Die fiktive Institution als ästhetische Strategie: Gérard Gasiorowskis »Académie Worosis Kiga« im zeitgenössischen Kontext 9783839443835

The »fictitious institution« as a formerly neglected form of artistic critique around 1968 that - unlike other trends of

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Inhalt
1. Einleitung
Einleitung
1.1 Definition der »fiktiven Institution«
1.2 Verortung der fiktiven Institution im Hinblick auf historische Vorläufer der Institutionskritik in der Kunst und die aktuelle Forschungsperspektive
2. Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)
Einleitung
2.1 Die Ausstellung in der Galerie Maeght, 1982
2.2 Die Ringbücher Gasiorowskis
2.3 Verortung im Gesamtwerk
2.4 Kleine Ikonografie des Huts
3. Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen
Einleitung
3.1 Individuum und Gesellschaft um 1968
3.2 Bewegungen in der Kunst
4. Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte
4.1 Jörg Immendorff, »LIDL« (1968-1970)
4.2 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« (1968-1972)
4.3 Claes Oldenburg, »Maus Museum« (1972-1977)
5. Aneignung und Subversion
Einleitung
5.1 Die Objekte: Reale Spuren, fiktive Dokumente
5.2 Grenzüberschreitungen: Die fiktive Institution im realen Raum
5.3 Befragung der Künstlerrolle
6. Conclusio und Ausblick
7. Anhang
7.1 Quellen- und Literaturverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis
7.3 Dank
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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie: Gérard Gasiorowskis »Académie Worosis Kiga« im zeitgenössischen Kontext
 9783839443835

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Theresa Nisters Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

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Theresa Nisters (Dr. phil.), geb. 1987, ist wissenschaftliche Volontärin am Städel Museum, Frankfurt am Main. Sie studierte in Köln und Rom Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Germanistik. Nach einem DAAD-Forschungsstipendium in Paris promovierte sie als Stipendiatin der a.r.t.e.s.-Graduiertenschule im Fach Kunstgeschichte an der Universität zu Köln. Ihr Forschungsinteresse gilt transnationalen und interdisziplinären Strömungen in den Künsten des 20. und 21. Jahrhunderts sowie Institutionengeschichte und -kritik.

Theresa Nisters

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie Gérard Gasiorowskis »Académie Worosis Kiga« im zeitgenössischen Kontext

Die vorliegende Publikation wurde 2017 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar.

© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: »l’attentat«, la Bergerie, 1981 © Colette Portal Satz: Jan Wenke, Leipzig Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4383-1 PDF-ISBN 978-3-8394-4383-5 https://doi.org/10.14361/9783839443835 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

1. Einleitung  | 9 1.1 Definition der »fiktiven Institution« | 11 1.1.1 Das Beispiel der »Académie Worosis Kiga« (1976-1982) | 12 1.1.2 Fragestellungen, Hypothesen und Zielsetzungen | 15 1.2 Verortung der fiktiven Institution im Hinblick auf historische Vorläufer der Institutionskritik in der Kunst und die aktuelle Forschungsperspektive | 16

2. Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)  | 33 2.1 Die Ausstellung in der Galerie Maeght, 1982 | 35 2.2 Die Ringbücher Gasiorowskis | 47 2.2.1 Die Geschichte laut Beobachterbericht | 50 2.2.2 Sonstige Dokumente in den Akademieringbüchern | 56 2.2.3 Die Bedeutung der Textform für den Beobachterbericht | 61 2.3 Verortung im Gesamtwerk | 64 2.3.1 Chronologie | 65 2.3.2 Genese der Akademiefiktion | 83 Rekonstruktion der Arbeitsphasen | 83 Die Geburt Kigas | 88 Spiel der Signaturen | 94 2.4 Kleine Ikonografie des Huts | 98 2.4.1 Soziokultureller Hintergrund | 99 2.4.2 Farbwahl | 103 2.4.3 Die Hüte der Akademie | 105 2.4.4 Inversion | 108

3. Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen  | 115 3.1 Individuum und Gesellschaft um 1968 | 116 3.1.1 »Phantasie an die Macht« | 119 3.1.2 Das Verschwinden des Subjekts | 122 3.1.3 Mythen und Institutionskritik | 125

3.2 Bewegungen in der Kunst | 128 3.2.1 Kunst als Spiegel der Realität | 129 3.2.2 Problematisierung der Autorschaft bei der Suche nach neuen Zeichen | 133 3.2.3 Auseinandersetzung mit den Institutionen | 141

4. Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte  | 147 4.1 Jörg Immendorff, »LIDL« (1968-1970) | 147 Exkurs: Der Lehrer Joseph Beuys | 156 4.2 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« (1968-1972) | 166 4.3 Claes Oldenburg, »Maus Museum« (1972-1977) | 183

5. Aneignung und Subversion Die fiktive Institution zwischen Ar tefakt und Per formanz  | 197 5.1 Die Objekte: Reale Spuren, fiktive Dokumente | 200 5.1.1 Materialien | 200 Jörg Immendorff, »LIDL« | 201 Claes Oldenburg, »Maus Museum« | 209 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« | 214 Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« | 220 5.1.2 Ordnungsprinzipien | 228 Claes Oldenburgs und Marcel Broodthaers’ fiktive Museen | 229 Jörg Immendorffs und Gérard Gasiorowskis fiktive Akademien | 236 5.1.3 Wort-Objekt-Relation | 249 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« | 250 Jörg Immendorff, »LIDL« | 258 Claes Oldenburg, »Maus Museum« | 264 Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« | 267 5.2 Grenzüberschreitungen: Die fiktive Institution im realen Raum | 272 5.2.1 Repräsentationsräume einer neuen Ordnung | 274 Claes Oldenburg, »Maus Museum« | 274 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« | 280 Jörg Immendorff, »LIDL« | 284 Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« | 294 5.2.2 Diffusionsräume | 301 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« | 302 Claes Oldenburg, »Maus Museum« | 308 Jörg Immendorff, »LIDL« | 309 Gerard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« | 315

5.3 Befragung der Künstlerrolle | 321 5.3.1 Alter Ego | 325 Marcel Broodthaers | 325 Jörg Immendorff | 328 Claes Oldenburg | 331 Gérard Gasiorowski | 336 5.3.2 Kooperation | 343 Jörg Immendorff, »LIDL« | 345 Claes Oldenburg, »Maus Museum« | 348 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« | 352 Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« | 354

6. Conclusio und Ausblick  | 361 7. Anhang  | 369 7.1 Quellen- und Literaturverzeichnis | 369 7.1.1 Wörterbücher und Lexika | 369 7.1.2 Publikationen der Künstler | 370 Jörg Immendorff | 370 Marcel Broodthaers | 370 Claes Oldenburg | 371 7.1.3 Ausstellungskataloge und Aufsätze in Ausstellungskatalogen | 372 Gérard Gasiorowski | 372 Jörg Immendorff | 374 Marcel Broodthaers | 377 Claes Oldenburg | 380 Weitere | 382 7.1.4 Sekundärliteratur | 397 Gérard Gasiorowski | 397 Jörg Immendorff | 397 Marcel Broodthaers | 397 Claes Oldenburg | 400 Weitere | 400 7.1.5 Zeitschriftenartikel | 431 Gérard Gasiorowski | 431 Jörg Immendorff | 432 Marcel Broodthaers | 433 Claes Oldenburg | 433 Weitere | 433 7.1.6 Online- und sonstige Quellen | 435 Gérard Gasiorowski | 435 Jörg Immendorff | 435 Marcel Broodthaers | 435 Claes Oldenburg | 436 Weitere | 436

7.1.7 Archivquellen | 439 Archiv des ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris | 439 Archiv Galerie Maeght, Paris | 439 Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart | 439 Joseph Beuys Archiv / Stiftung Museum Schloss Moyland | 439 documenta Archiv, Kassel | 440 IMEC, Abbeye d’Ardenne, Saint-Germain-la-Blanche-Herbe | 440 Archiv Philippe Agostini | 440 Archiv Colette Portal | 440 Archiv Dirk Teuber | 440 7.2 Abbildungsverzeichnis | 441 7.3 Dank | 447

1. Einleitung

Der Wissenschaftler, der annimmt, er widme sich ausschließlich der Suche nach der Wahrheit, täuscht sich selbst […]. Er sucht nach System, Einfachheit, Reichweite, und wenn er in diesen Punkten befriedigt ist, schneidet er die Wahrheit so zurecht, daß sie paßt. Die Gesetze, die er aufstellt, verordnet er ebensosehr, wie er sie entdeckt, und die Strukturen, die er umreißt, entwirft er ebensosehr, wie er sie herausarbeitet.1

1978 formulierte Nelson Goodman mit Blick auf die Wissenschaft eine der mannigfaltigen »Weisen der Welterzeugung« und hielt in zugespitztem Wortlaut fest, dass das Begreifen einer Gegebenheit unweigerlich mit deren Schöpfung verbunden ist.2 Damit formulierte er zugleich einen Kernpunkt der künstlerischen Projekte, denen die vorliegende Arbeit gewidmet ist. Auch deren titelgebende Wortkomposition »fiktive Institution«3 vereint Beobachtung und Hypothese. Denn sie ist aus der Notwendigkeit heraus geboren, einem Phänomen künstlerischer Produktion näher zu kommen, dem als solches in der Kunstgeschichte noch keine Beschreibung und dementsprechend noch keine Bezeichnung zugedacht wurde. Ausschlaggebende Beobachtung war es diesbezüglich, dass im Zeitraum um 1970 auffällig häufig künstlerische Arbeiten entstanden, die sich im Gegensatz zur etwa zeitgleich aufkommenden Land Art nicht ostentativ vom Kunstmarkt und dessen Institutionen distanzierten, sondern sich diesen formal annäherten. Die Künstler machten sich in ihren Arbeiten vorhandene Organisationsformen und Ordnungssysteme offizieller Institutionen des Kunstbetriebs zu eigen und überführten sie in ein persönliches Bezugssystem, in dem herkömmliche Beurteilungs- und Wertmaßstäbe unterlaufen wurden. Hierfür überschritten sie 1 | Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt a. M. 1984 [engl. Orig. 1978], S. 32. 2 | Goodman verwendet das Wort »Begreifen« in seiner vollen Sinnfülle als »etwas verstehen« sowie »etwas in Begriffe fassen«. – Vgl. Goodman 1984, S. 37. 3 | Der Begriff ist einer Definition Marcel Broodthaers’ entlehnt, der sein »Musée d’Art Moderne« selbst als »fiktives Museum« bezeichnete. – Vgl. Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, 1991-1992, S. 277.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

die objektgebundene Definition des Kunstwerks als abgeschlossener Entität. Die in den Werktiteln verwendeten Institutionsbezeichnungen wie »Museum« oder »Akademie« verweisen bereits auf den raumgreifenden, kompositorischen Charakter der Institutionsfiktionen, die nicht mehr eine kontemplative Vertiefung des Betrachters in das Einzelwerk fordern, sondern den Vorgang ästhetischer Erfahrung durch die körperliche Bewegung als einen aktiven Wahrnehmungsprozess sichtbar werden lassen. Gegenüber den mit den genannten Institutionen herkömmlich assoziierten Eigenschaften von Beständigkeit und Dauer hoben sich die künstlerischen Arbeiten wiederum in ihrer situativen Konstellation durch die Betonung ihrer Kontingenz, Instabilität und Flüchtigkeit ab. Grundlegendes Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist es, diese spezifische künstlerische Vorgehensweise anhand vier exemplarischer Kunstwerke nachzuvollziehen und zu analysieren, um sie als eine subversive Strategie, unabhängig von bekannten Strömungen und Gruppierungen der Kunstproduktion des genannten Zeitraums, zu verdeutlichen. Im Fokus der Untersuchung steht dabei die in der deutschen Forschungsliteratur bisher nicht rezipierte Arbeit »Académie Worosis Kiga« des Pariser Malers Gérard Gasiorowski, die dieser ab 1976 schuf und für seine Ausstellung in der renommierten Pariser Galerie Maeght 1982 in eine endgültige Form fasste.4 Der zugehörige Werkkorpus, der von einer schriftlich ausformulierten Erzählung über die fiktive Akademie begleitet wird, sowie die vom Künstler entworfene Ausstellungsgestaltung von 1982 werden mit ähnlichen Projekten anderer Künstler verglichen, um gemeinsame Strategien und deren Effekte, sowohl für die künstlerische Produktion und den darauf basierenden Werkbegriff als auch für den gesellschaftlichen Sektor des Kunstbetriebs, herauszuarbeiten. Bei den Vergleichsarbeiten handelt es sich zum einen um Jörg Immendorffs »LIDL-Akademie«, die dieser im Rahmen seiner »LIDL«-Periode zwischen 1968 und 1970 erarbeitete, zum zweiten um das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles«, das Marcel Broodthaers zwischen 1968 und 1972 in zwölf unterschiedlichen thematischen Sektionen an unterschiedlichen Orten realisierte und zum dritten um das »Maus Museum« von Claes Oldenburg, das der Künstler erstmals auf der fünften documenta 1972 präsentierte.5 Gasiorowskis fiktive Akademie hat nicht nur die Anregung zur vorliegenden Forschungsarbeit geliefert, sondern verbindet auf exemplarische Weise markante Aspekte des hier vorgestellten Phänomens. Denn nicht nur Fragestellungen des je persönlichen Œuvres werden im Modus der Fiktion zugespitzt, sondern die gesellschaftliche Realität von Kunst als Konvention wird befragt. Dabei liefern die Künstler in teils scharfer, jedoch stets humoristischer Weise einen kritisch-analytischen Kommentar zum zeitgenössischen Kunstgeschehen.

4 | Wie durch Atelier fotografien Jacques Monorys, einem Freund und Malerkollegen Gasiorowskis, zu rekonstruieren ist, bestand zum Zeitpunkt der Akademiegründung – laut Erzählung fand diese am 5. Januar 1976 statt – bereits ein Großteil der später als Schülerarbeiten präsentierten Hutzeichnungen. Kapitel 2.3.2 wird genauer auf die Werkgenese und deren Auslegung eingehen. 5 | Vgl. Kapitel 4.

Einleitung

1.1 D efinition der » fik tiven I nstitution « Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich eine avantgardistische Praxis »[t]otale[r] Gestaltung mit gleichzeitiger Negation der Kunstausstellung«6 etabliert, die sich mit verschiedenen Kunstströmungen der 1960er Jahre zu einer kanonisierten »Ästhetik der Installation« 7 ausgeweitet hat. In dieser Tradition stellte Donald Judd auf provokative Weise fest, dass die Kunstausstellung für den kreativen Prozess von genauso großer Wichtigkeit sei wie die Werkschöpfung selbst und erwarb 1968 ein Gebäude in der New Yorker Spring Street, um dort seine »permanent installation«8 zu realisieren.9 Die in der vorliegenden Untersuchung betrachteten fiktiven Institutionen unterscheiden sich von dieser Vorgehensweise, indem sie sich nicht auf die Ausstellung als einmaliges, ephemeres Ereignis begrenzen, sondern diese als einen Moment der Sichtbarwerdung und Öffentlichkeit eines darüber hinausreichenden Konzepts nutzen und zum Bestandteil einer kohärenten Geschichte machen. Damit bleiben die hier behandelten Arbeiten anders als Judds Ausstellungsraum oder weitere künstlerische Körperschaften wie die 1967 von Joseph Beuys gegründete »Deutsche Studentenpartei« oder »Kippenbergers Büro«, das der Maler ab 1978 in Berlin führte, durch ihren fiktiven Charakter der Sphäre des Kunstwerks verhaftet; sie besitzen keinen legalen Status in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Ihre Gestalt ist daher je nach künstlerischem Projekt und Schwerpunkt unterschiedlich. Die herangezogenen exemplarischen Arbeiten weisen jedoch einen wichtigen Überschneidungspunkt auf: Sie konstituieren sich über einen ausgedehnten Zeitraum in unregelmäßigen, flüchtigen Manifestationen, die häufig Ausstellungscharakter besitzen und in denen sich Objekt- und Aktionsebene des Werks überlagern. Damit überschreiten sie den konventionellen Begriff des Kunstwerks als objekthafte Einheit. In den verschiedenen Realisierungen behalten sie jedoch den einmal gesteckten institutionellen Rahmen, dessen Bezeichnung und seine hierarchische Struktur bei. Dies unterscheidet sie des Weiteren von Projekten wie Daniel Spoerris »Musée sentimental de Cologne«, das den Titel der Museumsinstitution lediglich für ein individualisierbares, in verschiedenen Kontexten anwendbares Ausstellungskonzept in Anspruch nahm.10 Auf diese Weise rezipieren und thematisieren Gasiorowski, Immendorff, Broodthaers und Oldenburg in ihren fiktiven Institutionen zeitgenössische Diskurse aus benachbarten Wissenschaftsdisziplinen wie Philosophie, So6 | Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln 1997, S. 190-200. 7 | Vgl. Rebentisch, Juliane: Ästhetik der Installation (zugl. phil. Diss. Potsdam 2002), Frankfurt a. M. 2003. 8 | Vgl. http://juddfoundation.org/spaces/101-spring-street/ (letzter Aufruf: 24.9.2016). 9 | Vgl. Bawin, Julie: L’artiste commissaire. Entre posture critique, jeu créatif et valeur ajoutée. Paris 2014, S. 42. 10 | Vgl. Legge, Astrid: Museen der anderen »Art«. Künstlermuseen als Versuche einer alternativen Museumspraxis (zugl. phil. Diss. Aachen 2000), Onlinepublikation 2000, unter: http://publications.rwth-aachen.de/record/56521/files/01_090.pdf (letzter Aufruf: 28.10.2015), S. 14; Heesen, Anke te, Padberg, Susanne (Hg.): Musée Sentimental 1979. Ein Ausstellungskonzept. Ostfildern 2011, S. 6-11; Ausst.-Kat., Le Musée sentimental de Cologne. Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten aus zwei Jahrtausenden Köln Incognito, Köln, Kölnischer Kunstverein, 1979.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

ziologie, Sprachwissenschaft und Ethnologie. Ihre Arbeiten werden somit über die rein ästhetische Werksetzung hinaus zu Instrumenten kritischer Gesellschaftsund Kulturanalyse. Gilt das Interesse der vorliegenden Arbeit dementsprechend der Konturierung und Analyse eines ästhetischen Phänomens, betrifft dieses durch die strategische Vorgehensweise der Künstler ebenfalls kunstökonomische und kunstsoziologische Betrachtungen und Entwicklungen der Kunstgeschichte.

1.1.1 Das Beispiel der »Académie Worosis Kiga« (1976-1982) Zur weiteren Annäherung an den Untersuchungsgegenstand sei dieser kurz am Beispiel des für die vorliegende Arbeit ausschlaggebenden Projekts, der »Académie Worosis Kiga« von Gérard Gasiorowski, dargestellt. Am 2. Juni 1982 eröffnete in der Pariser Galerie Adrien Maeght die Ausstellung »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski«.11 Was der Galeriebesucher in den Räumen des Hinterhofes auffand, mochte selbst den beflissenen Kunstliebhaber zunächst verwundern. In Vitrinen waren übereinandergestapelte Zeichnungen, Papierschnipsel sowie einige Fotografien von Landschaften und Innenräumen ausgestellt. An den Wänden befanden sich mehrere Reihen längsrechteckiger Rahmen. Wie der Titel dieser Werkreihe, »Les Classes«, bereits nahelegt, handelt es sich hierbei um die angeblichen Schülerarbeiten der fiktiven Akademie. Sie beinhalten jeweils vier Acrylzeichnungen von Filzhüten und ein gelbes Blatt Papier, auf dem lediglich drei braune Balken zu sehen sind. Neben den Exponaten in den Vitrinen sowie in vereinzelten Rahmen oberhalb der Vitrinen im ersten und letzten Ausstellungssaal waren des Weiteren fotokopierte Schriftstücke zu sehen. Im Gegensatz zu den übrigen Institutionsfiktionen verfügt Gasiorowskis »Académie Worosis Kiga« über eine schriftlich fixierte Erzählung. Sie schildert einer Chronik ähnlich die Ereignisse an der imaginären Kunsthochschule und hält deren organisatorische Struktur, das heißt Personal, Statuten und Aufnahmeverfahren, fest. Dieser Text der Akademiefiktion ist in insgesamt vier Ringbüchern festgehalten, die neben der Erzählung auch Unterlagen zur Ausstellungsgestaltung von 1982, beispielsweise Entwurfsskizzen für den Ausstellungskatalog, das Pressecommuniqué oder Raumpläne beinhalten. Wie aus Archivaufnahmen und Ausstellungsdokumenten der Galerie Maeght hervorgeht, handelte es sich bei den in der Ausstellung 1982 ausgestellten Fotokopien um Textauszüge, die sich inhalt11 | Es handelt sich hierbei um den Titel, der in einigen Ausstellungsrezensionen von 1982 sowie in späteren Ausstellungskatalogen genannt wird. Die Einladungskarte trug im Gegensatz den Titel »OIPAHHOOIPAHSTRA observée par Gasiorowski«, während der Ausstellungskatalog mit »L’A.W.K. observée à la Galerie Adrien Maeght« betitelt war. Eine ähnliche Unschärfe besteht auch hinsichtlich der Ausstellungsdaten. In einigen Pressebesprechungen wird die Ausstellungsdauer mit »Mai bis Juni« datiert. – Vgl. Goldcymer, Gaya: La disparition de Gérard Gasiorowski. In: Art Press, Nr. 59, Mai 1982, S. 32-33. – Tatsächlich war der Vernissagetermin anscheinend für den 12. Mai vorgesehen, wurde dann aber verschoben. Hinweis hierauf geben die unterschiedlichen Entwürfe des Pressecommuniqués, wie sie sich in einem der insgesamt vier Ringbücher der »Académie Worosis Kiga« befinden. Der genannte Vernissagetermin entspricht demjenigen auf der Einladungskarte. – Vgl. Einladungskarte, in: Archiv Philippe Agostini. – Auf die von Gasiorowski im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit angewandten Verwirrungstaktiken geht Kapitel 5.2.2 genauer ein.

Einleitung

lich auf die Akademiegeschichte beziehen und unter anderem Objekte, Utensilien und die künstlerische Produktion der fiktiven Akademie beschreiben. Die Exponate in der Ausstellung entsprachen wiederum diesen Informationen der Fotokopien und schienen somit wie Dokumente die erfundene Geschichte als ein reales Geschehen zu bestätigen. Dieser dokumentarische Realitätseffekt widersprach der gewöhnlichen Erwartungshaltung beim Besuch einer Galerieausstellung und hatte 1982 zur Folge, dass der damalige Ausstellungsbesucher in Ungewissheit über den Charakter der Objekte geriet. Aufgrund der lückenhaften Informationen der Schriftträger konnte er die Echtheit der scheinbaren Dokumente bezweifeln. Zugleich ließ deren Anwesenheit ihn jedoch das entsprechend der Ausstellungssituation in einer Kunstgalerie zu erwartende Kunstwerk, das gemäß einem ästhetischen Ideal des Sublimen aus sich allein heraus wirkt, vermissen. Der Ausstellungsauf bau in der Galerie Maeght verstärkte diese Verwirrung noch. Bei der Ausstellungsrekonstruktion konnte eine auffällig große Anzahl an Vitrinen im Raum des kommerziellen Kunsthandels sichergestellt werden.12 Während heute Vitrinen im Rahmen künstlerischer Installationen schnell als institutionskritische Elemente verstanden werden, existierte diese Tradition 1982 noch nicht. Den durchschnittlichen Galeriebesucher muss die Vitrine daher als primär museales Ausstellungsrequisit verwundert haben. Dies insbesondere, weil die darin präsentierten Gegenstände nicht wie Waren eines Kaufhauses dargeboten wurden,13 sondern in ihrer Anordnung und durch die fehlende Preisauszeichnung den Anschein von Archivalien erhielten. So verhinderten beispielsweise die übereinandergestapelten Zeichnungen eine vertiefende Betrachtung des Einzelwerks. Gasiorowski brachte somit nicht nur den Status der Exponate ins Wanken, sondern verunklärte im Rahmen der Ausstellung auch die institutionellen Ebenen von Museum und kommerziellem Kunsthandel. Ebenso erscheint der Begleitkatalog zur Ausstellung noch heute enigmatisch: Bar jeglicher Erläuterung oder Werkbeschreibung bietet er schwarz-weiße Reproduktionen einzelner Exponate. Auf seiner vorletzten Seite reproduziert zudem eine kurze Bildunterschrift die Notiz einer in der Ausstellung präsentierten Fotokopie: »bulletin d’information, adressé par Gasiorowski, observateur à l’A.W.K. du 5 janvier au 16 novembre 1976, et compagnon du professeur Arne Hammer jusqu’à ses derniers jours.«14 Die betonende Wiederholung der im Ausstellungstitel deklarierten Funktion Gasiorowskis als »observateur«, Beobachter, verstärkte in Hinblick auf die Galeriepräsentation erneut den scheinbar dokumentarischen Charakter der präsentierten Objekte. Zugleich wurde die Identität Gasiorowskis als ausstellender 12 | Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Ausstellungsobjekte sowie des dazugehörigen Kontexts folgt in Kapitel 2.1; auf die Bedeutung der Vitrine in den verschiedenen Ausstellungskontexten der fiktiven Institutionen geht Kapitel 5.2.1 ein. 13 | Zur Verwandtschaft von Museums- und Kaufhausvitrinen vgl. Rooch, Alarich: Zwischen Museum und Warenhaus: Ästhetisierungsprozesse und sozial-kommunikative Raumaneignung des Bürgertums (zugl. Habil. Bremen 2000), Oberhausen 2001, S. 133-135. 14 | »Informationsbulletin Gasiorowskis, Beobachter der A.W.K. vom 5. Januar bis 16. November 1976 und Begleiter des Professors Arne Hammer bis zu seinen letzten Tagen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Ausst.-Kat., L’A.W.K. observée par Gasiorowski, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1982, o. S.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Künstler verschleiert und seine Funktion als Zeuge der scheinbar in ihren Relikten zusammengetragenen Kunstakademie bekräftigt. Auf diese Weise wird der Künstler selbst zum Bestandteil der von ihm konstruierten fiktiven Akademiegeschichte. Wie an die Hutbilder angeheftete Etiketten zu verstehen gaben, handelte es sich bei diesen angeblich um die Erzeugnisse der in die Akademie aufgenommenen Studenten. Zur neuerlichen Verwunderung des Betrachters trugen diese allesamt Namen anerkannter Vertreter des zeitgenössischen Kunstmarkts. So finden sich auf den Namensschildchen unter anderem Robert Rauschenberg, Joseph Beuys, Andy Warhol, Gilbert and George oder Cindy Sherman. Gasiorowski selbst erscheint in den Artefakten der »Académie Worosis Kiga« hingegen nur in Funktion des berichterstattenden Beobachters, der in der Galerie 1982 ein vergangenes Geschehnis zur Schau stellte. Die Ebenen von Realität und Werkfiktion verschwammen damit zunehmend und der interessierte Rezipient musste auf sein Glück hoffen, einen informierten Galerieangestellten sprechen zu können oder die Schilderung in einer Kunstzeitschrift aufmerksam gelesen zu haben, um die Bedeutung der Ausstellungssammlung zu verstehen.15 Denn auch der Versuch, die Exponate im reinen ästhetischen Genuss zu rezipieren, wurde ihm durch deren spröde Erscheinung vergällt. Mit Hilfe des Rollenspiels offenbarte und hinterging Gasiorowski Konventionen des Kunstmarkts und die darauf beruhenden Erwartungshaltungen des Rezipienten. Er stellte die herkömmliche Kompetenzverteilung und Kanonisierungsmuster des Kunstbetriebs auf den Kopf: Der ausstellende Künstler wurde zum Beobachter, die Exponate zu Dokumenten und Spuren einer vergangenen Geschichte, der Galerieraum zu einem Museum. Die künstlerische Produktion wurde als Recherchearbeit präsentiert und die Schwelle zwischen der subjektiven Fiktion und der als objektiv erfahrenen Wirklichkeit wiederholt überschritten.16 In seiner Poetik definiert Aristoteles die Fiktion als das Anordnen von Handlungen. Anders als die Geschichtsschreibung ist die Dichtkunst nicht an die chronologische Abfolge von Tatsachen gebunden, sondern kann die Geschehnisse in ihrer Schilderung frei nach kausalen Gesichtspunkten organisieren. In der poetischen Fiktion kann die empirische Unordnung demnach sinnhaft systematisiert werden und ist der historischen Berichterstattung laut Aristoteles überlegen.17 Wie Jacques Rancière präzisiert, bedeutet folglich die einvernehmlich praktizierte »Trennung zwischen Wirklichkeit und Fiktion, dass eine Rationalität der Geschichte und ihrer

15 | Vgl. Tronche, Anne: Gasiorowski et l’Académie Worosis Kiga: qui porte le chapeau? In: Opus international, Nr. 85 /  1 982, S. 38-40; Goldcymer 1982; Enrici, Michel: AWK Gasiorowski. In: Artistes, 12 / 1982, S. 89. – In den der Ausstellung vorausgegangenen sechs Jahren hatte Gasiorowski hingegen Freunden und Bekannten regelmäßig Bericht über die Geschehnisse an der »Académie Worosis Kiga« erstattet. – Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Colette Portal am 25.4.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin; Auszüge des Gesprächs mit Jan Voss am 20.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 16 | Zu den möglichen Einflüssen und Interdependenzen mit ähnlichen Kunstbewegungen der Zeit vgl. Kapitel 3.2. 17 | Vgl. Aristoteles: Poetik, übers. u. erl. v. Arbogast Schmitt. Berlin 2008, S. 13-15, S. 373.

Einleitung

Wissenschaft unmöglich ist«18; anders gesagt, wohnt auch jeder historischen Rekonstruktionsarbeit ein Stück Fiktionalität inne.19 Gérard Gasiorowski verwendete in der Ausstellung seiner Akademiefiktion 1982 alle Medien, Instrumente und Konventionen des alltäglichen Kunstbetriebs. Die scheinbar wissenschaftliche Anordnung der präsentierten Materialien wurde erst in der Ergänzung durch die sprachliche Fiktion bedeutungsvoll. Neben der räumlichen Expansion des Kunstwerks auf die Ausstellungssituation dehnte die schriftlich fixierte Fiktion dieses auch auf zeitlicher Ebene aus und rückte es durch das Rollenspiel des Künstlers in den theatral-performativen Bereich. Die Konfrontation von materiell-empirischer Faktizität der präsentierten Dinge mit ihrer sprachlich-ephemeren Codierung im Modus der Ausstellung ließ eine Spannung entstehen, die die Differenz von Phänomen und Sinngebung betonte. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer theoretischer und politischer Debatten sowie in Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen Tätigkeit wurde der Ausstellungsapparat somit zu einem Reflexionsmedium umfunktioniert, in dem alltägliche Gegebenheiten auf ihre soziokulturell und historisch bedingte Konstitution hin beleuchtet und nach ihrer Gültigkeit befragt werden konnten. Diese Strategie findet sich auch in den übrigen Institutionsfiktionen wieder.

1.1.2 Fragestellungen, Hypothesen und Zielsetzungen Die vorausgegangene Auseinandersetzung mit Gasiorowskis zentralem Werkkomplex hat offenbart, wie der Künstler in der gesamten Schaffensphase seiner fiktiven Akademie das Verhältnis zwischen Kunstwerk, Künstler und darüber herrschendem Kunstbetrieb mit Bewusstsein für die Historizität der Kategorien und Begriffe befragte. Die »Académie Worosis Kiga« entstand in einer speziellen Phase der Künstlerbiografie, in der sich Gasiorowski über Jahre hinweg weitgehend vom öffentlichen Leben zurückzog. In seiner isolierten Distanz zur internationalen Kunstszene kreierte er die Fiktion einer Kunstinstitution, die einerseits in scharfer Ironie mit den gegebenen Zuständen ins Gericht ging, die ihm aber auch dazu diente, seine eigene Rolle und Funktion im gesellschaftlichen System zu analysieren. Ein wichtiger Moment der Akademiearbeit Gasiorowskis war deren erste Ausstellung 1982 in der Galerie Adrien Maeght. Denn wie die Untersuchung zeigen wird, hat der Künstler seine Fiktion nicht als interesseloses Kunstwerk geschaffen, sondern gezielt auf dessen Integration in das künstlerische Milieu und insbesondere in dessen marktwirtschaftlichen Raum hin konzipiert. Die ausschlaggebende Beobachtung für die Konzeption der vorliegenden Arbeit war, dass sich diese Vorgehensweise nicht allein auf das Werk Gasiorowskis beziehen lässt. Jörg Immendorffs »LIDL-Akademie«, Marcel Broodthaers’ »Musée d’Art moderne, Département des Aigles« und Claes Oldenburgs »Maus Museum« wurden bisher lediglich im monografischen Zusammenhang behandelt. Trotz offensichtlicher Parallelen, die bereits in den Werkbetitelungen als »Museum« oder 18 | Rancière, Jacques: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, hg. v. Maria Muhle. Berlin 2006, S. 58. 19 | Vgl. Syring, Marie Luise: Einführung. In: dies. (Hg.): Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 13-15, S. 13.

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»Akademie« anklingen, ist eine vergleichende Betrachtung gemeinsamer Strategien in Werkkonzeption und -produktion bisher Desiderat geblieben. Typologische Unterschiede der fiktiven Institutionen wurden für den Vergleich daher nicht in Kauf genommen, sondern bewusst gewünscht. Denn erst in der Divergenz wird das Phänomen der fiktiven Institution als eine Strategie von Aneignung und Subversion sichtbar, die über institutionelle Spezifika hinausgeht. In der Zusammenschau der künstlerischen Projekte soll demgemäß gezeigt werden, dass es sich bei der fiktiven Institution um ein künstlerisches Phänomen handelt, wie es gerade im historischen Zusammenhang der ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahre entstehen konnte und seine Wirkung bis heute fortsetzt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es dementsprechend nicht nur, ein bisher unbeachtetes Phänomen der Kunstproduktion um 1970 mit Fokus auf eine ebenfalls vernachlässigte künstlerische Position sichtbar zu machen, sondern durch die Analyse der angewandten Strategien darüber hinaus dessen Auswirkungen auf das weitergreifende gesellschaftliche System von Kunst auszuloten.

1.2 V erortung der fik tiven I nstitution im H inblick auf historische V orl äufer der I nstitutionskritik in der K unst und die ak tuelle F orschungsperspek tive Der Begriff der »Institution« ist im allgemeinen Sprachgebrauch sowie im soziologischen Jargon äußerst vielfältig konnotiert und beinhaltet verschiedene theoretische Implikationen. In der alltäglichen Verwendung bezeichnet »Institution« eine Einrichtung, die in der Regel klar lokalisierbar ist und innerhalb derer mit Hilfe einer hierarchischen Organisation in Arbeitsteilung eine spezifische Funktion im Kontext eines bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhangs erfüllt wird.20 In der Soziologie dient der Terminus umfassender zur Bezeichnung eines jeglichen konventionell oder rituell gefestigten Handlungsablaufs, der bewusst gestaltet oder unbewusst entstanden die Muster zwischenmenschlicher Beziehungen bestimmt.21 Charakteristikum der Institution ist damit eine gewisse Permanenz, die es ihr erlaubt, regulierend zu wirken. Dadurch wird sie zum Garanten von Kontinuität und Regelmäßigkeit und wirkt als Schutz gegen Unordnung und Verunsicherung.22 Als produktive Stabilität steht »Institutionalisierung […] am Anfang jeder gesellschaftlichen Situation, die ihren eigenen Ursprung überdauert.«23 Sie tritt ein, sobald eine bestimmte Gruppe von Akteuren bestimmte Handlungsabläufe habitualisiert. Arnold Gehlen charakterisiert Institutionen daher als Entlastung des »weltoffenen«24 Menschen. Da dieser im Gegensatz zum Tier weniger instinktgeleitet ist, kann 20 | Vgl. Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 41994, S. 381-382. 21 | Gehlen, Arnold: Mensch und Institutionen (1960). In: ders.: Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung und Selbstentdeckung des Menschen. Reinbek 1961, S. 6977, S. 70. 22 | Vgl. Seyfert, Robert: Das Leben der Institutionen. Zu einer Allgemeinen Theorie der Institutionalisierung. Weilerswist 2011, S. 12. 23 | Berger, Peter L., Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt a. M. 21969 [1966], S. 59. 24 | Gehlen, in: ders. 1961, S. 71.

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er eine Vielfalt an Verhaltensformen entwickeln, um sich an unterschiedliche Lebensumstände anzupassen. Institutionalisierte Verfahrensmuster dienen ihm innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsstruktur als Entscheidungshilfe.25 In der Wahrnehmung des Einzelnen erscheinen Institutionen sowie die durch sie verkörperten Normen als unabhängig von ihm und oftmals wie ein seiner Einflussnahme entzogenes Vorgefundenes. Es gilt, das eigene Benehmen dem »signifikanten Anderen«26 anzupassen. Daraus erfolgt sowohl Verhaltenssicherheit für das Individuum als auch dessen Kalkulierbarkeit für die Gesellschaft.27 Kehrseite der institutionellen Gleichförmigkeit ist ihre zuweilen als repressiv empfundene Macht über das einzelne Subjekt. Indem Institutionen stabilisieren, konservieren und überdauern, können sie als Einengung für das kreative, dynamische Potenzial des Menschen erfahren werden.28 Der in der vorliegenden Arbeit verwendete Institutionsbegriff orientiert sich retrospektiv an der kunsthistorischen Strömung der »Institutional Critique«. Der englische Terminus bezieht sich im kunsthistorischen Kanon explizit auf künstlerische Arbeiten seit den 1980er Jahren, die parallel zum »Museumsboom«29 der Zeit entstanden. Künstler30 wie Andrea Fraser oder Louise Lawler thematisierten in ihren institutionskritischen Werken den Kontext, in dem Kunstwerke entstehen und rezipiert werden.31 Dabei dienten ihnen die empirische Umgebung von Kunstwerken und ihre konkrete architektonische Situierung als Vehikel, um die sich in diesen Räumen reproduzierenden und somit perpetuierenden Normen, Konventionen und Machtmechanismen des Kunstbetriebs sichtbar zu machen.32

25 | Vgl. Gehlen, in: ders. 1961, S. 71. 26 | Mit dem Ausdruck »significant others« bezeichnete George Herbert Meads jene Instanzen, die zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, innerhalb derer er seine Entwicklung vollzieht, vermitteln. – Vgl. Meads, George Herbert: Mind, Self and Society. Chicago 141967 [1934]; dt.: Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1968. 27 | Lüdtke, Alf: Die Fiktion der Institution. Herrschaftspraxis und Holocaust im 20. Jahrhundert. In: Blänkner, Reinhard, Jussen, Bernhard (Hg.): Institutionen und Ereignis. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlichen Ordnens. Göttingen 1998, S. 355380, S. 357. 28 | Vgl. Seyfert 2011, S. 12-15. 29 | Fehr, Michael: Vorwort. In: ders., Grohé, Stefan (Hg.): Geschichte – Bild – Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum. Köln 1989, S. 7-8, S. 7. 30 | Zu Gunsten einer einfacheren Lesbarkeit behält der Text das generische Maskulinum bei. 31 | Vgl. Crimp, Douglas: On the Museum’s Ruins. Cambridge 1983; Fraser, Andrea: Was ist Institutionskritik? In: Texte zur Kunst, Jg. 15, Heft 59, September 2005, S. 86-89; Fraser, Andrea: From the Critique of Institutions to an Institution of Critique. In: Welchman, John C. (Hg.): Institutional Critique and after. Volume 2 of the SoCCAS symposia. Zürich 2006, S. 123-135; Buchloh, Benjamin H. D.: Louise Lawler: Gedächtnisbilder der Kunst und Spektakelkultur. In: Kaiser, Philipp (Hg.): Louise Lawler. Adjusted, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2013-2014, S. 73-88, S. 78-81; Meinhardt, Johannes: Eine andere Moderne. Die künstlerische Kritik des Museums und der gesellschaftlichen Institution Kunst. In: Kunstforum international, 123 /  1993, S. 160-191, S. 188-191. 32 | Vgl. Möntmann, Nina: Kunst als sozialer Raum. Köln 2002, S. 49-76.

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Beim Versuch retrospektiver Kategorisierung ergibt sich immer wieder das Problem, dass an den Grenzlinien zwischen verschiedenen Strömungen Ausfransungen und Überschneidungen mit benachbarten Methoden und Begrifflichkeiten auftreten. So existiert parallel zur Bezeichnung »Institutional critique« der Begriff »Kontext Kunst«33. Diese in Bezug auf die Kunstproduktion der 1990er Jahre von Peter Weibel eingeführte Klassifizierung fokussiert gegenüber der kritischen Intention verstärkt die künstlerische Methode, den eigenen Produktions- und Vermittlungskontext in die Werkkonzeption zu integrieren.34 In seinen Erläuterungen zu der von ihm eingeführten Kategorisierung greift Weibel wiederum auf Überlegungen zurück, die er in den 1970er Jahren festgehalten hat.35 Aus heutiger Forschungsperspektive ist die Bezeichnung institutionskritischer Praktiken seit den 1960er Jahren allgemeiner Konsens.36 Jedoch wurde der kritische Impetus der Einzelwerke erst in jüngerer Zeit als gemeinsames Anliegen unter einer Benennung zusammengefasst.37 Neben prominenten Vertretern wie Daniel Buren, Michael Asher und Hans Haacke wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auch Marcel Broodthaers erwähnt.38 Die übrigen in der vorliegenden Untersuchung fokussierten Künstler werden in diesem Bezug hingegen in der Regel nicht thematisiert. Während die Arbeiten Gérard Gasiorowskis in Deutschland nur geringe Beachtung gefunden haben und lediglich durch Ausstellungskataloge begleitet sind, sind die weiteren hier zum Vergleich herangezogenen Künstler sowohl in kunsthistorischer Sekundärliteratur als auch durch Ausstellungsdokumentationen ausgiebig und vielseitig behandelt. Eine detaillierte Bibliografie zu Jörg Immendorff beinhaltet der Dortmunder Ausstellungskatalog von 2000.39 Das bisher in drei Bänden erschienene Werkverzeichnis zu Immendorffs Gemälden von Siegfried Gohr berücksichtigt in der Literaturübersicht auch die jüngsten Publikationen zum Künst33 | Vgl. Weibel, Peter (Hg.): Kontext Kunst. Kunst der 1990er Jahre, Ausst.-Kat., Graz, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, 1993. 34 | Vgl. Gelshorn, Julia: Autorschaft und Autorität – Schreibt Kunst Geschichte? In: dies. (Hg.): Legitimationen. Künstlerinnen und Künstler als Autoritäten der Gegenwartskunst. Akten zur internationalen Tagung »Kunstgeschichte der Gegenwart schreiben.« der Vereinigung der Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker der Schweiz, 11.-12.10.2002, Winterthur. Bern [u. a.] 2004, S. 9-18, S. 12. 35 | Vgl. Weibel, Peter: Kontext-Theorie der Kunst (1971). In: Ausst.-Kat. Graz 1993, S. 6977. 36 | Vgl. Alberro, Alexander: Institutions, critique and institutional critique. In: ders., Stimson, Blake (Hg.): Institutional critique. An anthology of artists’ writings. Cambridge [u. a.] 2009, S. 2-19, S. 8. 37 | Vgl. Meinhardt 1993, S. 160-191; Graw, Isabelle: Jenseits der Institutionskritik. Ein Vortrag im Los Angeles County Museum of Art. In: Texte zur Kunst, Jg. 15, Heft 59, September 2005, S. 40-53, S. 41; Buchloh, Benjamin H. D.: Von der Ästhetik der Verwaltung zur institutionellen Kritik. Einige Aspekte der Konzeptkunst von 1962-1969. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 86-98; Welchman, John C.: Introduction. In: ders. 2006, S. 11-20, S. 11. 38 | Vgl. König, Susanne: Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne, Département des Aigles (zugl. Univ. Diss. Hamburg 2008). Berlin 2012, S. 134-137; Kravagna, Christian (Hg.): Das Museum als Arena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen. Köln 2001. 39 | Vgl. Belgin, Tayfun (Hg.): Immendorff. Bilder, Ausst.-Kat., Dortmund, Museum am Ostwall, 2000.

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ler.40 Der zu Claes Oldenburgs letzter Retrospektive erschienene Katalog bietet eine umfangreiche Auswahlbibliografie.41 Zu Broodthaers liefert die jüngst von seiner Tochter editierte Publikation zu dessen fotografischem Werk eine umfassende Bibliografie.42 Gasiorowskis Schaffen ist in Deutschland lediglich durch begleitende Ausstellungskataloge und Zeitschriftenartikel dokumentiert. In Frankreich existieren einige universitäre Untersuchungen zu verschiedenen Schwerpunkten seines künstlerischen Œuvres, bis auf die Dissertation von Pierre Paliard sind diese aber nicht veröffentlicht.43 Der Fokus der Katalogtexte zu Gasiorowski liegt zumeist auf einer zusammenfassenden Betrachtung des Gesamtwerks. Hierbei vertreten die Autoren bis in die jüngsten Publikationen überwiegend die Auffassung, dass das Œuvre als genealogisch angelegte Metamalerei zu betrachten sei und wiederholen ihre Thesen meist an denselben Anschauungsobjekten.44 Begleitend zu Gasiorowskis Retrospektive 2010 im Carré d’Art, Nîmes, entstand ein umfangreicher Katalog, der mit der herkömmlich chronologischen Betrachtungsweise des Gesamtwerks zu brechen versucht.45 Gegenüber den gut recherchierten Informationen der Pariser Schau von 1995 bietet er allerdings keine weiterführenden Erkenntnisse.46 Die Katalogtexte zu Gruppenausstellungen, in denen Gasiorowski vertreten war, gehen demgegenüber nur peripher auf seine Arbeiten ein.47

40 | Vgl. Gohr, Siegfried: Jörg Immendorff. Werkverzeichnis: Gemälde, 3 Bde. Köln 2015. 41 | Vgl. Hochdörfer, Achim, Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014. 42 | Vgl. Broodthaers, Marie-Puck (Hg.): Marcel Broodthaers. Livre d’images, Bilderbuch. Köln 2013. 43 | Vgl. Paliard, Pierre: L’ordre domestique: mémoire de la ruralité dans les arts plastiques contemporains en Europe (zugl. phil. Diss. Aix-en-Provence 1999), Paris 2006. – 1994 hat das Editionshaus Maeght eine der »Académie Worosis Kiga« gewidmete Werkmonographie mit einem Begleittext von Éric Suchère herausgegeben. Diese liest sich jedoch wie eine bebilderte Zusammenfassung der Akademiegeschichte, ohne dass näher auf die reproduzierten Objekte oder die Struktur des gesamten Werkkomplex eingegangen würde. – Vgl. Suchère, Éric: Gasiorowski. Académie Worosis Kiga. Paris 1994. 44 | Vgl. Enrici, Michel (Hg.): Gasiorowski. Peinture, Ausst.-Kat., Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1983; Suchère, Éric: Gasiorowski – peinture – fiction. Auvergne 2012; Kaeppelin, Olivier (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.-Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012. 45 | Vgl. Bonnet, Frédéric (Hg.): Gérard Gasiorowski. Recommencer: Commencer de Nouveau la Peinture, Ausst.-Kat., Nîmes, Carré d’Art – Musée d’Art Contemporain, 2010. 46 | Vgl. Loisy, Jean de, Naphegyi, Caroline (Hg.): Gérard Gasiorowski. C’est à vous, Monsieur Gasiorowski, Ausst.-Kat., Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. Centre Georges Pompidou, 1995. 47 | Vgl. u. a. Franzen, Brigitte (Hg.): Hyper Real, Ausst.-Kat., Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Aachen, Ludwig Forum für internationale Kunst, Budapest, Ludwig Múzeum – Museum for Contemporary Art, 2010-2011; Loisy, Jean de: Gérard Gasiorowski: Malerei. In: König, Kasper (Hg.): Der zerbrochene Spiegel. Positionen zur Malerei, Ausst.-Kat., Wien, Museumsquartier und Kunsthalle, Hamburg, Deichtorhallen, 1993-1994, S. 40-43.

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2005 schlug Isabelle Graw eine Revision des kunstgeschichtlichen Kanons der Institutionskritik vor und verwies dabei explizit auf das Beispiel Immendorff, dessen Frühwerk in der bisherigen Forschungsliteratur außer Acht gelassen wurde.48 Institutionskritische Aspekte wurden bisher so verschiedenen stilistischen Sparten wie Konzeptkunst und Land Art abgelesen, zu denen die hier untersuchten fiktiven Institutionen deutliche Parallelen aufweisen.49 Als Mittel des Kontextbezugs verlagerten die Künstler dieser Generation ihr Interesse auf ortsspezifische Werkkonzeptionen, die in Installationen teilweise direkten Eingriff in die stoffliche Materie der Institutionsarchitektur vornahmen oder sich institutionellen Räumen bewusst entzogen.50 So wie die Verwendung alltäglicher Materialien tradierte Wertvorstellungen des Kunstwerks unterliefen, so sollte durch die Dematerialisierung des Werkobjekts in performative Akte und ephemere Erscheinungen die Kommerzialisierung des Kunstwerks zur Ware durch Institutionen unterbunden werden.51 Zugleich wurde der Fokus auf die Prozesse von Werkproduktion und -rezeption gelenkt, die als aktive Tätigkeiten neue Betonung erfuhren. Wird für die exemplarisch genannten Kunstströmungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung »Neo-Avantgarde« verwendet, findet der hier auftretende Rückgriff auf Methoden, Strategien und Zielsetzungen der so genannten »historischen Avantgarde« um 1900 Betonung.52 Auch die Institutionskritik als künstlerisches Anliegen hat zu diesem Zeitpunkt grundlegende Verfahrensweisen entwickelt.53 So finden Konzepte wie die räumliche Expansion des Kunstwerks in den Formen von Installation und Environment, aber auch dessen performative Ausdehnung in einem verstärkt handlungs- und interaktionszentrierten Kunstverständnis ihre Wurzeln zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind Resultate einer neuen Sensibilität der Künstler für institutionelle Zusammenhänge, die Macht von Normierung und soziale Mechanismen, die auf ihre Arbeit einwirken. Das Auf begehren der historischen Avantgarde gegen die Reglementierungen, Ausschlüsse und Beurteilungskriterien eines autonomen Kunstmarktes hinterfragte ebenso den tradierten Werkbegriff als auch das Rollenverständnis der jeweiligen Akteure. Peter Bürger beschreibt in seiner »Theorie der Avantgarde« das künst48 | Vgl. Graw 2005, S. 48. 49 | Auf künstlerische Entwicklungen im zeitgenössischen Kontext der fiktiven Institutionen geht Kapitel 3.2 ausführlich ein. 50 | Vgl. Godfrey, Tony: Conceptual Art. London 1998, S. 187-225; Kwon, Miwon: One Place after another. Site-specific Art and locational Identity. Cambridge 2002, S. 13-26; Schramm, Samantha: Land Art. Ortskonzepte und mediale Vermittlung. Zwischen Site und Non-Site (zugl. phil. Diss. Karlsruhe 2012), Berlin 2014, S. 29-32. 51 | Vgl. Lippard, Lucy: Six Years. The dematerialization of the art object from 1966 to 1972. Berkeley /  L os Angeles  /  L ondon 21997 [1973], S. xxi; Goldberg, Roselee: Performance Art. From Futurism to the Present. New York 1990, S. 152. 52 | Zur Problematik des »Avantgarde«-Begriffs und dessen kunsthistorischer Datierung vgl. Beyme, Klaus von: Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905-1955. München 2005, S. 23-42; Berg, Hubert van den: On the Historiographic Distinction between Historical and Neo-Avant-Garde. In: Scheunemann, Dietrich (Hg.): Avant-Garde / N eo-AvantGarde. Amsterdam /  N ew York 2005, S. 63-74. 53 | Vgl. Kravagna, Christian: Einleitung, in: ders. 2001, S. 7-9, S. 7.

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lerische Paradigma dieser Zeit als »Selbstkritik«54. Ausgangspunkt hierfür bildete die in der bürgerlichen Gesellschaft stattfindende Ausdifferenzierung des sozialen Teilsystems Kunst, innerhalb dessen Künstler und Werk mit Sonderrechten und Freiheiten ausgestattet wurden, die sie von der allgemeinen Lebenspraxis distanzierten. Die Ende des 18. Jahrhunderts vollzogene Autonomisierung der Kunst ließ diese in den Worten Herbert Marcuses zu einem »archimedischen Punkt«55 jenseits der materiellen Zivilisation gerinnen, für die sie fortan unverbindlich und daher folgenlos blieb.56 Darüber hinaus verortete die zeitgleich auflebende Genieästhetik das Tun des Künstler-Schöpfers jenseits einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit zum Lebenserhalt.57 Sein ökonomisches Überleben hing vom Erfolg seiner Arbeit ab, die nun eine breite Öffentlichkeit ansprechen musste.58 Denn der Identitätsgewinn des Künstlers als freies und unabhängiges Subjekt vollzog sich parallel zu einer grundlegenden institutionellen Umstrukturierung der Werkdistribution: der Ausformung des Kunstmarktes mit seinem Ausstellungs- und Galeriewesen.59 Die den Markt beherrschende Kunstinstitution bildete im 19. Jahrhundert zunächst der Pariser Salon. Im Zuge der Französischen Revolution befasste sich der Nationalkonvent mit der Umstrukturierung ehemals monarchischer Institutionen. Er schloss 1793 die 1648 von Ludwig XIV. gegründete Académie Royale de Peinture et de Sculpture.60 Hatte der Salon vormals als eine unregelmäßig stattfindende Kunstausstellung der Propagierung des höfischen Geschmacks gedient, öffne-

54 | Bürger, Peter: Theorie der Avantgarde. Frankfurt a. M. 1974, S. 65; zur Ergänzung vgl. ferner Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1995, insbes. Kap. 4: Die Funktion der Kunst und die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, S. 215-301; Krauss, Sebastian W. D.: Die Genese der autonomen Kunst. Eine historische Soziologie der Ausdifferenzierung des Kunstsystems. Bielefeld 2012, insbes. Kap. 4: Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, S. 147-258. 55 | Marcuse, Herbert: Kultur und Gesellschaft 2. Frankfurt a. M. 101979 [1965], S. 154. 56 | Vgl. Bürger 1974, S. 66-69. 57 | Schmidt, Jochen: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750 – 1945, 2 Bde. Heidelberg 2004, insbes. Bd. 1, S. 1-4. 58 | Zuvor war der Künstler als Handwerker im Zunftwesen klar gesellschaftlich verortet und konnte im höfischen Anstellungsverhältnis seinen Lebensunterhalt sichern. Entbehrte die dafür geforderte Auftragsarbeit den modernen Begriff künstlerischer Freiheit, so befand sich der Künstler jedoch durch die Adressierung seines Werks an einen präzise umrissenen Rezipientenkreis in größerer Sicherheit hinsichtlich seines finanziellen Auskommens und seiner sozialen Anerkennung. – Zur Sozialgeschichte des Künstlers vgl. Warnke, Martin: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Köln 1985; Bätschmann 1997, S. 9-11; Ruppert, Wolfgang: Der moderne Künstler. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der kreativen Individualität in der kulturellen Moderne im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2000, S. 78. 59 | Vgl. Bawin 2014, S. 11-18. 60 | Vgl. Monnier, Gérard: L’art et ses institutions en France. De la Révolution à nos jours. Paris 1995, S. 19-47. – Zur Geschichte und Entwicklung der heutigen Pariser École des Beaux-Arts aus den verschiedenen Vorgängereinrichtungen vgl. Jacques, Annie (Hg.): Les Beaux-Arts, de l’Académie aux Quat’z’arts. Anthologie historique et littéraire établie par Annie Jacques. Paris 2001, insbes. S. 7-25.

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te er sich nun auch für Künstler, die nicht der Akademie angehörten.61 Es galten jedoch strikte Zulassungsverfahren. Nur, wer von der akademisch gestellten Jury zur Ausstellung zugelassen wurde, hatte eine Aussicht auf Verkaufsmöglichkeiten und spätere Auftragschancen.62 Während sich in Frankreich Künstlervereinigungen mit unabhängigen Ausstellungen gegenüber der offiziell maßgeblichen Juryauswahl des Salons hervortaten, entstand in Wien, München und Berlin die Sezessionsbewegung.63 Eng mit dieser Entwicklung verschlungen war die Öffnung des Kunstmuseums als Institution bürgerlicher Öffentlichkeit.64 Aus höfischen Sammlungen des 18. Jahrhunderts hervorgegangen, behielt dieses zunächst seine politische Repräsentations- und Legitimationsfunktion bei, wurde jedoch im Sinne einer bürgerlichen Kunstvermittlung und dem von ihr formulierten Bildungsauftrag einer »ästhetische[n] Erziehung des Menschen«65 entpolitisiert.66 Die um 1900 einsetzende avantgardistische Kunstkritik nahm daher das Museum und seine Ausstellungspraxis zur Zielscheibe. Absicht war es laut Bürger, die zu Isolation und Funktionslosigkeit gewordene Autonomie einer »l’art pour l’art«67 zu überwinden, um Kunst und Leben wieder zu integrieren.68 Filippo Tommaso Marinetti bestimmte daher 1909 im ersten futuristischen Manifest den bildnerischen Traditionsbruch zum Ausdruck eines gesellschaftlichen Auf-

61 | Vgl. Mai, Ekkehard: Expositionen. Geschichte und Kritik des Ausstellungswesens. München / B erlin 1986, S. 12. – Wie Thomas Kirchner analysiert, erfolgte die Akademiegründung 1648 primär aus machtpolitischen Interessen. Die von ihr vermittelten ästhetischen Paradigmen müssen somit ebenfalls als Mittel im Kontext divergierender sozialer Interessen betrachtet werden. – Vgl. Kirchner, Thomas: Der epische Held. Historienmalerei und Kunstpolitik im Frankreich des 17.  Jahrhunderts (zugl. Habil. Berlin 1996), München 2001, S. 168-179. 62 | Vgl. Mai 1986, S. 15-18; Herzogenrath, Wulf: Internationale Ausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler zu Cöln 1912. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. /  L eipzig 1991, S. 40-47, S. 46. 63 | Vgl. Mai, Ekkehard: Die deutschen Kunstakademien im 19. Jahrhundert. Künstlerausbildung zwischen Tradition und Avantgarde. Köln [u. a.] 2010, S. 306-314, S. 318-327. 64 | Vgl. Grasskamp, Walter: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums. München 1981, S. 26. – Zur Entwicklung des Museumswesen in Europa vgl. Hartung, Olaf: Kleine deutsche Museumsgeschichte. Von der Aufklärung bis zum frühen 20.  Jahrhundert. Köln / Weimar 2010; Kratz-Kessemeier, Kristina, Meyer, Andrea, Savoy, Bénédicte (Hg.): Museumsgeschichte. Kommentierte Quellentexte 1750-1950. Berlin 2010. 65 | Vgl. Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, hg. v. Stefan Matuschek. Frankfurt a. M. 2009. 66 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 30-41. 67 | In Reaktion auf die idealistische deutsche Kunsttheorie formulierte 1804 Benjamin Constant das Paradox der zweckbefreiten Kunstproduktion: »Kunst für die Kunst, und ohne Zweck, denn jeder Zweck verdirbt die Kunst. Aber die Kunst erreicht den Zweck, den sie nicht hat.« – Vgl. Bätschmann 1997, S. 75. 68 | Vgl. Bürger 1974, S. 67. – Diese Einschränkung von Bürgers Definition der Avantgarde auf eine gemeinsame Zielsetzung ist in der späteren Avantgardeforschung häufig kritisiert worden. – Vgl. Scheunemann, Dietrich: Preface. In: ders. 2005, S. 9-11.

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bruchs.69 Die Statik des Kubismus ablehnend,70 strebten die Futuristen einen »Stil der Bewegung« 71 an. Dynamik als ästhetisches Programm sollte der neuen Lebensgeschwindigkeit in der Industriegesellschaft entsprechen und zum Ausgangspunkt für eine neue Kultur werden.72 Dementsprechend sagte Marinetti den als »Friedhöfen« 73 wahrgenommenen Museen den Kampf an. Die Kritik der Futuristen richtete sich aber nicht allein gegen das Museum als spezifische Institution des Kunstmarkts, die Werke konservierte und Werte etablierte, sondern gegen alle »traditionsvermittelnde[n] Institutionen« 74, zu denen auch Akademien und Bibliotheken zählten. In den Augen der Futuristen fungierten sie als Kulturreservate, die 69 | Vgl. Lista, Giovanni: Le Futurisme. Textes et Manifestes 1909-1944. Ceyzérieu 2015, S. 7-75; Transkription des Gründungsmanifest vom 20.2.1909 in der Pariser Tageszeitung Le Figaro, S. 100-104. – Dieses Datum gilt gemeinhin als die Geburtsstunde des Futurismus. Bereits zuvor veröffentlichte Marinetti eine längere Version derselben Gründungsschrift in der Mailänder Zeitung La Giovane Italia. – Vgl. Lista 2015, S. 93-97. – Die Pariser Version ist durch die Kürzung im Ausdruck entschärft. – Vgl. Hinz, Manfred: Die Manifeste des primo Futurismo Italiano. In: Asholt, Wolfgang, Fähnders, Walter (Hg.): »Die ganze Welt ist eine Manifestation.« Die europäische Avantgarde und ihre Manifeste. Darmstadt 1997, S. 109-131, S. 112. 70 | 1907 erschuf Pablo Picasso mit »Les Demoiselles d’Avignon« das erste Werk des Kubismus. Es stand am Anfang einer zunehmend wirklichkeitsfernen Gestaltung, die durch die Betonung von bildnerischen Form- und Farbfragen mit der Tradition mimetischer Wiedergabe brach. Malerische Illusion wurde überwunden, um die spezifischen Eigenschaften des Bildes als materiellen Gegenstand und Malfläche zu erforschen. Die malerische Darstellung erfolgte nun gemäß der Eigengesetzlichkeit der Bildstruktur, dekonstruierte dementsprechend die integrale Form des abgebildeten Objekts und ließ sie zum bildlichen Zeichen werden. Der hiermit in Gang gesetzte, formale Abstraktionsprozess ging mit einer konzeptuellen Durchleuchtung des Werks einher, die sich schnell von der retinalen Kunstwahrnehmung als eine »Demontage der Wirklichkeit« auch auf deren gesellschaftliche Bedingungen ausweitete. – Vgl. weiterführend u. a. Fauchereau, Serge: Die Formen des Kubismus. In: Stanislawski, Ryszard, Brockhaus, Christoph (Hg.): Europa, Europa. Das Jahrhundert der Avantgarden in Mittel- und Osteuropa, Ausst.-Kat., Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994, 4 Bde., Bd. 1, S. 104-108; Kahnweiler, Daniel-Henry: Der Weg zum Kubismus. Stuttgart 1958, S. 20-87; Brunner, Manfred: Daniel-Henry Kahnweilers »Weg zum Kubismus« als Quelle kubistischer Werkabsicht. In: Ausst.-Kat. Kubismus, Köln, JosefHaubrich-Kunsthalle, 1982, S. 131-145, S. 135. 71 | Drechsler, Wolfgang: Die Futuristen und die internationale Avantgarde. In: Benesch, Evelyn, Brugger, Ingried (Hg.): Futurismus. Radikale Avantgarde, Ausst.-Kat., Wien, BA-CA Kunstforum, 2003, S. 5-70, S. 63. 72 | Wie Walter Grasskamp einleuchtend analysiert, visierten die futuristischen Künstler mit der deklarierten »Vereinigung von Kunst Leben« im Zeichen einer neuen Kultur jedoch keine Neuverortung von Werk und Rezipient, sondern letztlich die schlichte Erneuerung des bürgerlichen Repräsentationsmediums Kunst entsprechend dem eigenen, künstlerischen Paradigma. Nicht die Funktionalisierung von Kunst durch das Bürgertum wird kritisiert, sondern mit verbaler Radikalität wird die Zerstörung der Kunst selbst gefordert. – Vgl. Grasskamp 1981, S. 48-51. 73 | »Musées, cimetières…!« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Lista 2015, S. 103. 74 | Grasskamp 1981, S. 47.

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dem allgemeinen Fortschritt der Gesellschaft entgegenstanden, indem sie dem bürgerlichen Gesellschaftssystem zur Festigung von Klassenunterschieden dienten.75 Wie der Futurismus zielten auch Konstruktivismus sowie die von ihm beeinflussten Bewegungen von Bauhaus und De Stijl auf eine grundlegende Gesellschaftsreform, deren Idee einer umfassenden Neugestaltung auf dem Ideal einer mit dem Leben vereinten Kunst fußte.76 Vom Gedanken eines Gesamtkunstwerks getragen, wendeten sich Vertreter dieser Kunstströmungen daher auch der Gestaltung des Ausstellungsraumes zu, in dem Kunst die Möglichkeit hatte, auf die Wahrnehmung des Betrachters einzuwirken.77 Durch Dekonstruktion der vorhandenen räumlichen Parameter versuchten sie Einfluss auf die Einstellung des Rezipienten auszuüben. So fokussierte El Lissitzky den klassischen Ausstellungsraum als Umgebung des Kunstwerks und machte ihn zur Gestaltungsaufgabe des Künstlers. In seinem »Prounenraum« (1923) sowie in seinem vier Jahre später entstehenden »Raum der Abstrakten« 78 für die Landeskunstgalerie Hannover entwickelte er ein dreidimensionales, interaktives Raumgebilde für Ausstellungsräume.79 Dieses fand noch 1942 in der von Frederick Kiesler für Peggy Guggenheims »Art of this Century Gallery« kreierten Ausstellungsarchitektur Widerhall.80 75 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 49. 76 | Auch wenn gerade der Konstruktivismus eine internationale Verständigung der Künstler postulierte, müssen die intrinsischen Motivationen der einzelnen nationalen Kunstströmungen natürlich in Hinblick auf die jeweilige soziale und politische Situation der verschiedenen europäischen Staaten betrachtet werden. Insbesondere die Ausbildung der russischen Avantgarde, ihre formalen Leitgedanken, wie die Fundierung des Konstruktivismus auf wissenschaftlichen Organisationsmethoden, stehen dabei in direktem Bezug zur Oktoberrevolution 1917 und den daran entzündeten ideologischen Debatten. Die hiesigen Ausführungen fokussieren demgegenüber vorrangig formale Aspekte des ästhetischen Produkts und dessen Strategien in Hinblick auf Adaptionen nach 1945. Für eine ausführliche Darlegung der russischen Kunstentwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts und deren Absicht, einen aktiven Beitrag zur Ausbildung des »Neuen Menschen« zu leisten vgl. Turowski, Andrzej: Die Welt konstruieren. In: Ausst.-Kat. Bonn 1994-1995, S. 142-145; Grumpelt-Maaß, Yvonne: Kunst zwischen Utopie und Ideologie. Die russische Avantgarde 1900-1935 (zugl. phil. Diss. Mainz 1998), St. Augustin 2001, insbes. S. 337-339; Eckstein, Kerstin: Inszenierung einer Utopie. Zur Selbstdarstellung des Bauhauses in den zwanziger Jahren. In: Biundo, Christina [u. a.] (Hg.): Bauhaus-Ideen 1919-1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens. Berlin 1994, S. 15-29, S. 17. 77 | Vgl. Newhouse, Victoria: Wege zu einem neuen Museum. Museumsarchitektur im 20. Jahrhundert. Ostfildern 1998, S. 102-103. 78 | Für eine ausführliche Beschreibung vgl. Nobis, Beatrix: Der »Raum der Abstrakten« für das Provinzialmuseum Hannover 1927 /  28. In: Klüser / H egewisch 1991, S. 76-83. 79 | In Hinblick auf die internationale Avantgarde hält Christiane Post als interessantes Detail die zeitlich verschobene Wahrnehmung und Wertung der von Künstlern geschaffenen Ausstellungsszenografien fest. – Vgl. Post, Christiane: Künstlermuseen. Die russische Avantgarde und ihre Museen für Moderne Kunst. Berlin 2012, S. 245-246. 80 | Vgl. Bogner, Dieter: Staging Works of Art. Frederick Kiesler’s Exhibition Design 19241957. In: Davidson, Susan, Rylands, Philip (Hg.): Peggy Guggenheim and Frederick Kiesler. The Story of Art of This Century, Ausst.-Kat., Venedig Peggy Guggenheim Collection, 20032005, S. 35-49.

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Neben diesen Eingriffen in vorhandene Gebäudestrukturen entwickelte sich die avantgardistische Praxis, eigene Räume als Alternativen zum anerkannten Kunstbetrieb zu schaffen. Als Vladimir Tatlin, Aleksandr Rodčenko und Georgij Jakulov 1917 Elemente aus Holz, Metall und Pappe für das »Café Pittoresque« in Moskau verwendeten, um die Vorstellung von Raum als einem von massiven Mauern umschlossenen Bereich zu zerstören,81 erklärten sie die Raumgestaltung selbst zum Kunstwerk, das nicht mehr im üblichen Rahmen einer Kunstinstitution präsentiert, sondern selbst zur Umgebung einer alltäglichen Handlung wurde. Demgegenüber erzielte Kurt Schwitters mit seinem ab 1923 82 entstehenden grottenähnlichen »Merzbau« eine Personalisierung des Umraums, in dem die Grenze zwischen Skulptur, Raum und Ausstellung verschwammen.83 Bereits am 2. Februar 1916 gründete der Schriftsteller Hugo Ball das »Cabaret Voltaire« in Zürich. Als eine Art literarischer Nachtklub war es für jeden Interessierten zugänglich und bot allabendliche Veranstaltungen wie Lesungen, szenische Darstellungen, Gesang und Tanz.84 Als feste Einrichtung wurde es zum Ausgangspunkt der internationalen künstlerisch-literarischen Bewegung Dada.85 Anders als der Futurismus, der klare politische, kulturelle und soziale Zielsetzungen proklamierte, diese durch einen Stilwandel zu realisieren suchte und sogleich die hierfür relevanten Anleitungen und Techniken lieferte,86 vertrat Dada kein einheitliches ästhetisches Programm. In ihrer Auflehnung gegen den Kunstbetrieb wurden die Künstler durch den Schock und das Entsetzen vereint, die der Erste Weltkrieg hervorgerufen hatte. Für die im Krieg erlittenen Grausamkeiten war in ihren Augen die herrschende bürgerliche Kultur verantwortlich, die sie mitsamt ihren Werten als gescheitert ansahen.87 Das bestehende Kunstsystem war für die Dadaisten Trä-

81 | Vgl. Muschler, Sabine: Künstler als Museumsgründer. Personalmuseen für bildende Kunst in Deutschland (zugl. phil. Diss. Göttingen 2009), Hildesheim 2010, S. 26, Anm. 1. 82 | Schwitters arbeitete von 1923 bis zur Jahreswende 1936 / 37 an seinem ersten »Merzbau« in Hannover, von 1937 bis 1940 im norwegischen Exil an einer zweiten Version, der von 1947 bis zum Tod des Künstlers 1948 ein dritter Bau, der so genannte »Merzbarn«, folgte. – Vgl. Elger, Dietmar: Der Merzbau von Kurt Schwitters: eine Werkmonographie. Köln 1999, S. 9. 83 | Vgl. Celant, Germano: Ambient Art. In: Ausst.-Kat., B76 – La Biennale die Venezia. Section of Visual Arts and Architecture. General Catalogue, 2 Bde., Venedig, Biennale, 1976, Bd. 1, S. 187-201, S. 193; Elger 1999, S. 17-20. 84 | Vgl. Chronologie. In: Ausst.-Kat., Dada, Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création. Centre Georges Pompidou, 2005-2006, S. 218-259, S. 219. 85 | Den Züricher Kreis um Hugo Ball bildeten von 1916 bis 1920 die in mehreren Gattungen tätigen Künstler Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Hans Arp. Sie wurden zu Gründern, Dialogpartnern oder zur Inspiratoren für weitere Dada-Gruppierungen in New York, Berlin, Hannover, Köln und Paris, die sich in unterschiedlicher Weise und mit verschiedenen Akzentuierungen entwickelten. – Vgl. Rotzler, Willy: Objektkunst. Von Duchamp bis Kienholz. Köln 1972, S. 33-34. 86 | Vgl. Bürger 1974, S. 72. 87 | Vgl. Beyme 2005, S. 580-582; Richter, Hans: DADA – Kunst und Antikunst. Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Köln 1978, S. 12-17.

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ger einer »affirmativen […] Kultur« 88, die ohne Rücksicht auf die Greuel der Realität humanistische Ideale perpetuierte.89 Die Soireen des »Cabaret Voltaire« und später des Berliner »Dada Clubs« fanden daher außerhalb etablierter Räume der Kunstpräsentation statt.90 Dennoch blieben die etablierten Räume offizieller Kunstinstitutionen von den avantgardistischen Bestrebungen nicht unangetastet. Sowohl die »Erste internationale Dada-Messe«91 1920 in Berlin, als auch die erste »Exposition Internationale du Surréalisme«92 1938 in Paris fanden in offiziellen Galerieräumen statt. Indem die Künstler ihre Arbeiten in der Galerie selbst arrangierten, erweiterten sich die Werkgrenzen für den Zeitraum der Ausstellung auf den Präsentationskontext. Dementsprechend verursachten nicht nur provokative Exponate, sondern auch deren Inszenierung heftige Besucherreaktionen. Zugleich eigneten sich die Künstler mit dieser Vorgehensweise die Funktionen von Galerist und Kurator an.93 Analog zu dieser Funktion übernahmen Künstler der historischen Avantgarde bei der Organisation von Ausstellungsmöglichkeiten in Eigenregie auch Aufgaben der Vermittlungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Schon 1911 startete in Mailand die große futuristische Wanderausstellung, die 1912 ihre erste ausländische Station in der Pariser Galerie Bernheim-Jeune nahm.94 Zur Eröffnung, die durch eine von Marinetti organisierte Werbekampagne zum Spektakel inszeniert wurde, fand sich eine große Zahl Neugieriger ein. Allerdings erschienen weder die Werke noch deren Präsentation dem französischen Publikum revolutionär.95 Vielmehr waren es die anwesenden Futuristen selbst, die durch ihr Verhalten auffielen und öffentliches Aufsehen erregten, indem sie sich »wie im Kabarett«96 aufführten. Anstatt den formalen Versuch zu unternehmen, die Ausstellung als klassisches Repräsentationsmedium bildender Kunst zu reformieren, wendeten die Futuristen Formen öffentlichen Auftretens an, die sich den etablierten Konventionen des Kunstbetriebs widersetzten und die Ausstellungseröffnung zu einem Ereignis machten. So fielen die Künstler selbst durch bunte und exzentrische Kleidung auf, während bunte 88 | Marcuse, Herbert: Über den affirmativen Charakter der Kultur (1937). In: ders.: Kultur und Gesellschaft I. Frankfurt a. M. 51967 [1965], S. 56-101. 89 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 57. 90 | Vgl. Bürger 1974, S. 71. 91 | Vgl. Adkins, Helen: »Erste Internationale Dada-Messe«, Berlin 1920. In: Klüser / Hegewisch 1991, S. 70-75. 92 | Vgl. Schneede, Uwe M.: Exposition Internationale du Surréalisme, Paris 1938. In: Klüser /   H egewisch 1991, S.  94-101. 93 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 199-200. 94 | Vgl. »Chronologie des Futurismus«. In: Ausst.-Kat. Wien 2003, S. 236-237. 95 | So rühmt Apollinaire die Kühnheit der futuristischen Künstler, findet ihren Stil jedoch eher zum »Lachen«. – Vgl. Drechsler, in: Ausst.-Kat. Wien 2003, S. 63. – In der Forschungsliteratur wird wiederholt hervorgehoben, dass die künstlerische Produktion der Futuristen nicht immer mit ihren theoretischen Ansprüchen mithalten konnte. So steht etwa auch die manifestierte Maschinenbegeisterung in keinerlei Verhältnis zur schöpferischen Praxis der Futuristen. – Vgl. Lista, Giovanni: Maschinenverherrlichung und Technikangst bei den Futuristen. In: Ausst.-Kat. Wien 2003, S. 81-89, S. 81. 96 | Eltz, Johanna zu: Der Futurismus stellt sich aus: Wanderausstellung der Futuristen, 1912. In: Klüser / H egewisch 1991, S. 32-39, S. 32.

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Leuchtreklamen ihre Namen wie Attraktionen auf einem Jahrmarkt verkündeten. Durch den Bezug zum Theater, insbesondere zu dessen populärer Ausformung im Varieté und Zirkus, überschritten sie Gattungsgrenzen und näherten sich niederen Kunstformen an. Damit betonten sie den Futurismus nicht als rein künstlerische, sondern als politisch, sozial und ideologisch orientierte Bewegung.97 In diesem Hinblick fällt die Wahl der Futuristen auf, ihre Kunst- und Gesellschaftsvisionen im Medium des Manifests zu deklarieren. Denn dies bedeutete die Aneignung einer spezifischen literarischen Textform. Im Gegensatz zur heute geläufigen Begriffsverwendung war der Typus des Manifests ursprünglich explizit zur »Bekanntmachung staatlicher Institutionen«98 bestimmt. Auch wenn diese Definition zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr exklusiv war, beweist die Überschrift »Manifest Kaiser Franz Josephs«99 in der 1914 von Kaiser Franz Joseph I. veröffentlichten Begründung seiner Kriegserklärung an Serbien die zu diesem Zeitpunkt noch immer aktuelle Gültigkeit der ursprünglichen Wortsemantik. Als Kommunikationsmittel der Staatsmacht diente das Manifest wie im hiesigen Fall häufig zur Rechtfertigung kriegerischer Auseinandersetzungen.100 Marinetti griff durch seine aggressive Rhetorik diese Tradition auf. Formal verlieh er sich als Autor damit selbst den Anschein anerkannter, politischer Autorität. Andererseits bestärkte er seine kultur- und gesellschaftsvisionären Absichten: Obwohl seine theoretischen Ausführungen der Gruppenbildung der Futuristen sowie deren künstlerischer Produktion vorausgingen, verlieh er den dargelegten Zielsetzungen durch die Ankündigungsform im Manifest den Charakter unverzüglicher, realer Konsequenzen und Souveränität. Gemäß ihrem nicht rein ästhetisch, sondern auch politisch und sozial definierten Begriff von Kunst boten die verschiedenen Strömungen der historischen Avantgarden nicht nur innovative Alternativen zu Traditionen des Kunstbetriebs. Vielmehr griffen sie bewusst auf alltägliche und konventionelle Kommunikationsstrategien, Verhaltensweisen und Raumkonzeptionen samt den mit ihnen verbundenen Erwartungshaltungen zurück, um durch deren Verfremdung einen Schock beim Rezipienten hervorzurufen. Die Appropriation und Subversion von in ihrer gesellschaftlichen Definition fest verankerten Räumen, Verhaltensweisen, Kompetenzgebieten und Vermittlungsmedien kann somit als spezifische Praxis avantgardistischer Kunstströmungen zu 97 | Vgl. Eltz, in: Klüser / H egewisch 1991, S. 33. 98 | Berg, Hubert van den: Zwischen Totalitarismus und Subversion. Anmerkungen zur politischen Dimension des avantgardistischen Manifests. In: Asholt / F ähnders 1997, S. 58-80, S. 59. – Im Italienischen umfasst der Begriff »manifesto« neben der militärischen Konnotation das semantische Feld von »Ankündigung«, »Anzeige« oder »Anschlag«. Dem entspricht, dass Marinettis theoretische Fundierung der künstlerischen Produktion vorausgeht. – Vgl. Berg, in: Asholt / F ähnders 1997, S. 62. 99 | Zitiert nach: Berg, in: Asholt / F ähnders 1997, S. 60. 100 | Auch der Begriff der »Avantgarde« verweist etymologisch auf die Vorhut eines Kriegsheeres. Im 19. Jahrhundert begann eine semantische Verschiebung hin zum Dualismus von »avantgardistisch« versus »reaktionär«, wobei lange Zeit ein Bewusstsein für den militärischen Unterton der Bezeichnung, vor allem bei Selbsterklärungen von Avantgardisten, erhalten blieb. – Vgl. Beyme 2005, S. 31-34.

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Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden werden. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einer jungen und kritischen Künstlergeneration aufgegriffen. Eine Form künstlerischer Aneignung erreichte dabei musterhafte Bekanntheit und Fortdauer. Der wohl berühmteste Vorreiter vieler neo-avantgardistischer Methoden ist Marcel Duchamp, der sich im Sturm auf die »Fluchtburgen«101 der bürgerlichen Kunst durch besondere Radikalität auszeichnete. 1914 versah Duchamp einen handelsüblichen »Flaschentrockner« mit seiner Signatur und erklärte ihn als »Readymade« zum Kunstwerk.102 Realität und Kunst wurden nicht mehr in Collagetechnik fragmentarisch zusammengefügt, sondern fielen im Objekt zusammen.103 Die schöpferische Geste des Künstlers reduzierte sich auf ein Minimum. Wie André Breton in seiner bis heute griffigen Definition des Readymades ausführte, handelte es sich dabei um »vorfabrizierte Objekte, die die Würde eines Kunstwerks erlangt haben durch die Wahl des Künstlers.«104 Dieses erhielt durch den Eingang in eine Ausstellungsinstitution öffentliche Legitimation.105 Duchamps Readymades und 101 | Grasskamp 1981, S. 41. 102 | Der Begriff des »Readymades« ist konzeptuell unklar und variiert auch in den Eigenaussagen des Künstlers. Manchmal wird Duchamps »Fahrrad-Rad« von 1913 als erstes Readymade der Kunstgeschichte angesehen. Zur begrifflichen Annäherung an diese Objektgattung liegen umfangreiche Auseinandersetzungen und bleibende Meinungsverschiedenheiten vor. Vor allem die divergierenden Aussagen Duchamps hinsichtlich seines erweiterten Readymade-Verfahrens zwischen 1919 und 1923, bei dem nicht ausschließlich reale Gebrauchsgegenstände zur Verwendung kamen, sondern diese teilweise imitiert wurden, lassen die Begriffskonzeption undeutlich werden. Während das Werk von 1913 noch dem collageähnlichen Prinzip der Montage von zwei Realobjekten folgt, wodurch die schöpferische Handlung des Künstlers auf deren Kombination reduziert wird, beschränkt sich die Intervention Duchamps bei »Flaschentrockner« (1914) einzig auf die Auftragung seiner Signatur. Das epochemachende Werk »Fountain« (1917) wiederum wurde von Duchamp mit der Phantasiesignatur »R. Mutt« versehen und auf den Kopf gestellt präsentiert. – Vgl. Duchamp, Marcel: Apropos of »Readymade«. In: Moure, Gloria: Marcel Duchamp. Works, Writings and Interviews. Barcelona 2009, S. 123; Rotzler 1972, S. 30-32; Faust, Wolfgang Max: Bilder werden Worte. Zum Verhältnis von bildender Kunst und Literatur im 20. Jahrhundert oder Vom Anfang der Kunst im Ende der Künste (zugl. phil. Diss. Berlin 1975), München / W ien 1977, insbes. S. 136-141; Schwarz, Arturo: The complete works of Marcel Duchamp. 2. überarb. u. erw. Aufl., 2 Bde., Bd. 1, New York 2000 [London 1969], S. 44-47; Bergius, Hanne: Montage und Metamechanik. Dada Berlin – Artistik von Polaritäten. Berlin 2000. 103 | Vgl. Faust 1977, S. 135; Lebel, Robert: Marcel Duchamp. Köln 1972, S. 64. 104 | Breton, André: La Phare de la Mariée. In: Minotaure, 6 / 1934-1935, S. 46, dt. Übersetzung zitiert nach: König 2012, S. 96. 105 | Größte Bekanntheit erlangt Duchamps 1917 mit der Signatur »R. Mutt« und dem Titel »Fountain« versehene Urinoir. Dieses wurde 1917 entgegen den Vereinsstatuten von der »Society of Independent Artists« nicht zur Ausstellung im New Yorker Grand Central Palace zugelassen. Nur eine Woche später stellte es Alfred Stieglitz in seiner Galerie 291 aus und legitimierte damit das Kunstwerk. – Vgl. Camfield, William A.: Marcel Duchamp. Fountain. Houston 1989, S. 33-34. – Alfred Stieglitz verkörperte früh die Personalunion von Künstler und Kunstvermittler, da er selbst als Fotograf tätig, Herausgeber der Zeitschrift »Camera Work« sowie nacheinander Leiter der Galerien »Galerie 291«, »Intimate Gallery« und »An American Place« war. Das Verwischen verschiedener Berufsgrenzen wurde in der Neo-Avant-

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die davon beeinflussten surrealistischen Objektassemblagen machten also die institutionellen Machtkonstellationen und Wirkungsfelder durch die Werkinnovation sichtbar. Diese Fähigkeit entwickelten sie jedoch nur in der direkten Konfrontation mit den kritisierten Institutionen und Konventionen, das heißt, nachdem die Arbeiten von der angeprangerten Marktmaschinerie bereits akzeptiert und vereinnahmt wurden.106 Für die Künstler der Nachkriegsgeneration vergegenwärtigte das somit innerhalb des marktökonomischen Rahmens des Kunstbetriebs verharrende Kunstwerk einen inzwischen zur Konvention gewordenen Konventionsbruch. Diese ließ die Grenze zwischen künstlerischem und außerkünstlerischem Diskursraum unangetastet. Die neuen avantgardistischen Strömungen der 1960er Jahre unterzogen diesen Schwachpunkt der Konzeptionen ihrer Vorgänger daher einer kritischen Revision.107 Die eingangs erwähnte, jüngste Generation institutionskritischer Künstler verlagerte in dieser Tradition ihren Interessenschwerpunkt am materiellen Raum der Kunstinstitutionen auf dessen sozialen Diskurs. Hierfür nutzte vor allem Andrea Fraser die Performance als künstlerische Ausdrucksform, die ihren Ursprung ebenfalls in der Nachkriegskunst nahm. Anstelle des aggressiven Eingriffes in eine vorgefundene Bausubstanz trat bei ihr der vermittelnde Akt als »kritisch-reflexive Ortsspezifität«108. Die für die Kunstproduktion am Ende der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts angeführten Bezeichnungen »Institutional critique« und »Kontext-Kunst« können teilweise synonym verwendet werden, da sie sich vielfach auf dieselben Positionen und Beispiele beziehen. Dadurch zeugen sie jedoch vor allem von der wissenschaftlichen Notwendigkeit, sprachliche Ordnungssysteme zu konstruieren, um künstlerische Erscheinungen zu vermitteln. Denn das Verstehen von Kunstwerken gilt als grundsätzliche Aufgabe der Kunstgeschichte: »Wie jeder andere zu verstehende Text muß ein jegliches Kunstwerk – nicht nur das literarische – verstanden werden, und solches Verstehen will gekonnt sein.«109 Dabei ist es eine Selbstverständlichkeit, Kunst in Sprache zu fassen und sich ihren Erscheinungen in Beschreibungen zu nähern. So konstatiert Ernst Rebel: »Nur als private Kunstliebhaber dürfen wir

garde erneut Thema und beispielsweise von Konrad Fischer, vormals Konrad Lueg, ausgelebt. Letzterer setzte jedoch eine klare Grenze zwischen seiner frühen Karriere als Künstler und seiner späteren Arbeit als Galerist. – Vgl. Bochner, Jay, Montier, Jean-Pierre (Hg.): Carrefour Stieglitz. Colloque de Cerisy-la-Salle. Rennes 2012. 106 | Vgl. Hantelmann, Dorothea von: How to do things with art. Zur Bedeutsamkeit der Performativität von Kunst. Zürich [u. a.] 2007, S. 7-8. 107 | An dieser Stelle wird auf die hierfür exemplarischen künstlerischen Methoden und Erscheinungen nicht weiter eingegangen, da sie als zeitgenössischer Kontext der in der vorliegenden Arbeit untersuchten fiktiven Institutionen im dritten Kapitel eingehend behandelt werden. 108 | Fraser 2005, S. 87. 109 | Gadamer, Hans Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen 1960, S. 157.

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vor den Bildern schweigen. Als Wissenschaftler und Vermittler müssen wir an den Verbalisierungen teilnehmen.«110 Parallel zur künstlerischen Produktion ist in der jüngeren kunsthistorischen Forschung eine verstärkte Sensibilität für die Zusammenhänge von marktbestimmender Institution, Befragung von Autor- und Werkbegriff sowie formal-stilistischen Entwicklungen und Brüchen entstanden.111 Im Zuge dessen hat sich eine Forschungsperspektive etabliert, deren Konzentration weniger auf dem Einzelwerk, sondern verstärkt auf dem für dessen Präsentation gewählten Arrangement liegt. Künstlerische Repräsentationspraktiken, wie sie durch die szenografische Ausstellungsgestaltung im so genannten »Display« sichtbar werden, sind zunehmend Objekte der Aufmerksamkeit und Gegenstand von Untersuchungen.112 In direkter Verbindung zu diesem Forschungsfeld stehen die innerhalb der Kunsträume habitualisierten Praktiken und Rollenmodelle. Existiert zum Wandel von Berufskonzepten und Kompetenzgebieten auf dem Kunstmarkt eine vielgliedrige Forschung,113 erfahren auf praktischem Gebiet seit der Jahrtausendwende neue Studiengänge, die sich auf die kuratorische Tätigkeit des »Ausstellungmachen« fokussieren, international erheblichen Zuwachs.114 Neben kunsthistorischem Fachwissen erwerben die 110 | Rebel, Ernst (Hg.): Sehen und Sagen. Das Öffnen der Augen beim Beschreiben der Kunst. Ostfildern 1996, S. 8. 111 | Vgl. Kurz, Katharina: Der Kunsthändler als Intermediär. Eine institutionenökonomische Analyse von Markt und Marktteilnehmern (zugl. oec. Diss. Oestrich-Winkel 2014), Frankfurt a. M. 2014; Müller-Jentsch, Walther: Die Kunst in der Gesellschaft. Wiesbaden 2011. 112 | Vgl. John, Jennifer, Richter, Dorothee, Schade, Sigrid (Hg.): Re-Visionen des Displays. Ausstellungsszenarien, ihre Lektüren und ihr Publikum. Zürich 2008. – Vgl. ferner Barker, Emma (Hg.): Contemporary Cultures of Display. New Haven / L ondon 1999; Bianchi, Paolo (Hg.): Neues Ausstellen. Ausstellungen als Kulturpraktiken des Zeigens (I). = Kunstforum, 10.6.2007, Bd. 1; Bianchi, Paolo (Hg.): Ausstellungs-Displays. Ausstellungen als Kulturpraktiken des Zeigens (II). = Kunstforum, Anfang 2008, Bd. 2; Richter, Dorothee: Ausstellungen als kulturelle Praktiken des Zeigens: Die Pädagogiken. In: Eigenheer, Marianne (Hg.): Curating Critique. Frankfurt a. M. 2008, S. 192-201. 113 | Vgl. u. a. Warnke 1985; Groblewski, Michael, Bätschmann, Oskar (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993; Bätschmann 1997; Gelshorn 2004; Bippus, Elke: Autorschaft in künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung. In: Caduff, Corina, Wälchli, Tan (Hg.): Autorschaft in den Künsten. Konzepte – Praktiken – Medien. (Zürcher Jahrbuch der Künste; 4 /  2007) Zürich 2008, S. 34-45; Obrist, Hans Ulrich: A brief history of curating. Zürich 2008; Bismarck, Beatrice von: Auftritt als Künstler. Funktionen eines Mythos. Köln 2010. 114 | Als ein Vorreiter in der deutschen Hochschullandschaft bietet die Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, seit dem Wintersemester 2009 /  2010 einen Masterstudiengang zu »Kulturen des Kuratorischen« an. – Vgl. http://www.kdk-leipzig.de (letzter Aufruf: 15.4.2016). – Im selben Jahr wurde in der École normale supérieure de Paris lediglich eine Tagung zum Thema »Qu’est-ce que le curating?« abgehalten. – Vgl. Bawin 2014, S. 2. – Im deutschsprachigen Raum folgten weitere Konferenzen und Masterstudiengänge wie derjenige in Frankfurt. – Vgl. http://www.uni-frankfurt.de/35791819? (letzter Aufruf: 15.4.2016). – In Amerika hat diese Entwicklung schon leicht vor der europäischen begonnen, so etwa mit dem bereits 1997 eingeführten Master in »Curatorial Studies« der Columbia University, New York. – Vgl. http://www.columbia.edu/cu/arthistory/graduate/moda.html (letzter Aufruf:

Einleitung

Studierenden dort praktische Erfahrungen im Kuratieren von Ausstellungen, um sie als »künftig[e] Kurator / innen und Kunstkritiker / innen«115 zielgerichtet auf ihre Aufgabe beim »creating publics for art«116 vorzubereiten. Eine grundlegende Annahme der vorliegenden Arbeit ist, dass die thematisierten fiktiven Institutionen eine Scharnierstellung zwischen den beiden Forschungsgebieten von historischer Avantgarde und postmoderner Institutionskritik einnehmen und nicht nur Anhaltspunkte für die in dieser Perspektive entstandenen theoretischen Reflexionen über die Mechanismen und Strukturen des Kunstbetriebs liefern, sondern auch für die darauf folgenden praktischen Effekte in den Bereichen kunstwissenschaftlicher Ausbildung und Vermittlung. In den fiktiven Institutionen kristallisieren sich maßgebliche Aspekte, die in den progressiven Bewegungen um 1900 angelegt sind und in Arbeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts in sublimierter Form wiederkehren, da die Integration von Kritik und Rebellion in das Kunstsystem bereits abgeschlossen scheint. Die vorliegende Arbeit wird diese Aspekte nach der eingehenden Beschreibung der Untersuchungsobjekte117 und ihres zeithistorischen Kontextes118 im fünften Kapitel anhand der drei thematischen Schwerpunkte von Artefakt, Raum und Rollenverständnis analysieren. Dabei stellt die Aneignung vorhandener Vermittlungsmedien und Rituale sowie deren performative Subversion eine grundlegende Vorgehensweise der Künstler dar.119 Da Gasiorowskis Œuvre in der deutschsprachigen Kunstgeschichte bisher nur äußerst marginale Betrachtung erfahren hat, steht seine fiktive Institution am Beginn der Arbeit und wird ausführlicher als die in der Forschungsliteratur bereits eingehend behandelten Vergleichsobjekte beschrieben. Für die hier erstmals erbrachte Rekonstruktionsarbeit des Werkkomplexes, zu dem auch die konkrete Ausstellungsinszenierung 1982 zählt, greift die vorliegende Arbeit auf bisher unveröffentlichtes Archivmaterial zurück, dessen Publikation bisher nicht vorgesehen ist und an dem die Verfasserin keine Rechte besitzt.

15.4.2016). – Interessanter Weise sind es im deutschsprachigen Raum entgegen dem amerikanischen Vorbild gerade Kunsthochschulen, die eine erste Aufmerksamkeit für neuartige Arbeitskonfigurationen in der Kunstwelt entwickelten und daraus resultierende Bedeutungsverschiebungen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung reflektierten. 115 | Vgl. Konzeption des Studiengangs »Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik«, Goethe-Universität Frankfurt a. M., unter: http://www.kuratierenundkritik.net/deutsch/ studiengang/studiengang konzeption.html (letzter Aufruf: 14.2.2017). 116 | »Schöpfen von Öffentlichkeiten für Kunst« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Teh, David: Obstacles to Exhibition History: Institutions, Curatorship and the Undead Nation-State. In: O’Neill, Paul [u. a.] (Hg.): The Curatorial Conundrum. What to study? What to research? What to practice? Cambridge 2016, S. 26-38, S. 18. 117 | Vgl. Kapitel 2 und Kapitel 4. 118 | Vgl. Kapitel 3. 119 | Vgl. Bätschmann, Oskar: Rituale im Kunstsystem. In: Bilstein, Johannes (Hg.): Rituale der Kunst (Moyländer Diskurse zu Kunst und Wissenschaft, 3). Oberhausen 2011, S. 9-18.

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2. Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Wie in der einleitenden Beschreibung verdeutlicht wurde, handelt es sich bei der »Académie Worosis Kiga« um eine äußerst komplexe Werkanlage, die die klassische Einheit des Kunstwerks sprengt. Über die Vielzahl einzelner Artefakte hinaus entwickelt sich das Werk erst in seiner räumlichen Entfaltung im Moment der Ausstellung, in der die Einzelarbeiten in der Betrachterwahrnehmung zusammenwirken. Diese weisen deutliche Spuren des Produktionsprozesses auf und reflektieren damit ihren Status als Artefakte. Zugleich fungieren sie als Dokumente einer spezifischen Inszenierungspraxis des Künstlers, die sich weit über den akuten Moment der Ausstellung hinausdehnt. Erstmals wurde die »Académie Worosis Kiga« 1982 in der Pariser Galerie Maeght präsentiert.1 Wie im Folgenden gezeigt wird, handelte es sich dabei um eine vom Künstler persönlich konzipierte Ausstellung. Artefakte der Akademiefiktion traten danach lediglich im Zusammenhang größer angelegter Werkschauen Gasiorowskis in Erscheinung, in denen sie nur noch als exemplarische Anschauungsobjekte einer bestimmten Werkphase figurierten.2 Die Ausstellung von 1982 wird in der vorliegenden Untersuchung deshalb als erste – und einzige – Werkrealisation im Sinne des Künstlers aufgefasst und als Analysegrundlage verwendet. Da diese Werkrealisation nicht mehr zugänglich ist, besteht die grundlegende Aufgabe und Leistung des folgenden Kapitels in Rekonstruktionsarbeit. Maßgebliche Quellen hierfür bieten Fotografien, die Colette Portal, die damalige Lebensgefährtin Gasiorowskis, ab 1979 im Wohnatelier des Paares sowie von der Ausstellung 1982 aufgenommen und der Verfasserin für die vorliegende Untersuchung zur Verfügung gestellt hat. Sie werden einerseits ergänzt von Zeugenaussagen, die entweder in der Sekundärliteratur veröffentlicht oder im direkten Gespräch mit der Verfasserin gemacht worden sind, sowie andererseits durch private Korrespondenzen des Künstlers, die sich zurzeit im Archiv Philippe Agostinis befinden. Während die Fotografien grundlegende Kenntnisse über die Galerieausstellung 1 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982. 2 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1983; Ausst.-Kat., Gérard Gasiorowski. L’académie Worosis Kiga, Freiburg, Kunstverein, 1989; Ausst.-Kat. Paris 1995; Ausst.-Kat. Nîmes 2010.

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liefern und zudem Indizien der Werkgenese sind, geben die Egodokumente Aufschluss über das private Netzwerk des Künstlers und machen in Hinblick auf das vielschichtige Akademiewerk grundlegende Kommunikationsstrategien sichtbar. Zudem liefern sie wichtige Anhaltspunkte zur Datierung einzelner Arbeitsphasen. Das vierte große Quellenfundament, das vor allem für die Werkanalyse unabkömmlich ist, sind die Artefakte der »Académie Worosis Kiga« selbst. Aus genannten Gründen werden dabei die Exponate von 1982 als Werkgrundlage betrachtet. Die Artefakte lassen sich zunächst in zwei große Objektgruppen einordnen: Neben den bildnerischen Arbeiten auf der einen Seite, existiert auf der anderen Seite eine mehrseitige, schriftlich fixierte Geschichte der »Académie Worosis Kiga«. Die Akademiearbeiten sind größtenteils durch Katalogpublikationen bekannt. Einzelne Werke konnten zudem in den Sammlungen des erzbistümlichen Kunstmuseums Kolumba in Köln und des Ludwig Museums Koblenz im Original oder zumindest durch Einsichtnahme in die Inventarkarteien der Galerie Maeght auch auf technische Details hin betrachtet werden. Die in vier Ringbüchern auf bewahrte Akademiegeschichte wurde der Verfasserin schließlich als vollständiges Digitalisat von der Galerie zugänglich gemacht.3 Die in drei fragmentarische Kapitel strukturierte Fiktion schildert wie eine Chronik die Statuten, Abläufe und Geschehnisse an der Kunsthochschule. In diesem Zusammenhang finden in der Erzählung die in der Ausstellung visuell und haptisch erfahrbaren Artefakte Erwähnung und werden in ihrer Erscheinung, ihrer Herstellungsweise und ihrer Funktion für den akademischen Alltag erläutert.4 Dem Werkkomplex »Académie Worosis Kiga« ist die eigene Werkbeschreibung damit immanent. Darüber hinaus umfassen die Ringbücher jedoch auch Skizzen, Planungen und Schriftstücke, die die reale Ausstellungspräsentation von 1982 betreffen.5 Vermischen sich dadurch im Akademieobjekt die Ebenen von Fiktion und Wirklichkeit, wurde dieses Prinzip durch den damaligen Ausstellungstitel »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski« und der hiermit eröffneten, mehrdimensionalen Autorposition Gasiorowskis über die Werkebene hinaus auf die Institution der Ausstellung hin erweitert. Damit ist der Status der Galerieausstellung 1982 als Basis für die Werkanalyse erneut gerechtfertigt, wird diese doch buchstäblich zum Bestandteil des Akademiewerks.6 Zur Nachvollziehbarkeit der verschiedenen Erzählebenen beginnt die folgende Werkbeschreibung mit der Rekonstruktionsarbeit des historischen Ausstellungszusammenhangs, in den die Beschreibungen einzelner Exponate und Werkgruppen eingebettet sind. Danach wird deren fiktionale Rahmung durch die schriftliche Information erläutert und dem Verweisnetz zwischen fiktivem Text und ausgestell-

3 | Für Zitate, die sich auf diese Quelle beziehen, wird im Folgenden eine Kurzschreibweise verwendet, die sich aus »R« für »Ringbuch« und dessen arabischer Ordnungszahl von eins bis vier sowie der Blattseite zusammensetzt. So ergibt sich das Muster: R1, Blatt 1r / v. 4 | Vgl. R1, Blatt 28 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 5 | Vgl. Abb. aus R1, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 121. 6 | Unter den fotokopierten Ringbuchseiten im Archiv der Galerie Maeght befinden sich beispielsweise mehrere redigierte Versionen einer Pressemitteilung zur Ausstellungseröffnung sowie Entwürfe für die Kataloggestaltung. – Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 112.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

ten Artefakten nachgegangen, bevor die Positionierung und Entstehungsbedingungen der »Académie Worosis Kiga« im Gesamtwerk des Künstlers analysiert werden.

2.1 D ie A usstellung in der G alerie M aeght, 1982 Am 2. Juni 1982 eröffnete in der Pariser Galerie Adrien Maeght die Ausstellung »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski«, in der Gérard Gasiorowski seinen Werkkomplex der fiktiven Kunstakademie erstmals öffentlich zeigte.7 Die Ausstellungsräume befanden sich im Hinterhof der Pariser Rue du Bac 46, die zum damaligen Zeitpunkt die von der Straße aus einsehbare Präsentationsfläche der Galerie in der Hausnummer 42 ergänzten. Die im Folgenden geschilderte Ausstellungsrekonstruktion basiert auf drei unterschiedlichen Quellen: den Ausstellungsfotografien von Colette Portal, der Besichtigung der ehemaligen Ausstellungsräume und den vorbereitenden Skizzen in den Ringbüchern Gasiorowskis. Die Schwarz-Weiß-Fotografien, die Colette Portal vor der Ausstellungseröffnung angefertigt hat, sind dabei von zentraler Wichtigkeit, da sie die einzigen Quellen für die in der Ausstellung 1982 gezeigten Exponate sowie deren räumliche Anordnung sind. Zusammen mit den Erkenntnissen, die der Besuch der heute umfunktionierten und architektonisch veränderten Räumlichkeiten erbracht hat, konnte auf Basis der in den Fotografien dokumentierten Raumfluchten, Durchgänge und Fensterpartien ein Grundriss der Ausstellungsfläche von 1982 rekonstruiert werden (Abb. 1). Der Besucherparcours durch das Raumensemble, das über zwei unterschiedliche Eingänge verfügte, sowie die wahrscheinliche Disposition des heute stark veränderten letzten Ausstellungssaales beziehen sich auf Skizzen aus dem ersten Akademie-Ringbuch (Abb. 2 und 3). Die Zusammenschau dieser Quellen lässt auf ein ursprüngliches Raumgefüge von drei flurartig hintereinander gereihten Sälen entlang einer von Süd-Osten nach Nord-Westen verlaufenden Achse schließen. Der Zugang befand sich im Süd-Osten. Die ehemaligen Galerieräume lagen quer zum südwestlich angesiedelten Innenhof. Zu diesem öffneten sich der erste und zweite Ausstellungssaal durch je zwei große Rundbogen. Die ersten drei Öffnungen bargen zweiflügelige Sprossenfenster, deren Sohlbänke nahezu das Bodenniveau des Innenraumes erreichten. Die letzte, vierte Arkade überspannte eine Flügeltür, der ein kleines, rechteckiges Podest, das von einer Balustrade umfasst wurde, vorgelagert war und das über vier niedrige Steinstufen in den Innenhof führte. Der dritte Ausstellungsraum befand sich in einem Anbau an das repräsentative Steingebäude aus dem 19. Jahrhundert und war im Verhältnis zu den ersten beiden Sälen deutlich größer. Ausgehend von dieser Raumdisposition lässt sich ein Ausstellungsrundgang von 1982 wie folgt rekonstruieren: Nachdem der Besucher das große Rundbogentor der Rue du Bac 46 durchschritten hatte, betrat er am hinteren Ende des Innenhofes rechts die Galerieräumlichkeiten über zwei niedrige Stufen. Von einem kleinen Flur aus führten zwei weitere Stufen zu seiner Linken zum ersten Ausstellungssaal empor.

7 | Die Datierung entspricht dem Hinweis auf der Einladungskarte. – Vgl. Einladungskarte, in: Archiv Philippe Agostini.

