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German Pages 550 [556] Year 1962
WALTER H Ü B N E R
•
DIE STIMMEN
DER
MEISTER
DIE STIMMEN DER MEISTER EINE EINFÜHRUNG IN MEISTERWERKE DES ENGLISCHEN DICHTENS UND DENKENS
VON
WALTER HÜBNER
2., DURCHGESEHENE UND ERGÄNZTE A U F L A G E
BERLIN
1962
WALTER DE GRUYTER & CO. V O R M . G. J. G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G • J. GUTTENTAG, V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • G E O R G R E I M E R • KARL J. T R Ü B N E R • VEIT & COMP.
Archiv-Nr. 4/323/621 © 1962 by Waltet de Gruyter & Co. * vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp. Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Printed in Germany Druck: Rotaprint A. G., Berlin N 65
Die Zukunft decket Schmerzen und Glücke. Schrittweis dem Blicke, Doch ungeschrecket Dringen wir vorwärts,
Betracht' sie genauer Und siehe, so melden Im Busen der Helden Sich wandelnde Schauer Und ernste Gefühle.
Und schwer und schwerer Hängt eine Hülle Mit Ehrfurcht. Stille Ruhn oben die Sterne Und unten die Gräber.
Doch rufen von drüben Die Stimmen der Geister, Die Stimmen der Meister: „Versäumt nicht zu üben Die Kräfte des Guten.
Hier winden sich Kronen In ewiger Stille, Die sollen mit Fülle Die Tätigen lohnen! Wir heißen euch hoffen." Goethe, 'Symbolum'
Vorwort Die Hamletfrage gilt heute dem Sein oder Nichtsein der geistigen Existenz. Die Wertung der Dichtung als Pfeiler des Wiederaufbaus bei allen Völkern, die am Kriege teilgenommen haben, ist das hoffnungsvollste Zeichen für den Lebenswillen der abendländischen Kultur. H. G. Wells, Julian Huxley und viele andre haben nachdrücklich darauf hingewiesen, daß der gesellschaftliche Fortschritt im vergangenen und gegenwärtigen Jahrhundert mit Riesenschritten eine Lebensform erreicht hat, auf die die Menschen innerlich nicht vorbereitet waren und die damit die sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Krisen hervorrufen mußte, die uns schließlich vor die letzten Fragen des Daseins gestellt haben. Die Wiederaufrichtung der Welt, in der wir leben, erfordert gewiß gewaltige materielle Anstrengungen; die seelische Wiedereinrenkung ist aber von noch entscheidenderer Bedeutung. Eine neue Ordnung, eine Gruppenbildung der Völker zu friedlicher Entfaltung ihrer Energien, setzt ein weites und freies, ein planetarisches Denken, einen Glauben an Menschheitsideaie voraus. Das Wort vom gegenseitigen Verständnis der Völker ist ein Gemeinplatz, mit dessen oberflächlicher Anwendung gegenüber den Mächten der Welt nichts getan ist, wie wir es schmerzvoll erlebt haben. Es gewinnt seinen Sinn erst, wenn wir bedenken, daß es zwar nur eine Wahrheit, aber verschiedene Wege zu ihr gibt, die es zu erkennen und zu achten gilt. André Gide hat einmal gesagt, daß das Individuelle die beste Stimme im Konzert des Menschlichen und das Nationale im Übernationalen ist. Ein Konzert aber verlangt Harmonie, das Miteinander der Stimmen und nicht ihr Gegeneinander, die Kenntnis und Abstimmung der Klangfarben und nicht ein Übertönen. Der Hauptgrund für die geistigen Nöte der Gegenwart liegt in dem schroffen Bruch mit der Überlieferung; Organisches und Dauerhaftes kann nur werden, wenn das Neue nicht Improvisation des Augenblicks bleibt, sondern sich den wahren Werten des Ererbten anfügt. Das ist der ewige große Kreislauf des Stirb und Werde! In tausend Bächlein ergießt sich das gemeinsame Denken und Fühlen in alle Verzweigungen des nationalen Lebens, und nur Völker, die sich ihrer Geschichte bewußt waren, haben Entscheidendes zu der übernationalen Gemeinschaft beigetragen; die europäische Kulturgemeinschaft, auf deren Festigung alles ankommt, beweist dies deutlich genug. Die Mutter der Musen ist Mnemosyne, die Erinnerung. Die Mutter der Musen ! Was wir als Erinnerung, wenn auch unbewußt, mit uns herumtragen, sind Gedanken, Empfindungen, sittliche und ästhetische Wertungen, die eine europäische und darüber hinaus eine menschliche Gesittung erzeugt haben, die aber aus verschiedenen Kanälen zusammengeflossen sind. Diese Kanäle sind neben dem Christentum die Denkformen der Kulturvölker alter und neuer Zeit. Die kultursoziologische Bedeutung der Dichtung beruht auf ihrer beispielhaften Stellvertretung, also wesentlich auf ihrer formalen Seite. Ihre Sprache, ihr innerer Rhythmus, ihre Bildhaftigkeit sind eine einmalige, nicht wiederholbare Gestaltung; die Form selbst ist nach einem Wort Goethes nie ohne Gehalt. Die Dichtung legt, wie R. W. Emerson sagt, die Fülle des Lebens, die den gewöhnlichen Sterblichen siebenzig Jahre beschäftigt, in den Augenblick und aktiviert durch jedes Wort und Bild. Sie stellt die Idee des Lebens nicht durch abstrakte Begriffe, sondern durch Sinnbilder dar, sie ist das Auge, durch das wir uns die Wirklichkeit der Natur und Geschichte als seelischen Besitz aneignen. Francis Bacon, dessen Philosophie der grundlegenden Denkhaltung seines Volkes die spezifische Ausprägung gegeben hat, forderte als erster eine Geschichte der Literatur und Kunst, lange bevor eine solche unternommen wurde, ja man kann nach der Begründung, die er dieser Forderung in seinem Werk „De Augmentis Scientiarum" gibt, geradezu sagen: eine Geistesgeschichte in dem Sinne, den wir heute mit diesem Begriff verbinden. „Wenn eine Geschichte der Welt", so sagt er, „in diesem Teil versäumt wird, so gleicht sie einem Standbild des Polyphem mit ausgerissenem Auge." Die Literatur
VIII
Vorwort
ist nichts andres als ein Bild der Weltzustände im menschlichen Geist; ihre Werke geben dadurch, daß sie ihren Gegenstand isolieren und in der Gestaltung den Erlebnisvorgang zur stellvertretenden Bedeutsamkeit erheben, den Zusammenhang eines Zeitalters und in der Folge der Zeitalter einen pragmatischen Zusammenhang. „ D i e Wissenschaften wandern ebenso wie die V ö l k e r . " Klingt das nicht schon wie Goethes Beobachtung, daß die Wissenschaften eine große Fuge seien, in der die Stimmen der Völker nach und nach zum Vorschein kommen? Beide Aussagen meinen mit dem Ausdruck Wissenschaften die abendländische Bildungsgeschichte überhaupt, und Bacons erstaunlicher Tiefblick begreift das, was wir in unserm Jahrhundert Geistesgeschichte nennen, im richtigen Sinne, wenn er den ursächlichen Zusammenhang des literarisch-philosophischen und des politischen Lebens erkennt und nicht eine Geschichte des Denkens von einer angeblich konstanten Wirklichkeit abtrennt. Der Mensch denkt eben in den verschiedenen Zeitaltern nicht nur anders, sondern er i s t anders, sieht und spricht anders. Macaulay sagt einmal, daß Völker wie Einzelwesen zuerst sehen und dann abstrahieren, daß sie von Einzelbildern zu allgemeinen Folgerungen schreiten und daß deswegen die Sprache der Poesie das Volksnahe, die Sprache der Wissenschaft das Gelehrte darstelle. Die Dichtung will nicht verstandesmäßige Begrifflichkeit bringen, sondern Anschaulichkeit, den Lebensvorgang selbst, der als konkretisiertes Gefühl das gleiche Gefühl in dem Aufnehmenden erzeugt, ein Sicheinfügen in das dichterisch Gegebene, einen Beitrag zu dem eigenen Lebensstil. Sie hat in dieser Wirkung der Identifizierung eine einigende und, wenn es sich um fremde Dichtung handelt, eine völkerverbindende Kraft, die mehr und Tieferes ist als das, was man gemeinhin ein gegenseitiges Verständnis nennt. Nie war f ür uns deshalb Dichtung notwendiger als heute. Der führende englische Dichter der Gegenwart, T . S. Eliot, hat in einem schönen Aufsatz über die gesellschaftliche Aufgabe der Dichtkunst fein herausgearbeitet, wie man gerade durch die Poesie und nur durch sie „in ein andres Land eindringen kann, ohne daß sozusagen der Paß ausgestellt oder die Fahrkarte gelöst ist.". Hiermit ist die Absicht des vorliegenden Buches angedeutet. E s will an Werken von überzeitlichem Stellvertretungswert die englische Art des Erlebens der Welt und der ewigen Menschheitsfragen veranschaulichen. Bei einem so stark im eigenen Boden verwurzelten Schrifttum, das ebenso wie die englische Sprache stets Weltoffenheit mit der Stärke der nationalen Einschmelzungskraft verbunden hat, ist das Beispiel wirkungsvoller als jede verallgemeinernde Formulierung von „Wesenszügen." Denken wir nur an die soziologische Gemeinschaft von Theater und Publikum bei den Anfängen und dem Aufschwung des Dramas, an die religiösen Wandlungen in dem puritanischen Widerspruch, an die utopischen Gesellschaftsbilder, an den bürgerlichen Familienroman, besonders an die intimen Heimatwirkungen und das tiefe Naturerleben in der Lyrik, aber auch an die dem Konkreten und Humanen so nahe philosophische Erkenntnis-, Moral-, Gesellschafts- und Staatslehre. Die Auswahl der behandelten Einzelwerke war natürlich bei einer der reichsten europäischen Literaturen nicht leicht und muß oft als subjektiv gelten, wobei dies Subjektive aber gerade die Persönlichkeit und Stellungnahme des Verfassers durchscheinen läßt. Wenn auch philosophische, soziologische Themen und sogar ein naturwissenschaftlicher Gegenstand wie Darwins Hauptwerk mit eingeschlossen wurden, so geschah es natürlich nicht unter fachlichen Gesichtspunkten, sondern um des alleemeinen Repräsentationswertes für die Geistesgeschichte und um des Formwertes willen, die diese Abhandlungen zu dem Rang literarischer Kunstwerke erheben. Die Literaturgeschichte schildert die Fülle der Erscheinungen, Daten, Motive, Strömungen, kann aber dem, der nicht unmittelbare Anschauung aus der Kenntnis der Einzelwerke zur Verfügung hat — zumal bei dem heutigen Mangel an Originaltexten —, oft nicht viel mehr als fertige Urteile darbieten; die Philosophiegeschichte geht dem übernationalen Fortschritt der Ideen nach und ist an der nationalen Ausprägung und ihrer Wirkung auf eine Volkshaltung nicht interessiert. Gerade in England, dem Lande des Empirismus, der Konkretisierung, der Abneigung gegen Systeme und Theorien, steckt ein gut Teil des eigentlichen Denkens in der Dichtung; das meint Coleridge mit seiner Bemerkung, ein großer Dichter müsse immer auch ein großer Philosoph sein. Was hier geboten wird, will nicht Literaturgeschichte sein, sondern Veranschaulichung am Beispiel, am Text im vollen Bezug seines „Werk"-Charakters, also eine Art Begleit- oder Bilderbuch zur Literaturgeschichte. E s wendet sich nicht nur an die Jünger der Fachwissenschaft, denen eine Einführung willkommen sein mag, sondern namentlich auch an den weiteren Kreis der um eine tiefere Begegnung mit englischer Geistigkeit bemühten Literatur-
Vorwort
IX
freunde. Die Textbeispiele werden deshalb fast durchweg neben den Originalfassungen auch in deutschen Nachdichtungen bzw. in deutscher Prosa geboten. Die Nachdichter sind im Anhang genannt. „Meisterwerke" sind ausgewählt worden. Kant nennt einmal das Genie „die angeborene Gemütslage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt", und nach Matthew Arnold müssen zwei Kräfte zusammenwirken, um das bildungsträchtige literarische Meisterwerk zu erzeugen: die Kraft des menschlichen Geistes und die Kraft des Augenblicks. Eine am Text gewonnene Einsicht in den Gehalt und eine Ausweitung auf die geistesgeschichtliche Bedeutung war überall die Absicht, also eine Hinführung zum Verständnis des Werkes, seines Autors und seines Zeitalters; nicht kritische Wertung im literarhistorischen Sinne, sondern Weckung der Freude und Ehrfurcht, vor allem des Verlangens nach eigener Lektüre des Originals, die durch keine Erläuterung ersetzt werden kann. Bei einigen Interpretationen habe ich mich an frühere Veröffentlichungen, in denen ich die methodischen Grundfragen der Schrifttumsdeutung behandelt habe, zum Teil textlich angelehnt. Für seine verständnisvolle Hilfe beim Lesen der Fahnenkorrekturen bin ich Herrn Lektor Dr. Günther Scherer, meinem Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, zu großem Dank verpflichtet. Berlin-Charlottenburg, im November 1949 W. H ü b n e r
Für die zweite Auflage ist der Text genau durchgesehen und in Einzelheiten berichtigt oder durch Zusätze ergänzt worden. Zu einer einschneidenden Neugestaltung bestand angesichts der weitgehenden Zustimmung der Kritik und der praktischen Bewährung kein Anlaß. Der bibliographische Anhang erforderte natürlich die Hinzufügung neuerer Schriften. Das Register ist erweitert und um ein Sachverzeichnis vermehrt worden. Berlin-Dahlem, im Januar 1962. W. Hübner
Inhaltsverzeichnis I. G e r m a n e n t u m Das Beowulfepos
i i
II. V o r s p i e l der R e n a i s s a n c e
21
1. Chaucers Canterbury-Geschichten
21
2. Die alten Balladen
...
43
Edward 45 • Die zwei Raben 47 • Die grausame Schwester 47 • Herr Patrick Spence 49 • Die Jagd von Chyviat 51 • Robin Hood und der Bischof von Herford 54 • Die Bettlerstochter von Bednall-Green j7 • Das nußbraune Mädchen 58
3. Thomas Mores Utopia III. S h a k e s p e a r e und seine Welt Marlowes Faust Richard II Heinrich IV Der Kaufmann von Venedig Was ihr wollt Julius Cäsar Hamlet König Lear Der Sturm
61
.'
IV. B a r o c k und A u f k l ä r u n g
73 79 89 98 110 120 125 133 148 155 160
1. Francis Bacons Essays
160
2. Miltons Verlorenes Paradies.
170
3. Die Weltbücher von Robinson und Gulliver Daniel Defoes Robinson Crusoe Jonathan Swift, Gullivers Reisen
187 187 199
4. Die Staats-und Gesellschaftslehre: Hobbes, Locke, Burke Hobbes' Leviathan Lockes Abhandlungen über die Regierung Burkes Betrachtungen über die französische Revolution
215 217 228 234
5. Die Erkenntnis- und Morallehre: David Hume Untersuchung über den menschlichen Verstand Untersuchung über die Prinzipien der Moral
242 244 253
6. Die Volkswirtschaftslehre: Adam Smith 257 Untersuchung über das Wesen und den Ursprung des Reichtums der Nationen 261
Inhaltsverzeichnis
V. D i e W i e d e r e n t d e c k u n g der S e e l e
XI 267
1. Lösung vom Klassizismus Grays Kirchhofselegie Goldsmiths Landprediger von Wakefield Volkslyrik: Robert Bums
267 270 276 283
2. Ältere Romantik: Wordsworth, Coleridge, Scott William Wordsworth
294 295
Verse aus dem Frühlingsanfang 297 • Tintem Abbey 298 • Die einsame Schnitterin 301 • Regenbogengedicht 302 • Unsterblichkeitsode 303 • Narzissen 307 • Westminsterbrücke 308 • A n den Kuckuck 308 • Yarrow 309
Samuel Taylor Coleridge
311
Der alte Matrose 3 1 2
Sir Walter Scott
317
Das Herz von Midlothian 318 • Ivanhoe 320 • Kenilworth 322
3. Jüngere Romantik: Byron, Shelley, Keats George Gordon Lord Byron
325 325
Junker Harolds Pilgerfahrt 326 • Manfred 334 • Don Juan 339
Percy Bysshe Shelley A n eine Lerche 345 • Anden Westwind 347 • Wechsel 350 • Der entfesselte Prometheus 352
John Keats
343 355
Die Grille und das Heimchen 355- Ode auf eine griechische Urne 3 5 6 - Ode an den Herbst 358 • St.-Agnes-Abend 360
VI. S t r e b e n nach A u s g l e i c h : das „ v i k t o r i a n i s c h e K o m p r o m i ß " 363 1. Lehren und Gegenlehren: Darwin, J . S. Mill, Carlyle, Ruskin . . Charles Darwins Entstehung der Arten John Stuart Mills Abhandlung über die Freiheit Thomas Carlyles Vorlesungen über Helden und Heldenverehrung John Ruskins soziale Botschaft: Diesem Letzten
363 367 375 384 397
2. Der Roman: Dickens, Thackeray, Kingsley, George Eliot Charles Dickens
407 408
Ein Weihnachtslied in Prosa 421 • Nicholas Nickleby 429 • Martin Chuzzlewit 432 • Dombey und Sohn 436 • David Copperfield 439
William Makepeace Thackeray
443
Markt der Eitelkeit 444
Charles Kingsley
446
Hypatia 447
George Eliot
449
Silas Marner 450 • Middlemarch 453
3. Die Dichtung: Tennyson, Robert und Elizabeth Browning, die Präraffaeliten 458 Alfred Lord Tennyson 458 Letzte Fahrt 459 • Sacht und lind 460 • Der Reiterangriff von Balaklava 460 • Die Lotosesser 462 • Ulysses 464 • Die Dame von Shalott 464 • In Memoriam A . H. H. 465
XII
Inhaltsverzeichnis
Robert Browning
468
Elizabeth Barrett Browning
473
Dante Gabriel Rossetti
476
Christina Rossetti
480
William Morris
481
Algernon Charles Swinburne
485
My Last Duchess 468 • Evelyn Hope 469 • Love among the Ruins 470 • Abt Vogler 471
Inclusions 474 • Sonnets from the Portuguese 474
The Blessed Damozel 476 • Sister Helen 477 Song 480 • Sonette 480
The Earthly Paradise 482 Eine Ballade vom Traumland 485 • A Child's Laughter 487 • Ein verlassener Garten 487 • By the North Sea 488
VII. N e u e K r ä f t e
489
1. Viktorianischer Ausklang
489
2. Neuaufbau im Roman Das „Lesen der Erde": George Meredith
491 491
Richard Feverels Feuerprobe 493
Heimatkunst: Thomas Hardy
496
Tess of the d'Urbervilles 496
Rückkehr zur Natur: Robert Louis Stevenson
499
Die Schatzinsel 500
Gesellschaftsumschichtung: H. G. Wells und John Galsworthy.. 502 Herbert George Wells 502 Tono-Bungay 503
John Galsworthy
jo6
Die Forsyte-Saga 507
3. Das Problemdrama: J . Galsworthy und B. Shaw John Galsworthy Kampf 513
Bernard Shaw
JII 512 515
Die heilige Johanna 516
4. Neurealismus in der Dichtung Francis Thompson
521 521
Der Jagdhund des Himmels 522
John Masefield
523
Die ewige Gnade 523
Die Modernisten
5 26
Bibliographischer Anhang
5 29
Namenverzeichnis
533
Sachverzeichnis
537
I. Germanentum Das Beowulfepos Der Eintritt der britischen Inseln in das Licht der Geschichte erfolgte um den Beginn der christlichen Zeitrechnung. Wohl hatten die Mittelmeervölker schon im Altertum eine unbestimmte Kenntnis von ihnen; aber erst seit Cäsars Landung im Jahre 5 5 v. Chr. gibt es Zeugnisse, die ein gesichertes Geschichtsbild ermöglichen. Kelten hatte Cäsar in Gallien unterworfen, und keltische Stämme bewohnten Britannien und hatten den Galliern in ihrem Kampf gegen Rom wohl mancherlei Unterstützung gesandt, so daß hierin der Hauptgrund für die Sicherung liegt, die die Römer bei ihrer Besetzung des Südens der Insel Großbritannien für nötig hielten. Die Kelten selbst waren etwa von 600 bis 400 v. Chr. von Westeuropa aus in die Insel eingedrungen und hatten noch frühere Eindringlinge verdrängt. Sie verloren den wertvollsten Teil des Landes endgültig, als die Römer zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. abzogen und die germanischen Stämme der Angeln, Sachsen und Jüten einfielen. Nur Reste der keltischen Stämme konnten sich in den Berggegenden der Westküste und auf Irland halten, wo sie heute noch sitzen. Die Herrschaft der Angelsachsen dauerte bis 1066, als der Normannenherzog Wilhelm der Eroberer seinem vorgeblichen Thronanspruch durch den Sieg über Harold, den letzten König der Angelsachsen, Geltung verschaffte. Ein paar tausend Jahre lang war also das südliche Großbritannien der Schauplatz einer Reihe von Wellen einander ablösender Völker. Das gemäßigte Klima, die saftigen Weiden und fruchtbaren Felder, die wildreichen Wälder und fischreichen Flüsse, die wertvollen Bodenschätze lockten immer wieder wagemutige Stämme aus dem Norden und Nordosten des Festlandes an. In drei großen nordischen Wellen formte sich schließlich die Uranlage des Volkes: Kelten, Angelsachsen und Normannen. Zur Entfaltung einer Literatur kam es erst ein paar Jahrhunderte nach der ersten Ansiedlung der germanischen Stämme. Ein Schrifttum, das für die Nachwelt greifbar bleibt, setzt die schriftliche Aufzeichnung voraus; was uns aus der vorliterarischen Zeit an mündlich weitergetragenen Kunstübungen bekannt ist — Zauber- und Heilsegen —, sind spärliche Reste. Die Kunst des Schreibens wurde aber erst mit der Einführung des Christentums (597) vermittelt; literarische Zeugnisse besitzen wir seit dem Ende des 7. Jahrhunderts n. Chr. Die Geistlichkeit hatte Verständnis für die heimische Dichtung, weit mehr als im Frankenrei9h, bediente sich ihrer Sprache und Formkunst für die kirchlichen Stoffe, die sie dem bekehrten Volke zu bieten hatte, und zeichnete auch die im Volke lebendigen weltlichen Stoffe auf. So kam England sehr bald nach der Bekehrung zu seinem Schrifttum, weit früher als die übrigen europäischen Völker; in Deutschland wurden die weltlichen Stoffe und Formen, von der Kirche unterdrückt und durch biblische Gegenstände ersetzt, erst im 12. Jahrhundert buchfähig, also in einer Zeit, die schon einen bewußten Abstand von den altgermanischen Vorstellungen und Gefühlen hatte. In erster Linie waren es die nordenglischen Klöster, in denen die kirchliche und die heimisch-germanische Bildung in einer auf dem Festlande unbekannten Weise zusammenwuchsen. Zwar gingen die Handschriften des Nordens bei dem frühen Untergang des nordhumbrischen Königreichs verloren, das aus innerer Schwäche 1 Die Stimmen der Meister
2
I. Germanentum
in den beständigen Kämpfen gegen die das Land oft heimsuchenden Wikinger zerfiel; sie wurden aber später im Süden neu geschrieben. Alles, was an früher Dichtung germanischen Charakters auf uns gekommen ist, stammt also bis auf ein paar Reste in Runeninschriften aus christlicher Aufzeichnung. Was bedeutet das? Sind damit alle Spuren heidnischen Denkens und Empfindens getilgt oder verfälscht? Der gelehrte Kirchenmann Beda, der in seiner Kirchengeschichte die Bekehrung der Angelsachsen dargestellt hat, berichtet uns, der Papst Gregor der Große habe seinen ersten Missionaren aufgetragen, den Ubergang vom Heidentum zum Christentum so leicht wie möglich zu gestalten. Das Alte sollte also nicht zerstört, sondern neu gedeutet werden, damit das Neue als eine natürliche Weiterentwicklung zu Höherem und Besserem erscheinen konnte. Natürlich gab es Eiferer und Bilderstürmer, aber doch auch kluge und maßvolle Hüter der Tradition. Gerade der für das altenglische Schrifttum so bezeichnenden Mischung altheimischer und christlicher Bestandteile verdanken wir den Reichtum an Quellen für die Erkenntnis germanischen Wesens, der insbesondere durch die Bewahrung der alten Versformen und Stilmittel so eindrucksvoll ist. Man hat auch die Frage aufgeworfen, ob wir eine solche Dichtung schon als national, also als den Beginn der englischen Literatur ansprechen dürfen. Sind es nicht im wesentlichen Gegenstände und Empfindungen allgemein-germanischer Art, die die Eroberer vom Kontinent mitbrachten? Spricht nicht die Tatsache, daß bei dem Aufblühen der englischen Literatur im 14. Jahrhundert die angelsächsische Vergangenheit verschüttet und unbekannt war, auch für die Annahme eines völligen Bruches und für Chaucer im wahrsten Sinne als den Vater der englischen Poesie? Steht also das Dichten und Denken der Angelsachsen nicht in demselben Maße als gemeingermanisch noch außerhalb des nationalen Stromes wie etwa die lateinische Literatur in ihrem Verhältnis zu den späteren romanischen Ausprägungen? Gerade dieser Vergleich führt uns zu der richtigen Antwort. Im Gegensatz zu der altrömischen Literatur und ihrer Verwurzelung in der Geschichte des Volkes kennen wir eine einigermaßen einheitliche germanische Dichtkunst nicht. Wenn der skandinavische Norden als ihr eigentlicher Bewahrer angesehen wird, so zeigen uns die buchmäßigen Aufzeichnungen in Deutschland und England, sobald sie auftreten, so entscheidende Besonderheiten, daß der gestaltende Volksgeist sofort greifbar wird. Die germanischen Sprachen waren ja lange vor ihrer buchmäßigen Aufzeichnung weit auseinandergewachsen, und wenn man sich in der Aufhellung der sprachgeschichtlichen Entwicklung längst daran gewöhnt hat, den Ausdruck altenglisch an die Stelle von angelsächsisch zu setzen, so ist das gleiche für das Schrifttum berechtigt; in England fällt für alle Zeitalter die sprachgeschichtliche Periodenbildung viel genauer mit der literarischen zusammen als bei uns. Die Behutsamkeit der Kleriker bei der Aufzeichnung der altenglischen Überlieferung hat uns die Haltung und Stimmung bewahrt, die der Volksgeist in dieser Landschaft geschaffen hat. Die künstlerisch sehr bedeutenden weltlich-lyrischen Klagelieder oder Elegien offenbaren eine schwermütige, grüblerische Stimmung und eine Naturnähe, die der übrigen germanischen Welt fremd ist, wohl aber in der so überaus reichen späteren englischen Naturdichtung weiterlebt. Wenn schon der alte französische Chronist Froissart von den Engländern sagt, sie genössen alle ihre Vergnügungen ernst, so wird uns noch aus dem ersten der großen Weltkriege unsrer Zeit gemeldet, die Franzosen hätten mit Verwunderung die melancholische Note der englischen Soldatenlieder bemerkt. Rauhe Landschaftsbilder bilden in den altenglischen Elegien den Hintergrund für das Leid des Klagenden, der nicht in rein lyrischem Erguß die Stimmung eines Augenblicks wiedergibt, sondern auf die Ganzheit verlorenen Glücks zurückschaut und in diesem Verlust das Walten des Schicksals fühlt. Die Frau klagt
Das Beowulfepos
3
über die Trennung vom Manne, der durch den Tod seines Herrn aus Heimat und Besitz verdrängte Gefolgsmann klagt über entschwundenes Glück, der Seefahrer über die Nöte und Gefahren des wilden Meeres, auf das es ihn doch immer wieder hinaustreibt. Die Hinwendung zu dem Trost in Gott ist die erbauliche Zutat des christlichen Nachdichters; Stoffe und Stimmungen aber sind altes weltliches Gut, das den Gedanken an Nachwirkungen eines weichen, empfindsamen Keltentums nahelegt und von der mythusgefüllten, in Stoffen und Formen oft primitiv-wilden nordischen Edda weitab steht. Die unwirtliche Natur, besonders das Meer, ist dem Angelsachsen Bestimmung und Leidensquelle zugleich, die Entfernung von Gefolgsgenossen und Sippe Anlaß zu sehnsuchtsvoller Rückerinnerung. Diese stimmunggefüllten Stücke rücken die Elegien weit weg von der übrigen germanischen Dichtung, und aus anderen Gattungen wären leicht weitere Beispiele für die von Anfang an erkennbare Eigenart beizubringen, wobei die noch überzeugendere Geschlossenheit der Formkunst nicht einmal eingerechnet ist. Eine durch Herkunft, Volksschicksal und Landschaft geprägte Haltung fühlen wir überall durch die erbauliche Wendung hindurch, die die Geistlichkeit den Stoffen gibt; es ist englisches Gut, der Anfang einer nationalen Literatur mit dem auch später so oft wiederkehrenden Thema von Seefahrt und rauher Meeresstimmung. Die dumpfe Wehmut und Neigung zu klagenden Betrachtungen kennzeichnen auch das Beowulfepos, das größte und eindrucksvollste Beispiel dieser frühen Dichtung. Es ist das einzige uns erhaltene weltliche- Heldenepos der gesamten germanischen Welt und schon deshalb von so hoher Bedeutung auch für uns. Im Anfang des 8. Jahrhunderts durch einen Geistlichen an einem Königshof des Nordens aufgezeichnet, ist die umfangreiche Dichtung in einer einzigen, später in dem südlichen Lande der Westsachsen neu gefertigten Handschrift auf uns gekommen. Ein geschichtliches Ereignis steht im Hintergrund, der im Epos wiederholt erwähnte Einfall der in der heutigen südschwedischen Landschaft Götland ansässigen Gauten unter ihrem König Hygelac in das Frankenreich an der Rheinmündung im Anfang des 6. Jahrhunderts, bei dem die Eindringlinge zurückgeworfen wurden. Ein junger Krieger, der Königsneffe Beowulf, soll sich in dem besiegten Heere durch Kraft und Mut ausgezeichnet haben. Diese dunkle Erinnerung übertrug in der Volkssage den Namen auf den Helden, der als der stärkste unter den Männern galt und als entsagungsvoller Kämpfer gegen Teufelsspuk und Trollenwesen dem geistlichen Nacherzähler genehm war. Schauplatz der Handlung ist im ersten Teil des Epos die dänische Insel Seeland, im zweiten das Gautenland. Die Sage ist also offenbar von den Angeln, die, aus der Gegend zwischen Flensburg und Schleswig kommend, den Norden und das nördliche Mittelland von England besiedelten, mitgebracht und dann auf englischem Boden zum Heldenepos gestaltet worden. I. Teil. Der Kampf gegen die Moor dämonen HW./ET, Wß GAR-DEna in geardagum, I>todcyninga ¡>rym gefrünon, hü öä sefielingas eilen fremedon! (i—3)
Denkwürdiger Taten von Dänenhelden Ward uns viel fürwahr aus der Vorzeit berichtet, Wie Könige kühn ihre Kraft erprobten.
So beginnt der Dichter, der den Königsmannen seiner Zeit von beispielhaftem Heldentum erzählen will. Ruhmbedeckt ist das dänische Königsgeschlecht der Scyldinge seit seiner Begründung durch den mythischen Scyld, der einst als Knabe aus unbekanntem Lande in einem Boot dem Dänenvolk durch das Meer geschenkt und nach ehrenvoller Regierung, als die Schicksalsstunde kam, in einem reich mit Schätzen beladenen Schiff dem Element zurückgegeben wurde. Ruhmbedeckt war
4
I. Germanentum
auch die Regierung seines Sohnes, der wie der spätere Heid des Epos den Namen Beowulf trug. Jetzt lenkt König Hrothgar die Geschicke des Dänenvolkes, ein Sieger in vielen Kämpfen. Er krönt den Glanz seines Hofes durch den Bau einer Halle, der größten, von der die Menschen je gehört haben — der Hirsch, Heorot, wird sie genannt nach dem geweihgeschmückten Giebelzeichen —, in der er mit seinen Mannen beim Klang der Harfe und dem Lied des Sängers festliche Gelage hält und Gaben verteilt. Der tägliche Jubel aber weckt den Zorn eines höllischen Unholds aus Kains verfluchtem Geschlecht, der in den Mooren und Sümpfen der Nachbarschaft haust, Grendel geheißen. In der Nacht schleicht er in die Halle, in der die Krieger nach dem Gelage sorglos ruhen, packt frohlockend dreißig der Degen und schleppt sie in seine Einöde. Wehklagend verfolgen die Kampfgenossen seine Spur, ohne helfen zu können. Die Untat wiederholt sich in jeder Nacht, so daß schließlich die Mannen nach dem Festmahl eine andre Ruhestätte aufsuchen müssen und die Halle zum Schmerz des greisen Königs leer steht. Zwölf Jahre dauert das Leid, die Weisen des Reiches wissen keine Hilfe. Die Kunde von dem Leid der Dänen dringt bis in das Land des Gautenkönigs Hygelac, zu dessen Gefolgsleuten Beowulf gehört. Er entschließt sich zur Hilfe. Dem Vogel gleich streicht das gute Schiff, auf dem er mit vierzehn Gefährten nach Dänemark eilt, durch die Wellen und erreicht die Küste am folgenden Tage. Der Strandwart der Dänen reitet ans Ufer und fragt die Fremdlinge nach Herkunft und Ziel. Als er von ihrer freundlichen Absicht hört, läßt er das Schiff in der Obhut seiner Gefährten und führt die Fremden auf den Weg zur Königshalle. Der Herold Wulfgar meldet dem Herrscher die Ankunft der Gauten. Hrothgar hat ihren Führer Beowulf schon als Knaben gekannt und gehört, er besitze die Kraft von dreißig Männern. Gott hat ihm endlich Hilfe gesandt. Auf des Königs Geheiß betreten die Gäste nach Ablegung der Speere den Festsaal. Beowulf tritt an den Hochsitz, stellt sich vor und erbittet ehrerbietig die Erlaubnis, die Halle Heorot zu säubern. Er habe gehört, daß der Unhold keine Waffen trage; so wolle auch er Schwert und Schild ablegen und nur mit der Faust kämpfen. Solle er aber im Kampfe fallen, so möge Hrothgar den trefflichen Brustharnisch, ein Werk Welands, dem König Hygelac senden. „Man wehrt nicht dem Schicksal." In gnädiger Antwortrede spricht der König von seinem Gram und lädt die Gäste ein, sich zum Gelage niederzusetzen. Festlicher Jubel erfüllt die Halle, hell erklingt des Sängers Lied. Nur Unferth — der „Unfriedenstifter" — bringt einen Mißklang in die Freude des Mahles. Aus Neid auf Beowulfs Ruhm fragt er ihn höhnisch, ob er wohl der Mann dieses Namens sei, der als junger Bursche von Breca, des Beanstan Sohn, in einem siebentägigen Wettschwimmen im Meere geschlagen worden sei; wenn das zuträfe, so verspreche er sich wenig von dem Kampf mit Grendel. Beowulf berichtet ausführlich von dem Abenteuer, bei dem er fünf Nächte lang schwimmend sich der Seeungeheuer mit dem Schwerte habe erwehren müssen. Wohl habe Breca ihn überholt; er aber habe den Gefährten nicht verlassen wollen, sondern sei im Kampf gegen die Untiere, deren neun er töten konnte, weitergeschwommen, bis die wallende Flut die Schwimmer getrennt und ihn selbst an das Gestade der Finnen geworfen habe. Von Unferth habe er nur gehört, daß er seinen eigenen Bruder erschlagen habe; wäre er ein wahrer Held, so hätte der Sumpfunhold wohl nicht so viele Frevel begehen können. Jetzt aber solle er die größere Kraft der Gauten zu spüren bekommen. Das Fest nimmt nach diesem Zwischenfall seinen Fortgang. Des Königs Gemahlin Wealhtheow betritt den Saal, begrüßt die Mannen, reicht dem Gatten den Becher und teilt dann die gefüllten Pokale an die Krieger aus. Sie gibt Beowulf die Ehre einer besonderen Begrüßung und nimmt an der Seite des Königs Platz, froh über das baldige Ende der Not. Das hereinbrechende Dunkel macht dem Festmahl ein Ende.
Das BcowuJfcpos
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Hrothgar bricht mit seinen Dänen auf, überantwortet dem Gautenführer die Halle und sagt ihm reichen Lohn zu, wenn er den Kampf bestehe. Hylde hine t>& heafrodsor,
hléorbolster onfèng eorles andwlitan, ond hine ymb monig snellic sserinc selereste gebeah. Nsenig heora fwhte, t>aet hB ]>anon scolde eft eardlufan ièfre gesecean, I>ser h8 äfsded waes ; fole o|>öe frtoburh, ac hie haefdon gefriinen, i>set hie xr tö fela micles in ¡ ) i m winsele waeldead fornam, Denigea lSode. Ac him Dryhten forgeaf wigspéda gewiofu, Wedera leodum, fröfor ond fultum,
t>aet hie fèond heora
öurh änes craeft selfes mihtum.
ealle ofercömon, Söö is gecyf>ed,
t>aet mihtig God
manna cynnes
wSold wideferhö. — scriöan sceadugenga.
Com on wanre niht Sceotend swsEfon,
I » t>aet hornreced healdan scoldon, ealle büton änum. fjast waes yldum cüf), {>aet hie ne moste, f>ä metod nolde, se s[c]ynscaf>a under sceadu bregdan; — ac hè wraeccende wräf>um on andan bäd bolgenmöd beadwa geringes. Da com o f mòre under misthleojjum Grendel gongan, Godes yrre baerj mynte se mänscada manna cynnes sumne besyrwan in sele {>äm hean. Wöd under wolcnum tö i>xs Jje he winreced, goldsele gumena gearwost wisse fiettum fähne. Ne waes J>ast forma siö, {>aet he Hrö{>gäres häm gesöhte; nZfre he on aldordagum xr ne siedati heardran hsle, healöegnas fandl Com J » tö recede rinc siöian dreamum bedxled. Duru sona onarn fyrbendum fest, sy{>öan he hire folmum (aethr)än; onbrxd bealohydig, dä (he ge)bolgen recedes müj>an. Ra{>e iefter ¿on [wxs, on fägne fior fèond treddode, eode yrremöd ; him of eagum stöd ligge gelicost lèoht unfiger. Geseah hS in recede rinca manige, swefan sibbegedriht samod setgaedere,
Nun legt sich der Kühne —
das Kissen umfing Des Edlen Antlitz — und um ihn streckte Manch rüstiger Seemann zur Ruhe sich nieZu hoffen wagte der Helden keiner, [der. Daß er wieder schaue die wonnige Heimat, SeinVolk, sein Geburtshaus: erfahren hatten Die Männer ja längst, wie manchen der Dänen Im Weinsaale gewaltsamer Tod Dahingerafft. Doch der Herrgott verlieh Das Gewebe des Kampfglücks den Wettermärkern, Seinen Schirm und Schutz, daß dem schlimmen Feinde Durch des einen Kraft sie alle entrannen Mit des Waltenden Beistand; die Wahrheit ward kund, Daß der mächtige Gott der Menschen Geschlecht Dauernd behütet. — Im Dunkel nahte Der Schattenwandler. Es schliefen die Krieger, Die die Hornhalle behüten sollten, Alle bis auf einen. Den Edlen durfte Der grause Feind, da es Gott nicht zuließ, Nimmer senden ins Nebelreich; Der harrte wachend, dem Wütrich zum Schreck, Voll kühnen Muts dem Kampfe entgegen. Es nahte also, vom Nebel verhüllt, Grendel vom Moore her, der gottverfluchte. Zu würgen dachte der wilde Frevler Die Helden sämtlich im hohen Saale; Unterm Wolkendach schritt er dem Weinhause zu, Bis entgegen ihm glänzte die goldene Halle Mit den bunten Schindeln. Zum Bau des Hrothgar Kam der Elende nicht zum ersten Male, Doch fand er nie in früheren Tagen, Der höllische Wicht, so wackere Helden! So kam zum Hause der heillose Frevler heran. Seinem Faustgriffe wich Die schwere Tür trotz geschmiedeter Riegel; Böses sinnend erbrach er zornig Des Hauses Eingang. Hurtig alsdann Trat der Feind in den Flur, den farbiggemalten, Grimmigen Sinnes; wie glühende Flamme Schoß aus den Augen ein scheußliches Licht. Im Hause sah er der Helden viele Friedlich schlafen, der Freunde Schar,
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I. Germanentum
magorinca hëap. f)ä his möd ählög; mynte f>xt hê gedxlde, x r [>on da;g atol âglxca ânra gehwylces [cwöme, llf wiö lice, l>â him älumpen Waes wistfyllc wfn. Ne wxs f>ast wyrd f>â gën, {>xt hi mä moste
manna cynnes
öicgean ofer l>i niht. frryöswyö behëold mîëg Higelâces, hü se mänscaöa under fxrgripum gefaran wolde. Në f)£et se âglxca yldan {)öhte, ac hë gefëng hraöe forman siöe slxpendne rinc, slät unwearnum, bât bänlocan, blöd ëdrum dranc, synsnxdum swealh; sona hacfde unlyfigendes eal gefeormod, fêt ond folma. Forö nëar xtstöp, nam f>ä mld handa
hige{)ihtigne
rinc on rxste, rxhte togëanfes] fêond mid folme; hë onfëng hra{)e inwitfiancum ond wiö earm gesxt. Sona f>xt onfunde fyrena hyrde, {>xt hë ne mëtte middangeaides, eorjjan scëata on eIran men mundgripe mâran; hë on mode wearö forht on ferhöe; nò t>y x r fram meahte. Hyge wxs him hinfüs,
wolde on heolster flëon, sëcan dëofla gedrxg ; ne wxs his drohtoö {ixr swylce hê on ealderdagum x r gemette. Gemunde ¡>ä se goda, m x g Higeläces, xfensprxce, üplang âstôd ond him feste widfëng; fingras burston; eoten wxs ütweard, eorl fur£>ur stöp. Mynte se m i r a , (t>)xr hë meahte swä, widre gewindan ond on weg Jianon flëon on fenhopu ; wiste his fingra geweald on grames gräpum. f)Xt se hearmscaf>a
f)Xt wxs gëocor siö, tô Heorote âtëah!
Dryhtsele dynede; Denum eallum wearö, ceasterbüendum, cënra gehwylcum, eorlum ealuscerwen. Yrre w x r o n bëgen, rë^e renweardas. Reced hlynsode. fm wxs wundor micel, t>£et se winsele wiöhxfde heatodëorum, t>xt hë on hrûsan ne fëol, fxger foldbold; ac hë |>xs fxste wxs innan ond ûtan ïrenbendum
Die erlesenen Krieger: da lachte sein Herz. Vor Tag noch hoffte der teuflische Wicht Das Leben aller vom Leibe zu trennen, Da Fülle zum Fraß ihm zu finden glückte. Doch beschlossen war's in des Schicksals Rat, Daß er Menschen nicht wieder morden sollte Nach der heutigen Nacht. Hygelacs Neffe Gab Obacht scharf, wie der arge Schäd'ger Seine bösen Krallen gebrauchen würde. Der Unhold dachte an Aufschub nicht: Mit schnellem Griff einen Schläfer packt' er Als ersten Raub, zerriß ihn eiligst, Biß in den Körper, das Blut in Strömen Schlürfte er ein und schlang gewaltig, Bis des Leblosen Leib verzehrt war Samt Füßen und Armen. Der Feind schritt weiter nach dem Und griff mit der Hand heldenmüt'gen Kämpfer im Bett, seine Klauen spreizend. Doch der Edle war rasch: auf den Arm gestützt Packt' er des tückischen Teufels Rechte. Da merkte der Molch, daß im Mittelgarten Er vormals nimmer gefunden hatte, Im Erdenrunde, bei anderem Manne Eine festere Faust; nun befiel sein Herz Beklemmende Furcht, doch er konnte nicht fort; Er strebte hinaus, sein Versteck zu suchen Bei den üblen Teufeln: die Arbeit heute War anderer Art als in alten Tagen. Uneingedenk nicht der Abendrede War Hygelacs Neffe, er hob sich vom Lager In voller Länge, und fester packt' er, Daß die rauhen Finger des Riesen brachen. Der drängte hinaus, doch dicht auf den Fersen Folgt' ihm der Jüte. Gefloh'n wär' er gerne Zu der Klause im Sumpf, doch die Krallen wüßt' er In des Helden Gewalt. Der Weg war harmvoll, Den der Höllenwicht diesmal nach Heorot gingl Es dröhnte der Saal, die Dänen gerieten, Die Burgbewohner, in bangen Schrecken, Die Recken alle. In rasender Wut Waren beide Kämpfer. Der Bau erkrachte; Ein Wunder war's, daß dieWeinhalletrotzte Dem Toben der Streiter, in Trümmer nicht stürzte, Das funkelnde Haus; doch zu fest war es Innen und außen mit eisernen Klammern
Das Beowulfepoj
searofroncum besmi{>od. medubenc monig golde geregnad,
fiEr fram sylle
mine gefrxge
äbeag
{jier f>ä graman wunnon.
t>xs ne wendon Er witan Scyldinga, J>ast hit ä mid gemete manna senig betlic ond bänfäg töbrecan meahte, listum tölücan, nymfce liges fasern swulge on swafcule. SwSg üp ästäg nlwe geneahhe: Norö-Denum stöd atelic egesa, änra gehwylcum f>ära J>e of wealle wöp gehyrdon, gryreleoö galan Godes andsacan, sigelßasne sang, sär wänigean helle ha:fton. Heold hine fasste sS {>e manna wses mxgene strengest on Jjjem dxge Jjysses lifes. (688—790)
Geschickt umspannt;
von der Schwelle freilich Wich manche Metbank — melden hört' ich's —, Geziert mit Gold, wo die Zornigen stritten. — So hatten's erwartet die Weisen des Hofes, Daß die herrliche Halle, die horngeschmücktc, Kein Sterblicher je zerstören könnte Durch List oder Kraft, wenn nicht qualmender Lohe Umarmung es täte. Ein unerhörtes Lärmen erscholl, und lähmender Schrecken Drang in das Herz den Dänen allen, Die vomHügel her das Geheul vernahmen, Das grausige Lied, das der Gottesfeind, Der sieglose, sang, beseufzend sein Unheil, Der Hölle Häftling. Es hielt ihn fest Der Mann, der damals die meiste Stärke Von allen besaß im Erdenrunde.
Die Gefährten dringen, um Beowulfs Leben zu schützen, mit den Klingen auf den Erzschelm ein; sie wissen nicht, daß kein Eisen ihm etwas anhaben kann. Beowulf aber hält den Feind, der sich zur Flucht wendet, fest gepackt und reißt ihm den A r m aus der Achsel. Z u T o d e verwundet, entflieht der Unhold in seinen Schlupfwinkel. So ist das Werk gelungen, der Festsaal gereinigt, die Trübsal beendet. Als Zeichen seines Sieges legt der Gautenfürst die Klaue Grendels von der Hand bis zur Achsel an der Eingangstür unter dem breiten Dach nieder. Fürsten und Mannen v o n fern und nah eilen am Morgen herbei, um das Wunderwerk zu sehen und die blutige Spur des Schädlings zu verfolgen bis an den Sumpfsee, der v o m Blut des Sterbenden wallt. Sie preisen den Helden und Sieger, ohne aber, wie der Dichter hinzuzufügen nicht unterläßt, den trefflichen Hrothgar herabzusetzen. Als sie auf dem R ü c k w e g v o m Grendelmoor nach fröhlichem Wettritt ihre Rosse in ruhige Gangart bringen, stimmt ein Hofsänger ein improvisiertes Preislied auf Beowulf an, in dem er ihn dem berühmtesten Drachenbezwinger Sigemund an die Seite stellt und über Heremod erhebt, der eine große Hoffnung des Volkes gewesen sei, sich aber als grausamer Tyrann verhaßt gemacht habe. Hrothgar begibt sich mit seinen Mannen, die Königin mit ihren Frauen zur Halle. Als der K ö n i g Grendels Klaue erblickt, dankt er zuerst Gott, dann dem Retter, den er an Sohnes Statt annimmt und reich zu beschenken verspricht. Nun ist Unferth, der Spötter, schweigsam geworden. Die Halle wird gereinigt und geschmückt, das Siegesmahl beginnt. Der K ö n i g schenkt dem Sieger ein goldgesticktes Wams, einen Helm, eine Brünne, ein kostbares Schwert und dazu acht Rosse mit goldverziertem Geschirr, deren eines den kunstvollen Kriegssattel des Herrschers trägt. Auch Beowulfs Gefährten erhalten Gaben. Der Hofsänger des Dänenkönigs stimmt ein Lied an. E s ist der Sang v o n dem Überfall der Dänen in der Burg des Friesenkönigs Finn, der im Zusammenhang mit dem uns erhaltenen Bruchstück einer selbständigen Dichtung das vollendetste Beispiel eines germanischen Heldenliedes abgibt, ein Bild des Treueverhältnisses v o n Gefolgsherr und Gefolgsmann, des blutigen Kampfes zwischen Stammesführern, die durch Heirat Verwandte geworden sind, des tragischen Konflikts zwischen Rachepflicht und geschworenen Eiden, der Freude am Lärm der Schlachten und an herausfordernden Kampfreden, des Drängens einer kampfbereiten Jugend, der
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I. Germanentum
Klagen um die Gefallenen am Scheiterhaufen — alles mit dem Unterton wehmütiger Trauer in der Überzeugung, daß Freude sich immer in Sorge wandeln muß. Ist das Finnbruchstück neben unserm Hildebrandslied das einzige Beispiel des rhapsodischen kurzen Heldenliedes der Germanen, ein Sang voll Lebhaftigkeit und drängender Eile, zur Hälfte aus Reden bestehend, so stimmt der Sänger Hrothgars seine Leier mehr auf weiche Töne, auf malerische Beschreibung und allgemeine Betrachtung über die tragischen Konflikte der Hauptgestalten Hildeburh und Hengest, die uns an die Situation der wichtigsten Handlungsträger im zweiten Teil des Nibelungenliedes gemahnt; sein Vortrag ist „literarischer" als das wilde alte Lied. Nach dem Vortrag des Sängers nimmt der Festjubel seinen Fortgang. „. . . Beim herrlichen Mahle floß in Fülle der Wein . . ." Wealhtheow beglückwünscht ihren Gemahl mit Darreichung des Bechers und zeichnet Beowulf durch die Schenkung zweier Armspangen, eines Gewandes und eines kostbaren Halsreifs aus. So geht es mit Jubel und Ehrungen bis zur einbrechenden Nacht, zu der die dänischen Krieger nun wieder sorglos wie früher ihre Ruhestätte in der Halle bereiten, das Unheil nicht ahnend, das ihnen bevorsteht. Denn noch lebt ein Wesen, lifde sefter läfium, lange I>räge, aefter güöceare; Grendles mödor, ides äglxcwif yrmfie gemunde, sc {>e wxteregesan wunian scolde, cealde streamas, sifcöan Cäin weard tö ecgbanan ängan brewer, fxderenmxge. (1257—1263)
Den blutigen Fall des Bösen zu rächen, Den grimmigen Ausgang, Grendels Mutter. Es wurmte die Schmach das scheußliche Weib, Das die Wasserwüste bewohnen mußte, Die kalte Flut, seit Kain verübte Die arge Tat an dem einzigen Bruder, Dem Vatersippen.
Sie bricht in die Halle ein, wird aber entdeckt und von den Kriegern angegriffen. Flüchtend ergreift sie noch den alten Ratgeber und vertrauten Freund des Königs, Aeschere, tötet ihn auf seiner Lagerstätte, packt den ausgerissenen Arm ihres Sohnes und entkommt im Dunkel der Nacht. Der greise König ist außer sich vor Schmerz über den Verlust des treuen Höflings, läßt Beowulf, dem man ein besonderes Nachtquartier angewiesen hatte, zu sich entbieten und setzt ihn von dem leidvollen Nachtgeschehen in Kenntnis. Eine Rächerin in höllischer Gestalt sei da, Grendels Mutter, von der nun neue Fehde drohe. Schon oft hätten Landleute berichtet, es seien zwei gewaltige Wesen durch die Marken geschlichen, ein Mann und ein Weib von übermenschlicher Größe. Die schauerlich-unwirtliche Gegend, in der der Schlupfwinkel des Unholdpaares liegt, weiß der Dichter mit großer Eindruckskraft zu schildern. Hie dygel lond warigeaS wulfhleojm, windige nxssas, frecne fengelad, dxr fyrgenstream under nxssa genipu nifjer gewited, flod under foldan. Nis ]>xt feor heonon milgemearces, Jiaet se mere standed; ofer ¡>xm hongiad hrinde bearwas, wudu wyrtum fxst waiter oferhelmaS. J>sEr maeg nihta gehwxm nidwundor scon, fyr on flode. No f>xs frod leofad gumena bearna, tact J)one grund wite. Beah f>e hxdstapa hundum geswenced, heorot hornum trum holdwudu sece, feorran geflymed,
xr he feorh seled,
Die beiden bewohnten verborgene Winkel, Wo die Wölfe hausen, windige Klippen, das gräuliche Moor, wo des Gießbacns Unter finster umnebelten Felsen [Strom verschwindet, In der Erde Schlund. Nur einige Meilen Entfernt von hier ist der furchtbare Sumpf: Darüber hangen bereifte Haine, Die wurzelgefestet das Wasser beschatten. Dort sieht man allnächtlich ein seltsames Wunder. In der Flut ein Feuer; erforscht hat nie Ein Menschenkind dieses Moores Tiefe. Selbst der hornbewehrte Heidebewohner, Der Hirsch, der gehetzt vor den Hunden sich flüchtet Ins belaubte Gehölz, gibt sein Leben eher
Das Beow ulfepos aldor on öfre, ¡er hS in wille, hafelan [beorgan]; nis |)iet heoru stöw! {>onon yögeblond üp ästlgeö won tö wolcnum, f>onne wind styref) Iäfl gewidru, roderas reotaö.
od {>set lyft drysmaf), (1357—1376)
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Dahin am Gestad', eh sein Haupt er berge Im See, denn dort ist's selten geheuer. In Wirbeln steigt zu den Wolken oft Das Wasser empor, wenn der Wind herantreibt Die leid'gen Gewitter, die Luft sich verdunkelt, Und der Himmel weint.
Nur Beowulf kann helfen, und er ist sofort bereit: „Ne sorga, snotor guma I
Selre biö äEghwxm, l>aet he his freond wrece, fionne he fela Ore ieghylc sceal ende gebldan [murne. worolde lifes; wyrce se {>e möte dömes xr deaf>e; J>aet biö drihtguman unlifgendum sefter seiest. Aris, rices weard, uton hra{>e feran, Grendles mägan gang sceawigan. ic hit f>S gehäte: nö he on heim losaf), n6 on folman fasern, ne on fyrgenholt, ne on gyfenes grund, gä {«er he wille! Dys dögor |>ü gefiyld hafa w6ana gehwylces, swä ic f>e wene tö." (1384—1396)
„Laß fahren den Kummer,
mein kluger Fürst! Würdiger ist's für den wackeren Mann, Den Freund zu rächen, als viel zu klagen. Das Ende des Lebens ist allen gewiß, Drum leiste jeder, solange er kann, Tapfere Tat, daß den toten Helden Der nie verwelkende Nachruhm kröne. Auf, auf, mein Gebieterl Laß eilig uns folgen Der Spur des Weibs; ich verspreche dir's: Nicht im Schlünde der Flut, noch im Schoß der Erde, Noch im Waldesdickicht entwischt sie mir, Wohin sie auch flüchte. Ich hoffe, geduldig Trägst du den Harm noch am heutigen Tag."
