 ff. 77 Um Mißverständnisse über die Bezeichnung Gemeinde auszuschließen, sei hier vermerkt, daß mit Gemeinde die Ortsgemeinde (,örtliche Gemeinschaft'), nicht etwa eine Kirchen- oder Kultgemeinde, gemeint ist. 73

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B. Zum Gemeindebegriff

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Wirtschaftswissenschaften zurückgreifen. In (wirtschafts-)wissenschaftlichen Untersuchungen, die wirtschaftlich relevante Aspekte der Gemeinde zum Gegenstand haben, wird auf den Gemeindebegriff meist nicht näher eingegangen. Wenn auch nicht explizit, so gehen die Autoren doch gewöhnlich vom juristischen Gemeindebegriff, von der Verwaltungseinheit als einem "gesetzlich geformten Typus" 78, aus. "Gemeinden sind einfache kommunale Gebietskörperschaften mit Gebietshoheit zur autonomen Selbstverwaltung universal überlassener örtlicher (integraler und summativer) eigener Angelegenheiten des Gemeinwesens sowie zur weisungsabhängigen Verwaltung enumerativ speziell oder generell zugewiesener fremder öffentlicher (Landes- oder Bundes-)Angelegenheiten79 ." Aus der Definition ist zu ersehen, daß den Gemeinden die autonome Selbstverwaltung innerhalb eines durch administrative Grenzen bestimmten Gebietes zusteht. Das bedeutet, daß die hoheitlichen Rechte, die die zuständigen Entscheidungsorgane der Gemeinden ausüben können, an den administrativen Gemeindegrenzen enden. Die Soziologen haben sich bei der Begriffsbestimmung von den administrativen Grenzen gelöst. So definiert König die Gemeinde im soziologischen Sinne wie folgt: "Gemeinde ist zunächst eine globale Gesellschaft vom Typus einer lokalen Einheit, die eine unbestimmte Mannigfaltigkeit von Funktionskreisen, sozialen Gruppen und anderen sozialen Erscheinungen in sich einbegreift, welche zahllose Formen sozialer Interaktionen und gemeinsamer Bindungen sowie Wertvorstellungen bedingen; außerdem hat sie neben zahlreichen Formen innerer Verbundenheiten, die sich in den erwähnten Teilen abspielen mögen, selbstverständlich auch ihre sehr handgreifliche institutionell-organisatorische Außenseite80." Für die Soziologen sind also die sozialen Interaktionen zwischen sozialen Gruppen und die Erkenntnis gemeinsamer Bindungen in einer lokalen Einheit von primärem Interesse. Die Betonung liegt bei dieser Betrachtungsweise auf der Gemeinde als "soziales System" oder als "soziale 78 Köttgen, Arnold : Die Gemeinde als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, a.a.O., S. 20. 79 Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 178·. Zur Erklärung dessen, was unter örtlich-integralen und örtlich-summativen Aufgaben zu verstehen ist, siehe ebenda, S. 171. 8° König, Rene: Grundformen der Gesellschaft: Die Gemeinde, rowohlts deutsche enzyklopädie, Sachgebiet Soziologie, Harnburg 1958, S. 28 (im Original kursiv, der Verf.); siehe auch ders.: Die Gemeinde im Blickfeld der Soziologie, in: HBKWP I, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1956, S. 18 ff., hier S . 23; ferner ders.: Einige Bemerkungen zur Soziologie der Gemeinde, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, hrsg. von Rene König, Sonderheft 1, Soziologie der Gemeinde, Köln und Opladen o. J. (1956), S. 1 ff.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Einheit"; "das ist zweifellos etwas völlig anderes als die Verwaltungseinheit Gemeinde" 81 • Der soziologische Begriff der Gemeinde kennt keine eindeutige räumliche Begrenzung. Nur im theoretischen Grenzfall wird sich der Begriff der Gemeinde der Soziologen und der Juristen decken. "Wenn es jedoch darum geht, das lebendige Erscheinungsbild der Gemeinden zu erfassen, muß auch die Soziologie sich an die gegebenen Verwaltungseinheiten halten ...82." Für eine wirtschaftspolitische Arbeit mag zunächst der Aspekt, sich von den administrativen Grenzen zu lösen und die ökonomisch-funktionalen Grenzen einer Gemeinde der Untersuclmng zugrunde zu legen, verlockend sein. Dieser Weg ist aber nicht begehbar. Das rührt daher, daß die Entscheidungsorgane der Gemeinden nur dazu befugt sind, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln (örtliche Zuständigkeit). Gemeindliche Entscheidungsorgane können dementsprechend auch nur wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, die, von Nebenwirkungen abgesehen, das örtliche Wirtschaftsgeschehen mitgestalten83 • Daher ist der juristische Gemeindebegriff Grundlage für die folgenden Ausführungen. II. Die Stadt als spezifische Erscheinungsform der Gemeinde In der Bezeichnung ,Gemeinde' steckt eine beträchtliche Abstraktion. Die Formen, in der die Gemeinde in der Realität erscheint, sind mannigfaltig: Die Gemeinde kann eine Großstadt sein oder eine Landgemeinde, ein Dorf. So haben beispielsweise von den 24 368 Gemeinden in der Bundesrepbulik Deutschland 858 (= 3,5 °/o) weniger als 100 Einwohner, 2,7 OJo (= 681) der Gemeinden haben mehr als 10 000 Einwohner84• Für die vorliegende Arbeit soll die Stadt eine spezifische Ausprägungsform der Gemeinde sein. Gemeinde ist also der Oberbegriff. Wir können für unsere Zwecke die Vielfalt der gemeindlichen Erscheinungsformen vernachlässigen. Natürlich bestehen zwischen der Wirtschaftspolitik einer Landgemeinde und der einer Großstadt sowohl qualitative als auch König, Rene: Grundformen der Gesellschaft: Die Gemeinde, a .a.O., S. 28. Blankenburg, Jürgen: Die Typisierung der Gemeinden nach sozialökonomischen und finanzwirtschaftliehen Strukturmerkmalen, Köln und Opladen 1965, s. 15. 83 Die Realität des Wirtschaftsgeschehens nimmt, bedingt durch interlokale Beziehungen, auf die administrativen Grenzen allerdings keine Rücksicht. Eine ganze Reihe von Aufgaben, die das Wirtschaftsgeschehen gestalten, sind nicht mehr von der einzelnen Gemeinde allein zu lösen. Hier berühren wir die Frage nach der Abstimmung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Entscheidungsorgane verschiedener Gemeinden. Auf die Probleme der Entscheidungskoordination werden wir im 3. Kapitel (Abschnitt B.) näher eingehen. 84 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1968, Stuttgart und Mainz 1968, S. 33. 81 82

B. Zum Gemeindebegriff

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quantitative Unterschiede. Solche Unterschiede können aber auch zwischen einer ,Wohngemeinde' und einer ,Industriegemeinde' gleicher Größenklasse bestehens5• Im übrigen hat auch die Rechtsordnung grundsätzlich die "bereits auf Grund der soziologischen Entwicklung fragwürdige und politisch seit langem umstrittene Differenzierung zwischen städtischer und ländlicher Kommunalverfassung ... preisgegeben" 86 • Die DGO beseitigte den bis dahin bestehenden Unterschied zwischen Land- und Stadtgemeinden, so daß es nur noch Gemeinden gab. Die Gemeindeordnungen der einzelnen Bundesländer haben diese Regelung, abgesehen von gewissen Sonderregelungen für - der Einwohnerzahl nach - sehr kleine Gemeinden übernommen; nur in Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein wird zwischen Städten und anderen Gemeinden unterschieden. 111. Die Stellung der Gemeindeverbände in der Untersuchung

Gemeindeverbände (jeder Art, also z. B. sowohl Landkreise als auch höhere Gemeindeverbändel als Träger von Wirtschaftspolitik sind grundsätzlich nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Zwar werden Gemeinden und Gemeindeverbände in der kommunalwissenschaftlichen Fachliteratur oft in einem Atemzuge genannt; dabei wird aber über bestehende Besonderheiten hinweggesehen. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß gemeindeverbandliehe Entscheidungsorgane gleiche oder ähnliche wirtschaftspolitische Zielsetzungen wie gemeindliche Entscheidungsorgane verfolgen, so ist doch der Entscheidungsrahmen, der in der Hauptsache durch die Rechtsordnung vorgegeben ist, teilweise ein anderer87 • Insbesondere ist auch zu vermuten, daß das wirtschaftspolitische Instrumentarium, das gemeindeverbandliehen Entscheidungsorganen zur Verfügung steht, anders zusammengesetzt ist als dasjenige gemeindlicher Entscheidungsorgane. Die Untersuchung müßte auch, wenn die Gemeindeverbände mit einbezogen würden, sowohl die gemeindeverbandliehen Entscheidungsorgane gesondert darstellen als auch die potentiellen Beeinfl.usser gemeindeverhandlicher Entscheidungsorgane. 85 Damit wird auch klar, daß aus der Einwohnerzahl allein noch nicht auf den Umfang wirtschaftspolitischer Aktivität gemeindlicher Entscheidungsorgane geschlossen werden kann. 86 Köttgen, Arnold: Wesen und Rechtsform der Gemeinden und Gemeindeverbände, in: HBKWP I, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1956, S. 185 ff., hier S.188. 87 Vgl. die Ausführungen über die Landkreise und die höheren Gemeindeverbände bei Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 228 ff.

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Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Die kreisfreien Städte (Stadtkreise) erfüllen neben den einer Gemeinde obliegenden Aufgaben auch Kreisaufgaben. "Das bedeutet aber noch keine Strukturveränderung, sondern lediglich eine Aufgabenvermehrung. Sie sind und bleiben Gemeinden88 ." Deshalb sind sie auch in unsere Untersuchung mit einbezogen.

C. Wandlung des Begriffsinhalts der kommunalen Selbstverwaltung Die von dem Reichsfreiherrn vom Stein geschaffene Preußische Städteordnung vom 19. November 1808 wird nach herrschender Meinung89 als der Beginn der modernen kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland angesehen. Das Wort Selbstverwaltung kommt in dieser Städteordnung allerdings noch nicht vor90 • "Die Entstehung eines festen Selbstverwaltungsbegriffs fällt überhaupt in die Zeit nach 184891 . "

I. Staatsbürgerliche Selbstverwaltung Das bestimmende Merkmal des Begriffes der staatsbürgerlichen Selbstverwaltung ist die Erledigung öffentlicher Verwaltungsaufgaben durch ehrenamtlich tätige Personen92 • In der Begriffsbestimmung der Selbstverwaltung von v. Gneist, dem als Vorbild das englische ,Selfgovernment' 88 Becker, Erich: Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, in: HBKWP I, Berlin- Göttingen - Heidelberg 1956, S. 113 ff., hier S. 128; zustimmend Köttgen, wenn er schreibt: "Die Struktur eines solchen Stadtkreises, der keinesfalls gleich dem Landkreise zu den Gemeindeverbänden gerechnet werden kann, ist also keine andere als die der kreisangehörigen Gemeinde." (Köttgen, Arnold: Wesen und Rechtsform der Gemeinden und Gemeindeverbände, a.a.O., S. 189.) 89 Zwar blieb nicht unbestritten, daß mit der Steinsehen Städteordnung die moderne kommunale Selbstverwaltung begann (siehe z. B. Steinbach, Franz unter Mitwirkung von Erich Becker: Geschichtliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland, Rheinisches Archiv, Bd. 20, Bonn 1932, insbes. S. 73 ff.; Steimle, Theodor: Epochen der deutschen kommunalen Selbstverwaltung, Tübingen 1941, insbes. S. 17 f.), doch soll uns dieser Meinungsstreit nicht weiter beschweren. eo Vgl. Steimle, Theodor: Epochen der deutschen kommunalen Selbstverwaltung, a.a.O., S. 7; Heffter, Heinrich: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, Stuttgart 1950, S. 91, insbes. aber S. 264 f. 91 Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 439 Fußnote 2; vgl. auch Heffter, Heinrich: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, a .a.O., S. 265 ff.; Becker, Erich: Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, a.a.O., S. 114 f. 92 Vgl. Elleringmann, Rudolf: Grundlagen der Kommunalverfassung und der Kommunalaufsicht, in: Verwaltung und Wirtschaft, Schriftenreihe der Westfälischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Heft 18, Stuttgart 1957, S. 13; Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 439; Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. ,164.

C. Wandlung des Begriffsinhalts der kommunalen Selbstverwaltung

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diente, steht dieses Merkmal im Vordergrund: Selbstverwaltung ist "die Ausführung staatlicher Funktionen der Landesverwaltung in den Landschafts-, Kreis-, Stadt- und Dorfverbänden nach den Gesetzen des Landes durch persönliche Ehrenämter" 93 • Insoweit werden in dieser Begriffsbestimmung die Absichten, die vom Stein mit seiner Preußischen Städteordnung verfolgte94, transparent: Die Interesselosigkeit seitens der Bürger gegenüber den öffentlichen Angelegenheiten sollte überwunden werden; es galt, den Bürgersinn zu aktivieren und die Bürger zur Beteiligung an den Geschicken der örtlichen Gemeinschaft heranzuziehen95 • Das Merkmal der ehrenamtlichen Heranziehung der Bürger zur Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft konnte in dem Augenblick nicht mehr als "tragendes Prinzip" (Forsthoff) der Selbstverwaltung angesehen werden, in dem die Selbstverwaltung in ihrem Umfang und Inhalt Wandlungen (hervorgerufen durch politische, soziologische und wirtschaftliche Faktoren) unterworfen war. Ausfluß dieser Wandlungen war die Zunahme der Aufgaben der Gemeinden. Besonders der weisungsgebundene Aufgabenbereich (Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises) dehnte sich immer mehr aus. Eine Folge davon war, daß an die Stelle der ehrenamtlich tätigen Bürger in der Selbstverwaltung der Gemeinden ein speziell ausgebildetes Berufsbeamtentum trat". Bedingt durch diese Wandlungen trat die ehrenamtliche Erledigung gemeindlicher Angelegenheiten in den Hintergrund. 93 v. Gneist, Rudolf: Selfgovernment, Communalverfassung und Verwaltungsgerichte in England, Dritte, umgearbeitete Auflage, Berlin 1871, S. 882 ff., zitiert nach Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 439. " Der Vorzug der Steinsehen Städteordnung lag nach der Ansicht von Gneists nicht in ihrem "kommunalen Konstitutionalismus", sondern in dem "hohen Maß an ehrenamtlicher Verwaltungsarbeit" (siehe Heffter, Heinrich: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, a.a.O., S. 377 f.). Über die Unterschiede zwischen der Steinsehen Städteordnung und den Vorstellungen von Gneists unterrichtet Heffter, Heinrich: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, a.a.O., S. 393 ff. 85 Vgl. hierzu Ritter, Gerhard: Stein, Eine politische Biographie, Erster Band: Der Reformator, Stuttgart und Berlin 1931, S. 378 ff.; v. Gierke, Otto: Die Steinsehe Städteordnung, in: von Gierke, Julius: Die erste Reform des Freiherrn vom Stein (Edikt vom 9. Oktober 1807), Darmstadt 19·57; Melzer, Alfred: Die Wandlung des Begriffsinhalts der deutschen kommunalen Selbstverwaltung im Laufe der politischen Geschichte, Stuttgart und Berlin 1937, S. 29. 98 über die Wandlungen der kommunalen Selbstverwaltung unterrichten: Melzer, Alfred: Die Wandlung des Begriffsinhalts der deutschen kommunalen Selbstverwaltung im Laufe der politischen Geschichte, a.a.O.; Heffter, Heinrich: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, a.a.O.; ders.: Die Städte im Wandel der neuerendeutschen Geschichte, in: Der Städtetag, Zeitschrift für kommunale Praxis und Wissenschaft, N. F. Jg. 8, 1955, S. 235 ff.; Herzfeld, Hans: Demokratie und Selbstverwaltung in der Weimarer Epoche, Schriftenreihe des Vereins zur Pflege Kommunalwissenschaftlicher Aufgaben e. V. Berlin, Bd. 2, Stuttgart 1957.

Kap. I.: Allgemeine Grundlegung

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11. Rechtsfähige Selbstverwaltung 1. Begriffsbestimmung

Diese Wandlungen schlugen sich auch in der Begriffsbestimmung des Begriffs Selbstverwaltung nieder. Unter Selbstverwaltung wird jetzt die rechtsfähige Selbstverwaltung (Verwaltung durch rechtsfähige Verbände) verstanden. Darunter versteht man ,.die selbständige, fachweisungsfreie Wahrnehmung enumerativ oder global überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Angelegenheiten durch unterstaatliche Träger oder Subjekte öffentlicher Verwaltung" 97 • Die staatsbürgerliche Selbstverwaltung ist dadurch nicht völlig verdrängt worden. Der Forderung nach staatsbürgerlicher Selbstverwaltung wird vielmehr ,.insofern entsprochen, als die Haupt- und andere Organe dieser Selbstverwaltungsträger durch Repräsentanten der Verwalteten gebildet werden, die oft auch unmittelbar zu ehrenamtlicher Mitwirkung herangezogen werden"DB, Die Begriffsbestimmung der rechtsfähigen Selbstverwaltung ist weiter gefaßt als die der staatsbürgerlichen Selbstverwaltung. Sie umfaßt auch die soziale, kulturelle und berufständische Selbstverwaltung. Speziell unter gemeindlicher Selbstverwaltung versteht man ,.das Recht der Gemeinde, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich, mit eigenen Mitteln und unter Beteiligung einer demokratisch gewählten Volksvertretung zu regeln" 99 • 2. Eigener und übertragener Wirkungskreis

Die Gemeinden sind berechtigtl00, durch ihre Organe alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, also solche, die von gemeinsamem Interesse sind (Selbstverwaltungsangelegenheiten, Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises), im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Bei den Selbstverwaltungsangelegenheiten ist zwischen den Pflichtaufgaben (das sind Aufgaben, deren Erfüllung den Gemeinden kraft Ge97 Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 164; vgl. auch EHeringmann, Rudolf: Grundlagen der Kommunalverfassung und der Kommunalaufsicht, a.a.O., S. 12 f.; Becker, Erich : Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, a.a.O., S. 116,

121.

Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S.164 f. Ebenda, S. 184. Eine Legaldefinition der Selbstverwaltung enthalten aber weder die Verfassungen des Bundes und der Länder noch die verschiedenen Kommunalgesetze. 100 Dies ist zunächst ohne Beweis hinzunehmen. Wegen des Beweises wird auf die Ausführungen im 2. Kapitel (siehe unter B I 2 a) verwiesen. 98 99

C. Wandlung des Begriffsinhalts der kommunalen Selbstverwaltung

47

setzes obliegt) und den freiwilligen Aufgaben (das sind Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinden nicht unbedingt verpflichtet sind) zu unterscheiden. Unterscheidungskriterium zu den Auftragsangelegenheiten (übertragener Wirkungskreis) 101 ist, daß die Gemeinden im Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheitengrundsätzlich nur der Rechtsaufsicht unterliegen. Die Rechtsaufsicht richtet sich nur auf die Gesetzmäßigkeit der Tätigkeit der Organe der Gemeinden. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane sind in diesem Bereich an keine Weisungen gebunden. Es ist also der Bereich der (freiwilligen) Selbstverwaltungsangelegenheiten, in welchem die Entscheidungsorgane aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen leitend tätig sein können. Dies ist auch der Aktionsraum für gemeindliche wirtschaftspolitische Entscheidungen. Neben den Selbstverwaltungsangelegenheiten haben die Organe der Gemeinden Verwaltungsangelegenheiten zu erledigen, die ihnen vom ,Staat' zugewiesen werden. Zieht der ,Staat' die Organe der Gemeinden "zur Wahrnehmung unmittelbar staatlicher Verwaltungsfunktionen" 102 heran, spricht man von Auftragsangelegenheiten (nach § 2 Abs. 3 BWGemO, § 4 HessGemO, § 3 Abs. 2 SchlHGemO Weisungsaufgaben genannt)lM. Diese Angelegenheiten werden im Namen des Staates durchgeführt. Die Gemeinde wird damit in den staatlichen Instanzenzug eingegliedert. Das hat zur Folge, daß sie der unmittelbaren (Rechts- und Fach-)Aufsicht und Weisung des Staates unterworfen ist. Raum für (wirtschaftspolitische) Entscheidungen aufgrund eigener Initiative und Verantwortung besteht nichtl 04 • Die Aufsicht erstreckt sich sowohl auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit als auch auf die Zweckmäßigkeit der Erledigung der übertragenen Aufgaben105• 101 Die Unterscheidung zwischen Selbstverwaltungsangelegenheiten und Auftragsangelegenheiten entspricht derjenigen zwischen mittelbarer und unmittelbarer Staatsverwaltung. Über die Akzentverschiebung bei den als Synonyma gebrauchten Begriffen Selbstverwaltung und mittelbare Staatsverwaltung informiert Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O.,

s. 444 f.

Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 445. Darüber, was diesen Angelegenheiten zuzurechnen ist, unterrichtet beispielsweise Pagenkopf, Hans: Einführung in die Kommunalwissenschaft, 2., verbesserte und ergänzte Auflage, Aschendorffs Juristische Handbücherei Bd. 63, Münster/Westfalen 1960, S. 119. 104 Raum für Entscheidungen kann u. U. in bezug auf die Art der Durchführung bestehen. 105 Vgl. Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 535 ff.; Becker, Erich: Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, a.a.O., S. 165 ff.; Elleringmann, Rudolf: Grundlagen der Kommunalverfassung und der Kommunalaufsicht, a.a.O., S. 45 ff. 102

103

48

Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

D. Weitere Abgrenzung des Untersuchungsobjektes Über die bereits vorgenommenen Einengungen hinaus ist das Untersuchungsobjektnoch näher (in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht) zu bestimmen. I. Abgrenzungen sachlicher Art 1. Wirtschaftliches Handeln - wirtschaftspolitisches Handelntoe

In dieser Arbeit wird nicht das wirtschaftliche Handeln der zuständigen Organe der Gemeinde untersucht. Untersuchungsgegenstand sind die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der gemeindlichen Entscheidungsorgane. Unter gemeindlicher Wirtschaftspolitik verstehen wir die auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende leitende Tätigkeit der Entscheidungsorgane der Gemeinde, soweit sie die Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens im Gebiet der Gemeinde zum Gegenstand hat. Im Anschluß an Ohm hatten wir wirtschaftliches Handeln als "Aufstellung und Vollzug von Wirtschaftsplänen" 107 definiert. Die Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens geschieht durch spezifisch wirtschaftspolitische Entscheidungen. Durch diese Entscheidungen wird das wirtschaftliche Handeln, die Aufstellung und der Vollzug von Wirtschaftsplänen durch Wirtschaftssubjekte, beeinflußt oder auch festgelegt. Ohm bezeichnet daher "die Wirtschaftspolitik als eine hauptsächlich außerhalb des Wirtschaftens sich entfaltende Tätigkeit ... " 108• Durch andere politische Aktivitäten gemeindlicher Entscheidungsorgane wird das Wirtschaftsgeschehen auch beeinflußt. Diese Aktivitäten scheiden aber aus der Betrachtung aus, da sie von nicht-wirtschaftspolitischen Sachbereichen ausgehen. 108 Diesen Unterschied herauszuarbeiten, ist besonders im Hinblick auf einen Teil der vorliegenden Literatur zur gemeindlichen Wirtschaftspolitik erforderlich. Denn: zwischen wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Aktivität wird in diesen Arbeiten nicht exakt unterschieden (vgl. z. B. Falck, Ernst: Kommunale Wirtschaftspolitik, Berlin 1932. Dieser Autor will z. B. ein "richtiges Urteil über das zweckmäßige Maß kommunaler Wirtschaftsbetätigung finden" [siehe S. 16]. Ferner: Zeiß, Friedrich : Kommunales Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 611 ff.). Diese Aussage bestätigt indirekt auch Gunzert, wenn er schreibt: "Wenn irgendwo von kommunaler Wirtschaftspolitik gesprochen wird, dann sind in der Regel nur Fragen der Versorgungs- bzw. Verkehrsbetriebe Gegenstand der Untersuchung." (Gunzert, Rudolf: Wirtschaftspolitik der Städte und Statistik, in: Die Statistik im Dienste der Wirtschaftspolitik, Festschrift für Gerhard Fürst zu seinem 70. Geburtstag, hrsg. von Willi Hüfner, Göttingen 1967, S. 200* ff., hier s. 200*). 107 Ohm, Hans: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 9. 108 Ebenda (im Original z. T. kursiv, der Verf.).

D. Weitere Abgrenzung des Untersuchungsobjektes

49

Die Gemeindeorgane können einerseits wirtschaftliche Aktivität entwickeln, und zwar insofern, als sie z. B. den Bedarf an sächlichen Verwaltungsmitteln ,am Markte' decken109• Treffen die gemeindlichen Entscheidungsorgane aber eine Entscheidung derart, daß z. B. der gesamte Bedarf an sächlichen Verwaltungsmitteln bei den in der Gemeinde ansässigen Einzelhändlern und Handwerkern mit dem Ziel (es handelt sich also um eine bewußte Zielsetzung) der Förderung des ortsansässigen Handels und Gewerbes gedeckt werden soll, so entwickeln die gemeindlichen Entscheidungsorgane wirtschaftspolitische Aktivität. Der Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstückes auf Beschluß des Entscheidungsorgans einer Gemeinde kann sowohl Ausfluß wirtschaftlicher als auch wirtschaftspolitischer Aktivität sein. Um eine wirtschaftspolitische Entscheidung handelt es sich in dem Falle, daß das Grundstück zum Zwecke der Errichtung von Fertigungsstätten einem fernbedarfstätigen Betrieb überlassen wird. Durch diese Entscheidung wird sowohl die Aufstellung und der Vollzug von Wirtschaftsplänen zahlreicher Wirtschaftssubjekte beeinflußt als auch ein spezifisch ökonomisches Ziel (Förderung des örtlichen Wirtschaftswachstums) von seiten der gemeindlichen Entscheidungsorgane verfolgt. Abschließend ist noch auf den etwaigen Einwand einzugehen, daß (um an das erste der beiden Beispiele anzuknüpfen) die Beschaffung der sächlichen Verwaltungsmittel durch Gemeindeorgane auch ohne spezifisch ökonomische Zielsetzung die Aufstellung und den Vollzug der Wirtschaftspläne von Wirtschaftssubjekten beeinflusse. Wir müssen aus diesem Grunde noch eine zusätzliche Bedingung einführen: Werden Wirtschaftspläne von Wirtschaftssubjekten nur durch den "Ausfluß aus der wirtschaftlichen Aktivität der Wirtschaftssubjekte" 110 beeinflußt, handelt es sich nicht um Wirtschaftspolitik, denn diese hat ja die Regelung über individuelle Beziehungen hinausgehender Angelegenheiten, soweit sie die Wirtschaft betreffen, zum Gegenstand.

2. Regionale Wirtschaftspolitik - Gemeindliche Wirtschaftspolitik

Zur weiteren Präzisierung des Gegenstandes unserer Untersuchung sind noch diese beiden Erscheinungsformen von Wirtschaftspolitik gegeneinander abzugrenzen. 109 Daß das "Selbstwirtschaften der Gemeinden" "Wirtschaft, nicht aber Wirtschaftspolitik ist", ist auch die Ansicht von Heinrich (Heinrich, Walter: Wirtschaftspolitik, Erster Band, Zweite, neubearbeitete Auflage, Berlin 1964,

s. 95). 110

Ohm, Hans: Allgemeine Volkswirtschaftspolitik I, a.a.O., S. 12.

4 Schneider

50

Kap. 1.: Allgerneine Grundlegung

Regionale Wirtschaftspolitik111 ist, zwecks Erreichung eines höheren Wirkungsgrades, eine gezielt auf einzelne Teile des Staatsgebietes ausgerichtete Wirtschaftspolitik112 • Diese ,einzelnen Teile des Staatsgebietes' decken sich nicht unbedingt mit den durch administrative Grenzen gekennzeichneten Verwaltungseinheiten (z. B. Landkreise, Regierungsbezirke). Die Region kann vielmehr als ein unter Heranziehung bestimmter Kriterien (die hier nicht zu erörtern sind 113) eindeutig abgegrenzter, sozio-ökonomischer Raum-(Gebiets-)ausschnitt angesehen werden, der von der verwaltungsmäßigen Raumgliederung losgelöst sein kann. Anlaß zu regionalwirtschaftspolitischen Entscheidungen ist die Sicherstellung eines möglichst gleichmäßigen Wirtschaftswachstums in den einzelnen Teilen des Staatsgebietes. Ferner sollen etwa bereits bestehende Unterschiede und Disproportionalitäten in der Wirtschaftsstruktur114 der einzelnen Regionen durch den differenzierten Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente ausgeglichen werden115 • 111 Regionale Wirtschaftspolitik deckt sich nicht mit z. B. der Wirtschaftspolitik, die von den Entscheidungsorganen der Länder verfolgt wird. Regionale Wirtschaftspolitik kann vielmehr ein Teilbereich der Wirtschaftspolitik der Entscheidungsorgane der Länder sein. 112 Vgl. die Begriffsbestimmung bei Storbeck, Dietrich: Ansätze zur regionalen Wirtschaftspolitik, Ein Beitrag zur Begriffsklärung, in: Raumforschung und Raumordnung, Festschrift für Erich Dittrich, 22. Jg., 1964, Heft 3/4, S. 248 ff., hier S. 251. 113 Siehe dazu Romus, Paul: Zur Bestimmung des Begriffs Region, in: Raumforschung und Raumordnung, Festschrift für Erich Dittrich, 22. Jg., 1964, Heft 3/4, S. 234 ff.; Brede, Helmut und Ossorio, Carles: Begriff und Abgrenzung der Region, unter besonderer Berücksichtigung der Agglomerationsräume, in: Wirtschaftliche und soziale Probleme des Agglomerationsprozesses, - Beiträge zur Empirie und Theorie der Regionalforschung -, 1, München o. J. (1967). 114 Nach J. Heinz Müller ist der regionalen Wirtschaftspolitik die Aufgabe gestellt, "bestimmte Ziele räumlich-struktureller Art mit Hilfe wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu erreichen" (Müller, J. Heinz, unter Mitarbeit von Bruno Dietrichs und Joachim Klaus: Grenzen der Raumpolitik im Rahmen einer Marktwirtschaft, zugleich ein Beitrag zum Problem der Marktkonformität, in: Ordo, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Zwölfter Band, 1960- 1961, Düsseldorf und München 1961, S. 147 ff., hier S. 147). - "Regionalpolitik (Jürgensen verwendet die beiden Termini Regionalpolitik und regionale Wirtschaftspolitik synonym, der Verf.) ist notwendig, wenn Staatsräume in ihrer Wirtschaftsstruktur oder ihrem Entwicklungsniveau inhomogen sind bzw. werden." (Jürgensen, Harald: Antinomien in der Regionalpolitik, in: Gestaltungsprobleme der Weltwirtschaft, Andreas Predöhl aus Anlaß seines 70. Geburtstages gewidmet, hrsg. von Harald Jürgensen, Göttingen 1964, S. 401 ff., hier S. 401.) 115 Sahner schätzt, daß 50 ~/o der Fläche des Bundesgebietes in einem Förderungsprogramm des Bundes oder der Länder stehen (davon ein Drittel allein in Förderungsprogrammen des Bundes). (Vgl. Sahner, Wilhelm: Ein Drittel der Bundesrepublik Förderungsgebiete, in: Institut für Raumforschung, Informationen, 12. Jg., Nr. 7/62 vom 7. April 1962, S. 167 ff., hier S. 168.) Um ein konkretes Beispiel anzuführen, sei auf die Hilfen für das Zonenrandgebiet verwiesen. Weitere Anwendungsfälle bringt Giel, Wilhelm: Die Grundzüge der regionalen Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, in: Raumforschung

D. Weitere Abgrenzung des Untersuchungsobjektes

51

Träger der regionalen Wirtschaftspolitik können in der Bundesrepublik Deutschland sowohl der Bund als auch die einzelnen Bundesländer (für Gebiete innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen) sein. Die übrigen Träger von Wirtschaftspolitik - mit Ausnahme der einzelnen Gemeinde - können auch als Träger regionaler Wirtschaftspolitik in Betracht kommen (natürlich nur innerhalb der jeweiligen administrativen Grenzen bzw. der ihnen zugewiesenen Bereiche). Die einzelne Gemeinde dagegen ist Träger primär lokaler Wirtschaftspolitik116. Denn: die Befugnis, Angelegenheiten zu regeln, beschränkt sich auf solche örtlicher Art (auf das abgegrenzte Gebiet der untersten Verwaltungseinheit). Es ist allerdings möglich, daß wirtschaftspolitische Aktivitäten gemeindlicher Entscheidungsorgane auf das Wirtschaftswachstum und die Wirtschaftsstruktur des Umlandes der Gemeinde, bedingt durch soziale und wirtschaftliche Wechselbeziehungen, Auswirkungen haben. Insofern ist auch die Gemeinde indirekt Träger regionaler Wirtschaftspolitik. Auch dadurch, daß die gemeindlichen Entscheidungsorgane überhaupt wirtschaftspolitische Instrumente (z. B. solche mit dem Ziel der Förderung des örtlichen Wirtschaftswachstums) einsetzen, können sie die Wirkungen der regionalwirtschaftspolitischen Entscheidungen, z. B. der zuständigen Entscheidungsorgane des Bundes oder der Länder, beeinflussen, und zwar sowohl in positiver als auch in negativer Weise117 • In dem denkbaren Fall, daß Gemeindeorgane von einer Instanz, die ihnen Aufträge erteilen kann, damit beauftragt werden, regionalwirtschaftspolitische Entscheidungen zu vollziehen, kann nicht etwa von einer regionalen Wirtschaftspolitik gemeindlicher Organe gesprochen werden, da die gemeindlichen Organe nur Ausführende sind, für leitende (politische) Entscheidungen also kein Raum bleibt. und Raumordnung, Festschrift für Erich Dittrich, 22. Jg., 1964, Heft 3/4, S.113ff., hier insbes. S. 114 ff. Vgl. ferner Storbeck, Dietrich: Ansätze zur regionalen Wirtschaftspolitik, Ein Beitrag zur Begriffsklärung, a.a.O., S. 256. 116 Bei Brede und Ossorio wird die Gemeinde auch als Region bezeichnet (Brede, Helmut und Ossorio, Carles: Begriff und Abgrenzung der Region, unter besonderer Berücksichtigung der Agglomerationsräume, a.a.O., S. 127 f.). Im Zusammenhang mit dem Begriff ,Träger regionaler Wirtschaftspolitik' ist das u. E. aber nicht sinnvoll. Wird regionale Wirtschaftspolitik als eine auf einzelne Teile des Staatsgebietes, die sich nicht mit den durch administrative Grenzen gekennzeichneten Verwaltungseinheiten zu decken brauchen, ausgerichtete Wirtschaftspolitik gekennzeichnet, so wird klar, daß die einzelne Gemeinde, deren Entscheidungsorgane ja, von Nebenwirkungen abgesehen, nur wirtschaftspolitische Entscheidungen für den Gemeindebereich treffen können, nicht als Region in Verbindung mit regionaler Wirtschaftspolitik angesehen werden kann. 117 Das Problem, das hier auftaucht, ist das der Koordination der wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Entscheidungsorgane der Vielzahl der Träger von Wirtschaftspolitik. Sollen sich (Hypothese!) regionalwirtschaftspolitische Entscheidungen der Entscheidungsorgane der verschiedenen Träger nicht überschneiden oder widersprechen, bedürfen sie der Abstimmung. - Zur Koordination der wirtschaftspolitischen Entscheidungen siehe 3. Kapitel, Abschnitt B. 4•

52

Kap.l.: Allgemeine Grundlegung

II. Räumliche und zeitliche Abgrenzung Gegenstand der Untersuchung ist die Gemeinde als wirtschaftspolitisches Entscheidungszentrum in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht betrachtet werden die Gemeinden in der "DDR" und in den Gebieten, die gegenwärtig unter fremder Verwaltung stehen. Mit dieser räumlichen Grenzbestimmung wurde auch bereits eine zeitliche Abgrenzung getroffen: Die Untersuchung beschränkt sich auf den Zeitpunkt seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Implizite wird mit diesen Aussagen über die räumliche und zeitliche Abgrenzung auch die Bindung an die Grundentscheidungen des Grundgesetzes, der Länderverfassungen und der bestehenden Gesetze sowie an die Entscheidungen oberster Bundesgerichte zum Ausdruck gebracht. Betrachtet werden ferner nur die Gemeinden der Flächenstaaten. Die Stadtstaaten werden grundsätzlich aus der Untersuchung ausgeschlossen. Diese Beschränkung läßt sich zunächst deshalb rechtfertigen, weil in Berlin, Bremen (mit Ausnahme der Gemeinde Bremerhaven) und Harnburg staatliche und gemeindliche Funktionen derart ineinander übergehen, daß sie kaum bzw. nicht voneinander zu trennen sind. So bestimmt beispielsweise Art. 4 Abs. 1 HmbVerf, daß in Harnburg staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden. "Der Stadtstaat, wiewohl in einer einzigen Gebietskörperschaft Land (Staat) und Gemeinde, erscheint und handelt nur als Staat118." Die Verwaltung der Bezirke (die nach Art. 4 Abs. 2 HmbVerf gebildet werden können) ist keine Selbstverwaltung im rechtlichen Sinne. Dies kommt besonders im Fehlen der Finanzhoheit des Bezirkes "und der Aufsicht sowie der KompetenzKompetenz des Senats" 119 zum Ausdruck. Auch in Berlin werden staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt12o. Die Bezirke nehmen nicht etwa die Stellung von Gemeinden ein121. Sie sind vielmehr reine Verwaltungsorgane122. Daß ihre Verwal118 Ipsen, Hans Peter: Kommunales Verfassungsrecht in den Stadtstaaten, Hamburg, in: HBKWP I, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1956, S. 502 ff., hier S. 508 (im Original z. T. kursiv, der Verf.). - Beispielsweise nennt der Art. 3 HmbVerf nur die Staats- (nicht auch die Gemeinde-)gewalt. Die Bürgerschaft wird nur als Landesparlament (nicht auch als Gemeindevertretung), der Senat nur als Landesregierung (nicht auch z. B. als Magistrat [Art. 6, 33 HmbVerf]) bezeichnet. 119 Ebenda, S. 518. 120 Vgl. § 1 Gesetz über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung vom 2. Oktober 1958 (GVBl. S. 947). 121 Den Bezirken fehlt die Rechtspersönlichkeit, eine Eigenschaft, die allen Gemeinden eigen ist: vgl. § 2 Abs. 1 Bezirksverwaltungsgesetz vom 30. Januar 1958 (GVBl. S. 126). 122 Vgl. Goetz, Harry: Kommunales Verwaltungsrecht in den Stadtstaaten, Berlin, in: HBKWP I, Berlin - Göttingen - Heidelberg 1956, S. 484 ff., hier

s. 488, 492, 495.

D. Weitere Abgrenzung des Untersuchungsobjektes

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tung keine Selbstverwaltung im rechtlichen Sinne ist, zeigt sich insbesondere im Fehlen der Autonomie und der Finanzhoheit sowie der Abschwächung der Allzuständigkeit zu einer Zuständigkeitsvermutung123• Abgesehen von diesen bisher angeführten Gründen, ist die Situation in Berlin - bedingt durch die Folgen, die der zweite Weltkrieg gezeitigt hat -, kaum mit der eines anderen Gemeinwesens in der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen. Die Wirtschaftspolitik der zuständigen Berliner Entscheidungsorgane wird vor allem durch die Separierung vom übrigen Bundesgebiet und der dadurch hervorgerufenen Ungunst bestimmt124. Es empfielt sich auch deshalb, die Wirtschaftspolitik derBerliner Entscheidungsorgane gesondert zu untersuchen. Bremen (die Gemeinde) hat keine selbständige Gemeindeverfassung125. Für die gemeindliche Selbstverwaltung im rechtlichen Sinne bleibt keine Möglichkeit. Es gilt der "Primat des Staatscharakters Bremens" 126. Die Gemeinde Bremerhaven hat eine eigene Gemeindeverfassung127. Die gemeindlichen Organe Bremerhavens regeln die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung. Bremerhaven wird daher grundsätzlich in die Betrachtung mit einbezogen. Aus den oben angeführten Gründen müßten wir, wenn wir die Stadtstaaten in die Untersuchung aufnehmen würden, über große Teile der Arbeit zweigleisig vorgehen: Der Entscheidungsspielraum der Entscheidungsorgane der Stadtstaaten beispielsweise ist ein ganz anderer als derjenige der Organe der Gemeinden der Flächenstaaten. Dementsprechend ist das wirtschaftspolitische Instrumentarium, bedingt durch die staatliche Stellung, ein anderes als dasjenige, das den gemeindlichen Entscheidungsorganen in den Flächenstaaten zur Verfügung steht. Es ist ferner zu vermuten, daß ebenso wie die Entscheidungsorgane der Stadtstaaten (hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und ihres Zustandekommens) auch die Beeinflusser anders strukturiert sind als das in den Gemeinden der Flächenstaaten der Fall ist. 123 Vgl. dazu auch Hartfiel, Günter, Sedatis, Lutz, Claessens, Dieter: Beamte und Angestellte in der Verwaltungspyramide, a.a.O., S. 56 ff. 124 Vgl. z. B. Schiller, Karl: Die Berliner Wirtschaftspolitik als Probefall der marktwirtschaftliehen Ordnung unter besonderen politischen Belastungen, in: Gestaltungsprobleme der Weltwirtschaft, Andreas Predöhl aus Anlaß seines 70. Geburtstages gewidmet, hrsg. von Harald Jürgensen, Göttingen 1964, S. 274 ff. 125 Vgl. Arendt, Karlheinz: Kommunales Verfassungsrecht in den Stadtstaaten, Bremen, in: HBKWP I, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1956, S. 521 ff., hier

s. 524.

Ebenda, S. 524. Verfassung für die Stadt Bremerhaven vom 4. November 1947 (BremGBI. S. 291) i. d. F. vom 18. Mai 1960 (BremGBI. S. 66). 126 127

54

Kap. 1.: Allgemeine Grundlegung

Die anders gelagerten Voraussetzungen bedingen, die Stadtstaaten als wirtschaftspolitische Entscheidungszentren zum Gegenstand gesonderter Untersuchungen zu machen12s.

128 Vgl. z. B. für Hamburg: Kern, Helmuth: Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben der Hamburger Wirtschaftspolitik, Schriftenreihe der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg, Heft Nr. 3·, Harnburg o. J. (1967); Jürgensen, Harald, unter Mitarbeit von Voigt, Hans-Gerhard: Produktivitätsorientierte Regionalpolitik als Wachstumsstrategie Hamburgs, Gutachten erstattet der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg, Weltwirtschaftliche Studien aus dem Institut für Europäische Wirtschaftspolitik der Universität Hamburg, hrsg. von Harald Jürgensen und Andreas Predöhl, Heft 8, Göttingen 1965.