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Abbildung 1:  Rekonstruktion der Ausstellungsräume der Galerie Adrien Maeght, Hinterhofräume Rue du Bac 46, Paris sowie des Ausstellungs­auf baus »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski«, 1982

© Theresa Nisters, Antoine Leroux-Girard, 2016

Abbildungen 2 und 3:  Gérard Gasiorowski, Skizze zum Ausstellungsauf bau in der Galerie Adrien Maeght, Hinterhofräume Rue du Bac 46, Paris 1982, Tinte / Papier, Maße unbekannt, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Im ersten Ausstellungsraum waren die drei Wände rechts des Eingangs mit insgesamt 16 »Classes« versehen. Die beiden Stirnseiten, rechts neben dem Eingang sowie gegenüber an der Wand rechts des Durchgangs vom ersten in den zweiten Ausstellungsraum, waren jeweils mit einem Block aus vier übereinander angeordneten »Classes« bestückt. An der rechten Seitenwand gegenüber den Fenstern befanden sich zwei weitere Blöcke aus je vier »Classes«. Abbildung 4:  Gérard Gasiorowski, »Les Classes«: Nº 29: Jacques Monory – Georges Maciunas – Eva Hesse – Stempel 8 Sept. 1980 und Nº 14: Gilbert and George – G. Segal – G. Richter – Stempel 12 Aout 1980, 1975-1981, Büroklammern / Acryl / Tinte / Papier, je 40,5  cm × 162,5  cm, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Eine »Classe« setzt sich aus fünf Acrylmalereien auf Papier in einem längsrechteckigen Rahmen von 40,5 cm × 162,5 cm zusammen (Abb. 4).8 Die ersten vier Zeichnungen stellen verschiedene Ansichten von Herrenhüten dar, die in leichter Unter- oder Aufsicht, frontal oder seitlich repräsentiert im Bildraum zu schweben scheinen. Während auf dem ersten Blatt je ein Filzhut in gedecktem Grau- oder Braunton vor farbigem Hintergrund zu erkennen ist, zeigen die beiden folgenden Blätter jeweils einen grauen Filzhut mit dunklem Hutband vor abgestuft grauem Grund. Der vierte Hut ist stets anthrazitfarben und vor weißem Hintergrund abgebildet. Sein durchweg rotbraunes Hutband ist in einigen Fällen mit weißen Punkten versehen. Die letzte Arbeit innerhalb eines Rahmens besteht aus einem Bogen gelben Papiers, der drei längsrechteckige lose auf der Fläche verteilte, jedoch parallel zueinander angeordnete braune Querbalken sowie den gestempelten Schriftzug

8 | Dieses Maß entspricht der von der Verfasserin persönlich vorgenommenen Messung eines Rahmens in der Galerie Maeght. In Ausstellungskatalogen wird seit 1989 die demnach fehlerhafte Angabe 36 cm × 160 cm übernommen. Diese kann sich genauso wenig auf das ungerahmte Ensemble beziehen, da ein Einzelblatt 37 cm × 30,5 cm misst.

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»EXERCICE LIBRE« aufweist.9 Ähnliche Balken in unterschiedlichen Farben und in wilder Anordnung sind auch auf den übrigen vier Hutzeichnungen einer »Classe« zu erkennen. Diesen vier Hutbildern sind zudem stets auf gleicher, jedoch von Rahmen zu Rahmen unterschiedlicher Höhe am linken Blattrand längsrechteckige, farbige Papierstreifen mit einer Büroklammer angeheftet. Die Farbabfolge der Papierstreifen folgt durch alle »Classes« hinweg demselben Prinzip: Derjenige des ersten Hutes ist stets aus blauem, der des zweiten aus gelbem Papier eines karierten Notizheftes ausgeschnitten, es folgen ein weiterer blauer und ein rosafarbener Papierstreifen. Die Inschriften der Papierstreifen ordnen die aneinandergereihten Malereien in chronologischer Abfolge verschiedenen Klassenjahrgängen und den entsprechenden Lehrmeistern zu. Die Schildchen der ersten Blätter tragen daher die gleichlautende Aufschrift: »Classe de 1ère année / maître d’étude: monsieur Vouillle«, die zweite Beschriftung lautet: »Classe de 2ème année / maître d’étude: monsieur Sother« und die dritte: »Classe de 3ème année / maître d’étude: monsieur Hennequin«. Diesen Informationen auf den ersten drei Hutzeichnungen folgt je ein in unterschiedlichen Handschriften ausgeführter Name eines zeitgenössischen Künstlers, seine scheinbare Signatur. Unter anderem sind die Namen Vito Acconci, J. Beuys, C. Boltanski, D. Buren, J. Cage, Gilbert & George, A. Warhol oder Rauschenberg zu entziffern.10 Die Etiketten der dritten Klasse tragen zudem die gestempelte Aufschrift »EXERCICE LIBRE«, wie sie auch auf dem letzten gelben Blatt des Rahmens zu sehen ist, und unterhalb des Namens die Bemerkung »travail sur le monochrome«. Der vierte Hut ist mit der Angabe: »Classe de 4ème année / maître d’étude: mademoiselle Prax« versehen, auf die anstelle eines Künstlernamens lediglich mehrere schwarze Punkte folgen. Das letzte Blatt trägt keine Anheftung. Alle Etiketten weisen jeweils einen runden Stempelabdruck in blauer Tinte auf. Dieser lässt zwischen zwei schmalen Kreisen, die den Stempelabdruck begrenzen, in regelmäßigen Abständen die Buchstabenfolge »A W K« und im Zentrum des Kreises »Académie Worosis Kiga – Prof. Arne Hammer« lesen. Dieselbe Stempelspur ziert darüber hinaus sowohl den weißen Grund des vierten Hutes sowie das gelbe Blatt der »Exercice Libre«. Auf der gegenüberliegenden Seite des ersten Saales, vor der Fensterfront links des Eingangs, waren zwei längsrechteckige Vitrinen aufgestellt, die sich aus einer gläsernen Haube und einem monolithischen, hellen Sockelkubus zusammensetzten. Sie waren direkt an die Kante des offenen Wanddurchgangs in der Stirnwand des ersten Ausstellungssaales geschoben. Wie die Reproduktion einer Fotografie Colette Portals im Freiburger Katalog von 1989 erkennen lässt, lagen in der ersten Vitrine neben einem nicht klar zu identifizierenden Blatt, dessen trichterförmiges Motiv an die Form eines Blumentopfes erinnert, drei Textseiten, die auf der Reproduktion jedoch unleserlich sind.11 Alle vier Blätter lagen auf einem Bett von beschrifteten und gestempelten längsrechtecki9 | Die Ausstellungsdokumentation von Colette Portal besteht ausschließlich aus schwarzweißen Fotografien. Farbliche Beschreibungen orientieren sich dementsprechend an späteren Publikationen oder der eigenen Anschauung der Werke. 10 | Die differierende Schreibweise und Ausschreibung von Vor- und Nachnamen entspricht dem Original. 11 | Vgl. Abb. »A.W.K. – Ausstellung in der Galerie Adrien Maeght, Paris 1982«, in: Ausst.Kat. Freiburg 1989, o. S.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

gen Papierstücken, die formal den Etiketten der »Classes« entsprachen. Rechts davon bedeckte eine Vielzahl kleiner, rechteckiger und monochrom gefärbter Papierschnipsel mosaikartig den Boden der Vitrine. Im rechts anschließenden zweiten Schaukasten befanden sich zwei gerahmte Diptychen, »Les Honneurs« (Abb. 5). Die zweiteiligen Bilderrahmen sind nicht wie ein Buch vertikal geteilt, sondern lassen sich horizontal klappen, sodass in der Ausstellung 1982 die untere Diptychonhälfte auf dem Vitrinenboden liegend als Fuß fungierte, auf dem die obere Bildtafel senkrecht aufgeklappt ruhte. Im Schaukasten konnte die unten liegende Seite somit in Aufsicht eingehend betrachtet werden, wohingegen die senkrecht stehende Partie sich dieser Perspektive verweigerte. Sie war aus dieser Position nur angeschnitten zu erkennen und erforderte vom Betrachter, in die Knie zu gehen, um ihre Darstellung frontal in Augenschein zu nehmen. Abbildung 5:  Gérard Gasiorowski, »Les Honneurs«, 1976, Diptychon, Acryl / Tinte / Papier, 67  cm × 68  cm, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Bei dem damals in der Vitrine links präsentierten Diptychon handelt es sich um ein auf beiden Bildhälften nahezu vollkommen schwarzes Monochrom. Lediglich das Farbfeld der oberen Seite wird von einem weißen umlaufenden Rand umsäumt. Auf dem rechts ausgestellten Diptychon waren hingegen mehrere farbige Zeichnungen zu erkennen. In Farbe und Größe variierend entsprechen die nebeneinander gereihten Zeichnungen, aufgeteilt in einen oberen vertikalen Streifen und einen unteren runden bis sternförmigen Abschluss, der Form von Orden und Ehrenabzeichen, bei denen bunte Bänder dazu dienen, die Auszeichnung sichtbar an der Kleidung

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des Geehrten zu befestigen. Insgesamt können auf den beiden Tafeln dieses Diptychons 16 individuell gestaltete Medaillen gezählt werden, sieben auf der oberen und neun auf der unteren Hälfte. Unterhalb einer jeden Zeichnung weisen ausgeschnittene, maschinengetippte Papierstücke die Abzeichen verschiedenen Ehrenund Rangordnungen zu. Sowohl der weiße Hintergrund als auch die Abbildungen dieses Diptychons sind mit Spuren braun-grauer Farbe überzogen, die sich wie Schlieren über einzelne Partien des Bildes ziehen und die Darstellungen trüben. Auch die Beschriftungen der Ehrenauszeichnungen werden dadurch teilweise unleserlich. Von links nach rechts sind folgende Inschriften auf der oberen Bildhälfte zu erkennen: »ordre de l’A.W.K.«, »grand croix du chapeau«, »croix d’honneur«, »croix du c[hapeau]«, […], »croix de l’A.W.K.«, »grand croix d’honneur«. Auf der unteren sind des Weiteren zu lesen: »médaille du chapeau«, »médaille d’application«, […], »ordre de l’imposture«, »grand croix du génie«, »médaille de l’A.W.K.«, »médaille du mérite«, »croix du travail«, »ordre de la Tonsure«.12 In der Ausstellung war oberhalb der beiden Vitrinen an die Wand links neben dem Durchgang zum zweiten Saal sowie auf dem Wandstück zwischen den beiden Fenstern jeweils ein Rahmen angebracht. Rechts der Vitrinenzeile hing die gerahmte, großformatige Fotokopie einer handschriftlich verfassten Namensliste. Die als »Les sujets de l’awk« (Abb. 6) betitelte Arbeit ordnet in alphabetischer Reihenfolge die in Kleinbuchstaben geschriebenen Namen bekannter zeitgenössischer Künstler, von denen einige mit mehrfacher Durchstreichung unkenntlich gemacht wurden. Mittig unterhalb der Liste prangt in violetter Tinte der auf die Fotokopie aufgetragene runde Akademiestempel. Links von ihm steht in winziger Handschrift: »il y a 400 chapeaux, fragments, épars d’une œuvre partiellement détruite, dispersée maintenant là et là« und rechts: »En 1976 l’académie cristalise [sic!], chapeaute (si l’on peut dire) toutes les phases régressives élaborées à partir de 1973. C’est ainsi leur point final. Après, Kiga l’indienne, referme, puis, évacue la peinture. Ce sera la merde, le feu, la pureté, l’innocence. C’est déjà une autre histoire.«13 Der zweite Rahmen, der auf dem frontalen Wandstück zwischen den Fenstern hing, beinhaltete ein »Organigramme« (Abb. 7). Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Organisationsschema ordnet die Baumstruktur der betroffenen Zeichnung jedoch nicht Aufgaben, Posten und Kommunikationswege eines administrativen Zusammenhangs an, sondern verortet Begriffe aus dem institutionellen Vokabular in ihrem hierarchischen Auf bau. So steht unter dem Akademiekürzel »A.W.K.« der Name des Professors »Arne Hammer«, darunter sind entlang einer senkrechten Mittellinie die Begriffe »Administration«, »Autorité«, »Pedagogie«, »Honneurs«, »Revolte«, »Sanctions« und »OIPAH HO OIPAH STRA« arrangiert. An den sechs 12 | Vgl. Abb. 9, in: Köhler, Barbara: Die Suche nach der Malerei. Der Schrecken des Malens. In: Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 31 / H eft 17, 3 / 1995, S. 9. 13 | »Es gibt 400 Hüte, zerstreute Fragmente eines teilweise zerstörten Werks, nun hier und dort verteilt.«; »1976 spitzt die Akademie alle regressiven Phasen seit 1973 zu, kontrolliert sie (wenn man so sagen kann). Es ist somit ihr Endpunkt. Danach schließt Kiga, die Indianerin, die Malerei wieder ein und evakuiert sie dann. Es wird die Scheiße, das Feuer, die Reinheit, die Unschuld sein. Es ist bereits eine andere Geschichte.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 113.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

rechts und links abgehenden, gebogenen Armen sind die gegenüberliegenden Begriffspaare »Fond« – »Forme«, »Sexe« – »Argent« und »Mort« – »Detention« geschrieben. Die strenge Struktur wird am unteren Ende von einem unleserlichen Schriftzug in lockerer Handschrift überlagert. Neben der zu entziffernden Unterschrift »Arne Hammer« ist die Jahreszahl »1976« gestempelt. Darüber prangt der runde Umriss des Akademiesiegels zwischen den beiden letzten rechten Abzweigungen des Organigramms. Abbildung 6:  Gérard Gasiorowski, »Les sujets de l’awk«, 1976-1979, Tinte / Fotokopie, 66 cm × 50 cm, Collection Adrien Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Im zweiten Raum erblickte der Ausstellungsbesucher insgesamt 22 »Classes«. 16 Arbeiten waren in zwei durchgehenden Reihen präsentiert, die sich über die gesamte Stirnwand rechts neben dem nächsten Durchgang, die rechte Seitenwand gegenüber den Fenstern und die Wand zur Rechten des Betrachters erstreckten. Auf

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dem verbleibenden Wandstück zu seiner Linken, zwischen Eingang und Fenstern, war ein weiterer Block von sechs übereinander angeordneten »Classes« aufgehängt. Abbildung 7:  Gérard Gasiorowski, »Organigramme«, 1976, Acryl / Tinte / Papier, 40  cm × 33  cm, Collection Adrien Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Links des Durchgangs im letzten Ausstellungsraum befanden sich zwei weitere Vitrinen vor den höher liegenden, rechteckigen Sprossenfenstern des Anbaus. Der Ausblick in den Garten des Hinterhofes wird auf den Fotografien Portals von weißen, leichten Vorhängen verhüllt. Wie die Aufnahmen zeigen, befand sich am linken Außenrand der ersten Vitrine ein Stapel von mehreren Acrylzeichnungen auf Papier. Während nur die Abbildung des obersten Blattes sichtbar war, lassen hervorscheinende Farbränder an den darunter erkennbaren Blattkanten darauf schließen, dass auch die übrigen Papierbögen bemalt waren. Auf der oberen Zeichnung des Stapels ist mittig auf dem weißen Untergrund eine amorphe Farbfläche zu sehen, deren unterschiedliche Grautöne14 den Eindruck nicht zu identifizierender Vertiefungen und Erhöhun14 | Vgl. Farbfotografie auf Karteikarte Inv.-Nr. BAC 5682, in: Archiv Galerie Maeght.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

gen auf dem zentralen Farbfeld erzeugt. Dieses wird um schriftliche Anfügungen ergänzt. Rechts neben dem abstrakten Motiv fungieren zwei schwarze, querrechteckige Balken, die in Form und Ausrichtung den braunen Balken auf den »Exercice Libre« entsprechen, als Schriftfelder. Das obere, längere Feld trägt in weißen, großen Druckbuchstaben den Namen »GASIOROWSKI«, das kleinere Feld darunter die Datierung »1976«. Unterhalb der mittigen Bildfläche ist in großer, energischer Handschrift der Begriff »Refusé« vermerkt und durch schwungvolle Unterstreichung betont; daneben sind die Initialen AH zu lesen (Abb. 8). Abbildung 8:  Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »Les Refusés«, 1976-1981, Acryl / Mischtechnik / Papier, 35,5  cm × 26,5  cm, hier zu sehen: Collection Galerie Maeght

© Foto Colette Portal

Rechts neben dem Stapel an Zeichnungen war die gestempelte Fotokopie einer Notizblockseite ausgestellt. Mittig im oberen Drittel des Blattes hält diese in gleichmäßiger Schreibschrift fest: dossier des refusés Un dossier de peinture, facture très libre, chaque feuille porte la mention: »refusé«, soulignée ou entourée suivi des initiales A. H. Les dates se suivent de 1976 à 1980 et toutes les traces peintes sont signées Portal Gasiorowski.15

15 | »Mappe der Refusés / Eine Mappe von Malerei, sehr freie Ausführung, jedes Blatt trägt die Erwähnung: ›refusé‹, unterstrichen oder umkreist, gefolgt von den Initialen A. H. / Die Datierungen setzen sich von 1976 bis 1980 fort und alle gemalten Spuren sind signiert mit Portal Gasiorowski.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 68 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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Seitlich des Textes informiert ein Vermerk: »retrouvé après la mort du professeur«16 und »archives nº 25«17. Auf die Fotokopie folgte rechts eine weitere Acrylzeichnung. Sie zeigt unterhalb eines großflächig in drei horizontale Schichten gegliederten Farbfeldes ein langes, schwarzes Schriftfeld, das die gesamte Breite der mittigen Zeichnung einnimmt und die Inschrift »Portal Gasiorowski 1980« aufweist. Darunter befinden sich erneut die in dynamischem Duktus geschriebenen Notizen »Refusé« und »AH«. In Portals Dokumentation existiert keine weitere Aufnahme, die die beschriebene Vitrine in Aufsicht zeigen würde. Daher gibt lediglich eine Fotografie, auf der nicht der Inhalt der Vitrine, sondern die Raumflucht in Richtung des Eingangs fokussiert ist, darüber Aufschluss, dass rechts neben dieser einzelnen Zeichnung noch drei weitere fotokopierte Schriftstücke auslagen. Deren Inhalt lässt sich aufgrund der spärlichen Quellenlage jedoch nicht rekonstruieren. Auch ein daneben erkennbarer Stapel aus schmalen, langen Papierstreifen ist nicht identifizierbar. Der rechts folgende Schaukasten barg eine Reihe von Hutzeichnungen. Formal korrespondieren diese mit den Blättern des vierten Jahrgangs der an den Wänden hängenden »Classes«. Die ausgelegten Bilder boten ebenfalls unterschiedliche Ansichten eines dunklen Filzhuts mit teilweise gepunktetem Band auf weißem Grund. Ihr Papierformat ist im Vergleich zu den Arbeiten der Längsrahmen jedoch kleiner und auch die Hutzeichnungen fallen im proportionalen Verhältnis zu den Außenmaßen der Blätter kleiner aus. Wie den Hutzeichnungen der »Classes« waren auch den Arbeiten in der Vitrine seitlich gestempelte Etiketten mit Büroklammern angeheftet; in diesem Fall durchgängig in Blau.18 Sie deklarieren die Arbeiten als »Cours par correspondance«, als brieflich eingereichte Arbeitsproben zur Aufnahme in die erste Klasse der Akademie. Lehrmeister dieses Jahrgangs war Monsieur Vouille, der auf dem Papierstreifen ebenso Erwähnung findet wie der Bewerber, dessen Name in Form einer individuellen Signatur genannt wird. An der linken Wand, seitlich der Fenster, war über den Vitrinen ein längsrechteckiger Rahmen platziert. Dank den Archivfotografien der Galerie Maeght lässt sich sein Inhalt als Fotokopien von vier Seiten der Akademieerzählung identifizieren. Sie umfassen das zweite Kapitel »L’artiste a.h.«, welches das exakte Vorgehen des Professors Arne Hammer bei seiner privaten künstlerischen Arbeit, der Serie der sogenannten »OIPAHHO OIPAHSTRA« beschreibt, und zugleich wie eine Herstellungsanleitung für diese zu lesen ist.19 Auf der gegenüberliegenden Seite des Ausstellungssaales erblickte der Ausstellungsbesucher drei weitere Glasvitrinen, die in diesem Fall auf einem niedrigen Holzmöbel ruhten. Oberhalb der Schaukästen hing eine Reihe von sieben gerahmten Papierarbeiten, »Les Métronomes« (1981, Abb. 9). Diese zeigen vor weißem 16 | »aufgefunden nach dem Tod des Professors« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 68 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 17 | »Archive, Nr. 25« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 68 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 18 | Vgl. Abb., in: Suchère 1994, S. 42-51. 19 | Vgl. R1, Blatt 22r-24 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. – Eine genaue inhaltliche Schilderung hierzu erfolgt in Kapitel 2.2.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Grund axial versetzt unterschiedliche, teils angeschnittene Ansichten eines geschlossenen Metronoms. Jedes Blatt weist oberhalb der Zeichnung die mit Bleistift aufgetragene Inschrift »mesure« und unterhalb der Darstellung den Schriftzug »mon dernier travail a.H. 81« auf. Abbildung 9:  Gérard Gasiorowski, »Les Métronomes«, 1981, siebenteilig, Acryl / Papier, je 35 cm × 27 cm, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Im Folgenden wird die darunterliegende Vitrinenzeile entsprechend des angenommenen Besucherparcours von rechts nach links beschrieben. Der rechte Glaskubus war mit hohen Stapeln kleiner, rechteckiger Papierschnipsel angefüllt. Die Papierrechtecke tragen auf der sichtbaren Oberseite mittig den Akademiestempel und jeweils eine dunkle Pinselspur, entweder als senkrechter Strich oder in waagerechten Streifen von abwechselnder Tonalität, deren Anzahl variiert. Hatte man die Ausführungen des aufgehängten Kapitels zum Werk Arne Hammers am Raumeingang aufmerksam gelesen, ließen sich die Papierschnipsel als sein »untersterbliches Œuvre«20, die Serie der »OIPAHHO OIPAHSTRA«, identifizieren. Neben den Papierpaketen lag in der linken vorderen Ecke des Schaukastens eine in Abbildung und Schriftzug zerschnittene Einladungskarte zur Ausstellung. Anders als der auf dem Begleitkatalog figurierende Titel »A.W.K. observée à la Galerie Adrien Maeght«21 und der in der Presse publizierte Ausstellungstitel »L’A.W.K. observée par Gasiorowski«22, lädt diese zur Vernissage der Ausstellung 20 | Das Titelakronym »OIPAHHO OIPAHSTRA« steht für »L’Œuvre Immortel du Professeur Arne Hammer vu d’en HO (haut) /  O IPAH vue en STRA (strates)«; »Das unsterbliche Œuvre des Professors Arne Hammer, gesehen von oben / g esehen in Schichten« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Suchère 1994, S. 23. – Die Schreibweise des Akronyms differiert in den schriftlichen Quellen Gasiorowskis. Zur besseren Lesbarkeit wird zur Werkbezeichnung die hier gewählte, zweiteilige Form beibehalten. Bei abweichender Schreibart handelt es sich um wörtliche Zitate. 21 | Vgl. Titelblatt zum Ausstellungskatalog: Ausst.-Kat. Paris 1982. 22 | Vgl. Ausstellungsanzeige, in: Art Press, Nr. 59, Mai 1982, S. 45.

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»OIPAHHOOIPAHSTRA observée par Gasiorowski«23 ein. Die Illustration auf der Einladungskarte zeigt die beiden Motive der rechteckigen Papierschnipsel, braune Farbspur und braun-schwarz gestreifte Fläche, die zu einem abstrakten Gebilde zusammengefügt sind. In der links folgenden mittigen Vitrine zogen drei großformatige Schwarz-WeißFotografien den Blick auf sich. Die Aufnahme in der oberen rechten Ecke präsentierte einen verunglückten Kleintransporter. Das scheinbar ausgebrannte Autowrack liegt auf dem Dach auf einer Landstraße inmitten verdorrter Wiesen. Darunter zeigte eine Fotografie den chaotischen Innenraum einer Werkstatt. Auf staubigem Boden steht vor einer Ziegelsteinmauer ein eisernes Regal, dessen Fächer mit Flaschen, Containern und kleineren Utensilien gefüllt sind. Rechts lehnt ein Besen am Regalgestell, links wird das Bild von einer Mauer abgeschnitten, vor der eine etwa hüfthohe Kommode steht, an der mehrere breite Schläuchen lose aufgerollt hängen. Das letzte Foto desselben Formats war am linken Rand der Vitrine ausgelegt und zeigte das Kopfende eines Bettes. An der Rückenlehne liegt ein breites Kissen, dessen geometrisches Muster an Kompositionen Mondrians erinnert. Mittig oberhalb des Kopfteils hebt sich eine schlichte Leselampe von der mit barockisierendem Blümchenmuster tapezierten Wand ab. Zwischen diesen drei Schwarz-Weiß-Fotografien lagen zwei fotokopierte Schriftstücke am oberen Rand der mittleren Glasvitrine aus. Das rechte ist als die handschriftliche Pressemitteilung über den Tod Arne Hammers zu identifizieren. Das Communiqué ist mit dem Akademiestempel und der gestempelten Datumsangabe »2. September 1981« versehen, jenem Tag, an dem der Professor laut Mitteilung einem letzten, fatalen Anschlag zum Opfer fiel.24 Unterhalb des Nachrichtentextes, der in rascher, fließender Handschrift abgefasst ist, folgt ein in kleineren, aufrecht stehenden Lettern geschriebener Hinweis. Dieser liefert eine grundsätzliche Erläuterung zu den ausgestellten Werken und erwähnt Gasiorowski innerhalb der Ausstellung erstmals eindeutig als Beobachter der Akademie: »bulletin d’information, adressé par Gasiorowski, observateur à l’A.W.K. du 5 janvier au 16 novembre 1976, et compagnon du professeur Arne Hammer jusqu’à ses derniers jours«25. Links neben der Pressemitteilung definierte eine fotokopierte Legende die umliegenden Fotografien als unterschiedliche Verstecke und Stationen des Professors auf seiner Flucht zwischen 1977 und 1981, ohne jedoch eine eindeutige Zuweisung zwischen textlichen Informationen und Abbildungen zu ermöglichen.26 Neben den erwähnten Schwarz-Weiß-Fotografien erstreckte sich zudem entlang der unteren Vitrinenkante eine Reihe von Polaroidabzügen, die Landschaftsausschnitte und Naturaufnahmen zeigen und mit aufgemalten Farbspuren übersät sind.

23 | Vgl. Einladungskarte, in: Archiv Philippe Agostini. 24 | Vgl. Abb., in: Suchère 1994, S. 99. 25 | »Informationsbulletin Gasiorowskis, Beobachter der A.W.K. vom 5. Januar bis 16. November 1976 und Begleiter des Professors Arne Hammer bis zu seinen letzten Tagen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 33 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 26 | Vgl. R1, Blatt 71r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Im links abschließenden Schaukasten war am rechten Vitrinenrand eine weitere großformatige Landschaftsaufnahme ausgestellt. Sie zeigt einen wild bewachsenen Hügel. Im Gestrüpp der Sträucher und Gräser ist neben einem Hut ein bemaltes rechteckiges Objekt zu erkennen. Links der Fotografie lagen sechs weitere Polaroidaufnahmen in zwei vertikal angeordneten Spalten aus je drei Abzügen aus. Bis auf eine weiße Aufnahme, rechts unten, sind die übrigen fünf Bildfelder der Sofortbilder komplett schwarz. Dieses Arrangement wird im Ausstellungskatalog als »Coma du professeur Arne Hammer« bezeichnet.27 Neben diesem Ensemble lag eine weitere Fotokopie aus dem Beobachterbericht aus, auf der neben dem Akademiestempel lediglich eine unleserliche Schriftzeile zu erkennen ist. Der übrige Teil des dritten Raumes wurde nicht von Colette Portal fotografiert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich dort keine weiteren Exponate, sondern wahrscheinlich der Arbeitsplatz eines Galerieangestellten befand. Diese Annahme legen die schriftlichen Vermerke auf den beiden Ausstellungsentwürfen Gasiorowskis im ersten Ringbuch der Akademie nahe. Auf diesen wird der nordwestliche Zimmerabschluss des dritten Ausstellungssaales einmal wörtlich als »bureau«28 bezeichnet (Abb. 2). Auf einer anderen Zeichnung fordert die exklamatorische Notiz: »pas de curiosité!«29 und markiert den Raumteil als eine externe Zone, die nicht zur Sphäre der Ausstellung zählte (Abb. 3).

2.2 D ie R ingbücher G asiorowskis Wie auf Portals Schwarz-Weiß-Fotografien von 1982 erkennbar ist, existierten in der gesamten Galerieausstellung keine Werkbeschriftungen. Die für Kunstausstellungen üblichen Hinweise zu Produzent, Datierung, Material sowie die für eine Galerieausstellung herkömmliche Angabe eines Verkaufspreises fehlten somit an den Exponaten. Stattdessen setzten die Textpassagen und schriftlichen Informationsträger innerhalb der Rahmen und Vitrinen die benachbarten Objekte und Malereien in einen narrativen Zusammenhang. Dieser beschreibt sie zum einen in ihrer formalen Erscheinung, im Falle des Kapitelauszugs zur Serie der »OIPAH« sogar in ihrer Herstellungsweise. Zum anderen verortet er sie innerhalb eines zeitlich abgeschlossenen Kontinuums, indem die Erzählung Gebrauch, Ursprung und Funktionalität der Ausstellungsstücke darstellt. Bei den fotokopierten Schriftträgern in der Ausstellung 1982 handelte es sich jedoch ausschließlich um Fragmente, um Auszüge und aus dem Kontext gerissene Notizen. Ihre narrative Kohärenz musste durch den Betrachter hergestellt und in Relation zu den Exponaten gebracht werden. Auch der Begleitkatalog zur Ausstellung, auf den in Kapitel 5.2.2 näher eingegangen wird, bot keine hilfreiche Informationsquelle, die klare Angaben zur »A.W.K.« und präzise Erklärung liefern würde. Er besteht vorrangig aus schwarz-weißen Reproduktionen verschiedener Werkausschnitte, übereinandergeblendeten Textauszü27 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982, o. S. 28 | »Büro« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 45v und Blatt 46 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 29 | »Keine Neugier!« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 45v und Blatt 46 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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gen oder kryptischen Annotationen, die keinerlei Verbindung zwischen Bild- und Textmaterial herstellen. Hatte der Galeriebesucher die Absicht, neben dem ästhetischen Genuss an den Objekten, deren Konzept und Verbindung in der gewählten Präsentationsform logisch zu durchdringen, war er somit innerhalb des Ausstellungsraumes auf die eigene Kombinationsgabe oder die wohlwollende Erläuterung eines Angestellten angewiesen. Die maßgebliche Erklärungsinstanz befand sich 1982 hingegen tatsächlich außerhalb des konkreten Ausstellungsrahmens. Wie historische Ausstellungshinweise und -kritiken belegen, hatte Gasiorowski die Presse offensichtlich ausführlich über die Statuten und den Verlauf der »Académie Worosis Kiga« in Kenntnis gesetzt.30 Entgegen ihrer herkömmlichen Funktion diente die feuilletonistische Berichterstattung damit nicht mehr allein der Meinungsbildung und dem davon beeinflussbaren – auch ökonomischen – Erfolg der Schau. Entsprechend der journalistischen Aufgabe liefern auch Ausstellungsrezensionen in der Regel Hintergrundinformationen, die über den betroffenen Künstler und sein Werk aufklären. Im Fall der Akademieausstellung 1982 verschärfte sich diese Bedeutung erheblich. Denn die Lektüre der Presseberichte wurde entgegen der Konvention zur unerlässlichen Informationsquelle für den Kunstliebhaber, wollte dieser als Ausstellungsbesucher das Werk verstehen oder sich zumindest einen Zugang zu diesem verschaffen. Gasiorowski verfolgte auf diese Weise eine grundlegende Kommunikationsstrategie der Akademiefiktion. Indem die Presseartikel über eine größere Informationsdichte hinsichtlich der »Académie Worosis Kiga« verfügten als die Ausstellung als Ort und Moment der Werkerfahrung selbst, instrumentalisierte er nicht nur ein öffentliches Presseorgan für seine Zwecke, sondern verwandelte es in einen Bestandteil seines Werkkomplexes. Dabei übernahm es eine Aufgabe, die vormals von informeller, mündlicher oder privat schriftlicher Kommunikation erfüllt wurde. Denn bereits seit 1976 hatte Gérard Gasiorowski seinen Freunden und Bekannten regelmäßig Geschehnisse an der »Académie Worosis Kiga« geschildert.31 Wird diese Erzählung in ein öffentliches Informationsmedium überführt, wird sie gleichzeitig der Reformulierung durch einen anderen Autor überlassen. Damit tritt Gasiorowski als Urheber der Information hinter dem Verfasser des Feuilletonartikels zurück. Dabei nimmt er innerhalb des Akademiewerks, wie erwähnt, eine doppelte Position ein. Als sowohl Urheber der Geschichte wie auch Schöpfer der Artefakte taucht Gasiorowski selbst als Figur der Akademiegeschichte auf, wobei er innerhalb der Fiktion wiederum als Autor, als Beobachter und Berichterstatter der »A.W.K.« in Erscheinung tritt. Der reale Zeitungsjournalist bildet somit ein Pendant zur fiktiven Rolle des Künstlers. Die Akademiegeschichte, die in der persönlichen Erzählung mit individuellen Anekdoten und Ausführungen geziert wurde, ist in den »Carnets Gasiorowskis«32 30 | Vgl. Bouisset, Maiten: L’art de travailler du chapeau. In: Le Matin, 16. Juli 1982, o. S.; Tronche 1982; Goldcymer 1982; Enrici 1982. 31 | Wie Jan Voss im Gespräch der Verfasserin berichtete, hat Gasiorowski seine Geschichten immer »ganz genau erzählt«. – Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Jan Voss am 20.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 32 | Es handelt sich hierbei um die Bezeichnung der Ringbücher, wie sie in der 1982 ausgestellten Kopie des Kapitels zu Arne Hammer in der Galerie Maeght zu lesen war. Éric Suchère

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

schriftlich festgehalten. Bei diesen sogenannten »Heften« der Akademie handelt es sich in Realität um vier Ringbücher mittleren Formats (Abb. 10). Sie enthalten den Ursprungstext der in der Ausstellung 1982 präsentierten Fotokopien. Erst nach Abbildung 10:  Gérard Gasiorowski, »Les carnets de Gasiorowski« (Die Ringbücher des Beobachterberichts), 1976-1981, zwei von insgesamt vier gefüllten Ringbüchern: Ringbuch 1 mit dem korrigierten Pressecommuniqué zur Ausstellung 1982, Ringbuch 2 mit dem Anordnungsschema von »Les Classes«, Tinte / Mischtechnik / Papier, Maße unbekannt, Collection Adrien Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris wendet den Begriff der »carnets« demgemäß auch in seiner 1994 bei Maeght erschienenen Monografie zur Akademiefiktion an. – Vgl. Suchère 1994, insbes. S. 14. – Erst im Katalog von 2010 werden die Ringbücher als »Archives de l’A.W.K.« betitelt. Diese Bezeichnung setzt sich daraufhin in diesbezüglichen Texten durch und wird auch 2012 von Suchère übernommen. – Vgl. Suchère 2012, S. 97. – Dieser Terminus ist jedoch missverständlich, da Gasiorowski neben den 1982 zur Schau gebrachten Exponaten tatsächliche Archivschachteln für die einzelnen Objektgruppen angefertigt hat, die als solche bezeichnet und beschriftet sind. – Vgl. Suchère 1994, S. 57, S. 59; Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 166.

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dem Tod Gasiorowskis sind die originalen Ringbücher in einigen Ausstellungen gezeigt worden.33 Bis dahin blieb die schriftliche Quelle der Akademieerzählung für die Öffentlichkeit unsichtbar. Wie Fotografien im Katalog von 2010 zeigen, sind die »Carnets« durch kleine Bleistiftziffern auf den Innenseiten der Ringbuchdeckel nummeriert.34 Jedes Ringbuch beinhaltet verschiedene, aufeinanderfolgende Papierfarben, die denen der Etiketten in den »Classes« entsprechen.

2.2.1 Die Geschichte laut Beobachterbericht Die Vorlagen der in der Ausstellung gezeigten Kopien befinden sich im Ringbuch mit der Ordnungsziffer 1. Dieses umfasst die Kapitel zur Akademieerzählung, die entsprechend der Bezeichnung Gasiorowskis als »Beobachter« in Presse und Forschungsliteratur als »Beobachterbericht« gelten.35 Handschriftlich auf rosafarbenem, liniertem Schulblockpapier fixiert, beginnt der Bericht mit einem einzeiligen Sinnspruch auf dem ersten Blatt: »parfois en chemin on trouve sa verité [sic!]«36. Die Platzierung dieser aphoristischen Aussage, rechtsbündig im oberen Drittel der Seite, entspricht der Position von Widmungen oder leitthematischen Zitaten, die manchmal isoliert auf dem Deckblatt einigen Romantexten vorangestellt werden. Das zweite Blatt trägt mittig auf derselben Höhe den runden Akademiestempel in blauer Tinte. Auf der Vorderseite des dritten Blattes beginnt der Beobachterbericht mit dem ersten Kapitel. Es erstreckt sich über drei Seiten bis auf das vierte Blatt recto und handelt von der Gründung der »Académie Worosis Kiga«, die ohne Überschrift und Einleitung im historischen Präsens als Tatsachenbericht geschildert wird. Dem Text zufolge wurde im Januar 1976 die »fondation d’une institution d’art – l’AWK  – l’académie Worosis Kiga«37 beschlossen. Sie wurde auf dem Plateau der Artigues, an der Stelle der sogenannten »Combe de Mons«, die an das indianische Territorium der »Worosis« angrenzt, erbaut. Nicht näher bestimmte Autoritäten ernannten den Professor Arne Hammer zum »maître administrateur« der »A.W.K.«. Dieser führte ein vierjähriges Malereistudium ein. Jedes Lehrjahr wurde von einem anderen Klassenlehrer geführt: Monsieur Vouille lehrte im ersten Jahr, Monsieur Sother war zuständig für das zweite Ausbildungsjahr, Monsieur Hannequin unterrichtete im dritten und Mademoiselle Prax die Abschlussklasse.38 33 | Wie auf Ausstellungsfotografien nachvollziehbar ist, wurden die vier Ringbücher nach dem Tod Gasiorowskis in den Ausstellungen im Centre Pompidou 1995, in der Kölner Galerie Jöllenbeck 1989, in der Galerie Maeght, Rue St. Merri 1991 und im Carré d’Art in Nîmes 2010 gezeigt. – Vgl. Diaschachtel, in: Archiv Galerie Maeght. 34 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 106-107, S. 108, S. 112, S. 121. 35 | Vgl. Enrici, Michel: L’inespéré. In: Cardinaux, 2, 1987, S. 7-22, S. 18. 36 | »Manchmal findet man auf dem Weg seine Wahrheit.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 1r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 37 | »Errichtung einer Kunstinstitution, der AWK, der Académie Wororsis Kiga« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 38 | Der Begriff der »Classe« ist mehrdeutig zu lesen. In den Aufzeichnungen Gasiorowskis bezeichnet er einerseits das jeweilige Lehrjahr, wodurch alle Schüler, die in einem Jahr zur Akademie zugelassen wurden, somit eine Klasse bildeten, zum anderen ist es der Titel der

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Die akademische Lehre konzentrierte sich auf die »pratique picturale«39, deren Gegenstand auf die »apparence d’un chapeau«40 eingeschränkt wurde. Darüber hinaus übertrug der Professor den Lehrern vollständige Machtbefugnis zur korrekten Anwendung der Regeln und Anordnungen sowie die Berechtigung zu eigenem Urteil, um das reibungslose Funktionieren ihrer Klasse zu gewährleisten. Pro Jahr wurden 100 Studenten per Wettbewerb zum Studium zugelassen. Ihre Versetzung in eine weiterführende Klasse hing von der Beurteilung ihres Verhaltens in der Akademie, ihrer moralischen Einstellung sowie der Einschätzung ihrer Qualitäten und Talente in der Reproduktionskunst eines Hutes durch die Meister ab. Jeder Schüler, der diesen Anforderungen nicht genügte, wurde von einer Garde begleitet einem Disziplinarrat vorgeführt, der zu diesem Zweck per Losverfahren aus sieben der verdienstvollsten Schüler der Akademie bestimmt wurde. Das vom Disziplinarrat gefällte Urteil war unwiderruflich. Verurteilte Schüler wurden durch andere ersetzt, die nach Prüfung für die Versetzung in eine weiterführende Klasse zugelassen wurden.41 Mit Abschluss des Studienzyklus erhielten die Akademieschüler die Befugnis, die Akademie zu verlassen, um ihre Verantwortung auszuüben, die »le droit au pictural«42 forderte. Zuvor mussten sie vor dem großen Rat, der sich aus den Lehrmeistern und dem Professor Arne Hammer zusammensetzte, antreten. Vom Professor wurden dann die Ehrungen vergeben. Diese stellten sich als von verdienstvollen Mitschülern gemalte Medaillen dar. Ein aus dem Kreis der guten Schüler ausgewählter Schatzmeister übergab ferner jedem Ehrenträger ein Geldstück in Form eines silber gefärbten Papierstücks, das mit dem Stempel der »A.W.K.« geziert war und das dem Inhaber seine zukünftigen Funktionen attestierte. Als letzte Belohnung wurde dem erfolgreichen Absolventen bei Vorweis eines entsprechenden Tickets gemäß seiner Vorliebe eine Frau oder ein Mann zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse (aus-)geliefert.43 Der in schwarzer Tinte abgefasste Text weist mehrere Korrekturen, Wortersetzungen und im unteren Abschnitt über die Absolventenehrungen die Streichung eines vierzeiligen Abschnitts auf. Zusammen mit dem ebenmäßigen, ruhigen Schriftbild verleihen diese nachvollziehbaren Verbesserungen dem Schriftstück den Eindruck einer Erstfassung, die im Falle einer Publikation neu zu verschriftlichen wäre. Entgegen der gewöhnlichen Leserichtung beginnt auf der Rückseite des 22. Blattes das zweite Kapitel, das sich über die Vorderseite des Blattes 22 bis zu Blatt 24 recto Hutserien in den längsrechteckigen Rahmen, wie sie im vorausgehenden Abschnitt beschrieben wurden. 39 | »pikturale Praxis« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 40 | »Erscheinung eines Hutes« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 41 | Vgl. R1, Blatt 3 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 42 | »das Recht zum Pikturalen« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 43 | »En ultime récompense le bon sujet se voit livrer pour l’assouvissement de ses besoins sexuels, une femme ou un homme de son choix sur simple présentation d’un ticket«, zitiert aus: R1, Blatt 4 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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fortsetzt, also fünf Seiten umfasst. Der dem Professor Arne Hammer und seinem künstlerischen Schaffen gewidmete Paragraf wurde in der Ausstellung 1982 in Gestalt gerahmter Fotokopien oberhalb der Vitrine des dritten Saals sichtbar gemacht. Das Kapitel beschreibt ausführlich die Fabrikation der Papierpakete der »OIPAHHO OIPAHSTRA«, die im selben Ausstellungsraum in der gegenüberliegenden Vitrine zu sehen waren. Die Beschreibung beginnt mit der Gruppe der »HO«: Auf kleinen, exakt 38 mm × 47 mm großen Papierstücken malte der Professor zunächst »en noir la découpe d’un petit monsieur en chapeau. C’est l’image originale de l’artiste.«44 Diese Zeichnung wurde daraufhin vollkommen mit einer Schicht brauner Farbe übermalt. Die Farbschicht repräsentiert die Malerei.45 Damit hatte der Professor die »apparence«46 überdeckt. Der auf die braune Farbschicht aufgetragene Akademiestempel galt als Beglaubigung des Autors in seiner Arbeit und die mit Bleistift geschriebene Ziffer 1 hält die Seriennummer fest. Insgesamt 1000 Mal wiederholte der Professor dieses Vorgehen, bevor er sich einen weiteren Stapel von erneut 1000 rechteckigen Papierstücken vornahm, auf denen er die Schichtung von Silhouette und Farbschicht nun verdoppelte. Im dritten Schritt wurde die Wiederholung auf drei erhöht und so fort. Nach Ausführung der jeweils erforderlichen Anzahl an Zeichnungen und Übermalungen wurde jedes Papierstück mit dem Stempel der Akademie und einer Seriennummer, die mit der Anzahl an Übermalungen korrespondiert, versehen. Die jeweils 1000 Exemplare wurden in Päckchen zu je 100 zusammengebunden, sodass pro Serie zehn Pakete entstanden (Abb. 11). Von der Gruppe der »HO« existieren fünf komplette Serien, eine sechste wurde laut Bericht begonnen, jedoch beim 500. Exemplar unterbrochen. Auf diesem wurde folglich sechs Mal der Künstler gezeichnet und sechs Mal von einem Farbbalken ausgelöscht.47 Die Werkgruppe der »STRA« entstand parallel zu derjenigen der »HO«, auf identischen, rechteckigen Papieren von 38 mm × 47 mm. Als Gegenstück zu den »HO« zeigen die »STRA« die Überlagerung von Künstlersilhouette und brauner Farbe im Querschnitt. Anstelle der Silhouette wurde nun auf die Oberseite des Papierrechtecks zunächst ein horizontaler schwarzer Strich gezeichnet, auf den ein Balken brauner Farbe folgte. Entsprechend dem in den »HO« bereits angewandten additiven System entstanden so mehrere Pakete von je 100 Zeichnungen mit einer zunehmenden Anzahl sich abwechselnder schwarzer und brauner Streifen, die stets mit Akademiestempel und Seriennummer versehen wurden (Abb. 12).48

44 | »in Schwarz den Umriss eines kleinen Herrn mit Hut. Das ist das Originalbild des Künstlers.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 45 | »[I]l la recouvre dans sa totalité d’un coup de pinceau vif, d’une couleur brune. C’est la peinture«, zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 46 | »Erscheinung« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 47 | »[U]ne sixième sera amorcée, elle se terminera à cinq cents, mais il faut bien comprendre que sur l’ultime rectangle de la dernière série six fois l’artiste a (est) ressurgit et six fois une barre de peinture l’a effacée.«, zitiert aus: R1, Blatt 22 v-r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 48 | Vgl. R1, Blatt 23r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Die Gruppe der »STRA« umfasst lediglich zwei komplette Serien à 1000 Stück, die dritte Reihe endet mit der 300. Ausführung.49 Abbildung 11:  Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »OIPAHHO«, 1976-1981, 55 Pakete à 100 Blatt, Acryl / Tinte / Papier, je 38 mm × 47 mm, Collection Galerie Maeght

© Foto Colette Portal

Abbildung 12:  Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »OIPAHSTRA«, 19761981, 22 Pakete à 100 Blatt, Acryl / Tinte / Papier, je 38 mm × 47 mm, Sammlung Galerie Maeght

© Foto Colette Portal

Damit sind die beiden Gruppen der »HO« und »STRA« unvollständig geblieben. Wie der Erzähler ausführt, waren für sie jeweils acht Serien, das heißt insgesamt 8000 Exemplare, vorgesehen. Die 1000 Ausführungen der letzten Serie hätten dementsprechend acht Mal die Überlagerung von Künstler und Malerei in den Symbolfarben Schwarz und Braun wiederholt:

49 | Vgl. R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie Arne Hammer s’était fixé le chiffre 8 comme finalité, à savoir une étendue quasi infinie proposée par 8000 rectangles HO et 8000 rectangles STRA découverts par l’artiste et recouverts par la peinture. C’est à dire une somme des 72000 gestes d’un peintre. 50

Wie ein Rechentableau auf der folgenden Seite zeigt, umfasst der tatsächlich erreichte Stand der Serien hingegen lediglich »42.600 Gesten eines Malers«.51 Laut Bericht wurde die konzeptualisierte Herstellung der »OIPAHHO« und »OIPAHSTRA« durch einen performativen Aspekt in der Ausführung ergänzt. Demnach begleitete der Künstler die Malgeste des Farbauftrags mit dem rhythmischen Auf- und Absetzen seines Hutes, entsprechend den symbolisch konnotierten Farbschichten.52 Auf die detailgenaue Wiedergabe des Herstellungsprozesses folgt eine erste Leseanleitung des auktorialen Erzählers. Demzufolge handelt es sich beim Titelsegment »OIPAH« um das Akronym für »Œuvre immortel du professeur Arne Hammer«53. Nach Aussagen Colette Portals soll die Abkürzung wie ein Indianerruf ausgesprochen werden, wobei die anlautende Vokalverbindung einen vibrierenden Ton ergibt.54 Die Endungen »HO« beziehungsweise »STRA« referieren phonetisch auf die in den Papierstücken wiedergegebene Ansicht der Überlagerung von Künstler und Malerei: in Aufsicht von oben, »d’en haut« (HO), oder in Schichten, »en strates« (STRA).55 Demzufolge ist auf den Papieren der Serie der »HO« nur ein monochrom brauner Farbfleck, in der Serie der »STRA« eine zunehmende Anzahl an abwechselnd schwarzen und braunen Streifen zu sehen. Das dritte Kapitel des Beobachterberichts im ersten Ringbuch kehrt zurück an die Wirkungsstätte Arne Hammers und schildert die weiteren Entwicklungen an der »Académie Worosis Kiga«. Unter dem Titel »L’Écart«56 wird dargelegt, wie im Juni 1976 Unruhen an der Hochschule entstanden. Auslöser war ein einzelnes Subjekt, das eine Haltung deutlich werden ließ.57 Es zog sich aus der Gemeinschaft zurück und stachelte aus der Isolation heraus eine Revolte an, die jedoch scheiterte. 50 | »Arne Hammer hatte die Ziffer 8 als Abschluss festgesetzt, genauer gesagt einen quasi unendlichen Umfang, der von 8000 Rechtecken HO und 8000 Rechtecken STRA dargestellt wird, die vom Künstler bedeckt und von der Malerei offengelegt wurden. Das bedeutet eine Summe von 72000 Gesten eines Malers.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 51 | »Si vous additionnez les séries HO et STRA vous seriez confronté avec 42.600 gestes d’un peintre.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 25 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 52 | Vgl. R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 53 | Zitiert aus: R1, Blatt 24 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 54 | Colette Portal im Gespräch mit Philippe Agostini, 21.10.2010, Typoskript in: Archiv Philippe Agostini; Tonbandaufnahme des Gesprächs von Dirk Teuber mit Gasiorowski, 1979, in: Archiv Dirk Teuber. 55 | Vgl. R1, Blatt 23 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 56 | »Die Wendung« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 28 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 57 | Der von Gasiorowski hierfür verwendete französische Begriff »dessiner« bedeutet im Deutschen vorrangig auch »zeichnen«.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Am Morgen des 26. Juni 1976 fand Fräulein Prax, Studienmeisterin des vierten Jahres, ihren Klassensaal verwüstet vor. Wie der Bericht darlegt, waren die Schubladen ihres Schreibtisches geöffnet, Schülerakten und Unterlagen entwendet. Ein für die Hutserien der »Classes« vorgesehener Vorrat an Rahmen war teilweise zerstört, teilweise verschwunden. Glasscherben und Reste verbrannten Zeitungspapiers lagen auf dem Boden. Auch die in einem niedrigen Möbelstück an der Rückwand des Saales auf bewahrten Ehrungen und silbernen Geldstücke waren dem Feuer zum Opfer gefallen.58 Auf der Ringbuchseite ist der erste Textabschnitt, der sich dem revoltierenden Schüler widmet, durch Einrückung von der Schilderung der Entdeckungen des 26. Juni abgesetzt. In langgezogenen, kantigen Lettern, die auf Hektik und Erregtheit des Schreibers schließen lassen, ist links schräg neben den Text der exklamatorische Kommentar »un fou dangereux!«59 gekritzelt und mit den Initialen des Direktors, »AH«, unterzeichnet. Die darauffolgenden Seiten zeigen einzelne, soeben erwähnte Möbelstücke und ausschnitthafte Raumansichten des Klassenzimmers der Mademoiselle Prax, wobei die Abbildungen schriftlich erläutert werden. Den Bildlegenden zufolge waren auf der Klassentafel Beschimpfungen und Schmähworte, die sich gegen die Lehrerin und den Direktor wendeten, geschmiert. Zudem wird dem Leser ein Eindruck des unverwüsteten Klassenzimmers vermittelt. Dieses war laut Beschreibung strohgelb gestrichen und von einem etwa einen Meter hohen, umlaufenden braunen Sockel gesäumt.60 An der Rückwand waren drei Landkarten Frankreichs in verschiedenen Farben befestigt. Das sonst mit Sorgfalt gewienerte Parkett wies nach den Ausschreitungen Spuren von Exkrementen auf. Durch ein Fenster konnte die weite Landschaft überblickt werden. Neben der Skizze eines Schreibtischs wird erläutert, dass eine Fahndung gegen den schuldigen Vandalen eingeführt, Schüler festgenommen und Suchaktionen organisiert wurden. Allerdings ergaben diese kein Ergebnis und es konnte nicht geklärt werden, ob die Ordnungswidrigkeit als Tat einer einzelnen oder mehrerer Personen zu werten sei. Um ein Exempel zu statuieren, wurden die Häftlinge dennoch hart bestraft. Auch die Frage, weshalb der Schreibtisch von Mademoiselle Prax61 auf seinem Podest umgedreht wurde, konnten die Ermittler nicht aufklären.62

58 | Vgl. R1, Blatt 28 r-29 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 59 | »ein gefährlicher Verrückter!« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 28 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 60 | Vgl. R1, Blatt 28 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 61 | Als kunsthistorische Anspielung könnte der vor allem im französischen Sprachduktus auffällige Nachname der Lehrerin als Anspielung auf Valentine Prax gelesen werden. Die Malerin war Ehefrau des Künstlers Ossip Zadkine und nach dessen Tod maßgeblich für die Einrichtung des ihm gewidmeten Personalmuseums in Paris verantwortlich. – Vgl. Prax, Valentine: Avec Zadkine. Souvenirs de notre vie. Paris /  L ausanne 1995. – Dieses wurde von ihr testamentarisch veranlasst. Sie verstarb am 15.4.1981, in der Zeit, in der Gasiorowski die Werke seiner »Académie Worosis Kiga« für die Galerieausstellung in Form setzte. – Vgl. http://www.zadkine.paris.fr/fr/collections/le-fonds-valentine-prax/valentine-prax-bio graphie (letzter Aufruf: 8.7.2016). 62 | Vgl. R1, Blatt 9 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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Während die Handlungen und Geschehnisse an der Akademie im historischen Präsens geschildert werden, findet in den Bildbeschriftungen der letzten Seiten ein Tempuswechsel statt. Das hier angewandte Präteritum ist die klassische Erzählzeit von Romanen und markiert im Sinne Käthe Hamburgers als »episches Präteritum« deren Fiktionalität.63 Dieser imaginative Impetus des Sprachduktus wird durch die Verbindung mit den bildlichen Darstellungen noch verstärkt.64 Die drei hier nachgezeichneten Kapitel sind die einzigen zusammenhängenden Textstücke des Beobachterberichts. Neben der schriftlichen Erzählung beinhalten die Ringbücher weitere Unterlagen, die sich auf Gegenstände und Ereignisse in der Fiktion sowie auf die Organisation der realen Akademieausstellung 1982 beziehen. Hierbei mischen sich Objektskizzen, wie die des in der Ausstellung gezeigten Organigramms, und Schriftstücke, die sich konkret auf die Konzeption und Realisierung der Ausstellung 1982 beziehen, ohne formale Differenzierung mit fiktiven Dokumentationen und Pressemitteilungen des Beobachters.65 In der Synopse verhelfen die verschiedenen Unterlagen zur bruchstückhaften Rekonstruktion der restlichen Geschichte der »Académie Worosis Kiga«. Demnach ergriff der Professor nach den Aufständen an seiner Hochschule die Flucht. Unter der Führung von Kiga, einer Indianerin aus dem Stamm der Worosis und dem aufständischen Subjekt der Akademie, nahm die Rebellengruppe »G.A.R.K.« seine Verfolgung auf. Der Professor versteckte sich mehrfach und entging mehreren Attentaten glimpflich, verlor jedoch sein Augenlicht. Laut Pressecommuniqué erlag Professor Arne Hammer schließlich am 2. September 1980 einem finalen Anschlag, nur wenige Meter von der Akademie entfernt. Alles, was von ihm aufgefunden wurde, waren sein Hut und seine Palette.66 Nach dem Tod des Professors fand der Beobachter das weiter oben zitierte »dossier des refusés«. Laut diesem gab es nur zwei Bewerber, die unermüdlich an der Aufnahmeprüfung für die Akademie scheiterten. Ihre Arbeiten wurden allesamt abgelehnt, mit dem Schriftzug »refusé«, den Initialen »AH« und dem Akademiestempel versehen (Abb. 8). Die Signatur unter den abgewiesenen Arbeiten lautet entweder »Gasiorowski« oder »Portal«.

2.2.2 Sonstige Dokumente in den Akademieringbüchern Die Seiten außerhalb der Kapitel adaptieren häufig administrative Formgebungen. Diese im alltäglichen Sprachgebrauch als »Unterlagen« zu bezeichnenden Doku63 | Vgl. Fludernik, Monika: Tempus und Zeitbewusstsein. Erzähltheoretische Überlegungen zur englischen Literatur. In: Middeke, Martin (Hg.): Zeit und Roman. Zeiterfahrung im historischen Wandel und ästhetischer Paradigmenwechsel vom sechzehnten Jahrhundert bis in die Postmoderne. Würzburg 2002, S. 21-32, S. 24-25. 64 | Weitere Ausführungen hierzu folgen in Kapitel 2.2.3. 65 | Vgl. Skizze des »Organigramme Nº 10«, in: R1, Blatt 70 r ; »Exposition de l’académie WK proposée par Alain Massiot«, in: R1, Blatt 36 r ; das Pressecommuniqué zum Tod Arne Hammers, in: R1, Blatt 33 r ; Zeichnungen zur Konzeption des Ausstellungskatalogs, in: R1, Blätter 39 r-42r und Skizzen des Ausstellungsdisplays in der Galerie Maeght 1982, in: R1, Blätter 45v-50 r, alles in: Digitalisate Galerie Maeght. 66 | Vgl. Abb., in: Suchère 1994, S. 99.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

mente nehmen eine Brückenstellung zwischen der narrativen Information und den materiellen Artefakten in der Akademieausstellung ein, indem sie die in der Erzählung gelieferten Hinweise in eine der Realität entstammende Erscheinungsform übersetzen, beziehungsweise sie mit dieser anreichern. Die Unterlagen umspannen somit die Exponate mit einem Referenzsystem, dessen Form alltäglicher Administration entspricht, dessen Inhalt sich jedoch auf fiktive Daten bezieht. So folgen auf das einleitende Akademiekapitel mehrere Schülerlisten. Mit dem fünften Blatt des ersten Ringbuchs wechselt die Papierfarbe von blassrosa zu hellblau. Es folgt nun auf die Schilderung der Akademiestatuten eine sechzehnseitige Liste von Schülernamen, die nach Studienjahren geordnet sind. Während die beiden ersten, vollständigen Kapitel des Akademieberichts auf rosagrundigem Papier verfasst sind, ist das dritte Kapitel, das keinen zusammenhängenden Text mehr enthält, ebenfalls auf blau-karierten Blättern festgehalten. Diese Beobachtung gäbe leicht zur Vermutung Anlass, dass die farbliche Abstufung in den Ringbüchern als ein Ordnungsprinzip zur Differenzierung verschiedener Textsorten gewertet werden könnte. Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass kein logisch erscheinendes Klassifizierungssystem greift. Neben den genannten narrativen Kapitelseiten befinden sich im ersten Ringbuch Seiten mit pseudo-öffentlichem Charakter, wie das Pressecommuniqué zum Tod Arne Hammers, auf rosa Papier. Zeichnungen der Ausstellungsräume existieren sowohl auf blauem als auch auf gelbem Papier,67 wobei die Skizzen der Professorensilhouette ebenfalls auf blauem Grund erscheinen,68 während der Organigrammentwurf auf rosa Papier fixiert ist.69 Die sechzehn Seiten des Namensregisters sind zudem in sich farblich gegliedert, lassen hier jedoch eine klare Ordnung erkennen: Mit jedem neuen Lehrjahr wechselt die Papierfarbe. So folgen auf fünf blaue Seiten der ersten Klasse fünf gelbe Seiten für das zweite Jahr, danach erneut fünf blaue Seiten und ein einzelnes rosafarbenes Blatt für das vierte Jahr. Die Farbabfolge der Schülerlisten deckt sich dementsprechend mit derjenigen der Etiketten in den »Classes«. Jede der 16 Listenseiten trägt diagonal in der linken oberen Ecke einen Stempel, der mit den Kürzeln »1A« bis »4A« den Jahrgang des jeweiligen alphabetisch geordneten Namensregisters markiert. Eröffnet wird eine jede Liste mit der erneuten Nennung des Ausbildungsjahres und dem Namen des zuständigen Lehrmeisters in der Zeile darunter. Anhand der Namenslisten lässt sich nachvollziehen, welche Schüler zu welchem Zeitpunkt aus der Akademie ausgegliedert wurden, wer wann neu hinzukam und wer als »gutes Subjekt« versetzt wurde. Dabei ist eine Abweichung der in den Statuten der »Académie Worosis Kiga« festgesetzten Schülerzahl festzustellen. Während in der zweiten und dritten Klasse jeweils 100 Namen aufgeführt sind, umfasst die erste lediglich 95 aufgeführte Personen. Von diesen verließen 28 nach dem ersten Jahr die Kunsthochschule. Folglich wurden zum zweiten Studienjahr 33 neue Studenten an der Akademie zugelassen. Einer von diesen, George Segal, wurde im zweiten Lehrjahr neu aufgenommen und verließ die Akademie nach selbigem di67 | Vgl. R1, Blatt 50 r, Blatt 69 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 68 | Vgl. R1, Blatt 56 r-64 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 69 | Vgl. R1, Blatt 70 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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rekt wieder – zusammen mit 19 weiteren Studenten. Im dritten Lehrjahr befanden sich somit 48 Studenten, die seit dem ersten Studienjahr an der Akademie zugelassen waren, 32 Studenten, die im zweiten und 20 Studenten, die im dritten Jahr neu hinzugekommen waren. Das letzte Listenblatt, das als einzelnes die vierte Klasse repräsentiert, beschränkt sich auf diese Nennung des Jahrgangs und der Klassenlehrerin, Mademoiselle Prax. Der Rest der Seite ist leer. Das Fehlen einer Namensliste für das Abschlussjahr stimmt ebenfalls mit den fehlenden Angaben der Etiketten der vierten Jahrgänge in den »Classes« überein. Überträgt man die aus der Realität entlehnten Künstlernamen auf den zeitgenössischen Kunstmarkt, geben weder diese Fluktuationslinie noch die Auswertung der von den aufgeführten Künstlern vertretenen Kunstrichtungen, Gattungen und Techniken Rückschluss auf mögliche ästhetische Auswahlkriterien oder ein systematisches Sortierungsprinzip. Auffällig ist allerdings, dass die Liste eine klare geografische Gewichtung der zitierten Künstlernamen aufweist. Es liegt eine deutliche Überzahl französischer und nordamerikanischer Künstler vor, wohingegen deutsche und niederländische Künstler noch hinter den italienischen Vertretern der Arte Povera zurückbleiben. Ebenso bilden weibliche Künstler eine deutliche Minderheit.70 Die geografische Verteilung spiegelt dabei das nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte Verhältnis auf dem internationalen Kunstmarkt wider, auf dem Frankreich von den USA als führende Kunstnation abgelöst wurde. Gasiorowskis damit zugleich manifestierte tiefgreifende Kenntnis der amerikanischen Kunstproduktion ist wiederum für die damalige öffentliche Rezeption in Frankreich bemerkenswert.71 Der Klassenliste folgt eine Auflistung derjenigen Bewerber, die ihre Arbeitsprobe zur Zulassung zu einem Studienplatz im ersten Jahrgang per »Cours par correspondance«, also postalisch, eingereicht haben.72 Auf blauem Papier erstreckt sich die zweispaltige Tabelle über sechs Seiten. Die linke Spalte trägt die Überschrift »prétendant« 73. Am rechten Außenrand sind die Zeilen der Tabelle in chronologischer Abfolge mit arabischen Ziffern von eins bis 100 durchnummeriert. In der rechten Spalte vor der Nummerierung sind bis in die zwölfte Zeile die Namen der Anwerber aufgeführt, die mit den ersten zwölf Namen – Acconci bis Broodthaers – der ersten Klassenliste korrespondieren. Die restlichen fünf Seiten der mit freier Hand ungleichmäßig gezeichneten Tabelle sind leer. In den Unterlagen, die sich auf die Schüler der Akademie beziehen, befindet sich im ersten Carnet Gasiorowskis außerdem die Vorlage für das in der Ausstellung gezeigte, fotokopierte Namensregister.74 Für die 1982 ausgestellte und seither in Ausstellungskatalogen stets reproduzierte »Liste des sujets« (Abb. 6) wurde das im Ringbuch befindliche Original mit Überschrift und textlichen Ausführungen am 70 | Vgl. Tabellarische Auswertung der Schülerliste, in: Archiv der Verfasserin. 71 | Vgl. hierzu ferner Kapitel 3.2. 72 | Vgl. R1, Blätter 15 r-17v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 73 | »Bewerber«, [Überset zung T. N.], zitier t aus: R1, Blatt 15 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 74 | Vgl. R1, Blatt 21r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

unteren Rand des Blattes ergänzt und der Fotokopie das Siegel der Akademie aufgestempelt. Die Vorlage im ersten Ringbuch führt auf hellgrünem Papier die Namen der Schüler in alphabetisch angeordneten Reihen auf. Zwischen Acconci und Zorio tauchen unter anderem Beuys, Cage, Filliou, Gilbert & George, Kosuth, Maciunas, Richter und Warhol auf. Einige Namen sind bis zur Unlesbarkeit durchgestrichen. Am unteren Ende der Aufzählung beginnt ein zweites alphabetisches Register. Dieses weicht im Schriftduktus ab, was den Anschein einer zeitlichen Differenz zwischen den beiden Eintragungen suggeriert. Insgesamt führt die Aufzählung 151 Künstler namentlich auf, von denen 51 ausgestrichen sind. Wie bereits erwähnt, birgt das erste Ringbuch darüber hinaus eine Reihe von Skizzen und Entwürfen, die sich konkret auf die Galerieausstellung 1982 beziehen. Hierzu zählen die Presseankündigung 75 sowie Entwurfsskizzen für die Kataloggestaltung,76 den Ausstellungsauf bau 77 und die Vitrinenbestückung 78. Die Vorlage der Legende, die in der letzten Vitrine der Ausstellung die Stationen der Flucht Arne Hammers aufzählt,79 sowie eine zweiseitige Aufzählung der verschiedenen Ehrenauszeichnungen80 lösen sich von diesem organisatorischen Aspekt, da sie inhaltliche Informationen zur Akademiegeschichte enthalten. Zugleich handelt es sich jedoch um klar adressierte Schriftstücke deiktischen Charakters, die ihren Platz nicht innerhalb einer erzählerischen Chronik, sondern zur Dokumentation in einem exponierten Wahrnehmungssystem finden. Das erste Ringbuch dient somit einerseits als Quelle real umgesetzter Anordnungen im Galerieraum sowie andererseits als Ursprung dort vergegenwärtigter Werkinformationen. Darüber hinaus enthält dieses Carnet Gasiorowskis weitere Komponenten der Akademiefiktion, die für den Rezipienten des Werks zu Lebzeiten Gasiorowskis verborgen blieben. Hierzu zählen mehrere Ausführungen der »Silhouette supposée du professeur Arne Hammer«81, die in den Bildunterschriften als Skizzen von Schülern bezeichnet und auf 1976 datiert werden. Die Zeichnungen sind in der gleichen schwarzen Tinte auf dem gleichen blauen Papier wie der Beobachterbericht ausgeführt. Jedes Blatt zeigt mehrfach den Umriss eines gehenden Mannes mit Mantel und Hut, der in einer Hand einen Stock trägt, während er unter den anderen Arm ein großes, rechteckiges Objekt geklemmt hat. Im Hintergrund von Blatt 64 sind Zypressenbäume und Züge einer bergigen Landschaft zu erkennen, die als »les environs d’aix et la montagne Sainte Victoire« 82 bezeichnet wird. Es handelt sich hierbei um jene Landschaft und jenen Berg Sainte Victoire in der Nähe von Aix-en-Provence, die Paul Cézanne in vielzähligen Arbeiten zum Motiv genommen hat. Neben den Insignien von Malstab und Zeichenblock oder Lein75 | Vgl. R1, Blatt 38 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 76 | Vgl. R1, Blätter 39 r-42r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 77 | Vgl. R1, Blätter 45v, 46 r, 48 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 78 | Vgl. R1, Blätter 47r, 49 r, 50 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 79 | Vgl. R1, Blatt 71r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 80 | Vgl. R1, Blätter 65 r, 66 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 81 | »vermutlichen Silhouette des Professors Arne Hammer« [Übersetzung T. N.], vgl. Ausst.Kat. Nîmes 2010, S. 121; vgl. R1, Blätter 58 r-64 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 82 | »die Umgebung von Aix und der Berg Sainte Victoire« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 64 r, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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wand wird die per Betitelung als Professor Arne Hammer identifizierte Figur durch diese bildliche Referenz in einer kunsthistorischen Tradition verortet. Mit dem vielfältigen und kreativen Inhalt des ersten Ringbuchs bricht das zweite Ringbuch. Es enthält ein vollständiges Ordnungsschema der in den »Classes« gerahmten Hutzeichnungen. Im Katalog der Ausstellung in Nîmes 2010 ist ein Auszug daraus reproduziert. Nach den Fotografien Portals war es in der Ausstellung 1982 jedoch nicht zu sehen.83 Die insgesamt 14 Seiten des Schemas tragen jeweils die in fließender Schreibschrift ausgeführte Überschrift »Les Classes« sowie einen Akademiestempel in der oberen linken Ecke. Darunter entfaltet sich das Rahmenraster in tabellarischer Form von je fünf Zeilen pro Seite. Am äußeren linken Rand sind diese Zeilen lückenlos von eins bis 67 in gestempelten arabischen Ziffern durchnummeriert. Rechts der Nummerierung folgen pro Zeile je fünf quadratisch eingerahmte Felder. Sie markieren die einzelnen Blätter einer »Classe«: vier Hutzeichnungen, auf die eine »Exercice Libre« folgt. Eine Zeile der Tabelle entspricht somit dem Auf bau einer gerahmten »Classe« und versieht diese mit einer Ordnungszahl. Bis in die neunte Zeile einschließlich sind in die ersten vier Felder stets zwei übereinander angeordnete arabische Zahlenkombinationen eingetragen. Die obere bestimmt chronologisch das Studienjahr »1 A«, »2 A«, »3 A« und »4 A«. Sie wird ab der zehnten »Classe« ausgelassen, da sich ihre Abfolge stetig wiederholt. Darunter steht eine beliebige Nummer zwischen eins und 99 – diese Angabe durchzieht das gesamte beschriftete Schema. Oberhalb der ersten drei Felder sind die Schülernamen, das heißt Namen bekannter zeitgenössischer Künstler, vermerkt. Anhand der zugewiesenen Chiffren in Kombination mit den Künstlernamen lassen sich sowohl die Rahmen als auch die einzelnen Hutzeichnungen identifizieren und die Namensetiketten zuordnen. Wie geschildert, nennen die Etiketten des vierten Jahrgangs in den »Classes« keine Schülernamen. Dementsprechend ist oberhalb des vierten Kastens im Schema anstelle einer namentlichen Zuordnung ein großes »X« eingetragen. Das die »Exercice Libre« markierende, fünfte Feld einer Tabellenzeile ist durchgehend mit einem großen »F« versehen. Dieses verweist auf die in den Ringbüchern für diese Arbeiten gleichermaßen verwendete Bezeichnung als »fond«84. Über den gestempelten Ziffern der ersten Spalte vermerken gelegentlich handschriftlich eingefügte Initialen die Besitzer der jeweiligen Arbeit. Auch das dritte und vierte Ringbuch der »Académie Worosis Kiga« entsprechen in Form und Inhalt vollkommen ihrer bürokratischen Aufgabe. Sie umfassen die sogenannten »Feuille[s] de déportation«, Deportationsakten von Akademieschülern. 1982 waren diese in der Ausstellung nicht zu sehen und sind erst später durch Katalogreproduktionen vereinzelt bekannt geworden. Zudem werden sie in der Planungsskizze einer Vitrine für die Ausstellung 1982 namentlich erwähnt.85 Die 83 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 108. 84 | »(Mal-)Grund« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Typoskript in: Archiv Philippe Agostini, S. 13. 85 | Vgl. zwei Abb. »A.W.K. – Auszug aus dem Deportations-Register«: »Feuille de déportation, nº 19: attribué à Kienholz« und »Feuille de déportation, nº 13: attribué à Christo«, in:

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

genaue Verortung dieser Werkgruppe im Kontext der Erzählhandlung ist jedoch unklar. Auf den bekannten Arbeiten ist die Deportation mit 1980 bis 1981 datiert, einem Zeitpunkt, der laut Erzählung zwischen Flucht und Tod des Professors Arne Hammer liegt. Da dieser laut Pressecommuniqué bis zu seinem Tod vom Beobachter, dem Verfasser des Berichts, begleitet wurde, kann jener bei kohärenter Logik der fiktiven Handlung dementsprechend keine Schilderung von den Ereignissen an der Akademie und den dort eventuell vorgenommenen Deportationen liefern. Als fiktive Dokumente ergänzen somit die Deportationsblätter den fragmentarischen Bericht.

2.2.3 Die Bedeutung der Textform für den Beobachterbericht Die vier Ringbücher umfassen mit den beschriebenen Kapiteln des Beobachterrapports, den fiktiven Unterlagen wie Raum- und Organisationsplänen, Skizzen und Listen in verschiedenen Textformen die gesamte und einzige fixierte Autorquelle, die Aussagen zur Gestaltung und Entwicklung der »Académie Worosis Kiga« zulässt. Während ihre äußere Erscheinung als materialgewordene Archive der fiktiven Institution mit den realen Konventionen institutioneller Aktenführung kongruiert, bricht die darin auf bewahrte Information deutlich mit diesem Eindruck. Auch auf Textebene lässt sich eine signifikante Diskrepanz zwischen sprachlicher Form und semantischem Gehalt feststellen. Während die in den Kapiteln gewählte neutrale Erzählperspektive den Eindruck einer sachlichen Tatsachenschilderung erweckt, kontrastiert deren trockener Ton stark mit dem Gegenstand ihrer Ausführungen: den abwegigen Statuten und Prinzipien einer autoritär geführten Akademie und ihren strikten Beurteilungsmaßstäben. Besonders deutlich wird dieses Ungleichgewicht an der präzis beschriebenen Werkgenese der »OIPAHHO OIPAHSTRA«. Sie lässt die Arbeitsweise des Professors minutiös nachverfolgen, wobei die Detailtreue der Schilderung angesichts der Einfachheit der künstlerischen Gesten und deren schleierhaften Selbstreferenz in vollkommene Absurdität umkippt. Innerhalb dieses Spannungsfeldes von Wahrheitsanspruch der sprachlichen Form und der unsinnig anmutenden inhaltlichen Bedeutung enthüllen verborgene Interpretationshinweise, wie die erwähnte Decodierung des Werkakronyms »OIPAHHO OIPAHSTRA«, eine symbolische Aufladung der Textstruktur. Diese erfordert eine Ausst.-Kat. Freiburg 1989, o. S. – Die Fotokopie einer Planungsskizze aus den Ringbüchern erwähnt darüber hinaus die Anordnung der Deportationsblätter in Vitrinen. – Vgl. Fotokopie »2 ème salle: De la Répression«, in: Archiv Galerie Maeght, roter Ordner, Aufschrift »AWK«. – Auf einer undatierten Postkarte an seinen Freund und Kunstkritiker Bernard Lamarche-Vadel erwähnt Gasiorowski neben seinen privaten Urlaubsgrüßen den Ausschluss von 144 Schülern der Akademie und erbittet eine Liste für Nachrücker. Zudem bemerkt er, dass ein Komplott gegen Professor Hammer vereitelt werden konnte. Da der Ausschluss einer solch großen Anzahl an Schülern nicht auf den genannten Namenslisten nachzuvollziehen ist, könnte es sich hierbei um die lediglich im privaten Rahmen weitergegebene Information der erwähnten Deportation handeln.– Vgl. Fonds Lamarche-Vadel, Bernard: Dossier BLV 11.20, in: IMEC, Abbaye d’Ardenne, Saint-Germain-la-Blanche-Herbe.

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buchstäbliche Lektüre, die durch eine betonte Ikonozität des sprachlichen Zeichens und die darüber entwickelte Doppeldeutigkeit weitere Sinnebenen eröffnet. Im klaren Gegensatz zur mündlich vermittelten Information – wie sie Freunde Gasiorowskis durch dessen Erzählungen und Ausstellungsbesucher 1982 durch eventuelle Erklärungen eines Galerieangestellten erhalten haben  – wird in der schriftlich fixierten Form des Beobachterberichts die grafische Erscheinung des sprachlichen Zeichens betont. Neben der im syntaktischen Zusammenhang entwickelten Textsemantik wird im Bericht der »A.W.K.« die schriftliche Qualität des einzelnen Buchstabens zur Geltung gebracht und mit einer auf seiner optischen Erscheinung basierenden Konnotation ausgestattet. Dies macht beispielsweise der Hinweis auf die von Arne Hammer als Abschluss seines Werkzyklus gewählte Zahl »8« als »quasi infinie« 86 deutlich. Angesichts der dezimalen Taxonomie der einzelnen Serien der »OIPAHHO OIPAHSTRA«, der zufolge je zehn Pakete von 100 identischen Exemplaren zusammengefasst werden, scheint die Wahl der Zahl »8« als abschließender Seriennummer zunächst willkürlich. Entgegen diesem ersten Eindruck begründet sich die Information indirekt und dennoch unmittelbar sichtbar selbst. Im geschriebenen Text erscheint die finale Ordnungsnummer niemals in Buchstaben ausgeschrieben, sondern immer in Form der arabischen Ziffer »8«. Dreht man diese um 90°, erhält man eine horizontale Schleifenlinie »∞«, die als mathematisches Zeichen für »unendlich« steht. Die Farbsymbolik des Hammerschen Œuvres wird hingegen explizit erläutert. Schwarz dient zur Repräsentation des Malers und Braun als abstraktes Zeichen der Malerei.87 Implizit wird darüber hinaus eine Parallelität zwischen der Farbe Schwarz als einfachem Strich in der Gruppe der »STRA«, der Kontur eines Mannes mit Hut in der Serie der »HO« sowie dem Wort »Hut« als Metapher, als verbalisiertem Bild, eröffnet. Auf diese semantische Analogie spielt die polysemische Verwendung der französischen Verben »découvrir« 88 und »recouvrir« 89 an, die für die Malgeste des Professors beim Auftragen der Schichten verwendet wird. Sie können sowohl das Aufdecken, beziehungsweise Entdecken, als auch das Bedecken einer Fläche, aber auch das Ab- und Aufsetzen eines Hutes bezeichnen. Diese Doppeldeutigkeit wird durch die in beiden Beschreibungen wiederkehrende Verbverwendung betont: »D’une main il a tenu son chapeau découvert 36.000 fois, de l’autre il s’est couvert 36.000 fois.«90 Die Ambivalenz des Wortgebrauchs setzt sich bis zum Ende des Kapitels fort, das mit dem enigmatisch wirkenden Satz schließt: »Le but, l’ultime but était de jeter le chapeau et de découvrir la peinture.«91 Hierin wird die Malerei als autonome Erscheinung in einen semantischen Zusammenhang mit dem wörtlichen wie bildhaften »(Hin-)Schmeißen« des Hutes gebracht. 86 | »quasi unendliche« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 87 | zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 88 | zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 89 | zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Archiv Galerie Maeght. 90 | »Mit einer Hand hat er seinen Hut 36.000 Mal aufgedeckt gehalten, mit der anderen hat er sich 36.000 Mal bedeckt.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 91 | »Ziel, höchstes Ziel war es, den Hut zu schmeißen und die Malerei zu entdecken.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Anhand der bekannten Textpassagen der Ringbücher lässt sich schließlich ein dreistufiges Modell der Verbindung von sprachlichem und bildlichem Zeichensystem erkennen. Im beispielhaft herangezogenen zweiten Kapitel des Beobachterberichts wird die Bildhaftigkeit der Schrift mithilfe von Ikonizität und Metaphorik hervorgehoben.92 Das sprachliche Zeichen wird in diesem Fall aufgrund seiner visuellen Analogie verwendet. So verweist beispielsweise die Ziffer »8« auf Unendlichkeit. Dementsprechend tritt neben die in der Lektüre gewonnene sprachliche Information eine zweite Bedeutungsebene, die auf der Sinngebung optischer Referenzen beruht. Im Falle des Werktitels »OIPAHHO OIPAHSTRA« erweitert sich dieses Feld visueller Anspielung zudem noch um eine onomatopoetische Ebene, da das Akronym laut Gasiorowski wie ein indianischer Ausruf ausgesprochen werden sollte und somit eine kontradiktorische Beziehung zwischen den Antagonisten Kiga und Arne Hammer der Akademiefiktion herstellt.93 Eine weitere Stufe der Wort-Bild-Relation kann im dritten Kapitel der Akademiechronik gesehen werden, in dem Bild und Wort als gleichwertige Kommunikationsmedien nebeneinandergestellt werden. Dort teilen sich bildliche Darstellung und schriftliche Erläuterung als gemeinsame Grundlage die Fläche eines Ringbuchblattes und sind darüber hinaus in denselben Materialien ausgeführt. Auf dem Papier werden keine separierten Räume für die verschiedenen Repräsentationsmedien eingehalten. Die Schrift folgt nicht einer Leserichtung, sondern verläuft teilweise senkrecht zum Linienverlauf und fügt sich in die Zwischenbereiche der Skizzen des Klassenraumes. Scheinen die textlichen Informationen vordergründig wie Beschriftungen die Abbildungen zu erläutern, differenzieren sie sich formal jedoch nicht von diesen. Im Gegenzug präsentieren die Skizzen den imaginären Aspekt der Geschichte im Raum und Material der geschriebenen Sprache. Sprachliche und bildliche Informationen treten somit gleichwertig nebeneinander. Die dritte Stufe ist schließlich mit dem Ordnungsschema des zweiten Ringbuchs sowie in den skizzierten Organigrammen, die als »Schaubilder« bezeichnet werden können, anzutreffen. Hier formiert sich die Schrift zu Bildern, in denen die visuelle Anordnung der Wörter und nicht deren syntaktische Verbindung zur Sinnerzeugung verhilft. Das sprachliche Zeichen verliert seine symbolische Beziehung zu dem von ihm transportierten Inhalt und tritt als Abbild – beziehungsweise Projektion – in ein indexikalisches Verhältnis zur Außenwelt.

92 | Unter dem Begriff der »Schriftbildlichkeit« hat Sybille Krämer 2008 ein von der DFG gefördertes Graduiertenkolleg an der FU Berlin eingerichtet, das sich diesem Phänomen in vielfältigen Forschungsperspektiven widmet. – Vgl. Krämer, Sybille, Cancik-Kirschbaum, Eva, Totzke, Rainer: Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin 2012. 93 | Vgl. Colette Portal im Gespräch mit Philippe Agostini, 21.10.2010, Typoskript in: Archiv Philippe Agostini.

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2.3 V erortung im G esamt werk Die zuvor mehrfach für die Erzählung der »A.W.K.« genutzte Bezeichnung als »Chronik« rechtfertigt sich durch die darin scheinbar in chronologischer Reihenfolge geordnete Beschreibung der Ereignisse an der Kunstinstitution. Wie im Folgenden zu sehen sein wird, nimmt der Begriff der »Chronologie« im Schaffen Gasiorowskis eine wichtige Stellung ein.94 Im Fall der »Académie Worosis Kiga« besitzt er dabei eine doppelte Bedeutung: Neben die eben erläuterte fiktive Chronologie des Beobachterberichts tritt die zeitliche Abfolge der Werkgenese sowie deren Einbettung in das Gesamtwerk des Künstlers. Der Komplex der »Académie Worosis Kiga« bildet in diesem zeitlich wie inhaltlich ein Scharnier. Er konzentriert leitmotivische Fragestellungen und Strategien, die das gesamte Schaffen Gasiorowskis durchziehen und spitzt diese zu. Die klar strukturierte fiktive Einbettung der Artefakte stellt eine Verbindung zu realen Prozessen und Verhaltensweisen des Künstlers her, der durch seinen Rückzug die notwendige Distanz schafft, um sowohl aktuelle Tendenzen und Entwicklungen zu beobachten, als auch die eigenen Strategien und Vorgehensweisen zu reflektieren. Als Resultat dieser Phase nimmt die »A.W.K.« im Gesamtœuvre eine exponierte Stellung ein. Die Akademiefiktion entstand zwischen 1976 und 1982. Während dieser Zeit war Gasiorowski in keiner Ausstellung vertreten und zog sich weitgehend vom Pariser Kunstmarkt zurück. Die Wirkkraft seines Werks manifestierte sich daraufhin unmissverständlich. Mit seiner Rückkehr auf den Kunstmarkt durch die Akademieausstellung in der Galerie Maeght eröffnete sich dem Künstler unverzüglich die Möglichkeit, sein bisheriges Schaffen umfassend und in prestigeträchtigem Rahmen einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren. Suzanne Pagé, damalige Direktorin des ARC – dem 1967 gegründeten Flügel für zeitgenössische Kunst des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris95 –, besuchte die Ausstellung bei Maeght und bot dem Künstler umstandslos an, im kommenden Jahr eine Retrospektive seines Werks zu verwirklichen.96 Die 1983 folgende Überblicksschau wurde von Gasiorowski konzipiert und nach seinen Vorstellungen arrangiert.97 Hierfür nahm der Künstler eine Gliederung seines Werkkorpus in eindeutig voneinander abgegrenzte, betitelte und datierte Gruppen vor. Auf dieser zeitlichen Ordnung basierend erfolgte der Ausstellungsauf bau linear und ordnete die Werke in einer fortlaufenden Chronologie an. Dadurch erweckte die Ausstellung den Eindruck, das Œuvre Gasiorowskis gehorche einer evidenten Systematik, in der sich thematisch und formal heterogene Arbeitsblöcke präzise voneinander differenzieren ließen. Tatsächlich ist Gasiorowskis Produktion in vielzählige Werkgruppen und Serien unterteilt. Entgegen dem im ARC entstandenen Anschein sind diese trotz aller formalästhetischen Brüche jedoch nicht scharf voneinander zu trennen. Vielmehr handelte es sich bei der von Gasiorowski 94 | Vgl. Suchère 2012, S. 66-69. 95 | Vgl. Monnier 1995, S. 357-359. 96 | In einem Schreiben vom 7. Juni 1982 erläutert Suzanne Pagé, dass sie von ihrem anscheinend mit Gasiorowski vereinbarten Ausstellungsbesuch trotz dessen Abwesenheit beeindruckt ist und bestätigt ihr Ausstellungsangebot. – Vgl. Brief von Suzanne Pagé an Gérald [sic!] Gasiorowski, 7. Juni 1982, in: Archiv ARC, Paris. 97 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1983.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

vorgenommenen Kategorisierung um eine Inszenierungsstrategie, die es dem Künstler erlaubte, durch Modifikationen einzelner Werkserien seinem Gesamtwerk neue Sinnschichten zu verleihen.98 Die Chronologie entwarf das Gesamtwerk Gasiorowskis als Prospekt einer Geschichte, in der sich der Künstler durch seine Schöpfung sowohl historisierte als auch erfand. In Wirklichkeit konstituieren sich die Gruppen nicht entlang einer teleologischen Entwicklungslinie, sondern vielmehr innerhalb eines Netzwerks aus Rückgriffen, Wiederholungen, Überarbeitungen und Referenzen.99 Innerhalb dieses Geflechts verweben sich zunehmend auch die Bereiche von Leben und künstlerischer Tätigkeit. Wie er mit dem Titel der Ausstellung von 1983 – »Peinture« – andeutete, ist ein wiederkehrendes Motiv seiner Arbeit die Frage nach dem Verhältnis von Bild und Malerei sowie deren Möglichkeit zur Realitätsabbildung. »Peinture« steht im Französischen sowohl für das gemalte Produkt, das Gemälde, und die malerische Praxis als auch für deren Material, die Farbpaste. Diese werkimmanente Fragestellung stand für Gasiorowski in unausweichlicher Interdependenz mit seinem persönlichen Selbstentwurf als Künstler und insbesondere als Maler. Ähnlich dem 1964 von Joseph Beuys formulierten »Lebenslauf / Werklauf«100, verfasste Gasiorowski für die Ausstellung im ARC seine Biografie, in der er die essenzielle Durchdringung von Leben und Schaffen auf vier Punkte reduzierte: 1930 Geburt in Paris, 1947 Studium der Angewandten Künste, 1951 Beginn der Malerei – 1953 Unterbrechung, 1964 Wiederaufnahme der Malerei.101 Gemäß dieser Selbstdarstellung Gasiorowskis sowie zur besseren Übersichtlichkeit folgt die Kontextualisierung der »Académie Worosis Kiga« in diesem Kapitel der Künstlerbiografie, um entlang der Lebenslinie Knotenpunkte und Verzweigungen seines Schaffens sichtbar zu machen.

2.3.1 Chronologie 1964, nach über zehnjähriger Pause, begann Gasiorowski erneut zu malen. Durch Vermittlung seines Freundes Jacques Monory war er zu diesem Zeitpunkt Angestellter in der Werbeagentur Robert Delpires und zuständig für das dortige Fotoarchiv.102 In der Galerie Ileana Sonnabend besuchte er eine Ausstellung Andy 98 | Vgl. Suchère 2012, S. 66-67. 99 | Die 2010 von Frédéric Bonnet und Éric Magion kuratierte Ausstellung »Gérard Gasiorowski. Recommencer: Commencer de nouveau la peinture« im Carré d’Art, Nîmes, hatte es sich laut Pressemitteilung zur Aufgabe gemacht, mit der seit 1983 fortlebenden Vorstellung einer klar konsekutiven Linearität von Gasiorowskis Œuvre zu brechen. – Vgl. »Dossier de presse« der Ausstellung in Nîmes 2010, online unter: https://www.nimes.fr/ fileadmin/directions/culture/GASIO-DP.pdf (letzter Aufruf: 19.12.2015). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Genese und Abfolge einzelner Werkgruppen bietet Éric Suchère. – Vgl. Suchère 2012, insbes. S. 66-69. 100 | Vgl. Adriani, Götz, Konnertz, Winfried, Thomas, Karin: Joseph Beuys. Köln 1994, S. 6. 101 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 102. 102 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 224. – Seit 1952 arbeitete er in einer Versicherungsgesellschaft, eine Entscheidung, die Gasiorowski selbst später als »Masochismus« bezeichnete. – Vgl. Interview mit Bernard Lamarche-Vadel, in: Ausst.-Kat., Dauriac – Gasiorowski, Paris, Galerie Gérald Piltzer, 1975.

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Warhols, die es ihm nach eigener Aussage ermöglichte, sich erneut ganz der Malerei zu widmen. Mit der amerikanischen Kunst sah er eine Überwindung der noch immer herrschenden, veralteten Vorbilder der französischen Kunst vom Anfang des Jahrhunderts.103 Seinen eigenen Worten zufolge, bestätigten die Siebdrucke Warhols für Gasiorowski erstmals die Evidenz des Bildes im Gegensatz zur bislang gültigen Abstraktion.104 Seine daraufhin entstehenden Arbeiten sind dementsprechend deutlich vom Stil der Pop-Art beeinflusst. 1975 fasste er diese ersten Werke unter dem Gruppentitel »C’est à vous Monsieur Gasiorowski«, »Sie sind an der Reihe, Herr Gasiorowski«105, zusammen und bezeichnete mit ihnen seine sprichwörtliche »Rückkehr ins Spiel«.106 Heute sind nur noch zwei Arbeiten dieser ersten Schaffensphase durch publizierte Reproduktionen nachzuprüfen: »Les Avertisseurs« (1964) und »Le Vert espérance« (1964), die sich beide in der Sammlung Adrien Maeght befinden.107 Motivisch wie farblich sind sie klar an die Bildsprache von Massenmedien wie Comic, Werbeillustration und Fernsehen angelehnt und korrespondieren somit formal mit der zeitlich parallel in Frankreich entstehenden Strömung der »Figuration Narrative«, in deren Rahmen Gasiorowski 1965 in der Ausstellung »La Figuration Narrative dans l’Art Contemporain« in der Pariser Galerie Creuze gezeigt wurde.108 Zum Zeitpunkt dieser Ausstellung hatte Gasiorowski jedoch bereits die Arbeit an seiner folgenden Werkserie begonnen, die er »Approche«, »Annäherung«109, betitelte. Für diese projizierte der Künstler mithilfe eines Episkops fotografische Motive auf großformatige, weiß grundierte Leinwände, die er mit einem dicken, fest gebundenen Borstenpinsel in vielfachen Lagen schwarzer Acrylfarbe nachtupfte.110 Um ein möglichst exaktes Ergebnis zu erhalten, deckte er Grenzstellen zwischen unterschiedlichen Grauschattierungen mit Papierstücken schablonenartig ab. Auf diese Weise reduzierte er den Malvorgang im Herstellungsprozess auf ein 103 | Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 172-182, S. 173. 104 | Vgl. Gérard Gasiorowski im Gespräch mit Bernard Lamarche-Vadel, in: Ausst.-Kat., L’artiste à l’hôpital. Worosis Kiga 1987, Paris, Théâtre Oblique, 1975, o. S. 105 | [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1995. S. 225. 106 | 1975 fertigte Gasiorowski ein Inventar seiner bisher geschaffenen Arbeiten an und fasste in diesem die mit Einzeltiteln aufgeführten Werke in betitelte Gruppen zusammen. – Vgl. Gavard-Perret, Jean-Paul: Gasiorowski. L’art et la merde, online unter: http://www.artsup.info/JPGP/JPGP_Gasiorowski.htm (letzter Aufruf: 22.12.2015). – Eine Kopie der zerrissenen Aufstellung befindet sich im Archiv der Galerie Maeght. 107 | Vgl. Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, Abb. S. 8; Ausst.-Kat. Paris 1995, Abb. S. 109. 108 | Vgl. Ausstellungsliste, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 102. 109 | [Überset zung T. N.], zitier t nach: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 227. – Laut Barbara Köhler wurde die Werkgruppe als solche erst im Nachlass zusammengefasst und benannt. – Vgl. Köhler 1995, S. 3. – Dem widerspricht jedoch ein handgeschriebenes Dokument Gasiorowskis, das sich in dessen Nachlass befindet und in dem er die einzelnen Werke der Serie zwischen 1965 und 1970 datiert. – Vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght. 110 | Vgl. Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 227.

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gestisches Minimum, welches ihn nahe an den Automatismus mechanischer Bildgenerierung heranrückte.111 Die technische Präzision seiner Abbildungen brachte Gasiorowski schnell einen Platz in Ausstellungen neben europäischen und amerikanischen Vertretern des Foto- und Hyperrealismus ein.112 Im Gegensatz zu diesen tritt die Verfremdung der Motive durch eine auf Schwarz-Weiß reduzierte Farbpalette bei Gasiorowski offensichtlich zutage und markiert die Bilder somit als Reproduktionen.113 Dies unterscheidet sie einerseits augenscheinlich von der zeitgenössischen Arbeitsweise amerikanischer Fotorealisten, stellt zugleich aber auch eine inhaltliche Verbindungslinie zu deren Werken her. Ähnlich amerikanischen Künstlern wie Don Eddy oder Chuck Close begnügte sich Gasiorowski nicht einfach mit dem Abmalen einer fotografischen Vorlage, sondern integrierte Störmomente in die scheinbar naturgetreue Abbildung. Während Richard Estes in wortwörtlich hyperrealistischer Manier alle Details seiner Bilder in derselben Schärfe wiedergab und damit das herkömmliche visuelle Fassungsvermögen des Menschen übertraf,114 erzeugte Gasiorowski in einigen Gemälden blinde Flecken, indem er unbearbeitete Stellen offenließ.115 Auch ungewohnte Bildausschnitte und kombinatorische Details der Wiedergabe wirken irritierend auf die alltägliche Bildwahrnehmung.116 So hinterlässt »L’Erreur« von 1970 (Abb. 13) nach dem ersten, flüchtigen Blick einen verwirrenden, unangenehmen Eindruck. In Unteransicht ist ein seilspringendes Mädchen vor monochrom grauem Hintergrund zu sehen. Unverzüglich wird die geschilderte Szene jedoch von der Nacktheit des Kindes verzerrt. Paradoxer Weise scheinen dessen einzige Kleidungsstücke zwei weiße Kniestrümpfe zu sein, die die Unterschenkel der Seilspringerin umhüllen. Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass gerade diese imaginäre Bedeckung in Realität nicht vorhanden ist. Gasiorowski vollführt hier eine hintergründige Augentäuschung. Denn im Gegensatz zur gemalten Nacktheit des Kindes sind die scheinbar bedeckenden Strümpfe durch Auslassungen im Grau des getupften Malgrundes erzeugt.117 Materielle Ausführung und imaginärer Eindruck stehen somit in einer chiastischen Konstellation, die sich auf weitere Bildteile übertragen lässt. So strahlt der kindliche, im schwebenden Moment des Sprungs fixierte Körper eine makellose, junge Vitalität aus. 111 | Vgl. Suchère 2012, S. 20. 112 | Vgl. Kultermann, Udo: Realismen. Tübingen 1972; Ausst.-Kat., Hyperréalistes americains – Réalistes européens, Paris, Centre national d’art contemporain, 1974; Ausst.-Kat., Art conceptuel et hyperréaliste, Aachen, Ludwig Museum, Neue Galerie, 1974; Ausst.-Kat., 8 définitions du réel, Chambéry, Musée des Beaux Arts, Musée d’art et d’histoire, 1975; Ausst.-Kat. Aachen 2010-2011. 113 | Die Anregung, »ohne Farbe« zu arbeiten, entstammt laut Künstleraussage ebenfalls den Serigrafien Andy Warhols. – Vgl. Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 114 | Vgl. Neysters, Silvia: Die theoretischen Grundlagen der Malerei des amerikanischen Fotorealismus (zugl. phil. Diss. Bochum 1979), Bochum 1979, S. 49. 115 | Vgl. Malsch, Friedemann: Gerard Gasiorowski. Der Weg zur Malerei. In: Kunstforum international, 96 / 1988, S. 206-215, S. 206. 116 | Vgl. Text Udo Kultermanns auf der Einladungskarte zur ersten Ausstellung Gasiorowskis in der Galerie Thelen, Essen, 1970. 117 | Ebenso verhält es sich mit dem Springseil, das von beiden Händen des Mädchens senkrecht nach unten hängt und vom unteren Rand der Leinwand abgeschnitten wird.

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Doch auch dieser Eindruck erfährt einen Bruch. Oberhalb des beschatteten Halses offenbart das Mädchen einen grotesken Gesichtsausdruck. Von den Winkeln eines flachlippigen, zusammengepressten Mundes laufen weiße Linien zum Kinn hinunter und verursachen nicht nur den Anschein einer verbissenen Miene, sondern muten wie tief eingegrabene Falten das kindliche Antlitz an und erscheint daher unerwartet alt und welk. Gleichermaßen verhält es sich mit dem von der Nase geworfenen Schatten. Dieser ist als schwarz gemaltes Dreieck repräsentiert und erinnert dadurch unweigerlich an die leeren Nasenhöhlen eines Totenschädels. Darüber liegen die hinter großen Brillengläsern stark verkleinerten Augen. Sie werfen nicht den wachen, neugierigen Blick der Jugend in die Welt, sondern wirken angestrengt zusammengekniffen, bereits kurzsichtig und müde. Abbildung 13:  Gérard Gasiorowski, »L’Erreur«, 1970, Acryl / Leinwand, 150  cm × 150  cm, Privatsammlung

© Foto Galerie Maeght, Paris

Solche Kippmomente, die bei detaillierter Betrachtung der primär homogen erscheinenden Darstellung sichtbar werden, lösen beim Betrachter Irritation und Verunsicherung aus. Dieses Ziel verfolgte Gasiorowski auf mehreren Ebenen seiner Produktionsweise. Anders als einige amerikanische Kollegen fertigte der französische Künstler die fotografischen Vorlagen seiner Bilder nicht selbst an. Im Gegensatz verwendete er Familienaufnahmen und Abbildungen aus Pressemedien für seine Gemäldeserie, deren ambivalente Wirkung laut Olivier Kaeppelin »à la fois l’étrangeté d’un album de famille et celle des photos de presse«118 erweckt. Denn 118 | »auf einmal die Fremdheit eines Familienalbums und diejenige von Pressefotografien« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Biographie, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012,

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Gasiorowski bediente sich bei der Motivsuche auch am Archivmaterial Delpires und stellte demnach veröffentlichte Zeitungfotografien und unbekanntes Archivmaterial gleichwertig nebeneinander.119 Genau diese Form der Ambiguität prägt das Gemälde »La Plage« von 1965. Die großformatige Leinwand konfrontiert den Betrachter mit der Nahaufnahme eines weiblichen Geschlechts. Ohne markantes Merkmal verschwindet die Bildquelle des intimen Körperausschnitts in einer unspezifischen Anonymität. Ebenso oszilliert das Werk durch die Spannung zwischen dem bedeutungsstiftenden Großformat des Gemäldes und dem hierzu in Widerspruch stehenden Darstellungsinhalt zwischen privater Intimität und exponierter Öffentlichkeit. Gasiorowskis Strategien, den Rezeptionshabitus in die Irre zu leiten und zu täuschen, beschränken sich jedoch nicht auf die Bildgrenzen, sondern beziehen auch den Wahrnehmungskontext seiner Arbeiten mit ein. Als wichtiger Bestandteil dessen führen die Werktitel den dekonstruktiven Bildgedanken weiter.120 Sie wirken häufig enigmatisch und in ihrem doppeldeutigen Gehalt humoristisch. So lautet der Titel einer 1965 entstandenen Arbeit beispielsweise: »Nature: ensemble des choses qui existent réelement«121. Der Auf bau der titelgebenden Aussage erinnert an die herkömmliche Struktur einer lexikalischen Definition, bei der ein nominaler Begriff durch Doppelpunkt von einer knappen, deskriptiven Formulierung getrennt wird. Diese formale Analogie offenbart sich jedoch auf mehreren Sinnebenen als absurd. Wie eine Klammer beginnen und schließen die beiden ontologisch brüchigen Begriffe »Natur« und »wirklich« den Titel. Durch ihre theoretische Komplexität und Unschärfe vereiteln sie jegliche Präzision des scheinbaren Erklärungsversuchs und visualisieren durch ihre bipolare Anordnung zudem die Absurdität des Gedankens, einer abstrakten Größe durch eine andere näher kommen zu können. Ferner steht der Titel in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit der von ihm bezeichneten Abbildung. Das quadratische Gemälde gibt über den schmalen Streifen eines bewegten Gewässers am unteren Bildrand den Blick auf eine Segelbootanlegestelle und die dahinter parkenden Autos frei. Betont der Bildtitel den Aspekt der Natur, steht diese auf dem Gemälde in einem proportionalen Verhältnis zur menschlichen Zivilisation, mit der sie sich in horizontalen Streifen der Komposition des Gemäldes abwechselt: am unteren Bildrand ein Streifen Wasser, der überleitet zum Mittelgrund, beherrscht von den angeschnittenen Rümpfen zweier Segelboote, darüber eine schmale Partie des mit Büschen und Gräsern bewachsenen Ufers, aus dem sich die Karosserien eleganter Personenwagen vor einigen Baumkronen im Hintergrund hervorheben. In ironisch-kritischer Lektüre bedeutet der lexikalisch anmutende Titel in Anlehnung an Barthes die Erweiterung des Begriffsfeldes »Natur«,

S. 183-186, S. 183. 119 | So ist beispielsweise »Dix secondes conscientes«, 1970, klar identifizierbar als eine Darstellung aus der Gemeinschaftsproduktion »Mysteries and Smaller Pieces« (1964) des Living Theatres. Die geschilderte Szene ist jedoch in den meisten Publikationen nicht abgebildet. Das Stück behandelt zudem das Ritual als inszenatorische Praxis und liefert damit reiches Material für eine weitergehende Analyse. 120 | Vgl. Clair, Jean: Gérard Gasiorowski. Memoriaux. In: Chroniques de l’Art Vivant, Nr. 30, Mai 1972, S. 10-11, S. 10. 121 | »Natur: Gesamtheit der Dinge, die wirklich existieren.« [Übersetzung T. N.].