An der Spitze seiner Krieger reitet der König hinaus in die Wildnis, der Spur der Unholdin folgend, über steile Abhänge, durch enge Pfade, an Behausungen der Wassertiere vorbei bis in das freudlose Gehölz, w o die Bäume über dem grauen Felsgestein hängen und das Wasser unter ihnen trübe und blutig steht. Entsetzen ergreift die Dänen, als sie Aescheres Haupt auf einer Klippe erblicken. Man läßt sich am Rande des Sees nieder, auf dem Schlangen und Drachen ihr Wesen treiben. Die riesigen Robben am Ufer stürzen wütend davon, als des Schlachthorns gellender Ton erschallt und Held Beowulf eine von ihnen mit einem Bogenschuß erlegt. Mit zwei hakenbesetzten Eberspießen ziehen die Mannen das Tier ans Land und bestaunen den grausigen Wicht. Nun legt Beowulf seine Rüstung an. Unferth kennt keinen Hohn mehr wie am Tage zuvor; da er selbst den Kampf nicht wagt, leiht er dem Gauten sein treffliches Schwert Hrunting. Beowulf empfiehlt seine treuen Gefährten der Huld des Königs, falls der Kampf ihn dahinraffe; die kostbaren Gaben möge man dem Hygelac senden, sein altes Schwert dem Unferth überlassen. Ohne die Gegenrede des Herrschers abzuwarten, taucht Beowulf tief hinab in die Flut, bis er den Grund erreicht. Das Meerweib stürzt ihm entgegen, packt ihn mit schrecklichem Griff und schleppt den wehrlosen, aber durch den guten Panzer geschützten Kämpfer, der von Wasserungetümen belästigt wird, in ihre Behausung, ein durch ein Feuer erhelltes Gewölbe, in das das Wasser nicht dringt. Nun erkennt er das scheußliche Moorweib, die Wölfin des Sumpfes, mit der er sich sofort auf Leben und Tod messen muß. Ein kraftvoller Schwertschlag gegen ihr Haupt versagt, er wirft das Schwert weg, packt sie bei der Schulter und wirft sie zu Boden. Es gelingt ihr aber, sich aufzurichten und Beowulf zu Fall zu bringen. Dem Stoß des Messers widersteht sein guter Panzer. In höchster Not erblickt er an der Wand ein altes Riesenschwert. Er ergreift es und erschlägt die unheimliche
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I. Germanentum
Gegnerin mit mächtigem Streiche. Froh seines Sieges, hält er in der Höhle Umschau; er sieht den toten Grendel, dem er mit dem Riesenschwert das Haupt vom Rumpfe trennt. Inzwischen haben Hrothgar und seine Mannen bemerkt, daß das Wasser des Sees sich vom Blute färbt. Sie fürchten, daß der Held erschlagen sei, und am Nachmittag kehrt der König mit seinen Dänen bekümmert nach Hause zurück. Nur die Gauten bleiben, selbst kaum noch auf die Rückkehr des Tapferen rechnend. Der aber vollendet noch schnell sein Werk: das Schwert schmilzt von dem heißen Blut des dämonischen Wesens wie ein Eiszapfen dahin. Er nimmt Grendels Haupt und den Griff des Riesenschwertes an sich und taucht wieder auf an die Wasseroberfläche. Jubelnd eilen ihm die Genossen entgegen, danken Gott, nehmen dem Sieggekrönten Helm und Panzer ab und machen sich mit ihm auf den Heimweg. Vier Männer können nur mit Mühe Grendels Haupt auf dem Speere bis in die Königshalle tragen, ein grausiger Anblick für die Krieger und die Königin. Beowulf erstattet dem Herrscher Bericht über seine Erlebnisse und überreicht den goldenen SchwertgrifF, auf dem der Kampf der Giganten mit Gott dargestellt und der Name des ersten Besitzers in Runenschrift eingegraben ist. Hrothgar nimmt das Wort zu einer langen Rede voller Mahnungen und moralischer Betrachtungen. Der junge Held solle stets Kraft und Weisheit vereinen, seinen Leuten ein treuer Helfer sein und nicht dem Beispiel Heremods folgen, den Gott über alle Menschen erhöhte, der sich aber dann als blutdürstiger Tyrann erwies und schließlich durch Vereinsamung und Verbannung seinen Lohn erhielt. Gottes Gnade macht gar oft einen Menschen zum Mächtigsten der Erde. Das bringt Segen und Erfolg, bis schließlich der Übermut wächst und der Mensch unter den Lockungen des Teufels habgierig wird, die schuldige Freigebigkeit vergißt, alt und gebrochen stirbt und nicht mehr erlebt, wie ein leichtsinniger Erbe die von dem Vater gesammelten Schätze vergeudet. Vor Übermut solle sich Beowulf immer hüten. Noch stehe er in der Fülle der Kraft; die Zeit aber werde kommen, wo Krankheit und Altersschwäche schließlich das Ende bringen. Er selbst, der König, habe in langer Regierungszeit sein Volk kraftvoll schützen können und gemeint, keinen Gegner zu haben, bis dann durch Grendel die Leidenszeit anbrach. Nun aber könne er beim Anblick des vor ihm liegenden blutigen Hauptes nur sein Dankgebet zum Himmel senden. Die Freuden des Mahles vereinen Dänen und Gauten bis zur sinkenden Nacht. Bei Tagesanbruch rüsten sich die Gauten zur Heimfahrt. Beowulf gibt dem Unferth das Schwert Hrunting mit Dankworten zurück und macht dem König seinen Abschiedsbesuch. Er dankt für die ehrenvolle Aufnahme und bietet seine Hilfe für jede künftige Not der Bedrohung an; auch sein König Hygelac werde zu Rat und Tat immer bereit sein. Sollte Hrothgars Sohn Hrethric an den Hof der Gauten kommen, so werde er dort Freunde finden. Wohlwollend lobt der König die bei einem jungen Mann nicht alltägliche Klugheit solcher Worte; Hygelac könne sich keinen besseren Thronerben wünschen, wenn er einmal aus dem Leben scheiden müsse. Der Herrscher überreicht dem Scheidenden Kleinodien, wünscht ihm Glück für die Fahrt, umarmt und küßt ihn unter Tränen; er kann seine Bewegung nicht mehr meistern. Das weitbauchige Schiff, beladen mit den reichen Gaben des Dänenfürsten, gelangt in flotter Fahrt in das heimatliche Gautenland, wo die Ankömmlinge nach kurzer Begrüßung durch den Hafenwart sogleich die Nähe der Königsburg aufsuchen, in der Hygelac mit seiner jugendlichen, klugen, hochsinnigen Gemahlin Hygd thront. Wie ganz anders war doch die stolze Modthryth einstmals, wie tückisch und gewalttätig 1 Kein Tapferer wagte das Auge auf sie zu werfen, weil es ihm sogleich Fesseln und Tod gebracht hätte. Es ist gegen alle Sitte, wenn eine Frau, und sei sie noch so schön, wegen vermeintlicher Kränkung einem ehrlichen Manne das Leben nimmt. Als die edel-
Das Beowulfepos
geborene Frau dann aber die Gattin des Angelnkönigs Offa wurde, ließ sie ab von ihren Gewalttaten, übte Wohltätigkeit und konnte sich eines langen, zufriedenen Lebens an der Seite des weisen und kampferprobten Fürsten erfreuen. Es ist Nachmittag, als die Heimgekehrten über das weite, sandige Gestade zur Burg schreiten, wo Beowulf den König ehrerbietig begrüßt und neben ihm Platz nimmt. Die junge Königin reicht den Leuten mit freudigem Zuspruch den Metbecher. Hygelac erbittet Bericht. Lange genug habe er gebangt, oft genug habe er von dem Unternehmen abgeraten. Nun aber freue er sich, den jungen Helden gesund vor sich zu sehen. Dieser erwähnt nur ganz kurz den Sieg über Grendel und die Befreiung der Dänen, nennt aber ausdrücklich die Ehrungen durch den Dänenkönig und seine Gattin. Auch die Königstochter Freawaru habe Trank und Kostbarkeiten gespendet. Durch ihr Verlöbnis mit Ingeld, dem heiteren Sohn des Heathobardenherrschers Froda, wünschte Hrothgar die endlosen Feindseligkeiten zu beenden. Aber kann, so fragt Beowulf, wirklich eine solche alte Fehde durch Verlöbnis und Heirat zur Ruhe kommen? Die Freundschaft zwischen den Heathobarden und Dänen dürfte kaum aufrichtig, der Friede kaum von langer Dauer sein. Nach dieser Abschweifung kehrt der Berichterstatter zu seinem Gegenstand zurück; mit breiter Ausführlichkeit wird uns der. Kampf gegen die beiden Sumpfungeheuer noch einmal vorgeführt Auf das Geheiß des Helden werden nun die Gaben in den Saal gebracht: Banner, Helm, Brustpanzer, das stattliche Schwert, vier apfelgraue Rosse. Das alles überreicht der Grendelsieger seinem König als Geschenk. Der Königin Hygd bietet er den prächtigen Halsreif, Wealhtheows Gabe, und drei schlanke Rosse mit kostbaren Sätteln. So krönt Beowulf seine Tapferkeit durch menschliche Tugenden, anders als jener jähzornige Heremod. König Hygelac lohnt es seinem treuen Gefolgsmann durch Überreichung des schönsten Schwertes im Gautenland und durch die Schenkung eines Hauses mit Hochsitz und 7000 Hufen Land. II. Teil. D e r D r a c h e n k a m p f . Hygelac und sein Sohn Heardred sind in Friesland im Kampf mit den Schweden gefallen, Beowulf ist Herrscher der Gauten geworden. Fünfzig Jahre lang hat er glücklich regiert, als plötzlich Unheil in das Reich einbricht. Ein flüchtiger Knecht suchte einmal Schutz in einer Höhle, in der ein Drache einen kostbaren Schatz hütete. Der Sprößling einer edlen Sippe hatte in grauer Vorzeit diesen Schatz in die Höhle gebracht, um ihn für den eigenen Genuß zu sichern. Als er vereinsamt und ohne Nachkommen starb, fand ein feuerspeiender Drache Zugang zu der Höhle; er blieb als Hüter des gewaltigen Hortes, ohne von seinem Besitz einen Nutzen zu haben. 3000 Jahre sind schon vergangen, und jetzt wird er während des Schlafes beraubt! Er entdeckt die Fußspur des Eindringlings, kann ihn selbst, als er wütend hinausstürzt, nicht finden. In der Nacht beginnt er das Rachewerk, das er sich ausgesonnen hat. Feuerspeiend entfacht er Brand ringsumher in den Gehöften der Landbewohner. Vor Tagesanbruch kehrt er in seine Höhle zurück, in den Nächten wütet er weiter. Auch Beowulfs herrlicher Wohnsitz wird ein Opfer der Flammen. Trauernd fragt der alte Fürst, ob er etwa den Zorn des Himmels durch Übertretung göttlicher Gebote auf sich gezogen habe. Dann aber beschließt er den Kampf gegen den Unhold. Allein, ohne die Hilfe seiner Mannen, will er den Drachen angreifen, nur durch einen eigens hierzu gefertigten eisernen Schild gedeckt, da ja der hölzerne gegen das Feuer des Untiers nicht schützen kann. Mit elf Gefährten zieht er zum Drachenkampf aus. Der unglückselige Knecht, der Urheber des Unheils, der ihm den geraubten Becher überbracht hat, muß jetzt gegen seinen Willen mit hinaus, um den Weg zu zeigen. Am Meeresstrand wird haltge-
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I. Germanentum
macht. Der greise Fürst, düsterer Ahnungen voll, entbietet seinen Getreuen einen Scheidegruß und läßt sein Leben noch einmal an seinem Auge vorüberziehen. Seiner Kindheit gedenkt er, die ihn mit sieben Jahren an den Hof seines königlichen Großvaters Hrethel führte, ebenso geliebt wie die Königsöhne selbst, Herebald, Haethcyn und Hygelac. Haethcyn tötete aus Ungeschick durch einen Pfeil den ältesten Bruder; der Gram brach dem Vater das Herz. Der neue König fiel durch das Schwert des Schwedenkönigs Ongentheow, der das Gautenland durch seine Söhne heimsuchen ließ, auf einem Rachezug der Gauten dann selbst kämpfen mußte und schließlich den Tod fand. Nach diesen Fehden war Hygelac Herrscher der Gauten, und nunmehr ist es schon seit mehr als fünfzig Jahren Beowulf. Immer hat er im Kampf in vorderster Linie gestanden; so will er nun als alter Kämpfer die Fehde für sein Volk bestehen. Keinen Fußbreit will er weichen, sondern bis zum letzten Hauch seinen Mann stehen, wie es das Schicksal bestimmt. Die Gefährten sollen zurückbleiben und abwarten. Aus der Höhle, der der König sich nähert, flutet feurige Lohe, die den Eintritt verwehrt. Mit lauter Stimme ruft er hinein. Der Drache stürzt wutentbrannt heraus, heißen Atem ausströmend, die Erde erzittert, Schrecken erfaßt beide Gegner, als sie sich mit den Augen messen. Aber mutig steht der Gautenfürst mit gezücktem Schwert und erhobenem Schild, als das Untier sich zusammenringelt, um feuerspeiend heranzuschießen. Ein kräftiger Schwertschlag gegen die harten Knochen versagt, reizt aber den Drachen zu verstärktem Feuer. Der erste Angriff Beowulfs ist mißlungen. Bald beginnt der neue Gang. Das Feuer läßt den mutigen Kämpfer schwer leiden; die Begleitmannen flüchten vor so gefährlicher Glut in den Wald. Nur einer bleibt zurück, von banger Sorge um den bedrängten Herrn erfüllt: Wiglaf, Weohstans Sohn, aus dem Fürstengeschlecht der Waegmundinge. Er ergreift Schild und Schwert, macht den Genossen, die doch beim Biergelage im Festsaal stets ihrem Herrn zum Dank für seine Gaben Beistand in Gefahr gelobt hätten und nun versagten, ernste Vorwürfe und eilt allein durch den tödlichen Qualm an die Seite des Kämpfenden, dem er aufmunternde Worte zuruft. Schon holt der Drache zum neuen Angriff aus. Der Schild des Jünglings verbrennt. Ein starker Schlag Beowulfs auf den Kopf des Drachen läßt Naegling, das gute Schwert, zersplittern; den wuchtigen Schwung seiner starken Hand hält auch das beste Schwert nicht aus. Zum dritten Mal greift das Untier an, packt den Helden am Hals, bis das Blut in Strömen herausstürzt. Jetzt ist Wiglafs Augenblick gekommen. Seine Hand ist in der Feuerglut verbrannt. Aber er kann dem Drachen an einer tieferen Körperstelle das Schwert in den Leib stoßen, so daß die Glut erlischt. Beowulf kann wieder Atem schöpfen und zerteilt den Wurm in der Mitte mit einem Dolch. Wiglaf hat den entscheidenden Streich geführt, der König gibt den Fangstoß, den letzten Schlag gegen den unheimlichen Gegner. Es sollte aber der letzte Sieg des alten Königs sein. Die Halswunde brennt und schwillt, in der Brust wirkt das Gift, er fühlt das Ende nahen. Der treue Wiglaf löst ihm den Helm und labt ihn mit Wasser. Den Sterbenden schmerzt der Gedanke, keinen Sohn und Erben zu haben. Er bittet den Gefährten, das goldene Geschmeide und die kostbaren Waffen aus der Höhle zu holen, altes Werk der Riesen, dessen Glanzstück ein wunderbares goldenes Banner ist. Der Todwunde schaut auf die Schätze, dankt Gott für diese letzte Freude und empfiehlt den Überlebenden die Sorge für sein Volk. Man solle seinen Leichnam verbrennen und auf einem Hügel ein ragendes Denkmal errichten, auf einem Vorgebirge am Walfischkap, das die Schiffer dann Beowulfsberg nennen werden. Ein letztes Wort noch an Wiglaf, eine Erinnerung an ihre gemeinsamen Ahnen; dann entweicht die Seele der Brust des Helden, um die Herrlichkeit der Gerechten aufzusuchen.
Das Bcowulfepos
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Schamerfüllt nahen sich jetzt die zehn pflichtvergessenen Gefährten der Stätte, wo Wiglaf sich vergeblich bemüht, den Herrn durch Besprengen mit Wasser ins Leben zurückzurufen. Er hält gramvoll den Feiglingen ihren Undank vor. Sie werden ihre Güter verlieren, wenn den Edlingen daheim ihr Verhalten bekannt wird; denn „dem Edelgeborenen ist lieber der Tod als ein Leben voll Schande". Ein Bote wird in die Burg gesandt. Er meldet den Ausgang des Kampfes in langer Ansprache. Man müsse auf kriegerische Zeiten gefaßt sein, sobald die Franken und Friesen Beowulfs Ende erführen, da ja beide Stämme seit Hygelacs Zug an den Niederrhein Haß und Feindschaft gegen die Gauten nährten. Auch von den Schweden sei nichts Gutes zu erwarten. Was Beowulf in seiner Abschiedsrede schon angedeutet hat, wird nun ausführlicher erzählt: die Kämpfe zur Zeit des alten Schwedenkönigs Ongentheow, die Schlacht am Rabenholze. Bisher habe der Ruf des toten Herrschers die Gefahren gebannt, jetzt aber müsse man der Zukunft mit Sorge entgegensehen. Noch einmal sollen die Mannen den toten Helden sehen und ihn dann mit dem so teuer erkauften Schatz dem Scheiterhaufen übergeben. Künftig aber wird Trauer sein. Gar mancher wird ins fremde Land, ins Elend wandern, gar mancher wird den kalten Speer ergreifen müssen; nicht der Harfe Klang wird die Degen erwecken, „nur der dunkle Rabe krächzt über Leichen und kündet dem Adler vom erwünschten Fraß, den der Wolf mit ihm teilte". Man zieht hinaus zur Adlerklippe, wo der tote König und der versengte Leichnam des Drachen liegen inmitten der Krüge, Becher, Schwerter und Schüsseln, die tausend Winter im Schoß der Erde ruhten. Der Fluch an dem Hort hat sich erfüllt. Wiglaf entbietet die letzten Grüße des Gefallenen, läßt die Bahre bereiten und Brandholz herbeischaffen. Er selbst holt mit zwei Helfern den Rest der Kostbarkeiten aus der Höhle. Der Drachenleib wird über die Klippe ins Wasser gestoßen, der tote Herrscher zur Walfischklippe getragen. Dort richtet man den Scheiterhaufen, der mit Schilden, Panzern und Helmen behängt wird. Alegdon ¿ä tömiddes mSrne f>eoden haeleö hiofende, hläford leofne. Ongunnon f>ä on beorge bälfyra miest wigend weccan;
wud(u)rec ästäh
sweart ofer swiodole, swögende leg wflpe bewunden — windblond gelseg —, oö Jjaet h6 flä bänhüs gebrocen hacfde hat on hreöre. Higum unröte mödceare mSndon, mondryhtnes cw(e)alm; swylce giömorgyd (s)io g(eö)meowle (aefter Biowulfe b)undenheorde (song) sorgcearig, ssede geneahhe, f>aet hio hyre (hearmda)gas hearde (ondre)de, wadfylla worn, (wigen)des egesan, hy[nJöo (ond) h(seftny)d. Geworhton öä hl(iew) on [h]liöe,
Heofon r6ce swe(a)lg. Wedra läode se waes h8ah ond bräd,
Dann legten sie trauernd den teuren Herrn In des Holzes Mitte, den herrlichen König. Nun ward von den Männern ein mächtiges Feuer Auf dem Berge entfacht, und brauner Qualm, Vom Klagegeschrei der Krieger begleitet, Stieg gekräuselt empor aus der.knisternden Lohe In den stillen Äther —, die sterbliche Hülle War hurtig verzehrt von den heißen Gluten. Dann erhoben aufs neu' ob des Herrschers Verlust Ihren Wehruf die Männer; die Witwe auch, Der geschlungene Flechten die Schläfe umkränzten, Beklagte den Gatten, die kummervolle: Ihr schwan' es, sprach sie, von schweren Zeiten, Von Gemetzel und Mord, von mächtiger Feinde Schrecklichem Wüten, von Schmach und Gefängnis. — Nun verflog der Rauch in die Femen des Himmels. Es wölbten ntin der Wettermark Leute
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I. Germanentum
(ws)gliòendum Wide g(e)syne, ond betimbredon on tyn dagum beaduröfes bScn, bronda läfe wealle beworhton,
swä hyt weordlicost
foresnotre men findan mihton. Hl on beorg dydon big ond siglu, eall swylce hyrsta, swylce on horde ¡er niöhSdige men genumen hsefdon; forleton eorla gestrSon eoröan healdan, gold on gr6ote, t>äer hit nü g8n lifaö eldum swä unnyt, swä hi(t xro)r wses. |>a ymbe hüew riodan
hildedsore,
asfielinga bearn, ealra twelfe, woldon (care) cwiöan, [ond] kyning mSnan, wordgyd wrecan, ona ymb w(er) sprecan ; eahtodan eorlscipe ond his ellenweorc duguöum demdon, swä hit gedé(fe) bid, J>aet mon his winedryhten wordum herge, ferhdum freoge, Jionne h§ forö seile of lichaman (lieded) weoröan. Swä begnorndon Geata léode hläfordes (hry)re, heorögenSatas ; cwüdon f)£et hé wsere manna mildust leodum liöost
wyruldcyning[a]
ond mon(dw)serus):, ond lofgeornost. (3141—3182)
Den Hügel am Abhang, gar hoch und breit Und weithin sichtbar den Wogenfahrern. In der Frist von zehn Tagen war fertig das Werk, Des Ruhmreichen Mal. Die Reste des Brandes Umschloß der Wall, so schien es würdig Den weisen Männern. Das weite Grab Nahm auch Ringe und Schmuck und Rüstungen auf, Den ganzen Schatz, den gierige Krieger Dereinst erbeutet: die Erde empfing Das rote Gold — dort ruht es noch jetzt, So unnütz den Menschen, wie's immer gewesen. Dann umritten den Hügel die rüstigen Helden, Der Edlinge zwölf, die nach altem Brauch In Liedern sangen die Leichenklage Und den König priesen. Die kühnen Taten Rühmten sie laut und sein ritterlich Wesen, In Wort und Spruch sein Wirken ehrend In geziemender Weise. Das ziert den Mann, Den geliebten Herrn durch Lob zu erhöh'n In treuem Sinn, wenn des Todes Hand Aus des Leibes Hülle erlöst die Seele. — So klagten jammernd die Krieger der Jüten Um des Brotherrn Heimgang, die Bankgenossen, Der am höchsten stand von den Herrschern der Erde Als gütiger Geber, als gnädigster Fürst, Seinen Recken ein Freund und auf Ruhm nur sinnencL
In fast 3200 Versen wird diese Märe vor uns entrollt, ein Buchepos, nicht mehr wie in den Anfängen v o m Hofdichter — dem Skop oder Schöpfer — frei vorgetragen oder zur Harfe gesungen, sondern von dem Kleriker gelesen; kein echtes Volksepos weltlicher Spielleute wie unser Nibelungen- oder Gudrunlied, wie das französische Rolandslied, keine reichbewegte und in kunstvoller Geschlossenheit zusammengehaltene Fülle wie in den Epen Homers. Der A u f b a u erscheint lose und wenig geliedert: die beiden A k t e des Dramas, der Grendelkampf des jungen und der Drachenampf des alten Helden, stehen auf den ersten Blick unverbunden nebeneinander, sind aber doch geeint durch die Person des Helden und die beständigen Rück- oder Ausblicke auf die germanische Welt. Die Erzählung der Haupttaten verrät eine durchaus beabsichtigte Ökonomie des Aufbaus: zuerst der knapp beschriebene Grendelkampf, dann die eingehendere Schauplatzschilderung des Kampfes mit der Grendelin, schließlich die breit entfaltete Darstellung der Überwindung des übermenschlichen Fabeltieres, das den Hort hütet. Das mehr als die Hälfte der Verse füllende Rankenwerk der Anspielungen und Episoden bringt eine stoffliche Fülle und die immer lebendige Erinnerung an die Heldentaten der Vorfahren, der schlichte und übersichtliche A u f b a u gibt die Ordnung ab. In diesem Rankenwerk erleben wir die Stimmungen und Konflikte der alten Recken und Sippen noch mehr als in der Haupthandlung, die
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Das Beowulfepos
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ja um das Abenteuer zweier Trollengeschichten kreist und damit von menschlich erschütternder Tragik nichts zu melden hat. Der geistliche Dichter wollte eben einen Landbefreier, einen Kämpfer gegen Teufelsspuk verherrlichen und damit das Wesen des christlichen Streiters, des Kampfes des Lichtes gegen die Finsternis,leichter unterbauen. Aber er mindert nicht den Wert der sittlichen Ideale des alten Heidentums: Tapferkeit, kalte Begegnung mit dem Tode, Gefolgschaftstreue, Pflicht des Herrschers zu Belohnung und Freigebigkeit, Sippenbewußtsein und Blutrache. Es sind einfache, klar umrissene Charaktere, deren Seelenleben keiner psychologischen Feinkunst bedarf, aber Menschen von erhabenem sittlichem Pathos. Heldentum ist sittliches Ideal. Sein Preis im Liede des Sängers ist nicht schöner Zeitvertreib, sondern immer wiederholte Erinnerung an Beispiele männlicher Tugenden, eines Menschentums von fast übermenschlichen Ausmaßen. Wir hören nichts vom Alltagsleben der Bauern und Fischer, wie so oft in den isländischen Sagas; es ist eine rein aristokratische Welt, von der dies entsagungsvolle Heldentum gefordert wird. Kampf ist die höchste Bewährung des Mannes, der Herrscher ist der Beste; seine Stärke und Gewandtheit des Körpers, sein hoher Sinn und seine Klugheit, seine freigebige Belohnung der Leistung sind Entgelt für Treue und Einsatz. Ic }>ä leode wät g8 wiö freond feste geworhte, ighwats untiele ealde wisan. (1863—1865)
gS wiö fSond
. . . Der schwankende Sinn Ist fremd meinem Volk: in der Freundschaft beständig Und im Hasse zäh, das ist Heldenweise.
Die Frage von Schuld und Sühne beschwert den heidnischen Menschen nicht. Ein übermächtiges Schicksal waltet über ihm, dem er sich zu fügen hat: „Man wehrt nicht dem Schicksall" Wyrd, die Schicksalsgöttin — das Wort hängt mit dem lateinischen .vettere', wenden, drehen zusammen —, steht vor dem Drachenkampf schon dräuend hinter Beowulf, Wyrd läßt den ersten Schwertstreich gegen das Untier versagen. Das Leben des Menschen steht unter einem harten Gesetz, das dem einzelnen durch überpersönliche Mächte vorgeschrieben wird. Es ist aber nicht ein blindwaltendes Schicksal, nicht Zufall oder orientalisches Fatum; es ist die Gesetzmäßigkeit der Anlage — „So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen", wie es bei Goethe heißt — und steht im Einklang mit der Persönlichkeit, die aus ihrem Wesen heraus Glück oder Unglück wirken kann. Dem germanischen Schicksalsgedanken haftet nichts von stumpfer Hingabe an das Unabänderliche, nichts von Fatalismus an; die spätere Frage nach der Freiheit oder Unfreiheit des Willens besteht nicht. Der Mensch kann nur seiner Art gemäß handeln, nur nach höchster Entfaltung seiner Veranlagung streben, es gibt kein Entweder-Oder. Deshalb bejaht er sein Schicksal, auch wenn es ihm schwer auf der Seele liegt. Er weiß, daß er seinem persönlichen Gesetz gehorchen muß, also seinem eigenen, nicht jedermanns Schicksal, nicht einem Einmaligen, sondern einem ewigen Werden, das von dem einzelnen dann in das große Weltschicksal — die Wyrd — einmündet. Das ist der letzte Sinn des germanischen Heldenideals: eine nie aufhörende Entfaltung der anlagemäßigen Kräfte in einer sinnvoll angelegten Welt, Untergang im Siege, Durchgang zu einem reicheren, höheren Leben im bewundernden und dankbaren Gedenken späterer Geschlechter. Dies ist der Sinn des Nachruhmes, der des Kämpfers höchstes Ziel ist. So kündet es ein berühmtes Wort der Edda: Besitz stirbt, Sippen sterben, du selbst stirbst wie sie; eins weiß ich, das ewig lebt: des Toten Tatenruhm.
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Und ebenso in unserm Epos: Orc seghwylc sceal ende gebidan worolde lifes; wyrce sB {je möte dömes xr dfajje; t>xt biö drihtguman unlifgendum xfter seiest. (1386—1389)
Das Ende des Lebens ist allen gewiß, Drum leiste jeder, solange er kann, Tapfere Tat, daß den toten Helden Der nie verwelkende Nachruhm kröne.
Die feigen Gefährten, die Beowulf in der letzten Not im Stich lassen, haben ihre Ehre und Bestimmung verwirkt, weil ihr Andenken in Schande fortleben wird. Nicht weltliche Ruhmsucht ist gemeint, sondern die Zuversicht eines Weiterlebens des Namens bei späteren Geschlechtern. Das Sippengefühl gipfelt im Ahnendienst, aus dem die Urkräfte quellen. Das Grab soll ein Hügel sein, von dem aus der in eine andre Welt Entrückte Ausschau halten und die Lebenden mahnen kann als kraftspendender Mittelpunkt. Das verpflichtet die Sippe auch zur Rache. Aus diesen Gefühlen werden in der Seele des Helden vor einem gefährlichen Kampf immer wieder die verpflichtenden Bilder der Vorfahren wach, darum hütet er treu das ererbte und kostbar verzierte Schwert. Die Tat allein wird für oder gegen ihn zeugen. Wer sein Leben einsetzt für Dienst und Treue, besiegelt es mit der Seinsgewißheit; Ichbewußtsein und Gemeinschaftsgefühl gehen einen Bund ein, die Person des Fürsten insbesondere ist die zusammenhaltende Kraft. Ein Staatsbewußtsein im Sinne der organisierten Rechtsgemeinschaft, wie es für Rom und die neulateinischen Völker bezeichnend ist, kannte der Germane nicht. Die römische Welt geht vom Staat aus, die germanische von dem freien, führenden Mann; „Sippen-Mann" bedeutet ja das Wort König, englisch ,king', im Gegensatz zu dem lateinischen ,rex', dem „Lenker" einer organisierten Gemeinschaft. Das Ideal der Volksführung war also ganz persönlich empfunden. Diese hohe Ethik hat der christliche Nachdichter unberührt gelassen. Wir hören von dem allgewaltigen Schöpfer und Lenker, von Satan und der Hölle, von Kain, von dem Tage des Gerichts. Der Dichter meldet aber nichts von Christus, dem Kreuz des Erlösers, von Heiligen und ewiger Seligkeit, von Kirche und Messe; kein „Liebet eure Feinde", sondern Wiedervergeltung, die als Recht selbst der Grendelmutter zugestanden wird: er beschränkt sich auf den Gegensatz Gott und Teufel. Grendels Sippe ist aus Kains Geschlecht, neidisch auf das fröhliche Treiben in Heorot, seine grausige Behausung strahlt höllischen Schrecken aus, und auch der feuerspeiende und durch die Luft fliegende Drache zeigt teuflische Eigenschaften. Der seine Mission erfüllende Überwinder des Bösen wird durch Opferbereitschaft Befreier seines Volkes und Vollstrecker des göttlichen Willens. Der Dichter mildert gewiß in den moralisierenden Reden oft genug die Härte der Urgefühle; aber er ist ein Freund des heidnischen Reckentums und läßt den Grundempfindungen ihre sittliche Größe. Darum nimmt er auch keinen Anstoß an den heidnischen Gebräuchen. Die Zerstörung des Leibes durch Leichenverbrennung war gegen das christliche Gebot. Unser geistlicher Verfasser aber rührt nicht an der aus neolithischer Zeit stammenden, im Bronzezeitalter ausgebreiteten, ihrem Sinne nach aber bereits verblaßten Sitte, nach der der Leib zerstört werden muß, damit die Seele schneller für Walhall frei werden und mit den in das Grab gelegten Schätzen in das Totenreich enteilen kann. Er malt mit der Freude des Gestalters das Bild aus, den geschmückten Scheiterhaufen, die mächtig lodernde Flamme und den braunen Qualm, die klagende Gattin mit dem Kranz geschlungener Flechten an den Schläfen, die wehklagenden Krieger. Er kennt die zur Vorbereitung auf die Stunde der Bewährung dienende Jagd- und Waffenübung, das Wettrennen und Wettschwimmen, er verweilt mit Behagen bei der Schilderung des Trinkgelages mit seinem feinen Zeremoniell, mit edler Frauensitte, mit Harfenklang und Liedvortrag. Die skandinavische Überlieferung altgermanischen Brauchtums weicht in vielen Einzelzügen ab. Es ist national-angelsächsische Kultur, wie ja auch die melan-
Das Beowulfepos
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cholische, bisweilen geradezu rührselige und moralisierende Grundstimmung englisch und nicht gemeingermanisch ist, englisch wie die Elegien, die Stimmung einer Landschaft des Nebels und der Schwere. Für einen Vortrag von solcher Länge und Massigkeit entwickelten die englischen Buchepiker auch eine andre Form als die nordischen Skalden in den getragenen, oft sangbaren Strophen der eddischen Lieder. Die rhythmisch in zwei Halbversen aufgebaute Langzeile entspricht dem stattlichen Fluß der epischen Beredsamkeit, wobei aas Übergreifen des Satzes über die Zeilengrenze die Gefahr der Eintönigkeit bannt und ein wogendes Strömen der Rede ermöglicht. Man spricht von Bogen- oder Hakenstiltechnik. Sie läßt keinen Ruhepunkt, sondern drängt unaufhörlich weiter. Die altenglische Formkunst hebt sich hierdurch deutlich von der unsres Hildebrandsliedes ab, in dem Vers- und Satzbau parallel laufen. Man mag daran denken, daß auch in der ornamentalen Kunst der Bronzezeit die Bewegungsmotive des Kreises und der Spirale den germanischen Formwillen bestimmen und daß Bodenfunde aus späterer Zeit die fortlaufende Wellenlinie, also eine sich immer wieder antreibende Bewegung, als Ausdruck der Dynamik zeigen. Der Charakter des germanischen Verses ist durch die Zahl der Hebungen bestimmt, um die sich die schwachtonigen Silben willkürlich verteilen. Er kennt kein Silbenzählen und ist deshalb auch nicht sangbar im modernen Sinne, sondern von abwechselndem, bald schnellerem, bald langsamerem Gang. Der Stabreim hält die Langzeile als metrische Einheit zusammen, also der Gleichklang des Anfanges der herausgehobenen Worte; völliger Gleichklang bei konsonantischem Anlaut, während die Vokale im Anlaut untereinander staben oder richtiger das in der alten Sprache noch vorhandene, auch der heutigen Sprache des Norddeutschen eigentümliche „Knackgeräusch" bei vokalischem Wortbeginn: Hwaet, w8 Gär-Dena in geardagum t>Sodcyninga |>rym gefrünon, hü flä sef)eüngas
eller. fremedonl
(1—3)
Denkwürdiger Taten von Dänenhelden Ward uns viel fürwahr aus der Vorzeit berichtet, Wie Könige kühn ihre Kraft erprobten.
Der Halbvers hat das Grundmaß von zwei langen Takten, die gemäß dem musikalischen Schema der ganzen, halben, Viertel-, Achtel- oder Sechzehntelnote eine schwere, wuchtige oder eine unruhig stürmende Wortfüllung, dazu auch Auftakt haben können; die Silbenzahl, also die Art der Taktfüllung, spielt keine Rolle, die Taktdauer allein gibt Maß und Freiheit:
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0
1 r r r1r r * \ r r > \
leof leodcyning (der liebeVolkskönig
longe lange
i>räge Zeit)
« r 1 r r r r 1 r *r 1 r r r r i r gewiton him {» feran, (nun brachen sie auf.
»«i
flota stille bäd, Das Boot blieb liegen)
• r ir r CJ* 1 r rä faehöe wrasc,
t>S J>ü gystran niht Grendel cwealdest frurh häEstne häd heardum clammum, fortan he tö lange leode mine wanode ond wyrde." (1321—1337)
Des Raubes sich rühmend.
Sie rächte blutig, Daß du gestern Nacht Grendel getötet In heißem Kampfe mit hartem Faustgriff, Weil er gar zu lang meiner Leute Schar Mordend gemindert."
D e r herbe Staccato-Ton der konkreten, bilderlosen Sprache w i r k t überzeugend und erschütternd in dem M u n d e des alten Herrschers, d e m k a u m mehr als ein schmerzvolles Stöhnen über die L i p p e n k o m m t und dem sofort die Erinnerung an Gespräche mit d e m getöteten Berater und an Kampferlebnisse v o r die Seele tritt. E s ist ein v ö l l i g anderer Bereich der Poesie als der, in dem H o m e r lebt. M a n vergleiche etwa die Szene aus d e m 24. G e s a n g der „ I l i a s " (469—5 06), in der der T r o e r k ö n i g Priamus den Achilleus aufsucht, u m die Leiche Hektors loszukaufen, und die H a n d küßt, die seinen Sohn erschlagen hat: . . . Priamos sprang vom Rossegeschirr auf die Erde, Und den Idaios ließ er daselbst, daß bleibend der Herold Roß und Mäuler bewahrt'; er wandelte grad' in die Wohnung, Dort, w o Achilleus saß, der Göttliche. Jenen daheim nun Fand er; es saßen getrennt die Seinigen; aber allein zween, Held Automedon nur und Alkimos, Sprößling des Ares, Dieneten jenem, gesellt; er ruhete kaum von der Mahlzeit, Satt der Speis und des Tranks, und vor ihm stand noch die Tafel. Jetzo trat unbemerkt der erhabene Greis in die Wohnung, Naht' und umschlang dem Peleiden die Knie* und küßte die Hände, Ach, die entsetzlichen Würger, die viel' der Söhn' ihm gemordet! Wie wenn ein Mann, belastet mit Blutschuld, der in der Heimat Einen Bürger erschlug, zum anderen Volke sich rettet In des Begüterten Haus, und erstaunt ihn jeder betrachtet: Also staunt' Achilleus, den göttlichen Priamos schauend. Auch die anderen staunten und sahn einander ins Antlitz. Aber flehend begann der erhabene Priamos also: .Deines Vaters gedenk, o göttergleicher Achilleus, Sein, des Bejahrten, wie ich, an der traurigen Schwelle des Alters! Und vielleicht, daß jenen auch rings umwohnende Völker Drängen, und niemand ist, ihm Jammer und Weh zu entfernen. Jener indes, so oft er von dir, dem Lebenden, höret, Freut er sich innig im Geist und hofft von Tage zu Tage, Daß er den trautesten Sohn noch seh' heimkehren von Troja. Ich unseliger Mannl die tapfersten Söhn' erzeugt' ich Weit im Troergebiet, und nun ist keiner mir übrig I Fünfzig hatt' ich der Söhn', als Argos' Menge daherzog; Ihrer neunzehn wurden aus e i n e m Schoß mir geboren, Aber die anderen zeugt' ich mit Nebenfrau'n in der Wohnung. Vielen davon zwar löste der stürmende Ares die Glieder; Doch der mein einziger war, der die Stadt und uns alle beschirmte, Den jüngst tötetest du, da er kämpfte den Kampf für die Heimat, Hektor. Drum nun komm' ich herab zu den Schiffen Achaias, Ihn zu erkaufen von dir, und bring' unendliche Lösung. Scheue die Götter demnach, o Peleid', und erbarme dich meiner. Denkend des eigenen Vaters 1 Ich bin noch werter des Mitleids; Duld' ich doch, was sonst kein sterblicher Erdebewohner: Ach, die die Kinder getötet, die Hand an die Lippe zu drücken I' 2'
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Homer erzählt in epischer Breite den Vorgang mit allen Nebenumständen, mit verdeutlichendem und die Situation steigerndem Gleichnis, mit Schilderung der erhabenen Gestalten, mit Ausmalung der Gefühle des um das Glück seines Alters betrogenen Greises. Es ist ein weicherer, melodischer Legato-Ton, der mehr anschaulich als nachdrucksstark wirkt und die rauhe Herbheit des die Gefühle nach innen drängenden Germanen nicht kennt. Der angelsächsische Dichter ist erfüllt von seinem Gegenstand; er kommt nicht los von ihm, sondern sucht immer eine neue Seite zu beleuchten, drängend und abschwellend wie die Woge des Meeres. Es sind immer die Haupt- und Eigenschaftswörter, nicht die Zeitwörter, ein Zeichen für das gegenständliche, der Sache oder Person und nicht dem Vorgang zugewandte Denken der Germanen. Der französische Literarhistoriker Jusserand hat einmal gesagt, die angelsächsische Dichtung im allgemeinen sei wie die Saone, bei deren Anblick man nicht wisse, nach welcher Richtung sie fließe. Das Urteil ist richtig, wenn nicht die oft drängende Handlung, sondern die schwerblütige, durch Kunstmittel des Verweilens geschilderte Stimmimg gemeint ist. Das Hauptformelement der Dichtersprache ist die sogenannte Kenning, die den Hörer zu tätiger Mitarbeit aufruft. Wenn wir Gerstensaft, Rebenblut, Dampfroß sagen, so haben wir die germanische Stilform bewahrt; keine Ablösung des Bildes von der Sache, sondern ein Ineinanderfließen der immer im Bereich des Sinnlich-Konkreten bleibenden Vorstellungen, aus dem der Begriff als Auflösung eines Rätsels gewonnen werden muß: Wogenroß, Seeroß, Wogenhengst für Schiff, Walfischstraße, Schwanenstraße, Segelstraße für Meer, Glutschild Gottes für Sonne, Brusthort für Gemüt, Bierberaubung für Trübsal,'den Hort der Rede erschließen für: das Wort ergreifen, die Streitrune lösen für: den Streit beginnen. Der Dichter glaubt dem wichtigen Eindruck nicht genug tun zu können und verweilt bei ihm, um dann an anderen Stellen wieder sprunghaft weiterschreiten zu können und das Dazwischenliegende erraten zu lassen. Grendels unheimliche Annäherimg ist erregend, dreimal kurz hintereinander müssen wir sie hören: . . . Com on wanre niht scriöan sceadugenga. ScSotend swsefon.
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Da com of möre under misthleo|)um Grendel gongan, Godes yrre bser. (710) Cöm f>ä to recede rinc sidian drSamum bedSled. . . . (720)
. . . Im Dunkel nahte Der Schattenwandler.
Es schliefen die Krieger. Es nahte also, vom Nebel verhüllt, Grendel vom Moore her, der gottverfluchte. So kam zum Hause der heillose Frevler heran. . . .
Grelle Schlaglichter, hastig hingeworfene drastische Züge begleiten das Getümmel der Kämpfe, eine Erinnerung an frühere Vorgänge wird lückenhaft erzählt und dann später verknüpfend ergänzt, Abschweifungen und allgemeine Betrachtungen unterbrechen die Handlung, die dann mit neu aufrüttelnder Wucht wieder einsetzt. Das alles ist ein Stil des Nachdrucks, der Unruhe und Erregung, die sich dem Hörer mitteilt, es ist Leben in den Gestalten und Begebenheiten, eine erhabene Poesie eigener Prägung. Das große Pathos der Vortragsform, in dem glühende Leidenschaft und eine gewisse Schwerfälligkeit sich paaren, entspricht dem stofflichen Gehalt, dem ernstsinnigen heldischen Einsatz, und die dahinter fühlbare Weichheit des altenglischen Gemüts läßt das zunehmende Erlahmen der kriegerischen und politischen Widerstandsfähigkeit ahnen, an dem schließlich das Angelsachsentum gegenüber dem normannischen Ansturm zerbrach.
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II. Vorspiel der Renaissance i. Chaucers
Canterbury-Geschichten
Die Schlacht bei Hastings (1066), in der ihr letzter König fiel, zog den Schlußstrich unter die Herrschaft der Angelsachsen. Die Geschichte der abendländischen Völker bietet kein zweites Beispiel eines so vollständigen Bruches mit der staatlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Vergangenheit. Ein französischer Herzog wurde König, London seine Hauptstadt an Stelle der alten Residenz Winchester, französische Adlige übernahmen den Grundbesitz als Kronlehnsträger, während „sächsische" Herren nur als Aftervasallen zugelassen wurden, alle höheren Berufe kamen in die Hände der Fremden. Das Französische in der Form der normannischen Mundart wurde die Sprache der höheren Kreise, das selbständige alte Kulturleben hörte auf. Die Eroberer brachten eine sich gerade zur Blüte entfaltende ritterliche Dichtung mit, die unter der anfeuernden Wirkung der großen Waffentat um so lebhafter zu blühen begann. An den Hof Heinrichs II. (xi}4—89), der die geschiedene Gemahlin des französischen Königs geheiratet hatte, kamen nicht nur französische, sondern auch provenzalische Dichter. Eine heimische Volkspoesie lebte zwar weiter, kam aber erst langsam und auch dann nur in Resten wieder ans Tageslicht. Die Eroberung war nicht nur politisch, sondern auch kulturell vollständig; eine ritterliche Kultur trat an die Stelle der altermanischen. In den Klöstern wurden nur das Lateinische und Französische als interrichtssprachen und nur normannische Lehrer zugelassen; das war der heftigste Schlag gegen die Träger der alten Bildung. Es spricht aber für die Gründlichkeit und Tiefe dieser alten Bildung, wenn sie diesen Schlag letzthin doch überwand und ihre Sinnesart in eine spätere Zeit hinüberretten konnte. Aus der Verbindung der normannischen Herzogs- und der englischen Königswürde erwuchs eine natürliche Gegnerschaft; daß einer seiner Vasallen mächtiger wurde als er selbst, konnte dem König von Frankreich nicht gleichgültig bleiben. Auseinandersetzungen waren die Folge. Eine Erweiterung der Herrschaft auf der Insel, etwa eine Ausdehnung auf Schottland, Wales und Irland, konnte vorläufig nicht Ziel der neuen Dynastie sein. In Schottland bildete sich im 11. Jahrhundert ein eigenes Königtum als Zusammenfassung der Stämme, ein Zufluchtsort zahlreicher flüchtiger Angelsachsen nach der Eroberung. Ein kluger Gesellschaftsaufbau beugte in England einer kastenmäßigen Abschließung des Adels vor: nur die „Barones majores" gehörten zu dem wichtigsten Regierungsorgan, der „Curia regis", die mit dem Anspruch einer Vertretung der Nation das Erbe des altenglischen Rates der Weisen (Witena gemot) antrat, während die „Barones minores" an die Seite des städtischen Bürgertums rückten, das aus der Verbindung mit dem Festland wirtschaftlichen Nutzen zog und neben der Feudalgesellschaft an Bedeutung zunahm. Die spätere soziale Scheidung von ,nobility' und ,gentry' wird hier bereits sichtbar. Die Nachfolger Wilhelms des Eroberers verstanden es mit dem staatsbildenden Geschick, das die Normannen auszeichnete, längere Zeit, den Ausgleich der Interessen zwischen dem Inselland und Frankreich sowie zwischen der Krone und den Baronen zu finden, und Heinrich II., der erste Herrscher aus dem Hause Anjou-Plantagenet, betrieb energisch eine Art Imperiumspolitik, bis die Ermordung des Erzbischofs Thomas Becket durch einige Barone einen großen Sieg der Kirche und eine Demütigung des Königs brachte. Seine Söhne zerstörten vollends, was er begonnen hatte. Richard I. Löwenherz, mehr fahrender Ritter als König und in England nur zu kurzen Besuchen anwesend, war nach Sprache und Denkart französisch. Die Willkürherrschaft seines Bruders Johann ohne Land brachte den Streit mit Frankreich zum Austrag, er endete mit dem Verlust der Normandie. Nach einem bald danach erlassenen Gesetz,
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II. Vorspiel der Renaissance
das den gleichzeitigen Grundbesitz in Frankreich und England verbot, mußte sich jeder Adlige entscheiden, ob er Engländer oder Franzose sein wollte. Die führenden Kreise wurden also zu einem ihnen bisher fremden Heimatgefühl in England und an die Seite der eingesessenen Bevölkerung gedrängt. Macaulay hat deshalb die charakterliche und staatsmännische Schwäche Johannes als Segen für England gedeutet, das durch ihn vor dem Schicksal bewahrt blieb, lediglich ein Teil des großen französischen Reiches zu werden, und nun seiner eigentlichen Entfaltung leben konnte. „Hier beginnt", so sagt Macaulay, „die Geschichte der englischen Nation. . . . Zur Zeit Richards I. war das übliche Fluchwort eines normannischen Edelmannes: Daß ich doch ein Engländer würde! Und eine Ablehnung unterstrich er gerne mit der unwilligen Frage: Hältst du mich etwa für einen Engländer? Schon ein Jahrhundert später aber war sein Nachkomme stolz auf den englischen Namen." Walter Scotts Roman „Ivanhoe" (vgl. S. 320) vermittelt ein farbenreiches Bild des Gegensatzes zwischen dem selbstbewußten, grollenden Angelsachsentum und den fremden Herren, zwischen fast feindlichen Völkern auf dem heimischen Boden. Die stärkste Wirkung der nunmehr beginnenden Insularität offenbart sich in der Formung der Sprache, die in ihrem Aufbau und Beziehungsausdruck bis heute germanisch geblieben ist, durch den ungeheuren Zuwachs im Wortschatz aus romanischem Bestand aber einen Mischcharakter gewonnen hat und zu einem Reichtum gelangt ist, der alle uns nahestehenden Sprachen weit übertrifft. Der Verlust der Beugungen und gleichzeitig damit die streng logische Wortordnung scheiden diese neue Sprache von der klanglich farbenreicheren und dynamisch vielgestaltigeren alten. Das anglisierte Französisch war mehr und mehr Schul- und Gesellschaftssprache ohne Zusammenhang mit der Rede des Volkes geworden; es war kein Französisch von Paris mehr, wie es von der Priorin in Chaucers Canterbury-Geschichten heißt. Sprachmischung, Volkwerdung, Erwachen des Nationalgefühls gehen Hand in Hand als wichtigster Vorgang der drei auf die normannische Eroberung folgenden Jahrhunderte. Das Französische verlor an Reinheit, gab aber dafür in der Begriffssphäre sehr viel an das Englische ab. Im 14. Jahrhundert trugen Edwards III. glänzende Siege im ersten Stadium des Hundertjährigen Krieges viel zur Steigerung des Nationalgefühls bei. In den Lateinschulen trat das Englische an die Stelle des Französischen als Unterrichtssprache. Im Jahre 1362 wurde das Englische als Verhandlungssprache vor Gericht eingeführt — das Französische galt bereits als „zu wenig bekannt" — und in demselben Jahre das Parlament mit einer englischen Rede eröffnet. Das war also in der Zeit, als Chaucer auftrat; zur Zeit seines Todes (1400) ist der Kampf der beiden Sprachen im wesentlichen entschieden zugunsten der in ihrer Gestalt gewandelten einheimischen Zunge, die jetzt wieder die Sprache des ganzen Volkes ist. Daß das Anglo-Französische sich daneben noch ein Jahrhundert lang als Umgangssprache der höheren Kreise hielt, ist ohne tiefere Bedeutung. Das Dichten und Denken der Angelsachsen war ernst und schwerblütig, wie uns der Beowulf gezeigt hat. Die Normannen stimmten das Rolandslied an, als sie bei Hastings in die Schlacht zogen; „Der Taillefer sang und schürte das Feuer gut", heißt es in Uhlands bekannter Ballade. Damit ist symbolhaft der Einzug einer neuen Geistigkeit bezeichnet: England wird mit der romanischen Welt verknüpft, südliche Helle und Anmut kommt in die ernste nördliche Düsternis. Nüchterne Klarheit atmet die schmuckarme Sprache des altfranzösischen Rolandsliedes. Die Wortstellung ist trotz noch vorhandener Freiheiten gebunden, die Beiworte und die wenig zahlreichen Metaphern sind einfach-sinnlich wie in der Alltagsrede und nicht rätselhaft wie die germanischen Kenninge, das strahlende Sonnenlicht veranschaulicht die im Kampf funkelnden Waffen wie etwa Rolands gutes Schwert Durandal. Lachend strahlt das Antlitz des kampfbereiten Roland, goldglänzend sind die Sporen und Schilde der
Chaucers Canterbury-Geschichten
Ritter, hell fließt das Blut aus den Wunden des sterbenden Olivier. Das Wort hell (altfranzösisch ,cler', englisch ,clear') spielt eine große Rolle im Rolandslied, bei Chrestien de Troyes und dann später bei Chaucer. Ein Mangel an Bildhaftigkeit und rhetorischem Schmuck zeichnet die altfranzösische Dichtersprache aus und offenbart Ruhe und Sachlichkeit des gleichmäßigen epischen Vortrags gegenüber der Sprunghaftigkeit, Episodenfreude und leidenschaftlichen Dynamik des Beowulfdichters. Für das Wesen und den stimmungsmäßigen Hintergrund des großen Geschehens in seiner schweren nordischen Landschaft findet der angelsächsische Dichter zweifellos gewaltigere und packendere Töne als der altfranzösische, etwa bei den bösen Vorzeichen für Rolands Tod. Die Sprache erscheint hier ärmer, schlichter, alltäglicher, dabei aber heiterer und leichter. So tritt uns dann auch das Englisch entgegen, das sich in siegreichem Ringen mit der Sprache der Eroberer neu geformt hat. Es ist eine junge Sprache, die das Angelsächsische ebenso wie das Französische hinter sich gelassen hat und eine reichere Entwicklung vor sich sieht. Der stilformende Einfluß ist wichtiger als die stoffliche Fülle, die aus der romanischen Welt einströmte. Sie erstreckt sich auf epische Stoffe aus der Antike und der keltischen Frühzeit, auf höfische Romane, Versnovellen, auf französisch-provenzalische Lyrik. E s ist für die Verschiedenartigkeit der gesellschaftlichen Struktur sehr bezeichnend, daß in England, wo seit dem 13. Jahrhundert das parlamentarisch mündig werdende Bürgertum mehr und mehr in den Vordergrund rückte, eine lyrische Kunstschule nicht zur Entwicklung kam und daß man auch von einer eigenen höfischen Epik nicht sprechen kann. In einem Streitgedicht aus dem frühen 13. Jahrhundert, das man wohl auf den Gegensatz zwischen der ererbten Kunst und der den französischen Kreisen eigenen Minnedichtung beziehen darf, verfechten die Eule und die Nachtigall die Vorzüge ihres Gesanges: die Eule die ernste Sangesweise, das verantwortungsbewußte Alter, die Beschaulichkeit, die sittliche Schönheit, die Nachtigall demgegenüber den Frohsinn der Welt, die Jugend und Lebenslust. Der Dichter vermag die Frage nicht zu lösen, man will einen Meister Nikolas in Dorset anrufen. Eine Übergangszeit mit spannungsreichen geschichtlichen und geistigen Mächten ringt um die Entscheidung,
Though justice be thy plea, consider this, That, in the course of justice, none of us Should see salvation: we do pray for mercy, And that same prayer doth teach us all to The deeds of mercy. (IV, i) [render
Am mächtigsten in Mächt'gen, zieret sie Den Fürsten auf dem Thron mehr als die Krone. Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt, Das Attribut der Würd' und Majestät. Worin die Furcht und Scheu der Kön'ge sitzt. Doch Gnad' ist über diese Zeptermacht, Sie thronet in dem Herzen der Monarchen, Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst, Und ird'sche Macht kommt göttlicher am nächsten, Wenn Gnade bei dem Recht steht. Darum, Jude, Suchst du um Recht schon an, erwäge dies: Daß nach dem Lauf des Rechtes unser keiner Zum Heile kam'; wir beten all' um Gnade, Und dies Gebet muß uns der Gnade Taten Auch üben lehren.
Gnade ist also ein Geschenk, eine Gabe; wer sie üben kann, ist selbst begnadet, wie es die Mystik augustinischer Gnadenwahl meint oder wie es Thomas von Aquino in seiner Heilslehre predigt: Dies ist der Unterschied zwischen der Gnade Gottes und der Gnade eines Menschen: die Gnade des Menschen verursacht nicht Gutheit in dem Begnadeten, sondern setzt sie voraus, entweder wirkliche Gutheit oder anscheinende. Die Gnade Gottes aber verursacht Gutheit in dem begnadeten Menschen, da ja Gottes Wohlwollen, welches der Name Gnade meint, die Ursache alles geschaffenen Guten ist. Daher kann es geschehen, daß der Mensch eine Beleidigung, die ihn getroffen hat, dem anderen verzeiht, ohne daß dessen Willenshaltung irgend sich geändert hätte. Aber kann es geschehen, daß Gott einem Menschen, ohne daß dessen Wille sich geändert hätte, eine Sünde vergibt? Portia selbst ist in diesem Sinne eine Auserwählte, Shylock ein Ausgestoßener. Die Stelle „Und ird'sche Macht kommt göttlicher am nächsten, Wenn Gnade bei dem Recht steht" hat im Original eine Bildkraft, die Schlegels Übersetzung nicht wiedergibt. „And earthly power doth then show likest God's, When merey seasons justice." ,To season' heißt würzen: so wie eine Speise ihren eigentlichen Geschmack erst durch das beigegebene Gewürz hergibt, so gewinnt Gerechtigkeit ihren feineren Sinn erst durch das Gewürz der Gnade. Ohne die tiefe Menschlichkeit, von der sie ausgeht, also rein nach Buchstaben und Form geübt, kann sie oft die größte Ungerechtigkeit bedeuten: summum jus summa injuria. Wir stehen ja im Strahlungsbereich des Humanismus, der Humanität. Die göttliche Gnade, der über den Irrungen der Menschen thronende „Vater Gnade", war dem Publikum Shakespeares durch die Moralitäten geläufig. Der Dichter vertiefte den Begriff christlich-humanistisch. Auch Isabella in dem Drama „Maß für Maß" singt das Hohelied von der Gnade, die der Schmuck der Macht ist, als sie vor dem erbarmungslosen Richter ihres Bruders steht (11,2): . . . Believe this, No ceremony that to great ones 'longs, Not the king's crown, nor the deputed sword,
. . . Seid gewiß, Kein Attribut das Mächtige verherrlicht, Nicht Königskrone, Schwert des Reichsverwesers,
Der Kaufmann yon Venedig
The marshal's truncheon, nor the judge's robe, Become them with one half so good a grace, As mercy does . . . . . . Alas, alas! Why, all the souls that were, were forfeit once; And He that might the vantage best have took, Found out the remedy: how would you be, If He, which is the top of judgement, should But judge you as you are? O, think on that; And mercy then will breathe within your Like man new made. [lips, Could great men thunder As Jove himself does, Jove would ne'er be quiet; For every pelting, petty officer Would use his heaven for thunder; nothing Merciful Heaven 1 [but thunder. Thou rather, with thy sharp and sulphurous bolt, Split'st the unwedgeable and gnarled oak, Than the soft myrtle:—But proud, proud man! Dressed in a little brief authority, — Most ignorant of what he's most assured, His glassy essence—like an angry ape, Plays such fantastic tricks before high Heaven, As make the angels weep; who, with our spleens, Would all themselves laugh mortal.
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Des Marschalls Stab, des Richters Amtsgewand, Keins schmückt sie alle halb mit solchem Glanz, Als Gnade tut. . . . . . . Weh mir! Ach! Alle Seelen waren einst verfallen, Und er, dem Fug und Macht zur Strafe war, Fand noch Vermittlung. Wie erging es Euch, Wollt' er, das allerhöchste Recht, Euch richten So, wie Ihr seid? Oh, das erwäget, Herr, Und Gnade wird entschweben Euren Mit Kindes Unschuld. . . . [Lippen Könnten die Großen donnern Wie Jupiter, sie machten taub den Gott: Denn jeder winz'ge, kleinste Richter würde Mit Jovis Himmel donnern — nichts als O gnadenreicher Himmel! [donnern! Du mit dem scharfen Donnerkeile spaltest Den unzerkeilbar knot'gen Eichenstamm, Nicht zarte Myrten, doch der Mensch, der stolze Mensch, In kleine, kurze Majestät gekleidet, Vergessend, was am mind'sten zweifelhaft, Spielt solchen Wahnsinn gaukelnd vor dem Himmel, Daß Engel weinen, die, gelaunt wie wir,
Sich alle sterblich lachen würden. Die sittliche Auffassung ist die gleiche, die dramatische Situation aber verschieden. Isabella hat nicht zu richten, sondern nur zu bitten. Aus der Fülle des angstgequälten Herzens kommen ihre gestoßenen kurzen Sätze, kunstlos, fast gebieterisch, gleichsam wie Notschreie eines Menschen, der weiß, daß es um Tod und Leben geht, aus der Tiefe eines religiösen Gefühls, der melancholischen Meditation der Klosterzelle. Portia, die die Rolle des Richters spielt, belehrt die Welt wie mit der Stimme eines vom Himmel herabsteigenden Engels, mit der Leuchtkraft seelischer Anmut, die ihre Weisheit in den Glanz einer himmlischen Rhetorik kleidet. Das ist Renaissance in ihrem reinsten Ausdruck. Die Schönheit ihrer ruhig fließenden, bildgesättigten Rede wird in diesem Gegensatz besonders fühlbar. Shylock bleibt einem solchen Appell gegenüber immer noch verständnislos. Der Mißton seines „Ich fordre das Gesetz" zerreißt die schöne Melodie. Da nimmt Portia mit einem ironischen Spiel ihres überlegenen Geistes die Maske männlicher Logik an: Nun gut, Jude, dir soll dein Recht werden; die feinere Sprache des Gefühls verstehst du nicht, reden wir also in deiner Sprache des kalten Verstandes. Shylock jubiliert, Antonio spricht erhabene Abschiedsworte der Freundschaft, ein kurzes, neckisches Zwischenspiel über die Wankelmütigkeit der Christenmenschen hält den spielerischen Ton des Ganzen wach — zu solchen Christen ist meine Tochter entlaufen 1 klagt der Jude. Dann kommt die große Wendung, als er gerade das Messer ansetzen will: ein Pfund Fleisch, gut — aber es darf beileibe kein Tropfen Blut fließen. Das ist die
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III. Shakespeare und seine Welt
Sprache der nackten Logik, das ist Shylocks Sprache, die er sofort versteht. E r muß betroffen diese Auslegung der Schuldverschreibung anerkennen und ist bereit, das Geld zu nehmen, ja kleinlaut abzutreten, als man es ihm verweigert. E r erfährt selbst die Gnade, die er nicht üben konnte, er darf leben bleiben. Daß er Christ werden muß, dürfen wir nicht nach unserm heutigen Gefühl würdigen; das war nichts als eine Konzession an die Zeit, die über den geprellten Juden lachte und die Taufe, auch die erzwungene, als ein Zeichen der Güte, als Rettung vor der Hölle empfand. Gebrochen und vielleicht zu Tode verwundet verläßt der Unselige den Schauplatz. Nach dieser Entspannung kann der Scherz mit den Ringen, die schalkhafte Treueprobe der Frauen, als heiterer Ausklang angefügt werden. Noch einmal klingt das Freundschaftsmotiv an, jetzt aber mit tragikomischem Unterton. Aus der „fancy", aus Heiterkeit und Schönheit ist den Männern die Erlösung vom Dunkel gebracht worden, eine wundervolle Erhöhung harmonischen, sieghaften Frauentums. Alles Lastende löst sich auf in Lust und Laune, Liebe und Verklärung. Der Schlußakt fügt sich organisch als Steigerung der Motive an: ein Ausströmen der Leitgedanken ins Allgemeine, in die große Einheit von Seele, Geist, Natur, in die kosmische Harmonie, Waldnatur, linde Nachtluft, Mondschein und Musik klingen zusammen mit dem freien Geist der Menschen. Nur das englische Original vermag einen Eindruck von dem Klangzauber dieser Verse zu vermitteln, die gleichsam ein strophisch gegliedertes Lied sind: L o r e n z o : The moon shines bright:— in such a night as this, When the sweet wind did gently kiss the trees, And they did make no noise—in such a night Troilus methinks mounted the Troyan walls 5 And sighed his soul toward the Grecian tents, Where Cressid lay that night.
Der Mond scheint hell. In solcher Nacht wie diese, Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte
Jessica: In such a night Did Thisbe fearfully o'ertrip the dew And saw the lion's shadow ere himself, And ran dismayed away.
In solcher Nacht Schlüpft' überm Taue Thisbe furchtsam hin Und sah des Löwen Schatten eh' als ihn Und lief erschrocken weg.
Lorenzo: In such a night 10 Stood Dido with a willow in her hand Upon the wild sea-banks, and waved her To come again to Carthage. [love
In solcher Nacht Stand Dido, eine Weid' in ihrer Hand, Am wilden Strand und winkte ihrem Zur Rückkehr nach Karthago. [Liebsten
Jessica: In such a night Medea gathered the enchanted herbs That did renew old Aeson.
In solcher Nacht Las einst Medea jene Zauberkräuter, Den Äson zu verjüngen.
Lorenzo: In such a night 15 Did Jessica steal from the wealthy Jew, And with an unthrift love did run from As far as Belmont. [Venice
In solcher Nacht Stahl Jessica sich von dem reichen Juden Und lief mit einem ausgelass'nen Liebsten Bis Belmont von Venedig.
Jessica: In such a night Did young Lorenzo swear he loved her well, Stealing her soul with many vows of 20 And ne'er a true one. [faith,
In solcher Nacht Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe Und stahl ihr Herz mit manchem TreuWovon nicht eines echt war. [gelübd',
Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas Und seufzte seine Seele zu den Zelten Der Griechen hin, wo seine Cressida Die Nacht im Schlummer lag.
Der Kaufmann von Venedig
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Lorenzo: In such a night Did pretty Jessica, like a little shrew, Slander her love, and he forgave it her.
In solcher Nacht Verleumdete die art'ge Jessica Wie eine kleine Schelmin ihren Liebsten,
J e s s i c a : I would out-night you, did no body come: But, hark, I hear the footing of a man.
Und er vergab ihr. Ich wollt' Euch übernachten, käme niemand. Doch horcht! ich hör' den Fußtritt eines Manns.
(V, 1)
Die Phantasie schweift zu den berühmten Liebespaaren der Mythologie, hin zu vorgestellter Seligkeit, der die eigene gleicht. Der ganze Prunk der RenaissanceRhetorik ist über die Sprache gegossen: das Säuseln des Windes in den Vokalen und s-Lauten (Vers 2), dunkle Vokale bei dunkler Erinnerung (16), die feinen Stabreimwirkungen (2, 4, 5, 1 0 / 1 1 , 12, 22, 23). Dann erklingt in einem Hymnus das große Thema Mensch — Natur — Musik — Sphärenmusik! — , in den der konkretisierende Zuruf „ K o m m , J e s s i c a ! " sich ungemein fein einfügt: Hebe dich empor in die Harmonie v o n Mensch und All! Das ist auch eine T a u f e ; nicht wie die spaßig-grausame Shylocks, sondern als Aufschwung in die Unendlichkeit, w o Menschenseele und Natur verbrüdert sind. In diesem großen Einklang liegt der tiefe Sinn der Dichtung. Was die Seligkeit dieses Einklanges stört, muß ausgemerzt werden, alles Niedere und E k l e muß hinweg, wenn das hohe Gefühl, wenn Freiheit, Gnade, Harmonie herrschen sollen. Shylock ist die Verkörperung seelischer Andersartigkeit. Selbst seine Redeweise ist anders als die der weltfrohen jungen Venezianer, wie es der Dichter sparsam, aber doch sichtbar andeutet. E r rechnet mit sich und andren, er erscheint nur im Verkehr und in der Reaktion auf andre — der Dichter gibt ihm nicht einen einzigen Monolog — , er prüft Vernunftgründe, er liebt die rhetorische Frage (I, 3 ; I V , 1), er hat alttestamentliche Gestalten wie Laban, Rebecca, J a k o b , Daniel bei der Hand, er wählt Bilder aus unschöner Vorstellungswelt wie die Ratte, das schmatzende Ferkel, die Katze und noch Häßlicheres (IV, 1). Seine Gestalt reckt sich bisweilen so auf, daß sie den Rahmen der Komödie zu sprengen droht, sie darf aber nicht in diesem Sinne betont werden. Sobald die Disharmonie gebannt ist, kehren Schönheit und Glück in die Welt und die Seelen zurück. V o n einem Charakterdrama etwa im Sinne der in des Dichters Zeit gar nicht existierenden Judenfrage kann also keine Rede sein — wie hätte dann auch des Juden Tochter Jessica so erhöht werden können! — , sondern v o n einem feinen Spiel des Weltgefühls der Renaissance. Die Musik gibt wieder einmal das Symbol ab: . . Therefore the poet Did feign that Orpheus drew trees, stones, and floods; Since nought so stockish, hard, and full of rage, But music for the time doth change his nature. The man that hath no music in himself, Nor is not mov'd with concord of sweet sounds, Is fit for treasons, stratagems, and spoils. The motions of his spirit are dull as night And his affections dark as Erebus: Let no .such man be trusted: — mark the music. (V, 1)
. . . Drum lehrt der Dichter, Gelenkt hab' Orpheus Bäume, Felsen, Fluten, Weil nichts so stöckisch, hart und voller Wut, Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt. Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken; Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, Sein Trachten düster wie der Erebus. Trau keinem solchen. — Horch auf die Musik!