Zweites Kapitel

Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik Die Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik (statt Rahmenbedingungen können wir auch die Begriffe Umweltdaten, Gegebenheiten der Umwelt, Umweltbedingungen verwenden) grenzen (1) den Entscheidungs- oder Handlungsspielraum (Freiheitsbereich) ab, innerhalb dessen die Entscheidungsorgane der Gemeinden wirtschaftspolitische Entscheidung treffen können; (2) sie bedingen die wirtschaftspolitischen Handlungsalternativen, die den gemeindlichen Entscheidungsorganen offenstehen; (3) von ihnen gehen Anregungen für wirtschaftspolitische Zielsetzungen aus. Die Rahmenbedingungen unterliegen z. T. (langfristig) zwar mehr oder weniger häufigen Änderungen, im Augenblick der Entscheidung ist aber für die gemeindlichen Entscheidungsorgane jeweils ein bestimmter Kranz von Umweltbedingungen gegeben, der Eingang in den Entscheidungsbildungsprozeß findet. Solche Rahmenbedingungen sind zunächst die natürlichen Ressourcen (hierher gehören vor allem das Gemeindegebiet, ferner die klimatischen Bedingungen sowie die topographischen und geologischen Verhältnisse), ferner die Bevölkerung und die Bevölkerungsstruktur der Gemeinde (u. U. auch diejenige des Umlandes einer Gemeinde). Darüber hinaus bilden aber auch Entscheidungen der verschiedensten Entscheidungsträger, beispielsweise für die Entscheidungsorgane einer Gemeinde auch diejenigen, die die Entscheidungsorgane dieser Gemeinde in der Vergangenheit getroffen haben, Rahmenbedingungen. Zu den Umweltdaten gehören weiter die Art und der Umfang der Entscheidungs- (und mit ihr gekoppelt der Anordnungs-)befugnis. Die Befugnis für gemeindliche Entscheidungsorgane, wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen zu können, wird aus Normen der Rechtsordnung hergeleitet. Es ist also die Rechtsordnung, die für die gemeindlichen Entscheidungsorgane einen Bereich des zulässigen Handeins aus dem möglichen Handeins herausschneidet.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Die rechtlichen Bestimmungen sind diejenigen des Grundgesetzes, anderer (Bundes-)Gesetze, der Verfassungen der einzelnen Bundesländer und der, da insbesondere die Gemeindegesetzgebung grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt\ einfachen Landesgesetze2. Diese Rechtsvorschriften grenzen die Entscheidungsbefugnis nicht nur negativ ab, sie gewährleisten auch ein positives Handeln (Tun oder Unterlassen) innerhalb der gezogenen Grenzen. Soweit die rechtlichen Bestimmungen den Gemeinden bzw. den gemeindlichen Entscheidungsorganen das Recht zugestehen, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln (und damit auch wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen), gewähren sie eine Art formale Freiheit (formaler Freiheitsbereich). Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, bedeutet aber auch, daß die Gesetzgeber dafür zu sorgen haben, daß den Gemeinden zu eben dieser Aufgabenerfüllung die erforderlichen materiellen Voraussetzungen gewährleistet werden3 • Mit anderen Worten, ob die Entscheidungsorgane der Gemeinden die formale Freiheit, wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen zu können, auch tatsächlich nützen können, hängt weitgehend von ihren finanziellen Möglichkeiten (dem materiellen Freiheitsbereich) ab4 • Unter gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten verstehen wir den Umfang der zugestandenen Finanzhoheit. Dabei wird mit Wixforth unter Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt BI 1 in diesem Kapitel. Gewohnheitsrecht und Observanz (das Gewohnheitsrecht eines mit Autonomie begabten Verbandes) können in dieser Betrachtung vernachlässigt werden.- Über die "immanenten Schranken" gemeindlicher Wirtschaftspolitik informiert Köttgen (vgl. Köttgen, Arnold: Der heutige Spielraum kommunaler Wirtschaftsförderung, Raumordnung und Gesetzesfreie Verwaltung, Göttingen 1963, S. 28 ff.; künftig zitiert: Der heutige Spielraum kommunaler Wirtschaftsförderung). 3 Vgl. Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 498. 4 Gemeindlichen Entscheidungsorganen, die auf bedeutende Einnahmen zurückgreifen können, kann (sofern sie auch selbständig über deren Verwendung entscheiden können) z. B. bei ihren Bemühungen das örtliche Wirtschaftswachstum zu steigern, ein größerer Erfolg beschieden sein als Entscheidungsorganen sog. finanzschwacher Gemeinden. (Ganz so eng ist dieser Zusammenhang in der Realität allerdings nicht in jedem Fall - wie manche Veröffentlichungen glauben machen möchten.) Ferner können die Entscheidungsorgane finanzstarker Gemeinden auch der örtlichen Infrastruktur erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden. Eine ,gute' Infrastruktur kann Anreiz für Investitionen privater Investoren in einer Gemeinde sein. Finanzschwache Gemeinden können ihre na türlichen Standortgegebenheiten auf diese Weise nicht oder nur in geringem Umfang ergänzen. (Vgl. dazu auch Albers, Willi: Der Einfluß des Finanzausgleichs auf regionale Wettbewerbsbedingungen und Produktionsstandorte, in: Gestaltungsprobleme der Weltwirtschaft, Andreas Predöhl aus Anlaß seines 70. Geburtstages gewidmet, hrsg. von Harald Jürgensen, Göttingen 1964, S. 462 f., hier S. 477). Daß dadurch das Gefälle zwischen ,reichen' und ,armen' Gemeinden größer werden kann, ist zwar für die Organe der Träger von regionaler Wirtschaftspolitik von Interesse, aber im eigentlichen Sinne kein Problem gemeindlicher Wirtschaftspolitik. 1

2

Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

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gemeindlicher Finanzhoheit ein "Bestand von Rechten in bezug auf die Gestaltung des gemeindlichen Finanzwesens" 5 verstanden. Natürlich steht für eine Gemeinde ein Teil des gesetzlichen finanziellen Möglichkeitsbereiches (nämlich insbesondere die Steuerhoheit, wohl auch bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit der Fremdmittelaufnahme6 ) auch ,nur auf dem Papier' (und bleibt damit formal), sofern die Finanzkraft (die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten) dieser Gemeinde gering ist. Die Größen, von denen der wirtschaftspolitische Handlungsspielraum gemeindlicher Entscheidungsorgane in finanzieller Hinsicht weitgehend abhängt, den durch die Gesetze gewährten finanziellen Möglichkeiten und der Finanzkraft der einzelnen Gemeinde, sind qualitativ verschieden. Zum einen sind die gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten für alle Gemeinden eines Bundeslandes grundsätzlich gleich, während die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Gemeinden sich stark voneinander unterscheiden. Eine Aussage über den wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum in seiner Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten ist daher nur insofern möglich, als nur die gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten in die Betrachtung mit einbezogen werden. Wollten wir die Finanzkraft, also die Größe, die wir als tatsächliche finanzielle Möglichkeiten bezeichnet haben, mit heranziehen, müßten wir die Untersuchung kasuistisch gestalten7 , da eine globale Größe über die Einnahmen der Gemeinden (z. B. Durchschnittswerte für alle Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland) in diesem Zusammenhang wenig Aussagekraft hätte. Ebenfalls nur bei Betrachtung der Situation der einzelnen Gemeinde wäre die Frage zu beantworten, ob und inwieweit neben der Erfüllung der Pflichtaufgaben die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten Raum für die Verfolgung von, durch die gemeindlichen Entscheidungsorgane selbst festgelegter wirtschaftspolitischer Zielsetzungen lassen. Das durch Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden gewährte Recht der Allzuständigkeit hat allerdings nur dann einen Sinn, wenn den Gemeinden neben der Erfüllung der Pflichtaufgaben .noch ein finanzieller Spielraum für die Übernahme freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben (damit auch für die Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele) bleibt. Aus diesem Grunde sehen 5 Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, Siegburg 1964, S.18. 6 Vgl. Barocka, Egon: Kommunalkredit und kommunale Finanzwirtschaft, Frankfurt am Main 1958, S. 180 ff., S. 197 ff. 7 So sind z. B. Kloten und seine Mitarbeiter bei ihrer Untersuchung der Region Amberg vorgegangen: Kloten, Norbert, unter Mitarbeit von Höpfner, Klaus und Dautel, Heinz: Die Region Amberg, Tendenzen und Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde, Regional- und Wirtschaftspolitische Studienreihe, 2. Entwicklungs- und Umstellungsprogramme, VII, Luxemburg 19,66, S. 94 ff.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

wir es als zulässig an, anzunehmen, daß dieser Handlungsspielraum (in mehr oder weniger großem Umfang) vorhanden ist8 • Zum anderen kann die Finanzkraft der einzelnen Gemeinde im Rahmen der gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten durch entsprechende Entscheidungen der gemeindlichen Entscheidungsorgane bis zu einem gewissen Grade selbst gestärkt werden. Dagegen ist es den gemeindlichen Entscheidungsorganen unmöglich, von sich aus (autonom) die Rechtsvorschriften über die finanziellen Bestimmungen zu ändern8 • Eine solche Änderung steht in der Bundesrepublik Deutschland (wie weiter unten gezeigt wird) grundsätzlich dem Landesgesetzgeber, z. T. in wichtigen Ausnahmefällen auch dem Bundesgesetzgeber zu (z. B. die Gesetzgebungsbefugnis über die Realsteuern gemäß Art. 105 Abs. 2 GG). In diesem Kapitel kann der Handlungsspielraum nicht abschließend abgehandelt werden. Hier wird, neben den natürlichen Ressourcen, den demographischen Gegebenheiten und den Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger, vor allem die Legitimation (insbesondere durch die Normen der Verfassungen des Bundes und der Länder) für das Fällen wirtschaftspolitischer Entscheidungen durch gemeindliche Entscheidungsorgane aufgezeigt. Ferner soll gezeigt werden, wie diese Legitimation ihre finanzielle Fundierung in der Rechtsordnung findet. Weitere Abgrenzungen des Handlungsspielraumes bringen dann sowohl der Abschnitt über die Probleme der Entscheidungs-Koordination, die Darstellung der wirtschaftspolitischen Zielsetzungen als auch die Darstellung der potentiell für die Zielerreichung einzusetzenden Mittel.

A. Natürliche Ressourcen, demographische Gegebenheiten und Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger I. Die natürlichen Ressourcen Die Gemeinden sind Gebietskörperschaften (des öffentlichen Rechts)1°. Sie erstrecken sich über einen bestimmten Teil des Staatsgebietes11, der s "Angaben über diesen Spielraum pflegen umstritten zu sein ..." (Köttgen, Arnold: Der heutige Spielraum kommunaler Wirtschaftsförderung, a.a.O., S. 79); vgl. auch Albers, Willi: Die Aufgaben- und Einnahmenverteilung auf die öffentlichen Gebietskörperschaften und die gemeindliche Selbstverwaltung, in:: AfK, Jg. 1/1962, Erster Halbjahresband, S. 65 ff., hier S. 66 f. 9 Die zuständigen Organe der Gemeinden bzw. vor allem die Organe der Zusammenschlüsse der Gemeinden können allerdings versuchen, den zuständigen Gesetzgeber für ihre Vorstellungen hinsichtlich einer etwaigen Änderung bestimmter Rechtsnormen zu gewinnen (vgl. auch die Fußnoten 49 und 50 im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit). to Vgl. § 1 Abs. 4 BWGemO; Art. 1 BayGemO; § 1 BrhStVerf; § 1 Abs. 2 HessGemO; § 1 Abs. 2 NdsGemO; § 1 Abs. 2 NWGemO; § 1 RhPfGemO; § 1 SaarlGemO; § 1 Abs. 2 SchlHGemO. 11 So betrug beispielsweise die Burgfriedensfläche der Stadt München am Ende des Jahres 1963 3 100 ha (vgl. Köhler, Johannes: Finanzpolitische Betrachtungen zum Haushalt der Landeshauptstadt München, a.a.O., S. 24).

A. Natürliche Ressourcen, Bevölkerung, exogene Entscheidungen

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durch administrative Grenzen festgelegt ist. Dieser den Gemeinden zur Verfügung stehende Raum (das Gemeindegebiet, die Gemarkung) kann grundsätzlich nicht vermehrt werden12• Gemeindliche Entscheidungsorgane müssen diese Gegebenheit bei ihren wirtschaftspolitischen Entscheidungen in Rechnung stellen. Eine wirtschaftspolitische Entscheidung der Entscheidungsorgane einer bestimmten Gemeinde, die beispielsweise das Ziel der Förderung von solchen Investitionen, die langfristig für das Gemeinwesen und seine Mitglieder möglichst günstige ökonomische Wirkungen hervorbringen, postuliert, kann sinnvollerweise nur dann getroffen werden, wenn die natürlichen Standortbedingungen den Anforderungen entsprechen (z. B. die für die Ansiedlung von Industriebetrieben geeigneten Grundstücke innerhalb der Gemarkungsgrenze vorhanden sind). Ein weiteres Umweltdatum gemeindlicher Wirtschaftspolitik ist die geographische Lage des Gemeindegebietes. Je nachdem, ob das Gemeindegebiet mehr im Zentrum oder an der Peripherie des Staatsgebietes liegt, wirkt sich dieses Umweltdatum auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane aus. Dieses Umweltdatum macht sich in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere für die Entscheidungsorgane der Gemeinden, die im sog. Zonenrandgebiet liegen, bemerkbar, da durch die Zonengrenzziehung andere Umweltbedingungen geschaffen wurden. Eine geographische Gegebenheit, die zum Komplex der Umweltbedingungen gehört, ist auch die Lage einer Gemeinde hinsichtlich der Entfernung zur nächsten (attraktiven) Gemeinde (Großstadt) bzw. zu Verdichtungsräumen. Neben dem Gemeindegebiet als solchem ist die Bodengestalt (Oberflächengestaltung) innerhalb der Gemeindegrenzen von Bedeutung für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Die Entscheidungsorgane einer Gemeinde im Gebirge werden beispielsweise andere wirtschaftspolitische Ziele mit u. U. anderen wirtschaftspolitischen Mitteln13 zu verwirklichen suchen als die Entscheidungsorgane einer im Flachland gelegenen Gemeinde. So werden letztere sinnvollerweise nie die Entscheidung treffen, 12 Der Fall der Gebietserweiterungen, insbesondere durch Eingemeindung benachbarter Gemeinden oder durch Umgemeindungen von Gebietsteilen einer Gemeinde in eine andere (die grundsätzlich nur durch den Landesgesetzgeber verwirklicht werden kann) stellt eine Ausnahme dar. Möglichkeiten, um die Kulturbodenfläche zu vergrößern, die allerdings nur z. T. für Gemeinden in Frage kommen, schildert Heinrich (vgl. Heinrich, Walter: Wirtschaftspolitik, Erster Band, Zweite, neubearbeitete Auflage, a.a.O., S. 163 f.). 13 In der Fachliteratur sind die Beziehungen zwischen einzelnen, im Hinblick auf verschiedene Merkmale sich unterscheidende Gemeinden und den von ihren Entscheidungsorganen überwiegend eingesetzten wirtschaftspolitischen Instrumenten noch nicht herausgearbeitet worden.

60

Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

die Nachfrage nach den Leistungen der örtlichen Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe etwa durch eine solche Fremdenverkehrswerbung zu erhöhen, die die Flachlandgemeinde als Wintersportort empfiehlt. An diesem Beispiel läßt sich auch die Bedeutung der klimatischen Gegebenheiten für wirtschaftspolitische Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane erkennen14• Die besonderen klimatischen Vorzüge, die die Höhenlage zwischen 800 m und 1 500 m über dem Meeresspiegel bietet, haben die wirtschaftspolitischen Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane beeinfiußt. So haben z. B. die Entscheidungsorgane zahlreicher Höhenkurorte des Hochschwarzwaldes, bedingt durch das diesen Orten eigene ,Heilklima', das Ziel der Nachfragesteigerung nach den Leistungen der örtlichen Fremdenverkehrsbetriebe an die erste Stelle der von ihnen verfolgten wirtschaftspolitischen Ziele gesetzt15 • Ebenso wie die landschaftlichen Reize einer Gemeinde Größen des Datenkranzes gemeindlicher Wirtschaftspolitik sind16, sind es die geologischen Gegebenheiten. Solche geologischen Größen sind die Beschaffenheit des Bodens (karge, nährstoffarme oder -reiche Böden), Wasserreichtum oder Wasserarmut1 7 (wie sie in der Bundesrepublik Deutschland 14 Vgl. dazu beispielsweise: Standortwahl und Industrieförderung - Materialsammlung für Unternehmer und Planungsstellen -, Auszugsweise Übersetzung des Community Irrdustrial Development Kit, Schriften des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung, Heft 35, Köln 1958, S. 17 (künftig zitiert: Standortwahl und Industrieförderung). (In diesem, vom U.S. Department of Commerce herausgegebenen, Leitfaden ist das Klima als einer von 13 Standortfaktoren angeführt.) Vgl. ferner Esenwein-Rothe, Ingeborg: Über die Möglichkeiten einer Quantifizierung von Standortqualitäten, in: Gestaltungsprobleme der Weltwirtschaft, Andreas Predöhl aus Anlaß seines 70. Geburtstages gewidmet, hrsg. von Harald Jürgensen, Göttingen 1964, S. 492 ff., hier S. 501. Marx ist der Ansicht, daß das Klima für den industriellen Produktionsprozeß heutzutage irrelevant ist (Marx, Detlef: Wachstumsorientierte Regionalpolitik, Wirtschaftspolitische Studien 3, Aus dem Institut für Europäische Wirtschaftspolitik der Universität Hamburg, hrsg. von Harald Jürgensen, Göttingen 1966, S. 36 [künftig zitiert: Wachstumsorientierte Regionalpolitik]). Zur Bedeutung des Klimas für den Fremdenverkehr vgl. österreichischer Gemeindebund, Fremdenverkehr und Gemeinde, Ein Handbuch für die Praxis, Wien 1966, S. 29 ff. ts Für Kurorte allgemein erklärt Pöschl: "In Kurorten ... ist vielfach der Fremdenverkehr innerhalb der gemeindlichen Rangordnung als oberstes, förderungswürdiges Ziel anzusehen." (Pöschl, Arnold Ernst: Fremdenverkehr und Fremdenverkehrspolitik, Berlin 1962, S. 266). 16 Welche Bedeutung die landschaftliche Schönheit einer Gemeinde für gemeindewirtschaftspolitische Zielsetzungen haben kann, schildert z. B. Emmert, Heinrich: Selbsthilfe im Zonenrandgebiet, Erfahrungen in Bodenmais/Bayerischer Wald, in: Institut für Raumforschung, Informationen, 20/56 vom 25. Oktober 1956, S. 513 ff. - Die ökonomische Bedeutung der Schönheit der Landschaft hat übrigens schon Wilhelm Roseher erkannt (vgl. Roscher, Wilhelm: System der Volkswirtschaft, Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studierende, Erster Band, die Grundlagen der Nationalökonomie enthaltend, Neunzehnte Auflage, Stuttgart 1888, S. 65). 17 Zur Rolle des Wassers als Standortfaktor für industrielle Betriebe vgl. Marx, Detlef, Wachstumsorientierte Regionalpolitik, a.a.O., S. 31 f.

A. Natürliche Ressourcen, Bevölkerung, exogene Entscheidungen

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für die Fränkische und Schwäbische Alb kennzeichnend ist) und die etwa vorhandenen Bodenschätze (z. B. Mineralquellen oder Energiequellen in Form von Kohlevorkommen oder Rohstoffvorkommen wie Eisenerz, Kalisalz, Kaolin, Kies, Natursteine, Sand)18 • Ebenfalls ein Datum ist die von der Natur vorgezeichnete Verkehrslage einer Gemeinde. Gebirgszüge, das Zusammentreffen mehrerer Täler, schiffbare Flüsse und deren Mündungen in Meere sind solche Determinanten für wirtschaftspolitische Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane.

II. Bevölkerung und Bevölkerungsstruktur Die Zusammensetzung und zahlenmäßige Größe der Gemeindebevölkerung ist ebenfalls ein Teil des Bedingungskomplexes gemeindlicher Wirtschaftspolitik19 • Aus der Gemeindebevölkerung rekrutiert sich ein Teil der in den verschiedenen örtlich ansässigen Betrieben Beschäftigten. Darüber hinaus ist wohl aber auch vielfach (wie beispielsweise die folgenden Zahlen der Stadt Bonn zeigen) die (Erwerbs-)Bevölkerung des Umlandes einer Gemeinde in den Determinantenkomplex mit einzubeziehen20 • Die Berücksichtigung der oben angeführten Größen bei der Vorbereitung wirtschaftspolitischer Entscheidungen ist deshalb erforderlich, weil zwischen Größe und Zusammensetzung der Bevölkerung einer Gemeinde (u. U. auch des Umlandes) sowie Größe und Zusammensetzung des Arbeitspotentials einer Gemeinde Wechselbeziehungen bestehen. 18 Von welcher Bedeutung für die gemeindliche Wirtschaftspolitik die geologischen ~gebenheiten sein können, geht aus folgendem Zitat hervor: "Unter den Vorkriegsgründungen verdanken alle Groß- und Mittelbetriebe in den Landkreisen - mit Ausnahme der verarbeitenden Industrie in der Stadt Amberg - ihre Gründung direkt den besonderen geologischen Verhältnissen." (Kloten, Norbert, unter Mitarbeit von Höpfner, Klaus und Dautel, Heinz: Die Region Amberg, Tendenzen und Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde, Regionalund Wirtschaftspolitische Studienreihe, 2. Entwicklungs- und Umstellungsprogramme, VII, a.a.O., S. 63. Vgl. aber auch ebenda, S. 68.) Vgl. ferner Marx, Detlef: Wachstumsorientierte Regionalpolitik, a.a.O., S. 36 ff. 19 "Einen der aussagefähigsten Indizes für die bisherige wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklungsfähigkeit einer Stadt ist das Wachstum ihrer Bevölkerung. In ihm spiegelt sich der Wohlstand der Bewohner ebenso wider wie die Anziehungskraft der Stadt für ... die Standorte der wirtschaftlichen Aktivitäten." (Seidenfus, Hellmuth St., unter Mitarbeit von Isenberg, Gerhard und Schmitz, Albert: Wirtschaftsanalyse der Stadt Solingen, Gutachten erstattet im Auftrage der Stadt Solingen, Münster 1967, S. 5). 20 Vgl. dazu beispielsweise auch: Amt für Stadtforschung und Statistik (Hrsg.): Nürnberg als Arbeitszentrum, Pendelbeziehungen und Pendelverkehr nach den Ergebnissen der Volkszählung 1961, Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftskunde Nürnbergs, Heft 3, o. 0. (Nürnberg) 1966.

62

Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik Der Berufspendlerverkehr zwischen Bonn und umliegenden Gemeinden

Jahr Erwerbspersonen In der Stadt Bonn wohnende Erwerbspersonen Davon arbeiten außerhalb der Stadt Bonn In der Stadt Bonn arbeitende Erwerbspersonen Davon wohnen außerhalb der Stadt Bonn Mehrangebot an Arbeitsplätzen im Gebiet der StadtBonn

1961

1966

Arbeitskräfte

63 536

61300

Auspendler

10009

10 000

Arbeitsplätze

86 380

91600

Einpendler

32 853

40300

Einpendler-Überschuß

22 844

30300

QueUe: Nach Fehre, Horst: Bonn im Zeichen der vorläufigen Bundeshauptstadt, in: Bonner Zahlen, Statistische Berichte der Stadt Bonn, im Auftrage des Oberstadtdirektors bearbeitet und hrsg. vom Amt für Statistik, Meldewesen und Wahlen, 17. Jg. (1967), Sonderheft Nr. 6, S. 201.