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die nicht mehr in Opposition zur menschlichen Kultur steht, sondern von dieser eingenommen, assimiliert wurde.122 Wie die vielfach zitierte Anekdote der Trauben des Zeuxis belegt, schwingt seit der Antike in Bezug auf realistische Malerei stets die Reflexion über deren mimetischen Gehalt und den Anteil künstlerischer Erfindungsgabe mit.123 In den 1960er Jahren wurde zudem die Frage nach den medienspezifischen Qualitäten einer malerischen Realitätsabbildung virulent. Gasiorowski problematisiert dieses Thema durch seine Arbeitsweise, die, den individuellen Malgestus negierend, im Zusammenspiel von Fotografie und Malerei besteht. Die Reduktion des individuellen Ausdrucks auf ein Minimum dient Gasiorowski in den großformatigen Arbeiten zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Bild als Gemälde. Mit den Werken der Serie »Approche« gelang Gasiorowski schlagartiger Erfolg. Durch Vermittlung der Künstlerin Hanlor Voss fand er seine ersten Galeristen in Deutschland und verkaufte umgehend mehrere Werke in die bedeutende Sammlung Ludwig.124 Ab 1970 nahm der Maler in der Serie »La Fuite du côté de Barbizon« (1970-1971) explizit kunsthistorischen Bezug.125 Die Werkserie umfasst Leinwandarbeiten von vorrangig mittlerem, quadratischem Format. Ihr Pinselduktus ist lockerer, der Farbauftrag durchscheinend, sodass der noch immer gestochen scharfe Realismus in einer Art Auflösung, im Moment der Zersetzung begriffen, scheint. Motive kopierte Gasiorowski teilweise von verschiedenen Vertretern der »Schule von Barbizon«.126 Diese bestand aus einer Gruppe französischer Maler, die sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts im gleichnamigen Ort am Wald von Fontainebleau zu122 | Vgl. Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt a. M. 1989 [frz. Orig. 1980], S. 17. 123 | Vgl. Peres, Constanze: Nachahmung der Natur. Herkunft und Implikation eines Topos. In: Körner, Hans [u. a.] (Hg.): Die Trauben des Zeuxis. Formen künstlerischer Wirklichkeits­ aneignung. Hildesheim [u. a.] 1990, S. 1-40, S. 18-25; Gebauer, Gunter, Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft. Reinbek 21998, S. 215. 124 | Die erste Einzelausstellung Gasiorowskis findet 1970 in der Essener Galerie Thelen statt. – Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Michael Nickel am 1.7.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. – Bereits bei dieser ersten Schau werden zwei großformatige Arbeiten vom Sammlerehepaar Ludwig für ihre im selben Jahr entstehende »Neue Galerie – Sammlung Ludwig« in Aachen angekauft. Es handelt sich um die genannte Arbeit »Nature: ensemble des choses qui existent réelement«, 1965, 150 cm × 150 cm, Acryl / L einwand, Ludwig Museum Koblenz, sowie das Werk »Moi qui éprouve une peine énorme à me tenir à la hauteur des choses« – »Ich, der / d ie ich eine enorme Mühe empfinde, mich auf Höhe der Dinge zu halten« [Übersetzung T. N.], 1965, 129 cm × 192 cm, Acryl /  L einwand, Ludwig-Museum zeitgenössischer Kunst, Budapest. Der Katalog der Sammlung Ludwig zur französischen Gegenwartskunst von 1987 gibt fälschlicherweise an, dass Gasiorowski bereits in den 1960er Jahren durch die Galerie Thelen im Rheinland bekannt geworden sei. – Vgl. Ausst.-Kat., Kunst heute in Frankreich, Koblenz, Haus Metternich, Düren, Leopold-Hoesch-Museum, 1987-1988, o. S. 125 | Datierung vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght. 126 | Diesen Bezug behält Gasiorowski auch in einigen späteren Werken bei. So kann beispielsweise die Schubkarre auf »Brouette« von 1972 als ein Zitat aus Jean-François Millets Gemälde »L’Angélus« (1857-1859) identifiziert werden.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

sammenfanden. Ihre gemeinsame Absicht war es, durch die Abkehr von der akademischen Ateliermalerei einen stärkeren Realitätsbezug in ihren Gemälden zu erreichen. Die Wiederholung der in Freilichtmalerei entstandenen, als Resultate eines direkten Impressionismus konzipierten Bildmotive im Atelier Gasiorowskis thematisiert somit erneut die Frage nach einer mimetischen, realitätsnahen Kunstschöpfung. Das in »Approche« geschaffene Abbild verwandelt sich hier in das Verfahren des künstlerischen Zitats. Dabei wohnt nicht nur der Orientierung an einer historischen Vergangenheit ein regressives Moment inne, sondern auch dem konkreten Bezug auf die Barbizoner Malerkolonie und damit der selbstreferentiellen Thematisierung von Malereigeschichte innerhalb der Werke. Der zu Beginn des Kapitels angesprochene Aspekt von Historisierung und Geschichtenerzählung als Inszenierungsstrategie Gasiorowskis nimmt hier seinen Ausgang. Parallel zur »Barbizon«-Reihe entstand eine weitere Werkgruppe, die den Anfang des Endes seiner mimetischen Malerei markiert. In der Serie »Albertine disparue« (1971-1972) tritt an die Stelle der Wirklichkeitsabbildung eine fiktionale Rahmung der Darstellung.127 Erneut in Schwarz auf Weiß und in realistischem Stil fixierte der Maler imaginäre Porträts aus dem Figurenrepertoire der Literaturgeschichte auf kleinformatigen Leinwänden und versah sie im Titel mit fiktiven Lebensdaten.128 In diesem Fall entspricht die Bezeichnung der gesamten Serie einer Interpretationshilfe. »Albertine disparue« ist der ursprünglich angedachte, letztlich jedoch verworfene Titel von Marcel Prousts Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Diese Referenz lässt, auf die Frage des Abbilds folgend, nun explizit die Dimension der Fiktion in Gasiorowskis Schaffen treten. Gemäß einer geläufigen Medienauffassung können die fotografischen Vorlagen der Gruppe »Approche« als vorgefundene Realitätsrelikte mit dokumentarischem Charakter betrachtet werden, die einen flüchtigen Moment gebannt haben.129 Dieser wurde von Gasiorowski malerisch auf das für die Ewigkeit konzipierte Format des Historienbildes übertragen, dessen Gattungstradition der Moment fiktionaler Ausgestaltung innewohnt.130 Entgegen dem demonstrativen Charakter des Historienbildes favorisiert das Kleinformat der Werke in »Albertine disparue« den privaten Blick. Als Vorlagen für die fiktiven Figurenporträts dienten teilweise historische Darstellungen sowie private Fotografien aus dem Besitz des Künstlers.131 Vorbild, Abbild und Bezeichnung ergeben folg127 | Datierung vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght. 128 | In der Regel handelt es sich um Hochformate von 55 cm × 38 cm. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 135-141. 129 | Vgl. Suchère 2012, S. 20. 130 | Vgl. Kirchner, Thomas: Authentizität und Fiktion. Zur Inszenierung von Geschichte und Zeitgeschehen in der Kunst der Neuzeit. In: Borso, Vittoria, Kann, Christoph (Hg.): Geschichtendarstellungen. Medien – Methoden – Strategien. Köln / Weimar / W ien 2004, S. 215-225; Bringmann, Michael: Tod und Verklärung. Zum Dilemma realistischer Historienmalerei am Beispiel von Pilotys »Seni vor der Leiche Wallensteins«. In: Mai, Ekkehard (Hg.): Historienmalerei in Europa. Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie. Mainz 1990, S. 229-251. 131 | So liegt beispielsweise der Arbeit »La mare au diable«, das berühmte Halbporträt George Sands, das Auguste Charpentier 1835 anfertigte, zugrunde. Diese Arbeit stellt zudem eine interessante Überlagerung von Titel und Abbild dar, da es sich bei genanntem Titel in Wirklichkeit um einen Roman der dargestellten Autorin handelt. – Vgl Abb., in: Ausst.-Kat.

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lich eine spannungsgeladene Triade, die das Werk zwischen Realität, Fiktion und Erinnerung konstituiert. Die wirklichkeitsformende Macht der Erinnerung wird auch in der wenig später begonnenen Serie »Les Fatalités (ou les liens de la famille)« (1972) thematisiert.132 Die Darstellungen sind noch immer zweifarbig, doch nun beherrscht abgestuftes Schwarz das Bild und füllt zumeist den gesamten Hintergrund aus. Motive und Szenen rufen eine obskure Atmosphäre hervor, die sich durch ihre Betitelungen, nicht durch eine tradierte Ikonografie, als Illustrationen von antiken Mythen und christlichen Legenden entpuppen. Im Zentrum der Darstellungen stehen zumeist isolierte Frauengestalten, deren Namen auf tragische Geschichten verweisen.133 Die konjunktive Verbindung pluraler Schicksale mit familiären Verbindungen im Gruppentitel entwickelt hinsichtlich der Bildmotive eine ambivalente Aussagekraft. In Rekurs auf die 1957 von Roland Barthes in seinen »Mythen des Alltags«134 publizierte Theoriebildung, kann die Anspielung auf bekannte Figuren der Mythologie als Hinweis auf das identitätsstiftende Potenzial der Kultur und ihrer Mythen gelesen werden. Damit wird das personengebundene Schicksal an eine größere, gesellschaftliche Geschichtskonstellation gekoppelt, die das Individuum determiniert. Wird in dieser Interpretation die Kultur als ein übergreifender, »familiärer« Zusammenhang begriffen, eröffnet sich eine weitere Lektüremöglichkeit, die Individuum und Gesellschaft in Beziehung bringt. Die Motive der Gemälde zitieren teilweise Werke bekannter Vertreter der Kunstgeschichte. So stellt »La mort de Sardanapale« (1972, Abb. 14) beispielsweise einen Bildausschnitt Delacroix’ buchstäblich auf den Kopf und überträgt es in düstere Schwarz-Weiß-Nuancen.135 Damit stellt sich Gasiorowski selbst als Maler in eine klare, kulturelle – und in diesem Fall zudem nationale – Tradition.

Paris 1995, S. 139. – Eine detaillierte Analyse der Einzelwerke dieser Werkgruppe und ihrer jeweiligen titelgebenden Referenzen ist bisher Desiderat, das im thematischen Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ausschöpfend erfüllt werden kann. 132 | Datierung vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght. 133 | In »Médée«, 1972, spielt Gasiorowski unter Zuhilfenahme eines bildinternen Spiegels mit den Realitätsebenen. Scheint das Gemälde zunächst porträthaft, erkennt man auf den zweiten Blick die leicht verschwommene weibliche Figur im Spiegel, der die obere Bildhälfte einnimmt. Die blonde Frau hat ihre linke Brust entblößt und hält in ihrer rechten den leblosen Körper eines Kleinkindes, während sie mit schreckverzerrtem Gesicht den Betrachter anstarrt. Wer nun die Kindermörderin ist und wen die andere weibliche Figur darstellt – die neue Verlobte Iasons fällt der Legende nach als erste der rasenden Medea zum Opfer – bleibt unklar. Hat Gasiorowski zuvor durch die Wahl von Bildausschnitt, Format oder Technik das Abbild hinterfragt, so unterläuft er nun mit Hilfe des Bildpersonals subtil den kunsthistorischen Kanon der Historienmalerei. 134 | Vgl. Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Vollst. Ausg. Berlin 22013 [frz. Orig. 1957]. 135 | Vgl. Suchère 2012, S. 57.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Abbildung 14: Gérard Gasiorowski, »La mort de Sardanapale«, 1972, Acryl / Leinwand, 81 cm × 130 cm, Privatsammlung

© Foto Galerie Maeght, Paris

Individuum und Masse, Allgemeines und Spezielles, werden als komplementäre, sich begründende Gegensätze, inszeniert. In einer weiteren Werkgruppe beleuchtete Gasiorowski das exemplifi katorische Potenzial dieses Verhältnisses. Hatte er in »Nature: ensemble des choses qui existent réelement« das Prinzip des Wörterbuchs 1965 noch untergraben, wurde 1972 ein Lexikon zur Bildquelle seiner Serie »Impuissances«136. Für diese Serie bediente sich der Künstler des kleinsten französischen Leinwandformats, das lediglich 18 cm  ×  14,5 cm misst und »zéro figuration«137 genannt wird, also laut Bezeichnung keinen Raum für figurative Darstellung vorsieht. Mittig auf die kleinformatigen Leinwände zeichnete Gasiorowski briefmarkengroße, isolierte Motive. Ihre Vorlagen entstammen einem alten Wörterbuch und repräsentieren demnach das exemplarische Bild eines Begriffs.138 Analog zum Lexikoneintrag, der die semantische Ebene des Wortes in einzelne Silben und Laute zerlegt, reduzieren »Les Impuissances« die Malerei auf ihre kleinste bedeutungsstiftende und konsensfähige Einheit. Aus dem mimetischen Abbild hat sich ein allgemeingültiges Bild-Zeichen entwickelt. Nur ein Jahr später erfährt das Bild als Bedeutungsträger in »Les Aires«, »Die Weiten« (1973), schließlich seine Auflösung.139 Es handelt sich um eine Serie von sechs weiß grundierten Leinwänden desselben Formats, »zéro figuration«, auf denen eine mit Bleistift gezeichnete V-Linie schemenhaft die Silhouette eines fliegenden Vogels in den Lüften markiert. Gemäß dem von Johannes Cladders zur Documenta-Sektion »Individuelle Mythologien« formulierten Axiom zeitgenössischer Kunstschöpfung scheint 136 | »Ohnmächte« [Übersetzung T. N.], Datierung vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght. 137 | Köhler, Barbara: Hut ab! Gérard Gasiorowski und Joseph Beuys. In: Neue bildende Kunst. Zeitschrift für Kunst und Kritik, 2 / 1993, S. 54-59, S. 55. 138 | Vgl. Enrici, Michel: Identification d’un artiste. In: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 58-104, S. 61. 139 | Datierung vgl. Kopie des Inventars von 1975, in: Archiv Galerie Maeght.

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Gasiorowski mit dieser Werkserie die Frage aufzuwerfen, was als Kunst eigentlich noch zulässig sei.140 Seine Entscheidung, gerade diese sechs Leinwände als Beitrag zur großen Gruppenausstellung »Hyperréalistes américains – Réalistes européens« in Paris einzureichen, entsprach folglich einer klaren Provokation.141 Der Maler hatte seinen Rückzug von der realistischen Maltradition vollzogen. »Les Aires« materialisieren sich lediglich als letzte Spur des Vorangegangenen und bedeuteten für Gasiorowski auch den vorläufigen Abschied von der Leinwand als Bildträger. Die zunehmende Einengung der malerischen Mittel sowie der Verkleinerung des gemalten Motivs als eine kongruente Reduktion von Form und Inhalt folgen konsequent der unerbittlichen Logik einer im Medium der Malerei vorgenommenen Bildanalyse. Daher kann der progressive Rückzug, den Gasiorowski in Technik und Materialität seiner Gemälde vorgenommen hat, als Leitmotiv seines Schaffens begriffen werden, welches für sein folgendes Arbeiten titelgebend wird. »Les Régressions (retour à un stade antérieur de développement affectif et mental)«142 benannte Gasiorowski seinen nächsten, großen Werkkomplex, der 1972 eine formalästhetische Wende einläutete und zur Bildung der Akademiefiktion führte.143 Bevor jedoch auf diese in chronologischer Abfolge eingegangen wird, soll die Kontinuität der bereits vorhandenen regressiven Strategien in Gasiorowskis Werkkonzeption deutlich gemacht werden, die der Künstler bereits vor 1972 verfolgte.

140 | Vgl. Cladders, Johannes: Die Realität von Kunst als Thema der Kunst. In: Ausst.-Kat., documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute, Kassel, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz, 1972, Bd. 1, S. 16.1-16.5, S. 16.1. 141 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1974, S. 90-93. – Diese als Skandal wahrgenommene Provokation Gasiorowskis führt schließlich zum Bruch zwischen dem Künstler und dem kuratierenden Kunstkritiker Jean Clair, einem der ersten Verfechter seines Werks. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 243. – Gasiorowskis Reaktion erfolgt hintergründig, indem er einige spätere Arbeiten, die sich vollkommen vom fotorealistischen Stil gelöst haben, mit dem Untertitel »Étant donné – l’adorable leurre« versieht, der sich auf den 1974 begleitenden Katalogaufsatz Clairs bezieht. – Vgl. Clair, Jean: L’adorable leurre. In: Ausst.-Kat. Paris 1974, S. 16-20. 142 | »Die Regressionen (Rückkehr zu einem vormaligen Stadium affektiver und mentaler Entwicklung).« [Übersetzung T. N.]. 143 | Suchère nimmt in seiner Werkrekonstruktion 2012 an, dass die »Regressionen« lediglich die Anfangsphase der »Fleurs« und »Amalgames« umfasst. Die letzten »Amalgames« entstehen jedoch eindeutig nach der Akademieperiode und nehmen das hierin entwickelte Motiv der »OIPAH« auf. – Vgl. Suchère 2012, S. 69. – Entgegen dieser Argumentation wird hier davon ausgegangen, dass die Phase der »Régressions« den gesamten konzeptuellen Komplex bis zur Pariser Ausstellung 1983 im ARC einnimmt, in der Gasiorowski diese Schaffensphase abschließt und mit den »Symptômes« technisch wie inhaltlich eine andere Vorgehensweise in Angriff nimmt. Anlass hierfür ist, dass der Künstler in seiner 1975, also zu Beginn der Arbeit an der »Académie Worosis Kiga« entstandenen Inventarliste die Serien »Pots«, »Fleurs« sowie »Chapeaux«, »Guerre« und einige andere nennt. Nicht jedoch werden die »Amalgames« erwähnt. Anzunehmen ist folglich, dass letztere erst später aus bereits zuvor existierenden Arbeiten zusammengefasst wurden. Diese Gruppierung geschieht aber in klarer konzeptueller Analogie zu den in den »Regressionen« vertretenen Werkreihen.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Parallel zur Entwicklung seiner realistischen Maltechnik, reagierte Gasiorowski auf den schnellen Markterfolg und die große Popularität, die ihm die ersten fotorealistischen Arbeiten der Gruppe »Approche« verschafften, mit dem Knalleffekt eines vollkommenen ästhetischen Bruchs. Im Jahr seines ersten Ausstellungserfolges 1970 entstand eine Reihe von Farbmalereien. In pastosem Farbauftrag, mit expressivem Pinselduktus hat Gasiorowski touristisch geprägte, als Kitsch degradierte Motive der Metropole Paris im Stil einer kommerzialisierten Montmartre-Nostalgie auf den Malgrund gebannt Abbildung 15:  (Abb. 15). In einem Gespräch mit Bernard LamarcheGérard Gasiorowski, Vadel umschrieb der Künstler diese Arbeiten als sein »Arc de Triomphe«, »premier délire«144. Das Delirium, die mit ihm einher1970, Acryl / Holz, 60 cm × 44,5 cm, gehende Sinnesstörung, offenbart sich hier als erster Collection Fondation Ausbruch des Künstlers aus der Norm des sprichwörtMaeght lich »guten Geschmacks«. Auf diesen spielt der von Gasiorowski gewählte Titel der Werkgruppe, »Les Croûtes«, an, der ein weites Assoziationsfeld eröffnet. So verweist die Bezeichnung einerseits unmittelbar auf die von Farbe verkrustete Oberfläche der Bilder. Andererseits findet der Begriff im Französischen metaphorische Anwendung in der pejorativen Bezeichnung eines stilistisch und technisch nur zweitklassig angefertigten Gemäldes als »Kleckserei« oder »Ölschinken«. Die »Kruste« kann dann als kulinarischer Verweis auf die schlechte Bekömmlichkeit des Werks verstanden werden. Gleichzeitig ist mit der Kruste auch die oberste Schicht eines Gegenstandes, seine ihn zur Außenwelt hin abschließende und schützende © Foto Galerie Maeght, Paris Hülle bezeichnet. Das Bild wird somit auf seine Oberflächlichkeit reduziert. Trotz des offensichtlichen formalen Bruchs führt Gasiorowski somit in dieser Werkserie die Fragestellung seiner realistischen Malereien fort und behält sogar sein Prinzip bei, die inhaltliche Aussage in einer formalen Analogie zu realisieren.145 Die Präzision und Technik der Serie »Approche« setzten ihre Abbilder in Konkurrenz zu mechanischen Reproduktionsmedien. In den »Croûtes« ist es das Material der Farbe selbst, das diese Aufgabe übernimmt. »Kitsch ist Erfahrung aus zweiter Hand, vorgetäuschte Empfindung« schrieb Clement Greenberg 1939 in seinem Essay »Avantgarde and Kitsch«146. Ihren Ruf als »kitschig« verdanken die Moti144 | Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 145 | Die Analogie zwischen Intention und malerischem Verfahren kann hinsichtlich Gasiorowskis starkem kunsthistorischen Bewusstsein auch als eine Referenz auf das modernistische Dogma der Entsprechung von Form und Inhalt gedeutet werden. Angesichts der offensichtlichen Kluft zwischen kitschig-dekorativem Touristenmotiv, das im vielschichtigen Farbauftrag Material verschwenderisch einsetzt, und funktionalistischer Gestaltungstheorie, enthüllt sich die Bezugnahme jedoch sofort als ironischer Kommentar. 146 | Vgl. Greenberg, Clement: Avantgarde und Kitsch (1939). In: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Leipzig 1997, S. 29-55, S. 40.

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ve der »Croûtes« durch die Vielzahl ihrer Abbildung, ihren allgemeinen Bekanntheitsgrad, der die »Erfahrung aus zweiter Hand« unumgänglich macht. Hat Walter Benjamin den Auraverlust durch die technische Reproduktion thematisiert,147 ist es bei Gasiorowski die malerische Geste selbst, die diesen bewirkt. Das Werk veruntreut einerseits die wahrhaftige Erfahrung der abgebildeten Sehenswürdigkeiten – in der Regel einem Monument von kulturhistorischer Bedeutung – und ist selbst andererseits nicht mehr Produkt einer authentischen Schöpfung. Auch der Malakt ist zu einer »Erfahrung aus zweiter Hand« geworden. Bar jeglicher Originalität hinsichtlich Bildauf bau, Perspektivwahl oder Interpretation des dargestellten Sujets, wird er auf pure Gestik, großzügigen Farbauftrag und die Wiederholung eines vorhandenen Bildrepertoires reduziert.148 Diese Thematisierung der Bildfrage auf stofflicher Ebene machte Gasiorowski anhand einer vierteiligen Arbeit besonders deutlich, indem er diese seinem Freund Malcolm Morley, einem Vertreter des amerikanischen Hyperrealismus, widmete (Abb. 16).149 Abbildung 16:  Gérard Gasiorowski, »Hommage à Malcolm Morley«, 1970-1974 / 1983, dreiteilig, Acryl / Holz, je 60 cm × 44,5 cm, Collection Adrien Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

»Les Régressions (retour à un stade antérieur de développement affectif et mental)« können als 1972 einsetzende Antwort auf dieses 1970 erstmals eingesetzte Verfahren Gasiorowskis gesehen werden. Keine homogene Serie ist hiermit benannt, vielmehr unterstellte Gasiorowski die gesamte Schaffensperiode zwischen 1972 und 1983 einer titelgebenden Strategie. Innerhalb dieses Zeitraumes entstanden parallel mehrere Werkgruppen:150 »Les Fleurs« und die dazugehörigen »Les Pots« 147 | Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt a. M. 31977 [1936]. 148 | Vgl. Loisy, in: Ausst.-Kat. Wien 1993-1994, S. 40. 149 | »Hommage à Malcolm Morley«, 1970-1974. 150 | Die Datierungen der verschiedenen Werkserien weichen in der Forschungsliteratur teilweise stark ab. Die erwähnte Auflistung Gasiorowskis selbst reicht nur bis zum Jahr 1975 und markiert somit lediglich den Beginn der ersten Serien aus »Les Régressions«. Im Folgenden orientieren sich die angegebenen Zeiträume an der jüngsten Publikation zu Gasiorowskis Gesamtwerk von Éric Suchère. – Vgl. Suchère 2012, S. 68.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

(1973-1983),151 »Les Amalgames«(1972-1983),152 »La Guerre« (1973-1975) – in der sich Gasiorowski erstmals vom klassischen Bildträger der Malerei entfernte und diese im Farbauftrag auf Objekte, Modelleisenbahnen, Spielzeugflugzeuge und Kartons erweiterte –, »Les Ponctuations« (1974-1978) sowie schließlich die »Académie Worosis Kiga« und die daraus hervorgehenden Serien Kigas (1976-1983).153 Die übergeordnete Bezeichnung als »Regressionen« fungiert als gemeinsamer Nenner und thematischer Fokus der heterogenen Werkreihen. Zum einen handelt es sich um den materiellen Rückzug von der Leinwand, da alle Arbeiten dieses Zeitraums entweder auf Papier oder anderen Materialen realisiert wurden. Zum anderen zog sich der Künstler thematisch auf die Geschichte der Malerei zurück und nutzte anstelle originärer Bildfindungen das Zitat als grundlegendes Prinzip. Dementsprechend häufte Gasiorowski in den Serien der »Pots« und »Fleurs« in vielzähligen Variationen das Genre des Blumenstillebens an, einer historischen Gattung, die in der künstlerischen Produktion um 1970 kaum bearbeitet wurde.154 In den »Amalgames« wiederum wird die Kunstgeschichte selbst zum Thema der Malerei. Die 84 Acrylzeichnungen entfalten in Gruppen von je vier Arbeiten pro Rahmen einen umfangreichen Prospekt kunsthistorischer Stilrichtungen und Schulen. Sie versammeln traditionelle Motive und deklinieren in bekannten Bildgattungen die Ismen der Moderne durch.

151 | Die durchnummerierten Blätter ergeben zusammen geordnet Bilder von Topfpflanzen. – Vgl. Enrici, Michel, Kaeppelin, Olivier: Gasiorowski. Les Fleurs. Paris 1991. 152 | Hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts der ersten zu den »Amalgames« gezählten Malereien herrscht in der Forschungsliteratur Unklarheit. Wie Éric Suchère legt auch Barbara Köhler den Entstehungszeitpunkt der ersten Arbeiten der »Amalgames« auf 1972. – Vgl. Schaubild, in: Suchère 2012, S. 68; Köhler 1993, S. 56. – In ihrer dieser Werkreihe gewidmeten Monografie datieren Jean-Pierre Bordaz und Olivier Kaeppelin entsprechend den Informationen des Ausstellungskatalogs von 2010 die Entstehung der ersten Blätter dieser Serie jedoch bereits mit 1971. – Vgl. Bordaz, Jean-Pierre: »Die Amalgame« (1971-1982). In: Kaeppelin, Olivier, ders. (Hg.): Gasiorowski. Les Amalgames. Paris 1993, S. 38-39; Ausst.Kat. Nîmes 2010, S. 72, S. 188. 153 | Aus der Akademieerzählung geht die Geschichte Kigas, der Indianerin und Rebellin hervor. Diese Geschichte ist im Gegensatz zur Akademiefiktion nicht schriftlich fixiert und folgt keinem stringenten Handlungsablauf. Vielmehr bietet Kiga den narrativen Rahmen, innerhalb dessen Gasiorowski einzelne Werkgruppen erläutert. Im Film Jacques Boumendils »Gasiorowski – Worosiskiga«, der am Ende der Pariser Retrospektive 1995 im Centre Pompidou gezeigt wurde, sieht man Gasiorowski wie er Arbeiten Kigas präsentiert und diese aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten, als eine Art Vermittler oder Sprecher der Künstlerin, in Machart und Funktion erläutert. – Vgl. Gasiorowski Worosiskiga. Un film de Jacques Boumendil. 1983. Production MNAM, Centre Georges Pompidou. – Gleiches berichtet Dirk Teuber von seinem Atelierbesuch 1979. Kiga ist demnach mehr noch als Arne Hammer als ein Alter Ego Gasiorowskis zu verstehen. Wie Michael Nickel beschreibt, repräsentierte Gasiorowski sein Double teilweise in dem Maße, dass es an einigen Tagen nicht möglich war, Gasiorowski am Telefon zu sprechen, da dieser am Apparat ausschließlich in der Rolle Kigas antwortete. – Dirk Teuber im Gespräch mit der Verfasserin, 28.12.2012, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 154 | Vgl. Suchère 2012, S. 69.

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Daneben repräsentieren die beiden Werkgruppen, »Les Amalgames« und »Les Pots et Fleurs« eine weitere, auch in Hinblick auf die Akademieausstellung 1982 bemerkbare Arbeitsweise des Künstlers: die Akkumulation ein und desselben Motivs. Gasiorowski ließ hier den Produktionsprozess bewusst in die Werkkonzeption einfließen. So hatte er das Ende der Serie »Les Pots et Fleurs« unabhängig von einer vermeintlich werkimmanenten Notwendigkeit im Voraus mit dem Ende seines Papiervorrats festgelegt.155 Vollkommen pragmatische Argumente reichten ihm folglich aus, die endgültige Erscheinung seines Werks festzulegen. Das Bild als materielles Resultat des künstlerischen Herstellungsverfahrens erfährt durch diese Information eine semantische Verschiebung. Es erscheint fortan weniger als Zeugnis einer kreativen Schöpfung, der Bearbeitung einer inspirierenden Fragestellung oder Problematik, sondern eher als Produkt eines geregelten Arbeitsablaufs. Dem entspricht auch, dass Gasiorowski die Umsetzung der »Pots« und »Fleurs« bürokratisch formalisierte. Entsprechend einem gewöhnlichen Arbeitsalltag, legte er seiner künstlerischen Produktion feste Arbeitszeiten zugrunde und passte diese in seinen übrigen Tagesablauf ein. Nach eigener Aussage machte es sich der Künstler zur Gewohnheit, jeden Morgen einen Blumentopf oder eine Blüte zu malen, bevor er aus seinem Atelier in das nahegelegene Bistro zum Frühstück ging.156 Das strikt geregelte Zeitfenster, das der Künstler für das Entstehen eines Kunstwerks festsetzte, rückte seine Tätigkeit einerseits in Nähe zu regulärer Erwerbstätigkeit, die in der bürgerlichen Gesellschaft zur Existenzsicherung dient. Andererseits wurde die Malerei dadurch aber auch zu einer täglichen Übung, zu einer Art Morgengymnastik, die wie das Trainieren der Tonleiter Regelmäßigkeit bedarf, um ihren Effekt zu zeigen. Auf der Rückseite des Blattes »Nº 113-114« der Serie ist in Analogie zu diesem Gedanken der Titel »Les Gammes« vermerkt.157 Im Französischen kann das Wort »gammes« sowohl für »Serie«, als auch für »Farbpalette« stehen. Beide Bedeutungsaspekte lassen sich auf die Serie der »Fleurs« und »Pots« beziehen. Hier findet in motivischer Wiederholung die gesamte Farbskala Anwendung.158 Ferner ist die Redewendung »faire ses gammes« der umgangssprachliche Ausdruck für das regelmäßige und stundenlange Einüben der Tonleiter bei Musikern.159 Diesem Wortsinn entspricht eine Aussage Gasiorowskis im Interview mit dem Kunstkritiker Bernard Lamarche-Vadel, in dem der Künstler das Motiv der Blume als ein typisches Studienobjekt des Malereistudiums bezeichnete:

155 | Vgl. Enrici, Michel: L’entrée en peinture. Les Fleurs. 1972-1982. In: ders. / K aeppelin 1991, o. S.; Suchère 1994, S. 15. 156 | Vgl. Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 176. 157 | Daneben erscheinen die Datierung »1973-1982« und die in Druckbuchstaben geschriebene Unterschrift »Gasiorowski«. – Vgl. Fonds Lamarche-Vadel, Bernard: Dossier BLV 20.7, in: IMEC, Abbaye d’Ardenne, Saint-Germain-la-Blanche-Herbe. 158 | Vgl. Enrici, in: ders. / K aeppelin 1991, o. S. 159 | Vgl. Langenscheidts Großwörterbuch Französisch. Teil 1: Französisch – Deutsch. Berlin 1979, S. 440.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982) Je m’essayais à retrouver là un style de peinture d’école, à savoir le pot de fleur que le maître pose sur son bureau, un bouquet de fleurs, des pommes, toutes compositions mises en évidence pour l’apprentissage du parfait pictural.160

Wenn die »Pots et Fleurs« in diesem Sinne vom Pflichtbewusstsein des Künstlers zeugen, der durch stete Übung technische Perfektion erreichen will, finden sie ihren Widerhall in den »Amalgames«. Diese belegen offenbar, dass mithilfe der richtigen Technik, jedes erdenkliche Motiv in jedem erdenklichen Stil bearbeitet werden kann. Getreu dem Motto »Übung macht den Meister«, ist es demnach weniger das grundlegende Talent eines Malers, das sein Werk auszeichnet. Vielmehr scheint es jedem möglich, durch ausreichende Wiederholung, die Nachfrage an Kunstwerken gemäß der aktuellen Mode beantworten zu können. Theoretische oder ideologische Unterfütterungen des Kunstwerks werden demgegenüber zweitrangig und austauschbar. In dieser Hinsicht, nicht aufgrund eines in der Literatur wiederholt unterstellten affirmativen Charakters der Blumenbilder, stellen die Werkserien ein Gegengewicht zur Gruppe »La Guerre« dar.161 In klarer Opposition zur scheinbar kontinuierlich fortschreitenden Auflösung in den realistischen Werkserien eröffnet »La Guerre« die Regression in einer sprichwörtlichen Materialschlacht. Die Werkgruppe vereint eine Vielzahl an Objekten, Zeichnungen und kleinen Installationen (Abb. 17).162 Acrylarbeiten auf Papier stellen in pastosem Farbauftrag kriegerische Maschinen und Luftangriffe dar. Daneben konstruierte Gasiorowski ein Ensemble aus zerstörten Eisenbahnmodellen und Spielzeugflugzeugen, die er mit grau-schwarzer Farbe bekleckste und teilweise anmalte. Eine Gruppe von »Catastrophes« erweitert diese Installation: nachgebaute Zugunglücke, entgleiste Waggons und zerstörte Schienen sind in bemalten Kartons auf bewahrt und wie in Vitrinen ausgestellt. Kriegsmaterial ist die Farbe. Wie in Acrylfarbe gebadet wirken die Modellpanzer Gasiorowskis einem Sumpf aus

160 | »Ich habe da versucht, einen Stil von Schulmalerei wiederzufinden, nämlich den Blumentopf, den der Lehrer auf seinen Schreibtisch stellt, einen Blumenstrauß, ein paar Äpfel, alle möglichen Kompositionen, die aufgebaut werden, um das perfekte Abmalen zu lernen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 161 | Im Katalog der Retrospektive von 1983 analysiert Michel Enrici die Serie der »Pots« und »Fleurs« als das visuelle Plädoyer des Künstlers für eine Aufwertung des Handwerks gegenüber der theoriebetonten Kunstschöpfung. Das Motiv der Blumen nimmt er dafür als farbenfrohe Erheiterung und expressive Farbwahl in Kauf. Allein die Besinnung auf die semantische Aufladung der historischen Gattung, lässt die Schlussfolgerung zu kurzsichtig erscheinen. – Vgl. Enrici, Michel: Gasiorowski. La peinture comme une pluie de feu. In: Ausst.Kat. Paris 1983, S. 13-89, S. 20-22. 162 | Michel Enrici beschreibt sie im Katalog 1983 als eine Kriegserklärung an die Malerei. – Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 58-104, S. 27. – Bernard Marcadé sieht den Angriff 1995 gegen die Ansprüche und Selbstgewissheit der Avantgarde. – Vgl. Marcadé, Bernard: Gasiorowski. L’inactuel, le saboteur et l’insolent. In: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 2855, S. 34.

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Farbe entronnen.163 Während die farblichen Anhaftungen die Miniaturen dadurch gleichsam zu einem Gegenstand von Malerei werden lassen, reduziert sich die malerische Geste des Künstlers hingegen auf den reinen Farbauftrag. Abbildung 17:  Gérard Gasiorowski, »La Guerre«: »Le grand Ensemble«, 1970-1974, mehrteilige Installation, Mischtechnik, Dimensionen variabel, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Mit der Werkgruppe »La Guerre« schuf Gasiorowski erstmals ein fiktives Dispositiv für seine Kunstschöpfung. Dieses ist nicht wie im Fall der »Académie Worosis Kiga« ausformuliert, besitzt nicht einmal klar benennbare Bestandteile, doch folgte seine Produktion der Logik des Kriegsspiels. Alles andere als dem Umgang mit sakrosankten Kunstwerken entsprechend, benutzte Gasiorowski, wie eine Fotoserie belegt, die bemalten Flugzeuge und Panzer zum tatsächlichen Spiel, ließ sie durch die Luft fliegen und sich gegenseitig angreifen.164 Mit dem Spiel weitete sich in der Folge die Fiktion des Werks auf das reale Leben des Künstlers aus. Er wurde im Kampfgeschehen scheinbar verletzt und musste ins Krankenhaus. So zeigt eine weitere Fotografie von 1974 Gasiorowski im Nachthemd mit Mullbinde um den Kopf.165 Ebenso erscheint der Künstler in der zwischen 1974 und 1975 entstandenen Serie »L’artiste à l’hôpital«.166 Auf den zehn Filzstiftzeichnungen in comicartiger Ausführung ist der Künster in einem Krankenhausbett zu sehen, wobei kurze Schriftzüge am unteren Bildrand die verschiedenen Leiden des 163 | Vgl. Clair, Jean: La guerre de Gasiorowski. In: Chroniques de l’Art Vivant, Nr. 48, Januar 1974, S. 14-17, S. 14. 164 | Vgl. Fotografien von Marc Domage, undatiert, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 81; mehrere Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 21, S. 239, S. 242. 165 | Vgl. Fotografie eines anonymen Fotografen, 1974, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 238. 166 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1975.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Künstlers beschreiben.167 Entsprechend den im Krankenhaus verfügbaren Materialien erarbeitete der Künstler zudem eine Serie »Erster-Hilfe-Werke«168 auf Mullbinden und Heftpflastern. 1976 begab sich Gasiorowski schließlich mit der Arbeit an der Akademiefiktion in reale Regression und zog sich vom öffentlichen Kunstbetrieb zurück. Die Fiktion des Beobachterberichts fortschreibend, kreierte Gasiorowski nach der ersten intensiven Arbeitsphase an der »Académie Worosis Kiga« Anfang 1976 die Erzählung Kigas und ihrer künstlerischen Produktion. Als Rebellin der Akademie, die deren Ende herbeiführt, ist Kiga die Inkarnation des ursprünglichen, naturverbundenen, weiblichen Gegenbilds zum akademischen Künstler-Professor. In Analogie zu diesem Gedanken ist ihre Geschichte nicht schriftlich überliefert, sondern wurde von Gasiorowski mündlich übermittelt und performativ dargestellt. Die Arbeiten dieser Periode orientieren sich am Ideal einer primitiven, kultischen Schöpfung, in der die moderne Trennung von Kunst und Kunsthandwerk verschwimmt. Es handelt sich dabei vorrangig um Plastiken aus natürlichen Materialien, die einen konkreten Verwendungszweck vermuten lassen, sei es als »Schmuckstücke«169, als »Farbtöpfe«170 oder als »Köcher«171. Auch die einzige Werkreihe, die der traditionellen Gattung von Zeichnung zuzuordnen ist, steht in engem Zusammenhang mit Ritus und Körper. »Les Jus« (1978-1979) sind mit dem übrig gebliebenen Sud der aus Exkrementen hergestellten »Tourtes« gemalt. Sie zeigen in geometrische Formen abstrahierte Porträts, die durch Betitelungen wie »Onkel«, »Tante« oder »Bruder« an die Illustrationen eines Familienstammbaums erinnern. Neben den Kunstwerken, die eindeutig »Kiga« zugeordnet sind, existieren weitere Werkreihen, deren Bezeichnungen als »Les Paysans«, »Les Vagabonds« und »Les Indifférents« einige Autoren dazu veranlassten, sie als »Nachkommen«172 der Indianerin zu bezeichnen. Die unter diesen Titeln entstandenen Zeichnungen halten in realistisch-naiver Malweise Gegenstände der Alltagswelt fest. Ergänzende Inschriften auf den Blättern definieren diese entweder in einer kindlichen, einfältigen Weise, oder ergänzen sie durch eine erzählerische Anekdote, die sie in den Fluss der sich weiterziehenden Fiktion eingliedern. Es scheint daher angemessen, diese Werkserien in direkten Zusammenhang mit dem aus der Akademiefiktion hervorgehenden Komplex »Kiga« zu setzen. Dem entspricht auch die öffentliche Mitteilung über das Ableben der Figur Kiga am 3. März 1983, erst nach den Datierungen der genannten Zeichnungen um 1980 bis 1981.173 167 | Vgl. Kapitel 2.3.2, »Die Geburt Kigas«. 168 | »Les Pansements« – »Die Heftpflaster« (1974-1975) [Übersetzung T. N.], vgl. Ausst.Kat. Nîmes 2010, S. 80, S. 82-83. 169 | »Les bijoux« – Vgl. Ausst.-Kat., Le Secret et la Peinture, Villeneuve d’Ascq, Musée d’Art moderne de Villeneuve d’Ascq, 1988, S. 33. 170 | »Pots de couleur« – Vgl. Ausst.-Kat. Villeneuve d’Ascq 1988, S. 29. 171 | »Les Carquois« – Vgl. Ausst.-Kat. Villeneuve d’Ascq 1988, S. 38. 172 | Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 80; Suchère 2012, S. 131. 173 | Im Archiv Philippe Agostinis befinden sich mehrere handschriftliche Mitteilungen auf grünem Notizheftpapier. Sie tragen die Aufschrift: »Kiga est morte cette nuit / dans sa quatre vingt huitième année. / Edig dou a dou / Cachan, 3 mars 1983.« – »Kiga ist heute Nacht gestorben / in ihrem achtundachtzigsten Lebensjahr. / Edig dou a dou / Cachan,

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Nach seinem Comeback in der Galerie Maeght 1982 erarbeitete Gasiorowski noch vor seiner Ausstellung im ARC 1983 eine Reihe an Acrylmalereien, die zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt erneut auf großformatigen Leinwänden realisiert wurden. Er nannte sie »Symptômes« (1983, Abb. 18) und signierte sie rückseitig mit der Abkürzung: »G XX S«, was für »Gasiorowski 20. Jahrhundert«174 steht. Neben vergrößerten, farbigen Reproduktionen tantrischer Symbole zeigen einige Leinwände das auf der Einladungskarte 1982 dargestellte Motiv der kombinierten »OIPAHHO OIPAHSTRA«. Abbildung 18: Gérard Gasiorowski, »Ma te cri«, 1983, Acryl / Leinwand, 250 cm × 200 cm, Collection Adrien Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

In der Forschungsliteratur ist diese rätselhafte Serie immer wieder als lang ersehnte Rückkehr Gasiorowskis zur Malerei aufgefasst worden, wobei als maßgebliches Signal hierfür stets die neuerliche Verwendung von Acrylfarbe und Leinwand an3. März 1983.« [Übersetzung T. N.]. Sie entsprechen in Form und Material den Etiketten der Akademiearbeiten und sind teilweise mit dem Akademiestempel versehen. 174 | »Gasiorowski XX. siècle« – Vgl. Kaeppelin, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 32.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

geführt wurde.175 Diese Interpretation spiegelt eine bis heute andauernde verkürzte Wahrnehmung, in der eine idealistische Definition »wahrer« Malerei aufscheint. Denn diese reduzieren die Autoren in anachronistischer Weise auf eine materialästhetische Angemessenheit der Mittel. Ganz im Gegenteil dazu kann der von Gasiorowski eingesetzte Gruppentitel »Symptômes« durch die motivische Referenz auf das unsterbliche Werk Arne Hammers mit einem scharfen, sarkastischen Unterton verstanden werden. 1982 bezog sich der Name Gasiorowskis auf mehrere Rollen im Kontext der Akademiefiktion und im Kontext der Ausstellung, er bezeichnete den Beobachter und Berichterstatter der Akademiegeschichte, den abgelehnten Studienbewerber innerhalb dieser und den ausstellenden Künstler in der Galerie. Innerhalb der Fiktion ist Gasiorowski demzufolge nicht länger ein aktiver Part der Kunstproduktion. Die in den »Symptômes« verwendete akronymische Signatur »G XX S« hat der Künstler bis zu seinem plötzlichen Tod 1986 beibehalten. Sein in Gänze ausformulierter Name erschien somit nie wieder auf seinen Arbeiten. Von der Künstlerperson abgelöst, thematisiert Gasiorowski mithilfe der Abkürzung seinen Namen als Signatur einer Künstleridentität. Diese selbst beschreibt nach der Periode der Fiktionen nur noch ein Symptom, eine kurzlebige Erscheinung der Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Reflexion und Problematisierung des eigenen Namens diente Gasiorowski zur erneuten Distanzierung für eine auch selbstkritische Analyse der Mechanismen des Kunstbetriebs. Diese ist das grundlegende Motiv der »Académie Worosis Kiga« und bildete die Triebfeder eines langen und komplexen Arbeitsprozesses.

2.3.2 Genese der Akademiefiktion Rekonstruktion der Arbeitsphasen Im Winter 1975 / 76 besuchte Gérard Gasiorowski seinen Malerfreund Jacques Monory in dessen Atelier, Boulevard Brune, um ihm seine jüngste Werkserie zu zeigen. Monory hielt von der Empore seines Arbeitsraums aus fotografisch fest, wie Gasiorowski nach und nach eine Vielzahl an Papierarbeiten auf dem Fußboden des Ateliers ausbreitete (Abb. 19). Auf identischem Format von 37 cm × 30,5 cm wiederholen die ausgelegten Acrylmalereien jeweils das Motiv eines Herrenhutes, der vor koloriertem Hintergrund frei im Bildraum schwebt. Da Monory einen Schwarz-WeißFilm verwendete, lassen sich keine Aussagen über die Farbigkeit der einzelnen Blätter machen. Der Filzhut ist jedoch von erkennbar hellerer Farbgebung und besitzt ein dunkles, wahrscheinlich schwarzes Hutband. Die Kappe ist auf der Oberseite breitflächig eingebuchtet und an der Front beidseitig eingeknickt, die Krempe an der Hinterseite hochgefaltet. Aus unterschiedlichen Perspektiven, in leichter Auf- oder Untersicht, frontal oder seitlich stets jedoch zentral in der Blattmitte ist die Kopf bedeckung präsentiert. Die einzelnen Hüte entsprechen sich in ihren Dimensionen, jedoch werden einige unter ihnen aufgrund ihres Darstellungswinkels vom Blattrand leicht beschnitten. Der Bildgrund scheint auf manchen Blättern monochrom, auf anderen farblich nuanciert oder in abgetönte Felder aufgeteilt. Nur wenige Zeichnungen erwecken durch Schattenwurf die Illusion räumlicher Tiefe. Die letzte Aufnahme der Fotoreihe zeigt das abgeschlossene Mosaikrechteck aus Hutmalereien auf dem Atelierboden Jacques Monorys. Insgesamt sind auf dieser 100 Papierarbeiten zu zählen. 175 | Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 89; Suchère 2012, S. 144.

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Abbildung 19:  Gérard Gasiorowski zu Besuch im Atelier Jacques Monorys beim Auslegen seiner Hutzeichnungen, 1976

© Foto Jacques Monory

Bei aufmerksamer Betrachtung können verschiedene Blätter dieser Ateliergruppe mit Hutzeichnungen aus den heutigen »Classes« (Abb. 4) identifiziert werden, die wahrscheinlich auch 1982 in der Galerie Maeght zu sehen waren. Genauer gesagt, handelt es sich um Arbeiten, die innerhalb der »Classes« dem ersten bis dritten Jahrgang zugeordnet werden.176 In einem Gespräch mit Philippe Agostini berichtete Colette Portal wie Gasiorowski die Exponate der Akademie gezielt für die Ausstellung 1982 fertig­ gestellt hat: C’est l’expo chez Maeght. Telle que Gérard l’avait voulue. Il a installé toutes les images selon son idée. […] Il a installé aussi, pour la première fois ses chapeaux dans des cadres, par quatre. Il a fait toutes les fiches, il a complété les chapeaux avec les fiches jaunes […] pour l’expo. Il n’avait que les peintures de chapeaux comme ça et tout a été rajouté pour l’expo chez Maeght. C’est à ce moment là qu’il a mis en forme la série. Avant cette installation, cette mise en forme, ce n’était pas considéré, c’était vu comme un amusement or le fait de l’installer ainsi, tout d’un coup donnait du sérieux à la chose.177

176 | Die Hüte des vierten Jahrgangs besitzen allesamt ein rotes Hutband mit weißen Punkten und sind vor unbehandeltem, weißem Hintergrund wiedergegeben. – Vgl. Kapitel 2.1. 177 | »Das ist die Ausstellung bei Maeght. So wie sie Gérard gewollt hatte. Er hat alle Bilder seiner Vorstellung entsprechend angebracht. [...] Er hat auch zum ersten Mal seine Hüte zu viert in Rahmen montiert. Er hat all die Zettel angefertigt und hat die Hüte mit den gelben Zetteln vervollständigt [...] für die Ausstellung. Er hatte nur die Hutmalereien als solche und alles wurde für die Ausstellung bei Maeght hinzugefügt. Genau zu diesem Zeitpunkt hat er der Serie eine Form gegeben. Vor dieser Zusammenstellung, dieser Formfindung, war das nicht in Betracht gekommen, das war wie eine Vergnügung angesehen worden, die Tatsache nun aber, es so zu montieren, gab der ganzen Sache auf einmal etwas Ernsthaftes.« [Überset-

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Diese Aussage wird von einigen Fotografien aus ihrem Besitz gestützt, die dokumentieren, wie der Maler, mit Morgenmantel bekleidet, am Tisch sitzend oder über diesen gebeugt stehend die »Étiquettes«, die in den »Classes« Schülernamen, Jahrgang und Lehrmeister ausweisen, herstellte. Auf den Fotografien ist die rechteckige Holztischplatte über gusseisernem Fuß nahezu vollständig mit mehreren Reihen querrechteckig ausgeschnittener Papierstreifen bedeckt. Lediglich ein schmaler Rand entlang der rechten Tischkante bietet Platz für einen rundköpfigen Holzstempel samt Stempelkissen und ein Fläschchen Stempelfarbe. Es muss sich hierbei um den Akademiestempel handeln, der alle Arbeiten zertifiziert.178 Bei einem weiteren schwer identifizierbaren Gegenstand könnte es sich um einen anderen, querrechteckigen Stempel mit integriertem Farbkissen handeln, der dazu diente, die letzten Blätter der gerahmten Serien als »Exercice Libre« zu bezeichnen und mit Datum zu versehen. Die fotografische Sequenz Portals dokumentiert, wie der Maler mit einem Füller die ausgelegten Etiketten nacheinander beschriftet. Die Arbeitsvorrichtung ermöglichte Gasiorowski ein effizientes, zielgerichtetes Vorgehen, das an die sprichwörtliche Fließbandproduktion denken lässt und deren durch endlose WiederAbbildung 20:  Gérard Gasiorowski beim holung routinierte Handgriffe evoziert. Anfertigen des zweiten Ringbuchs im Ohne einen Moment des reflektierenWohnatelier, Cachan 1980 den Innehaltens konnte der Künstler – noch bevor er sich für den Tag gekleidet hatte  – in automatisierten Gesten sein Werk ausführen. Das hierfür benötigte Instrumentarium, Tintenstift und kariertes Papier, stellte sich wiederum aus Utensilien zusammen, die typisch für Büroarbeit und Administration sind und im Gegensatz zur Arbeit im Atelier keinen Kleidungsschutz erforderten. Insgesamt ist die dokumentierte Szenerie so nur schwer mit einer romantisch geprägten Vorstellung von der schöpferischen Tätigkeit des genialischen Künstlers in Einklang zu bringen. Auf einem anderen Kontaktabzug ist zu erkennen, wie Gasiorowski in ähnlicher Haltung den zweiten Ringbuchordner anfertigt, der die interne Anordnung der »Classes« bewahrt (Abb. 20). Das tabellarische Organisationsschema widerspricht in seiner Strenge und Berechenbarkeit © Foto Colette Portal

zung T. N.], zitiert nach: Transkription seiner Unterhaltung mit Colette Portal am 21.10.2010, in: Archiv Philippe Agostini. 178 | »Le cachet de l’académie certifie« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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ebenfalls dem geläufigen Bild von freier Kreativität bei der künstlerischen Werkschöpfung. Nach Aussagen Portals und dem in Ausschnitten erkennbaren Umraum, fand der geschilderte Vorgang in der Anfang 1980 gemeinsam bezogenen Wohnung des Künstlerpaares in Cachan statt.179 Zwischen der privaten Werkvorführung im Atelier Monorys und den Fotodokumenten Portals liegen demnach mindestens fünf Jahre.180 Laut Beobachterbericht wurde die Gründung der Akademie 1976 beschlossen.181 Auch Bernard Lamarche-Vadel, Kunstkritiker und enger Freund des Malers, erinnert sich in seinem Text »Gérard Gasiorowsky [sic!] depuis 1975«, dass Gasiorowski die Akademie 1976, in den »ersten Tagen des Jahres« gründete.182 In einer Anweisung zur Gestaltung des Ausstellungskatalogs, die sich ebenfalls in den Ringbüchern des Beobachterberichts befindet, unterstrich der Künstler sogar die Bedeutung des exakten Datums »5. Januar 1976«183. Ab diesem Zeitpunkt zog sich Gasiorowski bis zur Ausstellung der »Académie Worosis Kiga« 1982 zunehmend vom öffentlichen Kunstgeschehen in Paris zurück. Die vormals titelgebende Regression setzte sich in die Tat um. Ab 1977 realisierte der Künstler weder im französischen In- noch im Ausland Ausstellungen und entzog sich über längere Zeiträume auch physisch in sein Ferienhaus in den Corbières.184 Die Abwesenheit vom Kunstmarkt war allerdings von einer ambivalenten Haltung Gasiorowskis gekennzeichnet und entgegen dem häufig erweckten Anschein in diesbezüglichen Publikationen, nur zum Teil vom Maler intentioniert.185 So plag179 | Vgl. Colette Portal im Gespräch mit Philippe Agostini, 21.10.2010, Transkription in: Archiv Philippe Agostini. – Colette Portal und Gérard Gasiorowski lernten sich Ende des Jahres 1978 kennen, als Gasiorowski nach längerem Aufenthalt in seinem Ferienhaus in den Corbières wieder nach Paris zurückkehrte. 1980 zogen sie in ein gemeinsames Wohnatelier in Cachan. – Vgl. Gersen, Nicole: Biographie. In: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 217-262, S. 252. 180 | In einem Brief vom April 1982 schreibt Gasiorowski in einer Randnotiz, dass die Ausstellung »nahezu fertig« sei. Demzufolge ist davon auszugehen, dass er bis kurz vor Ausstellungseröffnung an der Fertigstellung der Werke gearbeitet hat: »L’expo est quasiment prête, j’ai beaucoup travaillé et j’ai hâte maintenant de passer à autre chose.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Brief an Colette Fontanel, April 1982, in: Archiv Philippe Agostini. 181 | Vgl. R1, Blatt 3r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 182 | »En 1976, dans les premier jours de l’année, Gasiorowski fonde l’Académie Worosis Kiga« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lamarche-Vadel, Bernard: Gasiorowsky [sic!] depuis 1975. In: Artistes, Nr. 4 /  1980, S. 32-37, S. 32. 183 | »Très important la date du 5 janvier 1976«, zitiert aus: R1, Blatt 42r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 184 | Vgl. Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 248. – Anders als in der Literatur häufig angegeben, ist Gasiorowski nicht ab 1976 absolut vom Kunstmarkt verschwunden, sondern beteiligte sich im Winter 1976 /  77 an der Gruppenausstellung »Boîtes« im ARC. – Vgl. Ausst.-Kat., Boîtes, Paris, ARC 2, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Rennes, Maison de la culture de Rennes, 1976-1977, o. S.; Ausst.-Kat. ARC 1973-1983, ARC – Musèe d’art moderne de la Ville de Paris, Paris, 1983, S. 90-95, S. 90. 185 | Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 13-89, S. 53.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

ten den Künstler, wie er in einem Brief an ein befreundetes Ehepaar zum Ausdruck brachte, obwohl er 1975 drei Einzelausstellungen realisierte,186 Ängste hinsichtlich fehlender Ausstellungsmöglichkeiten und den daraus resultierenden finanziellen Problemen. Zugleich räumte er jedoch ein, dass er seinen kommerziellen Misserfolg durch provokante Ausstellungsbeiträge selbst herbeigeführt habe.187 Des Weiteren belegen während seiner Abwesenheit erscheinende Artikel über sein Schaffen, dass Gasiorowski seine guten Kontakte zu Journalisten und Schriftstellern durchaus strategisch eingesetzt hat, um nicht vollkommen in Vergessenheit zu versinken.188 Sie zeugen von seiner Fähigkeit, bestehende Situationen nicht passiv hinzunehmen, sondern für seine Zwecke zu verwenden und so schließlich das nicht vollkommen intentionierte Fehlen an Ausstellungsangeboten in seine spätere Werkinszenierung einfließen zu lassen. Darüber hinaus liefern die zwischenzeitlichen Berichterstattungen wichtige Informationen für die bisher in der Forschung vernachlässigte Rekonstruktion der Werkgenese der »Académie Worosis Kiga«. So sind auf Abbildungen, die den 1980 publizierten Text Lamarche-Vadels begleiten, Hutzeichnungen aus den Atelieraufnahmen Monorys wiederzuerkennen. Diese weisen nun seitlich der Motive schwarze rechteckige Felder auf, die neben der Datierung »1976« bereits die aus dem Klassensystem bekannte Jahrgangsbezeichnung »2 A« sowie die Künstlernamen »O. Mosset« und »J. Beuys« tragen.189 In der Ausstellung 1982 waren diese Beschriftungen nicht mehr zu sehen, sondern nur noch die farblich hervorgehobenen, übermalten Felder. Die ehemals auf der Zeichnung fixierten Informationen wurden von Gasiorowski auf die angehefteten Bildetiketten verlagert, wobei diese, wie die Untersuchung einzelner Blätter gezeigt hat, nicht mit den ursprünglichen Angaben übereinstimmen.190 Die auf den Abbildungen sichtbaren Schriftfelder muss Gasiorowski somit zwischen Winter 1975 / 76 und Frühjahr 1982 aufgetragen und wieder übermalt haben.

186 | »Gérard Gasiorowski«, Galerie Arnesen, Kopenhagen; »L’artiste à l’hôpital«, Théâtre Oblique, Paris, dann Galerie Maillard, Saint-Paul de Vence; »Pablo Picasso et WorosisKiga présentent Hommage à Gasiorowski«, Galerie Éric Fabre, Paris, dann Galerie A 16, Perpignan. – Vgl. Ausstellungsliste, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 185. 187 | In seinem Brief beschreibt Gasiorowski das Gefühl, sich selbst in ein Loch zu schaufeln. Demgegenüber lässt er hinsichtlich des Erfolgs seiner Malerfreunde Télémaque und Monory durchaus beneidende Töne laut werden. – Vgl. Brief an Josette Villefranque und Roger Broncy, Mai 1975, in: Archiv Philippe Agostini. 188 | Vgl. Lamarche-Vadel 1980; Lamarche-Vadel, Bernard: Faire son trou. In: Opus international, Nr. 61 /  6 2, Januar-Februar 1977, S. 52-55; Lascault, Gilbert: Gérard Gasiorowski. Peindre ou ne pas peindre. In: La Nouvelle Revue Française, Nr. 102, mars 1978, S. 172-176. 189 | Vgl. Lamarche-Vadel 1980, S. 34. 190 | Die Verfasserin konnte bei der Untersuchung einiger »Classes« durch rückseitige Beleuchtung auf einzelnen Blättern die übermalten, ehemaligen Künstlernamen und Klassenzuordnungen in den Farbfeldern sichtbar machen. Diese stimmten dabei nicht mit den auf den Etiketten gemachten Angaben überein. So ist etwa auf dem Victor Burgin zugeschriebenen Hut in »Les Classes« Nº 47 hinter einem gelben Querbalken ein früherer Schriftzug als »Lichtenstein« zu entziffern. – Vgl. BAC 3868, in: Sammlung Galerie Maeght.

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Laut Lamarche-Vadel beendete Gasiorowski die Arbeit an der Akademiefiktion bereits im September 1976, um sich dem darauffolgenden Werkkomplex »Kiga« zuzuwenden.191

Die Geburt Kigas Die Fotografien Jacques Monorys zeigen, dass die Serie der Hutzeichnungen zum Zeitpunkt der Akademiegründung Anfang 1976 wenigstens zu einem Teil bereits bestanden haben. Während sie ihre letztendliche Gestalt – mit angehefteten Etiketten und in den »Classes« zusammengestellt – zwar erst Jahre später und wie Portal betont, in bewusster Aussicht auf die Galerieausstellung erhielten, so wurden die Gemälde jedoch schnell nach ihrem Entstehen in ein narratives Kontinuum eingebettet. Laut verschiedenen Quellenaussagen berichtete Gasiorowski immer wieder von den Ereignissen an der Akademie und befreundete Malerkollegen waren bestens darüber informiert, ob und wie sie in der Akademie vertreten waren.192 In privater Korrespondenz spielte Gasiorowski wiederholt auf seine Fiktion an und es ist ablesbar, wie sich Details der Geschichte klärten und entwickelten. Im September 1976 erwähnte er in selbstverständlichem Tonfall seine persönliche Revolution, die er durch eine Anspielung auf den Pariser Mai 1968 in den Kontext studentischer Aufruhen verwies: Je descendrai quand tout sera rentré dans ›l’ordre‹, dans quelques temps mais, d’ici là, j’ai trop à m’occuper, je pratique ›ma révolution‹. Il y eut mai pour certains, moi c’est septembre, sans doute parce que l’automne ça me va mieux au teint.193

Laut Poststempel korrespondiert diese Aussage Gasiorowskis zeitlich mit dem Moment, den Lamarche-Vadel für das Ende an der Akademiearbeit festhält. Die Arbeitszeit an der Akademie hat demzufolge genau neun Monate gedauert und ent191 | Vgl. Lamarche-Vadel 1980, S. 32. – Während Michel Enrici diesen Zeitraum für die Erarbeitung der Akademiefiktion noch in seinem Text für die Retrospektive 1983 wiederholt, spricht Anne Tronche in einem Zeitschriftenartikel nach der Eröffnung der Galerieausstellung 1982 bereits von einer Produktionsphase von »über einem Jahr« (»Durant plus d’une année«, [Übersetzung T. N.]). Bernard Marcadé weitet in seinem Katalogbeitrag 1995 die Arbeit am Akademiewerk auf die gesamte Spanne von 1976 bis 1981 aus. – Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 53; Tronche 1982, S. 38; Marcadé, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 36. 192 | »Ah, die Akademie des Professor Hammer. […] er hat das ja ganz genau erzählt. […] Das kam bei ihm alles so aus dem Kopf, dann hat er erzählt, was die Indianerfrau jetzt wieder gemacht hat. Er hätte auch einen Roman schreiben können, glaube ich.« – Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Jan Voss am 20.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin; »Ich bin Teil [seiner] Akademie und er gibt mir eine ungenügend minus oder etwas derart.« [Übersetzung T. N.]. – Hérvé Télémaque im Gespräch mit der Verfasserin, Paris, 15.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 193 | »Ich werde herunterkommen [in die Corbières, Anm. T. N.], wenn alles wieder ›in Ordnung‹ gekommen ist, in einiger Zeit, aber bis dahin gibt es zu viel, worum ich mich kümmern muss, ich führe ›meine Revolution‹. Es gab den Mai für einige, für mich ist es September, sicherlich weil mir der Herbst besser zu Gesicht steht.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Brief an Josette Villefranque und Roger Brancy, September 1976, in: Archiv Philippe Agostini.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

spricht damit der symbolisch gehaltvollen Zeitspanne einer Schwangerschaft. Bei Kenntnis von Gasiorowskis spitzfindigen Inszenierungstechniken, legt diese offensichtliche Parallele die Annahme nahe, dass diese Dauer ebenfalls nicht zufällig, sondern vorsätzlich eingesetzt wurde. Aus dem Gesamtwerk ist die bewusste Terminierung seiner Schöpfungstätigkeit als spezifische Strategie Gasiorowskis bekannt. Dieser Vorgehensweise entspricht auch, dass sich laut Poststempel die Realzeit der Briefsendung und die Zeitangaben des fiktiven Beobachterberichts hinlänglich überschneiden. Dem Beobachter zufolge wurde im Juni 1976 der erste Anschlag auf das Klassenzimmer der Mademoiselle Prax verübt.194 Danach bricht die Berichterstattung ab. Der Fortgang der Ereignisse kann lediglich über weitere Dokumente und einzelne Bildinschriften, die in der Galerie 1982 zu sehen waren, rekonstruiert werden. Noch vor Ausstellungseröffnung gelangte jedoch eine Pressemitteilung über den Tod Arne Hammers am 2. September 1981 an die Öffentlichkeit.195 Sie trägt die Signatur: »Gasiorowski, observateur à l’A.W.K. du 5 janvier au 16 novembre 1976«196. Demzufolge kann die Flucht des Professors Arne Hammer, die eine Leerstelle im Bericht der Ringbücher bildet, auf Mitte November 1976 festgelegt werden. Ist der Abgleich fiktionaler Zeitangaben und realem Zeitverlauf generell nur unter Vorbehalt zulässig, kristallisiert sich in diesem Fall jedoch die komplexe Anlage der Akademiefiktion, in der die Ebenen von Werk und Entstehungsprozess, von Erzählung und tatsächlicher Handlung des Künstlers, wiederholt verschwimmen. Die auf unterschiedlichen Wegen kommunizierten Informationen über die Vorgänge an der »Académie Worosis Kiga« offenbaren immer wieder zeitliche Überschneidungen von Fiktion und Realität. Bei aller Vorsicht vor simplifizierender Analogisierung erscheint November 1976 daher als realer Zeitpunkt für den Übergang von Gasiorowskis Arbeit an der Akademiefiktion zum darauffolgenden Werkkomplex »Kiga« wahrscheinlich. Erneut ist es dabei seine private Korrespondenz, die Hinweise auf die Produktion und Entwicklung der fiktiven Indianerin gibt.197 So ist beispielsweise in Briefen und Postkarten zwischen 1977 und 1978 die Transformation Kigas von einem männlichen Indianer, »l’indien«198, in eine weibliche Figur nachzuvollziehen.199 194 | Vgl. R1, Blatt 28 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 195 | Vor Ausstellungsbeginn verschickte Gasiorowski kurze Pressecommuniqués an Freunde sowie an den künstlerischen Leiter der Galerie Maeght, Alain Massiot. – Vgl. Brief an Alain Massiot vom 21.9.1981, in: Archiv Philippe Agostini. 196 | »Gasiorowski, Beobachter der A.W.K. vom 5. Januar bis zum 16. November 1976«. [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R 1, Blatt 33 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 197 | Vgl. Jahrgang 1976 im chronologischen Register der transkribier ten Postkar ten Gasiorowskis, in: Archiv Philippe Agostini. 198 | Zitiert nach: Transkription Postkarte an Marie-Claude Charels, September 1977, in: Archiv Philippe Agostini. 199 | »Quant à moi, je profite de ce grand air pour alimenter Kiga d’une matière fort peu intellectuelle, si non culturelle, à savoir ma merde, qu’elle façonne (Kiga se lit (lie) au féminin) inlassablement en forme de petites tourtes« – »Was mich betrifft, profitiere ich von dieser frischen Luft, um Kiga mit einer wenig intellektuellen Materie zu füttern, wenn nicht kulturell, nämlich meiner Scheiße, die sie (Kiga liest (legt) sich feminin) unaufhörlich zu kleinen Torten verarbeitet« [Übersetzung T. N.], zitiert aus einem Brief an Josette Villefranque und Roger Broncy, Februar /  M ärz 1978, in: Archiv Philippe Agostini.

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Der Charakter Kigas, der in der Akademiefiktion die Rolle der rebellischen Aufrührerin einnimmt, wird im Verlauf der künstlerischen Produktion Gasiorowskis zunehmend zu dessen Alter Ego, das er bei Gesprächen und Zusammentreffen personifiziert oder stellvertretend repräsentiert. Wie sein Kölner Galerist Michael Nickel berichtet, trug das herausfordernde Rollenspiel Gasiorowskis dazu bei, dass die Kommunikation zwischen Künstler und Händler in dieser Zeit zunehmend schwieriger wurde: Das war sehr kompliziert. Wenn wir angerufen haben, das war ich hauptsächlich, denn der Jöllenbeck, der konnte dann irgendwann nicht mehr mit ihm kommunizieren. Das war ihm zu irreal, surreal. Wenn man anrief, hörte man, also ich hörte, direkt an der Stimme, mit wem ich sprach, ob es Kiga war oder ob es Gasiorowski war. Und wenn es Kiga war, dann habe ich darum gebeten, dass Gasiorowski informiert werde, […] dass ich ihn gerne sehen möchte. 200

Bereits 1975 erschien der Indianername anlässlich zweier Einzelausstellungen als Bestandteil von Gasiorowskis Anagramm zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Im September eröffnete die Ausstellung »L’artiste à l’hôpital  – Worosis-Kiga 1987« im Pariser Théâtre Oblique. Von dieser Ausstellung ist keine Dokumentation überliefert. Als einzige Zeugnisse können daher nur die damalige Einladungskarte und der Begleitkatalog konsultiert werden. Die Frontseite der gefalteten Einladungskarte ist in ihrer typografischen Anordnung dem Emblem angelehnt. Im Lemma erscheint die Einleitungszeile, die innerhalb der Einladungsformel Ausstellungsort und Künstlername erwähnt. Darauf folgen, abweichend vom herkömmlich dreigliedrigen Emblemtypus, zwei umrahmte rechteckige Bildfelder. Das obere, quadratische umfasst das erste Titelkompartiment, »L’artiste à l’hôpital«, das in kleinen Serifenbuchstaben auf drei Zeilen verteilt ist. Der zweite, senkrecht darunter stehende Kasten beinhaltet in breiten, losen Schriftzügen das Anagramm des Künstlers und die zum damaligen Zeitpunkt zukunftsweisende Datierung 1987. Die Initialen »W« und »K« sind dabei doppelt so groß wie die übrige Inschrift gesetzt, sodass die Endung des ersten Wortsegments in zwei Zeilen zu je drei Buchstaben »oro« und »sis« hinter dem Großbuchstaben erscheint. Am Seitenende erfolgt als Epigramm der Hinweis zum Zeitpunkt der Vernissage.201 Auf dem Umschlag des Begleitkatalogs wird dieser auf der Einladungskarte genannte Titel auf das Anagramm samt Jahreszahl reduziert. Im typischen Emblem umfasst das mittlere, eingerahmte Icon normaler Weise eine bildliche Darstellung. Im hier geschilderten Fall tritt an diese Stelle der Schriftzug des Ausstellungstitels. Dessen einzelne Lettern folgen dabei zwar der lateinischen, rechtsläufigen Schreibrichtung, doch löst sich durch die vielzeilige Aufgliederung die Bindung der einzelnen Buchstaben innerhalb des Wortzusammenhangs auf. Der lockere Auf bau des Textfeldes entwickelt somit ein optisches Äquivalent zur Vorgehensweise des Anagramms, bei dem die einzelnen Buchstaben eines Wortes neu zusammengefügt werden und damit ihre ursprüngliche Bindung innerhalb einer semantischen Kette verlieren.

200 | Auszug des Gesprächs mit Michael Nickel am 1.7.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 201 | Vgl. Einladungskarte Théâtre Oblique 1975, in: Archiv Philippe Agostini.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Im Inneren des Ausstellungskatalogs sind ganzseitig alle Werke des zehnteiligen Zyklus »L’artiste à l’hôpital« reproduziert. Die einzelnen Blätter zeigen in verschiedenen Positionen zwischen Schlafmütze und Bettdecke das bärtige Gesicht Gasiorowskis hinter großen Brillengläsern. Kurze Inschriften in fließender Schreibschrift am unteren Bildrand erläutern in sachlichem Tonfall die dargestellten Motive. Die äußere Form der Kommentare evoziert durch ihre Kürze beim Betrachter die Erwartung einer neutralen und präzisen Bildlegende. Diese Annahme steht dabei in Spannung zum Comicstil der Zeichnungen und wird durch den tragikomischen Inhalt der Inschriften gebrochen. Sie beschreiben die Leiden des kranken Künstlers mit ironischem Unterton, so zum Beispiel: »artiste n’ayant pas reçu son colis«, »artiste attendant sa nourriture«, »artiste ne trouvant pas le sommeil«, »artiste épiant sa infirmière«, »artiste espérant une fin prochaine«202 . Die Serie kann damit als Persiflage des romantisierenden Mythos vom leidenden Künstler, dessen körperlicher oder mentaler Schmerz ihn vom Kreis der gesellschaftlichen Allgemeinheit isoliert, gelesen werden.203 Auf die Abbildungen folgt im Katalog ein Interview zwischen Bernard LamarcheVadel und Gérard Gasiorowski. In diesem diskutieren die beiden Gesprächspartner ein dem Gesamtwerk des Künstlers zugrunde liegendes Prinzip der Degeneration, des fortschreitenden Abbaus, der im Gruppentitel der »Régressions« aufscheint. Die hiermit berührte regressive Tendenz betrifft vor dem tatsächlich persönlichen Rückzug des Künstlers, seine zunehmend introspektive Themenwahl sowie die Anwendung von Materialien und Techniken, die sich bewusst von den Bewegungen des damals aktuellen Kunstmarkts absetzten.204 Hinsichtlich des die Titelseite zierenden Anagramms und die damit verbundene futuristische Zeitangabe erfolgt im gesamten Katalog keine weitere Ausführung. Schon zwei Monate später tauchte das Anagramm erneut auf. Mit der Ausstellung »Picasso et Worosis-Kiga présentent Hommage à Gasiorowski«205 inszenierte der Künstler in der Galerie Éric Fabre seinen vorläufigen Abschied vom Kunstgeschäft. Denn erschien »Worosis-Kiga« im September noch als Titelpartie seiner Werkschau, ist Gasiorowski laut hiesigem Ausstellungstitel nicht mehr ausstellender Künstler, sondern der Adressat einer Huldigung. Zur Ausstellung bei Fabre existieren keinerlei Dokumente. Lediglich eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die im Katalog des Centre Pompidou 1995 reproduziert ist, zeigt einen Winkel des damaligen Ausstellungraumes.206 In diesem steht ein 202 | »Künstler, der sein Paket nicht erhalten hat«, »Künstler, der auf seine Speise wartet«, »Künstler, der keinen Schlaf findet«, »Künstler, der seine Krankenschwester bespitzelt«, »Künstler, der ein nahes Ende erhofft« [Übersetzung T. N.]. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 203 | Vgl. Krieger, Verena: Sieben Arten, an der Überwindung des Künstlersubjekts zu scheitern. Kritische Anmerkungen zum Mythos vom verschwundenen Autor. In: Hellmold, Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003, S. 117148, S. 122. 204 | Vgl. Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gérard Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 205 | Vgl. Einladungskarte Fabre 1975, in: Archiv Philippe Agostini; Ausstellungsliste, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 275-278, S. 275. 206 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. 1995, S. 47.

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längsrechteckiger Schaukasten, dessen aufklappbare, gläserne Oberseite auf vier weißen Wänden ruht. Aus der schrägen Aufsicht der Aufnahme sind darin mehrere Schichten kleiner rechteckiger Papierschnipsel zu erkennen, die den Boden der Vitrine vollkommen bedecken. Die wild durcheinander liegenden Papierausschnitte sind teilweise monochrom gefärbt, teilweise mit kleinen Motiven bemalt oder scheinen unbehandelt – eventuell liegen diese verkehrt herum, mit der Bildseite nach unten auf dem Haufen. Eine obenauf liegende Papierarbeit größeren Formats präsentiert das Porträt einer Frau in kubistischem Stil. Oberhalb der Vitrinen hängen entlang der fluchtenden Wand zwei gerahmte Schriftstücke, an der Stirnseite der Wand ist ein weiteres Gemälde in kubistischer Manier angebracht, das eine Sitzende in Dreiviertelansicht abbildet. Ähnliche Motive existieren im Rahmen der »Académie Worosis Kiga« innerhalb der Gruppe der »Refusés« (Abb. 8). Wie Gasiorowski in einem Interview präzisierte, gab es zwei Motivgruppen in der Ausstellung: einerseits Landschaftsdarstellungen in einer »facture scolaire«207 wie er sie selbst während seines Malereistudiums anfertigte und die mit »WorosisKiga« signiert waren, andererseits die als »Faux Picassos«208 bezeichneten Werke der Ausstellung, die Gasiorowski mit einer genauen Kopie von Picassos Signatur unterzeichnet hatte.209 Die in regelmäßiger Handschrift geschriebenen Aushänge sind auf der Aufnahme unleserlich. Im Katalog des Centre Pompidou wird jedoch ein kurzer Auszug transkribiert: Faites vous-même vôtre Worosis-Kiga: […] si vous voulez étonner vos amis, vous signez du nom d’un grand peintre célèbre, ceci pour bien montrer combien la réalisation est parfaite et que personne ne peut deviner que c’est vous l’auteur. 210

Während die Bezeichnung »Worosis-Kiga« in der Ausstellung »L’artiste à l’hôpital« mit einer in der Zukunft liegenden Zeitangabe verknüpft war, trat sie in der Galerie Éric Fabre an die Seite des nur zwei Jahre zuvor verstorbenen, berühmten Künstlers und Mitbegründer des Kubismus, Pablo Picasso. Dieser ist tatsächlich zu einem lebenden Mythos, zum Inbegriff des modernen Künstlers geworden, in dessen öffentlicher Wahrnehmung sich die Vorstellung von der Künstlerperson mit der Kenntnis seines Werks überlagerten. Als Revolutionär der malerischen Formfindung, erfüllte Picasso zudem die Idee des genialischen Kunstschöpfers, dessen Kreation sich zwar

207 | »schulischen Ausführung« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lamarche-Vadel 1977, S. 52. 208 | Vgl. Lamarche-Vadel 1980, S. 32. 209 | Vgl. Lamarche-Vadel 1977, S. 52. 210 | »Machen Sie sich ihren eigenen Worosis-Kiga: […] wenn Sie Ihre Freunde überraschen wollen, signieren Sie mit dem Namen eines großen, berühmten Malers, um damit zu zeigen, in welchem Ausmaß ihre Ausführung perfekt ist und damit niemand erraten kann, dass Sie der Urheber sind.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 246. – Das französische Personalpronomen der dritten Person Singular ist generisch nicht differenziert. Da wie oben erläutert in der privaten Korrespondenz Gasiorowskis Kiga jedoch erstmals 1977 als eindeutig weibliche Gestalt beschrieben wird, wurde in der Übersetzung das männliche Fürwort gewählt.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

dem Verständnis mancher Betrachter entzieht, dessen künstlerische Bedeutung jedoch durch die hohe Dotierung seines Werks auf dem Kunstmarkt bestätigt wird.211 Der Ausstellungstitel bei Fabre im Winter 1975 bezeugte ein stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein Gasiorowskis und verortete sein eigenes Œuvre zugleich in einem überzeitlichen Zusammenhang, der es dem Künstler erlaubt, durch sein Werk fortzuleben.212 Denn nur durch die zeitliche Inversion der Lebensdaten Gasiorowskis und Picassos wird die laut Ausstellungstitel gewidmete Hommage möglich. An die Stelle des berühmten spanischen Meisters, tritt das Werk des polnisch-stämmigen Malers, das demgemäß in die Reihe der »Klassiker« der Kunstgeschichte aufgenommen werden muss. Als ein solcher »Klassiker« hatte sich Gasiorowski ein Jahr zuvor in derselben Galerie mit der Ausstellung »En fait, c’était un classique«213 präsentiert. Gasiorowski positionierte sich über die Titelwahl jenseits eines historischen Ablaufs und damit unabhängig von der kunsthistorischen Chronologie stilistischer Schulen, Bewegungen, Einflüssen und deren Bewertung.214 Offensichtlicher noch als die zeitliche Schleife, die das Namensspiel in der Hommage 1975 schlägt, betont diese die besondere Bedeutung des Künstlernamens für die Wahrnehmung seiner Arbeit. Die Werkreihe der falschen Picassos besteht im Ganzen aus Kopien oder zumindest Anlehnungen an das Werk Picassos. Nachgeahmte Abbildung und nachgeahmte Signatur verhalten sich somit kongruent. Die Arbeiten, die mit »WorosisKiga« unterzeichnet sind, berufen sich im Gegenteil auf Arbeiten, die Gasiorowski selbst als Student ausgeführt hat. Damit ist »Worosis-Kiga« als Alter Ego des Malers geschaffen. In den Ausstellungstiteln des Théâtre Oblique und bei Éric Fabre ist das Anagramm Gasiorowskis in zwei mit einem Bindestrich verbundene Worte zerlegt.215 Der letzte Bestandteil »Kiga« entsteht durch die Verkehrung der Anfangs- und Endsilbe des Künstlernamens, »Ga« und »Ki«.216 Als Alter Ego Gasiorowskis funktioniert Kiga dementsprechend spiegelbildlich, verkehrt in der Wiederholung die Vorzeichen. Die Travestie des Künstlers bei Telefongesprächen oder während Atelierbesuchen materialisiert demzufolge die anagrammatische Denkfigur in Raum und Zeit der realen Handlung. Dabei gehen Dekonstruktion und Konstruktion Hand in Hand. Während sich Gasiorowski im Vollzug des Rollenspiels entzog, und nicht länger als Referenz für die dargelegten Kunstwerke bestand, erlangte Kiga als Wortspiel aus der Fiktion tretend körperliche Präsenz. Diesem Prinzip entspricht auch die künstlerische Produktion Kigas. Neben Töpfen, Schmuck und ephemeren Sandinstallationen, formte sie unaufhörlich »Tourtes« aus Gasiorowskis gekochten Exkrementen und verwendete die übriggebliebene Kochflüssigkeit als Farbe für die 211 | Vgl. Ruppert 2000, S. 241-247. 212 | Vgl. Belting, Hans: Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst. München 1998, S. 302-308. 213 | Ausstellung Galerie Éric Fabre, Paris 1974. – Vgl. Ausstellungsliste, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 187. 214 | Vgl. Lamarche-Vadel 1977, S. 52. 215 | Vgl. Einladungskarte Fabre 1975, in: Archiv Philippe Agostini. 216 | Vgl. Suchère 1994, S. 27.

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Zeichnungen der »Jus«.217 In ihrer primitiven Natürlichkeit brachte die weibliche Figur Kigas die Regression »inter faeces et urinam« hervor, wie sie Jean Clair bereits 1974 in der Serie »La Guerre« vorgezeichnet fand.218 In der 1975 bei Fabre ausgestellten Besucheranleitung nahm das zweigliedrige Anagramm jedoch noch eine weitere Funktion ein. Zur Herstellung eines »Worosis-Kiga« wird demzufolge lediglich die Signatur eines berühmten Künstlers gebraucht. »Worosis-Kiga« als Synonym für die täuschende Nachahmung steht damit über individuellen Stilen, umfasst potenziell alle künstlerische Schöpfung und kann sich diese zu eigen machen. Denn allein das Setzen der richtigen Signatur ist zu ihrem Gelingen vonnöten. Nicht das einzelne Werk, sondern der Name der Künstlerpersönlichkeit bürgt demnach für das Kunstwerk als »langlebiger ›geistiger‹ Wert«219. Die Verwendung des Anagramms im Titel von Gasiorowskis fiktiver Akademie lässt somit bereits die Prinzipien der Lehranstalt erahnen.

Spiel der Signaturen Mit den »Faux Picassos« wendete Gasiorowski erstmals das Prinzip falscher und vertauschter Signaturen an. Dieses findet sich später in den Beschriftungen auf den Hutzeichnungen und schließlich in Form der angehefteten Etiketten in den »Classes« als prominente Erscheinung der Akademiewerke wieder. Auch eine weitere Fotoserie aus dem Nachlass Gasiorowskis belegt, dass sich Gasiorowski zu dieser Zeit stark mit der Bedeutung von Künstlernamen auf dem Kunstmarkt auseinandersetzte. Dort fungiert der Name des Künstlers gleichsam als eine Marke, die Qualität und Wert seines Kunstwerks garantiert. 1976 während eines Besuchs beim Pariser Schriftsteller und Kunstkritiker Gilbert Lascault aufgenommen, zeigen die Aufnahmen eines Schwarz-Weiß-Films wie Gasiorowski eine schwarze Melone auf einem runden, weißen Tisch präsentiert.220 Bis zum Rand ist der Hut mit kleinen quadratischen Papierstücken gefüllt. Ähnlich wie zuvor im Atelier Monorys breitet Gasiorowski die winzigen Kunstwerke mosaikartig zu einer rechteckigen Fläche auf dem Tisch aus. Auf einer Fotografie erblickt der Betrachter schließlich 143 kleine Versionen von Hutzeichnungen, einige lediglich in Umrissen angedeutet, andere schwarz ausgemalt. Das nächste Bild zeigt die Rückseite der Miniaturzeichnungen (Abb. 21): eine jede weist den in Kapitalen geschriebenen Namen eines bekannten, zeitgenössischen Künstlers auf  – von Beuys über Erro, Filliou, Oppenheim bis Voss. In der fotografischen Sequenz erscheint die Präsentation der Miniaturarbeiten Gasiorowskis wie das aufeinanderfolgende Aufdecken eines Kartenspiels, das Wort und Bild einander zuordnet. Während das gleichförmige Hutmotiv dabei im Kontrast zur Vielfalt der durch die notierten Namen evozierten Werke anderer Künstler steht, erinnert der Spielauf bau insgesamt stark an eine wenige Jahre vor den Aufnahmen stattgefundenen Aktion des französischen Fluxus-Vertreters Robert Filliou. 217 | Vgl. Ausst.-Kat. Villeneuve d’Ascq 1988, S. 33-48; Kapitel 2.3.1. 218 | Vgl. Clair 1974, S. 16. 219 | Ruppert 2000, S. 26. – Indirekt gibt Gasiorowski damit auch eine Antwort auf Duchamps Frage, ob ein Künstler etwas schaffen könne, was keine Kunst sei. – Vgl. Schwarz, Arturo: Marcel Duchamp. New York 1975, o. S. 220 | Vgl. Kontaktabzug Colette Portals, in: Archiv Philippe Agostini.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Abbildung 21:  »Kartenspiel«, Gérard Gasiorowski bei Gilbert Lascault, 1976

Urheber unbekannt

Das französische Synonym für »chapeau« lautet »Couvre-chef«221 und bedeutet wörtlich die »Deckung« – also den Schutz – des Häuptlings. 1962 regte diese Wortkomposition Robert Filliou zu seiner »Galerie Légitime« (1962-1972) an, die er als »Couvre-chef-d’œuvre« bezeichnete. Bei der Suche nach einem Präsentationsort für Kunst außerhalb des kommerzialisierten Kunstbetriebs kam Filliou auf die naheliegende Idee, selbst zu diesem zu werden. Er gründete daraufhin im Januar 1962 die »Galerie Légitime«, deren titelgebende Rechtmäßigkeit sich darin begründet, dass seine Galerie die Kunst von der abgehobenen Sphäre des Kunstbetriebs auf die Straße und somit ins alltägliche Leben holte. Dieser Anspruch ist wörtlich zu nehmen, denn Filliou trug in einem Hut (couvre-chef), der als Galerieraum fungierte, die Meisterwerke (chefs-d’œuvres), Miniaturarbeiten des Künstlers und seiner Freunde, stets mit sich und präsentierte sie bei Gelegenheit: Ich habe die Galerie Légitime im Januar 1962 gegründet. Die allererste Galerie war meine Schirmmütze, die ich zehn Jahre zuvor in Tokio gekauft hatte. Die entlang den Straßen Paris’ ausgestellten Werke waren meine Schöpfungen. Später, in Deutschland, wohin sich die Reise fortsetzte, hat man meine Galerie geklaut. […] Im Juli 1962 organisierte die Galerie Légitime – ein Hut in diesem Fall – eine Ausstellung von Werken des amerikanischen Künstlers Benjamin Patterson. Wir haben Paris von morgens 4 Uhr bis 21 Uhr durchwandert – Ausgangspunkt waren Les Halles, Ankunftsort la Coupole. Im Oktober 1962, in London, stellte die Galerie Légitime – eine Melone, selbstverständlich – im Laufe der Misfits’ Fair Werke von Vautier, Williams, Page, Köpcke, Spoerri, Filliou aus. Das war »Die gefrorene Ausstellung«, deren Vernissage vom 22. Oktober 1962 bis zum 22. Okto-

221 | Vgl. Definition »chapeau« nach: Littré, Émile: Le Littré (XMLittré v2). Dictionnaire de la langue française, Faksimile der Originalfassung (BNF), online unter: http://www.littre.org/ definition/chapeau (letzter Aufruf: 6.2.2016).

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie ber 1972 stattfand. Hierfür wurde die Galerie in einen Gefrierbeutel platziert und blieb dort bis zum vorgesehenem Datum. 222

In Fortführung des Wortspiels, entwickelte Filliou eine ganze Werkgruppe, für die er die auf Pariser Postkarten abgebildeten Sehenswürdigkeiten mit in Hutform zugeschnittener, farbiger Transparentfolie überdeckte.223 Am 21. Oktober 1972 gegen Mitternacht fand in der Bonner Galerie Philomena Magers die Aktion »Defrosting the frozen Exhibition« statt. Zu diesem Anlass stellte Filliou sein Multiple »The Frozen Exhibition« her: eine in Form einer schwarzen Melone zugeschnittene Karton­ mappe, die mehrere kleinformatige Faksimiles von Werken und Dokumenten zu früheren Aktionen und Ausstellungen des Künstlers beinhaltete. Auf der Rückseite waren die Reproduktionen mit Texten und Signaturen versehen (Abb. 22).224 Abbildung 22:  Robert Filliou, »The Frozen Exhibition«, 1972, 170 Ex., Velours / Holz / Papier, je 20,4 cm × 32 cm, Edition ViceVerlag, Remscheid

© Courtesy the Estate of Robert Filliou and Peter Freeman, Inc. New York  /  P aris

Während Fillious Multiple starke Ähnlichkeit zum Konzept von Marcel Duchamps Edition der »Boîte-en-valise« aufweist, »dont l’ensemble (69 items) représente l’œuvre à peu près complète de Marcel Duchamp entre 1910 et 1937«225, kehrte Gasiorowski die Verhältnisse in seinem Kartenspiel um. Nicht das vielfältige Werk 222 | Robert Filliou über die Galerie Légitime, zitiert nach: Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 259260. 223 | Vgl. Ausst.-Kat., Robert Filliou. Genie ohne Talent, Düsseldorf, Museum im Kunstpalast, 2003, S. 39, S. 49, S. 51. 224 | Vgl. Ausst.-Kat., Robert Filliou, Paris, Musée national d’art moderne, Galerie Contemporaines, Centre Georges Pompidou, 1991, S. 86-87. 225 | »deren insgesamt 69 Faksimiles nahezu das gesamte Werk Marcel Duchamps zwischen 1910 und 1937 repräsentieren sollen« [Übersetzung T. N.], Marcel Duchamp in der Verkaufsbroschüre zur Luxusedition der »Boîte-en-valise«, Paris 1940, zitiert nach: Cros, Caroline: La boîte en valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy. In: Ausst.-Kat., La

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

eines Autors ist dort in miniaturisierter Version zusammengestellt und für die Nachwelt konserviert, sondern die Mikroausstellung zeigt einander gleichende Variationen ein- und desselben Bildmotivs, die unterschiedlichen Urhebern zugeschrieben werden. An Stelle einer Selbstmusealisierung tritt ein im Vergleich angelegter Überblick über die zeitgenössische Kunstproduktion. Diese wird jedoch nicht durch Reproduktionen bemerkenswerter oder bekannter Werke repräsentiert, sondern durch die Namen einzelner Vertreter des Kunstmarktes, deren zugeordnete Bilder austauschbar scheinen. Während der Gebrauch des Hutes als tragbare Galerie für Filliou den fehlenden Ausstellungsraum ersetzte und eine permanente öffentliche Sichtbarkeit ermöglichte, präsentierte Gasiorowski seine Arbeit anscheinend im intimen Rahmen beschränkter Öffentlichkeit. In Hinblick auf die berufliche Tätigkeit Gilbert Lascaults als Kunstkritiker entblößt sich die vordergründig private Sphäre jedoch als Trugbild. Erst ein Jahr zuvor hatte Gasiorowski eine Originallithografie in der Druckerei des Editionshauses Maeght angefertigt, die in der dort herausgegeben Zeitschrift »Arte« einen Text des Autors Lascault illustrierte.226 Während davon auszugehen ist, dass das Interesse der Präsentation der Hutserie im Atelier Monorys vorrangig dem freundschaftlich-professionellen Austausch zwischen Malerkollegen galt, birgt das Treffen mit einem Publizisten hingegen stets den potenziellen Zugang zur Öffentlichkeit. Tatsächlich veröffentlichte Lascault zwar nicht im direkten Anschluss, aber noch deutlich vor der Akademieausstellung in der Galerie Maeght einen Artikel über Gasiorowski.227 Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, welchen Zweck die Fotografien verfolgten. Sie schweben zwischen privaten Souveniraufnahmen und der intendierten Dokumentation eines künstlerischen Ereignisses. Denn anders als die zuvor herangezogenen Aufnahmen, bilden die hier thematisierten Fotografien keinen Herstellungsvorgang ab. Sowohl die Bildausschnitte, als auch die Aufnahmesequenz sind auf den Hut und die bemalten Hutkarten fokussiert. Wie auf einem musealen »installation shot«228 sind die Objekte auf den Aufnahmen ins Zentrum gerückt und ohne Spur menschlicher Anwesenheit neutral inszeniert. Mag die Anordnung der ausgelegten Papierkarten den Gedanken an Spielkarten eines Memory-Spiels erwecken, so geben die Fotografien jedoch keinerlei Hinweis auf ihre mögliche Gebrauchs- oder Anwendungsweise. Lediglich die beiden ersten Bilder des Abzugs, auf denen Gasiorowski und Lascault vor der Kamera posieren, zeugen von der Anwesenheit des Kunstkritikers und lassen den Kontext der Szene erahnen. In Hinblick auf die Werkgenese dokumentieren die Fotografien der Hutkarten in jedem Fall, dass die schließlich ins Bild gesetzte Idee der austauschbaren Signaturen bereits vor deren Umsetzung in den Etiketten existiert hat. Gasiorowski

Boîte en valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy, Rouen, Musée des Beaux-Arts, 1998, o. S. 226 | Vgl. Maeght, Yoyo (Hg.): Gérard Gasiorowski. Les estampes, Ausst.-Kat., Châtellerault, Artothèque, 2007, o. S. – Hier befindet sich auch eine Reproduktion der Lithografie Gasiorowskis. 227 | Lascault 1978, S. 172-176. 228 | Vgl. O’Doherty, Brian: In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berlin 1996 [engl. Orig. 1976], S. 11.

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ist 1976 bei Lascault »in propria persona«229 anwesend. Auf den Hutkarten ist sein Name nicht zu finden. In der Akademie taucht seine Signatur zwar ebenfalls nicht auf den Etiketten der Klassenarbeiten auf, aber sein Name verschwindet nicht.230 Im Gegenteil ist Gasiorowski versteckt und unsichtbar überall zugegen. Er ist der Namensgeber der Akademie, er ist der einzige Berichterstatter, der nach dem Zerfall der Hochschule den Künstler Arne Hammer begleitet. Gleichzeitig findet sein Name Andeutung in der spiegelbildlichen Figur Kigas und zugleich in der von ihr angeführte Rebellengruppe »G.A.R.K.«, vor der Arne Hammer in Begleitung des Beobachters flieht. Diese verdeckte Omnipräsenz des Künstlernamens findet auch auf den Werken Ausdruck. Wie anhand einzelner entrahmter »Classes« festgestellt werden konnte, sind diese rückseitig stets mit dem Schriftzug »observateur Gasiorowski« versehen. Dieser legitimiert das authentische Werk Gasiorowskis auf dem Kunstmarkt und bestätigt weiterhin die Fiktion.231

2.4 K leine I konogr afie des H uts Laut fiktivem Bericht diente alljährlich das Abbild eines grauen Filzhuts dem Lehrkörper der »Académie Worosis Kiga« zur Beurteilung der studentischen »qualités et talents dans l’art de la reproduction«232 . 400 Arbeiten233 zeigen laut Beobachterbericht dieses Motiv der »pratique picturale«234. Leicht lässt sich die Geste des Meisters vorstellen, der morgens in den Klassenraum tritt, seinen Hut vom Kopf nimmt, auf den Tisch platziert und den Auftrag erteilt, dieses Objekt abzumalen. Der Hut nimmt den Platz der Obstschale oder des Blumenbouquets ein, die als Studienobjekt zur Übung der perspektivisch korrekten, materialgetreuen und farbgerechten Malweise dienen. Einen solchen Vergleich zog Gasiorowski in weiter oben angeführtem Zitat gegenüber Lamarche-Vadel selbst.235 Tatsächlich entspricht eine derartige Aufgabenstellung der Schulung malerischer Technik in Lehrinstitutionen. Allerdings ist sie dem Niveau eines unprofessionellen Vorstudiums gemäß, niemals zum Abschluss eines Malereistudiums genügend. In der fiktiven Akademie bleibt es bei diesem einzigen Motiv. Doch wieso Hüte?

229 | Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Grenzgänge und Tauschhandel. Auf dem Wege zu einer performativen Kultur. In: Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002, S. 277-300, S. 280. 230 | Éric Suchère behauptet fälschlicher Weise wiederholt, dass der Name Gasiorowskis mit der Akademiefiktion verschwand und danach nur in der verschlüsselten Schreibweise des Akronyms »G XX S« wieder auftauchte. – Vgl. Suchère 1994, S. 27; Suchère 2012, S. 98. 231 | Diese rückseitige Signatur konnte an »Les Classes« Nº 14, Nº 47 und Nº 53 festgestellt werden. – Vgl. BAC 3885, BAC 3868, BAC 3872, in: Sammlung Galerie Maeght. 232 | »Qualitäten und Talente in der Reproduktionskunst« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 233 | »il y en a 400 chapeaux«, zitiert nach Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 113. 234 | »pikturalen Praxis« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 235 | Vgl. Kapitel 2.3.1.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

2.4.1 Soziokultureller Hintergrund Bereits aus prähistorischen Felsenmalereien sind Abbildungen von Kopf bedeckungen bekannt.236 Neben praktischen Zwecken wie dem Wetterschutz oder als Abwehrsicherung im Kampf, besaßen sie schon immer kultische Funktion.237 Erst im 13. Jahrhundert differenzierte sich der »Schapel« (französisch: chapeau), der ausschließlich dekorative Zwecke erfüllte und von Jungfrauen und Jünglingen gleichermaßen getragen wurde, in die geschlechtsspezifische »Weiberhaube« und die männliche Version der »Kapuze«.238 Seither unterliegen Dekor und Formgebung des Hutes permanentem Wandel entsprechend dem aktuellen, modischen Anspruch. Als »Krönung […] der Kleidung«239 dient er als soziales Distinktionsmerkmal für Berufs-, Standes- und Klassenunterschiede.240 Trotz Unterschieden im Detail lassen die Akademiearbeiten ihre Vorlagen allesamt mehr oder weniger eindeutig als verschiedene Vertreter des Typs »Fedora« erkennen, einem weichen Filzhut, dessen Kappe triangelförmig eingeknickt und an der Vorderseite beidseitig eingekniffen ist.241 Ab Beginn des 20. Jahrhunderts wurde diese Ausführung zum klassischen Bestandteil der Herrengarderobe und stieg nach dem Zweiten Weltkrieg als Ablöser der Melone vom einfachen Wetterschutz zum modischen Accessoire der allgemeinen Herrenbekleidung auf.242 Als Filmrequisite erhielt der graue Fedora auf dem Kopf Humphrey Bogarts Kultstatus und wurde in den 1940er Jahren zum ikonischen Attribut des Privatdetektivs.243 Wie die zu dieser Zeit entstehenden Gemäled Jean Hélions zeigen, stellt der Filzhut das perfekte Requisit zur Wahrung seiner Anonymität in der urbanen Masse dar.244 Zwei Jahrezehnte später war der Filzhut noch alltäglich auf der Straße zu sehen, verlor jedoch schnell an Präsenz. Denn auch modisch war jenes Jahrzehnt von einem Umschwung gezeichnet. Mit Zunahme der Jugendbewegungen kam erstmals eine explizite Jugendmode auf, die sich eindeutig gegen den Kleidungsstil der Eltern richtete, 236 | Vgl. Ausst.-Kat., Chapeaux d’hier et d’aujourd’hui. Zwei Jahrhunderte Pariser Hut. Neue Schweizer Damen- und Herrenhüte, Zürich, Kunstgewerbemuseum, 1950, S. 9. 237 | Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1950, S. 9. 238 | Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1950, S. 14. 239 | Ausst.-Kat. Zürich 1950, S. 5. 240 | Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1950, S. 15. 241 | Vgl. Böth, Gitta, Hartmann, Manfred, Pröstler, Viktor: Kopfbedeckungen. Eine Typologie für Museen und Sammlungen. Berlin / M ünchen 2013, S. 41-42. 242 | Vgl. Böth [u. a.] 2013, S. 42. 243 | Vgl. Groblewski, Michael: Eine Art Ikonographie im Bilde. Joseph Beuys – von der Kunstfigur zur Kultfigur. In: ders. / B ätschmann 1993, S. 37-68, S. 45. 244 | Vgl. Dagen, Philippe: Hélion. Paris 2004, S. 174. – Hélion, der als Vorreiter der Abstraktion nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich und gegen den allgemeinen Zeitgeist eine figurative Malweise anstrebte und damit eine biografische Parallele zu Gasiorowski aufweist, repräsentierte den Filzhut nicht nur in seinen Serien schematisierter Männerporträts, sondern repräsentiert ihn auch vielfach als triviales Objekt in senen Stilleben. – Vgl. hierzu weiterführend Dagen 2004, S. 133-156, insbes. S. 142; Ausst.-Kat., Jean Hélion, Paris, Centre Georges Pompidou, Barcelona, Museum Picasso, 2004-2005; Ausst.-Kat. La compagnie des objets: Jean-Michel Alberola, Miquel Barceló, Georges Braque… [et al.], Quimper, Le Quartier, Centre d’art contemporain de Quimper, 1990.

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ihre Konventionen ablehnte und tradierte Definitionen von Schicklichkeit und Angemessenheit in Frage stellte. Der Hut wurde in diesem Kontext zum Symbol eines abgelehnten Lebensstils und seiner überholten Werte.245 Für viele Künstler ist der herkömmliche Filzhut dennoch häufiger Gefährte geblieben. So existiert kaum eine Fotografie von Jacques Monory ohne seinen anthrazitfarbenen Begleiter und auch, wenn er sich selbst in seinen Gemälden repräsentiert, ist er klar an seiner Kopf bedeckung zu erkennen. Während Markus Lüpertz seinen Hut passend zum perfektionierten Dandy-Outfit trägt,246 steht das väterliche Kopfkleid in Christian Boltanskis »Kindheitserinnerungen«247 (Abb. 23) als klare Anspielung auf das uniforme, bourgeoise Durchschnittsleben des französischen Familienmythos.248 Zu unverkennbarer Berühmtheit gelangte der »Fedora« jedoch durch das graue Filzmodell der Londoner Marke Stetson, das seit Anfang der 1960er Jahre unverzichtbarer Bestandteil der »individuellen Künstleruniform«249 Joseph Beuys’ war. Wie eine »zweite Haut«250 ist der Filzhut zum Teil seiner Erscheinung geworden und bietet steten Anlass für Spekulationen und Mythenbildungen.251 Als Objekt des kollektiven Gedächtnisses hat sich der Hut mit metaphorischem Sinn im allgemeinen Sprachgebrauch sowie in vielzähligen Sprichworten festgesetzt. In der französischen Alltagssprache reicht das Spektrum sprachlicher Redewendungen, in denen die Kopf bedeckung auftaucht, von der einfachen Begrüßung als »coup de chapeau«, über den Ausruf »chapeau!« (»Hut ab!«), der auch ohne die beschriebene Geste Anerkennung zollt, vorbei am »Dachschaden« (»travailler du chapeau«), bis zum aufopfernden »den Kopf hinhalten« (»porter le chapeau«).252 Allgemein kann der »chapeau« als pars pro toto für einen Vertreter des männlichen Geschlechts stehen, ohne dass bei dieser Bezeichnung eine soziale, professionelle oder moralische Wertung mitschwingt. Setzt man hingegen jemandem sprichwörtlich den Hut auf (»faire porter le chapeau«), schiebt man ihm den schwarzen Peter zu.253

245 | Vgl. Ausst.-Kat., Cent ans de chapeaux 1870-1970, Chazelles-Sur-Lyon, Musée du Chapeau, 1993, S. 49. 246 | Drühl, Sven: Der uniformierte Künstler. Aspekte von Uniformität im Kunstkontext (zugl. phil. Diss. Frankfurt 2005 / 0 6). Bielefeld 2006, S. 116-120. 247 | Vgl. Boltanski, Christian: Souvenirs de Jeunesse. Genf 1975. 248 | Vgl. Metken, Günter: Spurensicherung. Kunst als Anthropologie und Selbstforschung. Fiktive Wissenschaften in der heutigen Kunst. Köln 1977, S. 22. – Zur weiterführenden Betrachtung der Fotografie als Medium sozialer Integration vgl. Bourdieu, Pierre: Un art moyen. Essai sur les usages sociaux de la photographie. Paris 21989 [1965], insbes. S. 38-54. 249 | Drühl, Sven: Die individuelle Künstleruniform. In: Mentges, Gabriele, Richard, Birgit (Hg.): Schönheit der Uniformität. Körper, Kleidung, Medien. Frankfurt a. M. 2005, S. 115-138. 250 | Groblewski, in: Bätschmann /d  ers. 1993, S. 39. 251 | Vgl. Groblewski, in: Bätschmann /d  ers. 1993, S. 40-45. 252 | Vgl. Theissen, Siegfried: Französische Redewendungen, Sprichwörter, Vergleiche, Abkürzungen und Akronyme. Louvain 2011, S. 38. 253 | Vgl. Definition »chapeau« nach: Littré, Émile: Le Littré (XMLittré v2). Dictionnaire de la langue française, Faksimile der Originalfassung (BNF), online unter: http://www.littre.org/ definition/chapeau (letzter Aufruf: 6.2.2016).

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Abbildung 23: Christian Boltanski, »C’est le soir, mon père lit son journal«, 1974, Fotografie, 140 cm × 95 cm, 1. Bild des Einakters »Die Strenge des Vaters«, veröffentlicht in: Ausst.Kat., Recueil de saynètes comiques interprétées par Christian Boltanski, Münster, Westfälischer Kunstverein, 1974

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Als symbolgeladenes Zierstück der Kleidung hat der Hut Eingang in Gasiorowskis Bildwelt gefunden. Bereits vor Beginn der Akademiefi ktion erarbeitete Gasiorowski 1973 eine Serie von »Chapeaux melons«254, die einzeln oder zu mehreren synchron in verschiedenen Ansichten, teilweise nur in fragmentarischer Skizzenhaftigkeit, frei im Bildraum schweben. Anders als die Filzhüte der Akademiefi ktion, sind die schwarzen Bowler stets auf nicht grundiertem Papier gemalt, teilweise jedoch durch farbi254 | Eine Gruppe aus vier Acrylzeichnungen auf Papier befindet sich heute im Besitz des Kunstmuseums des Kölner Erzbistums, Kolumba. Die mit der Jahreszahl 1973 rückseitig datierten Arbeiten zeigen eine schwarze Melone aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Anschnitten. Die nicht nummerierten Blätter scheinen in eine gewisse Reihenfolge gebracht, einer Ordnung zunehmender Nähe zum gemalten Motiv zu folgen, sodass das letzte, nahezu monochrome Blatt vollkommen vom Schwarz der Hutoberfläche eingenommen wird. – Vgl. Sammlung Kolumba, Inv.-Nr. 1998 / 348 (1-3).