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III. Shakespeare und seine Welt
Shylock ist so einer; er hatte ja auf die Nachricht von einer beabsichtigten Maskerade seine Tochter beschworen, vor den Trommeln und dem „Gequäk der quergehalsten Pfeife", vor dem „Schall der albernen Geckerei" nur ja die Tür zu verschließen und die Fenster, des Hauses Ohren, gut zu verstopfen (II, 5). Musik erklingt, als die beiden Frauen kommen. Noch einmal erinnert uns das neckische Spiel mit den Ringen an die überlegene Anmut des Frauentums, das gesiegt hat, weil es die Macht besaß, den Geist durch das Gefühl zu erhöhen; die Frauen dürfen jetzt den Schalk spielen. Das Freundschaftsthema klingt noch einmal an, dann löst sich alles in „fancy", in Liebe, Heiterkeit, Spiel auf. Der sich quälende Mensch darf auf das Reich der Freiheit, Gnade, Harmonie hoffen. Das ist hier die Lehre echter Humanität. Was ihr wollt Dies unbeschwerteste, ausgelassenste, bühnenwirksamste aller Lustspiele unseres Dichters hat eigentlich einen Doppeltitel: „Dreikönigsabend oder Was ihr wollt." Der Dreikönigsabend, der Abschluß der zwölf heiligen Nächte zwischen Weihnachten und dem Fest der drei Könige (daher der englische Titel „Twelfth Night", wahrscheinlich gewählt wegen der Erstaufführung an diesem Tage) war der Beginn der Faschingszeit und wurde mit Kuchen und Wein, mit Maskenbällen, tollen Späßen und lauter Fröhlichkeit gefeiert, so wie die lebenslustigen Junker des Stückes es lieben. Nehmt es als einen Schwank zu diesem Fest der Lösung aller Bande oder macht sonst mit dem Titel dieses Kindes der leichten Anmut, was ihr wollt! So meint es der Dichter. Es ist ein Werk völliger Entspannung, traumähnlich unbekümmert um Motivierungen, romantisch-wirklichkeitsentrückt, voll gütiger Nachsicht gegenüber den Schwächen der Menschen. Auch hier wieder sehen wir zwei Gesellschaftsschichten das Haschen nach Liebe und Erdenglück in ihrer Weise betreiben, eine Welt der feineren Gefühle und eine Gruppe trieb- und genußgebundener Naturen; um beide kreist das Gaukelspiel, das wir Leben nennen. Naturverbundene Triebsicherheit macht das Glück aus, hier nicht heroisch, sondern in der animalischen Lebensfreude des Trinkers; innere Spaltung aber bringt das Leid. So geht es auch hier trotz der flüchtigen Lustspielstimmung um das Verhältnis des Menschen zum All aus derselben Grundansicht wie in den Werken mit gewichtigerem gedanklichem Unterbau. Hier gibt es im Gegensatz zu der Mehrzahl der übrigen Komödien keine tragischen Nebentöne der Heiterkeit. Gleich die Anfangsverse geben Thema und Stimmung an, hochpoetisch das in unbestimmten Regionen schwebende Gefühl andeutend: If music be the food of love, play on! Give me excess of it, that, surfeiting, The appetite may sicken, and so die. That strain again I It had a dying fall. O, it came o'er my ear like the sweet sound That breathes upon a bank of violets, Stealing and giving odour. Enough! no more! 'Tis not so sweet now as it was before. O spirit of love, how quick and fresh art That, notwithstanding thy capacity [thou, Receiveth as the sea, nought enters there, Of what validity and pitch soe'er, But falls into abatement and low price Even in a minute. So full of shapes is fancy That it alone is high fantastical. (I,i)
Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, Spielt weiter ! gebt mir volles Maß ! daß so Die übersatte Lust erkrank' und sterbe. — Die Weise noch einmal! — sie starb so hin; Ob sie beschlich mein Ohr, dem Weste gleich, Der auf ein Veilchenbette lieblich haucht, Und Düfte stiehlt und gibt. — Genug! nicht mehr! Es ist mir nun so süß nicht wie vorher. O Geist der Lieb', wie bist du reg' und frisch! Nimmt schon dein Umfang alles in sich auf, Gleichwie die See, nichts kommt in ihn hinein, Wie stark, wie überschwenglich es auch sei, Das nicht herabgesetzt im Preise fiele In einem Wink! So voll von Phantasien Ist Liebe, daß nur sie phantastisch ist.
Was ihr wollt
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Um „phantastische" Liebe also soll es gehen, um das launische Spiel einer heiteren Sinnenwelt, um Liebeswirren, die die Phantasie hervorruft. „ O Geist der Lieb', wie bist du reg' und frischt" So sind die Täuschungen der Liebe: der schwärmerische Herzog ist ganz unklar über seine Gefühle, auch die. kräftigere Olivia, und in derbkomischer Weise erlebt Malvolio dasselbe. Überall, wo die Liebe die Menschen am Narrenseil führt, ist der Bereich des Lächerlichen nicht weit vom echt rührenden Gefühl, bei dem Fürsten mit seinen empfindsamen Fragen, bei der Gräfin, die einem Mädchen nachläuft, bei dem Haushofmeister, der sich albern ausstaffiert und wie auf Stelzen geht. Nur Viola steht klar und in ihrer Neigung beständig in dieser Welt, eine von den sanft leidenden Frauengestalten unsres Dichters, deren Herz schweigt und nicht eifert wie das der Olivia. Das alles ist in einer losen Haupthandlung aufgebaut, mit dem in den Jugendkomödien Shakespeares so häufigen Verwechslungsmotiv. Das Publikum seiner Zeit liebte solche Verwechslungen, deren Kompliziertheit ihm Rätsel aufgab, und Mädchen in Männerkleidung machten sich gut im natürlichen Spiel, da ja Frauenrollen stets von jungen Männern gespielt wurden. Die schöpferische Kraft des großen Dichters überwucherte aber diese traditionellen Elemente mit erfindungsreicher Gestaltung derber Komik. Musik ist das vorherrschende Stimmungselement. Sie umrahmt das bunte Spiel von der Einleitungsrede des Herzogs bis zu dem Ausklang in dem Liede des Narren. Der lyrische Herzog verlangt immer nach Musik (I, i ; II, 4). Seine eigene Rede ist voller Musikalität, die man nur aus dem Originaltext ganz vernehmen kann, wie schon der bereits zitierte Anfang zeigt. Das ist ein schmelzendes Piano der Geige oder des Cellos: klangvoller Vokalwechsel (Vers 1 und 4), lautmalende Alliterationen (5—6, 8, 14), gelegentlich sich einschleichende Reime (7—8, 11—12). Die zahlreichen eingestreuten Lieder, die den die Komödie spielenden Singknabengesellschaften reiche Gelegenheit zur Herausstellung ihrer Talente gab, halten daä Reich der Töne beständig lebendig. Dazu kommt als zweites Stimmungselement die holde Schwermut, wie wir sie schon an dem königlichen Kaufmann von Venedig und an Portia von Belmont sahen. Sie umgibt den Herzog und Viola, schwebt aber auch über den Oliviaszenen. In diese Grundthemata mischen sich dann als Variationen die anderen Stilformen, auf denen die Komik beruht. Den Ton gibt gleich in der Expositionsszene dieser Welt (I, 3) der glücklich-komische Junker Tobias an, dessen Rede auf Wortspiel und Wortverdrehung beruht, der sich in seiner Haut behaglich fühlt und in Sinn und Gebaren seiner selbst sicher ist, ein naher Verwandter Falstaffs, wenn auch innerlich nicht so reich ausgestattet wie dieser, ein lustiger Gegensatz des feinen, gezierten, schmachtenden Wesens der vornehmen Welt, von einer erfreulichen sinnlichen Frische als Gegensatz zu des Herzogs Minne: „Vermeinest du, weil du tugendhaft seiest, solle es in der Welt keine Torten und keinen Wein mehr geben?" (II, 3). Ein so prachtvolles FalstafFwort umreißt in drastischer Weise die Gestalt, die in allem die völlige Umkehrung hoher Empfindung ist und die doch durch ihre Triebsicherheit in gewissem Sinne imponiert und sympathisch wirkt. Sie darf ja auch ungehindert in der Hofhaltung der Vornehmen leben. Ein anderer Typus burlesker Komik ist Junker Christoph Bleichenwang, das Gegenstück aller guten Rittergaben, dumm, faul, roh und dreist, lächerlich durch den Gegensatz zwischen seinem wirklichen Wesen und dem Anspruch, den sein Stand ihm gibt. Bei ihm wird jedes Wort zu einem Gemisch von Blödsinn, Hoffart und Tücke. Solche Gestalten, die in alberner Weise hochfahrend sind, wecken nicht ein so gütiges Verstehen wie der Junker-Tobias-Typ. Es war Tradition der volkstümlichen Komödie in der Elisabethzeit, daß sie immer zu ihrem Schaden von anderen ausgenutzt wurden.
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III. Shakespeare und seine Welt
Das ist noch mehr der Fall bei Malvolio, dem komischen Opfer der „love fantastical", der Verkörperung der Unsicherheit und des Scheins, die zwischen der feinen und der niederen Welt einherstolziert. E r ist nicht glücklich-komisch wie Junker Tobias, sondern unglücklich-komisch, denn er ist aus der Bahn gerückt und alles andre als selbstsicher. E r versteht keinen Spaß und muß darüber durch seine Herrin belehrt werden: O, you are sick of self-love, Malvolio, and taste with a distempered appetite. To be generous, guiltless, and of free disposition, is to take those things for bird-bolts that you deem cannon-bullets. There is no slander in an allowed fool, though he do nothing but rail; nor no railing in a known discreet man, though he do nothing but reprove. (1,5)
Oh, Ihr krankt an der Eigenliebe, Malvolio, und kostet mit einem verdorbenen Geschmack. Wer edelmütig, schuldlos und von freier Gesinnung ist, nimmt diese Dinge für Vögelbolzen, die Ihr als Kanonenkugeln anseht. Ein privilegierter Narr verleumdet nicht, wenn er auch nichts tut als verspotten; so wie ein Mann, der als verständig bekannt ist, nicht verspottet, wenn er auch nichts tut als tadeln.
Aus dieser inneren Verbogenheit ist seine Sprache pathetisch-ernst, namentlich da, wo Lustigkeit herrscht; sie wirkt durch diesen Gegensatz geziert und hochtrabend. Wir wissen, daß Shakespeare in dieser Gestalt sein Mütchen an den frommen Puritanern kühlte, die ihm und seinen Kunstgenossen das Leben schwer machten. Junker Bleichenwang möchte den guten Malvolio verprügeln, nur weil er ein Puritaner ist (II, 3). Entgegen der landläufigen Auffassung aber schildert Shakespeare den Puritaner hier nicht als Heuchler, sondern lediglich als einen harmlosen, humorlosen, eingebildeten Gesellen, der immer bei der Hand ist, wenn es zu tadeln gibt. Wir sollen, so meint es der Dichter, nicht nur über ihn lachen, sondern ihn auch bemitleiden, wie es der Herzog und Olivia tun. Es lebt etwas von der Poesie des Don Quijote in diesem innerlich verrenkten Menschen. Er denkt beständig an sich und die Form seines Auftreten:», und das bringt die andren zu der witzigen Verhöhnung mit Briefen und Verkleidung. Seine Würde, die keinen Spaß versteht, ist Scheinwürde, weil sie nicht aus dem Inneren kommt. Das Motiv Richards II. klingt von fern an, wenn auch in ganz anderer Perspektive. So entsteht hier nicht reine Komik, sondern Tragikomik, und der Abgang Malvolios (V, 1) zeigt uns einen kleinen Shylock. Die Szene I, 5 mit ihrer fein gegliederten Komik vereint die Leitmotive zu einem großen symphonischen Gebilde. Eine Art Prolog stellt uns das Kammermädchen Maria und den Narren vor, dessen unbesiegbare Sprachkunst seine Überlegenheit sichert. Er beweist sie gleich in feiner Weise im Gespräch mit Olivia, deren Trauer er damit ein Lächeln ablockt. Mit ein paar Strichen wird der Kontrast zwischen der geistigen Sieghaftigkeit echten Humors, wie der Narr sie besitzt, und der quälenden inneren Verkrampfung Malvolios gezeichnet. Olivia versteht und bedauert ihren Haushofmeister; sie besitzt die innere Freiheit und Anmut der Renaissance-Frauengestalten vom Schlage einer Portia von Belmont. In kunstvoller Verschlingung baut sich die Szene aus einer Vielfalt von Motiven und Stimmungsunterschieden auf. Allen voran fesselt uns die rührende Gestalt der Viola, die aus ihrer Trauer und Einsamkeit mutig den Weg ins Leben sucht, die den Jüngling spielen muß und doch immer wieder fühlt, daß die Maskerade ihrem echt fraulichen Empfinden nicht gut ansteht, die ihre tiefe, duldende Liebe verbergen muß. Der zarteste Duft weht über der ätherischen Liebe, die sich nicht bekennen kann. Von einer Tochter ihres Vaters erzählt sie dem Herzog:
Was ihr wollt
Duke: And what's her history? Viola: A blank, my lord. She never told her love, But let concealment, like a worm i' the bud, Feed on her damask cheek. She pin'd in thought, And with a green and yellow melancholy She sat, like Patience, on a monument, Smiling at grief. Was not this love indeed ? We men may say more, swear more; but indeed Our shows are more than will, for still we prove Much in our vows, but little in our love. Duke: But died thy sister of her love, my boy? Viola: I am all the daughters of my father's house, And all the brothers too; and yet I know not. Sir, shall I to this lady? (11,4)
Herzog: Was war ihr Lebenslauf? Viola: Ein leeres Blatt, Mein Fürst. Sie sagte ihre Liebe nie Und ließ Verheimlichung, wie in der Knospe Den Wurm, an ihrer Purpurwange nagen; Sich härmend, und in bleicher, welker Schwermut, Saß sie wie die Geduld auf einer Gruft, Dem Grame lächelnd. Sagt, war das nicht Liebe? Wir Männer mögen leicht mehr sprechen, schwören, Doch der Verheißung steht der Wille nach. Wir sind in Schwüren stark, doch in der Liebe schwach. Herzog: Starb deine Schwester denn an ihrer Liebe? Viola: Ich bin, was aus des Vaters Haus an Töchtern Und auch von Brüdern blieb; und doch, ich weiß nicht — Soll ich zum Fräulein?
Die Mischung mehrerer Handlungen, also der polymythische Charakter der romantischen Komödien Shakespeares, in dem der stärkste Gegensatz zu der geradlinigen und einfachen Handlungsführung des klassischen französischen Lustspiels liegt, läßt sich an unserm Drama gut verfolgen, wenn man die Handlungsverteilung Szene für Szene verfolgt. Nur so kann man ein Gefühl für die innere Form der Dramen Shakespeares gewinnen. In den Frühwerken beobachten wir eine ziemlich gleichmäßige Verteilung des Interesses auf die einzelnen Personen und Motive, symmetrisch wie auf einem Bild der Renaissance, „tektonisch", wie es die Kunstsprache nennt. In der späteren Zeit wird der Aufbau mehr „atektonisch", barock wie in der ungleichen Raumfüllung eines barocken Bildes mit seiner diagonalen Teilung; gewisse Handlungsteile überwiegen zunächst, treten dann zugunsten anderer ganz zurück und tauchen erst spät wieder auf, um ihre Lösung zu finden. Das allmählich immer stärker werdende Hervortreten barocker Gestalten und barocker Kunstmittel ist ja ganz allgemein ein Kennzeichen der Entwicklung des Dichters. In „Was ihr wollt" laufen die getrennten Handlungen in einer eigenartig unsymmetrischen Verflechtung durcheinander, zusammengehalten durch das gemeinsame Thema der Liebesverwirrung. Melancholie und laute Ausgelassenheit durchschlingen leitmotivisch den Aufbau, wobei sogar die musikalischen Formen des Hauptthemas, Seitenthemas, der Verkleinerung und Parodie erkennbar sind. Was die Trunkenbolde und Clowns beizutragen haben, ist keineswegs bloße Spaßmacherhandlung; dadurch wird vielmehr das Ganze von der Melancholie des Anfangs zu der lauten Freude der späteren Teile hingeleitet, und die Durchführung, auch die Einbeziehung von Personen der ernsteren Handlung in die burlesken Szenen ist von großem Reiz. Der musikalisch-elegische Herzog mit seiner Liebessehnsucht beherrscht den ersten Akt und nötigt uns auch im zweiten noch Interesse an seinem Gefühl ab, wenn auch schon in abnehmendem Maße. Dann tritt sein Thema ganz zurück, um erst am Schluß wieder aufzutauchen zur Einfügung in die allgemeine befreiende Freude. Umgekehrt wächst erst im Verlauf der späteren Handlung die Malvoliogestalt allmählich und mit großer Breite in das genießerische Instinktleben der verkommenen Junker hinein. Sie muß aber recht-
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III. Shakespeare und seine Welt
zeitig abtreten, da sie wiederum in den heiteren Schluß nicht hineinpaßt. In solcher Szenenführung liegt das „Atektonische" des Aufbaus, das für den reiferen Shakespeare, besonders für den Dichter der Komödien typisch ist. Die Franzosen haben das barocke Drama, das ihre Literatur vor dem klassischen Jahrhundert kannte, zu der Strenge der Renaissance zurückgeführt. Bei Shakespeare dagegen herrscht das Gesetz der Beweguhg, nicht der klassischen Ruhe; er will Leben zeigen, Verschlingung der Schicksale, eine scheinbar ungeordnete Gliederung, die aber durch ein Gesamtthema zusammengehalten wird. Shakespeares Technik zeigt gerne zwei Charaktere in derselben Situation: Lear-Gloster, Hamlet-Laertes, Brutus-Cassius, Antonio-Shylock, Macbeth-Banquo, Othello-Jago, Timon-Apemantus, in unserer Komödie den Herzog und Malvolio, beide in einer falschen Liebeseinbildung befangen. Otto Ludwig, der in seinen Shakespearestudien den Vergleich mit der Sonatenform versucht, spricht von einem kontrapunktischen Verhältnis der Stimmen, und in der Tat kann man sehr wohl von einem Leitmotiv, von einer Abwandlung des Themas in Dur und Moll reden; der Herzog, dessen Thema bald zurücktritt, die Clowns, die gleichzeitig mehr in den Vordergrund rücken, das gegen den Schluß deutlich auftretende Sebastianthema sind solche Motive, die kunstvoll verschlungen werden. Die Stimmving des Ganzen ist zu Anfang lyrisch-elegisch mit komischem Unterton und wird dann mehr und mehr ausgelassene Heiterkeit, in der die Mollklänge nur ganz vereinzelt, dem feineren Ohr aber vernehmlich ertönen, bis dann am Ende die ruhige Versöhnung in Dur alles glättet. Die Landschaft tritt in dieser Komödie stark zurück, ganz anders als im „Sommernachtstraum" oder in „Wie es euch gefällt". Es ist der Rhythmus des Lebens, der diese Welt aus Schönheit erfüllt. Es gibt keinen eigentlichen Helden; Schicksale huschen an uns vorbei, die durch eine Empfindung eine Zeitlang genarrt werden und dann in die Ruhe des Alltags zurücktauchen. Nur einer kann dem ganzen Treiben überlegen zuschauen, der Narr. Er ist einer von Shakespeares weisen Narren, die Coleridge mit dem Chor des antiken Dramas verglichen hat. Der Vergleich trifft nicht ganz zu; denn es handelt sich hier nicht um den außerhalb der Handlung stehenden objektiven Betrachter, sondern um ein mitagierendes, sehr subjektives Element. Der Narr besitzt die geistige Überlegenheit, die die Stimmung der anderen lenken kann, wenn sie ins Pathetische abzuirren droht. Er kann den Ton angeben in lautester Fröhlichkeit wie in der köstlichen Szene, wo das Trio des Humoristen, des Dummkopfes und des Philosophen „den Himmel voll Geig en hängen" sieht (II, 3). Er hat die Weltüberlegenheit des erfahrenen Mannes, der in allem Spiel und Tand erkennt; er kann darum auch überlegen mit der Sprache spielen (II, 4; III, 1 ; IV, 1, besonders aber IV, 2 in der geistreichen Szene mit dem verkleideten Narren). Seine die Stimmung beherrschende und lösende Geisteskraft'ofFenbart sich auch in den Liedern. Er singt zur rechten Zeit das Lied von der Liebe und dem Genuß des Augenblicks mit schöner Schweifreimstrophe (II, 3); er singt die Klage und Todessehnsucht der verlassenen Geliebten, ein Lied von ungemein musikalischem Gehalt, der Stimmung des Herzogs angepaßt, mit feiner Refrainwirkung, mit Wortwiederholungen und kunstvollem Wechsel der Verslängen, wo der langsame Ausklang der Strophen wie ein abschließendes Nachspiel auf der Laute anmutet (II, 4); er weiß aber auch einen Sang von ganz anderer Art, einen witzigen Ausgang der unmittelbar vorangehenden Worte, ein altes Lied, von dem die Zuschauer sicherlich weitere Strophen kannten, vor dem inzwischen geschlossenen Vorhang vorgetragen (IV, 2). Und dann das schöne, sinnig-unsinnige Schlußlied, das jetzt, wo das Spiel aus ist, aus der wahren Natur und Stimmung des Narren gesungen wird. Kraus ist das Leben manchmal, zwei Menschen finden sich und geben ein Paar; vor Schurken und Dieben muß man die Türen sichern; der Ehemann muß sorgen und sich mühen; Weintrinken steigt in den Kopf, und was sonst der Alltag an Freude und Leid bringen
Was ihr wollt — Julius Cäsar
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mag. Nehmt es alles nicht zu ernst, es war immer so und wird auch so bleiben, der Regen, der regnet jeglichen Tag. Er, der Weise, weiß es besser, daß alles nur buntes Spiel ist, wie es die Komödianten gerne vorspielen: A great while ago the world begun, With hey, ho, the wind and the rain, But that's all one, our play is done, And we'll strive to please you every day. (V,i)
Die Welt steht schon eine hübsche Weil', Hop heisa, bei Regen und Wind I Doch das Stück ist nun aus, und ich wünsch' euch viel Heil I Und daß es euch künftig so gefallen mag.
Das ist der ernste Sinn des in seiner scheinbaren Unsinnigkeit so elegischen Liedes, das Nicolai in seiner Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" dem Sir John Falstaff als Trinklied in den Mund legt. Es ist in gewissem Sinne Shakespeares Abschied von der komischen Muse vor der Zeit der Verdüsterung und der großen Tragödien. Julius Cäsar „Julius Cäsar" leitet die Gruppe der sogenannten Römerdramen ein, zu denen noch „Coriolan" und „Antonius und Cleopatra" gehören, und bildet in der dramatischen Form eine Art Übergang von den loser gefügten Historien zu den geschlosseneren Tragödien. Das römische Imperium war dem Verständnis der Tudorzeit nahe, sein Vorbild für die patriotische Sehnsucht eines verwandten Volksgeistes in der Zeit der beginnenden Weltreichbildung war die praktisch-politische Auswirkung der humanistischen Bewegung. In den Lebensbeschreibungen des Plutarch, die 1579 v o n Thomas North nach einer französischen Vorlage in das Englische übersetzt worden waren, fand Shakespeare einen gehaltvolleren Vorarbeiter als in dem Chronisten Holinshed, dem primitiven Nacherzähler der englischen Geschichte, einen Gestalter großer Männer, um die er die Ereignisse gruppiert, einen kindlich-schlichten Lobpreiser der unkomplizierten Heldenhaftigkeit und Aufopferung, an dem sich noch die Zeit der Jugend Schillers begeisterte wie sein Karl Moor: „Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säculum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Männern." Shakespeare konnte sich deshalb an diese Quelle viel enger anlehnen als an die Chronikenquelle seiner Königsdramen, zumal der Fall und Tod des römischen Imerators seinem Publikum bereits durch mindestens fünf frühere Dramatisierungen ekannt war. Plutarchs Biographien des Cäsar, Brutus und Antonius lieferten den Stoff, den des Dichters Meisterhand zu einem einheitlichen Bild zusammenfügte. Die oft aufgeworfene Frage, ob das Stück mit Recht nach Cäsar benannt ist, ob es nicht vielmehr die Tragödie des Brutus ist, dem der Dichter offensichtlich seine ganze Liebe zuwendet, ist unrichtig gestellt. Brutus selbst gibt uns die Antwort:
E
We all stand up against the spirit of Caesar, And in the spirit of men there is no blood; O, that we then could come by Caesar's spirit, And not dismember Caesar I But, alas, Caesar must bleed for it 1 And, gentle friends, Let's kill him boldly, but not wrathfully; Let's carve him as a dish fit for the gods, Not hew him as a carcass fit for hounds; And let our hearts, as subtle masters do, Stir up their servants to an act of rage,
Wir alle stehen gegen Casars Geist, Und in dem Geist des Menschen ist kein Blut. O könnten wir denn Casars Geist erreichen Und Cäsam nicht zerstückeln! Aber achl Cäsar muß für ihn bluten. Edle Freunde, Laßt kühnlich uns ihn töten, doch nicht zornig; Zerlegen laßt uns ihn, ein Mahl für Götter, Nicht ihn zerhauen wie ein Aas für Hunde. Laßt unsre Herzen, schlauen Herren gleich, Zu rascher Tat aufwiegeln ihre Diener
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III. Shakespeare und seine Welt
And after seem to chide 'em. This shall make Our purpose necessary and not envious; Which so appearing to the common eyes, We shall be call'd purgers, not murderers. (H,1)
Und dann zum Scheine schmälen. Dadurch wird Notwendig unser Werk und nicht gehässig; Und wenn es so dem Aug' des Volks erscheint, Wird man uns Reiniger, nicht Mörder nennen.
Es geht nicht um den Menschen Cäsar, sondern um die Cäsaridee, um das Prinzip des Selbstherrschers, für das der Name der Welt die Bezeichnung geliefert hat: Cäsar = Kaiser oder Zar. Es geht um die Frage von Führertum und Volk, es geht nur um Politik, und die private Sphäre tritt völlig zurück. Ein paar große Szenen der Masse auf der Straße, dem Forum, dem Kapitol, dem Schlachtfeld sind die Knotenpunkte der Handlung, Führer und Geführte stets gegenwärtig und Gegenstand des Geschehens. Über den englischen Königsdramen steht das dynastische, über den Römerdramen das republikanische Prinzip. Die unheilschwangere Stimmung der Essexrevolution gegen das Ende der Regierungszeit Elisabeths ist der zeitgeschichtliche Hintergrund für das Problem des Führers und Retters. Es handelt sich also nicht um eine spezifisch römische Frage, sondern um den Typ des rechten Volksführers überhaupt. Shakespeare geht immer auf das Grundwesen des Menschen zurück, oder mit Dr. S. Johnsons Worten: bei anderen Dichtern ist der Charakter meist ein Individuum, bei Shakespeare vertritt er gewöhnlich eine Gattung. Und doch wird durch diese Verabsolutierung wieder eine tiefe Beziehung zu Rom hergestellt, eine Psychologisierung großer Geschichtsgestalten. Cäsar wird in dieser Individualisierungskunst nicht als die festumrissene geschichtliche Größe gezeigt, sondern als lebendiger Mensch in einem kritischen Augenblick seines Lebens. Er hat seine Schwächen wie jeder Mensch, die freilich nicht in den psychologischen Realismus von Bernard Shaws „Cäsar und Cleopatra" eingefügt und in ihm gewertet werden, und doch empfinden wir ihn als den Herrscher, den gerade das Rom seiner Zeit brauchte. Als er ermordet ist, wendet sein Geist die Schwerter gegen die Mörder selbst: ein unentrinnbares Schicksal trotz der Freiheit der Charaktere. In dem berechtigten Titel „Julius Cäsar" liegt somit eine Art grandioser tragischer Ironie. Eine meisterhafte Exposition führt uns in drei Szenen die drei Kreise vor, auf denen die Handlung beruht: das Volk, den Imperator, die Verschwörer. Sie zeichnet gleichzeitig die unheilschwangere Stimmung, die unsre Erwartung spannt: ein Wahrsager warnt vor den Iden des März, die Natur erzittert mit unerklärbaren Wunderzeichen, die Patrizier sind in Parteien gespalten, die Volksgunst ist wetterwendisch, das Gefüge des Staats scheint zu wanken. Das Volk ist eine haltlose Masse, die ihre Sympathien schnell von Pompeius zu Cäsar umstellt, ihm zujubelt, wenn er sich anzuschicken scheint, die Kroiie anzunehmen, und noch lauter, wenn er sie ausschlägt; es ist ein Spielball in der Hand gerissener Tribunen. In großartiger Weise wird der Imperator selbst eingeführt, pomphaft als Mittelpunkt eines großen Aufzuges, gebieterisch in Haltung und Ton, seiner Herrschaft über das Volk gewiß, dann aber sichtlich verstimmt über die Unzuverlässigkeit der Masse und das Mißlingen der Generalprobe für den beabsichtigten Staatsstreich. Die Sorge um Nachkommenschaft, die Sorge um eine Dynastie erfüllt ihn gerade an diesem Tage, der die Krönung seines politischen Daseins bringen sollte; seine Gattin soll sich den Fluch der Unfruchtbarkeit durch die Wundergebräuche des Luperkalienfestes nehmen lassen. In deutlichen Umrissen lernen wir auch die Gegenspieler und Verschwörer kennen, in erster Linie Cassius, den Mann mit dem „hohlen Blick", den „großen Prüfer", der die Menschen durchschaut, Spiel und Musik nicht liebt, in dessen Gemüt Neid und Unabhängigkeitssinn eine Feindschaft gegen den Imperator erzeugt haben. Er
Julius Cäsar
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ist politischer Realist, für den die Notwendigkeit der Ermordung Cäsars feststeht. E r braucht aber die Bundesgenossenschaft des Idealisten Brutus, damit die Tat in den Augen der Römer als eine politische Notwendigkeit und nicht als gemeiner Mord erscheint. E r kennt die reine Gesinnung des Brutus, der in seinem Volk das abstrakte, stolze Römertum der Väter und nicht die heruntergekommene, selbstsüchtige und wankelmütige Masse sieht. Diese Römer des alten Schlages fühlen sich eins mit ihrem Idealbild, sie reden von sich in der dritten Person, der Imperator in seinem Gefühl unnahbarer Hoheit ebenso wie der von einer Verpflichtung erfüllte Brutus: „SprichI Cäsar neigt sein Ohr" (I, 2); „Cäsar tut kein Unrecht (III, 1); „Ich gehe dennoch aus; denn diese Zeichen, so gut wie Cäsarn, gelten sie der Welt"; „Geht, Decius! Sagt nur, Cäsar will nicht kommen" (II, 2); „Als daß, mit sich im Krieg, der arme Brutus Den andern Liebe kund zu tun vergißt" (II, 2); „Brutus wär' lieber eines Dorfs Bewohner Als sich zu zählen zu den Söhnen Roms" (I, 2); „Des'Brutus Liebe war nicht geringer als seine"; „Ich tat Cäsarn nichts, als was ihr dem Brutus tun würdet" (III, 2) usw. Cassius weiß, wo er anzusetzen hat, um den überall geachteten Freund zu gewinnen. E r wirft ihm gefälschte Zettel durch das Fenster, um den Anschein zu erwecken, daß das Volk seine Hilfe verlange. Der Fanatiker schrickt vor keinem Mittel zurück. Er gewinnt einen nach dem andern und bringt die Verschwörer zusammen. Schwer ringt Brutus mit seinem Entschluß. Das Gift, das Cassius ihm einträufelt, wirkt allmählich. Sein in der Idee wurzelndes Denken wägt den Charakter Cäsars ab, nicht die politischen Realitäten, und kommt zu der Schlußfolgerung, daß dieser Charakter den Bestand der Freiheit bedrohe. Cassius' Appell an die Pflicht hat es dann nicht mehr schwer, ihn vollends zu gewinnen. Der Gegensatz zwischen dem nüchternen Beurteiler der Lage und dem an den Sieg der Idee glaubenden Philosophen tritt sofort hervor, als es sich um die Frage handelt, ob Antonius mit Cäsar fallen müsse. Brutus widerspricht, weil er nur einen Kampf gegen den Geist, gegen den Kopf und nicht gegen die Glieder führen will; der spätere Ausgang gibt ihm Unrecht. Zu diesem nur der Idee hingegebenen, niemals an sich selbst denkenden Idealisten bildet auch Cäsar eine Gegensatzfigur. E r ist abergläubisch, Schmeichlern zugänglich, schwankend in seinem Entschluß, zu der Senatssitzung zu gehen, obgleich er mit Worten seinen unbeugsamen Willen betont: Cowards die many times before their deaths; The valiant never taste of death but once. Of all the wonders that I yet have heard, It seems to me most strange that men should fear, Seeing that death, a necessary end, Will come when it will come. (11,2) But I am constant as the northern star, Of whose true-fix'd and resting quality There is no fellow in the firmament; The skies are painted with unnumber'd sparks, They all are fire and every one doth shine; But there's but one in all doth hold his place. So in the world; 'tis furnish'd well with men, And men are flesh and blood, and apprehensive; Yet in the number do I know but one
Der Feige stirbt schon vielmal, eh' er stirbt, Die Tapfern kosten einmal nur den Tod. Von allen Wundern, die ich je gehört, Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten, Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller, Kommt, wann er kommen soll. Doch ich bin standhaft, wie des Nordens Stern, Dess' unverrückte, ewig stete Art Nicht ihresgleichen hat am Firmament. Der Himmel prangt mit Funken ohne Zahl, Und Feuer sind sie all', und jeder leuchtet; Doch einer nur behauptet seinen Stand. So in der Welt auch, sie ist voll von Menschen, Und Menschen sind empfindlich, Fleisch und Blut. Doch in der Menge weiß ich einen nur,
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III. Shakespeare und seine Welt
That unassailable holds on his rank, Unshak'd of motion; and that I am he, Let me a little show it, even in this: That I was constant Cimber should be banish'd, And constant do remain to keep him so. cm,i)
Der unbesiegbar seinen Platz bewahrt, Vom Andrang unbewegt; daß ich der bin Auch hierin laßt es mich ein wenig zeigen, Daß ich auf Cimbers Banne fest bestand Und drauf besteh', daß er im Banne bleibe.
Er ist geachtet und gefürchtet, der Vollbringer großer Taten, der Vertreter einer tausendjährigen Idee, als Mensch aber doch nur das gebrechliche G e f ä ß einer Idee, ein mit körperlichen und seelischen Schwächen behaftetes Wesen, nicht ohne einen Anflug v o n Theatralik. A u c h hierin wieder der deutliche Hinweis darauf, daß es nur um die Cäsarenidee geht, um den Glauben an das Römertum und seinen Heroismus nach der Vorstellung der Renaissance. Wir erleben nicht die Geschichte selbst, nichts von den wirklichen Zuständen im Rom des Jahres 44 v. Chr.; das philosophische Problem des Cäsarismus oder Republikanertums ist Gegenstand. Im Augenblick vollendeter Hybris fällt der Gewaltige; eben noch vergleicht er sich mit dem unverrückbaren Polarstern, eben noch vermißt er sich den Olymp zu versetzen, da zücken die Verschwörer den Dolch. Das Schicksal des Trägers eines verhängnisvollen Sinns hat sich erfüllt — so beteuern es die Verschwörer noch einmal laut: Fates, we will know your pleasures. That we shall die, we know; 'tis but the time And drawing days out, that men stand upon. Oh,1) . . . How many ages hence Shall this our lofty scene be acted over In states unborn and accents yet unknown 1 (in,!) How many times shall Caesar bleed in spoft, That now on Pompey's basis lies along No worthier than the dustl (HI,i) . . . Yet see you but our hands And this the bleeding business they have done. Our hearts you see not; they are pitiful; And pity to the general wrong of Rome — As fire drives out fire, so pity pity — Hath done this deed on Caesar. (III,i)
Schicksal I wir wollen sehn, was dir geliebt. — Wir wissen, daß wir sterben werden; Frist Und Zeitgewinn ist nur der Menschen Trachten. . . . In entfernter Zeit Wird man dies hohe Schauspiel wiederholen, In neuen Zungen und mit fremden Pomp. Wie oft wird Cäsar noch zum Spiele bluten, Der jetzt am Fußeesteil Pompejus liegt, Dem Staube gleich geachtet. . . . Ihr seht Erzählung, Durchschnittsmenschen ergeben zusammen den Typus Mensch wie die Pinselstriche das Bild.
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W h o that cares much to know the history of man, and h o w the mysterious mixture behaves under the varying experiments of Time, has not dwelt, at least briefly, on the life of Saint Theresa, has not smiled with some gentleness at the thought of the little girl walking forth one morning hand-in-hand with her still smaller brother, to go and seek martyrdom in the country of the Moors? Out they toddled from rugged Avila, wideeyed and helpless-looking as t w o fawns, but with human hearts, already beating to a national idea; until domestic reality met them in the shape of uncles and turned them back from their great resolve. That childpilgrimage was a fit beginning. Theresa's >assionate, ideal nature demanded an epic ife: what were many-volumed romances of chivalry and the social conquests of a brillant
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W e r die Geschichte des Menschen kennenlernen und wissen will, wie dieses geheimnisvolle Wesen sich unter den mannigfachen Einwirkungen der Zeit formt, hat der nicht, und sei es auch nur flüchtig, bei dem Leben der heiligen Theresa verweilen und bei dem Gedanken an das kleine Mädchen lächeln müssen, das eines Morgens Hand in Hand mit dem noch kleineren Bruder aufbrach, um ein Märtyrertum im Land der Mauren zu suchen? Fort trippelten sie von dem wilden Avila, die Augen weit geöffnet und hilflos aussehend wie zwei Rehkälber, aber mit Menschenherzen, die für eine große Idee schlugen, bis ihnen die Alltagswirklichkeit in der Gestalt von Oheimen entgegentrat und sie von ihrem großen Vorhaben abbrachte. Diese kindliche Pilgerfahrt war ein angemessener Anfang. Theresas leidenschaftliche, ideale Natur verlangte nach einem tatenreichen Leben. Was konnten ihr vielbändige Ritterromane, was die gesellschaftlichen Erfolge eines glänzend begabten
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
girl to her? Her flame quickly burned up that light fuel; and fed from within, soared after some illimitable satisfaction, some object which would never justify weariness, which would reconcile self-despair with the rapturous consciousness of life beyond self. She found her epos in the reform of a religious order. That Spanish woman who lived three hundred years ago, was certainly not the last of her kind. Many Theresas have been born who found for themselves no epic life wherein there was a constant unfolding of far-resonant action; perhaps only a life of mistakes, the offspring of a certain spiritual grandeur ill-matched with the meanness of opportunity; perhaps a tragic failure which found no sacred poet and sank unwept into oblivion. With dim lights and tangled circumstance they tried to shape their thought and deed in noble agreement; but after all, to common eyes their struggles seemed mere inconsistancy and formlessness; for these later-born Theresas were helped by no coherent social faith and order which could perform the function of knowledge for the ardently willing soul. Their ardour alternated between a vague ideal and the common yearning of womanhood; so that the one was disapproved as extravagance, and the other condemned as a lapse.
Mädchens bieten? Die innere Flamme zehrte so leichte Nahrung bald auf und dürstete, aus der Seele genährt, nach einer schrankenlosen Befriedigung, nach einem Zweck, der keine Erschöpfung zuläßt und die Verzweiflung an sich selbst durch das beglückende Bewußtsein eines über das eigene Ich hinausragenden Lebens überwindet. Sie fand das Epos ihres Lebens in der Reform eines geistlichen Ordens. Diese spanische Frau, die vor dreihundert Jahren lebte, war sicherlich nicht die letzte ihrer Art. Viele Theresen sind seitdem geboren, die für sich kein Leben einer unausgesetzten Entfaltung ihrer weithin nachhallenden Tatkraft fanden; vielleicht nur ein Leben der Fehlschläge, wie sie aus einer gewissen Seelengröße im Zusammenklang mit der Kleinstadt entspringen; vielleicht ein tragisch verspieltes Leben, das keinen heiligen Sänger fand und unbeweint der Vergessenheit anheimfiel. Mit trübem Licht und in verwickelten Verhältnissen suchten sie ihr Denken und Tun in edlen Einklang zu bringen. Den Augen gewöhnlicher Sterblicher aber erschien ihr Ringen nur als unzusammenhängend und gestaltlos; denn diesen späteren Theresen stand kein einigendes Band eines gesellschaftlichen Glaubens und eines Ordens helfend zur Seite, das für die glühend strebende Seele das Wissen hätte ersetzen können. Die Glut ihres Innern schwankte zwischen einem verschwommenen Ideal und dem gewöhnlichen Verlangen der weiblichen Natur, so daß das eine als Verstiegenheit angeprangert und das andre als Fehltritt verurteilt wurde.
So gibt das „Vorspiel" für Dorothy Brooke die St.-Theresen-Natur als Thema an: ein tief veranlagtes Mädchen ohne die kleinen Eitelkeiten der Welt, mit Hingabe an unklare Ideale, mit mehr Seelengröße als kritischer Klarheit, deren Ringen eben, wie die Dichterin es von Theresa sagt, den Menschen unzusammenhängend und gestaltlos erscheinen mußte. Daß sie in dem ausgetrockneten Pedanten Casaubon den Mann hoher Gedanken und Kenner der Bücher bewundert und seine Unkenntnis der Menschenseele nicht sieht, ist gar nicht so unnatürlich. Ihr Pflichtgefühl wird an der Seite des herzlosen Egoisten zur Folter, die ganz allmählich ihre Schrauben spannt. D a endlich tritt der Mann in ihren Gesichtskreis, der sie von unbestimmt gefühlten Idealen zu dem Recht der Sinne und des Lebens zurückruft. Nach der langen, freudelosen Hingabe an eine vermeintliche Liebe ohne Stoff heiratet sie Ladislaw aus echter Liebe und kann mit ihrer Geistigkeit dem begabten, aber haltlosen Mann der gute Engel auf dem Wege zu gesammeltem Schaffen werden, die Aufgabe der hochgesinnten, mitfühlenden Frau also aus dem tiefsten Sinn der weiblichen Natur erfüllen, der Mütterlichkeit. Wir wissen, daß die Dichterin der Gestalt des Ladislaw viele Züge ihres edlen Lebensgefährten Lewes geliehen hat.
George Eliot
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In der Figur Dorothys liegt das psychologische Hauptinteresse der Dichterin, ohne daß die Durcharbeitung der andren Charaktere dabei zu kurz gekommen wäre. Der Oheim Brooke mit seiner Herzensgüte und seinem komisch-sprunghaften Dilettieren in allen geistigen Dingen, die unbedeutende, aber schlicht-gescheite Celia, der mit gesundem Menschenverstand und menschlicher Noblesse ausgestattete Sir James Chettle sind ebenso lebenswahre Landtypen wie die scharf ausgearbeiteten Kleinstadtmenschen der Vincy-Gruppe, unter denen der liebenswürdige Fred und die so ungemein naturwahre eitle, ladygemäße, selbstgenügsame, zurückhaltende und bei aller Feierlichkeit als Gattin so grausame Rosamond die Hauptfiguren sind. Rosamond wird der Anlaß zu dem Ruin des Mannes, den sie um der vornehmen Verwandtschaft und der Aussichten auf eine glänzende Laufbahn willen zum Gatten erkoren hat; sie hat aber kein Gefühl für ihre Schuld und empfindet eine wehmütige Freude daran, als unschuldig Leidende bedauert zu werden. Nur als sie hört, daß Ladislaw Dorothy liebt und nicht sie selbst, wie sie sich eingebildet hatte, wird ihr Herz getroffen, und sie söhnt sich mit dem Gatten aus; ohne tiefe Wirkung freilich, und die Heirat mit einem wohlhabenderen Arzt nach dem frühen Tode des in seinem hohen Streben unvollendeten Lydgate wird ihr erst die rechte Wiederherstellung des Gleichgewichts schaler Oberflächlichkeit gebracht haben. Ein Zug von Romantik umgibt die Gestalten des dunklen Ehrenmannes und salbungsvollen Moralisten Bulstrode und des verkommenen Erpressers Raffles, ein Hauch gesunden, prächtigen Bauerntums und Familiensinns das Haus des alten Caleb Garth, freundlicher Humor die Nebenfiguren wie den ledigen Vikar Farebrother und seine komischen alten Hausgenossinnen oder die unermüdlich redende Pfarrersfrau Cadwallader mit ihrer Neigung zu Heiratsvermittlungen. Psychologische Kleinkunst begleitet alles, nicht nur die Entwicklung der ungewöhnlichen Charaktere, sondern auch die Deutung der Kleinstadttypen, die jedem von uns aus Erfahrung vertraut sind, und die Fühlbarmachung eines Fluidums, das gemeinschaftsbildend im schädlichen Sinne des Philistertums wirkt und das Außerordentliche nicht aufkommen läßt. Man könnte viele Seiten zitieren — man denke allein an das Kapitel über die Romreise —, um die „wissenschaftliche" Sorgfalt der Dichterin um den folgerichtigen Aufbau ihrer Figuren zu veranschaulichen und gleichzeitig zu zeigen, wie die Analyse in Dialog und Beschreibung niemals abstrakt und trocken, sondern stets im Gewand echt dichterischer Sprache und bewegter Handlung auftritt. Es ist ein Buch der Menschenkenntnis, des Duldens im Alltag, nicht im mitreißenden Schwung hohen Kämpfertums vorgetragen, aber erfüllt von Lebenswahrheit. Der einfühlende Frauenroman gewann bei dem Einsetzen der demokratischen Befreiung der Frau aus Bevormundung und Enge, die in John S. Mill einen so starken Vorkämpfer fand, seine eigentliche Note. Bei George Eliot war es fachlich geschulte Analyse, die das Werk systematisch konstruierte, bei der Pfarrersgattin Elizabeth Cleghorn Gaskell das soziale Mitgefühl mit dem später im deutschen Naturalismus aufgegriffenen Los der armen Weber (Mary Barton) und die schon bei Jane Austen mit liebevoller Detailzeichnung und verstehendem Humor vorgebildete Kleinmalerei des Familienlebens (Cranford). Die geforderte Befreiung aus viktorianischem Vorurteil durch die Wahl neuer, selbständiger Gestalten und durch Schärfe der Charaktererfassung lassen demgegenüber die Schwestern Charlotte und Emily Bronte, zu denen sich in einem Abstand der Bedeutung noch Anne Bronte gesellt, schon aus dem Klanggefüge ihrer Zeit heraustreten. Sprengung der Fesseln und schöpferisches Frauentum leben bei Charlotte Bronte (Jane Eyre, Shirley, Villette), und Emily Brontes einziger Roman Sturmhöhen ( Wuthering Heights), in der düsteren Moorlandschaft von Yorkshire angesiedelt, führt zu dem Aufschrei des Herzens, zu wilden Leidenschaften von dämonischer Urgewalt, vor denen die strenge gesellschaftliche Sittenordnung nicht bestehen
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
kann. Romantisch-Visionäres und Realistisches verweben sich zu symbolstarken Bildern, in denen die beiden Welten der elementaren Triebhaftigkeit auf den Sturmhöhen und des normalen, bürgerlich geordneten Lebens auf einem ländlichen Herrensitz einander durchdringen mit Freude, Hoffnung und Leid, ähnlich der stilisierten Gegensatzgruppierung von Böse und Gut in den alten Moralitätenspielen. Für dies neue Bild blutvoller Menschen war aber die Zeit noch nicht gekommen; noch war das Thema der Zeit, noch waren die Spannungen im äußeren Gefüge der Gesellschaftsordnung nicht erschöpft. 3. D i e D i c h t u n g : T e n n y s o n , R o b e r t und Elizabeth B r o w n i n g , die P r ä r a f f a e l i t e n In der Versdichtung offenbart sich besonders das Suchen nach Ausgleich in diesem von Strömungen und Gegenströmungen beherrschten Zeitalter, in ihr leben die Spannungen der Zeit. Als in den dreißiger Jahren die Wortführer einer neuen Generation mit Gedichtbänden auftraten, war die Stimme der großen Romantiker bereits längere Zeit verstummt. Ihr Erbe aber lebte weiter; Shelleys Pathos der Menschheitsbeglückung und Keats' Schönheitsglaube hatten der neuen Zeit mit den alle Bereiche ergreifenden sozialen Problemen etwas zu geben. Romantik und Realismus begegnen sich in wechselnden Formen, Lebensbezogenheit sucht die Lyrik ebenso wie der Roman, Dichtung als Lebenskritik verkündet Matthew Arnold immer wieder, den Dichter als Seher und als Lehrer seines Volkes verlangt Carlyle nicht anders, als wir es in Shelleys Lerchenode gehört haben. Die ersten Töne einer sozialen oder sozialistischen Lyrik erklingen in schnell populär gewordenen Getreider>ollreimen von Ebenezer Elliott, einem die graue Armut und den eintönigen Lebenssingsang der armen Näherin malenden Lied vom Hemde von Thomas Hood, in den Kindertränen von Elizabeth Barrett Browning, aus dem uns der ganze Jammer der Kinderarbeit in Fabriken und Bergwerken entgegentönt. Aufrüttelnde Gedichte dieser Art erfüllen die frühviktorianische Zeit, aber nur als eine Stimme in dem Klanggefüge, keineswegs als der wesentlichste und künstlerisch wertvollste Ausdruck. Der starke Impuls der Romantik war Gegenströmung gegen den Rationalismus, der auf jede Frage eine Antwort hatte. Die romantische Opposition mit ihrer Gefühlsstärke, religiösen Erweckung, ihrem historischen Sinn und ihrem Persönlichkeitsdrang ist bescheidener und vielseitiger zugleich. Sie will keine absoluten Kulturwerte schaffen wie der rationale Liberalismus, sondern begnügt sich mit dem Relativen. Wie schon das Aufkommen der eigentlichen Romantik in einer für England so bezeichnenden Weise ohne Bruch mit der Vergangenheit erfolgt war, so erleben wir auch jetzt wieder eine unmittelbare Fortsetzung romantischen Ausdrucks und romantischen Fühlens mit einer allmählich immer stärker werdenden Hinwendung zu der neuen Problemlage. So sind Erscheinungen wie Tennyson zu verstehen, die der dem Mittelalter zugekehrten Romantik ganz nahestehen, aber hochmodern sind in den Themen und predigen wollen wie alle andren. A l f r e d L o r d T e n n y s o n (1809—1892) Die Engländer sprechen mit gutem Grund gerne von dem Zeitalter Tennysons. Er ist der englischste Vertreter seiner Zeit, der dichterische Sprecher des viktorianischen Bürgertums. Fern von Byrons Kosmopolitismus, von Shelleys Götterwelt, von einem Ausgreifen in orientalische Räume, bleibt er bei der Heimat und den ererbten Idealen
Alfred Lord Tennyson
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eines frommen Optimismus. Seine Popularität beruht darauf, daß er echt englische Themen anpackt: Heimat, Religion, glückliche Liebe ohne tiefe Zerrüttungen, Hausfreuden und Haussorgen. Ruhig und verhältnismäßig ereignislos, von wachsender Beliebtheit und Erfolg getragen, verlief dies Dichterleben, ohne Aufgewühltheit, ohne Sturm und Drang, stets abgetönt im Ausdruck des Persönlichen. Einen ebenso schlichten wie tiefen Eindruck der menschlichen und dichterischen Art kann das kleine Gedicht Letzte Fahrt (Crossing the Bar) vermitteln, das der alte Dichter gewissermaßen als Schwanengesang an den Schluß seiner Werke gestellt wissen wollte. Bei der durchgefeilten Formkunst kann nur die Originalfassung den vollen Eindruck vermitteln; der Lyriker Tennyson ist eigentlich nicht übersetzbar. Sunset and evening star, And one clear call for mel And may there be no moaning of the bar, When I put out to sea,
Der Abendstern erglänzt in Abendglut, Ein heller Ruf klingt mir aus lichter Höh. Nicht brande stöhnend überm Riff die Flut, Fahr ich hinaus in Seel
But such a tide as moving seems asleep, Too full for sound and foam, When that which drew from out the boundless deep Turns again home.
Wie schlummernd hebe leise sich und voll Das Meer — kein Schaumgebraus I Denn was dem schrankenlosen All entquoll,
Twilight and evening bell, And after that the darkl And may there be no sadness of farewell,
Die Abendglocke läutet. Dämmerlicht! Die Nacht bricht schnell herein. Kein Abschiedsschmerz, ihr Lieben! Trauert nicht, Schiff ich mich ein I
When I embark; For tho' from out our bourne of Time and Place The flood may bear me far, I hope to see my Pilot face to face, When I have crost the bar.
Kehrt nun nach Haus.
Denn ob aus Zeit und Raum zu unerforschten Höh'n Des Meeres Flut mich führt — Den Lotsen hoff ich dann von Angesicht zu sehn, Wenn ich das Riff passiert.
Der alte Dichter vergleicht das Scheiden aus dem Diesseits mit der Ausfahrt aus dem Strom des Lebens in den Ozean der Ewigkeit. Reinen Herzens, bei klarem Sonnenuntergang steuert er auf das jenseitige Leben zu, als Gott ihn ruft. Die Hafensperre darf nicht seufzen (Str. i), in majestätischer Ruhe liegt die See da, kein Schaumkamm stört die Glätte ihrer Oberfläche. Die Seele kehrt in ihre Heimat zurück (Str. 2). Die Zurückbleibenden sehen das Dämmern der Ewigkeit und hören das Geläute. Sie denken nur an Grab und Vergehen; aber das ist unrecht (Str. j), denn der Ausfahrende hofft Christus zu finden, den Lotsen, der ihn hineinführen soll in Hamlets „unentdecktes Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt" (Str. 4). Ein schönes Metrum freier Rhythmen, in dem nur die dritte Zeile feste Form hat und die übrigen sich mit leichtem Wechsel um drei oder zwei Tonsilben gruppieren, geht der ruhigen Stimmung nach; zwei Lieblingsbilder Tennysons, Sonnenuntergang und Abendstern, geben die Szene ab: Naturstille, in die plötzlich heller Trompetenstoß („öne cliar cdll") wie das Schmettern der Trompeten des Jüngsten Gerichts hineinklingt, grandios und feierlich, so daß das Ächzen der Hafensperre stören würde, als impressionistisches Bild hingetupft mit Substantiven unter Vernachlässigung der Vorgangswörter. Prachtvoll ist die knappe Beschreibung der regungslosen See (Str. 2), schlicht und echt
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
wird die frohgemute Stimmung des scheidenden Dichters angedeutet, sympathisch und rührend ist die Auffassung des Todes. Der alte Lord liebt ihn, er hofft auf den Lotsen, ein schlichtes Christentum wird in geziemende Sprache gekleidet. Das ist Tennyson als frommer Christ und unkomplizierter, die See liebender Engländer. Er ist Idylliker und Melodiker. Im Klanglichen liegt die Substanz, in der Wirkung auf die Sinne der eigentliche Inhalt. Rhythmus und Lautklänge sind oft da, bevor der Gedanke geboren oder ein Bild für die Augen entstanden ist. So formen sich ihm einschmeichelndes Metrum, wechselnde Vokalwirkungen, säuselnde Stabreime, Wortwiederholungen, Binnenreime, kurze Einsilbler mit gleichsam angehaltenem Atem und einlullender Flüsterstimme im Wechsel mit sanft ausströmender Folgezeile zu dem vielgesungenen Wiegenlied Sweet and Low: Sweet and low, sweet and low, Wind of the western sea, Low, low, breathe and blow, Wind of the western seal Over the rolling waters go, Come from the dying moon, and blow, Blow him again to me; While my little one, while my pretty one sleeps.
Sacht und lind, sacht und lind, Wind vom westlichen Strand, Lind, lind weh, o Wind, Wind vom westlichen Strand I Über die Wellen geh geschwind, Komme vom scheidenden Mond, o Wind, Weh ihn wieder ans Land, Während mein Kleiner, während mein Süßer schläft 1
Sleep and rest, sleep and rest, Father will come to thee soon; Rest, rest, on mother's breast; Father will come to thee soon; Father will come to his babe in his nest, Silver sails all out of the west Under the silver moon: Sleep, my little one, sleep, my pretty one, sleep.
Schlaf und ruh, schlaf und ruh, Vater kommt bald zu dir; Ruh, ruh bei Mutter du, Vater kommt bald zu dir I Vater deckt bald sein Kindchen zu — Segel von Westen erspähest du Unter dem Monde hier. Schlafe, mein Kleiner, schlafe, mein Süßer, schlaf'!
Auf dem sinnlich-musikalischen Element beruht der Hauptreiz der Lieder Tennysons. Er liebte es nicht, wie uns berichtet wird, daß seine Lieder gesungen würden, offenbar weil er die im Sprachlichen liegende Musikalität allein als reinen Ausdruck der Empfindung gelten lassen wollte; er hat freilich auch keinen Schubert oder Schumann als Mitschöpfer des Liedes gefunden. Die Meisterschaft rhythmisch-musikalischer Effekte hat der Ballade Der Reiterangriff von Balaklava (The Charge of the Light Brigade) ihre außerordentliche Popularität eingetragen, dem patriotischen Preislied auf sechshundert Reiter, die während des Krimkrieges in der als Todesritt des Lord Cardigan in die Geschichte eingegangenen nutzlosen Attacke der Leichten Brigade bei Balaklava den Tod fanden. Half a league, half a league, Half a league onward, All in the valley of Death Rode the six hundred. "Forward, the Light Brigade! Charge for the guns I" he said: Into the valley of Death Rode the six hundred.
Schnell wie des Blitzes Strahl, Stürmend und sausend, Nieder ins Todestal Ritten die Tausend. „Vorwärts 1" der Führer spricht; Sie aber fragen nicht, Zittern und zagen nicht, Tat und Tod ihre Pflicht, Hin durch das Todestal Ritten die Tausend.
Alfred Lord Tennyson
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"Forward, the Light Brigade 1" Was there no man dismay'd ? Not tho' the soldiers knew Some one had blunder'd: Their's not to make reply, Their's not to reason why, Their's but to do and die: Into the valley of Death Rode the six hundred. Cannon to right of them, Cannon to left of them, Cannon in front of them Volley'd and thunder'd; Storm'd at with shot and shell, Boldly they rode and well, Into the jaws of Death, Into the mouth of Hell Rode the six hundred.
Rechts der Kanonen Schlund, Links der Kanonen Schlund, Vorn der Kanonen Schlund, Donnernd und brausend; Bomb' und Kartätsche traf, Sie aber ritten brav; Kühn in der Hölle Schlund, Kühn in den Todesschlaf Ritten die Tausend.
Flash'd all their sabres bare, Flash'd as they turn'd in air Sabring the gunners there, Charging an army, where All the world wonder'd: Plunged in the battery-smoke Right through the line they broke; Cossack and Russian Reel'd from the sabre-stroke Shatter'd and sunder'd. Then they rode back, but not, Not the six hundred.
Schwangen die Säbel all', Stürmten mit Donnerhall Wider der Feinde Wall; Wieder fiel Schlag auf Schlag, Blitzend und sausend; Mitten im Pulverdampf Dröhnte ihr Hufestampf; Kühn war und hart der Kampf, Wankend ein Heer zerstob, Wankend und grausend. Dann ritten heim sie, doch Nicht mehr die Tausend.
Cannon to right of them, Cannon to left of them, Cannon behind them— Volley'd and thunder'd: Storm'd at with shot and shell, While horse and hero fell, They that had fought so well Came through the jaws of Death, Back from the mouth of Hell, All that was left of them, Left of six hundred.
Rechts der Kanonen Schlund, Links der Kanonen Schlund, Hinten der Mörser Schlund, Donnernd und brausend; Bomb' und Kartätsche traf Sie, die gestürmt so brav; Aufwärts vom Höllenschlund Ritten durchs Todestal Heim wie des Blitzes Strahl Alle, die übrig noch, Übrig von Tausend.
When can their glory fade? O the wild charge they made! All the world wonder'd. Honour the charge they made! Honour the Light Brigade, Noble six hundred!
Singt ihnen Ruhm und Preis! Lang noch gekündet sei's Horchendem Enkelkreis Staunend und grausend.
Der gestoßene Daktylenrhythmus des Galoppritts, die atemlos gekeuchten kurzen Sätze oder Satzbruchstücke, die Klangmalerei von Hufschlag, Kanonendonner und Kartätschenkrachen bezauberten die Welt: die Soldaten auf der K r i m verlangten nach immer neuen Nachdrucken. Das Gedicht gehört gewiß nicht zu den künstlerisch wertvollsten; es ist aber ein echtes Gemeinschaftslied, in ihm spricht der wahre
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Tennyson, der unkomplizierte Dichter, der mit seinem Volk fühlt und in einer den schlichten Soldaten packenden Sprache das Hohelied des kriegerischen Ruhmes zu singen versteht. Den Klangekstatiker Tennyson erkennt man besonders gut an einem der Frühwerke, dem Gedicht Die Lotosesser (The Lotos-Eaters). Die Geschichte von den Lotophagen, die über der Süße der Lotosfrucht Vaterland und Heimat vergaßen, wird uns von Homer erzählt („Odyssee" IX, 85 fr.), in England von Spenser („Feenkönigin") und Thomson („Schloß der Lässigkeit") motivisch verwendet. Weichheit, Süße, Schlaf, Wollust: auf dies Thema sind alle Bilder und Motive abgestimmt. Ruhige Spenserstanzen geben die Situation in Form einer Einleitung: "Courage I" he said, and pointed toward the land, "This mounting wave will roll us shoreward soon." In the afternoon they came unto a land In which it seemed always afternoon. All round the coast the languid air did swoon, Breathing like one that hath a weary dream. Full-faced above the valley stood the moon; And like a downward smoke, the slender stream Along the cliff to fall and pause and fall did seem.
„Mut", sprach er, „Mutl" und deutete zum Strand, „Ans Ufer springen heut noch unsre Reih'n." Gen Abend kamen sie zu einem Land, In dem es ewig Abend schien zu sein. Wollüst'ge Lüfte zogen aus und ein, Wie jemand atmen mag in müdem Traum. Hell überm Tale stand des Vollmonds Schein; Gleich niederwärts gekehrtem Rauch und Schaum Fiel stumm vom Berg der Strom und fiel, sich regend kaum.
Man kommt in ein Land von Strömen, aus denen es wie ein Schleier, ein Schlummerhauch aufsteigt, in dem milde Abendglut durch tauigen Nebel schimmert. Die Seefahrer nähern sich, Schwermut im sanften Blick tragend, und bieten die Frucht ihres Zauberbaumes an. Wer von ihr aß, dem schienen die Wellen des Meeres weit entrückt, die Stimme der Gefährten schwach, Menschen und Natur halb im Schlaf, das Vaterland mit Weib und Kind ein ferner, süßer Traum. Most weary seemed the sea, weaty the oar, Weary the wandering fields of barren foam. Then some one said, "We will return no more;" And all at once they sang, "Our island home Is far beyond the wave; we will no longer roam."
Und müde schien die See, müd' ringsumher Die schäum- und rauchbedeckten Ufergau'n. Und einer sprach: „Heim kehren wir nicht mehrl" Und alle sangen: „Unsre Heimatsau'n Sind fern dort überm Meer — laßt hier uns Hütten bau'nl"
Dann folgt das Chorlied der Lotophagen, traumhafte Bilder aus Feenland, wogengleich schwellende, sanft bewegte Verse. Alles ist in Schläfrigkeit gesunken, die Natur und die Menschen. II Why are we weighed upon with heaviness, And utterly consumed with sharp distress, While all things else have rest from weariness? All things have rest: why should we toil alone,
II Was ist's, das uns zur Arbeit spornt so scharf Und solche Last auf unsre Schultern warf, Wenn alles sonst, ermüdet, ruhen darf? Alles hat Ruh — was sollen wir allein
Alfred Lord Tennyson
We only toil, who are the first of things, And make perpetual moan, Still from one sorrow to another thrown: Nor ever fold our wings And cease from wanderings, Nor steep our brows in slumber's holy balm; Nor harken what the inner spirit sings, "There is no joy but calml" Why should we only toil, the roof and crown of things ?
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Uns müh'n, von allem doch das erste wir? Mit Seufzen und Gewein, Von einer stets gejagt zur andren Pein, Und unsre Schwingen hie In Ruhe senken nie, Noch unser Aug' in Schlummer schließen zu
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Noch, wann die Seele redet, horchen ihr: „Kein Freuen gibt's als Ruhl" Was müh'n wir uns allein, der Schöpfung Krone wir?
Der schwer alliterierende Anfang dieser Strophe, die von Müdigkeit des Denkens zeugenden Wortwiederholungen begegnen auch weiterhin im Text. Eine ärgerliche Erregung in schnellerem Rhythmus weicht bald wieder dem schwerfälligen Ausdruck mit Denkunlust in Gleichworten und Gleichklängen: IV Hateful is the dark-blue sky, Vaulted o'er the dark-blue sea. Death is the end of life; ah, why Should life all labour be? Let us alone. Time driveth onward fast, And in a little while our lips are dumb. Let us alone. What is it that will last? All things are taken from us, and become Portions and parcels of the dreadful Past. Let us alone. What pleasure can we have To war with evil? Is there any peace In ever climbing up the climbing wave? All things have rest, and ripen toward the grave In silence; ripen, fall and cease: Give us long rest or death, dark death, or dreamful ease.