Welche Bedeutung der Faktor Arbeit z. B. für das Wirtschaftswachstum in einer Gemeinde hat, wird besonders in Zeiten, in denen die örtliche Nachfrage nach Arbeitsleistungen das örtliche Angebot an Arbeitsleistungen übersteigt, sichtbar. Ist generell der Faktor Arbeit der Minimumfaktor, so können davon ebenso Rückwirkungen auf das örtliche Wirtschaftswachstum ausgehen, wie wenn es an qualifizierten Arbeitskräften in einer Gemeinde mangelt21 • Neben der Quantität potentieller Arbeitnehmer ist also vor allem auch die Qualifikation der vorhandenen Arbeitskräfte ein u. E. wichtiges Datum. So kann für Unternehmerische Standort- bzw. Investitionsentscheidungen die berufliche Qualifikation der in der in Frage kommenden Gemeinde ansässigen Arbeitskräfte von ausschlaggebender Bedeutung sein. Mangelnde b erufliche Qualifikation der vorhandenen Arbeitskräfte kann ein Hindernis bei der Ansiedlung facharbeitsorientierter Betriebe sein22 • Haben sich gemeindliche Entscheidungsorgane das Ziel gesetzt, 21 Vgl. auch Drewe, Paul: Sozialforschung in der Regional- und Stadtplanung, Bericht über ein Projekt des Instituts für Vergleichende Sozialforschung der Universität zu Köln, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 18. Jg., 1966, S. 102 ff., hier S. 103. 22 "Die Gründe, warum nur wenige Männerbetriebe in den Grenzraum ziehen, können in folgenden Punkten gesehen werden: ... 5. Generell gehören Männerbetriebe . . . zur verarbeitenden Industrie, die einen hohen Facharbeiterstamm erfordert ... Das genannte Gebiet besitzt für eine Verbreitung der zuletzt angeführten Industrie einen zu kleinen, unspezifizierten Arbeitsmarkt ..." (Kloten, Norbert, unter Mitarbeit von Höpfner, Klaus und Dautel, Heinz: Die Region Amberg, Tendenzen und Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde, Regional- und Wirtschaftspolitische Studienreihe, 2. Entwicklungs- und Umstellungsprogramme, VII, a.a.O., S. 135).

A. Natürliche Ressourcen, :Sevöikerung, exogene Entscheidungen

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durch Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben die örtliche Wirtschaftsstruktur zu verändern, so müssen sie Überlegungen dahingehend anstellen, welche Industrien und Gewerbe in bezug auf die Qualifikation der örtlich vorhandenen Arbeitskräfte langfristig für das Gemeinwesen und seine Mitglieder möglichst optimale ökonomische Wirkungen hervorbringen. Aber nicht nur die Qualifikation, sondern auch die geschlechtliche Zusammensetzung des Arbeitspotentials einer Gemeinde ist mit in den Kalkül einzubeziehen23 • 111. Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger Entscheidungen der verschiedensten Entscheidungsträger (nicht nur etwa der Organe aller anderen Träger von Wirtschaftspolitik) sind ebenfalls Teil des Bedingungskomplexes gemeindlicher Wirtschaftspolitik24 • So können durch die (Mittel- und/oder Zielsetzungs-)Entscheidungen, die Entscheidungsorgane einer Gemeinde in der Vergangenheit getroffen haben, sowohl die wirtschaftspolitischen Mittel- als auch die Zielsetzungsentscheidungen der Entscheidungsorgane zu einem späteren Zeitpunkt begrenzt werden (sofern die früher getroffenen Entscheidungen nicht revidiert werden können) 25 • Auch die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse) des Bundesverfassungsgerichts (durch die u. U. Normen der Rechtsordnung für verfassungswidrig erklärt werden) gehören zum Kranz der Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik. Um diese Aussage durch ein konkretes Beispiel zu veranschaulichen, sei auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juli 196526 und 14. Februar 196727 hingewiesen. Durch das an zweiter Stelle genannte Urteil wurde § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG für nichtig erklärt: Die Zweigstellensteuer für Bank- und Kreditunter23 "Die zukünftige Ansiedlung und der Ausbau von Frauenbetrieben (in Gemeinden des Zonnenrandgebietes, der Verf.) droht wegen eines Mangels an weiblichen Arbeitskräften, die kaum durch männliche Kräfte zu ersetzen sind (und wegen der niedrigen Löhne auch nicht ersetzt werden sollen), zu verlangsamen." (Ebenda, S. 135). 24 Allerdings ist es nicht möglich, anders als in Beispielen die Stellung von Entscheidungen verschiedener Entscheidungsträger innerhalb des Bedingungskomplexes aufzuzeigen. 25 Natürlich lassen sich auch solche nicht revidierbaren Entscheidungen größtenteils auf Rechtsnormen, die Teil des Bedingungskomplexes sind, zurückführen, da auch für Gemeinden beispielsweise gilt: ,pacta sunt servanta'. Auch bei anderen Entscheidungen wäre eine solche Rückführung auf Rechtsnormen vielfach möglich. Insofern wäre dieser Abschnitt III. eigentlich im folgenden Abschnitt (B. Normen der Rechtsordnung) unterzubringen. Dies geschah bewußt nicht. Im folgenden Abschnitt B. werden nur Normen der Rechtsordnung dargestellt, soweit sie die gemeindliche Wirtschaftspolitik legitimieren und ihre finanzielle Fundierung begründen. 2o BVerfGE 19, 101 ff. 27 BVerfGE 21, 160 ff.

64

Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

nehmen verstößt gegen den Gleichheitssatz. Durch das Urteil vom 13. Juli 1965 wurde festgestellt, daß § 17 Abs. 1 GewStG nichtig ist, "soweit er zuläßt, daß für Wareneinzelhandelsunternehmen, die in einer Gemeinde eine Betriebsstätte unterhalten, ohne in dieser ihre Geschäftsleitung zu haben, der Hebesatz bis zu drei Zehnteln erhöht werden kann" 28 • Welche Auswirkungen eine solche Änderung das Datenkranzes sowohl für wirtschaftspolitische Zielsetzungs- als auch Mittelentscheidungen29 gemeindlicher Entscheidungsorgane haben kann, wird deutlich, wenn man erfährt, daß der durch dieses Urteil hervorgerufene Einnahmeausfall der Stadt Hanau beispielsweise bei ca. DM 200 000,- pro Jahr liegt (zu denen DM 950 000,- Rückzahlungsverpflichtungen hinzukommen) 30 • Durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 1968 (BVerwGE VII C 64.66, BVerwGE VII C 89.66, BVerwGE VII C 47.67) wurde Unternehmern die Möglichkeit eröffnet, erhebliche Beträge (in der Gerichtsverhandlung war von einer achtstelligen Summe die Rede) an Zweigstellensteuer von den Gemeinden zurückzufordern31 • Das Bundesverwaltungsgericht entschied nämlich, "daß die Gemeinden bei Berichtigungsbescheiden zur Gewerbesteuer, die auch Zweigstellensteuer enthalten und insgesamt höhere Steuern fordern, die Zweigstellensteuer dann als verfassungswidrig zurückzuzahlen haben, wenn die Berichtigungsbescheide von den Unternehmungen angefochten worden sind32 • Eine Entscheidung des Interministeriellen Ausschusses für regionale Wirtschaftspolitik hinsichtlich der Anerkennung einer Gemeinde als Bundesausbauort33 ist ein Beispiel für die Änderung des Datenkranzes gemeindlicher Wirtschaftspolitik durch Organe des Bundes. Am 9. April 1968 wurden beispielsweise weitere 17 Gemeinden in den Kreis der BVerfGE 19, 104. Die Anzahl der den gemeindlichen Entscheidungsorganen zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel (Bundesfinanzhof und Bundesverwaltungsgericht gehen davon aus, durch die Zweigstellensteuer "solle aus sozialund wirtschaftspolitischen Gründen das ortsansässige mittelständische Gewerbe gegen die Konkurrenz auswärtiger, meist kapitalkräftiger Unternehmer geschützt werden" [BVerfGE 19, 107]), wurde durch diese Entscheidungen um eines vermindert. 30 Grobe, Hans-Joachim: Schrittmacher der Finanzreform, in: Der Volkswirt, Wirtschafts- und Finanz-Zeitung, 19. Jg., Nr. 36, 10. September 1965, S. 2026. 31 Vgl. Kommunale Steuer-Zeitschrift, Zeitschrift für das gesamte Gemeindeabgabenwesen, 17. Jg., Heft 7, Juli 1968, S. 134 ff. 32 Ohne Verf.: Zweigstellen-Steuer rückzahlbar, Bundesverwaltungsgericht entschied in einem Millionen-Prozeß, in: FAZ, D-Ausgabe vom 1. April 1968, Nr. 78, S. 13. 83 "In den Bundesausbauorten soll die Ansiedlung von Industriebetrieben besonders gefördert werden, um für die umliegenden ländlichen Gebiete, die ihrer Bevölkerung keine ausreichende Beschäftigung bieten können, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen." (Richtlinien für die Verwendung der Bundeshaushaltsmittel für das Regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung, gültig ab 1. Januar 1968, vom 21. Dezember 1967 [BAnz, Jg. 20, vom 6. Januar 1968, Nr. 4, S. 2]). 2s 29

A. Natürliche Ressourcen, Bevölkerung, exogene Entscheidungen

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Bundesausbauorte aufgenommen34• Durch Gewährung von Darlehen an gewerbliche Produktionsunternehmen zu einem Zinssatz von 3,5 OJo bzw. 4 OJo (bei Verwendung für die Beschaffung von Maschinen) oder durch einen bis zu 15 Ofoigen Zuschuß zu den Investitionskosten sollen Unternehmer veranlaßt werden, ihre Betriebe in diesen Bundesausbauorten anzusiedeln. Die Gemeinden können Zuschüsse in Höhe von 60 OJo der Aufwendungen für die Erschließung des notwendigen Industriegeländes erhalten35• Entscheidungen der jeweils zuständigen Organe36 über den Bau und den Verlauf von Bundesfernstraßen und Autobahnen, über den Ausbau von Binnenwasserstraßen37 (beispielsweise des Rhein-Main-Donau-Kanals), über die Einstellung des Eisenbahnverkehrs auf einer bestimmten Verkehrsrelation oder über den Bau eines Flugplatzes gehen in den Bedingungskomplex gemeindlicher Wirtschaftspolitik ein und verändernihn. Aber auch Entscheidungen der zuständigen Organe hinsichtlich der Gewährung bestimmter Ausnahmetarife bzw. generell der Tarifgestaltung bei der Beförderung von Gütern auf der Eisenbahn38 oder auf dem Wasserwege sind Umweltdaten gemeindlicher Wirtschaftspolitik. Änderungen der Umweltgegebenheiten gemeindlicher Wirtschaftspolitik können auch durch Entscheidungen privater Wirtschaftssubjekte bewirkt werden. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde noch angenommen, daß, bedingt durch die starke Zunahme der Energienachfrage, eine 34 Vgl. Immobilien-Informationen der FAZ, Meldungen Zahlen - Kommentare 2/68, S. 3. 35 Vgl. Richtlinien für die Verwendung der Bundeshaushaltsmittel für das Regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung, gültig ab 1. Januar 1968 vom 21. Dezember 1967 (BAnz, Jg. 20 vom 6. Januar 1968, Nr. 4, S. 2). 36 Zum Recht bezüglich der Festlegung des Verlaufs von Bundesfernstraßen siehe Art. 90 GG; ferner Bundesfernstraßengesetz vom 6. August 1953 (BGBl. I S. 903), i. d. F. vom 6. August 1001 (BGBl. I S. 1741). Wegen der Bestimmungen zum Neu- und Ausbau der Binnenwasserstraßen vgl. Art. 74 Ziff. 21 GG und Art. 89 GG. Das Recht zur Erweiterung und Stillegung von Schienenwegen steht dem Bund zu. Vgl. Art. 73 Ziff. 6 GG und Art. 87 GG, dazu: Bundesbahngesetz vom 13. Dezember 1951 (BGBl. I S. 955) i. d. F. vom 1. Juli 1962 (BGBl. 111

s. 931-1).

37 Vgl. dazu Förster, Karl: Die raumfüllende Kraft der Wasserstraßen, in: Raumforschung und Raumordnung, 17. Jg., Heft 2, 1959, S. 65 ff., insbes. S. 70 ff. ; vgl. auch die Ausführungen bei Kraft, Dietmar: Der Einfluß eines Hafens auf die Wirtschaftsstruktur und die Wirtschaftskraft seiner Hafenstadt, Vorträge und Beiträge aus dem Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, hrsg. von H. St. Seidenfus, Diss. Münster 1965, S. 17 ff. 38 Vgl. dazu z. B. Schulz-Kiesow, Faul: Die Eisenbahngütertarifpolitik in ihrer Wirkung auf den industriellen Standort und die Raumordnung, Heidelberg- Berlin- Magdeburg 1940. Vgl. ferner dazu die Ergebnisse der Untersuchung von Scheele, Erwin: Tarifpolitik und Standortstruktur, Forschungen aus dem Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, hrsg. von Andreas Predöhl, Bd. 13, Göttingen 1959.

5 Schneider

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Steigerung der Kohleförderung notwendig sei. Inzwischen ist die Kohle im Wettbewerb mit dem Heizöl ins Hintertreffen geraten: Die Nachfrager nach Energie haben sich für das Heizöl entschieden. Entscheidungsorgane solcher Gemeinden, die bisher überwiegend nur Kohlenbergwerke in ihrem Gebiet hatten, sehen sich jetzt ebenso einem veränderten Datenkranz gegenüber wie etwa diejenigen einer Seehafenstadt durch die Entscheidung von Reedern, in verstärktem Umfang Riesentanker einzusetzen, die nur in bestimmten Seehäfen anlegen können.

B. Normen der Rechtsordnung I. Die Sicherung der kommualen Selbstverwaltung durch die Rechtsordnung 1. Der Staatsautbau der Bundesrepublik Deutschland

Der verfassungsmäßige Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ist zweistufig gestaltet39 : Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG), d. h. daß es sich um eine staatsrechtliche Verbindung von souveränen Gliedstaaten handelt, die selbst wieder ein (Zentral-)Staat ist. Die Länder (die Bundesrepublik Deutschland ist in acht Flächen- und drei40 Stadtstaaten aufgegliedert) haben auf dem ihnen zustehenden Aufgabengebiet "die höchste unabgeleitete Staatsgewalt"41 • Sie sind nicht 38 Siehe dazu z. B. Maunz, Theodor: Deutsches Staatsrecht, Ein Studienbuch, 16., neubearbeitete Auflage, München und Berlin 1968, S. 208; a. A. Klein, Friedrich: Die Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, in: Gemeindefinanzrecht und Gemeindewirtschaftsrecht, Referate auf dem 16. fachwissenschaftlichen Fortbildungskursus der Verwaltungsa kademie Ostwestfalen-Lippe, hrsg. von der Verwaltungsakademie Ostwestfalen-Lippe, Detmold 1956, S. 1 ff., hier S. 21. 1958 vertrat Klein allerdings auch die Maunzsehe Auffassung: Klein, Friedrich: Die Stellung der Gemeinden im Grundgesetz und in der Finanzverfassung der Bundesrepublik, in: Gemeindliches Finanz- und Prüfungswesen, Referate des 22. Fortbildungslehrganges, hrsg. von der Verwaltungsakademie Ostwestfalen-Lippe, Detmold 1958, S. I/1 ff., hier S. I/3 f. Ebenfalls anderer Ansicht als Maunz ist Stern, Klaus, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Harnburg 1950 ff., Art. 28, S. 35 Rdnr. 78 (künftig zitiert: Bonner Kommentar). 40 Nach Ansicht der Alliierten Kommandantur ist allerdings "Berlin nicht als ein Land der Bundesrepublik anzusehen ... " (vgl. Schreiben der Alliierten Kommandantur vom 24. Mai 1007 - BK/L (6'7) 10 - an den Regierenden Bürgermeister und an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, abgedruckt in NJW, 20. Jg., Heft 38 vom 21. September 1967, S. 1742 f. Vgl. aber auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1957 - BVerfGE 7, 1). 41 Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, Art. 1 - 69, 2. Auflage, München und Berlin 1966, Art. 20 Abs. 1, S. 3 Rdnr. 5 (künftig zitiert: Grundgesetz, Kommentar I).

B. Normen der Rechtsordnung

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"hochpotenzierte Selbstverwaltungskörper"42 , sondern- im Rahmen der politischen Gesamtkonzeption des Zentralstaates - politisch autonome Staatsgebilde mit der Möglichkeit eigener politischer Willensbildung durch ihre Organe. Dem steht nicht entgegen, daß die Organe der Länder in ihren Handlungen auf den Gebieten der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung durch Vorschriften des Grundgesetzes beschränkt sind. Eine weitere Schranke ist in der ,Pflicht zur Bundestreue' (bundesfreundliches Verhalten) der Länder zu sehen43 , "d. h. alle an dem verfassungsrechtlichen ,Bündnis' Beteiligten sind gehalten, dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung seiner und der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen"44. Die grundsätzliche Zuständigkeit für die Gemeinden (und auch für die Gemeindeverbände) fällt in den Bereich der Landesgesetzgebung. Diese Zuständigkeit läßt sich aus den (zwingenden) Rahmenvorschriften, die Art. 28 GG für die Landesgesetzgebung aufstellt, ableiten. Sie gilt allerdings nur insoweit, als nicht eben diese Rahmenvorschriften des Art. 28 GG eingreifen. 2. Die Selbstverwaltung der Gemeinden nach dem Grundgesetz und nach den Länderverfassungen a) Die kommunale Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz

Weiter oben haben wir ausgeführt, daß die grundsätzliche Zuständigkeit für die Gemeinden (und die Gemeindeverbände) in den Bereich der Landesgesetzgebung fällt. Diese Zuständigkeit wird durch die Rahmenvorschriften des Art. 28 GG durchbrachen. Nach Art. 28 Abs. 2 GG muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Damit wird dem Landesgesetzgeber die Auflage gemacht, "die universale sachliche Kompetenz für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" 45 (Universalität oder Aufgabenallzuständigkeit) der Gemeinden zu gewährleisten. • 2 Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar I, a.a.O., Art. 20 Abs. 1, S. 3 Rdnr. 5; so auch Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, a.a.O., S. 425; a. A. Weber, Werner: Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, 2., erweiterte Auflage, Stuttgart 1958, S. 77. 43 Zur Bundestreue siehe Bayer, Hermann-Wilfried: Die Bundestreue, Tübinger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, hrsg. von der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, Bd. 4, Tübingen 1961. 44 BVerfGE 1, 315 (Urteil vom 21. Mai 1952, betreffend den Verfassungsrechtsstreit über die Verteilung von 91 Millionen DM aus Mitteln des Bundeshaushalts 1951 für den Wohnungsbau in den Ländern). 45 Wolff, Hans J .: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 184.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Bei der Aufgabenallzuständigkeit handelt es sich allerdings nur um einen Grundsatz. So liegt kein Verstoß gegen diese Bestimmungen vor, wenn örtliche Aufgaben durch gemeindliche Behörden erledigt werden (als Beispiele können die Arbeits- und Finanzämter angeführt werden). Was Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind, "kann wohl nur entwicklungsgeschichtlich (im Original gesperrt, der Verf.) festgestellt werden und ist nach der Gemeinderechtstradition der einzelnen Länder verschieden" 46 • Festzuhalten ist, daß die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sich im Zeitablauf ändern können47 • Die Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgt in eigener Verantwortung. In eigener Verantwortung heißt, daß die Angelegenheiten dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden angehören. Die Gemeinde ist also insoweit nicht in den staatlichen Instanzenzug eingegliedert. Die Gemeinde (richtiger: die gemeindlichen Entscheidungsorgane) "schuldet daher hinsichtlich der Politik, die sie innerhalb ihres Wirkungskreises treibt, und für alle Einzelmaßnahmen dem Staat gegenüber keine ,Verantwortung' " 48 • Sie ist in diesem Bereich weisungsfrei. Dadurch wird aber die Rechtsaufsicht des (zuständigen) Staates nicht ausgeschlossen. Wie schon Art. 127 WRV enthält auch Art. 28 GG eine institutionelle Garantie49 der Selbstverwaltung der Gemeinden. Das den Gemeinden (und auch den hier zu vernachlässigenden Gemeindeverbänden50) zustehende Recht der Selbstverwaltung darf nicht aufgehoben (weder durch einfache Bundesgesetze noch durch Landesgesetze) und auch nicht derart 48 Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar I, a.a.O., Art. 28, S. 13 Rdnr. 30; vgl. zu diesem Problemkreis Partsch, Karl-Josef: Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), in: Max-Planck-Institut für Ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hrsg.): Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen, Festschrift für Carl Bilfinger, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Heft 29, Köln- Berlin 1954, S. 301 ff.; Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 18'4 f.; Stern, Klaus, in: Bonner Kommentar, a.a.O., Art. 28, S. 38 ff., Rdnr. 86 - 93. 47 Vgl. Stern, Klaus, in: Bonner Kommentar, a.a.O., Art. 28, S. 39 Rdnr. 87. 48 Gönnenwein, Otto: Gemeinderecht, Tübingen 1963, S. 38; vgl. auch Stern, Klaus, in: Bonner Kommentar, a.a.O., Art. 28, S. 40 ff. Rdnr. 94 ff. 49 "Institutionelle Garantien sind Aussprüche in Verfassungsvorschriften, die auf eine Gewährleistung bestimmter Einrichtungen, nicht auf eine Gewährung individueller Rechte abzielen." (Maunz, Theodor: Deutsches Staatsrecht, a.a.O., S. 95• f.) Das bedeutet, daß die Existenz der einzelnen Gemeinde als solcher nicht gewährleistet wird, sondern, daß die Gemeinde als Institution nicht abgeschafft werden darf. Vgl. auch Becker, Erich: Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, a.a.O., S. 144; Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 195 f. 50 Die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG). Das Grundgesetz gewährleistet also den Gemeindeverbänden keine Allzuständigkeit.