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ge Felder miteinander verbunden. Eine unbetitelte Zeichnung, die nachträglich mit dem Stempel der »Académie Worosis Kiga« versehen wurde, präsentiert eine schwarze Melone in Seitenansicht (Abb. 24). An der Stelle, an der bei einem Porträt Kopf, Gesicht und Nacken des Abgebildeten zu sehen wären, erstreckt sich in dieser Acrylzeichnung ein Feld aus Farbflecken, das mittig von einem vertikalen, braunen Strich halbiert wird. Der braune Streifen erstreckt sich bis in die Kappe des Hutes, wo einzelne gelbe Farbtupfen auf dem schwarzen Hintergrund zu erkennen sind. Sie muten wie die Blüten eines floralen Gebildes an, die an einem Stiel sprießen, der aus der nach unten zeigenden Hutschale entspringt und nach oben wächst. In der Assoziation transformiert sich der schwarze Herrenhut somit zu einem auf dem Kopf stehenden Blumentopf. Abbildung 24:  Gérard Gasiorowski, »Chapeau«, 1973-1976, Acryl / Papier / Tinte, 41  cm × 32  cm, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

2.4.2 Farbwahl Die Zeichnungen der schwarzen Melonen entstanden zu Beginn der großen »Régressions«, parallel zur Serie »La Guerre«.255 Für diese Werkreihe versah Gasiorowski 1975 Spielzeuge und selbstgebaute Modelle von Kriegsmaschinerien mit einer dicken Schicht schwarzer Farbe, »si comme la guerre pataugeait en ellemême, s’embourbait.«256 Auch auf den retabelähnlich gefassten »Honneurs« der Akademie überziehen schwarze Farbspuren die Darstellung und hinterlassen den Eindruck von Brandspuren. Dieser Anschein korrespondiert mit zwei real ausgeführten Werkverbrennungen Gasiorowskis, bei denen er im Garten seiner Mutter in Saint-Julien-du-Sault, einer Kleinstadt südöstlich von Paris, 1980 und 1982 eine unbekannte Zahl seiner Arbeiten zerstörte.257 Eine Fotocollage, die im Freiburger Katalog 1989 reproduziert ist, zeigt die verkohlten und verbrannten Überreste von Papieren sowie den zu einer transparenten Masse verschmolzenen Rückstand einer ehemaligen Plexiglasscheibe. Eine weiße Karte verbindet die beiden SchwarzWeiß-Aufnahmen. Während in ihrer oberen rechten Ecke handschriftlich der Ort des Geschehens vermerkt ist: »Saint Julien du Sault / le jardin de Margot«258, weist sie oben links den in großen Lettern gestempelten Namen der Rebellengruppe »GARK« auf. Mittig auf dem Blatt steht die Jahreszahl »1980«, unterhalb derer in fließender Handschrift der titelartige Schriftzug »les cadres brulés«259 notiert ist. Die mit Akademiestempel versehene Unterschrift Gasiorowskis schließt die Karte ab. In der Kombination dieser Angaben mit den fotografischen Dokumentationen eines wirklichen Brandrückstandes verschwimmen erneut die Ebenen realer und fiktiver Informationen. Denn verweist allein der Name der Rebellengruppe auf die Akademiefiktion, findet deren Schilderung in den Fotografien Widerhall, immerhin sind laut Beobachterbericht im verwüsteten Klassenzimmer der Mademoiselle Prax Bilderrahmen entwendet und Brandrückstände gefunden worden.260 Die collagierten Fotografien zeugen jedoch von wirklichen Werkzerstörungen Gasiorowskis. Dieser verfolgte bereits seit Beginn seiner Arbeit an der »A.W.K.« 1976 parallel zu seiner künstlerischen Produktion kontinuierlich eine weitere ikonoklastische Praxis, bei der er frühere Arbeiten mit einer dicken Schicht grauer Farbe großflächig übermalte. Dasselbe Kolorit ist in den Hüten der »Classes« auffällig präsent. In seinem Text »Éléments d’un dossier sur le gris«261 ruft eben jener Gilbert Lascault, den Gasiorowski 1976 besuchte, verschiedene symbolische Verwendun255 | Wie auf der Abbildung eines 1973 entstandenen Bildes in der Monografie von 1994 zu sehen ist, versieht Gasiorowski diese nachträglich mit dem Akademiestempel. – Vgl. Suchère, Éric 1994, S. 40. 256 | »als ob der Krieg in sich selbst watete und im Schlamm stecken bliebe.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Clair 1974, S. 14-17, S. 14. 257 | Vgl. Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 252. 258 | »Saint Julien du Sault / d er Garten von Margot« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Freiburg 1989, o. S. 259 | »die verbrannten Rahmen« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Freiburg 1989, o. S. 260 | Vgl. Kapitel 2.2.1. 261 | Lascault, Gilbert: Éléments d’un dossier sur le gris. In: ders.: Écrits timides sur le visible. Paris 1992, S. 30-47.

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gen des Farbtons in Literatur, Poesie und Malerei auf: vom »Polizeigrau«262, das verbirgt, verheimlicht, verkleidet, über das erinnerungsgespickte Grau der »neuesten Mode«263 nach Mallarmé, bis zum »ungeraden Grau«264 der Dichtkunst Verlains, vorbei am Grau der Städte und der ländlichen Nebel.265 Laut Wörterbuch konnotiert »grau« den Verfall: Farbe der Asche, nach dem Erlöschen des Feuers, Farbe der Haare im Alter.266 Grau bedeutet aber auch ein stetiges Dazwischen, ist die Mischfarbe aus den Gegensätzen Schwarz und Weiß und markiert einen Zustand des Übergangs; so befindet sich ein Franzose nur auf halbem Wege der Betrunkenheit, wenn er sprichwörtlich »grau ist«.267 In seiner Aufzählung thematisiert der Autor immer wieder kunsttheoretische Gedanken. Nachdem Goethe Grau als Farbe der Theorie bezeichnete, stellt für Paul Klee der »Graupunkt« den Ursprung dar, der »zwischen den Dimensionen«268 liegt, aus dem die Linie entspringt und Chaos in Ordnung verwandelt.269 Lascault deckt bei seiner Zusammenstellung vielfältige Ambivalenzen auf; so etwa zwischen Delacroix’ bekanntem Ausspruch, dass Grau der Feind aller Malerei sei,270 und der hohen Aufmerksamkeit, die verschiedene Maler den feinen tonalen Schattierungen dieser Farbe zukommen lassen – unter ihnen befindet sich nicht zuletzt auch Delacroix selbst, der in seinem Tagebuch festhält, dass das Grau der Wolken bis ins Blau reiche.271 Neben diesen Konnotationen des Kolorits eröffnet der graue Farbüberzug, mit dem Gasiorowski seine früheren Arbeiten unkenntlich machte, noch eine weitere Assoziationsebene. Eine Eigenheit der französischen Sprache liegt in ihrer stark lautsprachlichen Wahrnehmung, die von vielzähligen Homophonien gekennzeichnet ist. Deren humoristische Anwendungen erstrecken sich vom alltäglichen Sprachwitz bis zu bekannten Wortspielen wie Duchamps anzüglicher Unterschrift »L.H.O.O.Q.«272 seiner mit Schnurrbart versehenen Mona-Lisa-Reproduktion. Der französische Ausdruck »chapeau« lässt sich in die gleichlautenden Begriffe »chape« (Abdeckung, Bedeckung) und »peau« (Haut) zerlegen. Alle drei Begriffe treffen im semantischen Feld des Überzugs, der bedeckenden Schicht oder Hülle eines darunter liegenden Inhaltes zusammen. Ihnen ist so die semantische Ambivalenz zu eigen, einerseits beschützend über einem Geborgenen zu liegen, dieses aber 262 | »gris policier« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lascault 1992, S. 31. 263 | »de la dernière mode« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lascault 1992, S. 43. 264 | »Le gris, l’impair« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lascault 1992, S. 40. 265 | Vgl. Lascault 1992, S. 37, S. 44. 266 | Vgl. Lascault 1992, S. 30. 267 | »Être gris, être à moitié ivre.« – »Grau sein, halb betrunken sein.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lascault 1992, S. 30. 268 | Schiebler, Ralf: Deutsche Kunstdogmatik. Wuppertal 1985, S. 30. 269 | Vgl. Lascault 1992, S. 44-46. 270 | »L’ennemi de toute peinture est le gris« – Tagebucheintrag Eugène Delacroix’ vom 13.1.1857, zitiert aus: Delacroix, Eugène: Journal 1822-1863. Préface de Hubert Damisch. Paris 1998, S. 611. 271 | Vgl. Lascault 1992, S. 37-38. 272 | Vgl. Oesterreicher-Mollwo, Marianne: Surrealismus und Dadaismus. Provokative De­ struktion, der Weg nach innen und Verschärfung der Problematik einer Vermittlung von Kunst und Leben. Freiburg [u. a.] 1978, S. 37.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

auch zu verbergen, zu maskieren, unsichtbar zu machen. In der Spannweite dieser Wortkonnotation fallen damit die Akte von Konservierung und Zerstörung zusammen. In dieser Perspektive erinnert das Grau der Akademie-Hüte an den Effekt der »Camouflage« und rekurriert damit von Neuem auf eine reale Praxis des Künstlers. Dieser übermalte seine Bilder und zog sich selbst zurück. Darüber hinaus bezeichnete 1972 die Galeristin Carlotta Charmet die neue Bartfrisur Gérard Gasiorowskis wörtlich als »camouflage«273. Die Tarnung schützt, indem sie den Träger an seine Umgebung anpasst und ihn darin bestmöglich unsichtbar macht. Ebenso weist der Hut als repräsentatives Statussymbol seinen Besitzer primär als Vertreter eines sozialen Ranges, als Teil einer Gruppe, aus. Erst in einer untypischen, von der Norm abweichenden Ausführung unterstreicht er dessen Individualität.274 Die in den »Classes« zusammengefassten Schülerarbeiten der »A.W.K.« lassen im Motiv des grauen Filzhutes somit die eigene Arbeit metaphorisch als »Konfektionsware« erscheinen, bei der dasselbe Modell lediglich im Bedarfsfall an akute Gegebenheiten angepasst werden muss. Doch nicht nur die Werke der Akademie­ studenten wiederholen stetig dasselbe Motiv.

2.4.3 Die Hüte der Akademie An dieser Stelle ist auf eine semantische Subtilität der französischen Sprache hinzuweisen. Während im Deutschen »Akademie« die allgemein gebräuchliche Bezeichnung für eine Kunsthochschule ist, werden diese im Französischen als »Écoles des Beaux-Arts« bezeichnet. Das französische Wort »Académie«, das aus dem Italienischen stammend im 17. Jahrhundert für vielerlei Einrichtungen geistiger Schulung verwendet wurde, erlebte noch im selben Jahrhundert eine Sinnverschiebung und wurde zum Begriff für das »manuel exposant les règles d’un jeu«275. In Tradition dieser Bedeutung erhielt das zugehörige Adjektiv »académique« eine eindeutig pejorative Konnotation als Ausdruck für einen steifen und traditionellen Stil, der sich bis heute erhalten hat.276 Demnach verweist schon der Name der »Académie Worosis Kiga« auf den dort herrschenden starren Akademismus. Dieser unterdrückt durch Normativität und Ordnungstreue, mithilfe strikter Hierarchie und scharfem Bewertungssystem jegliche Entwicklung von Individualität, Originalität und Imagination. Was somit im Titel der fiktiven Akademie assoziativ mitschwingt, findet in den Resultaten ihrer absurden Lehrmethode, der schier unzählbaren Masse von Hutzeichnungen, sichtbaren Ausdruck. Bei Betrachtung der in Rahmen präsentierten Acrylarbeiten fällt schnell auf, dass es sich nicht um ein- und denselben Hut, sondern in Farbe und Form differenzierte Ausführungen handelt. Lediglich die Arbeiten des Abschluss273 | Carlotta Charmet zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 231. 274 | Vgl. Mentges, Gabriele, Richard, Birgit: Schönheit und Uniformität. Zur kulturellen Dynamik von Uniformierungsprozessen. In: dies. 2005, S. 7-16, S. 8. 275 | »Regel erläuternde Handbuch eines Spiels« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Le Robert. Dictionnaire Historique de la langue française. Bd. I: A – E. Paris 1998, S. 13-14. 276 | »l’adjectif évoque un style compassé et traditionnel […] en peinture (1751) où il est franchement péjoratif.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Le Robert Historique 1998, S. 14. – Vgl. weiterführend Dictionnaire des politiques culturelles de la France depuis 1959. Paris 2001, S. 1-3.

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jahres, geben allesamt auf weißem Grund einen dunkelgrauen bis schwarzen Filzhut mit rotem, teilweise weiß gepunktetem Band wieder (Abb. 4). Im Verlauf einer »Classe«, die den Lehrumfang eines Malereistudiums an der »Académie Worosis Kiga« zusammenfasst, ist somit die Verengung einer Vielfalt an Kopf bedeckungen und deren gemalter Umsetzung auf eine spezifische Repräsentation hin zu beobachten. Doch nicht nur die Präsentationsform der Hüte konnotiert das sich selbst reproduzierende, engstirnige Regelwerk der Lehrinstitution. Auch das Motiv des Hutes selbst verweist auf die Unerbitterlichkeit der Ausbildung (französisch: formation), kehrt man seinen Blick vom Bild ab und auf die reale Fabrikation von Filzhüten. Zur Anfertigung eines handelsüblichen Filzhutes wird im ersten Produktionsschritt die Hutkappe mit Hilfe eines Stumpen geformt, über den der Filz nach starker Erhitzung gepresst wird. Der hierfür notwendige kurze, aber große Kraftaufwand, unter dem die Materialstücke in schneller Abfolge in eine identische Gestalt gebracht werden, verleiht dem Herstellungsprozess eine aggressive Note. In Rekurs auf diese realen Fertigungsbedingungen vergegenwärtigt das Motiv des Filzhutes in den fiktiven Schülerarbeiten die homogenisierenden Lehrmethoden der »Académie Worosis Kiga« und attestiert ihren autoritären und repressiven Charakter. Als materialgewordener Effekt einer solchen Ausbildungsform gewinnt die Masse der Hutzeichnungen eine beängstigende Wirkung. Die serielle Anordnung und nahezu endlose Wiederholung des Motivs lässt die Hüte wie die sichtbaren Stellvertreter einer unsichtbaren Masse einheitlicher, nach Norm geformter, sich unaufhörlich reproduzierender Maler erscheinen. Diese sind demnach nicht mehr als individuelle Künstlerschöpfer zu verstehen, sondern als das Heer einer zu verteidigenden Kunstauffassung. In diesem Kontext verliert der willkürliche Austausch der signierten Etiketten an den Arbeiten seinen anmaßenden Charakter und wird zu einer nicht verwunderlichen Konsequenz innerhalb der Logik des Systems. Im ersten Ringbuch des Beobachterberichts schließt an die Kapitel der Akademiefiktion und einige Planungsskizzen für den Ausstellungsentwurf folgende Notiz an: Le chapeau est un leurre une ›couverture‹ seule existe la peinture et derrière elle, contre dessus, écarté (l’individu que l’exprime. le peintre ou le sujet réel c’est lui!). 277

Wie im Kontext der fotorealistischen Bilder in Gasiorowskis Frühwerk bereits angesprochen wurde, evoziert auch in Hinblick auf die »Classes« das als »Täuschung« denunzierte Motiv des Hutes die von Platon formulierte Skepsis am epistemischen Gehalt mimetischer Kunst.278 Durch den in Klammern gesetzten Hinweis auf »das 277 | »Der Hut ist eine Täuschung / Eine ›Bedeckung‹ / allein die Malerei existiert / und hinter ihr, gegen die Oberfläche, weit zurückgedrängt / (das Individuum, das sie ausdrückt. / Der Maler oder das reale Sujet / das ist er!)« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 54 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 278 | Vgl. Gebauer / Wulf 1992, S. 50-66, insbes. S. 61-62; vgl. Kapitel 2.3.1.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Individuum« erweitert der Kommentar jedoch diesen Bedeutungshorizont. Hierfür ist eine exakte Lektüre der Formulierung notwendig. Die ersten drei Zeilen des enigmatisch erscheinenden Aphorismus eröffnen den klaren Gegensatz zwischen dem Hut als Täuschung und der Malerei als einzig existenter, also wirklicher Komponente. Damit scheint die Essenz der Aussage getroffen zu sein, wohingegen die parenthetische Ergänzung verschlüsselnd erscheint. Das Individuum verliert gegenüber der Malerei seinen Subjektstatus. Innerhalb des Aussagesatzes rückt es syntaktisch in die Position des Prädikatsnomens und wird semantisch durch den Relativsatz auf deren Medium, »das sie ausdrückt«, reduziert. Wie eine List wird im darauffolgenden Ausruf die grammatische Funktion des Prädikatsnomens durch eine Variable im Vagen gelassen. Denn das im Französischen erforderte Personalpronomen »lui« kann gleichermaßen auf das männliche Substantiv »chapeau« sowie auf das im Französischen ebenfalls männliche »individu« bezogen werden. Der Satz lässt somit offen, ob der Maler lediglich das Medium der Malerei sei oder der Hut – als pars pro toto – den Maler symbolisiert, der damit selbst eine Täuschung ist.279 Steht der kurze Textabsatz im Ringbuch scheinbar zusammenhangslos, eröffnet diese Lektüremöglichkeit Bedeutung in Hinblick auf die 1982 ausgestellten »Classes«. Deren endgültiges Arrangement aus Hutzeichnungen mit angehefteten Etiketten nach den verschiedenen, oben genannten Zuständen zwischen 1975 und 1982 offenbart der Kommentar als eine ins Bild gesetzte Kritik am Kunstbetrieb. Laut zitierter Aussage existiert allein die Malerei. Die Maler sind hingegen nur täuschende und laut Akademiebericht sprichwörtlich austauschbare Namen,280 falsche Markenauszeichnungen. Als deren reale Materialisationen überdecken diese in Form der papiernen Etiketten innerhalb der Bilderrahmen tatsächlich die Malerei, überlagern mit ihrer sprachlichen Information die bildliche Erscheinung und bestimmen damit im Voraus die Wahrnehmung des Werks. Wie eine Schablone funktioniert der Hut als Form der Malerei, die sich anpassen muss, stets derselben Linie Folge leistend. Ausführende dieser Arbeit sind die Akademiestudenten, deren Ausbildung den Zweck einer einheitlichen Formierung verfolgt, damit sie zukünftig bestehende Marktanfragen befriedigen können. Darunter kann schließlich die im Beobachterbericht erwähnte »exercice des responsabilités«281 begriffen werden. Der Hut symbolisiert in seiner gemalten Repräsentation somit zugleich die Uniformierung des Malers, der ersetzbar ist, sowie die eindimensionale Definition von Malerei in der akademischen Auffassung. Die überwältigende Masse der ausgestellten Hüte unterstreicht diesen Effekt. Wie eine Fabrik bildet die fiktive Akademie Künstler als Massenware aus. Das französische Synonym des Hutes, der »couvre-chef«, bedeckt wie erwähnt verbaliter den Anführer oder Häuptling. Einziger bekannter Hutträger der Akademiefiktion ist deren leitender Professor Arne Hammer.

279 | Diese grammatikalische Feinheit übergeht Suchère in seiner klarsichtigen Analyse des zweiten Kapitels des Beobachterberichts. – Vgl. Suchère 1994, S. 21. 280 | Vgl. Suchère 2012, S. 111. 281 | »Ausübung [ihrer] Verantwortung« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 3 v, in: Digitalisate Galerie Maeght; vgl. Kap. 2.2, S. 37.

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Die Ringbücher des Beobachters enthalten mehrere Zeichnungen von Schülern, die dessen »mutmaßliche Silhouette«282 wiedergeben. Es handelt sich dabei stets um die schattenrissartige Darstellung eines mit Hut und Mantel bekleideten Herrn. Während die Schüler als Produzenten hinter den Hutgemälden nicht mehr zu identifizieren sind, arbeitet der Professor an seinem unsterblichen Werk. Bereits die Überschrift des ihm gewidmeten Kapitels präzisiert, dass er ein Künstler sei.283 In Ausübung seiner damit definierten Tätigkeit begleitet der Akademiedirektor laut Beobachterbericht jede Ausführung einer neuen Malschicht in seinem »OIPAH« mit dem Ab- und Aufziehen seines Hutes.284 Innerhalb der Fiktion wird der Hut folglich auf mehreren Ebenen als das auszeichnende Attribut Arne Hammers herausgearbeitet. Wie in Kapitel 2.2 erläutert, kongruiert im Begriffsfeld »découvrir – recouvrir«285 die beschriebene Geste mit dem im Bericht erläuterten Werkkonzept, nach welchem verschiedene Farbschichten die gegenseitige Überdeckung von Künstler und Malerei symbolisieren. Lüftet der Professor seinen Hut, wird er darunter sichtbar, offenbart sich, wird barhäuptig und schutzlos. Nach dem Tod Arne Hammers bleiben allein sein Hut und seine Palette erhalten.286 Sie bilden somit die letzten physischen Spuren eines Künstlers, der bei der Arbeit an seinem unsterblichen Werk nur für kurze Augenblicke die äußere Erscheinung, die täuschende Rolle des Künstlers aufdeckte,287 der letztlich für die Kunstwelt jedoch gesichtslos geblieben ist.

2.4.4 Inversion Der auf den Schülerarbeiten abgebildete, graue Fedora ist als Kleidungsattribut eindeutig männlich konnotiert. Er schützt vor Wind, Regen und zu starker Sonneneinstrahlung und verhilft dem zu klein geratenen Herrn zu mehr Größe und aufrechter Erscheinung.288 Zieht dieser seinen Hut, wird mit einer kleinen Geste der Umkehrung aus dem bedeckenden Kopfschutz ein offenbarender, offenlegender, aber auch Inhalt empfangender Gegenstand. Als Kippfigur wird der Hut umgedreht zu einem Gefäß, beinhaltet sein Gegenteil und wird zum symbolischen Verweis auf Weiblichkeit.289 Unter diesem Aspekt lässt sich in Gasiorowskis Gesamtœuvre ein ikonografisches Gegenstück zu den Filzhüten der Akademie finden: die Serie »Les Pots«, der Blumentöpfe. Diese sind wie die Hüte der Akademie generell nicht als alleinstehende Werke, sondern nur im Verbund aus zwei Töpfen und zwei Pflanzen in einem Rahmen zusammengefasst.290 Dabei stimmt nicht nur die bis 1982 allgemein von Gasiorowski

282 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 121. 283 | Vgl. Suchère 1994, S. 19. 284 | Vgl. R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 285 | R1, Blatt 23 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 286 | Vgl. Abb., in: Suchère 1994, S. 99; vgl. Kap. 2.1, S. 41. 287 | »[I]l découvre l’apparence de l’artiste«, zitiert nach: Suchère 2012, S. 114. 288 | Vgl. Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 54. 289 | Vgl. Schlagwort »Gefäß«, in: Herder-Lexikon der Symbole. Freiburg / B asel / W ien 1978, S. 60. 290 | Vgl. Kapitel 2.3.1.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Abbildung 25:  Gérard Gasiorowski, »Les Pots et les Fleurs«: Nº 9-10, 1973-1983, Acryl / Papier, 74 cm × 61 cm, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

angewandte Maltechnik von Acryl auf Papier in beiden Serien überein, auch lassen sich Korrespondenzen in Farbgebung und Pinselduktus erkennen. So weisen die »Pots et Fleurs« Nº 9-10 (Abb. 25) dieselbe tonale Abstufung von Gelb über Grün und Grau bis hin zu Schwarz auf, wie sie auch im Hut des ersten Jahrgangs in der »Classe« Nº 43, von Giorgio Griffa zu finden ist (Abb. 26). Ebenso ist in »Pots et Fleurs« Nº 215-216 dieselbe schwarz-graue Mischung in den Blumentöpfen zu erkennen wie in den Hüten der vierten Jahrgänge. Während die ersten »Pots et Fleurs« in pastosem Pinselduktus ausgeführt sind, der in kurzen Strichen, die Farbe nahezu reliefartig auf das Papier aufträgt, wirkt die Acrylfarbe auf späteren Blättern der Serie flüssiger und ist mit weicherem Pinselstrich flächig gestaltet. In den »Pots et Fleurs« Nº 83-84 und Nº 89-90 erscheinen die Blumentöpfe als nahezu monochrome Flächen, deren Konturen sich in den Blättern Nº 169-170 und Nº 211-212 auflösen und keine kontextungebundene Objektzuschreibung mehr zulassen. Diese Blätter erinnern stark an die Gruppe von grau-blauen Hüten, die in der Serie der »Amalgames« Nº 68 bis Nº 80 auftauchen (Abb. 27).

Abbildung 26:  Gérard Gasiorowski, »Les Classes«: Auszug aus Nº 43: première année: Griffa, 1975-1981, Acryl /  Papier, 37 cm × 30,5 cm, Privatsammlung

© Foto Galerie Maeght, Paris

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Abbildung 27:  Gérard Gasiorowski, »Les Amalgames«: Nº 74, 1972-1983, Acryl / Papier, 74 cm × 61 cm, Collection Famille Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

In ihrer Ausstellungskritik von 1982 beschränkt sich Gaya Goldcymer auf die knappe Notiz: »chapeau: ambiguïté du féminin / masculin.«291 Die in Kapitel 2.4.1 beschriebene formale Analogie zwischen Hut und Blumentopf lässt den Hut als gepresste Form des akademischen Reglements, das von männlicher Autorität durchdrungen ist, durch eine einfache Umkehrung in das empfangende, fruchtbare und damit weiblich konnotierte Gefäß verwandeln. Diesen Kippmoment hielt bereits Sigmund Freud in seiner Traumdeutung fest, laut welcher das geträumte Bild eines Hutes sowohl als Symbol für das männliche als auch das weibliche Genital stehen kann.292 Damit wäre ein Deutungsansatz für die nicht identifizierte, trichterförmige Zeichnung in der Vitrine des ersten Ausstellungssaales 1982 gegeben.293 Nach Abschluss der Akademiearbeit wendete sich Gasiorowski der Serie »Kiga« zu. Wie im Abschnitt »Die Geburt Kigas« in Kapitel 2.3.2 erwähnt, verkörperte er dieses Alter Ego zeitweise im Rollenspiel. So repräsentierte er Kiga bei Atelierbesuchen, erklärte ihre Produktionsweise und Rituale. Im Katalog der großen Retrospektive des Centre Pompidou 1995 ist eine Schwarz-Weiß-Fotografie von 1976 reproduziert, auf 291 | »Hut: Ambiguität von weiblich /  m ännlich.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Goldcymer 1982, S. 32. 292 | Vgl. Blankertz, Stefan: Die Geburt der Gestalttherapie aus dem Geiste der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Norderstedt 2016, S. 41. 293 | Vgl. Kapitel 2.1.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

der Gasiorowski in seinem Wohnatelier in der Rue Louis-Blanc die Arbeiten Kigas vorstellt.294 Gasiorowski sitzt in der Mitte des Raumes auf einer Trittleiter. Über ihm sind an einer Wäscheleine mehrere Perlenketten befestigt, die senkrecht zum Boden hängend oder sich wie eine Girlande waagerecht erstreckend vor dem Künstler einen transparenten Vorhang bilden. Zu seinen Füßen befindet sich rechts im Bild eine Gruppe aus kleinen Töpfereien, Schalen und Vasen, links davon steht ein Holzhocker innerhalb eines auf dem Boden liegenden Holzrahmens zwischen den Beinen einer Regalkonstruktion, die sich über die gesamte Länge der Rückwand des Zimmers erstreckt. Auf dem Hocker befinden sich mehrere, anscheinend bemalte, aufrechtstehende, quaderförmige Plastiken; vor dem Schemel sind drei Kerzen in tellerförmigen Haltern entzündet. Gasiorowski trägt einen dunklen Filzhut auf dem Kopf. An das Hutband sind mehrere Stäbe, eventuell Strohhalme, senkrecht gesteckt, sodass sie einen kronenartigen Kranz um die Hutkappe bilden. Am Kopfhinterteil ist die Spitze einer langen, bunten Feder zu erkennen. Auf Fotografien, die beim Besuch Dirk Teubers in Gasiorowskis Atelier drei Jahre später entstanden, trägt der Künstler denselben Hut, während er ein Tuch auf dem Boden ausbreitet, um kleinteilige Arbeiten der Indianerin zu zeigen.295 Die Schilderungen Teubers von seinem Besuch in Gasiorowskis Atelier stimmen mit den Handlungsabläufen des Künstlers im 1983 von Jacques Boumendil gedrehten Film »Worosiskiga«296 überein. Beiden Zeugnissen zufolge nahm Gasiorowski während der Werkpräsentation die Rolle eines Berichterstatters ein. In der dritten Person Singular sprach er von der künstlerischen Produktion Kigas und verdeutlichte anhand einzelner Objekte das Protokoll ihrer Vorgehensweise. Während Gasiorowski in Boumendils Film lediglich von bestimmten Bräuchen berichtet, die die Anfertigung der Kunstwerke begleiten und einzelne rituelle Laute und Spruchformeln wiederholt, setzte er beim Treffen mit Teuber den beschriebenen Hut auf und stellte die Rituale Kigas szenisch nach. Innerhalb von Gasiorowskis Gesamtwerk entsteht die Serie »Kiga« zum größten Teil zwischen den beiden Arbeitsblöcken an der Akademiefiktion, ab Ende 1976 bis etwa 1981.297 Laut Erzählung der »Académie Worosis Kiga« und gemäß den in den Ringbüchern versammelten Informationsquellen stiftet die Indianerfigur Kiga die Rebellion an der Akademie an, führt die Guerillagruppe »G.A.R.K.« an und ist letztlich verantwortlich für den Tod des Professors Arne Hammer.298 Sie selbst stirbt laut Akademiebeobachter in der Nacht auf den 3. März 1983.299 Wie bei Gasiorowskis Re294 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 175; Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 176. 295 | Vgl. Fotografien, in: Archiv Dirk Teuber; Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 176. 296 | Vgl. Gasiorowski Worosiskiga. Un film de Jacques Boumendil. 1983. Production MNAM, Centre Georges Pompidou. 297 | Suchère datiert die Serie bis 1983, dem Jahr in dem die Figur Kigas laut Erzählung stirbt. – Vgl. Suchère 2012, S. 118. – Es ist jedoch anzunehmen, dass die eigentliche Arbeit an dieser Serie bereits vor der Akademieausstellung 1982 abgeschlossen war, da bei der Retrospektive im ARC 1983 bereits die darauffolgenden Werkgruppen der »Paysans«, »Meuliens«, »Vagabondes« sowie die neuen großformatigen Leinwandmalereien der »Symptômes« ausgestellt wurden. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 80-91, S. 95-99. 298 | Vgl. R1, Blatt 28 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 299 | Vgl. Kapitel 2.3. 1, S. 61.

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trospektive 1983 im Pariser ARC sichtbar wurde, verfügte auch Kiga, die im Werkkomplex die Nachfolge Arne Hammers einnimmt, über einen Hut. In dem von Gasiorowski gestalteten Ausstellungsdisplay 1983 wurde die Kopf bedeckung der Indianerin wie das Artefakt einer exotischen Kultur in einer aufrechtstehenden Vitrine ausgestellt.300 Bei dieser handelt es sich jedoch nicht um das auf den Fotografien Teubers erkennbare dunkle Filzmodell mit angesteckten Stäben, sondern um eine weiß angemalte Melone mit einer umlaufenden, rosaroten Borte und gleichfarbigem Hutband, an welches links ein giftgrüner und rechts ein rosaroter, angespitzter Stab geklemmt sind. Die Hutkappe weist an der Front, den Seiten und auf der Hinterseite vier pastose Flecken aus gemischter roter und weißer Farbe auf. Am Scheitel ist sie mit zwei ineinander verschlungenen Tubenresten weißer und blauer Farbe versehen.301 1920 stellte Max Ernst mit dem Titel einer Collage fest: »Der Hut macht den Mann!« (Abb. 28). Im selben Jahr schuf Marcel Duchamp sein weibliches Alter Ego »Rrose Sélavy« und ließ sich ein Jahr später von Man Ray als diese fotografieren.302 Auf den Abzügen werfen die geschminkten Augen des Künstlers dem Betrachter zwischen der bis zur Nasenspitze hochgezogenen Pelzstola und der runden, flachen Krempe eines Damenhuts mit gemustertem Seidenband einen koketten Blick zu. Kigas Kopfbedeckung stellt das phantasievolle, farbenfrohe, feminine und individuelle Gegenstück zum grauen Filzhut der Akademie und ihres Professors dar. Gibt es auch kein Bild von der rebellischen Indianerin, unterläuft zumindest die Insignie der Männlichkeit eine Travestie.303 Wer diesen Hut trägt, identifiziert sich nicht als Teil einer formierten Einheit, sondern zeichnet sich mit kreativer Exzentrik aus.

300 | Vgl. Installation Shot ARC 1983, in: Schachtel Dia, Archiv Galerie Maeght. 301 | Vgl. Ausst.-Kat. Villeneuve d’Ascq 1988, S. 19. 302 | Vgl. Tomkins, Calvin: Duchamp. A Biography. New York 1996, S. 231-232; Schwarz 2000, S. 692-694. 303 | Erst 1984 entstand im Rahmen der Serie »Les Cérémonies« das Gemälde »Kiga – Crucifixion – Trace«, auf dem schemenhaft in Dreiviertelansicht das vom Alter gezeichnete Profil einer Person erkennbar ist. Wie Gasiorowski im Interview mit Thomas West aussagte, handelte es sich hierbei um das imaginäre Porträt Kigas, in welches das Bild seiner betagten Mutter eingeflossen ist. – Vgl. Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 181.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« (1976-1982)

Abbildung 28:  Max Ernst, »Der Hut macht den Mann«, 1920, Papiercollage, Bleistift, Tinte und Aquarell auf Papier, 35,6 × 45,7 cm, New York, Museum of Modern Art (MoMA)

© 2018. Digital image, The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence

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3. Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen

Das folgende Kapitel hat im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Scharnierfunktion inne. Es bettet die zuvor beschriebene Institutionsfiktion Gasiorowskis in einen zeithistorischen Kontext mit den zum Vergleich herangezogenen Werken, die in Kapitel 4 en détail vorgestellt werden. Der Entstehungszeitraum der in der vorliegenden Untersuchung fokussierten fiktiven Institutionen erstreckt sich von 1968 bis 1982, wobei die Kernproduktionszeit auf die Zeitspanne bis Mitte der 1970er Jahre datiert werden kann.1 Die beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren von einem grundlegenden Wandel der globalen Machtverhältnisse gekennzeichnet.2 Politisch und ökonomisch durch den Krieg geschwächt und mit dessen Aufarbeitung beschäftigt, konnten die alten Zentralstaaten Europas ihren philosophischen und kulturellen Primat noch für eine Weile aufrechterhalten. Frankreich stellte zunächst mit Existentialismus, dann mit den zu Beginn der 1960er Jahre entstehenden poststrukturalistischen Theorien neue methodische Ansätze für die Geistesgeschichte. Mit den Schlagworten Diskursanalyse, Dekonstruktion und Intertextualität arbeiteten diese an einer Öffnung der Wirklichkeitswahrnehmung. Dabei verlagerten sie den Fokus von dauerhaften Größen auf dynamische Strukturen und bewirkten dadurch eine Dezentralisierung des Subjektbegriffs.3 Im Zuge des »linguistic 1 | Hierbei ist die Entstehung und grundlegende Konzeptualisierung der Institutionsfiktionen gemeint. Die in Kapitel 2 beschriebene Aufarbeitungsphase der »Académie Worosis Kiga« zwischen 1979 und 1982 verhält sich hierzu eher distanziert und reflektierend. 2 | Vgl. Gentilini, Giovanni: 1968 – Die Dämmerung der Ideologien. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 44-48, S. 44. 3 | Vgl. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a. M. 1974 [frz. Orig. 1966]; Derrida, Jacques: Die différance. In: ders.: Die différance. Ausgewählte Texte. Stuttgart 2004 [frz. Orig. 1972], S. 110-149; Kristeva, Julia: Bakhtine, le mot, le dialogue, le roman. In: Critique, 239 /  1967, S. 438-465. – Auch für Roland Barthes ist nicht ein schreibendes Ich der Ursprung des Textes: »c’est le langage qui parle, ce n’est pas l’auteur«. – Barthes, Roland: Essais critiques IV: Le Bruissement de la langue. Paris 1984, S. 62, zitiert nach: Bürger, Peter: Das Verschwinden des Subjekts. Eine Geschichte der Subjektivität von Montaigne bis Barthes. Frankfurt a. M. 1998, S. 204.

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turn«4 wurden alle Erscheinung wie ein unendlicher Text analysiert, der keine feste Bedeutung mehr vermitteln und dem kein originärer Autor mehr zugesprochen werden konnte.5 Phänomene, Dinge, Menschen erkannten die poststrukturalistischen Theorien als historisch gewachsene, von äußeren Einflüssen bedingte Konstruktionen. Damit boten sie die Basis für eine sich rasch verbreitende allgemeine Systemkritik. Wenn auch indirekt und unbewusst trugen die wissenschaftlichen Grundlagen zu vielfachen Effekten auf sozialer und politischer Ebene sowie auf kulturellem Terrain bei, zu denen letztlich auch das Ende der »École de Paris« und die Verlagerung des westlichen Kunstzentrums von Paris nach New York gezählt werden können. Diese Entwicklungen schlugen sich wiederum in der künstlerischen Produktion der Zeit nieder.

3.1 I ndividuum und G esellschaf t um 1968 Als unbestreitbares Symbol dieses weltweiten Umbruchs sind die vier Ziffern »1968« zum Synonym für Auf bruchsbewegung, gesellschaftlichen Veränderungswillen und Freisetzung kreativer Kräfte geworden. In retrospektiver Betrachtung steht das Jahr losgelöst von seinen kalendarischen zwölf Monaten für eine Zeit internationaler Massenmobilisierung, der Politisierung nahezu aller gesellschaftlichen Schichten und Lebensbereiche.6 Hannah Arendt verglich es in einem Brief an Karl Jaspers und dessen Frau mit dem Revolutionsjahr 1848.7 Wie dieses ist auch das Symboljahr 1968 sowohl zum Synonym für Auf bruch als auch für Niederlage geworden und in der kontroversen Rezeption folgender Generationen von einer tiefgreifenden Ambiguität gekennzeichnet. Mitte der 1960er Jahre breitete sich international ein Auf begehren aus, das sich lautstark auf Straßen und öffentlichen Plätzen artikulierte. Es richtete sich grundlegend gegen herrschende Machtstrukturen, stellte etablierte Ordnungssysteme, Hierarchien und Autoritäten in Frage. Lokale Einzelthemen ergänzten derweil die globale Empörung: In Frankreich wurden die Nachwirkungen des brutalen Algerienkrieges diskutiert, von den USA ging der Protest gegen den Vietnamkrieg aus, während in Deutschland die Forderung nach Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit gestellt wurde.8 4 | Der Begriff des »linguistic turn« stammt von Gustav Bergmann und wurde mit der 1967 erschienenen, gleichnamigen Anthologie Richard Rortys zum methodischen Topos. – Vgl. Rorty, Richard: The linguistic turn. Essays in philosophical method. Chicago / L ondon 21992 [1967]. 5 | Vgl. Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis [u. a.] (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2007, S. 185-197; Derrida 2004, darin insbes.: Das Ende des Buches und der Anfang der Schrift, S. 31-67; Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk. Frankfurt a. M. 1977 [ital. Orig. 1962]. 6 | Kraushaar, Wolfgang: 1968. Das Jahr, das alles verändert hat. München 1998, S. 7. 7 | Vgl. Brief von Hannah Arendt an Karl und Gertrud Jaspers vom 26.6.1968, in: Köhler, Lotte, Saner, Hans (Hg.): Hannah Arendt – Karl Jaspers. Briefwechsel 1926-1969. München 1985, S. 715-716. 8 | In Deutschland wurde 1966 mit Kurt Georg Kiesinger ein ehemaliges NSDAP-Mitglied zum Bundeskanzler an der Spitze einer Großen Koalition. Der sich an der Kanzlerperson

Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen

Angesichts neuer Informationstechniken verkündete Marshall McLuhan das »global Village«9, das medial vernetzt, die Möglichkeit zur schnellen und direkten Kommunikation bot. Die ausschlaggebende Rolle der neuen Medien im Prozess der Politisierung sah McLuhan in der zunehmenden Auflösung individueller Wahrnehmungsgrenzen in einer kollektiven Identität, die zum Handeln verpflichtete: Wir haben die Kunst gelernt, die gefährlichsten gesellschaftlichen Unternehmen mit vollkommener Objektivität durchzuführen. Aber unsere Objektivität war eine Einstellung des Nichtbeteiligtseins. Im elektrischen Zeitalter, das unser Zentralnervensystem technisch so sehr ausgeweitet hat, daß es uns mit der ganzen Menschheit verflicht und die ganze Menschheit in uns vereinigt, müssen wir die Auswirkung jeder unserer Handlungen tief miterleben. Es ist nicht mehr möglich, die erhabene und distanzierte Rolle des alphabetischen, westlichen Menschen weiterzuspielen.10

Gleichzeitig handelte es sich um eine Phase extremen ökonomischen Wachstums, die in der Bundesrepublik den Titel »Wirtschaftswunderjahre« erhielt und deren technische Innovationen so paradoxe Errungenschaften waren wie die erste bemannte Mondlandung als auch die Atombombe – das Sinnbild des Kalten Krieges, der die neue internationale Gemeinschaft durch seine Bedrohung vereinte.11 Angesichts des verbreiteten und propagierten Glaubens an anhaltenden Fortschritt und Produktivität richtete McLuhan den Blick auf dessen zwiespältige Wirkung von »Angst und Zwang«12 sowie dessen offensichtlichen Widerspruch zum starren Überdauern gesellschaftlicher Strukturen samt ihrer repräsentativen Vertreter. Diese kontradiktorische Spannung rief seiner Meinung nach den Aufstand hervor: Alle Kulturen und Zeitalter haben ihr besonders bevorzugtes Wahrnehmungs- und Erkenntnismodell, das für jeden und jedes verbindlich gilt. Das Zeichen unserer Zeit ist die Auflehnung gegen aufgezwungene Schemata.13

Anlaufstelle waren in der Auseinandersetzung öffentliche Institutionen. Sie galten als Verkörperungen verkrusteten Normdenkens und überholter Wertdefinitionen und waren als Organe des abstrakten Staatsapparates angreif bar. Studenten, Arbeiter und Intellektuelle schlossen sich zusammen. Sie besetzten öffentliche Plätze und Gebäude, demonstrierten in den Straßen und versuchten Alternativen. Dabei und dessen Regierungsspitze entzündende Unmut, verstärkte sich hinsichtlich der im Mai 1968 entlassenen Notstandsgesetze zu massiven Protesten. – Vgl. Kraushaar 1998, S. 171; Glaser, Hermann: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Protest und Anpassung 1968-1989, Bd. 3. München /  W ien 1989, S. 27. 9 | Vgl. McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters. Bonn 1995 [engl. Orig. 1962]. 10 | Vgl. McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle. In: Harrison, Charles, Wood, Paul (Hg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews, Bd. II: 1940-1991. Ostfildern 2003, S. 909-912, S. 910. 11 | Vgl. Kellein, Thomas: I Make Jokes! Fluxus aus der Sicht des »Chairman« George Maciunas. In: ders. (Hg.): Fluxus, Ausst.-Kat., Basel, Kunsthalle Basel, 1994, S. 7-26, S. 7-9. 12 | McLuhan 2003, S. 910. 13 | McLuhan 2003, S. 910.

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trat die Verzahnung von persönlichem Lebensentwurf und öffentlichen Machtstrukturen offen zutage, wenn sich Gegenmodelle zu bürgerlichen Konventionen im privaten Bereich beim Anlauf gegen statische Strukturen öffentliche Sichtbarkeit verschafften.14 Als Schnittstellen von staatlicher Ordnungsmacht und individuellem Schicksal traten im internationalen Aufruhr Stätten der Bildung und Lehre in den Fokus der Debatte. Hier trafen sich die Interessen von Studenten, Arbeitern, Intellektuellen und Künstlern, die häufig dem Ideal sozialer Gleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung folgten.15 Ein Mittel zur Selbstermächtigung dieser Interessensgemeinschaft war die Aneignung staatlich vorgegebener Strukturen, um diese, dem Willen des Volkes entsprechend, zu reformieren. So entstand an der Freien Universität Berlin 1967 per Mehrheitsentscheid die erste »Kritische Universität« der Bundesrepublik.16 Im Zuge der Pariser Mai-Unruhen 1968 funktionierten Studenten die École Nationale des Beaux-Arts in ein »Atelier Populaire des Beaux-Arts« um, in dem über mehrere Wochen politische Plakate für die Revolution hergestellt wurden.17 In Brüssel wurde der Palais des Beaux-Arts von einer »Freien Versammlung«18 okkupiert, mit der Absicht, in fachspezifischen Arbeitsgruppen kritisch über die kulturelle und gesellschaftliche Problemlage zu reflektieren. Nahezu zeitgleich zu den Geschehnissen setzte die Mythisierung geistiger Führer und »Diskursdarsteller«19 ein, die ebenso von diesen selbst wie von ihren Anhängern vorangetrieben wurde.20 Sie boten damit eine identifizierbare Zielscheibe 14 | So wurde beispielsweise die Kommune I als provokative Verkehrung des bürgerlichen Familienbildes schließlich nur durch ihre öffentlichen Auftritte wahrnehmbar und diskursfähig. – Vgl. Enzensberger, Ulrich: Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969. Köln 2004. 15 | Zur Verstrickung kommunistischer und psychoanalytischer Ansätze in der französischen Theorie nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Wimmer, Dorothee: Das Verschwinden des Ichs. Das Menschenbild in der französischen Kunst, Literatur und Philosophie um 1960. Berlin 2006. 16 | Vgl. »Kleine Chronik der Freien Universität Berlin«, online unter: http://web.fu-berlin. de/chronik/chronik_1961-1969.html (letzter Aufruf: 27.10.2015); N. N.: »Kritische Universitäten. Sprich Ka-U«. In: Der Spiegel, 46 /  1967, S. 198-202. 17 | Vgl. Ausst.-Kat., École nationale supérieure des Beaux-Arts (Paris) – Atelier populaire, présenté par lui-même. 87 affiches de mai à juin 1968, Paris, École nationale supérieure des Beaux-Arts, 1968, S. 5-8; Ausst.-Kat., Les affiches de mai 68 ou L’Imagination graphique, Paris, Bibliothèque nationale de France, 1982. – Für eine ausführliche Schilderung der Mai-Proteste und einer Chronologie der Ereignisse vgl. Viel, Marie-Jeanne: Sept Jours de Mai en France. In: Historia, Hors série, 17 /  1970: Les Années 60, 1: Le Temps des révolutions, S. 146-167. 18 | Faksimile des Manifests »Occupation du Palais des Beaux-Arts« [Übersetzung T. N.], 29.5.1968, zitiert nach: Blotkamp, Carel [u. a.] (Hg.): Museum in Motion? The modern art Museum at issue. Het museum voor moderne kunst ter discussie. Museum in Beweging? Den Haag 1979, S. 248. 19 | Grasskamp, Walter: Kunst und Geld. Szenen einer Mischehe. München 1998, S. 118. 20 | Ein prägnantes Beispiel hierfür bietet Joseph Beuys, dessen Umgang mit der eignen Biografie seine gesamte Existenz in den Dienst einer sozialen ästhetischen Theorie stellte. Diese Absicht wurde durch Schriften und Aussagen überzeugter Schüler perpetuiert und gestärkt. Noch in der heutigen Forschung sind die Fakten und Determinanten bestimmter Ge-

Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen

für die Empörung anderer Auffassungen. Gegen sie gerichtete aggressive Akte wie das Attentat auf Rudi Dutschke oder die Ermordungen Che Guevaras, Robert Kennedys und Martin Luther Kings ließen die explosive Stimmungslage erkennen und heizten diese zugleich weiter an. So trug in Deutschland die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg im Juni 1967 zur Radikalisierung der Aufstände bei. Das Bild des toten Demonstranten wurde zur Ikone einer zunehmend gewaltbereiten Protestbewegung.21

3.1.1 »Phantasie an die Macht« 22 In der Nacht vom 2. auf den 3. April 1968 explodierten in den Kaufhäusern Schneider und Kaufhof an der Zeil in Frankfurt zwei Sprengsätze.23 Als Verantwortliche wurden kurz darauf Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein festgenommen. Ein Teil der Gruppe ist später als erste Generation der »Rote Armee Fraktion« in die Geschichte eingegangen. Der darauffolgende Prozess wurde laut damaligen Pressestimmen durch die Angeklagten zum »Justizhappening«24 inszeniert. Der Neologismus »Justizhappening« lässt den gesellschaftlich-rechtlichen und den kulturellen Sektor verschmelzen. Deutlich wird an dieser Begriffsbildung, dass die Rezeptionshaltung um 1968 gegenüber Reformbestrebungen in beiden Bereichen einheitlich war. Ihnen wurde jedoch nicht nur dasselbe Provokationspotenzial zugesprochen. Künstlerische sowie soziale Neuerungsabsichten kongruierten darüber hinaus offenkundig in ihrer Zielsetzung, die eine grundlegende Strukturveränderung vorsah. Am 16. Mai 1968 wurde das Pariser Odéon-Theater unter der Parole »Das Odéon-Theater gehört den Arbeitern« besetzt und zum »Zentrum der kollektiven Inspiration« erklärt.25 Einige heutige Autoren führen die Aktion auf eine Initiative JeanJacques Lebels zurück,26 der das Ereignis damals zum Anlass nahm, seinen Text

schehnisse daher umstritten. – Vgl. Buchloh, Benjamin H. D.: Joseph Beuys – Die Götzendämmerung. In: Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Aufbruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum 1987, S. 60-77; Groblewski, in: ders. /  B ätschmann 1993, S. 47; Riedl, Karin: Künstlerschamanen. Zur Aneignung des Schamanenkonzepts bei Jim Morrison und Joseph Beuys. Bielefeld 2014, S. 173-174. – Auf den zeithistorisch wichtigen Begriff des Mythos und dessen Konzeptualisierung bei Roland Barthes wird im folgenden Kapitel eingegangen. 21 | Vgl. Schütz, Laura: »Dort ist nichts, aber es strotzt vor lauter Zeichen vor uns«. Fiktionale Transformationen politischer Märtyrerikonen von Benno Ohnesorg bis zu den ›Toten von Stammheim‹ (zugl. phil. Diss. München 2010), Hannover 2014, S. 45-51. 22 | Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: Die »Phantasie an die Macht«. Mai 68 in Frankreich. Frankfurt a. M. 1995. 23 | Vgl. Kraushaar 1998, S. 95-96. 24 | Peters, Butz: RAF. Terrorismus in Deutschland. Stuttgart 1991, S. 53. 25 | Kraushaar 1998, S. 131-132. 26 | Vgl. Syring, Marie Luise: Der Duchamp-Konflikt. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 1720, S. 19. – Laut Kraushaar begann die Besetzung des Odéon bereits einen Tag früher, am 15.5.1968. – Vgl. Kraushaar 1998, S. 131.

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»Die Dadaisierung des Politischen«27 zu veröffentlichen. Der Titel verweist bereits auf Lebels These, der zufolge in der Auf bruchsstimmung von 1968 nicht die Kunst politisch instrumentalisiert, sondern die Politik von der Kunst erobert wurde.28 Um dies als Anspruch zu verwirklichen, entwickelten Kunststudenten eigene Strategien und Formen für ihre Auflehnung.29 So diente auf der einen Seite die rechtlich verankerte Freiheit der Kunst dazu, rebellische Handlungen im Rahmen »künstlerischer Arbeitspraxis«30 zu verorten und somit zu legitimieren. Dies geschah beispielsweise im Februar 1969 an der Kunstakademie München. Bei einer vom AStA organisierten Pseudo-Immatrikulationsfeier entstanden Wandmalereien, gegen die seitens der Akademieadministration der Vorwurf der Sachbeschädigung erhoben wurde.31 Die Studenten rechtfertigten sich daraufhin in einer Erklärung an den Direktor damit, dass sich ihr Widerstand »innerhalb ihrer spezifischen künstlerischen Arbeitspraxis« artikuliere und sie die Wände der Hochschule als »Medium künstlerischer Aussage«32 entdeckt hätten. Auf der anderen Seite nutzten Künstler die Protesthaltung, um mit unterschiedlichen Verfahrensweisen der künstlerischen Produktion nach dem Wesen des Kunstwerks als gesellschaftlich determiniertem Produkt zu fragen. Sie hinterfragten kritisch die Entfremdung des Menschen von der massenindustriell gefertigten Ware sowie dessen Konditionierung zum Konsum durch die Mittel von Werbung und Massenmedien.33 In der Verschränkung kunsttheoretischer Überlegungen und studentischem, linksintellektuellem Aufstand kann ein deutlicher Einfluss der »Situationistischen Internationale« erkannt werden. Die Situationistische Internationale wurde 1957 gegründet, nachdem die subversiven Bewegungen aus Lettristen – einem belgischen Kreis revolutionärer Surrealisten  – und der Künstlergruppe »Cobra« ideologisch auseinanderzufallen begann.34 Ihre gleichnamige Zeitschrift entwickelten sie zum

27 | Lebel, Jean-Jacques: Die Dadaisierung des Politischen. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 49-52. 28 | Vgl. Marchart, Oliver: Auf der Bühne des Politischen. Die Straße, das Theater und die politische Ästhetik des Erhabenen. In: Echterhölter, Anna, Därmann, Iris (Hg.): Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Zürich / B erlin 2013, S. 45-61. 29 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 223; Jooss, Birgit: Zu den Studentenunruhen von 1968. In: Ruppert, Wolfgang, Fuhrmeister, Christian (Hg.): Zwischen deutscher Kunst und internationaler Modernität. Formen der Künstlerausbildung 1918 bis 1968. Weimar 2007, S. 81-102, S. 87; Kraushaar 1998, S. 193-194. 30 | Schreiben des AStA der Kunstakademie München, Februar 1969, zitiert nach: Jooss, in: Ruppert /  F uhrmeister 2007, S. 88. – An der Kunstakademie München gab es für die künstlerische Gestaltung politischer Demonstrationen einen studentisch gewählten »HappeningBeauftragten«. – Vgl. Jooss, in: Ruppert /  F uhrmeister 2007, S. 91-92. 31 | Vgl. Jooss, in: Ruppert / F uhrmeister 2007, S. 87-88. 32 | Jooss, in: Ruppert / F uhrmeister 2007, S. 88. 33 | Vgl. Syring, Marie Luise: Kunst in Frankreich seit 1966. Zerborstene Sprache, zersprengte Form. Köln 1986, S. 44-56. 34 | Vgl. Dumontier, Pascal: Les Situationnistes et Mai 1968. Theorie et Pratique de la Revolution (1966-1972). Paris 1995, S. 27-29, S. 32.

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Forum für soziologische Analysen, urbane Utopien und nicht zuletzt zum Sprachrohr ihrer kunstrevolutionierenden Theorien.35 Am 8. Januar 1959 wurde der Schriftsteller André Malraux zum ersten Amtsinhaber des unter Charles de Gaulle neu erschaffenen »ministère d’État chargé des Affaires culturelles« der V. Republik Frankreichs. Seine Aufgabe war es, dem kulturellen Erbe Frankreichs die angemessene Aufmerksamkeit zu verschaffen und die Schöpfung neuer Werke zu fördern. Damit sollte die internationale Anerkennung Frankreichs als führende Kulturnation gesichert werden.36 Der Hauptsprecher der Situationisten, Guy Debord, stellte bereits zu diesem Zeitpunkt die Forderung nach einer kulturellen Revolution und entwickelte seine Theorie der situationistischen Aktion. Diese sollte bestehende kulturelle Erscheinungsformen, insbesondere den überholten Artefakt-Begriff der Künste überwinden, indem sie sich auf die »Konstruktion von Situationen«37 konzentrierte. Das Manifest von 1960 gibt die Vision der Situationisten wieder: […G]egen das Spektakel führt die verwirklichte situationistische Kultur die totale Beteiligung ein. Gegen die konservierte Kunst ist sie eine Organisation des erlebten Augenblicks. 38

Tradition wurde im Sinne unreflektierter Konformität, Gewohnheit und Passivität kritisiert, die die »Gesellschaft des Spektakels«39 in ihrem durch Konsum und Industrialisierung entfremdeten Alltag charakterisierte.40 Gemäß dem Slogan »Phantasie an die Macht«, mit dem das Auf begehren des Pariser Mai 68 an die Öffentlichkeit trat, agierte die Situationistische Internationale mit ihrer kulturutopischen Theorie auf der Schwelle zwischen studentischem Aufstand und künstlerischer Revolution. So waren sie auch auf dem Campus von Nanterre41 tätig, noch bevor Daniel 35 | Vgl. Internationale situationniste. Bulletin central édité par les sections de l’Internationale situationniste, Nr. 1, Juni 1958 – Nr. 12, September 1969. 36 | Vgl. Monnier 1995, S. 333. 37 | Debord, Guy: Rapport sur la construction des situations et sur les conditions de l’organisation et de l’action de la tendance situationniste internationale. In: Ausst.-Kat., Sur le passage de quelques personnes à travers une assez courte unité de temps. À propos de l’Internationale situationniste, 1957-1972, Paris, Centre Georges Pompidou, 1989, o. S. 38 | Manifest der Situationistischen Internationalen (17.5.1960), zitiert nach: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 39-40, S. 39. 39 | Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin 1996 [frz. Orig. 1967]. 40 | Zu den Mitgliedern der Situationistischen Internationale zählten Literaten, Künstler und Soziologen. Die bekanntesten Künstler unter den Begründern sind Asger Jorn und Giuseppe Pinot-Gallizio. Pinot-Gallizio erfand zu dieser Zeit seine »industrielle Malerei«, die auf eine Art Förderband aus langen Tapetenrollen hergestellt wurde und die nach seiner Aussage zur »Umgebungskonstruktion verwendbar« war. – Vgl. Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (a), S. 19. – Asger Jorns Ausstellung in München 1958 wurde zum Ausgangspunkt zur Bildung der deutschen Sektion der Situationistischen Internationale mit Gruppe SPUR. Zu diesem Zeitpunkt schloss sich auch das spätere Mitglied der Kommune I, Dieter Kunzelmann, der Gruppe an. – Vgl. Beyme, Klaus von: Kulturpolitik in Deutschland. Von der Staatsförderung zur Kreativwirtschaft. Wiesbaden 2012, S. 93. 41 | Der Campus von Nanterre ist eine Folgeerscheinung der zunehmenden Ausbreitung der universitären Bildung in allen westeuropäischen Ländern ab Beginn der 1960er Jahre. In Re-

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Cohn-Bendit dort zusammen mit anderen Studenten die »Bewegung des 22. März« formierte. Diese wendete wiederum in ihren Wandzeitschriften und Plakaten die von den Situationisten beschriebene Methode des »détournement«42 verstärkt an.43 Arbeitsfeld der Situationisten war die Stadt mit ihren Straßenschluchten und Häuserzeilen. Diese mochten sie dabei nicht mit Kunstwerken bevölkern, sondern wählten sie als einen heteronomen Raum im Gegensatz zum autonomen »white cube«44 der Kunstgalerie als Austragungsort ihrer Aktionen. Denn Ziel der Situationistischen Internationale war es, die Grenze zwischen Kunst und Leben zu überschreiten, womit sie Methoden und Fragestellungen der Aktionskunst, Happening und Performance vorwegnahmen.45

3.1.2 Das Verschwinden des Subjekts 1966 erschien mit durchschlagendem Erfolg Michel Foucaults Diskursgeschichte »Les mots et les choses«46 in Frankreich. Darin analysiert der Autor den Wandel von Wissen und Wissenschaften vom 16. bis zum 20. Jahrhundert aufgrund wechselnder Episteme. Foucault zufolge bestimmt die Episteme die für eine bestimmte Dauer gültige Ordnung, nach welcher sich das Handeln, Sprechen und Denken einer Epoche richtet. Sie bilde demnach die Grundlage für die zu einem jeweiligen Zeitpunkt herrschende Definition von Wahrheit.47 Resultat von Foucaults Analyse und Angelpunkt seiner Theorie ist, dass er den neuzeitlichen Vernunftbegriff als Effekt seiner historischen Bedingungen relativiert. Dadurch dekonstruiert er das menschliche Subjekt als Manifestations- und Legitimationsgröße der Weltordnung, dessen Etablierung er erst mit dem neuen Primat der Rationalität im 18. Jahrhundert veraktion auf die rasant wachsende Studentenzahl wurde der Campus von Nanterre 1964 als Universität Paris X zur Entlastung der Universität Sorbonne gegründet. Der im Pariser Vorort liegende Campus verkörpert damit das Paradox erweiterter Bildungschancen bei zugleich abnehmender Aussicht auf anschließende Beschäftigung der Absolventen. – Vgl. GilcherHoltey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA. München 32005, S. 81. 42 | Die Theorie des »détournement« basiert auf der Zweckentfremdung vorhandener kultureller Produktionen im surrealistischen und dadaistischen Collageprinzip. Als eine avantgardistische Praxis vom Beginn des 20.  Jahrhunderts ist dieses für die Situationisten jedoch bereits veraltet. Im »détournement« wird daher durch erneute Sinnentfremdung die bereits akzeptierte Negierung bürgerlicher Konzeptionen kenntlich gemacht und deren Reintegrierung kritisch hinterfragt. – Vgl. Welchman, John C.: Invisible Colors. A visual history of titles. New Haven / L ondon 1997, S. 324; Dumontier 1995, S. 29. 43 | Vgl. Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (a), S. 20; Mouvement du 22 Mars: Mai 68. Tracts et Textes. La Brussière 1998. 44 | O’Doherty 1996. 45 | Urban, Annette: Interventionen im public /  p rivate space. Die Situationistische Internationale und Dan Graham (zugl. phil. Diss. Bochum 2008), Berlin 2013, S. 53. 46 | Foucault 1974. 47 | Foucault versteht in »Die Ordnung der Dinge« die je herrschende Episteme als einheitliches »historisches a priori«. In seinem folgenden Werk »Die Archäologie des Wissens« korrigiert und präzisiert er seine Begriffsdefinition jedoch. Zu den unterschiedlichen Konnotation des Begriffs der Episteme bei Foucault vgl. Dahlmanns, Claus: Die Geschichte des modernen Subjekts. Michel Foucault und Norbert Elias im Vergleich. Münster 2008, insbes. S. 25-27.

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ortet. Absicht des Autors war es dabei nicht, sich an die Spitze einer neuen Subjektkonzeption zu stellen. Im Gegenteil erläutert er in seiner als »Archäologie«48 begriffenen Untersuchung seine Beobachtungen einer historischen Entwicklung, die er mit der Entstehung neuer wissenschaftlicher Disziplinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeläutet sieht.49 Hatte die Psychoanalyse zu Beginn des Jahrhunderts bereits den Anteil des Unbewussten in den Handlungen des Individuums betont,50 wies nun beispielsweise Jacques Lacan auf den Einfluss einer präexistenten symbolischen Ordnung in der Subjektbildung des Menschen hin.51 Lacans dezidierte Kritik richtete sich damit gegen die Vorstellung eines autonomen Individuums und machte deutlich, dass das erlebte »Ich« eine Konstruktion aus Symbolischem, Imaginärem und Realem sei.52 Foucault zufolge konnte das Subjekt somit nicht länger Grundlage des Wissens sein, sondern wurde zum Kreuzungspunkt jeweils gültiger – von Foucault so bezeichneter – Diskurse.53 In den beispielhaft genannten poststrukturalistischen Theorien verräumlichte sich historische Entwicklung, die bisher als konsequenter Zeitstrahl erschien, wodurch der Fokus auf die netzartig strukturierte Verbindung verschiedener diskursiver Praktiken verschoben wurde Abseits jeglicher Teleologie wurden innerhalb der zeitlichen Dynamik der Diskurse Subjekte, Ereignisse und Handlungen inkonsistent.54 Konnte Sinnentstehung folglich nicht länger als Bewusstseinsleistung eines autonomen Subjekts betrachtet werden, lösten Vertreter der Semiotik und Literaturwissenschaft zusammen mit der Vorstellung eines schöpferischen Autors auch den Begriff vom Werk als festumrissener Einheit auf. So verkündete Roland Barthes 1968 in letzter Konsequenz »De[n] Tod des Autors«55. Laut Barthes schöpfe dieser sein Werk nicht in kreativer Autonomie, sondern könne nur in neuer Kom48 | Vgl. Foucault 1974, S. 25. 49 | Indem Psychoanalyse und Linguistik die bisher autonome Subjektivität des Menschen in anonyme Strukturen auflösen, zerstören sie die Annahme eines machtvollen Zentrums, das nach außen wirken kann. – Vgl. Zweite, Armin: Vorwort. In: ders. (Hg.): Ich ist etwas Anderes. Kunst am Ende des 20.  Jahrhunderts, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2000, S. 22-26, S. 24. 50 | Vgl. Foucault 1974, S. 447-450. 51 | Vgl. Lacan, Jacques: Das Seminar. Buch 11 [frz. 1964]. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Textherstellung von Jacques-Alain Miller, übers. v. Norbert Haas. Berlin /  Weinheim 31987. In: Das Werk von Jacques Lacan in dt. Sprache, hg. v. Norbert Haas, Hans-Joachim Metzger. Berlin  /   Weinheim 1987. 52 | Vgl. Krieger, in: Hellmold [u. a.] 2003, S. 117. 53 | Der im Französischen allgemein für die gerichtete Rede verwendete Begriff »discours« wird von Foucault in einem engeren Wortsinn auf die verschiedenen Redeweisen angewandt, mit denen Worte und Dinge zueinander in Bezug gesetzt werden. – Vgl. Wimmer 2006, S. 20. 54 | Vgl. Wimmer 2006, S. 20. 55 | Vgl. Barthes, in: Jannidis [u. a.] 2007, S. 185-197. – Für die literarische Interpretation ist daher der Schwerpunkt vom geschlossenen Textbegriff zur stets unabgeschlossenen, offenen »écriture« zu verlagern, die das Werk vom Bezugspunkt des Autors löst. – Barthes, Roland: Am Nullpunkt der Literatur. Frankfurt a. M. 1982 [frz. Orig. 1953]; vgl. ferner Eco 1977.

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bination und mit neuer Gewichtung bereits vorgegebenes Sprachmaterial reproduzieren. Gleichermaßen dekonstruierte Jacques Derrida in seinem Konzept der »différance«56 den aus eindeutigen Begriffen formierten Text. Er unterstrich den wandelbaren Fluss der Sprache, der mit jeder Aussage und mit jeder Lektüre neue Bedeutungen entstehen lässt. Text wurde demzufolge zu einem unendlichen Gewebe, innerhalb dessen kein zentrales Subjekt als Urheber sprachlichen Sinns existierte. Diesen Ansatz verfolgte auch Julia Kristeva in ihrem Konzept der »Intertextualität«, das sie als Grundlage einer allgemeinen Kultursemiotik sah.57 Während der Autor also die Autorität über sein Werk verlor, entdeckte Barthes im Gegenzug die Sprache selbst als ein permanentes System von Macht und Unterwerfung.58 Im Aussagesatz ist das Subjekt eine syntaktische Position, die sich erst im – schriftlichen oder mündlichen – Vollzug der Sprache dadurch konstituiert, dass sie ein Gegenüber als Anderen attribuiert. Dieser Akt von sprachlicher Designation stellte für Barthes die Verortung innerhalb eines Machtgefüges dar, dessen Hierarchie von Subjekt zu Objekt abfällt. Das Subjekt war folglich nicht länger eine Kategorie von »Sein« oder »Haben«, sondern stets das Produkt von ihm äußerlichen Zusammenhängen, die sich wie im soeben angebrachten Beispiel als linguistische Einheit realisierte. Grundlegend für diese Theorien war eine Dynamisierung der Begriffe, die nicht länger als fixierte, gültige Bedeutungsträger wahrgenommen, sondern deren Wandel im zeitlichen Prozess fokussiert wurde. Seit Mitte der 1950er Jahre setzte sich die Performanztheorie mit solchem Bedeutungswandel, das heißt mit Prozessen unterschiedlicher Art und den durch sie hervorgerufenen Realitätsveränderungen auseinander. Der Begriff des »Performativen« wurde dabei je nach fachlicher Disziplin mit unterschiedlicher Akzentuierung verwendet. Als erster benutzte ihn John L. Austin in seiner berühmten Sprechakttheorie von 1955.59 In dieser unterschied Austin zwischen konstativen Aussagen, die zur Beschreibung äußerer Gegebenheiten dienen oder Behauptungen aufstellen, und sprachlichen Äußerungen performativer Art, die vorliegende Tatsachen im Vollzug der Sprache veränderten. Eindrückliche Beispiele hierfür sind Rituale wie die Eheschließung, bei der neben dem symbolischen Akt des Ringtauschs allein die Deklaration des Standesbeamten  – oder Priesters – den sozialen Status des Paares verändert.60 Der linguistische Fokus Austins galt den performativen Verben, deren spezifisches Merkmal ihre Selbstreferentialität ist, durch die sie Wirklichkeit konstitutieren: Performative Verben verweisen auf keinen äußeren Zustand; sie bedeuten nichts weiter als die Handlung, die sie selbst im Akt der Aussage vollstrecken. Damit der Vollzug der sprachlichen Handlung gelingt, also zu einer realen Tatsache führt, müssen für den Sprechakt Rahmenbedingungen erfüllt werden, die institutionell, kulturell, historisch oder 56 | Derrida 2004, S. 110-149, S. 31-67. 57 | Vgl. Kristeva 1967, S. 438-465. 58 | Vgl. Langer, Daniel: Wie man wird, was man schreibt. Sprache, Subjekt und Autobiographie bei Nietzsche und Barthes. München 2005, S. 203-204. 59 | Austin, John: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Stuttgart 21978 [engl. Orig. 1955]. 60 | Vgl. Wirth, Uwe: Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität. In: ders. 2002, S. 9-60, S. 11.

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sozial vorgegeben sein können. Diese häufig in Zeremonien oder Rituale gehüllten performativen Rahmungen wurden 1959 zum Gegenstand Milton Singers Theorie der »cultural performances«61. Für Singer waren es eben diese speziellen Ereignisse, Feste und Inszenierungen, durch die sich kulturelle Identitäten manifestierten und nicht deren materielle Artefakte.62

3.1.3 Mythen und Institutionskritik Das Subjekt war somit als Produkt seiner Sozialisation innerhalb spezifischer gesellschaftspolitischer, kultureller und historischer Bedingungen definiert.63 Auch der Fokus von Sozial- und Kulturwissenschaften verlagerte sich dementsprechend auf den Anteil gesellschaftlicher Integration an der Ausbildung des Individuums. Peter Berger und Thomas Luckmann stellten diesbezüglich fest: »Homo sapiens ist immer und im gleichen Maßstab auch Homo socius«64 . Hatte sich das ehemals zentrale Subjekt auf philosophischem, wissensgeschichtlichem, sprach- und kulturwissenschaftlichem Bereich bereits theoretisch in wandelbare Prozesse aufgelöst, fixierten hingegen auf real-gesellschaftlicher Ebene überindividuelle Institutionen bestehende Machtverhältnisse und Ordnungssysteme. Diese zunehmende Rivalität zwischen individueller Freiheit und normierender Institution wurde auf der Straße zum Auslöser des offenen Protests und geriet zum interdisziplinären Streitpunkt in den Wissenschaften. Exemplarisch hierfür steht die Opposition von Theorien der Frankfurter Schule zu jenen der philosophischen Anthropologie. Medienwirksam ausgetragen wurde diese in Deutschland von den prominenten Vertretern Theodor W. Adorno und Arnold Gehlen.65 Gehlen als Vertreter einer performativ interessierten philosophischen Anthropologie66 konnotierte den Institutionsbegriff positiv als zur Lebensbewältigung notwendige Organisationsform, die das Zusammenwirken der Individuen steuert und regelt.67 Mit Gehlen können Institutionen als Sedimente menschlicher Verhaltens61 | Vgl. Singer, Milton: Preface. In: ders. (Hg.): Traditional India. Structure and Change. Philadelphia 1959, S. xii-xiii. 62 | Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Grenzgänge und Tauschhandel. Auf dem Wege zu einer performativen Kultur. In: Wirth 2002, S. 277-300, S. 289. 63 | Vgl. Bürger, Peter: Das Verschwinden des Subjekts – eine postmoderne Utopie? In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2000, S. 51-59, S. 53. 64 | Berger /  L uckmann 1969, S. 54 [Hervorhebungen im Orig.]. – Die unentwirrbare Verschränktheit von Menschhaftigkeit und Gesellschaftlichkeit hat am schärfsten Durkheim herausgearbeitet, insbesonders in dem zusammenfassenden Abschnitt von Les formes élémentaires de la vie réligieuse, Paris 41960 [1912]. 65 | Vgl. »Freiheit und Institution. Streitgespräch über Begriff und Realität gesellschaftlicher Institutionen und über Möglichkeit wie Gehalt ihrer Kritik.« Ein Streitgespräch zwischen Theodor W. Adorno und Arnold Gehlen, 1965, online unter: http://vimeo.com/5360099 (letzter Aufruf: 22.9.2014). 66 | Vgl. Gehlen, in: ders. 1961, S. 69-70. 67 | Vgl. Gehlen, in: ders. 1961, S. 69-77. – Gehlen legte seiner Theorie einen weiten Institutionsbegriff zugrunde, der nicht nur namentlich identifizierbare Behörden und lokal verwurzelte Einrichtungen, sondern auch institutionalisierte Handlungsweisen wie beispielsweise Riten und Traditionen umfasste, die zur kulturellen Identität beitragen. – Vgl. Kapitel 1.2.

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weisen angesehen werden, die sich im Laufe der Zeit zu einer »Eigennorm«68 entwickeln und vom Einzelnen als »objektive Ordnung«69 empfunden werden. Werden solche etablierten Institutionen erschüttert oder gar zerstört, wird der gesellschaftlich geprägte Mensch tiefgreifend verunsichert. Diese Verunsicherung des Individuums äußere sich in der Schwierigkeit, dort Entscheidungen treffen zu müssen, wo zuvor klare Handlungswege vorgegeben waren. Nach Gehlen führt diese Desorientierung zu einer »Primitivisierung« 70, die sich auf Affektebene direkt in Form von Verhärtung, Überanpassung, Hohn, Hass oder Unglauben ausdrücke. Als deren sichtbare Zeugnisse galten Gehlen unter anderem künstlerische Umbrüche: so begriff er die avantgardistischen Strömungen des 20. Jahrhunderts als indirekte Effekte eines Schockmoments, die formal die Abstraktion und konzeptuell eine Hinwendung zum Diesseits bewirkten.71 Adorno hingegen war im Sinne der kritischen Theorie an sozialer und individueller Emanzipation interessiert, die für ihn allein durch die vernunftgeleitete Reflexion möglich wurde. Daher betonte er zusammen mit Max Horkheimer nachdrücklich den manipulativen und hemmenden Charakter von Institutionen: Wir hegen keinen Zweifel […], daß die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist. Jedoch glauben wir, genauso deutlich erkannt zu haben, daß der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet.72

Den allerorts wahrzunehmenden Rückschritt beschrieben Horkheimer und Adorno als einen »Rückfall der Aufklärung in Mythologie« 73. Institutionen verstanden sie als Organisationsformen der Massenindustrie, deren Ziel es war, das Individuum durch Unterhaltungsmedien und Konsumgüter über ungerechte Lebensbedingungen hinwegzutäuschen. Indem Institutionen strukturellen Einfluss auf Subjektivierungsprozesse ausübten, wurden sie für die Autoren zu Orten der Unterwerfung des Individuums unter die Macht des Kapitals. In Hinblick auf künstlerische Entwicklungen bezeichneten sie diesen Ablauf als »Kulturindustrie« 74. In dieser werde Kunst durch Massenmedien und Reproduktionstechnik zum Konsum68 | Gehlen, in: ders. 1961, S. 71. 69 | Gehlen, in: ders. 1961, S. 71. 70 | Gehlen, in: ders. 1961, S. 73. 71 | Ihre generalisierende Bezeichnung als »Primitivismen« fundierte Gehlen auf der formalen Abstraktion moderner Kunst sowie ihrer inhaltlichen und konzeptuellen Hinwendung zum Diesseits, dem real Erfahr- und Abbildbaren. – Vgl. Gehlen, in: ders. 1961, S. 73. 72 | Horkheimer, Max, Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a. M. 1969, S. 3. 73 | Horkheimer /  A dorno 1969, S. 3. – Zur genaueren Erläuterung der Verstrickung von Mythos und Aufklärung vgl. Horkheimer /  A dorno 1969, S. 9-49. 74 | Horkheimer / A dorno 1969, insbes. S. 128-176. – Im Gegensatz zum fälschlicher Weise oft synonym verwendeten Begriff der »Massenkultur« spezifizieren Horkheimer und Adorno ihre Begriffsfindung als eine Kulturform, die von einer kapitalistischen, profitierenden Minderheit der Gesellschaft zu ihren Gunsten eingesetzt wird; es handelt sich also nicht um eine auf der gesellschaftlichen Basis angesiedelten Kultur der Volksmasse.

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gut und verliere ihre Autonomie und ihr zivilisationskritisches Potenzial zugunsten eines »affirmativen Charakters« 75. Hinter der scheinbaren Demokratisierung des Zugangs zu Kulturgütern verberge sich demnach eine Standardisierungsmaschinerie, die den Rezipienten von Kultur zum Konsumenten herabsetzte und individuelle Kreativität unterbinden solle.76 Einzige Möglichkeit zum Ausbruch aus dieser Fremdbestimmtheit sei es laut den Autoren, Bewusstsein für die Zusammenhänge zu entwickeln und die ihnen zugrunde liegenden Strukturen zu erkennen, um sich dagegen auflehnen zu können. Die von Horkheimer und Adorno bereits 1947 verfasste »Dialektik der Aufklärung« und der darin formulierte Protest gegen eine Kommerzialisierung der Kunst erlebte im Verlauf der 1960er Jahre starke Rezeption. Gingen ihre Überlegungen von der Annahme aus, dass »Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie« verstricke, so entwickelte Roland Barthes in seinen 1957 veröffentlichten »Mythen des Alltags« 77 eine Semiologie zur Kulturanalyse, die auf der sprachlichen Struktur des Mythos beruhte. Ihm zufolge ist der Mythos ein sekundäres System von Bedeutungsproduktion, das historisch Gewordenes als natürlich Gegebenes erscheinen lässt. Anhand der Zeichentheorie Ferdinand de Saussures machte Barthes deutlich, wie der Mythos den Sinn eines primären semiologischen Systems, zum Beispiel der Sprache, parasitär als Form für eine sekundäre Bedeutungszuweisung benutze.78 Sobald sich der Mythos als Metasprache eines primären Begriffs der Objektsprache bediene, werde diesem seine konkrete historische Faktizität genommen und eine »Pseudonatur« 79 verliehen. Als motivierte Aussage diene der Mythos dann im Interesse der herrschenden Ideologie zur Sicherung von Machtverhältnissen.80 Wie Barthes an mehreren Beispielen aus der damals aktuellen französischen Populärkultur aufwies, waren für ihn vor allem die Massenmedien die Vermittler des Mythos und somit Träger des ideologischen Wertesystems in der zeitgenössischen Gesellschaft. Hiermit ergänzte Barthes methodisch den von Horkheimer und Adorno in ihrer »Dialektik der Aufklärung« entwickelten Begriff des Mythos und dessen Bezug zur »Kulturindustrie« sowie dem von ihr verübten »Massenbetrug«.81

75 | Marcuse, in: ders. 1967. 76 | Die Unterdrückung von Individualismus richtet sich sowohl auf den kreativen Produktionsteil, der von freier Entfaltung in Konzernen und Büros abgehalten wird, sowie auf den Part des nur noch konsumierenden Rezipienten, der durch die Produkte der Kulturindustrie an der Entwicklung eigenständiger Ideen oder Fantasien gehindert wird. – Vgl. Horkheimer / A dorno 1969, insbes. S. 159-162. 77 | Vgl. Barthes 2013. 78 | Vgl. Barthes 2013, S. 253-261. 79 | Barthes 2013, S. 312. 80 | Vgl. Barthes 2013, S. 273-275, S. 294-299. 81 | Vgl. Horkheimer /  A dorno 1969, S. 14-15.

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3.2 B e wegungen in der K unst 82 Die wissenschaftlichen theoretischen Reflexionen sowie ihre gesellschaftlichen Effekte schlugen sich gleichermaßen in den Werken der bildenden Kunst nieder. Nachdem die internationale Kunstszene unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vom existentialistischen Ausdruck des Individuums in Abstraktem Expressionismus, Informel und Lyrischer Abstraktion geprägt war, wurde Kunst ab den 1960er Jahren zunehmend als Teil der sozialen und politischen Realität thematisiert.83 Bereits bevor der studentische Protest auf der Straße laut wurde, entledigten sich die Künste ihrer Konventionen, brachen aus tradierten Formen aus und stellten etablierte Begriffe und Bedeutungen in Frage.84 Die 1970 postum erschienene »Ästhetische Theorie« Theodor W. Adornos beginnt mit der Feststellung, dass nichts bezüglich der Kunst mehr selbstverständlich sei, »nicht einmal ihr Existenzrecht« 85. Er erklärt dies mit dem problematischen Doppelcharakter der Kunst als zugleich gesellschaftlich autonom sowie als »soziale Tatsache«86, das heißt als gesellschaftliche Hervorbringung des Geistes und gleichzeitige Gegenposition zur Gesellschaft. Adorno zufolge sei es somit das tragische, aber auch produktive Paradox der Kunst, dass sie ihre aus der Autonomie resultierende gesellschaftliche Funktionslosigkeit permanent bekämpfe, wobei es jedoch gerade jene sei, die Kunst als Opposition zur bestehenden Zivilisation notwendig mache. 82 | Die sich nach dem Zweiten Weltkrieg schnell in vielzähligen, parallelen Strömungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelnde Kunstschöpfung kann im folgenden Kapitel nicht mehr als fragmenthaft und exemplarisch behandelt werden. Anliegen ist es dabei, konzeptuelle und methodische Zusammenhänge sichtbar zu machen, die in verschiedenen Aspekten auf die fiktiven Institutionen einwirkten. Zu den bekannten Bewegungen der Zeit existiert eine Fülle an Forschungsliteratur, sodass sie nicht alle ausführlich thematisiert werden. 83 | Die avantgardistischen Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten in ihren unterschiedlichen Strömungen relativ eindeutig einzelnen Nationen zugeordnet werden – Fauvismus und Kubismus in Frankreich, Futurismus in Italien, Expressionismus in Deutschland, Suprematismus und Konstruktivismus in Russland, De Stijl in den Niederlanden und so weiter. – Vgl. Walther, Ingo F. (Hg.): Kunst des 20. Jahrhunderts. Köln 2005, 2 Bde., Bd. I: Malerei, S. 238. – Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Abstraktion eine internationale Erscheinung dar, die Werner Haftmann in der Einleitung des documenta-Katalogs von 1959 »als ersten Modellfall einer Menschheitskultur« und damit Zeichen einer ersten »Weltkultur« seit der Romantik bezeichnete. – Vgl. Haftmann, Werner: Einführung. In: Ausst.-Kat., documenta II. Kunst nach 1945. Malerei – Skulptur – Druckgrafik, Kassel, Museum Fridericianum, 1959, S. 12-19, S. 14. 84 | Die Forschungsliteratur ist sich weitgehend einig, dass der künstlerische Aufbruch dem sozialpolitischen vorausgeht. – Vgl. Herding, Klaus: 1968. Kunst, Kunstgeschichte, Politik. Frankfurt a. M. 2008; Schneede, Uwe: Die Geschichte der Kunst im 20.  Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart. München 2001, S. 215. – Marie Luise Syring datiert das Umbruchsjahr für die französische Kunst präzise auf 1966. – Vgl. Syring 1986, S. 7. 85 | Vgl. Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie (1970). In: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 7, hg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M. 52014 [1970], S. 9. 86 | Den hier verwendeten Begriff des »fait social« entlehnt Adorno der soziologischen Theorie Émile Durkheims. – Vgl. Durkheim, Émile: Regeln der soziologischen Methode. Neuwied 1966 [frz. Orig. 1895].

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Innerhalb der sozialreformatorischen Debatten um 1968 genoss Adorno starke Popularität in Studentenkreisen, die seine Position teilten und eine grundlegende Befragung des Verhältnisses von Kunst, Gesellschaft und Ästhetik forderten.87 Der Fokus seiner Kunsttheorie lag hingegen nicht auf damals zeitgenössischen Erscheinungen, sondern den ästhetischen Errungenschaften der historischen Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese dienten mit ihren revolutionären Zielsetzungen und provokativen Verfahren den künstlerischen Bestrebungen ab 1960 als Korrektiv und Orientierungspunkt. Zentrale Schlagworte der Kunstproduktion wie sozialpolitischer Anspruch, Kollektiv, Gattungsüberschreitung, Aktion sowie der Einsatz von neuen Techniken, Materialien und Medien standen in klarer Tradition von Futurismus, Konstruktivismus, Dada, Surrealismus und Bauhaus.88 Als neues inspirierendes Modell floss die zeichenanalytische Theorie der französischen Poststrukturalisten in die künstlerische Praxis ein, die begann, autoritäre Strukturen der bildnerischen Formensprache zu hinterfragen und zu untergraben. Daneben wurde Kunst als soziales Teilsystem analysiert, das zum Zweck der Erneuerung gesprengt werden sollte. Hierzu zählte die Innovation konventioneller Rollen- und Begriffsdefinitionen von Künstler, Werk, Rezipient und Institution. Deren Thematisierung in einer parallelen Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen, Strömungen und Stile kennzeichnete die internationale Kunstschöpfung ab 1960.

3.2.1 Kunst als Spiegel der Realität Auf der 32. Biennale von Venedig erhielt Robert Rauschenberg 1964 für seine ausgestellten »combine-paintings« den Internationalen Preis für Malerei.89 Damit wurde der internationale Durchbruch der Pop-Art amtlich. Zugleich wurde Frankreich vom Thron der führenden Kunstnation gestoßen. Viele französische Maler erkannten in dieser Nominierung die offizielle Aberkennung der Pariser Schule und betrachteten sie als Möglichkeit, neue Ausdrucksformen zu erproben.90 Laszlo Glozer resümiert in seinem Katalog zur »Westkunst« 1981 die beiden Kunstparadigmen der 1960er Jahre als »Ausstieg aus dem Bild« und »Wiederkehr der Außenwelt«.91 Bereits seit Mitte der 1950er Jahre hatten Künstler in England und den USA damit begonnen, die zeitgenössische Wahrnehmung unter den Folgen des ökonomischen Aufschwungs zu untersuchen. Kunst sollte schritthalten mit der Alltagsrealität, die geprägt war von massenhaften Werbebildern, transportiert über Massenmedien an Massen, die konsumieren sollten, was in Massenproduktion hergestellt wurde. Bereits 1957 erklärte Richard Hamilton seine Werke daher als »[p]opulär (geschaffen für ein Massenpublikum), vergänglich (kurzfristige Lösung), 87 | Vgl. Kat. Bielefeld 2009, S. 18-21; Dreßen, Wolfgang: Die Leidenschaft der an sich selbst Interessierten. Anmerkungen zu einer integrierten Revolte. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 53-59. 88 | Für nähere Ausführungen zu verschiedenen Strömungen der historischen Avantgarde vgl. Kapitel 1.2. 89 | Vgl. N. N.: »Kunst im Kühlschrank.« In: Der Spiegel, 27 / 1964, S. 70-72, S. 71. 90 | Dasselbe Empfinden drückt Gasiorowski aus, wenn er seinen Besuch der Warhol-Ausstellung in der Pariser Galerie Ileana Sonnabend 1964 als ein Erlebnis beschreibt, das ihm eine neue Möglichkeit der Malerei eröffnete. – Vgl. Kapitel 2.3.1. 91 | Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 234.

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konsumierbar (leicht vergessen), billig, massenproduziert, jung«92 . Die Straße diente als Inspirationsquelle und Materiallager. Indem sich Inhalt, Material und Technik der Kunst denen der populären Kultur anglichen, verwischten sie die Grenze zwischen Alltagsobjekt und Kunstwerk und eröffneten eine Reflexionsfläche sowohl über die wahrgenommene Umwelt als auch über deren Erscheinung im künstlerischen Werk. Schon Futuristen, Dadaisten und Surrealisten hatten Alltagsobjekte in ihren Werken verwendet. Die neue Generation verzichtete jedoch bewusst auf träumerische Mystifizierung oder effektvolle Verfremdung der Gebrauchsgüter, um die Grenze zwischen Kunst- und Konsumwelt zu überschreiten und dadurch Teil dieser neuen Lebensrealität zu werden. In dieser Absicht erweiterte Robert Rauschenberg in seinen »combine-paintings« die Collage von Alltagsmaterialien und künstlerisch geschaffenen Elementen zu Environments, die in den Raum der Lebenswelt eingreifen, anstatt sich mit einer illusionistischen Dimension des Bildrahmens zu begnügen. Auch Andy Warhols »Brillo Boxes« (1964) führten die kontextbetonende Geste Duchamps weiter, indem sie nicht einen Alltagsgegenstand zu Kunst erklärten, sondern in der detailgenauen Nachahmung einer herkömmlichen Warenverpackung auf die Instabilität ikonischer Evidenz verwiesen.93 Am 16. April 1960 veröffentlichte Pierre Restany das »Manifeste des Nouveaux Réalistes«. In diesem sah er für eine neue französische Künstlergeneration eine ästhetische Strategie vor, bei der die »Soziologie […] dem Bewußtsein und dem Zufall zu Hilfe«94 kommt. Erst im Laufe des Jahres fanden sich auf der Basis dieser theoretischen Vorarbeit Arman, François Dufrêne, Yves Klein, Raymond Hains, Martial Raysse, Daniel Spoerri, Jean Tinguely, Jacques de la Villeglé, César, Mimmo Rotella, Niki de Saint-Phalle, Gérard Deschamps und Christo zu einer Gruppe zusammen. Die somit erst nach der Theoriearbeit stattgefundene Gruppenbildung macht deutlich, dass die »Nouveaux Réalistes« ebenso wie die englischen und amerikanischen Vertreter der Pop-Art weniger stilistische Merkmale, als vielmehr eine gemeinsame kunsttheoretische Überzeugung einte. Radikaler als ihre Vorgänger präzisierten dabei die französischen Künstler ihre Absicht, Realitätsfragmente nicht gestalterisch-ergänzend in ein Kunstwerk zu transformieren, sondern als dieses zu identifizieren.95 Arman und Daniel Spoerri reduzierten deshalb ihre Methode auf 92 | Richard Hamilton zitiert nach: Schneede 2001, S. 192. 93 | Bereits zehn Jahre zuvor hatte Jasper Johns mit seiner ersten »Flag« (1954) die Frage nach dem Repräsentationsgehalt des Bildes gestellt. In der leinwandfüllenden Malerei einer amerikanischen Flagge überlagern sich der referentielle Zeichencharakter der Darstellung und die Erscheinung des referenzierten Objekts einer Nationalfahne. Letztere hat in der symbolischen Ordnung der Lebensrealität jedoch eine wirksame, identitätsstiftende Macht. Während Warhol seine »Brillo Boxes« auch formal ihren Vorbildern angleicht, behält Johns jedoch durch die mimetische Transposition des Motivs in das Material der Malerei eine mediale Schwelle bei. – Vgl. Neuner, Stefan: Maskierung der Malerei. Jasper Johns nach Willem de Kooning (zugl. phil. Diss. Wien 2005), München 2008, S. 235. 94 | Vgl. »Erstes Manifest des Nouveau Réalisme«, in: Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 242-243, S. 242. 95 | Vgl. Hegyi, Lóránd: Pop Art in Großbritannien, Nouveau Réalisme in Frankreich, Kritischer Realismus in Deutschland. In: ders. (Hg.): Macht der Dinge. Nouveau Réalisme. Pop

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die Akkumulation und Assemblage von Alltagsobjekten. Die neue Konsumwelt bot in ihren Augen die Möglichkeit, nicht mehr im Sinne einer utopischen Ästhetik auf die Realität einzuwirken, sondern eine Verbindung von Kunst und Leben im gegebenen Zustand zu erreichen.96 Versuchten die Neuen Realisten um Restany mit dem Ausstieg aus dem klassischen Tafelbild folglich eine neue Verknüpfung zwischen werkimmanenter und externer Realität zu erreichen, stellte im Gegenzug eine Reihe amerikanischer und westeuropäischer Maler die Frage nach den medienspezifischen Repräsentationsqualitäten ihrer Gattung. Dabei entstammte ihre Ikonografie ebenfalls den Massenmedien und dem großstädtischen Umfeld. Vor allem die Maler des amerikanischen Hyperrealismus traten mit ihren detailgetreuen Wiedergaben spiegelglatter Oberflächen von Konsum- und Luxusgüter in Konkurrenz zur Fotografie.97 In Hinblick auf die fotografische Technik führten europäische Maler der »Nouvelle figuration«98 dem Betrachter deren Methoden zur Blickführung – wie die Wahl von Bildausschnitten, Vergrößerungen und Unschärfen – im Sinne eines kritischen Realismus durch die Übersetzung ins Gemälde aggressiv vor Augen. Dadurch brachten sie den Glauben an den Wahrheitsgehalt des fotografischen Abbildes, das bisher als Dokumentationsmedium par excellence gegolten hatte, ins Wanken.99 Im Trompe-l’œil der Leinwand ging die fotografische Illusion in Irritation über. Maschinenähnlich schilderten die neuen Figurativen alltägliche Bilder mit kühler Distanz und bewirkten dadurch eine Verfremdung derselben.100 Neben der Selbstref lexion über den Status der Kunst, weiteten die Künstler so ihr Engagement auf andere, gesellschaftliche Bereiche aus. Im Jahr von Rauschenbergs venezianischem Siegeszug, 1964, wurden in der Ausstellung »All-

Art. Hyperrealismus, Ausst.-Kat., Klagenfurt, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in der Stadtgalerie Klagenfurt, 2001, S. 17-34, S. 22. 96 | Vgl. Restany, Pierre: Die Neuen Realisten. In: Harrison / Wood 2003, Bd. II, S. 871-872, S. 871. 97 | Beeindruckendes Beispiel hierfür stellen die glänzenden Karosserien in Gemälden Don Eddys dar, wobei die Präzision in den amerikanischen Bildern häufig in eine irritierende Überschärfe umkippt. – Vgl. Neysters 1979, S. 49. – Der genuin amerikanische Realismus wurde in Europa erst mit dessen Präsentation auf der fünften documenta 1972 bekannt. – Vgl. Franzen, Brigitte, Schultz, Anna Sophia: Closer than Fiction. Rundgang durch die Ausstellung Hyper Real. In: dies. (Hg.): Closer than fiction. Amerikanische Bildwelten um 1970. Publikation anlässlich der Ausstellung »HyperReal: Kunst und Amerika um 1970«, Aachen, Ludwig Forum Aachen, 2011. Köln 2011, S. 12-31, S. 18. 98 | Zur Abgrenzung der oft uneindeutig verwendeten Begriffe »Nouvelle Figuration«, »Figuration Narratve« und »Figuration critique« vgl. Chalumeau, Jean-Luc: La nouvelle figuration. Une histoire de 1953 à nos jours. Figuration narrative, jeune peinture, figuration critique. Paris 2003. 99 | Vgl. Syring 1986, S. 100-109. 100 | So stellt Peter Klasen leinwandfüllend Details der menschlichen Umwelt dar, die in der alltäglichen Wahrnehmung untergehen. Die technische Perfektion der sich an einer fotografischen Vorlage orientierenden Malerei lässt die glatte Oberfläche der Gegenstände bedrohlich wirken. – Vgl. Chalumeau 2003, S. 87.

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tägliche Mythologien«101 im Pariser ARC Vertreter der französischen Linie der »Nouvelle figuration« amerikanischen Pop-Art-Künstlern gegenüberstellt. Zumindest aus heutiger Perspektive erscheint diese Ausstellungskonzeption hinsichtlich der französischen Kulturpolitik wie ein erneutes Kräftemessen zwischen altem und neuem Machtzentrum der Kunstproduktion. Thematisch verwies die französische Ausstellung mit ihrem »paradoxe[n]«102 Titel auf Barthes’ »Mythen des Alltags«103, in welchem der Autor die Deformierung von Bildern und Worten durch die Medien zur Produktion eigener Wahrheiten analysierte.104 Die in der Ausstellung vertretenen Künstler wendeten sich verstärkt politischen Themen zu und erteilten somit der Rolle eines stummen Illustrators solcher alltäglicher Mythen eine klare Absage. Angesichts dieser neuen Form politisch engagierter Historienmalerei schrieb der französische Schriftsteller und Kritiker Alain Jouffroy: Les fabuleux mensonges des grands peintre – ceux de Vinci, ceux de Rubens, mais aussi les mythologies plus personnelles de Gauguin, de Redon, de Picasso – n’ont fait que retarder le plus possible l’idée, toute moderne en peinture, de l’impuissance de l’individu dans le mouvement historique. A la limite, c’est par la peinture qu’on se rend le plus directement compte de la perpétuelle agonie où chacun survit à soi-même, et où chacun s’invente des barricades de fantasmes pour résister au rouleau-compresseur du mouvement qui tend, partout, à écraser les individus.105

Arbeiten wie Leonardo Cremoninis »Algerisches Algerien« (1961) und Bernard Rancillacs »U.M. Nr. 11 (À la mémoire d’Ulrike Meinhof )« (1977-1979) weisen bereits im Titel das individuelle Engagement der Maler innerhalb einer sie betreffenden Gesellschaft aus. Deutlich wendeten sie sich damit von einer bürgerlich überkommenen »L’art pour l’art«-Auffassung ab, die die Freiheit der Kunst lediglich in

101  |  Vgl. Ausst.-Kat., Mythologies Quotidiennes, Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1964. – Die Ausstellung wurde auf Anfrage der beiden Künstler Hérvé Télémaque und Bernard Rancillac vom jungen Kunstkritiker Gérald Gassiot-Talabot organisiert. – Vgl. Chalumeau 2003, S. 18. – 1977 erfolgte eine zweite Ausstellung desselben Titels, in dem die zwischenzeitlichen Entwicklugen der realistischen Malerei überprüft wurden. – Vgl. Ausst.Kat., Mythologies Quotidiennes 2, Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1977. 102 | Vgl. Gassiot-Talabot, Gérald: Le Double des mythologies quotidiennes. In: Ausst.-Kat. Paris 1977, o. S. 103 | Barthes 2013; vgl. Kapitel 3.1.3. 104 | Vgl. Syring 1986, S. 104. 105 | »Die fabelhaften Lügen der großen Meister – die von da Vinci, von Rubens, aber auch die persönlicheren Mythologien von Gauguin, Redon und Picasso – haben immer nur so gut wie möglich eine Idee aufgeschoben, die ganz neu ist in der Malerei, nämlich die vom Unvermögen des Einzelnen im geschichtlichen Ablauf. Letztlich wird man sich erst durch die Malerei der wirklichen Agonie bewusst, in der sich jeder selbst überlebt und in der jeder sich Barrikaden der Phantasie erbaut, um der Dampfwalze von Bewegung Widerstand zu leisten, die überall versucht, die Individuen zu zermalmen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Jouffroy, Alain: De l’individualisme révolutionnaire. Paris 1975, S. 253.

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dem ihr zugestandenen, abgeschotteten Freiraum realisierte und den Kult des Autors sowie die von ihm ausgehenden Machtgefüge beibehielt.106

3.2.2 Problematisierung der Autorschaft bei der Suche nach neuen Zeichen Unmittelbar mit der Frage nach der sozialen Funktion des künstlerischen Werks war dementsprechend die Frage nach dessen Urheber, seiner Position und Rolle innerhalb der Gemeinschaft, verbunden.107 So wurde die von den Geisteswissenschaften theoretisch vorangetriebene Dezentralisierung des Autors im Bereich der Bildenden Kunst in künstlerische Praxen transformiert und in neuen Autorkonzeptionen erprobt. 1962 gründete Andy Warhol in New York seine erste »Factory«, in der mit Hilfe von Reproduktionstechniken der Massenfabrikation Kunstwerke in seinem Namen hergestellt wurden.108 Durch die Gleichsetzung industrieller Herstellungsverfahren mit dem Akt künstlerischer Schöpfung kappte Warhol nicht nur die bedeutungsgeladene Verbindungslinie zwischen Schöpfer und Schöpfung, er löste auch seine eigene Person von seinem Namen und ließ diesen als ökonomischen Faktor des Kunstmarktes, als wertsteigernde Marke offensichtlich werden. »Warhol« wurde zur Personifikation der Künstlerfigur mitsamt der an sie gehafteten Klischees und Erwartungen.109 Zelebrierte Warhol damit scheinbar die individuelle Künstlerpersönlichkeit, arbeitete er zugleich an der Demaskierung des Mythos. Als komplementäre Position hierzu gewann in der öffentlichen Debatte die Gruppenbildung als Mittel der Meinungsäußerung nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend Bedeutung. Das Kollektiv in der Kunst kannte dabei viele Gesichter.110 Neben der kunstkritischen Praxis, zeitgenössische Entwicklungen zu erkennen und zu benennen, woraus wie im Fall der französischen Nouveaux Réalistes oder der italienischen Arte Povera111 mehr oder weniger klar umrissene Künstlergrup106 | Vgl. Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (a), S. 18. 107 | Vgl. Hascher, Xavier (Hg.): Du droit à l’art. Paris 2011. 108 | Vgl. Lavigne, Emma: Silver Factory. In: Ausst.-Kat., Warhol Underground, Metz, Centre Pompidou, 2015, S. 4-5, S. 5. – Die kollektive Herstellung künstlerischer Werke lässt Analogien zum neuzeitlichen Werkstattbetrieb, in dem Schüler und Mitarbeiter an der Ausführung der Meisterwerke beteiligt waren, aufscheinen. – Zum Werkstattbetrieb vgl. exemplarisch Höper, Corinna: Raffael: Die Stuttgarter Raffael-Zeichnung: Über die Grenzen der »Händescheidung«. In: dies. (Hg.): Raffael und die Folgen. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit, Ausst.-Kat., Stuttgart, Staatsgalerie, Graphische Sammlung, 2001, S. 23-50, S. 25-28. 109 | Ausdruck findet dieses Thema in den vielzähligen Selbstporträts des Künstlers. – Vgl. Kraus, Karola (Hg.): »Jeder Künstler ist ein Mensch!« Positionen des Selbstportraits, Ausst.Kat., Baden-Baden, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 2010-2011. 110 | Zur Geschichte der Gruppenbildung in Politik, Gesellschaft und Kunst sowie zur semantischen Begriffsentwicklung vgl. Geldmacher, Pamela: Re-Writing Avantgarde. Fortschritt, Utopie, Kollektiv und Partizipation in der Performance-Kunst (zugl. phil. Diss. Düsseldorf 2015), Bielefeld 2015, S. 215-228; Müller-Jentsch 2011, S. 109-137. 111 | Der Begriff »Arte Povera« geht auf den Kunstkritiker und Kurator Germano Celant zurück, der mit dieser Bezeichnung 1967 eine Gruppe junger italienischer Künstler zusam-

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pen entstehen konnten, erlebte der manifestierte Künstlerbund in den 1960er Jahren erneute Konjunktur. Hatte Charles Baudelaire noch in seiner kunstkritischen Schrift über den »Salon de 1846« die zunehmende Bedeutung des künstlerischen Individuums als Bedrohung der kollektiven Kunst der Malerei anprangert,112 ist in der Kunstgeschichte der Zusammenschluss gleichgesinnter Künstler als verbreitetes Phänomen gerade seit den romantischen Bruderschaften und Künstlerkolonien des 19. Jahrhunderts bekannt.113 Je nach Vereinigung werden dabei stilistische, kunsttheoretische und kunstsoziologische Überzeugungen in unterschiedlicher Gewichtung miteinander geteilt. Daher wurde insbesondere mit den modernistischen Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts die schriftliche Absichtserklärung in Form von Manifesten gebräuchlich.114 Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich das Manifest in unterschiedlichen Ausformungen zunehmend von einer konstituierenden Programmschrift zu einem Ort der Verhandlung, an dem in gegenseitigem Abtausch verschiedene Ansätze und Disziplinen gegeneinander antraten.115 Auch das Verhältnis von künstlerischem Individuum und Gemeinschaft wurde hier zum Diskussionspunkt. In Paris, dem Zentrum der poststrukturalistischen Theorie, schlossen sich 1966 die vier jungen Künstler Daniel Buren, Olivier Mosset, Michel Parmentier und Niele Toroni zur Gruppe B.M.P.T. zusammen. Das Akronym bildete sich aus den Initialen der Mitglieder.116 Am 3. Januar 1967 gaben sie ihre erste Manifestation bei der Vernissage des 18. »Salon de la Jeune Peinture« in Paris. Zunächst verteilten sie menfasste. Celant reiht sich in eine neue Form der Kunstkritik nach dem Zweiten Weltkrieg ein. So wurde etwa der Begriff »Minimal Art« erstmals im Januar 1965 vom amerikanischen Kunstphilosophen Richard Wollheim in einem Artikel für das Art Magazine verwendet. Allerdings bezieht er sich dabei auf eine allgemeinere Entwicklung der Künste innerhalb des 20. Jahrhunderts. Ohne eine eigene Bezeichnung einzuführen, übernahmen dann Kunstkritiker den Namen für die Gruppe an Künstlern, die heute noch als Minimalisten rezipiert werden. – Vgl. Stemmrich, Gregor: Vorwort. In: ders. (Hg.): Minimal Art – eine kritische Retrospektive. Dresden /  B asel 1995, S. 11-30, S. 12-13. 112 | Baudelaire, Charles: Salon de 1846. Paris 1846, S. 124, online unter: http://gallica. bnf.fr/ark:/12148/btv1b8626546p/f15.image.r=.langFR (letzter Aufruf: 19.1.2016). 113 | Die Künstlergruppierungen dieser Zeit bildeten sich häufig als Gegengewicht zur bürgerlichen Vereinstradition. Da sie zumeist ästhetisch-programmatische Ziele in den Vordergrund stellten, unterschieden sie sich deutlich von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Organisationen in Malergilden oder Bauhütten. Zu den verschiedenen Formen und begrifflichen Abgrenzung künstlerischer Gruppenbildung sowie ihren differenzierenden Merkmalen vgl. Müller-Jentsch 2011, insbes. S. 109-119. 114 | Raoul Haussmann betonte 1923 die Problematik des Manifests als Form verbindlicher Aussage, obwohl sich die Manifestierenden der Einlösung ihrer Versprechen nicht gewiss sein können. Als einzige Äußerungsmöglichkeit angesichts der alle Menschen betreffenden Missstände akzeptierte er die Manifestation jedoch als notwendigen Akt. – Vgl. Asholt /  F ähnders 1997, S. 1; Kapitel 1.2. 115 | Vgl. Seyfert, Robert: Avantgardistische Manifeste: Anti-Historismus, Retro-Historismus, Trans-Historismus. In: Poole, Ralph J., Kaisinger, Yvonne Katharina (Hg.): Manifeste. Speerspitzen zwischen Kunst und Wissenschaft. Heidelberg 2014, S. 23-34. 116 | Vgl. Syring 1986, S. 44, S. 56-60.