IV Widrig ist das Wolkenzelt Über dumpfer Meeresruhl Tod ist des Lebens End' — oh, fällt Dem Leben nur Arbeit zu? Laßt uns in Ruhl Die Zeit uns bald vertreibt; Ein Weilchen noch, und unsre Lipp' ist stumm. Laßt uns in Ruhl Was ist es, das da bleibt? Alles wird uns geraubt und wandelt um Sich in Vergang'nes, das in Sand sich schreibt. Laßt uns in Ruhl Wie kann es Lust uns sein, Das Recht zu schirmen? Könnt ihr Rat erspäh'n In diesen ew'gen Meerdurchschweiferei'n? Alles hat Ruh und reift ins Grab hinein — Ein stetes Reifen, Welken und Vergehn! Laßt Ruh uns oder Tod, Tod oder Frieden sehnl
Immer länger werden die Zeilen, wie der Schlaf die Lider niederdrückt (V—VIII), bis das klangvolle Sehnsuchtswort Lotos, umgeben von gleichtönenden dunkelvokaligen Wörtern, den Sinn nicht mehr losläßt und immer wiederkehrt, immer mehr in ein bloßes Klingen übergehend: VIII The Lotos blooms below the barren peak: The Lotos blows by every winding creek: All day the wind breathes low with mellower tone Thro' every hollow cave and alley lone, Round and round the spicy downs the yellow Lotos-dust is blown, We have had enough of action, and of motion we,
VIII Der Lotos steht auf jedem blumigen Hag, Der Lotos blüht an jedem Murmelbach; Mit sanftem Hauch tagtäglich weht der Wind, Durch jede Schlucht, und wo nur Stege sind, Fliegt und fliegt der gelbe Lotosstaub durch Wald und Wiesen lind. Nun genug für uns der Taten und der Wanderung I
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Roll'd to starboard, roll'd to larboard, when the surge was setting free, Where the wallowing monster spouted his foam-fountain in the sea. Let us swear an oath, and keep it with an equal mind, In the hollow Lotos-land to live and lie reclined On the hills like Gods together, careless of mankind.
Bald nach Steuer-, bald nach Backbord warf uns tückischer Wogen Sprung, Wo den Schaum und Gischt hinaufwärts spritzte tollen Wirbels Schwung. Laßt uns schwören einen Eid und treu ihn halten nun, In dem Lotosland zu leben und im Moos zu ruh'n, Göttern gleichend, unbekümmert um der Menschen Tun.
So geht es weiter mit Stabreim- und Vokalspielen, mit echoartigem Binnenreim, "like a tale of little meaning", "a music centred in a doleful song", wie das eintönige Weiterlallen eines nicht mehr weiterdenkenden Einschlummernden. "Slumber is more sweet than toil": so klingt dies Kabinettstück tönender Verse aus, müde und unmännlich, nicht von wirklichen Menschen gesprochen. Wie anders das Bekenntnis zu schlichter Tatkraft, zu männlicher Geradheit des Handelns in den klaren Blankversen des prächtigen Ulysses, eines dramatischen Monologs, wie man die Gattung nennt, richtiger eines Dialogs mit stummem Zuhörerl Es ist nicht der homerische König von Ithaka, der hier lange nach der Heimkehr die alten Genossen zu neuer Fahrt in neue Welten aufruft, sondern die in der Überlieferung weiterentwickelte Gestalt, von der Dante in der „Hölle" (XXVI, 94—126) berichtet. Der alte Seefahrer kann nicht ausruhen, er will das Leben bis zur Neige trinken, er will die Unendlichkeit der Welt heldisch erleben, die künstlerische Genußwelt soll dem tätigen Leben weichen; Lebenssehnsucht erfüllt diesen ganz ungriechischen Griechen. Der Sohn Telemachus wird das Land hüten; er selbst will hinaus: "Tis not too late to seek a newer world." Stürmende Jugend, Wille, Entschlußkraft sind noch lebendig, wenn auch der Körper schwächer geworden ist. So soll der rechte Mann sein, hochgemut und vertrauend: Made weak by time and fate, but strong in will To strife, to seek, to find, and not to yield.
Durch Zeit und Schicksal schwach gemacht, doch stark Im Ringen, Suchen, Finden, Nimmerweichen 1
Das große Thema des dichterischen Erlebens Tennysons gehört der romantischritterlichen Welt an, der Arthursage, aus der er in jahrzehntelanger Arbeit einen Kranz von elf Verserzählungen zu dem Epos Königsidyllen (Idylls of the King) geflochten hat; Versmärchen eher als Epen, voll krauser Abenteuer und Überraschungen, bilderprächtig und funkelnd, von sprachlichem Wohllaut und höchster Verskunst, inhaltlich aber ohne dramatische Spannungen und Höhepunkte, ein kalt lassendes Geschehen in schimmerndem Redegewand. Romantisch ist die Gegenwartsferne, zeitnah der gewollte Symbolgehalt: der Dichter gibt in der Widmung und im Epilog Hinweise auf die moralische Bedeutsamkeit, in der Arthur das Vorbild aller Kämpfer um die Vollendung der Seele sein soll, das Gewissen im Streit der Sinne mit der Seele, gewissermaßen auch der Retter aus dem sozialen Elend der Chartistenzeit. Auflösung der sittlichen Ordnung untergräbt Staat und Gesellschaft! Das soll der nachträglich und etwas gewollt den chevaleresken Idyllen beigelegte Sinn sein. Damit will sich die Dichtung in den Dienst der Lebensaufgaben stellen. Eine Vorstufe des großen Werks war die Ballade Die Dame von Shalott (The Lady of Shalotf), in dem die vollsinnliche Wortkunst des Dichters Triumphe feiert. Sie berichtet von der stillen Frau, die am Fenster webt und unter einem Fluch niemals nach Camelot hinunterblicken darf. Nur ein Spiegel zeigt ihr Landschaft und Weltgetriebe.
Alfred Lord Tennyson
On either side the river lie Long fields of barley and of rye, That clothe the wold and meet the sky; And thro' the field the road runs by To many-tower'd Camelot; And up and down the people go, Gazing where the lilies blow Round an island there below, The island of Shalott.
An beiden Stromesufern ziehn Sich Gerst- und Roggenfelder hin, Und mitten durch der Felder Grün Schlängelt sich der Heerweg hin Zum vielgetürmten Camelot; Und auf und ab die Leute gehn, Zu schauen, wo die Lilien weh'n Um ein Eiland, hold zu sehn, Das Eiland von Shalott.
Willows whiten, aspens quiver, Little breathes dusk and shiver Thro' the wave that runs for ever By the island in the river Flowing down to Camelot. Four gray walls, and four gray towers, Overlook a space of flowers, And the silent isle imbowers The Lady of Shalott.
Weiden schimmern, Espen beben, Leise Abendlüfte weben Um die Fluten, glatt und eben, Die das Eiland rings umgeben, Abwärts zieh'nd gen Camelot. Vier Wälle grau, vier Türme grau Überschau'n die Blumenau; Den stillen Ort bewohnt die Frau, Die Dame von Shalott.
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Als Sir Lancelot vorbeizieht, der strahlende Ritter mit funkelnder Rüstung und klingenden Glöckchen am Zügel, verläßt sie den Webstuhl und blickt hinab. Da zerspringt der Spiegel, der Fluch kommt über sie, tot treibt ihr Leichnam den Fluß hinab zum Königspalast, wo der stolze Ritter nur ein kühl bedauerndes Wort für sie übrig hat: Who is this? and what is here? And in the lighted palace near Died the sound of royal cheer; And they crossed themselves for fear, All the knights of Camelot: But Lancelot mused a little space; He said, "She has a lovely face; God in his mercy lend her grace, The Lady of Shalott."
Wer ist's? Was drängt sich rings der Schwall? Im Palastsaale überall Erstarb des Festes froher Schall, Und angstvoll sich bekreuzten all' Die Rittersleut' in Camelot. Doch Lancelot tief sinnend spricht: „Sie hat ein süß' und lieb' Gesicht; Gott schenk' ihr gnädiges Gericht, Der Dame von Shalott!"
Schon die Namen klingen suggestiv-fremdartig, ebenso das ebenmäßige Metrum und die kunstvolle Schweifreimstanze, die schweren Vokale des Anfangs, der hellere Ton der Lancelotstrophen. Schatten und helle Wirklichkeit werden in Klangbildern von großer Schönheit festgehalten (Teil I, Strophe 2 bis 4; II, 2; III, 3 bis 5). Hier lebt die Musikalität Keatsscher Dichtung fort. Die mittelalterliche Welt wird nicht in ihrem männlich-heldischen Handeln und ihren sittlichen Idealen, sondern in weicher Stimmungszauberei wiedererweckt, eine Welt der Sehnsucht aus der trüben Alltäglichkeit. Die Musik der Sprache, die gewählten Worte, die Reime, die Bilder machen den Gehalt aus, balladeske und symbolische Mittel, in denen die zarte Seite romantischer Mittelalterschwärmerei fühlbar wird. Der Klang- und Wortvirtuose trug aber auch siebzehn Jahre hindurch eine gedankenschwere Dichtung in sich, die aus der großen seelischen Erschütterung seines Lebens entstand, dem Tod seines Freundes Arthur H. Hallam. Es ist ein Elegienring in 3000 Versen, 131 sonettähnliche Lieder, die er zu dem Zyklus In Memoriam A. H. H. (1850) zusammenfügte. In immer neuen Bildern macht er sich den schmerzlichen Verlust bewußt und sucht er Trost in Hoffnung und Glauben. Der Freund ist zu Gott eingegangen und sieht höhere Wahrheiten als wir; es gilt, den „honest doubt" zu überwinden. Die anspruchsvolle Wissenschaft der Zeit, besonders die Evolutions30 Die Stimmen der Meister
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VI. Streben nach Ausgleich: das „Viktorianische Kompromiß"
lehre, hatte ja den Zweifel aufgeworfen, das positivistisch-unmetaphysische Denken war dem schlichten Christusglauben gefährlich, nur die alte Überzeugung von der Trennung der Bereiche des Glaubens und Wissens kann Ruhe und Halt geben: We have but faith: we cannot know; For knowledge is of things we see; And yet we trust it comes from thee, A beam in darkness: let it grow.
But vaster. We are fools and slight; We mock thee when we do not fear: But help thy foolish ones to bear; Help thy vain worlds to bear thy light.
Let knowledge grow from more to more, But more of reverence in us dwell; That mind and soul, according well, May make one music as before,
Forgive what seem'd my sin in me; What seem'd my worth since I began; For merit lives from man to man, And not from man, O Lord, to thee. (Einleitung)
Der Mensch kann in dem großen Naturgeschehen weder bestimmen noch urteilen, sondern nur vertrauen, daß Gott alles zum guten Ende führen wird: Oh yet we trust that somehow good Will be the final goal of ill, To pangs of nature, sins of will, Defects of doubt, and taints of blood;
I falter where I firmly trod, And falling with my weight of cares Upon the great world's altar-stairs That slope through darkness up to God,
That nothing walks with aimless feet; That not one life shall be destroyed, Or cast as rubbish to the void, When God hath made the pile complete;
I stretch lame hands of faith, and grope, And gather dust and chaff, and call To what I feel is Lord of all, And faintly trust the larger hope.
That not a worm is cloven in vain; That not a moth with vain desire Is shrivell'd in a fruitless fire, Or but subserves another's gain.
"So careful of the type?" but no. From scarped cliff and quarried stone She cries, " A thousand types are gone: I care for nothing, all shall go.
Behold, we know not anything; I can but trust that good shall fall At last—far off—at last, to all And every winter change to spring.
"Thou makest thine appeal to me: I bring to life, I bring to death: The spirit does but mean the breath: I know no more." And he, shall he,
So runs my dream: but what am I ? An infant crying in the night: An infant crying for the light: And with no language but a cry.
Man, her last work, who seem'd so fair, Such splendid purpose in his eyes, Who roll'd the psalm to wintry skies, Who built him fanes of fruitless prayer,
Are God and Nature then at strife, That Nature lends such evil dreams ? So careful of the type she seems, So careless of the single life.
Who trusted God was love indeed And love Creation's final law— Tho' Nature, red in tooth and claw With ravins, shriek'd against his creed —
Who loved, who suffer'd countless ills, Who battled for the True, the Just, Be blown about the desert dust, Or seal'd within the iron hills? (Aus Stück LIV-LVI) Das Wissen ist ein hohes Ziel; es darf aber nicht fürwitzig seine Grenzen zu durchbrechen suchen. E s ist erdgebunden; da droben wohnt die Weisheit, die himmlisch ist:
Alfred Lord Tennyson
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Who loves not Knowledge? Who shall rail For she is earthly of the mind, Against her beauty? May she mix But Wisdom heavenly of the soul. With men and prosper 1 Who shall fix O friend, who earnest by the goal Her pillars? Let her work prevail. So early, leaving me behind, But on her forehead sits a fire: She sets her forward countenance And leaps into the future chance, Submitting all things to desire.
I would the great world grew like thee, Who grewest not alone in power And knowledge, but by year and hour In reverence and in charity. (Stück CXIV)
Ein sprachgewaltiger Hymnus mit pantheistischem Trost beschließt die Betrachtungen und das Gedenken des Freundes mit Anklang an Goethes Divanlied „Gottes ist der Orient": Thy voice is on the rolling air; I hear thee where the waters run; Thou standest in the rising sun, And in the setting thou art fair.
My love involves the love before; My love is vaster passion now; Tho' mix'd with God and Nature thou, I seem to love thee more and more.
What art thou then? I cannot guess; But tho' I seem in star ana flower To feel thee some diffusive power, I do not therefore love thee less.
Far off thou art, but ever nigh; I have thee still, and I rejoice; I prosper, circled with thy voice; I shall not lose thee tho' I die. (Stück C X X X )
Der ganze Zyklus vereinigt Gedichte aus verschiedenen Stimmungen, hierin Shakespeares Sonetten ähnlich, aber mit dem Unterschied, daß hier nicht die strenge Sonettform die Betrachtung begrenzt, sondern die einfach-würdige Strophe zu formschönen Gebilden von verschiedener Länge — von 12 bis zu 120 Zeilen — zusammengefügt wird. Die Dichtung ist mehr als eine Totenklage oder Elegie, eher ein Monument zu Ehren des Freundes, von der schlichten lyrischen Klage am Grabe ( X I X , X X I ) , der Erinnerung an gemeinsames Erleben (XXII—-XXV), dem umflorten Blick in die Zukunft der Freundesliebe ( X X V I ) , der durch die Zeit geheiligten Rückschau auf den Geburtstag, die Weihnachts- und Neujahrsgedanken, den Todestag des Verschiedenen (CV), aufsteigend zu der vertieften Freude, die in der Liebe Gottes die Menschheit vereint weiß. Verzweifelnde Klage erhebt sich zu liebender Hoffnung, hoher lyrischer Ausdruck ( L X X X V I , CVI) triumphiert über irdische Not und Enge, das Denken befreit sich in der Gewißheit der Allweisheit: "Let knowledge grow from more to more, But more of reverence in us dwell." Es ist die Theodizee der etwas dünnen Luft des Frühviktorianismus, so wie das „Verlorene Paradies" der geistige Ausdruck des 17. und Popes „Versuch über den Menschen" der des frühen 18. Jahrhunderts war; keine Tiefenphilosophie, sondern die bürgerliche Lehre von der goldenen Mittelstraße, von dem versöhnenden Ausgleich, dabei aber das einflußreichste Gedicht seines Zeitalters, dessen Verse und Gedanken in Dichtung und Prosa, in Predigt und Kirchenlied wiederkehren und von dem viele bekannten, es habe sie weiser und glücklicher gemacht. Das sympathische Bild des Engländers im guten alten Sinne, in dem ein undogmatisches Christentum, die schlichte Religion der Liebe im Sinne eines Dr. Primrose lebendig ist, bildet das Vermächtnis dieses Dichters, dessen künstlerisches Urerlebnis die Klangform, Harmonie und Eindrucksempfindlichkeit ist, der der Poesie einen bis dahin nicht gekannten Formenreichtum verlieh und der bei aller Begrenzung der gedanklichen Tiefe eine klare und edle Menschlichkeit zu künden und vorzuleben wußte. Wer Tennyson von dem Gedankengehalt oder der Stoffbehandlung her zu beurteilen unternimmt, wie es so häufig geschieht, wird ihm nie gerecht werden; die Form führt bei ihm zur Idee, eine unerhörte Eindrucksempfindlichkeit richtet im 301
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
wellengleichen Schwingen der Laute und Silben, in Klängen und Farben ein Stimmungsgebäude auf, in dessen harmonischer Selbstverständlichkeit das Wesen des Themas Gestalt gewinnt — das Geheimnis großen Künstlertums, an dessen hohepriesterliche Sendung der Dichter glaubte.
R o b e r t B r o w n i n g (1812—1889) Der andre Große unter den viktorianischen Dichtern ist fast in allem das Widerspiel zu Tennyson, wenn auch wie dieser und noch bewußter als er Lehrer seines Volkes und Kämpfer für Ideen. Tennysons Themen gehören der engeren Heimat an, seine Haltung meidet das Extreme, sein Fühlen ist die veredelte und erhobene Empfindung seines Volkes. Browning ist Europäer, dessen umfassender Belesenheit Italien ebenso nahe ist wie die Antike, dessen Gestalten so mannigfaltig sind wie das Leben selbst; er ist Antiromantiker, religiöser Individualist, Vitalist mit Freude am geistigen Kräftespiel, optimistischer Evolutionist, Lehrer der Kraft und des Mutes, Führer zur sittlichen Gesundung. Tennyson ist Meister der künstlerischen Form, Browning eigenwilliger Verächter der Form im Ringen mit dem Gedanken, genialer Deuter der Ungereimtheiten der Seelenwelt, erfüllt von einem kämpferischen Lebensethos. Seine Dichtung ist keine bequeme Lektüre, sondern muß erkämpft werden. Die vielberufene Dunkelheit seiner Werke beruht aber nicht auf gedanklichem Dunkel, sondern auf der starken Subjektivität der Gestaltung, die Ausgangspunkt für die neueste Dichtung geworden ist. Es ist eine ausgesprochen psychologische Kunst, Seelenzergliederung, ein Studium des Individuums, nicht des Menschen im allgemeinen. Erst im Zusammenklang der Einzelschicksale ergibt sich das Lied von der Menschheit. Eine zufällige Anekdote, ein Bild, ein altes Buch, ein historisches Bruchstück regt die Phantasie des Dichters an zur psychologischen Deutung. Die Technik ist oft dialektisch, ein Hin und Her von „Standpunkten" und Gedankensprüngen, die der Leser mitmachen muß, um die Synthese zu vollziehen. Auf diesem Prinzip beruht das gewaltige Hauptwerk über einen altitalienischen Mordprozeß, Der Ring und das Buch. Man versteht, daß der „dramatische Monolog" oder fingierte Dialog mit stummem Zuhörer, der den seelenanalytischen Selbstgesprächen der Helden Shakespeares ähnelt, die Lieblingsform eines solchen Dichters werden konnte. So kann eine Tragödie, in 5 6 Zeilen in dem berühmten Gedicht My Last Duchess die ganze grausame Selbstherrlichkeit eines Nobile der italienischen Spätrenaissance vor uns aufleben lassen. Er führt den Gast, der wegen der Heirat der Tochter verhandeln soll, durch den Bildersaal und zieht den Vorhang von dem Bild zurück: That's my last Duchess painted on the wall, Looking as if she were alive. I call That piece a wonder, now. Fra Pandolph's hands Worked busily a day, and there she stands. Will't please you sit and look at her? I said "Fra Pandolph" by design, for never read Strangers like you that pictured countenance, The depth and passion of its earnest glance, But to myself they turned (since none puts by The curtain I have drawn for you, but I) And seemed as they would ask me, if they durst, How such a glance came there; so, not the first Are you to turn and ask thus.
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Die unbekümmerte Lebenslust der jungen Gattin hat den ahnenstolzen Herzog dadurch gekränkt, daß sie ihre Freundlichkeit jedem ohne Unterschied zuwandte, daß sie dem Gärtner für einen Zweig mit Kirschen, dem treuen Reittier, der sinkenden Sonne, den aufmerksamen Bedienten ihr gütiges und dankbares Lächeln ebenso dankte wie dem Herrn und Gebieter, der ihr doch einen neunhundert Jahre alten Namen geschenkt hatte. • . . . Oh sir, she smiled, no doubt, Whene'er I passed her; but who passed without Much the same smile? This grew; I gave commands; Then all smiles stopped together. Was war das für ein Befehl? Der Dichter, hiernach gefragt, sagte einmal: Ja, das Todesurteil — oder, fügte er nach einer Pause hinzu, die Einkerkerung im Kloster. Dann gleich eine kalte Gesprächsphrase an den Gast: Wollt Ihr nicht aufstehen und mit mir zu der wartenden Gesellschaft hinuntergehen? Achtet auch noch auf den Neptun da drüben, wie er ein Seeroß zähmt, ein seltenes Kunstwerk, von einem berühmten Bildhauer für mich in Bronze gegossen. Eine kurze Handbewegung beschließt die knapp und eindrucksvoll angedeutete Tragödie eines vornehmen Hauses, der grausamen Willkür eines kalten und stolzen Mannes entsprungen. Prachtvoll der Aufbau, knapp und mit verhaltenen Empfindungen, eisige Atmosphäre, lässiger Gesprächston in den prosaähnlich übergreifenden Versen, alle Gefühle verhüllt, nur innerlich aufgerührt und wirkend. Da ist nichts von Klangschönheit und Seelenschwingen zu suchen, nur Bewegung, psychologische Hintergründigkeit, sprachlose Erschütterung. Mit welchen Gedanken wird der Gast an dem Mahl teilnehmen, welches Bild des Brautvaters wird er seinem Auftraggeber heimbringen! Auch die Liebe wird al§ Studie der Gefühle behandelt und nicht als Idyll wie bei Tennyson. Der Dichter sucht sie als den himmlischen Funken in dieser Welt des Wirklichen zu begreifen. Evelyn Hope knüpft an den platonischen Gedanken im „Gastmahl" an, daß Liebe schon ihre Erfüllung findet, wenn sie nur einseitig ist, und Browning hat dies wiederholt ausgesprochen; auch der Tod kann sie nicht auslöschen. Der gereifte Mann sitzt neben der Leiche des geliebten Mädchens und überdenkt sein Leben. Beautiful Evelyn Hope is dead I Sit and watch by her side an hour. That is her book-shelf, this her bed; She plucked that piece of geraniumflower, Beginning to die too, in the glass; Little has yet been changed, I think: The shutters are shut, no light may pass Save two long rays thro' the hinge's chink.
Die schöne Evelyn Hope ist tot; Sitzt nieder an ihrer Lagerstatt I Dort ist ihr Büchergestell, Hier liegt von ihrem Geranium ein rotes Blatt; Das Stübchen ist wenig verändert seitdem, Das lang sie bewohnt; vom Sonnenschein Dort außen dringen zwei Strahlen nur Durch das geschlossene Fenster herein.
Sixteen years old when she died! Perhaps she had scarcely heard my name; It was not her time to love; beside, Her life had many a hope and aim, Duties enough and little cares, And now was quiet, now astir, Till God's hands beckoned unawares, — And the sweet white brow is all of her.
Mit sechzehn Jahren starb sie, fast Kind; Wohl meinen Namen hörte sie nie, Noch kannte die Liebe sie nicht, doch viel Vom Leben schon hoffte, erstrebte sie; Sie kannte nur Freuden, Sorgen kaum, Bis Gott sie nahm aus der Ihren Kreis Und nichts von ihr auf der Erde blieb Als ihre Stirne, so lieblich weiß.
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische K o m p r o m i ß "
Is it too late then, Evelyn Hope? What, your soul was pure and true, The good stars met in your horoscope, Made you of spirit, fire and dew— And, just because I was thrice as old And our paths in the world diverged so wide, Each was nought to each, must I be told? We were fellow mortals, nought beside I
Ist es zu spät denn, Evelyn Hope? Alle Sterne trafen sich gut Zusammen in deinem Horoskop Und schufen aus Geist dich, aus Tau und aus Glut — Und eben weil ich dreimal so alt, Nichts füreinander waren wir — So soll ich mir sagen lassen — als nur Gefährten in der Sterblichkeit hier?
I have lived (I shall say) so much since then, Given up myself so many times, Gained me the gains of various men, Ransacked the ages, spoiled the climes; Yet one thing, one, in my soul's full scope, Either I missed or itself missed me: And I want and find you, Evelyn Hopel What is the issue? Let me see.
Dann werd' ich sagen, ich bin seitdem Hin über Höhen, zum Himmel getürmt, Durch alle Gegenden dieser Welt, Durch alle Zeiten spähend gestürmt: Doch eines auf dieser irren Welt Hab' ich verfehlt, ich will's dir vertrauen; Du fehlst mir, doch finden werd' ich dich; Was ist das Ende, laß uns schauen 1
I loved you, Evelyn, all the while, My heart seemed full as it could hold, There was place and to spare for the frank young smile, And the red young mouth, and the hair's young gold. So, hush—I will give you this leaf to keep: See, I shut it inside the sweet cold hand! There, that is our secret: go to sleep 1 You will wake, and remember, and understand.
Ich liebte dich, Evelyn, alle die Zeit; Zum Überfließen, o Mädchen, so hold, War voll mir von deinem Lächeln das Herz Und von des Haares wallendem Gold. In der kalten Hand dir laß ich dies Blatt, Halt's fest, daß die Winde es nicht verwehn. Das ist das Geheimnis, geh schlafen nun, Du wirst erwachen und mich verstehn.
Ein Blütenblatt legt er in die kalte Hand derer, die von seiner Liebe nichts geahnt hat; sie wird erwachen und verstehen. Es bleibt also die Hoffnung auf das volle Glück im Jenseits, im Reich der Ideen. Das ist der Glaube an die Erhaltung der Kraft, hier ins Seelische gewendet, ein Grundpfeiler in der Lebensphilosophie des Dichters. Love among the Ruins ist vielleicht sein schönstes lyrisches Stück. Friedvoll liegt die verlassene Ruine in der abendlichen Landschaft und läßt die Erinnerung an die alte Herrlichkeit einer lasterhaften Stadt aufsteigen. Gemessen und ruhig strömen die Zeilen dahin, in lang gespanntem Satzbau, mit Pausen abgesetzt, in denen es in den Kurzzeilen aus dem alten Gemäuer echoartig im Reim zurückklingt: Where the quiet-coloured end of evening smiles, Miles and miles On the solitary pastures where our sheep Half-asleep Tinkle homeward thro' the twilight, stray or stop As they crop —• Was the site once of a city great and gay, (So they say) Of our country's very capital, its prince Ages since Held his court in, gathered councils, wielding far Peace or war. Kein Baum ist da, der frühere saftige Grünflächen andeuten könnte, nur kalte Umrißmauern des einstigen Palastes, alle Spuren der Stadt von einem Grasteppich
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überzogen, da, wo einmal Jubel und Klage erklangen^ Prunk und Schande nebeneinander waren. Ein einzelnes Türmchen steht verlassen, von Wurzelwerk und Feldblumen eingewickelt, ein verschrumpftes Überbleibsel des Turmbaus, von dem aus der Fürst mit seinen Geliebten den Ritterspielen zuschaute. Heute wartet ein Mädchen mit blondem Haar und leuchtenden Augen an dieser einsamen, erinnerungsreichen Stelle auf den Geliebten. Der Fürst von ehedem überschaute die weite Stadt, die ragenden Berge, die Wege, Brücken, Wasserläufe und die Menschen. Da war Gewoge und laute Unruhe. Mein Mädchen aber wartet ganz allein, atemlos, stumm, bis ich komme. Der Gegensatz des lauten Weltgeschehens und des still pochenden, einsamen Herzens ist packend; jenes ist mit Recht in ewige Stille gesunken, das liebende Herz aber bleibt. Was ist wertvoll: die Schönheit jenes gesunkenen Babylons oder der heutige Friede? Die Liebe steht über allem: In one year they sent a millionfightersforth South and North, And they built their gods a brazen pillar high As the sky, Yet reserved a thousand chariots in full force — Gold, of course. Oh heart I oh blood that freezes, blood that burns I Earth returns For whole centuries of folly, noise and sin I Shut them in, With their triumphs and their glory and the rest! Love is best. Wenn der Dichter zur Musik kommt, ersteht ihm die Musikseele: Abt Vogler, auf den 1749 in Würzburg geborenen Komponisten „ A b t " Vogler gedichtet, den Lehrer Karl Maria von Webers und Meyerbeers, der als Orgelvirtuose ein Wanderleben durch europäische Hauptstädte führte. Der Künstler hat eben sein Orgelspiel beendet; noch klingt es rauschend nach, noch steht es in dem Dom wie ein Gebäude. Goethe nannte ja die Architektur eine zu Stein gewordene Musik. Would that the structure brave, the manifold music I build, Bidding my organ obey, calling its keys to their work, Claiming each slave of the sound, at a touch as when Solomon willed Armies of angels that soar, legions of demons that lurk, Man, brute, reptile, fly,—alien of end and of aim, Adverse, each from the other heaven-high, hell-deep removed, Should rush into sight at once as he named the ineffable Name, And pile him a palace straight, to pleasure the princess he loved Schwer und feierlich rauschen die Daktylen in hexameterähnlichen Langzeilen, wie die Orgelharmonien kunstvoll verwoben in schwer durchschaubarer Satzverschlingung, wuchtig in barocken Worthäufungen und überreichem Stabreimschmuck. Könnte man das soeben gehörte Gebilde doch festhalten, so wie es die auseinander und wieder zueinander strebenden Tasten, die an den Wurzeln der Dinge wirkenden Bässe und die nach oben entschwebenden Diskantnoten errichtet haben: Would it might tarry like this, the beautiful building of mine, This which my keys in a crowd pressed and importuned to raise! Ah, one and all, how they helped, would dispart now and now combine, Zealous to hasten the work, heighten their master his praise! And one would bury his brow with a blind plunge down to hell, Burrow awhile and build, broad on the roots of things, Then up again swim into sight, having based me my palace well, Founded it, fearless offlame,flaton the nether springs.
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Und eine zarte Stimme steigt hinauf, eine zweite, dann eine ganze Schar mit vielgestaltigem Schopf, steigt hinauf und verschwebt in der Kuppel von Gold und Glas, von Licht, das nach unten fällt. So ist des Menschen Leben: der Himmel neigt sich auf die Erde, die empfangende Natur gebiert das Leben, das dann wieder nach oben in die seligen Gefilde will — die ewige Vermählung von Erde und Himmel. Dieses große Werden und Vollendetsein und Wiederkommen und Wiederscheiden, das Zerfallen nach oben und unten, schafft der Künstler in der Musik, in der Dichtung, in der Malerei. So ist das Kunstwerk Sinnbild des Lebens, gebändigt durch die Gesetze, die Gott gegeben hat: „art in obedience to laws". Erst der Geist schafft aus den Tönen ein Gebilde; ohne das Denken und Wollen des Künstlers sind sie selbst nichts, er allein, der Finger Gottes, gibt ihnen Sinn und Form. Nehmt dies auf und beugt euer Haupt 1 Nun ist der palastgleiche Musikbau dahin, nur die Erinnerung lebt in der Träne oder Erhebung des Hörers. Dem Geist gebührt Verehrung und Dank, so wie er selbst sich in Anbetung vor dem Ewigen beugt: Therefore to whom turn I but to thee, the ineffable Name? Builder and maker, thou, of houses not made with hands 1 What, have fear of change from thee who art ever the same? Doubt that thy power can fill the heart that thy power expands ? There shall never be one lost good I What was, shall live as before; The evil is null, is nought, is silence implying sound; What was good shall be good, with, for evil, so much good more; On the earth the broken arcs; in the heaven a perfect round. Nur das Schlechte geht zugrunde, nur das Gute bleibt; was wir Gutes wollen, träumen und erhoffen, das wird bestehen und da sein, wenn die Ewigkeit die Eingebung einer irdischen Stunde bestätigt. Was für die Erde allzu hoch war, zu harter Heroismus, zu tiefe Leidenschaft, das ist Musik, die Liebende und Sänger zu Gott hinaufgeschickt haben; er hat sie einmal vernommen, und das genügt. Diese wahre Musik des Lebens kann nicht vergehen; was hier nicht bleiben kann, wird droben erfüllt — eine herrliche Zuversicht! Meister Eckarts und Jakob Böhmes mystisches Glück wird in der vorletzten Strophe vernehmbar. Mißtöne des Lebens müssen sein, damit die Harmonie um so schöner strahle: Sorrow is hard to bear, and doubt is slow to clear, Each sufferer says his say, his scheme of the weal and woe: But God has a few of us whom he whispers in the ear; The rest may reason and welcome: 'tis we musicians know. So gleicht alles hehre Wollen den Orgelklängen, deren fugisches Pathos die unendliche Bewegung ausströmt und in der Schwere und Lieblichkeit dieser Verse lebt: sie vergehen, bleiben aber wie alles Hohe und Gute der Ewigkeit unverloren. Uns bleibt die Gewißheit und der Glaube, das C-dur des Lebens. Der ethische Wert der Musik, ihr Hinaufstreben und Hinaufziehen, Johann Sebastian Bachs Religion, ist kaum jemals in frommerer Zuversicht gefeiert worden als in diesen erhabenen Versen, in deren Wucht und Pracht das Ringen und Triumphieren des menschlichen Geistes Gestalt gewinnt. Diese starke Lebensbejahung durchzieht das gewaltige Gesamtwerk. Ich kann, weil ich will (Rabbi ben E%ra)! „Progress is the law of life." „Knowledge, not intuition, but the slow Uncertain fruit of an enhancing toil, Strengthened by love." „All tended to mankind, And, man produced, all has its end thus far; But in completed man begins anew A tendency to G o d " (Paracelsus). Gottes gütiger Wille geht in dem lyrischen Drama Pippa Passes durch die Welt und wirkt im scheinbar Zufälligen:
Elizabeth Barrett Browning
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All service ranks the same with God. If now, as formerly he trod Paradise, his presence fills Our earth, each only as God wills Can work—God's puppets, best and worst, Are we; there is no last nor first.
Vor Gott ist alles Wirken gleich: Wenn er wie früher im Bereich Von Eden, uns sein Dasein schenkt, Schafft jeder nur, wie Gott es lenkt, Nur Gottes Puppen sind wir schlicht, Nicht erste gibts und letzte nicht.
Say not "a small event!" Why "small"? Costs it more pain that this, ye call A "great event", should come to pass, Than that? Untwine me from the mass Of deeds which make up life, one deed Power shall fall short in or succeed!
Sag nicht: ein „kleiner" Fall! Was „klein"! Ist etwa großer Fälle Sein Durch größre Mühe zu erreichen ? Der Dinge Menge laß mir weichen, Die Leben sind, zu einem Tun Soll Kraft mir wirken oder Ruhm.
Kämpft um euer Menschentum, so werdet ihr die Nöte besiegen: „ I was ever a fighter, so—one fight more, The best and the last" (Prospice)! In seinem Schwanengesang, dem Epilog zu Asolando, nennt sich der.Dichter One who never turned his back but marched breast forward, Never doubted clouds would break. Never dreamed, though right were worsted, wrong would triumph, Held we fall to rise, are baffled to fight better, Sleep to wake. Das ist diese innerlich gesunde Dichtung, triumphierende Zuversicht, weitab von Schopenhauers Pessimismus, ein Glaube an ethische Evolution und den Sieg des Guten, Carlyles Ruf zum gläubigen Heldentum gegen Utilitarismus und ethischen Skeptizismus verwandt. Das ist Brownings Beitrag zu den Aufgaben seiner Zeit, sittlicher Wille und mutiges Kämpfen. Barock ist die Mischung der Stilarten dieses Dichters vom Grotesken bis zum Erhabensten, von schrullenhafter Formvernachlässigung bis zur Formvollendung, vom Komplizierten bis zum Schlichtesten, machtvoll überall die Kraft des Geistes, der reckenhaft zupackt. Mit der Gedrängtheit und Verkürzungstechnik seines Stils, die enthüllen und charakterisieren will, die lieber die Form sprengt als den Gedanken einengt, dabei freilich oft Rätsel aufgibt und Überfülle bietet, ist er der Wegbereiter der modernen „Bewußtseinskunst" geworden. Zur vollen Einfühlung in sein Wesen gehört als Ergänzung das Dichterbild seiner Gattin E l i z a b e t h Barrett B r o w n i n g (1806—1861) Körperliche Schwäche, lange Krankheit und Hilflosigkeit, dabei aber ein starker, selbständiger Geist; Innigkeit und Zartheit, ein durch die Abhängigkeit von andren und die erzwungene Ruhe zunehmendes Übergewicht des Seelischen, Sehnsucht nach dem rein Geistigen, Freude an Büchern, Fehlen aller sinnlichen Elemente, große Schaffenskraft, die die verschiedensten literarischen Vorwürfe aufgreift und sich dann zu kühner Selbständigkeit entwickelt: so kann ungefähr die Art dieser Dichterin umrissen werden. Aus mütterlichem Herzen entringen sich ihr angesichts des Kinderelends in der Industrie leidenschaftlich ein Cry of the Children und ein Cry of the Human über das allgemeine Menschenlos, und ihr Hauptwerk, der Versroman Aurora l^eigh, stellt sich bewußt in den Dienst der geistigen Frauenbefreiung. An den eigentlichen sozialen Bewegungen konnte ihr ganz auf das Innerliche gerichteter Geist nicht teilnehmen; sie waren ihr zu materiell und grob. „Müdigkeit" ist das letzte Gedicht der frühen Sammlung betitelt, religiöse Ergebung, stille Meditation und Todessehnsucht werden immer mehr die Motive. Da tritt die große Wendung ihres Lebens ein: das ungestüme Werben Robert Brownings, dessen Werden und Erwiderung wir in einem der herrlichsten Brief-
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V I . Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Wechsel mitfühlen können. Elizabeth genas sogar körperlich an der Seite des starken Mannes in Italien; fünfzehn Jahre einer von tiefem Glück umstrahlten Dichterehe waren ihr noch vergönnt. Aus diesem Glück, dieser Genesung und Verinnerlichung leben die Dichtungen, die ihren Namen unter die großen Lyriker eingereiht haben. Das Gedicht Inclusions (Zugehörigkeit) mag das Thema angeben: Oh, wilt thou have my hand, Dear, to lie along in thine? As a little stone in a running stream, it seems to lie and pine. Now drop the poor pale hand, Dear, unfit to plight with thine. Oh, wilt thou have my cheek, Dear, drawn closer to thine own? My cheek is white, my cheek is worn, by many a tear run down. Now leave a little space, Dear, lest it should wet thine own. Oh, must thou have my soul, Dear, commingled with thy soul? Red grows the cheek, and warm the hand; the part is in the whole: Nor hand nor cheeks keep separate, when soul is jointed to soul. Die Hand will sie in zarter Schüchternheit dem Geliebten entwinden, die Wange von der seinigen trennen, damit ihre Tränen ihn nicht benetzen; die Seelen aber können nicht getrennt werden, von ihnen strömt Wärme in Hand und Wange. In schlichter Parallelität des Auf baus stehen die drei Bilder der innigen Verbundenheit da, ruhig ausströmend in Langzeilen aus fast durchweg einsilbigen Wörtern, mit rhythmisch angedeuteter kleiner Unruhe wie durch ein Steinchen im Flußlauf (Strophe I, Zeile 2), mit Stabreimschmuck, mit den einfach kosenden Zurufen „ O h " und „Dear", mit einer die leise Erregung verratenden Taktumstellung (Anfang von III, 2). Das ist natürliches Gespräch der Seele zur Seele, da ist kein falscher, gekünstelter Ton. Den ganzen Zauber der erlebten Liebe atmen die Sonnets from the Portuguese (Portugiesische Sonette), der unvergängliche Sonettenzyklus, aus dem das überquellende Glück des Geborgenseins an der Seite des kräftigen Mannes strahlt. Der Titel ist absichtlich irreführend und soll darauf zurückgehen, daß Robert Browning die dunkelhaarige Gattin scherzend seine kleine Portugiesin nannte. Hier entrollt sich der ganze Roman der Erweckung aus Todesnähe zum Leben durch die Macht der Liebe, der Wendung vom rein literarischen Schaffen zum schlichten Empfindungsausdruck (Sonett I), die Bewunderung für die hohe Dichtung des begnadeten Mannes, dessen Werben um das schwache Mädchen so ganz unbegreiflich ist (III—VI), die völlige Veränderung der Welt (VII), die Sorge, dem Geber nichts zurückschenken zu können als nur das einfache „Ich liebe dich" (VIII—X), und doch das Gefühl, daß Liebe nur um ihrer selbst willen da ist und keinen Lohn verlangt. XIV If thou must love me, let it be for nought Except for love's sake only. Do not say, " I love her for her smile—her look—her way Of speaking gently,—for a trick of thought
XIV Wenn du mich lieben mußt, so soll es nur Der Liebe wegen sein. Sag nicht im stillen: „Ich liebe sie um ihres Lächelns willen,
That falls in well with mine, and certes brought A sense of pleasant ease on such a day"— For these things in themselves, Beloved, may Be changed, or change for thee,—and love, so wrought,
Die ihres Denkens leichter Griff in mir
Für ihren Blick, ihr Mildsein, für die Spur,
Zurückläßt, solche Tage zu umrändern." Denn diese Dinge wechseln leicht in dir, Geliebter, wenn sie nicht sich selbst verändern.
Präraffaelismus
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May be unwrought so. Neither love me for Thine own dear pity's wiping my cheeks dry,— A creature might forget to weep, who bore
Wer also näht, der weiß auch, wie man trennt. Leg auch dein Mitleid nicht zu Grund, womit Du deine Wangen trocknest; wer den Schritt
Thy comfort long, and lose thy love thereby 1 But love me for love's sake, that evermore
Aus deinem Trost heraus nicht tut, verkennt Die Tränen schließlich und verliert mit ihnen Der Liebe Ewigkeit: ihr sollst du dienen.
Thou may'st love on, through love's eternity.
Was sind meine Briefe, meine Schriften gegen das Gefühl im Herzen! Und doch, sie erzittern, wenn deine Hand ihr Band löst und die Träne, die sie benetzt hatte, wieder feucht wird, um das „Ich liebe dich" zu sprechen (XXVIII). Sei du immer neben mir, wie ich bei dir bin. XLIII How do I love thee? Let me countthe ways. I love thee to the depth and breadth and height My soul can reach, when feeling out of sight For the ends of Being and ideal Grace.
XLIII Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie. Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
I love thee to the level of everyday's Most quiet need, by sun and candle-light, I love thee freely, as men strive for Right; I love thee purely, as they turn from Praise.
Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand, Den jeder Tag erreicht im Lampenschein Oder in Sonne. Frei, im Recht, und sein Wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.
I love thee with the passion put to use In my old griefs, and with my childhood's faith. I love thee with a love I seemed to lose With my lost saints,—I love thee with the breath, Smiles, tears, of all my life!—and if God choose, I shall but love thee better after death.
Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit Und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
Als meine Seele blindlings reicht, wenn sie Ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.
Ich meine Heiligen nicht mehr geliebt. Mit allem Lächeln, aller Tränennot Und allem Atem. Und wenn Gott es gibt, Will ich dich besser lieben nach dem Tod.
So klingt das Motiv immer wieder in neuen Wortkränzen um das stimmungsreiche „love", gebändigt durch die strenge und schöne Sonettform, ohne Hinausgreifen in seltene Symbole aus Natur oder Mythologie, in einfacher Sprache des Herzens, dabei aber in einem gefühlsstarken Wogen von Dur und Moll. Präraffaelismus Die mittelviktorianische Zeit sah sich dem großen Thema der sozialen Nöte gegenüber auf einem geänderten Standort. Industrie und Gewerbefleiß hatten das Land wohlhabender gemacht und der Kunst den Boden bereitet. Gegenüber dem Predigerton der Carlyle- und Dickenszeit tritt das Künstlerische, die Kultur nach Matthew Arnolds Ausdruck, wieder mehr in den Vordergrund; nicht — wie oft irrtümlich angenommen wird — im Sinne eines „l'art pour l'art" (Kunst um der Kunst willen), sondern als Erhebung des Menschen aus den Niedrigkeiten des Lebens in ein Reich der Schönheit. Rossetti floh in die Sonne des Südens, Morris in das germanische Altertum der Sagas, Swinburne in die Antike und das Mittelalter. Ruskins großer Widerspruch gegen Materialismus und Mechanismus, sein Evangelium der Lebens-
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
erhöhung durch Schönheit, wurden fruchtbar; ein kunstgläubiges Volk wird auch eine schöne Harmonie der Gesellschaft heraufbringen und soziale Gerechtigkeit üben. Eine Gruppe junger Maler gründete 1848 die „Präraffaelitische Brüderschaft" als Protest gegen die philiströse Selbstgefälligkeit der alten Kunstakademiker. Nicht die naturalistisch vollendete Kunst der Venezianer und Niederländer gibt den vollen Ausdruck der seelischen Sehnsucht, sondern die einfachere, innigere, wahrere Art der Maler vor Raffael vom Schlage des Fra Angelico mit ihrer mystischen Herzensinnigkeit, ihrer zweidimensionalen Andeutung, ihrer suchenden Unfertigkeit ohne naturgetreue Vollkommenheit. So hatte es Ruskins Deutung der Gotik in ihrer Hervorkehrung der ethischen Werte gemeint, in der die bedeutende Idee das Entscheidende ist und sich jedes Detail unterordnet, so wollten es die jungen Maler, die die Idee ausdrucksvoll zu formen und die Phantasie des Betrachters zum Mit- und Weiterarbeiten zu nötigen bestrebt waren. Anfänglich von der Tagesmeinung bekämpft und abgelehnt, setzte sich die junge Bewegung, die im Suchen nach der Seele eine Parallele zu der Oxforder Bewegung auf dem religiösen Gebiet darstellt, mächtig durch, als Ruskin seine gewichtige Stimme zu ihrer Verteidigung erhob. Unter den Mitgliedern der Brüderschaft war der Sohn eines in England seßhaft gewordenen Italieners, eine warmherzige, vollblütige Natur, Maler und Dichter zugleich, Dante G a b r i e l R o s s e t t i (1828—1882). Mit dem Auge des Malers will er seine Gedichte gestalten, Bilder mit Worten geben, durch das Auge die mitschaffende Phantasie anregen. Wiederholt hat er seine dichterischen Gestalten nachträglich gemalt oder umgekehrt Bilder in Verse umgesetzt. So wird schon das große Gedicht des Neunzehnjährigen, The Blessed Damoyel (Das selige Fräulein), zu seinem Meisterwerk und zu dem Muster präraffaelitischer Dichtung. Dreimal hat es der Dichter umgearbeitet, bis es die heutige endgültige Form erhielt, so wie der Maler die Einzelheiten ändert, die Farben abstimmt, bis der Gesamteindruck ihm genügt. The blessed damozel leaned out From the gold bar of heaven; Her eyes were deeper than the depth Of waters still at even; She had three lilies in her hand, And the stars in her hair were seven. Das selige Fräulein lehnt sich über das Geländer, das den Himmel von der Erde trennt, und sehnt sich nach dem noch drunten weilenden Geliebten. Lang fällt ihr korngelbes Haar, in dem sieben Sterne stecken, über ihren Nacken, drei Lilien ruhen in ihrer Hand, keine Blume schmückt das lose fallende Gewand außer einer weißen Rose, dem Symbol der Gottesmutter. Vor zehn Jahren hat sie die Zeitlichkeit verlassen, aber das scheint ihr nur wie ein Tag. Um sie herum sind glückliche Paare, sie aber steht abseits in der Sehnsucht nach dem Geliebten. And still she bowed herself and stooped Out of the circling charm; Until her bosom must have made The bar she leaned on warm, And the lilies lay as if asleep Along her bended arm.
From the fixed place of Heaven she saw Time like a pulse shake fierce Through all the worlds. Her gaze still strove Within the gulf to pierce Its path; and now she spoke as when The stars sang in their spheres.
The sun was gone now; the curled moon Was like a little feather Fluttering far down the gulf; and now She spoke through the still weather. Her voice was like the voice the stars Had when they sang together.
Dante Gabriel Rossetti
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Wenn der Ersehnte heraufkommt, will sie ihn die heiligen Lieder lehren; von Liebe wollen sie reden, von Christus nur die eine Gnade erbitten, immer zusammen sein zu dürfen; seine Hand will sie fassen, wenn er weiß gekleidet und mit Strahlenkranz ums Haupt emporschwebt, mit ihm im Angesicht Gottes in dem tiefen Brunnen des Lichts baden und zuschauen, wie ihre zu Gott gesandten und von Gott erhörten Gebete dahinschmelzen wie Wölkchen. Aber ach! Viele Seelen steigen herauf, er ist nicht dabei. Engelscharen ziehen mit mächtigem Rauschen an ihr vorüber. Sie aber lehnt ihr Antlitz auf die goldene Brustwehr und weint: (I saw her smile.) But soon their path Was vague in distant spheres: And then she cast her arms along The golden barriers, And laid her face between her hands, And wept. (I heard her tears.) Das ist ein Bild, nicht ein ruhendes, sondern ein werdendes, vor unsern Augen mit sinnlicher Realistik entstehendes Bild: ihr Busen wärmt die Brustwehr; die Lilien in ihrer Hand schlafen in der Beugung ihres Armes; die Erde in der Tiefe wirbelt wie eine reizbare Mücke; die Seelen steigen auf wie dünne Flammenstreifen; der gekrümmte Mond sieht aus wie eine leichte Feder, die in den Abgrund hinunterflattert; Goldfäden sind wie Flammen in das weiße Gewand der Mariendienerinnen gewebt; das Licht jauchzt der Wartenden zu, ihre Augen beten, ich hörte ihre Tränen! Das sind konkrete Züge, mit dem Auge des Malers gesehen, ein Bild steht vor uns: wie das Mädchen hinunterschaut in den Abgrund, wie die Seelen mit ihren dünnen Gewändern, Flammen gleich, in die Höhe steigen, wie das milde Mondlicht alles vergoldet. Geschaute Gebete, vernehmbares Licht, gehörte Tränen sind Vorklänge der späteren „Neutöner". Altertümelnde Worte •— "God's choristers", "citherns and citoles", •— religiöse Anklänge und biblische Großschreibungen des heiligen Namens, schwere Wortzusammensetzungen — "the autumn-fall of leaves", "heart-remembered names", "the clear-ranged unnumbered heads" — dienen dem Kolorit, das frühitalienische Stimmung mit kirchlich-mystischem Ausdruck verbindet. So malt der präraffaelitische Dichter seine Ureingebung, das Verlangen der treuen Seele nach der Fortdauer des Lebens und der Liebe über das Grab hinaus — Dantesche Visionseinkleidung und Beatricesehnsucht. Rossetti soll durch das bekannte Gedicht Edgar Allan Poes The Raven angeregt worden sein, in dem es sich um die umgekehrte Situation handelt, um die Qual des verlassenen Geliebten, der seine Braut im Jenseits weiß. Hier wird das Erlebnis, mit dem ,,Es war einmal" des Märchens beginnend, in dem Nacheinander einer Handlung aufgebaut, dramatisch in der immer gesteigerten Schauerlichkeit der Situation. Ein Vergleich der beiden Dichtungen macht die Eigenart Rossettis deutlich. Bei ihm ist nichts von Handlungsaufbau, nicht ein Nacheinander, sondern ein Nebeneinander, nicht Gliederung, sondern hingetupfte Einzelheiten, die zusammen einen Bildeindruck hinterlassen. Die Sprache bleibt bei aller Mystik schlicht und verständlich, auch da, wo sie sich zu berauschender Schönheit erhebt, eine Verschmelzung romanischen und germanischen Geistes. Dem germanischen Geist gehört die dem mittelalterlichen Volksglauben entlehnte Ballade Sister Helen (Schwester Helene) an, die wie eine alte Volksballade ein schauerliches Geschehen in erregtem Dialog vor uns erstehen läßt. Die verlassene Geliebte kann Rache durch Fernwirkung üben. Sie läßt das Wachsbild des untreuen Geliebten drei Tage lang schmelzen und quält ihn damit zu Tode, verliert aber selbst dabei ihre Seele. Diesen Zauberspuk hören wir in jagender Wechselrede zwischen ihr und dem ahnungslos mitwirkenden Brüderchen.
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
"Why did you melt your waxen man, Sister Helen ? To-day is the third since you began." "The time was long, yet the time ran, Little brother." ( O Mother, Mary Mother, Three days to-day, between Hell and Heaven!)
"But if you have done your work aright, Sister Helen, You'll let me play, for you said I might." "Be very still in your play to-night, Little brother." (O Mother, Mary Mother, Third night, to-night, between Hell and Heaven !)
"You said it must melt ere vesper-bell, Sister Helen; If now it be molten, all is well." "Even so,—nay, peacel you cannot tell, Little brother."
(O Mother, Mary Mother, O what is this, between Hell and Heaven ?)
"Oh the waxen knave was plump to-day, Sister Helen; How like dead folk he has dropped awayl" "Nay now, of the dead what can you say, Little brother?"
(O Mother, Mary Mother, What of the dead, between Hell and Heaven ?)
"See, see, the sunken pile of wood,
Sister Helen, Shines through the thinned wax red as blood 1" "Nay now, when looked you yet on blood, Little brother?"
(O Mother, Mary Mother, How pale she is, between Hell and Heaven !)
Draußen ertönt Pferdetritt, drei Reiter kommen in rasender Eile, der erste, Keith von Eastholm, ist schon ganz nahe und verlangt mit Helen zu sprechen. Er ruft, Keith von Ewern liege im Sterben; seit seinem Hochzeitsmorgen vor drei Tagen liege er siech darnieder, bitte um den Tod und flehe sie an, den Fluch zu beenden. Solange das nicht geschehe, könne seine Seele nicht von hinnen; immer wieder rufe er Helens Namen und sage, er schmelze am Feuer. So schmolz auch mein Herz zu seiner Lust, erwidert die grausame Rächerin. Da kommt Keith von Westholm geritten und meldet, der Kranke verlange Helen zu sehen; er schickt ihr einen Ring und eine zerbrochene Münze. Kann er, so fragt Helen, zusammenfügen, was sonst noch zerbrach? Er bittet nur um Erbarmen, das selbst gestorbene Liebe gewähren muß. Helen dagegen: Haß, aus Liebe geboren, ist blind wie diese! Jetzt reitet der weißhaarige Keith von Keith in fliegender Hast herbei, der Vater des Gequälten, und überbringt mit fast versagender Stimme die Bitte um Vergebung, um Rettung der Seele. Nun kommt selbst die noch vor drei Tagen bei ihrer Hochzeit so stolze Gattin des Sterbenden, die Arme flehend vorgestreckt, wortlos in Ohnmacht sinkend. Heim reiten sie alle, den alten Mann haben sie aufgehoben, die Seele des Leidenden ist entflohen, das Wachs ist verzehrt, die Flamme strebt nach oben.
Dante Gabriel Rossetti
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"Ah! what thing at the door has crossed, Sister Helen? Ah what is this that sighs in the frost?" "A soul that's lost as mine is lost, Little brother!" (O Mother, Mary Mother, Lost, lost, all lost, between Hell and Heaven ! ) Die Einfühlung in die Stilmittel der alten Volksballade vom Edward-Typus ist hier vollendet gelungen, Metrum, Klang und Stimmung sind eins geworden. Rührend die Betrachtungen und Berichte des unschuldigen Bruders, der die grimme Schwester nicht versteht, unheimlich der Kehrreim, der vom Dichter oder einem gedachten Zuhörer gesprochen wird, immer gewandelt und doch immer ähnlich klingend. Hier erhebt sich die Kunst des Refrains zu höchster Form. Schneidende Kontraste erhöhen das Grausen: die glühende Flamme am Wachsbild und in der Brust der Rächerin, Wind, Kälte und Schnee draußen bei den um Rettung Flehenden; die Gedanken an das Hochzeitsfest mit strahlender, goldgelockter Braut und die grausige Vereinigung der entflohenen Seelen des Treulosen und seiner Rächerin, bis die letzte Zeile das Dankel des „Verloren" malt. Rossetti, der ein großer Freund der alten Lieder war, der viele schottische Balladen auswendig wußte und schon in früher Jugend Malorys Arthur-Erzählungen zu seinem Lieblingsbuch erkoren hatte, trifft das Mitreißende der Ausdrucksmittel überlegen, um die volkstümliche Grauenstimmung zu schaffen. Das kurze Liebesglück mit seiner „Guggum", die sein ewiges Modell und seine Gattin wurde, führte ihn zur reinen Lyrik zurück und hat uns die herrlichen Wortkleinodien seines Sonettenkranzes The House of Life (Das Haus des Lebens) beschert, die in immer neuen Bildern die schnell wechselnden Seelenzustände einer delikaten Sinnlichkeit zeichnen; ein malendes Schönheitsschwelgen mit kraftvoll sinnlicher Kleinkunst, aber nicht so innerlich wie Elizabeth Barrett Brownings Liebessonette. Die schwermütig-seelenvollen „Weidenwaldsonette" aus diesem Zyklus (L—LH) hat uns Stefan Georges Kunst nachschaffend vermittelt. Der gegen den Dichter erhobene Vorwurf verwerflicher Erotik verkennt den Urgrund seines Wesens. Er bejaht das Sinnliche, um es zu vergeistigen, wie er das Geistige versinnlicht; sein Malerauge muß irdisch sehen, um sich ins Überirdische verlieren zu können, sinnliche Liebe geht in mystischer, irdische Schönheit in himmlischer auf. Die Form als Körper der Idee! Das Anfangssonett des zweiten Teils erinnert an das Kind, in dessen Zügen wir Vater und Mutter noch erkennen, das aber im Heranwachsen die eigene, neue Persönlichkeit in den Zügen trägt; so formt auch die Kunst aus dem Elternpaar des Liedes, nämlich der Freude und der Pein seines Dichters, den neuen Klang, der dann strömen kann wie reicher, befruchtender Regen, „verklärtes Leben": As growth of form or momentary glance In a child's features will recall to mind The father's with the mother's face combin'd, Sweet interchange that memories still exchange: And yet, as childhood's years and youth's advance, The gradual moldings leave one stamp behind, Till in the blended likeness now we find A separate man's or woman's countenance: — So in the Song, the singer's Joy and Pain, Its very parents, evermore expand To bid the passion's fullgrown birth remain. By Art's transfiguring essence subtly spann'd; And from that song-cloud shaped as a man's hand There comes the sound as of abundant rain.
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Dante Gabriels Schwester Christina R o s s e t t i (1830—1894) muß als Gestalterin tiefer Weiblichkeit, fraulichen Heldentums der Entsagung trotz der Enge ihrer Themen eine der bedeutendsten Dichterinnen ihres Volkes genannt werden. Das Religiöse ist ihr Grunderlebnis, Schwermut, Todessehnsucht, Gefühl der eigenen Sündhaftigkeit und Ringen um die Gnade Gottes, eine überempfindliche Seele inmitten einer bewegten, männlichen Welt. Todesgedanken umfloren schon das junge Mädchen, das einen innigen Song (Lied) zu singen weiß: When I am dead, my dearest, Sing no sad songs for me; Plant thou no roses at my head, Nor shady cypress tree: Be the green grass above me With showers and dewdrops wet: And if thou wilt, remember, And if thou wilt, forget.
I shall not see the shadows, I shall not feel the rain; I shall not hear the nightingale Sing on as if in pain: And dreaming through the twilight That doth not rise nor set, Haply I may remember, And haply may forget.
Ein feines musikalisches Hingleiten, nicht reflektierte, sondern schlicht empfundene Lyrik, einfacher Gebetsausdruck in den gehäuften Imperativen und den Gewißheiten der zweiten Strophe, ein refrainähnlicher Schluß zur Unterstreichung der Parallelität in der Gegensätzlichkeit. So empfinden und reden wir, wenn wir nicht mit Gedanken spielen, sondern wenn es uns warm ums Herz ist und wenn ein inneres Bild uns erfüllt. Die Freuden der Welt sind eitel, auch das lockende Schöne hat seinen Stachel: Of all the downfalls in the world, The flutter of an Autumn leaf Grows grievous by suggesting grief: Who thought, when Spring was first unfurled, Of this? The wide world lay empearled; Who thought of frost that nips the world? Sigh on, my ditty.
There lurk a hundred subtle stings To prick us in our daily walk: An apple cankered on its stalk, A robin snared for all his wings, A voice that sang but never sings; Yea, sight or sound or silence stings. Kind Lord, show pity.
Immer wieder findet die Dichterin Töne schlichtester Innigkeit, immer wieder formt weltmüdes Verlangen nach Ausruhen zarte Gebilde echter Gelegenheits- und Gefühlslyrik. Ein Kranz von vierzehn Sonetten, mit dem Titel Monna Innominata an die präraffaelitische Sehnsucht nach den Frühitalienern erinnernd, lebt aus dem schmerzlichen Verzicht auf Liebesglück, dessen letztes Wort die ganze Größe ihres Opfers ahnen läßt: "What doth remain? Silence of love that cannot sing again." Nur in Gott kann das kranke Herz Trost und Stärke finden, ein hoffnungsfrohes Bekenntnis zum unsterblichen Glauben ist der Ausklang: Beyond the seas we know stretch seas unknown, Blue and bright-coloured for our dim and green; Beyond the lands we see stretch lands unseen With many-tinted tangle overgrown; And icebound seas there are like seas of stone, Serenely stormless as death lies serene; And lifeless tracts of sand, which intervene Betwixt the lands where living flowers are blown. This dead and living world befits our case Who live and die: we live in wearied hope, We die in hope not dead; we run a race To-day, and find no present halting place; All things we see lie far within our scope, And still we peer beyond with craving face.