B. Normen der Rechtsordnung

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eingeschränkt werden, daß die Selbstverwaltung "innerlich ausgehöhlt wird, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Scheindasein führen kann " 51 . Beschränkungen der gemeindlichen Selbstverwaltung sind also nur insoweit mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, als sie den Kern (Wesensgehalt) der Selbstverwaltung unangetastet lassen52. Der Umfang der Aufgaben kann allerdings durch Landesgesetze geregelt werden. b) Die Regelung der gemeindlichen Selbstverwaltung in den Länderverfassungen

Neben der Garantie der Selbstverwaltung der Gemeinden in Art. 28 GG finden sich auch diesbezügliche Bestimmungen in den Verfassungen der Bundesländer. Die Bestimmungen in den einzelnen Verfassungen sind meist detaillierter und ausführlicher als diejenigen im Grundgesetz. Von ihnen "haben nur diejenigen Wirkung, die über die Parallelbestimmungen des Grundgesetzes hinausführen, ohne ihnen zu widersprechen" 53 • Bereits die Verfassungen, die vor lokrafttreten des Grundgesetzes erlassen wurden, gestanden den Gemeinden (und den Gemeindeverbänden) das Recht der Selbstverwaltung zu54 • Die Länderverfassungen, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes verabschiedet wurden, mußten ohnehin die Rahmenvorschriften des Art. 28 GG beachten, was in jedem Falle geschehen ist55 • Auch die Länderverfassungen gewährleisten die Allzuständigkeit der Gemeinden in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft56. Was die konkreten Aufgaben, deren eigenverantwortliche Erledigung den Ge61 So der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in seiner Entscheidung vom 10./11. Dezember 1929 (RGZ 126, Anhang, S. 14 ff.). Dieser Auslegung folgte auch das Bundesverfassungsgericht für Art. 28 Abs. 2 GG: BVerfGE 1, 175 (Urteil vom 20. März 1952 in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Stadt Offenbach am Main gegen die §§ 11 - 18 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen). 52 Beschränkungen der Selbstverwaltung sind dann zulässig, wenn ein besonderer Notstand vorliegt. "Zu fordern ist lediglich, daß solche ungewöhnlichen Eingriffe in der Form des Gesetzes vorgenommen und daß sie auf das zeitlich und sachlich unbedingtNotwendige begrenzt werden." (BVerfGE, 1, 178). 53 Weber, Werner: Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien, hrsg. von der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen, Bd. 9, 2. erweiterte Auflage, Göttingen 1967, S. 36 f. 54 Siehe dazu Art. 137 Abs. 1 und 3 HessVerf; Art. 11 Abs. 2 BayVerf; Art. 49 Abs. 1 und 3 RhPfVerf; Art. 122 SaarlVerf. 55 Art. 39 Abs. 1 SchlHLS; Art. 78 Abs. 1 NWVerf; Art. 44 Abs. 1 NdsVerf; Art. 71 Abs. 1 BWVerf. 56 Als Beispiel sei hier Art. 137 Abs. 1 Satz 2 HessVerf angeführt: "Sie (die Gemeinden, der Verf.) können jede öffentliche Aufgabe übernehmen, soweit sie nicht durch ausdrückliche gesetzliche Vorschrift anderen Stellen im dringenden öffentlichen Interesse ausschließlich zugewiesen sind."

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

meinden überlassen ist, sind, wird mit einer Ausnahme in den Verfassungen allerdings nicht erwähnt. Die Ausnahme ist der Art. 83 Abs. 1 BayVerf. Dort wird versucht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft katalogmäßig zu erfassen5 7 • In allen Länderverfassungen ist ferner vorgesehen, daß den Gemeinden durch Gesetz58 die Erledigung bestimmter öffentlicher Aufgaben (solche Aufgaben sind z. B. Unterricht sowie Erziehung, Jugendfürsorge und -pflege, Jagd-, Forst- und Fischereiwesen) übertragen werden kann59 • Im Gegensatz zum Grundgesetz nehmen damit die Länderverfassungen zu dem Problem der staatlichen Auftragsangelegenheiten Stellung. Die Verfassungen Bayerns, des Saarlandes und die Landessatzung Schleswig-Holsteins60 sehen vor, daß bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden gleichzeitig eine Regelung über die hierfür notwendigen finanziellen Mittel zu treffen ist. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen können staatliche Aufgaben den Gemeinden nur dann übertragen werden, "wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden" 81 • Die hessische und die rheinland-pfälzische Verfassung äußern sich zur finanziellen Regelung nur pauschal, indem sie bestimmen, daß den Gemeinden die zur Durchführung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern sind82• Schließlich sieht die Verfassung von Baden-Württemberg vor, daß bei der Übertragung staatlicher Aufgaben Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen sind. "Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden . .. so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffenea." Bei den Selbstverwaltungsangelegenheiten beschränkt sich die Aufsicht des Staates auf die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit84 • Bei den Auftragsangelegenheitendagegen sind die Gemeinden an die Weisungen des Staates gebunden. 57 Die Verfassung des ehemaligen Landes Württemberg-Hohenzollern enthielt in ihrem Art. 85 Abs. 1 auch einen solchen Aufgabenkatalog. Dort waren als konkrete Aufgaben u. a. aufgeführt: die Verwaltung der Gemeindebetriebe, Bau und Pflege von Straßen und Wegen, die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas und Strom. ss In Hessen und Rheinland-Pfalzauch durch Verordnungen. n Art. 71 Abs. 3 BWVerf; Art. 11 Abs. 3 BayVerf; Art. 1317 Abs. 4 HessVerf; Art. 44 Abs. 4 NdsVerf; Art. 78 Abs. 3 NWVerf; Art. 49 Abs. 4 RhPfVerf; Art.124 SaarlVerf; Art. 39 Abs. 4 SchlHLS. 80 Art. 83 Abs. 3 BayVerf; Art. 125 Abs. 2 SaarlVerf; Art. 42 Abs. 2 SchlHLS. 81 Art. 44 Abs. 4 NdsVerf; Art. 78 Abs. 3 NWVerf. 82 Art. 137 Abs. 5 HessVerf, Art. 49 Abs. 5 RhPfVerf. &a Art. 71 Abs. 3 BWVerf. u Art. 75 Abs. 1 BWVerf; Art. 83 Abs. 4 BayVerf; Art. 137 Abs. 3 HessVerf; Art. 44 Abs. 5 NdsVerf; Art. 78 Abs. 4 NWVerf; Art. 49 Abs. 3 RhPfVerf; Art. 127 SaarlVerf; Art. 39 Abs. 3 SchlHLS.

B. Normen der Rechtsordnung

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Zur Frage der selbständigen Erschließung von Einnahmen und der selbständigen Entscheidung über deren Verwendung durch gemeindliche Entscheidungsorgane enthalten alle Verfassungen entsprechende Bestimmungen. An dieser Stelle soll darauf nicht näher eingegangen werden. Vielmehr wird das im Zuge der Betrachtung der rechtlichen Ausgestaltung der finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden geschehen65 • "Die Regelung ist einheitlich und ohne Widersprüche" 66, stellt Werner Weber nach der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Grundgesetz und Länderverfassungen fest. Die detaillierten Regelungen der Länderverfassungen bleiben innerhalb des Rahmens, der durch Art. 28 GG gezogen wurde. Was die Länderverfassungen bringen, stellt "nichts weiter dar als eingehendere Umschreibungen und Spezialisierungen der in Art. 28 selbst bereits ausgeformten institutionellen Garantie" 67. 3. Der rechtliebe Schutz der gemeindlichen Selbstverwaltung

a) Die Gewährleistungspflicht des Bundes In Art. 28 Abs. 3 GG gewährleistet der Bund, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Bestimmungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG entspricht. Der Bund ist aufgrund des Art. 28 Abs. 3 GG berechtigt68 und verpflichtet~!', gegen die Länder, die die Selbstverwaltungsgarantie verletzen, einzuschreiten. Die Pflicht erstreckt sich darauf, nachzuprüfen, ob die Vorschriften der Länderverfassungen mit den Normativbestimmungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG zu vereinbaren sind. Liegt ein Verstoß seitens eines Landes gegen die Selbstverwaltungsgarantie vor, kann der Bund folgende Mittel einsetzen: (a) Nach Art. 37 Abs. 1 GG kann das entsprechende Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung der ihm durch Art. 28 GG auferlegten Pflichten angehalten werden7o. 65 Vgl. dazu den Abschnitt B II 1 b (Die gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden und die diesbezüglichen Bestimmungen der Länderverfassungen) in diesem Kapitel. 68 Weber, Werner: Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, a.a.O., s. 55. 87 Ebenda, S. 55. 68 Schon die Vorschriften der Art. 37 und 93 GG geben dem Bund die Befugnis (legen ihm aber nicht die Pflicht auf), mit den Mitteln des Bundeszwanges (mit Zustimmung des Bundesrates) und der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts die Einhaltung der sich aus Art. 28 Abs. 1 und 2 GG für die Länder ergebenden Pflichten zu sichern. Vgl. Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar I, a.a.O., Art. 28, S. 17 Rdnr. 42. 69 So Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar I, a.a.O., Art. 28, S. 18 Rdnr. 43. 70 Vgl. wegen der Einzelheiten zum Bundeszwang z. B. Ksoll, Eberhard: Deutsches Staatsrecht, Düsseldorf 1966, S. 171 ff.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

(b) Der Bund kann gemäß Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 GG das Bundesverfassungsgericht anrufen7 1 •

b) Der verfassungsgerichtliche Schutz der Selbstverwaltung der Gemeinden Die bedeutsamste gerichtliche Sicherung der in Art. 28 GG enthaltenen Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden fällt in der Bundesrepublik Deutschland dem Bundesverfassungsgericht zu. Materiell-gesetzliche Grundlage ist § 91 BVerfGG. Nach dieser Vorschrift können Gemeinden (und Gemeindeverbände) beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erheben, und zwar mit der Behauptung, daß ein Gesetz des Bundes oder eines Bundeslandes "die Vorschrift des Art. 28 GG verletze". "Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerde können nur Verstöße des Gesetzgebers gegen die in Art. 28 GG enthaltene institutionelle Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts sein, also gegen dessen tragende verfassungsrechtliche Elemente, gegen dessen ,Kern' oder gegen dessen ,Wesensgehalt'...72." In der Vorschrift des§ 91 BVerfGG "tritt ein Fall der abstrakten Normenkontrolle im Gewande einer Verfassungsbeschwerde auf" 73 . § 91 Satz 2 BVerfGG schließt die.Yerfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgerichtshof aus, sofern Beschwerde wegen Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Landesrecht bei den Landesverfassungsgerichten erhoben werden kann74.

c) Der Schutz durch die Verwaltungsgerichte Die Gemeinden können durch die Verwaltungsgerichte gegen Verwaltungsakte, "von denen auch andere natürliche oder juristische Personen betroffen werden können" 75, geschützt werden. 71 Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar I, a.a.O., Art. 28, S. 19 Rdnr. 47, lehnen das zusätzliche Mittel der Bundesaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 und 4 GG in diesem Zusammenhang ab, "weil es sich bei der Verfassungsgesetzgebung des Landes nicht um eine ,verwaltende' Tätigkeit handelt". Der Verfasser schließt sich dieser Meinung an. Die herrschende Lehre ist allerdings anderer Ansicht. 72 Maunz, Theodor: Deutsches Staatsrecht, a.a.O., S. 277. 1a Ebenda, S. 209. 74 Keine Möglichkeit, ein Landesverfassungsgericht anzurufen, haben die Gemeinden in Niedersachsen, im Saarland und in Schleswig-Holstein. Vgl. Gönnenwein, Otto: Gemeinderecht, a.a.O., S. 220 Fußnote 31; Weber, Werner: Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, a.a.O., S. 41 f. 75 Gönnenwein, Otto: Gemeinderecht, a.a.O., S. 215; vgl. auch Becker, Erich: Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, a.a.O., S. 177 ff.

B. Normen der Rechtsordnung

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Von größerer Wichtigkeit ist aber der Schutz gegen Anordnungen der staatlichen Aufsichtsbehörden, die das Recht der Selbstverwaltung beeinträchtigen. Gegen die Maßnahmen der kommunalen Aufsichtsbehörden ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegeben. Die Klagen gegen Aufsichtsmaßnahmen zielen auf Aufhebung bzw. bei einer versagten Genehmigung auf Vornahme eines Verwaltungsaktes. Keine Möglichkeit der Klage besteht gegen Verwaltungsakte, die Weisungen enthalten, die sich im Rahmen des bei Auftragsangelegenheiten festgelegten Weisungsrechts halten. "Lediglich die Berechtigung der Fachaufsichtsbehörde, eine Weisung zu erteilen, kann von der Gemeinde mit der Verwaltungsklage bestritten werden . . .76 .'' In Bayern allerdings - darauf weist Gönnenwein hin - ist auch gegenüber den Facllaufsichtsbehörden die Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht zulässig77 • II. Die gesetzlichen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden 1. Die Bestimmungen über die Finanzhoheit der Gemeinden in den Verfassungen

In den einleitenden Sätzen zu diesem Kapitel wurde darauf hingewiesen, daß das durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Recht der Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, solange formal bleibt, wie nicht durch Hinzutritt der Erschließung der erforderlichen finanziellen Mittel und der eigenverantwortlichen Entscheidung über ihre Verwendung durch die gemeindlichen Entscheidungsorgane dieser Rahmen materiell ausgefüllt werden kann. Es kann als gesichertes Ergebnis angesehen werden, "daß die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung nur dann ihren Sinn behält, wenn darunter auch gleichzeitig eine finanzielle Garantie verstanden wird" 78 • Garantiert werden muß demnach den Gemeinden die Versorgung mit finanziellen Mitteln in dem Maße, daß neben Ausgaben für PflichtaufgaGönnenwein, Otto: Gemeinderecht, a.a.O., S. 216. Ebenda, S. 217. 78 Sattler, Herbert: Gemeindliche Finanzverfassung, Bedeutung gemeindlicher Finanzhoheit für die Selbstverwaltung, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 1 ff., hier S. 10; ebenso Klein, Friedrich: Die Stellung der Gemeinden im Grundgesetz und in der Finanzverfassung der Bundesrepublik, a.a.O., S. I/8 f. "Was nützt diese formelle Selbständigkeit der Gemeinden, wenn ihnen nicht gleichzeitig - und ich meine, auch das steht indirekt in Artikel 28 - die notwendige finanzielle Grundlage gegeben wird." (Schäfer, Friedrich: Zur Frage der gemeindlichen Finanzreform, in: Kommunale Finanzen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 8, Stuttgart 1960, S. 65 ff., hier s. 65.) 76

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

ben ein Spielraum für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben bleibt79• Mit anderen Worten: Den Gemeinden müssen finanzielle Mittel in einem solchen Umfang zur Verfügung gestellt werden, daß die gemeindliche Selbstverwaltung nicht so eingeschränkt wird, daß sie innerlicll ausgehöhlt wird, die Gelegenheit zu kraftvoller Betätigung verliert und nur noch ein Scheindasein führts 0 • Im folgenden wird untersucht, welche Vorschriften die Verfassungen des Bundes und der Länder bezüglich der Finanzhoheit der Gemeinden enthalten. a) Die Bestimmungen im Grundgesetz

Im X. Abschnitt des Grundgesetzes ("Das Finanzwesen") setzt Art. 106 Abs. 5, 6 und 7 gewichtige Akzente für die Gemeinden. Das war nicht von Anfang an so. Dreimal wurde der Art. 106 GG neu gefaßt. Zunächst durch § 1 des Finanzverfassungsgesetzes81 • Die zweite Fassung erhielt Art. 106 GG durcll Art. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes vom 24. Dezember 195682• In der ursprünglich geltenden Fassung des Art. 106 Abs. 2 GG war vorgesehen, daß die dort angeführten Steuern den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) zufließen sollen. Durch diese Regelung war die finanzielle Ausstattung der Gemeinden ganz den Ländern überlassen83• Eine Änderung im Verhältnis BundLänder84 brachte das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 GG vom 24. Dezember 1956. Diese Änderung und Ergänzung des Art. 106 GG umfaßte die sog. Realsteuergarantie, die verbundene Steuerwirtschaft (Steuerverbund) und den Ausgleich von Sonderbelastungen durch den Bund. Die bisher letzte Änderung brachte das Finanzreformgesetz85• Nach den Vorschriften des Art. 106 Abs. 5 GG erhalten die Gemeinden "einen 79 Zur Bemessung dieses Spielraumes siehe Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O., S. 20 f. 80 Vgl. BVerfGE 1, 167 ff., insbes. S. 175; ferner Klein, Friedrich: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der gemeindlichen Finanzhoheit im Spiegel der Rechtsprechung, in: FA, N. F. Bd. 27, Heft 1- 2 (Januar 1968), S. 271 ff., insbes. S. 274 ff. 81 Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 817). sz BGBl. I S. 1077. 83 Vgl. dazu Klein, Friedrich: Von der föderativen zur stärker unitarischen Gestaltung des Finanzwesens in der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Friedrich Giese zum 70. Geburtstag, Frankfurt/Main 1953, S. 61 ff., hier S. 94 ff. 84 Den Ländern werden die Gemeinden und Gemeindeverbände zugerechnet. Vgl. Abschnitt BI 1 in diesem Kapitel. 85 Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 359).

B. Normen der Rechtsordnung

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Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist". Eine Konkretisierung, die durch Bundesgesetze erfolgen wird, hat diese Vorschrift noch nicht erfahren. Vorgesehen ist bereits in Art. 106 Abs. 5 GG, daß das Bundesgesetz bestimmen kann, "daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen". Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG gesteht der einzelnen Gemeinde das dort anfallende Aufkommen aus den Realsteuern grundsätzlich zu86 . Grundsätzlich deshalb, weil Bund und Länder durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden können. Die verfassungsrechtliche Garantie erstreckt sich nicht auch auf den Fortbestand der Realsteuern87, sondern nur darauf, daß den Gemeinden aus den Realsteuern das Aufkommen grundsätzlich zufließt, und zwar nur in dem Umfang, "der sich aus der jeweiligen bundes- und landesrechtliehen Regelung der Realsteuern ergibt"88. Das Aufkommen aus den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht entweder den Gemeinden oder "nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu" (Art.106 Abs. 6 Satz 1 GG). Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG können die Realsteuern und der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer landesgesetzlich als Bemessungsgrundlagen für Umlagen herangezogen werden. Die Zugrundelegung der Realsteuern und des Gemeindeanteils vom Aufkommen der Einkommensteuer als Bemessungsgrundlagen ist nur nach Maßgabe der Landesgesetzgebung zulässig. Der Landesgesetzgeber darf allerdings bei Erlaß diesbezüglicher Bestimmungen die Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 GG nicht außer acht lassen: Eine Bemessungsgrundlage, die es den Gemeinden unmöglich machen würde, die ihnen durch das Grundgesetz zugestandenen Aufgaben zu erfüllen, wäre verfassungswidrig. Nach der Vorschrift des Art. 106 Abs. 7 GG fließen den Gemeinden und den Gemeindeverbänden insgesamt von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern89 ein durch Landesgesetze zu beDie Zusicherung wird den Gemeindeverbänden nicht gegeben. Vgl. Heckt, Wilhelm: Die Neuordnung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der gemeindlichen Selbstverwaltung, in: DÖV, 10. Jg., März 1957, Heft 6, S. 164 ff., hier S. 16·4 f.; a. A. Sattler, Herbert: Gemeindliche Finanzverfassung, Bedeutung gemeindlicher Finanzhoheit für die Selbstverwaltung, a.a.O., S. 14 Fußnote 1. 88 Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar, Bd. II, Art. 70 - Sachverzeichnis, München und Berlin 1966, Art. 106 S. 40 Rdnr. 71 (künftig zitiert: Grundgesetz, Kommentar II). - Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundesgesetzgebers über die Realsteuern gern. Art. 105 Abs. 2 GG kann für das Aufkommen aus den Realsteuern bedeutsam sein (vgl. z. B. das Steueränderungsgesetz 1961 vom 13. Juli 1961, BGBI. I S. 981). 88 "Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftssteuern) ..." (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG). 88 87

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

stimmender Hundertsatz zu. Abgesehen von der hier nicht weiter interessierenden Tatsache, daß (im Unterschied zur Realsteuergarantie in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) sowohl Gemeinden als auch Gemeindeverbände Berechtigte sind, bringt Art. 106 Abs. 7 GG die Vorschrift, daß nicht etwa die einzelnen Gemeinden (und Gemeindeverbände), sondern die Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt berechtigt sind. Welche Zuweisungsmaßstäbe dabei gewählt werden, bestimmt der Landesgesetzgeber. Ebenso obliegt dem Landesgesetzgeber die Festsetzung der Höhe des Hundertsatzes, der Gemeinden und Gemeindeverbänden vom Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern zufließt, und die Dauer dieser Regelung. Über die Dauer der Regelung sagt Art. 106 GG nichts aus. Für die bisherige Regelung wurde im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß der Gemeindeanteil jedes Jahr neu festgelegt werden kann90 • U. E. hat sich an dieser Möglichkeit durch die Neufassung des Art. 106 GG nichts geändert. Im übrigen ist es dem jeweiligen Landesgesetzgeber anheimgestellt, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt (Art. 106 Abs. 7 Satz 2 GG). Art. 106 Abs. 8 GG schafft - entgegen dem zweistufig gestalteten Staatsaufbau in der Bundesrepublik - eine direkte Beziehung zwischen dem Bund und den Gemeinden. In diesem Absatz wird den Gemeinden ein Ausgleich von Sonderbelastungen zugestanden. Zwei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit die Verpflichtung zur Entschädigung eintritt: (a) Der Bund muß in einzelnen Gemeinden (oder Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen veranlassen, die den Gemeinden (oder Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen verursachen. (b) Die Sonderbelastung muß derart sein, daß es den Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, sie zu tragen. Halten sich die Mehrausgaben oder Mindereinnahmen im Rahmen des Zumutbaren, müssen sie von den Gemeinden selbst getragen werden. Die Ausgleichspflicht entsteht also nur dann, wenn die Sonderbelastung für die Gemeinden unzumutbar ist. Was für die einzelne Gemeinde zumutbar bzw. unzumutbar ist, muß im Einzelfall ermittelt werden. 90 Vgl. Heckt, Wilhelm: Die Neuordnung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der gemeindlichen Selbstverwaltung, a.a.O., S. 166; Vialon, Friedrich Karl: Haushaltsrecht,- Haushaltspraxis -,Systematische Einführung, Übersicht über das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Grundsätze des Gemeindehaushaltsrechts, Kommentar zur Haushaltsordnung (RHO) und zu den Finanzbestimmungen des Banner Grundgesetzes, Zweite, völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin und Frankfurt/M. 1959, S. 171; Maunz, Theodor und Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar li, a.a.O., Art. 106, S. 42 Rdnr. 75.