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Flugblätter, in denen sie mit der Aufzählung unterschiedlicher Definitionen der Tätigkeit und Funktion des Malens ihre Schlussfolgerung: »Wir sind keine Maler«117 begründeten. Dann begannen sie gleichzeitig vor Ort und inmitten der Besucher ihre Werke anzufertigen und sie wild verteilt an die Wände zu hängen. Über die gesamte Dauer des Ereignisses spielte ein Tonband in Endlosschleife in drei Sprachen den Satz: »Buren, Mosset, Parmentier, Toroni raten Ihnen klug zu werden.«118 Kurz vor Ende der Ausstellungseröffnung fand die zweite Manifestation statt: die Künstler nahmen ihre Arbeiten wieder ab und ersetzten sie durch einen beschrifteten Stoff banner, der bis zum Ende des Salons verkündete: »B.M.P.T. stellen nicht aus«119. Daraufhin verließen sie die Ausstellung. Mehrmals wiederholten B.M.P.T. derlei »frustrierende«120 Präsentationen. Dabei bauten die Künstler auf eine Strategie, die Provokation und Frustration des Publikums kombinierte. Wie Marinetti bereits in seinem Text »Das Varieté-Theater« von 1913 erläutert hatte, sollten ästhetische Schockmomente zur Aktivierung der Rezipienten dienen.121 Bei B.M.P.T. gründete dieser Schock ähnlich wie in einem Stück absurden Theaters vorrangig auf der Unterbietung der Zuschauererwartung.122 Ziel ihrer spöttischen Kritik am antiquierten Kunstsystem und der wiederholten Enttäuschung des Besuchers ihrer Manifestationen war es, diesen auf die Notwendigkeit eines Neubeginns sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten vorzubereiten. Für die anvisierte Erneuerung der Malerei bedurften sie unverbrauchter, nichtkonnotierter Zeichen. Daniel Buren verwendete zu diesem Zweck 8,7 cm breite farbige Streifen auf weißem Grund. Toroni fand für sich den farbigen Abdruck eines Pinsels Nr. 50 in gleichmäßigen Abständen von 30 cm. Die Spur der Pinselborsten bildet ein absolutes Zeichen, in dem 117 | »Nous ne sommes pas des peintres« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Buren, Daniel: Les Écrits. 1965-1990. Bordeaux 1991, S. 21. 118 | Zitiert nach: Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 317. 119 | »B.M.P.T. n’exposent pas« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Dagen, Philippe, Hamon, François (Hg.): Histoire de l’Art, 6 Bde., Bd. 4: Époque contemporaine. XIXe – XXe siècle. Paris 1995, S. 542. 120 | Dagen /  H amon 1995, Bd. 4, S. 542. 121 | Vgl. Fischer-Lichte, in: Wirth 2002, S. 283-284. 122 | Die in Frankreich fußende Entwicklung des absurden Theaters baut auf der avantgardistischen Sprengung klassischer Theaterstrukturen, wie sie von Alfred Jarry mit seinem Stück »Ubu Roi« (UA 1896) erstmals vor Publikum gezeigt wurde. In der Fortentwicklung der 1950er Jahre verlagern die Vertreter des absurden Theaters entsprechend der zeitgenössischen existentialistischen Philosophie den Fokus vom Schock durch Tabubruch auf die Frustration des Publikums durch die Verwerfung jeglicher Logik in zusammenhanglosen Szenen, sinnlosen Dialogen und räumlichen wie zeitlichen Sprüngen. Scheitern und Verzweifeln werden zu neuen Leitthemen der Dramatiker. – Vgl. Daus, Ronald: Das Theater des Absurden in Frankreich. Stuttgart 1977, insbes. S. 37-114. – Insbesondere die zweite Ausstellung von B.M.P.T., die im Juni 1967 im Pariser Musée d’Arts décoratifs stattfand, belegte die geplante Erwartungsenttäuschung als Strategie des Kollektivs. Wie bei einer Theateraufführung mussten die Besucher für die Ausstellung Eintritt bezahlen. Im Museum waren lediglich dieselben vier Leinwandarbeiten, die bei der ersten Manifestation im Salon de la Jeune Peinture im Januar vor Publikum entstanden waren, zu sehen. Es handelt sich hierbei um die einzigen Kunstwerke der Gruppe. Den Besuchern wurde ein Blatt mit einer genauen Beschreibung des Werks ausgehändigt, ansonsten geschah nichts. – Vgl. Syring 1986, S. 58.

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Form und Inhalt, Erscheinung und Bedeutung zusammenfallen. Der Abdruck hat keine Referenz, bedeutet nichts als das Nachleben der malerischen Geste auf dem Malgrund. Die Provokation der Bilder besteht hingegen gerade darin, dass dieser Geste kein individueller Ausdruck mehr innewohnt, sie ist nicht länger Spur einer künstlerischen Fertigkeit. Als im Winter 1967 anlässlich einer Galerieausstellung der Gruppe jedoch ein jedes Mitglied seine Unterschrift unter die Arbeit eines anderen setzen sollte, verweigerte sich Parmentier und stieg aus der Gruppe aus. Diese existierte nur wenige Zeit als »B.M.T.« weiter.123 Ursprüngliche Absicht von B.M.P.T. war es gewesen, den überholten Kulturapparat anzugreifen und die darin verfestigte Beziehung zwischen Rezipient, Werk und Künstler zu erneuern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte das konventionelle Kunstwerk demontiert werden, in dem sie die hierarchische Trennung von Künstler und Betrachter durch Spezialwissen und handwerkliche Könnerschaft verankert sahen.124 Eine notwendige Konsequenz zur Untergrabung des Kunstsystems und seinen Vermarktungsmechanismen war für sie daher die Anonymität des Urhebers. Deren letzte Stringenz trat allerdings in Opposition zum persönlichen Besitzanspruch des einzelnen Künstlers an der eigenen Kreation sowie zu seiner »Selbstauffassung«125. Immerhin hatte der Name der Gruppe von vornherein den akronymischen Verweis auf die einzelnen Künstlerindividuen bewahrt. In der Folge wurde der Widerspruch zwischen konzeptuellem Anspruch und tatsächlicher Praxis jedoch noch deutlicher, denn nach der Auflösung von B.M.P.T. behielten Toroni und Buren ihre einmal gefundene Bildsprache bei. Sollten ihre individuellen Bildzeichen anfänglich eine neue, referenzlose Sprache der Malerei konstruieren, sind sie im Gegenteil dazu inzwischen zu einer Art Signatur, dem Markenzeichen des jeweiligen Künstlers, geworden und damit hervorragend für den kulturellen Konsum geeignet.126

123 | Vgl. Syring 1986, S. 59-60. – Waren die Nouveaux Réalistes von Restany aufgrund stilistischer Analogien in den Einzelwerken zusammengestellt worden, vereinigten sich 1965 Gilles Aillaud, Eduardo Arroyo und Antonio Reclacati für ein einzelnes Gemeinschaftswerk, das als ein Schlüsselbild des Kollektivs auf der IV. Biennale von Paris präsentiert wurde. In dem achtteiligen Bildzyklus »Leben und Sterbenlassen oder: Das tragische Ende von Marcel Duchamp« (1965) begeht die junge Künstlergeneration symbolischen Vatermord am Schöpfer des Readymades. Dessen Sarg wird auf der letzten Bildtafel von Vertretern der amerikanischen Pop-Art und des französischen Nouveau Réalisme unter der amerikanischen Flagge zu Grabe getragen. In Analogie zum Gedanken von B.M.P.T. vereint der Gemäldezyklus die unterschiedlichen Handschriften zu einer homogenen Faktur, die keinen Rückschluss auf die Beteiligung der einzelnen Künstler zulässt. – Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 21-23. 124 | Vgl. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 95. 125 | Laut Peter Bürger tritt im Zuge der poststrukturalistischen Subjektkritik an die Stelle der Eigenschaft Subjektivität, die von einer Person mit Gewissheit besessen wird, eine Definition von Subjektivität als »Schema der Selbstauffassung«, das durch Sozialisation erlernt wird. – Bürger, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2000, S. 51-59, S. 53. 126 | Nach seinem Austritt kritisierte Parmentier die Ineffizienz der Manifestationen vom B.M.P.T., die durch ihre avantgardistische Haltung und Verfahren, schließlich ihr subversives Potenzial zugunsten von Öffentlichkeitswirksamkeit eingebüßt haben. – Vgl. Ausst.-Kat., Douze Ans d’Art Contemporain en France, Paris, Grand Palais, 1972, S. 293-296, S. 296.

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Klare Gegenposition hierzu nahm das in der deutschen Kunstgeschichte nur wenig beachtete Kollektiv »Présence Panchouette« ein, das sich 1969 manifestierte. Die Gruppenkonfiguration aus Kreativen ohne spezifisch künstlerische Ausbildung wechselte ständig, ohne dass dies öffentlich nachvollziehbar gewesen wäre. Denn die Anonymität der Mitglieder wurde von »Présence Panchouette« unbedingt durchgehalten. Dementsprechend erschienen alle Werke ausschließlich unter dem Namen der Gruppe, unabhängig davon, ob sie von der Hand eines Mitglieds stammten oder in Kooperation entstanden waren.127 Wie B.M.P.T. hatte auch das zweite bekannte Künstlerkollektiv Frankreichs lediglich als kurze Erscheinung Bestand: Support / Surface. Seinen Namen fand das Kollektiv auf Bitten Pierre Gaudiberts, dem Direktor des ARC, anlässlich seiner dortigen Ausstellung 1970.128 Er repräsentierte in diesem Fall nicht die einzelnen Mitglieder, sondern verwies auf den gemeinsamen Fokus der Maler: die Oberfläche und den Träger, kurz das bildnerische Material. Denn es waren gerade die materiellen Qualitäten der Malerei, die Support / Surface auf der Suche nach dem Nullpunkt interessierten. Keine Illusion, keine mimetische Darstellung, sondern die vorsprachlichen, ideologisch noch nicht verbrauchten Aspekte des Gemäldes wurden fokussiert. Entsprechend ihrer Gruppenbezeichnung ließen die Mitglieder von Support / Surface durch Faltungen und Flechtungen den Malgrund dreidimensional hervortreten und betonten die textilen Eigenheiten des Leinengewebes, oder stellten wie Daniel Dezeuze in letzter Konsequenz den von der Leinwand befreiten Keilrahmen als tragendes Gerüst des Bildes aus.129 Das Material emanzipierte sich von seiner tradierten Funktion, durch Formung zum Bedeutungsträger zu werden. 127 | Die Werke von Présence Panchouette werden eher den Gattungen Design und urbanistischen Konzepten zugesprochen. – Vgl. Pencenat, Corine: L’auteur en question dans les pratiques artistiques contemporaines. In: Hascher 2011, S. 27-54, S. 29-31. – Das Kollektiv nannte sich zunächst »Internationale Panchouette« und war stark von der situationistischen Theorie beeinflusst. – Vgl. Manifest »Panchouette« (1969) online unter: http:// lamauvaisereputation.free.fr/IMG/jpg/MANIFESTE-PANCHOUNET TE.jpg (letzter Aufruf: 22.1.2016). – 1977 stellte Présence Panchouette bei Éric Fabre in Paris aus, nur zwei Jahre nach Gasiorowskis dortiger Picasso-Ausstellung (s. Kapitel 2.3.2, »Die Geburt Kigas«). Auch, wenn es nicht namentlich in der Akademiefiktion auftaucht, ist davon auszugehen, dass Gasiorowski Kenntnis von diesem anonymen Kollektiv und seiner Produktionsweise hatte. 128 | Zu Support /  S urface gruppierten sich zu diesem Zeitpunkt Vincent Bioulès, Louis Cane, Marc Devade, Daniel Dezeuze, Noël Dolla, Jean-Pierre Pincemin, Patrick Saytour, André Valensi, Bernard Pagès und Claude Viallat. Einzelne Mitglieder hatten bereits früher zusammen ausgestellt und gemeinsame kunsttheoretische Überzeugungen formuliert. So etwa im Katalogtext der Ausstellung »La peinture en question«, die 1969 im Museum von Le Havre stattfand. Bereits 1971 traten Dolla, Grand, Valensi und Viallat aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten aus der Gruppe aus. – Vgl. Syring 1986, S. 68-70; Ausst.-Kat., Support /  S urfaces…et après, Abbaye de Beaulieu, Centre d’Art Contemporain, 2013, S. 5. – Im Nachhinein problematisierten einige Autoren die Gruppenzugehörigkeit einzelner Künstler, die hier genannten Künstler sind aber stets in den Aufzählungen vertreten und werden gegebenenfalls um verwandte Positionen ergänzt. – Vgl. Ausst.-Kat., Support /  S urface, Luxemburg, Galerie Bernard Ceysson, 2014. 129 | Vgl. Syring 1986, S. 54.

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Ein ähnliches Anliegen verfolgten zur gleichen Zeit Vertreter der italienischen Arte Povera. In Reaktion auf die wenige Jahre zuvor von Amerika aus verbreitete industrielle Uniformität »spezifischer Objekte«130 der Minimal Art beabsichtigten die europäischen Künstler mit der Präsentation herkömmlicher Alltagsmaterialien eine Bewusstseinsschulung für deren Geschichte und historische Symbolkraft.131 Ihr dekonstruktivistisches Anliegen formulierte Mario Merz, wenn er sein Vorgehen als ein Entkleiden der Kultur, »um zu sehen, wie sie gemacht ist«132, bezeichnete. Das auf seine Bestandteile zurückgeführte Werk diente als phonetische Basis einer neu zu konstruierenden Sprache der Kunst. Es hatte sich ein neues Bewusstsein für die Arbitrarität von Zeichen generell entwickelt, wodurch ihre konventionellen Bedeutungen fragwürdig wurden. Um dies zu verdeutlichen, stellte der Konzeptkünstler Joseph Kosuth verschiedene Zeichensysteme, die ein und denselben Gegenstand bezeichneten, nebeneinander. In der vergleichenden Gegenüberstellung von Fotografie, realem Objekt und lexikalischer Definition desselben wurde die Existenz unterschiedlicher Semantisierungen jenseits der Sprache offensichtlich.133 Durch deren eklatante Differenz erfuhr der Betrachter die grundsätzliche Problematik eines epistemologischen Vordringens auf Basis konventioneller Codierungen. Neben den Arbeiten der einzelnen Künstler trat die französische Gruppe Support / Surface vor allem durch ein gemeinsames Organ mit kunsttheoretischen Reflexionen an die Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu den zeitgleich entstehenden Werken der Konzeptkunst, nahmen dabei die theoretischen Äußerungen eine neben dem Kunstwerk angesiedelte, separate Stellung ein. Konsequenterweise fand sich in der ersten Ausgabe der im Mai 1971 gegründeten Zeitschrift »Peinture. Cahiers théoriques« daher bis auf eine Zeichnung von Antonin Artaud, keine Abbildung.134 Im Editorial der ersten Ausgabe stellten Support / Surface ihre kunsttheoretischen Gedanken und Konzepte in eine klare sozialpolitische Verpflichtung und benannten die Basis ihrer Überzeugungen als Marxismus-Leninismus und das Denken

130 | So lautet die deutsche Übersetzung eines Essaytitels von Donald Judd aus dem Jahre 1965 über die neuen Tendenzen in der amerikanischen Kunstszene. Als »spezifische Objekte« bezeichnete Judd dabei Arbeiten, deren Kategorisierung als »minimalistisch« er als zu kurz greifend ablehnte. – Vgl. Judd, Donald: Spezifische Objekte [engl. 1965], in: Stemmrich 1995, S. 59-73. 131 | Vgl. Celant, Germano: Arte povera – IM Raum [ital. 1967]. In: Bätzner, Nike (Hg.): Arte Povera. Manifeste, Statements, Kritiken. Dresden [u. a.] 1995, S. 28-33, S. 29. 132 | Mario Merz 1976 zitiert nach: Stabenow, Cornelia: Die Entkleidung der Kultur. Zur Mythologisierung des Materials bei Mario Merz und Jannis Kounellis, in: Ausst.-Kat., Mythos Italien, München, Haus der Kunst, 1988, S. 85-90, S. 86. 133 | Beispielhaft gilt hierfür seine Arbeit »One and three chairs« von 1965. – Vgl. Faust 1977, S. 196. – Hinsichtlich seines Werkverfahrens stellte Kosuth eine Parallele zwischen Wissenschaft und seinen Kunstwerken her. Dieses sei weniger ein reines Produzieren, als vielmehr eine stetige Untersuchung. – Kosuth zitiert nach: Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 315. 134 | Vgl. Artaud, Antonin: »la Maladresse sexuelle de dieu«. Dessin et Commentaire. In: Peinture. Cahiers théoriques, 1 /  1971, S. 33-39, S. 35.

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Mao Tse-tungs.135 Die das Kunstwerk begleitende, unerlässliche Theoriebildung betrachteten die Autoren dabei sogar als Arbeit einer »wirkliche[n] Avantgarde«, die sich nicht in den Dienst des Kunstmarktes stellt und die sie klar absetzten von der mit ihnen identischen Gruppe Support / Surface.136 Wurden Künstlergruppen wie die Nouveaux Réalistes oder Arte Povera durch die Designation eines außenstehenden Beobachters des Kunstmarktes – Kurator oder Kritiker – theoretisch fundiert und zumindest personell vorgeschlagen, nahmen die Mitglieder von Support / Surface eine doppelte Position im Tätigkeitsbereich des Kunstfeldes ein. Als Autoren von »Peinture. Cahier théoriques« traten sie aus der Rolle des künstlerisch Schaffenden an die ihm gegenüberliegende Stelle des wertenden, beurteilenden und vermittelnden Kommentators.137 Die Theoriearbeit der Zeitschrift wurde somit zu einem eigenwertigen, dem Artefakt ebenbürtigen Werk, das schließlich die Gruppe sogar überleben konnte.138 Die zunehmende Konzeptualisierung und Publikation eigener kunsttheoretischer Schriften durch Künstler wie im Falle der »Peinture. Cahiers théoriques« lassen die Grenzen verschiedener Berufe und Professionen im Kunstsektor verschwimmen. Dem entsprach eine Gegenbewegung, in der Kunstkritiker und Kuratoren der Kunstvermittlung zunehmende Bedeutung beimaßen.139 Damit wuchs zugleich der Stellenwert ihrer Tätigkeit als Analysten und Interpreten, die nicht länger am »Diskurs der Kunst [oder am] Diskurs über die Kunst«140 teilhatten, sondern die selbst Diskurse stifteten. Vorläufer dieser künstlerischen Selbstvermarktung sind wiederum in den historischen Avantgarden zu finden.141 Was zu Beginn des Jahrhunderts aus Opposition zum bestehenden Kunstmarkt und der Notwendigkeit einer öffentlichen Plattform realisiert wurde, läutete nach dem Zweiten Weltkrieg einen strukturellen Wandel des Kunstsektors ein, der nicht allein von den Künstlern ausging.142 135 | Vgl. Editorial der Zeitschrift »Peinture. Cahiers théoriques«. In: Syring 1986, S. 7177, S. 71. 136 | Vgl. Editorial der Zeitschrift, in: Syring 1986, S. 71-72. 137 | Syring, Marie Luise: Wunschökonomie – Die Mikrozellen der Emanzipation. In: Ausst.Kat. Düsseldorf 1990, S. 154-158, S. 154. 138 | Die Gruppierung zerfiel bereits nach zwei Jahren. – Vgl. Syring 1986, S. 70. – Die Zeitschrift »Peinture. Cahiers théoriques« erschien noch bis September 1985 in unregelmäßigen Abständen. 139 | Vgl. Brock, Bazon: Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. Köln 1977. 140 | Werber, Niels: Kunst ohne Künstler. Paradoxien der Kunst der Moderne. In: Hellmold [u. a.] 2003, S. 149-162, S. 156. 141 | Vgl. Kapitel 1.2. 142 | Am 21.10.1967 eröffnete Konrad Fischer seinen ersten Ausstellungsraum in Düsseldorf, nachdem er als Konrad Lueg zusammen mit Gerhard Richter und Sigmar Polke an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und Ausstellungen realisiert hatte. Anhand seines Selbst- und Rollenverständnisses als Kunstvermittler, Ausstellungsmacher und Künstler werden Brüche und Zusammenhänge zwischen den Identitäten sichtbar, die das Aufbrechen traditionell begrenzter Aufgabenverteilung zwischen Kulturproduzent und Kulturvermittler offenlegen. – Vgl. Kölle, Brigitte: Die Kunst des Ausstellens. Untersuchungen zum Werk des Künstlers und Kunstvermittlers Konrad Lueg / F ischer (1939-1996) (zugl. phil. Diss. Hildes-

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1969 trat Harald Szeemann als Direktor der Berner Kunsthalle mit der epochemachenden Ausstellung »Live in your heads. When attitudes become form« auf die internationale Bühne des Kunstmarktes.143 Die von ihm konzipierte Überblicksschau zu neuen Tendenzen und Verfahren in der Kunst ist nicht nur aufgrund der dort präsentierten Werke in die Geschichte eingegangen, sondern auch aufgrund des radikalen kuratorischen Zugriffs, der die Künstler nahezu ohne Einschränkung ihre Ideen innerhalb der Institutionsmauern umsetzen ließ. Der Kurator selbst sorgte als »inspirierter Partner« und Begleiter in der Ausstellungsdurchführung dafür, dass das einzelne Kunstwerk in das allgemeine Bewusstsein vordringe.144 Noch im selben Jahr verließ Szeemann die Kunsthalle Bern und generierte mit seiner »Agentur für geistige Gastarbeit« eine neue berufliche Stelle im Ausstellungsbetrieb: den freien Kurator.145 Die Berner Ausstellung trug mit zur Entscheidung bei, Szeemann zum künstlerischen Leiter der fünften documenta 1972 in Kassel zu ernennen. Dort gab er mit dem Untertitel »Befragung der Realität – Bildwelten heute« erstmals eine programmatische Richtung für die documenta vor, die als regelmäßige Überblicksschau zeitgenössischer Kunstentwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen worden war.146 Das thematische Ausstellungskonzept, das die gezeigten Werke in 15 Sektionen einteilte, berücksichtigte die formale und inhaltliche Vielseitigkeit der aktuellen Kunsterscheinungen und wagte den von den Künstlern selbst immer wieder in Frage gestellten Begriff der Kunst durch die ebenbürtige Ausstellung von »Trivialemblematik« oder »Bildnerei von Geisteskranken« aufzuweichen.147 Dennoch, beziehungsweise gerade aufgrund dieser vielteiligen, aber noch immer normierenden Kategorisierungen stieß das Ausstellungs-

heim 2005), Onlinepublikation 2005, unter: opus.bsz-bw.de / u bhi / v olltexte /  2011 / 91/ (letzter Aufruf: 20.1.2016). 143 | Szeemann, Harald: Zur Ausstellung. In: ders. (Hg.): Live in your head. When attitudes become form, Ausst.-Kat., Bern, Kunsthalle, 1969, o. S. 144 | Vgl. Altshuler, Bruce (Hg.): Biennals and Beyond – Exhibitions that made Art History.1962 – 2002. London / N ew York 2013, S. 95. 145 | Vgl. Bismarck 2010, S. 171; Szeemann, Harald: Die Agentur für geistige Gastarbeit im Dienste der Visionen des Museums der Obsessionen (1979). In: ders.: Museum der Obsessionen. Berlin 1981, S. 107-124. – Das Arbeitsmaterial dieses neuen Kuratorentypus sind somit die Werke der Künstler. Neben dieser aneignenden und funktionalisierenden Tätigkeit, ist es vor allem die Tatsache, dass der freischaffende Kurator sich auf dem Arbeitsmarkt ebenso bekannt und interessant machen muss wie der freischaffende Künstler und somit in ein Konkurrenzverhältnis mit diesem tritt. – Vgl. Richter, Dorothee: Zur Geschichte des AusstellungsDisplays. In: Schade, Sigrid (Hg.): Ausstellungs-Displays. Dokumentation zum Forschungsprojekt 2005-2007. Zürich 2007, S. 8-15, S. 13. 146 | Vgl. Lange, Christoph: Vom Geist der documenta. Kunst-Philosophische Überlegungen. In: Glasmeier, Michael (Hg.): 50 Jahre documenta 1955-2005. Göttingen 2005, Bd. II: archive in motion: Documenta-Handbuch, S. 14-25. 147 | Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972. – Vor der letztlich ausgeführten Konzeption der documenta 5 hatte das Planungsgremium aus Harald Szeemann, Bazon Brock, Christophe Ammann, die documenta als 100 Tage dauerndes Ereignis (anstatt des »Museum[s] der 100 Tage«) vorgesehen. Dieses erste »Ereigniskonzept« ist im Archiv der documenta einzusehen: documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 88: Material zum Konzept.

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konzept sowohl bei Galeristen als auch bei Künstlern auf Kritik.148 Am 12. Mai 1972 veröffentlichten zehn amerikanische Künstler einen offenen Brief in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem sie Selbstbestimmung der Künstler über ihr Werk einforderten und sich gegen die Klassifizierung durch den Kurator wehrten.149 Dem Erfolg der documenta 5 sowie der Karriere Szeemanns tat dieser Protest jedoch keinen Abbruch. Vielmehr begründeten beide die Neuinterpretation des Kurators als Autor, dessen Werk die Ausstellung ist.

3.2.3 Auseinandersetzung mit den Institutionen Restany schrieb: »Die neuen Realisten betrachten die Welt als Gemälde, das große grundlegende Werk, dessen Fragmente, voll von umfassender Bedeutung, sie sich aneignen.«150 Hatten Vertreter der Pop-Art und des Neuen Realismus Alltag als Kunst in die Museen getragen, kratzten Vertreter von Fluxus an den Mauern der Institutionen, um Kunst nicht länger von Leben abzuschotten.151 Die radikale Forderung ihres Begründers, George Maciunas bestand in der vollkommenen Identifizierung von Kunst und Leben im Sinne einer klassenlosen, gleichberechtigten Gesellschaft.152 Ansatzpunkt für die Überführung von Kunst in die Lebenswelt war 148 | So unterstellte der Galerist Rudolf Zwirner, der selbst bei der zweiten documenta Assistent von Arnold Bode gewesen war, dem Leiter der fünften documenta eine reaktionäre Geisteshaltung. – Vgl. documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 114; Scharf, Friedhelm: Zur Geschichte der documenta 5 – Eine quellenkundliche Revue. In: Nachtigäller, Roland (Hg.): Wiedervorlage d5. Eine Befragung des Archivs der documenta 1972, Ausst.Kat., Kulturdezernat /  d ocumenta-Archiv im Fridericianum, Kassel, 2001, S. 22-39, S. 31. 149 | Ein Ausschnitt aus dem offenen Brief ist in Lawrence Alloways Text für die Zeitschrift »Artforum« im Okober 1972 reproduziert. – Vgl. Alloway, Lawrence: »Reality«: Ideology at D5. In: Artforum, 10 /  1972, S. 30-36, S. 31. – Als Konsequenz aus ihrem Schreiben zogen einige der signierenden Künstler ihre Arbeiten aus der Ausstellung zurück. Darunter auch Robert Smithson, der jedoch einen Text im Katalog der documenta 5 als institutionskritische Stellungnahme veröffentlichte. In diesem klagt er die dort realisierte »Kulturbeschränkung« an. Seine Darstellung steht dabei der Selbstdefinierung des freien Kurators diametral entgegen: »Die Funktion des Aufseher-Kurators ist, die Kunst vom Rest der Gesellschaft zu isolieren. Danach kommt die Integration. Erst wenn das Kunstwerk völlig neutralisiert, wirkungslos, abstrahiert, ungefährlich und politisch lobotomisiert ist, ist es so weit, dass es von der Gesellschaft konsumiert werden kann.« – Vgl. Smithson, Robert: Cultural Confinement. In: Ausst.-Kat. d5 1972, Bd. I, S. 17.74; Erstveröffentlichung auf Englisch vgl. Artforum, 10  /  1972, S.  39. 150 | »Zweites Manifest des Nouveau Réalisme. Bei Vierzig Grad über Dada.« In: Kat. Köln 1981, S, 246-247, S. 247. 151 | Allan Kaprow, der mit seinem Environment »18 Happenings in 6 Parts« (1959) den Begriff des »Happening« eingeführt hat, spricht davon, die Linie zwischen der Kunst und dem Leben so durchlässig und unbestimmt wie möglich zu halten. – Vgl. Kaprow, Allan: Untitled guidelines for happenings (1965). In: ders.: Assemblage, Environments and Happenings. New York 1966, S. 188-189. – Zur Geschichte von Happening und Fluxus vgl. Becker, Jürgen, Vostell, Wolf: Happening, Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme. Reinbek 1965. 152 | Als Theoriestifter stand George Maciunas der Fluxusbewegung Pate. Diese bestand aus einem internationalen Netzwerk von Künstlern, zu denen unter anderem Wolf Vostell,

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erneut das Kunstwerk. In Kenntnis der Readymades von Marcel Duchamp bestand eine Strategie der Fluxuskünstler in der Überschwemmung des Marktes mit kostengünstigen Editionsobjekten. Diese waren nicht nur im Interesse eines demokratischen Kunstmarktes für eine große Anzahl an Käufern erschwinglich und wirkten dadurch zugleich den unklaren Preisentwicklungen des Kunstmarktes entgegen. Sie nahmen darüber hinaus dem Werk die Aura des Singulären sowie den daraus resultierenden Fetischcharakter.153 In diesem Sinne bewertete Maciunas auch die künstlerische Signatur als überflüssig und selbstherrlich.154 In einem weiteren Schritt wurde das in der bürgerlichen Ästhetik als entitätisches Objekt definierte Kunstwerk in Aktionen aufgelöst, bei denen sich die verschiedenen Gattungen von Musik, Tanz, Literatur und Bildender Kunst vermischten. Das ephemere Erlebnis war nicht als Ware fassbar und die rare fotografische Dokumentation sowie mediale Verbreitung erschweren bis heute eine Rekonstruktion und somit die retrospektive Konsumierbarkeit der Ereignisse.155 Die Aktionen und Happenings der Fluxuskünstler und der Düsseldorfer Gruppe Zero standen zusammen mit amerikanischen Entwicklungen, die in den 1950er Jahren vom Black Mountain College ausgingen, an der Wurzel einer Neubewertung und Ausdifferenzierung der Performance als eigenständiger Kunstgattung.156 Im Gegensatz zur klassischen Als-ob Situation auf der Theaterbühne, die von einem passiven Zuschauer verfolgt wird, wurde hierin das Medium der Aufführung als eine von Zuschauer und Akteur gemeinsam erschaffene Situation der Realitätserfahrung aufgefasst.157 Dementsprechend spielte der Körper eine wichtige Rolle als Ausdrucks- und Erfahrungsmedium. Während der weibliche Körper in Yves Kleins »Anthropometrien« (1960) zum lebendigen Pinsel wurde, erklärte sich der Künstler Ben Vautier in Anlehnung an Piero Manzonis »Lebende Skulpturen« (1961) kurzerhand selbst Joseph Beuys, Nam June Paik, Robert Rauschenberg, John Cage, Emmett Williams, Robert Filliou, Yves Klein, Ben Vautier zählten. Zur Entstehung, Entwicklung und Verbreitung von Fluxus existiert umfangreiche Forschungsliteratur. Eine ausführliche Bibliografie beinhaltet der 2013 in der Staatsgalerie Stuttgart erschienene Ausstellungskatalog: Ausst.-Kat., Fluxus! ›Antikunst‹ ist auch Kunst!, Stuttgart, Staatsgalerie Stuttgart, 2012, S. 149-154. 153 | Vgl. Ullrich, Wolfgang: Kunst als Arbeit? In: Hellmold [u. a.] 2003, S. 163-176, S. 169. 154 | Vgl. Zitat aus einem Brief von George Maciunas an Tomas Schmit (Januar 1964), in: Hendricks, Jo: Fluxus aufdecken – Fluxus entdecken. In: Kellein, Thomas (Hg.): Fluxus, Ausst.-Kat., Basel, Kunsthalle, 1994, S. 119-136, S. 119. 155 | Vgl. Graevenitz, Antje von: Sprache ergreift Materie – Das Festum Fluxorum Fluxus in Düsseldorf 1963. In: Buschmann, Renate (Hg.): Fotos schreiben Kunstgeschichte, Ausst.Kat., Düsseldorf, Museum Kunst Palast, 2007-2008, S. 66-86, S. 68. 156 | Vgl. Wiese, Stephan von: Brennpunkt Düsseldorf – eine Chronik. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 10-18, S. 12. – Zur Abgrenzung der verschiedenen Stränge und Definitionen von Performance in den Kulturwissenschaften vgl. Wirth 2002; Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen. Frankfurt a. M. 2004. – Zur historischen Entwicklung der Performance in Theater und Bildender Kunst vgl. Goldberg 1990; Wick, Rainer: Zur Theorie des Happenings (1. Teil). In: Kunstforum international, 8-9 /  1973-74, S. 106-144. 157 | Erika Fischer-Lichte beschreibt mit dem Terminus der »Liveness« wie in der Performance die reale Kopräsenz von Körpern im real erfahrenen Raum entgegen der zunehmend medial vermittelten Kultur in intensiver Weise erlebbar wird. – Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 114-115.

Der sozial- und kulturpolitische Kontext der Institutionsfiktionen

zur Kunst.158 Als spezielle Ausformung dieser Entwicklung kann die Entstehung der sogenannten »Body Art« ab Mitte der 1960er Jahre gesehen werden. Hierbei wird in der Regel der Künstlerkörper zum Werkobjekt und Schauplatz performativer Handlungen. Häufig fügten sich die Künstler dabei bewusst Verletzungen zu, um in Rückgriff auf kulturelle und religiöse Rituale kathartische Wirkung zu erzeugen. Wie Fischer-Lichte anschaulich analysiert, erzeugt der Gegensatz von Kunst und Wirklichkeit, in diesem Fall von künstlerischer Rahmung und wirklichen Verletzungen sowie den dadurch ausgelösten Schmerzen einen liminalen Zustand, der wie in einem Initiationsritual zur Transformation aller Beteiligten führen kann.159 Des Weiteren verließen die Künstler mit ihren Performances, Happenings, Aktionen und Installationen in einem bedeutenden Schritt die konventionellen Einrichtungen des Kunstmarktes und damit das wertdefinierende Diskursfeld. Die sich Ende der 1960er Jahre in den USA formierende Land Art war in ihrem Versuch, den Vermarktungsmechanismen des Kunstbetriebs, seiner Inbesitznahme des künstlerischen Werks und den institutionellen Zugangsbeschränkungen zu entkommen, von besonderer Radikalität gekennzeichnet.160 Ihre Werke waren außerhalb der menschlichen Zivilisation in der freien Natur angesiedelt. Dabei handelte es sich nicht mehr um Objekte, sondern um ortsspezifische teilweise großflächige Eingriffe in landschaftliche Gebiete. Diese waren wie Robert Smithsons »Spiral Jetty« (1970, Abb. 29) dem permanenten Witterungseinfluss ausgesetzt oder wie Walter de Marias »Mile long Drawing« (1968) nur auf kurze Dauer ausgelegt.161 Die 158 | Zu Yves Klein »Anthropometrien« und den darin verhandelten Körperbildern vgl. Morineau, Camille: De l’imprégnation à l’empreinte, de l’artiste au modèle, de la couleur à son incarnation. In: Ausst.-Kat., Yves Klein. Corps, couleur, immatériel, Paris, Centre Georges Pompidou, 2006, S. 120-129. – »Ben=Art« lautete 1973 der Titel einer Ausstellung im Stedelijk Museum, Amsterdam, vgl. Ausst.-Kat., Art is equal to BEN, Amsterdam, Stedelijk Museum, 1973. – Ab 1961 stellte Manzoni seine »Lebenden Skulpturen« her, indem er auf Sockel posierende Personen mit dem Auftrag seiner Signatur auf einer Körperstelle oder einem Bekleidungsstück zu Kunstwerken erklärte. Die ersten »Prototypen« entstanden in einem Filmstudio an nackt posierenden Frauen, die in ihren Haltungen an klassische Skulpturen erinnerten. – Vgl. Engler, Martin (Hg.): Manzoni. Als Körper Kunst wurden, Ausst.-Kat., Frankfurt a. M., Städel Museum, 2013, S. 33-35. 159 | Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 305-314, insbes. S. 307; zur Bedeutung des Rituals in der Kunst-Performance vgl. ferner Goldberg 1990, S. 156-167. 160 | Vgl. Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 310-313. – Der Begriff der Land Art hat sich in Deutschland durch den gleichnamigen Film, der im April 1969 im öffentlichen Fernsehen übertragen wurde, eingeprägt. In den USA existieren unterschiedliche Bezeichnungen für die dort entstandene Strömung, worunter sich vor allem der Begriff »Earth Art« durchgesetzt hat. – Vgl. Schramm 2014, S. 9. – Es ging den Künstlern dabei sowohl um die ostentative Abkehr vom kapitalistischen Kunstmarkt, durch die die Definitionshoheit des Künstlers über sein Werk gesichert werden sollte als auch um die Schaffung einer neuen Art von Kunstwahrnehmung. – Vgl. hierzu ferner Kellein, Thomas: Get that bulldozer away from my child. Zur Entstehungsgeschichte der Land Art. In: ders. (Hg.): 1968. Die große Unschuld, Ausst.-Kat., Bielefeld, Kunsthalle, 2009, S. 314-341. 161 | Samantha Schramm hat in ihrer Dissertation die Wandlungen im Konzept der Ortsspezifizität durch die mediale Übertragung und Konservierung verschiedener Land Art Arbeiten untersucht. – Vgl. Schramm 2014.

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Veränderung des Werks war dessen Konzept folglich inhärent, wodurch der Künstler nur als Initiator eines künstlerischen Prozesses antrat, die Natur hingegen zum Bildner und Ikonoklast wurde.162 Für den Rezipienten war der Wunsch, diese Werke zu betrachten bisweilen mit langen und mühevolle Anreisewege verbunden, wobei einige Künstler die körperliche Anstrengungen der Reise ähnlich einem Initiationsritus als Teil der ästhetischen Erfahrung ansahen.163 Dennoch haben auch diese Werke letztlich ihren Weg zurück auf den Kunstmarkt gefunden. So sind ihre Repräsentationen in Form von fotografischen Dokumentationen, materiellen Spuren, schriftlichen Kommentaren, Korrespondenzen, Entwurfsarbeiten oder Planungsskizzen inzwischen vollkommen in das ökonomische System integriert worden.164 Die in der vorliegenden Untersuchung fokussierten »fiktiven Institutionen« nahmen wie die Land Art am Wendepunkt der 1960er zu den 1970er Jahren ihren Ausgangspunkt. In der seither erschienenen Forschungsliteratur herrscht dabei Konsens, dass das neue Jahrzehnt sowohl kulturpolitisch als auch hinsichtlich der künstlerischen Produktion nach dem Aufruhr eine Phase der Konsolidierung und den Rückzug in die private »Nische«165 einführte.166 Während 1972 die große Pariser Retrospektive »1972 – Douze Ans d’Art Contemporain en France« den identitätsstiftenden nationalen Kulturbegriff erneut bekräftigte,167 betonte Harald Szeemann mit seiner documenta-Sektion »Individuelle Mythologien« im selben Jahr die exemplarische Qualität der individualistischen Kreation auf internationaler Ebene.168 Die auf seiner Begriffsfindung beruhende Abteilung beschrieb Szeemann im Vorwort zum documenta-Katalog »als Feld subjektiver Mythenbildung mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit durch die bildnerische Formulierung.«169 Da die fünfte documenta einen starken Akzent auf die Aufgabe der Didaktik und Vermittlung der Ausstellung legte,170 wurde am Eingang des Fridericianums eine von Bazon Brock erstellte Ton-Dia-Show als »Audiovisuelles Vorwort« gezeigt, in dem es um die Frage ging, wie »Kunst als Beispielsbereich mit der Wirklichkeitsproblematik unseres 162 | Beispielsweise kann die Rolle de Marias für sein Œuvre »Lightning Field« (1977) als Regisseur bezeichnet werden, der die natürlichen Kräfte in Szene setzt und das Aufeinandertreffen von Himmel und Erde zur Schau stellt. In Rücksicht auf das häufig thematisierte Motiv der Erhabenheit der Natur, die beispielsweise in der relationalen Darstellung des menschlichen Körpers und der ihn umgebenden Landschaft Ausdruck findet, scheint diese Interpretation treffender als die Bezeichnung des Künstlers als »kritischen Schöpfer« nach Uwe Schneede. – Vgl. Schneede 2001, S. 231. 163 | Vgl. Schramm 2014, S. 51. 164 | Vgl. Schramm 2014, S. 92-100. 165 | Glaser 1989, S. 103. 166 | Vgl. Metken 1977, S. 11; Faulstich, Werner: Gesellschaft und Kultur der siebziger Jahre: Einführung und Überblick. In: ders. (Hg.): Die Kultur der Siebziger Jahre. München 2004, S. 7-18, S. 7. 167 | Vgl. Clair, Jean: Nouvelles tendances depuis 1963. In: Ausst.-Kat. Paris 1972, S. 6777. 168 | Szeemann, Harald: Individuelle Mythologien, in: ders. 1981, S. 87-92, S. 89. 169 | Szeeman in: Ausst.-Kat. d5 1972, S. 10-11. 170 | Vgl. Brock, Bazon, Krings, Karl Heinz: Audiovisuelles Vorwort (AVV). In: Kat. d5 1972, S. 2.0-2.1.

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Lebens fertig wird.«171 Die »Individuellen Mythologien« waren demnach beispielhafte Konzepte und Konstruktionen, die nicht länger versuchten die Grenze zur Lebenswelt des Besuchers zu sprengen, sondern eben diese zu behandeln. Die Rezeption wurde mitsamt dem sie institutionell bedingenden Rahmen zum Thema und sogar zum Teilbestand künstlerischer Verfahren.172 Galt es zu Beginn der 1960er Jahre explizit keine Museumskunst herzustellen, das Werk der herkömmlichen Vermittlung zu entziehen, lag der Fokus nun gerade auf den kunstspezifischen, ausdifferenzierten Organisationen und Strategien der Kunstvermittlung. Abbildung 29: Robert Smithson, »Spiral Jetty«, 1970, Utah, Great Salt Lake

© The Estate of Robert Smithson / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Nach Barthes’ Analyse bedarf es zur Konstruktion eines allgemeinwirksamen Mythos173 der Verwendung bereits vorhandener Bedeutungsträger. Wiederkehrende Strategie der »Individuellen Mythologien« war es dementsprechend, sich außerkünstlerische, häufig wissenschaftliche Methoden anzueignen, wodurch die von 171 | Vgl. Tableau I: Geschichte »documenta 5. Befragung der Realität – Bildwelten heute. 30. Juni bis 8. Oktober 1972«. In: Glasmeier 2005, S. 241-262. 172 | Vgl. Ausst.-Kat. Köln 1981, S. 14. 173 | Vgl. Barthes 2013; Kapitel 3.1.3.

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Szeemann gleichwohl thematisch vorgeschlagene Abgrenzung der Realitätsebenen durchbrochen wurde.174 In Anlehnung an die Individuellen Mythologien zeigte Günter Metken 1974 im Hamburger Kunstverein eine Auswahl von Künstlern unter dem Titel »Spurensicherung«175. Hiermit beschrieb er eine Vorgehensweise, bei der der Werkautor als Verwerter und Arrangeur von Vorgefundenem eine forschende, analytische Haltung einnahm.176 Begann die archäologische Praxis von Anne und Patrick Poirier demanch zwar noch in »Ostia Antica« (1970-1972) und hielt Maße, Schichtungen oder Gesteinsqualitäten akribisch fest, so betonte das Resultat jedoch die fiktionale Seite der Modell- und Rekonstruktionsarbeit. Auch Christian Boltanski übersteigerte in seinen akkumulierten Archiven, Dokumentationen und Biografien die alltägliche Wirklichkeit und bewirkte deren Entindividualisierung, die den Bildern und Gegenständen exemplarischen Charakter verlieh.177 Im Werk homogenisierten sich verfestigte wissenschaftliche Verfahren und künstlerische Anordnung und brachten das Verhältnis zwischen privater Erinnerung und kollektivem Gedächtnis ins Wanken. Als »Weisen der Welterzeugung«178 verwiesen sie auf die Bezugssysteme, in denen Bedeutungen Gültigkeit erhalten, und stellten letztlich die Frage nach den Realitätsebenen und ob deren Gegensätze aufrechtzuerhalten sind.179

174 | Szeemann, in: ders. 1981 (a), S. 87. – Trotz der gleichwertigen Präsentation, halten Brock und Szeemann in ihren Beschreibungen stets die Unterscheidung von »künstlerischen« und »nichtkünstlerischen« Bilderwelten bei. – Vgl. Brock, Bazon: Bilderkrieg. In: Ausst.-Kat. d5 1972, S. 2.5. 175 | Vgl. Ausst.-Kat., Spurensicherung. Archäologie und Erinnerung, Hamburg, Kunstverein, 1974. – Denselben Titel verwendete Metken für seine drei Jahre später erscheinende Publikation über die »Fiktive[n] Wissenschaften in der heutigen Kunst«. – Vgl. Metken 1977. 176 | Vgl. Schiesser, Giaco: Autorschaft nach dem Tod des Autors. In: Caduff /  Wälchli, Tan 2008, S. 20-33, S. 32. 177 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1972, S. 142. 178 | Goodman 1984. 179 | Diese Frage spiegelt sich in der wissenschaftlichen Debatte über die Bezeichnung künstlerischer Vorgehensweisen als »recherche«. – Vgl. Bippus, in: Caduff / Wälchli 2008, S. 42; dies. (Hg.): Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens. Zürich [u. a.] 2009.

4. Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Politische Miseren, sozialer Aufruhr und Bildungsrevolution, eingerahmt von philosophischen und geisteswissenschaftlichen Theorien, die eine grundsätzliche Infragestellung des status quo entfachten, bildeten den Nährboden für eine kreative Spannung, die sich in neuen Kunst- und Ausdrucksformen manifestierte. Nachdem im vorhergehenden Kapitel ein Überblick über die Interdependenzen von internationalen Bestrebungen und lokalen Geschehnissen als gemeinsamer Hintergrund verschiedener künstlerischer Phänomene gegeben wurde, folgt nun die Beschreibung der drei zum Vergleich mit der »Académie Worosis Kiga« herangezogenen fiktiven Institutionen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem spezifischen Kontext im jeweiligen künstlerischen Einzelœuvre.

4.1 J örg I mmendorff, »LIDL« (1968-1970) Direkter Kontext von Jörg Immendorffs »LIDL«-Konzeption waren die deutschen Hochschulunruhen um das Protestjahr 1968. Von 1963 bis 1968 absolvierte Immendorff ein Kunststudium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf; zunächst im Fach Bühnenkunst bei Teo Otto, bevor er 1964 in die Klasse von Joseph Beuys aufgenommen wurde.1 Während 1968 in Frankreich durch ministeriale Vorgaben der Versuch unternommen wurde, den an der Pariser École des Beaux-Arts vorherrschenden traditionsbewussten, konservativen Geist zu überwinden,2 stellte die Düsseldorfer Kunstakademie einen wichtigen Schauplatz in der politischen Debatte der deutschen Bundesrepublik dar, die vor Ort eine Veränderung von unten durchzusetzen suchte. Lautstarker Akteur auf der akademischen Bühne war dabei Professor Joseph Beuys, der internationale Resonanz erfuhr.3 1 | »Jörg Immendorff im Gespräch mit Pamela Kort«. Kunst heute, Nr. 11, hg. v. Wilfried Dickhoff. Köln 1993, S. 16, S. 18. 2 | Vgl. Monnier 1995, S. 338-339. 3 | Vgl. Stüttgen, Johannes: Anmerkungen zu Joseph Beuys als Lehrer der Kunstakademie Düsseldorf und die Beuys-Klasse 1961-1972. In: Die Geschichte der Kunstakademie Düsseldorf seit 1945, hg. v. der Kunstakademie Düsseldorf. Berlin 2014, S. 108-112, S. 108.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Die unter dem Titel »LIDL« entstandenen Aktionen, Projekte und Arbeiten, erstreckten sich über einen Zeitraum von 1968 bis 1970. Sie begannen somit kurz vor dem Abgang Immendorffs von der Kunstakademie und in der Anfangsphase seiner Tätigkeit als Kunsterzieher in Düsseldorf.4 Der Fantasiebegriff »LIDL« soll an das Geräusch einer Babyrassel erinnern.5 Damit knüpfte Immendorff diese auch semantisch an seine sogenannte »Babykunst« an, auf die die »LIDL«-Periode unmittelbar folgte. Von 1966 bis Ende 1967 war Immendorff mit dem Unschuldssymbol wohlgenährter Kleinkinder »als Zeichen für Liebe und Frieden«6 gegen den Schrecken und die Grausamkeiten der Welt angetreten.7 Gemälde dieser Phase tragen häufig Aufschriften in Appellativform, die sich orthographisch an Kindersprache anlehnen und ihre Aussage auf das Wesentliche konzentriert bündeln.8 Als »Variante zu Dada«9 hält die Bezeichnung »LIDL« somit bewusste kindliche Naivität und Direktheit als Methode der künstlerischen Vorgehensweise fest. Diese drückt sich zwar häufig in ebenso unmittelbaren wie schnörkellosen Bildfindungen und Formgebungen aus, doch beschreibt »LIDL« stärker eine gewisse Geisteshaltung als eine formal-ästhetische oder stilistische Werkvorstellung. »LIDL« ist das Bekenntnis zu einer sozial und politisch motivierten Kunst und zur kooperativen Arbeitsweise.10 Da sich die Idee von »LIDL« in vielfältigen Realisierungsformen äußerte, wird im Folgenden zunächst eine chronologische Schilderung der unter dem Etikett »LIDL« erfolgten Ereignisse zum besseren Verständnis des Werkkomplexes gegeben, bevor ein konzentrierter Blick auf die »LIDL-Akademie« gerichtet wird. Das erste »LIDL-Stück«11 entstand am 31. Januar 1968 vor dem Deutschen Bundestag in Bonn. Der Kunststudent Immendorff band sich einen Klotz der in den Farben der deutschen Nationalflagge bemalt und mit dem Kunstwort »LIDL« beschriftet war, an das linke Bein und marschierte damit ab 15 Uhr vor dem Bundestagsgebäude auf und ab. Nach einer halben Stunde erschien die Polizei, die den »LIDL-Klotz« 4 | Zunächst arbeitete er von 1968 bis 1971 an der Freiherr-vom-Stein-Realschule, im Anschluss bis 1980 an der Dumont-Lindemann-Hauptschule, beide in Düsseldorf. – Vgl. Biografie. In: Hüsch, Anette (Hg.): Jörg Immendorff. Male Lago. Unsichtbarer Beitrag, Ausst.Kat., Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2005-2006, S. 872. 5 | Vgl. Immendorff, Jörg: Hier und Jetzt: Das tun, was zu tun ist. Materialien zur Diskussion. Kunst im politischen Kampf; auf welcher Seite stehst Du, Kulturschaffender? Köln 1973, S. 54. 6 | Immendorff 1973, S. 41. 7 | Vgl. Kort, Pamela (Hg.): Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872-1972, Ausst.-Kat., Frankfurt a. M., Schirn-Kunsthalle, 2015, S. 362-368. 8 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 362. 9 | Meister, Helga: Als die Kunst auf den Klotz kam – »LIDL«: Immendorff und die Folgen / E in Wort als Programm. In: Düsseldorfer Hefte, 18 /  1992, Sonderthema: »Mit Haut und Haaren«, S. 8-10, S. 8. 10 | Vgl. Ausst.-Kat., Jörg Immendorff, LIDL 1966-1970, Eindhoven, Van Abbemuseum, 1981, S. 16. 11 | Szeemann, Harald: Der lange Marsch oder Ausreizungen aus der Zeit heraus. Ein Kompilat. In: Ausst.-Kat., Immendorff, Zürich, Kunsthaus, 1983-1984, S. 8-34, S. 15.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

konfiszierte, da die Farben der Nationalflagge an der Unterseite des Klotzes abgerieben seien.12 Nach der Polizeiintervention hing sich Immendorff einen zweiten Klotz um den Hals und setzte seine Aktion ohne weitere Unterbrechungen fort. Wie der Künstler gegenüber Journalisten erläuterte, fand »LIDL« somit erstmals als Protest gegen die »unschöpferische deutsche Politik«13 Ausdruck. Seinem Missfallen entsprechend ergriff Immendorff schon bald darauf die Initiative und eröffnete am 3. März 1968 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Chris Reinecke den ersten »LIDL-Raum« in der Düsseldorfer Blücherstraße. Es handelte sich dabei um den ehemaligen Tanzsaal einer Gaststätte, der sich über große Fenster wie ein Ladenlokal zur Straße hin öffnete.14 Ein Flugblatt verkündete anlässlich der Eröffnung: Im LIDL-Raum werden Chris Reinecke und Jörg Immendorff ihre künstlerischen Modelle erarbeiten und prüfen. Der LIDL-Raum bietet die Plattform für die Arbeit und Zusammenarbeit der wahren Kräfte in der Kunst und Politik. Im LIDL-Raum werden Sie über die Ereignisse informiert.15

In einem Brief an Gisela Krause vom 4. April 1968 präzisierte Immendorff: Der LIDL-Raum ist Kunstobjekt, der LIDL-Raum ist permanente künstlerische Aktion, der LIDL-Raum ist Architektur, wie wir sie uns nur wünschen können. Ein regelrechtes Ausstellungsprogramm ist deshalb für uns überflüssig geworden.16

In einem späteren Interview nannte Immendorff gegenüber Pamela Kort eine vorhergehende Auseinandersetzung mit dem einflussreichen Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela und dem darauf folgenden Mangel an Ausstellungsmöglichkeiten als Motivation für die Raumeröffnung. Die Funktion des »LIDL-Raumes« beschrieb er hingegen präziser als eine Art offenen Ateliers, bei dem jeder Besucher, wenn auch unbewusst, Anteil am künstlerischen Schöpfungsprozess nahm.17 Während im zitierten Flugblatt Reinecke und Immendorff gleichermaßen als Akteure im »LIDL-Raum« Erwähnung finden, verwandelte sich dieser also in Immendorffs späterer Aussage in sein persönliches Atelier, das er dem schöpferischen Austausch und kooperativen Arbeitsmethoden zur Verfügung stellte.18 Neben seiner Bestimmung als kreativer Produktionsort diente der »LIDL-Raum« zudem als Veranstaltungsort für Konzerte, Diskussionsabende und Filmprojektionen und bot eine Anlaufstelle für andere Künstler, die teilweise aufgrund ihrer pro12 | Vgl. Rennert Susanne: Ein doppelter Strang, 1968-70. Konzepte, Aktionen und Strategien von Chris Reinecke und Jörg Immendorff. In: John, Barbara, dies., Wiese, Stephan von (Hg.): Chris Reinecke. 60er Jahre – LIDL-Zeit, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstmuseum [u. a.], 1999-2001, S. 35-64, S. 35. 13 | Immendorff zitiert nach: Reproduktion eines Zeitungsartikels, o. A., in: Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 15. 14 | Vgl. Meister 1992, S. 9; Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 18. 15 | Immendorff 1973, S. 55. 16 | Zitiert nach: Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 15. 17 | Vgl. Kort 1993, S. 44. 18 | Vgl. Kort 1993, S. 42.

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vokativen Auftritte andernorts mit Repressionen zu rechnen hatten.19 Vom 5. bis 10. August 1968 bot er den Schauplatz für die Aktion »Tier-LIDL«, die den »LIDLRaum« in eine utopische Stadtarchitektur verwandelte. Auf dem Boden des Raumes wurden entsprechend den Bewegungen einer Schildkröte, dem »LIDL-Botschafter«, die Grundrisse einer Stadt gezeichnet und deren Veränderungen – gemäß den Bewegungen der Botschafterschildkröte – permanent dokumentiert.20 Dabei erforderten ebenfalls die Bedürfnisse anderer Tiere wie die eines Vogels oder eines Hundes die wiederholte Neuanordnung von Plätzen und Straßen. Als Behausungen der tierischen Stadtbewohner waren einfache Pappschachteln entlang des Grundrisses aufgestellt. Sie besaßen an einer Schmalseite frontal einen hochrechteckigen Ausschnitt als Zugang und seitlich eine kleine querrechteckige Öffnung zur Belichtung.21 Das Protokoll der Aktion »Tier-LIDL« zeichnete außerdem Begegnungen und Unterhaltungen Immendorffs mit Passanten auf, die am offenstehenden Raum stehen blieben und teilweise eintraten.22 Im Austausch mit ihnen entstand schließlich ein Stadtmodell, das aufgrund seines Entstehungsprozesses eine Alternative zur herkömmlich bürokratischen und nicht nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Städteplanung bieten sollte.23 Dementsprechend stellte Immendorff die fixierten Pläne nach der Arbeitswoche dem Düsseldorfer Amt für Stadtplanung zum weiteren Ausbau der Landeshauptstadt zur Verfügung.24 Parallel zu den Aktivitäten im Düsseldorfer »LIDL-Raum« wurden unterschiedliche »LIDL-Stützpunkte« in der Bundesrepublik eingerichtet, an denen weitere »LIDL«Aktivitäten realisiert wurden. Hierzu gehörten unter anderem die Frankfurter Galerie Patio, in der die Aktionen »LIDL«, »Jetztlidl« und »Für dunkle Tage unterwegs« am 9. März 1968 stattfanden sowie die Staatliche Ingenieurschule Düsseldorf mit den Aktionen »Eisbären« und »Wir werden kommen« am 21. Juni 1968.25 Für den 15. November 1968 wurden die »LIDL«-Vertreter Immendorff und Reinecke von Gruppe PUYK und AStA der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe zu einem Aktionsabend eingeladen. Als Immendorff am 14. November in Karlsruhe ankam, erfuhr er, dass infolge eines ungelösten Konflikts zwischen Studentenvertretung und Akademiedirektion die beiden Studentischen Vereinigungen am Vortag zurückgetreten waren und sich als Organisationen aufgelöst hatten.26 Daher waren alle von ihnen geplanten Veranstaltungen von der Aka-

19 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 16-17. – Am 7. Oktober 1968 gab die ein Jahr zuvor wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses in den USA arretierte Charlotte Moorman zusammen mit Nam June Paik ein Konzert im »LIDL-Raum«. – Vgl. Wiese, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 15. 20 | Vgl. Immendorff, Jörg: Lidlstadt. Eigenpublikation 1968. 21 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 65. 22 | Vgl. Immendorff 1968. 23 | Vgl. Dietrich, Dorothea: Lidl. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Frühe Arbeiten und LIDL, Galerie Michael Werner, Köln, 1992, S. 13-17, S. 15. 24 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 17. 25 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 15-17. 26 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 17-18.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

demieleitung abgesagt worden.27 Immendorff benachrichtigte Reinecke, die nachkommen sollte. Sich den Vorgaben des Direktors widersetzend, lautete die Parole: »LIDL bleibt da«28 und per Banner proklamierten die »LIDL«-Vertreter die Übernahme der Akademie.29 In der Folge bauten Immendorff und Reinecke einen Informationsstand auf dem Akademiecampus auf und versandten die Nachricht per Telegramm an das Kultusministerium Baden-Württemberg, die örtliche Presse und andere Kunstakademien der Bundesrepublik. Rektor Kindermann und der Senat der Karlsruher Akademie wurden laut einer Presseerklärung von Immendorff entlassen.30 Nach einigem Aufsehen erschien die Polizei, die das Gebäude jedoch nicht räumte.31 Reinecke und Immendorff wurden des Hauses verwiesen, nahmen vor ihrer Abreise jedoch noch einige Ehrenmitgliedsurkunden der Akademie mit und ersetzten die Namen der Honorierten jeweils durch den Schriftzug »LIDL«.32 In Anknüpfung an die spontane Aktion in Karlsruhe rief Immendorff am 2. Dezember 1968 die »LIDL-Akademie« innerhalb der Düsseldorfer Kunstakademie aus.33 Die erste »LIDL-Klasse«, ein aus Pappe, Papier und Holzlatten erbauter Verschlag, wurde am 9. Dezember im Flur der Kunsthochschule eingerichtet (Abb. 30). Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine Ausstellung mit Arbeiten von Schulklassen Jörg Immendorffs und seines Lehrerkollegen Klaus Beck in der Akademie eingerichtet. Mit der Ausstellung vertraten die beiden ehemaligen Beuys-Studenten ihr Anliegen, dauerhaft einen Arbeitsraum für Schüler innerhalb der Hochschule zu installieren, damit zukünftige Kunsterzieher bereits während ihrer Ausbildung praktische pädagogische Erfahrung sammeln konnten.34 Am 10. Dezember, einen Tag nach Errichtung der »LIDL-Klasse«, erhielt Immendorff auf Erlass des Kultusministeriums durch Direktor Eduard Trier Hausverbot und wurde aufgefordert, die Ausstellung unverzüglich abzubauen.35 Die »LIDL-Klasse« wurde am Morgen des 24. Dezem27 | Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 1. 28 | Immendorff / R einecke: »2 Tage in Karlsruhe«, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 1. 29 | Vgl. Immendorff / R einecke: »2 Tage in Karlsruhe«, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 1. 30 | Vgl. Immendorff / R einecke: »2 Tage in Karlsruhe«, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 5. 31 | Vgl. Immendorff / R einecke: »2 Tage in Karlsruhe«, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 6. 32 | Eine »LIDL«-Urkunde, die ursprünglich dem Würdenträger Otto Dix zugedacht war, hat Immendorff in seinem Rechenschaftsbericht 1973 reproduziert. – Vgl. Immendorff 1973, S. 92. – Das Original befindet sich in einer noch nicht inventarisierten Kiste des Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland. 33 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 18. 34 | Vgl. Zeitungsartikel »Kritik und originelle Vorschläge« von Yvonne Friedrichs, 6.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1968-12-06 /   8 9-01. 35 | Vgl. Reproduktionen der Ankündigung zur »LIDL-Akademie«, des Briefes von Akademiedirektor Trier vom 10.12.1968, Flugblatt zum »Landschaftsverbot« und weitere Dokumen-

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

ber von Hausangestellten zerstört.36 Daraufhin ließ sich die »LIDL«-Gruppe auf der Wiese vor der Akademie, dem Ort, an dem Joseph Beuys 1967 die Gründung der »Deutschen Studentenpartei« verkündet hatte, nieder und errichtete einen Informationsstand. Ein Miniaturpapphaus mit der Aufschrift »LIDL-Akademie«37 wurde von der Akademieleitung konfisziert. Als Reaktion auf das ihm erneut erteilte Hausverbot, erklärte Immendorff der Akademie »Landschaftsverbot«38. Abbildung 30:  »LIDL-Klasse« im Flur der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Dezember 1968

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Nach diesem ersten Eindringen der »LIDL-Akademie« in die Düsseldorfer Kunstakademie wurde für Mai 1969 eine »LIDL-Woche« in der Staatlichen Hochschule geplant. In der Zwischenzeit begab sich Immendorff anlässlich des Jahrestages der ersten »LIDL«-Aktion am 31. Januar 1969 an den Ort des Ereignisses zurück. Von te zur »LIDL-Akademie« 1968 in Düsseldorf, in: Aktuelle Dokumente. In: Interfunktionen, 2 /   1969, S.  85-92. 36 | Vgl. Offener Brief Jörg Immendorffs an die Hausleitung der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, 4.2.1969, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-026151(Ex 1  /  12)r. 37 | Vgl. Zeitungsartikel »Trotz Hausverbot wird weitergelidlt« von Karlheinz Welkens, 3.1.1969, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1969-01-03  /   81-02. 38 | Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 20; Interfunktionen, 2 / 1969, o. S.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Freunden unterstützt, baute er ein Papphaus aus den gleichen Materialien wie die im Dezember zerstörte »LIDL-Klasse« an das Bundeshaus an.39 Der »LIDL-Raum«, der als »politisch architektonisches Modell […] den Charakter eines Arbeits- und Informationsmittels«40 besitzen sollte, wurde umgehend von der Polizei entfernt. Die für Mai angesetzte »LIDL-Arbeitswoche« wurde zum Kulminationspunkt der Auseinandersetzung zwischen »LIDL-Akademie« und Staatlicher Kunstakademie. Vom 5. bis 10. Mai sollten Diskussionen unter den Arbeitstiteln »Funktion der Kunsthochschulen«, »Funktion der Kunstpädagogik an Schulen« und »Funktion der künstlerischen Arbeit« stattfinden. Als Teilnehmer wurden Lehrer-, Studentenund Schülervertretungen sowie Repräsentanten von »Experimentiergruppen« und »kulturellen Gruppen« aus der ganzen Bundesrepublik erwartet.41 Da »LIDL« über kein Budget verfügte, sollten die Gäste in der Akademie Unterkunft finden. Die Professoren Beuys, Warnach und Wimmenauer stellten dafür ihre Klassenräume zur Verfügung.42 Immendorff publizierte anlässlich der »LIDL-Woche« einen Katalog, in dem er Briefe von Professoren reproduzierte, die einhellig die Forderung nach Hausverbot für alle nichtimmatrikulierten Studenten der »LIDL-Akademie« sowie disziplinarische Untersuchungen gegen alle Lehrkräfte, die »LIDL« unterstützten – vornehmlich Professor Joseph Beuys – formulierten. Im Katalog sind die Briefe als Kunstwerke der jeweiligen Disziplin der Professoren entsprechend als »Bild«, »Plastik« oder »Graphik« tituliert. Lediglich der unwillentliche Beitrag Brekers trägt das Attribut »Werbung« und das Schreiben des Direktors Trier wird als »Kunsthistorische Analyse« bezeichnet.43 Als weithin sichtbares Zeichen wurde auf dem Dach der Akademie eine Fahne mit dem Schriftzug »LIDL« gehisst.44 Gleichwohl wurde die nicht autorisierte Arbeitstagung schon einen Tag nach ihrem Beginn am 6. Mai polizeilich aufgelöst und die Düsseldorfer Akademie einen Tag später aufgrund von »Säuberungsarbeiten«45 geschlossen. Demonstrativ verlagerte sich die Tagung von »LIDL« erneut auf die Wiese vor der Akademie. Ein »LIDL-Zelt« bot Platz für Diskussionsrunden, denen sich eine Vielzahl von Studenten sowie der Professor Beuys anschlossen, die gegen die Schließung der Staatlichen Lehrstätte protestierten. Erst vier Tage nach dem offiziellen Ende

39 | Vgl. Zeitungsartikel o. A., in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1969-01-03  /   81-02. 40 | Vgl. Immendorff 1973, S. 94-98, S. 94. 41 | Vgl. Flugblatt zur Ankündigung der Arbeitswoche, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019413; eine Reproduktion des Flugblattes befindet sich in: Interfunktionen, 3 /  1969, S. 90. 42 | Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 35-64, S. 52. 43 | Vgl. Immendorff, Jörg (Hg.): Katalog einer Ausstellung zur LIDL-Woche mit Werken von Geiger, Hoehme, Trier, Kricke, Weber, Bobek, Breker, Götz, Grote, Sackenheim. Eigenpublikation 1969, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272. – Auszüge aus dem Katalog, das heißt Reproduktionen der Professorenbriefe von Götz, Kricke, Hoehme und Bobek wurden in der Zeitschrift »Interfunktionen« publiziert. – Vgl. Interfunktionen, 3 / 1969, S. 94-95. 44 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 22-23. 45 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 22.

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der »LIDL-Arbeitswoche« erfolgte am 14. Mai die Wiedereröffnung der Staatlichen Kunstakademie.46 Immendorff mietete daraufhin einen Raum in einer alten Fabrikhalle im Düsseldorfer Greifweg 51 an. Ab Oktober entstand dort als »Stützpunkt 1«47 der »LIDLAkademie« eine private Malschule, in der Immendorff für vier Monate Unterricht im Zeichnen, Malen, Sport und Abendkurse im Aktzeichnen gab.48 Parallel zu den Aktionen um die »LIDL-Akademie« war im Frühjahr 1969 eine »LIDL-Sportmannschaft« entstanden, die den Gruppenzusammenhalt festigen und die Mitglieder von »LIDL« »fit«49 halten sollte. Neben Tischtennistraining in Immendorffs Realschule unternahm die Sportmannschaft auch Ringkämpfe in Düsseldorf und Göttingen und es fanden Aktivitäten am Rande von Ausstellungen statt.50 Hierzu zählte die Durchquerung des Vierwaldstätter Sees in Luzern anlässlich der Ausstellungseröffnung »Düsseldorfer Szene«, Leichtathletik zur Eröffnung der »Intermedia« in Heidelberg sowie eine Fahrradtour vom alternativen Ausstellungsraum »A 37 90 89« von Kasper König und Isi Fiszman in Antwerpen zu Marcel Broodthaers’ »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« in Brüssel.51 Die sportliche Betätigung der »LIDL«-Gruppe führte 1970 zur Gründung des »Büro Olympia«, das sich für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in München vorbereitete. Das »Büro Olympia« wurde 1970 von Helmut Leppien zur Teilnahme an der Kölner Ausstellung »JETZT. Künste in Deutschland« eingeladen und erhielt in der Kunsthalle einen eigenen Raum zur Gestaltung.52 Als »LIDL«-Mitglieder während der Eröffnungsfeier die Veranstaltung mit Feuerlöschern stürmten, kam es zum Eklat und die Gruppe wurde schließlich des Hauses verwiesen.53 Obwohl daraufhin viele der teilnehmenden Künstler ihre Solidarität zu »LIDL« erklärten,54 begann die Gruppe sich zunehmend aufzulösen.55 46 | Vgl. Stüttgen, Johannes: Der ganze Riemen. Der Auftritt Joseph Beuys als Lehrer – die Chronologie der Ereignisse an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1966-1972. Köln 2008, S. 560-594. 47 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 23. – In der Zeitschrift »Interfunktionen« wird ein offizieller Strukturplan des Stützpunktes veröffentlicht. – Vgl. Interfunktionen, 4  / 1969, S.  140. 48 | Vgl. Stüttgen 2008, S. 658. 49 | Immendorff 1973, S. 119. 50 | Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 53. 51 | Vgl. Immendorff 1973, S. 119-126. 52 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 28; Leppien, Helmut, Leppien, Petra (Hg.): Jetzt. Künste in Deutschland heute, Ausst.-Kat., Köln, Kunsthalle, 1970. 53 | Vgl. Brief des Ausstellungsdirektors Leppien an die Ausstellungsteilnehmer, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-021084. 54 | Vgl. Solidaritätserklärungen von W&B Hein, H. P. Kochenrath, Ch. Michelis, Rolf Wiest, 14.3.1970, sowie von Felix Kemner, 18.3.1970, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-021123 und JBA-B-021124. 55 | Einzelne Mitglieder engagierten sich fortan in den stärker sozialpolitisch fokussierten Projekten der »Mietersolidarität«. Die Organisation und der Name »LIDL« verlieren in dieser Bewegung zunehmend an Bedeutung. – Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat- Düsseldorf 1999-2001, S. 57-59.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

1972 nahm Immendorff an der fünften documenta in der Sektion »Individuelle Mythologien – Selbstdarstellung« mit seinem »Rechenschaftsbericht« teil,56 einer Bilderserie aus 33 großformatigen Leinwandarbeiten, die in Agitprop-Stil retrospektiv die eigene, kapitalistische Ichbezogenheit des Künstlers anprangerten. Ein Jahr darauf veröffentlichte er seinen umfassenden Band »Hier und Jetzt: Das tun, was zu tun ist«57, in dem Immendorff die Bilanz aus seiner Arbeit zieht und Anweisungen zu einem korrekten politischen Engagement des Künstlers erteilt. »LIDL« erscheint in diesem Überblick als eine künstlerische Idee Jörg Immendorffs, die in einem Arbeitskollektiv realisiert wurde, zu dem neben dem Künstler selbst, als permanentes Mitglied seine Frau, die Künstlerin Chris Reinecke, und eine wechselnde Besetzung von teils anonym bleibenden Kunststudenten und Sympathisanten zählte.58 Klare institutionelle Züge erhielt »LIDL« auch namentlich mit der Einführung der »LIDL-Akademie«. Diese entstand als demokratisches, kooperatives Arbeitskonzept, als Gegenentwurf zur bestehenden Akademie mit ihrer strikten Hierarchie und dem oft in Abhängigkeitsverhältnisse umschlagenden Meister-SchülerVerhältnis.59 In einer Pressemitteilung erklärte Reinecke die Prinzipien der »LIDL-Akade­ mie«.60 Sie sollte als demokratische Arbeitsplattform die Möglichkeit zum Ideenaustausch und zur Überprüfung der »Gültigkeit seiner eigenen Arbeit«61 bieten. Dabei sollte jegliche Hierarchisierung oder lehrhafte Differenzierung in Wissende und Unwissende vermieden werden. Bereits in einem »Kurze[n] Resümee« nach der »Tier-LIDL«-Woche hatte Immendorff die Absicht festgehalten, mit dem »LIDLRaum« einen »Vergleich zwischen den bisherigen kulturellen Plattformen  – Galerie, Museum, Theater – und dieser Plattform – LIDLRAUM – provozieren«62 zu wollen. Später beschrieb er die Düsseldorfer »LIDL-Akademie« als »eine kunstimmanente Aktivität, die sich der bürokratischen Strukturen als Material bediente«63, und erklärte: »Ich setzte alle Professoren ab, auch Beuys, einfach als Vorschlag und um zu überlegen, ob sie nicht tatsächlich überflüssig wären.«64 56 | Vgl. Ausst.-Kat. d5, Begleitband, S. 37. 57 | Vgl. Immendorff 1973. 58 | Vgl. Lange, Barbara: Joseph Beuys. Richtkräfte einer neuen Gesellschaft. Der Mythos vom Künstler als Gesellschaftsreformer. Berlin 1999, S. 145. 59 | Katia Tangian beschreibt in ihrer 2010 erschienenen Dissertation ausführlich die subtilen und oft schwierigen Beziehungsentwicklungen zwischen Akademieprofessoren und ihren Schülern. – Vgl. Tangian, Katia: Spielwiese Kunstakademie. Habitus, Selbstbild, Diskurs (zugl. phil. Diss. Karlsruhe 2008), Hildesheim [u. a.] 2010, S. 88-120. 60 | Vgl. Leserbrief von Chris Reinecke an Karlheinz Welkens in Reaktion auf dessen Zeitungsbericht »Trotz Hausverbots wird weitergelidlt«, Rheinische Post, 3.1.1969, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-023754. 61 | Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBAB-023754. 62 | Faksimile des Flugblattes, in: Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 32. – Dieselben Darstellungen sind unter dem Motto »Baut euch eure Häuser selber« auf einem Plakat der »Mietersolidarität« von 1970 zu sehen. – Vgl. Abb. des Plakats, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 31. 63 | Kort 1993, S. 43. 64 | Kort 1993, S. 43.

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E xkurs: Der Lehrer Joseph Beuys Eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Blinky Palermo aus dem Jahr 1965 zeigt ein Porträt des jungen Jörg Immendorff vor der beschmierten Wand eines Atelierraums in der Kunstakademie Düsseldorf. Der Student mit dunklem, gescheiteltem Haar ist frontal bis zur Hüfte abgebildet und blickt geradeaus, fest jedoch ohne klar definierten Gesichtsausdruck in die Kamera. Sein linker Arm ist steil nach oben angewinkelt, in der Hand hält er ein Pappschwert mit breiter Klinge. Über seiner Kleidung trägt er ein weites weißes T-Shirt, auf dem in Brusthöhe mittig ein kreisrundes Symbol abgebildet ist: Ein in drei Farbnuancen abgestufter Rand umfängt die Darstellung eines Hutständers, auf dem ein breitkrempiger Hut liegt. Unter der Abbildung prangt in Großbuchstaben der Schriftzug »Beuysritter« (Abb. 31). So ambivalent wie der Blick des Kämpfers wirkt die Botschaft der Fotografie, die zwischen Ernst und Ironie oszilliert. Immendorff selbst bezeichnete seine Kostümierung als Methode zur Neutralisierung der »übermächtigen Erscheinung«65 seines Professors, der wichtigen Einfluss auf den jungen Künstler ausübte.66 Joseph Beuys war ein hervorstechender Akteur in der westeuropäischen Debatte um die soziale Neuverortung der Kunst sowie deren politischen Funktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine künstlerischen Verdienste wurden dabei immer wieder mit seiner Rolle als impulsgebender Lehrer in Verbindung gebracht.67 1961 als Professor für Monumentalbildhauerei an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen, war die Lehrtätigkeit Joseph Beuys’ gekennzeichnet vom Eingreifen juristischer Ordnungshüter, studentischen Unruhen und Auseinandersetzungen, die das Kollegium sowie die Studentenschaft entzweiten und der Kunsthochschule durch regelmäßige Schlagzeilen öffentliche Aufmerksamkeit verschafften.68 Als wohl bekanntester Professor der Düsseldorfer Akademiegeschichte trat Beuys gerade dadurch hervor, dass sich mit seinem Namen keine stilistisch eindeutig zu identifizierende Schule oder künstlerische Nachkommenschaft assoziierte. Vielmehr kann mit den Worten Siegfried Gohrs von einer »Diversifizierung seines künstlerischen Ansatzes«69 gesprochen werden. An dieser Formulierung wird ein maßgebliches Paradox im Verhältnis von Werk und Person Joseph Beuys’ deutlich. Stellt man die Werke nur einiger seiner bekanntesten Studenten wie Jörg Immendorff, Franz Erhard Walther, Katharina Sieverding oder Imi Knoebel einander gegenüber, wird ersichtlich, dass hier keine Epigonen ausgebildet,70 sondern in einer offenen Lehre

65 | Kort 1993, S. 23. 66 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 358-359. – Die ambivalente Beziehung, die viele Zeitgenossen zu Beuys besaßen, sieht Brigitte Borchhardt-Birbaumer auch als Resultat einer bewusst eingesetzten Strategie von Offenheit des Künstler zum Gewinn von Aufmerksamkeit. – Vgl. Borchhardt-Birbaumer, Brigitte: Schamanismus oder postmodernes Verfahren? Zur Funktion der Unbestimmtheit bei Beuys. In: Krieger, Verena, Mader, Rachel (Hg.): Ambiguität in der Kunst. Typen und Funktionen eines ästhetischen Paradigmas. Köln [u. a.] 2010, S. 169-188. 67 | Vgl. Lange 1999, S. 10. 68 | Vgl. Adriani, Götz, Konnertz, Winfried, Thomas, Karin: Joseph Beuys. Köln 1994, S. 48. 69 | Gohr, Siegfried: Die Künste von 1960 bis 1985. In: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 178-187, S. 183. 70 | Vgl. Tangian 2010, S. 117.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

die Bahn zu individuellem künstlerischen Ausdruck bereitgestellt wurde.71 Andererseits dienten Beuys seine revolutionären und betont egalitären Lehransichten sowie sein Eintreten für einen Kunstbegriff, der das menschliche Kreationspotenzial als ontologische Wesenseigenschaft voraussetzte, bereits zu Lebzeiten dazu, einen Kult um seine Person zu etablieren, der seinen basisdemokratischen Argumentationslinien potenziell entgegenstand.72 Abbildung 31:  Jörg Immendorff als »Beuysritter«, 1965, Fotografie von Blinky Palermo, Galerie Michael Werner

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Öffentliche Aufmerksamkeit erregte Beuys, als er am 22. Juni 1967 auf der Wiese vor der Düsseldorfer Kunstakademie die »Deutsche Studentenpartei« gründete, um dem Unmut der Studenten eine politische Plattform und damit Gehör zu verschaffen. Darüberhinaus verfolgte er die Absicht, auf diese Weise generell an der 71 | Vgl. Gohr, in: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 183. 72 | Vgl. Groblewski, in: ders. / B ätschmann 1993, S. 37-68, S. 53. – Auch der Untertitel des voluminösen Kompendiums »Der ganze Riemen. Der Auftritt Joseph Beuys als Lehrer« von Beuys’ eng verbundenem Studenten und häufigem Wortführer in politischen Debatten, Johannes Stüttgen, verweist doppeldeutig auf die unklare Positionierung des Künstlers. – Vgl. Stüttgen 2008. – Das Oszillieren von Beuys zwischen seiner Rolle als Akademieprofessor mit klarem Lehrauftrag und der Konzentration auf das eigene Werk hat ihm durchaus auch Kritik unter den eigenen Studenten eingebracht. – Vgl. Zitat Joans Hafner, in: Szeemann, Harald (Hg.): Beuysnobiscum. Eine kleine Enzyklopädie. Mit einem Kommentar zur Neuausgabe. Dresden 1997, S. 18-19.

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»Erziehung aller Menschen zur geistigen Mündigkeit« 73 mitzuwirken. Während Beuys in der Düsseldorfer Kunstakademie einen Ausgangspunkt für eine allgemeine Menschheitserziehung sah, entfachten sich innerhalb der dortigen Professorenschaft Diskussionen über die korrekten Lehrmethoden in Hinblick auf die spezifisch künstlerische Ausbildung. Die Spannungen erreichten 1969 einen Höhepunkt und mündeten 1972 in der Entlassung Beuys’ aus dem Lehrdienst.74 Noch bevor Beuys bei einer Kollegiumskonferenz 1969 in Reaktion auf das »Professorenmanifest« 75 zu schriftlicher Stellungnahme bezüglich seiner Reformabsichten an der Hochschule aufgefordert wurde,76 hatte dieser in der zweiten Ausgabe der Zeitschrift »Interfunktionen« in einem Gespräch mit deren Herausgeber, Friedrich Wolfram Heubach, zu seiner Vorstellung von einer »Idealen Akademie« 77 Stellung bezogen. Als Grundvoraussetzung einer idealen Akademie nennt Beuys deren Autonomie, damit sie ihrer gesellschaftlichen Funktion, der Mitwirkung an der Ausbildung des Menschen, nachkommen kann. Denn der Mensch definiert sich für den Künstler dreigliedrig als Naturwesen, Gesellschaftswesen und als schöpferischer Kreativer. Seine Vorstellung einer idealen Akademie sieht Beuys laut Interview beispielhaft in der von ihm gegründeten Partei realisiert.78 In der Zeitschrift ist die Transkription des Gesprächs zwischen Beuys und Heubach faksimiliert. Auf das maschinenschriftlich festgehaltene Typoskript, das mit handschriftlichen Ausführungen und Kommentaren Beuys’ versehen ist, folgt auf einer Querseite das Signum des Künstlers in brauner Farbe sowie seine Signatur neben einem Stempel der Deutschen Studentenpartei.79 Die Unterschrift authentifiziert Beuys als Autor seiner Konzeption, die im dialogischen Austausch als Denkprozess festgehalten ist und die durch die handschriftlichen Einfügungen klar an seine Person gebunden wird. Darüber hinaus erklärt sein Name am Abschluss des Dokuments auch die »Deutsche Studentenpartei« als Realisierung seiner Idee zu seinem Werk. Als solches versah Beuys die Partei noch im selben Jahr mit der Bezeichnung »Fluxus Zone West«80 und ordnete sie somit eigenmächtig ei73 | Vgl. Stüttgen, Johannes: Gründungsversammlung vom 22. Juni 1967 (Protokoll: 15.11.1967), zitiert nach: Szeemann, Harald: Deutsche Studentenpartei. In: ders. 1997, S. 89-93, S. 89. – Eine Abschrift des Gründungsmanifests findet sich in: Angerbauer-Rau, Monika: Beuys-Kompass. Ein Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys. Köln 1998, S. 20.11. 74 | Vgl. Stüttgen, Johannes: Die Freie Internationale Universität. Organ des erweiterten Kunstbegriffs für die soziale Skulptur. Eine Darstellung der Idee, Geschichte und Tätigkeit der FIU. 2. erw. Aufl., Wangen 1987, S. 24-25. 75 | Vgl. Krause-Wahl, Antje: Das Vermitteln gestalten – Joseph Beuys, Lehrer. In: Anna, Susanne (Hg.): Joseph Beuys, Düsseldorf, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Stadtmuseum, 2008, S. 1126, S. 13. 76 | Vgl. Manuskript der beuysschen Erklärung, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-020676r und JBA-B-020676v. 77 | Vgl. »Joseph Beuys zur Idealen Akademie«, in: Interfunktionen, 2 / 1969, S. 59-63. – In derselben Ausgabe stellt Immendorff die »LIDL-Akademie« vor. – Vgl. »Lidlakademie«, in: Interfunktionen, 2  /  1969, S.  64-65. 78 | Vgl. Interfunktionen, 2 /  1969, S. 60. 79 | Vgl. Interfunktionen, 2 /  1969, S. 63. 80 | Vgl. Stüttgen 1987, S. 26.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

ner internationalen Kunstbewegung zu. Damit verwandelte Beuys den Charakter der Gruppierung, deren Ursprung der legal und gesellschaftlich wirksame Akt einer politischen Parteigründung war, für deren Durchführung die Partizipation eines Kollektivs vonnöten ist.81 Der Zuschreibung der »Deutschen Studentenpartei« als einer Unterabteilung ihrer Kunstbewegung widersprachen allerdings einige Fluxus-Mitglieder offiziell.82 Denn trotz der allgemeinen Maxime, Kunst und Leben durch die Überführung des konventionell statischen Kunstwerks in prozesshafte Aktionen ineinander aufgehen zu lassen,83 widerstrebte einigen Mitgliedern eine mögliche Indienstnahme von Fluxus durch klare politische Ziele. So schrieb Gábor Atjoray noch 1970 in einem Protestmanifest anlässlich der Kölner Ausstellung »Happening und Fluxus«: Die sogenannte politische Kunst ist Politik und keine Kunst und so ist das richtig! Die ungerechtfertigte Schönheit und ungerechtfertigte [sic!] Spaß an den Produktionen des Fluxus und Happening machen den post-revolutionären Charakter der Bewegung offensichtlich. Je schneller man mit der Revolution fertig wird, desto schneller kann man mit Happening und Fluxus wieder beginnen. 84

Während die Grenze zwischen Beuys’ öffentlich-politischem Engagement und seinem persönlichen Kunstschaffen zunehmend verschwommen wurde, zieht Atjoray hier eine klare Grenze zwischen politischem und künstlerischem Tätigkeitsfeld. Um den allgemeinen Anspruch ihrer parteipolitischen Arbeit auch optisch zu unterstreichen, musste sich die »Deutsche Studentenpartei« auch räumlich von der Kunstinstitution Akademie lösen. Im Frühjahr 1970 mietete Beuys ein Ladenlokal in der Düsseldorfer Innenstadt als Parteibüro, das für Interessierte zur Information offenstand. 1971 wandelte er den Parteinamen erneut um, nun in »Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung«.85 Damit offenbarte die Partei, die als politisches Sprachrohr für studentische Anliegen an der Düsseldorfer Kunstakade-

81 | Vgl. Faksimile des Parteigründungsprotokolls und der rückseitigen Unterschriftenliste der Gründungsmitglieder, in: Stüttgen 2008, S. 86-87. 82 | Die Bezeichnung beruht auf der alleinigen Entscheidung von Joseph Beuys und wird von einigen Fluxuskünstlern wie Wolf Vostell entschieden abgelehnt. – Vgl. Szeemann, in: Ausst.Kat. Zürich 1983-1984, S. 19. 83 | Vgl. Block, René: Vorwort. In: Ausst.-Kat., Fluxus: 1962 Wiesbaden 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen, Wiesbaden, Museum, Nassauischer Kunstverein, Kassel, Neue Galerie der Staatlichen Kunstsammlung, Berlin, daadgalerie, 1982-1983, o. S.; Ullrich, Wolfgang: Kunst als Arbeit? In: Hellmold [u. a.] 2003, S. 163-176, S. 169. 84 | Protestmanifest »Statement zu der Ausstellung ›Happening & Fluxus‹«, Eigendruck G. Atjoray, zitiert nach Original, aus: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 117: Fluxus, Mappe Fluxus Konzerte. »Happening & Fluxus«, Köln 1970. Dokumentation – Flugblätter. 85 | Stüttgen 1987, S. 26. – Eine knappe, aber präzise Zusammenfassung der Ereignisse und Auseinandersetzungen zwischen Beuys und der Düsseldorfer Kunstakademie bietet der Katalog des Düsseldorfer Stadtmuseums von 2008. – Vgl. Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 11-26.

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mie entstanden war, nach zwischenzeitlicher Ernennung zum »Unterzentrum« 86 einer internationalen Kunstbewegung ihren basisdemokratischen, bundesweiten Anspruch. Die in der Namensgeschichte der »Deutschen Studentenpartei« ablesbare Pendelbewegung zwischen künstlerischem und gesellschaftlichem Engagement Beuys’ sowie die Definitionsunschärfe von kollektivem Tun und persönlicher Schöpfung zeigte sich 1972 unverhüllt auf der fünften documenta in Kassel. Dort war Beuys mit dem »Büro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung« in der Ausstellungsabteilung »Selbstdarstellung« im Erdgeschoss des Museum Fridericianum vertreten.87 Trotz der offenen und vielseitig ambitionierten Diskussionen mit seinen Studenten, den sogenannten »Ringgesprächen« in seiner Akademieklasse, die als Quelle einiger Initiativen wie der Parteigründung angesehen werden können,88 schrieb sich doch immer wieder der Professor als deren Urheber und Gründungsvater in das Gedächtnis ein. In der Abteilung »Selbstdarstellung« war Beuys die gesamten 100 Tage der documenta in der Ausstellung zugegen und stand für Diskussion mit Besuchern bereit.89 Dabei erläuterte er als Repräsentant einer kollektiven Organisation seinen persönlich definierten erweiterten Kunstbegriff.90 Welchen Grad die Popularität seiner Person und die Identifikation des Namens Beuys mit politischen Aktionen im Kunstkontext zum damaligen Zeitpunkt erreicht hatte, liest sich deutlich an der vormaligen Idee Harald Szeemanns ab, seine Abteilung der »Individuellen Mythologien« in Ausrichtung auf das beuyssche Œuvre zunächst als »Schamanismus und Mystik«91 betiteln zu wollen. Mit dieser Bezeichnung beabsichtigte der Ausstellungskommissar den Fokus der von ihm zusammengestellten Sektion, die Einzigartigkeit des Künstlerindividuums und dessen Bedeutungsschöpfung, zu akzentuieren.92 Auch in seiner Eigenschaft als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf bemühte sich Beuys wiederholt, seiner Losung »Jeder Mensch ist ein Künstler!«93 Gehör zu verschaffen und den allgemeinen Zugang zur Lehrinstitution zu ermöglichen, wofür er wiederholt selbst gegen die an der Hochschule geltenden Zu-

86 | Vgl. Gohr, in: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 181. 87 | Es handelte sich hierbei um eine Unterabteilung der Sektion »Individuelle Mythologien«. – Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972, S. 16.91-16.96. 88 | Vgl. Stüttgen 2008, S. 76. 89 | Vgl. Scharf, Friedhelm: Zur Geschichte der documenta 5. In: Ausst.-Kat. Kassel 2001, S. 22-39, S. 34. 90 | Vgl. Schwarze, Dirk: Protokoll eines Tages im Büro der »Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung«, Hessische Allgemeine, 26.7.1972, reproduziert in: ders.: Meilensteine. 50 Jahre documenta. Kunstwerke und Künstler. Berlin 2005, S. 76-79. – Eine verständliche und klar umrissene Darlegung des beuysschen Konzepts vom »erweiterten Kunstbegriff« bietet Johannes Stüttgen in seiner Erläuterung zur Gründung der »Free International University«. – Vgl. Stüttgen 1987. 91 | Szeemann, in: ders. 1981 (a), S. 88. 92 | Unter der schwer verständlichen Bezeichnung »Individuelle Mythologien« wurde die Sektion in der zeitgenössischen Kritik immer wieder als »Phänomen ohne gemeinsamen Nenner« degradiert. – Vgl. Szeemann, in: ders. 1981 (a), S. 88-89. 93 | Zitiert nach: Stüttgen 2008, S. 659.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

lassungsbeschränkungen eintrat.94 Nach Beuys’ Überzeugung ist das durch Kreativität begründete Künstlersein ein menschlicher Wesenszug, der lediglich durch Stimulation und Austausch in seiner Produktivität angeregt werden kann. Begann Beuys dieses Anliegen zunächst durch das Auftun neuer Aktionsfelder der künstlerischen Betätigung innerhalb des konkreten Kunstbetriebs voranzutreiben, weiteten sich seine reformerischen Bestrebungen bald zu einer strukturellen Veränderung der gesamten Gesellschaft aus, für die die Einsetzung neuer institutioneller Strukturen als Alternative notwendig erschien.95 In dieser Hinsicht konnte die Präsenz einer politischen Partei im Rahmen einer Ausstellung für zeitgenössische Kunst als Symbol der soziokulturellen Ideen Joseph Beuys’ verstanden werden. Die Frage war hier nicht länger, ob der Künstler mit seinem Werk politisch wirksam werden oder lediglich analysierenden Kommentar zur bestehenden Situation beisteuern konnte; die Partei als realpolitische Kraft und künstlerische Schöpfung verband die beiden Bereiche in einer Organisationsstruktur und machte Politik als Bestandteil der gesellschaftlichen Beziehung zwischen Künstler und Publikum deutlich.96 Die »LIDL«-Konzeption Jörg Immendorffs ist deutlich von den Ideen und Verfahren seines Lehrers geprägt.97 Während Beuys die Idee einer alternativen Akademie jedoch lange propagierte,98 wurde der Lehrer hinsichtlich der konkreten Umsetzung dieser Vision von seinem Schüler überholt. Erst im Frühjahr 1972, als sich die »LIDL«-Gruppe nach der Initiative des »Büro Olympia« bereits in den Aktivitäten der »Mietersolidarität« endgültig aufzulösen begann,99 rief Joseph Beuys die »Freie Internationale Universität für Kreativität und interdisziplinäre Forschung« als eingetragenen, gemeinnützigen Verein ins Leben.100 Die »F.I.U.« verstand Beuys als »Organ der sozialen Skulptur«101 auf dreifache Weise: als sein Kunstwerk, als Idee eines »spirituelle[n] Keim[s] zur Bildung einer neuen Menschheitsskulptur«102 und »Bild eines freien, internationalen und universalen Informations-, Schulungs- und Kommunikationswesen[s]«103 sowie als »reale[n] Arbeitszusammenhang«104 . Für diesen versuchte Beuys eine leerstehende Messehalle in Düsseldorf anzumieten,

94 | So besetzte Beuys 1972 mit 54 abgelehnten Bewerber das Sekretariat der Staatlichen Kunstakademie. Mit seiner Forderung nach Aufnahme der Studenten widersetzte er sich der ministeriellen Anordnung zur Studienplatzbegrenzung. Die Aktion führte schließlich zu seiner fristlosen Kündigung. – Vgl. Lange 1999, S. 9. 95 | Vgl. Stüttgen 2008, S. 76. 96 | Vgl. Enwezor, Okwui: Reflexionen zur d5. In: Ausst.-Kat. Kassel 2001, S. 42. 97 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 362. 98 | Hinsichtlich seines erweiterten Kunstbegriffs betonte Beuys den weit gefassten Begriff »Akademie« für seine Vision einer allgemeinen Lehranstalt im Gegenteil zur enggefassten Bezeichnung »Kunstakademie.« – Vgl. Szeemann 1997, S. 16. 99 | Vgl. Immendorff 1973, S. 138-151. 100 | Vgl. Stüttgen 1987, S. 28. 101 | Stüttgen 1987, S. 7. 102 | Stüttgen 1987, S. 8. 103 | Stüttgen 1987, S. 7. 104 | Stüttgen 1987, S. 8.

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um dort eine unabhängige Reformakademie einzurichten.105 Da dieser Plan scheiterte, blieb die »Freie Internationale Universität« vorrangig ein Bild, das sich später andernorts institutionalisierte.106 »LIDL« hingegen blieb als Organisation ohne formalrechtlichen Status im Schwebezustand zwischen künstlerischer Setzung – in den Formen von Aktionen, Happenings und Installationen – und einer politischen Positionierung mit realgültigem Anspruch.107 In diesem Rahmen bediente sich der Beuys-Schüler Immendorff des Mittels hyperbolischer Parodie zur Subversion und Kritik der realen Zustände. In einer 2002 am Düsseldorfer Graf-Adolf-Platz aufgestellten Statue, der »Affenplastik« (Abb. 32), hat Immendorff sein Verhältnis zum Lehrer zum Ausdruck gebracht.108 Beuys, der an seinen Attributen Anglerweste und Filzhut unverkennbar zu identifizieren ist, schreitet in gemächlichem Schritt nach vorne. Als hätte er soeben eine Überlegung ausgesprochen, eine Argumentation ausgeführt, ist sein linker Arm leicht gebogen erhoben und seine Hand mit der Fläche nach oben gekehrt, sodass sie im vagen Zeigegestus seine Darlegung zu untermauern scheint. Sein Kopf ist nach rechts unten gekehrt, dort führt der Maler wie ein Kleinkind einen Affen an der Hand. Dieser blickt erhobenen Hauptes nach vorne und hält selbst ein Bündel Pinsel in der Rechten. In zahlreichen Gemälden seines späteren Œuvres hat der Beuysschüler das kunsthistorisch verwurzelte Thema des »Maleraffen« und »Gaukler« aufgefasst.109 Motive aus Tierreich und Schauspielkunst gehören zum traditionellen Bildrepertoire von Kunst und Literatur. Sie stehen in der Funktion, eine Antithese zur rationalen Menschheit und deren kultureller Produktion zu bilden,110 die aufgrund ihrer dialektischen Notwendigkeit im Verlauf der modernen Kulturkritik verstärkt positiv konnotiert wurde.111 Die Gegenüberstellung von Menschen und Affen besitzt dabei 105 | Vgl. Stüttgen 1987, S. 28. 106 | Vgl. Tabelle über die FIU-Initiativen außerhalb Deutschlands, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-001165. 107 | Erst nach dem Ende von »LIDL« orientierte sich Immendorff konkreter parteipolitisch und kandidierte für die Alternative Liste. – Vgl. Huber, Jörg: Situation – Position. Ein Gespräch mit Jörg Immendorff über seine politische Malerei. In: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 36-52, S. 38. 108 | Die Skulptur wurde inzwischen entfernt und versteigert. – Vgl. Purpar, Rolf: Kunststadt Düsseldorf. Objekte und Denkmäler im Stadtbild. Düsseldorf 2009, S. 94; https://www.vanham.com/datenbank-archiv/datenbank/joerg-immendor ff/komm-joerch-wir-gehen.html (letzter Aufruf: 6.3.2017); Eisenbeis, Markus: Editorial. In: Van Ham Art Magazine, Herbst 2015, S. 2-3, S. 2. 109 | Vgl. Ausst.-Kat., Große Figuren. Immendorff. Lüpertz. Penck, Darmstadt, Kunsthalle, 2001-2002, S. 10-11; Gohr, Siegfried: Immendorffs Wandlungen – Von Affen und anderen Menschen. In: Ausst.-Kat., Immendorff. Respect I, Dresden, Dresdner Kunstverein, 1996, S. 47-54. 110 | Vgl. Borgards, Roland (Hg.): Tiere: Kulturwissenschaftliches Handbuch. Stuttgart 2016; Marret, Bertrand: Portraits de l’artiste en singe. Les Singeries dans la peinture. Paris 2001, S. 30. 111 | So verkörpert die Tiergestalt des Panthers in Kafkas Erzählung »Ein Hungerkünstler« unter anderem auch einen dem menschlichen Ehrgeiz entgegenstehenden, optimistischen Aspekt von Ursprünglichkeit und Duldung. – Vgl. Lubkoll, Christine: Dies ist kein Pfeifen. Mu-

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Abbildung 32:  Jörg Immendorff, »Affenplastik«, 2002, Bronze, ca. 205 cm × 145 cm × 150 cm, ehemals Düsseldorf, Graf-AdolfPlatz, inzwischen Privatbesitz

© Abbildung gemeinfrei

in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. So erinnert die Darstellung des malenden oder bildhauenden Affen in Funktion einer Spiegelfigur den Künstler an den Sinnspruch »ars simia natura« und mahnt zur korrekten Differenzierung zwischen künstlerischer Imitationsgabe und sinnloser Nachahmung.112 Entsprechend dieser Tradition zog eine 1869 erschienene Illustration des französischen Karikaturisten sik und Negation in Franz Kafkas Erzählung »Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse«. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 66 / 1992, S. 748-764. – Daneben sorgt die Evolutionstheorie Darwins für ein Näherrücken der Spezien, die die stetig betonte Überlegenheit des Menschen gegenüber dem Tierreich relativ erscheinen lässt. Die Gestalt des Affen verliert infolgedessen an Lächerlichkeit. – Vgl. Marret 2001, S. 92-93. 112 | Bertrand Marret bietet in seiner Publikation anhand exemplarischer Beispiele aus der Kunstgeschichte eine vielschichtige Übersicht über die verschiedenen Funktionen und den

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Grandville noch die akademische Lehrpraxis des Abmalens durch die Affenfigur ins Lächerliche (Abb. 33). Auch Kant exemplifizierte anhand des sprachlichen Bildes der »Nachäffung«113 ein verfehltes Lehrer-Schüler-Verhältnis, bei dem der reinen Kopie der Anteil genialischer Schöpfung fehle. Abbildung 33:  Jean Ignace Isidore Gérard, gen. Grandville, »Académie de peinture«, Illustration aus: ders., Les métamorphoses du Jour. EA Paris 1829, 048, S. 291v, kolorierte Lithografie, 170 mm × 260 mm, Achenbach Foundation of Graphic Art

In Rekurs auf diese ikonografische Tradition wirkt die Selbstdarstellung des Beuysschülers Immendorff als Affe an der Hand seines Lehrers wie eine augenfällig ins Bild gesetzte Selbstkritik des Künstlers. Diese könnte sogar als Eingeständnis einer Epigonenschaft Immendorffs aufgefasst werden, die »LIDL« insbesondere von damaligen Zeitgenossen häufig vorgeworfen wurde.114 In Hinblick auf die persönliche Ikonografie des Künstlers entfaltet die Darstellung des Affens in der Skulpturengruppe jedoch ein weiter greifendes Bedeutungsspektrum. Im Verlauf der ersten Aktionen von »LIDL« und den Veranstaltungen im »LIDLRaum« ersetzte Immendorff das Motiv des Babys durch Tiere.115 Vor allem die zum »LIDL-Botschafter« ernannte Schildkröte tauchte sowohl in realer Gestalt als auch in malerischer Repräsentation in den Werken dieser Zeit auf. Im Gespräch mit Pahistorischen Bedeutungswandel des Affens in der Malerei. – Vgl. Marret 2001; vgl. zum hiesigen Abschnitt insbes. S. 17-27. 113 | Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, hg. v. Heiner F. Klemme. Hamburg 2009, S. 208-209. 114 | »LIDL«-Aktionen wurden in der zeitgenössischen Wahrnehmung häufig als jugendlich blinder Kampfeifer belächelt und gerade von Beuys-Anhängern wiederholt fehlende theoretische Fundierung und simple Geltungslust vorgeworfen. – Vgl. Meister, Helga: Lidl liebt Nestwärme. Anti-Künstler gingen in die 2. Runde, Zeitungsartikel vom 7.5.1969, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1969-05-07 / 3102; Stüttgen 2008, S. 545-546. 115 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 17.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

mela Kort bestimmte Immendorff maßgebliche Eigenschaften des Reptils als Kriterien für seine Motivwahl: Aufgrund ihrer Langsamkeit, ihrer affektiven Distanz im Vergleich zu anderen Haustieren sowie ihrem Panzer, der als mobile Behausung äußeren Umständen widerstehen kann, verstand Immendorff die Schildkröte als ein persönliches Symbol für die Permanenz der Kunst als Lebensaufgabe.116 Darüber hinaus definierte er sie als Analogon zum Hasen, den Beuys in christlicher Tradition als »Symbol der Inkarnation«117 in seinen Arbeiten vielfach aufgriff. Immendorffs direkter Vergleich von Schildkröte und Hase lässt an die antike Fabel Äsops denken, in der die Schildkröte wider alle Erwartungen das Wettrennen mit dem Hasen aufgrund ihrer Ausdauer gewinnt.118 Neben der offiziellen Würdigung Beuys’ als Orientierung und Vorbild für Immendorff, ist seine Aussage demnach nicht weniger von hintergründiger Ironie gefärbt und bezeugt das spannungsvolle Verhältnis des Künstlers zur seinem »übermächtige[n]«119 Lehrer. Dieses muss auch bei der Betrachtung der Düsseldorfer »Affenplastik« reflektiert werden. Als Polemisierung des Geniekults haben Arnulf Rainer und Dieter Roth bereits 1979 gemeinsam mit einem Affen Kunstwerke geschaffen.120 Dieser steht im Verständnis eines neuen Kunstbegriffs der menschlichen Schöpfergabe nicht nach, sondern repräsentiert vielmehr einen Aspekt der vielschichtigen Kunstentwicklung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zwischen »Vergeistigung und Primitivismus«121. Die Selbstdarstellung Immendorffs als Affe in der Skulpturengruppe kann somit auch als Zeichen bewusster, sogar strategischer Naivität verstanden werden, mit der er an der Seite des Theoretikers Beuys schreitet.122 Während dieser seine Gedanken ausführt und den Weg weist, hält der Schüler die Pinsel zur schnellen Tat bereit. Die Metamorphose Immendorffs innerhalb des Bildwerks reflektiert zudem den doppelten Blick, den der Künstler im Selbstporträt besitzt, in dem er zugleich Bildner und Abgebildeter ist. In gleicher Weise nimmt der Künstler als Teil der eigenen historischen Epoche immer zugleich die Position des Mitwirkenden sowie die des Beobachters, Kritikers und Kommentators ein. Ob seine künstlerische Aussage dabei konkreten Einfluss ausüben kann, lässt Immendorff als offene Frage stehen.123 Denn mag sein Versuch auch im Bereich des Imaginären verharren, besteht das subversive Potenzial des Kunstwerks für Immendorff gerade darin, dass es nicht unverkennbar mit der alltäglichen, politischen Realität verschwimmt. Dies drückte er retrospektiv aus, indem er die Differenz seiner »LIDL«-Aktionen gegenüber den 116 | Vgl. Kort 1993, S. 45-46. 117 | Vgl. Adriani /  K onnertz /  T homas 1973, S. 79. 118 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 371. 119 | Kort 1993, S. 23. 120 | Vgl. Ausst.-Kat.,Roth Time. A Dieter Roth Retrospective, New York, The Museum of Modern Art New York, 2003, S. 190. 121 | Bexte, Peter: Tierbedarf in Galerien und Laboren. Für eine Theorie der produktiven Missverständnisse. In: Kritische Berichte, 3 /  2010, S. 71-79, S. 74. 122 | Im Jahr der Skulpturenerstellung beschrieb Immendorff seine persönliche Auffassung des Affenmotivs als eine Figur zur persönlichen Ermahnung, die Dinge nicht zu ernst zu nehmen und gleichzeitig selbstkritisch zu bleiben. – Vgl. Kort, Pamela: Interview mit Jörg Immendorff, Düsseldorf, Juli 2005, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 9-16, S. 10. 123 | Vgl. Kort 1993, S. 80.