Christina Rossetti — William Morris
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So ist unser Dasein: ein Leben in Hoffnung, ein Sterben in Hoffnung, ein Wettlauf um Dinge, die wir nie erlangen können, und doch ein immerwährendes Hinschauen auf sie. Hoffnungslose Ergebung und beseligendes Hoffen vereinen sich im sehnenden Aufblick zu Gott, der Ruhe und Entzücken spenden kann. Erhaben wie die hohe Empfindung ist immer die Sprache, voll rhythmischer Anmut und stilisierter Bildhaftigkeit, beglückend das Gefühl des Entsagenkönnens und der Friedenssehnsucht, freundlich verstehend der Zuspruch an den liebenden Mitmenschen, der lieber lächeln und vergessen als klagen soll, in einem formschönen Sonett, dem die entschwebenden Worte „remember" und „far away" einen elegischen Zauber geben: Remember me when I am gone away, Gone far away into the silent land, Then you can no more hold me by the hand, Nor I half turn to go, yet turning stay. Remember me when no more day by day You tell me of your future that you plann'd: Only remember me; you understand It will be late to counsel then or pray. Yet if you should forget me for a while And afterwards remember, do not grieve: For if the darkness and corruption leave A vestige of the thoughts that I once had, Better by far you should forget and smile Than that you should remember and be sad. Das Suchen nach Schönheit in fernen Welten inmitten einer durch Technik und Naturwissenschaft mechanisierten, in ihrem Glauben ins Wanken geratenen Zeit erfüllte das Gesamtwerk dessen, der die unmittelbare Verwirklichung einer Steigerung des Lebensgefühls durch Schönheit im Alltag auf allen Gebieten erstrebte: W i l l i a m M o r r i s (1834—1896). Auf keinem Gebiet ein Geist ersten Ranges, war er ein vielseitiger Anreger von einem weit über die Grenzen seines Landes hinausreichenden Einfluß und zugleich der am meisten englische unter den Präraffaeliten. Ruskins berühmtes Kapitel über die Gotik erweckte den jungen Architekten Morris, der durch die Gründung einer Firma die praktische Arbeit auf allen Gebieten handwerklichen Schaffens beeinflußte und damit Schöpfer des modernen Kunstgewerbes wurde. Mittelalterliche Formen zauberten einen Hauch ferner Schönheit auf Buchdruck und Bucheinband, Teppiche, Gobelins, Tapeten, Stickereien, Glasmalereien ebenso wie die Damenmode wurden von präraffaelitischen Bildern beeinflußt, Kunstgewerbeschulen entstanden anderswo zur Verschönerung der Städte und der Wohnungen, eine ästhetische Bewegung ging von der mächtigen Anregung aus. Im Sinne Ruskins, der Kunstreform und Gesellschaftsreform zusammenbringen wollte, verwirklichte Morris in seinem ganzen Einflußbereich utopisch-radikale Ideen, da er nur in einem sozialistischen Gemeinwesen die Verwirklichung seiner Ideale für möglich hielt. Die spätere radikale Wendung des politischen Sozialismus freilich machte er nicht mehr mit. Versittlichung der Arbeit, Freude an der Arbeit, Öffnen der Augen und Herzen für alles Schöne, das die Welt zu bieten hat: das war das Ideal, dem der reiche Kaufmannssohn mit unermüdlicher Hingabe diente, und diesen Hintergrund muß man kennen, wenn man sein Dichten verstehen will. Der ihm befreundete Maler Burne-Jones sprach die romantische Liebe zum Mittelalter im präraffaelitischen Sinne aus, wenn er sagte: „Unter einem Bild verstehe ich einen schönen romantischen Traum von etwas, was niemals war und niemals sein wird, in einem Land, das niemand beschreiben oder aus der Erinnerung wachrufen, sondern das man nur ersehnen kann, in dem aber göttlich schöne Formen leben." Freude am ritterlichen Mittelalter, 31 Die Stimmen der Meister
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
an Abenteuern, Märchen und Traumgesichten spricht aus vielen Romanzen, mit Wohllaut, Rhythmus und einer Freude an alten Stilformen, letzthin aber mehr um des Schönheitssuchens willen als mit echter seelischer Verlebendigung der alten Zeit nach Art der dramatischen Wucht ihrer Balladen. Lodernde Auflehnung und Knappheit des Erregungsausdrucks liegen nicht im Wesen dieses Schönheitskünders, sondern mehr epische Ruhe; er liebt die breiten, satten Bilder in seiner Malerei und in seiner Dichtung, ein langatmiges, bisweilen sogar langweiliges Schwelgen in Formschönheit, umstrahlt von männlicher Sicherheit. Chaucer und den Arthur-Erzähler Malory, Froissart und alte Legendensammlungen las er mit dem Freunde Burne-Jones, der ihn auch in die skandinavische Mythologie einführte. Die berühmteste Leistung der „Keimscott Press", wie Morris seine Kunstdruckerei nannte, war eine illustrierte Folio-Prachtausgabe Chaucers. Aus diesen Neigungen und Studien erwuchs das dichterische Hauptwerk, die Rahmenerzählung The Earthly Paradise (Das irdische Paradies, 1868—70), in der Zeitgenossen Chaucers Geschichten erzählen wie die altvertrauten CanterburyPilger. Ein nordischer Edelmann, der mit seinem Vater lange in Byzanz gelebt hat, findet in dem Alltag seiner düsteren Heimat kein Genüge mehr und sehnt sich abenteuerfroh nach dem blühenden, von unsterblichen und in jugendlicher Unschuld lebenden Menschen bewohnten „Irdischen Paradies" im Westen, von dem Kunde zu ihm gedrungen ist. Als die Pest über sein Land fällt, segelt er mit einigen Genossen aus. Allerlei Irrfahrten führen das Schiff auf Inseln mit ganz gewöhnlichen Sterblichen, zu harmlosen Menschen, die den Fremden göttliche Verehrung bezeigen, aber auch zu gefährlichen Kannibalen. Immer weiter treibt sie ihr Verlangen nach dem Land der Unsterblichkeit, bis sie schließlich als müde Greise auf eine anmutige Insel zu griechischen Auswanderern kommen, die noch ganz in den Sitten ihrer Heimat leben und die Boten aus einer fremden Welt gastfreundlich aufnehmen. Ein Jahr hindurch treffen sich die glücklichen Inselbewohner zu Ehren der Fremdlinge mit diesen zweimal im Monat zu einem Fest, das jedesmal durch eine Erzählung beschlossen wird. So entstehen vierundzwanzig Erzählungen in einem Blumengewinde um die zwölf Monate, und die einleitende Rahmenerzählung kommt hinzu. Antike und Mittelalter begegnen sich: die Griechen erzählen von ihrer alten Heimat, die Nordmänner von den Sagen des Nordens, ein schwäbischer Priester steuert die Sage von Tannhäuser und dem Venusberg bei. Vergessen ist schließlich das frevelhafte Jagen nach der Unsterblichkeit; der Sinn des Lebens und des Todes wird verstanden, in der Dauer der Poesie erkennt man die Unsterblichkeit, das irdische Paradies. Chaucers Versformen beherrschen die Erzählungen, die fünf- und viertaktigen Reimpaare, an seine Sprache klingen altertümelnde Worte und sogar alte Silbenzählungen an. Ein schöner Vorspruch in der siebenzeiligen „königlichen" Strophe Chaucers (Rhyme royal) leitet das Ganze ein: Of Heaven or Hell I have no power to sing, I cannot ease the bürden of your fears, Or make quick-coming death a little thing, Or bring again the pleasure of past years; Nor for my words shall ye forget your tears, Or hope again for aught that I can say, The idle singer of an empty day. Hier haben wir den Schlüssel zu dem ganzen Lebenswerk dieses Dichters: die schwere Last des Daseins kann er mit seinen Versen nicht wegnehmen, unmittelbare Hilfe in den Nöten vermag die Kunst nicht zu leisten, wohl aber mittelbare durch Hinkehr zu „names remembered", die nie sterben, zu den Taten und Menschen der Vergangenheit, zu der Schönheit, die uns über den Alltag erhebt:
William Morris
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The heavy trouble, the bewildering care That weighs us down who live and earn our bread, These idle verses have no power to bear; So let me sing of names remembered, Because they, living not, can ne'er be dead, Or long time take their memory quite away From us poor singers of an empty day. Das ist die bescheidene Aufgabe des „idle singer of an empty day"; nicht Heldentaten kann er selbst verrichten, wie schmerzhaft der Refrain der letzten Strophe kündet, wohl aber mit seiner Zauberkraft das Fenster öffnen zum Blick auf das Helle und das Glück, und damit leistet er Hohes für die Menschheit. Chaucers Hilfe hierfür erfleht der Dichter in dem ganz gleich gebauten Nachwort (Envoy). Chaucer gibt uns das Weltgetriebe selbst; seine Erzähler sind Charaktere aus Fleisch und Blut, er fühlt mit ihnen, sein sonniger Humor und sein Realismus spenden Leben. Morris läßt seine Berichterstatter farblos im Hintergrund; sein Vorhaben ist der Zauber der Erzählungen selbst, die schwermütig-weiche Stimmung, die entschwundene Pracht der mittelalterlichen Welt und Natur, die Schönheitssattheit einer Traumwelt, die uns selbst in das Träumen entrücken soll. Die einer altfranzösischen Prosaromanze nachgedichtete Augusterzählung von Ogier dem Dänen, eins der schönsten Stücke, mag als Andeutung dieser Erzählkunst mit ihrem behaglich-plaudernden Ton und ihren archaisierenden Anklängen dienen. Within some Danish city by the sea, Whose name, changed now, is all unknown to me, Great mourning was there one fair summer eve, Because the angels, bidden to receive The fair Queen's lovely soul in Paradise, Had done their bidding, and in royal guise Her helpless body, once the pri^e of love, Unable now for fear or hope to move, Lay underneath the golden canopy; And bowed down by unkingly misery The King sat by it, and not far away, Within the chamber a fair man-child lay, His mother's bane, the king that was to be, Not witting yet of any royalty, Harmless and loved, although so new to life. Einsam sitzt der um die Gattin trauernde König an der Wiege des Kindes, bis er beim fahlen Kerzenschimmer entschlummert. Da kommen sechs Feen an die Wiege des kleinen Ogier und spenden ihre freundlichen Gaben: Furchtlosigkeit beim Eintreten für alles Gute soll ihm beschieden sein, Kriegsruhm, Glück in Gefahr, feine Sitte, Frauenliebe und zuletzt, wenn das Leben ausgekostet ist, das Glück am Busen der sechsten Fee in ihrem seligen Blumenland. Ogier wächst heran zu dem strahlendsten Ritter, Macht und Ehre fallen ihm zu, Liebe und Eheglück, die Geschenke der Feen werden herrlich erfüllt. Dann sehen wir den alt gewordenen Kämpen im wilden Seesturm, der einen der Gefährten nach dem andern dahinrafft, auf dem Schiff, das wie von einer Riesenhand an den Magnetfelsen gezogen wird, wo er nach Schiffbruch und Hungersnot einsam landet. Von dem wogenumspülten Felsen niederblickend, singt er seine eigene Totenklage. Er ist bereit, aus dem Leben zu scheiden. Da strömt seltsames Licht durch die Mondnacht, der Wind trägt seinen geflüsterten Namen an sein Ohr, er wandelt dem Licht entgegen und erblickt am andern Ende der öden Insel einen goldgezierten Palast inmitten grüner Matten und 31*
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VI. Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
sommerlich blühender Bäume. Der Lebensmüde steigt an den wrackbedeckten Strand hinab, wo er ein Boot mit Kissen findet, das ihn ruderlos in ein stilles Gewässer und zu einem blühenden Land trägt. Im Halbschlummer fühlt er, wie sanfte Hände sich auf seine Brust legen, und eine süße Stimme fragt, warum er so lange ausgeblieben sei in Kampf und Gefahr. Ein Kuß berührt seine Stirn, er fühlt einen Ring an seinem Finger, die Augenlider fallen ihm zu. Die Gegend erscheint dem Erwachenden wie ein Paradies, ihre schöne Gebieterin ist jene sechste Fee an der Wiege, Morgana genannt, das Land ist Avalion, in dem er mit der Geliebten die Herrschaft teilen soll. Sie führt den Zögernden, der immer noch an die Nöte der Erde denkt, zu dem Thron in ihrem wundersamen Haus, wo er viele längst totgeglaubte Männer findet. Da gibt es keinen Gedanken an Unrecht, keine Todesfurcht, kein ungestilltes Verlangen, nur Liebesglück ohne Liebespein. Einmal noch, hundert Jahre später, kehrt Ogier, dessen Name in der Welt zu verblassen droht, in jugendlicher Kraft zu den Menschen zurück, in das Frankenland, wo Aufruhr und Krieg wüten. In Paris liest er in einem Buch die Heldentaten wohlbekannter Männer, der Paladine Karls des Großen, seine eigenen schon verblaßt und mit falschen Zutaten ausgeschmückt. Als „alter Ritter" will er für die schöne junge Königin kämpfen. Ein altes Weib warnt die Königin; können die seltsamen Zeichen auf seinem Ring nicht auf die Hölle deuten? Als die Alte dem Schlafenden den Ring vom Finger zieht, wird seine Jugend in runzliges, grauhaariges Alter verwandelt. Die Königin gibt ihm hastig Ring und Jugend zurück, nachdem sie ihm unüberlegt ein Liebesgeständnis abzunötigen versucht hatte; es war unnötig, denn die Liebe des Ritters wächst von selbst. Der bei Rouen kämpfende König fällt in der Schlacht, Ogier rettet das Land und wird zum König ausgerufen. E r soll die Königin heiraten. Mitten in seinem Herrscher- und Liebesglück hört er, der die Seligkeit von Avalion vergessen hat, seinen Namen nennen: die Fee Morgana steht vor ihm, um ihn zurückzuholen. Auf ihr Geheiß bekleidet er sich mit dem Königsmantel und den Emblemen Karls des Großen; auf dem Schiff, das in der goldenen Sonne die Seine hinunterfährt, vertauscht sie die Krone Karls mit der Wunderkrone für ihn, der erneut alle irdischen Sorgen vergessen und in ewiger Freude und Jugend in Avallon weiterleben soll. Wie ein Traum liegt das irdische Geschehen hinter ihm, Frankreich braucht das Schwert Ogiers nicht mehr. Ein schöner Traum ist an uns vorübergezogen, dumpfe Todesahnung ist dem Liebesglück gewichen: Weep, O Love, the days that flit, Now, while I can feel thy breath; Then may I remember it Sad and old, and near my death. Kiss me, lovel for who knoweth What thing cometh after death? Liebe und Tod in einer für die Präraffaeliten bezeichnenden Paarung, Liebesbangen und Liebesüberschwang, eingehüllt in Naturbilder von wilder Sturmespracht und strahlender Sommerlandschaft, Stimmungszauber durch schönheitsgesättigte Wortkunst. Mehr und mehr wandte sich Morris der nordischen Heldensage — in einer Beowulfnachdichtung — und der germanischen Götterwelt zu, der Wandlung alter Ordnungen als Urbild der Wandlung der Gesellschaftsideale, die dem sozialistischen Streben nach Weltverbesserung nahelag. "Sigurd the Volsung and the Fall of the Nibelungs" (1877) in pathetisch wallenden Langzeilen und mit archaischen Wendungen, Wortzusammensetzungen, scharfkantigen germanischen Einsilblern ist die stärkste aller Neudichtungen der eddischen Mythen, ein Epos von gewaltiger Wucht und stimmungstarker Sprachkunst.
Algernon Charles Swinburne
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Mit Algernon Charles Swinburne (1837—1909) treten wir bereits aus dem Klanggefüge der eigentlich viktorianisehen Dichtung heraus. Er ist gewiß die zentrale Gestalt der spätviktorianischen Poesie, seine Kunst erwuchs auf dem Boden des präraffaelitischen Symbolismus und Formwillens, aber nicht mit mystischem Schönheitskult und stiller Sehnsucht nach „gotischer" Vergangenheit, sondern mit stürmischer Auflehnung, Naturekstase, Leidenschaft; nicht mehr fortschrittsgläubig und optimistisch, sondern selbstquälerisch und pessimistisch. Er überwindet die bürgerliche Enge in einer Wendung auf das Universum mit seinen Elementarkräften, er lehnt sich auf gegen die kleine Welt, die ihn umgibt, und drängt hinaus in das Kosmische und in eine Neuwertung der Lebenswerte. Er ist einer von jenen Einsamen, die sich lieber den Elementen, der Tierwelt, der ganzen Menschheit als den einzelnen Menschen zuwenden, weltscheu trotz weltmännischen Verkehrs, maßlos in Liebe und Haß, im Träumen und Handeln, mit dem alten Wikingerblut in den Adern, von einer fast urweltlichen Liebe zum Meer, dabei aber ein Verehrer griechischer und romanischer Kunst und feinnerviger Freund der Form. Man kann ihn vielleicht den größten Meister der dichterischen Formkunst nennen, den England aufzuweisen hat. Nicht Ideentiefe, nicht Klärung ist sein Element, sondern Formekstase und Musikalität. Die Vorläufer des französischen Symbolismus stehen ihm nahe, Klangvirtuosen von der Art Baudelaires, auf den er ein schönes Erinnerungsgedicht schrieb und dessen „Fleurs du Mal" mit ihrer pessimistischen Grundstimmung ihn ansprachen. Es ist die Nachfolge von Keats, der einmal gesagt hat: „Ich schaue schöne Ausdrücke an wie ein Verliebter", aber auch die Nachfolge William Blakes, dem Swinburne eine Studie widmete, des Revolutionärs dichterischer, gesellschaftlicher und moralischer Ordnungen seiner Zeit. Paul Verlaine beginnt seinen „Art Poétique" mit dem Ruf: „De la musique avant toute chosel" Es ist kein Zufall, daß gerade ein Dichter wie Stefan George diese Lyriker aus England und Frankreich zum Nachschaffen in deutschen Versen bevorzugte und ihre Kunst als die Wiedergeburt der Poesie in Europa bezeichnete. Wortmusik erklingt in dem entzückenden, von Stefan George vollendet nachgeschaffenen lyrischen Stück A Bailad of Dreamland (Eine Ballade vom Traumland) mit der für den Dichter so bezeichnenden Traumsehnsucht: I hid my heart in a nest of roses, Out of the sun's way, hidden apart; In a softer bed than the soft white snow's is, Under the roses I hid my heart. Why would it sleep not? why should it start, When never a leaf of the rose-tree stirred? What made sleepflutterhis wings and part? Only the song of a secret bird. Lie still, I said, for the wind's wing closes, And mild leaves muffle the keen sun's dart; Lie still, for the wind on the warm sea dozes, And the wind is unquieter yet than thou art.
Ich barg mein Herz in ein Nest von Rosen, Abseits vom Sonnenweg, ferne vom Rain; Kein Pfühl von Schnee könnt' es linder umkosen; Mein Herz, unter Rosen bettet' ich's ein. Was schlief es dann nicht, gab sich nicht drein, Wo nicht ein Blatt an den Rosen schwang? Was scheuchte den Schlaf von ihm noch allein? Nur eines heimlichen Vogels Gesang. Lieg still, sprach ich, denn kein Sommerglosen, Kein Lufthauch dringt durch das Laub herein, Und die Winde, die mehr noch als du ruhlosen, Ruhn auf dem Meer mit dem warmen Gestein.
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V I . Streben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Does a thought in thee still as a thorn's wound smart? Does the fang still fret thee of hope deferred ? What bids the lids of thy sleep depart? Only the song of a secret bird. The green land's name that a charm encloses, It never was writ in the traveller's chart, And sweet on its trees as the fruit that grows is, It never was sold in the merchant's mart. The swallows of dreams through its dim fields dart, And sleep's are the tunes in its tree-tops heard; No hound's note wakens the wildwood hart, Only the song of a secret bird. Envoy. In the world of dreams I have chosen my part, To sleep for a season and hear no word Of true love's truth or of light love's art, Only the song of a secret bird.
Macht eines Gedankens Dorn dir noch Pein, Umhallt dich noch wähnender Hoffnung Fang? Was läßt deinen Schlaf noch so lidwach sein? Nur eines heimlichen Vogels Gesang. Den Namen des taufrischen grünen Gosen, Man schrieb ihn in Karten nie hinein, Nie wurden verkauft in Marktes Tosen Früchte so süß, wie dort gedeihn. Von Schlaf nur weben die Wipfel im Hain, Traumschwalben nur ziehen am dämmrigen Hang, Kein Bellen erweckt den Wildhirsch, o nein: Nur eines heimlichen Vogels Gesang. In der Welt der Träume dies Teil ist mein; Da hör' ich kein Wort einen Sommer lang Von wahrer Liebe, von falschem Schein — Nur eines heimlichen Vogels Gesang.
Ruhe und Windstille unter dem Rosenbusch, erträumter Flug unsichtbarer Schwalben, sanfte Schlafweise eines einsamen Vögelchens: das ist die Stimmung, und da sie unverändert und ungestört bleibt, sind auch die Reime aller Strophen unverändert; denn das Klangliche ist das Primäre, das die Gefühle erst hervorruft. In melodischem Auf und Ab gleiten die vier ersten Zeilen jeder Strophe mit abwechselnd klingendem und stumpfem Reim, kunstvoll im Reimwort angelehnt folgt die zweite Strophenhälfte, die die Stille zeichnet und in den durchweg stumpfen Versausgängen gewissermaßen den Finger mahnend vor den Mund legt. Die das Säuseln und Rauschen malenden Alliterationen (besonders in Strophe II), die gespaltenen Reime (I, 3; III, 3), der Parallelbau (I, x und 4, 5; II, 1 und 3, 5 und 6; III, 2 und 4): das alles ist Hingabe an das gedankenfreie Genießen der schönen Ruhe, wie es der „Envoy" ersehnt, ein sanftes Schaukeln auf Rhythmus, Worten und Reimen, ein Musterstück musikalischer Klangeinfühlung. Eine Überfülle von Beispielen könnte aus den „Gedichten und Balladen", aus den herrlichen, dem italienischen Befreiungskampf gewidmeten „Liedern vor Sonnenaufgang" und andren Sammlungen angeführt werden: die kunstvolle Takt- und Reimsymmetrie mit Wortantithesen, eine fast überspitzte Formkunst der Stab- und Endreime in A Match; das Lied der Liebe At Parting mit dem hurtigen anapästischen Versanfang, dem mild-gleitenden daktylischen Versende und dem echoartigen Strophenausklang; das hämmernd dreinschlagende A Waich in the Night mit dem abgewandelten biblischen Wächterruf (Jesaia 21, 11); das Klingen und Windesrauschen in Itjlus, elegisch und trübe in weichen Rhythmen, Aedon-Philomele in ihrem unaufhörlichen Klagelied auf den in grausigem Irrtum von ihr selbst getöteten
Algernon Charles Swinburne
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Sohn, ohnmächtiges Seufzen und Fragen und Nichtvergessenkönnen. Aber auch Frohsinn kann in den Klängen liegen, wie das reizende A Child's Laughter (Kinderlachen) zeigt: All All All All
the bells of heaven may ring, the birds of heaven may sing, the wells on earth may spring, the winds on earth may bring All sweet sound together; Sweeter far than all things heard, Hand of harper, tone of bird, Sound of words at sundawn stirred, Welling water's winsome word, Wind in warm wan weather, One thing yet there is, that none Hearing ere its chime be done Knows not well the sweetest one Heard of men beneath the sun, Hoped in heaven hereafter;
Soft and strong and loud and light, Very sound of very light Heard from morning's rosiest height, When the soul of all delight Fills a child's clear laughter. Golden bells of welcome rolled Never forth such notes, nor told Hours so blithe in tones so bold, As the radiant mouth of gold Here that rings forth heaven. If the golden-crested wren Were a nightingale—why, then, Something seen and heard of men Might be half as sweet as when Laughs a child of seven.
Der Stabreimüberreichtum, z. B. I, 9 und 10, mag dem gekünstelt erscheinen, der das Kindlich-Spielerische in solchem Geklingel nicht empfindet. Hier sind kindesnahe Bilder von Licht und Wärme, von Vöglein und Wässerchen, von Zaunkönig und Nachtigall, von Glöckchen und Harfenklang, hier ist lustiger, hüpfender Rhythmus, hier sind nach je vier hastenden Versen kurze Atempausen, so daß man sich selbst mit dem Siebenjährigen herumwirbeln und lachen fühlt. Das bezeichnendste Beispiel hoher Formkunst ist das lyrische Drama Atalanta in Calydon, die Geschichte von dem kalydonischen Eber und Meleager (Ilias I X und Ovids Metamorphosen VIII), griechisch im Handlungsrahmen, ungriechisch in der Überladung mit lyrischer Stimmung und in der verzweifelten Resignation, der Auflösung und fatalistischen Lebensvemeinung des Schlusses. Die Chorlieder gehören zu den herrlichsten Perlen lyrischen Stimmungsausdrucks. Majestätischer Fatalismus erfüllt auch des Dichters echteste Naturempfindung, das Erleben des Meeres. Ein einsamer, verlassener Garten, A Forsaken Garden, liegt am Meer, verwildert und vom Seewind geschüttelt, zwischen seinen Felsrändern mehr der Geist eines Gartens als ein wirklicher. Kein menschlicher Laut stört die Grabesruhe, auf die die brennende Sonne oder der stürmende Regen fallen. Der Ort ist von Liebe verlassen, wie Liebe immer verläßt und schmerzt und stirbt. Das Meer allein ist Bejahung, ist Kraft, weil es wild und zerstörend ist, keine Veränderung duldet, den Tod selbst besiegt. So klingt es aus: Here death may deal not again for ever; Here change may come not till all change end, From the graves they have made they shall rise up never, Who have left nought living to ravage and rend. Earth, stones, and thorns of the wild ground growing, While the sun and the rain live, these shall be; Till a last wind's breath upon all these blowing Roll the sea.
Hier tritt der Tod kein Leben mehr nieder, Kein Wechsel kommt, solang Wechsel noch kreist, Aus dem Grab, das man grub, erstehn sie nicht wieder, Wo nichts mehr lebt, was den Raub ihm entreißt. Fels, Erde und Dorne auf wildem Grunde, Bei Sonne und Regen, sie bleiben, bis j äh Auf sie alle, ein letzter Sturm aus dem Schlünde, Rollt die See.
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VI. Stseben nach Ausgleich: das „viktorianische Kompromiß"
Till the slow sea rise and the sheer cliff crumble, Till terrace and meadow the deep gulfs drink, Till the strength of the waves of the high tides humble The fields that lessen, the rocks that shrink; Here now in his triumph where all things falter, Stretched out on the spoils that his own hand spread, As a god self-slain on his own strange altar,
Bis sie träge sich hebt und die Klippen erstöhnen, Bis Terrassen und Matten der Meerschwall trinkt, Bis der Hochflut Wogen wüten und dröhnen Um den Fels, der wankt, das Land, das versinkt. In seinem Triumph dann, wo alles brach liegt, Auf der Beute hier, die er sich selbst darbot, Wie ein Gott, der am eignen Altar sich erstach, liegt Tot der Tod.
Death lies dead. Die Sprache des Meeres hat kein Dichter vor ihm so tief verstanden und nachgeformt wie Swinburne. Das Meer war sein natürliches Element. Er liebte die meilenweiten Spa2iergänge am Strand in Wind und Regen, er schwamm weit hinaus, er deklamierte begeistert beim Toben der wilden See. Das prachtvolle Naturbild By the North Sea (An der Nordsee) spricht von zwei düsteren Herren, die das Dasein des Nordseeanwohners bestimmen, Meer und Tod: A Land that is lonelier than ruin; A sea that is stranger than death; Far fields that a rose never blew in, Wan waste where the winds lack breath; Waste endless and boundless and flowerless, But of marsh-blossoms fruitless as free; Where earth lies exhausted, as powerless To strive with the sea.
Far flickers the flight of the swallows, Far flutters the weft of the grass Spun dense over desolate hollows, More pale than the clouds as they pass: Thick woven as the web of a witch is Round the heart of a thrall that hath sinned, Whose youth and the wrecks of its riches Are waifs on the wind.
The pastures are herdless and sheepless, No pasture or shelter for herds: The wind is relentless and sleepless, And restless and songless the birds; Their cries from afar fall breathless, The wings are as lightnings that flee; For the land has two lords that are deathless: Death's self, and the sea.
These twain, as a king and his fellow, Hold converse of desolate speech: And her waters are haggard and yellow And crass with the scurf of the beach: And his garments are grey as the hoary Wan sky where the day lies dim; And his power is to her; and his glory, As her unto him.
Ein mit impressionistischen Mitteln entworfenes Bild von Öde und Trostlosigkeit, kurz hingetupfte Eindrücke, gleitende Versfüße im Takt der den Strand bespülenden Wellen, erstorbenes Leben, aus dem Übermaß der auf ,,-less" ausgehenden Eigenschaftswörter uns entgegenstarrend — der Weg zum Symbolismus. Hager, gelb, zerschunden vom grindigen Strand die See, grau gekleidet wie der alte Himmel an trüben Tagen der Tod: so sitzen die beiden Gewaltigen in einsamer Zwiesprache und danken einander für die gegenseitigen Gaben einer schauerlichen Liebe. Jahr für Jahr spendet das Meer Vernichtung; der Durst seines Herzens aber wird nie gestillt, Schiffs- und Menschenwrack treibt herum, befreite Seelen tanzen mit Wellen und Wind, unzählbare ganze Nationen, deren Schicksal erfüllt ist. Das Herz der Gewässer ist grausam, die Macht der Wogen ist für die Schiffe das, was Feuer für den Brennstoff ist, die Wogen sind geschlossene Kampfreihen, die selbst der Sturmwind nicht trennen kann. Krieg überall und ewig! Dann mit Wechsel des Versmaßes zu monotoner Breite, mit getürmten Worten und Bildern aus weiten Fernen die Unermeßliche Ausdehnung dieser harten Verlassenheit;
Algernon Challes Swinburne — Viktorianischer Ausklang
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Miles, and miles, and miles of desolation! Leagues on leagues on leagues without a change! Sign or token of some eldest nation Here would make the strange land not so strange. Time forgotten, yea since time's creation, Seem these borders where the sea-birds range. Slowly, gladly, full of peace and wonder Grows his heart who journeys here alone. Earth and all its thoughts of warmth sink under Deep as deep in water sinks a stone. Hardly knows it if the rollers thunder, Hardly whence the lonely wind is blown. Ruhiger ist die weite Wasserfläche, Friede und Erschauem kommt über die Seele des Einsamen, der sie erlebt. Das Land ist wie das Antlitz eines von Sorge und Wechsel geschüttelten Menschen, ist Unruhe, Mühe, Sünde, Kraft und Schwäche, Zweifel und Untergang. Hier aber rollt es majestätisch hinaus und herein und wieder hinaus, hier ist die Grenze von Leben und Tod nicht sichtbar, hier ist Ausruhen von Freud und Leid, hier ist der dichterbesungene Hades, hier ruhen Helden aller Zeiten, hier ist das Bild der Antikleia gegenwärtig, die aus Sehnsucht nach dem so lange auf Seefahrt ausgebliebenen Sohn Odysseus starb. Aber der Griechen Preis ihrer Seehelden und Göttergefilde ist zu weich; der geisterlose Hades dieses Nordmeeres ist schauerlicher: All too sweet such men's Hellenic speech is, All too fain they lived of light to see, Once to see the darkness of these beaches, Once to sing this Hades found of me Ghostless, all its gulfs and creeks and reaches, Sky, and shore, and cloud, and wash, and sea. Freund, so heißt es in einer andern Seebeschwörung (In the Water), das Leben ist ein Zufluchtshafen für den Winter, ein Schutzdach für Zeiten, wenn die Nacht die Helle des Tages überwältigt; hier auf den Wassern aber ist Erfüllung meines Verlangens, Ruhe und Heimat für das Herz, das nach den Schaumkämmen dürstet. Des Dichters letzter Wille ist, nicht in der Erde, sondern in der See begraben zu werden (Ex Voto). Von der angelsächsischen Seefahrerelegie ist dem Engländer das kämpferische Erleben der Härte und Wildheit des Meeres gegenwärtig bis zu seinem großen Lobpreiser Swinburne und dem heutigen stärksten Seedichter John Masefield. VII. Neue Kräfte 1. Viktorianischer Ausklang In seinem Heilsarmeedrama Major Barbara (III. Akt) läßt Bernard Shaw den schwerreichen Kanonenkönig Undershaft sagen: Da liegt der Fehler unsrer heutigen Welt: sie wirft überlebte Dampfmaschinen und Dynamos zum alten Eisen, will das aber nicht tun mit ihren alten Vorurteilen, ihrer alten Moral, ihren alten religiösen und politischen Einrichtungen. Was kommt dabei heraus? Bei Maschinen bewährt es sich; aber in der Moral, der Religion und Politik ergibt sich eine Verlustrechnung, die die Welt von Jahr zu Jahr dem Bankrott näher bringt.
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VII. Neue Kräfte
Gerade vorher hat seine Tochter ihm bekannt: Ich stand auf einem Felsen, den ich für ewig hielt, und da schwankte und zerbröckelte es plötzlich unter mir ohne ein Wort der Warnung. Der Felsen, den die prächtige Heilsarmee-Majorin meint, war das Gesamtgefüge der für unantastbar gehaltenen Lebensordnung und Moral. Nun spricht der weltkluge Vater von Verlust und Bankrott im Falle des starren Festhaltens an den alten Maßstäben, und sie muß ihm recht geben; religiöse Inbrunst und praktische Tatkraft müssen zusammengehen. Das Abstandsgefühl von einer als erfüllt empfundenen Kulturepoche wird uns deutlich. Das Durcheinander der Stimmen, das dem viktorianischen Zeitalter sein Gepräge gibt, läßt eine formelhafte Kennzeichnung nicht recht zu und hat gerade in dem Widerstand gegen den mechanisierenden Zeitgeist zu dem gewaltigen Reichtum an Gedanken und Formen geführt, der diese Periode als Kunsterneuerung in die Nachbarschaft der elisabethanischen Renaissance rückt. Das darf aber nicht blind machen gegen die gemeinsamen Züge in der Haltung zum Leben, die eine gewisse Enge und nationale Kraft zugleich bedeuten. Matthew Arnold hat in seinem Buch „Kultur und Anarchie" (1869) am schärfsten das Philistertum, seine puritanisch überschätzte Moral und Wohlanständigkeit sowie die liberale Routine erkannt, und John Stuart Mill hat die Unterwerfung unter die Tyrannei der öffentlichen Meinung als die größte Unfreiheit gegeißelt. Aber auch hier handelt es sich ja um humanistischen Widerspruch, der dem Gesellschaftsgefüge zunächst nichts anhaben konnte. Die Gegenlehren waren stark und zukunftsträchtig, wurden aber in der Bürgerkultur des Alltags, der allgemeinen Vernünftigung des Lebens, nicht verwirklicht. Die Überzeugung von der Beständigkeit der erreichten Ordnungen, der religiös-moralischen Grundlagen der englischen Bürgerlichkeit, der Berechtigung des materiellen Wohlstandes und Erfolges als Zeichen der Gnade für ein Sichbewähren in der Welt paarte sich leicht mit dem durch die Entwicklungslehre gestützten Fortschrittsglauben und Optimismus. So ist trotz aller inneren Spannung doch eine gewisse Statik das Kennzeichen der gesellschaftlichen Haltung. Diese Sicherheit gerät gegen das Ende des Jahrhunderts ins Wanken, das große Fragen beginnt. Politisch lenkten Künder des Empiredenkens wie Düke, Seeley, Froude, lenkte namentlich die imperialistische Stimmung, die im Burenkrieg ihren Höhepunkt fand, das Interesse auch der Literatur von der Londoner Sphäre auf die Peripherie des Weltreichs, nach Indien bei Kipling, nach Südafrika bei Olive Schreiner, nach Irland bei Yeats, George Moore, Lady Gregory, Synge; sozialpolitisch reichte die Ideologie des Bürgertums für die organisch zu Masseneinheitsformen weitergeschrittene Praxis nicht mehr aus, die soziale Unruhe wuchs, Krisen aller Art bedrohten das Leben, und die großen Erschütterungen unseres Jahrhunderts haben die Kulturproblematik vollends enthüllt. Es ist ein Zeichen für die starke Geschlossenheit des viktorianischen Zeitalters, daß die neuen Probleme und ihre Lösungen immer wieder an ihm gemessen werden, ja daß man vielfach die geistigen Bewegungen als eine Auseinandersetzung mit ihm empfindet, mit Ablehnung oder Wiederanknüpfung, mit dialektischem Suchen nach Synthese aus These und Antithese. Die hochmütige Ablehnung der überkommenen Werte bei der jungen Generation im ersten Viertel unseres Jahrhunderts ist längst einer ernsteren Prüfung nach hoffnungsloser Weltentzauberung und aus neuer Sehnsucht gewichen. Die Lehren der großen Viktorianer sind lebendig und haben auch die Welle einer überfeinerten Dekadenz überlebt, die in Oscar Wilde ihre Hauptausprägung fand und die in Schönheitsvergottung und Persönlichkeitsverherrlichung endete. Protest gegen die überkommene Wertordnung, gegen die alten Inhalte und
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Formen, ein Suchen nach neuen Haltepunkten und Gestaltungen: das sind die Kennzeichen der geistigen Bewegungen seit den neunziger Jahren — ein unerfülltes, durch das gewaltige äußere Geschehen schließlich vor die letzten Fragen der menschlichen Existenz gestelltes Zeitalter. Eine Darstellung dieser Bewegungen der neuesten Zeit liegt nicht in der Aufgabe dieses Buches. Es ist aber auch schwerer als für weiter zurückliegende Epochen, Meisterwerke als umfassende Ausprägungen einer geistigen Haltung herauszuheben, weil der mangelnde zeitliche Abstand eine anerkannte Wertung erschwert und weil Strömungen, in denen wir noch stehen, jeder Linienführung etwas Subjektives verleihen. Immerhin ist es möglich und fruchtbar, einige bezeichnende Beispiele großer künstlerischer Gestaltung im Roman, im Drama und in der Versdichtung auszuwählen und in ihren geistigen Raum zu stellen. Der literarische Aktivismus, der neue Grundlagen des Seins und neue Ausdrucksformen sucht, soll dabei den Auswahlgesichtspunkt abgeben. 2. N e u a u f b a u im R o m a n Swinburnes Dichtung mit ihrem Hinausgreifen in das Universum ließ uns schon den Übergang zu einem neuen Zeitraum empfinden, wenn auch seine stürmische Auflehnung gegen Konvention und selbstzufriedenen Optimismus nur Abglanz der persönlichen Lebenskurve einer Herrennatur war — ähnlich wie bei Byron — und über eine negative Gegensätzlichkeit, über Weltverneinung nicht hinauskam. Zu ihm gesellt sich ein andrer großer Dichter, der eine positive Lebenslehre zu künden hat und den Menschen mit einer Philosophie der „Erde" in die natürlichste aller Bindungen stellt, sein Freund und Antipode Meredith. Das „ L e s e n der E r d e " : G e o r g e Meredith (1828—1909) „Pan und Thalassius" heißt ein lyrisches Stück aus Swinburnes Spätzeit. Die Namen können auf die beiden Dichterfreunde angewendet werden: Swinburne — Thalassius, Sänger des Meeres, und Meredith — Pan, Verkünder der erd- und naturgebundenen Gesetzmäßigkeit. Merediths Ruhm beruht auf seinen Romanen. Sie können aber nicht voll verstanden und namentlich geistesgeschichtlich nicht recht gewürdigt werden ohne einen Blick auf die Gedankenlyrik des Dichters, in der wir die Abkunft von Wordsworth und Shelley erkennen. Ein tiefes Eindringen in das Mysterium der Natur spricht aus dieser Lyrik, die beständig nach Sinnbildern sucht, um das Unaussprechliche in Worte zu fassen; eine an den Mythus heranreichende Weltschau, die sich in einem an die PrärafFaeliten erinnernden Symbolismus ausspricht und den Entwicklungsgedanken mit einer sittlichen Allbeseelung durchstrahlt. Der Südwestwind ist die Stimme der Natur, die Erde ist die Allmutter, die keinen Verlust, sondern nur Notwendigkeit kennt, die Lust der Bewegung, das Entzücken des Daseins. Nicht das allen Wesen innewohnende Leben ist gemeint wie in Wordsworths Naturharmonie, sondern die von der Erde ausstrahlende, den Menschen zur Tat rufende Vitalität, die Freude an der Energie. Hört sie, die große Mutter Natur, hört ihr Lachen! Wer kann glauben, sie sei tot? Nur ein verkümmertes Gehirn. Für uns kann sie nie sterben — empfangt ihren Kuß! (Ode an den Geist der Erde im Herbst.) Wordsworths kontemplative Haltung und Freude an der Zurückgezogenheit ist hier dem Gefühl, daß das Leben der Natur auf den Menschen selbst überspringt, und der Freude an der Energie, auch am Getriebe der Stadt gewichen. Die Lebenskraftlehre Bernard Shaws, der prophetische Ausdruck des Lebensgefühls der Massen und der Städte bei dem Amerikaner Walt Whitman nähren sich aus diesen Urenergien der Natur, der Erde. Der moderne Vitalismus liegt hier vorgebildet, neues Kraftbewußtsein sieht neue Aufgaben.
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Als Evolutionist kennt Meredith die Verbundenheit des Alls mit dem Menschen, liebt er das Leben, glaubt er an ein geistiges Prinzip des Guten und Hohen in der Natur. Der Gesellschaftslehre des philosophischen Positivismus, die von den drei Entwicklungsstufen der Menschheit, der theologischen, metaphysischen und positiven spricht, stellt er seine Dreieinigkeit der menschlichen Natur an die Seite: Blut meint aie Triebe, Hirn den Verstand, Geist die Harmonie beider. Each of each in sequent birth, Blood and brain and spirit, three (Say the deepest gnomes of Earth) Join in true felicity. Are they parted, then expect Some one sailing will be wrecked. Earth that triad is : she hides Joy from him who that divides ; Showers it when the three are one Glassing in her union.
(Tie Woods of Wtstermain)
Aus der Vereinigung von Blut, Hirn und Geist entsteht das Gesetzmäßige und Echte, „Erde". Erde ist der Urzustand vor aller Trennung in Körper und Geist, ihr Geheimnis ist Wandel und Entwicklung. Erde ist hier tiefes Symbol, der „natura naturans" bei Spinoza ähnlich. Disharmonien sind gefahrlich; bloße Körperkraft, bloße Hirnkraft, bloße Triebe sind schädlich, erst ihre Vereinigung ist fruchtbar und weiterwirkend für das dunkel gefühlte Ziel alles Erdenkampfes, die Höherentwicklung der Gattung. Geh zur Erde, lerne von ihr Maß, Gesetz und Schönheit; verliere dich nicht an dein Selbst, gib dich nicht nur den Gefühlen, auch nicht allein dem Willen hin; sei stark mit den Sinnen, ohne ihnen die Herrschaft zu lassen, lebe im Ganzen, furchte den Tod nicht, der dich ja nur zur Erde zurückbringt wie alle andern Kinder der Allmutter, damit die Gattung veredelt wird. Das ist die neue und starke Lehre von den Elementarkräften, der Erdverbundenheit, der sich niemand entziehen kann. Das ist nicht mehr resignierendes Abklingen des Idealismus, sondern kraftvolle Förderung, Aufruf zum Leben und zur Tat, Erkennen der realen Gegebenheiten, „élan vital", „Life Force", Rückkehr zu dem einheitlichen Grund unsrer Existenz gegenüber einer individualistisch zerfallenen Zeit, neues Lebensgefühl. Die tiefere gedankliche Grundlage der nachviktorianischen Strömungen kann nirgends klarer erkannt werden als in Merediths Gedankenlyrik. Eine Rückkehr zur Natürlichkeit ersteht in dem Abenteuerroman R. L. Stevensons, in der Heimatkunst Thomas Hardys und seiner regionalistischen Nachfolger, in der imperialistischen Dichtung Kiplings, in der Antiromantik Shaws, in dem Neurealismus Masefields, in der Bewußtseinskunst des neuesten Romans und der Lyrik. Von dieser Erdenlehre leben die Romane Merediths, die Diener der Weltschau sein und das Thema menschlicher Bewährung stellen, die Gesetze des Lebens in der Naturgeschichte des Menschen zeigen wollen. So hat es der Dichter in einem Aufsatz über den „Begriff der Komödie" gesagt. Epische Komödien will er bieten, den über allen Wirrungen thronenden „komischen" Geist fühlen lassen, der sein „schräges Licht" als „Schwert des gesunden Menschenverstandes" über die irrenden Menschen gießt und sie dem Gelächter preisgibt, die große Weltironie, die jede Form der Egoismuskrankheit zerschlägt und nur die gesunde Mischung der natürlichen Lebenselemente — der „Erde" — bestehen läßt. Ein umfangreiches episches Werk entrollt die große menschliche Komödie. Der Egoist gilt mit seiner gedrängten Handlung, seiner Seelenanalyse und seiner fein abgetönten, abstrakten Sprache mit Recht als das
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Musterbeispiel der Kunst des komischen Scheinwerfers, entbehrt aber gerade durch die Virtuosität der Studie des seelischen Mechanismus des pulsierenden Lebens, das man in dem Roman sucht. Das erste und wohl auch gelungenste Werk, in dem die Merkmale der Kunst Merediths deutlich werden, ist bis heute das meistgelesene geblieben: The Ordeal of Richard Feverel (Richards Fevereis Feuerprobe, 1859). In dem in einer westenglischen Themsegrafschaft gelegenen Schloß Raynham lebt der reiche und stolze, feingebildete Sir Austin Feverel einsam und über die Welt grübelnd. Eine Liebesheirat mit einem unbedeutenden Mädchen endete mit tiefer Enttäuschung; die Gattin hinterging ihn mit einem freigebig in die Hausgemeinschaft aufgenommenen charakterlosen Dichterling, so daß der Schloßherr die Unwürdigen aus dem Hause jagen mußte. Seine aphoristische Lebensweisheit hat er in einem Büchlein veröffentlicht, das er „Die Pilgertasche" nannte in Erinnerung an die Taschenbücher mittelalterlicher Pilger. In seiner Zurückgezogenheit von der Welt gilt sein ganzes Sinnen und Fühlen nur dem Söhnchen Richard, dem er alles, was Erfahrung und Erziehungstheorie, Liebe, Geist und Macht geben können, angedeihen lassen will. Er soll von Schule und Hochschule, vom Einfluß der Masse ferngehalten und nur durch die besten Gelehrten erzogen werden. Sir Austins Neffe, der weltkluge, an der Neigung zu weltlichen Freuden gescheiterte Theologe Adrian Harley, leitet den Unterricht. In dem gastfreien Hause wohnen noch andre Verwandte, unter ihnen die älteste Schwester des Baronets, Frau Doria Forey, die den reichen Erben Richard als Gatten ihrer Tochter Cläre ausersehen hat. Alle Erziehungseinflüsse werden nach dem „System" des Vaters geordnet. Richards Spielgefährte ist sein Altersgenosse Ripton Thomson, der Sohn des herrschaftlichen Advokaten. Mit ihm tollt er herum, wildert auf dem Grundstück des Bauern Blaize und wird von dem Bauern, der die Jungen erwischt, mit der Reitpeitsche verprügelt. Richards Stolz ist aufs tiefste verletzt. Als er am Wegrande das Gespräch eines Kesselflickers mit einem von dem Bauern weggejagten Knecht belauscht, hört er, wie dieser Knecht mit dem Gedanken spielt, dem Bauern aus Rache den Heuschober niederzubrennen. Richard glaubt damit die Zeit für die eigene Rache gekommen; er gibt dem Knecht Geld, und in der Nacht können die beiden Jungen die Scheune brennen sehen. Die Sache kommt aber bald heraus, die jungen Burschen verraten sich durch ihre Erregung. Der Bauer merkt, wer hinter der Sache steckte, und der Baronet hat ungewollt die Szene beobachtet, als Richard und Ripton vom Fenster aus den Brand glossierten. Er beruhigt den Bauern mit Mühe und entschädigt ihn reichlich. Richard muß den schweren Gang tun, Blaize um Verzeihung zu bitten. „Ein Feverel soll um Verzeihung bitten! Oh, könnte ich doch nach eigenem Willen handeln!" Die Verzeihung wird nach einigem Widerstreben auch gewährt, als die hübsche junge Nichte des Bauern, Lucy Desborough, sich für den Missetäter einsetzt. Erst allmählich erfährt der Junge, daß der Vater von der Angelegenheit weiß. Beschämt gesteht er die Tat und sein Lügen ein und erhält liebevolle Verzeihung ohne ein Wort des Vorwurfs. Die sittliche Ordnung setzt sich von selbst durch, und der Baronet notiert in seinem Tagebuch: Der Geist erfaßt sein Glücksgefühl nur von einem Punkt aus: von dem höchsten Gipfel der Weisheit, von dem wir erkennen, daß die Welt wohl geordnet ist (Kap. 10). Riptons Freundschaft aber hat nach Sir Austins Meinung versagt, er wird nicht wieder nach Raynham eingeladen. In der „Pilgertasche" heißt es: Zwischen dem einfachen Knaben- und dem Jünglingsalter, in der Blütezeit, auf der Schwelle der Pubertät, gibt es eine selbstlose Stunde, die man die geistige Saatzeit nennen kann (Kap. 12).
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Das „System" verlangt überlegte Ausnutzung dieser Zeit. Richard wächst zu einem starken, blühenden Jüngling heran, in den Studien durch Adrian, in körperlichen Übungen durch einen Korporal gefördert, überall beliebt, aber, da er sich immer als Mittelpunkt fühlen muß, ohne jene weltbürgerlichen Gewohnheiten und Gefühle, die Jungen und Männer zusammenhalten, ohne daß man sich viel umeinander kümmert (Kap. 12). Zwischen enger Freundschaft und völliger Unterwerfung gibt es für seine Altersgenossen keine mittlere Linie. Der Vater will ihn zum Staatsmann und guten Christen heranbilden, liest mit ihm Geschichtswerke und Parlamentsreden und hält ihn zu herzstärkenden Gebeten an. Das „magnetische Alter" (Kap. 13), die Zeit der erwachenden Liebessehnsucht, bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Richard muß seine dichterischen Ergüsse vernichten, ein paar angeblich verliebte Stubenmädchen werden aus dem Hause entfernt, die Cousine Cläre soll in ein Pensionat gebracht werden. Kein paarweises Herumschlendern, kein öffentliches Küssen. So etwas sollte ein Knabe nicht zu sehen bekommen. Wo immer Menschen verschiedenen Geschlechts zusammengewürfelt werden, benehmen sie sich töricht; wo es sich um wohlgenährte, ungebildete, wenig beschäftigte Menschen handelt, muß man das als selbstverständlich ansehen. Ich verlange nur Diskretion (Kap. 13). Diskretion gilt also auf Schloß Raynham. Richard selbst übt sie, als er einmal urgesehen durch Zufall Zeuge einer zarten Szene zwischen Sir Austin und der verwitweten Lady Blandish wird. Er ist jetzt achtzehn Jahre; mit fünfundzwanzig soll er heiraten, und der Vater wird reisen, um eine geeignete Lebensgefährtin für ihn zu suchen. „Ferdinand und Miranda" ist nach den unschuldigen jungen Menschen in Shakespeares „Sturm" das wundervolle, vom Zauber höchster Poesie umstrahlte 15. Kapitel betitelt, in dem der Held in der zur schönen Jungfrau herangeblühten Lucy, der Nichte des Bauern Blaize und Tochter eines gefallenen Marineoffiziers, das liebevollste und reizendste Geschöpf antrifft. Die Nachricht von der Liebe der jungen Menschenkinder wird dem abwesenden Baronet hinterbracht. Als guter Erzieher macht er nicht dem Sohn, den er nach London kommen läßt, sondern sich selbst Vorwürfe: Er hatte sich mitten in der Krise des magnetischen Alters von Raynham fortgestohlen, und dies Mädchen vom Lande — wie Benson die zarte Lucy in seinem Brief genannt hatte -— war das Ergebnis. „Es gibt Frauen in der Welt, mein Sohn. Sobald man ihnen begegnet, beginnt die entscheidende Prüfung. Wenn man sie erkennt, wird einem das Leben entweder zum Gaukelspiel oder, wie andre meinen, zu einer Segensgabe. Sie sind unsre Feuerprobe; sie gehören uns, ob wir sie lieben oder nicht" (Kap. 21). Die Frauen stehen in der Lebensphilosophie unsres Dichters als Verbündete des „comic spirit" den natürlichen Lebensprinzipien mit klarem Blick für die Aufgaben der Welt näher als die Männer; er wird zu einem mächtigen Künder echten Frauentums. — Das „System" muß die Liebesleidenschaft zertreten. Der Bauer Blaize wird dazu bewogen, die Nichte in ein Stift zu geben; Richard fügt sich in seiner Verehrung für den Vater. E r soll in London Zerstreuung und Vergessen finden. Das geht gut, bis er in der Hauptstadt der Geliebten wieder begegnet. Jetzt versinken alle Erziehungspläne vor der tiefen Liebe. Ripton mietet das junge Mädchen bei Frau Berry ein, die sich später als die alte Amme des Erben von Raynham entpuppt, Richard trennt sich unter falschem Vorwand von dem Vater, heiratet heimlich und verlebt glückliche Flitterwochen auf der Insel Wight. „ S o stirbt das System", sagt der lebenskluge Adrian, als er von Frau Berry das Geschehene erfährt und die Nachricht mit einem großen Stück des Hochzeitskuchens und feinem satirischen Humor heimbringt
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(Kap. 32). Die überraschten und enttäuschten Verwandten bemühen sich um eine Ungültigkeitserklärung der Ehe und locken Richard nach London, um ihn mit dem Vater zusammenzubringen, der jetzt erkennen muß: „ E s ist nutzlos, einem menschlichen Wesen ein System aufpfropfen zu wollen." Der Sohn war eben nicht mehr der Richard seiner eigenen Schöpfung, sein Stolz und seine Freude, sondern einfach ein Mensch wie alle übrigen. Der helle Stern war in der Masse versunken. Worin hatte eigentlich das System versagt? Auf Betreiben der Verwandten wird Richard in Lebemännerkreise gelockt. Er gerät in die Schlingen der raffinierten Londoner Schönen Frau Bella Mounts und findet aus Energiemangel und Scham nicht den Weg zu seiner jungen Gattin zurück. Mit Erschütterung erfährt er, daß die stille und feine Cläre, die von ihrer Mutter an einen reichen älteren Mann verheiratet worden ist, aber nach kurzer Ehe stirbt, ihn immer geliebt hat. Sir Austin gewinnt ein inniges Verhältnis zu seiner Schwiegertochter, die ja aus gutem Hause stammt, eine gute Erziehung genossen hat und ihren Mann liebt, und ist zur Versöhnung bereit. Als Richard hiervon Kenntnis erhält und dazu noch hört, daß Lucy ihm einen Sohn geboren hat, entschließt er sich zur Heimkehr. Kurz vor der Ankunft aber erfährt er durch einen Brief Bellas, welche Ränke man gegen ihn geschmiedet hatte und daß ein Lord Mountfalcon seiner Lucy auf der Insel Wight nachgestellt hat. Er sieht die überglückliche Gattin wieder, die auf sein Geständnis der Untreue aus der Tiefe ihres reinen Herzens nur erwidern kann: Aber du liebst mich doch? Dann küsse michl Er verläßt Raynham schon nach ein paar Stunden, um sich in Frankreich mit Lord Mountfalcon zu schießen. Bei dem Duell wird er leicht, nicht lebensgefährlich verwundet. Lucy fällt nach all den Erregungen in schwere Krankheit und stirbt; ihr reines Bild verklärt das stille Krankenlager dessen, der die Feuerprobe des Lebens nicht bestanden hat. — Das „schräge Scheinwerferlicht" fällt auf einen tiefernsten Vorgang, die Erziehung eines Sohnes. Ein feingebildeter Edelmann, der selbst im Leben Niedrigkeiten erfahren und Menschenkenntnis erworben hat, möchte dem Sohn Enttäuschungen ersparen und ihm liebevoll die Wege ebnen. Sir Austin Feverel ist vornehm, edel, großzügig, eine vollmenschliche Gestalt, die nur ein großer Menschenkenner schaffen konnte, keineswegs ein trockener und enger Moralist. Und doch muß sein System versagen gegenüber der natürlichen Daseinsbestimmung, wie alle Einseitigkeit stets an der Allheit „Erde" scheitern muß. Das ist Kampfansage an den moralischen Rigorismus einer Spießbürgerkultur. Pädagogische Vorsehung spielen zu wollen ist immer vergeblich: der Mensch muß selbst durch alle Stufen der natürlichen Entwicklung hindurch, muß Enttäuschungen erleben und die Feuerprobe bestehen, die ihm auch die größte Liebe und die glücklichsten äußeren Bedingungen nicht ersparen können. Die gütige Mutter Natur steht über allen Lehren eines Systems, der Mensch muß leiden, um zu reifen. Der unsagbar traurige Abschluß einer wohlgemeinten Erziehung bekräftigt die Ohnmacht aller guten Vorsätze gegenüber den natürlichen Wachstumsgesetzen. Der weltweise Adrian weiß von der „vergeistigten Komik", der großen Weltironie: Wenn man den glücklichen Punkt der Weisheit erreicht hat, von dem man alle Menschen als Narren erkennt, dann mögen diese winzigen Geschöpfe sich so neuartig bewegen, wie sie wollen, man wundert sich nicht mehr über sie: ihre Würde ist ebenso komisch wie ihre Albernheit, und ihre Leidenschaften sind noch komischer (Kap. 32). Das ist die Lehre dieses Buches von Jugend- und Alterstorheit. Lebenswahr sind auch die Nebenfiguren, die nicht der seelischen Zergliederung unterworfen werden und vielleicht gerade darum so echt wirken. Die rührende Mirandagestalt der unschuldigen, liebenden Lucy, die stille, entsagende Cläre, die auf gute Versorgung bedachte, tatkräftige und sogar harte Frau Doria sind ebenso abgerundete Typen wie die realistisch und humorvoll gezeichneten Vertreter des Volkes, Frau Berry, Bauer
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Blaize und die Dienerschaft. Es ist ein Buch auf hoher Ebene, voll tiefer Welt- und Menschenkenntnis, das in geformter Sprachkunst die Theorien fein und behutsam in die Erzählung verwebt, das Gedanklich-Allgemeine der Seelenanalyse hinter Dialog, Geste und Handlung aufschimmern läßt und dabei den Gesprächston auf Charakter und Situation packend und vielfältig abzustimmen weiß.
H e i m a t k u n s t : T h o m a s H a r d y (1840—1928) Meredith ist tief grabender Vollender und Übergangserscheinung zugleich. Über das Glückseligkeitsstreben eines selbstzufriedenen Individualismus, über humanes Wirken für die Armen und Leidenden ist er hinausgewachsen zum höheren Ziel einer Fortentwicklung der Art, wenn er den Menschen der Erde zurückgeben will. Wie der Entwicklungsglaube aber auch den Einbruch einer pessimistischen Strömung herbeiführen konnte, wird in einer Nebeneinanderstellung mit seinem großen Zeitgenossen Thomas Hardy deutlich. Die evolutionistische Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl gab den Menschen wie alle Organismen in die Hand von Mächten, die einem außermenschlichen Willen gehorchen, den Geist verbannen und einem mechanischen Weltbild Vorschub leisten. So ist bei Schopenhauer der Wille Vernunft- und erkenntnislos, das Naturgesetz nichts als „die der Natur abgemerkte Regel, nach der sie unter bestimmten Umständen, sobald diese eintreten, jedesmal verfährt", der Organismus das innere Verhältnis der Teile zum Gesamtwerk, die äußere Zweckursache eine Anpassung an die Umgebung, ein blind waltendes Motiv. „Der Stier stößt nicht, weil er Hörner hat, sondern weil er stoßen will, hat er Hörner." Im Menschenleben wie in der Natur gibt es nur Not, Kampf und Leid. Darum ist alles, was entsteht, wert, daß es zugrunde gehe, Fortschritt und Geschichte sind ergebnislos und damit wertlos, der Mensch in seinen Bindungen erscheint entseelt. Thomas Hardys tragischer Determinismus ruht in dieser Weltsicht ebenso wie seine Neubelebung der Heimatkunst. Wohl hatte der Heimatroman seine Tradition seit Walter Scott; es ist aber jetzt nicht mehr die idyllische Landschaft, die ihn festhält, sondern die Erhebung der realen Umweltgebundenheit in das Metaphysische, Schicksalhafte, die ihn bestimmt. Der Protest gegen die Vermassung der Städte erhebt sich auch in dem industrialisierten England. Die traditionsbeladene Gegend von Dorsetshire, dem alten Wessex, ist die Welt, in der Hardys erdgebundene Menschen den Kreislauf ihres Lebens in Glück und Leid erfüllen, an das unentrinnbare Schicksal aus Klima, Rasse, Boden, Geschichte ohnmächtig gefesselt. Das Tragische herrscht als Weltgesetz, Resignation und Mitleid sind alles, was dem Menschen verbleibt. Eine romantische Gefühlsweichheit lebt bei allem Realismus in Hardys Romanen. „Fern vom Getümmel der Menge" ( F a r from the Madding Crowd — ein Zitat aus Grays Kirchhofselegie —, 1874) ist bei allem heiteren Sonnenschein bereits voll von erschütternden Szenen, „Die Heimkehr des Eingeborenen" (The Return of tbe Native, 1878) die ergreifende Geschichte einer nach Stadt und Glanz hungernden Offizierstochter auf dem Lande, „Der Bürgermeister von Casterbridge" (The Major of Casterbridge, 1886) eine gewaltige Tragödie unter dem Walten des unerbittlichen Weltwillens, der stärker ist als der persönliche Wille, „Die Waldbewohner" (The Woodlanders, 1887) das Bild einer Verkettung von Umständen, die zwei Liebende aus der schlichten Welt der Bauern trennen. Z u grausamer Ironie wird das sinnlos waltende Verhängnis in den beiden letzten, dunkelsten Romanen, in Tess of the d'Urbervilles (1891) und in dem in seinem folgerichtigen Realismus geradezu quälenden fude the Obscure (1895). Tess of the d' Urbervilles ist ein Werk von monumentaler Gestaltungskraft.