B. Normen der Rechtsordnung

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Entstehen den Gemeinden Mehrbelastungen durch Aufgaben, die ihnen der Bund zuweist, die aber nicht unter Art. 106 Abs. 8 GG fallen, besteht für die Gemeinden kein unmittelbarer Anspruch auf Ausgleich der Mehrbelastung durch den Bund. Diese Mehrbelastungen gelten gemäß Art. 106 Abs. 9 GG als Ausgaben der Bundesländer. Nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG "kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist". Daraus folgt, daß die Gemeinden einen Anspruch auf Deckung der Mehrbelastung durch Zuweisung von Aufgaben des Bundes nur gegenüber dem jeweils zuständigen Land geltend machen können91 • Eine Verpflichtung der Länder, daß jede derartige Mehrbelastung auszugleichen wäre, läßt sich aus der Vorschrift des Art. 106 Abs. 4 GG aber nicht herleiten92• b) Die Bestimmungen der Länderverfassungen

Die Verfassungen der Bundesländer garantieren den Gemeinden als Ausfluß des Selbstverwaltungsrechts eigene Einnahmequellen. Für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit sichem die Verfassungen von Hessen und Rheinland-Pfalz den Gemeinden in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zu. Außerdem hat der Staat den Gemeinden die zur Durchführung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern93. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verpflichten sich, den Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel durch Erschließung eigener Steuerquellen und - im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit - durch übergemeindlichen Finanzausgleich zu gewähren94. Werden den Gemeinden staatliche Aufgaben übertragen, müssen - wie bereits weiter vorne erwähnt - gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden°5 • Ausdrücklich wird in der Verfassung des Saarlandes die Finanzhoheit der Gemeinden im Rahmen der Gesetze gewährleistet96• Auch im Saarland hat der Staat den Gemeinden die zur Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern97 • 91 Sattler, Herbert: Gemeindliche Finanzverfassung, Bedeutung gemeindlicher Finanzhoheit für die Selbstverwaltung, a.a.O., S. 23 f. 92 Ebenda, S. 24. 93 Art. 137 Abs. 5 HessVerf; Art. 49 Abs. 5 RhPfVerf. 94 Art. 45 NdsVerf; Art. 79 NWVerf. 95 Art. 44 Abs. 4 NdsVerf; Art. 78 Abs. 3 NWVerf. 96 Art. 125 Abs. 1 SaarlVerf: ,.Die Finanzhoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände wird im Rahmen der Gesetze gewährleistet." ur Art. 125 Abs. 2 i. V. m. Art. 124 SaarlVerf.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Die baden-württembergische Verfassung sichert den Gemeinden zunächst generell zu, daß das Land dafür sorgt, daß die Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können98 • Wie dieser Bestimmung Rechnung getragen werden soll, läßt sich aus Art. 73 Abs. 2 und 3 BWVerf entnehmen. Zunächst wird den Gemeinden das Recht zugestanden, eigene Steuern und andere Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben99 • Ferner werden die Gemeinden und Gemeindeverbände unter Berücksichtigung der Aufgaben des Landes an dessen Steuereinnahmen beteiligt. In dem Falle, daß den Gemeinden durch Gesetz die Erledigung bestimmter öffentlicher Aufgaben übertragen wird, sind Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Sollten aus der Übertragung dieser Aufgaben den Gemeinden Mehrbelastungen erwachsen, "so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen"too. Die bayerischen Gemeinden haben "das Recht, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken". Überträgt der Staat Aufgaben an die Gemeinden, so "sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen"tot. Die Klausel über die Bereitstellung der erforderlichen Mittel, bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden ("aus denen Ausgaben erwachsen" 102) findet sich schließlich ebenfalls in der Landessatzung für Schleswig-Holstein103. Zur Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgaben fließen den Gemeinden "nach Maßgabe der Steuergesetze Einnahmen aus den Realsteuern und den sonstigen Kommunalsteuern zu" 104. Den steuerschwachen Gemeinden werden zur Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit vom Land im Wege des Finanzausgleichs Mittel zur Verfügung gestellt105. Setzen wir nun noch einmal die Akzente: Alle Länderverfassungen machen eine Unterscheidung hinsichtlich der finanziellen Sicherung der Gemeinden zwischen eigenen und übertragenen Aufgaben. Bei der Übertragung staatlicher Aufgaben sind Regelungen über die für die Aufgabenerfüllungnotwendigen finanziellen Mittel zu treffen106. Zur ErfülArt. 73·Abs. 1 BWVerf. Für den Fall, daß solche Gesetze nicht bestehen, können die Gemeinden Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis erheben, jedoch nicht Steuern, die vom Land erhoben werden oder den Landkreisen vorbehalten sind (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 KAG für Baden-Württemberg vom 18. Februar 1964, GBl. s. 71). 1oo Art. 71 Abs. 3 BWVerf. 101 Art. W Abs. 2 und 3 BayVerf. 1o2 Art. 42 Abs. 2 SchlHLS. 1oa Art. 42 Abs. 2 SchlHLS. to4 Art. 41 SchlHLS. 1os Art. 42' Abs. 1 SchlHLS. 108 Zu Einzelheiten über die Regelungen bei der Übertragung von Auftragsangelegenheiten siehe Herrmann, Dieter L.: Der Finanzausgleich zwischen den Ländern und den Gemeinden in der Bundesrepublik - Die zweckgebundenen 98 99

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lung ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten wird den Gemeinden in allen Bundesländern durch die jeweiligen Verfassungen die Erschließung eigener Steuerquellen (Steuerhoheit) bzw. im Saarland die Finanzhoheit (ohne daß allerdings klar wird, was dieser Begriff im konkreten Fall alles umschließt) zugesichert. Darüber hinaus sehen fast alle Länderverfassungen vor, daß die Gemeinden im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Länder an den Steuereinnahmen im Wege des Finanzausgleichs beteiligt werden. 2. Normen der formellen Finanzordnung der Gemeinden

Die Bestimmungen über die Haushaltsführung der Gemeinden sind in ihrer Mehrzahl technisch-organisatorischer Art107, "denn hierdurch wird vor allem eine formelle Ordnung geschaffen ... " 108• Dies gilt vor allem für die die Haushaltsführung regelnden Vorschriften der Gemeindehaushaltsverordnung, der Verordnung über das Kassen- und Rechnungswesen und die nach den Gemeindeordnungen zu beachtenden Grundsätze des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens. Durch die Vorschriften der Rücklagenverordnung dagegen wird in den Bereich der selbstverantwortlichen Entscheidungen gemeindlicher Entscheidungsorgane auch materiell in starkem Maße eingegriffen. In dEm Gemeindeordnungen der Bundesländer sind nur die grundsätzlichen Fragen des Gemeindehaushaltsrechts geregelt. "Darüber hinaus sehen sie übereinstimmend die Ermächtigung für eine ausgestaltende Regelung im Verordnungswege vor109." Bis zur Neuordnung des Gemeindehaushaltsrechts in den einzelnen Bundesländern110 gilt (nach den Finanzzuweisungen, in: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen, Mitteilungen, 1967, Heft 2, S. 147 ff., insbes. S. 167. 107 Aus diesem Grunde wird auf diese Bestimmungen hier grundsätzlich nur insoweit eingegangen, wie der Aktionsspielraum der gemeindlichen Entscheidungsorgane bei der Gestaltung des Wirtschaftsgeschehens der Gemeinde dadurch materiell begrenzt wird. 108 Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O., S.52. 108 Loschelder, Wilhelm und Giere, Gustav: Gemeindehaushaltsrecht, Kommentar zu den Gemeindehaushaltsverordnungen der Länder, Zweite Auflage, Stuttgart und Köln 1964, S. 8. Vgl. § 14e Ziff. 23- 25 BWGemO; Art. 123 Ziff. 1- 5 BayGemO; § 90 Abs. 2 BrhStVerf; § 133 HessGemO; § 142 Ziff. 2- 5 Nds GemO; § 119 Abs. 2 NWGemO; § 119 Abs. 2 RhPfGemO; § 136 Abs. 1 Ziff. 3-7 SaarlGemO; § 134 Abs. 2 SchlHGemO. 110 Bisher haben erst Nordrhein-Westfalen (Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden vom 26. Januar 1954 [GVBl. S. 59]) und Hessen (Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden vom 27. Januar 1956 [GVBl. S. 5]) die Gemeindehaushaltsverordnung von 19,37 durch "eine Vollregelung ersetzt . .. in Baden-Württemberg finden sich vorerst Teilneuregelungen ..." (Loschelder, Wilhelm und Giere, Gustav: Gemeindehaushaltsrecht, Kommentar zu den Gemeindehaushaltsverordnungen der Länder, a.a.O., S. 8). Im übrigen lehnen sich

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Gemeindeordnungen111) das Recht der Gemeindehaushaltsverordnung von 1937112, der Verordnung über das Kassen- und Rechnungswesen113 und der Rücklagenverordnung114 weiter. a) Die Haushaltssatzung der Gemeinden

In der Haushaltssatzung115 werden der Haushaltsplan der Gemeinde, die für jedes Rechnungsjahr neu festzusetzenden Steuersätze für die Gemeindesteuern, die Höchstbeträge der Kassenkredite und der Gesamtbetrag der Darlehen, die zur Bestreitung von Ausgaben des außerordentlichen Haushalts bestimmt sind, festgesetzt116 • Die Haushaltssatzung wirkt in erster Linie nach innen, d. h. sie bindet vor allem die Gemeindeverwaltung. Ansprüche Dritter werden durch sie nicht begründet. Die Hebesätze für die Realsteuern werden allerdings nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Steuerpflichtigen verbindlich festgesetzt 111• Die äußere Form der Haushaltssatzung ist den Gemeinden durch Muster vorgeschrieben. Ebenso ist das Verfahren beim Zustandekommen der Haushaltssatzung festgelegt: Der Kämmerer oder der sonst für das Finanzwesen zuständige Beamte stellt einen Entwurf der Haushaltssatzung auf und legt ihn dem Gemeindevorsteher zur Feststellung vor. Dieser leitet den Entwurf, nachdem er eine Woche lang öffentlich ausgelegt war118, der Gemeindevertretung zu, die in öffentlicher Sitzung sowohl die Gemeindehaushaltsverordnung Hessens als auch die NordrheinWestfalens in der Formulierung eng an die Gemeindehaushaltsverordnung von 1937 an. - Zu Einzelheiten bezüglich der Rechtslage in den einzelnen Bundesländern siehe Loschelder, Wilhelm und Giere, Gustav: Gemeindehaushaltsrecht, Kommentar zu den Gemeindehaushaltsverordnungen der Länder, a.a.O., S. 9 ff. 111 Vgl. § 149 Abs. 2 BWGemO; Art. 122 Abs. 1 BayGemO; § 90 Abs. 3 BrhSt Verf; § 140 Abs.1 NdsGemO; § 134 Abs. 2 SaarlGemO; § 132 Abs. 1 SchlHGemO. 112 Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden vom 4. September 1937 (RGBL I S. 921). 118 (Reichs-)Verordnung über das Kassen- und Rechnungswesen der Gemeinden vom 2. November 1938 (RGBL I S. 1583). 114 (Reichs-)Rücklagenverordnung vom 5. Mai 1936 (RGBL I S. 435). 115 "Die Haushaltssatzung ist die nach den Vorschriften der Gemeindeordnung zustandekommende planmäßige Regelung der Finanzwirtschaft einer Gemeinde für ein Rechnungsjahr." (Pagenkopf, Hans: Einführung in die Kommunalwissenschaft, a.a.O., S. 164 f.). 116 Siehe § 99 Abs. 2 BWGemO; Art. 89 BayGemO; § 69 BrhStVerf; § 112 HessGemO; § 106 NdsGemO; § 85 NWGemO; § 96 RhPfGemO; § 100 SaarlGemO; § 98 SchlHGemO. 117 Vgl. Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht III (Ordnungs- und Leistungsrecht, Verfahrens- und Prozeßrecht), Ein Studienbuch, München und Berlin 1966, S. 324 (künftig zitiert: Verwaltungsrecht III); Pagenkopf, Hans: Einführung in die Kommunalwissenschaft, a.a.O., S. 163 f. 118 Vgl. dazu Jansen, Leopold-Josef: Gemeindehaushaltsrecht, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 228 ff., hier S. 244. - § 99 Abs. 3 BWGemO; § 113 Abs. 4 HessGemO; § 86 Abs. 3 NWGemO.

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darüber berät und beschließt119 • Die von der Gemeindevertretung beschlossene Haushaltssatzung muß rechtzeitig vor Beginn des Rechnungsjahres der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden. Diese muß die Höhe der Steuersätze für die Gemeindesteuern und die Höhe der Kassenkredite sowie den Gesamtbetrag der Darlehen im außerordentlichen Haushaltsplan genehmigen120• Ausgenommen von dieser Regelung ist die Festsetzung des Haushaltsplanes121 • Hat die Aufsichtsbehörde die Haushaltssatzung genehmigt, ist sie ein zweites Mal bekanntzugeben und der Haushaltsplan eine Woche lang zur Einsichtnahme aufzulegen122• Wenn im Laufe des Haushaltsjahres über- und außerplanmäßige Ausgaben in erheblichem Umfange anfallen, ist die Gemeinde zur Festsetzung einer Nachtragshaushaltssatzung verpfiichtet123• Dies gilt auch für den Fall, daß der im Haushaltsplan vorgesehene Ausgleich auch bei Ausnutzung jeder Sparmöglichkeit nicht gewährleistet ist. Eine Nachtragshaushaltssatzung ist ebenfalls zu erlassen, wenn die in der Haushaltssatzung festgesetzten Steuersätze geändert124 oder ein höherer als der in der Haushaltssatzung festgesetzte Höchstbetrag der Kassenkredite in Anspruch genommen werden soll125 • b) Der HaushaltspLan

Der Haushaltsplan126 ist in den ordentlicllen und den außerordentlichen Haushaltsplan zu gliedern127 • Der ordentliche Haushaltsplan enthält die 119 Vgl. Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O., S. 46; Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht III, a.a.O., S. 324. - Einige Gemeindeordnungen sehen vor, daß die Haushaltssatzung vor der Beratung und Beschlußfassung durch die Gemeindevertretung in den zuständigen Ausschüssen eingehend beraten werden soll(§ 113 Abs. 2 Satz 2 HessGemO; § 86 Abs. 4 Satz 2 NWGemO; § 99 Abs. 1 Satz 2 SchlHGemO). 120 Zur Beantwortung der Frage, ob diese Genehmigungsverfahren Mittel sein können, um ein koordiniertes Verhalten gemeindlicher Entscheidungsorgane zur Erreichung der Ziele nach § 1 StabG herbeizuführen, siehe Abschnitt B 111 im dritten Kapitel dieser Arbeit, 121 Siehe Art. 89, 93 Abs. 1 BayGemO; §§ 69, 72 Abs. 1 BrhStVerf; §§ 112, 117 HessGemO; §§ 106, 110 Abs. 1 NdsGemO; §§ 85, 88 Abs. 1 NWGemO; §§ 96, 99 Abs. 1 RhPfGemO; §§ 100, 103 Abs. 1 SaarlGemO; §§ 98,101 Abs. 1 SchlHGemO. 122 Siehe§ 101 Abs. 2 BWGemO; Art. 93 Abs. 2 und 3 BayGemO; § 72 Abs. 2 und 3 BrhStVerf; § 117 Abs. 2 und 3' HessGemO; § 110 Abs. 2 und 3 NdsGemO; § 88 Abs. 2 und 3 NWGemO; § 99 Abs. 2 und 3 RhPfGemO; § 103 Abs. 2 und 3 SaarlGemO; § 101 Abs. 2 SchlHGemO. 123 Für das Zustandekommen der Nachtragshaushaltssatzung gelten dieselben Vorschriften wie bei der Haushaltssatzung: § 25 GemHVO; § 103 Abs. 2 BWGemO; § 112 NdsGemO; § 105 SaarlGemO; § 103 SchlHGemO. 124 Die gemeindlichen Entscheidungsorgane dürfen allerdings die Hebesätze für die Realsteuern im Laufe des Rechnungsjahres nur einmal ändern (§ 2 Abs. 2 EinfGRealStG). 125 Vgl. Jansen, Leopold-Josef: Gemeindehaushaltsrecht, a.a.O., S. 247. 128 Was unter Haushaltsplan zu verstehen ist, wird vom Gesetz definiert; siehe § 48 Ziff. 1 GemHVO. 127 § 1 Abs. 1 GemHVO. - Der Haushaltsplan besteht aus dem Gesamtplan

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Verwaltungseinnahmen, die allgemeinen Deckungsmittel und die Entnahmen aus Rücklagen (soweit diese nicht für einen außerordentlichen Bedarf angesammelt worden sind) und die aus ihnen zu bestreitenden Ausgaben128 • Der außerordentliche Haushaltsplan enthält neben den außerordentlichen Einnahmen und den aus ihnen zu bestreitenden Ausgaben die Anteilsbeträge aus dem ordentlichen Haushaltsplan für solche Vorhaben, die nur teilweise aus außerordentlichen Einnahmen bestritten werden sollen129 • Der Haushaltsplan muß alle voraussehbaren Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde (Prinzip der Vollständigkeit des Haushaltsplanes) für das kommende Rechnungsjahr (das mit dem Kalenderjahr übereinstimmt) enthalten130 (Prinzip der Jährlichkeit und der Vorherigkeit des Haushaltsplans). Die im Haushaltsplan bewilligten Beträge dürfen nur innerhalb des Rechnungsjahres, für das sie bewilligt sind, verwendet werden. Grundsätzlich dürfen nicht ausgegebene Beträge nicht in das folgende Rechnungsjahr übernommen werden (Ausnahme: übertragbare Ausgabenmittel nach§ 14 i. V. m. § 35 Abs. 3 GemHVO). Die Einnahmen und Ausgaben sind gewissenhaft und sorgfältig zu schätzen, soweit sie sich in ihrer voraussichtlichen Höhe nicht nach den Unterlagen errechnen lassen (Prinzip der Haushaltswahrheit) (§ 8 Abs. 2 GemHVO). Alle Einnahmen und Ausgaben müssen in einem Haushaltsplan veranschlagt sein (Prinzip der Haushaltseinheit) 131 • Ausgaben dürfen für den gleichen Einzelzweck nicht an verschiedenen Stellen des Haushalts veranschlagt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 2 GemHVO). Weiter müssen die Einnahmen und Ausgaben getrennt voneinander in voller Höhe im Haushaltsplan veranschlagt werden (Bruttoprinzip) (§ 10 Abs. 1 GemHVO). Auf Ausgaben dürfen also Einnahmen nicht vorweg angerechnet werden; von den Einnahmen dürfen Ausgaben nicht vorweg abgezogen werden (Saldierungsverbot) (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GemHVO). Eine und den Einzelplänen, die getrennt für den ordentlichen und den außerordentlichen Haushaltsplan (nach einem verbindlichen Haushaltsplanmuster) aufgestellt werden müssen. Dem Entwurf des Haushaltsplans muß ein Vorbericht und die vorgeschriebenen Anlagen (gemäß § 7 GemHVO) beigefügt werden (siehe §§ 2 - 5 GemHVO). Einzelheiten zu diesen Dingen finden sich bei Jansen, Leopold-Josef: Gemeindehaushaltsrecht, a.a.O., S. 255 ff. 128 § 1 Abs. 2 GemHVO. In § 48 Ziff. 10 GemHVO sind die einzelnen Begriffe näher bestimmt. 128 § 1 Abs. 3 GemHVO. 130 § 8 Abs. 1 GemHVO; § 100 Abs. 2 BWGemO; Art. 91 Abs. 1 BayGemO; § 71 Abs. 1 BrhStVerf; § 114 Abs. 1 HessGemO; § 108 Abs. 1 NdsGemO; § 87 Abs. 1 NWGemO; § 98 Abs. 1 RhPfGemO; § 102 Abs. 2 SaarlGemO; § 100 Abs. 1 SchlHGemO. 13 1 Ausnahme: Für Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit sind Sonderhaushaltspläne vorgeschrieben (§ 47 GemHVO).