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realpolitischen Ambitionen Beuys deutlich machte: »Alle diese Aktivitäten wurden erst durch die Reaktion der Umgebung politisch. Zunächst waren sie als poetische, spielerische und subversive Kunstbehauptungen gedacht.«124

4.2 M arcel B roodthaers , »M usée d ’A rt M oderne , D épartement des A igles « (1968-1972) In zwölf unterschiedlichen thematischen Sektionen realisierte sich zwischen 1968 und 1972 an unterschiedlichen Orten teilweise mit zeitlichen Überschneidungen das »Musée d’Art Moderne, Departement des Aigles« des belgischen Künstlers Marcel Broodthaers.125 Anders als die zwischenzeitlich von Jörg Immendorff angemieteten »LIDL-Räume« oder die lediglich in der Erzählung verortete »Académie Worosis Kiga«, eignete sich das Adlermuseum den jeweiligen Ort seiner Realisierung für die Dauer der Demonstration, der Ausstellung oder des sektionsbildenden Ereignisses, an und übergab ihn danach wieder seiner zugrundeliegenden Funktion. Ohne feste Adresse oder eigene Sammlung traten in den zyklischen Manifestationen des fiktiven Museums grundlegende Eigenschaften des Museumsbetriebs zurück.126 Ausgangspunkt war das dem Künstler eigene Atelier in der Rue de la Pépinière, Brüssel, in dem am 27. September 1968 das Museum mit der »Section XIXème Siècle« eröffnet wurde (Abb. 34).127 Broodthaers bestückte dafür die drei nahezu leeren Räume seines Ateliers im Erdgeschoss eines Wohnhauses mit Transportkisten und Verpackungsmaterial der Kunsttransportfirma Continental Menkes.128 Die unterschiedlich großen Holzkisten trugen englische und französische Aufschriften, die wie »Tableau«, »Picture« oder »Sculpture« auf die materiellen Vergegenständlichung von Kunst und mit knappen Handlungsanweisungen wie »Keep dry« oder »handle with care« sowie Hinweisen wie »Fragile« das soziale Betriebssystem Kunst konnotierten.129 Diese Installation erweiterte Broodthaers mit an die Wand geklebten Postkarten, die 124 | Immendorff zitiert nach: Kort 1993, S. 43. 125 | In Sekundärliteratur sowie Texten von Broodthaers selbst werden nicht immer alle zwölf Sektionen des fiktiven Museums genannt. Vor allem die lediglich als kurze Ereignisse stattfindenden, beziehungsweise räumlich unzugänglichen Sektionen »Séction Littéraire«, »Séction Folklore« und »Séction Documentaire« werden bei Aufzählungen häufig übergangen. – Vgl. König 2012, S. 18, Anm. 1. 126 | Vgl. Hildebrand-Schat, Viola: Literarische Aneignung und künstlerische Transformation. Zur Literaturrezeption im Werk von Marcel Broodthaers (zugl. Habil. Frankfurt a. M. 2011), München 2012, S. 249. 127 | Der 1972 entstandene, zweiseitige Offsetdruck »Musée – Museum« zeigt einen Grundriss sowie zwei Aufrisse der zum Museum umfunktionierten Atelierräume in Brüssel 1968. Anhand dieser kann die Aufstellung und Hängung verschiedener Exponate nachvollzogen werden. – Vgl. Broodthaers 2013, S. 171. 128 | Vgl. König 2012, S. 18. 129 | Vgl. Reproduktion eines offenen Briefes von Marcel Broodthaers vom 25.8.1969, in: Hakkens, Anna (Hg.): Marcel Broodthaers par lui-même. Gnet 1998, S. 65.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

dem Sektionstitel gerecht, Gemälde und Zeichnungen französischer Meister des 19. Jahrhunderts reproduzierten. Einzelne ihrer Motive, die unter anderem von Werken Camille Corots, Gustave Courbets, Jacques Louis Davids, Eugène Delacroix’ und Jean-Auguste-Dominique Ingres’ stammten, wurden in zwei parallel laufenden Diaprojektionen wiederholt. Die erste Projektion »Caricatures et peintures du XIXème siècle« bestand aus etwa 60 Dias, in denen sich die auf den Postkarten abgebildeten Kunstwerke mit Karikaturen, unter anderem aus dem Œuvre Grandvilles, abwechselten.130 Die zweite Diaschau »Projections sur caisse«131 umfasste zirka 50 Dias von ausgestellten Postkarten, zuzüglich einer Abbildung des Gemäldes »La Domaine d’Arnheim« (1962) von René Magritte sowie Reproduktionen handgeschriebener Texte Broodthaers’ und Details von Aufschriften der umstehenden Verpackungen. Letztere Projektion wurde auf eine aufrecht an der Wand lehnende Transportkiste geworfen, während »Caricatures et peintures du XIXème siècle« auf der weißen Atelierwand zu sehen war.132 Abbildung 34: Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section XIXème Siècle«, 1968-1969, Detailaufnahme Atelierräume Rue de la Pépinière 30, Brüssel, Fotografie von Maria Gilissen

© The Estate of Marcel Broodthaers / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Um das neu entstandene Museum auch von außen erkennbar zu machen, versah Broodthaers das zur Straße hinausgehende Fenster mit dem Schriftzug »Musée – Museum«, die rückseitige Gartenmauer mit »Département des Aigles« und

130 | Vgl. Hakkens, Anna, Lubbers, Frank (Hg.): Marcel Broodthaers. Projections, Ausst.Kat., Eindhoven, Stedelijk Van Abbemuseum, 1994, S. 46-49. 131 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1994, S. 50-53. 132 | Vgl. König 2012, S. 18.

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die Gartentür mit »Section du XIXème siècle«.133 Zur Eröffnung parkte ein vom Künstler bestellter Lastwagen der Transportfirma Continental Menkes vor der Tür. Broodthaers erklärte sich selbst zum Direktor des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles«, ließ jedoch Johannes Cladders, den Direktor des Städtischen Museums Abteiberg in Mönchengladbach, die Eröffnungsrede halten.134 Diesen hatte der Künstler anlässlich der vierten documenta im selben Jahr in Kassel kennengelernt und über seine Idee einer Museumgründung informiert.135 Ohne genauere Vorkenntnisse über die Umsetzung des Projekts, las Cladders zur Vernissage aus einem Artikelmanuskript vor, in dem er das als verstaubte Institution in Missgunst geratene Museum thematisierte und analog zum Konzept der Anti-Kunst die Einführung eines Anti-Museums als Lösungsmöglichkeit vorschlug.136 Nach weiteren Ausführungen von Broodthaers entwickelte sich eine lebhafte Debatte unter den Anwesenden, die bis in die frühen Morgenstunden andauerte.137 In späteren Aussagen betonte der Künstler wiederholt die Bedeutung der Diskussion.138 Dabei nannte er diese nicht nur als wichtigen Bestandteil des Museumskonzepts und dessen Gründungsfeier, sondern beschrieb sie im Widerspruch zu Cladders’ Darlegung auch als Ausgangspunkt der demnach vollkommen spontan durchgeführten Museumsgründung.139 Broodthaers’ Darstellung zufolge, fehlte es ihm als Gastgeber eines geplanten Diskussionskreises, an dem befreundete Künstler, Galeristen und Sammler teilnehmen sollten, an Sitzgelegenheiten. Ihm kam daher die Idee, eine ihm bekannte Firma für Kunsttransporte nach ausleihbaren Verpackungskisten zu fragen, um seine Besucher auf diesen Platz nehmen zu lassen.140 Das so entstandene Arrangement, welches schließlich als erste Sektion des Adlermuseums gelten sollte, nahm der Künstler laut eigenen Äußerungen zunächst als pure »Dekoration«141 wahr. Broodthaers’ Interesse am kulturpolitisch motivierten Austausch ist belegt. So hatte der Künstler im Mai an der Besetzung des Brüsseler Palais des Beaux-Arts teilgenommen und war als Mitglied der »Freien Versammlung« wahrscheinlich mitverantwortlich für das dort veröffentlichte Manifest.142 Aus Enttäuschung über die doch vorrangig eigennützigen Ziele der

133 | Vgl. Interview von Freddy de Vree mit Marcel Broodthaers, 1969, in: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994, S. 75-82, S. 79. 134 | Vgl. Compton, Michael: Einführung aus dem M.-Broodthaers-Katalog, Tate-Gallery (Auszüge). In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Köln, Museum Ludwig, 1980. S. 21-27, S. 23. 135 | Vgl. Cladders, Johannes: Musée d’Art Moderne Département des Aigles. Section XIX e siècle. In: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 294-295, S. 294. 136 | Vgl. Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 294. 137 | Vgl. Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 294. 138 | Har ten, Jürgen, Schmidt, Katharina: »Auszug aus einem Gespräch mit Marcel Broodthaers.« In: Dickhoff 1994, S. 97-100, S. 98. 139 | Vgl. König, Susanne: Zwischen Realität und Fiktion. Das ›Musée d’Art Moderne, Département des Aigles‹ von Marcel Broodthaers. In: Geiger, Annette, Hennecke, Stefanie (Hg.): Imaginäre Architekturen. Berlin 2006, S. 164-181, S. 175. 140 | Vree, in: Dickhoff 1994, S. 78-79. 141 | Harten /  S chmidt, in: Dickhoff 1994, S. 98. 142 | Vgl. Schultz, Deborah: Marcel Broodthaers. Strategy and Dialogue. Bern [u. a.] 2007, S. 78; Faksimile des Besetzungsmanifests, in: Blotkamp 1979, S. 248.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Besetzer verließ er diese jedoch schon bald.143 Gegen eine vollkommen ungeplante Entstehung des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« spricht neben der Aussage Cladders jedoch auch ein am 7. September 1968 von Broodthaers im Stil einer Pressemitteilung formulierter offener Brief, in dem er die Eröffnung eines Museums für zeitgenössische Kunst ankündigte.144 Es ist in dieser Hinsicht anzumerken, dass zu diesem Zeitpunkt in ganz Belgien kein Museum für zeitgenössische Kunst existierte.145 Im Briefkopf seines Schreibens verwendete der Künstler die Adresse des Kultusministers in Ostende und betonte dadurch, dass seinem Adlermuseum nicht nur der Charakter einer Alternative, sondern der einer Präfiguration innewohnte.146 Die »Section XIXème Siècle« blieb genau ein Jahr bestehen. In der Zwischenzeit empfing das Museum eine vielfältige Besucherschaft, unter der sich auch die Düsseldorfer Künstlerszene wiederfand, für die Broodthaers ausgesprochene Sympathien hegte.147 Am 17. August 1969 unternahm die »LIDL-Sportmannschaft« nach einem Fußballturnier gegen das Team der alternativen Galerie A 37 90 89 von Isi Fiszman und Kasper König eine Fahrradtour von Antwerpen in das Brüsseler »Musée d’Art Moderne«, als deren Sieger Panamarenko hervorging.148 Broodthaers’ fiktive Institution erfuhr in Kunstkreisen folglich nachweisbare Aufmerksamkeit. Am 27. September 1969 fand feierlich die Schließungszeremonie der »Section XIXème Siècle« statt, bei der geladene Gäste, unter ihnen Johannes Cladders, Isi Fiszman und Herman Daled, in einem Bus von der Brüsseler Rue de la Pépinière nach Antwerpen zum Ausstellungsraum A 37 90 89 gebracht wurden.149 Dort installierte Broodthaers als Fortsetzung der Brüsseler Sektion das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section XVIIème Siècle«, das am selben Abend mit einer Rede von Piet van Daalen, Konservator des Zeeuws Museum de Middelburg,

143 | Vgl. Harten, Jürgen: »Der Adler vom Oligozän bis heute«, Düsseldorf 1972. Musée d’Art Moderne, Département des Aigles: Section des Figures. In: Klüser / H egewisch 1991, S. 220-229, S. 220; König 2012, S. 53. 144 | Vgl. Zwirner 1997, S. 85. 145 | Vgl. Hoet, Jan: Chambres d’Amis, Gent 1986. In: Klüser / H egewisch 1991, S. 238245, S. 238; Hildebrand-Schat 2012, S. 251. 146 | Vgl. Faksimile des offenen Briefes »Ouverture« vom 7. September 1968, in: Ausst.Kat. Paris 1991, S. 194. 147 | Am 10.5.1969 artikulierte Broodthaers seine Vorliebe für Düsseldorf in den klaren Worten »Ich liebe Düsseldorf« – »J’aime Düsseldorf.« [Übersetzung T. N.] – Vgl. Faksimile des offenen Briefes »Chers Amis« vom 10.5.1969, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 199. – Jürgen Harten zählt sich selbst als »siebten Besucher« der Museumsfiktion. – Harten, in: Klüser / Hegewisch 1991, S. 222. 148 | Während Harald Szeemann die freundschaftliche Fahrradtour ohne Gewinner beschreibt, nennt Marie-Puck Broodthaers Panamarenko als eindeutigen Sieger des Radrennens mit einer halben Stunde Vorsprung. – Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1983-84, S. 26; Broodthaers 2013, S. 196; Kat. Paris 1991, S. 202-203. 149 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 201. – Susanne König nennt in ihrer 2012 publizierten Dissertation fälschlich den 29. September 1969 als Eröffnungsdatum der zweiten Sektion des Adermuseums. – Vgl. König 2012, S. 20.

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eröffnet wurde.150 Für den Zeitraum von einer Woche zeigte das Museum neben den aus Brüssel transportierten Verpackungsmaterialien nun entsprechend dem zeitlichen Fokus der Sektion und in lokalem Bezug zu Antwerpen insgesamt 20 Postkarten, die Arbeiten von Peter Paul Rubens reproduzierten. Eine von Ihnen war weit oben an einer Wand angebracht, an der daneben eine Sprossenleiter lehnte.151 Auf den Fenstern war der niederländische Schriftzug »Sectie XVII Eeuw« und auf der Gartenmauer auf Französisch »Département des Aigles« zu lesen. Parallel zur ersten Manifestation des »Musée des Aigles«152 mit der Sektion des 19. Jahrhunderts begann Broodthaers bereits seine Arbeit an einer weiteren Museumsabteilung, der »Section Littéraire«.153 Diese gestaltete sich im Zeitraum von 1968 bis 1971 in einer Reihe offener Briefe progressiv und ohne festgelegten Ort. Da sie niemals unter einem Titel zusammengetragen, ausgestellt oder publiziert wurde, ist nicht eindeutig zu definieren, aus welchen Schriftstücken sich die Sektion exakt zusammensetzt.154 So ist es nicht nachvollziehbar, ob lediglich die mit einem entsprechenden Briefkopf der Sektion markierten Schreiben, wie der offene Brief »Mon Cher Lamelas« vom 31. Oktober 1969,155 hierzu gezählt werden können oder schlichtweg alle öffentlichen Briefe und Schriftstücke die Museumsabteilung konstituieren.156 Diese Unschärfe ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die Sektion in einigen Publikationen unerwähnt oder ohne weitere Präzisierung aufgeführt bleibt.157 2001 wurde von Broodthaers’ Witwe, Maria Gilissen, in Zusammenarbeit mit Rainer Borgemeister der Band »Section Littéraire du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles. Ceci est une pipe. This is a pipe. Dies ist eine Pfeife«158 pu150 | Vgl. Zwirner 1997, S. 91. 151 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 202-203. 152 | Als solches bezeichnet Broodthaers sein »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« in Kurzform. – Vgl. Reproduktion seines offenen Briefes vom 29.11.1968, in: Zwirner 1997, S. 87. 153 | Vgl. König 2012, S. 19. 154 | Zur Korpusfrage hat Gabriele Mackert in ihrer Dissertation grundlegende Quellen zusammengetragen. – Vgl. Mackert 2010, S. 109-122. 155 | Vgl. Faksimile des offenen Briefes, in: Moure, Gloria (Hg.): Marcel Broodthaers. Collected Writings. Barcelona 2012, S. 211. 156 | Eine solche umfassende Definition wird im Pariser Katalog von 1991 vorgenommen und so wird die Sektion ebenfalls in der 2012 erschienenen Dissertation von Rachel Haidu behandelt. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 198-199; Haidu, Rachel: The Absence of Work. Marcel Broodthaers, 1964-1976 (zugl. phil. Diss. Columbia, USA, o. J.), Cambridge [u. a.] 2010, S. 151. 157 | So wird sie beispielsweise auf dem Zeitschema des »Musée d’Art Moderne« im Ausstellungskatalog von 1991 verortet, danach aber nicht weiter erläutert. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 190-191. – Auch Broodthaers selbst führte die Sektion nicht immer auf. Auf dem Entwurf zur Einladungskarte zur »Section Cinéma« wurde sie jedoch genannt. – Vgl. Reproduktion, in: Borja-Villel, Manuel J. (Hg.): Marcel Broodthaers. Cinéma. Part I, Ausst.-Kat., Barcelona, Fondacio Tapiès, 1997, S. 149. 158 | Broodthaers, Marcel: Section Littéraire du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles. Ceci est une pipe. This is a pipe. Dies ist eine Pfeife. Brüssel 2001.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

bliziert. Im Vorwort erläutert Gilissen, dass es sich bei der vorgelegten Veröffentlichung um ein von Broodthaers geplantes Projekt der »Section Littéraire« handele, das neben dem 1969 verfassten, dreisprachigen Text »Ceci est une pipe« von Marcel Broodthaers auch Michel Foucaults Essay »Ceci n’est pas une pipe« und diesbezügliche Reaktionen und Kommentare des Künstlers umfassen sollte. Zu der von Broodthaers vorgesehenen Publikation ist es jedoch nie gekommen. Die vierte Abteilung des Adlermuseums, die »Section Documentaire«, entstand im Sommer 1969 am Strand von Le Coq in Belgien.159 Während der Ebbe zeichnete Broodthaers, unterstützt von seinem Freund Herman Daled, mit Hilfe eines Spaten den Grundriss eines fiktiven Museumsbaus in den feuchten Sand. Die von Maria Gilissen fotografisch festgehaltene Aktion zeigt, wie Künstler und Sammler mit Helmen ausgestattet, eine rechteckige Vertiefung im Strand ausheben und diese mit einer polygonalen Umrandung umfassen, die sie mit der Spatenkante in den Sand ritzen. Auf einer Fotografie lassen sich innerhalb dieses polygonalen Umlaufs drei kleinere und flachere Vertiefungen neben der mittigen Aushebung erkennen. Die Dokumentation zeugt zudem von insgesamt drei in den Sand gestellten Schildern, die auf Französisch und Niederländisch aus dem Museumskontext geläufige Inschriften tragen: »Défense absolue de toucher aux œuvres / Streng verboden de voorwerpen aan te raken« und »Il est strictement interdit de circuler sur les travaux / Streng verboden op de Werken te Gaan«160. Die letzte Hinweistafel designiert die Arbeit als »Musée d’Art Moderne Section de XIXe siècle / Museum voor Moderne Kunst Afdeling XIXe eeuw«161. Die Sektion hatte gemäß den Gezeiten bis zur kommenden Flut für etwa sechs Stunden Bestand.162 Der in den Sand gezeichnete Grundriss des fiktiven Museums spielte auf den Repräsentationsort institutioneller Macht in Form der öffentlich zugänglichen Einrichtung an. Als Gegenpart zur Realität war die imaginäre Architektur jedoch nur zeichenhaft in ihren Grundlinien für eine begrenzte Dauer und von einem zufälligen Publikum zu erfahren. Für die über die momentane Aktion hinausreichende Rezeption wird die titelgebende Dokumentation virulent. Sie spiegelt einerseits eine grundlegende Methode der musealen Tätigkeit, andererseits erinnert das fotografische Artefakt als Zeugnis für die ephemere Werkexistenz an die Repräsentationsform der sich zu damaliger Zeit etablierenden Land Art.163 Im Gegensatz zu deren Absicht, das Kunstwerk dem institutionellen Kontext und seinem Machtgefüge zu entziehen, fiel in der »Section Documentaire« allerdings das Kunstwerk mit der Museumsabteilung zusammen. Die nächste Sektion des »Musée d’Art Moderne« realisierte sich 1970 anlässlich der Ausstellungsreihe »between« in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf.

159 | Vgl. Zwirner 1997, S. 92. 160 | »Kunstwerk nicht berühren«, »Kunstwerk nicht betreten« [Übersetzung T. N.], zitiert nach Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 204. 161 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 204. 162 | Vgl. Zwirner 1997, S. 92. 163 | Vgl. König, in: Geiger /  H ennecke 2006, S. 168.

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»between« wurde 1969 von Jürgen Harten als eine »Veranstaltungsreihe auf Abruf«164 eingeführt und fand bis 1982 statt. Das Konzept sah vor, die Kunsthalle in unregelmäßigen Abständen und für die kurze Dauer zwischen Ab- und Auf bau zweier Ausstellungen zu einer Plattform für »Randerscheinungen und Zwischenbereiche«165 der Kunst werden zu lassen. Harten, der die Brüsseler Sektion des 19. Jahrhunderts gesehen hatte, bat Broodthaers an der vierten Auflage von »between« mit seiner Museumsfiktion teilzunehmen. Der Künstler lehnte das Angebot zunächst mit der Begründung ab, dass er sich mit seinem fiktiven Museum gerade nicht einer repräsentativen Kunstinstitution eingliedern mochte.166 Schließlich willigte er jedoch unter der Bedingung ein, dass sich die in Brüssel realisierte Sektion nicht wiederhole, sondern als Neuauflage, mit aus öffentlichen Sammlungen geliehenen Originalwerken des 19. Jahrhunderts stattfinde.167 Dieser Vorgabe entsprechend, eröffnete am 14. Februar 1970 zusammen mit »between 4« das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section XIXème Siècle (bis)« in einer Hälfte des Düsseldorfer Ausstellungsraumes und schloss am darauffolgenden Tag.168 Es zeigte mit Bewusstsein für den lokalen Bezug acht Originalwerke der Düsseldorfer Malerschule aus dem Depot des Düsseldorfer Kunstmuseums.169 Die vor allem bei Hausnummern häufig auftretende französische Ergänzung »(bis)« bedeutet eine Wiederholung, markiert im Ausstellungstitel jedoch zugleich die Variation der 1968 in Brüssel installierten Schau. Neben den Werken, die in der für das 19. Jahrhundert üblichen, hohen und engen Hängung angebracht waren, stellte Broodthaers eine Stellwand auf, die den Namen des Museums und den Titel der präsentierten Sektion nannte. Um die Souveränität der Museumsfiktion innerhalb der Mauern der öffentlichen Institution zu wahren, hatte Broodthaers eigene Einladungskarten für die Vernissage des »Département des Aigles« gedruckt, auf der er selbst als Museumsdirektor genannt und die Eröffnungsrede des Direktors der Städtischen Kunsthalle, Jürgen Harten, angekündigt wurde.170 Daneben gestaltete er ein Ausstellungsplakat, auf dem lediglich vier nach den Kriegszerstörungen erhaltene Karyatiden der früheren Düsseldorfer Kunsthalle zu sehen waren.171 Die Allegorien der vier Kunstgattungen von Skulptur, Architektur, Musik und Malerei nahmen direkten Bezug auf den Ort der Präsentation und dessen Geschichte; nicht jedoch auf das »Musée d’Art Moderne«. In der anderen Hälfte des Raumes zeigte Broodthaers ohne entsprechende Ankündigung auf der Einladungskarte das Werk »Dokumentation Information«.172 Dieses rief mit Postkarten aus der ersten Brüsseler Sektion sowie Dokumentations164 | Jürgen Harten 1969, zitiert nach: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 179. 165 | Jürgen Harten, zitiert nach: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 179. 166 | Vgl. Zwirner 1997, S. 105-106. 167 | Vgl. Harten, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 295-296, S. 295. 168 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 206. 169 | Vgl. König 2012, S. 22; Harten in: Klüser /  H egewisch 1991, S. 222. 170 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 74. 171 | Vgl. Harten, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 295. 172 | Vgl. König 2012, S. 23. – Auf der offiziellen Einladungskarte von »between 4« wird Broodthaers mit der Arbeit »Projektion zur Idee des Museums« aufgeführt. Laut Barceloner Ausstellungskatalog handelt es sich hierbei ausschließlich um den zu diesem Zeitpunkt ver-

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

fotografien dieser und der darauffolgenden Antwerpener Abteilung die beiden Museumssektionen »XIXème Siècle« (1968) und »XVIIème Siècle« (1969) ins Gedächtnis. Daneben wurden die im Brüsseler Atelier gezeigte Diaprojektion »Caricatures et peintures du XIXème Siècle« und der am dortigen Eröffnungstag entstandene Film »Une Discussion Inaugurale« projiziert.173 Ein weiteres Hinweisschild verkündete den Titel der Arbeit »Dokumentation Information«, die somit parallel aber unabhängig zum »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section XIXème Siècle (bis)« in der Düsseldorfer Kunsthalle als Bestandteil der Gruppenausstellung »between 4« präsentiert wurde. Damit trat das »fiktiv[e] Museum«174 erstmals 1970 in Form einer ungewöhnlichen Ausstellungssituation in eine etablierte, öffentliche Kunstinstitution ein. Wie Harten beschreibt, entfaltete diese innerhalb der auf zeitgenössische Kunst fokussierten Kunsthalle den »caractère parasite du conservateur«175, indem sie ihr mit den aus einer realen Museumssammlung stammenden Exponaten für einen Tag eine Abteilung für das 19. Jahrhundert und dadurch historische Ausrichtung verlieh.176 Die »Section Folklorique / Cabinet des curiosités«177 des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« realisierte sich im selben Jahr. Boodthaers schenkte dem Konservator des »Département Folklorique« des Zeeuws Museum in Middelburg, Piet van Daalen, ein mit den Worten »Musée – Museum Les Aigles« besticktes Tuch für die Sammlung.178 Broodthaers’ ursprüngliche Konzeption sah es vor, die Schenkung mit einer Katalogpublikation zu komplementieren, in der eine von Maria Gilissen angefertigte Fotoserie Objekte aus der Abteilung van Daalens abbilden sollte. Dieses Projekt wurde allerdings nicht abgeschlossen.179 Im Oktober 1970 zog Marcel Broodthaers von Brüssel nach Düsseldorf um. Dort wurde die siebte Manifestation des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« in Form der »Section Cinéma« im Januar 1971 ohne Einführungsrede in einem Kellerraum am Burgplatz 12 eröffnet. Sie bestand bis Oktober 1972, dem Zeitpunkt, an dem Broodthaers sein Museum auf der fünften documenta schloss.180 Die Sektion ging aus der Arbeit »Cinéma Modèle« hervor, die am selben Ort am 15. November 1970 begonnen hatte und ursprünglich bis zum 15. April 1971 anwendeten Titel des Films »Une Discussion Inaugurale«, der in Düsseldorf erstmals gezeigt wurde. – Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 74. 173 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 68-79, S. 74. 174 | So definiert Broodthaers seine Arbeit selbst in: ders.: Literaturabteilung. Über den Text M. Foucaults oder von der Verwandlung des Geschriebenen in ein Objekt, in: ders. 2001, o. S. 175 | »parasitären Charakter des Konservators« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Harten, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 296. 176 | Vgl. König, S. 23. 177 | So lautet der Titel im Pariser Ausstellungskatalog des Jeu de Paume von 1991. – Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 205. 178 | Die Stickerei wurde von Broodthaers’ Tochter Marie-Puck angefertigt. – Vgl. Broodthaers 2013, S. 172. 179 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 205. 180 | Vgl. König 2012, S. 24.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

gesetzt war. Sie wurde jedoch vorzeitig im Januar 1971 geschlossen, um in die genannte Museumssektion umgewandelt zu werden.181 Bereits der Titel »Cinéma Modèle« impliziert das Stadium der Vorstudie und tatsächlich tragen Entwürfe der hierfür geplanten Einladungskarte die Inschrift »Département des Aigles«, wodurch die Arbeit in den Rahmen der Museumsfiktion verwiesen wird.182 Dementsprechend bezeichnete Maria Gilissen später das Modellkino als »Nouvelle Activité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles«183. Das darin gezeigte Filmprogramm stand unter dem Patronat des französischen Schriftstellers La Fontaine und umfasste fünf von Broodthaers realisierte Filme.184 Neben dem von der gleichnamigen Fabel motivisch angeregten Film »Le Corbeau et le Renard«, sind die übrigen Projektionen »Kurt Schwitters«, »René Magritte«, »Stéphane Mallarmé« und »Charles Baudelaire« nach den ihnen als Inspirationsquelle dienenden Künstlern benannt.185 Die Filme repräsentieren grundlegende Gedanken und Leitmotive der verschiedenen künstlerischen Werke, die gleichermaßen aus den Bereichen Literatur und bildender Kunst stammen. Darüber hinaus verwirklichen sie durch die Übersetzung der künstlerischen Werke in das von Ton begleitete bewegte Bild das gattungsübergreifende Prinzip von Broodthaers’ Kinomodell. Denn wie Broodthaers in einem Zeitungsinterview 1968 ausdrückte, vereinte für ihn, der persönlich aus der Poesie über das Objekt zum Film gefunden hatte, das filmische Medium die unterschiedlichen Elemente der Kunst: Wort, Plastik und Bild.186 Damit das »Cinéma Modèle« zu einer Museumssektion werden konnte, schuf Broodthaers eine neue Raumsituation, indem er den zur Filmvorführung in seiner

181 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 208. 182 | Vgl. Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Cinema Modèle. Programme La Fontaine 1970. Nouvelle activité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf. Düsseldorf, Musée d’art Moderne, Département des Aigles, 1970, Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, Brüssel, Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 2012, S. 13. 183 | Gilissen, Maria: »Cinéma Modèle«. fig. 1, fig. 2, fig. 3, fig. 4. In: Ausst.-Kat. Winterthur 2012, S. 7. 184 | Vgl. Schwarz, Dieter: Cinéma Modèle. In: Ausst.-Kat. Winterthur 2012, S. 9-10, S. 10. 185 | Vgl. Schwarz, in: Ausst.-Kat. Winterthur 2012, S. 9. – Die Filme sind später unter anderen Titeln bekannt geworden. So handelt es sich bei dem von Kurt Schwitters inspirierten Film um »La Clef d’Horologe« (1957), bei René Magritte um »La Pipe« (1969); Stéphane Mallarmé hat »La Pluie« (1969) angeregt und Charles Baudelaire wird schließlich selbst zum Filmautor in »A Film by Charles Baudelaire« (1970). – Vgl. König 2012, S. 24. 186 | Vgl. Marcel Broodthaers im Interview, in: Trepied, 2 / 1968, S. 4-5, Übersetzung in: »Interview de Marcel Broodthaers – notre invité au ›Hoef‹ le 30 janvier«. In: Dickhoff 1994, S. 61-65, S. 61. – Entsprechend den häufig eingesetzten Mitteln von Ironie und Paradox, steht diese Aussage allerdings in einem Spannungsverhältnis zu seiner tatsächlichen Produktion. Denn so wie er beispielsweise im Medium der Malerei Sprachzeichen repräsentierte, betonten auch seine Filme gerade nicht dessen medienspezifische Eigenheiten. – Vgl. Zwirner 1997, S. 117; Herbig, Jost: Über das Inventar der section cinema. In: Ausst.-Kat. Marcel Broodthaers, Catalogue – Catalogus, Brüssel, Palais des Beaux-Arts, 1974, S. 2-4, S. 2.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Ausstattung nicht näher präzisierten Raum mit Objekten und Wandbeschriftungen versah.187 Der Kellerraum wurde durch eine Bretterwand in zwei Kompartimente geteilt, Wände und Fußboden teilweise in Weiß und Schwarz gestrichen.188 An einer Wand des vorderen, neu eingezogenen Raumteils befanden sich zwei Projektionsflächen nebeneinander. Eine Fläche bestand aus einer politischen Weltkarte, auf die der Film »Le Musée et la Discussion« (1969) projiziert wurde. Die zweite Projektion fand auf einer rechteckigen, weiß gestrichenen Fläche auf der sonst schwarzen Wand statt. Auf dieser weißen Präsentationsfläche waren mehrere schwarze Rechtecke gemalt, die in weißer Farbe die Aufschriften »fig. 1«, »fig. 2«, »fig. A« oder »fig. 12« aufwiesen. Gegenüber dem Eingang des vorderen Raumteils waren zwei Regiestühle platziert, über denen »fig. 2« geschrieben stand. Auf einem darüber an der Wand befestigten Brett war eine Filmschneidemaschine installiert, auf dem Boden vor den Stühlen standen eine Stehlampe und ein Filmprojektor.189 Abbildung 35:  Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section Cinéma«, 1971-1972, Installationsansicht Burgplatz 12, Düsseldorf, Fotografie von Joaquín Romero Frías

© The Estate of Marcel Broodthaers / V G Bild-Kunst, Bonn 2018

Jenseits der Trennwand wurde das Filmprogramm um 12 Ausstellungselemente erweitert (Abb. 35). Unter den Exponaten befand sich dabei ein Koffer, der selbst 11 Objekte bergend ein weiteres Ensemble von 12 Gegenständen bildete.190 Jedes Ausstellungsstück wurde von der Beschriftung »fig. 1«, »fig. 2«, »fig. 1 & 2«, »fig. A« oder »fig. 12« begleitet. An der weißen Wand, rechts neben dem Bretterverschlag, hing ein einfach gerahmter Spiegel, auf dessen Front in einem schwarzen Rechteck die weiße Aufschrift »fig. 1« zu lesen war, wohingegen auf der Wand über ihm der Schriftzug »fig. 2« prangte. Auf dem Boden darunter stand eine Filmspule mit der Bezeichnung »fig. 1 & 2«, daneben eine Akkordeontasche, auf der in Weiß auf Schwarz »fig. 2« geschrieben stand und der genannte Koffer, der auf der Deckelinnenseite mit »fig. 2« beschriftet war und dessen 11 Objekte im Inneren ebenfalls

187 | Vgl. Schwarz, in: Ausst.-Kat. Winterthur 2012, S. 10. 188 | Vgl. Grundriss, in: Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 143, S. 162. 189 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 143. 190 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 211.

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nummeriert waren.191 Darüber waren weitere Objekte an die Wand angebracht: eine Pfeife, »fig. 2«, eine Rauchpatrone, versehen mit »fig. 1«, eine als »fig. 12« ausgewiesene Uhr, ein Kalender mit der seitlichen Beschriftung »fig. A« und eine Wolfsmaske, die erneut als »fig. 1« beschildert war. Von der Decke beleuchtete eine Hängelampe den Raum, die als »fig.1« bezeichnet war.192 Vor der angrenzenden schwarzen Wand stand ein Klavier, dessen Front mit dem Schriftzug »Les Aigles« überzogen war. An der Wand darüber waren seitlich die mit Schablone geschriebenen Worte »Musée« und »Museum« zu lesen, die sich in einem mittig über dem Instrument angebrachten Bilderrahmen wiederholten und um die darunter stehende Inschrift »fig. 1« ergänzt wurden. Auf dem Fußboden vor dem Klavier war die Bezeichnung »fig. 12« fixiert. An der gegenüberliegenden Bretterwand, der Rückseite des eingezogenen Projektionsraumes, waren über zwei Gartenstühlen die Ausstellungsplakate der ersten Museumsabteilungen, »Section XIXème Siècle« und »Section XVIIème Siècle« angebracht. Die französische Abkürzung »fig.« entspricht dem Deutschen »Abb.« und wird in Publikationen zur Nummerierung und Systematisierung des Abbildungsverzeichnisses verwendet. Dieses ordnet normalerweise dem reproduzierten Bild eine Legende zu, die bei Kunstwerken in der Regel Angaben zu Hersteller, Datierung, Technik, Material und Maßen enthält. Als Verweis innerhalb des Textes kann das Kürzel Illustrationen und textliche Erläuterungen referenzieren. Im beschriebenen Aufbau der »Section Cinéma« fehlte hingegen jegliche weiterführende Information zu den mit »fig.« gekennzeichneten Exponaten. Bei diesen handelte es sich zudem um reale Gegenstände und nicht um bildliche Reproduktionen. Da sich die begleitenden Beschriftungen teilweise wiederholten, hatten sie, wie Broodthaers in einem Interview darlegte, zudem einen identifikatorischen Effekt, der die verschiedenen Objekte austauschbar werden ließ.193 Das zwölfteilige Objektensemble, zu dem weder das Klavier, noch die Plakate gehörten, wurde 1972 von Johannes Cladders für das Städtische Museum Mönchengladbach erworben.194 Nach dem Verkauf der zwölf Exponate wurde die »Section Cinéma« von Grund auf neu konzipiert. 191 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 155. 192 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 143. 193 | Vgl. Ten Thousand Francs Reward. Marcel Broodthaers im Interview mit Irmeline Lebeer (1974). In: Buchloh, Benjamin H. D. (Hg.): Marcel Broodthaers. Writings, Interviews, Photographs. Cambridge /  L ondon 1988 (= October 42 / 1987), S. 39-48, S. 43. 194 | Hinsichtlich der chronologischen Abfolge der Ereignisse besteht in der Forschungsliteratur eine gewisse Unklarheit. 1972 ist das wahrscheinliche Verkaufsdatum, dass Cladders selbst im Katalog des Pariser Museums Jeu de Paume 1991 anführt und das ebenfalls in den Dissertationen von Schultz (2007) und König (2012) sowie im Katalog des Kunstmuseums Winterthur von 2012 genannt wird. Dabei datieren König und Schwarz ohne Quellenangabe den Erwerb auf Juni 1972, während Cladders selbst von Herbst 1972 spricht. Das Objektensemble wurde jedoch bereits in der Ausstellung »Film als Objekt – Objekt als Film« im Herbst 1971 im Museum Abteiberg gezeigt und befindet sich heute unter dem Werktitel »Théorie des Figures« in dessen Sammlung. Maria Gilissen zufolge hatte Broodthaers das Objektensemble ursprünglich als »Ensemble d’objets ayant figuré Burgplatz 12 à Düsseldorf au Département des Aigles (Section Cinéma)« betitelt, was ebenfalls für das spätere Verkaufsdatum spricht. – Vgl. Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 296-297; Schultz 2007, S. 82; König 2012, S. 26; Schwarz, in: Ausst.-Kat. Winterthur 2012, S. 10. – Dorothea Zwirner geht in ih-

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Unter den auf den Wänden zurückgebliebenen Beschriftungen hob Broodthaers den Schriftzug »fig. 12« durch Vergrößerung hervor.195 Auf ein gegenüberliegendes Regal wurde die Aufschrift »Département des Aigles, 24 images / second« angebracht. Nachdem die Einrichtungsgegenstände des vorderen Raumkompartiments verstaut waren, wurde auch dieses mit weiteren Beschriftungen versehen: den Dachbalken zierten die Zahlen »21«, »12« und »0« und alle vier Wände richteten in großen Lettern die Mahnung »Silence« an den Besucher, der nun an der Eingangstür den Titel der Museumsabteilung lesen konnte.196 In dieser Form blieb die Sektion bis zur Schließung des Museums im Oktober 1972 bestehen. Der Werkverkauf der »Section Cinéma« widersprach dem bisher ephemeren Charakter der Museumsfiktion, die sich aus diachronen Werkpräsentationen zusammenstellte.197 Das reale Museum ist im Gegensatz zur kommerziellen Galerie nicht am Verkauf von Kunstwerken interessiert, sondern deren Bewahrung und Vermittlung verpflichtet.198 Paradoxer Weise steht das »Musée d’Art Moderne« somit einerseits durch seinen flüchtigen Charakter und den materiellen Entzug im Gegensatz zur konservierenden Institution des realen Museums. Da es aufgrund dieser Eigenschaften jedoch nicht zu verkaufen ist, entzieht sich die fiktive Institution andererseits ebenfalls einem objektgebundenen Werkbegriff wie er für den kommerziellen Kunsthandel gebräuchlich ist. Mit dem Verkauf der Objekte stellte sich in der Museumfiktion die Frage nach der Differenz zwischen rahmender Institution und ausgestelltem Inhalt. Schließlich sind es, wie es die Sektionstitel des fiktiven Museums zeigten, die Objekte, die die Museumsabteilung konstituieren. Doch bereits vor dem tatsächlichen Verkauf des Objektensembles der »Section Cinéma« warf das Adlermuseum die Frage nach seiner Definition zwischen Kunstwerk und institutioneller Struktur auf und reflektierte Vermarktungsstrategien im Kunstsektor sowie die damit zusammenhängenden Ertragsmöglichkeiten. Vom 5. bis 10. Oktober 1971 richtete es sich mit der »Section Financière« am Stand der Galerie Michael Werner auf dem Kölner Kunstmarkt ein und bot sich wegen Bankrotts zum Verkauf an. 19 Kunstmarktkataloge wiesen mit einem speziell entworfenen Umschlag auf das Verkaufsangebot hin: »Musée d’art Moderne à vendre / 1970-1971 / pour cause de faillite / Département des Aigles.«199 Auf der Rückseite zeigte der Umschlag die Silhouette eines fliegenden Adlers, darunter die

rer Dissertation daher nachvollziehbarer, aber wohl fälschlicher Weise davon aus, dass sich das Objektensemble zum Zeitpunkt der Ausstellung 1971 bereits im Besitz des Museums in Mönchengladbach befand. – Vgl. Zwirner 1997, S. 119. 195 | Vgl. Borja-Villel, Manuel J., Compton, Michael: 1972: A Major Historical Event, The Ultimate Section Cinéma. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Section Cinéma du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf, 1972. Part II, Marian Goodman Gallery, New York and the Département des Aigles, Brussels, 2010, S. 7. 196 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 162-169. 197 | Vgl. Schultz 2007, S. 82. 198 | Vgl. Deutscher Museumsbund (Hg.): Standards für Museen. Berlin 2006, S. 6. 199 | »Musée d’art Moderne zu verkaufen / 1970-1971 / aufgrund von Konkurs / Département des Aigles.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 212.

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Aufschrift »fig. 0« und den Schriftzug »ô Mélancolie, aigre château des aigles.«200. Im Klappentext widmete Broodthaers die Kataloge 19 realen und imaginären Personen, darunter Baudelaire, Victor Hugo, Lucien Goldman, Edgar Poe, Schwitters, Jonathan Swift und Gustave ***.201 Ursprünglich hatte es Broodthaers vorgesehen, Goldbarren mit dem eingeprägten Adlersymbol des »Musée d’Art Moderne« auf der Kunstmesse zum doppelten Preis des aktuellen Goldkurses zu verkaufen, wobei er die Wertsteigerung durch den künstlerischen Anteil erklärte. Der Verkaufserlös sollte dem Museum zugute kommen. Einen exemplarischen Goldbarren ließ Broodthaers gießen. Ebenso existiert ein Manuskriptfragment für den Kaufvertrag, der detaillierte Auskunft über Befugnisse und Pflichten des Käufers erteilt.202 Das Projekt wurde jedoch nie in der vorgesehenen Weise realisiert und erst postum von Konrad Fischer in Form einer Katalogpublikation veröffentlicht.203 Auf dem marktwirtschaftlichen Terrain der Kunstmesse verschwammen nicht nur die Grenzen zwischen den Institutionen Galerie und Museum. Da es das gesamte Museum war, das zum Kauf stand, zerflossen auch die Demarkationslinien zwischen Werk und Institution. Das »Musée d’Art Moderne« wurde wie eine geschlossene Werkentität behandelt. Einzige fassbare Zeugnisse für seine ungreif baren, institutionellen Strukturen waren die 19 Kataloge, die schließlich von Michael Werner selbst aufgekauft wurden.204 Hiermit realisierte sich ein weiteres Paradox der Museumsfiktion. Als Kunsthändler nimmt Werner in der Regel eine Mittlerfunktion zwischen Museum und Markt ein. Die Vermittlung verläuft dabei jedoch normalerweise in die andere Richtung, indem der Händler auf dem Markt befindliche Werke in die musealen Sammlungen bringt. In diesem Fall jedoch fand das Museum Eingang in Galeriebesitz Die folgende neunte Sektion des Adlermuseums war das aufwendigste Projekt Broodthaers’ und gilt in der Rezeption immer wieder als Bezugspunkt für die gesamte Fiktion. Die »Section des Figures – Der Adler vom Oligozän bis heute« (Abb. 36) eröffnete am 16. Mai 1972 in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf. Ihrem Titel entsprechend thematisierte sie das Symbol des Adlers und seine vielfältigen Konnotationen in historischer Perspektive. Über 300 Exponate entwickelten einen facettenreichen Prospekt des Adlermotivs in diversen Gattungen und Stilen, aus verschiedenen historischen Epochen sowie von unterschiedlicher geografischer Herkunft. Unter den Objekten befanden sich Leihgaben zahlreicher internationaler Museen, aber auch Alltagsgegenstände oder militärische Insignien sowie ein naturwissenschaftliches Präparat der biologischen Spezies. Das nivellierende Nebeneinander von offiziell als Kunstwerke anerkannten Arbeiten, günstigen Reproduktionen und banalen Alltagsobjekte betonte den einzigen Aspekt ihrer Übereinstimmung: das Motiv des Ad200 | » oh Melancholie, bitteres Adlerschloss« [Übersetzung T. N.], zitiert nach Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 212. 201 | Vgl. Reproduktionen, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 212. 202 | Vgl. Dickhoff 1994, S. 85. 203 | Vgl. Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Minneapolis, Walker Art Center, 1989, S. 188189; Fischer, Konrad (Hg.): Broodthaers. Musée d’Art Moderne, Section Financière, Département des Aigles. Düsseldorf 1987. 204 | Vgl. Schultz 2007, S. 83.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

lers. Die Bandbreite der gezeigten Objekte reflektierte folglich auch die Vielfalt der Adlerikonografie, die in den unterschiedlichsten Zusammenhängen für verschiedenste Zwecke verwendet wurde. Dabei wurde entgegen einer Themenausstellung dieses ikonografische Spektrum jedoch nicht untersucht oder durch ordnende Kategorisierung vermittelt, sondern stellte es ohne Erläuterung als gleichwertiges Nebeneinander aus. Denn waren auch alle Objekte der Museumabteilung mit einer deutschen, englischen oder französischen Beschriftung versehen, verkündete diese lediglich: »Dies ist kein Kunstwerk«.205 Neben der Indifferenz hinsichtlich Material, Provenienz und Zweckbestimmung der präsentierten Exponate, überging dieser Hinweis alle üblichen musealen Klassifikationsverfahren. Abbildung 36:  Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures«, 1972, Blick in die Ausstellung »Der Adler vom Oligozän bis heute«, Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Fotografie von Maria Gilissen

© The Estate of Marcel Broodthaers / V G Bild-Kunst, Bonn 2018

Dem institutionellen Usus gemäß wurde ferner ein die Sektion begleitender Katalog publiziert.206 Die zweibändige Ausgabe kann als Materialisation der musealen Praxis von Klassifizierung, Ordnung und Vermittlung angesehen werden. Wie es die Struktur des fiktiven Museum verlangt, eignete sich Broodthaers auch diese Methoden an und wandelte sie seinen Absichten gemäß ab.207 So bestand die dem Inventar zugrunde gelegte Systematik allein in der alphabetischen Abfolge der Leihgeber, deren Kooperationsbereitschaft sowie der Zufall alleiniges Kriterium für die präsentierte Objektauswahl darstellten.208 Ein Hinweis, der im Untertitel des Katalogs »Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 205 | Vgl. Broodthaers 2013, S. 181. 206 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972. 207 | Vgl. Zwirner 1997, S. 125-126. – Weitere Analysen zum Katalog sowie zu Broodthaers’ Aneignung und Verwendung von wissenschaftlichen Ordnungs- und Klassifikationssystemen folgen in Kapitel 5. 208 | Vgl. Harten, Jürgen: Einführung. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 8-10, S. 10.

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Section des Figures« ausformuliert ist, wurde in der umfangreichen Forschungsliteratur bisher allerdings nicht beachtet. In Düsseldorf fand 1972 eine offizielle Differenzierung von Ausstellung und Museumssektion statt. Während es bisher eine Eigenheit des fiktiven »Musée d’Art Moderne« war, dass sich seine Museumsabteilungen nur in ephemeren Ausstellungssituationen realisierten, präsentierte die »Section des Figures« nun wie eine Gastinstitution in den Mauern der Düsseldorfer Kunsthalle eine Ausstellung.209 Deren experimenteller Charakter begründete im Vorwort der drei Direktoren – dem Museumsdirektor Broodthaers sowie den beiden Direktoren der Kunsthalle, Karl Ruhrberg und Jürgen Harten, die sich in diesem Jahr ablösten – die untypische Herausgabe eines zweiten Katalogbandes, der erst nach Beendigung der Ausstellung erschien und die Besucherreaktionen reflektierte.210 Die Düsseldorfer Ausstellung nahm eine Schlüsselposition im Rahmen des Adlermuseums ein, auf die sich die folgenden und letzten Abteilungen der Museumsfiktion bezogen. Am 30. Juni 1972 eröffnete die fünfte documenta unter dem Titel »Befragung der Realität – Bildwelten heute«.211 Im Rahmen dieser geschichtsschreibenden Kunstausstellung realisierte sich das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« in drei Sektionen und schloss daraufhin.212 Die thematische Abteilung »Museen von Künstlern«, für die Kasper König Verantwortung trug, befand sich im Erdgeschoss der Neuen Galerie. Dort präsentierte das Adlermuseum seine »Section Publicité«. Neben Broodthaers waren in der Ausstellungsabteilung Claes Oldenburgs »Maus Museum« (1972), Marcel Duchamp mit einer Version der »Boîte en valise« (1941), Herbert Distel mit seinem »Schubladenmuseum für moderne Kunst im 20. Jahrhundert« (1970) und Ben Vautier mit »L’armoire« (1969) vertreten.213 Die »Section Publicité« beschäftigte sich mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Museen. Anhand vielzähliger, auf das Motiv des Adlers konzentrierter Exponate wurde hier eine Reflexion über Werbestrategien im Kultursektor angestellt,214 die jedoch einen ironischen Unterton nicht entbehrte. Denn nach Eröffnung der documenta war die Sektionsausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle, zu der sie durch die Thematisierung der Adlerikonografie direkt Bezug nahm, noch zehn Tage lang zu sehen. Die Präsenz des Museums in Kassel erhielt damit

209 | Anders als in postumen Katalogpublikationen ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« 1972 nicht als zweiter Publikationsort angegeben wurde wie dies etwa beim 1995 von Marian Goodman herausgegebenen Katalog der »Section Cinéma« der Fall ist. Dadurch erscheint die fiktive Museumabteilung in Düsseldorf wiederum als Ausstellungsobjekt im Rahmen der Düsseldorfer Kunsthalle. Weitere Ausführungen zu den verwirrenden Überlagerungen von realer und fiktiver Ausstellungsinstitution folgen in Kapitel 5. 210 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 4-5. 211 | Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972. 212 | Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972, S. 13.1. 213 | Vgl. Ausst.-Kat. d5, Begleitband, S. 9. 214 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 224.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

auch Bedeutung als Eigenwerbung.215 Diesem Sinn gemäß enthielt der offizielle Katalog der documenta keinen weiteren Hinweis zur »Section Publicité«, sondern verwies diesbezüglich direkt auf den Anzeigenteil der Publikation.216 Im Erdgeschoss der Kasseler Neuen Galerie befand sich die Sektion des Adlermuseums links des Eingangs in Form einer in den Raum gebauten, rechteckigen Saalarchitektur. Diese war außen vollkommen schwarz gestrichen und verkündete in goldenen Lettern über dem Eingang »gegründet 1968 – fondé en 1968«. Der seitliche Balken neben dem Eingang präsentierte eine Adlerfigur, unter der eine Kupferplakette die auf der Rückseite des Katalogumschlags der »Section Financière« erschienene Zeile »ô Mélancolie, aigre château des aigles« aufnahm. Ursprung dieses Spruchs war ein anonymes Gemälde, das Broodthaers in der »Section des Figures« ausstellte.217 Auf der Außenwand neben dem Eingang waren zwei unbehandelte weiße Leinwände angebracht, darüber rechts ein leerer schwarzer Rahmen und links die Schrifttafel »Musée, Museum, fig. 1«, die in der »Section Cinéma« über dem Klavier gehangen hatte. Die seitliche Längswand repräsentierte in 19 Bilderrahmen Reproduktionen und Fotomontagen, die auf die »Section des Figures« verwiesen und teilweise dortige Ausstellungsstücke, beziehungsweise deren Präsentation im Ausstellungszusammenhang abbildeten.218 In Korrespondenz zu den dort gebrauchten Etiketten »Dies ist kein Kunstwerk« waren die Rahmen der Werbeabteilung jeweils mit der Plakette »Musée d’Art Moderne, Publicité« bezeichnet.219 Im Inneren waren zwei Wände weiß und zwei schwarz gestrichen. Die schwarz gestrichene Rückwand diente als Projektionsfläche für die Diashow »Section Publicité« (1972).220 An der rechten, ebenfalls schwarzen Wand lehnte eine Transportkiste, neben der weitere sieben leere Bilderrahmen hingen. Die linke weiße Wand war mit sieben Bilderrahmen bestückt, die die Fotomontagen der Außenwand fortführten. Vor ihr standen vier Vitrinen, von denen sich nur eine auf die Ausstellung in Düsseldorf bezog. Die übrigen Vitrinen repräsentierten über vielfältige Reklameartikel das Thema von Kommerz und Werbung im Kunstsektor. Darunter befand sich auch ein Exemplar des Verkaufskatalogs der »Section Financière«. In einem der Schaukästen lag ein Handzettel aus, der im Ausblick auf das Ende der Museumsfiktion deren Status und Wirkungsmöglichkeiten fragend resümierte: Ce musée est un musée fictif. Il joue une fois le rôle d’une parodie politique des manifestations artistiques, une autre fois celui d’une parodie artistique des événements politiques. Ce que font d’ailleurs les musées officiels et les organes comme la Documenta. Avec toutefois la différence qu’une fiction permet de saisir la réalité et en même temps ce qu’elle 215 | Vgl. König 2012, S. 29. – Die Düsseldorfer Ausstellung lief vom 16. Mai bis 9. Juli 1972. – Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972. 216 | Vgl. Marcel Broodthaers im Interview mit George Adé (1972). In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne – Département des Aigles, Paris, la Monnaie, 2015, S. 44. 217 | Vgl. König 2012, S. 29. 218 | Vgl. König 2012, S. 30. 219 | Vgl. Begleitheft der Ausstellung »Marcel Broodthaers«, Kassel, Fridericianum, 2015, S. 22. 220 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1994, S. 84-87.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie cache. Fondé en 1968 à Bruxelles, sous la pression des vues politiques du moment, ce musée ferme ses portes avec la Documenta. Il sera passé d’une forme héroïque et solitaire à une forme voisine de la consécration grâce à l’aide de la Kunsthalle de Düsseldorf et celle de la Documenta. Il est donc logique qu’à présent il se fige dans l’ennui. Certes, voilà un point de vue romantique; mais qu’y puis-je? Qu’il s’agisse de saint Jean l’Évangéliste ou Walt Disney, le symbole de l’aigle au niveau de l’écrit pèse d’un poids singulier. Or, j’écris ces lignes, c’est-à-dire que j’entends le romantisme comme une nostalgie de Dieu. 221

Die zwei weiteren Sektionen des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« realisierten sich einander ablösend in der von Harald Szeemann und Johannes Cladders kuratierten Abteilung »Individuelle Mythologien« im ersten Obergeschoss der Neuen Galerie.222 Seit der Eröffnung der documenta am 30. Juni bis zum 15. Augst 1972 war dort die »Section d’Art Moderne« zu sehen. In einem Winkel der Etage waren in schwarzen Lettern auf den weißen Wänden in deutscher, englischer und französischer Sprache der Name der Museumsabteilung sowie die Hinweise »Direktion«, »Garderobe«, »Kasse« und »Sekretariat« geschrieben, wobei die richtungsweisenden Pfeile sowohl nach rechts als auch nach links zeigten.223 Auf dem Fenster waren von außen die Bezeichnungen »Museum, Musée« und von innen die Aufschrift »FIG. 0« zu lesen. In der Raummitte sperrte eine Metallkette, die von vier weißen Bodenständern gehalten wurde, eine Bodenplatte ab, die in den drei genannten Sprachen die Inschrift »Privateigentum« trug. Ab dem 15. August 1972 verwandelte Broodthaers die Präsentation und machte aus dem »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section d’Art Moderne« das »Musée d’Art Ancien, Département des Aigles, Galerie du XXème Siècle«.224 Die vormals weißen Wände wurden hierfür schwarz gestrichen und teils in goldenen, teils in weißen Lettern mit dem neuen Namen des Museums versehen. Auch die Bodenplatte wurde ausgetauscht. Ihr waren nun ausschließlich auf Französisch

221 | »Dieses Museum ist ein fiktives Museum. Es spielt einerseits die Rolle einer politischen Parodie künstlerischer Demonstrationen und anderseits die einer künstlerischen Parodie politischer Ereignisse. Das, was übrigens die offiziellen Museen und Organe wie die Documenta tun. Allerdings mit dem Unterschied, dass eine Fiktion erlaubt, die Realität wahrzunehmen und zugleich das, was sie verbirgt. Gegründet 1968 in Brüssel unter dem Druck der akuten politischen Aussichten, schließt dieses Museum seine Pforten auf der Documenta. Es wird von einer heroischen und solitären zu einer nahezu anerkannten Form übergegangen sein, dank der Hilfe der Kunsthalle Düsseldorf und der Documenta. Es ist daher logisch, dass es zurzeit in Langeweile erstarrt. Sicherlich eine romantische Ansicht, aber was kann ich dafür? Ob es sich um den heiligen Johannes den Täufer oder um Walt Disney handelt, das Symbol des Adlers hat hinsichtlich der Schrift ein singuläres Gewicht. Nun, ich schreibe diese Linien, das bedeutet, dass ich die Romantik wahrnehme wie eine Sehnsucht nach Gott.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 277. 222 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 228-231. 223 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 229. 224 | Vgl. Broodthaers, Marcel: Changement de propriété? In: Interfunktionen, 10 / 1973, S. 76-79, S. 79.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

die Verben »Ecrire«, »Peindre«, »Copier«, »figurer«, »Parler«, »former«, »Rêver«, »Echanger«, »faire«, »Informer« und »Pouvoir« eingeschrieben.225 Auf die schwarze Stirnwand zeichnete Broodthaers mit Kreide ein Schiff und schrieb darunter: »Le noir c’est la fume«.226 Angesichts der Dimensionsverhältnisse des gezeichneten Schiffes zur umliegenden schwarzen Fläche, offenbarte sich der Kommentar, durch den das Schiff unausgesprochen zur Quelle des Qualms erklärt wurde, als unproportioniert. Das Gemalte wurde zum Ursprung seines eigenen Hintergrunds. Somit war das Verhältnis von Ursache und Wirkung ins Wanken gebracht.227 Diese inhaltlich herbeigeführte Unsicherheit spiegelte sich in der formalen Inversion des herkömmlichen Verhältnisses von Vorder- und Hintergrund, von »Schwarz auf Weiß«, des Schriftgebrauchs wider. Mit Ironie stellte Broodthaers so konventionelle Sehgewohnheiten und Erwartungen des Betrachters bloß. Übertragen auf die Ausstellungssituation wurde die Frage nach Voraussetzung und Folge darüber hinaus in ihrem zeitlichen Aspekt betont. Aus dem einstigen Museum für moderne Kunst war ein Museum für alte Kunst geworden, wobei sich die Organisationsstrukturen der beiden Kunstinstitutionen als paradox erwiesen. Während das »Musée d’Art Moderne« neben thematischen, vorrangig historische Abteilungen umfasste, eröffnete das »Musée d’Art Ancien« direkt mit einer Galerie des 20. Jahrhunderts. Damit wurde nicht nur der historisch konstruierte und wandelbare Charakter der Definition eines Kunstwerks verdeutlicht, sondern diesem auch noch die Frage nach »Modernität«, nach zeitgemäßer Aktualität und Avantgardismus zugefügt. Welchen Wert, sowohl materiell als auch ideell, diesen Werken zugesprochen wird, ist darüber hinaus abhängig von kommerziellen Strategien, für die die »Section Publicité« im Erdgeschoss durchgängig bestand. Auf die Frage, weshalb er seine documenta-Präsentation nach der Hälfte der Ausstellung verändert habe, antwortete Broodthaers: »weil es eine der Rollen des Künstlers ist, zumindest zu versuchen, eine Subversion in das Organisationsschema einer Ausstellung einzubringen.«228

4.3 C l aes O ldenburg , »M aus M useum « (1972-1977) Während die fünfte documenta in Kassel zum finalen Schauplatz des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« wurde, fand das »Maus Museum« Claes Oldenburgs dort erstmals öffentliche Gestalt. Ausgangspunkt für Oldenburgs Museumswerk war eine vom Künstler selbst angelegte Sammlung, die er zuvor in seinem Atelier auf bewahrt und für deren Prä225 | »Schreiben«, »Malen«, »Kopieren«, »darstellen«, »Sprechen«, »formen«, »Träumen«, »Austauschen«, »tun«, »Informieren« und »Können« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Abb., in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 230. – Die wechselnde Groß- und Kleinschreibung folgt der originalen Schreibweise. Das zuletzt aufgeführte Hilfsverb »pouvoir« (»können«) ist im Französischen homonym zum Substantiv »Macht«. 226 | »Das Schwarz ist der Rauch« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 230. 227 | Vgl. König 2012, S. 32. 228 | Broodthaers 1973 (a), S. 79.

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sentation er eine eigene architektonische Hülle konzipiert hatte.229 Diese markierte als klare physische Grenze das Museumsexponat innerhalb des »Museum[s] der 100 Tage«230. Seine Autonomie betonend, erschien neben dem offiziellen documenta-Katalog zudem eine allein dem »Maus Museum« gewidmete Katalogbroschüre, in der sich Kasper König, der die Einleitung in das Museumsprojekt zeichnet, als »Direktor des Maus Museums«231 ausweist. Auf den ersten Seiten liefert Königs einführender Text dem Leser eine prägnante Beschreibung der verschiedenen Komponenten, die zur Entstehung des »Maus Museums« geführt haben. Demnach hatte Oldenburg aus einer seit 1965 vom Künstler entwickelten Objektsammlung zusammen mit dem freien Kurator König eine Auswahl für die documenta-Ausstellung getroffen und erstmals ein kategoriales Ordnungsprinzip eingeführt. In den umlaufenden Vitrinen des Museums waren demzufolge von den etwa 1000 vorhandenen Objekten 367 Exponate aus drei Gruppen zu sehen:232 »Nichtveränderte Objekte«, die vom Künstler seit 1964 im Stadtraum gefunden oder käuflich erworben wurden, »Veränderte Objekte«, »Dinge, die sich in unmittelbarem Kontakt mit einer Beschäftigung Claes Oldenburgs befanden oder in Aktivitäten, die der Künstler initiiert hat, wie ein ›Happening‹, das Spuren hinterließ«233 und die letzte, schwer zu klassifizierende Kategorie von »Atelier-Relikten«, die vorrangig aus Resten von Arbeitsprozessen bestanden. Während die »Veränderten Objekte« in direktem Zusammenhang mit künstlerischen Handlungen standen und Produkte zufälliger oder bewusster künstlerischer Intervention sind, sodass beispielsweise ein mit Farbe beträufeltes Requisit der Performance »Stars«, nicht aber ein zufällig zertretener Gegenstand in diese Sparte fällt,234 können die »Atelier-Relikte« vom einfachen Materialrückstand bis zu einer ausgearbeiteten Skizze oder einem Modell reichen. Des Weiteren umfasste die Sammlung Objekte, die Oldenburg in Reaktion auf seine Arbeit von Freunden geschenkt wurden.235 Die in diese drei Gruppen eingeteilten Gegenstände bestehen aus den unterschiedlichsten Materialien, Farben und Formen und entstammen ebenso den Bereichen Kitsch und Kommerz wie dem herkömmlichen Alltag, Haushalt und Abfall.236 Auf der documenta 1972 befand sich in der Sammlung des »Maus Museums« zudem eine Serie von Objekten, die durch das strukturierende Merkmal des rechten Winkels gekennzeichnet sind. Sie erhielten in der Rekonstruktion des Museums 1977 als sogenannte »Ray Guns«, Varianten einer futuristischen Laserpisto229 | Vgl. Maus Museum. Eine Auswahl von Objekten gesammelt von Claes Oldenburg, Aus­ st.-Begleitheft, hg. v. Claes Oldenburg und Kasper König, Kassel, documenta 5, 1972, S. 3. 230 | In den vorhergehenden dritten und vierten Auflagen trug die documenta-Ausstellung dieses Prädikat. – Vgl. Glasmeier, Michael (Hg.): 50 Jahre documenta 1955-2005. Göttingen 2005, Bd. II: archive in motion: Documenta-Handbuch, S. 262: Tableau II. 231 | Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 232 | Dies entspricht der Anzahl der im Inventar 1972 aufgeführten Exponate. König selbst spricht in seiner Einleitung von »etwa 370 Ausstellungsstücke[n]«. – Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 3, S. 30. 233 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 234 | Vgl. Oldenburg, Maartje: Chronologie. In: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 278-301, S. 298. 235 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 236 | Vgl. König 2012, S. 149.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

le, die erstmals in amerikanischen Comicstreifen der 1930er Jahre auftaucht, einen eigenen Museumsflügel.237 Wie Oldenburg in einem Brief an den documenta-Kommissar Szeemann präzisierte, konzentrierte sich die Sammlung der Museumsinstallation somit keineswegs auf eine Thematik der »Maus« oder gar »Mickey Mouse«, die als vermeintlicher Ursprung des Werktitels dienen könnte.238 Im Gegenteil leitet sich die Bezeichnung des Künstlermuseums von der Form des Museumsbaus, der sogenannten »Geometric Mouse«, ab.239 Diese Formfindung Oldenburgs besteht aus einem querliegenden Rechteck, das an den oberen Ecken in zwei große Kreise, die die Ohren der Maus bilden, ausbuchtet und dessen untere Kante mittig in eine organisch geschwungene Form, die Nase des Mausgesichtes, ausläuft. Abbildung 37:  Grundriss des »Maus Museums«, abgebildet auf dem Titelblatt des Begleitkatalogs von Claes Oldenburg und Kasper König zum »Maus Museum« auf der fünften documenta, Kassel 1972

© unbekannt 240

Auch der Einband der Broschüre zum »Maus Museum« präsentiert dessen Grundriss und unterstreicht damit die Bedeutung der architektonischen Grundlage für 237 | Vgl. Chronologie, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 298-300. 238 | Vgl. Claes Oldenburg: Brief an Harald Szeemann, 30.12.1971, in: documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 61: Künstler – USA – Korrespondenz: L– P. 239 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 240 | Alle Anfragen zur Urheberschaft blieben unbeantwortet; evtl. Rechteinhaber mögen ggf. Kontakt mit der Autorin aufnehmen.

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das Museumsprojekt (Abb. 37). Was jedoch nur für den mit architektonischen Bauzeichnungen vertrauten Leser des Begleitkatalogs ersichtlich ist, wurde auf einer dreidimensionalen Darstellung des Museumsbaus im offiziellen documenta-Ordner deutlich und fiel in der Ausstellung sofort ins Auge: Die »Geometric Mouse«, deren Kontur den Vitrinenverlauf und damit den Besucherparcours im Inneren des Museumsgebäudes bestimmte, war außen von einem einfachen Kasten umfasst und damit für den Passanten nicht sichtbar.241 Lediglich die auf dem Grundriss als Nase erkennbare lange, gebogene Blasenform durchbrach die starre, schachtelartige Hülle und beschrieb als Teppich den Eingang in das Museumsinnere. In der später modifizierten Installationsversion, bei der die umhüllende Kastenarchitektur entfiel, wurde auch die Nase als dreidimensionaler Zugang ausgebaut.242 Abbildung 38:  Innenansicht des »Maus Museums« auf der fünften documenta 1972, Kassel, Neue Galerie, Erdgeschoss

© documenta archiv /  C laes Oldenburg

Der Innenraum des Museumsbaus war vollkommen mit schwarzem »teppich­ artigem«243 Stoff ausgelegt. Entlang der Außenwand verlief etwa auf Brusthöhe ein durchgängiges, illuminiertes Vitrinenband, das als einzige Lichtquelle des Ausstellungsraumes diente (Abb. 38). Die auf dem Grundriss als Augen der »Geometric Mouse« erscheinenden Rechtecke wurden von zwei im Raum stehenden Vitrinen auf selber Höhe gebildet. Laut dem von Coosje van Bruggen 1979 angefertigten Ausstellungsplan waren diese beiden Standvitrinen als Endpunkt des Ausstellungs-

241 | Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972, S. 13.7; Bruggen, Coosje van (Hg.): Claes Oldenburg: Mouse Museum / R ay Gun Wing, Ausst.-Kat., Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller, Köln, Museum Ludwig, 1979, S. 69. 242 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 75. – Für die Rekonstruktion des »Maus Museums« 1977 in Chicago entfiel auf Vorschlag Coosje van Bruggens die die Mausform verbergende Schachtelarchitektur. Fortan wird das »Maus Museum« in sichtbarer Gestalt der »Geometric Mouse« gezeigt. – Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 71. 243 | König 2012, S. 148.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

rundgangs vorgesehen.244 Der Besuch der Museumssammlung wurde zudem von einer Tonbandaufnahme begleitet, die in Dauerwiederholung die beim Waschen der »Nichtveränderten Objekte« erzeugten Geräusche wiedergab.245 Aus einer von Oktober 1972 datierenden internen Korrespondenz zwischen der Assistentin Kasper Königs, Annette Allwardt, und Harald Szeemann geht hervor, dass es Claes Oldenburg bevorzugte, sein »Maus Museum« nach der documentaSchau vor einer möglichen Weiterreise in andere Ausstellungen wieder zu sich in sein New Yorker Atelier zu holen.246 Erst 1977 ermöglichte schließlich das Museum of Contemporary Art in Chicago durch finanzielle Unterstützung die bauliche Rekonstruktion des in Sammlungsumfang und architektonischer Ausstattung modifizierten »Maus Museums« sowie dessen Ergänzung um einen weiteren Sammlungsflügel, den »Ray Gun Wing« für eine Wanderausstellung.247 In dieser Form fand das 1972 erstmals Gestalt gewordene »Maus Museum« sechs Jahre später Eingang in die Sammlung Ludwig.248 Die Werkgenese verdeutlicht einen bedeutenden Unterschied von Oldenburgs Arbeit zu den bisherigen fiktiven Institutionen. Er besteht darin, dass sich das »Maus Museum« als ein tatsächliches Miniaturmuseum gleichermaßen aus den beiden feststehenden Komponenten von Objektsammlung und deren mobilem, räumlichem Rahmen konstituiert. Beide Aspekte sind sowohl in Motivik als auch in ihrer gedanklichen Konstruktion eng miteinander verwoben und tief im Werk des Künstlers verwurzelt. 1965 hatte Oldenburg damit begonnen, Gegenstände, die er teilweise bereits vor 1960 auf der Straße aufgesammelt und in Läden gekauft hatte, neben Überresten aus seinen Performances in einem Regal in seinem Atelier aufzubewahren.249 Das lose Nebeneinander dieser angehäuften Objekte erhielt in dem Moment den Charakter einer zusammengehörenden Sammlung, als der Künstler den Entschluss fasste, das Regal weiß anzustreichen und es an der Oberkante mit einer Schrifttafel zu versehen, die es zum »museum of popular art n.y.c.« erklärte.250 Bereits kurze Zeit darauf finden sich Pläne für ein »museum of popular objects« in Oldenburgs Notizbüchern. In diesen sieht der Künstler einen Museumsbau mit zwei Flügeln vor, einen für die »Nichtveränderten Objekte« und einen für kleine, selbst angefer244 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 75. 245 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 246 | Vgl. Brief Annette Allwardt an Harald Szeemann, 1.10.1972, in: documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 61: Künstler – USA – Korrespondenz: L– P. 247 | Ab 1977 hatten der Künstler und seine Lebensgefährtin den Plan des Museums revidiert, das Weglassen der auf der documenta die Maus-Grundform verdeckende Schale sowie technische Details, etwa die Installation einer Klimaanlage beschlossen und skizziert. Außerdem wurde die Auswahl der ausgestellten Objekte auf 385 Exponate erweitert. – Vgl. Ausst.-Kat., The Mouse Museum. The Ray Gun Wing. Two collections – two buildings by Claes Oldenburg, Chicago, Museum of Contemporary Art [u. a.], 1977-1978, S. 16. 248 | Vgl. Chronologie, in: Ka Ausst.-Kat t. Köln 2012-2014, S. 300. 249 | 1965 bezog Oldenburg neue Atelierräume in der New Yorker 14th Street und First Avenue, wo er seine Sammelstücke erstmals bewusst als solche in einem Regal zusammenführte. – Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 65. 250 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 65.

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tigte Gegenstände.251 Die Zeichnungen des Museumsgrundrisses nehmen dabei die Silhouette der »Geometric Mouse« auf und ergänzen sie um eine blasenförmige Nase wie sie später den Eingang des »Maus Museums« bildete. Die Figur des geometrischen Mauskopfes hatte Oldenburg im selben Jahr erstmals als Maske für die Teilnehmer in seiner Performance »Moveyhouse« realisiert. Allerdings setzte sich die Maskenform lediglich aus einem Quadrat für den Kopfumriss und zwei Kreisen, die an den oberen Ecken ansetzend die Ohren des Nagetieres darstellten, zusammen.252 Öffentlich erschien die dem Museumsgrundriss entsprechende Version der »Geometric Mouse« erstmals als Emblem auf einem Briefpapier, das ein Jahr später anlässlich Oldenburgs Retrospektive im Moderna Museet Stockholm 1966 gedruckt wurde.253 Der ursprüngliche Kontext, in dem sich der Entwurf zum ersten Mal materialisierte  – eine in einem Kinosaal stattfindende Performance  – untermauert die 1972 im Katalogtext von Kasper König gezogene formale Parallele der »Geometric Mouse« zu einer alten Stummfilmkamera.254 Die demzufolge im »Maus Museum« stattfindende ikonografische Verschmelzung von Maus und Film entspinnt ein vielschichtiges Netz aus Bedeutungen und Verweisen, das die beiden Aspekte von Museumsarchitektur und Museumssammlung umschließt. Neben dem Hinweis zur formalen Referenz zwischen titelgebender Mausikonografie und Museumsarchitektur, erläutert König in seinem Einleitungstext 1972 auch den semantischen Bezug zur ausgestellten Sammlung: So kann die Maus wie gesehen nicht als Referent für die Exponate stehen, sondern soll im Gegenteil dem Museumsbesucher als Identifikationsmöglichkeit dienen. Denn aus der Perspektive einer Maus betrachtet, entsprechen die in den Museumsvitrinen ausgestellten Miniaturen erneut dem Ausmaß des realen Objekts oder erscheinen sogar überdimensioniert: Die Sammlung führt einen Maßstab ein, der einer Maus gemäß ist. Sich selber in eine Maus zu versetzen, bedeutet, sich in eine Welt zu begeben, in der kleine Dinge riesig erscheinen. Hier werden elektrische Doppelstecker zu Skulpturen und allmählich zu Monumenten. 255

Der Gedanke erscheint auf den ersten Blick ebenso einleuchtend wie paradox. Er erhellt sich jedoch in Blick auf den größeren Werkzusammenhang des oldenburgschen Œuvres. Darin bildet das Spiel mit Maßstäben eine leitmotivische Grundfigur. Es findet sich schon früh in Entwürfen zu seinen ab 1969 realisierten »Large Scale Projects« wieder, bei denen in Übergröße reproduzierte Gegenstände des alltäglichen Lebens als kolossale Plastiken im städtischen Raum entstanden.256 Wie Germano 251 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972. 252 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 67; Prather, Maria: Claes Oldenburg: Eine biographische Übersicht. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. Eine Anthologie, National Gallery of Art, Washington, D.C. [u. a.] 1995-1996, S. 1-13, S. 7. 253 | Vgl. Ausst.-Kat. Chicago 1977, S. 6-7. 254 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 255 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 256 | Die erste im öffentlichen Raum umgesetzte Monumentalplastik Oldenburgs ist die 1969 auf dem Campus der Yale University (in New Haven / C onnecticut) aufgestellte Versi-

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Celant einleuchtend herleitet, verfolgte Oldenburg mit diesen Arbeiten das Anliegen, die vertikale Beziehungsachse zwischen Werk und Künstler aufzuheben.257 Allerdings betrifft die von Celant beschriebene Hierarchie zwischen Subjekt und Objekt im Kunstkontext nicht nur das Verhältnis zwischen Schöpfer und Werk, sondern findet sich erneut im Moment der Rezeption zwischen Betrachter und Exponat wieder. Daher trat Oldenburg bereits vor der ersten Umsetzung einer Monumentalskulptur mit diesbezüglichen Skizzen und Entwürfen beziehungsweise mit kleinformatigen Modellen der Skulpturen an die Öffentlichkeit und schlug etwa einen riesigen Teddybär als Monument für den New Yorker Stadtpark vor.258 Denn wie der Künstler in einem 1966 geführten Interview betonte, bedürften seine Entwürfe nicht notwendigerweise einer wirklichen Umsetzung, da sie sich vor allem an die Imagination der Betrachter richteten: »The monuments should exist in the imagination. Otherwise, people will pass by and say, ›Oh, that’s just a 50 foot puppy dog made of concrete‹.«259 An dieser Aussage verdeutlicht sich sein Ansinnen, durch die Maßstabsveränderung nicht eine reine Wiederholung des aus dem Lebensalltag bekannten Objekts zu schaffen. Vielmehr beabsichtigte der Künstler durch die Monumentalität des Gegenstandes dessen Erhabenheit über den Betrachter zu erreichen und damit dessen Wahrnehmung, das herkömmliche »Konsumsehen«260 im Kontext der Massenproduktion zu verändern. Die Gedankenfigur einer Umkehrung der Verhältnisse realisierte sich zudem auf differenzierte Weise in Oldenburgs bereits angesprochener Performance »Moveyhouse« 1965. Hier nahmen die mit Mausmasken ausgestatteten Schauspieler auf den Sesseln des Kinosaales Platz, während die Zuschauer stehen mussten.261 Auch in seinen 1966 notierten Ideen zu einer Museumskonzeption hallt der Gedanke der Inversion wider. Neben seinen Entwürfen für die architektonische Gestaltung des »museum of popular objects«, hielt Oldenburg auch seine Überlegungen zu dessen Personal sowie zu möglichen Strategien der Öffentlichkeitsarbeit fest. Demnach sah der Künstler eine Kommission für Neuerwerbungen vor, die sowohl für Sammlungsankäufe als auch für die regelmäßige Herausgabe eines Mitteilungsblattes verantwortlich wäre. Daneben sollte im »museum of popular objects« ein Film realisiert werden, in dem die Sammlungsstücke so aufgenommen werden sollten, dass sie der Größe realer Museumsobjekte entsprächen.262

on von »Lipstick (Ascending) on Caterpillar Tracks«. – Vgl. Dickel, Hans: Claes Oldenburgs Lipstick (Ascending) on Caterpillar Tracks. Kunst im Kontext der Studentenbewegung. Freiburg i. Br. 1999. 257 | Vgl. Celant, Germano: Claes Oldenburg und das Gefühl der Dinge. In: Kat. Washington 1995-1996, S. 15-31, S. 15. 258 | Vgl. Oldenburg, Claes: Proposals for monuments and buildings 1965-1969. Chicago 1969, S. 56-57. 259 | Oldenburg im Interview mit der österreichischen Zeitschrift »Bau«, 1966, zitiert nach: Oldenburg 1969, S. 27. 260 | Oldenburg /  K önig, S. 3. 261 | Oldenburg, Claes: Raw Notes, Documents and scripts of the performances: Stars, Moveyhouse, Massage, The Typewriter, Nova Scotia College of Art and Design. Halifax 1973, S. 68. 262 | Vgl. Chronologie in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 292.

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Diese Intention entspricht derjenigen von Kasper König 1972 in seiner explizit an den Betrachter gerichteten Aufforderung, die Position einer Maus einzunehmen. Darüberhinaus erscheint die Sammlungspräsentation im »Maus Museum« vor diesem Hintergrund jedoch noch in einer erweiterten Perspektive. Analog zur evozierten Filmassoziation wirkten die frei auf dem weißen Sockelband verteilten Ausstellungsexponate bar jeglicher Beschriftung wie die Abfolge einzelner Bilder eines Filmstreifens, der vor einer abstrakten Geräuschkulisse abgespult wurde. Ist der Grundriss des Museumsbaus der Form einer Filmkamera entlehnt, so befand sich der Besucher folglich bildhaft im Inneren dieser. Um ihren Film nun in Bewegung zu setzen, den Bildern Leben einzuhauchen, lag es demnach an ihm, aktiv zu werden und das mit Objekten gefüllte Lichtband abzuschreiten. Dieser Gedanke klingt auch in einer Schilderung van Bruggens an, in der sie beschreibt wie Oldenburg den Auf bau des »Maus Museums« einem rituellen Ablauf folgend organisierte. Demnach schritt der Künstler die Vitrinen seines Museums innerhalb einer selbst gesetzten Zeitspanne kontinuierlich ab und bestückte sie ohne erneute Korrekturen vorzunehmen, »[u]m der Anordnung der Objekte innerhalb des Strips einen spontanen Charakter zu geben und wie in einem Film eine fließende Bewegung zu bewirken«263. Somit wichen im »Maus Museum« das einer musealen Ausstellungsinszenierung gewöhnlich zu Grunde liegende wissenschaftliche Ordnungsprinzip und die damit verfolgte Vermittlungsabsicht dem spielerischen Charakter einer »Einmann-Performance«264, die sich sinnbildlich mit jedem Besucher wiederholte. Das Verweisnetz aus filmischen Referenzen verwandelt die hinter dem Vitrinenglas auf ihre visuelle Erfahrung reduzierten Objekte zu sprichwörtlichen Bildern, die als Momentaufnahmen Ausschnitte des urbanen Lebensraums, oder der Werkgeschichte Oldenburgs repräsentieren. Der Künstler gab damit 1972 auch eine Antwort auf das weitreichende Ausstellungsthema der documenta 5 »Befragung der Realität – Bildwelten heute«. Seine Museumssammlung präsentierte in drei Kategorien sortierte Fragmente der lebensweltlichen, natürlichen und der künstlerisch transformierten, beziehungsweise künstlichen Realität. Dabei finden sich häufig Farbspuren auf Gegenständen aller Kategorien. Das Material der Farbpaste rückt das haptische Objekt in den semantischen Raum der Malerei, der bildlichen Wiedergabe und der künstlerischen Vision. Dadurch tritt die Schwelle zwischen realem Gegenstand und dessen Appropriation und Transformation im Kunstwerk in sichtbare Erscheinung. Diesen Kippmoment hatte Oldenburg bereits in früheren Projekten, wie dem 1961 in seinem Atelierhaus eröffneten »Store« anhand der Reproduktion von Alltagsobjekten untersucht. »The Store«, eine »grottenähnliche«265 Ausstellung, imitierte das Arrangement eines gut gefüllten Gemischtwarenladens, in dem man neben Nahrungsmitteln auch den üblichen Hausrat erwerben konnte und in dem Oldenburg persönlich als Hersteller und Händler der Produkte auftrat. Alle Artikel waren von ihm selbst geschaffen und ahmten verschiedenste Waren nach, die massenhaft in unzähligen Schaufensterauslagen und Reklamebildern der Stadtlandschaft zu sehen waren (Abb. 39). Die Plastiken bestanden aus in Gips oder in Kleis263 | Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 42. 264 | Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 42. 265 | Prather, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 3.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

ter eingeweichten Musselinstreifen, die über ein Drahtgestellt gezogen und farbig bemalt worden waren.266 In diesem Material erfuhren die aus dem gewöhnlichen, Abbildung 39:  Claes Oldenburg, Robert R. McElroy, »The Store«, 1961, Farbfotografie, 21 cm × 28 cm, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

© unbekannt 267 266 | Laut Maria Prather handelte es sich zunächst um pastelltönige, später grellere Temperafarbe, wohingegen Achim Hochdörfer von Lackfarbe spricht, was aufgrund der glänzenden Oberfläche der meisten Objekte anzunehmen ist. Wohl ist mit Barbara Rose davon auszugehen, dass Oldenburg innerhalb der Produktion einen Materialwechsel vorgenommen hat, wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt als sich die »Store«-Idee präzisierte. – Vgl. Prather, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 3; Hochdörfer in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 38; Rose, Barbara: Claes Oldenburg. The Museum of Modern Art, New York 1970, S. 65. 267 | Alle Anfragen zur Urheberschaft blieben unbeantwortet; evtl. Rechteinhaber mögen ggf. Kontakt mit der Autorin aufnehmen.

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kommerziellen Raum entnommenen Gegenstände eine sie verfremdende, comicartige Überformung. Diese betonte nicht nur die charakteristischen Details der Objekte, sondern hob auch ihr ekstatisches Fetischpotenzial hervor.268 Die von Oldenburg angefertigten Warenimitate überführten durch ihren ikonischen Überschuss den tatsächlichen, dreidimensionalen Gegenstand in ein Bild, das eine bestimmte Vorstellung ausstrahlt. Dieses korrespondiert zu den auf Reklametafeln und Werbeplakaten im Stadtraum des westlichen Kapitalismus überlebensgroß und nahezu überall verbreiteten Imaginären einer spezifischen Gesellschaftsform, die auf Konsum aufbaut.269 Dementsprechend sah Oldenburg eine Analogie zwischen Straße und Geschäft: The Store is like the Street an environmental (as well as thematic) form. In a way they are the same thing because some streets or squares […] are just large open stores (windows, signs etc.). In The Store the concentration upon the objects is more intense, and harsh colors rather then greys and browns dominate. 270

In den Vitrinen des »Maus Museums« traten 1972 laut Inventar neben den vom Künstler selbst angefertigten Modellen und Vorarbeiten wie »Kleine Studie für den Unteren Teil des Soft Silex Juicit«271, eine Vielzahl an Spielzeugen und Miniaturen auf, die als Repliken von Nahrungsmitteln, Lebewesen, Körperteilen oder Gebrauchsgegenständen ein facettenreiches Abbild der alltäglichen Lebensrealität schufen.272 Wie Oldenburgs Waren in »The Store« ist es den Formen von Model, Muster273 und Miniatur zu eigen, die markanten Merkmale eines Gegenstandes in vereinfachter Form zu vereinen.274 Sie funktionieren damit ebenfalls als dreidimensionale, typisierte Vorstellungsbilder. Anders als Duchamps Readymade erklärte Oldenburg die alltäglichen Gegenstände in seinem »Maus Museum« folglich nicht nur zu Kunstwerken und machte damit auf die bedeutungsstiftende Macht der Museumsinstitution aufmerksam, sondern thematisierte vielmehr den alltäglichen Blick auf unsere Umwelt. 268 | Vgl. Fahlström, Öyvind: Objekte machen. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf 1970, S. 6. – Oldenburg selbst betonte wiederholt die sexuelle Intensität des Fetischobjekts als Motor seines künstlerischen Schaffens. – Vgl. Oldenburg, Claes, Williams, Emmett: Store Days. Documents from the Store (1961) and Ray Gun Theater (1962). New York 1967, S. 62. 269 | Wie Max Weber in seiner Institutionenanalyse beschreibt, stellt die Ausbildung der Stadt eine strukturbestimmende Eigenschaft des okzidentalen Kulturraumes dar. – Vgl. Lepsius, Rainer: Interessen, Ideen und Institutionen. Opladen 1990, S. 54. 270 | »Der Laden ist wie die Straße eine umgebende (genauso wie eine thematische) Form. Auf gewisse Weise sind sie dieselbe Sache, denn manche Straßen oder Plätze […] sind lediglich große, offene Läden (Fenster, Schilder etc.). Im Laden ist die Konzentration auf das Objekt höher und grelle Farben dominieren gegenüber Grau- und Brauntönen.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Oldenburg /  W illiams 1967, S. 27. 271 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 30, Inv.-Nr. 365. 272 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 23, Inv.-Nr. 86: »Kuchenstück«; S. 28, Inv.-Nr. 290: »Polar Bär«; S. 24, Inv.-Nr. 135: »Falsche Füße«; S. 28, Inv.-Nr. 285: »Spielzeug Raumschiff«. 273 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 29, Inv.-Nr. 331: »Warenmuster«. 274 | Vgl. König 2012, S. 150.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

Dabei gaben weder Gestalt, noch motivische Thematik oder ursprünglicher Gebrauchszweck der Exponate Hinwies auf eine mögliche Verweisstruktur derselben untereinander, wodurch der Ausstellung im »Maus Museum« insgesamt keine verbindliche Ordnungssystematik oder logische Strukturierung abzuleiten war. Allein die Begleitbroschüre konnte hierzu weiteren Aufschluss geben. Hauptbestandteil des schmalen, mit geschwungenen Klammern gebundenen Hefts bildet das auf Seite 12 beginnende, bilinguale Inventarverzeichnis der gezeigten Exponate, die dort mit Titel, Datierung, Material- und Maßangaben versehen sowie mit den Kürzeln »AR« oder »VO« den verschiedenen Gattungen von »Veränderten Objekten« und »Atelier-Relikten« zugeordnet werden.275 In Hinblick auf die filmischen Analogien des Museums kann dem Begleitkatalog demnach die Bedeutung eines Drehbuchs zugesprochen werden, dessen nummerierte Titel zeitlich aufeinanderfolgende Aufnahmen oder Szenen benennen. Darüber hinaus führt das Layout der Broschüre die filmische Resonanz fort. Während der offizielle Katalog der documenta-Ausstellung neben den architektonischen Zeichnungen des »Maus Museums« lediglich fotografische Reproduktionen einzelner Exponate der drei Kategorien enthält, bietet die museumseigene Katalogbroschüre in wenigen Textzeilen maßgebliche Informationen zu räumlicher Gegebenheit, Entwicklung und Provenienz der Sammlung sowie durch die Benennung des Direktors einen Hinweis zur personalen Struktur des Museums. Das zwischen die Einleitung Königs und das Inventarverzeichnis eingeschobene fotografische Material der Museumsbroschüre konzentriert sich im Gegensatz zum Bildmaterial des documenta-Katalogs auf Innenaufnahmen des »Maus Museums«, die die Exponate in ihrem Ausstellungszusammenhang zeigen. Dadurch betont das Begleitheft die räumliche Umsetzung des Museumskonzepts vor der Wirkung eines einzelnen, aus dem Museumskontext herausgehobenen Objekts. Die oben zitierte Ausführung Kasper Königs über den Maßstab der Museumssammlung appellierte 1972 an die Vorstellungskraft des Besuchers. Bei der Betrachtung der Ausstellungsstücke sollte dieser in die Rolle einer Maus schlüpfen, um die Objekte hinter dem Vitrinenglas aus neuer Perspektive zu betrachten. Der Rezipient sollte sich dieser Anweisung zufolge innerhalb der Vitrine imaginieren. Entsprechend des duchampschen Diktums, dem zufolge der Betrachter maßgeblich an der Vollendung des Kunstwerks beteiligt sei,276 wurde dieser im »Maus Museum« durch den imaginativen Akt zum Teil des Werks. Wie Peter Weibel 1969 in seiner Video-Aktion »Das Publikum als Exponat«277 vorgeführt hatte, war der Rezipient durch diesen nicht mehr selbst Schauplatz der eigenen Kunstbetrachtung, sondern veräußerte sich und wurde zum Objekt seiner Betrachtung.278 275 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 276 | Vgl. Duchamp, Marcel: Le processus créatif. In: Lebel, Robert: Marcel Duchamp. Paris 1959, S. 77-78. 277 | Vgl. http://www.peter-weibel.at/index.php?option=com_content&view=article&id= 95&catid=5&Itemid=43 (letzter Aufruf: 23.7.2016). 278 | Vgl. Wolfsteiner, Andreas: Schriftfilm und methodischer Inventionismus – Das erweiterte Kino am Beispiel des ersten computergenerierten Films in Europa: dem Schriftfilm random (1963) von Marc Adrian. In: Brender, Edwige [u. a.] (Hg.): À la croisée des langages. Texte et arts dans les pays de langue allemande. Paris 2006, S. 199-208, S. 205.

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Im Zusammenwirken von Filmreferenzen und Tiermetaphorik auf sowohl formaler als auch inhaltlicher Ebene sowie durch die Anwendung einer bewusst unwissenschaftlichen Ordnungssystematik machte Oldenburg somit sein »Maus Museum« zu einem Spiegelbild realer Museumsinstitutionen, in dem sich gewohnte Beziehungen und Maßstäbe verkehrten und bekannte Normen verworfen wurden. Kasper König schließt seinen Text der Begleitbroschüre mit den Worten: Die Sammlung entstand aus einem persönlichen Interesse und wurde eines der Vehikel für den Arbeitsprozeß des Künstlers. Dadurch wiederholt es auf kleinem Maßstab die Entwicklungsgeschichte des wahren Museums, das aus dem Evolutionsprozeß der Zivilisation entstanden ist. Das Maus Museum ist als Mikrokosmos der Museumserfahrung gedacht. 279

Sowohl der historische Ursprung des öffentlichen Museums, die höfischen Kunstund Wunderkammern,280 als auch die privaten Archive in den Künstlerateliers vereinten in einem gleichwertigen Nebeneinander ebenso künstlerische und kulturhistorische Artefakte wie natürliche Fragmente und Spezimen, um ein facettenreiches und damit möglichst vollständiges Abbild der Welt zu geben.281 Künstlern dienten ihre privaten Sammlungen dabei seit jeher als Inspirationsquellen und Studienobjekte.282 Auch die ersten öffentlichen Sammlungen wurden zunächst zu Bildungs- und Lehrzwecken ausschließlich für Bürger und Künstler zugänglich gemacht.283 Königs zitierter kunsthistorischer Verweis verortet die Objekte des »Maus Museums« in diese zweigliedrige Tradition und setzt es in eine Entwicklungslinie mit der heutigen Zivilisation. Demzufolge ist es nicht nur das Museumswerk bestehend aus Museumsbau und Museumssammlung, das als Miniaturwiederholung des realen Vorbildes dient, sondern auch die historische Genese des öffentlichen Museums, das im »Maus Museum« reflektiert wird. Als Erinnerungsspeicher versammeln die drei Sammlungskategorien Oldenburgs Gegenstände, die einen spezifischen Kulturkreis – den der nordamerikanischen Großstadt zu einem klar datierbaren Zeitpunkt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – sowie für diesen typische Handlungsweisen repräsentiert. Als Kunstwerk vergegenwärtigt das Mu-

279 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 280 | Vgl. Schlosser, Julius: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens. Braunschweig 21978 [1908], S. 235-238. 281 | Private Ateliersammlungen von Künstlern waren dabei natürlich weniger spezialisiert als die feudalen Sammlungen. – Vgl. Legge 2000, S. 7-8; Beßler, Gabriele: Wunderkammern. Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart, 2. erw. Aufl. Berlin 2014, S. 14-16. 282 | Vgl. Grasskamp, Walter: Künstler und andere Sammler. In: Kunstforum international, 32, 2 /  1979, S. 31-115, S. 34. 283 | Hinter diesem aufklärerischen Argument verbarg sich häufig das Interesse nach gesellschaftlicher Reputation, die durch die Verbreitung von Sammlungsstücken in Form von Kupferstichen und Beschreibungen sichergestellt werden sollte. – Vgl. Grasskamp 1981, S. 18.

Beschreibung der zum Vergleich herangezogenen Untersuchungsobjekte

seumsensemble in seiner Komplexität zudem die Transformation der Wirklichkeitsrelikte in der persönlichen Vision des Künstlers Oldenburg.284 Die namensgebende »Maus« steht dabei im Zentrum eines Netzes aus Mehrfachcodierungen: über formale Analogien verweist sie einerseits über die Ikone »Mickey Mouse« auf die gesellschaftliche Evolution der Massenunterhaltung und andererseits über das Bild der Filmkamera auf die darin aufgehende mediengeschichtliche Entwicklung und Popularisierung des Films. Über den Begriff der Massenkultur führt sie weiter zur industriellen Massenproduktion, zu der sie außerdem in ein symbolisches Verhältnis tritt, da die im »Maus Museum« vorgesehene Mausperspektive einen Gegenpol zur gewöhnlichen Attitüde der kapitalistischen Gesellschaft gegenüber Konsumgütern und Kommerzialisierung bildet. Diese von visuellen Bezügen ausgehenden Analogien von Museumsbau, Museumssammlung und Ausstellungskonzept korrespondieren zudem mit einem sprachlichen Spiel. Die titelgebende »Maus« kann metonymisch als erste Silbe des Wortes »Mausoleum« gelesen werden und verwendet damit einen in der Institutionskritik der 1970er Jahre wiederbelebten Topos, demzufolge das Museum als Grabstätte der Kunst dient.285 Oldenburg selbst deutete in Rückblick diese Bedeutungsebene an, die er in der gebauten Museumsarchitektur angelegt sieht: At the present time my thinking is away from the cave effect of Documenta which envisaged a future situation in which the Museum should be permanently buried, perhaps in a museum basement, to be opened from time to time as a crypt or wine cellar, or from any effect which would tend to emphasize it as an interior and not a building itself. […] It would be nice to see the Mouse Museum structure independent of an enclosing museum, perhaps in the southwest, like an adobe hut […] There its scale would be equal to an over-ground tomb, or a small chapel. 286

284 | Vgl. König 2012, S. 150. 285 | Vgl. Adorno, Theodor W.: Das Valéry Proust Museum. In: Gesammelte Schriften, Kulturkritik und Gesellschaft: Prismen. Ohne Leitbild, Bd. 10.1, Frankfurt a. M. 1977. 286 | »Im Moment hat sich mein Denken von dem Keller-Effekt der documenta entfernt, der eine zukünftige Vision angestrebt hat, nach welcher das Museum permanent vergraben sein sollte, vielleicht im Keller eines Museums, um ab und zu geöffnet zu werden wie eine Krypta oder ein Weinkeller; auch habe ich mich von jedem Effekt entfernt, der das Museum eher als Innenraum betonte denn als eigenständiges Gebäude. […] Es wäre schön, die Struktur des Maus Museums frei von einem es einschließenden Museum zu sehen, vielleicht im Südwesten, wie eine Lehmhütte […] Dort würde sein Maßstab einer überirdischen Grabstätte entsprechen, oder einer kleinen Kapelle.« [Übersetzung T. N.], Claes Oldenburg: Notes, zitiert nach: Chronologie, in: Ausst.-Köln 2012-2014, S. 300.

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5. Aneignung und Subversion Die fiktive Institution zwischen Artefakt und Performanz

1973 sendete Christian Boltanski einen Brief an 62 Museen, in dem er sie aufforderte, in einem Raum Gegenstände aus dem Nachlass einer verstorbenen Person auszustellen, die »Zeugen ihrer Existenz bleiben; es müssten von beispielsweise den Taschentüchern, die sie benutzte, bis zu dem Schrank, der in ihrem Zimmer stand, alle diese Gegenstände in Vitrinen ausgestellt und sorgfältig ausgezeichnet werden.«1 Boltanski erarbeitete als Künstler ein Ausstellungskonzept, nahm jedoch weder Einfluss auf die Wahl der darin zur Präsentation gebrachten Sammlung noch auf deren Arrangement.2 Im folgenden Jahr stellte Harald Szeemann den Nachlass seines Großvaters in seiner ehemaligen Berner Wohnung, die von Toni Gerber übernommen und zu einer Galerie umfunktioniert worden war, aus.3 Szeemann verwendete als freier Kurator das übriggebliebene Hab und Gut seines Großvaters für eine Ausstellungsinstallation. Beide Projekte verkehrten anhand von Sammlungen, die nicht bewusst als solche zusammengestellt worden waren, sondern deren Objekte Überreste einer Existenz waren, die sich an ihnen nachvollziehen, jedoch nicht systematisch rekonstruieren ließ. Auch in den vorgestellten fiktiven Institutionen werden Objekte in Sammlungen zusammengetragen und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.4 Der sammelnde Künstler und die Ausstellung von Künstlersammlungen erfuhren nach ersten Unternehmungen der historischen Avantgarde in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Hochkonjunktur.5 Die Ausstellungsprojekte Boltanskis und Szeemanns stimmen zunächst in ihrer installationsartigen Präsentationsweise mit den fiktiven Institutionen überein, die sich allein durch ihre raumgreifende, jedoch zugängli1 | Zitiert nach: Grasskamp 1979, S. 32. 2 | Boltanski erhielt 35 Rückmeldungen und vier Museen realisierten sein Konzept in je individueller Form. – Vgl. Grasskamp 1979, S. 32. 3 | Vgl. Szeemann, Harald: Großvater – ein Pionier wie wir. In: ders. 1981 (b), S. 93-97; ders.: Lohnender Rückzug ins Private. In: ders. 1981 (c), S. 98-101. 4 | Im Fall der Arbeiten Immendorffs findet dieser Vorgang vorrangig im Medium der Schrift statt. – Vgl. hierzu Kapitel 5.1.3 und 5.2.1. 5 | Vgl. König 2012, S. 141-155; Wagner, Monika: Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München 2001, S. 83.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

che Erscheinung von den akkumulativen Arbeiten Armans, der »Mur de l’Atelier« (1922-1966)6 André Bretons oder Marcel Duchamps »Boîte-en-valise« (1941) unterscheiden. Während jedoch in Hinblick auf die genannten Projekte Boltanskis und Szeemanns von einer Thematisierung der »Ausstellung als Kunstform« 7 gesprochen werden kann, bei der die Aufgaben- und Kompetenzbereiche von Ausstellungsmacher und Künstler verschwimmen,8 ist diese Gleichsetzung im Fall der fiktiven Institutionen Gérard Gasiorowskis, Jörg Immendorffs, Marcel Broodthaers’ und Claes Oldenburgs unzureichend. Sie unterscheiden sich sowohl im Charakter der jeweiligen Sammlung als auch in der Art und Weise, wie diese für die Öffentlichkeit ausgestellt beziehungsweise sichtbar gemacht wird, eklatant von den Konzeptionen Boltanskis und Szeemanns. Anders als deren Nachlassausstellungen zielen die zur Untersuchung stehenden Institutionsfiktionen nicht auf ein Ausstellungskonzept, das in variierter Form zu späterer Zeit an einem anderen Ort wiederholt werden kann. Vielmehr konstituieren sich die fiktiven Institutionen selbst im Zusammenwirken verschiedener Darstellungs- und Wahrnehmungsebenen: aus der flüchtigen Präsenz einer räumlichen Ordnung, den überdauernden Objekten und der sprachlich formulierten Fiktion, die den Kontext der Artefakte bildet. Kann daher keine schlichte Gleichsetzung von Werk und Ausstellung der fiktiven Institutionen gemacht werden,9 so soll der Begriff der »Ausstellung« dennoch für die folgenden Ausführungen Pate stehen. Die Ausstellung wird in der vorliegenden Untersuchung als zeitlich begrenzter Modus der Präsentation verstanden, in dem die Institutionsfiktionen aus der intimen Sphäre persönlicher Konzeption treten, sich materiell konkretisieren und öffentliche Sichtbarkeit erhalten. Ihre räumlichszenografische Organisation stellt hierbei eine Vermittlungssituation zwischen Betrachter, Objekten und Künstler her, die nicht einfach mit den Exponaten geliefert wird, sondern sich erst in der sich räumlich und zeitlich entfaltenden Konstellation zwischen Zeigendem, Gezeigtem und Beschauer entwickelt.10 6 | Vgl. Spies, Werner: Der Surrealismus. Kanon einer Bewegung. Köln 2003, S. 77-80; Gracq, Julien: 42 rue Fontaine, l’atelier d’André Breton. Paris 2003. 7 | Legge 2000, S. 99. 8 | Eine umfangreiche historische Recherche zu diesem Thema sowie die spezifische Ausbildung des Künstler-Kurators in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bietet Julie Bawin in ihrer jüngst erschienenen Publikation. – Vgl. Bawin 2014. 9 | Zur exemplarischen Darlegung der Grenzverwischung zwischen Kunstwerk und Ausstellung vgl. Klüser / H egewisch 1991. – Dass diese Grenzarbeit auch in jüngeren Künstlerprojekten noch immer der Fall ist, belegen zwei im Herbst 2013 in Paris eröffnete Ausstellungen: Pierre Huyghes im Centre Pompidou und Philippe Parreno im Palais de Tokyo, bei denen die Grenze zwischen Künstler und Ausstellungsmacher vollkommen aufgehoben wurde, die Ausstellung selbst somit zum ephemeren, installativen Kunstwerk gerät. – Vgl. Bawin 2014, S. 3. 10 | Vgl. Bianchi, Paolo: Das »Medium Ausstellung« als experimentelle Probebühne. In: Kunstforum international, 186 / 2007, S. 44-54, S. 46. – Für eine allgemeine Definition und historische Herleitung vgl. Koch, Georg Friedrich: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18.  Jahrhunderts. Berlin 1967, S. 5-9. – Um die Jahrtausendwende sind unter dem Begriff des »Display« Aspekte von Objektpräsentation, sprachlicher Information und Ausstellungsparcours verstärkt zum Gegenstand kunstwissenschaftlicher Forschung geworden. Generell ist dabei jedoch wohl entsprechend des zu dieser Zeit

Aneignung und Subversion

Mit der historischen Ausdifferenzierung des Ausstellungssystems trat das einzelne Werk mit seinen partikularen Qualitäten erstmals aus einem heteronomen Schauzusammenhang heraus und wurde als autonomes ästhetisches Objekt wahrgenommen.11 Gleichzeitig arbeitete das Ausstellungswesen als manifeste soziokulturelle Erscheinung einen distinktiven Apparat an konventionalisierten Riten in Form wiederkehrender Veranstaltungen und habitualisierter Verhaltensnormen für die unterschiedlichen Teilnehmergruppen aus.12 Der für diese Untersuchung zugrunde gelegte Ausstellungsbegriff orientiert sich dementsprechend am Konzept temporärer Wechselausstellungen im Unterschied zu Dauerausstellungen einer Museumsabteilung – auf die sich Broodthaers in seinen Sektionen namentlich bezieht. In dieser Definition als »Eigeninstitution«13 umfasst der Begriff »Ausstellung« somit die für die Institutionsfiktion als maßgeblich angesprochenen Aspekte von materiellem Objekt, räumlicher Anordnung und verbaler Kommunikation. Er kann daher auch für Manifestationsformen von »LIDL« fruchtbar gemacht werden, die nicht im engeren Wortsinn unter eine objektzentrierte Schaustellung zu fassen sind. Trotz aller Heterogenität der vorgestellten Beispiele lassen sich im Moment der Ausstellung demnach essentielle Analogien der Werke Gasiorowskis, Immendorffs, Broodthaers’ und Oldenburgs festhalten. Im folgenden Kapitel soll diesem Knotenpunkt analytisch nachgegangen werden, um die charakteristischen, strategischen Verfahrensweisen der fiktiven Institutionen herauszuarbeiten und sie für eine hermeneutische und kunstsoziologische Betrachtung produktiv anzuwenden. Hierfür ist das Analysekapitel in drei Untersuchungsschwerpunkte aufgeteilt: während Kapitel 5.1 die Materialität der Artefakte und deren Verhältnis zu sprachlichen Zeugnissen behandelt, geht Kapitel 5.2 auf deren räumliche Anordnung und das Verhältnis zur rahmenden realen Institution ein. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des »Raumes« in erweiterter Bedeutung auch als Vermittlungs- oder Kommunikationsraum aufgefasst, der physisch-lokale Grenzen übertritt. Die unterschiedlichen Medien dieser Distributionsräume bilden als materielle Grundlage eine weitere Realisierungsform der fiktiven Institutionen und tragen darüber hinaus entscheidend zur gesellschaftlichen Wahrnehmung des künstlerischen Subjekts bei. Dieses wird zum Objekt der abschließenden Betrachtung im Unterkapitel 5.3, das sich mit der Inszenierung und Instrumentalisierung verschiedener sozialer Rollenkonzepten des Künstlers in den fiktiven Institutionen auseinandersetzt.

debattierten »iconic turn« ein Primat visueller Analyseaspekte vor räumlichen und performativen Merkmalen der Ausstellungswahrnehmung zu erkennen. – Vgl. Barker 1999; Scholze, Jana: Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltung in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin (zugl. phil. Diss. Berlin 2002), Bielefeld 2004; John / R ichter / S chade 2008. 11 | Vgl. Mai 1986, S. 11. – Zur historischen Konzeption eines autonomen Kunstbegriffs vgl. Bürger 1974. 12 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 9-11. 13 | Mai, Ekkehard: Ausgestellt – Funktionen von Museum und Ausstellung im Vergleich. In: Huber, Hans Dieter, Locher, Hubert, Schulte, Karin (Hg.): Kunst des Ausstellens. Beiträge, Statements, Diskussionen. Ostfildern 2002, S. 59-70, S. 59.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

5.1 D ie O bjek te : R e ale S puren , fik tive D okumente 5.1.1 Materialien Eine grundsätzliche Analogie der fiktiven Institutionen besteht in der Anwendung von zuvor als kunstfremd definierten Alltagsmaterialien, die über keinen ästhetischen Eigenwert verfügen. Wie in Kapitel 3.2.3 gezeigt, stellt die Expansion künstlerischer Mittel und Techniken eine zeitgemäße Vorgehensweise in verschiedenen Strömungen der Kunstproduktion um 1970 dar. Die historische Avantgarde hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Integration von Alltagsgegenständen in das Kunstwerk dessen konzeptuelle Öffnung vorangetrieben, die in Duchamps Readymades ihren Höhepunkt erfuhr.14 Indem er den Alltagsgegenstand in den Kunstkontext einführte, trat an die Stelle eines ikonisch begründeten, künstlerisch geschaffenen Werks, die theoretische Definition des Kunstwerks.15 Nach 1945 erweiterte sich das Spektrum künstlerischer Materialien erneut und rückte den Fokus verstärkt auf die physischen Qualitäten des Objekts und die kulturgeschichtlichen Konnotationen des verwendeten Werkstoffs. Gemäß eines erneuerten »Materialbewusstseins«16 musste sich dieser nicht mehr einer funktionalen und sinnstiftenden Form unterordnen, sondern emanzipierte sich als eigenständiger Bedeutungsträger.17 Zielsetzung war es nun, durch die Werkmaterialität eine Erweiterung des gesellschaftlich definierten Begriffsfeldes »Kunst« anzuregen, indem die Teilhabe phänomenologischer Komponenten an dessen semantischer Konstitution analysiert wurde.18 Im Sinne dieses objektbezogenen Strukturalismus sollten somit über die Betonung des künstlerischen Materials die Kunstwerke von ihrem konventionellen Warencharakter sowie die Werkstoffe an sich von ihrer semantischen Überfrachtung befreit werden.19 Die Bandbreite hierfür angewandter Methoden entsprach dem vielfältigen Spektrum künstlerischer Strömungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Während das materiell vorhandene Werk in der theorieaffinen Konzeptkunst eine weitgehende Auflösung erfuhr oder nur 14 | Vgl. Kapitel 1.2. 15 | Vgl. Faust 1977, S. 136, S. 145-147; Duve, Thierry de: Figur Null. In: Borja-Villel, Manuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2016-2017, S. 31-39, S. 34. 16 | Vor dem Zweiten Weltkrieg beherrschte das Paradigma des »Materialbewusstseins« künstlerische und kunsthandwerkliche Bewegungen mit sozialreformerischem Anspruch. So hielt beispielsweise Wladimir Tatlin in den 1920er Jahren Vorlesungen zur »Materialkultur« und auch im Lehrplan des Bauhauses stellte das Materialstudium einen grundlegenden Bestandteil der Ausbildung dar. Ziel war es dabei jedoch, das Material der Form unterzuordnen und der zweckdienlichen Funktion gemäß auszuwählen. – Vgl. Weiß, Susanne: Kunst + Technik. Materialien und Motive der Luftfahrt in der Moderne. Köln / Weimar / W ien 2010, S. 2528. 17 | Vgl. Kapitel 3.2.3. 18 | Vgl. Wagner 2001, S. 12. 19 | Vgl. Weibel, Peter: Materialdenken als Befreiung der Produkte des Menschen von ihrem Dingcharakter (1966). In: Rübel, Dietmar, Wagner, Monika, Wolff, Vera (Hg.): Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur. Berlin 2005, S. 263-265.