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Der Tagelöhner Durbeyfield in dem Dorf Marlott erfährt durch einen mit Familienforschungen beschäftigten Geistlichen, der ihn schon ein paarmal mit „Sir J o h n " angeredet hat, daß er der rechtmäßige Nachkomme des von Wilhelm dem Eroberer in den Ritterstand erhobenen Geschlechts der d'Urbervilles ist. Es gilt als erloschen, und eine reiche Kaufmannsfamilie hat den Namen angenommen. Der simple Tagelöhner sonnt sich in dem Glanz seines Rittertums und trinkt prahlend im Wirtshaus ein paar Gläser mehr als sonst. Als er einmal mit schwerem Schädel im Schlaf liegt, übernimmt es Tess, die älteste Tochter, in nächtlicher Fahrt die Bienenkörbe auf den Markt zu bringen, hat aber dabei das Unglück, in einen entgegenkommenden Wagen hineinzufahren und ihr Pferd tot liegen lassen zu müssen. Die Not der kinderreichen Familie wird durch den Verlust noch drückender. Tess entschließt sich auf Drängen der Eltern, die gerne Verbindung mit den reichen „Verwandten" aufnehmen wollen, die kranke und blinde Frau d'Urberville aufzusuchen und die Stelle als Verwalterin ihrer Geflügelzucht anzunehmen. Hier gerät sie in die Netze des zügellosen Sohnes der alten Besitzerin, Alec d'Urberville, der dem schönen Bauernmädchen nachstellt und die Widerstrebende verführt. Sie verläßt die ihr verhaßt gewordene Stellung und kehrt ins Elternhaus zurück. Ihr Kind stirbt bald nach der Geburt. Not und Abscheu gegen die ihr unerträglich gewordene Umgebung veranlassen sie, eine Beschäftigung in einer Molkerei anzunehmen. Hier lernt sie den Pfarrerssohn Angel Cläre kennen, der sich auf den Landwirtsberuf vorbereitet, da er aus Gewissensgründen den Wunsch des strenggläubigen Vaters, in Cambridge Theologie zu studieren, nicht erfüllen kann. Das Blut der kräftigen, sinnenstarken Melkerin, die nach der schweren Erfahrung ernst geworden ist und mit den Freuden der Welt abgeschlossen zu haben glaubte, ist stärker als alle guten Vorsätze. Sie erhört nach langen inneren Kämpfen das Liebeswerben des Mannes, der einen neuen Frühling in ihre Seele bringt, und wird seihe Frau. Wiederholt hat sie den Anlauf genommen, ihm das Vergangene zu beichten; sie bringt es erst nach vollzogener Eheschließung fertig. Angel ist erschüttert; tiefe Liebe ringt mit den ererbten sittlichen Grundsätzen, die Gattin ist ihm nach dem Bekenntnis ihres Fehltritts nicht mehr das unschuldig-reine Wesen, das er allen Familienvorurteilen zum Trotz ersehnt hatte. E r verläßt sie und wandert nach Brasilien aus, um sein Glück als Farmer zu suchen. Tess trägt Schmerz und Not mit Würde. Als Landarbeiterin verdient sie sich in schwerer Arbeit ihr Brot und vermeidet es, Unterstützung bei der Pfarrersfamilie zu suchen. Immer dunkler und stiller wird es in ihrer Seele, als die Hoffnung auf Rückkehr des geliebten Gatten mehr und mehr schwindet. Da tritt Alec d'Urberville noch einmal in ihren Weg. Als methodistischer Wanderprediger zieht der von seinen Ausschweifungen Bekehrte durch das Land. Das Wiedersehen mit Tess läßt aber die Tünche der Wandlung bald abfallen; die alte Leidenschaft erwacht aufs neue. Die gequälte Verfolgte sendet einen Notschrei an den fernen Gatten und bittet ihn um Rückkehr und Schutz. Alecs Hohn über den Mann, der sicherlich nie heimkommen wird, steigert ihre Seelennot ins Ungemessene, und als mit dem Tode des Vaters und der Ausweisung der Mutter und Geschwister das Unglück mit Keulenschlägen kommt, ist es mit der Widerstandskraft der verlassenen Kämpferin aus. Nur Tess kann die Familie retten; willenlos opfert sie sich dem Zerstörer ihres Lebens, der ihren Lieben Unterkunft und Brot verschafft. In diesem Augenblick kehrt Angel Cläre zurück, abgekämpft und matt nach Krankheit und Mühen, um die Gattin, der er längst verziehen hat, nach der Neuen Welt zu holen. Er findet sie nach eifrigem Suchen in einem eleganten Seebad als Geliebte des Rivalen. Als er sie in seine Arme schließen will, hört er ein kummervolles „Zu spät!" Die Abweisung des Gatten, dem ihr ganzes Leben gegolten hat, raubt ihr den Rest ihrer Kraft. Sie ersticht in wilder Verzweiflung den Vernichter ihres Lebens und eilt dem Geliebten nach. Eine kurze Seligkeit in einem versteckten Landhaus und die Hoffnung, 32 Die Stimmen der Meister
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ins Ausland zu entkommen, sind das letzte Glück. Dann irren beide ziellos umher. Bei den heiligen Steinen von Stonehenge möchte Tess von ihrem Leben ausruhen: „In Talbothay sagtest du, ich sei eine Heidin. Da bin ich also nun in meiner Heimat." Schon aber sind die Häscher da, die die Mörderin ergreifen. Bald kann Angel an der Seite der jüngeren Schwester, die Tess ihm als Gattin empfohlen hat, das Aufziehen der schwarzen Flagge auf dem Gefängnisgebäude beobachten, die die Hinrichtung der Schuldlos-Schuldigen anzeigt. Der Gerechtigkeit ist Genüge geschehen, und „der Herr der Unsterblichen, wie ihn Aeschylus nannte, hat sein Spiel mit Tess beendet." — Der Aufbau dieses Lebensweges vollzieht sich mit der Wucht einer klassischen Tragödie. Da türmt sich keine Gestaltenfülle, da wuchern keine Nebenhandlungen, da gibt es keine Stilmischung von Ernst und Scherz. Ein Einzelschicksal erfüllt sich in der unheimlichen Geschlossenheit eines erbarmungslosen Weltwillens, die das kleine Leben in den unerbittlichen Rhythmus der das Ganze beherrschenden Mächte hinaufreißt. Diese fatalistische Unausweichbarkeit, dies Walten höherer Willensnormen hat etwas von dem Schicksalsbegriff des antiken Dramas. Eine grausame Ironie läßt eine Frau, die dem harten Weltwillen nur Liebe und Hingebung entgegenzusetzen hat, zur Mörderin werden, und die Welt nennt das dann Gerechtigkeit! Der Urgrund aller Tragik wird aufgerissen, die leidvolle Klage des alten Harfners bei Goethe ist uns nahe: Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden, Dann überlaßt ihr ihn der Pein, Denn alle Schuld rächt sich auf Erden. Eine Kritik der am Schluß der Inhaltsangabe zitierten grimmig-ironischen Schlußwendung beantwortete Hardy einmal mit dem Ausspruch des alten Gloster in „König Lear": . . . Was Fliegen sind Den müß'gen Knaben, das sind wir den Göttern: Sie töten uns zum Spaß. Die erbarmungslose Weltnotwendigkeit ist die eine Geißel, unter der der Mensch zu leben und zu leiden hat, die gesellschaftliche Konvention die andre. Die verführte Tess muß vor der Welt, vor dem Geflüster und den Blicken der Nachbarn fliehen, der grobe Bauer, bei dem sie arbeitet, hat mit der Kenntnis ihres Fehltritts ein Machtmittel in der Hand, sogar ein so selbständig denkender Mann wie Angel Cläre kann mit aller tiefen Liebe den „Makel" nicht auslöschen, und am Ende steht der alte, strenge Pfarrer Cläre, der in echtem Christentum gerade um der „Sünde" willen den sonst durch soziales Vorurteil verbauten Weg zu der Schwiegertochter leichter findet, als der menschlich Größte da. Natur und Menschengesetz in labyrinthischer Verschlingung, ihnen gegenüber der sich verblutende Mensch mit seinen Leidenschaften, seinem Sehnen: das ist die erschütternde Tragik dieses Frauenschicksals. Fern von der muffigen Sittlichkeit der öffentlichen Meinung, in der Härte und Weite der kolonialen Welt, gelangt Angel zu einer Umwertung der Werte, an denen sein eigenes Glück zerbrechen mußte: Wer ist der sittliche Mann? Und noch nachdrücklicher: Wer ist die sittliche Frau? Schönheit oder Häßlichkeit eines Charakters liegen nicht in den Handlungen, sondern in den Zielen und Antrieben; nicht die getanen, sondern die gewollten Dinge machen seine wahre Geschichte aus (Kap. 49). In einer geradezu beängstigenden Geschlossenheit sehen wir das leidvolle Schicksal sich erfüllen. Hier geht es nicht mehr um ein soziales Problem, das so oder so gelöst werden kann, nicht um psychologische Charakterdeutung, überhaupt nicht um einen Menschen als Mittelpunkt einer Umwelt; hier ist der fühlende Mensch nur Sklave des
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Urwillens, Teil der organischen Ganzheit, der Mikrokosmos Abbild des Makrokosmos. Landschafts- und Menschheitsfühlen stehen in vollkommener Harmonie, ein Mithandeln der weiten Natur durchzieht den ganzen Vortrag. Beziehungsreich ist die Schilderung der Lage des Dörfchens im Anfang des 2. Kapitels, des hügelumsäumten Tals mit dem Netzwerk seiner Heckenwege, der schweren Luft, dem alle Unterschiede auslöschenden farblosen Himmel, mit seinen geschichtlichen Erinnerungen; in der engeren Landschaft und ihrer Geschichte wurzelt der Mensch, die alten Volksfesttage — der 1. Mai, Lichtmeß, Mariä Verkündigung — bestimmen den Kalender der Bauern, Landarbeiterwanderungen in ein neues Land der Verheißung unterbrechen die Eintönigkeit ihres schweren Tagewerks, die sinnlich-ausdrucksvolle Mundart atmet Erdgeruch. Dunkelheit und Stille herrschen, als Tess dem Verführer verfällt, die Vögel schweigen, Kaninchen und Hasen hüpfen verstohlen vorbei, die Natur hält ihren Atem an, der Schutzengel des armen Mädchens scheint zu schlafen. Prachtvoll das Umherirren der wiedervereinigten Gatten auf der Ebene von Salisbury, wo die gehetzte schuldlose Sünderin bei den zyklopischen Steinen aus heidnischer Vorzeit niedersinkt, an denen einst ihre Vorfahren den Göttern unschuldige Opfer dargebracht haben. Die unentrinnbare Notwendigkeit des Schicksals, die Ananke der Griechen, nimmt als mächtiger Strom die Bewegungen des Kosmos und des Lebens auf. „Wir sind alle Kinder des Bodens", sagt Angel Cläre (Kap. 53). Wenn Thomas Hardy der Begründer des Heimatromans geworden ist, so darf nicht übersehen werden, daß dies ein Ergebnis einer schicksalhaften Allverbundenheit ist. Seine Romane sind in erster Linie Schicksalstragödien, und die auf ihn gemünzte Bezeichnung eines Aeschylus der modernen Tragödie paßt auf den Dichter, dem die Landschaft nicht mehr bloß der idyllische Rahmen ist, den sie für einen Romantiker wie Walter Scott abgab. Er ist der Sänger der südlichen Landschaft, für die er den alten Namen Wessex wählte. In seinem Gefolge hat der Heimatroman einen bedeutenden Aufschwung genommen, eine Landschaft nach der andren wurde als Raum für Menschenschicksale entdeckt. Henry Hall Caine führte die Insel Man in die Literatur ein, William Black, George Macdonald, R. L. Stevenson und George Douglas wurzelten im schottischen Hochland, Sheila Kaye-Smith setzte gegenüber den Kräften der Zersetzung nach dem ersten Weltkrieg ihre bedeutende Kunst für die Kraft der Scholle in Sussexromanen ein, Eden Phillpotts ließ erdgebundene Menschen aus dem öden Höhenland von Dartmoor erwachsen, Mary Webb aus dem walisischen Grenzgebiet von Shropshire, A. G. Street aus dem Bauerntum von Wiltshire, Francis Brett Young aus den „Midlands", die Brüder Theodore Francis und John Cowper Powys spürten auf der Grenze des keltischen und sächsischen Volkstums den dämonischen Urkräften des Blutes nach, und bei Walter Greenwood, Hilda Vaughan, Jack Jones, George Blake und James Lonsdale Hodson wurden in Verbindung von Landschaftsund sozialem Roman die Industriebezirke zum realistischen Hintergrund moderner Wirtschaftsnöte und -kämpfe. Der „große alte Mann der Literatur", wie Thomas Hardy genannt wurde, hatte das erdnahe Leben bäuerlich-schlichter Menschen im Gegensatz zu der viktorianischen Selbstzufriedenheit der Stadt für seine schwere, ernste Weltschau gewählt. Die Heimatdichtung mit ihrem Glauben an die Werte der Scholle konnte blühen, bis eine neue Weltenttäuschung der jüngsten Zeit auch hier den Glauben an die Menschheit verlor. R ü c k k e h r zur N a t u r : R o b e r t L o u i s S t e v e n s o n (1850—1894) Die Heimat auf der einen, das Hinausgreifen in die weiten Räume auf der andren Seite: das ist die Welt eines späten Romantikers, der dem Realismus und der Inselbeschränktheit seiner Zeit den Kampf ansagen wollte, aber eines Romantikers mit 32*
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starkem Gefühl für die Wirklichkeit und die Landschaft. Stevenson war Schotte, von dauerndem Siechtum gequält und genötigt, Länder mit milderem Klima aufzusuchen, so daß sein Leben selbst eine Art romantischen Abenteuerromans bildete, bis er in der Südsee, auf einer der Samoainseln, an der Lungenkrankheit starb. Eine unermüdliche Schaffenskraft entfaltete er als Kompensation gegen seine dauernde Krankheit. Er war eine der liebenswertesten Gestalten der englischen Literatur, ein von der Sehnsucht nach Ungebundenheit und fernen Ländern erfülltes Kind der Natur, immer heiter, gesellig, kameradschaftlich, ohne Feind oder Neider. Die Zeit der imperialistischen Ausschau in ferne Räume, der Erweiterung des Horizonts, kam seiner Wiederbelebung des alten Abenteuergeistes mit knabenhafter Begeisterung für männliches Tun und Romantik ferner Gegenden zugute und trug ihn zu beispiellosem Erfolg empor. Der Gedanke von dem menschlichen Doppelwesen, der stärkeren gemeinen und der schwächeren guten Natur, gab ihm in einer Zeit, die nach der Herrschaft des Materialismus den Bereichen des Übersinnlichen zugeneigt war, das symbolische Märchen Dr.Jekyll and M.Hyde (1886) ein, in dem die Bewußtseinsspaltung künstlich einen Menschen in zwei zerfallen läßt, Seemannsleben und bewegtes schottisches Hochland den Roman „Entführung" {Kidnapped, 1886), wildes Hochlandgeschehen, Neigung zum Ungewöhnlichen und das wiederaufgenommene Thema der Doppelnatur den künstlerisch hochstehenden „Junker von Ballantrae" {The Master of Ballantrae, 1889), das Charakterbild eines gerechten, aber brutal-gefühllosen Henkerrichters das unvollendete Meisterwerk „Weir von Hermiston" {The Weir of Hermiston, 1896). Eine verwirrende Fülle von seltsamen Geschehnissen und Abenteuern, Seeräubern, Verbrechern, Puritanern, gefühlstarken Frauen, Kindern lebt in den zahlreichen Novellen und märchenhaften Wunschgeschichten, Weltenfülle und Bewegung; keine Seelendeutungen wie bei Hardy oder Meredith, sondern Fabulierkunst, Spiegelung der bunten, namentlich der fremdartigen Wirklichkeit in bewußt einfacher Sprache, impressionistische Erfassung der Situationen, dichterische Gedrängtheit und Spannung. Das Interesse am romantischen Seemannsleben, an der suggestiven Wirkung des Geheimnisvoll-Unheimlichen kommt am besten in der in der Gestaltung vollendeten Erzählung Die Schat^insel (Treasure Island\ 1883) zum Ausdruck. Jim Hawkins, der Wirtssohn aus dem Gasthaus „Admiral Benbow", erzählt uns die Geschichte, die er als Junge miterlebt hat. In dem Gasthaus lebt ein alter Kapitän, ein undurchsichtiger, verschlossener, nur der Rumflasche ergebener Mensch, der eine geheimnisvolle Kiste mitgebracht hat. Der halbwüchsige Jim wird sein Vertrauter und erhält für ein kleines Monatsgeld den Auftrag, alle einkehrenden Seefahrer zu beobachten und ihm namentlich sofort zu berichten, wenn ein schrecklicher einbeiniger und auf Krücken gehender Seemann sich zeige. Der kommt zwar nicht an, aber ein unangenehmer blinder Kerl, bei dessen Anblick der Kapitän tot umfällt. Jim durchsucht nun mit seiner Mutter die rätselhafte Kiste. Allerlei krauses Zeug kommt zum Vorschein, mit ihm aber auch ein Bündel Papiere und eine Seekarte mit einer durch Striche und Punkte bezeichneten Insel. Der Arzt Dr. Livesey, dem die Wirtin die Schriftstücke übergibt, kann das Geheimnis des Verstorbenen enthüllen. Er war ein gefährlicher und gewalttätiger Seeräuber, der vor Jahren auf der unbewohnten Skeletoninsel einen Schatz im Werte von siebenhunderttausend Pfund vergraben hat. Der Gutsherr Trelawney, dem der Doktor die Karte mit dem eingetragenen Platz des Verstecks zeigt, beschließt sofort die Fahrt nach der „Schatzinsel". Ein Segelschiff wird ausgerüstet, ein Kapitän und eine kleine Mannschaft angeheuert. Jim fährt als Schiffsjunge mit dem Gutsbesitzer und dem Arzt von Bristol aus zu der abenteuerlichen Reise. Zu der Schiffsmannschaft gehört als Koch auch der gefürchtete Seemann mit einem Bein, John Silver, der als alter Fahrtgenosse des verstorbenen Seebären um den Schatz weiß. Kapitän Smollett, der Führer des Seglers,
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kennt seine Leute und warnt vor Verrat und Meuterei. Wie recht er hat, erweist sich gleich nach der Ankunft auf der Insel. Zum Glück hat Jim schon während der Fahrt durch Zufall ein Gespräch belauschen und Silvers schurkische Pläne hören können, so daß der Schiffseigner und sein Kapitän die zuverlässigen und die verdächtigen Leute unterscheiden und die Waffen entsprechend verteilen können. Es folgt nun eine Reihe bunt verschlungener Gefahren und Rettungen im Kampf mit den von Silver geführten Verrätern, braver Taten des achtsamen Jungen, harter Kämpfe um das Blockhaus und scheinbarer Wiederversöhnung mit dem schurkischen Schiffskoch. Ein drei Jahre vorher von Piraten ausgesetzter Matrose, eine Robinsonfigur, kann wertvolle Hilfe leisten, sogar ein verstecktes Boot angeben. Mit diesem pirscht sich Jim ungesehen an das Segelschiff, das den Meuterern in die Hände gefallen war, kappt die Taue und bringt das Fahrzeug bei günstigem Wind unter höchsten Gefahren in ein sicheres Versteck. Als Silver und seine Gesellen den Ort des vergrabenen Schatzes ausfindig machen, sehen sie nur ein leeres Loch; der einsame Inselbewohner hat den Schatz bereits an andrer Stelle untergebracht, so daß er nun von Trelawney und dem Doktor sicher nach Bristol geschafft werden kann. Die kleine Zahl der aus den Kämpfen gebliebenen Verräter wird, mit Nahrung und Munition versorgt, auf der Insel zurückgelassen. — Aus Vorbemerkungen des Stiefsohnes und der Gattin Stevensons hören wir, daß der Dichter mit dem Kindergemüt seine Freude an Zinnsoldaten und Kriegsspiel hatte, daß er eine Knabenzeichnung mit einer entlegenen Insel — seiner Schatzinsel — an sich nahm und aus ihr die Anregung schöpfte, eine Geschichte dazu zu erfinden. „Die Menschen haben alle möglichen Liebhabereien; die meinige war von Kindheit an, eine Folge von Ereignissen zu einem geistigen Spielzeug zu formen." Wie ein Kind im Grase liegt, in den unendlichen Wald starrt und ihn mit Scharen von Elfen und Feen bevölkert träumt, so hat ihm die Kartenzeichnung der Schatzinsel die Menschen und Begebenheiten in die Seele gezaubert, die er nun schlicht erzählt, ohne Anspruch auf psychologische Durchdringung, nur als Spiel der schweifenden Phantasie. So ist diese Spiegelung der bunten Wirklichkeit entstanden, ein Knabentraum, der auch die großen Kinder nicht losläßt, ein Traum von Angst, Gefahr und Freude am Bestehen aller Fährnisse, von Erregung und Beruhigung, von Unheimlichkeit und Lust am einfachen Naturleben, von Farbigkeit und Spannung. Was an Einzelmotiven aus andren Abenteuererzählern entlehnt ist, aus Defoe — sogar ein Papagei spielt eine Rolle wie in Robinson Crusoes Höhle —, Dr. Johnson, Kingsley, Marryat, E. A. Poe, Washington Irving, bezeichnet der Dichter selbst; nicht die Erfindung macht die Originalität aus, sondern das Wie der Verarbeitung, der geheimnisvolle Zauber der Schatzinsel, der alle gefangen hält und von dessen Hintergründen noch die Skelette früherer wilder Besucher zeugen. Die Handlung ist von größter Geschlossenheit, die Sprache in ihrer kunstvollen Einfachheit auf alle Stimmungen abgetönt vom derben, knappen Seemanns jaxgon bis zum feinen Seelen ton, das Charakterbild des schurkischen Schiffskochs Silver, der den eigentlichen Angelpunkt der aufregenden Geschehnisse bildet, von großer Realistik; Licht- und Schatteneffekte, Sonne und Dunkel umspielen die Landschaft und die Taten, eine Eindruckskunst von mitreißender Wirkung. Neugierde und Ungeduld sind die Voraussetzungen, die man für diese bewegte Welt mitbringen muß, nicht die Ruhe des Denkens und des epischen Genießens. „Die Poesie der Umstände" hat Stevenson seine Art Romantik einmal genannt, also den Zauber, den die Dinge und die Landschaft in sich tragen und den die Handlung in unserm Geist wachruft. Die bedeutende englische Tradition des Abenteuerromans mit seiner gesunden Tatfreudigkeit und seinem Hinausstreben in die Ferne war wieder erweckt. Joseph Conrad konnte ihn mit Einfügung des psychologischen Moments zum „großen"
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Roman gestalten, Henry Rider Haggard, Rudyard Kipling, Jerome K . Jerome, Stella Benson und die Waliser E d w a r d Morgan Forster und Richard Hughes mit ihm neue Räume und ihre Probleme aufleuchten lassen, und der moderne Kriminal- und Detektivroman eines Arthur Conan Doyle und Edgar Wallace ist eine Abart niederen Kalibers, die nicht nach ihrem Kunstwert, wohl aber als soziologische Gattungserscheinung für den nach Spannung verlangenden modernen Massenmenschen ernst genommen werden muß.
Die wichtigste Gestalt in dieser Nachfolge ist J o s e p h C o n r a d (1857—1924), der in einem bewegten Leben zum Engländer gewordene Pole, der die Abenteuertradition zur tiefen Problemstudie in Romanform erheben konnte. Das in hartem Dienst auf abenteuerlichen Fahrten selbsterlebte Meer wurde sein eigentlicher Schauplatz, dazu die Welt der Malaien, der Inseln und Randgebiete des Stillen Ozeans (Almayer's Folly, The Outcast of the Islands, The Nigger of the Narcissus, Lord Jim, Typhoon, Nostromo, Chance u. a.). Die Herrschaft der Milieutheorie hatte bei George Eliot und ihrer Zeit den Menschen psychologisch als Glied der gesellschaftlichen Umwelt gedeutet. Jetzt wird er als Einzelwesen im großen Gefüge des Kosmos gesehen; seine Vereinsamung gegenüber dem unerbittlichen Weltwillen kehrt das Mysterium des Lebensinstinkts hervor, dem mit Verstand und Gefühl nicht beizukommen ist, nicht in tragischer Hilflosigkeit wie bei Hardy, sondern mit befreiender Sieghaftigkeit und hamletischer Tragödie des Idealismus. Neue Mittel tiefenpsychologischer Ergründung sind erforderlich. Die von dem Amerikaner Henry James, der auch England zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, angewandte und von ihm gleichzeitig mit Conrad konsequent durchgebildete Standpunkttechnik wird in den reifen Werken Conrads eine Absage an den Realismus, die Tatbestände werden nicht fortlaufend berichtet, sondern erwachsen vor dem Leser aus dem Blickpunkt der Mithandelnden, wodurch sich ein Zickzackgang des Berichts mit Auflösung der Zeitfolge ergibt. Der Leser erlebt das Geschehen intensiver, weil seine eigene Mitarbeit zur Vergleichung der individuellen Standpunkte und Herstellung der Ordnung aufgerufen wird. Das Abenteuer ist nicht mehr Flucht aus der Wirklichkeit aus romantischer Sehnsucht nach dem Vollkommeneren, sondern ein Weg zur Verwesentlichung und zum Symbolhaften. Das ist Abkehr vom viktorianischen Gesellschaftsroman; nicht wie bei James Joyce („Ulysses") in schonungsloser Analyse des Unterbewußtseins mit radikaler Sprengung der Erzählform, sondern in Zergliederung und Enthüllung mit Ehrfurcht vor den letzten Geheimnissen. G e s e l l s c h a f t s u m s c h i c h t u n g : H . G . W e l l s und J o h n
Galsworthv
„Nannie", sagte Beatrice, mit dem Finger auf mich zeigend und eine Frage meiner Mutter nicht beachtend, „ist das ein Dienstbotenjunge?" „Pst", antwortete das Kinderfräulein. „Das ist der junge Ponderevo." „Ist er ein Dienstbotenjunge?" wiederholte Beatrice. „ E r ist ein Schüler." „Dann darf ich also mit ihm reden, Nannie?" Das Fräulein sah mich mit grausamer Unmenschlichkeit prüfend an. „ D u darfst aber nicht zuviel sprechen", sagte es zu seiner Pflegebefohlenen und schnitt ihr den Kuchen in fingerbreite Stückchen. „Nein", fügte die Strenge mit Bestimmtheit hinzu, als Beatrice etwas sagen wollte. Beatrice wurde böse. Ihre Augen erforschten mich mit grundloser Feindseligkeit. „ E r hat schmutzige Hände", sagte sie und stach dabei nach der verbotenen Frucht, „und sein Kragen ist durchgescheuert." Dann begann sie ihren Kuchen zu essen mit allen Zeichen der Nichtbeachtung meiner Anwesenheit, was mich mit Haß und dem leidenschaftlichen Verlangen füllte, ihre Bewunderung zu erzwingen. A m nächsten Tage vor dem Tee wusch ich mir zum erstenmal in meinem Leben ganz von selbst die Hände, ohne Aufforderung, ohne jeden Zwang. So fing unsre Bekanntschaft an. (H. G. Wells, Tono-Bungay, I, Kap. i, § 7.)
Herbert George Wells
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Die Frage des achtjährigen kleinen Fräuleins aus dem Landadel, der angehenden Lady, enthüllt blitzartig eine Haltung, die jahrhundertelang selbstverständlich war, unter der Wirkung der Industrialisierung des Landes und der Verschärfung der Klassengegensätze aber als überlebt und kränkend empfunden werden mußte. Die Umschichtung der Gesellschaft wurde ein weites Thema in der großen Bewegung des Widerspruchs und Neuaufbaus. H e r b e r t G e o r g e W e l l s (1866—1946) arbeitete sich aus kleinen Verhältnissen schnell zu einem der freiesten und umfassendsten geistigen Weltbürger empor. Sein Sozialismus ruhte auf dem evolutionistischen Glauben an den Zivilisationsfortschritt und die Glückseligkeit sowie auf der Überzeugung des Pragmatismus, daß jede Meinung ihre Berechtigung durch die Brauchbarkeit für das Leben erweise. Diesem Glauben an den Fortschritt widmete er einen großzügigen Überblick über die Geschichte der Welt von den Anfängen unsrer Erde bis in Zukunftsvisionen hinein, der Umwertung der Werte eine Reihe utopischer Phantasien, die mit pseudophysikalischen Konstruktionen eine neue Gattung soziologischer Zukunftsbilder begründeten; ein naturwissenschaftlicher Einfall wird nach Art der Phantasien eines Edgar Allan Poe und Jules Verne märchenhaft zu einem Zukunftsbild der menschlichen Gesellschaft gestaltet. So führt die „Zeitmaschine" (The Time Machine, 1895), die Räume und Zeiten zu überwinden gestattet, den grüblerischen Forscher zu Gefilden, in denen das letzte Ergebnis kapitalistischer Wirtschaftsordnung sichtbar wird: zwerghafte, gutmütige, untätige und unwissende Menschen leben sorglos auf einer grünen Wiese, während die zahlreicheren andren im Erdinnern lichtscheu und stumpfsinnig für sie arbeiten müssen, sie aber in der Dunkelheit auch einfangen und fressen, wenn der Mangel sie dazu treibt. In ähnlicher Weise werden andre physikalische, technische, biologische oder ökonomische Gedanken zu wirklichkeitsfernen Zukunftsbildern ausgesponnen, die Zeitkritik und Menschheitstraum enthalten, getragen von einem wissenschaftlichen Optimismus, lehrhaft in den Weltverbesserungsideen, fesselnd als Märchenschöpfungen, aber oft quälend in ihrer Unheimlichkeit, ihrer Verzerrung und der rein intellektuellen, mechanistischen Konstruktion des neuen Menschheitsideals, die an das innere Wesen kaum heranreicht. Hier haben wir eine Phantastik ohne Romantik, einen Glauben an Wissen allein als Macht, eine Welt ohne Wärme und Liebe, wenn auch die Überzeugung nicht nur von dem praktischen, sondern auch ethischen Wert der Auflehnung des befreiten Menschengeistes gegen die Knechtschaft der Natur hinter den phantastischen Bildern steht. In dem ungeheuren Lebenswerk des Dichters, der alles Ideenhafte und Gegenständliche in den Bereich seiner geistigen Durchdringung zieht, fällt den Romanen die Aufgabe zu, die Mächte der Gegenwart und Wirklichkeit zu gestalten. Die Gesellschaftssatire Tono-Bungay (1909) ist das bedeutendste Werk und gehört in die Reihe der großen englischen Romane. Der Herrensitz Bladesover im kentischen Hügelland, gediegenes 18. Jahrhundert mit Park, Dörfern und malerischen Kirchlein, ist der Kristallisationspunkt des einen Lebenskreises, des alten Junkertums. Alles ist hierarchisch geordnet, jeder Mensch und jeder Stand hat seinen „Platz" schicksalhaft erhalten. Eine überlebte Scheinform gesellschaftlicher Ordnung! So empfindet es George Ponderevo in den Tagen, als er uns seine Geschichte in Tagebuchform erzählt, als Park und Bauernhütten verlassen stehen, als das Schloß möbliert an einen jüdischen Kapitalisten vermietet ist. Damals aber, als er noch ein Junge und seine Mutter Angestellte bei dem dürren alten Adelsfräulein Lady Dew war, die mit ihrer ebenso alten Cousine Somerville das Schloß bewohnte und in ihrer Figur und altmodischen Steifheit schon so etwas wie den Nachglanz einer sterbenden Macht und Würde darstellte, galt alles noch, wenigstens bei dem Bladesover kreis.
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Oben stand der Junker, dann kamen der Pfarrer, der Doktor, der Tierarzt, die Pächter, der Butler, der Dorf kaufmann, der Koch, der Gastwirt, der Schmied — etwas schwierig einzuordnen, weil seine Tochter Posthalterin war —, der älteste Sohn des Kaufmanns, der erste herrschaftliche Diener, die jüngeren Kaufmannssöhne, der erste Kommis usw., alles in strenger gesellschaftlicher Hierarchie. So sieht die Welt aus —in Bladesover! Und Bladesover ist der Schlüssel zu fast allem, was typisch britisch ist und dem fremden Besucher auffällt; vor zweihundert Jahren war ganz England Bladesover. Es hat seitdem seine Parlamentsreformen und dergleichen Änderungen der Formeln gehabt, aber keine wirkliche Revolution, die „snobbishness" ist geblieben. Wer heute nicht im Schatten eines Bladesover lebt, ist gewissermaßen beständig auf der Suche nach verlorener Orientierung. Wir haben nie mit unsrer Tradition gebrochen, ja sie nicht einmal symbolisch in Stücke geschlagen, wie die Franzosen es in der Schreckensherrschaft taten. Strenge soziale Hierarchie herrscht auch in den Dienstbotenzimmern von Bladesover, und man. fühlt sich wohl in ihr. Drei pensionierte alte Dienerinnen kommen gern einmal mit heran und sonnen sich im Glanz ihrer Erinnerungen; Frau Mackridge hat die ganze Lebensweisheit des weiland Sir Roderick stets parat. Der kleine George Ponderevo erlebt diese Welt mit Verwunderung. E r ist von dem Vater, der schon früh „vor den Tugenden der Mutter geflohen ist", etwas „skeptisch" belastet. Bücher sind in dem feinen Haus, in das er immer zur Ferienzeit kommt, und die sind ihm gerade recht: Reiseberichte, Literatur des Aufklärungszeitalters über Menschenrechte, Verstandesphilosophie, Staatslehre, Geschichte. Dann kommt die Katastrophe in sein junges Leben, als er eben den vierzehnten Geburtstag begangen hat, in der Gestalt der „ehrenwerten" kleinen Beatrice Normandy. Er tauscht kindliche Liebesküsse mit ihr und verprügelt ihren Stiefbruder Archie, den Störenfried. Kein Wunder, daß er, der Sohn der Haushälterin, Bladesover nicht wieder betreten darf. E r wird Bäckerjunge bei einem Onkel in Chatham, läuft aber aus der verhaßten Beschäftigung und Stadt bald weg, zurück zur Mutter nach Bladesover, die ihn sofort nach Wimblehurst zu einem andern Onkel in die Lehre bringt, dem Drogisten Ponderevo. Hier lernt er eine andre Welt kennen, Ärmlichkeit, tägliches Sichabrackern der guten Tante Susanne, Allerweltsgeschäftigkeit des lebendigen, wortreichen, seine Heilmittel unentwegt anpreisenden Onkels. Er besucht eine Schule, zeichnet sich in den Naturwissenschaften aus und kann sich mit einem Stipendium der Pharmazeutischen Gesellschaft in London weiterbilden, geht aber als Stipendiat auf eine Ingenieurfachschule über. Bei ärmlichem Leben und tüchtigem Fleiß kümmert er sich um seine Bildung, auch um Arbeiterleben und Sozialismus. Da lernt er gerade in den Jahren, in denen das Interesse für alle Mitstudentinnen, Schauspielerinnen, Damen in eleganten Wagen erwacht, in einer Bibliothek Marion kennen und lieben, ein kleinbürgerliches Mädchen, das ihn wohl mag, den einkommenlosen Mann, dessen Stipendium gerade abläuft, aber nicht heiraten will. Tono-Bungay bringt den Umschwung, der Gegenpol von Bladesover, dem „Schlüssel für das Verständnis Englands" (I, 2, § 1). Was bedeutet das seltsame Wort? Es ist der von Onkel Ponderevo erfundene Reklamename für ein neues Allheilmittel, „das Geheimnis der Kraft, die Quintessenz der Stärke". George soll sofort kommen, schreibt der Onkel, und bei hohem Gehalt im Vertrieb tätig sein. E r findet alle Regale des Lagers mit Flaschen gefüllt, TonoBungay wird rasend gekauft, Geld kommt in Strömen herein. George ahnt, daß es sich um ganz wertloses Zeug handelt, aber die Reklame siegt, der Onkel steht hoch auf der Woge des Erfolgs, der Neffe hat zu tun, alle Welt kauft gerne Gesundheit, Schönheit und Kraft durch Tono-Bungay; der findige Drogist entwirft ein Plakat nach dem andern und nennt das alles Romantik des modernen Handels. Es gibt weitere Vervollkommnungen, Tono-Bungay-Haarwaschmittel, Tono-Bungay-
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Schokolade, konzentriertes Tono-Bungay-Augenwasser, Mittel gegen Seekrankheit usw. Es sind Jahre voller Energie und Arbeit, aber auch voller Erfolg. Zeitungsverleger werden Förderer und stille Teilhaber, der Onkel wird der gesuchteste Finanzmann. George heiratet seine Marion. Die Ehe dauert aber nicht lange. Die junge Frau ist zu simpel für eine tiefere Gemeinschaft, liebt keine Kinder, findet keinen Weg zu dem vielbeschäftigten, geistig regen Gatten. E r wird ihr untreu, die Scheidung ist das Ergebnis der unüberlegten Bindung. Der Onkel-Milliardär hat natürlich ein pompöses Haus bezogen und den Bau eines Schlosses in schöner Landschaft bestellt, sich vom guten Leben ein Bäuchlein und die Verdauungsstörungen der Schlemmer zugelegt, der fein gewordenen Tante Dienstboten und Prunk verschafft, Tochtergesellschaften für alle möglichen Artikel gegründet, auch eine Zeitschrift, den „Heiligen Hain" mit anspruchsvollen literarischen Beiträgen, schön umrahmt von Reklame. Die Romantik des modernen Handels umgreift Menschen, Gegenstände und Methoden, deren Zusammenhang die schlichte Einfalt nicht ahnt. Wir haben die Hand auf den Dingen, George, wir Großen. Wir hängen zusammen, George, wir schmeißen die Sache. Die alte Ordnung mit hineinreißen wie Kiplings Mühlrad . . . Wir müssen das Land in Gang halten. Uns gehört es. Müssen es rationell machen — organisieren — Geschäft — Unternehmung. Ideen hineinstecken. Elektrisieren. Jeden Fortschritt beherrschen, jeden! Ich habe mit Lord Boom gesprochen. Habe mit allen möglichen Leuten gesprochen. Große Sachen. Fortschritt. Die Welt als Geschäft. Fängt gerade erst an. Eine wunderbare Ordnung, diese alte britische Ordnung. Solide und fest, und hat dabei doch einen Platz für neue Männer. Wir sind da und nehmen einfach unsern Platz ein. Das erwartet man beinahe. Wir greifen zu. Da liegt der Unterschied unsrer Demokratie von Amerika. Da drüben hat man Erfolg, damit aber nichts als Geld. Hier ist ein geordnetes Gefüge, praktisch für jedermann offen (III, 2, § 8). Hinein auch noch in das Parteileben, Geld dafür geben, andre Geldmänncr ausstechen 1 Eine kleine Liebesaffäre mit der Frau eines aristokratischen Geschäftsfreundes ohne Rücksicht auf Tante Susanne, warum nicht? Wie hat es denn Napoleon mit Josephine gemacht, und ist Ponderevo der Ältere nicht ein Napoleon des Geschäfts, der Mann des Erfolgs, der Herr der Welt, das Symbol der Zeit? Das ist Tono-Bungay als Gegenpol zu Bladesover, die große Tono-BungaySymphonie. George wird es schwindlig auf der Höhe dieser Pläne; er kümmert sich immer weniger um sie und lebt nur noch für seine eigenen Gedanken, die hauptsächlich dem Ersinnen und dem Bau von Flugmaschinen gewidmet sind. Der erste Gleitflug beginnt gut und endet mit Krach und Trümmern, der Erfinder aber probiert weiter, der wissenschaftliche Drang ist nach der aufreibenden Spekulationszeit wieder erwacht. Da kommen eines Tages zwei Aristokratinnen zu der Tante, Lady Osprey mit ihrer Stieftochter Beatrice Normandy. Die Lady interessiert sich sehr für den Sohn der früheren Haushälterin, er ist ja der Neffe und vielleicht der Erbe des Geldmagnaten; nur die Sache mit dem Fliegen gefällt ihr nicht. Beatrice aber sieht sich den Aufstieg und das baldige Niederkrachen des ersten lenkbaren Ballons an. George und sie treffen sich oft wieder, die Kinderliebe wird echte, romantische Liebe der Erwachsenen. Sie kann ihn aber nicht heiraten; gesellschaftliche Vorurteile hat sie nicht, und der andre Mann, der um sie wirbt, ist ihr gleichgültig. Ein Geheimnis umschwebt ihre Zurückhaltung. Da kommt der große Umschwung. Der gekaufte Zeitungslord wird gefährlich mit seinem Presseeinfluß, Intrigen spinnen sich an, ein Rohstoffunternehmen in Westafrika, das zu dem Ponderevo-Konzern gehört, versagt und ruft eine ernste Krise hervor. George fährt nach Afrika, Beatrice will geduldig auf ihn warten. Auf der afrikanischen Insel ist nichts mehr zu retten. George schifft sich nach einigen wilden Erlebnissen wieder ein. Daheim findet er den Onkel in schweren Kämpfen gegen die
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Pressefehde und abgehärmt. Das riesige Kartenhaus bricht zusammen, der Schwindelunternehmer wird von dem Neffen in dem neuen, prächtig funktionierenden Luftschiff krank und gebrochen in die Pyrenäengegend gebracht, wo er einsam stirbt. George erlebt noch einmal Liebesglück mit Beatrice, dann den Abschied für immer; sie geht zu dem ungeliebten, aber tüchtigen und soliden andren Bewerber zurück. George muß sie entsagen, sie fühlt den Abstand der Welten tiefer als er, den Abstand des in Abhängigkeit und Lebensuntüchtigkeit erzogenen Mädchens, das sich nicht einmal allein die Haare machen kann, von dem Mann der Tat und des Kampfes, dem sie nie die Genossin sein könnte, die er braucht. Auf dem von ihm konstruierten Zerstörer fährt der Ingenieur George Ponderevo die Themse hinunter und nimmt nachdenklich das von großer Geschichte zeugende Bild Londons in sich auf. Die alten Fassaden stehen unverändert, die alten Gebräuche sind geblieben. Aber was steckt in ihnen? Moderne Gewinnsucht, Schwindelei, Reklame. Kinderlos waren Tante Susanne, auch Marion, sinnlos ist Beatrices Leben geworden. Tono-Bungay ist ebenso dem Untergang geweiht wie Bladesover, es sollte besser Ödland heißen. Was dem Erfinder im Symbol seines Zerstörers sichtbar geworden ist, erleben andre in ihrer Kunst, Literatur, sozialen Arbeit oder sonstwie; man nennt es manchmal Wissenschaft, ein andermal Wahrheit. „Ich empfinde es immer als Härte, als Schönheit. Das ist der Kern des Lebens, das einzige, was Bestand hat." — In kräftiger Zusammenballung werden die beiden Kraftzentren Bladesover und Tono-Bungay gegenübergestellt; die traditionslose, protzige Geldaristokratie bezieht die verlassenen Stellungen des alten Adels, trägt aber auch den Wurm in sich. Keine der beiden Lebensordnungen wird angegriffen oder karikiert, beide sind da und naturgewachsen. Auf die Klarlegung der Problematik kommt es an, der Wächterruf gilt der Zeit überhaupt, die in Ziellosigkeit dahintreibt und nur zerstörend wirken muß, weil sie die sittlichen Kräfte nicht zu beherrschen weiß. Der pessimistische Ausblick gilt der Unlogik des Lebens. Der Dichter der utopischen Zukunftsordnungen sieht auch hier nur in logischer Zielsetzung die Rettung der Welt und ihrer Zivilisation. Die Gefahr einer nüchternen Thesenhaftigkeit ist in diesem Roman gebannt durch bewegtes Leben, echten Realismus, plastische Menschenzeichnung und Humor. Der Schwindelgeschäftsmann und seine Frau sind Figuren, an denen die Konturenkunst und der Humor eines Dickens mitgewirkt haben. Die Sprechart Ponderevos und seine leitmotivisch verwendete Gewohnheit, jede Rede mit einem Zischton — Zzzzz —• zu beschließen, sind Dickenssches Erbe, ebenso Frau Mackridges hyperfeine Lautverdrehungen. Die Menschen stehen wirklich in den Ideenkreisen der sozialen Organismen. Darum fesseln uns ihre Schicksale, hinter denen wir das erbarmungslose Spiel der determinierenden Wirklichkeit empfinden. Es sind freilich zeitgebundene Menschen, da die sie umklammernden Wirklichkeiten auch einer Zeit angehören. George Eliot hat den ewigen Kampf zwischen Liebe und Gesellschaftsordnung in eine größere Höhe der überpersönlichen Leidenschaften gehoben. Ein Evangelium sozialer Neugeburt steht hinter Wells' Schöpfungen; utopische Kritik ist überall sichtbar. Es ist kein Zufall, wenn der andre Meister der gesellschaftskritischen Dichtung, J o h n G a l s w o r t h y (1867—1933), neben dem Roman auch das Drama als Sprachrohr seines Abschieds von einer Epoche, die ihn selbst geformt hat, und des Aufbrechens einer neuen Welt gewählt hat. Seine Art ist mehr Schilderung als Zukunftsbild, mehr Studie als Kritik, in der Gesamtheit ein umfassendes Panorama der englischen bürgerlichen Welt mit schicksalhafter Verflechtung des Alten und des Neuen. Der eigene Umkreis von Wohlhabenheit und Würde, bester Gentleman-Erziehung, gesundem Landleben gab diesem Angehörigen des oberen Bürgertums andre geistige Gesetze, als sie Wells in seinem Aufstieg aus gedrückter Lebenslage emp-
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fangen hatte, vor allem die K u n s t eines „ I n n u e n d o " , eines Andeutens u n d Ahnenlassens, die neben der geschilderten Wirklichkeit eine zweite fühlbar werden läßt und damit über die bloße Analyse nach Wells' Art hinausgeht. Aus dem umfangreichen Schaffen des Dichters soll nur das Werk zur Verdeutlichung seiner künstlerischen A r t herangezogen werden, das seinen W e l t r u h m begründete und das man im Hinblick auf die Einblicke in den Volkscharakter geradezu eine A r t Nationalepos nennen darf, der Romanzyklus The Forsyte Saga (1906—1921). Eine Saga: wie die altisländischen Geschlechtergeschichten, v o n denen die Formbezeichnung entlehnt ist, das Leben einer mächtigen Sippe, das Leben ihrer Bauern und Fischer mit dem Denken und Fühlen einer bestimmten Zeit durchtränken und bei aller Zeitgebundenheit doch Urtümlich-Schicksalhaftes hindurchleuchten lassen, so entrollt sich hier das Panorama einer weitverzweigten Sippe, die aus solidem Bauernu n d Handwerkerblut zum Reichtum herangewachsen ist, in diesem N ä h r b o d e n die Gesetze f ü r äußere Lebensformen u n d sittliche Maßstäbe findet u n d die Spannungen ihres Volkstums erlebt. Der erste Roman, „ D e r Besitzer" {The Man of Property, 1906), der größte des Dichters, gibt die Grundlagen, viktorianisches Familiengefühl, Verpflichtung des Besitzes u n d der Respektabilität. „ W a s hülfe es dem Menschen, so er seine Seele gewönne und nähme doch Schaden an seinem Besitz?" sagt hier ein geistvoller Prediger auf der Kanzel in sarkastischer Kennzeichnung der Mittelklasse (I, Kap. 3). U n d ein etwas aus der A r t geschlagenes Mitglied der Familie, das sich selbst als das fehlende Bindeglied zwischen zwei Lebensanschauungen empfindet, bestätigt es: Wir sind natürlich alle Sklaven des Besitzes. Es gibt Gradunterschiede; was ich aber einen „Forsyte" nenne, ist ein Mensch, der mehr oder weniger ein Sklave des Besitzes ist. Er weiß allerlei, er weiß, was Sicherheit bietet, mag es sich um Gattinnen, Häuser, Geld oder Ansehen handeln; das ist sein Prägestempel. . . Diese Leute machen halb England aus, und zwar die bessere Hälfte, die gesicherte Hälfte, die dreihundertprozentige Hälfte, die maßgebende Hälfte. Ihr Reichtum und ihre Sicherheit machen alles möglich — eure Kunst, Literatur, Wissenschaft, sogar eure Religion. Wo wären wir wohl ohne Forsytes, die an alles das nicht glauben, aber alles zum Nutzen wenden? Mein lieber Herr, die Forsytes sind die Mittelsmänner, die Zwischenhändler, die Säulen der Gesellschaft, die Eckpfeiler der Konvention, alles Treffliche . . . Die große Mehrzahl der Baumeister, Maler oder Schriftsteller hat ebensowenig Grundsätze wie die andren Forsytes. Kunst, Literatur, Religion leben von den paar komischen Käuzen, die wirklich an so etwas glauben, und den vielen Forsytes, die geschäftliches Kapital daraus schlagen. Dreiviertel unsrer Kunstakademiker, schlecht gerechnet, sind Forsytes, sieben Achtel unsrer Romanschriftsteller, ein großer Teil der Presse. Für die Wissenschaft kann ich nicht mitreden; prachtvoll sind sie in der Religion vertreten, im Unterhaus vielleicht zahlreicher als anderswo, und der Adel spricht für sich selbst. Ich lache nicht! Es ist gefährlich, sich gegen die Menge zu stellen — und was für eine Menge! . . . Die meisten Leute würden eine Ehe wie die von Soames und Irene als ganz erfolgreich ansehen; er konnte Geld bieten und sie Schönheit, das gleicht sich aus. Kein Grund, nicht so weiterzuschlendern, selbst wenn sie sich haßten. Es würde nichts ausmachen, wenn sie ihre eigenen Wege gingen, solange nur die Schicklichkeit gewahrt bleibt — die Heiligkeit des Ehebundes und der Hausgemeinschaft. Die Hälfte aller Ehen in den höheren Kreisen beruht auf diesen Grundsätzen: nicht die Empfindlichkeit der Gesellschaft und der Kirche verletzen I Das zu vermeiden ist die Opferung der persönlichen Gefühle w e r t . . . Die Seele des Ganzen ist Besitz . . . Und dabei sind alle diese Menschen Gefolgsleute des Einen, der nichts hienieden besaß. Es ist seltsam! (II, 10). Die ältere Generation, zehn Geschwister im Alter v o n fünfundsechzig bis sechsundachtzig, zeigt den Forsyte-Geist in allen Schattierungen, v o n der gemütbetonten Gutmütigkeit des Seniors Jolyon, dem genießerischen Junggesellen Swithin, dem nüchtern-rechnenden James, dem knickrigen Rogers bis zu den peniblen alten Tanten. In der zweiten Generation, dem Alter zwischen Mitte zwanzig u n d Mitte
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sechzig, ist der jüngere Jolyon, ein Kunstmaler und Versicherungsgarant, durch Ausreißen aus der Ehe mit einer österreichischen Erzieherin schon aus der Reihe getanzt, und George steht mit witziger Selbstkritik oft abseits. Die vollendetste Verkörperung des Eigentumssinnes aber entfaltet sich in dieser Reihe: der Rechtsanwalt und Kunstsammler Soames Forsyte, ein Mann von Korrektheit, Vornehmheit und Geschmack, dem die in harter Werbung errungene schöne Gattin in gleicher Weise Besitz ist wie gesellschaftliche Stellung, Haus und Bilder. Da kommt der Feuerbrand in diese kompakte Majorität, diese gefühlsarme Welt des Reichtums, der schweren Gediegenheit und des Grundsatzes: was besteht, ist recht. Es ist der Verlobte der lieben jungen June, der Enkelin des alten Jolyon und Tochter seines Sohnes, des durchgebrannten Kunstmalers. Dieser Eindringling, der Architekt Philip Bosinney — den „Freibeuter" tauft man ihn bald an der „Forsyte-Börse" —, der es gewagt hat, Antrittsbesuche im grauen Schlapphut zu machen, der kein Geld, keinen Sinn für Steifheit und Form, aber ein starkes Gefühlsleben und echtes Künstlertum besitzt, kommt in nähere Berührung mit Soames' Gattin Irene, als der Rechtsanwalt ihn mit dem Bau eines prunkvollen Landhauses beauftragt. In der wachsenden Liebe zu ihm findet Irene die Erfüllung ihrer fraulichen Sehnsucht, die ihr der nur aus Verstand und Berechnung bestehende Gatte mit all seiner Korrektheit nicht bieten kann. „Wenn man ihn gefragt hätte, ob er auch ihre Seele als sein Eigentum ansehe, so wäre ihm die Frage lächerlich und sentimental vorgekommen" (I, 5). Erschüttert steht der „Besitzer" Soames schließlich am Grabe seiner Ehe, als er das Unfaßbare erfährt und die zu Bosinney geflohene Gattin daheim nicht mehr vorfindet. Einen aus unwürdiger Rache gegen den Räuber seines wertvollsten „Eigentums" wegen Überschreitung der ausgesetzten Bausumme angestrengten Prozeß gewinnt er zwar, aber der volle Sieg des Besitzes ist nicht gelungen: Bosinney wird auf dem Wege zur Gerichtsverhandlung im Londoner Nebel von einem Omnibus überfahren — die Erregung vor dem Urteil, das den wirtschaftlichen Ruin bedeuten kann, hat ihn unachtsam gemacht —, Irene kehrt still und flügellahm in das Haus des Gatten zurück, ein gebrochenes Opfer des Eigentumsgeistes, des Forsytismus. „Nachsommer eines Forsyte" (The Indian Summer of a Forsjte, 1918) ist das sich anschließende Zwischenspiel betitelt, ein Stück voll zarten Schwingens der Seelen und feinster lyrischer Stimmung. Blumen und Amselgesang, freundliche Juniabende, sinnendes Ausruhen im Sessel bei der gewohnten Zigarre und einem gelegentlichen guten Tropfen, Chopins Musik, liebe, heitere Enkelkinder und ein anhänglicher Hund umgeben das milde Alter des gütigen, gepflegten Greises Jolyon. E r hat von seinem Neffen Soames Robin Hill gekauft, die von Bosinney erbaute und geschmückte Villa, und die Familie des Sohnes nach völliger Aussöhnung mit ihm ins Haus genommen. Nur die kleinen Kinder aus des Sohnes zweiter Ehe sind gerade bei ihm, die Eltern selbst mit June auf Ferien in Spanien. Noch kann der Fünfundachtzigjährige mühelos und mit Interesse seine „Times" lesen; aber sobald ein Vogel singt, läßt er das Blatt sinken, wenn die Abendsonne noch wärmen kann, schiebt er den Hut in den Nacken, und wenn eine Wasserrose ihre Blüte entfaltet hat, muß er gehen, um es der kleinen Holly zu zeigen. Irene kommt zu ihm! Sie hat Soames' Haus endgültig verlassen, lebt in Chelsea ärmlich als Klavierlehrerin und leistet in ihrer Freizeit soziale Arbeit in einem Heim für gefallene Mädchen. Der Greis hat ein feines Empfinden für das, was in ihrem Innern vorgegangen ist und vorgeht. Sie wird sein häufiger Gast, auf seinen Wunsch Klavierlehrerin der kleinen Holly, ihr Besuch ist immer eine ersehnte Freude, er hat ihr ein bedeutendes Legat ausgesetzt. Als er Irene bei einem Opernbesuch mitteilt, daß der Sohn mit Gattin und Tochter heimkehrt, muß die Freundschaft des gütigen, verstehenden Alters und der nach Wärme verlangenden Jugend und Schönheit ein Ende nehmen. Irene kann June nicht vor die Augen treten; wenn die ver-
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lassene Braut auch verziehen hat, vergessen kann man nicht. Der alte Jolyon bestätigt kurz die Mitteilung ihres Entschlusses. Da fühlt sie, wie schwer der Abschied ihn getroffen hat, und eilt noch einmal nach Robin Hill — zu spät, denn er ist bei einem der Herzanfälle, die ihm seit einiger Zeit zu schaffen gemacht haben, eingeschlafen, eine Viertelstunde vor der ersehnten Ankunft, die ihm das offen daliegende Telegramm verheißen hatte, friedvoll beim Summen der Insekten, dem Girren der Tauben, dem Duft der Blumen, der Fülle des Sommers draußen und in der Brust. Nur der Hund Balthasar ist bei ihm und greint, als er die regungslosen Züge betrachtet. Die Distelwolle ist still wie der Tod, und so ist auch das Antlitz des Herrn. Sommer, Sommer, Sommer 1 Lautlose Tritte auf dem Grase 1 „In schwieriger Lage" (In Chancery, 1920) heißt der zweite Roman. Der Besitzergeist kennt keinen Stillstand. Durch Knospen und Kämpfen, Kälte und Wärme folgt er den Gesetzen des Fortschritts auch in der Familie Forsyte, die ihn für immer gefesselt glaubte. Er kann nicht von der Umwelt abgetrennt werden, so wenig wie die Güte der Kartoffel von ihrem Boden. — Der Geschichtschreiber der englischen achtziger Jahre kann bestenfalls den etwas raschen Fortschritt von einem selbstzufriedenen und engen Provinzialismus zu dem noch selbstzufriedeneren, aber weniger engen Imperialismus darstellen, mit andren Worten, den Besitzergeist der in Bewegung geratenen Nation. Und wie in der großen Welt ging es auch mit der Familie Forsyte. Sie dehnte sich nicht nur auf der Oberfläche, sondern innerlich (I, 1). So beginnt es, und mit dem Gefühl des Triumphes über wiedergewonnenes Eigentum entläßt uns am Schlüß der „Besitzer" beim ersten Blick auf sein Töchterchen. Dazwischen liegt der Zustand der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins, so wie sich der Boxer fühlen muß, wenn sein Kopf unter den Arm des Gegners gerät; dies Bild steckt in dem Titel („In Chancery"). Soames kann es nicht fassen, warum Irene ihn verlassen hat und warum Versuche der Wiedervereinigung, die er als Großmut empfindet, zurückgewiesen werden. Nach einem Sohn verlangt er; denn was ist Besitz ohne Sicherung in einem Erben? In dem Künstlerviertel Soho lernt er Annette kennen, die bildhübsche Tochter einer französischen Speisehausbesitzerin. Noch aber ist seine Ehe, zwölf Jahre nach der Trennung, nicht geschieden. Ein Scheidungsgrund ist schwer zu finden, da natürlich die Schuld nur bei der Frau und nicht bei dem Mann mit dem makellosen Ruf gesucht werden darf. Der inzwischen Witwer gewordene Maler Jolyon Foryste stellt sich schützend vor die einsame, tapfere Irene und heiratet sie, als die Scheidung endlich erfolgt ist. Nun kann auch Soames die kleine Französin, deren Restaurant er mit einer schönen Abfindung für die nach Frankreich zurückkehrende Mutter aufkauft, als neu errungenen Besitz heimfuhren. Ein neuer Triumph des Gegenspiels bleibt ihm aber nicht erspart: Irene schenkt ihrem Gatten einen Sohn, Annette, deren „Aufgabe" der Sohn sein sollte, eine Tochter. Um des erhofften Sohnes willen hat er sich auf die Frage des Arztes lieber für das lebende Kind als die Sicherung einer Rettung der Mutter entschieden. Eine Tochter zwar nur, aber doch neues Leben, neues Eigentum. „Ma petite fleurl" so redet die Mutter die Kleine an, und Soames nimmt dies als Namen auf: Fleur soll sie heißen 1 — Die Zeit hat sich gewandelt. Einer nach dem andern aus der alten Forsyte-Reihe geht dahin, Autodroschken — bis zu zwanzig Kilometer Geschwindigkeit die Stunde — verdrängen die würdigen alten Hansoms, die junge Generation, Val und Jolly, redet im zackigen Oxforder Studentenjargon von Sport, Mädeln und Geld, das nicht mehr stolzes Besitzergefühl verleiht, sondern nur zum Ausgeben da ist, Beschränkung der Kinderzahl ist neue „wirtschaftliche" Weisheit. Val Dartie, der Sohn der von ihrem Spielergatten verlassenen Schwester Soames', verliebt sich in Jolyons Tochter Holly, deren Bruder Jolly ihn durch das eigene Beispiel zum Eintritt in die in Südafrika kämpfende Armee veranlaßt. Denn der Burenkrieg überschattet alles, Soames' Sorge um rechtzeitigen Verkauf der Konsols ebenso wie die Meinungen und Schicksale der jungen Leute. Jolly
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stirbt in Südafrika am Typhus. Val kommt leicht verwundet heraus und kann seine als Krankenschwester mitgefahrene Holly heiraten. Das Leichenbegängnis der alten Königin bedeutet den Abschluß einer großen Epoche. Ein schöner Spätsommer des Lebens war das erste Zwischenspiel gewesen; „Erwachen" (Awakening, 1920) heißt das zweite, in dem der kleine Jon — so haben seine Eltern Jolyon und Irene den ererbten Vornamen für ihn verkürzt — in der Heiterkeit des Hauses und der Liebe der Nächsten zur Schönheit heranwächst, zu einem Reich, das von allen Forsytes bisher nur sein Vater kannte. Dann folgt in dem letzten Teil der Romantrilogie, „ Z u vermieten" ([ToLet, 1921), das Liebesepos in feindlichen Häusern unter einem Motto aus „Romeo und Julia". Jon und Fleur verlieben sich. Die Vergangenheit der Eltern erfahren sie erst spät. In das reine und tiefe Glück der Kinder fällt der Schatten. Soames kann die Tochter, die ihm alles bedeutet, für eine Verbindung mit dem Sohn, den Irene doch ihm hätte schenken sollen, nicht hergeben und bittet das feindliche Haus um Verzicht. Der sterbende Vater Jolyon erwartet von dem Sohn Rücksicht auf die Mutter. Irenes Größe und echte Mutterliebe will selbst zurücktreten und Jon den Weg des Herzens gehen lassen. Er aber bleibt bei der Mutter und entsagt dem eigenen Liebesglück. Eine längere Auslandsreise soll die Wunde heilen helfen. Fleur heiratet den ungeliebten, aber aussichtsreichen Sohn eines Baronets, den jungen Verleger Michael Mont. Soames überschaut ein Leben des Erfolgs, aber der inneren Leere. Die alten Forsytes sind gestorben, Irene war nie gewonnen, Fleur ist auf der Hochzeitsreise in Spanien. Es herrscht Stille um ihn her, und an der Gartentür der Villa Robin Hill, die einmal das Symbol seines Eigentumstriumphes sein sollte, hängt das Schild „ Z u vermieten". „ S o hat er sie immer nur ersehnen und niemals erlangen können — die Schönheit und die Liebe in der Weltl" — Das ist der Abriß dieser „Saga", ein Familienschicksal, sichtbar gemacht in dem Lichtkegel der Jahre um 1886, den Burenkrieg und die Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg, breite Ausdeutung gesellschaftlicher Lagen, in denen die Leidenschaften der Menschen leben oder ersticken. Nicht die äußeren Neuordnungen der Gesellschaft, die Wells uns darstellt, sind hier das Thema, sondern die inneren Formen, der Geist. Diese Kampfansage einer neuen Generation ist die wirksamste, weil sie aus der Tiefe des Menschlichen kommt. Eine deterministische Verflechtung von Umwelt und Leidenschaften bestimmt die Schicksale, der Typus steht hinter dem einzelnen, an ihm gelangt er zum Erfolg oder zur Tragik. Selbst eine ganz in Unschuld und Schönheit wachsende Liebe wie die zwischen Jon und Fleur zerbricht an der seelischen Erbschaft, die sie aus ihren Familien mitbringen. Immer geht es um den Kollektivgeist, den „Forsytismus", der neben sich keine andre Weltanschauung duldet und der im Aufkommen neuer politischer, sozialer, künstlerischer und religiöser Ideale erst langsam zerbröckeln muß; die alte Bourgeoisie als Lebensanschauung, so gediegen sie an sich war, muß abtreten vor einem neuen, noch unbegreiflichen Ge schlecht. In diesen mit fast naturwissenschaftlicher Treue ausgedeuteten Kausalzusammenhang sind die Menschen eingebettet, reich individualisierte Vertreter des Typus oder Gegentypus; als einzelne ohne Schuld ihr Wesen und Schicksal erfüllend, mit so großartiger Unparteilichkeit geschildert, daß wir auch die unsympathischen eher bemitleiden als verurteilen. So wird das Mitleid mit den Opfern der Dinge und Vorurteile das leitende Gefühl. Typenseelen leben in den Einzelseelen, und das Ergebnis ist das verdiente Ende, die leergewordene Schale, ein „ Z u vermieten". Nur die Vernunftehe Fleurs, die bei allem Zauber ihres Wesens doch eine Tochter Soames', eine „Habensnatur" ist, weist nach vorne, und damit ist der Keim für weitere Ereignisse gelegt, die der Dichter in einem zweiten Romanzyklus mit dem Titel „Eine moderne Komödie" ( A Modern Comedy, 1924—1929) — wiederum drei Romane mit zwei Zwischenspielen — folgen ließ: Fleurs Ehe, die kein Seelenbund ist, an der Seite
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des lebenstüchtigen, rastlos schaffenden Mannes, Soames' Lebensabend in dem einzigen gebliebenen Besit2, seiner Tochter und seiner Gemäldesammlung, sein Tod als Folge eines Brandes der Kunstsammlung und damit der Abschluß der Epoche des „Forsytismus". Der zielklare Michael Mont allein sichert den Fortbestand, britischer Tatsachensinn und britische Willenskraft werden auch den Pessimismus der aus dem Gleichgewicht geworfenen Jüngsten überwinden. Galsworthy will ethisch wirken und lebt damit voll in der literarischen Haltung seines Volkes — Dichtung als Lebenskritik im Sinne Matthew Arnolds. Die das Gesamtwerk durchziehende Hauptgestalt, Soames Forsyte, wächst in sorgsamstem Aufbau trotz abstoßender Grundanlage zu einer versöhnenden Größe heran. Soames lehnt die neue Jugend, die keine „Kontinuität" hat, und die ziellose Unruhe der Nachkriegswelt ab und muß in seiner „Statik" dieser neuen Zeit als sentimental vorkommen, wie es dem Dichter selbst ergangen ist. Die Stellungnahme des zurückhaltenden Gesellschaftskritikers ist unverkennbar, er weicht ihr nicht in kalter Objektivität aus. Nur darf man nicht eine nackte These erwarten, für die das Dichtwerk die Plattform abgibt, wie es etwa Bernard Shaw will; dazu sind die Erscheinungsformen der Welt zu kompliziert, unsre Meinungen zu befangen. Die „photographische Treue", zu der Galsworthy sich bekennt, erfordert Kleinmalerei ebenso wie Einfühlung in kosmische Allverbundenheit, Natur und Umgebung als Seelenabbild der Menschen, und da kann es kein einfaches Richtig oder Falsch geben, da steht der Realismus des Sagbaren neben der durchschimmernden Welt des Unsagbaren, des in Gesten und Worten oder im Schweigen Verhüllten, die Konstanz der ewigen Natur, der „Erde", wie Meredith sagen würde. Das Leben ist nun einmal so, und wir haben es zu leben. Das ist feinste psychologische Kunst, und das legt eine sinnende Kontemplation als Stimmungselement über das Ganze, ein Gefühl der Unabänderlichkeit, nicht in ausgeführten Betrachtungen, sondern fühlbar in den Gesprächen und Gefühlsreaktionen. Der Stil ist biegsam und feinnervig, die Sprachhaltung der Generationen und Gesellschaftskreise zeigt bei aller vornehmen Zurückhaltung starke Individualisierung, der Neben- oder Hintersinn ist ebenso wichtig wie der dingliche Ausdruck. Das alles ist die Eigenart und Meisterschaft dieser ausschöpfenden Kunst, der man unrecht tut, wenn man in ihr nur das große kulturgeschichtliche Zeitbild sucht. Wer die scheinbar so leichten Tischgespräche bei Junes Abendgesellschaft („Der Besitzer", II, 2) mit ihrer seelischen Hintergründigkeit oder die Haltung der Gäste auf Rogers Hausball (II, 8) zu gestalten, wer das feine Schwingen der Seelen in der wunderbaren Zartheit des Nachsommer-Zwischenspiels vernehmbar zu machen und den Sommernachtszauber über die Liebe Jons und Fleurs auszugießen verstand, gehört in die Reihe der wahren Dichter. 3. Das P r o b l e m d r a m a : J o h n G a l s w o r t h y und B e r n a r d Shaw Das Schicksal des Bühnendramas im Lande Shakespeares ist eine der eigenartigsten Erscheinungen nicht nur der literarischen, sondern auch der gesellschaftlichen Entwicklung. Der rasche und gewaltige Aufstieg des Volksdramas der Renaissance, der in dem größten Dramatiker einen die Zeiten und Räume überragenden Gipfel erreichte und in einer großen Zahl starker Talente zu einem breiten Strom der Volksunterhaltung und Volksbelehrung wurde, fand ein jähes Ende, als das Parlament im Jahre 1642 mit der Schließung der Bühnenhäuser den Sieg des puritanischen Widerstandes besiegelte. Das Drama erhob sich zwar in der Sittenkomödie der Restaurationszeit unter den späteren Stuarts wieder zu einem bedeutenden Rang, aber jetzt vor einem neuen Publikum, nicht mehr das Volk in seiner Masse angehend, nach Gegenstand und Form als französischer Import. Im 18. Jahrhundert herrschte das „Rührstück", die Komödie mit sentimentalem Inhalt und einem den primitiven bürgerlichen Geschmack befriedigenden versöhnlichem Ausgang, bis die einzigen
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Dramatiker von Rang, Oliver Goldsmith und Richard Brinsley Sheridan, mit echten Lustspielen dieser Zwittergattung ein Ziel setzten. Sie lebte zwar im 19. Jahrhundert als Melodrama auf der Bühne weiter, also als Spiel mit Musikeinlagen, das dem Gattungsnamen dann die Bedeutung eines flachen, rührseligen Sensations- und Schaustücks mit Spekulation auf das populäre Unterhaltungsbedürfnis eintrug, aber überwiegend als wertlose Theaterschriftstellerei ohne künstlerische Bedeutung. Die Werke der Großen wie Shelley, Tennyson, Browning, Swinburne, John Davidson, Hardy, Robert Bridges waren Lesedramen oder wegen des Mangels an Theatertechnik Stücke von nur vorübergehendem Bühnenerfolg. E s ist bezeichnend, daß ein Byron, der viele Dramen geschrieben hat, gegen eine Aufführung protestierte. Das Drama stand immer außerhalb der eigentlichen Literatur, wie schon die Unterscheidung des „Stückeschreibers" (playwright) vom „Dichter" (poet) zu erkennen gibt. Selbst ein Shakespeare legte Wert darauf, sich durch echte „Dichtungen" epischer und lyrischer Art auszuweisen. Schillers Auffassung von der Schaubühne als einer moralischen Anstalt ist dem Durchschnittsengländer immer fremd geblieben, der puritanische Geist, der Erhebung und Läuterung in der Kirche sucht, hat an eine hohe Mission der Bühne nicht recht glauben können. Schaulust und Sensationsbedürfnis waren immer da, und die Schauspielkunst hat seit mehr als zwei Jahrhunderten bedeutende Namen aufzuweisen; das Theater selbst aber war ein geschäftliches Unternehmen wie andre Schaustellungen. Der große Wendepunkt liegt um 1890 herum. Bedeutende Kritiker hatten schon vorher nach einer Erneuerung des ernsten Dramas gerufen, ein Gastspiel der Comédie Française im Londoner Gaiety-Theater das Interesse mächtig angeregt, tüchtige Bühnenleiter sich um eine eigenständige Kunst gegenüber dem ungehemmten Einstrom umgearbeiteter französischer Stücke bemüht, der die Verflachung vollkommen gemacht hatte, als 1843 das Privileg der drei allein zugelassenen Bühnen aufgehoben und der Bedarf an Bühnenwerken bedeutend gesteigert wurde. Eine wirkliche Bühnenreform und mit ihr eine Wiedereinsetzung des Dramas in seine alten literarischen Rechte setzten aber erst ein, als das realistische Problemdrama der Skandinavier, insbesondere das gesellschaftskritische Drama Ibsens, seinen Einfluß gerade in einer Zeit ausüben konnte, in der auf allen Gebieten die Fragen des Daseins, der moralischen Werte und der Lebensordnung so stark aufgewühlt waren und in der die düstere Weltschau des Norwegers der skeptischen Lebensphilosophie so vieler geistiger Führer entgegenkam. Edmund Gosse trat für Ibsen ein, der Theaterkritiker William Archer übersetzte zahlreiche seiner Dramen und veranstaltete eine Gesamtausgabe, Bernard Shaw spielte ihn in seiner „Quintessenz des Ibsenismus" gegen Shakespeare als moralischen Lehrer aus. Zwar ist Ibsen auf der englischen Bühne nie so heimisch geworden wie auf der deutschen; die Renaissance des englischen Dramas und Theaters aber geht auf seinen Einfluß zurück. Sein Realismus, seine unpersönliche Objektivität in der Aufzeigung der Konflikte des modernen Lebens hatten dem Suchen nach neuen Grundlagen und Maßstäben etwas zu geben. An zwei typischen Werken soll die Haltung des neuen Problemdramas verdeutlicht werden. Das eine, Galsworthys „ K a m p f " , ist kennzeichnend für die unpersönliche Objektivität in der Aufzeigung der polaren Lebenskräfte mit entsagendem Ausweichen vor der Realität, das andre, Shaws „Heilige Johanna", eine neurealistische, nüchterne Zerreißung des romantisch-geschichtlichen Schleiers, ein Thesenwerk gegen Lügenidealisierung. J o h n G a l s w o r t h y hat neben seinen Romanen ein umfangreiches dramatisches Werk hinterlassen, siebenundzwanzig Bühnenstücke, gedrängte Wirklichkeitsabbilder, gesellschaftskritisch wie die Romane. In einem Essay sagt er uns, worin er seine Aufgabe sieht:
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Ein Drama muß so gebaut sein, daß sein Sinn in einer Spitze ausläuft. Jeder Lebensund Charaktergruppierung wohnt eine Moral inne, und es ist die Aufgabe des Dramatikers, die Gruppierung so zu gestalten, daß die Moral scharf in das Tageslicht rückt. Von dieser Art ist die Moral, die von Stücken wie „Lear", „Hamlet" und „Macbeth" ausstrahlt. Drei Wege stehen, so heißt es weiter, dem Dramatiker offen: er kann populäre und allgemein angenommene Anschauungen gestalten; er kann seine eigenen Anschauungen gestalten, um so wirkungsvoller, je mehr sie den Erwartungen des Publikums zuwiderlaufen; er kann seinem Publikum vorsetzen keine fertigen Regeln, sondern die Phänomene des Lebens und Charakters, ausgewählt und zusammengefügt, aber nicht verzerrt durch den Standpunkt des Dichters, sondern furchtlos, unparteiisch, vorurteilslos dargestellt, so daß die Zuschauer das Stück Moral selbst ableiten, das die Natur erlaubt. . . Die dichterische Freiheit findet ihre Grenze an seinem Vorhaben. Nur in der Konzeption ist der Dramatiker frei. Er kann sich einen Charakter oder eine Charaktergruppe wählen, mit seinen Augen sehen, mit einer Idee verknüpfen, je nach Temperament; aber wenn die Charaktere einmal so gewählt, gesehen und verknüpft sind, ist er gezwungen, sie ritterlich und mit peinlichster Rücksicht auf ihre Haupttriebfedern zu behandeln. Sorge für den Charakter I Handlung und Dialog sorgen dann schon selbst für sich. Diesen dritten Weg schreibt Galsworthy sich vor. Er will Situationen hinstellen, Ursituationen, gegensätzliche Typen und Gruppen, die allein durch ihre Existenz eine Moral versinnlichen. Das dreiaktige Drama Kampf (Strife, 1909) nimmt als Ursituation den durch Lohnforderungen verursachten Ausstand der Arbeiter in einem walisischen Zinnplattenwerk. Den ganzen Winter über ist der Streik schon im Gange, die Gewerkschaft zahlt keine Unterstützungen mehr, es sieht traurig aus in den Arbeiterhäusern. Der Aufsichtsrat unter dem Vorsitz des alten John Anthony hat jede Lohnerhöhung abgelehnt. Man ist zwar geteilter Meinung über die Richtigkeit einer solchen Unnachgiebigkeit, der Produktionsausfall hat die Dividenden hinweggefegt, die Konkurrenz gewinnt Vorsprung, Ferienreisen müssen aufgeschoben werden, es gibt kein ruhiges und bequemes Leben mehr; der alte Anthony aber will von einem Nachgeben nichts wissen und schneidet alle Andeutungen kurz ab. Jetzt, im Februar, soll den Vertretern der Arbeiter auf ihr Ansuchen eine neue Unterredung gewährt werden, zu der auch Harness als Vertreter der Gewerkschaft erschienen ist. Er will Mittelsmann sein, die Arbeiter zu einer Herabsetzung ihrer Forderungen bestimmen und auch den Verwaltungsrat für ein Nachgeben gewinnen. Die Herren wären wohl bereit, verstummen aber auf das bestimmte „Nein!" des wortkargen, unbeweglichen Vorsitzenden. Die Arbeiterdelegierten erscheinen mit ihrem Führer, dem hohlwangigen, ärmlich gekleideten, ein wenig gebeugten, aber energiegeladenen David Roberts. In beiden Verhandlungsgruppen regen sich Stimmen für ein Kompromiß. Roberts und Anthony aber bleiben starr, der eine bei seinem „Recht", der andre bei der Ablehnung. So geht man unverrichteter Dinge auseinander. Auch Anthonys Tochter Enid, die Gattin des Werkdirektors Underwood, vermag den Vater nicht umzustimmen, weder durch die Schilderung der Not bei den Arbeitern noch durch den Hinweis auf seine eigene Gesundheit, die Ruhe und Schonung verlange. — In Roberts' ärmlichem Haushalt sieht es schlimm aus; kein Geld, kein Brennstoff, nur ein dünnes Süppchen auf dem Herd, die Frau krank und schwach, abgehärmte und klagende Nachbarinnen um sie. Nur Madge, die halsstarrige Tochter des alten Arbeiters Thomas, will von Not und Elend nicht reden hören. Enid Underwood besucht Frau Roberts, die früher ihr Dienstmädchen war, um irgendwie zu helfen. Als Roberts dazu kommt, versucht sie den Vater in Schutz zu nehmen, erkennt aber die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen. — Eine weitere Szene zeigt die Versammlung der Arbeiter auf dem Fabrikhof. 33 Die Stimmen der Meister
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Der Gewerkschaftsvertreter Harness hat eben eine Herabsetzung der Lohnforderungen empfohlen. Die meisten Arbeiter sind dazu bereit. D a tritt Roberts auf das Podium zu einer feurigen Ansprache über Kapital und Ausbeutung. Fast hat er gewonnen, als er abberufen wird: seine Frau stirbt, nein, sie ist bereits t o t ! — Der Aufsichtsrat erwartet nochmals die Arbeiterdeputation; so war es verabredet, inzwischen sollte Harness zu den Leuten sprechen. Anthonys Kinder Edgar, der selbst zu dem Rat gehört, und E n i d reden auf den Vater ein, jetzt, nachdem der Streik ein Todesopfer gefordert hat. D e r Alte gibt gern eine Unterstützung; aber nachgeben kann er nicht! Man muß es in der harten Einsilbigkeit der englischen Worte hören: I have had to do with "men" for fifty years; I've always stood up to them; I have never been beaten yet. . . There is only one way of treating "men"—with theiron hand. This half-and-half business, the half-and-half manners of this generation has brought all this upon us. Sentiment and softness, and what this young man, no doubt, would call his social policy. You can't eat cake and have it! This middle-class sentiment, or socialism, or whatever it may be, is rotten. Masters are masters, men are men! Yield one demand, and they will make it six. They are like Oliver Twist, asking for more. If I were in their place, I should be the same. But I am not in their place. (Ill, 3)
Fünfzig Jahre habe ich mit den „Leuten" zu tun gehabt, habe ihnen immer gegenübergestanden und bin noch nie geschlagen worden . . . Es gibt nur ein Mittel, die ,,Leute" zu behandeln, die eiserne Hand. Die Halbheiten der heutigen Generation haben uns dies alles eingetragen, Gefühl und Weichheit und das, was dieser junge Mann hier sicherlich seine Sozialpolitik nennen wird. Man kann den Kuchen nicht zugleich essen und haben! Dies Mittelklassengefühl, der Sozialismus oder wie man dergleichen nennen mag, ist faul. Die Herren sind die Herren, und die Leute sind die Leute. Gebt nur einer Forderung nach, und sie stellen sechs neue. Sie sind wie Oliver Twist und verlangen immer mehr. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich ebenso sein wie sie Aber ich bin nicht an ihrer Stelle.