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weitere Haushaltsmaxime besagt, daß die Ausgaben des ordentlichen Haushaltsplanes mit den Einnahmen auszugleichen sind (Prinzip der Ausgeglichenheit) (§ 9 Abs. 1 Satz 1 GemHVO). Ist der Haushaltsausgleich gefährdet, dürfen Ausgaben für freiwillige Aufgaben der Gemeinde nur veranschlagt und Ausgaben für neue freiwillige Aufgaben nur eingestellt werden, wenn und soweit ihre Abweisung im allgemeinen Interesse oder nach der besonderen Lage der Gemeinde nicht vertretbar ist(§ 9 Abs. 1 Satz 2 GemHVO). c) Die Rücklagen der Gemeinden

Da die Vorschriften über das Kassen- und Rechnungswesen der Gemeinden als Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik nicht von Interesse sind, können wir uns gleich den Vorschriften über die Rücklagen der Gemeinden132 zuwenden. Die Rücklagenverordnung unterscheidet zwischen (a) Rücklagen, zu deren Ansammlung die Gemeinden gesetzlich verpflichtet sind (unbedingte Pflichtrücklagen), und (b) solchen Rücklagen, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zu bilden sind (bedingte Pflichtrücklagen) (§ 1 RücklVO). Zu (a): Pflichtrücklagen sind die Betriebsmittelrücklage, die zur Aufgabe hat, die rechtzeitige Leistung von Ausgaben des ordentlichen Haushalts ohne Aufnahme von Kassenkrediten zu sichern (§ 2 Abs. 1 RücklVO) und die allgemeine Ausgleichsrücklage. Letztere ist dazu bestimmt, allzu große Schwankungen in der Belastung der Einwohner bei einer Änderung der Wirtschaftslage zu verhindern (§ 3 Abs. 1 RücklVO). Die Ausgleichsrücklage darf erst dann in Anspruch genommen werden, wenn bei konjunkturellen Schwankungen der Haushaltsausgleich auch durch Einschränkungen der Ausgaben nicht erreicht werden kann(§ 20 RücklV0) 133 •

Neben der gesetzlichen Verpflichtung zur Ansammlung der unbedingten Pflichtrücklagen, der gesetzlichen Vorschrift über ihren Verwendungszweck, sind auch die Mindest- und Höchstgrenzen gesetzlich vorgeschrieben. 132 "Rücklagen sind aus der Haushaltswirtschaft ausgeschiedene Geldbestände, die für einen bestimmten Verwendungszweck nach den hierfür bestehenden Vorschriften zu verwalten sind." (Pagenkopf, Hans: Einführung in die Kommunalwissenschaft, a.a.O., S. 144.) Vgl. ferner Hettlage, Karl M. : Das gemeindliche Kapitalvermögen (Allgemeines Kapitalvermögen, Rücklagen, Stiftungen), in : HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, 8 . 156 ff., hier S. 165; Wolff, Hans J. : Verwaltungsrecht III, a.a.O., S. 329. 133 Über Einzelheiten dieser Arten von Rücklagen unterrichtet Hettlage, Karl M.: Das gemeindliche Kapitalvermögen (Allgemeines Kapitalvermögen, Rücklagen, Stiftungen), a.a.O., S. 170 ff.

s•

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Nach § 12 RücklVO darf eine Gemeinde bzw. deren Entscheidungsorgane ihre Steuern, Gebühren und Beiträge grundsätzlich nicht senken, wenn die vorgesehenen Mindestbeträge nicht angesammelt sind. Die Aufsichtsbehörden dürfen allerdings Ausnahmen dann zulassen, wenn die Steuern, Gebühren oder Beiträge übermäßig angespannt sind. Zu (b): Bedingte Pflichtrücklagen sind die Tilgungsrücklage (§ 4 RücklVO), die Bürgschaftssicherungsrücklage (§ 5 RücklVO), die Erneuerungsrücklage (§ 6 RücklVO), die Erweiterungsrücklage (§ 7 RücklVO) und die Sonderrücklage (§ 7 RücklVO). Diese Rücklagen sind nur dann zu bilden, wenn die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind. Sie sind durch regelmäßige Zuführung aus den Mitteln des ordentlichen Haushalts anzusammeln(§ 8 Satz 1 RücklVO).

Gemäß § 9 Abs. 1 RücklVO ist die Veranschlagung der erforderlichen Beträge und ihre Zuführung zu den Rücklagen gesetzliche Pflicht. Die Gemeinden sind von dieser Pflicht dann entbunden, wenn durch sie bei Berücksichtigung der sonstigen Ausgaben deren Abweisung im allgemeinen Interesse oder nach der besonderen Lage der Gemeinde nicht vertretbar ist, der Haushaltsausgleich gefährdet ist(§ 10 Abs. 1 RücklVO). Die Aussetzung der Tilgungsrücklagen ist grundsätzlich verboten. Die angesammelten Rücklagen sind bis zu ihrer Verwendung sicher und möglichst ertragreich anzulegen, und zwar so, daß sie im Bedarfsfalle greifbar sind(§ 14 RücklVO). Die Gemeinden dürfen die Rücklagen vorübergehend als inneren Kassen- oder Zwischenkredit oder als inneres Darlehen in Anspruch nehmen, soweit es die Sicherheit und die Greifbarkeit zulassen (§ 15 Abs. 2 und 3 RücklVO). Die Inanspruchnahme von Rücklagen als innere Kassenkredite ist dann nicht genehmigungsbedürftig, wenn die zulässige Höchtsgrenze und Laufzeit bei der Aufnahme von Kassenkrediten nicht überschritten wird und die Greifbarkeit der Rücklage dadurch nicht beeinträchtigt wird(§ 15 Abs. 1 RücklVO). Die Aufnahme innerer Darlehen aus Rücklagen bedarf grundsätzlich aufsichtsbehördlicher Genehmigung134• Diese Genehmigung ist dann nicht erforderlich, wenn die inneren Darlehen ein Viertel des Gesamtbetrages aller Rücklagen (mit Ausnahme der Betriebsmittelrücklage) nicht übersteigen und die Greifbarkeit im Bedarfsfalle nicht beeinträchtigt wird (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RücklVO). Die Rücklagen dürfen endgültig nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie angesammelt und angelegt worden sind(§ 17 Abs. 1 RücklVO). 134 "Die Tendenz geht aber dahin, diese Vorschriften zu lockern oder fortfallen zu lassen." (Loschelder, Wilhelm und Giere, Gustav: Gemeindehaushaltsrecht, Kommentar zu den Gemeindehaushaltsverordnungen der Länder, a.a.O.,

s. 38.)

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3. Der gesetzlieb zugestandene Entscheidungsspielraum hinsiebtlieb der Einnahmengestaltung Den Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland können finanzielle Mittel aus Steuereinnahmen, aus Gebühren und Beiträgen für die Inanspruchnahme gemeindlicher Einrichtungen, aus staatlichen Finanzzuweisungen, aus der Aufnahme von Fremdmitteln, aus der Nutzung und Veräußerung ihres Vermögens und aus der wirtschaftlichen Betätigung zufließen.

a) Die Gemeindesteuern* Die Gemeinden können die Realsteuern ("Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer" 135) und die Steuern mit örtlichem Wirkungskreis erheben. aa) Die Realsteuern "Die Gemeinden sind berechtigt (also nicht verpflichtet, der Verf.), eine Grundsteuer als Gemeindesteuer zu erheben tse." Wird die Grundsteuer erhoben, unterliegen ihr das im Gemeindegebiet gelegene land- und forstwirtschaftliche Vermögen (Grundsteuer A) und die übrigen bebauten und unbebauten Grundstücke (Grundsteuer B) sowie auch grundstücksgleiche Rechte und das Wohnungs- sowie Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz137 •

* Unter den verschiedenen Einnahmearten scheint immer noch (trotz der Strukturänderungen, die die kommunalen Einnahmen in den vergangeneo Jahren erfahren haben) den Steuern eine bevorzugte Stellung zuzukommen: Für die Landeshauptstadt München wurde beispielsweise der Anteil der Steuern an den gesamten Einnahmen für das Haushaltsjahr 1964 auf rd. 48 Ofo geschätzt (vgl. Köhler, Johannes: Finanzpolitische Betrachtungen zum Haushalt der Landeshauptstadt München, a.a.O., S. 44). Auch die beiden folgenden, vom Verfasser errechneten (leider globalen) Werte scheinen diese Aussage zu stützen: Sowohl bei den kreisfreien Städten als auch bei den kreisangehörigen Gemeinden beträgt der Anteil der Steuereinnahmen an den Gesamteinnahmen rd. 32 °/o (errechnet aus: Statistisches Bundesamt, Fachserie L, Finanzen und Steuern, Reihe 1, Haushaltswirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden, II. Jahresabschlüsse, Kommunalfinanzen, 1965, Stuttgart und Mainz 1968, S. 12 [Ausgaben und Einnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Art der Gebietskörperschaften], S. 14 [Ausgaben und Einnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Arten]). 135 § 1 Abs. 3 AO. 138 § 1 Abs. 1 GrStG. Das Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I S. 986) i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. August 1951 (BGBl. I S. 519), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 905) ist die gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Grundsteuer. 137 §§ 1 - 3 GrStG - Unbebaute, baureife Grundstücke sowie baureife Trümmergrundstücke konnten mit der sog. Baulandsteuer (als Grundsteuer C) belegt werden. Die Bestimmungen über die Grundsteuer C wurden durch Gesetz vom 10. Juni 1964 (BGBl. I S. 347}, rückwirkend ab 1. Januar 1963·, aufgehoben.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Für die Berechnung sowohl der Grundsteuer A als auch der Grundsteuer B bildet der Einheitswert die Ausgangsgrundlage138. Der Einheitswert multipliziert mit der Steuermeßzahl ergibt den Steuenneßbetrag (§§ 11, 12 GrStG). Dieser Steuermeßbetrag wird von den Finanzämtern festgestellt. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane bestimmen jeweils für ein Rechnungsjahr die Hebesätze, die mit dem Steuermeßbetrag multipliziert die Grundsteuerschuld ergeben. Allerdings sind die gemeindlichen Entscheidungsorgane bei der Festlegung der Hebesätze nicht ungebunden: Sollen bestimmte Höchsthebesätze überschritten werden, muß hierzu die aufsichtsbehördliche Genehmigung eingeholt werden139. Ferner ist der Entscheidungsspielraum durch die Festlegung von Kopplungsvorschriften zwischen den Realsteuerarten (deren Überschreitung ebenfalls der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf) eingeengt. Schließlich muß der Hebesatz für alle in der Gemeinde gelegenen landund forstwirtschaftliehen Betriebe einheitlich sein; das gleiche gilt von dem Hebesatz für die in der Gemeinde gelegenen Grundstücke(§ 21 Abs. 2 GrStG). Andererseits fallen Entscheidungen über Stundung(§ 127 AO), Niederschlagung (§ 130 AO) oder Erlaß (§ 131 AO, beachtet werden muß aber § 1 Abs. 2 AO; § 26 a GrStG, Grundsteuererlaßverordnung vom 26. März 1952 [BGBI. I S. 209]) der Steuerschuld in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Die Grundsteuer als primäre Steuereinnahmequelle der Gemeinden ist in dieser Funktion vielfach140 von der Gewerbesteuer verdrängt worden14t. 138 Nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 10. Dezember 1965 (BGBl. I S. 1961) gilt als Einheitswert bei der Grundsteuer A der Ertragswert (§ 36 Abs. 1), bei der Grundsteuer B der gemeine Wert (§ 9). (Für Miet-

wohngrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke errechnet sich der Einheitswert aus dem Vielfachen der Jahresrohmiete [§§ 78 ff]). tau Vgl. § 6 EinfGRealStG. 140 In der Region Amberg bezogen allerdings z. B. 1961 63 Ofo der Gemeinden höhere Einnahmen aus der Grundsteuer A und B als aus der Gewerbesteuer (vgl. Kloten, Norbert, unter Mitarbeit von Höpfner, Klaus und Dautel, Heinz: Die Region Amberg, Tendenzen und Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde, Regional- und Wirtschaftspolitische Studienreihe, 2. Entwicklungs- und Umstellungsprogramme, VII, a.a.O., S. 94). 141 Die Einnahmen der Stadt München aus der Gewerbesteuer machen beispielsweise mehr als 80 °/o der Steuereinnahmen aus (vgl. Köhler, Johannes: Finanzpolitische Betrachtungen zum Haushalt der Landeshauptstadt München, a.a.O., S. 59). "Selbst bei den Gemeinden unter 1000 Einwohnern erreichten die Gewerbesteuereinnahmen (einschl. Lohnsummensteuer) bis zum Jahre 1965 im Bundesdurchschnitt bereits 49,5 v.H. der steuerlichen Gesamteinnahmen dieser Größenklasse." (Gloth, Hans: Die Entwicklung des Kommunalkredits, Eine Untersuchung der Beziehungen zum Steueraufkommen, Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen, Schriften des Instituts für das Spar-, Giro- und Kreditwesen an der Universität Bonn, hrsg. von Fritz

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Den gemeindlichen Entscheidungsorganen bleibt es überlassen, ob sie die Gewerbesteuer erheben wollen oder nicht (§ 1 GewStG) 142. Steuergegenstand ist der Gewerbebetrieb (§ 2 GewStG). Besteuerungsgrundlagen sind der Gewerbeertrag143 , das Gewerbekapital und (mit Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde) die Lohnsumme (§ 6 Abs. 1 und 2 GewStG). Als Gewerbeertrag gilt der nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder des Körperschaftssteuergesetzes ermittelte Gewinn, vermehrt um gewisse Hinzurechnungen und vermindert um gewisse Kürzungen (§§ 8 und 9 GewStG). Durch Anwendung der Steuermeßzahl wird der Steuermeßbetrag errechnet. Die Steuer vom Gewerbekapital bemißt sich nach dem Einheitswert des Gewerbebetriebs (§ 12 Abs. 1 GewStG). Der korrigierte Einheitswert (§ 12 Abs. 2 GewStG) multipliziert mit der Steuermeßzahl (§ 13 Abs. 2 GewStG) ergibt den Steuermeßbetrag. Für die Festsetzung der Steuermeßbeträge sind die Finanzämter zuständig. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane setzen für das dem Erhebungszeitraum entsprechende Rechnungsjahr den Hebesatz fest, der, mit den addierten Steuermeßbeträgen multipliziert, die Gewerbesteuerschuld ergibt. Der Hebesatz muß für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein (§ 16 Satz 2 GewStG). In den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden fallen auch die Entscheidungen über eine etwaige Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlaß der Steuerschuld (sowie gegebenenfalls über die zwangsweise Beitreibung der Steuerschuld)144. Neben der Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital kann die Gewerbesteuer nach der Lohnsumme (Lohnsummensteuer) erhoben werden145 • Sie unterliegt der ausschließlichen Verwaltung der Gemeinde. Voigt, Bd. 36, Berlin 1967, S. 114.) Da die Gewerbesteuer konjunkturempfindlich ist, läßt sich (etwa bei einem Anteil von über 80 °/o an den Steuereinnahmen, die wiederum in München 1964 48 °/o an den gesamten Einnahmen ausmachte [vgl. Fußnote * vor Fußnote 135 in diesem Kapitel]) ermessen, daß von ihrem Aufkommen gemeindepolitische Entscheidungen im allgemeinen und gemeindewirtschaftspolitische Entscheidungen im besonderen in starkem Maße beeinfl.ußt werden können. 142 Gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer ist das Gewerbesteuergesetz i. d. F. vom 25. Mai 1965 (BGBl. I S. 459), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Januar 1968 (BGBl. I S. 53). 143 Die Gewerbeertragsteuer bringt gegenwärtig etwa 87 °/o der gesamten Gewerbesteuer ein. Die Gewerbeertragsteuer hat eine starke örtliche Streuung. So variierte die Gewerbesteuerkraft 1961 bei 46 Städten aller Bundesländer (mit Ausnahme der Stadtstaaten) zwischen DM 91,- und DM 2665,- je Einwohner (vgl. Delvos, Hubert: Arme und reiche Gemeinden, in: FAZ, D-Ausgabe, 18. Juni 1966 - Nr. 138, S. 7). 144 Vgl. Schiefer, Josef: Die einzelnen Gemiendesteuern, in: HBKWP III, Berlin - Göttingen - Heidelberg 1959, S. 308 ff., hier S. 316 f. 145 "Die Befugnis der Gemeinden zur Entscheidung über die Einführung der Lohnsummensteuer und zur Festsetzung der Hebesätze ist mit dem Grundgesetz vereinbar." (BVerfGE 21, 54 ff.)

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Besteuerungsgrundlage ist die Lohnsumme, die in jedem Kalendermonat an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt worden ist(§ 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1 GewStG). Bei der Berechnung der Lohnsummensteuer ist von einem Steuermeßbetrag auszugehen, der durch Anwendung der Steuermeßzahl auf die Lohnsumme zu ermitteln ist. Die zuständigen gemeindlichen Entscheidungsorgane bestimmen jeweils für ein Rechnungsjahr den Hebesatz, der mit dem Steuermeßbetrag multipliziert die Steuerschuld ergibt. Der Hebesatz für die Lohnsummensteuer muß für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein(§ 25 Abs. 4 GewStG). Die Gewerbesteuer führt zu einer Differenzierung der Steuerkraft der Gemeinden. Bei reinen Wohn- und Landgemeinden sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer gering. Daher können Wohngemeinden Gewerbesteuerausgleich von den Betriebsgemeinden verlangen, in denen Arbeitnehmer beschäftigt sind, die in der Wohngemeinde ihren Wohnsitz haben146. Die Höhe des Gewerbesteuerausgleichsbetrages richtet sich nach der Zahl der Arbeitnehmer und nach dem Gewerbesteueraufkommen. bb) Die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern* Zu ihrer Regelung ist ausschließlich (im Gegensatz zu den Realsteuern) der jeweilige Landesgesetzgeber zuständig147. Es ist daher in das Ermessen des jeweiligen Landesgesetzgebers gestellt, inwieweit er die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis zur Erhebung den Gemeinden überlassen will. Die Landesgesetzgeber haben den Gemeinden als eigene steuerliche Einnahmequellen die Getränkesteuer148, die Hundesteuer149 und die Ver148 Diese Ansprüche sind nicht im Gewerbesteuergesetz verankert. Die Regelung des Gewerbesteuerausgleichs ist den Landesgesetzgebern vorbehalten. Siehe z. B. für Bayern: Gesetz über die Durchführung des Gewerbesteuerausgleichs zwischen Wohngemeinden und Betriebsgemeinden vom 30. Mai 1961 (GVBl. S. 147); für Nordrhein-Westfalen: Gesetz über den Gewerbesteuerausgleich zwischen Betriebs- und Wohngemeinden i. d. F. des Gesetzes vom 23. Januar 1962 (GVBI. S. 58). * Zum Versuch einer Begriffsbestimmung für die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis vgl. Blendermann, Christoph: Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, Schriftenreihe des Instituts "Finanzen und Steuern", Heft 54, Bonn 1957. Vgl. auch die Ausführungen von Nöll von der Nahmer, Robert: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, Allgemeine Finanzwissenschaft, Köln und Opladen 1964, S. 350 f.- Vgl. auch BVerfGE 16,306 ff., hier S. 306. 147 Siehe Art. 105 Abs. 2 a GG. 148 Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Getränkesteuer finden sich in den Kommunalabgabegesetzen sowie in den von einzelnen Bundesländern erlassenen besonderen Getränkesteuergesetzen i. V. m . den örtlichen Steuerordnungen. - Die Getränkesteuer wird nur noch in 889 Gemeinden (Stichtag 31. Dezember 1965) in der Bundesrepublik erhoben. Davon liegen allein 568 Gemeinden in Bayern (vgl. Köhler, Johannes: Die Getränkesteuer in Bayern im

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gnügungssteuer150 überlassen. Kreisfreie Gemeinden können zusätzlich eine Schankerlaubnissteuer151, eine Jagdsteuer152 und Zuschläge zur Grunderwerbsteuer153 erheben. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane sind bei der Festsetzung dieser Steuern nicht völlig frei. Sie können zwar (abweichend von den rechtlich nicht bindenden Mustersteuerordnungen) "den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend" 154 die gemeindlichen Steuerordnungen festlegen, doch bedarf eine Abweichung von der Musterstellerordnung ministerieller Zustimmung. Außerdem unterliegen alle Steuerordnungen der Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde. Die unterschiedliche Gestaltung des Vergnügungssteuersatzes (wegen besonderer Förderungswürdigkeit bestimmter steuerpflichtiger Vergnügungen) fällt in die Zuständigkeit des jeweiligen Landesgesetzgebers155. Darüber hinaus sind die Gemeinden grundsätzlich zur Erhebung der Vergnügungssteuer verpflichtet. Die Erhebung der Hundesteuer ist in den Gemeinden Baden-Württembergs, Bayerns, Hessens und Rheinland-Pfalz' obligatorisch. Zur Einführung sowohl der Schankerlaubnissteuer als auch der Jagdsteuer sind die Gemeinden teils berechtigt, teils verpflichtet158. Jahre 1965, Eine kritische Untersuchung über die wirtschaftlichen Auswirkungen und die rechtlichen Grundlagen, hrsg. vom "Studieninstitut für angewandte Haushalt- und Steuerpolitik e. V." München, Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage, München o. J., AnhangS. 72). 149 Die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Erhebung der Hundesteuer findet sich in den örtlichen Steuerordnungen, soweit nicht ein Landesgesetz die Rechtsgrundlagen abgibt (wie z. B. in Bayern: Hundeabgabengesetz vom 5. März 1937 [BayBS I S. 560], geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 1956, GVBl. S. 187 oder Hessen: Hundesteuergesetz vom 9. März 1957 [GVBl. S. 28]). 15° Für die Vergnügungssteuer findet sich die Rechtsgrundlage in den Vergnügungssteuergesetzen der Länder. Einen Überblick über die gegenwärtig geltenden Vergnügungssteuergesetze verschafft Schlegelberger, Franz (Hrsg.), unter Mitwirkung von Schlegelberger, Hartwig und Gürtner, Fritz: Das Recht der Gegenwart, Ein Führer durch das in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin geltende Recht, 4. neubearbeitete Ausgabe (Grundband einschl. 1.-21. Ergänzungslieferung), Stand 1. Januar 1968, Berlin und Frankfurt a. M. 1968, s. 1007 f.

151 Ihre Rechtsgrundlage hat die Schankerlaubnissteuer in den kommunalen Steuerordnungen. 152 Ihre Rechtsgrundlage hat die Jagdsteuer in den kommunalen Steuerordnungen. 153 Siehe § 13 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz vom 29. März 1940 (RGBl. I

s. 585). 154

s. 81.

Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O.,

Die Vorschriften einiger Vergnügungssteuergesetze sehen vor, daß gemeindliche Entscheidungsorgane befugt sind, im jeweiligen Gesetz näher bezeichnete Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen durch Satzung einzuführen. 158 Vgl. Schiefer, Josef: Die einzelnen Gemeindesteuern, a.a.O., S. 340 und 155

s. 342.