Aneignung und Subversion

noch als Spur ephemerer Performancekunst entstand, sollten die in Objekten der Minimal Art verwendeten industriellen Materialien zunächst von emergenten Bedeutungszuweisungen und subjektivem Ausdruck gelöst werden, um schließlich in der »Anti Form«20 befreit zu werden. Vertreter der Pop-Art hingegen übten Sozialkritik, indem sie Alltagsgegenstände der Massengesellschaft in ihre Werke integrierten, während in Arbeiten der Land Art oder bei Vertretern der Arte povera über den positivistischen Befund roher und natürlicher Werkstoffe eine Sensibilisierung der Rezeption hinsichtlich historisch gewachsener Konnotationen und Konventionen angestrebt wurde. Auch in den fiktiven Institutionen nehmen »kunstlose«21 Arbeitsstoffe und vorgefertigte Gegenstände eine bedeutende Rolle ein. Dies hat zur Folge, dass innerhalb der vielschichtigen Werkkonstitution der fiktiven Institutionen der Begriff des Materials in doppelter Weise auf die Untersuchungsobjekte zutrifft: So werden im Folgenden einerseits die spezifischen Werkstoffe der Einzelobjekte gemäß einer materialästhetischen Analyse betrachtet. Andererseits fungieren die Objekte und Artefakte selbst wiederum als Bausteine, also als Materialien eines größeren Werkzusammenhangs und müssen daher als Aspekte eines räumlichen Bezugssystems und Spuren temporärer Praktiken berücksichtigt werden.

Jörg Immendorff, »LIDL« Immendorffs »LIDL« weicht wohl am deutlichsten von der Materialanwendung und Objektkonzeption tradierter Kunstdefinitionen ab. Als ein ideelles Konzept künstlerischer Produktion und Kooperation vergegenwärtigt sich »LIDL« in variabler Form an unterschiedlichen Orten in ephemeren Aktionen. Die »LIDL«-Artefakte bilden zumeist die hierbei benötigten Requisiten. Im Gegensatz zu Claes Oldenburg, der, wie weiter oben beschrieben,22 ebenfalls Requisiten seiner Performances in seine Museumssammlung aufgenommen und samt Hinweis zu ihrer Provenienz inventarisiert hat, existiert von »LIDL« keine einheitliche, systematisch erfasste Objektsammlung. Auch in seinem 1973 publizierten »Rechenschaftsbericht«23 schenkt Immendorff den Artefakten von »LIDL« keine genuine Aufmerksamkeit.24 Wie eine jüngst in der Londoner Dependance der Galerie Michael Werner präsentierte Ausstellung erneut belegt hat, wurden die »LIDL«-Objekte diesem Umstand entsprechend, bisher nicht als autonome Kunstwerke betrachtet.25 Vielmehr gelten sie weithin als Zeitdokumente, die zwar eine bestimmte Periode des künstlerischen Œuvres Immendorffs repräsentieren, jedoch außerhalb der ursprünglichen performativen Einrahmung keinen genuinen künstlerischen Wert besitzen.26 Ihre 20 | Morris, Robert: »Anti Form« (1968). In: Rübel / Wagner / Wolff 2005, S. 267-269. 21 | Wagner 2001, S. 9. 22 | Vgl. Kapitel 4.3. 23 | Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 37. 24 | Vgl. Immendorff 1973. 25 | Vgl. http://www.michaelwerner.com/exhibition/4110/ (letzter Aufruf: 4.6.2016). 26 | So heißt es in der Pressemitteilung zur Immendorff-Ausstellung 2016 bei Michael Werner in London: »These events, and the paintings and objects related to them, are important works in the context of their turbulent time«. – »Diese Veranstaltungen und die damit in Zusammenhang stehenden Gemälde und Objekte sind wichtige Erzeugnisse im Kon-

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Bedeutung und damit einhergehende Wertung konstituiert sich ausschließlich aus dem historischen Wissen um ihren ursprünglichen Zweckzusammenhang, demzufolge sie als Gegenstände einer »Politik des Aktivismus [auf ihren] kommunikativen Gebrauchswert«27 reduziert werden. Bis auf wenige Ausnahmen einzelner Exponate handelte es sich bei der 2016 in London gezeigten Schau demgemäß auch um eine Sammlungspräsentation des Kunsthändlers, die folglich eher musealen Charakter besaß. Absicht der Ausstellung war es demnach nicht, einzelne Werke für Privatpersonen anzubieten, sondern die gesamte Kollektion an ein Museum zu veräußern. Damit wird nicht das einzelne Kunstwerk, sondern die Zusammenstellung insgesamt als archivarisches Zeitdokument behandelt, deren Eingang in eine öffentliche Sammlung zudem zur Reputation des Händlers beitragen würde.28 In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Werner bei der Wahl seiner Sammlungsstücke keinen erkennbaren Unterschied zwischen Gegenständen mit offenkundig dokumentarischer Qualität und Objekten, denen eine deutlich ästhetische Intention zugesprochen werden kann, gemacht hat. So gehören sowohl ein »LIDL-Sport«-Trikot als auch die weiter unten analysierte »Botschafter«-Serie zum Sammlungsverbund, das Papiermodell der »LIDL-Akademie«, das 1969 bei der Schließung der Düsseldorfer Kunstakademie konfisziert wurde,29 hingegen nicht. Bereits der Ausstellungskatalog, den das Eindhovener Van Abbemuseums 1981 »LIDL« widmete, definiert sich als »documentary«30 und liefert neben transkribierten Texten vorrangig originales Fotomaterial und Abbildungen von Zeitungsartikeln, Flugblättern und publizierten Schaubildern, wie dem in der Zeitschrift »Interfunktionen« abgedruckten Strukturplan der »LIDL-Akademie«.31 Daneben werden aber auch Objekte wie die in Wasserfarben ausgeführte, von Immendorff signierte Collage eines Entwurfsplans für die »LIDL-Stadt« in der Publikation als reine Dokumentationen behandelt. Zumeist fehlen daher die bei Reproduktionen text ihrer turbulenten Zeit« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: https://ocula.com/art-galleries/ michael-werner/exhibitions/lidl-works-and-performances-from-the-60s/ (letzter Aufruf: 21.4.2016). – Wie in Kapitel 5.3.1 weiter ausgeführt wird, erschwert die eigentlich kooperative Ausrichtung von »LIDL« die Objektlage zudem. Während die »LIDL«-Aktionen generell als Werkphase dem Schaffen Immendorffs zugerechnet werden, hat Susanne Rennert bereits 1999 die bedeutende Mitwirkung und den Einfluss von Chris Reinecke, der damaligen Ehefrau Immendorffs, an der kollektiven »LIDL«-Produktion aufgewiesen. – Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001. – Da sich Reinecke selbst nach der »LIDL«-Aktivität stärker sozialpolitisch orientierte und entsprechend ihrer sozialistischen Kunstauffassung persönliche Autorschaft vernachlässigte, ist ihr Anteil an der künstlerischen Produktion von »LIDL« nahezu in Vergessenheit geraten. Schließlich stellte Immendorff »LIDL« 1973 in seinem »Rechenschaftsbericht« als sein persönliches Unternehmen vor und konnte dieses somit wieder für seine Selbstkritik fruchtbar machen. – Vgl. Immendorff 1973, S. 54-139. 27 | Storr, in Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 34. 28 | Marlene von Carnap, stellvertretende Verkaufsdirektorin der Galeriedependance in London, im Gespräch mit der Verfasserin, 7.6.2016. 29 | Vgl. Kapitel 4.1. 30 | Vgl. Klappentext Ausst.-Kat. Eindhoven 1981. 31 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981; Interfunktionen, 4 /  1969, S. 140.

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von Kunstwerken zu erwartenden genaueren Angaben zu ihren Materialien, Techniken oder Maßen.32 Lange Zeit wurden die so als Dokumentationsmaterial definierten »LIDL«-Artefakte zur Kontextualisierung der künstlerischen Produktion Immendorffs reproduziert.33 Erst in einigen Publikationen nach der Jahrtausendwende lässt sich ein neuer Blick auf die Erzeugnisse der »LIDL«-Phase nachvollziehen. So zeigen die 2004 in Philadelphia, 2005 in Berlin und 2015 in Frankfurt jeweils unter der Mitwirkung von Pamela Kort herausgegebenen Ausstellungskataloge eine unbekannte Bandbreite an »LIDL«-Objekten.34 Der umfangreiche Berliner Katalog verfügt dabei in der Mitte des Bandes über einen separaten Bildteil, der in chronologischer Abfolge verschiedene Werke Immendorffs stets als einzelne, ganzseitige Abbildungen reproduziert. Diese Repräsentationsform erhebt somit auch Objekte wie eine »LIDL«-Fahne und einen Sportanzug der »LIDL-Sportmannschaft« in den Rang auratischer Kunstwerke.35 Dem Leser obliegt demzufolge die Aufgabe, diese Gegenstände gleichsam Reliquien kontemplativ zu betrachten und darüber hinaus ihren ästhetischen Reiz zu erkennen.36 Auch die Dokumentationstafeln der Aktion »Tier-LIDL« sind als Bildserie im Berliner Katalog repräsentiert. Entsprechend den Konventionen eines Kunstkataloges sind die Abbildungen mit Angaben zu Maßen, Technik und Material versehen.37 Dabei sind die hier reproduzierten Stadtpläne entgegen der auf zwei traditionsreiche Bildtechniken zurückgreifenden Aquarellcollage aus dem Eindhovener Katalog lediglich in Kreide auf schwarz gefärbtem Holz ausgeführt. Wie die bekannten Erläuterungstafeln Joseph Beuys’ erinnern sie dadurch optisch stark an pädagogische Hilfsmittel. Im Unterrichtsalltag dient die Schautafel zur demonstrativen Erläuterung eines Sachverhalts; in der Regel zu dessen Veranschaulichung vor einer größeren Ansammlung von Personen. Die Kreide als fragiles Schreibinstrument lässt sich rasch und spurenlos auslöschen und erlaubt daher die schnelle Veränderung gegebener Information. In dieser Funktion hatte auch Immendorffs Lehrer die Tafel häufig als Kommunikationsmedium verwendet, dessen flüchtige Information in diesen Fällen nur noch in Form fotografischer Dokumentationen nachzuvollziehen ist.38 Im Falle der bereits 1968 entstandenen Dokumentationstafeln Immendorffs fällt demgegenüber sofort die Vielzahl an Tafeln auf, die die sukzessiven Veränderungen des Stadtplans nachvollziehbar machen und zugleich jedes einzelne Entwicklungsstadium bewahren. Entgegen der äußeren Erscheinung ist somit nicht 32 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 71. 33 | Vgl. K Ausst.-Kat at. Zürich 1983-1984; Ausst.-Kat. Köln 1992. 34 | Vgl. Kort, Pamela (Hg.): Jörg Immendorff, I wanted to become an artist, Ausst.-Kat., Philadelphia, Goldie Paley Gallery, 2004; Ausst.-Kat. Berlin 2005; Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015. 35 | Zum Verhältnis von Aura und Dokument vgl. Benjamin 1977. 36 | Vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 244-245. 37 | Vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 236-237. 38 | Erst für die Biennale in Venedig 1980 integrierte Beuys in seiner raumgreifenden Installation »Das Kapital Raum 1970-1977« 50 beschriftete Kreidetafeln, die während der fünften und sechsten documenta 1972 und 1977 entstanden waren, als »Diskussionsniederschlag« in ein Werk. – Vgl. Kramer, Mario: Joseph Beuys. »Das Kapital Raum 1970-1977«. Heidelberg 1991, Zitat S. 28.

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die teleologische Hinführung zu einem korrekten Sinn oder die Vermittlung einer abgeschlossenen Theorie das Ziel der Arbeit, sondern die Fixierung des Prozesses selbst. Die Kreidetafel erfährt bei Immendorff demnach einen Funktionswandel vom flüchtigen Kommunikationsmedium zu einem Mittel dokumentarischer Konservierung. Da die Pläne zudem eine zeitlich begrenzte räumliche Struktur widerspiegeln, nähert sich ihre visuelle Qualität fotografischen Zeugnissen an. Im Gegensatz zu den Tafeln Beuys’, die der symbolischen Repräsentation einer abstrakten Idee Raum boten, überwiegt in den Dokumentationstafeln Immendorffs die Eigenschaft ikonischer Abbildung. Als gebündelte Werkgruppe zeichnen diese jedoch nicht nur eine gegebene Situation ab, sondern lassen den Veränderungsprozess nachvollziehbar werden. Auf diese Weise werden die ikonischen Stellvertreter der vergangenen Aktion mit indexikalischen Qualitäten aufgeladen. In dieser Hinsicht erstaunt es, dass die somit als Spuren des »Tier-LIDL« zu bewertenden Tafeln nicht im Dokumentationskatalog von 1981 auftauchen, sie dahingegen in der Berliner Publikation wie eigenständige Kunstwerke dargestellt werden. Ist dem Sportanzug im Sinne einer »Berührungsreliquie«39 ein deutliches Erinnerungspotenzial eigen, befinden sich die Dokumentationstafeln als bewusst gestaltete Objekte in einem ambivalenten Zustand zwischen Archivale und ästhetischem Objekt. Als Kunstwerk inszeniert, verleihen sie der Aktion »Tier-LIDL« retrospektiv den Status eines künstlerischen Werkprozesses, den Immendorff explizit gegenüber der sozialpolitischen Komponente seiner Aktionen betonte.40 Während das im Kunstkontext nicht herkömmliche Material der Kreidetafeln den Werkcharakter der Arbeiten zunächst zu verschleiern scheint, zeigen die drei genannten Kataloge daneben eine sechsteilige Gemäldeserie, deren Ausführung in Acryl auf Leinwand ihre Identifikation als Kunstwerk erleichtert (Abb. 40). 1968 entstanden, beziehen sie sich ebenfalls auf die Aktion »Tier-LIDL«. Bildmotiv ist dessen »Botschafter«, die Schildkröte, die zu verschiedenen Tageszeiten an unterschiedlichen Orten in natürlicher Umgebung einmal schwimmend, einmal durch hohes Gras kriechend oder eine Tomate verschlingend, abgebildet ist. Der auf ihrem Panzer in schwarzen Lettern auf weißem Untergrund prangende Schriftzug »LIDL« bleibt bei ihren Aktivitäten stets lesbar.41 Die Malereien der kleinformatigen Leinwände entsprechen einem der Agitprop-Kunst nahestehenden, comicartigen Stil, der die farbig gestalteten Darstellungen durch eine weiße Umrandung als gemalte Bildfelder vom Untergrund abhebt. Alle sechs Gemälde weisen den gleichen Schriftzug auf: »Alles über den Botschafter«, wobei er nur einmal außerhalb der Bildfläche auf dem unteren weißen Rand geschrieben steht.

39 | Wagner 2001, S. 83. 40 | Vgl. Kort 1993, S. 43. 41 | Vgl. K Ausst.-Kat at. Philadelphia 2004, S. 19; Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 230-231; Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 372.

Aneignung und Subversion

Abbildung 40:  Jörg Immendorff, »Alles über den Botschafter«, 1968, sechsteilig, Acryl / Leinwand, je 25 cm × 25 cm, 30 cm × 30 cm oder 30 cm × 35 cm, Galerie Michael Werner

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Es existiert kein fotografisches Dokument oder schriftliches Zeugnis von »LIDL«Aktionen, in dem die »Botschafter«-Serie in Erscheinung tritt. Die nuanciert ausgearbeiteten Malereien mit ihren humoristischen Bildfindungen erwecken vielmehr den Eindruck, Resultate der persönlichen Kreation des Künstlers Immendorff zu sein und geben zu der Vermutung Anlass, dass sie in der intimen Sphäre seines Ateliers geschaffen wurden. Ihre Thematik verortet die Bildserie jedoch eindeutig in den Kontext der kollektiven und öffentlichen Ereignisse um »LIDL«. Anders als die Kreidetafeln sind sie somit nicht mehr Spur eines vergänglichen Ereignisses, sondern transformieren dieses vielmehr in die individuelle Sprache des Künstlers. Auf diese Weise erfüllen sie einen Anspruch, den Immendorff und Reinecke für »LIDL« zu Beginn klar formulierten: Der LIDL-Raum sollte ein Ort für »Arbeit und Zusammenarbeit« sein, an dem die »künstlerischen Modelle« überprüft werden

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sollten.42 Die additive Formulierung kehrt dabei neben dem kooperativen Aspekt der »LIDL«-Gruppe deutlich die Bedeutung des individuellen künstlerischen Schaffens hervor. Dass die in eindeutig künstlerischen Mitteln ausgeführte »Botschafter«-Serie in früheren Publikationen zu »LIDL« unerwähnt blieb, deckt einen lang gehegten Fehlschluss der diesbezüglichen Forschungsgeschichte auf. Durch die rasche Reduzierung von »LIDL« auf eine Aktionsplattform, die den Weg für Immendorffs spätere politische Kunst ebnete, wurde das Anliegen, durch die Alternative »LIDL« die künstlerische Produktion zu fokussieren, häufig missachtet.43 Abbildung 41:  Jörg Immendorff, »LIDL-Klotz«, 1967, 32 cm × 14 cm × 6 cm, bemaltes Holz, Nylonschnur, Galerie Michael Werner

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

42 | Vgl. Flugblatt zu Eröffnung des LIDL-Raums, reproduziert in: Immendorff 1973, S. 55. 43 | Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984; Germer, Stefan: »Der Kulturschaffende ergreift Partei.« In: Texte zur Kunst, Jg. 2, Heft 2, Frühjahr 2001, S. 159-165.

Aneignung und Subversion

Deutlich wird dieser Trugschluss an dem wohl prominentesten »LIDL«-Objekt, dem »LIDL-Klotz«, den Immendorff bei seiner ersten Aktion im Januar 1968 vor dem Bonner Bundeshaus an sein Bein gebunden hatte. Helga Meister bezeichnet ihn als eine »Ikone«44, die bei »LIDL«-Ausstellungen unter einer Glashaube auf einem Sockel präsentiert wird.45 Im Umkehrschluss ist es eben diese Form der Zurschaustellung, die das Objekt als kostbares hervorhebt und mit einer quasi-sakralen Aura umgibt.46 Sein Material kann nicht als Begründung für eine solche Behandlung gelten. Der »LIDL-Klotz« (Abb. 41) besteht aus einem 32 cm × 14 cm × 6 cm großen Holzklotz, der auf allen sechs Seiten in den Farben der bundesdeutschen Flagge bemalt und an den vier Längsseiten mit dem Schriftzug »LiDL« versehen ist.47 Der kleingeschriebene Vokal wahrt mit dem i-Punkt die Höhe der Buchstabenreihe, lockert deren strikt lineare Erscheinung auf und verleiht der handgeschriebenen Inschrift eine kindlich-spielerische Erscheinung. An einer Stirnseite ist ein Stück Kordel befestigt, das bei der Aktion 1968 dazu diente, den Klotz an Immendorffs Bein festzubinden. In seiner hermetischen Erscheinung steht dieses erste »LIDL«-Artefakt wie ein objektgewordenes Programm zu Beginn der »LIDL«-Serie. Es ist die erste schriftliche Manifestation des Phantasiebegriffs »LIDL« und stellt zugleich dessen materialgewordenes Äquivalent dar: Immendorffs Aussage zufolge hat er seine Begriffsfindung dem Laut einer Babyrassel entlehnt.48 Diese durch die Wortfindung wachgerufene Assoziation mit einer Kinderklapper sollte laut Künstlerintention vom Lärm, den der Holzblock beim Schleifen auf dem Pflaster verursachte, bestätigt werden.49 In seiner Anwendungsweise erinnert das Objekt an die primitive Umsetzung einer Gattung von Kinderspielzeugen, die in der Regel in Form hölzerner Tierfiguren auf Rollen hinter sich hergezogen werden und teilweise durch einen bei der Bewegung in Gang gesetzten Mechanismus die Laute des nachgebildeten Tieres reproduzieren. Anders als diese Art des Nachziehspielzeugs verfügt der »LIDLKlotz« jedoch über keine mimetische Relation zur Außenwelt. Vielmehr überkreuzen sich in ihm die beiden Erscheinungsformen des sprachlichen Zeichens: der optisch wahrnehmbare Schriftzug sowie das akustische Geräusch, dessen Ursache der Klotz als Klangkörper selbst ist. Der »LIDL-Klotz« umfasst somit als absolutes, selbstreferentielles Zeichen zugleich die Ebenen von Signifikat und Signifikant. Diesem Umstand ist auch die Eigentümlichkeit der 1968 ausgeführten Aktion geschuldet. Denn im Gegensatz zu gewöhnlichen Protestmärschen trug Immendorffs Demonstration vor dem Bonner Bundeshaus keine klar dechiffrierbare Mitteilung. Immendorff deklarierte keine Forderung über Nachrichtenträger wie Transparente, Plakate oder per Lautsprecher. Damit bildete der Klotz die einzige hermetische 44 | Bildunterschrift im Inhaltsverzeichnis zu Düsseldorfer Hefte 18 / 1992, Sonderthema: »Mit Haut und Haaren«, o. S. 45 | Meister 1992, S. 8. 46 | Vgl. Meister 1992, S. 8; Thierolf, Corinna: Jörg Immendorff – Versuch, Adler zu werden. In: Ausst.-Kat., Versuch, Adler zu werden. Jörg Immendorff, Augsburg, Staatsgalerie Moderne Kunst im Glaspalast Augsburg, eine Zweiggalerie der Pinakothek der Moderne, München, 2014-2015, S. 11-17, S. 12. 47 | Vgl. Angaben in: Germer 2001, S. 13. 48 | Vgl. Immendorff 1973, S. 54. 49 | Vgl. Kort 1993, S. 40.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Botschaft. Allein die Kenntnis von Immendorffs sonstigem Schaffen, insbesondere seiner Serie der »Babykunst«, in der er in Werktiteln und -inschriften die akustische Analogie zur Kleinkindsprache eingeführt hatte,50 ermöglichte dem Rezipienten der Aktion, einen vagen Bedeutungshorizont zu erschließen, der jedoch unklar blieb. Ähnlich dem dadaistischen »Urlaut«51 untergrub der »LIDL-Klotz« demnach als Lautquelle eine klare akustische Botschaft zugunsten des puren Klangs ohne vorhandene Denotation. Demgegenüber verfügte er in seiner zweiten Funktion als visueller Zeichenträger über eine eindeutige Bezugsgröße: Der dreiteilige aufgemalte Farbcode war leicht als Referenz auf die bundesdeutschen Nationalfarben zu entziffern. Diese Identifikation wurde durch die Lokalisierung der Aktion nur noch unmissverständlich gestärkt. Hiermit verwandelte sich das »LIDL«-Objekt von einem primär akustischen zu einem »optischen Instrument«52, das als sprichwörtlicher Klotz am Bein vorgeführt wurde. Schließlich waren es auch die abgeschabten Farben, die das Eingreifen der Polizei rechtfertigten.53 Das Einschreiten einer öffentlichen Staatsgewalt schließlich unterstellte der Aktion – ebenso wie die daraufhin erfolgten Erklärungsanstrengungen der Presse  – eine politische Ambition.54 Behauptete Immendorff diesbezüglich daher später: »Alle diese Aktivitäten wurden erst durch die Reaktion der Umgebung politisch. Zunächst waren sie als poetische, spielerische und subversive Kunstbehauptungen gedacht«55, handelte es sich in diesem Fall tatsächlich um eine extrinsische Bedeutungszuweisung. Diese wiederum wurde erst durch die aktive Inszenierung des »LIDL-Klotzes« innerhalb des ersten »LIDL-Stück[s]«56 möglich, wobei dessen intrinsische Zielsetzung verschkeiert blieb. Als alleinstehendes künstlerisches Objekt bildet der bemalte Holzklotz hingegen ein in sich geschlossenes, selbstzentriertes Werk. Erscheint die zitierte Aussage Immendorffs in Hinblick auf seine spätere klar politisch motivierte Kunst auch fragwürdig, so verweist sie jedoch in ihrer Subtilität auf die Bedeutung des autonomen ästhetischen Schöpfungsaktes. Dieser enthebt das Kunstwerk der interpretatorischen Einengung auf eine illustrative Zweckmäßigkeit im Sinne sozialpolitischer oder sonstiger Intentionen.57

50 | Vgl. Kapitel 4.1. 51 | Zu Kurt Schwitters’ »Ursonate« vgl. Richter 1978, S. 144-152. 52 | Kort 1993, S. 40. 53 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 13. 54 | Vgl. Reproduktion Zeitungsartikel von 1968, in: Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 15. 55 | Kort 1993, S. 42. 56 | Diese bereits angewandte Bezeichnung, die doppelsinnig auf den einheitlichen Gegenstand, das Objekt des Holzklotzes, sowie das Theaterstück, das aufgeführt wird, verweist, stammt von Harald Szeemann. – Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 15. 57 | Angesichts der noch immer marginalen Wahrnehmung deutscher Künstler in Frankreich, stellt der Kunstkritiker Blistène in einer von ihm organisierten Ausstellung von Skulpturen deutscher Maler die Frage nach der korrekten Wertung des politischen Engagements gegenüber dem ästhetischen Eigenwert der Arbeiten Immendorffs. – Vgl. Blistène, Bernard: Jörg Immendorff, le fabuliste et l’imagier. In: Lamarche-Vadel, Bernard (Hg.): Skulptur. Baselitz, Immendorff, Lüpertz, Penck, Ausst.-Kat., Rouen, École d’architecture de Normandie, 1989, S. 23-28, S. 25.

Aneignung und Subversion

Claes Oldenburg, »Maus Museum« Während die meisten »LIDL«-Artefakte wie der exemplarisch beschriebene »LIDLKlotz« in Aktionen eingebunden waren und erst mit zeitlichem Abstand als deren Werkdokumente im Kunstkontext präsentiert wurden, besitzen die »Nichtveränderten Objekte« in der von Claes Oldenburg selbst zusammengetragenen Objektsammlung des »Maus Museums« für den heutigen Betrachter einen evidenten historischen Dokumentationswert. Als »Treibgut des Alltags«58 formen die Exponate ein fragmentarisches Porträt der nordamerikanischen Durchschnittsgesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei sie als deren exemplarische Repräsentanten eine kuriose Produktpalette widerspiegeln. Auch wenn bei der ersten Ausstellung des »Maus Museums« 1972 das Publikum vorrangig nicht aus nordamerikanischen, sondern aus westeuropäischen Besuchern bestand, bildeten die USA als politische Welt- und Wirtschaftsmacht einen klaren Bezugspunkt in der populären Alltagskultur. Neben den Realitätsausschnitten der »Nichtveränderten Objekte« ließ Oldenburg mit den »Veränderten Objekten« und »Atelier-Relikten« Rückstände seines persönlichen Arbeitsprozesses in die Museumssammlung einfließen. Indem die Sammlung des »Maus Museums« dadurch verschiedene Werkphasen des künstlerischen Œuvres Oldenburgs vergegenwärtigt, entspricht auch sie dem Prinzip der »Selbstarchivierung«59, das in der Kunstgeschichte eine lange Tradition besitzt. Als ältestes, datiertes60 Objekt ist das »Atelier-Relikt« »Wolfsmilch Hülsen« (Inv.-Nr. 8)61 von 1959 im Begleitkatalog aufgeführt. Alle übrigen datierten Sammlungsobjekte stammen aus den 1960er Jahren und repräsentieren Oldenburgs Performances des »Ray Gun Theater«62, Installationen wie »The Store«63 und »Home«64 sowie die Werkgruppen »Soft Sculptures«65 und »Large Scale Sculptures«66. Die Ka58 | Winzen, Matthias: Sammeln – so selbstverständlich, so paradox. In: Schaffner, Ingrid, ders. (Hg.): Deep Storage. Arsenale der Erinnerung, Ausst.-Kat., München, Haus der Kunst, New York, P.S. 1, 1997-1999, S. 10-19, S. 13. 59 | Bismarck 2010, S. 176. 60 | An den Exponaten der Kategorien »Nichtveränderte Objekte« und »Veränderte Objekte« fehlen zumeist zeitliche Hinweise zu ihrem Entstehungszeitpunkt oder ihrem Eingang in die Sammlung, weshalb nur eine ungefähre zeitliche Rahmung der Sammlung aufgestellt werden kann. 61 | Die im Folgenden erwähnten Inventarnummern beziehen sich auf die deutsche Inventarliste der Katalogbroschüre von 1972. – Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 21-30, hier S. 21. 62 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 24, Inv.-Nr. 157: »Handschuh-Requisit aus ›Store Days I‹«; S. 28, Inv.-Nr. 300: »Ball mit Gesicht: Rover the Pup«. – Dieses Objekt kaufte Oldenburg während der Vorbereitung der Performance »Injun« zusammen mit »Mechanischer Hund« (Inv.-Nr. 298) in einem »thrift shop«, einer Art Gebrauchtwarenladen, in Dallas. – Vgl. Ausst.Kat. Otterlo 1979, S. 30. 63 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 26, Inv.-Nr. 234: »Store Ray Gun«. 64 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 26, Inv.-Nr. 221: »Studie für einen Sessel (zwei Teile)«. 65 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 29, Inv.-Nr. 335: »Verworfene Teilstücke der ›Soft Manhatten Subways‹«; S. 21, Inv.-Nr. 19: »Kartoffel Studie Nr. 1«. 66 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 25, Inv.-Nr. 178: »Studie für die ›Riesenkelle‹«. – Diese ist im Inventar nicht als »Atelier-Relikt« (AR), sondern als »Verändertes Objekt« (VO) gekennzeichnet.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

tegorisierung der Objekte lässt dabei jedoch keinen eindeutigen Rückschluss auf deren Verbindungsgrad zum künstlerischen Produktionsprozess zu. Während die beiden zuletzt genannten Skulpturengruppen durch Entwürfe, Modelle und verworfene Studien des Künstlers im »Maus Museum« präsent sind, handelt es sich beispielsweise bei den Requisiten der Performance »Ray Gun Theater« um gekaufte Gegenstände, die daher als »Nichtveränderte Objekte« verzeichnet sind. Die »Nichtveränderten Objekte« entsprechen dem Prinzip des objet trouvé.67 Sie beziehen als »authentische Bruchstücke«68 der industriellen Massenproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg die gesellschaftliche Realität in Oldenburgs Museumssammlung ein. Wie Aleida Assmann präzisiert, handelt es sich bei den Alltagsgegenständen, insbesondere bei als wertlos weggeworfenen Dingen, um nichtintendierte Spuren, die somit ein unwillkürliches Gedächtnis fixieren.69 So weisen viele Exponate des »Maus Museums« Rückstände ihres Gebrauchs auf oder tragen die Anzeichen von menschlichen Interventionen. Dieses unwillentliche, universale Erinnerungspotenzial eines Gesellschaftsfragments ergänzte Oldenburg in seiner Museumssammlung durch seine gezielt vorgenommenen sowie unbewusst herbeigeführten Veränderungen. Dem »Trivialen« 70 und »Stereotypen« 71 des Massenprodukts, wie es für Vertreter der amerikanischen Pop-Art von Interesse war, stellen diese sichtbaren Spuren an den präfabrizierten Objekten in Oldenburgs Sammlung eine Geschichte und damit ein Alleinstellungsmerkmal, eine individuelle Identität, entgegen. Die Lautkulisse des Museumsbaus, die die beim Waschen entdeckten »Stimmen« 72 einiger Knautschspielzeuge reproduzierte, verstärkte den Eindruck unverwechselbarer Individualität der Exponate noch. Hinsichtlich des visuellen Vitrinendispositivs kann die darin vorgenommene räumliche Kombination von Wirklichkeitsausschnitten in Form der »Nichtveränderten Objekte« mit Utensilien und Arbeiten des Künstlers ferner als eine dreidimensionale Umsetzung des Collageprinzips innerhalb des Künstlermuseums betrachtet werden.73

67 | Vgl. Schlagwort »objet trouvé«, in: DuMont’s Bild-Lexikon der Kunst. Künstler – Stile – Techniken. Köln 1976, S. 452. 68 | Wagner 2001, S. 58. 69 | Vgl. Assmann, Aleida: Texte, Spuren, Abfall. Die wechselnden Medien des kulturellen Gedächtnisses. In: Böhme, Hartmut, Scherpe, Klaus R. (Hg.): Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek 1996, S. 96-111, S. 107-110; Korff, Gottfried: Dimensionen der Dingbetrachtung. Versuch einer museumskundlichen Sichtung. In: Hartmann, Andreas, Höher, Peter, Cantauw, Christiane (Hg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Münster [u. a.] 2011, S. 11-26, S. 19. 70 | Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 71 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 72 | Oldenburg / K önig 1972, S. 3. 73 | Der Begriff der Collage wird unabhängig von ihrer einschränkenden medienspezifischen Definition ausgehend vom kubistischen »papier collé« hier als grundsätzliches Prinzip der Zusammenfügung künstlerischer und außerkünstlerischer Komponenten verwendet, das den Anwendungsformen in anderen Gattungen, wie der Toncollage oder der Montagetechnik in Literatur und Film sowie der räumlichen Assemblage Pate steht. – Vgl. Grasskamp 1979, S. 35-48.

Aneignung und Subversion

Die Collage hielt mit der Strömung des Kubismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts als künstlerische Praxis Einzug. Auf der Suche nach einer realitätsadäquaten Bildform entstanden, ist sie in ihren Anfängen von einer mimetischen Kunstauffassung geprägt.74 So baute Juan Gris 1912 Fragmente einer realen Spiegelplatte in seine Collage »Le Lavabo« ein und begründete diesen Schritt mit der Absicht, die Diskrepanz zwischen konserviertem und aktualisiertem Bild zu überwinden, um damit der außerkünstlerischen Realität näher zu kommen: Eine gemalte Oberfläche läßt sich auf die Leinwand übertragen, ein Volumen kann auf ihr interpretiert werden. Einen Spiegel aber, eine wechselnde Oberfläche, die den Betrachter selbst reflektiert, kann man nur als ebensolches Spiegelglas hineinkleben.75

Hatten die Kubisten mittels flächiger Perspektivauffächerung bereits den Illusionsraum des Bildes zerstört, wollten sie dessen Wirklichkeitsbezug dennoch erhalten.76 In seiner Collage wahrte Gris diese Zielsetzung, er überschritt jedoch deren ikonische Definition. Durch die Integration realer Spiegelteile ließ er in den repräsentativen Raum des Artefakts ein präsentisches und natürliches Abbild eindringen. Das Spiegelbild macht den Betrachter zum realen Bestandteil des Kunstwerks, das mit jedem Augenblick aktualisiert wird und so die Grenze zwischen Werkfiktion und Realität destabilisiert. Vergleicht man dieses Vorgehen mit den Realitätsfragmenten der »Nichtveränderten Objekte« im »Maus Museum« fällt auf, dass es sich bei diesen bemerkenswert häufig um Nachbildungen, Miniaturen oder Adaptionen realer Erscheinungen handelt. Sowohl die deskriptiven Objekttitel der Inventarliste als auch überlieferte Fotografien der Museumsvitrinen zeugen von einer auffällig großen Anzahl an Attrappen von Nahrungsmitteln und Körperteilen innerhalb der Museumssammlung.77 Daneben existiert eine Reihe von Gebrauchsgegenständen, die entgegen ihrer eigentlichen Funktion die Form eines anderen Alltagsobjekts nachahmen, etwa der »Kugelschreiber in Gestalt eines Damenbeins« (Inv.-Nr. 133)78, die »Seifenstücke in Pralinenform« (Inv.-Nr. 87)79 oder die »Spardose in Form eines Golf balls« (Inv.-Nr. 202)80. Mit diesem Imitationscharakter vieler Objekte interferiert ein weiteres Merkmal der Sammlung, das sich beim Studium der Exponatliste bemerkbar macht: eine deutliche Dominanz von Plastik unter den Materialien. 74 | Vgl. Kahnweiler 1958, S. 92; Faust 1977, S. 38; Krohn, Silke: The Age of Collage. Contemporary Collage in Modern Art. A Foreword. In: Busch, Dennis, Hellige, Hendrik, Klanten, Robert (Hg.): The Age of Collage. Contemporary Collage in Modern Art. Berlin 2013, S. 3-9, S. 4-5. 75 | Juan Gris zitiert nach: Meyer zu Eissen, Annette: Spiegel und Raum in der bildenden Kunst der Gegenwart (zugl. phil. Diss. Bonn 1980), Bonn 1980, S. 131. 76 | Vgl. Faust 1977, S. 45-47. 77 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972, S. 23, Inv.-Nr. 104: »Süßspeise Schaustück – Eis mit Schokoladensoße und Kirsche«; S. 23, Inv.-Nr. 95: »Falscher Schokoladenriegel«, S. 23, Inv.Nr. 116: »Falsche Nase und Schnauzer«; S. 24, Inv.-Nr. 312: »Aufblasbare, Falsche Beine«. 78 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 23. 79 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 23. 80 | Oldenburg /  K önig 1972, S. 26.

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Nachdem mit der ersten industriellen Revolution Metalle als innovative Werkstoffe im 19. Jahrhundert auch Einzug in die freie Kunst erhalten hatten,81 breitete sich mit der zweiten technischen Revolution nach 1945 von Amerika das »Plastikzeitalter«82 aus. Diese zunächst hyperbolisch erscheinende Namensfindung belegt, in welchem Grad die neuen Kunststoffe vielfältige Lebensbereiche umgestalteten.83 Über den Einfluss des Plastiks auf das alltägliche Leben schrieb Roland Barthes 1957: Die Mode des Plastiks zeugt von einer Entwicklung im Mythos der Imitationen. […] Zum erstenmal [sic!] hat es das Artifizielle auf das Gewöhnliche und nicht auf das Seltene abgesehen. Gleichzeitig wird die uralte Funktion der Natur modifiziert: sie ist nicht mehr die Idee, die reine Substanz, die wiedergefunden oder imitiert werden muß; ein künstlicher Stoff, ergiebiger als alle Lager der Welt, ersetzt sie, bestimmt sogar die Erfindung der Formen. […] Die Hierarchie der Substanzen ist zerstört, eine einzige ersetzt sie alle: die ganze Welt kann plastifiziert werden und sogar das Lebendige selbst. 84

Als herausstechendes Kennzeichen des Kunststoffs betont Barthes dessen Eignung zur Imitation. Seine nahezu grenzenlose Formbarkeit unterscheidet das Material von früheren Werkstoffen, gegenüber denen es selbst eine charakterlose Variable, eine Leerstelle bleibt.85 Obwohl Plastik, wie Barthes mit Verweis auf den griechischen Namensursprung verdeutlicht,86 bereits in den 1950er Jahren ein Material mit langer Herstellungstradition war, entwickelten sich zu dieser Zeit neue Anwendungsgebiete für den Stoff. Dabei übertrifft Plastik in seiner scheinbar grenzenlosen Wandelbarkeit nicht nur traditionelle Materialien wie Gusseisen oder Wachs, die sich ebenfalls in vielerlei Form bringen lassen, sondern verändert laut Barthes die »Funktion der Natur«87. Denn war Plastik vormals eine demokratisierende Materie, die das Nachahmen wertvoller natürlicher Substanzen ermöglichte, entwickelte es sich zum Rohstoff der Massenware par excellence. An die Stelle des sublimierenden Scheins trat der alltägliche Gebrauch. Anstatt dies jedoch als eine konsequente Entwicklung zu betrachten, schließt Barthes aus der Omnipräsenz des Kunststoffs auf dessen »Macht«88, vorhandene Ordnungen umzukehren. Nicht mehr die Natur

81 | Vgl. Rübel /  Wagner / Wolff 2005, S. 59-60. 82 | Wagner 2001, S. 186. 83 | Vgl. Rübel, Dietmar: Plastizität. Eine Kunstgeschichte des Veränderlichen. München 2012, S. 120. 84 | Barthes, Roland: Plastik (1957), In: Rübel /  Wagner / Wolff 2005, S. 87-89, S. 89. 85 | Vgl. Borngräber, Christian: Bruchstücke. Westdeutsches Nachkriegsdesign 1945-55. In: Ausst.-Kat., Grauzonen Farbwelten. Kunst- und Zeitbilder 1945-1955, Berlin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, 1983, S. 127-174, S. 158. 86 | Vgl. Barthes, in: Rübel / Wagner /  Wolff 2005, S. 87. 87 | Barthes, in: Rübel /  Wagner / Wolff 2005, S. 89. 88 | So hielt Georges Didi-Huberman über das dem Kunststoff vorausgehende, strukturell ähnliche Wachs fest: »Die Gefügigkeit des Materials ist so umfassend, daß sie sich an einem Punkt umkehrt und zur Macht des Materials wird.« [Hervorhebung i. Orig.], zitiert aus: DidiHuberman, Georges: Die Ordnung des Materials. In: Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 3. Berlin 1999, S. 1-29, S. 13.

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galt es zu imitieren, sondern Plastik konnte »sogar die Erfindung der Formen«89 bestimmen. Nicht mehr seltene und somit kostbare Stoffe erweckten demnach Begierden, sondern mit dem Plastik zog das Alltagsobjekt in die Reihen des Fetischs ein.90 In Oldenburgs Werk bildet das Fetischisieren des Konsumobjekts in der Industriegesellschaft seit seinen frühen Performances ein Leitmotiv.91 So bezog sich der Künstler in seinen zumeist in Vinyl ausgeführten »Soft Sculptures«92, die in der Sammlung des »Maus Museums« durch Modelle vertreten sind, auf eine spezifische, von Barthes in seinem Essay hervorgehobene Eigenschaft des Kunststoffs: seine Transformationsmöglichkeit von Weichheit in Härte und umgekehrt.93 Die Nachgiebigkeit der Skulpturen verfremdet die bereits in Übergröße transformierten Alltagsgegenstände zusätzlich und verleiht ihnen eine amorphe Erscheinung. Der sonst robuste und funktionale Objektkörper wird in träge Formlosigkeit versetzt und lässt sich beliebig manipulieren.94 Monumental und doch anschmiegsam, sogar widerstandslos erzeugen die »Soft Sculptures« beim Betrachter daher eine ambivalente Wirkung.95 Diese steigert sich zusätzlich, wenn Oldenburg die betonte Passivität der in seinem Material erschlafften Form aktiviert. So sollte die softe Lippenstiftspitze seiner ersten »Large Scale Sculpture«, »Lipstick (Ascending) on Caterpillar Tracks« (1968), ursprünglich mit Hilfe einer Luftpumpe in eine pulsierende, organische Bewegung versetzt und ihr so scheinbare Lebendigkeit eingehaucht werden.96 Die bereits durch die Größenverhältnisse auf den Kopf gestellte Beziehung zwischen Werk und Betrachter hätte durch diese betonte Sinnlichkeit des Materials eine weitere Verfremdung erfahren.97 Unter den Miniaturobjekten des »Maus Museums« befinden sich vielzählige Vorstudien und Modelle der Monumentalskulpturen Oldenburgs, die gemäß der umgekehrten Maßstabsverhältnisse als deren Spiegelbild betrachtet werden können. Die Modelle und Miniaturen repräsentieren die Arbeiten Oldenburgs und 89 | Barthes, in: Rübel /  Wagner /  Wolff 2005, S. 89. 90 | Vgl. Rübel 2012, S. 11; Vöhringer, Margarete: Barthes über Plastik oder das Nachleben eines Kunststoffs. In: Körte, Mona, Reulecke, Anne-Kathrin (Hg.): Mythen des Alltags – Mythologies. Roland Barthes‹ Klassiker der Kulturwissenschaften. Berlin 2014, S. 193-203. 91 | Vgl. Celant, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 15-31, S. 27. 92 | Für eine genauere Beschreibung der »Soft Sculptures« und ihrer Verortung im Gesamtwerk vgl. Rose 1970, S. 91-99. 93 | Vgl. Applin, Jo: Eccentric objects. Rethinking sculpture in 1960s America. New Haven 2012, S. 43-47; Barthes, in: Rübel / Wagner / Wolff 2005, S. 88. 94 | Vgl. Prather, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 4; Hochdörfer, Achim: Von der Street zum Store. Claes Oldenburgs Pop Expressionisimus. In: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 12-63, insbes. S. 52-60. 95 | Vgl. Stemmrich, Gregor: Hypertrophien, Trophäen, Tropen des Alltäglichen: Claes Oldenburgs Neudefinition von Skulptur. In: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 164-168. 96 | Aufgrund technischer Schwierigkeiten musste die weiche Lippenstiftspitze von einer tragenden Konstruktion gestützt und damit immobilisiert werden. – Vgl. Dickel 1999, S. 2631. 97 | Germano Celant erkennt in der an- und abschwellenden Bewegung des weiblichen Kosmetikartikels eine erotische Aufladung des Kunstwerks, die den Blick der kapitalistischen Konsumwelt reflektiert, in dem Körper und Ding austauschbar werden. – Vgl. Celant, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 15-17.

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bringen deren Thema, die Beziehung zwischen Mensch und Objekt im alltäglichen Konsumverhalten der westlichen kapitalistischen Industriegesellschaft, in die Sammlung. Innerhalb der Museumsvitrinen besitzen allerdings nicht nur die vom Künstler angefertigten Objekte eine solche ikonische Beziehung zur Außenwelt. Auch bei den authentischen Realitätsfragmenten handelt es sich vorrangig um Nachahmungen, um Abbilder. Im Mikrokosmos des fiktiven Museums werden diese als aus dem alltäglichen Kontext bekannten Objektimitate der Industriekultur mit den künstlerischen Objekttransformationen durch das Prinzip der Collage zusammengeführt. Dabei ist es ein bemerkenswertes Detail, dass die Miniaturen der Kunstwerke nicht wie die realen Ausführungen und auch nicht wie der Großteil der Realitätsfragmente in Plastik, sondern in Stoff ausgeführt sind und somit einer anderen materiellen Ordnung angehören. Plastik als vorrangiger Materialaspekt der Objektsammlung überträgt seine Eigenschaften folglich über die »Nichtveränderten Objekte« auf die Wirklichkeit. Dem Besucher eröffnet das »Maus Museum« damit einen neuen Bedeutungsraum, in dem die aus dem Alltag bekannten Dinge als synthetische KunstStoffe in ihrem Scheincharakter zu erkennen sind. Dadurch verfremdet das Dispositiv des fiktiven Museums nicht allein die als authentisch wahrgenommene Welt des Betrachters, sondern legt vielmehr dessen bereits verfremdete Wahrnehmung seiner Umwelt offen.

Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« Eine ähnliche Verfahrensweise wendete Marcel Broodthaers in der »Section des Figures – Der Adler vom Oligozän bis heute« an. Laut Broodthaers’ Erläuterungen im Ausstellungskatalog beruhte die neunte Sektion seines Adlermuseums »auf der Identität des Adlers als Idee mit der Kunst als Idee«98 und verfolgte auf neue Weise die Zielsetzung des fiktiven Museums: die »analytisch[e] Beschäftigung mit dem Begriff Kunst«99. Hierfür sollte mit dieser in einem offiziellen, musealen Kontext präsentierten Sektion die Fiktion selbst zum Gegenstand der Ausstellung gemacht werden, die Fiktion buchstäblich »objektivier[t]«100 werden.101 Gemäß ihrem »pseudo-enzyklopädischen«102 Ausstellungstitel »Der Adler vom Oligozän bis heute« repräsentierten die über 300 Exponate der »Section des Figures« einen Gang durch die Geschichte des Adler-Motivs. Dabei wurden, wie weiter oben beschrieben, Leihgaben zahlreicher internationaler Museen, Gemälde, Skulpturen und archäologische Artefakte gleichwertig neben Alltagsgegenständen oder militärischen Abzeichen und naturwissenschaftlichen Präparaten gezeigt.103 So war der Adler in der Ausstellung beispielsweise als monarchische Insignie104 und als

98 | Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 19. 99 | Vorwort von Marcel Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 4. 100 | Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 32. 101 | Vgl. Vree. In: Dickhoff 1994 (a), S. 89-93, S. 91. 102 | Harten, in: Klüser / H egewisch 1991, S. 223. 103 | Vgl. Kapitel 4.2. 104 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 19, Inv.-Nr. 15: »Großer Kaiseradler«.

Aneignung und Subversion

Wappenmotiv,105 auf der »Fahne des Männer-Gesangs-Vereins Köln-Nippes«106, als Emblem verschiedener Schreibmaschinenmarken107 sowie als Aufdruck auf Weinkorken und Bieretiketten108 zu sehen. Ferner fand sich der Adler auf einem aztekischen Steinrelief,109 als Motiv auf einem indianischen »Geistertanzgewand«110 wie auch in Bleistiftstudien Jean Auguste Dominique Ingres’ (1819)111 oder auf der fotografischen Reproduktion von Peter Paul Rubens’ »Der Raub des Ganymed« (1636-1637)112 . Daneben waren unter anderem ein »präparierter Steinadler«113 und »Skeletteile eines Adlers aus dem Oligozän«114 ausgestellt, die das reale Lebewesen vertraten. Während die Varietät der Verwendungsweisen des Adlersymbols dessen vielfältige, teilweise arbiträre Konnotationen offenbarte, bekundete das undifferenzierte Nebeneinander von offiziell anerkannten Kunstwerken, Vorstudien, Reproduktionen und kunstfremden Objekten deren materielle wie ideologische Gleichwertigkeit innerhalb der Ausstellung. Dieser Effekt wurde durch die stets gleichlautenden Beschriftung der Objekte noch verstärkt.115 Dabei ist die Präsenz des wirklichen Adlers, der biologischen Spezies, in Form des Tierpräparats im Rahmen der Ausstellung von Bedeutung. Als Material des Kunstwerks »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« überschritt er die Grenze zwischen Symbol und Wirklichkeit.116 Die sich dadurch offenbarende Ambivalenz zwischen dem Adler in seiner primären, realen Existenz mit seiner Abbildfunktion in der Verwendung als Museumsstück verstärkte ihre Wirkung angesichts der materiellen Diversität der übrigen Exponate. In Rückwirkung enthüllte die arbiträre Mehrfachcodierung der stringenten Adlermotivik in den mannigfaltigen Ausstellungsstücken den Adler als Mythos, das heißt als historische und wandelbare Konstruktion.117 Daher erklärt Michael Oppitz im zweiten Band des Ausstellungskatalogs den »mythoklastischen Effekt« der Museumssektion als »Resultat

105 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 25, Inv.-Nr. 131: »Deutsche Ortswappen«. 106 | Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 27, Inv.-Nr. 160. 107 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 23, Inv.-Nr. 84: »Der Monarch«; S. 25, Inv.Nr. 127: »Schreibmaschine mit Adleremblem«. 108 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 22, Inv.-Nr. 67: »Flaschen, Korken, Gläser, Tabak, Zuckerstücke, Reißnägel«. 109 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 28, Inv.-Nr. 190: »Ruhender Adler«. 110 | Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 30, Inv.-Nr. 221. 111 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 29, Inv.-Nr. 207: »Drei Adler-Studien« – Es handelt sich Vorstudien zum Gemälde »Roger et Angélique«, das sich im Besitz des Louvre befindet. 112 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 29, Inv.-Nr. 205: »Der Raub des Ganymed. Fotographie des museumseigenen Fotolabors nach dem Gemälde von Peter Paul Rubens«. 113 | Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 24, Inv.-Nr. 105. 114 | Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 32, Inv.-Nr. 251. 115 | Vgl. Kapitel 4.2. 116 | Vgl. Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der Bildlichen Darstellung. Stuttgart /  Z ürich 1978, S.  79-80. 117 | Zur Analyse des Mythos nach Barthes’ vgl. Kapitel 3.1.3.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

des Prinzips der Reihung«118. Skulpturen aus Stein, Holz oder Bronze und Gemälde in Öl auf Leinwand wurden in der »Section des Figures« genauso behandelt wie die fotografische Reproduktion eines Kunstwerks oder ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand.119 An der Mannigfaltigkeit dieses Materialkatalogs reflektierte sich somit das semantische Spektrum, das mit dem Adlersymbol verknüpft wird. In der Ausstellung ließ dies den Betrachter die arbiträre Beziehung zwischen dem materiellen Bedeutungsträger und der immateriellen Bedeutung erkennen und entmachtete in der Erkenntnis den Mythos. Die von Broodthaers damit erzielte Objektivierung der Fiktion übertrug sich 1972 durch die konzeptuelle Gleichsetzung von Adler und Kunst auf letztere und demontierte zusammen mit dem mythischen Symbol des Adlers die Autorität einer anerkannten Kunstdefinition.120 Dieses Bestreben lässt sich rückblickend hinsichtlich früherer Museumssektionen als grundlegendes Anliegen des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« feststellen. 1968 begann Broodthaers sein fiktives Museum mit der Ausstellung von Transportmaterialien und Reproduktionen von Kunstwerken in Form von Postkarten und Diaprojektionen. Anstatt des eigentlichen Kunstwerks existierten in seiner Fiktion lediglich Verweise, Spuren und Anhaltspunkte für dessen Existenz. Pierre Sterckx erinnert sich im Pariser Katalog von 2015, wie er bei seinem Besuch der ersten Museumssektion vor einer solchen Kiste, auf der die Reproduktion von Peter Paul Rubens’ »Kreuzabnahme« (1610) geklebt war, stehen blieb und zu Broodthaers meinte: »J’aimerais bien la voir«. Dieser entgegnete darauf leichthin: »Ah non, mon vieux, je déballe pas, c’est trop compliqué«.121 Mit seiner spontanen, spielerischen Antwort verwies Broodthaers das Kunstwerk zugleich auf doppelte Weise an den Ort der Fiktion. Dabei nutzte Broodthaers eloquent die gewählte Wendung seines Gesprächspartners, der auf das Gemälde Rubens’ ausschließlich mit dem weiblichen Demonstrativpronomen »la« verwies, das Objekt seiner Neugier aber nicht weiter präzisierte. Anders als im Deutschen differenziert das Französische – wie das Englische – zwischen zwei »Bild«-Begriffen. Während das Wort »image« sowohl auf die Abbildung, das Dargestellte, als auch das imaginierte Vorstellungsbild und somit das klischeehafte Image einer Person oder eines Gegenstandes verweist, bezeich-

118 | Oppitz, Michael: Adler Pfeife Urinoir. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf1972, Bd. 2, S. 20-21, S. 20. 119 | Vgl. Harten, Jürgen: »Der Adler vom Oligozän bis heute«, Düsseldorf 1972. Musée d’Art Moderne, Département des Aigles: Section des Figures. In: Klüser / H egewisch 1991, S. 220-229, S. 223. 120 | Vgl. Compton, in: Ausst.-Kat. Köln 1980, S. 24. 121 | »Die würde ich gern einmal sehen.« – »Oh nein, mein Alter, ich packe nicht aus, das ist zu aufwendig« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Sterckx, Pierre: Projection sur caisse, 1968. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne – Département des Aigles, Paris, la Monnaie, 2015, S. 26. – Verwunderlich an dieser Schilderung ist, dass das genannte Werk von Rubens 1610 geschaffen wurde, wohingegen in der übrigen Forschungsliteratur immer wieder die Äquivalenz der reproduzierten Bilder zur epochalen Einteilung der Museumssektionen hervorgehoben wird. – Vgl. u. a. Zwirner 1997, S. 91-92.

Aneignung und Subversion

net »tableau« den physischen Gegenstand.122 Indem Broodthaers vorgab, dass sich das wirkliche Gemälde im Raum – dem Realisationsort seiner Fiktion – befinde, da es lediglich ausgepackt werden müsste, vergegenwärtigte er das tatsächlich nur in Form einer Reproduktion im fiktiven Museumsraum vertretene Bild in der Vorstellung seines Gesprächspartners. Hierin verliert es seine Materialität und existiert nur noch als immaterielles Phantasieprodukt, als Imaginäres. In seiner Erwiderung nutzte Broodthaers somit gekonnt die Zwiespältigkeit des referierten, nicht präzisierten Objekts. Denn wäre Broodthaers’ Aussage unter herkömmlichen Bedingungen als unwahr oder »Lüge« zu beurteilen, sind innerhalb der Fiktion Kategorien der Außenwelt, wie der dort gültige Wahrheitsbegriff belanglos.123 Stattdessen wirken innerhalb des fiktiven Museums die Regeln der Vorstellung, sodass sich die dortige Anwesenheit der imaginierten »Kreuzabnahme« wiederum bewahrheitet. Die hier exemplifizierte Binarität des »Bild«-Begriffs vergegenwärtigte Broodthaers in seinem Ausstellungsdispositiv 1968 mit den beiden Exponatgruppen von Postkarten und Transportkisten.124 Die Postkarten der fiktiven Museumssektion lösten die abgebildeten Gemälde von ihren materiellen Trägern und vermittelten dementsprechend nur den visuellen Eindruck ihres jeweiligen Motivs. Die Transportkisten hingegen machten innerhalb des Ausstellungsraumes die physikalischen Dimensionen realer Gemälde greif bar und rekurrierten auf deren materielle Existenz, indem sie dem Betrachter ein plastisches Gegenüber boten. Des Weiteren fungierten sowohl die Transportkisten als auch die Postkarten innerhalb der fiktiven Museumssektion als fragmentarische Referenten der alltäglichen Außenwelt. Als solche vergegenständlichten sie dort bekannte Modi der Behandlung von Kunstwerken im Raum der Fiktion. Über das Spiel mit den Regeln der Fiktion hinaus kann die zitierte Äußerung Broodthaers’ in diesem Zusammenhang auch als Hinweis auf den Anteil von Fiktion im allgemein anerkannten Umgang mit Bildern – und generell mit Kunstwerken – gelesen werden. Denn dieser ist von einem ambivalenten Verständnis gekennzeichnet: verpackt in Transportkisten werden künstlerische Schöpfungen als physikalisch messbare Gegenstände wahrgenommen, denen ausgepackt, im Präsentationsmodus, eine sublimierende Wirkung zugesprochen wird. In den meisten Fällen findet die Rezeption kunsthistorischer Artefakte allerdings über deren Reproduktionen statt, die sie überall und jederzeit verfügbar machen. Auf eben dieser Verfügbarkeit der technischen Reproduktion basiert André Malraux’ Konzept vom »imaginären Museum«. In seiner so betitelten Schrift hat er die Metamorphose von Kunstwerken durch ihren Eingang in das Museum festgehalten:

122 | Vgl. Langenscheidts Großwörterbuch Französisch. Teil 2: Deutsch – Französisch. Berlin 1979, S. 155. 123 | Vgl. Zipfel, Frank: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft. Berlin 2001, S. 22-23; Mackert 2010, S. 90-92. 124 | Vgl. Harten, Jürgen: Jürgen Harten über Marcel Broodthaers. Projet pour un traité de toutes les figures en trois parties. Versuch einer Nacherzählung. An Attempt to Retell the Story. Köln 2015, S. 94.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie Was geht es uns an, wer der Mann mit dem Goldhelm oder der Mann mit dem Handschuh war? Sie heißen Rembrandt und Tizian. Ein Porträt ist nicht mehr in erster Linie Abbild eines bestimmten Menschen. Bis zum 19. Jahrhundert war jedes Kunstwerk, ehe es als solches gewertet wurde – ja, um überhaupt als solches gewertet zu werden, zunächst Abbild von etwas Existierendem oder Nichtexistierendem. […] Das Museum löschte in nahezu allen Porträts (selbst wo sie ein geträumtes darstellen) fast alles Modellmäßige; seinen Kunstwerken entriß es damit ihre eigentliche Funktion. Für das Museum gab es kein Palladium mehr, keinen Heiligen, keinen Christus; die Begriffe Verehrung, Ähnlichkeit, Phantasie, Schmuck oder Besitz sind mit seinen Objekten nicht mehr verbunden. Dafür hat es nur Abbilder von Dingen, die von diesen Dingen selbst verschieden sind und gerade auf dieser spezifischen Verschiedenheit ihre Daseinsberechtigung gründen: das ermöglichte ja überhaupt erst ihre Vereinigung.125

Die von Malraux beschriebene Entfremdung des Kunstwerks durch die Aufnahme in eine museale Institution verschärfte Broodthaers, indem er in seiner ersten Museumssektion lediglich fotografische Reproduktionen von Werken zeigte. Hat die bereits stattgefundene Dekontextualisierung des originalen Werks im Museum zum Verlust seiner ursprünglichen Funktion und Aussagekraft geführt, wurde es zugleich in den Rang eines Kunstwerks erhoben. Bei der Reproduktion auf einer Postkarte handelt es sich folglich um eine weitere Stufe der Entfernung des abgebildeten Kunstwerks von dem ihm eigentlichen Sinnzusammenhang. Im zeitgenössischen Museumsalltag, dessen reges Treiben im permanenten Ausstellungswechsel durch die Transportkisten in der »Section XIXème Siècle« angedeutet wurde, erscheint das Werk hingegen vorrangig wie eine sperrige Requisite. Dementsprechend realisiert Broodthaers in seiner Museumsinstalltion konsequent die Schlussfolgerung, dass der ästhetische Eindruck eines Kunstwerks ebenso gut von einer kleinformatigen Reproduktion vermittelt werden kann, sollte das Auspacken zu schwierig erscheinen.126 Während die Postkarten in ihren Abbildungen die Motive der echten Kunstwerke nachahmen und somit im Ausstellungszusammenhang mimetisch repräsentierten, fungierten die beschrifteten Transportkisten als abstrakte – durch die Aufschriften partiell linguistische – Zeichen, die sich auf ein anderes Repräsentationsmedium beziehen. Die in Wirklichkeit leere Transportkiste kann daher als materielle Vergegenständlichung der leeren Form des sprachlichen Zeichens angesehen werden: beide können mit einem beliebigen Inhalt gefüllt werden.127 Auf diese Weise setzte Broodthaers 1968 die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens mit der willkürlichen Definition eines »Kunstwerks« gleich. Dies unterstrich der Künstler in einem Gespräch mit Jürgen Harten erneut, indem er ihm ge-

125 | Malraux, André: Psychologie der Kunst. Das imaginäre Museum, übers. v. Jan Lauts. Baden-Baden 1949, S. 6 [Hervorhebungen i. Orig.]. 126 | Wie Ekkehard Mai in Hinblick auf die historische Entwicklung des Ausstellungsbetriebs darlegt, musste sich dieser nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend ökonomischer Quantifizierung anpassen, wodurch eine starke Zunahme an Wechselausstellungen mit immer neuen, aufsehenerregenden Präsentationskonzepten bewirkt wurde. – Vgl. Mai 1986, S. 50-53. 127 | Vgl. Zwirner 1997, S. 90.

Aneignung und Subversion

genüber das Arrangement der ersten Museumssektion als »ein Haufen Nichts«128 bezeichnete. Die demnach zu leeren Hüllen gewordenen Repräsentationsformen von Transportkiste und Postkarte verwiesen auf die wandelbare Diskursgeschichte des durch die Museumsinstitution gefestigten Kunstbegriffs. Als Inhalt der fiktiven Museumsräume charakterisierten die Ausstellungsstücke der ersten Sektion somit Broodthaers’ »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« als Metamuseum. Dieser Status verdeutlichte sich insbesondere an der vierten Abteilung des Adlermuseums, der »Section Documentaire«. Mit Ausnahme der wenigen Zuschauer, die bei der sektionsbildenden Aktion 1969 zugegen waren, war diese Museumsabteilung von Beginn an lediglich über Fotografien Maria Gilissens für den Rezipienten nachvollziehbar. Gilissens Aufnahmen stimmen formal mit Dokumentationen der Land Art überein, deren Werke bewusst außerhalb institutionalisierter Räume des Kunstmarkts entstanden. Die fotografischen Dokumente der Land Art sollten dabei lediglich als Spuren des eigentlichen Werks fungieren, die dessen ephemere Existenz bewiesen. Keinesfalls waren sie als deren Äquivalente konzipiert.129 Schließlich wurden aber auch sie vom Kreislauf des Kunstsektors vereinnahmt und gelten heute als hochdotierte Objekte des Kunstmarkts. Während Künstler der Land Art mit ihren Werken allerdings bewusst in die Natur traten, um den institutionellen Raum zu verlassen, tat Broodthaers mit der »Section Documentaire« das Gegenteil und brachte sein Museum in der grafischen Abstraktion eines in den Sand geritzten Grundrisses an den Strand.130 Damit zeigte er in nahezu karikierender Überschärfe, dass Kunst ohne legitimierende Institution nicht existieren kann, und ließ darüber hinaus, wie Susanne König festhält, sein Museum selbst die Position des Kunstwerks einnehmen.131 Denn interessanterweise handelt es sich bei der die Museumssektion konstituierenden vergänglichen Sandzeichnung um eine der wenigen Arbeiten des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles«, die aus der Hand Broodthaers’ stammt – neben den Partien, die Herman Daled verwirklichte. Die reflexive Metaebene seines »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« manifestierte sich somit auch im Umgang mit den verwendeten Materialien.132 Insgesamt tritt dieses in den 12 Museumssektionen überwiegend in Form vorhandener Objekte und Artefakte in Erscheinung, die von Broodthaers gemäß seiner Rolle als fiktiver Museumsdirektor angeordnet oder wie im Fall der »Section Folklorique« seinem Entwurf entsprechend, angefertigt wurden.133 128 | Harten / S chmidt, in: Dickhoff 1994, S. 97. 129 | Vgl. hierzu ferner Kellein, in: Ausst.-Kat. Bielefeld 2009, S. 314-341. 130 | Vgl. Kapitel 4.2. 131 | Vgl. König 2012, S. 138. 132 | Wie in Hinblick auf einen Metadiskurs zu erwarten, materialisieren sich die Überlegungen Broodthaers’ zur Museumsinstitution auch in sprachlicher Form in den Texten der »Section Littéraire«. Auf die spezifische Bedeutung der Sprache und Narration in den fiktiven Institutionen geht Kapitel 5.1.3 ein. Die spezifischen Poetisierungsstrategien Broodthaers’ hat Gabriele Mackert in ihrer Dissertation tiefgreifend untersucht und mit ihrer Arbeit eine umfassende Zusammenstellung der offenen Briefe und weiterer Texte der »Section Littéraire« vorgelegt. – Vgl. Mackert 2010. 133 | Vgl. Broodthaers 2013, S. 172; vgl. Kapitel 4.2.

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Dementsprechend lässt sich an dieser Stelle als kurzes Zwischenresümee festhalten, dass in den drei betrachteten Institutionsfiktionen Immendorffs, Oldenburgs und Broodthaers’ durch die Verwendung alltäglicher, kunstfremder Materialien sowie herkömmlicher Alltagsobjekte und Gebrauchsgegenstände, die Grenzziehung zwischen Realität und künstlerischer Fiktion destabilisiert wurde.

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« Im Fall der »Académie Worosis Kiga« Gérard Gasiorowskis erfährt dieses Materialverfahren einen Bruch. Denn ausnahmslos alle Exponate der in Kapitel 2.1 rekonstruierten Schau von 1982 wurden vom Künstler selbst angefertigt. Gewöhnlicher Weise ruft der damals gegebene institutionelle Rahmen einer Einzelausstellung in einer Kunstgalerie eine eindeutige Erwartungshaltung beim Besucher hervor, der sich vor dem ästhetischen Genuss eines künstlerischen Œuvres wähnt. In der Ausstellung bei Maeght unterlief jedoch die Materialkombination der Werke sowie die an späterer Stelle genauer zu analysierende Präsentationsweise diese Konvention. Als gerahmte Malereien in Acryl auf Papier konnten sowohl die vielzähligen »Classes« (Abb. 4) an den Galeriewänden als auch die beiden »Honneurs« (Abb. 5) in der Ausstellungsvitrine vom Besucher unzweifelhaft als Kunstwerke identifiziert werden, die im Fall der zuletzt genannten Werkgruppe zudem die kunsthistorisch traditionsreiche Bildform des Diptychons aufnehmen. Die Präsentationsweise der »Honneurs« widersprach allerdings den herkömmlichen Rezeptionskonventionen von Gemälden. Die beiden Diptychen waren vertikal aufgeklappt im rechten Winkel auf den Vitrinenboden gestellt. Sie konnten somit nur partiell in Aufsicht im Schaukasten betrachtet werden, wollte sich der Besucher nicht in die Hocke begeben und so eine Körperposition einnehmen, die dem Verhaltenskodex der Institution zuwiderlief. Indem sie die Erscheinung realer Schmuckschatullen nachahmte, bildete die aufrecht geklappte Präsentationsform der Diptychen zudem eine formale Analogie zum Motiv der Zeichnungen, den akademischen Ehrenauszeichnungen. Während Maler seit den Kubisten immer wieder die Konvention des malerischen Illusionismus durch die Thematisierung des physischen Bildträgers dekonstruiert hatten,134 gingen Form und Inhalt der »Honneurs« eine Kongruenz ein, die wiederum durch die betonte Materialität des Gemäldes, das offenkundige Gemaltsein der Motive, unterlaufen wurde. Im Gegenzug ist jedoch davon auszugehen, dass es der durchschnittliche Galeriebesucher 1982 gewohnt war, auch zeitgenössische, experimentelle Gemälde senkrecht an der Wand hängend zu sehen.135 Dieser Konvention ist es wohl auch geschuldet, dass »Les Honneurs« nach dem Tod Gasiorowskis in den Ausstellungen der Galerie Jöllenbeck 1989, im Raum der Galerie Maeght in der Pariser Rue St. Merri 1991 und im Château de Jau 1993 in genau dieser für Bilder üblichen Wandhängung präsentiert wurden.136

134 | Vgl. Kapitel 3.2.3. 135 | Die Bedeutung dieser Präsentationsform zeigt sich in den vielzähligen kritischen bis hin zu ikonoklastischen Bildverfahren des 20. Jahrhunderts, die sich explizit mit der Konvention des Tafelbildes als flaches Wandobjekt auseinandersetzten. – Vgl. O’Doherty 1996, S. 7-31. 136 | Vgl. unbeschrifteter Ordner mit Diapositiven, in: Archiv Galerie Maeght.

Aneignung und Subversion

In der Akademieausstellung von 1982 wiederum müssen allerdings selbst diejenigen Arbeiten, die diese Darbietungstradition befolgten, namentlich »Les Classes«, beim Besucher Irritation bewirkt haben. Das Spannungsmoment entstand hier wie im Fall von »Les Honneurs« zwischen Material und Ausstellungspraxis, wobei sich bei »Les Classes« das Verhältnis von Konvention und Bruch umkehrte. So mag beim Betreten der Ausstellung bereits die akkumulative Darbietung der längsrechteckigen Rahmen und die Fülle der präsentierten Werke erstaunt haben. Die wahre Provokation des Betrachters ging jedoch von den in den Gemälden verwendeten Materialien aus. Denn während die in den herkömmlichen Mitteln von Acryl und Papier ausgeführten Malereien ihrer Gattung gemäß an den Wänden präsentiert wurden, rufen die mit gewöhnlichen Büroklammern an die Bilder gehefteten Notizstreifen noch heute Verwunderung hervor. Denn das einfache Büroutensil, das sich durch Druckausübung unwiderruflich in die Struktur des papiernen Malgrundes einprägt, steht im klaren Kontrast zu den üblicherweise vorgenommenen Präventionen zum Schutz des sakrosankten Kunstwerks. Wie in der Beschreibung der Akademiefiktion bereits angesprochen, verweist Gasiorowskis Institutionsfiktion wiederholt auf die Sphäre von Bürokratie und Verwaltung. Dabei adaptieren die Werke sowohl deren Materialien als auch Formen.137 So finden in den Artefakten Utensilien wie Notizhefte, Ringbücher und Heftklammern Verwendung, die eindeutig mit einem administrativen Kontext konnotiert werden und den Werken eine »Verwaltungsästhetik«138 verleihen. Zudem geben die verwendeten Materialien und Techniken wie der in den Ringbüchern und auf den Namensetiketten genutzte Tintenstift, die für die Inschriften der »Honneurs« verwendete Schreibmaschine, auf den Papierarbeiten sichtbare Spuren von Perforierungen oder der auf allen Arbeiten auftauchende Stempel Rückschluss über den Produktionsprozess der künstlerischen Schöpfungen, der in den genannten Fällen mit bürokratischen Handgriffen übereinstimmt. Seit den 1960er Jahren hat durch konzeptuell arbeitende Künstler eine administrative Werkästhetik Einzug in die Kunst gehalten. So präsentiert sich beispielsweise Hans Haackes Werk »Shapolsky et al. Manhattan Real Estate Holdings, A Real Time Social System, as of May 1, 1971«139 in Form von Stadtplanauszügen, Gebäudefotografien, Schaubildern, Listen und Diagrammen. Sie sind die Ergebnisse von Nachforschungen und Ermittlungen des Künstlers, die realökonomische Zusammenhänge und Transaktionen aufdeckten und somit eine stille Anklage gegen Politik und Justiz konservieren. Während die administrative Objektästhetik Haackes folglich das Resultat von wissenschaftlichen Methoden ist und die Grenze zwischen offiziell-akademischer und privat-künstlerischer Recherche verunklärt, sind die minimalistischen Zahlenkolonnen, Tabellen und Textbilder der Konzeptkünstlerin Hanne Darboven nach einem komplexen und rigide strukturierten persönlichen Muster der Künstlerin organisiert. Sie archivieren zeithistorische Ereignisse sowie private Erinnerungen Darbovens und konstruieren damit ein Modell individueller Geschichtslektüre.140 Dabei erinnern ihre Notationen in ihrer scheinbar 137 | Vgl. Kapitel 2.2.2, »Rekonstruktion der Arbeitsphasen«. 138 | Vgl. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990. 139 | Vgl. Interfunktionen, 9 /  1972, S. 95-109. 140  |  Vgl. Enwezor, Okwui, Wolfs, Rein (Hg.): Hanne Darboven. Aufklärung  – Zeitgeschichte. Eine Retrospektive, Ausst.-Kat., Bonn, Bundeskunsthalle, München, Haus der Kunst, 2015-2016.

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endlosen Reihung im Ausstellungsraum formal an Aktenauszüge und deren offiziellem Gültigkeitsanspruch. Die Artefakte der Akademieausstellung 1982 haben im Gegenteil dazu eine offensichtliche Transformation durch den persönlichen Eingriff des Künstlers erfahren und stellen größtenteils die Differenz der freien künstlerischen Faktur zur starren Systematik des bürokratischen Materials explizit aus. Dies unterscheidet sie ebenfalls von Marcel Broodthaers’ »Section Littéraire«. Die unter diesem Titel verfassten öffentlichen Briefe und Schreiben unterlaufen zwar auf semantischer Ebene herkömmliche Kommunikationsstrategien des Verwaltungsbereichs, entsprechen in ihrer äußeren Form jedoch vollständig den Konventionen offizieller Schriftstücke.141 Indem sich Gasiorowski in seiner »Académie Worosis Kiga« Materialien und Verfahrensweisen der Bürokratie aneignete, mit seinem eigenen, absurd-ironischen Inhalt füllte, und sie zusätzlich mit eindeutig künstlerischen Mitteln kontrastierte, zielte der Künstler nicht wie Broodthaers, Haacke oder Darboven auf die Subversion der Form durch den Inhalt und die Sublimierung einer Alltagsästhetik durch den Kunstkontext. Vielmehr treten durch die Kombination der beiden materiellen Ordnungen in den Akademieartefakten deren Unterschiede umso deutlicher hervor. In der Ausstellung 1982 schienen die »faktualen«142 Aspekte indessen die Fiktion zu verifizieren. Hier genau liegt die Hybridität des Werks begründet. Werden in den konzeptuellen, pseudo-wissenschaftlichen Werken disziplinäre Grenzen in Frage gestellt, überschreitet Gasiorowski diese; anstatt Inhalt und Form einander gegenüberzustellen, kongruieren sie bei ihm und verleihen dem komplexen Gefüge der »Académie Worosis Kiga« aus Artefakten, Narration, künstlerischer Praxis und Raumgefüge die hermetische Dichte einer Entität. Während in Kapitel 5.1.3 das semantische Verhältnis zwischen sprachlicher Information und Ausstellungsobjekten der fiktiven Institutionen noch eingehend analysiert wird, soll daher im nächsten Abschnitt die spezifische Wirkungsweise von Schrift als ein Materialaspekt der Akademieexponate in Gasiorowskis Galerieausstellung 1982 verdeutlicht werden. Denn dem textlichen Informationsträger kam innerhalb der Ausstellung nicht nur inhaltliche Bedeutung zu. Wie im Inventar der Galerie Maeght vermerkt ist, wünschte Gasiorowski ausdrücklich, dass der von ihm verfasste Beobachterbericht lediglich in Auszügen und diese ausschließlich in Form von Fotokopien in der Ausstellung zugänglich gemacht werden sollten.143 Diese explizite Anweisung signalisiert, dass der Künstler eine bestimmte Intention verfolgte, der entsprechend der Beobachterbericht im Rahmen der Akademieausstellung rezipiert werden sollte. Nicht die Objekte der Ringbücher als eigenständige Werke standen hierfür im Vordergrund,144 sondern deren inhaltliche Information, auf deren Wahrnehmung die Materialität des Trägermediums einwirkt. Die Fotokopie als kostengünstige, schnelle und unkomplizierte Duplizierungsform dient in der Regel zur Archivierung offizieller Verwaltungs141 | Vgl. Mackert 2010, S. 92. 142 | Für eine Untersuchung der Interdependenzen der von Gérard Genette als »faktual« und »fiktional« differenzierten Erzählmodi vgl. Zipfel 2001, S. 166-181. 143 | Vgl. Kartei zu Inv.-Nr. BAC 5019, in: Archiv Galerie Maeght. 144 | Vgl. Suchère 2012, S. 98.

Aneignung und Subversion

abläufe und macht diese für die Zukunft nachvollziehbar. In dieser Funktion steht die alltägliche Schwarz-Weiß-Fotokopie jedoch in scharfem Kontrast zum Anspruch von Originalität und Einzigartigkeit des künstlerischen Werks. Einfach handhabbar, massenhaft anzutreffen und für jedermann erschwinglich lässt die Fotokopie in ihrem Wirkungsradius jede andere Vervielfältigungsform weit hinter sich.145 Als ein effizientes und kostensparendes Medium entbehrt sie jeglichen Anspruch auf eine hochwertig mimetische Genauigkeit der Reproduktion. Ein weiterer Punkt, der nicht nur dem traditionellen Begriff des Kunstwerks, sondern selbst dessen konventioneller Abbildungspraxis in Katalogen oder als Postkartenmotiv entgegensteht. Innerhalb der Akademieausstellung reflektierte demnach das herkömmliche Alltagsmaterial der Fotokopie das serielle Verfahren, welches das grundlegende Prinzip der Akademielehre bildet – der permanenten Repetition desselben Studienmotivs und der Ersetzbarkeit der Schüler –, sich als solches in der mehrteiligen Zusammensetzung der »Classes« wiederfindet und darüber hinaus als Organisationsstruktur der Werkhängung in der Galerie Maeght 1982 fungierte.146 Des Weiteren schafft die reproduktive Technik der Fotokopie Distanz zur ursprünglichen Quelle und damit auch zum Verfasser des Werks. Dieser Umstand veranlasste Mel Bochner 1966 dazu, die Fotokopie als einziges Werkmaterial seiner Ausstellung »Working drawings and other visible things on paper not necessarily meant to be viewed as art« in der New Yorker School of Visual Arts einzusetzen. Bezüglich des dort hervorgerufenen ästhetischen Eindrucks klassifizierte sie Benjamin Buchloh als »erste wirklich konzeptuelle Ausstellung«147. Gezeigt wurden dort vier Ringbuchordner, die Fotokopien von Zeichnungen, Entwürfen, Tabellen, aber auch von Abrechnungen und weiteren Dokumenten des Produktionsprozesses verschiedener Künstler enthielten sowie Fotokopien von Unterlagen, die Bochner aus Zeitschriften oder Handbüchern anfertigt hatte.148 Wie Bochner selbst über seine Ausstellungskonzeption aussagte, war es seine Absicht, über das Medium der Fotokopie die Frage der Autorschaft neu zu beleuchten. Denn war er zwar nicht Urheber der Vorlagen, so fertigte er doch die Kopien an und realisierte die Ausstellungszusammenstellung.149 Auch im Alltag sind einfache maschinelle Kopien ohne eine Beglaubigung aufgrund dieser Distanz zum Original für offizielle Dokumente daher häufig unzulässig. Neben Vergrößerung oder Verkleinerung der Vorlage können in der Kopie Partien des Ursprungstextes geschnitten, neu zusammengesetzt oder entfernt und somit Informationen verfälscht werden.

145 | Einen anonymen Artikel über die Revolutionierung der Bürokratie durch den Xerografen in den 1960er Jahren und die verschiedenen Kopierverfahren veröffentlichte »Der Spiegel« 1965. – Vgl. N. N.: Auf zum Kamm. In: Der Spiegel, 18 / 1965, S. 67-68. 146 | Vgl. Bippus, Elke: Serielle Verfahren. Pop Art, Minimal Art, Conceptual Art und Postminimalism. Berlin 2003, insbes. S. 42-43. 147 | Buchloh, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 87. 148 | Vgl. Bier, Lesley K. (Hg.): Mel Bochner. Thought made visible 1966-1973, Ausst.-Kat., New Haven, Yale University Art Gallery, Brüssel, La Société des Expositions du Palais des Beaux-Arts, München, Städtische Galerie im Lenbachhaus, 1995-1996, S. 94-106. 149 | Vgl. Bochner, Mel: Working drawings and other visible things on paper not necessarily meant to be viewed as art (1997), online unter: http://issuu.com/haus_der_kunst/ docs/4a_deutsch/3?e=0 (letzter Aufruf: 14.7.2016).

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In derselben Weise besitzen auch die Fotokopien der Akademieausstellung 1982 einen unklaren Status. Zwar sind es keine Originalwerke, die dem Verbund der Ringbücher entnommen wurden, gegenüber einfachen Objektbeschriftungen erheben sie jedoch Anspruch auf einen künstlerischen Ursprung. Diese Ambivalenz der fotokopierten Schriftstücke schlägt sich noch heute in der Archivierung der Arbeiten nieder. Laut Inventarverzeichnis der Galerie Maeght sind zumindest die in der Ausstellung gerahmt präsentierten Fotokopien von Ringbuchauszügen mit Inventarnummern versehen und werden damit wie originale Kunstwerke behandelt.150 Andere Fotokopien, von denen teilweise mehrere Versionen existieren und bei denen ungewiss ist, ob sie in der Ausstellung 1982 etwa in einer Vitrine ausgelegt waren, befinden sich hingegen neben Transportscheinen und Quittungen gelocht und als Unterlagen abgeheftet in den Archivordnern des Kunsthandels. Die Technik der Fotokopie treibt durch ihre Alltäglichkeit die avantgardistischen Verfahren von Objektaneignung und Reproduktionsanwendung auf die Spitze. Für seine Ausstellungsinszenierung wendete Gasiorowski zudem eine feine List an, die der Parodie dieser künstlerischen Praktiken eine weitere Wendung erteilt. Denn im Gegensatz zu Bochners maschinellen Unterlagen ist es der Schriftzug Gasiorowskis selbst, der den Gegenstand der 1982 ausgestellten Fotokopien bildet. Laut Erzählung der »Académie Worosis Kiga« präsentieren die handgeschriebenen Ringbuchseiten die Dokumentation des Akademiebeobachters. Handelt es sich beim realen Manuskript um die originale Handschrift Gasiorowskis, wird deren indexikalische Verweisstruktur somit im Lesefluss vom realen Künstler auf den fiktiven Beobachter-Erzähler verschoben. In Form der in der Ausstellung gezeigten fotokopierten Reproduktionen verliert die Handschrift mit ihrem Unikatwert demnach auch ihre eindeutige Transitivität. Während sich nicht rekonstruieren lässt, wer in wessen Auftrag mit welchem Gerät die Schriftstücke der Ausstellung 1982 sowie die abgehefteten, vermeintlich überflüssigen Kopien angefertigt hat, ist es jedoch hinsichtlich der Autorfrage ein interessantes Detail, dass einige Kopiergeräte eine codierte Kennung auf den Fotokopien hinterlassen. Diese ermöglicht es, den Hersteller des genutzten Kopiergerätes und teilweise anhand der Seriennummer sogar den spezifischen Apparat, mit dem die vorhandene Kopie erzeugt wurde, zu ermitteln.151 Im Fall einer solchen Gerätekennung würde die Travestie des künstlerischen Vorgehens auf die Spitze getrieben, denn der in die Ferne gerückte – und im Falle Bochners anonym gewordene – Autor würde zusätzlich von der eindeutigen Identität einer Maschine überlagert. Die Präsenz der fotokopierten Schriftstücke in der Ausstellung der »Académie Worosis Kiga« 1982 verlieh sowohl den einzelnen Exponaten sowie der Ausstellung insgesamt einen dokumentarisch-archivarischen Charakter. Dieser wurde durch weitere Ausstellungsstücke gestärkt, die in der Kunstgeschichte eine prekäre Stellung zwischen artifiziellem Bildmedium und beweiskräftigem Dokument besitzen: den in den Vitrinen ausgelegten Fotografien und Polaroidaufnahmen.152 Im Gegensatz 150 | Vgl. Inv.-Nr. BAC 5019, in: Archiv Galerie Maeght. 151 | Vgl. Artikel »Kopiereridentifizierung« und »Kopiererspur«, in: Wirth, Ingo (Hg.): Kriminalistik-Lexikon. 4. neu bearb. und erw. Aufl., Heidelberg [u. a.] 2011, S. 336-337. 152 | Erst 1976 wurde mit der Berufung von Bernd Becher die erste Professur für künstlerische Fotografie an einer deutschen Kunstakademie vergeben und damit der künstlerische

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zu analoger Film- oder heutiger Digitalfotografie fixiert die Sofortbildkamera ihre fotografische Aufnahme auf einem einzigen Bildträger, der nur durch erneutes Abfotografieren zu vervielfältigen ist. Jeder Polaroidabzug ist somit ein Unikat. Bei der Entwicklung eines Fotofilms kann etwa durch Superposition oder Zuschnitt des Negativs eine Manipulation des fotografischen Resultats vorgenommen werden. Da der Entwicklungsprozess des Sofortbildes unmittelbar nach dessen Aufnahme innerhalb des Fotoapparates in Gang gesetzt wird, ist dessen gezielte Beeinflussung in Ausrichtung auf ein beabsichtigtes Resultat nicht möglich. Der Apparat lässt zudem keine komplexen Voreinstellungen wie unterschiedliche Belichtungsdauern oder Zoom zur Einflussnahme auf das Bildergebnis zu. Nur nachträglich können Eingriffe, die sichtbare Spuren auf dem fotografischen Abzug hinterlassen, vorgenommen werden.153 Das Sofortbild gilt dementsprechend bis heute als Garant für Authentizität und Unverfälschtheit.154 Diese scheinbare Zuverlässigkeit des Mediums wurde im Fall der Akademieartefakte allerdings in Frage gestellt. In den Ausstellungsvitrinen lagen 1982 zwei Gruppen von Polaroidaufnahmen aus. Die sechsteilige Serie »Le Coma du professeur Arne Hammer«155 besteht aus fünf monochrom schwarzen und einer weißen Bildfläche. Die Aufnahmen besitzen somit keine optische Information für den Betrachter. Die zweite Serie von Sofortbildern, die verschiedene Landschaftsausschnitte, Aufnahmen von Wiesen, Wasserläufen und Gesteinsformationen zeigt, ist auf einer Presseabbildung des Hatje Cantz-Verlags zur Katalogpublikation von 2010 in Farbe zu sehen. Darauf wird erkenntlich, dass die farbigen Abzüge mit Acrylfarbe bepinselt sind, wodurch die referenzlosen und somit schwer identifizierbaren Landschaftsansichten nahezu unkenntlich werden.156 Der mit dem Bildmedium konnotierte Informationsgehalt wird folglich durch den tatsächlichen Bildinhalt unterlaufen, wobei die Subversion durch den offensichtlichen malerischen Eingriff kenntlich gemacht wird. Durch den Verlust einer außerbildlichen Bezugsmöglichkeit, verlieren die Aufnahmen jegliche Option auf eine Verifizierung in der Realität. Innerhalb des Verweissystems der Akademiefiktion rücken sie jedoch durch die mediale Analogie zum »Coma du professeur Arne Hammer« in Nähe zur Figur des fiktiven Akademieprofessors und dessen Schicksal in der Geschichte. Während die schwarz-weißen Abzüge von Fotofilmen unbekannte Örtlichkeiten, Landschafts- und Innenraumaufnahmen zeigen, die vom Ausstellungsbesucher durch die daneben ausliegende Fotokopie als Stationen der Flucht Arne Hammers identiAspekt des Mediums neben seiner dokumentarischen Funktion sanktioniert. – Vgl. Gronert, Stefan: Die Düsseldorfer Photoschule. Photographien 1961-2008. München 2009, S. 1521, hierzu S. 21. 153 | Vgl. Lischka, Gerhard Johann: Das Sofortbild. In: ders. (Hg.): Das Sofortbild. Polaroid, Ausst.-Kat., Bern, Aktionsgalerie, 1977, S. 4-9. 154 | Vgl. Heine, Achim: Wenn sofort nicht mehr gleich ist. Über die Geschwindigkeit der Bilder. In: ders., Reuter, Rebekka, Willingmann, Ulrike (Hg.): From Polaroid to impossible. Masterpieces of Instant Photography – The Westlicht Collection, Ausst.-Kat., Wien, WestLicht. Schauplatz für Fotografie, 2011, S. 7-9. 155 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982, o. S. 156 | Vgl. http://www.hatjecantz.de/grard-gasiorowski-2566-1.html (letzter Aufruf: 11.7. 2016).

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fiziert werden können, scheinen die Polaroids in persönlicher Verbindung zu dessen Figur zu stehen. Denn so wie die Monochrome des »coma« auf abstrakte Weise das innere Erleben des Professors widerspiegeln, tragen die als Malgrund dienenden Aufnahmen die direkte Spur des künstlerischen Eingriffs und erinnern damit an die ludisch aufgeladenen Bemalungen von Spielzeugen und Modellen aus der Serie »La Guerre«. Damit stehen sie in Analogie zum Beobachterbericht, demzufolge Arne Hammer explizit als »artiste«157 bezeichnet wird, nach dessen Tod lediglich sein Hut und die ihn bis zum Ende begleitende Palette gefunden wurden.158 Neben den Fotografien und Fotokopien waren alle übrigen Arbeiten, die in der Ausstellung 1982 gezeigt wurden, ausschließlich in Acryl auf Papier ausgeführt und dadurch offensichtlich als Kunstwerke erkennbar. Erneut handelt es sich dabei um kostengünstige Werkstoffe, die mit den bereits genannten Materialien in einem markanten Punkt kongruieren. Sowohl Fotokopie, Polaroid, Papier als auch Acrylfarbe sind anfällige Materialien, die lediglich über eine kurze oder sogar ungewisse Haltbarkeit verfügen. Fragiles, lichtempfindliches Papier ist nur schwer konservierbar, Fotokopie und Sofortbilder verblassen oder verfärben sich nach nur wenigen Jahren und in Bezug auf die junge Industriefarbe Acryl bestehen noch keine Erfahrungswerte hinsichtlich Alterungsprozess und möglichen Langzeitreaktionen mit dem Trägermaterial.159 Entgegen dem kommerziellen Interesse einer Kunstgalerie, konnten die 1982 bei Maeght präsentierten Objekte somit keinerlei Garantie auf Dauerhaftigkeit und dementsprechende Wertsteigerung geben. Daneben verunklärten die Exponate, die nicht durch direkte Beschilderung als käufliche ausgewiesen waren, ihren Status zwischen Werk und Dokumentation. Dies war ihnen gerade dadurch möglich, da das Alltagsmaterial als künstlerischer Werkstoff bereits seine Legitimierung erfahren hatte. Erst die kontrastreiche Rückbindung der administrativen Utensilien in einen offensichtlich ästhetischen Werkzusammenhang machte ihre Gegenwart fragwürdig und verlieh ihnen neues Verifikationspotenzial. Denn wie Éric Suchère unterstreicht, war es durchaus möglich, dass der Ausstellungsbesucher durch die ebenbürtige Präsentation von realen und fiktiven Elementen zu der Überzeugung gelangte, dass es sich bei der »Académie Worosis Kiga« um eine historisch belegte Lehranstalt handelte.160 Während die physisch präsenten Objekte mit den fiktiven Inhalten der Schriftstücke übereinzustimmen schienen, rief die materielle Ausführung einzelne Bruchstellen hervor, an denen der Betrachter gezwungen wurde, den Referenzrahmen seiner Wahrnehmung immer wieder zu hinterfragen und aktiv zu versuchen, zwei semantische Register voneinander zu trennen: das ästhetische Universum der Fiktion sowie die außerkünstlerische Realität.161 Heißt es in der Ausstellungsrezension Gaya Goldcymers: »Jusqu’en 1975, Gérard Gasiorowski a peint des 157 | R1, Blatt 22r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 158 | Vgl. R1, Blatt 33 r, in: Digitalisate Galerie Maeght; vgl. Kapitel 2.2.1. 159 | Vgl. Suchère 1994, S. 10. 160 | Vgl. Suchère 2012, S. 98. 161 | War beispielsweise der Besucher zeitweise von der Echtheit des schriftlichen Berichts überzeugt, so müssen die schwarzen Schlieren auf »Les Honneurs« als offensichtlich artifizielle Brandrückstände Verwunderung hervorgerufen haben. Die erwähnten Fotografien der realen Werkverbrennungen Gasiorowskis waren in der Ausstellung 1982 nicht zu sehen. – Vgl. Kapitel 2.4.2.

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œuvres hyper-réalistes et des faux Picasso. En 1976, son travail prend une direction entièrement différent[e]«162, muss dem daher widersprochen werden. Unterscheidet sich der Entstehungsprozess sowie die äußere Erscheinungsform der Akademie unstrittig von allen früheren Arbeiten des Künstlers, erlaubt hingegen gerade diese formale Differenz, die Stringenz seines Leitmotivs festzustellen: die Dekonstruktion bestehender Wahrnehmungs- und Beurteilungskategorien im Kunstkontext durch die Schaffung einer Hyper-Realität, in der Fiktion und Faktizität zusammenfließen. Dieses dekonstruktive Moment kann abschließend als Effekt der eingangs beschriebenen Verwendung kunstfremder Materialien und vorhandener Alltagsgegenstände innerhalb der fiktiven Institutionen und als eine einheitliche und zielgerichtete Strategie aller vier hier behandelten Künstler konstatiert werden. Sie nutzten bekannte Werkstoffe, die sie in einem individuellen, fiktiven Bezugsrahmen re-kontextualisierten und verfolgten damit eine Verwirrungstaktik. Den Objekten entzogen sie auf diese Weise ihre konventionelle Konnotation und spielten so mit den Erwartungshaltungen des Rezipienten, dessen Gewohnheit ästhetischer Wahrnehmung erschüttert wurde. Stärkendes Moment dieser Irritation war dabei die Betonung der Materialität der Artefakte, die innerhalb des fiktionalen Kontextes als Spur und Ergebnis einer künstlerischen Praxis hervorgehoben wurde. Als Mittel der Selbstreferenz besitzt die Akzentuierung des eigenen Gemachtseins in der Kunstgeschichte eine lange Tradition zur Hervorhebung medienspezifischer Eigenschaften.163 In Ermangelung traditioneller Urteilskriterien durch den Eingang vorgefertigter Objekte in das Werkspektrum der Avantgarde entwickelte sich dieses selbstzentrierte Reflexionspotenzial zu einer grundlegenden Legitimierungs- und Distinktionskategorie für das künstlerische Artefakt.164 Diese Bewegung wird in den fiktiven Institutionen sublimiert. Während das avantgardistische Kunstwerk seine »Zukunft nur noch im Museum«165 finden konnte, lieferten die fiktiven Institutionen ihren institutionellen Kontext als ästhetischen Bezugsrahmen selbst mit. Die darin herrschende Homogenität indexkalischer und ikonischer Zeichen brach mit herkömmlichen Kommunikationskonventionen und verunklärte somit die Schwelle zwischen Kunstwerk und Leben. Dabei treten in den fiktiven Institutionen Fiktion und Realität nicht nebeneinander, sondern vermengen sich. Sie machen damit nicht nur eine Analogie von »fiktionaler Rationalität und den Wei-

162 | »Bis 1975 hat Gérard Gasiorowski hyperrealistische Werke gemalt und falsche Picassos. 1976 nimmt seine Arbeit eine vollkommen andere Richtung« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Goldcymer 1982, S. 32. 163 | Vgl. Stoichita, Victor I.: The Self-Aware Image. An Insight into Early Modern MetaPainting. Cambridge 1997; Prange, Regine: Sinnoffenheit und Sinnverneinung als metapicturale Prinzipien. Zur Historizität bildlicher Selbstreferenz am Beispiel der Rückenfigur. In: Krieger /  M ader 2010, S.  125-168. 164 | Die zunächst als Potenzial wahrgenommene Selbstbezüglichkeit des Kunstwerks erklärte Clement Greenberg Mitte des 20. Jahrhunderts zur conditio sine qua non des Avantgardewerks, das sich nur durch die Selbstreflexivität kategorisch von anderen Erscheinungen des Kitschs trenne. – Vgl. Greenberg 1997, S. 29-55. 165 | Broodthaers, Marcel: Methode. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 13.

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sen, die historische und soziale Wirklichkeit zu erklären«166 sichtbar, sondern identifizieren beide Bereiche miteinander.

5.1.2 Ordnungsprinzipien Das gleichwertige Nebeneinander unterschiedlicher Materialien in den Artefakten der fiktiven Institutionen reiht sich zunächst in die seit Beginn des 20. Jahrhunderts anhaltende künstlerische Bestrebung ein, bestehende Ordnungen der Weltwahrnehmung in Frage zu stellen und umzuwälzen.167 Die hierfür praktizierte Auflösung bestehender Materialhierarchien und der darüber generierten begrifflichen Definitionen, auf denen das Wissen  – die foucaultsche Episteme  – einer Epoche basiert,168 bedingt jedoch unweigerlich die Einführung einer alternativen Systematik und neuer Kategorien. Denn ohne Form von Verknüpfung, Kontextualisierung, Organisation oder Hierarchisierung ist jegliches Wissen wertlos. Im Hinblick auf die hiesigen Untersuchungsobjekte ist der Begriff der Ordnung auf zwei Ebenen anzuwenden. Zum einen muss er in Hinblick auf die fiktiven Institutionen als Kunstwerke insgesamt berücksichtigt werden, da sich diese wie der titelgebende Neologismus belegt, vorhandenen Ordnungskategorien entziehen. Zum anderen entwickeln und repräsentieren die fiktiven Institutionen in ihren räumlich-zeitlichen Organisationsformen individuelle Ordnungen. Deshalb können sie mit den Worten Szeemanns als »sinnlich-erfahrbar[e] oder verstehbar[e] Ordnungsversuch[e]« und als »begehbare Gliederung[en]« beschrieben werden.169 Als solche offenbaren sie sich dem Rezipienten zunächst auf formal-visuelle Weise. Demgemäß beschäftigt sich das folgende Kapitel mit den konkreten Anordnungsprinzipen, die innerhalb der Ausstellungskonstellationen auf die Artefakte angewendet wurden, bevor im nächsten Kapitel der Begriff der Ordnung abstrahiert auf die Interdependenz von sprachlichem Diskurs und haptischem Objekt neu perspektiviert wird. In seinen »Losungen« hielt Alexander Rodtschenko 1920 fest: »Kunst ist wie jegliche Wissenschaft einer der Zweige der Mathematik«170. Damit attestierte er die Renovation einer in der Renaissance, insbesondere von Leonardo da Vinci geprägten Auffassung vom Künstler als Wissenschaftler. Zugleich ließ Rodtschenko den Topos jedoch unter verkehrten Vorzeichen wieder aufleben. Denn hatten die Wissenschaften wie Mathematik, Geometrie und Arithmetik dem Renaissancemaler zur Realisierung seiner Kunst gedient und diese unter Umständen nebenbei aufgewertet, so reduzierte Rodtschenko die Kunst zu einem »Zweig der Mathematik«, zu deren Untergattung.171 Hierin schwingt die moderne Definition von Wissenschaftlichkeit mit, deren Erkenntniswert an seiner gesellschaftlichen Nützlichkeit gemessen wurde. Die utilitäre Eigenschaft der Kunst wiederum war eine vieldiskutierte Frage 166 | Rancière 2006, S. 57. 167 | Vgl. König 2012, S. 134. 168 | Vgl. Foucault 1974, S. 24; Kapitel 3.1.2. 169 | Szeemann, in: ders. 1981 (a), S. 87. 170 | Zitiert nach: Schnitzler, Andreas: Der Wettstreit der Künste. Die Relevanz der Paragone-Frage im 20. Jahrhundert (zugl. phil. Diss. Graz 2003), Berlin 2007, S. 61. 171 | Vgl. Schnitzler 2007, S. 16, S. 62-63.

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des 20. Jahrhunderts, der nach 1945 verstärkt mit dem Ruf nach Vereinigung von Kunst und Leben begegnet wurde.172 Die in den fiktiven Institutionen adaptierten Einrichtungen von Museen und Akademien bilden im gesellschaftlichen Kunstsektor Horte des wissenschaftlichen Umgangs mit Kunst zum Zweck ihrer Erforschung und Vermittlung. Insbesondere die beiden Künstlermuseen Marcel Broodthaers’ und Claes Oldenburgs berufen sich auf existente Ordnungsprinzipien, die sich in den Sammlungskriterien und Präsentationsmethoden öffentlicher Museen niederschlagen.

Claes Oldenburgs und Marcel Broodthaers’ fiktive Museen Neben den beiden Katalogpublikationen existierte zu Claes Oldenburgs Museumsinstallation 1972 ein Plakat. Dieses verkündete: »Maus Museum  /  Claes Oldenburg. Objekte gesammelt von Claes Oldenburg in einem Museum nach seinem Entwurf.«173 Hiermit finden die Bedeutung der Museumsarchitektur und die Urheberfunktion Oldenburgs erstmals Erwähnung. Wie in Kapitel 4.3 angesprochen, evoziert die architektonische Umsetzung der »Geometric Mouse« sepulkrale Traditionen und Riten.174 Damit reiht sich das Maus Museum äußerlich in die lange kritische Tradition der Friedhofsmetapher in Hinblick auf die museale Aufgabe der Konservation ein. In deren Rahmen beschrieb Paul Valéry das »Problem der Museen« wie folgt: Unsere Erbschaften erdrücken uns: der Mechanismus der Schenkungen und Vermächtnisse, sowie der Weitergang des künstlerischen Schaffens und der Ankäufe, sie tragen um die Wette pausenlos ein Kapital zusammen, dessen Übermaß gerade ihm die Nutzbarkeit nimmt. […] Die Notwendigkeit, sie in einer Behausung zusammenzudrängen, treibt die Betäubung und Trauer, die von ihnen ausgehen, noch über sich hinaus.175

In Auseinandersetzung mit Valérys Museumskritik führte Adorno die Metapher weiter aus: Der Ausdruck ›museal‹ hat im Deutschen unfreundliche Farbe. Er bezeichnet Gegenstände, zu denen der Betrachter nicht mehr lebendig sich verhält und die selber absterben. Sie werden mehr aus historischer Rücksicht aufbewahrt als aus gegenwärtigem Bedürfnis. Museen und Mausoleum verbindet nicht bloß die phonetische Assoziation. Museen sind wie Erbbegräbnisse von Kunstwerken.176

172 | Vgl. Schnitzer 2007, S. 63; Kapitel 3.2.1. 173 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. München 1997, S. 218. 174 | Vgl. Kapitel 4.3. 175 | Valéry, Paul: Das Problem der Museen (1923). In: ders.: Über Kunst. Essays, übers. v. Carlo Schmid. Frankfurt a. M. 1973 [= Le problème des musées, in: Valery, Œuvres, Bd. 2, Paris 1960, S. 1291-1293], zitiert nach: Dickel, Hans: Künstlermuseen als »institutionelle Kritik«. Zu den Arbeiten von Ilya Kabakov und Christian Boltanski, in: Kritische Berichte, 26 /  1998, 4, S. 35-52, S. 36. 176 | Adorno 1977, S. 181.