E i n Kompromißvorschlag der Arbeiter ist ohne Roberts beschlossen worden, nachdem dieser zu seiner toten Frau gerufen war. Der Aufsichtsrat überstimmt seinen Vorsitzenden und nimmt den Vorschlag an, Harness kann triumphierend das Ende des Streiks verkünden. Die beiden besiegten Kämpfer stehen sich ein paar Minuten stumm gegenüber. Anthony, der sich nur mühsam aufrecht halten kann, hebt die Hand wie zum Gruß und läßt sie fallen; Roberts' Blick wandelt sich aus Feindseligkeit zur Bewunderung, beide Männer verneigen sich in gegenseitiger Hochachtung. Dann geht der gebrochene Alte hinaus, gestützt auf seine Kinder. „ U n d warum das alles?" fragt einer der Direktoren. „ D i e s e Bedingungen hatte man doch schon v o r Monaten formuliert." D e r Gewerkschaftsmann erwidert bitter: „ D a s ist eben der Spaß bei der Sache!" — Hier haben wir jene Lebens- und Charaktergruppierung, nicht mehr ringende Individuen, sondern moderne Gruppenseelen, Kapital und Arbeiterschaft, wirtschaftliche Gegebenheiten, in denen die einzelnen verklammert sind; die Gruppenseelen abgestuft je nach Verstand und Temperament, aber doch an ihre Massenform gebunden. In dem Brief an eine Zeitschrift sagte der Dichter einmal, er habe mit seinem Drama nicht eine industrielle Lage schildern wollen, sondern den Konflikt zweier halsstarriger Naturen und ihre übliche Tragödie, ihre Vernichtung. Will er damit die der Charaktergruppierung innewohnende Moral andeuten? Sie wird nicht ausgesprochen; jeder kann sie so mitnehmen, wie er sie herausfühlt. Gegeben sind die Verhältnisse und die Menschen; alles andre folgt mit unerbittlicher L o g i k aus ihnen, Handlungen sowie Dialog und Sprechart, die mit großer realistischer Unterscheidungskunst behandelt werden. Die „Standpunkte" sollen erklärt werden; der Dichter selbst wahrt Abstand und Objektivität, die man fast als kühl empfindet, die aber, anstatt bequem eine Lehre
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darzubieten, zum Mit- und Nachdenken aufrütteln. Eine entgötterte moderne Welt wird in der Gedrängtheit einer einmaligen, aber typischen Situation und in scharf umrissenen Charakteren enthüllt, wirklichkeitstreu, unabänderlich für die Sterblichen, ohne gefühlsmäßige Entscheidung für Recht oder Unrecht: die Antithetik des Lebens! Ähnlich sind alle Bühnenwerke dieses Dichters. Die poesiegeborene Hinaufhebung aus der Realität in einen höheren Sinn des Symbols, die die Romane auszeichnet, suchen wir hier vergeblich. Die Welt, wie sie nun einmal ist, beschäftigt diesen Humanismus des Verstehens und Mitleidens; die Welt, wie sie sein sollte, ist der Gegenstand des kämpf- und reformfreudigen B e r n a r d S h a w (1856—1950). Das Problemstück wird zum Thesendrama, das nicht bloß abzeichnen und deuten, sondern ändern und bessern will. Der alte puritanische Eiferersinn hatte das Bühnendrama einmal bekämpft; hier tut er Klügeres: er macht es seinen Zwecken dienstbar. Der Statik der Menschen Galsworthys steht bei Shaw die Dynamik der Neuerungssucht gegenüber, dem normalen englischen Durchschnittsmenschen sein Widerspiel, dem Herkömmlichen das Neue, dem Stillstand der Fortschritt. Das erscheint aber nicht als feste und geformte Lebenslehre, sondern als Komödie, mit Spott über die scharf erkannten Ungereimtheiten der menschlichen Natur, in der Form des Paradoxons, das mit seinem schlagfertigen Witz vor keinem überlieferten Wert des Lebens oder der Geschichte halt macht, das dem geistvollen Sprecher etwas sagt, dem Hörer aber nicht die Ruhe des nachdenkenden Verstehens in seiner raschen Zusammenfassung läßt; so etwa, wenn der Dichter von sich selbst sagt: „Ich bin ein typischer Ire, meine Familie stammt aus Yorkshire." Das brachte ihn vielfach in den Ruf eines Witzboldes, der nur niederreißt, um niederzureißen, der nur negativ geschichtliche und moderne Größen entthront. Wie umwälzend aber sein neues Thesendrama war, fühlt man nur, wenn man den Tiefstand des früheren englischen Theaters kennt. Er wird der „Maskenabreißer" der vorurteilsreichen Viktoriazeit, der Antiromantiker, der Tendenzdichter, der die Bühne als Sprachrohr für seine Ideen benutzt und keine Kunst um der Kunst willen schaffen will. Die in geistvoller Dialektik geschriebenen langen Vorreden, bisweilen länger als das Stück selbst, sind der wichtigere Teil der Lehre, die Dramen selbst mit ihrem karikierenden Dialog nur Beispiel und andre Form des Vortrags. Die negativ-rationalistische Haltung der ersten Werke weicht bald nach der Jahrhundertwende der positiveren Überzeugung von der „Lebenskraft", dem Lebenswillen, in dem der biologische Entwicklungsgedanke, Schopenhauers Willensphilosophie, die damals aufgekommene Eugenik und der puritanische Aktivismus zusammenfließen. Die Kräfte des Willens tragen das Leben; nicht das Glück ist Ziel alles Strebens, sondern die aus der Lebenskraft geborene Tat, die stufenweise Annäherung an den Übermenschen — nicht eine Auslesegestalt, sondern die kommende Hochform des Menschen überhaupt —, dem der eigene Wille zum sittlichen Maß der Dinge wird. So wird die Lebenskraft göttliches Prinzip für alle Höherentwicklung, wird Gott selbst der schöpferische Wille, „den Jesus den Vater im Himmel nannte, den wir Evolution, élan vital, Lebenskraft oder sonstwie nennen" („Mensch und Übermensch"). Der gesellschaftskritische Propagandist begann mit Abhandlungen und Romanen und fand erst allmählich den seiner witzig-spielerischen Art gemäßeren Weg zur Bühne, die ihm nur eine andre Form der Abhandlung ist, mit Ablehnung der überlieferten Regeln des Dramas. Der sprühende Dialog und in ihm die Idee stehen demgemäß im Mittelpunkt, nicht die Handlung oder der Charakter, der immer — auch als berühmte geschichtliche Gestalt — ein Alltagsmensch ist. Die Spiele sind Lebenskritiken, bei denen wir mit dem Autor lachen, die große Weltwahrheit macht die Poesie aus. „Ich spreche die Wahrheit aus, das ist der beste Witz der Welt", sagt eine der Dramenfiguren. 33*
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Können Thesen- und Tendenzwerke dieser Art als dramatische Kunstwerke im üblichen Sinne gelten? Die Frage ist oft, aber doch gegenüber einer ganz neuen Form des Theaters falsch gestellt worden. Was der Dichter meint, soll an einem der berühmtesten, der echten Tragödie am nächsten kommenden Werk aufgezeigt werden, der Heiligen Johanna (Saint Joan, 1923). 1. Szene. Wir sind im Jahre 1429 im Schloß Vaucouleurs an der Maas. Der Schloßherr und Feldhauptmann de Baudricourt ist aufgebracht über seinen Verwalter, der ihm die gewohnten Eier nicht auf den Tisch bringen kann. Seitdem das Mädchen aus dem lothringischen Dorf auf dem Hofe ist, wo es ein Pferd und eine Soldatenrüstung haben will, sind Hühner und Kühe behext, Eier und Milch bleiben aus. Nach fruchtlosem Poltern läßt sich der Ritter herab, das Mädchen anzuhören, für das sich einer seiner Offiziere einsetzt. In harmloser Keckheit bringt sie ihre Bitte vor; sie will das belagerte Orléans befreien und den Dauphin in Reims krönen lassen. Gegenüber einer so entwaffnenden Naivität und der Fürsprache des Offiziers, der von der Mutter Gottes spricht, wird der rauhbeinige Schloßherr unsicher. E r gewährt die kriegerische Ausrüstung, Johanna macht sich beglückt auf den Weg nach Orléans, und siehe da — die Kühe geben wieder Milch, die Hühner legen „wie verrückt". Sie kommt also doch von Gotti 2. S z en e. Im Thronsaal von Chinon warten die Großen des Landes auf den Dauphin, respektlos und unwillig, daß er sie warten läßt. Der alte Haudegen La Hire erzählt von der Ankunft des Mädchens, nein, eines Engels im Soldatenkleid. Da tritt der König Karl VII. ein — als Dauphin bezeichnet, weil er noch nicht gekrönt ist —, unmännlich und unköniglich, Gegenstand des Spotts, der Nichtachtung und schroffen Zurechtweisung. Ein Brief hat ihn von Johannas Ankunft in Kenntnis gesetzt, einer Heiligen nach Baudricourts Worten, die Wunder tun könne. Der Erzbischof von Reims widerspricht: eine Heilige? Unmöglich, denn Heilige werden nur von der Kirche geschaffen. Wunder? Die gibt es für die hohen Führer der Kirche nicht, die doch etwas davon verstehen; Wunder sind unschuldige und einfache Kunstmittel der Priester, um den Glauben zu stärken. Es wäre für den Erzbischof kein Wunder, wenn das Mädchen den Dauphin aus der Schar der Höflinge herausfindet, da er ja weiß, wie es gemacht wird. Für die andern aber ist es ein Wunder, das sie erschauern läßt, und für das Mädchen erst recht. Es regt sich ein neuer Geist in den Menschen, eine neue Epoche dämmert. Der Kirchenfürst muß auf der Hut sein; wäre er ein einfacher Mönch, so würde er lieber bei Aristoteles und Pythagoras Ruhe des Geistes suchen. Johanna erkennt den in der Menge der Höflinge untergetauchten Dauphin sofort. Der Erzbischof — der alte Fuchs wird er genannt — erwidert ihre verehrungsvolle Begrüßung mit einer vorahnenden Bemerkung: „Mein Kind, du liebst die Religion? . . . Das ist gefährlich." Ein „magnetisches Feld" geht von ihr aus, dem sich niemand ganz entziehen kann, auch nicht der Dauphin, dessen feiges Herz sich irgendwie von Größe und Reinheit angerührt fühlt. Zum unwilligen Erstaunen des Hofes überträgt er Johanna den Oberbefehl. Sie beugt dankerfüllt ihre Knie zum Gebet und kann nun ihr Werk beginnen. 3. Szene. Am Südufer der Loire bei Orléans wartet Dunois, der General, ungeduldig auf den Westwind, der seine Boote flußaufwärts an die Brücke tragen soll. Zu ihm kommt Johanna und verlangt unwillig den sofortigen Angriff. Alle Vorstellungen des erfahrenen Heerführers, dem ihre Verachtung der Gefahren imponiert, wehrt sie ab: lange genug habe sie gebetet, jetzt gebiete Gott zu handeln. Zuerst widerstrebend gibt Dunois nach, bald aber begeistert und nicht mehr zweifelnd, denn der Wind hat sich plötzlich gedreht! 4. Szene. Von dem eigentlichen Kriegsgeschehen — Orléans ist gefallen, das französische Heer in siegreichem Vormarsch — hören wir nur ganz beiläufig. Da-
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gegen werden die großen weltanschaulichen Kraftzentren enthüllt, um die die Schicksale kreisen, die Gegenspieler des Mädchens von Orléans. Das Ärgernis muß aus der Welt geschafft werden; darin sind sich die beiden Mächte, die katholische Kirche und die englische Diplomatie, völlig einig, so verschieden auch die mit größter dramatischer Wucht ausgespielten Motive sein mögen. Der weltmännisch überlegene, außerhalb aller moralischen Bindungen stehende, zynische Graf Warwick kennt nichts von den kleinlichen Haß- und Angstgefühlen seines Begleiters, des Kaplans Stogumber, in dessen Stockengländertum der Dichter eine Zielscheibe für die Pfeile seines Witzes erblickt. Warwick selbst ist kein Nationaltyp; seine lässig-kalte, ja grausame Höflichkeit, seine seelenlose Korrektheit, der alles Innerliche völlig gleichgültig ist, die auch in dem König nur den „primus inter pares", nicht aber einen Höheren sieht, machen ihn zum Vertreter des internationalen Feudalsystems, das den Boden sehr wohl kennt, auf dem es steht. Stogumbers Gründe gegen Johanna sind kleinlich und borniert : sie müsse mit dem Teufel im Bunde sein, denn wenn Engländer geschlagen werden, könne es nicht mit rechten Dingen zugehen; sie habe es gewagt, sogar den großen Talbot gefangenzunehmen; sie achte nicht die heiligen Gefühle und den Vorrang der Engländer, sie achte auch nicht den Papst; sie entwürdige sich durch Soldatenkleidung. Nationalgefühl? Franzosen? Neumodische Worte ohne Sinn für das, was man Burgunder, Lothringer, Pikarden, Gascogner nennt. So meinen die beiden Großen, der Graf und der Bischof. Die Leute sprechen, sagt Warwick, von Frankreich oder England als i h r e n Ländern; wo bleiben wir da, die Feudalherren und die Kirche? Auch Bischof Cauchon weiß, worum es geht. Sie soll des Teufels sein, eine Hexe? Keineswegs; der Fürst der Finsternis schlägt, wenn er zupacken will, nicht den harmlosen einzelnen, sondern die allgemeine Kirche, deren Reich die ganze geistige Welt ist. Dagegen muß die Kirche auf der Hut sein. Das Mädchen ist eines der Werkzeuge des Teufels, sie ist nicht Hexe, sondern Ketzerin. Es beruft sich auf himmlische Stimmen und niemals auf die Kirche; wenn aber der Himmel sprechen will, so tut er es nur durch die Kirche. Wohin sollte man kommen, wenn der einzelne seine Gebote unmittelbar vom Himmel empfangen wollte ! Aufstand des Individuums ! Vom Standpunkt des Kirchenfürsten Auflehnung gegen die alleinige Mittlerstellung der Kirche, vom Standpunkt des Aristokraten Auflehnung eines neuen, alle Stände einer Volksgemeinschaft umfassenden Nationalgefühls im Gegensatz zu der querschnittartig durch die Völker gezogenen ständischen Ordnung. Protestantismus nennt es der eine, Nationalismus der andre. Das Ergebnis ist das gleiche: Austreten eines so gefährlichen Funkens. Den beiden klugen Verhandlungspartnern kommt es nur auf das Prinzip an, nicht auf die Bestrafung kleinlicher Verstöße. Der feste Grund, auf dem die beiden Mächte der mittelalterlichen Lebensordnung ruhen — Kirche und Feudalstaat — wird in wuchtiger Klarheit herausgearbeitet. Eine neue Welt ist im Anzug, die die geistige Freiheit des einzelnen und die nationale Gemeinschaft aller Glieder eines Volkes will. Hiergegen geht der Kampf der Großen, in dem die gefühlsmäßige Verbohrtheit der Kleinen nur erwünschte Hilfsstellung bieten kann. 5. Szene. In der Kathedrale von Reims, wo die Königskrönung soeben stattgefunden hat. Frankreich steht siegreich da; um die Wenderin des Schicksals aber wird es still und einsam, die Männer um sie herum, denen der tiefe Glaube an die gottgesandte Botin fehlt, wenden sich von ihr ab, selbst Dunois, der ihr menschlich zugetan, aber ein auf eigenen Kriegsruhm bedachter Praktiker ist und zu dem Geistigen, dem Genie, keinen Weg kennt. Nur der ehrliche Haudegen La Hire hält in schlichter Soldatentreue zu ihr. Verächtlich und kindisch der König, durch die vorwärtsdrängende Energie seiner Retterin, die ihm einmal durch magnetischen Einfluß eine Handlung abgerungen hat, in seinem Ruheverlangen gestört; scharfsinnig der Erzbischof, der als Klügster sich vom Hauch des Übermenschlichen irgendwie be-
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rührt fühlt, als Kirchenfürst aber eine Wunderdeutung mit ihrer Gefahr von sich weisen muß und die stolze, drängende Zuversicht des Mädchens als Ungehorsam und Hybris erklärt. Krone, Kirche und Armee wenden sich von ihr ab inmitten des Erfolges — die tragische Einsamkeit des gotterfüllten Genies. Einsam ist sie immer gewesen, bei dem Vater ebenso wie hier, wo sie doch am ehesten Freunde Frankreichs zu finden meinte. Nun aber ist sie weiser geworden. Was ist ihre Einsamkeit gegen die Verlassenheit Frankreichs und die Einsamkeit Gottes? Gottes Einsamkeit ist seine Stärke, und so soll es auch für sie gelten: „Es ist besser, mit Gott einsam zu sein." Seine Hilfe wird ihr nicht fehlen. Die Großen haben versagt; nun wird sie hingehen zu den einfachen Leuten und aus der Liebe in ihren Augen Kraft und Trost schöpfen, und wenn sie einmal durch das Feuer schreiten muß, dann wird das auf ewig der Weg in die Herzen dieser einfachen Menschen sein. Das wirft Johanna in leidenschaftlichem Ausbruch echter Frömmigkeit den oberflächlichen Spöttern entgegen, die den Notschrei aus verletztem Herzen nur in betroffenem Schweigen anhören können. 6. Szene. Johanna vor ihren Richtern. Der Inquisitor, ein Dominikanermönch als Vertreter des Großinquisitors, ist eine Gestalt, in der des Dichters Bemühung um eine gerechte Würdigung der Standpunkte am klarsten zutage tritt. Nicht ein finsterer, kalter, engstirniger Verfolger vertritt das Heilige Offizium, sondern ein gütiger, abgeklärter, verständnisvoller Greis, der die zahlreichen Punkte der Anklageschrift zur Verwunderung der kleinen Geister sofort zusammengestrichen hat und sich auf seine Aufgabe beschränken will, nicht zu richten, sondern lediglich festzustellen, ob Ketzerei vorliegt oder nicht. Was ist Ketzerei? Der frömmste und demütigste Mensch kann sie üben, ja sie beginnt in der Regel mit Frömmigkeit und Demut; fromm und demütig ist auch das einfache Mädchen, über das hier verhandelt werden soll. Ketzerei kleidet sich nicht in den Mantel der Falschheit oder Heuchelei. Sie beginnt dann, wenn der fromme Eiferer sich in Stolz und Verblendung anmaßt, in Nichtachtung der Kirche Gottes Willen selbst auszulegen; sie ist das, was der englische Graf Protestantismus genannt hat. Der Inquisitor ermahnt die Beisitzer, das Mädchen wohlwollend und freundlich zu behandeln und sich in ihrer eigenen Aufgabe nicht durch Rachegefühle leiten zu lassen. Wenn die Kirche streng sein muß, so nur aus Liebe zu der Menschheit und zu dem Ketzer selbst. In diesem Geist wird das Verhör geführt. Johanna verweigert unter Berufung auf Gottes Auftrag die Unterwerfung unter die Kirche. Sie versteht nicht, was man von ihr will. Auch der Erzbischof ist verständnisvoll und frei von pfäffischer Enge. Seine Sorge um die innere Festigkeit der Kirche reicht aber nicht an die menschliche Größe des Inquisitors heran, der e i n e n zertreten muß, um Millionen zu retten, der verurteilen muß, wo er zu der Erkenntnis kommt: sie ist unschuldig — subjektiv unschuldig, würden wir sagen —, denn ihr einfaches Gemüt versteht die Sprache der Oberen gar nicht. Das ist das Schicksal, das über ihr waltet: ihr frommes Kindergemüt will Jahrhunderte vorwegnehmen, die die Mächte ihrer Zeit noch nicht zu tragen vermögen. Der Standpunkt des Widerspiels wird in der Person des Inquisitors auf eine gedankliche Höhe gehoben, die nicht nur das kleinliche Pfaffengezänk und den Zynismus des rein politisch interessierten Warwick, sondern auch die vorurteilslose Klarheit der geistig überlegenen Kirchenfürsten weit hinter sich läßt. Das in seinem schlichten Glauben so sichere Mädchen bricht zusammen, als man ihm den Henker zeigt und die Qualen der Strafe ausmalt; das Physische kapituliert in diesem Augenblick der höchsten Spannung eine kurze Zeit vor der seelischen Stärke — ein wirklichkeitsgetreuer Zug, der das Heroische nicht mindert, sondern eher steigert, weil er es nicht in romantischer Pathetik, sondern in schlichter Natürlichkeit findet. Sie unterwirft sich, ihre Freunde triumphieren. In dem Augenblick aber, als sie erfährt, daß sie auch nach einem Freispruch in englischer Gefangenschaft bleiben müsse und nicht mehr hinaus dürfe in die freie Gottesnatur,
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findet sie ihre Stärke in der Einsamkeit mit Gott wieder. Sie zerreißt die Unterwerfungsschrift, sie ist bereit, einzugehen in das Reich der Wahrheit. Der fanatische Stogumber schleppt sie zum Scheiterhaufen; die andern folgen zu dem gräßlichen Schauspiel, nur der Grausamste von allen, Graf Warwick, liebt es nicht, so etwas anzusehen. Bald taumelt Stogumber wieder in das Verhandlungszimmer, halb wahnsinnig vor Entsetzen und Gewissensbissen. E r hat dies Sterben gesehen, er hat den Soldaten gesehen, der der schon von den Flammen Berührten ein aus zwei Stöcken gebundenes Kreuz reichte, er weiß, daß sie im Himmel ist und daß auf ihn die Hölle wartet. Als der Henker meldet, das Urteil sei vollstreckt, sagt Warwick nachdenklich lächelnd: Wirklich? Nichts mehr? E p i l o g . Wir sind im Jahre 1456, fünfundzwanzig Jahre nach der Verbrennung Johannas, in einem der Schlösser Karls „des Siegreichen". Dem im Bett lesenden König wird von einem der Zeugen des Prozesses die frohe Kunde gebracht, eine Nachprüfung des Falles habe die Unschuld der Hingerichteten erwiesen; von dem Gekrönten sei der Makel genommen, seine Würde einer Ketzerin oder Hexe zu verdanken. Bald erscheinen auch unter Blitz und Donner der Geist Johannas, der Bischof Cauchon, Dunois, der Soldat, der der Sterbenden das Kreuz gereicht hat, der Kaplan Stogumber, der Henker, Graf Warwick, alle in ihrer früheren Denk- und Sprachweise, ihr Verhalten rechtfertigend gegenüber der nunmehr Rehabilitierten, die. in scherzendem Ton allen freundlich zuredet und gar keinen Groll hegt. Die Sache damals in Rouen war ein politischer Mißgriff, sogar ein böser Fehler, gesteht Warwick; aber wenn das Mädchen einmal eine Heilige werden sollte, so verdanke sie schließlich ihm den Heiligenschein. Da erscheint auch schon ein geistlicher Herr im schwarzen Rock nach der Mode von 1920 — die „komische Kleidung" erregt unbändige Heiterkeit bei den Leuten von 1456, während der Ankömmling ihr Aussehen als Maskerade empfindet —, um im Auftrag des Vatikans zu verkünden, daß Johanna, die die Stufen der Ehrwürdigen und Seligen bereits durchlaufen hat, nunmehr als „Heilige Johanna" in den Kanon der triumphierenden Kirche aufgenommen wird und als solche überall verehrt werden soll. Traumbilder mit Statuen in Kathedralen steigen auf, die Umstehenden knien verehrend nieder. Als dann die Visionen verschwunden und nur noch die Menschen da sind, stellt die Jungfrau die die Grundidee des ganzen Dramas anrührende Frage: „Soll ich nun von den Toten auferstehen und als lebendige Frau wieder zu euch kommen?" Da empfiehlt sich einer nach dem andern mit einem verlegenen Wort der Entschuldigung. Die neue Heilige ist schließlich so einsam, wie es das Mädchen in Reims und Rouen gewesen war, und spricht ein elegisches Schlußwort: O God that madest this beautiful earth, when will it be ready to receive Thy saints? How long, O Lord, how long?
O Gott, der Du diese schöne • Welt geschaffen hast, wann wird sie bereit sein, Deine Heiligen zu empfangen? Wie lange noch, O Herr, wie lange?
Ist dieser oft kritisierte Epilog mehr als ein frivoler Witz nach Shaws Art, möchte man ihn nicht nach dem erschütternden Erlebnis lieber entbehren? Shaw hat sich in der Vorrede bestimmt für ihn als unentbehrlichen Ausklang ausgesprochen. „ E s tut mir leid, er muß stehen bleiben." Das Thema greift über die irdische Johanna hinaus und schließt das Bild der kanonisierten ein. Ist die Welt fähig, das Große zu erkennen, das erst in der Geschichte seine Wirkung übt? Nein! Unsre irdischen Ordnungen sind so, daß der lebende Heilige, der über diesen Ordnungen steht, immer wieder verbrannt wird. Das Drama für sich wäre die Tragödie eines Einzelmcnschen; der Epilog erhebt das Geschehen zu einem geschichtsphilosophischen Problem. Der Titel spricht ja auch von der „heiligen" Johanna, also von einer über die Zeit hinauswirkenden
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Kraft. Shakespeares „Heinrich V I . " habe in patriotischer Parteilichkeit und völligem Mißverständnis des Zeitgefühls aus Johanna eine Hexe und Zauberin gemacht, Voltaires Spottepos „La Pucelle" (Die Jungfrau) echt aufklärerisch das ganze Mittelalter persifliert, Schillers „romantischer Unsinn" in der „Jungfrau von Orleans" eine Gestalt geschaffen, die mit der geschichtlichen überhaupt keine Berührungspunkte aufweist, der Protestantismus die Haltung der Kirche verzerrt. Demgegenüber will Shaw in realistischer Objektivität die weltanschaulichen Mächte sichtbar machen, die ein Menschheitsdrama auslösen. Der Prozeß in Rouen wurde verhältnismäßig „fair" geführt — die Prozeßakten freilich geben dem Dichter nicht ganz recht —, die mittelalterliche Kirche konnte ihren Mittlerstandpunkt nicht verlassen, konnte bei der Auslegung des göttlichen Willens den Papst nicht durch einen Papst Johanna ersetzen lassen, wenn sie ihr Fundament in einer theokratischen Gesellschaftsordnung nicht untergraben wollte, von einem politischen Prozeß kann in einer Zeit, der die nationale Idee noch fremd war, keine Rede sein. Die spätere Selig- und Heiligsprechung der zum Tode Verurteilten belastet die Kirche in keiner Weise. Eine so große Organisation der geistigen Führung muß ein feines Gefühl für Stimmungen und Wirkungen haben und Urteile revidieren können. Die persönliche „Freiheit eines Christenmenschen" ist protestantisches Dogma. Aber auch die katholische Kirche läßt die Erkenntnis zu, daß die höchste Wahrheit sich einmal in einem einzelnen geoffenbart habe, und es gibt genug Fälle, in denen Neuerer und Streiter gegen kirchliche Mundtotmachung später kanonisiert worden sind; Elastizität und Wiedergutmachung sind hier noch notwendiger als im Rechtswesen, wenn die lebendige Wirkung im Wandel der Zeiten nicht durch starres Festhalten am Überlebten erstickt werden soll. In der Tat ist ja das Mädchen von Orléans im Laufe der Zeit das höchste Symbol des französischen Nationalgefühls geworden. In dieser Problemlage hat der Theoretiker des Vorworts nun das Mädchen selbst zu deuten, das die Anldage überhaupt nicht verstand und in seiner primitiv-tiefen Frömmigkeit tragisch an den großen Mächten der Welt zerbrechen mußte. E r schildert die Menschlichkeit: ein ungebildetes Naturkind, ohne körperliche Reize, ohne die Anziehungskraft einer kräftigen Sinnlichkeit, ohne besondere geistige Begabung oder andre Vorbedingungen für einen romantischen Schimmer, nur als fromme Bäuerin erfüllt von den „himmlischen Stimmen". Und diese Stimmen sind in der Sprache ihrer Zeit nichts andres als der göttliche Funke, der in einem Kopernikus, Newton oder Galilei aufblitzte. Was Johanna erfüllte, kennt die Psychologie des 20. Jahrhunderts auch, nur benennt sie es anders. Sie sah ihr Ziel vor sich, sie verfolgte es überlegt und realistisch, sie handelte nicht aus Impuls oder mystischem Drang. Und doch geht von der geahnten Größe dieser gotterfüllten Einfalt ein „magnetischer Zauber" aus, der die rohen Soldaten zu ritterlichem Respekt nötigt, dem sich selbst der kluge Erzbischof nicht ganz entziehen kann, der symbolisch in den behexten Hühnern in Vaucouleurs und dem Wehen der Flagge vor Orléans zum Ausdruck kommt. Lebenskraft als religiöse Inspiration, eine über alle Erkenntnis hinausgehende Kraft, die den Menschen handeln läßt und zur Aufopferung befähigt. Es geht nicht um ein Einzelschicksal — das eigentliche Geschehen vollzieht sich ganz hinter der Bühne und zwischen den Szenen —, sondern um ein Problem, um den Kampf mittelalterlicher Ideen. Schillers Charaktertragödie, deren ganz aus dem Geist der Dichtkunst geborenen Sinn der Schriftsteller Shaw verkennt, lebt aus dem Gefühl, in erster Linie dem Nationalgefühl, und aus dem Gefühl sind tragische Gestalten überhaupt letzthin zu verstehen. Schillers Tragödie kommt damit der tieferen Wahrheit, auch der historischen, näher als das Werk, das von der Idee und der Analyse des modernen Kritikers ausgeht. Dem Dramatiker Shaw ist jedoch bei allem Schwergewicht der Problematik eine Gestalt gelungen, die aus tiefer Sympathie mit der Größe
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im Alltagsmenschen stammt. Der Realismus des modernen Umgangstons bringt viele geistvolle Erheiterungen. Wo aber die seelischen Urgründe aufgerührt werden, kann sich die Sprache auch zu hinreißender Seelenmusik erheben. Das Verhör vor dem Inquisitor gehört zu den stärksten Szenen der modernen dramatischen Dichtung und ist wohl die schönste, die Bernard Shaw geschaffen hat. Das Problemdrama war der stärkste Anstoß, keineswegs aber die einzige Form der nun in großer Breite sich entfaltenden Bühnenkunst. Wie bei dem Roman, so regten sich auch hier die Kräfte in den Landschaften. Die große keltische Erneuerungsbewegung, die der Lyrik so viel zu geben hatte, schuf in Irland ein neues nationales Drama und seinen bedeutendsten Vertreter, John Millington Synge, einen wahrhaft großen Dichter; in Schottland, Wales und in ländlichen Bezirken Englands entstand eine bodenständige Bühnenkunst. Die neueste Entwicklung hat das geschichtliche Drama und besonders das Gesellschaftsstück gebracht. Die bezeichnendste Wendung ist die zum religiösen Drama, also eine Wiedereinmündung des Bühnenspiels in die Sphäre, der es in der Antike und im christlichen Mittelalter entstammte.
4. N e u r e a l i s m u s in der D i c h t u n g Es ist aus dem Wesen der Gattung leicht begreiflich, daß die Bewegungen und Erschütterungen des letzten halben Jahrhunderts in der Versdichtung, also namentlich in der Lyrik, die größte Unruhe und Vielgestaltigkeit hervorgerufen haben. Die großen viktorianischen Vorbilder wirkten weiter, Romantik und Realismus blieben in den alten oder in gewandelten Formen die Antriebe, wobei die schon in der viktorianischen Zeit die Grundhaltung bestimmende realistische Richtung immer mehr den Ausschlag gab. Entscheidende Impulse brachten erst die Jahre um den ersten Weltkrieg herum, die nicht mehr bloß zu Problemen Stellung zu nehmen hatten, sondern aus neuem Erleben überhaupt eine neue Kunst vorbereiteten, in deren unabgeschlossenem Suchen wir noch stehen. Die „lauten neunziger Jahre" zeigten in der Lyrik nichts von der „fin de siecle"Stimmung und Dekadenz, die etwa das Werk eines Oscar Wilde kennzeichnen; sie sind die Zeit eines Kraftrealismus, einer willensbetonten Wirklichkeitskunst, die der imperialistischen Welle in der großen Politik entgegenkam. William Ernest Henleys Fanfarentöne zur Verherrlichung des Krieges, William Henry Newbolt mit seinem Appell an den alten puritanischen Weltbeglückungsgedanken, besonders aber Rudyard Kipling mit seinen Kasernenliedern, seinem geräuschvollen Jingoton und seinen farbenreichen Indienbildern waren die Wortführer. Daneben aber sprachen sich Mystik und Träumen symbolhaft aus, die seit dem 17. Jahrhundert als Gegenströmung der lebensnahen Dichtung in England nie verstummt waren. Wi'liam Butler Yeats (1865—1939), der größte Dichter der angloirischen Renaissance, wuchs über die in einem tiefen Vergangenheitsgefühl wurzelnde irische Heimatkunst und die Erneuerung der nationalen Kräfte hinaus zu einem Gottsuchertum, das in einem an William Blake erinnernden Symbolismus immer wieder die Magie der Urgewalten des Guten und Bösen zu erfassen suchte. Walter de la Mare (geb. 1878) steht ihm nahe, der Dichter eines Traumlandes, der in musikalisch klingenden Versen in die Wunderwelt des Übersinnlichen hineinhorcht und aus ihr Ehrfurcht vor den Mysterien der Seele schöpft. Die stärkste Abwendung von der rationalistischen Sicherheit der Zeit vollzog der katholische Mystiker F r a n c i s T h o m p s o n (1859—1907), ein „metaphysischer" Dichter, dem Erdenverklärung nur als Abglanz des Heiligen, der himmlischen Schönheit, denkbar ist. Gottes Reich ist hier, ist in dir:
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Yea, in the night, my Soul, my daughter, Cry,—clinging heaven by the hems; And lo, Christ Walking on the water, Not of Gennesareth, but Thames! Sein berühmtes Hauptwerk The Hound of Heaven (Der Jagdhund des Himmels, 1893), ist ein großes Gedicht von triebgeborener Sündhaftigkeit, Erdenhast und göttlicher Erlösung nach der Art frühchristlicher Allegorien. Gott selbst ist in kühner Bildhaftigkeit der Jagdhund, dem ein faustischer Mensch, gehetzt von irdischer Heimatlosigkeit und der Sinnlosigkeit des Daseins, entgegenläuft, während er ihm zu entfliehen meint. Er jagt der Liebe auf Erden nach; aber wo er sie findet, liegt der Schimmer göttlicher Liebe über ihr. Er sucht Treue und Schutz bei den ewig kreisenden Gestirnen; wieder aber muß er das göttliche Walten in der unabänderlichen Ordnung erkennen, er allein ist ein Treuloser. Kinderaugen werden doch wohl Ruhe und Antwort geben; jedoch auch aus ihrer Unschuld strahlt ihm das Göttliche entgegen. Die Stiefmutter Natur kann den Durst nach Erkenntnis des waltenden Geistes nicht stillen, immer näher kommt die Jagd den fliehenden Schritten, immer hilfloser wird er vor dem Schlag der Liebe, immer ratloser wird das Fragen nach dem Sinn von Tod und Vernichtung, bis der Gehetzte in Gottes Vaterarme zurückkehrt und die Hand der wahren Liebe ergreift. „Ich bin die Liebe, die du suchtest, du Törichtster, Blindester, Schwächster. Du stießest die Liebe von dir, als du mich von dir stießest." Eine rasende Jagd in Bildern und Farben, eine sinnlichkeitsdurchglühte Weltsicht, eine keuchende Beschleunigung der frei gebauten Verse bis zu dem ruhigen Ausklang der ermatteten Seele. Wortwahl und Sinnfülle des Ausdrucks zeigen eine barocke Übersteigerung, die nur aus der Empfindungstiefe verstanden und in der Parallele der metaphysischen Dichter des 17. Jahrhunderts richtig gewürdigt werden kann. Die geistige Unruhe der Zeit lebt hier in ekstatischen Visionen. Die Präraffaeliten hatten die verklärende Schönheit in der Vergangenheit gesucht; die neue Kunst will sie im Gegenwärtigen erkennen, dem Übergewicht des wissenschaftlichen Denkens eine Reaktion im Sinne des Seelischen entgegensetzen, das Leben in seiner nicht durch den Intellekt vergewaltigten Ursprünglichkeit erfassen, das Dynamische im Gesamtmenschen empfinden lassen, sie will das Lied von Heute singen. Das innere Erleben wird wieder Gegenstand der Poesie. Thompsons gewaltiges Gedicht stellt sich in diese Reihe ebenso wie Shaws „Lebenskraft": das Thema religiöser Seelenkämpfe, die William James religionsphilosophisch untersucht hat, lebt im Roman wie in der Versdichtung. Das alte Nebeneinander von Romantik und Realismus findet seine Synthese in einem metaphysischen Realismus, der jedem einzelnen seinen schöpferischen Anteil an dem Wege zur Vollendung zumißt und die moderne Vorherrschaft der lyrischen Ausdruckskunst begründet, auf die häufig das Wort Bewußtseinskunst angewendet wird. Die Grenzen der Seelenbezirke sind fließend; wo man früher von Vorstellungen oder Ideen sprach, gilt nur noch der Begriff des Bewußtseinsfeldes, so wie die Physik vom magnetischen Feld spricht. Nur wenn man diese Wandlung erkennt, findet man den Zugang zu dem so ganz persönlichen Suchen nach neuen bildhaften Ausdrucksformen, neuen Dingverknüpfungen, neuen Versarten in der uns so oft unverständlich anmutenden modernen Lyrik mit ihrer Erlösungssehnsucht. Es ist im Grunde dieselbe Wandlung, die etwa seit der Jahrhundertwende in einem Neurealismus den geistigen Raum der englischen Philosophie geschaffen hat, einem Realismus, der als Reaktion gegen den Idealismus auftritt, einem radikalen Empirismus, der sich nicht auf die sichtbaren Dinge beschränkt, sondern die Ganzheit der seelischen Gegebenheiten einbeziehen, die Bewußtseinsprobleme als durch Innenschau enthüllte Identität und Kontinuität des Charakters
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begreifen will. Das ist eine echte philosophiegeschichtliche Renaissance, eine Rückwendung auf den bodenständigen Weg des englischen Denkens. Bei dem Roman und dem Drama konnte es gewagt werden, durch die Analyse einiger weniger Meisterwerke die neuen Richtungen klarzulegen. Für die lyrische Dichtung ist das nicht im gleichen Maße möglich, weil sie eben als Bewußtseinskunst so ganz persönlich ist und weil es bisher an der überragenden Persönlichkeit fehlt, die das Fühlen ihrer Umwelt zu Werken von zeitloser Gültigkeit gestaltet hat. W. B. Yeats sagt in dem schönen Essay, den er seiner Anthologie „The Oxford Book of Modern Verse" vorangestellt hat: Nach meiner Meinung hat England von 1900 bis heute mehr gute Dichter aufzuweisen als in irgendeiner Epoche von gleicher Dauer seit Anfang des 17. Jahrhunderts. Es sind keine überragenden Gestalten da, kein Browning, kein Tennyson, kein Swinburne; aber mehr Dichter, als ich in meine Sammlung aufnehmen konnte, haben zwei, drei oder ein halbes Dutzend lyrische Gedichte geschrieben, die wohl bleibenden Wert besitzen. An einer Dichtung, die bei ihrem Erscheinen eine geradezu revolutionäre Erregung entfesselte und der eine Art Schlüsselstellung zukommt, mag der Wandel der Zeitalter illustriert werden. Es liegt auch ein bezeichnender Sinn für die Rolle der Dichtkunst in einer sozial und demokratisch empfindenden Gegenwart darin, daß gerade dieser Dichter des harten Alltags, der die Reinheit und Anmut in den Niederungen des Lebens sucht, unter dem ersten Premierminister aus der Arbeiterpartei, Ramsay Macdonald, im Jahre 1930 mit dem Kranz des „Poet Laureate" gekrönt wurde. J o h n M a s e f i e l d (geb. 1878) wurde bald nach seinen Anfängen als Gedankendichter empfunden, in dem die spannunggeladene, kraftvolle Unruhe der Zeit lebte, als stärkster Gegensatz zu der den Heutigen fernen Welt eines Tennyson und Rossetti. Eine harte Seemannszeit als Schiffsjunge und Matrose, dann ein Wanderer- und Arbeiterdasein in Amerika ließen ihn die wilde Schönheit von Wind und Wetter, die Gefahren der Naturkräfte, die Roheiten, aber auch die Seelenwerte der derben Menschen erleben. Seine „Salzwasserballaden" (Salt Water Ballads, 1902) sind Düfte von Salzluft, Schiffsteer und Tabak, Wirklichkeitsklänge eines wettergestählten, gar nicht zimperlichen Mannes, den das Meer in seinen Bann geschlagen hat, den das „Seefieber" — so heißt eins der bekanntesten Gedichte — nicht mehr losläßt, der sich nichts Schöneres ersehnt als den pfeifenden Wind im nebligen Wetter, die klatschenden Segel, die treibenden Wolken, die kreisenden Möven und dazu das keck gesponnene Seemannsgarn eines Kameraden, echt im Ton wie Kiplings Soldatenlieder. Aus diesem Bereich der Sinne und Gefühle erwuchsen dann die Werke seiner Meisterschaft, gedankendurchwehte Versepen, mit denen der Chaucerschüler eine schon fast vergessene Gattung erneuerte. Die erste dieser Verserzählungen war nach dem Zeugnis des Herausgebers der Zeitschrift, in der sie erschien, die größte literarische Sensation seit Byrons „Don Juan" und fand den stärksten Widerhall bei den jungen Geistern: The Everlasting Mercy (Die ewige Gnade, 1911). Auf einem Spaziergang im Mai, so berichtet uns Masefield über den äußeren Anlaß, trat er aus einem dichten Wald auf eine freie Wiese unter der sinkenden Sonne. Der Gegensatz zwischen dem Walddunkel und dem Sonnenlicht rief in dem antinomisch empfindenden Dichter eine seiner blitzartigen Visionen hervor, und er sagte zu sich selbst: Ich will ein Gedicht über die Bekehrung eines Lumpen machen. Die schlichte Erzählung ist bezeichnend für seine Gedankenrichtung. Kontraste erregen ihn; er kennt kein Zwischenlicht, kein Halbdunkel, keine geistige Spaltung, er ist vielmehr von einer Art kindlicher Unschuld. Der Aufbau des Gedichts hebt die zwei Hauptteile, den Verworfenen und den Bekehrten, nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich voneinander ab. Die Hand-
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lung wird beziehungsreich in das Jahr 1867 verlegt, in eine Zeit, in der das dörfliche religiöse Leben noch ziemlich unbeeinflußt von modernen liberalen Gedanken war, in der eschatologische Vorstellungen, der Glaube an eine reale Hölle, an Tod und Gericht, an die leibliche Wiederkunft Christi den einfachen Mann beschäftigten, die Zeit der primitiven religiösen Geborgenheit, aus der George Eliots Silas Marner so jäh ausgestoßen wird. Vielleicht gab es in dem Dorf des verkommenen Saul Kane eine Gruppe der „Erweckungssekte", in deren Kreisen Bekehrungen besonders häufig erlebt wurden. Kane ist ein in liederlichem Leben verlumpter Taugenichts, der uns seine Geschichte erzählt. Nach knapp und kraß hingeworfenen Stichworten über sein früheres Leben beginnt er mit dem Boxkampf gegen den gleich ihm verlumpten Billy Myers, in dessen Wilddiebrevier er eingedrungen war. Ein unerhört gedrungener, erregter Wortwechsel, eine kurze Schimpfkanonade, gibt die Situation (Vers }zfi.). Kane weiß, daß er für eine Lüge kämpft, auch daß er unfair kämpft, da der Gegner einen verrenkten Daumen hat, der ihm nach bösen Schlägen in der achtzehnten Runde den Sieg verschafft. In kräftigen Farben, in einer kraß realistischen Sprache erleben wir den Kampf und Sieg (1 }2ff.). Man geht in den „ L ö w e n " , die Spelunke, um den Sieg zu begießen. Es ist Adventzeit; die Beziehung zu der Ankunft des Herrn und der folgenden Bekehrung klingt an, flüchtige Christusgedanken regen sich selbst in dem rohen Burschen. An dem auf dem Polizeirevier schlafenden Wachtmeister schleichen die dunklen Gestalten vorbei. Dann folgt die Szene in der Kneipe mit Alkohol, Tabakdunst und muffiger Sinnlichkeit in der „Spielerei" mit dem Schankmädchen, ekle Bierseligkeit mit stumpfsinniger Zote in vitaler Eindruckskunst (3 84fr.). Ganz leise meldet sich der Abstand des Erlebenden in der zur Ironie erhobenen Frage: „Sind Schankmädchen keusch?" Selbst einem Saul Kane wird die Luft schließlich zu muffig; er öffnet das Fenster des „Schweinestalls des Teufels" und empfindet die beseligende, kühle Stille des Marktplatzes. Der Zweifel an dem Lumpenleben beginnt sich zu regen, der moralische Katzenjammer packt ihn, es treibt ihn hinaus zu einem wilden Amoklauf durch die Straßen. In einer dramatisch höchst packenden Weise werden innere Vision und äußere Handlung eins (596ff.): nackt und fast wahnsinnig, laut tobend und gestikulierend zieht er die Feuerglocke und weckt mit dem Ruf „Feuer!" die schlafenden Bewohner. Die Schilderung des Örtchens unter dem Mondlicht und den treibenden Wolkenfetzen ist von großer Kunst; wie die Betten der Schläfer quietschen, die Fenster auffliegen, die Pferde in der Feuerwache unruhig werden: das alles ist Realismus des zuschauenden Erzählers, nicht eigentlich des delirierenden Kane. E r landet wieder im „ L ö w e n " , wo man ihn zu Bett bringt. Halb ausgeschlafen stürmt er aufs neue hinaus und trifft den Pfarrer, den unkomplizierten Vertreter einer geruhsamen Mittelstandsmoral, dem der Trunkenbold seinen Haß gegen Konvention und „cant" nicht vorenthält. So gelangt der Verstörte auf den Marktplatz. Es ist Morgen geworden, der Markt ist im Gange. Kane sieht ein weinendes Kind, dessen Mutter in den Laden gegangen ist. Er wendet sich zu dem kleinen Jimmy und erzählt ihm ein Märchen von lustigen Kätzchen, die sich in der Mondnacht herumtollen, schmucke Mäuschen braten, süße Milch schlecken, vom guten Onkel Rechtsanwalt, der den Lärm der Katzengesellschaft im Halbschlaf hört, sich aber bald wieder aufs Ohr legt; alles in entzückender Kindersprache (no4ff.) mit Deminutiven, malenden Worthäufungen, „und" -Anknüpfungen u. dgl. Das erregt eine Ansammlung, man entrüstet sich über ihn. Die Mutter kommt hinzu, schlägt das Kind und beschimpft den Trunkenbold. Der Wortschwall der Keifenden macht ihn stumm; aber schon der Gegensatz zwischen der schönen Regung, die das Kind in ihm wachgerufen hatte, und seinem äußeren Menschen, an den er so grob wieder erinnert wird, hätte ihm die Sprache verschlagen. E r fühlt seine Schuld, die Bekehrung ist im Gange ( 1 3 0 4 ^ ) .