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

b) Gebühren und Beiträge Neben den Steuern gehören die Gebühren und die Beiträge zu den hoheitlichen Einnahmen der Gemeinden157 • Die Gebühren158 werden nach Verwaltungs- und Benutzungsgebühren unterschieden, je nachdem, ob das öffentlich-rechtliche Entgelt für die Vornahme von Amtshandlungen (z. B. für die Erteilung einer Bauerlaubnis) oder für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung (z. B. für die Benutzung der Kanalisation, für die Wasser-, Strom- und Gasversorgung, die Straßenbahnen, die Müllabfuhr, für die Hafenbenutzung) gefordert wird. Die Gemeinden sind berechtigt159 (nicht verpflichtet), aufgrundeigener (Verwaltungs-)Gebührenordnungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten Verwaltungsgebühren zu erheben160• Dagegen sind für Amtshandlungen in Auftragsangelegenheiten die staatlichen Gebührenordnungen maßgebend. Für die gemeindlichen Entscheidungsorgane bleibt in diesem Falle in der Regel kein Gestaltungsspielraum. Auch bei der Festlegung der Höhe der Gebühren für Amtshandlungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten sind die gemeindlichen Entscheidungsorgane nicht ungebunden. "Die Gebühren sollen so bemessen sein, daß deren Aufkommen die Kosten des bezüglichen Verwaltungszweiges nicht übersteigt161 ." Die gemeindlichen Benutzungsgebühren (sie sind "für die Gemeinden so wesentlich, daß zahlreiche gemeindliche Veranstaltungen ... ohne die Möglichkeit zu ihrer Erhebung nicht durchgeführt werden könnten" 162) 157 Der Anteil der ,Gebühren, Entgelte, Strafen usw.' an den gesamten Einnahmen betrug z. B. im Jahre 1964 für die Stadt München rd. 21 Gfo (vgl. Köhler, Johannes: Finanzpolitische Betrachtungen zum Haushalt der Landeshauptstadt München, a.a.O., S. 44). 158 Gebühren der Gemeinden sind Geldleistungen, die für eine vom Pflichtigen veranlaßte besondere Inanspruchnahme einer gemeindlichen Einrichtung gefordert werden (vgl. Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht I, a.a.O., S. 256: Gerlaff, Wilhelm: Die Gebühren, in: HdF 11, Tübingen 1956, S. 203 ff., hier S. 204 f.; Hansmeyer, Karl-Heinrich, Fürst, Dietrich: Die Gebühren, Zur Theorie eines Instrumentariums der Nachfragelenkung bei öffentlichen Leistungen, Schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaft e. V. Berlin, Bd. 18, StuttgartBerlin - Köln - Mainz 1968, insbes. S. 32 ff.). 159 "Das Recht zum Erlaß von Gebührenordnungen schließt das Recht zur Regelung der Gebührenbefreiungen in sich.'' (von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 454 ff., hier S. 457.) 180 Vgl. dazu die Ausführungen bei von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 457. 181 So§ 6 Abs. 3 KAG; vgl. dazu auch Gerloff, Wilhelm: Die Gebühren, a.a.O., S. 207 f. Als Maßstab werden in diesem Falle die Kosten des Verwaltungszweiges zugrunde gelegt (Kostentheorie). In der Literatur finden sich als weitere Maßstäbe: der Nutzen der gewährten Leistung (Nutzentheorie) und sozialpolitische Gesichtspunkte. 162 von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 454.

B. Normen der Rechtsordnung

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werden in den Gebührenordnungen der Gemeinden festgelegt163 • Grundsätzlich steht den gemeindlichen Entscheidungsorganen das Recht zu, nach eigenem Ermessen164 die Gebührenhöhe festzusetzen. Begrenzt wird dieser Spielraum dadurch, daß die Gebühr im angemessenen Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen soll. Den gemeindlichen Entscheidungsorganen ist es aber "nicht unbedingt versagt, die Gebühren so festzusetzen, daß nicht nur die zur Verwaltung und Unterhaltung einschließlich der Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitels erforderlichen Kosten der Veranstaltung gedeckt werden, sondern daß darüber hinausgewisse Überschüsse erzielt werden" 165 • Als weiteren Begrenzungspunkt haben die gemeindlichen Entscheidungsorgane den Grundsatz der Steuergleichheit zu beachten, "der auch im Gebührenrecht gilt" 106 • Diese Grenzen gelten auch für den Fall, daß die gemeindlichen Entscheidungsorgane beschließen, statt Gebühren zu erheben, die Realsteuermehrbelastung einzuführen167• Die gemeindlichen Entscheidungsorgane können die Hebesätze für die Realsteuern für einen Teil des Gemeindebezirkes oder für eine Gruppe von Steuergegenständen höher als die allgemeinen Hebesätze festsetzen, soweit der Gemeinde Kosten durch Einrichtungen erwachsen, die ausschließlich oder in besonders hervorragendem Maße diesem Teil des Gemeindebezirks oder dieser Gruppe von Steuergegenständen zustatten kommen und für die Beiträge nicht erhoben werdentes. Die Landesgesetzgeber haben den Gemeinden das Recht zugestanden, Beiträge169 zu erheben170• Grundsätzlich besteht für die Gemeinden keine 163 Diese Gebührenordnungen finden ihre Rechtsgrundlage in Ermächtigungen des Staates (des jeweils zuständigen Staates), die meist in den Kommunaiabgabegesetzen der Bundesländer enthalten sind. 164 über Benutzungsgebühren-Maßstäbe informiert: von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 462 f. 165 von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 464. 166 von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 462. 187 Nach Maßgabe des§ 3 EinfGRealStG. us "Die Mehrbelastung ist rechtlich eine Steuer, kommt wirtschaftlich aber einer Gebühr gleich und ist nach gebührenrechtlichen Maßstäben festzusetzen." (Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O., S. 66.) 169 Beiträge sind öffentlich-rechtliche Leistungen, die von den Gemeinden zur Deckung oder Verringerung der Kosten für eine öffentliche Veranstaltung von den Grundstückseigentümern und Gewerbetreibenden erhoben werden, denen die Veranstaltung besondere Vorteile gewährt, gleichgültig, ob diese Vorteile von den Pflichtigen wirklich in Anspruch genommen werden oder nicht (vgl. Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht I, a.a.O., S. 256; vgl. ferner zu diesem Begriff Hettlage, Karl M. : Art. Beiträge, in : HdSW, Erster Band, Stuttgart- Tübingen- Göttingen 1956, S. 727 ff., hier S. 727 f.). 170 Die entsprechenden Rechtsvorschriften finden sich vorwiegend im Kommunalabgabenrecht der einzelnen Länder (vgl. dazu auch von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 465).

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Erhebungspflicht171 • Voraussetzung für die Erhebung von Beiträgen (z. B. Straßenanliegerbeiträge oder Fremdenverkehrsbeiträge172) ist der Erlaß einer Satzung. Bei der Bemessung der Beiträge ist der Entscheidungsspielraum der gemeindlichen Entscheidungsorgane begrenzt. Die Höhe der Beiträge soll durch die Vorteile, die die Veranstaltung erbringt, bestimmt werden. Als oberste Grenze sind anzusetzen "die tatsächlichen Nettokosten, die der Gemeinde erwachsen und auf andere Weise, z. B. durch Inanspruchnahme von Rücklagen, Finanzzuweisungen, Vermögenserträgen, nicht gedeckt sind" 173 • Bei den Beträgen handelt es sich nur um einen ,Beitrag' zu den Gesamtkosten. Diese können daher nicht in voller Höhe auf die Beitragspflichtigen umgelegt werden. Es ist deshalb in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob und inwieweit die Veranstaltung dem öffentlchen Interesse dient. Ein dem öffentlichen Interesse entsprechender Teil der Gesamtkosten ist von der Umlage auszunehmen. Wie bei den Benutzungsgebühren können besondere Vorteile öffentlicher Veranstaltungen durch eine Realsteuermehrbelastung ausgeglichen werden. Die gemeindlichen Entscheidungsorgane haben sich auch in diesem Falle an die Grenzen, die bei der Beitragserhebung gezogen sind, zu halten. c) Die Finanzzuweisungen der Länder

Den Gemeinden und Gemeindeverbänden fließt von dem Steueraufkommen der Länder nach der Vorschrift des Art. 106 Abs. 7 Satz 1 und 2 GG, zumindest aber von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern, insgesamt ein in seiner Höhe durch Landesgesetze zu bestimmender Hundertsatz zu. Zweck der Finanzzuweisungen der Länder ist es, die Gemeinden so mit finanziellen Mitteln auszustatten, daß sie ihre Aufgaben erfüllen können. Die (allgemeinen) Finanzzuweisungen "sollen nicht nur eine unterschiedliche Finanzkraft der Gemeinden weitgehend ausgleichen, indem durch sie eine etwaige unterdurchschnittliche Steuerkraft angehoben wird, sondern sie sollen auch überdurchschnittliche Ausgabenbelastungen abgelten ..."174. 171 Es ist ihnen jedoch untersagt, die Kosten der Veranstaltung aus Steuern zudecken. 172 Durch die Fremdenverkehrsbeiträge (Fremdenverkehrs- oder Kurförderungsabgabe) werden die besonderen Vorteile, die in Kur- und Erholungsorten den Personen zufließen, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen, besteuert. (Von der Kurabgabe, die von den Kurgästen für die Bereitstellung der den Kurzwecken dienenden Einrichtungen erhoben wird, ist die Fremdenverkehrsabgabe zu unterscheiden.) 178 von Rosen-von Hoewel, Harry: Gebühren, Beiträge, Hand- und Spanndienste, a.a.O., S. 467. 174 Barocka, Egon: Kommunalkredit und kommunale Finanzwirtschaft, a.a.O., S. 312.

B. Normen der Rechtsordnung

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Durch die (jährlichen) Finanzausgleichgesetze175 (nebst Durchführungsverordnungen) der einzelnen Bundesländer werden die Steuerverbundmasse und Beträge aus sonstigen Steuereinnahmen der Länder auf die einzelnen Gemeinden und Gemeindeverbände verteilt176, und zwar als allgemeine177 und als zweckgebundene Finanzzuweisungen. d) Die Aufnahme von Fremdmitteln

Die (formellen und materiellen) Voraussetzungen zur Aufnahme von Fremdmitteln durch die Gemeinden sind besonders streng. Diese strengen Bestimmungen sind der Niederschlag der Erfahrungen mit der hohen Verschuldung der Gemeinden zur Zeit der Wirtschaftskrise der Jahre

1930- 1933 178 •

Die Gemeindeordnungen kennen neben der Aufnahme von Darlehen die Verschuldung durch Kassenkredite. Kassenkredite dienen zur rechtzeitigen Leistung von Ausgaben des ordentlichen Haushaltsplans, also zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe. Mit den aufgenommenen Darlehen sollen außerordentliche Ausgaben, soweit nicht eine Finanzierung über Rücklagen möglich ist, bestritten werdenm. 175 Vgl. die Finanzausgleichsgesetze von Baden-Württemberg vom 14. März 1967 (GBI. S. 35), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1967 (GBI. S. 283, 299); von Bayern vom 22. Juni 1966 (GVBI. S. 237), geändert durch Gesetz vom 23. Juni 1967 (GVBI. S. 360); von Hessen vom 2. Januar 1968 (GVBI. I S. 1); von Niedersachsen vom 24. April1964 (GVBI. S. 83); von Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1967 (GVBl. S. 287); von Rheinland-Pfalzvom 9. März 1963 (GVBI. S. 95), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Februar 1966 (GVBI. S. 29); vom Saarland vom 8. Juli 1964 (ABI. S. 737); von Schleswig-Holstein vom 25. März 1960 (GVBI. S. 73), geändert durch Gesetz vom 30. November 196'4 (GVBl. S. 235). 178 Über Einzelheiten des Finanzausgleichs informieren Hacker, Horst: Finanzausgleich, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 395 ff.; Keller, Theo: Finanzausgleich, (I) Allgemeines, in: HdSW, Dritter Band, Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1961, S. 541 ff.; Albers, Willi: Finanzausgleich, (III) Deutschland, in: HdSW, Dritter Band, Stuttgart- Tübingen- Göttingen 1961, S. 553 ff. Zum kommunalen Finanzausgleich in einzelnen Bundesländern siehe z. B. (für Bayern) Probst, Edmund: Die gegenwärtige gemeindliche Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland - formell und materiell, Institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und finanzwirtschaftliche Wirklichkeit, Diss. Universität München 1958, insbes. S. 176 ff.; (für BadenWürttemberg) Müller, Hermann: Der kommunale Finanzausgleich im Lande Baden-Württemberg, in: Finanzwissenschaft und Finanzpolitik, Erwin Schoettle von Freunden und Kollegen gewidmet, hrsg. von Friedrich Schäfer, Tübingen 1964, s. 161 ff. 177 Die allgemeinen Finanzzuweisungen gliedern sich in Schlüsselzuweisungen und Bedarfszuweisungen. Letztere werden den Gemeinden dann gewährt, wenn eine außergewöhnliche Situation dies erfordert. Die Schlüsselzuweisungen sollen die unterschiedliche Finanzkraft der Gemeinden nivellieren. 178 Zur Entwicklung der Verschuldung der Gemeinden während dieses Zeitraumes siehe Barocka, Egon: Kommunalkredit und kommunale Finanzwirtschaft, a.a.O., S. 71 ff.; vgl. auch Gloth, Hans: Die Entwicklung des Kommunalkredits, Eine Untersuchung der Beziehungen zum Steueraufkommen, a.a.O., s. 85 ff. 179 Vgl. § 92 Abs. 1 BWGemO; Art. 82 BayGemO; § 63 Abs. 1 BrhStVerf; § 105

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Voraussetzung für die Aufnahme von Darlehen ist, daß mit ihnen nur ein außerordentlicher und unabweisbarer (Eigen-)Bedar.f bestritten wird, und daß eine anderweitige Deckung nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zweckmäßig ist180 • Ferner muß der Schuldendienst, sofern er nicht durch Mehreinnahmen oder aus den durch die Verwendung der Darlehensmittel sich ergebenden Ausgabenersparnissen gedeckt ist, mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde in Einklang stehen181 • Neben dem Gesamtbetrag der Darlehen bedarf jedes einzelne Darlehen der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde182. In Nordrhein-Westfalen ist zur Darlehensaufnahme zusätzlich noch die Zustimmung nach§ 13 GUG erforderlich183 • Für Zwischenkredite- das sind kurz- und mittelfristige Darlehen, die zum Zwecke der Überbrückung eines außerordentlichen Finanzbedarfs als Vorgriff auf außerordentLiche Einnahmen aufgenommen werden, aus denen der Zwischenkredit später abgewickelt werden soll - gelten besondere Vorschriften. Zulässig sind Zwischenkredite nur als Vorgriff auf langfristige Darlehen, Veräußerungserlöse aus Gemeindevermögen und Zuschüsse, die von leistungsfähigen Dritten verbindlich zugesagt worden Abs. 1 HessGemO; § 98 Abs. 1 NdsGemO; § 78 Abs. 1 NWGemO; § 89 Abs. 1 RhPfGemO; § 92 Abs. 1 SaarlGemO; § 91 Abs.1 SchlHGemO. 180 Was ein unabweisbarer Bedarf ist, bleibt der Entscheidung der gemeindlichen Entscheidungsorgane überlassen. 181 Vgl. § 93 BWGemO; Art. 82 BayGemO; § 64 BrhStVerf; § 106 HessGemO; § 99 NdsGemO; § 79 NWGemO; § 90 RhPfGemO; § 93 SaarlGemO; § 92 SchlH GemO. - Zur Ermittlung der "dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde" (der Schuldendienstgrenze) siehe Barocka, Egon: Kommunalkredit und Kommunale Finanzwirtschaft, a.a.O., S. 185 ff., insbes. S. 197 ff., S. 317 ff.; Winkler, Ernst-Günter: Aufgaben und Grenzen der gemeindlichen Kreditnahme, Ein Beitrag zur Frage der grundsätzlichen Unterschiede zwischen staatlicher und gemeindlicher Verschuldung, Schriftenreihe des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 45, Berlin- München 1961, insbes. S. 52 ff.; Zeitel, Gerhard: Eigentümlichkeiten und Grenzen der Kommunalverschuldung, in: Gemeindewirtschaft und Unternehmerwirtschaft, Festgabe für Rudolf Johns zum 65. Geburtstag am 15. Juli 196·5, hrsg. von Ludwig Mühlhaupt und Karl Oettle, Studien der Forschungsgesellschaft für Staats- und Kommunalwirtschaft e. V., Frankfurt a. M., Bd. 4, Göttingen 1965, S. 61 ff., hier S. 83ff.; Gloth, Hans : Die Entwicklung des Kommunalkredits, Eine Untersuchung der Beziehungen zum Steueraufkommen, a.a.O., S. 60 ff., S. 183 ff. 182 Vgl. § 94 Abs. 1 BWGemO; Art. 84 Abs. 1 BayGemO; § 65 Abs. 1 BrhStVerf; § 107 Abs. 1 HessGemO; § 100 Abs. 1 NdsGemO; § 80 Abs. 1 NWGemO; § 91 Abs. 1 RhPfGemO; § 94 Abs. 1 SaarlGemO; § 93 Abs. 1 SchlHGemO.- Ein etwa bereits abgeschlossener Darlehensvertrag ist schwebend unwirksam, solange über die Genehmigung nicht entschieden ist. In Nordrhein-Westfalen sind Rechtsgeschäfte, die genehmigungsbedürftig sind, ohne die erforderliche Genehmigung nichtig (§ 104' NWGemO). 183 Zur Problematik dieser Vorschrift siehe Wixforth, Gerd: Die gemeindliche Finanzhoheit und ihre Grenzen, a.a.O., S. 100 ff. - In Baden-Württemberg wird das Verfahren nach § 13 GUG nicht mehr praktiziert, obwohl diese Vorschrift als Landesrecht noch gilt.

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sind. Der Eingang dieser Einnahmen muß rechtlich und tatsächlich gesichert sein184•

Kassenkredite werden zur rechtzeitigen Leistung der ordentlichen Haushaltsausgaben aufgenommen, soweit der Finanzbedarf nicht aus einer Betriebsmittelrücklage gedeckt werden kann. Die Kassenkredite finden keinen Eingang in den Haushaltsplan. Vielmehr ist in die Haushaltssatzung der Betrag eingestellt, der im Höchstfalle aufgenommen werden darf. Der Höchstbetrag der Kassenkredite bedarf (im Rahmen der Haushaltssatzung) der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Eine Genehmigung im Einzelfall ist nicht erforderlich. Übersteigt die Summe der Kassenkredite die Höhe von 1/6 des haushaltsmäßigen Einnahmesolls, darf die Aufsichtsbehörde die Genehmigung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen. Die Kassenkredite müssen aus ordentlichen Einnahmen bis zum Abschluß des laufenden Rechnungsjahres oder, wenn dies nicht möglich ist, innerhalb von neun Monaten nach Einräumung des Kredites zurückgezahlt werden185 •

e) Die Nutzung und Veräußerung des Gemeindevermögens Eine weitere Einnahmequelle für die Gemeinden stelltdas Gemeindevermögen188 dar. Das Gemeindevermögen gliedert sich in Verwaltungs-, Betriebs- und Finanzvermögen187• Es ·ist pfleglich, wirtschaftlich und ertragbringend zu verwalten und in seinem Bestand zu erhalten188• So § 98 BWGemO. § 97 BWGemO; Art. 87 BayGemO; § 67 BrhStVerf; § 110 HessGemO; § 103 NdsGemO; § 83 NWGemO; § 94 RhPfGemO; § 97 SaarlGemO; § 96SchlHGemO. Vgl. auch die Ausführungen über Kassenkredite bei Barocka, Egon: Kommunalkredit und kommunale Finanzwirtschaft, a.a.O., S. 127 f.; Giere, Gustav: Kommunales Schuldenwesen, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 186 ff., hier S. 210 f. 188 Als Gemeindevermögen ist "die Gesamtheit der Sachen und der geldwerten Rechte der Gemeinde mit Ausnahme der zum Verbrauch in der laufenden Verwaltung bestimmten Sachen, der geringwertigen Hilfsmittel der Verwaltung, der Kassenbestände und der Kassenreste anzusehen" (Wolff, Hans J.: Verwaltungsrecht III, a.a.O., S. 327; vgl. femer zur Begriffsbestimmung Suren, Friedrich-Karl: Die Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik, Ein systematisch vergleichender Gesamtkommentar, Bd. II, Gemeindewirtschaftsrecht, Köln- Berlin- München- Bonn 1960, S. 4 ff. [künftig zitiert: Die Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik Il]). 187 Vgl. hierzu auch Duhmer, Wilhelm: Das aktive Gemeindevermögen im allgemeinen, in: HBKWP III, Berlin- Göttingen- Heidelberg 1959, S. 75-ff., hier S. 78 f. 188 So § 78 Abs. 1 und 2 BWGemO; Art. 61 Abs. 1 BayGemO; § 5'3 Abs. 1 BrhStVerf; § 92 Abs. 1 HessGemO; § 82 Abs. 1 NdsGemO; § 62 Abs. 1 NWGemO; § 73 Abs. 1 RhPfGemO; § 76 Abs. 1 SaarlGemO; § 76 Abs. 1 SchlHGemO. 18' 185

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Kap. 2.: Rahmenbedingungen gemeindlicher Wirtschaftspolitik

Die Möglichkeit, Vermögensgegenstände der Gemeinde zu veräußern, ist nur dann gegeben, wenn die in Betracht kommenden Vermögensgegenstände zur Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. Der Entscheidungsspielraum der gemeindlichen Entscheidungsorgane hinsichtlich der Verwertung des Gemeindevermögens unterliegt darüber hinaus weiteren Begrenzungen: unentgeltliche Verfügungen, Verkauf oder Tausch von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Verfügungen über Sachen mit besonderem wissenschaftlichem, geschichtlichem oder künstlerischem Wert oder wesentliche Veränderungen an diesen müssen von der Aufsichtsbehörde genehmigt werdenlau. Die Aufsichtsbehörde kann die Genehmigung zu unentgeltlicher Verfügung versagen, wenn die Verfügung weder zur Erfüllung einer Aufgabe notwendig ist noch eine Anstandspflicht erfüllt190 • Die Genehmigung zum Verkauf oder Tausch von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten kann versagt werden, wenn die Grundsätze gemeindlicher Vermögensverwaltungnicht berücksichtigt worden sind. In das Ermessen der Aufsichtsbehörde ist es gestellt, Verfügungen über Sachen mit besonderem wissenschaftlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert zu genehmigen. Durch Verordnung des zuständigen Innenministers können Rechtsgeschäfte von der Genehmigung freigestellt werden191• In Hessen ist beispielsweise der Verkauf oder Tausch von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten genehmigungsfrei ohne Rücksicht auf (a) die Höhe des Wertes, wenn das betreffende Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit der Festsetzung von Straßen- und Baufluchtlinien erfolgt, ferner, wenn es der Errichtung von Wohnstätten und der dazugehörigen Gemeinschaftseinrichtungen dient, ebenso aus Anlaß des Baues, der Unterhaltung und Verbesserung von Straßen, Plätzen usw.; (b) den Zweck, wenn der Wert einen gewissen Höchstbetrag nicht übersteigt, beginnend in kleinen Gemeinden (mit nicht mehr als 1000 Ein189 Siehe§ 80 BWGemO; Art. 62 Abs. 1, 63 BayGemO; § 5