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Die letzte Stufe der Wiedergeburt vollzieht sich wieder in der Kneipe. Eine schmächtige Quäkerin kommt auf ihrem abendlichen Gang durch die Wirtshäuser auch hierher, um Seelen zu retten. Man lächelt über sie, ohne ihr aber zu nahe zu treten. Nur Kane fällt plump aus der Rolle zum Verdruß der eigenen Kumpane (13 5off.). Eine schöne und ruhige Rede der Quäkerin vollendet das Werk, das in ihm vorgeht. Kane fühlt neues Leben und neue Freude aufsteigen. Das Gedicht schreitet weiter zum lyrischen Gipfel und erhebt sich zur Musik Gottes im ekstatischen Reden (1444fr.), beziehungsreichen Naturbildern von Dämmerung und Erwachen, Bildern der Freude, der Schönheit, des Aufwärtsstrebens. Fromme Gedanken erfüllen den Bekehrten auch im Zigeunerlager. Er schreitet durch den Nebel und steigt über ihn empor: Jesus hat die Tür geöffnet. Der alte Pflüger zieht in heiterer Ruhe seine Furchen, aus denen neues Leben wachsen soll. Das Bild des sich immer erneuernden Lebens in der Natur zwingt den Bekehrten auf die Knie. Christus ist mit dem Pflüger, er, der das Korn wachsen läßt und die Felder frisch macht. Die Sprache wird zum Gebet zu dem Spender des Lebens und der Kraft, des heiligen Lebensbrotes, der „ewigen Gnade" (15 88ff.). Die Sonne strahlt in neuem Glanz, die Lerche singt ihr Preislied, Blumen zieren die Erde; die Lilie als die zarteste unter ihnen soll in das Herz des Erwachten dringen. Liedhafte Strophenandeutung macht den Abschluß des seelischen Vorgangs fühlbar. Das ist der Ausklang: die Schönheit der Natur wird erhöht durch den Seelenfrieden des Menschen, Mensch und Natur sind aufeinander abgestimmt. Die nackte Fabel der Dichtung ist eine banale Begebenheit, wie man sie in London an einer beliebigen Straßenecke von den Musikgruppen der Heilsarmee hören kann. Der Dichter aber erhebt sie zur seelischen Schönheit. In der Zeichnung der ihm aus eigener Erfahrung vertrauten Unterwelt findet er die wirkungsvollsten Töne. Die Kneipenluft und der erregte Boxkampf sind mit einer impressionistischen Kunst hohen Grades geschildert. Das ist echt, und da ist auch der Held echt. E s bedeutet auch keinen Verstoß gegen die Charakterisierungskunst, wenn an manchen Stellen etwas von dem Reichtum des reflektierenden Dichtergeistes in die Seele des verlumpten Kerls kommt, etwa bei den stimmungsvollen Gedanken auf dem Weg zur Kneipe, bei den durch die Nacht geweckten Empfindungen, bei dem dogmatischen Gespräch mit dem Pfarrer, bei der rührenden Märchenerzählung. Da spricht ja nicht der unmittelbar handelnde, sondern der wiedergeborene, besinnlich gewordene Mensch, der rückschauend das damals Erlebte berichtet und seelisch begründet. Der Dichter verabsäumt nicht, inmitten aller Schlechtigkeit die guten Keime in seinem Helden zu unterstreichen: er kennt die Bibel und hat sie in seinem Toben oft im Munde, er hatte eine gute Mutter, er hat sich soziale Gedanken gemacht, er hat auch ein Gefühl für Ehre. Gegenüber solchen Anwandlungen überschlägt sich dann bisweilen der Dichter in krassem Realismus, um dem Bild nichts von seiner Gemeinheit zu nehmen. Darin offenbart sich gerade das Antithetische, dem in einem höheren psychologischen Sinne eine Einheit innewohnt, als ein Hauptwesenszug des Gedichts. Rohstoff, Durcharbeitung und Ergebnis sind inhaltlich und stilistisch deutlich erkennbar und zeigen in ihrem Kontrast die beabsichtigte Wirkung der „neuen" Dichtung. Kanes Sünden entspringen nicht der Schwäche, sondern der Vitalität, die sich zum Paroxysmus steigern kann. In der Hybris ahnen wir die Wendung, die sich in Form eines Wunders vollzieht. Nicht eine Charakterzeichnung im gewöhnlichen Sinn der Verständlichmachung ist die Absicht, sondern die Erweckung der Ahnung für die geistigen Urgründe, aus denen das Wunder entspringt. Die aus geheimnisvollen Wurzeln kommende Bekehrung soll im Symbol des Vorgangs lebendig werden. William James, der philosophische Erforscher der religiösen Erlebnisse, unterscheidet in seiner Analyse des Bekehrungsvorgangs zwei Elemente, die kranke Seele und das gespaltene Selbst. Auch in Saul Kane leben Weltschiuerzstimmung und Seelenspaltung. Er empfindet in
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seinem tieferen Selbst Ekel an dem eigenen Lebenswandel, er leidet unter der Häßlichkeit und kehrt das Heterogene hervor, er gelangt vom gemeinen Schimpfen — „I'll bloody him a bloody fix, I'll bloody burn his bloody ricks", 502/3 — zum Hosianna. Das Leben ist wilder, seltsamer, aufrüttelnder als irgend etwas in oder über der Welt. Die Mischung von Gemeinheit und Schönheit ist echt und wahr. Darum suchte Masefield seine Inspiration bei der reichen, triebhaften, unbekümmerten Natürlichkeit, die das Herzblut eines Chaucer, Shakespeare, Bums ausmachte. Seelenkraft im Kampf mit wütendem Chaos durchzittert das Versepos „Der Schmierer" (Dauber, 1913), das vielleicht die großartigste Seedichtung der englischen Literatur ist, frische Erregtheit und herrliches Erleben der Landschaft packen uns in dem prachtvollen „Reineke Fuchs" (Reynard ths Fox, 1919), elegisches Sinnen in den Ausdrücken von Merediths Erdphilosophie, auf deren Schultern Masefield steht, erfüllen die Gedankendichtung Lollington Downs. Das ist der neue Realismus, der nicht wie der eines Flaubert oder Thackeray das Leben nachzeichnen, sondern in die Seelentiefen steigen will; ihm steht Dostojewskijs realistische Kunst mit ihrem sozialen Gefühl näher. Oh beautiful in this living that passes like the foam. It is to go with sorrow, yet come with beauty home. Masefield ist ein Dichter der Flamme, die noch aus der grauen Asche schlägt. Ein aufbauender Idealismus entdeckt das Wunderbare im Banalen, eine Blutübertragung aus dem Gefühlsleben der Primitivsten führt der Poesie neue Kräfte zu: Demokratisierung gegen Erstarrung! Eine Technik des brüsken Wechsels, unterstrichen durch formale Effekte — starre, taktgebundene, gewollt primitive kurze Reimpaare, realistisch gestoßene Sprache, burleske Reimwirkungen, vulgäre Syntax neben strömenden Versen eines ekstatischen Schwärmens — könnte leicht als grobe Psychologie mißverstanden werden, wenn man in der Dichtung ein rational verstehbares Charakterbild suchte. Es ist hohe Formkunst, die im Gesamterlebnis wurzelt. Zurückhaltung war das Kennzeichen der viktorianischen Zeit; das neue Jahrhundert hebt sie auf und sucht ungehemmt Symbole für seine Tiefenerlebnisse. Das ist die Ausgangsstellung für die jüngste, „modernistische" Entwicklung der lyrischen Ausdruckskunst. Die viktorianische Dichtung richtete sich an ihr Publikum; sie war, um einen Ausdruck der heutigen Psychologie zu gebrauchen, extravertiert. Die moderne Dichtung ist introvertiert, ganz persönlich, und denkt nicht an die Wirkung auf eine Zuhörerschaft, höchstens an einen kleinen Kreis, weil ja auch allgemein anerkannte Grundsätze des Geschmacks kaum noch bestehen. Das Symbol sagt mehr als rationale Klarheit. Wer in der heutigen Welt lebt, erfaßt sie in einer neuen Ausdrucksform besser als in der überkommenen. Daher Formauflösung — während Masefield noch eine Wiederbelebung alter Formen betrieb •—, neue Vers- und Reimkunst, Überraschung und Unruhe im Wechsel mit Entspannung und Rückfall ins Monotone. Das möglichst scharfe Erfassen des Bildes wird die Hauptsache, das treffende Wort und das die Vorstellung festhaltende Gleichnis treten an die Stelle des fließenden Rhythmus, der musikalischen Linie, des Aussprechens der Empfindung. Der Dichter wehrt sich gegen jede poetische Norm und strebt nach einem direkten, in der einmaligen Situation begründeten Konversationston, der in den Bildern und Redeformen eben die einmalige, nicht ausgesprochene Gefühlslage vermittelt. Der Stimmungsgehalt der Worte muß der Gegenwart, der Situation, der Person entsprechen, Wertungen wie poetisch oder prosaisch, alt oder neu, gewählt oder vulgär, gut oder schlecht gibt es nicht. Reimlose freie Verse mit einer Art inneren Singens treten an die Stelle künstlicher Formen, Knappheit und Sparsamkeit im Aufbau, lakonische Seiten-
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bemerkungen, hingeworfene Zitate, Erinnerungsfetzen wollen eine Bewußtseinslage festhalten, also das von allen Seiten gestörte und durchkreuzte Bild eines Augenblicks, das gerade in diesen Haupt- und Einschußfäden den Augenblick nachzeichnet. Robert Brownings Konversationsstil mit seiner oft andeutenden, flüchtigen, herzhaften Art war der Ausgangspunkt dieser psychologischen, neurealistischen Sprachkunst, deren Andeutungscharakter in Wortwahl, gebrochener Syntax, Anspielung oft geradezu nach einem Kommentar ruft. Ist das noch Gefühlsausdruck, ein durch die mäßigende Form gebändigtes Überströmen der Empfindung im Sinne Wordsworths, ist es nicht vielmehr Intellektualismus des kenntnisreichen einzelnen, der die andren nichts angeht? Gewiß, sagt der Modernist, aber keineswegs Rationalisierung und öde Lehrhaftigkeit. Der Adler hat seine Schwingen als Hauptkraft, der Jagdhund seine Geschwindigkeit und seine Witterung, der Raubvogel sein scharfes Auge und der in andren Dingen unterlegene Mensch seinen Verstand, der ihn an die Spitze aller Geschöpfe gestellt hat. Ein Mißtrauen gegen das Gefühl, das Schwäche ist, führt zum Glauben an den Geist, der allein in einer entzauberten, kalt gewordenen Welt den Weg nach oben zeigen kann. Die Spezialisierung des Wissens hat ja die Wortbedeutungen in den einzelnen Fächern abgegrenzt, und so braucht die Nachzeichnung einer Bewußtseinslage verstandesmäßig erfaßte einmalige Sinnverbindungen und Bilder. Der aus Amerika nach England übergesiedelte T h o m a s Stearns E l i o t (geb. 1888) ist mehr und mehr an die erste Stelle gerückt und darf heute als die stärkste dichterische Kraft angesehen werden. Waste Land (,,Die Wüste", 1922) heißt sein bekanntestes Gedicht, in dem der Kulturpessimismus nach dem ersten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte; die öde Wüste als das grauenvolle Sinnbild einer ausgedörrten, hoffnungslosen Zeit, gesellschaftliche und geistige Überspitztheit, trocken, steinig, unfruchtbar unter dem Staub der Geschichte, schwer und behindert wie unsre traditionsbeladene Kultur, so daß wir uns durch ein wahres Labyrinth von Situationen und gelehrten Anspielungen hindurcharbeiten müssen, durch Klänge aus dem Alten Testament, Augustin, Shakespeare, Marve'll, Goldsmith, aus Dante, Gautier, Verlaine, den Upanishaden und aus dem Tingeltangel. Und doch findet der einsame, verzweifelte Wanderer durch Gestein und Kaktus einen Weg, sieht in der Ferne ein Land seiner zweiten Geburt. Diese Heilsgewißheit führt den Dichter in andren Werken aus der Negation in die Bejahung, die der Anglokatholik in dem religiösen Bereich (Ash Wednesdaj, 1930) und in einer durch kunstvolle Musikalität gebändigten Tiefenlotung über die Urgründe unsres Fühlens und Denkens {Four Quartets, 1944) findet. — Der Einbruch des Transzendenten in die Wirklichkeit der Geschichte wird in dem Drama Murder in the Cathedral („Mord im Dom", 1935), das Geist und Form der mittelalterlichen Spiele erneuert, zu einer über alle Zerrissenheit und Leere in eine aufbauende Zukunft weisenden Deutung der abendländischen Existenz. Der Märtyrertod des Erzbischofs Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury wird zum Angelpunkt des Verhältnisses von Kirche und Staat; durch ihn wird das äußere Geschehen der Jahrhunderte zur Gottesgeschichte. Die liturgische Form und eine freie Neubelebung des antiken Chors als des Symbols der mittelalterlich-kirchlichen Volksordnung, die eine andre Existenz als Realität fühlt und doch nicht begreifen kann, sind in eine Sprachkunst gebettet, die das Bühnenspiel über eine geschichtliche Porträtkunst und einen religiösen Predigerton hinaufhebt in die Freiheit gestalteter Schönheit und die Deutung des wahrhaft Humanen und in ihm des metaphysischen Urgrundes der Geschichte. Auf solche Hinführung zu den außerpersönlichen Mächten, nicht auf Handlungsentfaltung, kommt es dieser neuen Form des Spiels an, selbst bei modernen Gegenständen wie in The Family Rsunion („Der Familientag", 1939), in dem die antiken Eumeniden das Symbol abgeben. Der Dichter hat seine Auffassung
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vom Wesen des Dramatischen und den Aufgaben eines neuen Versdramas in mehreren Aufsätzen begründet. Natürlich stellt dieser Weg nicht die einzige Richtung in der Gegenwartsdichtung dar, wie ein Blick in jede Anthologie zeigt. Die Rückkehr zu alten Gedanken und Formen, die demokratischen Bemühungen um eine anschauliche Gestaltung der im Volke lebendigen Kräfte stehen neben der Sinnenempfindlichkeit der traditionsfeindlichen Neuerer, die eine Überwindung der Zerrissenheit in der Tiefe des eigenen Ich suchen. „Keine Epoche der Geschichte", sagt eine neuere Deuterin, „hat einen so heftigen Wechsel der menschlichen Lage und Umwelt erlebt wie die letzten fünfundzwanzig Jahre. Es ist in gewisser Hinsicht leichter, die zweihundert Jahre zurückliegende Zeit zu verstehen als unsre eigene Zeit oder sich vorzustellen, wie das Leben in zwanzig Jahren aussehen wird." Das große Meisterwerk, das die Kräfte aus genialer Intuition zusammenfaßt und Gegenwart und Zukunft erhellt, ist noch nicht geboren. Es kann aber kaum zweifelhaft sein, daß in der innerlich starken Strömung der um Freiheit aus der Tiefe der eigenen Seele ringenden Priester des Wortes und des Bildes die schöpferischsten Kräfte einer dichterischen Erneuerung liegen, vielleicht mit dem Vorrang des Dramas, dem England einmal den größten Genius seiner geistigen Geschichte geschenkt hat.
Bibliographischer Anhang Die Absicht und Anlage des Buches ließen es als ratsam erscheinen, den Text nicht durch Fußnoten oder ziffernmäßige Verweisungen auf einen Anhang mit kritischen Bemerkungen und Nachweis der Einzelliteratur zu belasten. Bibliographische Hilfsmittel und Nachschlagewerke stehen dem, der sich eingehender über die behandelten Werke und die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge unterrichten will, in ausreichendem Maße zur Verfügung. Ich nenne nur die wichtigsten. Für die Kulturgeschichte: W. Dibelius, England, 2 Bde., Leipzig • 1931. F. Wild im Handbuch der Kulturgeschichte, Potsdam. G. M. Trevelyan, English Social History, London 1943. Für die Literatur- und Philosophiegeschichte: The Cambridge History of English Literature, ed. by A. R . Ward and A. R. Waller, 15 vols., Cambridge 1907/15. The Oxford History of English Literature, Oxford, Clarendon Press (noch nicht vollendet). R. Chambers, Cylopaedia of English Literature, ed. by D. Patrick, 3 vols., London 1901/04 (Biographien und Textproben). E. Legouis and L. Cazamian, A History of, English Literature, London 1933. Die von A. Heusler, H. Hecht, L. L. Schücking, W. Keller und B. Fehr bearbeiteten Abschnitte in Walzels Handbuch der Literaturwissenschaft, Potsdam. W. F. Schirmer, Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur, 2 Bde., Tübingen 3 i959/6o. The Cambridge Bibliography of English Literature, ed. by F. W. Bateson, 4 vols., Cambridge 1940, Suppl. 1957; einbändige Kürzung (von G. Watson) 1958. W. R. Sorley, History of English Philosophy, Cambridge, 1920. E. vonAster, Geschichte der englischen Philosophie, Bielefeld 1927. R. Metz, Die philosophischen Strömungen der Gegenwart in Großbritannien, 2 Bde., Leipzig 1935. Für Biographien: Dictionary of National Biography, ed. by Leslie Stephen and Sidney Lee, 24 vols., London 1908/37 (auch in einer einbändigen Kürzung erschienen: The Concise Dictionary of National Biography, London 1931). The Oxford Companion to English Literature, ed. by P. Harvey, Oxford 3 i946. A Short Biographical Dictionary of English Literature, ed. by J . W. Cousin, London, letzte Auflage 1946 (Everyman's Library). Für Interpretationsfragen: W. Hübner, Die englische Dichtung in der Schule, Leipzig 1934; ders., Die Kunstprosa im englischen Unterricht, Leipzig 1940. Die folgenden Bemerkungen zu den einzelnen Abschnitten beschränken sich auf die Angabe leicht zugänglicher und empfehlenswerter Textausgaben der behandelten Werke, der wichtigsten Hilfsmittel für die Interpretation und der Nachdichtungen, denen die deutschen Textproben entnommen sind. Die Prosaübersetzungen stammen durchweg vom Verfasser. I. G e r m a n e n t u m Textproben aus dem Beowulfepos nach der maßgebenden, ausfuhrlich kommentierten Ausgabe von F. Klaeber, Boston and London 3 1936; die deutschen Proben nach der Übertragung von H. Gering, Beowulf nebst dem Finnsburg-Bruchstück, Heidelberg ! 1929; die Homerstelle auf S. 19 nach J . H. Voß. Ausführliche Angaben der Einzelliteratur in der Klaeberschen Ausgabe und bei A. Brandl, Geschichte der altenglischen Literatur, Straßburg 1908. Die metrischen Erläuterungen (S. 17) nach A. Heusler, Deutsche Versgeschichte I, Berlin 1925. Für die Darstellung des Zeitraums noch heute wertvoll B. ten Brink, Geschichte der englischen Literatur, Bd. I, Straßburg ! 1899. Zur Kultur und Lebensanschauung: R. W. Chambers, Beowulf, An Introduction to the Study of the Poem, Cambridge 1921. J. de Vries, Die Welt der Germanen, Leipzig 1934. A. Heusler, Germanentum, 1934. J . Müller, Das Kulturbild im Beowulfepos, Halle (Studien zur englischen Philologie, Nr. 33). II. V o r s p i e l d e r R e n a i s s a n c e 1. Chaucers Canterbury-Geschichten zitiert nach dem Text von A. W. Pollard u. a. (Globe Edition), die deutschen Proben nach W. Hertzberg, Chaucers Canterbury-Geschichten, Hildburghausen (später Leipzig) 1870 u. ö.; das Zitat aus Dantes Hölle (S. 42) nach der Übersetzung von Philaletes, das aus dem Vogelparadies (ebd.) nach John Koch. Für den kulturgeschichtlichen Hintergrund: G. M. Trevelyan, Illustrated English Social History, vol. I, London 1944. Chaucer als Künstler: B. ten Brink (s. o.) Bd. II; W. Clemen, Der junge Chaucer, Bochum 1938; N. Coghill, The Poet Chaucer, Oxford Univ. Pr. 1949 (Home Univ. Library). 2. Die alten Balladen liegen uns in der umfangreichen Sammlung von F. J . Child vor (5 vols, Boston 1882/ 98), aus der G. L. Kittredge eine gute und ausreichende Auswahl getroffen hat (Boston 1904). Die deutschen Textproben sind nach den ausgezeichneten Nachdichtungen von Hedwig Lüdeke gegeben: Balladen aus alter Zeit, Berlin 1922 (mit einer über die Stoffe und Formen orientierenden allgemeinen Einleitung von A. Brandl). 34 Die Stimmen den Meister
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3. Thomas Mores Utopia: die englische Bearbeitung von Ralph Robynson mit ausfuhrlichem Kommentar herausgegeben von J . Ch. Collins, Oxford 1904. Einfacher Textabdruck in Everyman's Library; deutsch von G. Ritter, Berlin 1922. III. Shakespeare und seine Welt Die deutschen Proben aus Marlowes Doctor Faustus nach F. Bodenstedt, Shakespeares Zeitgenossen und ihre Werke (Charakteristiken und Überset?ungen, Bd. III), Berlin i860. Shakespeares Dramen in den deutschen Proben nach Schlegel-Tieck, das 66. Sonett (S. 145) nach L. Fulda, das 146. Sonett (S. 159) nach O.Gildemeister. Nachschlagewerk zum Drama der Renaissance (mit Inhaltsangaben und Literaturhinweisen): E. Eckhardt, Das englische Drama im Zeitalter der Reformation und Hochrenaissance, Berlin 1928; ders., Das englische Drama der Spätrenaissance, Berlin 1929. Führer durch die Shakespeare-Literatur: W. Ebisch and L. L. Schücking, A Shakespeare Bibliography, Oxford 1931, Supplement 1937. Shakespeare-Wörterbuch von A. Schmidt, 2 Bde., Berlin 4 1902. Von den zahlreichen Biographien bringt die von Sidney Lee (A Life of Sh., London 1915 u. ö.) das Tatsachenmaterial über Leben, Umwelt und Werke am reichhaltigsten, während die menschliche und künstlerische Entwicklung starker betont wird bei J . Q. Adams (London 1323), A.Brandl (Wittenberg1 1923), M. J . Wolff (München* 1926), G. Landauer (Frankfurt 1923), F. Gundolf (Berlin 1928). M. Lüthi, Shakespeares Dramen, Berlin 1957. Das seit 1867 erscheinende Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft unterrichtet am besten über die Shakespeare-Pflege durch Wissenschaft und Bühne. E. L. Stahl, Shakespeare und das deutsche Theater, Stuttgart 1947. IV. B a r o c k und A u f k l ä r u n g Das 17. Jahrhundert beschäftigt in neuerer Zeit die Forschung lebhaft, weil es sich immer stärker als die wichtigste geistige Grundlage des modernen Englands erweist. Von zusammenfassenden Untersuchungen sind besonders zu erwähnen: B. Wendell, The Temper of the 17th Century in English Literature, London 1904; P. Meißner, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des englischen Literaturbarocks, München 1934; B. Willey, The 17th Century Background, London' 1946. — Für das 18. Jahrhundert noch heute wertvoll H. Hettner, Geschichte der englischen Literatur 1660—1770, Braunschweig ' 1 9 1 3 , ebenso L. Stephen, History of English Thought in the 18th Century, 2 vols., London 1882. Dazu von neueren Werken in erster Linie die beiden Surveys of English Literature 1730—1780 und 1780—1830 von O. Elton, je 2 Bde., London 1928 und 1920. 1. Bacons Essays bequem zugänglich in Everyman's Library und The World's Classics, in deutscher Übersetzung (mit Einleitung) von E. und L. L. Schücking, Leipzig 1940. Das für eine tiefere Deutung der Essays unentbehrliche Hauptwerk, das Neue Organum, ist in einer Obersetzung von Kirchmann in der Philosophischen Bibliothek erschienen (Berlin 1870, jetzt Leipzig). Zur Einführung in die Gedankenwelt des Philosophen: K. Fischer, F. Bacon und seine Nachfolger, Leipzig 1856 u. ö. W.Frost, Bacon und die Naturphilosophie, München 1927. Die neueste Biographie von E. Lewalter (Berlin 1939) gibt ein lebendiges Bild von dem Menschen und seiner Umwelt, geht aber nicht auf das Gedankengebäude ein. 2. Miltons Hauptwerk zitiert nach D. Massons Ausgabe in der Globe Edition, die deutschen Proben nach der Übertragung von B. Schuhmann in der von H. Ullrich besorgten Ausgabe der Poetischen Werke, Leipzig 1909. Für ein gründlicheres Studium des Dichters empfiehlt sich die neben den poetischen auch die Prosawerke umfassende, kommentierte Ausgabe von F. A. Patterson, The Student's Milton, New York a 1947 dazu als literarischer Führer J . H. Hanford, A Milton Handbook, New York a 1933. Für die Gedankenwelt wichtig: Denis Saurat, Milton, Man and Thinker, New York 1925; M. A. Larson, The Modernity of Milton, Chicago 1927; E. M. W. Tillyard, Milton, London 1934. 3. Defoes Robinson Crusoe in Everyman's Library. Deutsche Übersetzungen zahlreich, die neueste von H. W. Hoff, Einsiedeln 1942. H. Ullrich hat eine Zusammenstellung der gesamten Robinson-Literatur veröffentlicht (Leipzig). Swifts Gulliver englisch und deutsch in vielen billigen Einzelausgaben. Von den Biographien gibt die von C. van Dören (1932) das Beste für die psychologische Deutung. Die gesamte Swift-Literatur verzeichnet bei H. Teerink, A Bibliography of the Writings in Prose and Verse of Jonathan Swift, The Hague 1937. 4. Überblick über die Entwicklung der englischen Staats- und Gesellschaftslehre in vier Bändchen der Home University Library, London (Political Thought, von mehreren Verfassern). Hobbes' Leviathan in Everyman's Library, deutsch von J . P. Mayer, Zürich und Leipzig 1936. Bestes Werk über den Philosophen: F. Tönnies, Hobbes, Leben und Lehre, Stuttgart 1896. Lockes Hauptwerk deutsch von Th. Schultze, Leipzig (Reclam); die Abhandlung Of Civil Government in Everyman's Library. Zur Einführung: R. Reiniger, Locke, Berkeley, Hume, Wien 1922. Burkes Reflections in Everyman's Library, deutsch (gekürzt) von A. Maier, Leipzig 1931. 5. Die beiden behandelten Hauptwerke Humes sind enthalten in den Essays Literary, Moral, and Political, die in vielen Ausgaben vorliegen (handlich und preiswert in The World Library of Standard Books, London
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o. J., Ward, Lock & Co.). Beste Einführung in Hume in der Monographie von R. Metz (Frommans Klassiker der Philosophie, Stuttgart). Die moralphilosophischc Problemlage der Zeit erläutert bei W. Hübner, Mandevilles Bienenfabel und die Entwicklung der praktischen Zweckethik in der englischen Aufklärung (in: Grundfragen der englischen Geistesgeschichte, Stuttgart 1941). 6. Adam Smiths Hauptwerk in Everyman's Library und The World's Classics, deutsch von F. Bülow, Leipzig 1933. V. D i e W i e d e r e n t d e c k u n g d e r Seele 1. Zum Aufkommen romantischer Strömungen: Helene Richter, Geschichte der englischen Romantik, 3 Bde., Halle 1911; B. Fehr in Walzels Handbuch (s. o.). Beste literarhistorische Führung in O. Eltons Survey 1780—1830 (s. o.). Grays Kirchhofselegie ist in den meisten Anthologien englischer Poesie abgedruckt. Die deutschen Proben nach der Übersetzung von G. Legerlotz in der Anthologie Von beiden Ufern des Atlantik, herausg. von W. Prinzhorn, Halle. Goldsmiths Vicar of Wakefield in Evermyan's Library und The World's Classics, deutsch von F. Hörlich (Reclam). Robert Burns (Poems in der Globe Edition, Everyman's Library und The World's Classics) zitiert nach der Ausgabe von A. Cunningham, London 1842, deutsch nach den Ubertragungen von F. Freiligrath (S. 284), O. Baisch (S. 286, 287, 288, 289, 290, 291) und L. G. Silbergleit (S. 292). Biographie von H. Hecht, Heidelberg 1909. 2. Die deutschen Textbeispiele aus Wordsworth nach den Übertragungen von Marie Gothein, W. Wordsworth, sein Leben, seine Zeitgenossen, Bd. II, Halle 1893; Coleridges Ancient Mariner nach F. Freiligraths Nachdichtung (1838, Neudruck München 1925). Die Unsterblichkeitsode (S. 503) als Beispiel für Wordsworths Weg von der Immanenz zur Transzendenz ausführlich interpretiert durch W. Hübner, Neuphilologische Monatsschrift III, 97ff. Beste Biographien von G. McLean Harper, William Wordsworth, London 1929; L. Hanson, The Life of S.T.Coleridge, 2 vols., 1938 f. Walter Scotts Romane in vielen billigen Einzelausgaben (Tauchnitz, Everyman u. a. Sammlungen), deutsch von B. Tschischwitz, Berlin 1876fr., und E. Walter, Berlin-Grunewald 1924. Die grundlegende Biographie von des Dichters Schwiegersohn J. G. Lockhart (gekürzt in Everyman's Library). 3. Byrons Dichtungen in der deutschen Fassung zitiert nach den Übersetzungen von A. H. Janert (S. 327), H. Stadelmann (S. 333), H. Grüzmacher (S. 334), W. Schäfer, A. Böttger und R. Imelmann (S. 340 ff.), vereinigt in der Ausgabe der Werke von F. Brie, Leipzig o. J.; Shelley nach A. Strodtmann, Leipzig o. J. (S. 345, 347. 35°. 351) und J. Seybt, Shelleys poetische Werke, Leipzig 1844 (S. 352); Keats nach Marie Gothein, John Keats, 2 Bde., Halle 1897. Biographien: E. C. Mayne, Lord Byron, 2 vols., London 1912; Helene Richter, Lord Byron, Halle 1929; W. E. Peck, Shelley, His Life and Work, 2 vols., London 1927; S. Colvin, John Keats, His Life and Poetry, London 1917; Marie Gothein (s. o.). VI. S t r e b e n n a c h A u s g l e i c h : das „ v i k t o r i a n i s c h e K o m p r o m i ß " 1. Vorzügliche Einführung in die allgemeine Kulturlage: G. M. Young, Victorian England, Portrait of an Age, Oxford 2 1937. Für das heutige Wertgefühl sehr aufschlußreich sind die von zahlreichen Vertretern des Geisteslebens gehaltenen Rundfunkvorträge, gesammelt als Ideas and Beliefs of the Victorians, London (Sylvan Press) 1949. Literaturgeschichte: O. Elton, Survey of English Literature 1830—1880, 2 vols., London 1920; L. Kellner, Die englische Literatur der neuesten Zeit von Dickens bis Shaw, Leipzig 1921. Darwins Origin of Species in Everyman's Library und The World's Classics, deutsch von C. W. Neumann (Reclam). J. S. Mills On Liberty in Everyman's Library und The World's Classics, deutsch von E. Haek (Reclam). Carlyles Heroes . . . in Everyman's Library und The World's Classics, deutsch in Kröners Taschenausgaben. Ruskins Unto this Last in Everyman's Library und The World's Classics, deutsch in einer 15 bändigen Ausgabe ausgewählter Werke, Jena 1900/1906. Biographien: E. Neff, Carlyle, New York 1932; S. Saenger, John Ruskin, Straßburg 1901. 2. Die großen Romane in vielen billigen Einzelausgaben, viele auch deutsch bei Reclam u. a. Beste Biographien: W. Dibelius, Charles Dickens, Leipzig 2 1926 (mit ausführlicher Bibliographie); R. Las Vergnas, W. M. Thackeray, Paris 1932; W. F. Monypenny and G. E. Buckle, Charles Kingsley, 2 vols., London 1929; J. W. Cross, George Eliot's Life as related in her Letters and Journals, 3 vols., London 1885 (auch in der Tauchnitz Edition). 3. Gute Anthologie mit Einführungen: O. L. Jiriczek, Viktorianische Dichtung, Heidelberg 1911. Ausgaben der Dichter in den bekannten Sammlungen (Everyman, The World's Classics, Tauchnitz u. a.), in Einzelbänden in der Globe Edition und den Oxford Standard Authors. Die deutschen Textproben nach folgenden Übersetzungen: Tennysons Crossing the Bar nach der Übertragung von R. König, alles übrige nach A. Strodtmann; R. Browning (S. 469) nach Adolf Friedrich Graf von Schack und (S. 473) H. von Heiseler; E . B . Browning nach R.M.Rilke; A. Ch. Swinburne nach O. Hauser. — Biographien: E. Koeppel, Tennyson, Berlin 1899, dazu die Memoiren seines Sohnes Hallam Lord Tennyson, 2 Bde., London 1897 (auch in der Tauchnitz Edition); W. H. Griffin, Robert Browning, London 2 1911; zum Verständnis der Dichttingen nützlich das Browning Handbook von W. C. de Vane, New York 1935. H.W.Singer, D. G. Rossetti, Berlin 1905; dazu die vortreffliche Würdigung der Persönlichkeit von L. L. Schücking, Englische Studien Bd. 51 (1911). E. Gosse,The Life of A. Ch. Swinburne, London 1917. J. M. Mackail, The Life of W. Morris, 2 vols., London 1899 (billige Ausgabe in der Pocket Library bei Longmans). 34'
Bibliographischer Anhang VII. N e u e K r ä f t e I. Merediths Gedichte kommentiert herausg. von C. M. Trevelyan, London 1912. Darstellung der Lebensphilosophie bei G . M. Trevelyan, The Poetry and Philosophy of George Meredith, London 1906. Ausgabe der Romane in Everyman's Library und Tauchnitz Edition; Richard Feverels Feuerprobe, deutsch von T . Greve, Minden 2 1912. Thomas Hardys Romane bei Tauchnitz u. a.; Tess deutsch von P. Baudisch, Berlin 1925. H. G . Wells' Hauptwerke bei Tauchnitz u. a.; Übersetzungen in Einzelausgaben, Wien 1926/1933. J . Galsworthys Forsyte Saga bei Tauchnitz, deutsch von L . Schalit (mit andren Werken), Wien 1925/1934. 3. Galsworthys und Shaws Dramen bei Tauchnitz. Galsworthy deutsch von L . Schalit (s. o.), Shaw von S. Trebitsch, Berlin 1926/1931. Über das neuere englische Drama: T. H. Dickinson, The Contemporary Drama of England, London 1920 (mit ausfuhrlicher Bibliographie). Beste Einführung in Shaw: J . Bab, Bernard Shaw, Berlin 2 1926. 4. F. Thompsons Gedichte (in Auswahl) herausg. von W. Meynell, London 1926; Der Jagdhund des Himmels übersetzt und erläutert von Elisabeth Kawa, Berlin 1946. J . Masefield, Collected Poems, London 1938; The Everlasting Mercy interpretiert von W. Hübner in der Deutschbein-Festschrift, Leipzig 1936. Die poetischen und prosaischen Werke von T. S. Eliot in Einzelausgaben bei Faber and Faber, London, deutsch im Erscheinen begriffen bei Suhrkamp, Berlin. Zur Deutung seiner Kunst: Helen Gardner, The Art of T. S. Eliot, London 1949. — Als Einführung in die allgemeinen Tendenzen der Gegenwartsdichtung geeignet: R. H. Strachan, The Soul of Modern Poetry, London 1922; Babette Deutsch, This Modern Poetry, New York 1935; H. Nicolson, The New Spirit in Literature (The Changing World, Nr. 2, B. B. C.); D. Daiches. Poetry and the Modern World, Chicago 1940; R. Fricker, Der moderne englische Roman (Kleine Vandenhoeck-Reihe), Göttingen 1958 (mit Analysen einzelner Werke).
Namenverceichnis D i e fettgedruckten Zahlen verweisen a u f die Hauptstellen, die kursiv gedruckten a u f den bibliographischen Anhang Addison, J o s e p h 43, 53, 162, 191, 199, 261 Aeschylus 148, 352, 498, 499 A l e m b e r t , J e a n L e r o n d d' 243 Angelico, F r a 476 A n n a , K ö n i g i n 444 Archer, William 512 Aristoteles 233, 257, 368 Arnold, M a t t h e w I X , 170, 310, 3 6 4, 365. 366, 382, 385, 458, 475, 4 9 ° . 5 1 1 Asquith, Herbert 382 Augustin (Kirchenvater) 527 Aurel, M a r c 378 Austen, J a n e 3 1 8 , 4 5 7 B a c h , J o h a n n Sebastian 472 B a c o n , F r a n c i s 8 1 , 1 6 0 — 1 7 0 , 215, 221, 223, 246, 251, 265, 377, 388, }}0 B a c o n , R o g e r 24, 61, 216 Balzac, H o n o r é de 38, 318, 442 Baring, Maurice 213 Baudelaire, Charles 485 B e a u m o n t , Francis 73 B e c k e t , T h o m a s zi, 24, 26 Beda 2 Bell, A n d r e w 428 Belieferest, François de 134 Benson, Stella 502 Bentham, J e r e m y 231, 365, 366, 375. 3 7 8 . 391 Berkeley, G e o r g e 214, 243, 267, fi» Black, William 499 Blackstone, Sir William 232 Blake, G e o r g e 499 B o c c a c c i o , G i o v a n n i 25, 26, 39 B o d m e r , J o h a n n J a k o b 170 B ö h m e , J a k o b 472 Boswell, J a m e s 392 Bridges, R o b e r t 512 B r i g h t , J o h n 406 B r i o n , Friederike 280 B r o n t ê , Schwestern 457 B r o w n i n g , Elizabeth Barrett 365, 367, 458, 4 7 3 — 4 7 5 . 4 7 9 . ! } ' B r o w n i n g , R o b e r j 60, 365, 366, 458, 473-475, 474, 512, 523, 527, J}i Bruce, R o b e r t 51 Brunetière, Ferdinand 374 Buccleugh, Laird von 317 Buckle, H e n r y T h o m a s 263, 374
B ü r g e r , G o t t j i e b August 49, 58, 60, 317 Bulthaupt, Heinrich 132 Bulwer-Lytton, E d w a r d G e o r g e 408 Bunyan, J o h n 195, 196, 444 Burke, E d m u n d 215, 233—242,
Cowper, William 269, 283, 289, 301, 316 Crabbe, G e o r g e 363 Cromwell, Oliver 172, 222, 224,
265, 3'7> 3 8 4 , Jß B u r n e - J o n e s , E d w a r d 481 Burns, R o b e r t 283—294, 297, 301, 316, 317, 324, 390, 391, 39 2 > 4 4 2 . 5*6, B u r t o n , J o h n Hill 243 Butler, Samuel 366 B y r o n , G e o r g e G o r d o n L o r d 81, 269, 294, 295, 303, 318, 3 2 5 — 3 4 3 . 352. 362, 363, 385. 408, 458, 491, 512, 523, j ) i
D a m p i e r , William 193 D a n t e Alighieri 42, 61, 110, 212, 297. 347, 350, 387. 388, 389. 394, 395, 397, 4 ° * , 464, 477, 527 D a r w i n , Charles 266, 363, 365, 3 6 7 — 3 7 4 , 375, 380, 395, J 3 ' D a r w i n , E r a s m u s 257 Davidson, J o h n 512 D e f o e , Daniel 65, 1 8 7 — 1 9 9 , 203, 318, 501, ; ) 0 D e la M a r e , Walter 521 Dennis, J o h n 268 D e Quincey, T h o m a s 295 Descartes, R e n é 148, 162, 249 D i c k e n s , Charles 41, 199, 260, 266, 282, 318, 365, 366, 367, 397, 4 ° o , 4 ° 7 , 4 0 8 — 4 4 3 , 446, 4 5 2 , 475, 506, 5 } i Dilke, Sir Charles 490 Dingelstedt, Franz 87 Disraeli, B e n j a m i n 364, 365 D o s Passos, J o h n 199 D o s t o j e w s k i j , F e d o r Michailo-
Cabot, Sebastian 63 Cäsar, Julius 1, 126 Caine, Henry Hall 499 Calderón, Pedro 75 Calvin, J o h a n n e s 183, 259, 363 Campbell, Mary 290 Cardigan, L o r d 460 Carducci, Giosuè 355 Carlyle, T h o m a s 61, 72, 73, 170, 260, 265, 283, 293, 317, 363, 364, 365, 366, 380, 384—396, 397. 399. 406, 428, 443, 447, 458. 473. 475. ! ) ' Castiglione, Z a n o 74 Cervantes, Miguel de C. Saavedra 109 Charlie, Prince 284 Charron, Pierre 242 Chateaubriand, F . R . de 330 Chaucer, Geoffrey 2, 2 1 — 4 3 , 72, 109, 482, 483, 523, 524, Chesterton, Gilbert K e i t h 199 Chrestien de T r o y e s 23 Cicero, Marcus Tullius 112, 384 Cobden Richard 406 Colbert, Jean-Baptiste 259, 260 Coleridge, Samuel T a y l o r 60,148, 233, 289, 294, 295, 296, 301, 303, 305. 3 1 1 — 3 1 6 , 317. 3^6, 363, 393. 447, Colet, J o h n 63, 64 Comte, Auguste 375, 377, 450 Conrad, J o s e p h 199, 501, 502 Cooper, James F e n n i m o r e 199
259, 363, 385. 3 9 ° . 392, 393 Cross, J o h n 449
witsch 81, 526 Douglas, G e o r g e 499 Douglas, G r a f 51, 52, 53 D o y l e , A r t h u r Connan 502 Droste-Hülshoff, Annette v o n 297 Dryden, J o h n 282 D u B o i s - R e y m o n d , E m i l 373 D u n s Scotus 24, 61, 216, 223 E c k a r t , Meister 61, 186, 472 E c k e r m a n n , J o h a n n Peter 73, 133, 364, 373 E d w a r d I I I . , K ö n i g 22 Eichendorff, J o s e p h v o n 326 E l i o t , G e o r g e 195, 365, 366, 367, 4 ° 7 , 4 4 9 — 4 5 7 . 5°2, 524, j ß i E l i o t , T h o m a s Stearns V I I I , 311, 5 2 7 — 5 2 8 , ;)2 Elisabeth I., K ö n i g i n 74, 77, 109, 1 7 1 . 215, 317, 428 Elliot, E b e n e z e r 458
Namenverzeichnis
534
Emerson, Ralph Waldo VII, 170, 394 Epikur 249 Erasmus von Rotterdam 63, 65, 164 Euklid 255 Essex, Graf 148 Fenwick, Miss 296 Fergusson, Robert 291 Feuerbach, Ludwig Anselm 450 Fichte, Johann Gottlieb 585, 387, 39°. 395 Fielding, Henry 40, 4 1 , 199, 279, 280, 440, 444 Filmer, Robert 225, 228, 363 Flaubert, Gustave 526 Fletcher, John 73 Fontane, Theodor 60 Forster, Edward Morgan 502 Forster, John 430, 433 Freiligrath, Ferdinand 44, 285, 312.
J 3
1
Fricker, Sara 302 Friedrich d. Gr., König 385 Froissart, Jean 2, 53, 321 Froude, James Anthony 490 Galilei, Galileo 520 Galsworthy, John 506—515, ;)z Gaskell, Elizabeth Cleghorn 457 Gautier, Théophile 527 Geibel, Emanuel 170 Gentz, Friedrich von 233, 265 Geoffrey von Monmouth 149 George, Stefan 367, 479, 485 Giles, Peter 66 Gissing, George 366 Gloster, Herzog von 89 Godwin, Mary 344 Godwin, William 233, 344, 352, 376 Goethe, Johann Wolfgang von 43> 5°> 58, 60, 73, 79, 81, 82, 85, 110, 133, 135, 137, 145, 146, 154, 169, 170, 1 7 1 , 192, 242, 248, 252, 269, 280, 281, 283, 286, 288, 293, 307, 3 1 1 , 317, 325> 327> 33°. 334. 335. 338, 339. 343. 35°. 35i, 360, 364, 3 6 8 . 373. 374, 3 8 3. 3 8 4, 3 8 6 , 397. 3 8 8 , 391. 394, 395, 396, 444. 467, 471, 49 8 Goldoni, Carlo 342 Goldsmith, Oliver 40, 60, 162, 191, 192, 269, 276—283, 318, 363, 44°, 512, 527. i ) ' Gooch, G. P. 233 Gosse, Edmund 512 Gray, Thomas 269, 270—276, 283, 286, 351, 496, j } i Green, Thomas Hill 383 Greenwood, Walter 499 Gregor d. Gr., Papst 2
Gregory, Isabella Augusta 366, 490 Grimm, Jacob 386; Jacob und Wilhelm 44 Grocyn, William 63 Grotius, Hugo 221, 225 Haggard, Henry Rider 502 Halifax, Charles Montagu Lord 225 Hallam, Arthur H. 465 Halley, Edmund 193 Hardy, Thomas 276, 366, 492, 49fr—499, 500, 502, 512, 5 } 2 Harrington, James 225 Hartley, David 257 Hastings, Warren 233 Haydn, Joseph 179 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 62, 96, 268, 375, 383 Heine, Heinrich m Heinrich II., König 21 Heinrich VII., König 63 Heinrich VIII., König 64, 66, 75. 223 Helps, Sir Arthur 397 Hemingway, Ernest 199 Henley, William Ernest 521 Herbert, George 397 Herder, Johann Gottfried 43, 44, 46, 170, 192, 2 1 3 , 241, 269, 278, 280, 283, 374 Hesiod 352 Hobbes, Thomas 195, 215, 216—225, 232, 251, 255, 263, 264, 33. 375, 383> J3° Hodson, James Lonsdale 499 Hoffmann, E. Th. A. 423 Hölderlin, Friedrich 312 Holinshed, Raphael 89, 125 Homer 19, 173, 462 Hood, Thomas 365, 366, 458 Hughes, Richard 502 Hugo, Victor 294 Humboldt, Wilhelm von 376, 377, 378, 381. 382, 383 Hume, David 214, 241, 242—257, 260, 262, 263, 266, 267, 375, J } °
Hunt, Leigh 295 Hutten, Ulrich von 62 Huxley, Thomas Henry 370, 374 Ibsen, Henrik 365, 512 Irving, Washington 383, 501 Jahn, Friedrich Ludwig 241 Jakob, König von Schottland 51 Jakob I., König von England 155, 1 7 1 , " 5 James, Henry 502 James, William 259, 522, 525 Jerome, Jerome K . 502 Johann ohne Land, König 21 Johann von Gaunt 25, 89
Johnson, Hester 2 1 1 Johnson, James 291 Johnson, Samuel 88, 126, 1 9 1 , 242, 279, 378, 386, 39°, 3 9 1 , 501 Jones, Jack 499 Jonson, Ben 43, 51, 73, 133 Josua 184 Joyce, James 502 Jusserand, J . 20 Kant, Immanuel I X , 192, 226, 242, 243, 251, 265, 303, 312, 358, 383 Karl I., König 222, 224, 230 Karl II., König 223 Karl von Kastilien 223 Kaye-Smith, Sheila 499 Keats, John 295, 325, 349, 355—362, 363, 385, 458, 465, 4 8 5, ! ) ' Keble, John 446 Kingsley, Charles 195, 365, 366, 367, 399. 407, 428, 446—449, J P
Kipling, Rudyard 199, 366, 492, 501, 502, 521, 523 Kleist, Heinrich von 87 Klopstock, Friedrich Gottlieb 170, 312 Knox, John (Reformator Schottlands) 389, 390 Knox, John (Seefahrer) 193 Kolumbus, Christoph 63 Kopernikus, Nikolaus 221, 520 Kyd, Thomas 135 Laboulaye, Édouard de 376 Lamarck, Jean-Baptiste de 368 Lamb, Charles 41, 162, 377 Lancaster, Heinrich von 89 Lancaster, Joseph 428 Landor, Walter Savage 169 Langland, William 40, 54 Larochefoucauld, François de 167 Leibniz, Gottfried Wilhelm 232, 266, 371 Leicester, Graf 324 Lessing, Gotthold Ephraim 77, 170, 192, 233, 364 Lewes, George Henry 449, 457 Lietz, Hermann 407 Liliencron, Rochus von 60 Linacre, Thomas 63 Linklater, Eric 199 Locke, John 215, 216, 226—233, 242, 243, 244, 249, 251, 255, 260, 264, 305, 363, 377, j ) 0 Lockhart, John Gibson 294, j j i Loewe, Carl 44, 45, 49 London, Jack 199 Longfellow, Henry Wadsworth 365 Lope de Vega 75
Namenverzeichnis L u d w i g X I V . , K ö n i g von Frankreich 225, 260 L u d w i g , Otto 108, 124 Luther, Martin 186, 259, 589, 39°. 392. 393. 395 L y l y , J o h n 77 Macaulay, Rose 367 Macaulay, Thomas Babington 22, 169, 233, 278, 363 Macdonald, G e o r g e 499 Macdonald, Ramsay 523 Machiavelli, Niccolò 64, 74, 1 6 3 , 363 Macpherson, James 43 Malory, Sir Thomas 407, 479, 482 Malthus, Thomas Robert 266, 366, 368, 369, 3 8 1 , 406 Mandeville, Bernard 252, 265, 375, J ) i Maria Stuart, K ö n i g i n 74, 390 Marlborough, Herzog v o n 444 Marlowe, Christopher 73, 76, 77, 78—86, 98, 1 1 0 , 146, ;)0 Marryat, Frederick 199, 501 Marvell, Andrew 527 Marx, Karl 266, 406 Masefield, J o h n 199, 489, 492, 523—526, } } 2 Massinger, Philip 73 Maurice, Denison 195, 399, 428, 447 Meredith, G e o r g e 345, 365, 491—496, joo, 5 1 1 , 526, ¡}2 Meyerbeer, Giacomo 471 Miegel, A g n e s 60 Mill, James 366, 375, 378 Mill, J o h n Stuart 237, 3 1 0 , 363, 365, 366, 375—384, 4 ° 3 , 406, 457, 49°, } ) * Milton, J o h n 81, 82, 1 7 0 — 1 8 7 , 225, 230, 233, 2 5 1 , 260, 269, 295, 3 ° 5 , 3°6, 35 2 > 377, 37», 3 8 5 , 399, 4 ° 5 , 406, ! } 0 Mohammed 386, 387, 388, 390,
Napoleon
295,
309,
325,
535 333,
39 2 » 393, 394 Nelson, Horatio 509 N e w b o l t , William Henry 521 N e w m a n , J o h n Henry 446, 447 N e w t o n , Isaac 193, 2 1 2 , 2 2 1 , 3 7 1 , 378, 520 Nietzsche, Friedrich 81, 356, 380 N o r f o l k , Herzog v o n 89 Novalis 297 Occam, William von 24, 6 1 , 2 1 6 Ossian 43, 46, 269 Otway, Thomas 282 O v i d 487 Pater, Walter 366 Payne, Thorns 376 Percy, Graf v o n Northumberland 5 1 , 53 Percy, Thomas 43, 269, 282, 309, 317 Petrarca, Francesco 25, 36, 62 Petty, Sir William 261 Philipotts, E d e n 499 Pico della Mirandola 65 Pitt, William d. Ä . , 233 Pitt, William d. J . 233 Platen, August Graf v o n 37, 3 1 2 Plato 64, 66, 67, 7 1 , 1 3 2 , 2 1 5 , 257, 3 ° 5 , 344, 385, 394 Plautus 77 Plutarch 1 2 5 , 1 3 2 Poe, E d g a r Allan 199, 477, 501, 502 Pope, Alexander 192, 194, 242, 2 5 1 , 267, 269, 294, 467 Powys, J o h n Cowper 499 P o w y s , Theodore Francis 499 Price, Richard 234 Priestley, Joseph 257 Protagoras 2 1 4 Pusey, E d w a r d 446 Quesnay, François 260
1
3 9 , 395 Molière, Jean-Baptiste 342, 434 Molina, Tirso de 342 Montaigne, Michel de 43, 1 4 5 , 164, 167, 394 Montesquieu, Charles-Louis de 192, 232, 264 Moore, G e o r g e 366, 490 More, Sir Thomas 6 1 — 7 2 , 2 1 5 , J)o Morris, William 364, 365, 366, 406, 407, 475, 481—484, j ) i Morton, Kardinal 64, 66 Moses 184 Mozart, Wolfgang Amadeus 342 Müller, A d a m 265 Müller, Wilhelm 326 Murray, J o h n 342
Raffael 476 Raleigh, Sir Walter 98 Ramsay, Allan 291 Ricardo, D a v i d 266, 366, 403, 405, 406 Richard I. Löwenherz, K ö n i g 2 1 , 54, 406 Richard II., K ö n i g 25, 5 1 , 89 Richard III., K ö n i g 65, 89 Richardson, Samuel 196, 27c Richter, Jean Paul 384 Robert, K ö n i g von Schottland 51 Robynson, Ralph 65, j)0 Rockingham, L o r d 233 Rossetti, Christina 365, 480—481 Rossetti, Dante Gabriel 60, 365, 366, 475, 476—480, 523. J } '
Rousseau, Jean-Jacques 43, 1 8 5 , 196, 233, 243, 294, 3 9 ° , 392, 395 Ruskin, J o h n 266, 363, 365, 384, 396—407, 428, 443, 476, 4 8 1 , 1 ) 1 Russell, Bertrand 383
155, 331, 366, 475,
Saint-Hilaire, G e o f f r o y 368 Saint-Simon, Claude Graf v o n 375, 377 Salisbury, Johann von 225 Savonarola, Girolamo 449 Saxo Grammaticus 134, 1 3 5 Schelling, Friedrich Wilhelm J o seph 239, 3 1 2 Schiller, Friedrich von 60, 89, 106, 1 2 5 , 199, 252, 275, 383, 5 1 2 , 520 Schiller, F . C. S. 374 Schlegel, August Wilhelm v o n 87, 93, 97, 140, 388, ;)0 Schleiermacher, Friedrich 383 Schopenhauer, Arthur 324, 473, 496, 515 Schreiner, Olive 366 Schubert, Franz 460 Schumann, Robert 338, 460 Scott, Sir Walter 22, 54, 60, 74, 294, 296, 309, 3 l 6 , 3 1 7 — J 2 4 , 363, 365, 408, 420, 444, 447, 496, 499, J } ' Seeley, J o h n Robert 490 Selkirk, Alexander 193 Shaftesbury, dritter G r a f 252, 256 Shakespeare, William 26, 42, 7 3 — 1 6 ° > 170, 1 7 1 , 1 7 5 , 2 1 3 , 267, 268, 282, 295, 3 1 5 , 324, 336, 387, 388, 389, 395, 408, 443, 467, 468, 494, 5 1 1 , 5 1 2 , 520, 526, 527, ; ) o Shaw, Bernard 126, 342, 489, 4 9 1 , 492, 5 1 1 , 5 1 2 , 5 1 5 ^ - 5 2 1 , 522, Shelley, Percy Bysshe 295, 303, 3 2 5> 3 3 1 , 343—355, 35», 3 6 ° , 362, 363, 364, 385, 458, 4 9 1 , 51*. ! } ' Sheridan, Richard Brinsley 5 1 2 Sidney, Algernon 225 Sidney, Sir Philip 43, 5 1 , 1 4 9 , 1 5 2 , 324 Simon von Montfort 58 Smith, A d a m 229, 243, 2 5 7 — 2 6 7 , 366, 398, 399, Smollett, Tobias G e o r g e 199, 279, 280, 440 Sokrates 378 Sophokles 148, 355 Southey, Robert 295 Spencer, Herbert 216, 365, 374, . 376, 449 Spenser, E d m u n d 37, 1 7 3 , 192, 269, 3 1 7 , 324, 352
536 Spies, Johann 79 Spinoza, Baruch 375, 492 Steele, Sit Richard 162, 191 Steinbeck, John 199 Stephen, James Fitzjames 376 Stephen, Leslie 276 Sterne, Laurence 279 Stevenson, Robert Louis 199, 492. 499—5° 2 Stifter, Adalbert 312 Strafford, Graf 363 Strauß, David Friedrich 450 Street, Arthur George 499 Strindberg, August 157 Surrey, Henry Howard Graf 77 Swedenborg, Emanuel 394 Swift, Jonathan 65, 191, 193, 199—215, 267, 280, 446, f)0 Swinburne, Algernon Charles 60, 365. 3 66 > 475. 485—489. 491. 523> } } ' Synge, John Millington 366, 490, 521 Taine, Hippolyte 232, 374 Tennyson, Alfred Lord 60, 363, 366, 443, 458—468, 512, 523, J}' Terenz 77, 343 Thackeray, William Makepeace 214, 318, 363, 365, 367, 407, 408, 443—446, 452, 526, ; ) i
Namenverzeichnis Thomas von Aquino 1 1 6 , 258 Thompson, Francis 521—522, Thomson, George 285, 291 Thomson, James 283, 462 Tieck, Ludwig 87, ;}o Treitschke, Heinrich von 172, 376 Trevelyan, George Macaulay 237 Tschaikowsky, Peter 338 Turgot, Anne Robert Jacques 261, 26; Turner, J . M. W. 397 Uhland, Ludwig 22, 60 Vanhomrigh, Hester 2 1 1 Vaugham, Hilda 499 Vauvenargues, Marquis de 167 Vergil 139 Verlaine, Paul 485, 527 Verne, Jules 502 Vespucci, Amerigo 65, 66 Viktoria, Königin 364 Vischer, Friedrich Theodor 88 Vogler, Abt 471 Voltaire 192, 232, 520 Wallace, König von Schottland 286
Wallace, Alfred Rüssel 386, 373 Wallace, Edgar 502 Watt, James 266 Webb, Mary 499 Weber, Karl Maria von 471 Wells, Herbert George 502—506, 510. I } 2 Wesley, John 195 Whitman, Walt 491 Wiclif, John 24, 25 Wilde, Oscar 490, 521 Wilhelm der Eroberer 1, 2 1 , 497 Wilhelm III., König 224, 230, 261 Wolfe, James 269 Wolff, Kaspar Friedrich 368 Wordsworth, Dorothy 296, 306, 307, 308 Wordsworth, William 60, 170, 267, 275, 294, 2 9 5 - 3 1 1 , 312, 316, 317, 326, 329, 345, 347, 350, 360, 363, 365, 385, 438, 441, 49'. 527. 13* Xenophon 257 Yeats, William Butler 366, 490, 5 " , 5*3 Young, Edward 193, 212 Young, Francis Brett 499 Zola, fimile 365
S achverzeichnis Abt Vogler (Browning) 471 Aufklärungszeit 242 Balladen 43, 283, 729 A Ballad of Dreamland (Swinburne) 485 Barockzeitalter 170 The Beggar's Daughter of Bednall Green (Ballade) 57 Beowulfepos 3—20, 729 The Blessed Damozel (Rossetti) 474 By the North Sea (Swinburne) 488 The Canterbury Tales (Chaucer) 26—43. J29 The Charge of the Light Brigade (Tennyson) 460 A Child's Laughter (Swinburne) 487 Childe Harold's Pilgrimage (Byron) 326—333 The Chimes (Dickens) 414—417 A Christmas Carol in Prose (Dickens) 4 1 1 , 421—428 The Cricket on the Hearth (Dickens) 417—420 Composed upon Westminster Bridge (Wordsworth) 308 Crossing the Bar (Tennyson) 459 David Copperfield (Dickens) 439 bis 442 Doctor Faustus (Marlowe) 79 bis 86, ; } o Dombey and Son (Dickens) 436 bis 439 Don Juan (Byron) 339—343 Drama, Anfänge 75; Problemdrama 5 1 1 The Earthly Paradise (Morris) 482—484 Edward (Ballade) 45 Elegy Written in a Country Churchyard (Gray) 270—276, /if Empirismus 226, 242 An Enquiry Concerning Human Understanding (Hume) 244 bis 251. J)0 An Enquiry Concerning the Principles of Morals (Hume) 253 bis 257, j ) 0
An Enquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (Smith) 261—267, j ) i Essays (¡Bacon) 160—170, J30 The E v e of St. Agnes (Keats) 360—362 Evelyn Hope (Browning) 469 The Everlasting Mercy (Masefield) 523—526 Findlay (Burns) 289 A Forsaken Garden (Swinburne) 487 The Forsyte Saga (Galsworthy) 507—511 Germanentum 1 Gin a Body (Burns) 292 Gulliver's Travels (Swift) 199 bis 215, /30 Hamlet (Shakespeare) 133—148 The Heart of Midlothian (Scott) 318—320 Historien Shakespeares 87 The Hound of Heaven (Thompson) 522, }}2 The House of Life (Rossetti) 475 The Hunting of the Cheviot (Ballade) 51—53 Hypatia (Kingsley) 447-449 Inclusions (E. B. Browning) 474 In Memoriam A. H. H. (Tennyson) 465—468 Is there, for honest poverty (Burns) 284 Ivanhoe (Scott) 320—322 I wandered lonely as a cloud (Wordsworth) 306 John Anderson (Burns) 286 John Barleycorn (Burns) 288 Julius Caesar (Shakespeare) 125 bis 133 Kcnilworth (Scott) 322—324 King Henry I V (Shakespeare) 98—110 King Lear (Shakespeare) 148 bis 154 King Richard II (Shakespeare) 89—98 Klassizismus 267 Komödien Shakespeares n o
The Lady of Shalott (Tennyson) 464 Leviathan (Hobbes) 217—226, 5}» Lines Composed a Few Miles above Tintern Abbey (Wordsworth) 298—301 Lines Written in Early Spring (Wordsworth) 297 The Lotos-Eaters (Tennyson) 462—464 Love among the Ruins (Browning) 470 Manfred (Byron) 334—338 Martin Chuzzlewit (Dickens) 432 bis 436 The Merchant of Venice (Shakespeare) n o — 1 2 0 Middlemarch (G. Eliot) 45 3 bis 457 Moralphilosophie 251 Monna Innominata (Chr. Rossetti) 480 Mutability (Shelley) 351 My heart leaps up (Wordsworth) 302 My Last Duchess (Browning) 468 My Luve is like a red, red rose (Burns) 292 Neueste Dichtung 521, Nicholas Nickleby (Dickens) 429 bis 432 Normannentum 21 The Not-Browne Mayd (Ballade) 58 Ode — Intimations of Immortality (Wordsworth) 303—306 Ode on a Grecian Urn (Keats) ?56—358 Ode to the West Wind (Shelley) 347—35° Of Civil Government (Locke) 228—231, J ) 0 On the Grasshopper and the Cricket (Keats) 355 On Heroes, Hero-Worship and the Heroic in History (Carlyle) 384—396 On Liberty (Mill) 375 — 384 The Ordeal of Richard Feverel (Meredith) 493—496 The Origin of Species (Darwin) 367—374 Oxforder Bewegung 446, 476
53»
Paradise Lost (Milton) 173—187 Präraffaelismus 475 Prometheus Unbound (Shelley) 352—355 Reflections on the Revolution in France (Burke) 234—242 Renaissance 21, 74 The Rime of the Ancient Mariner (Coleridge) 312—316 Robin Hood and the Bishop of Herford (Ballade) 54 Robinson Crusoe (Defoe) 187 bis 199 Romankunst 279, 407 Romantik 268, 294 Saint Joan (Shaw) 516—521 Scots, wha hae wi' Wallace bled (Burns) 287 Silas Marner (G. Eliot) 450—453 Sir Patrick Spens (Ballade) 49 Sister Helen (Rossetti) 477—479
Sachverzeichnis The Solitary Reaper (Wordsworth) 301 Song (Christina Rossetti) 480 Sonnets from the Portuguese (E. B. Browning) 474 Staatslehre 215, 233 Strife (Galsworthy) 513—515 Sweet and L o w (Tennyson) 460 TheTables Turned (Wordsworth) 298 Tam O'Shanter (Burns) 288 The Tempest (Shakespeare) 155 bis 160 Tess of the d'Urbervilles (Hardy) 496—499 To Autumn (Keats) 358—360 T o the Cuckoo (Wordsworth) 308 T o Mary in Heaven (Burns) 290 T o a Skylark (Shelley) 345—347 Tono-Bungay (Wells) 503—506 Treasure Island (Stevenson) 500
The Twa Corbies (Ballade) 47 The Twa Sisters (Ballade) 47 Twelfth Night (Shakespeare) 120 bis 125 Ulysses (Tennyson) 464 Unto this Last (Ruskin) 397 bis 407 Utopia (More) 61—72 Vanity Fair (Thackeray) 444 bis 446 The Vicar of Wakefield (Goldsmith) 276—283 Viktorianisches Zeitalter 353, 489. J)i Volkswirtschaftslehre 257 Wuthering Heights Bronte) 457 Yarrowgedichte 309
(Emily
(Wordsworth)
FRIEDRICH
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Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache 18. A u f l a g e bearbeitet v o n Walther Mitzka Groß-Oktav. X V I , 9 1 7 Seiten, i960. Kunststoffeinband
„ R a s c h ist eine weitere A u f l a g e des Klugeschen Buchs notwendig geworden. Sie stammt wieder aus der bewährten Hand von Walther Mitzka. Die Grundeinstellung, inmitten des unruhigen Stroms der etymologischen Forschung einen mittleren K u r s zu steuern, ist auch jetzt mit G l ü c k beibehalten worden. Dies ist zu begrüßen. Das wieder beigegebene, gegenüber früher erweiterte Sachverzeichnis ist gewiß vielen Benutzern w i l l k o m m e n . "
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