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Die Übersättigung des Museums in Valérys Beschreibung und die Bezeichnung der darin zusammengetragenen Objekte als »Kapital« lassen einen Werteverlust der sublimen Artefakte sowie das Fehlen ihrer adäquaten Rezeption in der konzentrierten und isolierten Betrachtung, die Furcht vor Oberflächlichkeit, verspüren. Hierin klingt die Konsumkritik der Pop-Artisten an, die ein wiederkehrendes Thema in Oldenburgs künstlerischem Schaffen darstellt. Innerhalb seiner Museumssammlung fällt die Thematik des massenhaften Konsumartikels mit der Symbolik von Vergänglichkeit in der Präsenz von Abfall zusammen, den von der Konsumgesellschaft ausgesonderten Dingen, denen gegenüber die von Adorno angeführte »historisch[e] Rücksicht« fehlt. Im Zusammenhang der Objektkonstellation innerhalb des durchgehenden Vitrinenbandes des »Maus Museums« senden diese Ausschussobjekte mehrdeutige Informationen. Sie könnten vom Betrachter als karikierender Kommentar zu den überfüllten Museen und eventuell sogar als Anspielung auf deren anhand falscher Maßstäbe verfahrende Ankaufspolitik gelesen werden, als eine Gleichsetzung von Kunstwerken mit ephemeren Erscheinungen, zur Stillung einer Begierde, ohne überdauernde Bedeutung. Diese harsche, jedoch in Avantgardekonflikten durchaus denkbare Interpretation einer Kunstkritik entbehrt innerhalb Oldenburgs Museumssammlung allerdings der Spezifizierung einer anvisierten Kunstrichtung. Eine generelle Absage an künstlerische Schöpfung ist in Hinblick auf Oldenburgs Œuvre jedoch ebenfalls nicht einleuchtend. Das Ausstellen von Müll neben eigenen Modellen und Werküberresten kann hingegen wiederum als Kritik am Umgang mit Kunstwerken im Zeitalter der »Kulturindustrie«177 aufgefasst werden. Denn die künstlerische Kapitalismuskritik entfacht sich gerade daran, dass in dieser auch die künstlerische Produktion dem schnelllebigen Konsum anheimfällt. Die egalitäre Präsentationsweise der unterschiedlichen Objektgattungen in den Vitrinen des »Maus Museums« wirkt darüber hinaus in eine andere Richtung. So erfahren die ursprünglich aussortierten Objekte und Zivilisationsreste durch den Akt der Auf bewahrung in direkter Nachbarschaft zu Entwürfen und Modellen des Künstlers eine neue Würdigung.178 Die unklare Botschaft der im Präsentationszusammenhang diskontinuierlichen Objektfolge setzt herkömmliche Erwartungen über das Verhältnis von Zufall und Kausalität außer Kraft.179 Distanziert sich Oldenburg auf diese Weise offensichtlich von bekannten Maßstäben eines auf Logik basierenden Ausstellungsauf baus, schlägt sich dasselbe Prinzip auch im Inventar der Ausstellungsobjekte nieder. Denn auch dort werden die Exponate nicht in die im Einleitungstext eingeführten Kategorien von »Nichtveränderten Objekten«, »Veränderten Objekten« und »Atelier-Relikten« sortiert oder in einer simplen Abfolge alphabetisch oder chronologisch geordnet. Wie beschrieben, sind die Exponate in den Vitrinen zudem nicht beschriftet oder nummeriert, sodass sich keine einleuchtende Kohärenz zwischen den Objekttiteln in der Inventarliste und den Ausstellungsstücken einstellen kann. Das von Coosje van Bruggen 1979 für den Katalog des Museums Otterlo zusammengestellte Bestandsverzeichnis macht durch die Parallelisierung fotografischer Aufnahmen der Vitrineninhalte und den darunter angeordneten, nummerierten Objektbeschreibungen deutlich, dass sich die Ordnung des Inventars an der Abfolge der Objekte in den Vitrinen entlang des 177 | Horkheimer /  A dorno 1969, S. 3. 178 | Vgl. Ausst.-Kat. München 1997, S. 214. 179 | Vgl. Eco 1977, S. 164-165.

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Besucherparcours orientiert.180 Doch selbst wenn die Abfolge des Inventars dem Museumsrundgang folgt, existierte im Ausstellungsraum jedoch kein Hinweis auf eine gewünschte Gehrichtung. Der Museumsbesucher befand sich dadurch in der Situation, entweder zufällig korrekt gelaufen zu sein, sodass sich eine Kongruenz zwischen Objektliste und Vitrinenauslage selbständig einstellte, oder er musste sich aktiv einen Anhaltspunkt für die Nachvollziehbarkeit der Präsentation suchen. Anhand der lediglich lückenhaften Innenraumdokumentation von 1972 lässt sich nicht beurteilen, ob sich die chronologische Nummerierung der dortigen Inventarliste ebenfalls an der räumlichen Disposition der Objekte orientiert hat. Allerdings legen die bekannten Fotografien diesen Schluss nahe. Ihnen ist des Weiteren deutlich zu entnehmen, dass sich offensichtlich gekaufte Gegenstände neben Modellen aus Oldenburgs Atelier befanden. Dies widerspricht jedoch den Angaben des Katalogcovers von 1972. Der dort abgebildete Museumsgrundriss weist in den beiden Ohren des Mausgesichts die Inschriften »Nicht veränderte [sic!] Objekte« rechts und links »Veränderte Objekte« und »Atelier Relikte [sic!]« auf, was eine räumliche Aufteilung der verschiedenen Objektkategorien vermuten lässt. In ihrer Dissertation hat Astrid Legge eine Einteilung für die konfus erscheinende Exponatliste des »Maus Museums« anhand motivisch-thematischer Gruppen vorgeschlagen. Sie untergliedert darin die Ausstellungsstücke in 18 kontinuierlich aufeinanderfolgende Rubriken: »Natur«, »Abbilder des Menschen«, »Lebensmittel«, »Mensch«, »Kleidung [und] Accessoires«, »Waffen«, »Gebrauchsgegenstände«, »Möbel«, »Ray Guns«, »elektrische und mechanische Geräte«, »Fahrzeuge«, »Tiere«, »Haus [oder] Architektur«, »Denkmäler«, »Schachteln[,] Hüllen [und] Behältnisse«, »Muster[,] Zeichen [und] Embleme«, »Zigaretten« und abschließend »abstrakte Materialstrukturen«.181 Die Lektüre der von Legge ausgeführten Einteilung ist beim Blick in die Inventarliste durchaus nachvollziehbar. Dennoch irritiert sie. Wie Foucault hinsichtlich der neuzeitlichen Wunderkammern betont, entsteht diese Irritation nicht aufgrund der Existenz bestimmter Gruppen, obschon ihre Titel heute nicht mehr innerhalb einer wissenschaftlichen Kategorisierung auftauchen würden, sondern vielmehr aufgrund ihrer Nähe zu anderen, uns bekannten und als wissenschaftlich anerkannten Phänomenen.182 Derselbe befremdliche Effekt kann daher auch für die »Section des Figures« des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« von Marcel Broodthaers konstatiert werden. Wie im vorausgehenden Kapitel dargelegt wurde, stellte Broodthaers dort eine Akkumulation unterschiedlichster Adlersymbole neben der als Präparat präsentierten realen Spezies aus. Dabei unterlief diese Zusammenstellung nicht nur den Konventionen eines chronologischen oder thematischen Ausstellungsaufbaus, sondern überschritt zudem eine nach heutigen Maßstäben zu erwartende institutionelle Aufteilung der Objekte in verschiedene Museumstypen. Diese spiegelt sich wiederum in der heterogenen Leihgeberliste wider, in der ethnologische, archäologische, heimatkundliche, naturwissenschaftliche und kunsthistorische Sammlungen aufgeführt sind.183 Laut Foucault sind die »fundamentalen Codes ei180 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 75-107. 181 | Vgl. Legge 2000, S. 155-157. 182 | Vgl. Foucault 1974, S. 19. 183 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 19-33.

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ner Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte [und] die Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen« dem Menschen vorläufig, sodass sie »gleich zu Anfang für jeden Menschen die empirischen Ordnungen [fixieren], mit denen er zu tun haben und in denen er sich wiederfinden wird.«184 Die egalitären Anordnungen unterschiedlichster Objekte und Objektgattungen im »Maus Museum« und in der »Section des Figures« brechen folglich aus bekannten Wahrnehmungsschemata aus und stellen anhand neuer Klassifizierungen ein alternatives Erkenntnissystem zur Verfügung. Während sich Broodthaers’ Ausstellung auf die Dekonstruktion bewährter Denkmuster konzentrierte, produzierte Oldenburg mir seiner Sammlung einen eigenen Mikrokosmos seiner Lebenswelt, das heißt, der nordamerikanischen Gesellschaft der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auf diese Weise entlarvten die Künstler herrschende Kategorisierungen und darüber generierte Erklärungsmodelle als willkürlich und wandelbar, da sie ebenso konstruiert und unwahr sind wie die fiktiven Ordnungen. Diese Subversion gelang jedoch nur durch die Konfrontation der neuen Systematisierungen mit geläufigen Sortierungsformen, die sie sich in Formen wie dem begleitenden Inventar oder der Vitrine als Ausstellungsvorrichtung aneigneten. Während sich die Abfolge der Objektliste Oldenburgs dem Leser nicht erschließt, ist dem Inventarteil des ersten Düsseldorfer Katalogbandes zu Broodthaers’ Ausstellung eine systematische Erläuterung vorangestellt.185 Doch auch diese unterwandert bekannte wissenschaftliche Gruppierungen wie etwa eine chronologische oder geografische Objektzuordnung. Stattdessen wendet sie eine alphabetische Unterteilung nach den Orten der leihgebenden Institutionen an. Die Banalität dieses Ordnungsmusters steht im eindeutigen Kontrast zu wissenschaftlichen Klassifizierungen. Darüber hinaus sabotiert es seinen äußeren Anspruch auf Glaubwürdigkeit durch den Hinweis, dass die Diaund Filmprojektionen der Ausstellung ungenannt blieben, »obwohl dieses Programm nicht bloß als zusätzliche Information, sondern als eigenständiger Beitrag verstanden werden will«186. Entgegen den Konventionen eines Ausstellungskatalogs bleiben enzyklopädischer Teil sowie die Abbildungen zur vollständigen Exponatliste außerdem in Erwartung des zweiten, erst nach Ausstellungsende erscheinenden Bandes unvollständig.187 Im Gegensatz zu den destruktiven Anfeindungen der Futuristen kann in Hinblick auf diese Verfahrensweisen von Aneignung und Subversion innerhalb der fiktiven Museen jedoch mit Walter Grasskamp behauptet werden: »Das Museum dient dabei nicht mehr als Zielscheibe, sondern wird als Arbeitsform akzeptiert, mit der sich eine Gesellschaft ein Bild von sich selber verschaffen kann, mit welchen Brechungen und Verkleinerungen auch immer.«188 Zwar stellen die Künstler bestehende Erklärungsraster mit ihren persönlichen Ordnungsprinzipien und Objektkombinationen in Frage, doch erkennen sie das museale Vorgehen als Instrument der Erkenntnisgewinnung an. Grasskamp verdeutlicht seine These am Werk eines anderen Künstlers, dem »Musée sentimental de Cologne«189 (1979) von Daniel Spoerri. 184 | Foucault 1974, S. 22. 185 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 18. 186 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 18. 187 | Vgl. Hildebrand-Schat 2012, S. 253. 188 | Grasskamp 1981, S. 70. 189 | Vgl. Ausst.-Kat. Köln 1979.

Aneignung und Subversion

Der französische Künstler betont im Vorwort des zugehörigen Kataloges, dass für die Konzeption seiner Ausstellung das Stichwort der »Reliquie« ausschlaggebend war. Die Reliquie wird erst durch den Glauben bedeutungsvoll aufgeladen und somit wertvoll, wohingegen sich ihre Wahrnehmung ohne den entsprechenden kultischen Hintergrund auf die reine Materialität des historischen Relikts reduziert.190 Indem Spoerri den Begriff der »Reliquie« auf jegliches Objekt der Erinnerungsspeicherung anwendete, zielte der Künstler auf eine möglichst weit gefächerte Abbildung der kölnischen Regionalgeschichte aus einer Vielzahl persönlicher Blickwinkel.191 Anregung für diese »sentimental[e]« Zusammenstellung hatte er in einem katalanischen Personalmuseum192 gefunden, dass unter der Bezeichnung »Museo Sentimental« verschiedenste Objekte auf bewahrte, die der verstorbene Bildhauer Federico Marès zeitlebens zusammengetragen hatte.193 In Anlehnung an museale Praktiken betrieb Spoerri die notwendigen Recherchen für sein Kölner Lokalprojekt zusammen mit seinen damaligen Schülern und wählte im Anschluss die interessantesten Funde für die Ausstellung aus.194 Dieses Vorgehen reiht sich in die für eine spezifische Kunstrichtung der 1970er Jahre von Günter Metken als »Spurensicherung« bezeichnete Methode einer »[f]iktive[n] Wissenschaf[t]«195 ein. Im Gegensatz zu akademischer Recherche war die Suche Spoerris allerdings von assoziativen Begriffen wie »Eau de Cologne«, »Dom« oder »Rhein« geleitet und die Zusammenstellung der Objekte unter diesen Stichworten stark von Spekulationen und zufälligen Begegnungen geprägt.196 Auch Jürgen Harten konstatiert das Zufallsprinzip als letztendliches Auswahlkriterium für die Werkpräsentation der Düsseldorfer Adlersektion von 1972.197 Während Spoerri über den Begriff der »Reliquie« auf die fragile Wertedefinition persönlich auf bewahrter Alltagsobjekte hinwies,198 präsentierte Broodthaers solche persönlichen Sammelstücke in seinem Museum unkommentiert im Verbund mit anerkannten Kunstwerken öffentlicher Sammlungen. Im Unterschied zu Spoerri und Broodthaers stellte Oldenburg innerhalb des »Maus Museums« zusätzlich seinen eigenen Werkprozess in Form von Skizzen, Modellen und Entwürfen aus. Damit kontextualisierte der Künstler sein persönliches Werk als Resultat einer historischen Epoche und repräsentierte zugleich seinen subjektiven Blick auf diese. Oldenburg beschrieb diesen Bezug selbst: »Mein 190 | Vgl. Spoerri, Daniel: Einleitung. In: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 8-10, S. 9. 191 | Vgl. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 9. 192 | Zur besseren Unterscheidbarkeit eines einem einzelnen Künstler gewidmeten Museums von den als »Künstlermuseen« bezeichneten Werken ist dieser Begriff der Dissertation von Sabine Muschler entlehnt. – Vgl. Muschler 2010. 193 | Vgl. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 8. 194 | Vgl. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 9. 195 | Vgl. Metken 1977. 196 | Vgl. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 9. 197 | Broodthaers schenkte der Zusammenstellung einer möglichst großen Bandbreite an exemplarischen Adlerrepräsentationen starke Aufmerksamkeit. Diese Arbeit ging jedoch den Leihanfragen voraus, sodass die letztendlich von der angefragten Institution zugebilligte Leihgabe vom originalen Sammlungsbestand bis zu dessen Archivfotografie, Postkarte oder Inventarkartei reichen konnte. – Vgl. Harten, in: Klüser / H egewisch 1991, S. 223. 198 | Vgl. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979, S. 9.

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Werk ist ein Zeichen, eine Anzahl von Zeichen einer Sprache, die ich erarbeitet habe, um die Realität zu interpretieren.«199 Wie Julie Bawin ausführt, brachte Oldenburg mit den Objekten seines Arbeitszusammenhangs daher auch exemplarisch sein Atelier ins Museum.200 Insbesondere die in den Vitrinen ausgestellten Werkstudien von teilweise unausgeführten Monumentalskulpturen verdeutlichen diesen Aspekt. Denn Oldenburg hat seine Monumentalwerke stets in mehr oder weniger guter Kenntnis für einen bestimmten Standort entworfen. Wie er selbst definiert, wird in dieser konzeptuellen Ortsspezifität der urbane Raum zum Kreations- und Arbeitsfeld des Künstlers und verwandelt sich somit in dessen geistiges Atelier.201 Dementsprechend bringt Oldenburg in seinem Museum das Oszillieren zwischen Privatheit und Öffentlichkeit sowohl der Kunstproduktion als auch der Werkrezeption zur Schau. Wie Kasper König im Einleitungstext von 1972 andeutet, resümiert der Künstler damit eine historische Entwicklung,202 die im Fall des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigels« noch expliziter in Erscheinung tritt. Denn auch bei Marcel Broodthaers nimmt das Künstleratelier eine entscheidende Position innerhalb seiner Museumsfiktion ein: Es ist der Realisationsort dessen erster Sektion, der »Section XIXème Siècle«. Die titelgebende Epocheneinteilung sowie der Ausstellungsort sind dabei sicherlich nicht willkürlich vom Künstler gewählt worden. Das 19. Jahrhundert umfasste maßgebliche Entwicklungen des Kunstmilieus, bei denen ein verändertes allgemeines Kunstverständnis, eine neue soziale Rollendefinition des Künstlers und öffentliche Reformen der Kulturpolitik wechselseitig aufeinander einwirkten.203 So markiert das 19. Jahrhundert auf politischer Ebene die zunehmende Ablösung vormals zugänglich gemachter feudaler Sammlungen durch bürgerliche Museumsneugründungen.204 Diese Demokratisierung des Zugangs zu kulturellen Gütern wurde von einer zeitgleichen Öffnung des Kunstmarktes und der Vervielfältigung künstlerischer Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten begleitet, die sich in überdauernden Institutionen wie Kunstvereinen, Galerien und in der späteren Sezessionsbewegung niederschlugen.205 In diesem Rahmen erfuhr auch der Arbeitsort des Künstlers eine bedeutungsvolle Wandlung in der öffentlichen Wahrnehmung. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Atelier nicht länger als einfacher Werkstattraum aufgefasst, sondern als eine symbolisch aufgeladene Kultstätte, in der der Künstlermythos lokalisiert wur-

199 | Zitiert nach: Legge 2000, S. 163. 200 | Vgl. Bawin 2014, S. 112. 201 | Vgl. Oldenburg 1969, S. 12. 202 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 3; Kapitel 4.3. 203 | Vgl. Marcuse, in: ders. 1967, S. 61-62. 204 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 37-41; Monnier 1995, S. 19-21. – Eine gute Übersicht zur Museumgeschichte bietet die kommentierte Sammlung internationaler Quellentexte der TU Berlin. – Vgl. Kratz-Kessemeier /  M eyer /  S avoy 2010; Richter, in: Schade 2007, S. 8-15, S. 10. 205 | Vgl. Mai 1986, S. 34; Küster, Barbara: Museum und Warenästhetik. Ein Diskussionsbeitrag zum Display von Gemälden. In: Locher, Hubert [u. a.] (Hg.): Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie. Tagungsband zum Kolloquium vom 5. / 6 . Juli 2002 veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. München 2004, S. 88-102, S. 88-89.

Aneignung und Subversion

de.206 Zugleich entwickelte der Raum der Kunstschöpfung repräsentativen Charakter und diente verstärkt zu Ausstellungszwecken, bei denen die künstlerischen Werke sowie die dem Künstler als Inspiration dienenden gesammelten Objekte einem begrenzten Personenkreis von Sammlern und Mäzenen gezeigt wurden.207 Die persönliche Kollektion diente dem Künstler, seine eigenen Vorgehensweisen zu visualisieren und zu thematisieren und belegte darüber hinaus seine Kennerschaft, seinen Geschmack und seine Bildung. Ihre Zusammenstellungen folgten dabei weder den Sortierungsprinzipien noch den Präsentationsmodi offizieller Museen.208 Das Atelier wurde somit zur Schaubühne der Selbstinszenierung des Künstlers und zum Treffpunkt für Diskussionen. Wichtiger jedoch war noch seine neue Funktion als Verkaufsort des Künstlers, der aufgrund der umstrukturierten Finanzierungslage des Kunstsektors nicht länger Aufträge annahm und erfüllte, sondern eigenständig für den Vertrieb seiner Werke zuständig wurde.209 Die anfänglich geschilderte Demokratisierung mündete so unweigerlich in einer Ökonomisierung der Kunst, die sich wiederum in innovativen Formen der Kunstpräsentation niederschlug.210 So führt Bärbel Küster das Aufkommen der einreihigen Hängung stichhaltig auf die Implementierung des privaten Galeristen und Kunsthändlers als maßgeblicher Vermittlungsinstanz zwischen Künstler und Publikum im ausgehenden 19. Jahrhundert zurück.211 Mit der historischen Referenz seiner ersten Museumssektion verwies Broodthaers seine Fiktion demnach unmissverständlich in einen Kontext kulturpolitischer, sozialer und ästhetischer Umwälzungen, von denen das Kunstsystem in seinen institutionellen Organisationen und ideologischen Konventionen nachhaltig beeinflusst wurde. Die damit implizierte Parallelisierung dieses historischen Moments mit der zeitgenössischen Situation um 1968 legte Broodthaers zudem nahe, indem er die Gründung seines Museums in Bezug zu seiner Partizipation an der Besetzung des Palais des Beaux-Arts in Brüssel stellte.212 Dort verlagerten Künstler im Mai 1968 ihre persönliche Produktion in die Mauern des Museums und verliehen damit der allgemeinen Kritik an bestehenden, normativen Ordnungssystemen in Form einer öffentlichen Demonstration Ausdruck.213 Mit dem Mittel der Okkupation stellten sie sich gegen die Macht der Museumsinstitution, die per Inklusion 206 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 94-97. 207 | Vgl. Muschler 2010, S. 21-22. 208 | Vgl. Mongi-Vollmer, Eva: Das Atelier des Malers: die Diskurse eines Raumes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (zugl. phil. Diss. Freiburg i. Br. 2002), Berlin 2004, S. 154-159; Grasskamp 1979, S. 34. 209 | Vgl. Bätschmann 1997. 210 | Vgl. König 2012, S. 86; Richter, in: Schade 2007, S. 11. 211 | Vgl. Küster, in: Locher [u. a.] 2004, S. 89. – Tessa Zahner stellt in ihrer Dissertation die historische Entwicklung des Kunstbetriebs und seiner Institutionen dar und zeigt dabei auf, wie der Pariser Salon sein Wesen im Laufe des 19. Jahrhunderts nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten wandelt. – Vgl. Zahner, Tessa: Die neuen Regeln der Kunst. Andy Warhol und der Umbau des Kunstbetriebs im 20. Jahrhundert (zugl. phil. Diss. Bamberg 2005), Frankfurt a. M. /  N ew York 2006, S. 26-27. 212 | Vgl. Kapitel 4.2; Harten / S chmidt, in: Dickhoff 1994, S. 100. 213 | Vgl. König 2006, S. 175; Ausst.-Kat., Demonstrationen: vom Werden normativer Ordnungen, Frankfurt a. M., Frankfurter Kunstverein, 2012; Zwirner 1997, S. 83.

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oder Exklusion die Entscheidung über das Fortleben eines künstlerischen Werks trifft und ferner mit ihrer Vermittlungsarbeit die gesellschaftliche Rezeption desselben lenkt.214 Indem sie in ihren fiktiven Museen die geläufigen Ordnungssysteme der musealen Praxis kopierten und ad absurdum führten, entmachteten Oldenburg und Broodthaers die offizielle Museumsinstitution im Sinne dieser allgemeinen Institutionskritik und legten die vom Museum repräsentierte Wissensordnung als kontingent offen.215 Dementsprechend stellte Broodthaers hinsichtlich eines unausgeführten Projekts zur »Section Financière« die Fragilität gültiger Kategorien und deren Abhängigkeit vom gegebenen Bezugssystem unumwunden fest: »Fiktion oder Realität, ganz gleich, der Vertrag ist logisch.«216

Jörg Immendorffs und Gérard Gasiorowskis fiktive Akademien Jörg Immendorff und Gérard Gasiorowski stützen sich mit ihren fiktiven Akademien auf einen anderen Bereich des Kunstbetriebs, wodurch sich eine Fokusverschiebung vom prekären Umgang mit vorhandenen Kunstwerken hin zu den Bedingungen ihres Entstehungsprozesses ergibt. Adressat der akademischen Lehre ist der Kunstproduzent selbst, dessen Werk durch die Legitimation des Studiums zukünftig in museale Sammlungen und deren Klassifizierungssystem eingehen kann. Erst ab diesem Moment treten die von Broodthaers und Oldenburg problematisierten Machtdiskurse hinsichtlich der Werkrezeption in Kraft. Die aus der Blickrichtung der Akademiefiktionen anvisierten Prinzipien von Wissenschaftlichkeit betreffen daher primär die gesellschaftlich etablierten Maßstäbe und Ansprüche an die Lehre und Lehrbarkeit von Kunst, für die in der allgemeinen Wahrnehmung die Akademie als geschlossenes System Pate steht.217 Der akademieinterne Konflikt bezüglich Lehrinhalt und Vermittlungsweise ist dabei stark von der institutionellen Außenwahrnehmung durch die Gesellschaft geprägt, in der bis heute die grundsätzliche Auffassung, Kunst sei nicht lehrbar, verbreitet ist.218 1968, dem Entstehungszeitpunkt der »LIDL-Akademie«, konkurrierte diese Vorstellung noch verstärkt mit einer an klassischen Idealen einer technischen Künstlerausbildung ausgerichteten Lehre. Tatsächlich öffnete sich die akademische Ausbildung erst im folgenden Jahrzehnt zunehmend, nachdem neue, experimentelle Kunstformen sich inzwischen bereits auf dem Kunstmarkt etabliert hatten. Dabei dienten nicht immer Neuerungsbestrebungen aus dem Inneren der Hochschulen als Antrieb. Tatsächlich umgesetzte Reformen fußten teilweise auf staatlichen Verordnungen wie in Frankreich, wo die Existenz einer institutionellen Kunstlehre zeitweise grundsätzlich in Frage gestellt wurde.219 So äußerte der erste französische 214 | Vgl. König 2012, S. 184-185. 215 | Vgl. Haidu 2010, S. 210-212; Zwirner 1997, S. 126. 216 | Broodthaers, Marcel: »Musée d’Art Moderne – Section Financière – Département des Aigles, Contrat – proposé par le Service Financier du Département des Aigles. Interview (mots magiques, mots sans espérance)«, Projekt für die Galerie Konrad Fischer, 1971, zitiert nach: Dickhoff 1994, S. 83. 217 | Vgl. Tangian 2010, S. 49. 218 | Vgl. Tangian 2010, S. IX. 219 | Vgl. Tangian 2010, S. IX; Monnier 1995, S. 342-344, 360-361. – Speziell an der Düsseldorfer Kunstakademie wurde von Direktor Trier und bereits unter dessen Vorgänger

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Minister für kulturelle Angelegenheiten, André Malraux, 1968 in Paris lautstark Überlegungen zur Schließung der École des Beaux-Arts und einer Umstrukturierung der künstlerischen Lehrinstitutionen, die sich schließlich in umfassenden Studienreformen zwischen 1970 und 1973 niederschlugen.220 Auch in Düsseldorf wurden von der Landesregierung 1965 / 66 Pläne für eine Zusammenlegung von Kunstakademie und Universität gemacht und in diesem Zusammenhang die grundlegende Ausrichtung der akademischen Ausbildung diskutiert – was die studentischen Forderungen nach größerem Mitspracherecht weiter anfeuerte.221 Wenn folglich einige Autoren die künstlerische Institutionskritik gar als »Kind von 1968«222 zu bezeichnen wagen, erstaunt es umso mehr, dass in diesem Zusammenhang niemals die Rede von den Akademien ist. Immendorff, der zu Beginn von »LIDL« selbst noch Student an der Düsseldorfer Kunstakademie war, bediente sich zur Sichtbarmachung dieser Problematik neben bekannten Ausdrucksformen des Protests wie Transparenten, Flugblättern und Versammlungen eines in den Unruhen um 1968 geläufigen Vokabulars, das explizit tradierte Ordnungen der akademischen Lehre dekonstruierte. Dieser Absicht gemäß beginnt das erste Manifest der »LIDL-Akademie«, das im Dezember 1968 die Installation der »LIDL-Klasse« innerhalb der Düsseldorfer Kunstakademie ankündigt, mit der Erklärung: »In der Lidlakademie ist Herr Trier nicht Direktor«223, worauf eine Liste von Lehrenden der Staatlichen Akademie Düsseldorf folgt, die im Rahmen der »LIDL-Akademie« abgesetzt seien. Der Text Schwippert die bleibende Bedeutung künstlerischer Ausbildung und ihr zukünftiger Status offen diskutiert. – Vgl. Lange 1999, S. 90-97. – Die bundesdeutsche Debatte schlägt sich in einer umfassenden Diskussions- und daran anschließender Publikationstätigkeit nieder. Wichtige Quelle zur Düsseldorfer Lage liefert die Kölner Zeitschrift »Interfunktionen«, die 1969 verschiedene Stellungnahmen zum Thema »Die ideale Akademie« veröffentlichte. – Vgl. Interfunktionen, 2 /  1969; Heubach, Friedrich Wolfram: Interfunktionen 1968-1974. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 128-130. – Es liegt dabei in der Natur der Medien, dass die Reaktionen der Presse zeitnäher zu den entsprechenden Geschehnissen rangieren als die häufig retrospektiven Veröffentlichungen der Akademien selbst. Nichtsdestotrotz zeitigen diese die vorhandene Reflexion und Auseinandersetzung mit der Problematik. Hierzu sei lediglich auf einige exemplarische Publikationen verwiesen: Hajek, Otto Herbert (Hg.): Kolloquium: Werden die Akademien in unserer Zeit verdrängt? Die Fähigkeit der Akademien, kulturelles Bewusstsein für unsere Gesellschaft zu entwickeln. Wird künstlerische Kreativität als Kompensation zu den Zwängen der Arbeitswelt betrachtet? Karlsruhe, 1986; Beck, Rainer (Hg.): Kunst im Brennpunkt der Akademien (Festschrift). München 1988; Schmied, Wieland: Kunst, Kunstgeschichte, Kunstakademie. Von Geschichte, Sinn und Zukunft der Kunstakademien. Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste München 1990, Bd. 1; Stüttgen 2008; Duve, Thierry de: Faire école (ou la refaire)? Nouvelle édition revue et augmentée. Genf 2008. 220 | Vgl. Monnier 1995, S. 342-344, 360-361. 221 | Vgl. Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 11. 222 | Stimson, Blake: What was institutional critique? In: Alberro /d  ers. 2009, S. 20-42, S. 20. 223 | Flugzettel »Lidlakademie«, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019411.

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mildert das provokante Potenzial seiner Deklaration umgehend ab, indem er seine Absicht präzisiert: »In der Lidlakademie gibt es keine lebenslang verbeamteten Professoren. Das Gespräch und die Auseinandersetzung mit den oben Genannten sind wichtiger Punkt der Lidlklasse.«224 Bei genauer Lektüre klingt das häufig beschriebene Rebellentum Immendorffs an diesem Punkt doch sehr diplomatisch,225 zumal das Manifest verdeutlicht, dass es ihm um die personale Aufstellung und Hierarchie in der »LIDL-Akademie« geht. Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich die »LIDL-Akademie« mit zitiertem Manifest an der Düsseldorfer Akademie anmeldet, denn das Flugblatt verweist am Ende auf die noch ausstehende Bekanntgabe des Bautermins der »LIDL-Klasse«, mit der sich die Alternativakademie erst realisieren wird. Zwar entbehrt die Ankündigung an sich sowie ihr Hinweis auf eine zukünftige physische Präsenz von »LIDL«-Anhängern in der Düsseldorfer Kunstakademie nicht einer gewissen Drohgebärde, doch wurden die genannten mildernden Aspekte des Flugblattmanifests, deren präventiver Charakter ebenso eine alarmierende Wirkung hervorrufen kann, sowohl in der damaligen Reaktion der Akademieleitung als auch – infolgedessen – in der Sekundärliteratur bisher übergangen. Diese Tatsache kann auf den Umstand zurückgeführt werden, dass die vorhergehende, erste Realisation der »LIDL-Akademie« ganz im Gegenteil zur Düsseldorfer Vorwarnung am 15. November 1968 aus einer akuten Situation an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe erwachsen war.226 Nachdem dort Immendorff und Reinecke per Transparent und Telegrammversand die umgehende Übernahme der Staatlichen Kunsthochschule durch »LIDL« verkündet hatten, erkundigte sich der Karlsruher Universitätsrektors, ob »LIDL« auch die Übernahme der Universität anvisiere.227 Neben der scharfen Reaktion der Akademieverwaltung,228 zeugt insbesondere dieser Reflex des Leiters einer anderen Lehranstalt von der gespannten Situation, die wahrscheinlich weniger von den spezifischen »LIDL«-Aktivitäten erzeugt wurde, als vielmehr von der darin erkannten Resonanz auf die in dieser Zeit häufigen Besetzungen öffentlicher Institutionen ausging. Das in seiner Spontaneität durchaus aggressiv erscheinende Vorgehen Immendorffs in Karlsruhe, vor allem aber seine plötzliche Einforderung einer öffentlichen Diskussion mit der dortigen Akademieleitung,229 wurde durch die Vorankündigung der »LIDL«-Installation in Düsseldorf beschwichtigt. Dabei fällt auf, 224 | Flugzettel »Lidlakademie«, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019411. 225 | Vgl. Kort, Pamela: Immendorff. Klartext zum Rebellen. In: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 136-139. 226 | Vgl. Kapitel 4.1. 227 | Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 1, S. 3. 228 | Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 3. 229 | Immendorff betont in seiner Schilderung wiederholt seine Absicht mit durchaus provokativen Fragestellungen, einen verbalen Austausch zwischen Akademieleitung und Studentenschaft zu erzeugen. – Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über

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dass nicht von Erstürmung, Inbesitznahme oder Okkupation der Hochschule die Rede ist, sondern lediglich der Bau einer »LIDL-Klasse« in Aussicht gestellt wird. Dennoch reagiert die Düsseldorfer Akademieleitung mit den gleichen Mitteln wie in Karlsruhe: mit Hausverbot und Zerstörung der installierten Arbeiten.230 Die Informationen des Akademiemanifests konnten einerseits als friedliche Ankündigung einer künstlerischen Aktion, andererseits in Rückblick auf die in Karlsruhe vollzogene Störung des Lehralltags und zumindest verbale Übernahme der Hochschule ebenso als unmissverständliche Androhung einer Revolte ausgelegt werden. Immendorff setzte diese Ambivalenz offensichtlich als bewusste kommunikative Strategie ein, um den Status seiner »LIDL-Akademie« zwischen künstlerischer Intervention und aufrührerischem Aufstand herkömmlichen Bewertungsmaßstäben zu entziehen. Zivilrechtlich hat dies die einfache Folge, dass seine Aktion nicht eindeutig beurteilt werden kann. Denn die Negierung der an der Düsseldorfer Akademie anzutreffenden Personalhierarchie für seine fiktive »LIDL-Akademie« hat realiter keine Konsequenzen. Der Hinweis des Manifests, dass es in der »LIDL-Akademie« »keine lebenslang verbeamteten Professoren«231 gäbe, verdeutlicht demgegenüber eine über die lokal-spezifische Kunstakademie hinausreichende Zielsetzung von »LIDL«. Das Zitat macht nicht auf ein konkretes Problem der akademischen Lehre, sondern auf die prekäre Verortung der Institution Kunstakademie auf sozialpolitischer Ebene aufmerksam. Als Hochschulprofessor nimmt der Künstler die gesellschaftliche Stellung eines Staatsbeamten ein und riskiert damit den Verlust der ihm in der gängigen Vorstellung vom Künstler attribuierten Eigenschaften von Unabhängigkeit und Freiheit in Korrelation mit einer gewissen gesellschaftlichen Isolation.232 Der Zwiespalt des lehrenden Künstlers wird durch den öffentlichen Anspruch an die künstlerische Ausbildung jedoch noch verschärft. Dort kollidiert das mythisch geprägte Bild des Künstlerindividuums und der Glauben an dessen genialische Inspiration mit der paradoxen Forderung einer objektiven Bewertungs- und Beurteilungsinstanz seines Werks, die durch die akademische Ausbildung gewährleistet scheint. Ein weiteres Dilemma des gesellschaftlichen Künstlerbildes intensiviert sich innerhalb der grundlegenden Strukturkritik um 1968. Zu diesem Zeitpunkt prallt die Furcht vor einer politischen Indienstnahme der Kunst – eine Frage, die im Moment des sozialen Aufruhrs vor allem innerhalb des geteilten Deutschlands sowohl akademieintern wie öffentlich zur Diskussion stand – auf die Forderung nach deren sozialer Nützlichkeit.233 Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 2-3. 230 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 18-20. 231 | Flugzettel »Lidlakademie«, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019411. 232 | Vgl. Tangian 2010, S. 77-82, S. 89-93. – Diese Ambivalenz erhielt Ende der 1960er Jahre an der Düsseldorfer Kunstakademie durch das lang jährige Angestelltenverhältnis von Beuys besondere Brisanz. – Vgl. Stüttgen 2008, S. 95-98. 233 | Die Virulenz dieser Fragestellung wird nicht nur durch die regelmäßige Debatte in der Klasse Beuys deutlich, sondern hallt auch in offiziellen Presseorganen wider, die sich direkt an den Diskursort wenden. So veranstaltet beispielsweise das Studentenforum der »Rhei-

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Immendorff nahm persönlich innerhalb dieser Konstellation aufgrund seiner Tätigkeit als Kunsterzieher an Düsseldorfer Schulen eine gesonderte Rolle ein.234 Sein Ansinnen, einen permanenten Austausch zwischen Studenten der Kunstpädagogik und Schülern durch einen dafür vorgesehenen Arbeitsraum zu ermöglichen, stieß in der Akademie auf Ablehnung.235 Während innerhalb der Kunstakademien ein langer Konflikt hinsichtlich der parallelen Ausbildung und dem Verhältnis zwischen Studenten der freien Kunst und angehenden Kunstlehrern bis heute ungelöst ist,236 machte Immendorff in seinen Stellungnahmen deutlich, dass er die Kunsthochschule als kulturelle Bildungsstätte betrachtete, deren generelle Öffnung für jedermann gefordert sei. Diese Überzeugung spiegelt seine Antwort auf das ihm am 10. Dezember 1968 erteilte Hausverbot an der Düsseldorfer Akademie, in der er feststellt: »Solche Verbote schliessen [sic!] die Menschen, über welche die Verbote verhängt werden, von den Grundrechten und den Menschenrechten aus.«237 Erscheint die Deduktion des aus konkretem Anlass und explizit an Immendorff gerichteten Hausverbots von seiner Person auf allgemeine Verbotserklärungen und davon tangiertes Menschenrecht als Übertreibung, kristallisiert diese jedoch eine grundlegende Sichtweise Immendorffs, die sich stark am erweiterten Kunstbegriff seines Lehrers Joseph Beuys orientiert. Wie dieser in seiner Kunsttheorie nicht eine neue Ästhetik, sondern die Innovation gängiger Bildungs-, Rechts- und Wirtschaftsbegriffe beabsichtigte,238 visierte auch Immendorff mit »LIDL« den größeren Gesellschaftszusammenhang an, innerhalb dessen sich der Künstler und sein Werk entfalteten. Dementsprechend richtete sich Immendorff mit der initiatorischen »LIDLKlotz«-Aktion im Januar 1968 generell und ohne präzise Forderung an die politische Staatsmacht. Ebenso beabsichtigten er und Reinecke mit dem »LIDL-Raum« einen eigenständigen, isolierten Ort der Kunstschöpfung, bevor sich ihre Tätigkeit auf das akademische Aktionsfeld zuspitzte. In diesem Hinblick zeigt sich, dass die Düsseldorfer Akademie nach diesen ersten Realisationsversuchen als eine Folie diente, vor der die Differenz der Fiktion erst sichtbar wurde. Während Beuys durch den Bruch mit gängigen Lehrmethoden und dem offenen Antritt gegen institutionelle Normen und Reglementierungen, etwa durch seinen Kampf gegen den Numerus Clausus, darauf zielte, die allgemeine Zugangsberechtigung an der Kunstakademie einzuführen,239 strebte »LIDL« nicht nach einer erzwungenen Reform des Bestehenden, sondern setzte diesem ein Anderes entgegen. Dementsprechend nischen Post« am 22.1.1969 einen Gesprächsabend unter dem Titel: »Wieweit sollen politische Instanzen Einfluß nehmen auf geistige Instanzen? (Kulturpolitik – ja oder nein?)« – Vgl. Stüttgen 2008, S. 476-478. 234 | Vgl. Biografie, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 872; Kapitel 4.1. 235 | Vgl. Zeitungsartikel »Kritik und originelle Vorschläge« von Yvonne Friedrichs, 6.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1968-12-06  /   8 9-01. 236 | Vgl. Tangian 2010, S. 104-107; Stüttgen 2008, S. 99. 237 | »zur Situation«, Schreiben Immendorffs vom 20.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019409; Faksimile in: Interfunktionen, 2 / 1969, Aktuelle Dokumente, o. S. 238 | Vgl. Stüttgen 1987, S. 17. 239 | Vgl. Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 13.

Aneignung und Subversion

beschrieb Immendorff im zweiten Heft der »Interfunktionen« das Konzept und die Ausrichtung der »LIDL-Akademie« ausführlich.240 Diese suche als ein »autonomes Modell für künstlerische und politische Arbeit und der Auseinandersetzung mit dieser Arbeit […] auch Kontakte und die Zusammenarbeit zu und mit [Angehörigen der Kunstakademie und] an dieser Plattform interessierten Menschen, [um an] den Problemen dieser Plattform mitzuarbeiten«241. Dabei betonte Immendorff, dass für ihn die »Kunstakademie immer mehr eine künstlerische und politische Arbeitsplattform von großer Wichtigkeit für die kulturelle und politische Entwicklung unserer Gesellschaft«242 sei, hob jedoch auch hervor, dass »die Arbeit der Lidl-Akademie sich nicht auf die Kunstakademie beschränkt. Mit zur Lidl-Akademie gehört ein Lidl-Raum außerhalb der Kunstakademie.«243 Diese Vielgliedrigkeit der »LIDL-Akademie« verbildlichte Immendorff in einem »Strukturplan der LIDL-Akademie«244, der ebenfalls in der Zeitschrift »Interfunktionen« abgedruckt wurde.245 Hierin beschreiben kurze Textpassagen die Aufgabenbereiche verschiedener Organisationsformen für kooperative Tätigkeiten wie »Filmklasse«, »Arbeitstitel Private Malschule«, »Büro«, »Werkstatt der Lidlmitarbeiter«, »Arbeitsgruppe Kunstpädagogig [sic!]« sowie den Aspekt »Personen aus anderen Städten zeigen im Raum ihre Ideen«. Diese Textfelder sind wie einzelne Inseln lose auf dem Papier verteilt und durch gerade Linien miteinander netzartig verbunden. Die Verortung der einzelnen Strukturteile auf dem Plan gibt somit keinen Rückschluss auf eine mögliche Hierarchisierung und die Verbindungslinien besitzen keine Richtungsangaben, die auf etwaige Einflussnahme oder Arbeitsschrittabfolge hinweisen könnten. Vielmehr wird die Struktur der »LIDL-Akademie« hier als ein Netzwerk repräsentiert, dessen Bestandteile gleichberechtigt in wechselseitiger Interdependenz stehen. Lediglich zwei Textinseln sind durch eine gestrichelte Querlinie am oberen Rand des Blattes hervorgehoben und gliedern die darunter figurierenden Arbeitszusammenhänge in zwei grobe Kategorien: »Arbeit in Schulen und anderen Institutionen, Veranstaltungen, Teilnahme an Tagungen etc.« und »Arbeit der Mitarbeiter von LIDL an anderen Orten, Informationsaustausch, Kontaktaufnahme – Stützpunkt«. Mag die erste »LIDL-Klasse«, die im Dezember 1968 im Flur der Düsseldorfer Kunstakademie gebaut wurde, mit Barbara Lange als eine »Reaktion auf die Auffor-

240 | Vgl. »LIDL-Akademie«, Schreiben von Jörg Immendorff, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 2  / 1969, S.  64-65. 241 | »LIDL-Akademie«, Schreiben von Jörg Immendorff, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 2 / 1969, S. 64-65, S. 64. 242 | »LIDL-Akademie«, Schreiben von Jörg Immendorff, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 2 / 1969, S. 64-65, S. 64. 243 | »LIDL-Akademie«, Schreiben von Jörg Immendorff, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 2 / 1969, S. 64-65, S. 64. 244 | Immendorff zitiert nach: Kort 1993, S. 43. 245 | Vgl. Interfunktionen, 4 /  1969, S. 140. – Im Züricher Katalog von 1983-1984, in dem Harald Szeemann die Geschehnisse um »LIDL« detailliert schildert, ist eine andere, wahrscheinlich spätere und weiter ausgearbeitete Version desselben Strukturplans reproduziert. – Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 24-25.

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derung des AStA, Vorschläge für eine Akademiereform einzureichen«246 gesehen werden, so scheint sich der AStA-Aufruf jedoch eher als eine willkommene Präsentationsmöglichkeit für »LIDL« dargestellt zu haben. Denn wichtig ist der Schluss, den Lange hinsichtlich des Baus der »LIDL-Klasse« zieht: Die Errichtung eines, wenngleich auch ephemeren Raumes in der Form eines Papierhauses im Flur der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf etablierte die materielle Existenz eines Modells, das im Rahmen des Konfliktes an der Akademie nicht als Kompromiß, sondern als eine Alternative gedacht war. 247

Erst die Materialisation der Fiktion als »veränderte Realität«248 wird zur Gefahr für die bestehende Ordnung der Kunstakademie, da diese ihren Anspruch innerhalb des realen Diskurs- und Machtraumes beanspruchte. So beugte sich Immendorff nicht dem von Akademiedirektor Trier gemachten Vorschlag, seine »LIDL-Akademie« als Kunstwerk der Projektbetreuung eines Akademieprofessors unterzuordnen.249 Damit wäre sie in das gegebene System der Kunstakademie und ihren Machtstrukturen eingegliedert und in ihrer politischen Wirkung entschärft worden. Durch Immendorffs Weigerung entzog sich »LIDL« weiterhin geläufigen Kategorien und entwickelte eine in den Augen der Akademieleitung gefährliche Sprengkraft. Denn auch als diese mit radikalen Mitteln und mit Unterstützung der Landesregierung versuchte, die gewohnte Ordnung innerhalb der Akademie wieder herzustellen, betonte Immendorff, den Entzug der »LIDL-Akademie« aus herrschenden Machtstrukturen, indem er den Erlass des Kultusministers und das ihm ausgesprochene Hausverbot schlichtweg als »für [ihn] und die LIDL-Akademie unverbindlich«250 erklärte. Hiermit konstatierte Immendorff schließlich dieselbe Logik für die »LIDL-Akademie« wie Broodthaers für das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles«, dessen Fiktion sich realen Maßstäben und Urteilskriterien entzieht. An diesem Punkt wird die in Kapitel 4.1 zitierte Aussage Immendorffs gegenüber Pamela Kort verständlich, laut derer »LIDL« erst durch die Reaktion der Außenwelt politisiert worden sei.251 Immendorffs Widerstand verschärfte seine anmaßende Wirkung durch ihre direkte Adressierung an die politische Instanz des Landesministers. Die »LIDL-Akademie« hatte hingegen lediglich die direkte Konfrontation und Auseinandersetzung mit der Düsseldorfer Kunstakademie gesucht und damit das von Broodthaers’ 1970 erstmals realisierte Prinzip seiner fiktiven Museumssektion im realen Museum vorweggenommen.252 Die »LIDL-Akademie« demaskierte so auf unvorhergesehene Weise tatsächlich die institutionelle Ohnmacht der Kunstakademie, die zur Sicherung ihrer Dis246 | Vgl. Lange 1999, S. 142. 247 | Lange 1999, S. 146. 248 | Lange 1999, S. 148. 249 | Vgl. Lange 1999, S. 147. 250 | »zur Situation«, Schreiben Immendorffs vom 20.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019409; Faksimile in: Interfunktionen 2 / 1969, Aktuelle Dokumente, o. S. 251 | Vgl. Kort 1993, S. 43, Kapitel 4.1. 252 | Vgl. Kapitel 4.2.

Aneignung und Subversion

kursmacht die tradierte Ordnung notfalls durch Mittel von Zensur und Repression von politischer Seite durchsetzen musste. Die Furcht der offiziellen Akademievertreter galt dabei einer Unbekannten. Denn die »LIDL-Akademie« verwehrte nicht nur eine auf ihrer Erscheinungsform basierende eindeutige Definition als Studentenaufstand oder Kunstaktion. Als sich räumlich und zeitlich erstreckendes Konzept entzog sie sich ebenfalls gängigen Bestimmungen des Kunstwerks. In einem Brief vom Dezember 1968 erklärte der Beuysschüler Peter Dürr auf ironische Weise seine Solidarität zu Immendorff, indem er spielerisch das über seinen ehemaligen Kommilitonen verhängte Hausverbot unterstützte. In seinem Schreiben kontrastiert Dürr Immendorffs Verhalten gegenüber den übrigen Akademiestudenten und demaskiert dabei den von der Akademie vertretenen, veralteten Kunstbegriff: Erstens: Selbst wir, die wir uns hier rechtens aufhalten, müssen doch auch bis zum Rundgang warten, um uns mitzuteilen. Und da bleiben wir anständig in unseren Klassen. – Und Du? Zweitens halten wir uns eindeutig aus allem heraus, was nicht Kunst ist. – Und Du? 253

In der Negativformulierung der zweiten Anführung bleibt die Definition dessen, was Kunst sei, eine Leerstelle. Dürr griff so in seinem Schreiben rhetorisch geschickt die zeitgenössische Debatte um neue künstlerische Ausdrucksformen und die lokal spezifische Diskussion über Beuys’ erweiterten Kunstbegriff auf, wodurch er die vielfach geforderte Vereinigung von Kunst und Leben vom engen und traditionellen Kunstbegriff der Akademie absetzte. Hinsichtlich des Verbots gegenüber Immendorff und der »LIDL-Akademie« machte er auf diese Weise deutlich, dass gerade die Lehranstalt, die ihrer Funktion gemäß eigentlich den Raum für künstlerische Innovation bieten sollte,254 nicht konforme und neue Positionen ausschloss. Dies bestätigte der Kultusminister schließlich in seiner Begründung zur Akademieschließung infolge der »LIDL-Arbeitswoche« im Mai 1969. Darin kommt er zu dem Schluss, dass »die LIDL-Bewegung eine Absage an das bisherige Verständnis der Kunst«255 enthalte. Die willentliche Abkehr von bisherigen Denkmustern durch die Ausweitung des Kunst- und Künstlerbegriffs unter »LIDL« bewies Immendorff, indem er mehrfach Ausstellungen von Arbeiten seiner Kunstunterrichtsschüler nicht nur im Rahmen der Kunstakademie, sondern auch in offiziellen Einrichtungen des Kunstmarktes, wie der Galerie Michael Werner, organisierte.256 Daneben machte die ab Januar 1969 einsetzende Tätigkeit der »LIDL-Sportmannschaft« den andersartigen Kunstbegriff deutlich.257 Auf ironische Weise nahmen die »LIDL-Sport«-Aktivitäten Be253 | Brief von Peter Dürr an Jörg Immendorff vom 20.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-023761. 254 | Vgl. Tangian 2010, S. 194-201. 255 | Schreiben des Kultusminister vom 13.5.1969, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 4 /   1969, S.  142. 256 | Vgl. Kort 1993, S. 47. – Eine Ankündigung der Ausstellung bei Michael Werner 1971 ist im Berliner Katalog von 2005 reproduziert. – Vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2005, o. S. 257 | Dem Sportteam gehörten unter anderem auch Ilka und Kasper König an, die sich als junge Ausstellungsorganisatoren bereits im künstlerischen Milieu bewegten, selbst aber keine Künstler waren. – Vgl. Kort 1993, S. 38; Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 26.

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zug auf zeitgenössische Performance- und Happeningkünste, die den Werkaspekt auf die prozessuale Dimension ausweiteten. Verlangte Immendorff, vom Künstler »auch körperlich fit« zu sein, um »mittendrin«258 sein zu können, wurden im Umkehrschluss auch die gemeinschaftlichen Sportaktionen zum Bestandteil eines künstlerischen Werks. Dieses realisierte folglich im Sinne eines Totalkunst-Konzepts, sowohl soziale als auch ästhetische »Ganzheitsvorstellungen«259. Damit stellte »LIDL« insgesamt nicht nur die bestehende Ordnung der Kunstakademie, sondern auch ihre grundsätzliche Funktion innerhalb des gesellschaftlichen Bildungs- und Wirtschaftssystem in Frage, in dem die separate Einrichtung einer Kunsthochschule das Ideal einer autonomen, isolierten Kunstschöpfung perpetuierte. Als revolutionäres Konzept einer umfassenden Ausbildung hatte Walther Gropius 1922 ein Idealschema zur Lehre am Bauhaus verfasst (Abb. 42). In konzentrischen Kreisen verbildlicht der Lehrplan die Abfolge der Bauhaus-Ausbildung, in deren Zentrum Gropius den Bau als umfassende Gestaltungsaufgabe ansiedelte. Zu Beginn des Studiums stand die Vorlehre, eine Grundausbildung, in der die Studenten den experimentellen, zweckfreien Umgang mit Farbe, Formen und Materialien lernten. Es folgte dann die praktische Arbeit in den Werkstätten, die von grundsätzlichem Unterricht zu Bereichen wie Natur, Farbe, Komposition und Stoffen begleitet wurde. Als ein erster Bauhaus-Lehrer prägte Johannes Itten maßgeblich den Unterricht an der Kunsthochschule, die freie Kunst und Kunsthandwerk mit industriellen Produktionstechniken verbinden wollte. Itten war sowohl in seiner grundsätzlichen Lebens- als auch in seiner Lehrauffassung stark von der Mazdaznan-Lehre und dem darin gefestigten Meistergedanken geprägt. Seiner Auffassung nach, diente das Studium nicht nur dem Erwerb technischer Fähigkeiten und methodischen Wissens für den sozialen Auftrag des Künstlers, sondern auch der Selbstfindung des Studenten.260 Ziel der Bauhausausbildung war es dementsprechend, die »technische[n] und handwerkliche[n] Kenntnisse zu vermitteln und vor allem künstlerische Fähigkeiten [zu] schulen, um mithilfe eines umfassenden Gestaltungswissen vom Städtebau bis zum Gebrauchsobjekt die Alltagswelt der Menschen neu zu ordnen.«261

258 | Immendorff zitiert nach: Kort 1993, S. 38. 259 | Brock, Bazon: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Pathosformen und Energiesymbole zur Einheit von Denken, Wollen und Können. In: Ausst.-Kat., Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, Zürich, Kunsthaus, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Wien, Museum Moderner Kunst, Museum des 20.  Jahrhunderts, 1983, S. 22-39, S. 22. – Zur weiteren Thematik der »Totalkunst« vgl. Galard, Jean: L’art sans œuvre. In: ders., Zugazagoitia, Julian (Hg.): L’œuvre d’Art Totale. Paris 2003, S. 161-182. 260 | Vgl. Lange 1999, S. 35-36; Drühl 2006, S. 111-113; Fiedler, Jeannine, Feierabend, Peter: Bauhaus. Köln 1999, S. 120-124, S. 360. 261 | Fiedler /  F eierabend 1999, S. 181.

Aneignung und Subversion

Abbildung 42:  Walter Gropius, »Schema zum Auf bau der Lehre am Bauhaus«, 1923, in: Idee und Auf bau des Staatlichen Bauhauses Weimar, Bauhausverlag G.M.B.H. München, 1923, S. 4, Sonderdruck aus: Staatliches Bauhaus Weimar 19191923, Weimar 1923, dort S. 10, 25cm × 24,8 cm, Buchdruck auf gelblichem Papier, gelber Kartonumschlag, 12 Seiten, Klammerheftung

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018; Bildnachweis: Bauhaus-Archiv Berlin

Auf einprägsame Weise verdeutlicht Gropius’ Unterrichtsschema die zielgerichtete Auffassung der Bauhaus-Ausbildung. Diese läuft auf ein gemeinsames Zentrum zu, das als Resultat und Zielpunkt die aufeinander folgenden Kreiseinheiten miteinander verbindet. Wie gesehen setzt Immendorffs Strukturplan der »LIDL-Akademie« diesem synthetischen Prinzip das egalitäre und disparate Nebeneinander verschiedener Betätigungsfelder entgegen. Auch die »Académie Worosis Kiga« verfügt über ein bildliches Organisationsschema. Das 1982 ausgestellte »Organigramme« (Abb. 7) wendet im Gegensatz zu den genannten Schaubildern mit der Baumstruktur ein klar hierarchisches Repräsentationsmodell an, das zur Darstellung von Abhängigkeitsverhältnissen dient. Als gebräuchliche Veranschaulichung für genealogische Abstammungsverhältnisse verweist es auf die Chronologie sowie auf das Prinzip von Ursprung und Wirkung. In seiner vertikalen Anordnung verbildlicht es außerdem die sprichwörtliche Hierarchisierung in »Oben« und »Unten«. In dieser Eigenschaft dient das Organigramm gewöhnlicher Weise zur Visualisierung verschiedener Positionen und Kompetenzfelder innerhalb einer institutionellen Organisation. Das »Organigramme« der »Académie Worosis Kiga« veruntreut diese Konvention, indem es anstelle von Posten und Ämtern allgemeine Begriffe aus dem seman-

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tischen Feld der Hochschullehre beziehungsweise einschlägige Begriffe aus dem Beobachterbericht nennt, um am Fuße des Diagramms mit »OIPAH HO OIPAH STRA« zu enden. Wie eine zweigliedrige Überschrift prangt über dem gesamten Schema die Abkürzung »AWK« sowie der Name ihres Direktors, »ARNE HAMMER«. Bei eingehender Betrachtung lässt sich in dieser wirren Begriffsanordnung schließlich doch eine diffuse Logik erkennen. Lehrinstitution und Professor an oberster Stelle nehmen die höchste Machtposition ein. Die drei ersten Begriffe, die vertikal untereinander angeordnet sind: »ADMINISTRATION«, »AUTORITE« und »PEDAGOGIE« verweisen auf die grundlegenden Parameter einer akademischen Einrichtung, die als Konstanten die vertikale Achse des Diagramms festigen und beherrschen. Das an den ersten seitlich abzweigenden Linien parallel angeordnete Begriffspaar »Fond« und »Forme« entstammt wiederum der Bedeutungssphäre der Malerei insgesamt und verweist damit auf die einbahnige disziplinäre Ausrichtung der Akademie. Die an den unteren Astpaaren folgenden Begriffe »HONNEURS«, »SEXE«, »ARGENT«, »REVOLTE«, »SANCTIONS«, »MORT«, »DETENTION« können durch den Beobachterbericht mit den Abläufen und Geschehnissen an der »Académie Worosis Kiga« in Verbindung gebracht werden. Auch sie folgen einer inneren Konsequenz. So gehört laut Berichterstattung zur Vergabe der Ehrungen auch das Verteilen von Geldmarken und Tickets zur sexuellen Befriedigung an die ausgezeichneten Schüler.262 Auf die Revolte an der Akademie folgen konsequenter Weise die Sanktionen der verdächtigen Subjekte. Das abschließende Begriffspaar »MORT« und »DETENTION« kann in diesem Zusammenhang einerseits auf die paradox erscheinende Erwähnung einer Regel für den Todesfall eines Studenten,263 andererseits auf die durch die Deportationspapiere repräsentierten Verschleppungen der verbliebenen Studenten verweisen.264 Direkte Konnotation erfährt der Begriff »MORT« in Hinblick auf das Schicksal des Akademieprofessors.265 Die mit »DETENTION« genannte schließliche Entspannung bleibt in diesem Kontext allerdings vage und lässt sich nur vermutlich auf den Schlusspunkt der Akademie beziehen. Die räumliche Nähe des einander gegenüber angeordneten Begriffspaares zu den vorhergehenden Begriffen »SEXE« und »ARGENT« eröffnet darüber hinaus ein erotisches Konnotationsfeld, in welchem die konträren Partner »MORT« und »DETENTION« auch als die sequentielle Folge der Entspannung und buchstäblichen Erschlaffung nach dem »kleinen Tod« gelesen werden können. Resultat dieses Schöpfungsaktes bildet dann das unsterbliche Werk »OIPAHHO OIPAHSTRA« des Professors Arne Hammer, der außerhalb der Organisationsstruktur der Akademie sowohl metaphorisch als auch grafisch über dieser steht. Zudem wird das Baumdiagramm des »Organigramme« auf der rechten Blattseite von einem Akademiestempel in blauer Tinte ergänzt sowie von einer handgeschriebenen Notiz, die den Schriftzug »OIPAH HO OIPAH STRA« überzieht. Der leider unleserliche kurze Textparagraph wird von der Unterschrift Arne Hammers gefolgt, wodurch der Professor die Struktur der Akademie sowie den darin verstrickten chronologischen Verlauf ihrer Geschichte umrahmt. Als Autor der »OIPAHHO OIPAHSTRA« nimmt der fiktive Professor die Position eines Alter Egos 262 | Vgl. Kapitel 2.2.1. 263 | Vgl. Suchère 1994, S. 16. 264 | Vgl. Kapitel 2.2.2. 265 | Vgl. Kapitel 2.2.1.

Aneignung und Subversion

für den Maler Gasiorowski, dem realen Schöpfer der Werke, ein.266 Liest man das »Organigramme« durch die Folie der dargelegten sexuellen Metaphorik, versinnbildlicht der schematische Auf bau der »Académie Worosis Kiga« den künstlerischen Schöpfungsakt, den Gasiorowski in Interviews explizit mit dem sexuellen Geschlechtsakt in Verbindung brachte: Lié physiquement, la relation la plus étroite, une aventure d’ordre quasiment sexuel et très intense, l’orgasme partagé, exceptionnel et dans les positions les plus variées. 267

Des Weiteren eröffnen die genannten Begriffe des Diagramms die Möglichkeit für eine biografische Interpretation der Zeichnung, da sie zahlreiche Überschneidungspunkte mit verschiedenen Stationen des Künstlerlebens bieten: Nach dem Studium arbeitete Gasiorowski in einer Versicherungsanstalt, der Institution, die als Sinnbild für Verwaltung, Bürokratie, kurz Administration dient. Seine eigene Autorität hat Gasiorowski dann auf zwiespältige Weise wiedererlangt, indem er bei Delpire – wo er im Anschluss angestellt war – laut Aussagen seines Kollegen und Freundes Caroly alles andere tat als seine Arbeit geregelt zu verfolgen.268 Zugleich war das Werbebüro der Ort, an dem er Bildmaterial für seine wiederaufgenommene Maltätigkeit fand, die durch »Fond« und »Forme« bestimmt wird.269 Die Honorierung seines Werks, zu der auch finanzieller Erfolg zählt, trat daraufhin mit den ersten Ausstellungserfolgen ein, auf die für den Künstler die notgedrungene Revolte, zunächst im bildnerischen Ausdruck sowie dann im tatsächlichen Rückzug aus dem Kunstmilieu, folgte. Die Revolte führte als Höhepunkt zur Schöpfung der Akademiefiktion, die Gasiorowski bewusst zur Inszenierung seines Wiedereintritts in den Kunstmarkt auf der Bühne der Galerie Maeght auswählte. Diese Lesart stützt sich auf ein Repertoire sprachlicher Bilder, das Gasiorowski 1974 in einem Interview Bernard Lamarche-Vadel gegenüber benutzte. Dort beschrieb der Künstler sein gesamtes Schaffen als wiederkehrende Abfolge von »excitation«, »érection« und darauffolgender Ermattung.270 Bemerkenswerter Weise bildet dieses Gespräch den einzigen Textteil des Katalogs zur Ausstellung »L’artiste à l’hôpital – Worosis-Kiga 1987«, der vorletzten Ausstellung des Künstlers vor seinem Rückzug aus dem Kunstbetrieb und derjenigen, in der Gasiorowskis Anagramm erstmals in Erscheinung trat.271 Das »Organigramme« knüpft in dieser Hinsicht nahtlos an das Vokabular von 1974 an. Mit Blick auf die Galerieausstellung 1982 fällt zudem auf, dass es sich bei dem ausgestellten »Organigramme« im Unterschied zu den übrigen schriftlichen Exponaten nicht um eine Fotokopie, sondern um das gerahmte Original handelte, 266 | Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.3.1 ausführlich thematisiert. 267 | »Physisch verbunden, die engste Verbindung, ein Abenteuer von nahezu sexueller Ordnung und sehr intensiv, der gemeinsame Orgasmus, außergewöhnlich und in den vielseitigsten Positionen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Entretien de Gérard Gasiorowski avec Suzanne Pagé, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 94. 268 | Vgl. Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 225. 269 | Vgl. Kapitel 2.3.1. 270 | Vgl. Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S. 271 | Vgl. Kapitel 2.3.2, »Die Geburt Kigas«.

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das in Acryl auf Papier ausgeführt ist.272 Damit nahm das »Organigramme« im Gegensatz zu jenen die Stellung einer direkten Spur und Verbindung zum Urheber ein – ähnlich seiner im Interview festgehaltenen mündlichen Aussage. Gemäß der vorgeschlagenen Auslegung repräsentiert das »Organigramme« als objekthafte Ordnungsstruktur in der Akademieausstellung das in den übrigen Institutionsfiktionen bereits angetroffene Thema der intimen Bindung zwischen Künstler und Werk und die daraus resultierende Problematisierung der Interpretationshoheit des Autors in der Konvergenz von privater und öffentlicher Sphäre. Gasiorowski gelingt es jedoch durch die Adaption der Diagrammstruktur im »Organigramme« grundsätzliche Prinzipien des Ausstellungswesens und des dadurch generierten Wissens mit denen seines eigenen Werks zu überblenden. So wie die Ausstellung ein künstlerisches Œuvre anordnet, um einen bestimmten Inhalt, eine Forschungsperspektive oder Fragestellung zu illustrieren und damit einen Wissensraum konstruiert, so gliedert Gasiorowski im Baumdiagramm sein künstlerisches Schaffen, erteilt ihm eine logische Abfolge und eine nachvollziehbare Erzählung. Hierbei überlagern sich die Chronologie der Akademiegeschichte mit derjenigen seines bisherigen Gesamtwerks. In dieser Hinsicht kann das »Organigramme«, das 1982 bei Maeght ausgestellt wurde, als Vorbote der ein Jahr später im ARC angewandten Inszenierungsstrategie des Künstlers angesehen werden. Über die dort geschaffene chronologische Aufteilung des Gesamtwerks schrieb Michel Enrici, der selbst an der Ausstellung beteiligt war, im Katalog des Centre Pompidou von 1995 retrospektiv: Gasiorowski, nous le savons mieux aujourd’hui, s’attache depuis le début des années quatre-vingt à ordonner la polymorphie de son travail, de ses aberrantes simultanéités qu’il pratiqua pendant de longues années, puisqu’il fut plusieurs peintres et plusieurs artistes à la fois. […] A ce titre fut largement fictif et apocryphe la chronologie proposée par Gasiorowski. L’artiste, dans cette exposition de 1983, construisait une immense installation dans laquelle la linéarité de l’espace devint le support d’une scansion temporelle dont la simplification était faite à des fins narratives. 273

Reproduziert Gasiorowski somit im Schaubild eine grundlegende Vorgehensweise des Kunstbetriebs und verflicht darin Aspekte seiner eigenen Vita, seines bisherigen künstlerischen Schaffens, dekonstruiert er dabei nicht nur im Sinne Oldenburgs und Broodthaers’ gängige Methoden, sondern offenbart auch seine eigene öffentliche Erscheinung als wohl arrangiertes Bild. Somit bringt der Künstler die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zugleich auf mehreren Ebenen des Ausstellungsdispositivs ins Wanken. 272 | Vgl. Karteikarte zu Inv.-Nr. BAC 3850, in: Archiv Galerie Maeght. 273 | »Gasiorowski macht sich, wir wissen es heute besser, seit Beginn der 80er Jahre daran, eine Ordnung in die Polymorphie seiner Arbeit zu bringen, in ihre aberwitzigen Simultaneitäten, die er lange Jahre ausgeübt hat, weil er mehrere Maler und mehrere Künstler zugleich war. […] In dieser Eigenschaft war die vorgeschlagene Chronologie Gasiorowskis weitgehend fiktiv und apokryph. Der Künstler konstruierte in dieser Ausstellung von 1983 eine Installation, in der die Linearität des Raumes zum Träger einer zeitlichen Gliederung wurde, deren Vereinfachung zu narrativen Zwecken verfolgt wurde.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 88.

Aneignung und Subversion

Ist dieses Vorgehen demnach Bestandteil einer grundlegenden Systemkritik, richten sich weitere innerbildliche Verfahren der Akademieartefakte konkreter gegen die betitelnde Lehreinrichtung. Der Beobachterbericht betont die autokratische Hier­archie der »Académie Worosis Kiga« und ihre repressiven Lehrmethoden. Diese setzte Gasiorowski hintergründig ins Bild, indem er die steife Administrationsmentalität durch die Präsenz von Büroutensilien wie Schulheftpapier und Heftklammern vergegenständlichte. Die auf den Exponaten auffällig häufig anzutreffenden Spuren von Stempelabdrücken und Perforationen sind ferner die Rückstände kraftaufwendiger Handgriffe, die das vorhandene Material beschädigen, ihm sinnbildlich Verletzungen zuführen und so das harsche Regime der »Académie Worosis Kiga« und seine bedingungslosen Reglements symbolisieren. Die absurden Normen der fiktiven Akademie werden in den Schilderungen des Beobachters als eine Parodie der realen, anachronistischen Lehrmethoden kenntlich gemacht und über die als Schüler auftretenden zeitgenössischen Künstlernamen in Bezug zum damals aktuellen Kunstmarkt gestellt. Denn noch wenige Jahre nach der Galerieausstellung in Paris äußerte sich Franz Erhard Walther über das Dilemma der Kunstakademien, die seit dem 19. Jahrhundert stets hinter innovativen Kunstentwicklungen zurückblieben und erst seit den 1970er Jahren eine Veränderung erlebten. Er folgerte: »Der Schluß liegt nahe, heute den freien Kunstbereich und die Akademie nicht mehr getrennt zu sehen. Dies aber nur, wenn sich die Künstlerlehrer nicht argumentativ vor die Kunst stellen.«274 Genau jenes Verhältnis setzt Gasiorowski durch die Etiketten seiner »Classes« materiell um. Die auf den angehefteten Schildchen fixierten Namen der Klassenlehrer und Schüler überlagern buchstäblich die Malerei, stehen im Raum des Bilderrahmens vor dem Kunstwerk. Da die Schülernamen zudem nur per Zufallsprinzip den thematisch und technisch identischen Bildern zugeordnet sind,275 unterstehen diese dem herrschenden und sich fortsetzenden Diskurs, der argumentativen Lehrmeinung ihrer Lehrer. Auch diese Hierarchie wird auf dem Etikett durch die einfache Abfolge der Namen: zuerst der Lehrer, dann der Schüler, abgebildet. Wie in Kapitel 2.4.3 dargelegt, hat sich in der »Académie Worosis Kiga« das Verhältnis zwischen Akademie und Kunstmarkt von einem rückständigen in ein hofierendes gewandelt, dessen Ziel nicht eine innovative, sondern eine lukrative Kunstschöpfung ist. Das akademische Stildiktat, das von den historischen Avantgarden angegriffen wurde, ist demzufolge auf den Markt übergangen, nach dessen ökonomischer Ordnung sich nun die künstlerische Lehre ausrichtet. Die als Schülernamen figurierenden realen Künstlerberühmtheiten sind somit zugleich Produkte und Produzenten dieses Kreislaufes, innerhalb dessen sie mit den »absonderlichsten Theorien«276 die eigentliche Kunst überschatten.

5.1.3 Wort-Objekt-Relation Nachdem in den vorausgehenden Unterkapiteln die Aneignung und Subversion vorhandener Materialien in den Artefakten der fiktiven Institutionen sowie die Verkehrung bekannter Ordnungsprinzipien betrachtet wurde, soll im Folgenden das spezifische Umgehen mit dem Medium der Sprache, ihren unterschiedlichen Er274 | Walther, Franz Erhard. In: Beck 1988, S. 249-257, S. 253-254 [Hervorhebung i. Orig.]. 275 | Vgl. Suchère 2012, S. 111. 276 | Walther, in: Beck 1988, S. 256.

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scheinungsformen und ihrer Verortung innerhalb der fiktiven Institutionskomplexe im Verhältnis zu den Objekten untersucht werden. Die Entstehungszeit der fiktiven Institutionen ist vom Primat der Sprache als kulturellem Zeichensystem geprägt. Im Zuge des »linguistic turn« wurde der Text als exemplarisches Strukturmodell betrachtet, anhand dessen sich kulturelle Erscheinungen, historische, gesellschaftliche uns psychologische Prozesse beschreiben und analysieren lassen.277 In den vier fiktiven Institutionen behandeln die Künstler diesen Aspekt auf unterschiedliche Weise und mit differenzierten Zielsetzungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelwerk. In allen Institutionsfiktionen tritt Sprache als schriftlicher Kommentar, begleitende Notiz oder in Form aufgeführter Rede als Werkkonstituente auf. Diesbezüglich ist es die grundlegende These des folgenden Kapitels, dass Sprache als alltägliches Kommunikationsmedium von den Künstlern strategisch zum Informationstransfer eingesetzt wurde, um diese gegenüber anderen Repräsentations- und Vermittlungsformen abzusetzen. Das Gegenüber und Miteinander verschiedener (künstlerischer) Ausdrucksformen stellt die mit ihnen verbundenen konventionellen Zuschreibungen von Symbol- und Erkenntnisfunktion kritisch in Frage. Dabei ist es gerade die Alltäglichkeit der Sprache, die die Künstler dazu nutzten, den ihr gegenüber vorausgesetzten Konsens über eine eindeutige Semantik zu demontieren und so die vielfältigen Funktionen von Sprache aufzudecken. Als integraler Teil der Werkstrukturen trübt der Einsatz von Sprache die Werkgrenze und erschwert das Urteil des Rezipienten über Fiktionalität oder Faktizität der aufgenommenen Informationen.278 So reflektieren die Künstler aus der Metaebene der fiktiven Institutionen über die verschiedenen Realitätsebenen und den Anteil von Fiktion an der Wirklichkeitserfahrung. Fokussiert werden dementsprechend im Folgenden die werkimmanente Bedeutung verschiedener Sprachformen, wohingegen die Kommunikation nach außen in verschiedenen Alltagsmedien wie zum Beispiel der Presse und kunstmarktspezifischen Publi­ kationsformen wie Ausstellungskatalogen und Einladungskarten in Kapitel  5.2.2 beleuchtet werden.

Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« Die Relation von Sprache, Kunst und Objekten steht im Zentrum des künstlerischen Œuvres Broodthaers’, der seine Karriere als Journalist und Dichter begann.279 Magritte hielt im 14. Theorem seiner Theorie über »Les Mots et les Images« fest: »Un objet ne fait jamais le même office que son nom ou que son image«280. Demgemäß richtet sich Broodthaers’ künstlerische Recherche auf das epistemologische Potenzial der unterschiedlichen Zeichensysteme, die menschliches Denken, Verstehen und Kommunizieren einerseits ermöglichen, andererseits diese Möglichkeiten determinieren und begrenzen.281 277 | Vgl. Kapitel 3. 278 | Vgl. Zipfel 2001, S. 16. 279 | Vgl. Chevirer, Jean-François: Rhetorik, System D oder Poesie bei schlechtem Wetter. In: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 22-29. 280 | »Ein Gegenstand leistet niemals dasselbe, wie sein Name oder sein Bild« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Magritte, René: Les Mots et les Images. In: ders.: Les Mots et les Images. Choix d’écrits. Brüssel 2010, S. 34-35, S. 35. 281 | Vgl. Zwirner 1997, S. 11.

Aneignung und Subversion

1964 vollzog Broodthaers seinen Übertritt in die Sphäre der bildenden Kunst mit einer deutlichen Abschiedserklärung an seine Dichterexistenz. Für seine erste Ausstellung in der Galerie Saint-Laurent gipste er die Restauflage seines Gedichtbandes »Pense-Bête« ein und präsentierte sie als Skulptur.282 Bildende Kunst und Literatur erschienen in dieser Arbeit als zwei Antipoden, da die Lektüre der lyrischen Texte nur bei Zerstörung des plastischen Objekts möglich war.283 Die hierin verankerte kritische Tendenz in der Gegenüberstellung von sprachlichem und plastischem Kunstwerk bedeutet jedoch nicht nur die ikonoklastische Bescheinigung einer semantischen Krise oder richtet sich gar gegen eine der beiden Kunstformen, vielmehr wendet sich der kritische Impetus des Werks zurück an den Rezipienten. Denn wie Broodthaers im Gespräch mit Irmeline Lebeer zehn Jahre nach seiner ersten Kunstausstellung mit vorgetäuschter Überraschung feststellte, war das Publikum gar nicht am Inhalt der Bücher interessiert.284 Hintergründig machte Broodthaers somit auf die Haltung des avantgardistisch geschulten Kunstbetrachters aufmerksam, der das Ausstellungsexponat bedenkenlos konsumiere.285 Bereits mit seiner Einladung zur Ausstellung spielte Broodthaers schelmisch auf den Einfluss des Marktes in der Kunstszene an und nahm diesen sogleich als nüchterne Begründung für seinen Wechsel von Dicht- zu Objektkunst: »Moi aussi je me suis demandé si je ne pouvais pas vendre quelque chose et réussir dans la vie.«286 In allen zwölf Sektionen des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« wird Sprache in Form von Schrift gebraucht, die als eigenständige Begleittexte in Erscheinung tritt, als Beschriftungen neben anderen Werken steht, sich in Form von Aufschriften mit diesen verbindet oder im Fall der »Section Littéraire« selbst das Kunstwerk bildet.287 Die Texte und Mitteilungen sind dabei vorrangig in maschinengetippter Schrift, mit Schablonen aufgemalten Buchstaben oder als Stempelabdrücke verfasst, wodurch sie neutral keinerlei Hinweis auf persönliche Autorschaft liefern und zugleich einen gewissen offiziellen Charakter erhalten.288 Die Fiktion des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« bildet ein geschlossenes System, das sich in den räumlich und zeitlich limitierten Sektionen ausdrückt. Broodthaers eröffnet sich damit die Möglichkeit, Sprache als alltägliches Kommunikationsmedium in einen eigenen kohärenten Bezugsrahmen und Sinnkontext einzubetten. Dieses Prinzip erreicht seine deutlichste Ausformung in der »Section des Figures«. Das darin realisierte Vorgehen Broodthaers’ analysierte Rainer Borgemeister: »[He] uses the eagle synopsis as a point of departure once again to raise the ques282 | Vgl. Zwirner 1997, S. 43. 283 | Vgl. Dix milles Francs de Récompense. Une interview d’Irmeline Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974, S. 64-68, 66. 284 | Vgl. Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974, S. 66. 285 | Vgl. Buchloh, Benjamin H. D.: Das Erste und das Letzte. Zwei Bücher von Marcel Broodthaers. In: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 41-48, S. 42; Zwirner 1997, S. 44. 286 | »Auch ich habe mich gefragt, ob ich nicht etwas verkaufen und Erfolg im Leben haben könnte.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Reproduktion der Einladungskarte der Galerie Saint-Laurent, Brüssel 1964, in: Broodthaers 2013, S. 42-43. 287 | Vgl. König 2012, S. 133. 288 | Vgl. Zwirner 1997, S. 22.

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tion of the interrelation of the image, the object, and its name, or more precisely, its meaning.«289 Dabei ist zu ergänzen, dass Broodthaers, wie er im Text des zweiten Katalogbandes erläutert, den Adler zum Synonym der Kunst erklärte, seine konventionelle Bedeutung also um eine dem Mikrokosmos der fiktiven Museumsausstellung immanente Ebene ergänzte.290 Auf diese Weise wurde der zuvor anhand der vielfältigen Materialreihung dargelegte »mythoklastische Effekt«291 gleichermaßen für die Kunst allgemein geltend gemacht. Innerhalb der Ausstellung evozierten die begleitenden Schriftplaketten, die alle Exponate mit der Information »Dies ist kein Kunstwerk« in deutscher, englischer oder französischer Sprache versahen, diese zusätzliche Signifikation des Adlers.292 Damit wurde den Ausstellungsstücken ausnahmslos eben jener Status aberkannt, den eine Vielzahl von ihnen erst mit dem Eingang in die Kunstinstitution erhalten hatten. Den großen Stellenwert, den diese zusätzlich vermittelte Bedeutungsebene bei der Wahrnehmung der Objekte einnahm, wird durch das Beschriftungsschildchen verdeutlicht, das im Katalog gleichwertig neben den Adlerexponaten abgebildet ist und durch seine starke Präsenz im Ausstellungszusammenhang eine Prominenz erhielt, die der herkömmlichen Gewichtung von Beschilderungen zuwiderläuft.293 Im ersten Band des Ausstellungkatalogs erläutert Broodthaers die in der Ausstellung angewandte Methode, indem er auf zwei Werke der Künstler René Magritte und Marcel Duchamp verweist. So greift er zur Diskursivierung seiner Museums-ausstellung zunächst auf die margrittsche Gegenüberstellung von bildlichem und sprachlichem Zeichensystem in dem Gemälde »La trahison des images« (1929, Abb. 43) zurück, wobei die Reproduktion des Gemäldes lediglich um den Hinweis auf Foucaults diesbezügliche Untersuchung ergänzt wird.294 Durch die Bezugnahme auf Duchamp erweitert Broodthaers Magrittes Verfahren um den Aspekt des Objekts, der den beiden Zeichensystemen gegenübergestellt wird.295 Zur Darstellung von Duchamps Vorgehensweise, genauer gesagt von seiner Lektüre derselben, zieht Broodthaers exemplarisch das wohl berühmteste Readymade des Künstlers, »Fountain« von 1917, heran. Das signierte und auf den Kopf gestellte Urinoir, das in der neu aufkommenden Duchamp-Rezeption Ende der 1960er Jahre eine ungekannte Popularität im Kunstdiskurs erhielt,296 macht auf eindrückliche Weise auf

289 | »[Er] nutzt die Synopse Adler als Ausgangspunkt, um erneut die Frage über den Zusammenhang zwischen dem Bild, dem Objekt und dessen Name, genauer gesagt, dessen Bedeutung aufzuwerfen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Borgemeister, Rainer: Section des Figures: The Eagle from the Oligocene to the Present. In: Buchloh 1988, S. 135-151, S. 140. 290 | Vgl. Broodthaers, Marcel: Section des Figures. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 18-19, S. 19. 291 | Oppitz, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 20; vgl. Kapitel 5.1.1. 292 | Vgl. Broodthaers 2013, S. 181. 293 | Vgl. Hildebrand-Schat 2012, S. 254. 294 | Vgl. Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1 (a), S. 13. 295 | Vgl. Zwirner 1997, S. 24. 296 | Erst 1963 wurde Duchamps Œuvre mit einer Retrospektive in Pasadena einem breiten Publikum vorgestellt. Das bis dahin kaum beachtete Werk entwickelte daraufhin eine einschlagende Wirkung und wurde zu einer wichtigen Referenz für die junge Künstlergeneration. – Vgl. Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (a), S. 17.

Aneignung und Subversion

den doppelten Charakter des »Museumsdings«297 aufmerksam, das zugleich faktuales Relikt, als auch Bedeutungsträger in einem spezifischen Ausstellungszusammenhang ist.298 Abbildung 43:  René Magritte, »La Trahison des images« (Ceci n’est pas une pipe), 1929, Öl / Leinwand, 60,33 cm × 81,12 cm, Los Angeles County Museum of Art

© bpk /  L os Angeles County Museum of Art / A rt Resource, NY

Wie in Kapitel 5.1.1 ausgeführt, offenbart Broodthaers, indem er nicht wie Magritte allein zwei unterschiedliche Zeichensysteme in seiner Ausstellung einander gegenüberstellt, sondern auch das Lebewesen Adler als Ursprung und Bezugspunkt der Repräsentationen in diese integriert, die hierin formulierten mythischen Zuschreibungen als historische Konstruktionen.299 Dieses dekonstruktive Moment übertragen die Plaketten an den Exponaten schließlich auf den als Synonym verwendeten Begriff der Kunst. Hier ruht die feine Differenz zu Magrittes bekannter Bildfindung. Nicht allein der Inhalt eines gemalten Abbildes wird mit dessen sprachlichem Ausdruck konfrontiert, sondern die Repräsentation eines kulturell vielschichtig konnotierten Lebewesens mit der gesellschaftlichen Kategorie »Kunst«. Denn die Beschriftung lautet nicht »Dies ist kein Adler«, sondern »Dies ist kein Kunstwerk«. Hiermit befinden wir uns im Diskursraum der duchampschen Theorie, nach der »jeder beliebige Gegenstand […] in den Rang eines Kunstwerks erhoben werden kann.«300 Broodthaers konstatiert daher, dass seit Duchamp der Künstler als »Autor einer Definition«301 neu bestimmt worden sei, dessen Schöpfungsakt sich folglich in der verbalen Deklaration eines Kunstwerks vollzieht.

297 | Korff, in: Hartmann /  H öher /  C antauw 2011, S. 11. 298 | Vgl. Scholze 2004, S. 20. 299 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 300 | Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1 (a), S. 13. 301 | Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1 (a), S. 13.

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Die beiden von Broodthaers herangezogenen Methoden gehen folglich in zwei entgegengesetzte Richtungen vor.302 Während Duchamp mit seinen Readymades die Transformation einer »primären Objekt-Wirklichkeit in eine sekundäre Zeichen-Wirklichkeit«303 sichtbar machte, ging Magritte von dieser sekundären Ebene aus, indem er durch die Konfrontation von gemaltem und wörtlichem Zeichen auf deren willkürliche Beziehung zum realen Gegenstand, also die Arbitrarität von Signifikat und Signifikant hinwies. Die Zusammenführung beider Positionen führt in der Formel »Dies ist kein Kunstwerk« zu der Erkenntnis, dass die Definition dessen, was als Kunst (= Adler) gilt und wertgeschätzt wird, historischen Wandlungen unterliegt, diskursbedingt ist. Die Entscheidungsmacht des Diskurses hatte Duchamp im Museum lokalisiert. Dieses stützt und perpetuiert nicht nur die je aktuelle Definition des Kunstbegriffs, sondern ist maßgeblich am Signifikationsprozess des Begriffs beteiligt.304 So können kunstlose Materialien und Alltagsobjekte allein durch den Eingang in einen musealen Kontext zu Kunstwerken werden. Im Moment der Düsseldorfer Adlerausstellung überlagerte allerdings die fiktive Institution des »Musée d’Art Moderne« mit seiner »Section des Figures« den realen Diskursort der Kunsthalle. Dabei ist festzuhalten, dass bereits der Sektionsname einen Paratext für die Ausstellung schafft. Während diese eine Schau über »De[n] Adler vom Oligozän bis heute« ankündigte, erklärte bereits der Abteilungsname »Section des Figures« alle ihr zugehörigen Exponate als »figures«, also als lediglich illustrierende Verweise.305 Bezugspunkt für diese Abbildungen ist das fiktive Museum selbst, dem das Adlermotiv Pate steht. In Umkehrung des realen Verhältnisses, in dem die Abbildungen als materiell abgelöste Reproduktionen eines ursprünglichen Objekts fungieren, »objektiviert« sich das Museum in der Ausstellung wie von Broodthaers angekündigt.306 Demontierten folglich die Exponatbeschriftungen innerhalb der Ausstellung die mythischen Fassaden des Adlers, werden in der Realität mit der Museumseinrichtung verbundene Konnotationen auch für das Adlermuseum ungültig. Diesen Effekt verstärkte Broodthaers durch die betont eingesetzte Ambiguität des sprachlichen Ausdrucks. Das Demonstrativpronomen »Dies« der Aussage »Dies ist kein Kunstwerk« kann ebenso im räumlichen Bezugssystem auf das neben der Beschriftung befindliche Ausstellungsstück verweisen, wie auch selbstreflexiv auf die Satzkonstruktion.307 Als Selbstnegation offenbart der Schriftzug somit seine fiktive Natur als konstruiertes und arbiträres Zeichensystem und überträgt diese Eigenschaft gleichermaßen auf die soeben von ihm entworfene Ausstellungsordnung unter der Autorität der fiktiven Institution. Nutzt Broodthaers hier die polyvalente Referenzierbarkeit des sprachlichen Ausdrucks, um die Fiktion seines Museums aufzudecken, entblößt er zugleich auch die unsicheren Kategorien der menschlichen Erkenntnis, die vom jeweiligen Bezugssystem 302 | Vgl. Compton, in: Ausst.-Kat. Köln 1980, S. 19. 303 | Zwirner 1997, S. 126. 304 | Vgl. Locher, Hubert: Das Museum als »magischer Kanal«. Einführende Anmerkungen zum Tagungsthema. In: ders. [u. a.] 2004, S. 6-9, S. 7. 305 | Vgl. Harten, in: Klüser /  H egewisch 1991, S. 224. – Zur Verwendung der Abkürzung »fig.« vgl. Kapitel 4.2. 306 | Vgl. Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 91. 307 | Vgl. Zwirner 1997, S. 127; Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 31.

Aneignung und Subversion

abhängig und von der Sprache limitiert sind. Denn so wie die Kunsthalle als offizielle Einrichtung des Kunstsystems Objekte zu Kunstwerken erklären kann, kann ihnen dieses Attribut im fiktiven Museum wieder aberkannt werden. Über den gesamten Zeitraum der Adlerausstellung hinweg war in Düsseldorf eine weitere Abteilung des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« zu sehen, die »Section Cinéma«, die im Januar 1971 in einem Kellerraum am Burgplatz 12 eröffnet hatte.308 Die dortige Präsentation funktionierte wie ein Spiegelbild zur eben beschriebenen Vorgehensweise der Kunsthallenausstellung. Während dort die verschiedenen Adlerexponate durch die stets gleichlautende Beschriftung vom gemeinsamen Attribut des Kunstwerks befreit wurden, wurden die in der ersten Version der »Section Cinéma« ausgestellten zwölf Objekte mit unterschiedlichen Schriftzügen eines numerischen Systems versehen: »fig. 1«, »fig. 2«, »fig. 1 & 2«, »fig. A« oder »fig. 12«. Die Unterordnung der heterogenen Gegenstände unter dieses Zeichenmuster beschreibt Broodthaers selbst als einen Kategoriensprung. So sagt er über das Objektensemble, das unter dem Titel »Théorie des Figures«309 im Museum Abteiberg ausgestellt wurde: Vous verrez au Musée de Mönchengladbach, une boîte en carton, une horloge, un miroir, une pipe et aussi un masque et une bombe fumigène, l’un ou l’autre objet encore dont je ne me souviens plus, accompagnés de l’expression Fig. 1 ou Fig. 2 ou Fig. 0 peinte sur la cloison en-dessous où [sic!] à côté de chacun d’eux. Si l’on se fie au sens de l’inscription, l’objet prend un caractère illustratif se référant à une sorte de roman de la société. Ces objets, le miroir et la pipe soumis à cette même numérotation (ou la boîte en carton et l’horloge et la chaise) deviennent les éléments interchangeables sur la scène d’un théâtre. Leur destin est ruiné. J’obtiens, ici, une rencontre espérée de fonctions différents. 310

Auf der Theaterbühne werden Dinge zu austauschbaren Zeichen, denen ihre reale Objektfunktion entzogen wird, um eine beliebig andere bedeuten zu können.311 Ein einfaches Stück Holz kann als Requisite daher in einem Moment eine tödliche Waffe und im nächsten ein beliebiges anderes Objekt repräsentieren. Der theatra-

308 | Vgl. Kapitel 4.2; Ausst.-Kat. Winterthur 2012; Ausst.-Kat. New York 2010; Ausst.-Kat. Barcelona 1997. 309 | Vgl. Kapitel 4.2. 310 | »Sie werden im Museum Mönchengladbach eine Kartonbox, eine Uhr, einen Spiegel, eine Pfeife und auch eine Maske und eine Rauchpatrone und noch das ein oder andere Objekt, an das ich mich nicht mehr erinnere, sehen, begleitet von den Begriffen Fig. 1 oder Fig. 2 oder Fig. 0 unterhalb oder neben einem jeden an die Wand geschrieben. Wenn man auf den Sinn der Inschriften vertraut, nimmt das Objekt einen illustrativen Charakter an, der an eine Art Gesellschaftsroman erinnert. Diese Objekte, der Spiegel oder die Pfeife, die dieser Nummerierung untergeordnet sind (oder der Karton und die Uhr und der Stuhl), werden zu austauschbaren Elementen auf einer Theaterbühne. Ihre Bestimmung ist ruiniert. Ich erhalte hier eine erhoffte Begegnung verschiedener Funktionen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974, S. 64-65. 311 | Vgl. Eco, Umberto: Semiotik der Theateraufführung. In: Wirth 2002, S. 262-276, S. 267.

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le Gegenstand gehört dem auf der Bühne herrschenden, sprachlichen Diskurs, der mündlich und gestisch erzählten Handlung an. Indem Broodthaers seine lückenhafte Aufzählung der Ausstellungsstücke mit der Formel »das ein oder andere Objekt« abschließt, wiederholt er rhetorisch geschickt den von ihm im Folgenden beschriebenen Bedeutungsverlust. Die rahmende Sprachstruktur zerstört das Objekt als unabhängige Größe und unterstellt es einer bestimmten Funktion auf der Bühne. In der Installation fungiert hierfür die verweisende Abbreviation »fig.« als Scharnier. Das Kürzel markiert den Schnittpunkt von visueller und sprachlicher Repräsentation, indem es als deren Verweisstelle auftritt und zugleich selbst den Hinweis auf die bildliche Seite der Sprache, die rhetorische Figur oder Denkfigur, birgt.312 Als feststehende Schriftformel vollstreckt es somit performativ den Abstraktionsvorgang von der plastischen Tatsache zur imaginativen Allgemeinheit, was auf die Ausstellungsinstallation bezogen bedeutet, dass das real vorhandene Objekt durch die Beschriftung lediglich als eine Komponente eines Referenzsystems erscheint. Die Beschriftung besitzt dementsprechend die synthetisierende Macht, das Objekt einer Vielzahl sprachlicher Funktionen unterzuordnen und es mit neuem Sinn zu füllen. Adorno beschreibt diesen Vorgang in seiner »Negativen Dialektik«313 als eine Besetzung des »Begriffslosen«314, wodurch das »Nichtidentische«315 des einzelnen Objekts in der Identität der Bezeichnung aufgelöst wird. Unter dem Primat der Sprache, der theoretischen Funktion, werden die Objekte auf die »Vergegenständlichungen abstrakter Aussagen«316 reduziert. Die daraus folgende Austauschbarkeit verdeutlicht Broodthaers mit dem zweiten Installationsteil der »Section Cinéma«. Die Beschriftungen »fig.1«, »fig. 2«, »fig. 12« oder »fig. A«317 der dortigen Projektionsfläche waren durch alle Projektionen hindurch permanent zu lesen und generierten folglich mit jedem neuen projizierten Bild eine neue Zuordnung von Abbild und Ordnungszahl. In dieser Hinsicht kann der Projektionsraum als materialisierte Konsequenz der Objektinstallation in der angrenzenden Kellerpartie betrachtet werden. Die Wendung »fig.« konzentriert in sich den Moment der Übertragung, die Schwelle im Prozess der Bezeichnung. Sie steht permanent zwischen zwei Referenzpunkten, bleibt selbst hingegen außerhalb des semantischen Feldes, ist eine formale, leere Worthülle. Erinnert die Schreibweise der Abkürzungen an enzyklopädische Verweissysteme, fehlt der Referenzstruktur der ersten Erscheinungsform der »Section Cinéma« allerdings eine ergänzende Legende, das begriffliche Analogon. Die sprachliche Denotation der Objekte wird somit zu einer Leerstelle, die sich in der schriftlichen Leerformel »fig.«, die die Existenz eines Ordnungs- und Verweissystems suggeriert, spiegelt. Die durch die Schriftzüge zu Repräsentanten degradierten Objekte, werden somit jeglicher Bedeutung beraubt, auf ihre materiellen Hüllen reduziert. Als Mise en abyme dieses Prinzips zählte zu der zwölfteiligen 312 | Vgl. Zwirner 1997. S. 23. 313 | Vgl. Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik. Frankfurt a. M. 1966. 314 | Thyen, Anke: Negative Dialektik und Erfahrung. Zur Rationalität des Nichtidentischen bei Adorno. Frankfurt a. M. 1989, S. 198. 315 | Thyen 1989. 316 | Brock 1977, Bd. I: Ästhetik als Vermittlung – Schöpfung und Arbeit. Theoretische Grenzarbeiten, S. 7. 317 | Vgl. Kapitel 4.2; Abb., in: Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 144-153.

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Objektsammlung wie erwähnt eine Koffertruhe, die selbst als »fig. 2« beschriftet, ihrerseits elf nummerierte Objekte barg.318 Die Hülle des Koffers, der verschlossen alle in sich versammelten Gegenstände unter eine Bezeichnung zusammenfasste, gehörte demzufolge als jeweils zwölftes Element zwei unterschiedlichen Ensembles an, die jedoch dieselbe Ordnungsmethode anwendeten. Somit entspricht die Truhe in geschlossenem Zustand als hüllende Form der Funktion des Zeichenträgers, der auf einen beliebigen Inhalt verweisen kann.319 Innerhalb der Ausstellung vergegenständlichte sie demnach die darin durch die Beschriftungen dargestellte Arbitrarität von Begriff und Gegenstand. Über den konkreten Installationsrahmen der »Section Cinéma« hinaus steht die Truhe in dieser Funktion selbstreflexiv für das gesamte Unternehmen des fiktiven »Musée d’Art Moderne«. Als Kippfigur zweier Gruppen repräsentiert sie die Position des sprachlichen Zeichens, dem formal nicht zu entnehmen ist, ob sein Inhalt einer realen oder fiktiven Ordnung angehört. Sprache, beziehungsweise Schrift, kann sowohl der alltäglichen Kommunikation dienen, als auch zur Herstellung eines fiktionalen »roman de la société«320. Anders als im enzyklopädischen Teil seines Adlerkatalogs321 beruft sich Broodthaers in oben zitiertem Interview für seine »Section Cinéma« nicht auf ein wissenschaftliches Ordnungsprinzip, sondern vergleicht die Verweisstruktur zwischen Bezeichnung und Objekt direkt mit einer fiktionalen Literaturgattung. Damit markiert er den Rahmen seines fiktiven Museums als außerhalb realer Ordnungen angesiedelte, kritische Bezugnahme auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Indem er die synthetische Wirkung der Formel »fig.« ins Leere laufen lässt, macht Broodthaers das einzelne Bezugsobjekt hinter dem einheitsstiftenden Begriff erneut sichtbar.322 Dieses Vorgehen entspricht der Struktur des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« insgesamt, das sich nicht als einheitliche Erscheinung konstituiert, sondern verteilt in ephemeren Sektionen von unterschiedlicher Dauer an verschiedenen Orten in variablen Formen realisiert. Die performative Veränderung der fiktiven Institution auf dieser Zeit-Raum-Achse erschwert eine Abgrenzung des Werks, die Identifikation seiner Teile. Die vielschichtige und plakative Verwendung von Schrift nutzt Broodthaers dabei bewusst, um gegebene Grenzziehungen zu verwischen, genauer gesagt, um anstelle einer Grenze den labilen Punkt des Übergangs sichtbar zu machen.

318 | Vgl. Kapitel 4.2. 319 | Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie. Frankfurt a. M. 2 1998 [engl. Orig. 1968], S. 31. 320 | »Gesellschaftsromans« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974, S. 64-65. 321 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 58-64; Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 53-59. 322 | Vgl. König 2012, S. 167. – Gabriele Mackert beschreibt die Negation als zentrale Poetisierungsstrategie des Schriftstellers Broodthaers, die zu einer Ausweitung des Werks führt, welches sich seiner historischen Konstruktion und Abhängigkeit bewusst ist und daher offensichtlich mit Verfahren der Kopie, des Zitats und der Hommage arbeitet. – Vgl. Mackert 2010, S. 9.

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Jörg Immendorff, »LIDL« Nicht für eine subtile Grenzverwischung, sondern zum offensiven Übertritt nutzte Jörg Immendorff Sprache als direkte Verbindung zur außerkünstlerischen Realität. Die »LIDL«-Aktionen sind durchdrungen von der Distribution sprachlicher Informationen. Telegrammpackungen, Banner und Plakate fungierten neben dem Streben nach einem direkten Dialog während der Aktionen als Kommunikationsmedien. Sowohl die flüchtige mündliche Rede als auch die konservierende Schrift bilden somit ein maßgebliches Werkkonstituens von »LIDL«. Dabei ist eine funktionale Differenzierung von schriftlichem Sprachzeichen und ephemerer Aussage zu vermerken, die sich auf zwei Ebenen des »LIDL«-Werks bewegen. Protokolle, Flugblätter und Zeitungsartikel dienen als Mittel der Dokumentation und Kommunikation der »LIDL«-Aktionen und nutzen Schrift als konventionelles Zeichensystem für Konzeptualisierung, Argumentation und Information. Ihre Funktion kommt dementsprechend derjenigen von Einladungskarten und Ausstellungskatalogen nahe, weshalb sie nicht im Fokus dieses Kapitels stehen.323 Der titelgebende Neologismus »LIDL« hingegen bedient sich dem lautmalerischen Prinzip der historischen Avantgarde »Dada« und repräsentiert damit das grundlegende Prinzip des Werks: die Negation präexistenter, auf Konsens beruhender Bedeutungen.324 Dieser Aspekt realisiert sich insbesondere im Moment der Aktion, die einerseits vom mündlichen Sprachgebrauch, andererseits der in Form von Parolen verkürzten Textform begleitet wird. Hier tritt die performative Fähigkeit der Sprachäußerung in den Vordergrund, die von spezifischen Verhaltensformen strategisch ergänzt wird und gegebene Ordnungen verkehrt und somit hinterfragt.325 Stärker noch als die geschriebenen Ausführungen und argumentativen Darlegungen, verfolgen die mündliche Reden eine offensive Kommunikationsstrategie, die an der Dekonstruktion gegebener Machtstrukturen arbeitet. Während Broodthaers seine kommunikativen Strategien von der direkten Diskussionssituation, in der er sein fiktives Museum 1968 gründete, zunehmend auf einseitig gerichtete Mitteilungsmedien in Formen des offenen Briefes,326 Katalogpublikationen oder den Beschriftungen innerhalb seiner Sektionsinstallationen verlagerte, suchte Immendorff über den gesamten Zeitraum von »LIDL« und insbesondere im Rahmen der »LIDL-Akademie« den direkten Dialog. Wie im Folgenden dargelegt wird, dient ihm dieser als unmittelbare Konfrontationsform, durch die nicht nur die Begegnung der beteiligten Gesprächspartner, sondern die Kollision zweier alternativer Bezugssysteme angestrebt wird. Während Flugblätter und weitere Stellungsnahmen der »LIDL«-Vertreter im Medium der Sprache Informationen vermitteln, unterläuft die künstlerische Anwendung der Sprache im Zuge von »LIDL«-Aktionen die Allgemeinverbindlichkeit einvernehmlicher Kommunikationsvereinbarun-

323 | Vgl. Kapitel 5.2.2. 324 | Vgl. Kapitel 4.1. 325 | Zu einer weiteren Ausführung über die linguistische und hermeneutische Verwendung der Performativitätstheorie in den Sprach- und Literaturwissenschaften vgl. Krämer, Sybille: Sprache – Stimme – Schrift: Sieben Gedanken über Performativität als Medialität. In: Wirth 2002, S. 323-346, hier insbes. S. 324. 326 | Vgl. Haidu 2010, S. 151.

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gen und unterminiert das in schriftlichen Zeugnissen konstatierte Interesse an Verständigung und Austausch.327 Während der Installation der ersten »LIDL-Akademie« an der Karlsruher Kunstakademie im November 1968 richtete Immendorff wiederholt sein Gesprächsangebot an den Karlsruher Akademiedirektor. Dessen Ersuchen nach einem »persönlichen Gespräch«328 missachtete Immendorff jedoch und forderte im Gegenzug, dass der Direktor »bitte zum Informationsstand kommen sollte, da [Immendorff] es für besser hielte, wenn alle Anwesenden an dem Gespräch teilhaben könnten«329. Wie das auf Immendorffs Antwort ohne weitere Auseinandersetzung erteilte Hausverbot bezeugt,330 wurde seine Forderung nach einer öffentlichen Debatte allerdings nicht als Kommunikationsangebot, sondern als klarer Angriff auf die Autorität der Institution Kunstakademie und ihres Direktors aufgefasst. Mit seiner Weigerung entzog sich Immendorff zunächst einer Gesprächskonvention, die die Autorität des Akademiedirektors konsolidierte. Handelt es sich bei der Negation um eine Form passiver Subversion, verwandelte sich diese jedoch durch die Formulierung eines Gegenvorschlags zu einem Akt aggressiver Provokation, für die der von Immendorff erwähnte »Informationsstand« zum plastisch-visuellen Kristallisationspunkt wurde. Dabei nutzte Immendorff seine Sprachimprovisation als eine Strategie bewusst eingesetzter Infantilität, um die Reaktionen des Machtsystems als überzogen hervorzuheben.331 Die für die Bezeichnung »LIDL« herangezogene Kleinkindmetaphorik verweist auf den Gedankenhorizont der vorhergehenden »Babykunst« Immendorffs. Im Rahmen dieser Serie fertigte der Künstler großformatige Holzskulpturen an, die er bei Performances auf der Bühne aufstellte und teilweise in seine Handlungen miteinbezog. 1967 schrieb Chris Reinecke diesbezüglich: »Die Babys sind Mittel und Endpunkt zugleich«332 . Die Babyskulpturen besaßen demnach eine doppelte Funktion. Als Bühnenrequisiten wurden sie zu repräsentierenden Zeichen, Medien eines an das Publikum gerichteten Inhalts. Simultan wahrten sie jedoch ihre autonome 327 | Vgl. »zur Situation«, Schreiben Immendorffs vom 20.12.1968, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-019409; Faksimile in: Interfunktionen, 2 / 1969, Aktuelle Dokumente, o. S.; »Rundgang«, Schreiben von Jörg Immendorff vom 4.2.1969, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-B-020958. 328 | »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke  – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 3. 329 | »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 3. 330 | Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 3. 331 | Vgl. Storr, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 34. 332 | Reinecke, Chris: »Aktionen ›Baby-Wäsche‹, ›Babyhappi‹, ›Gutenachtkuß‹. Jörg Immendorff, Galerie art intermedia, Köln, Nov.-Dez. 1967«, zitiert nach: Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 12.

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Existenz als Kunstobjekte, die sich nicht vollkommen in ihrer Mittlerrolle erschöpften. Das Kunstwerk muss demnach als »nichtidentisches« Objekt nach Adornos Definition anerkannt werden, welches verschiedentlich funktionalisiert, jedoch als autonome Größe nicht vollkommen vom Subjekt determiniert werden kann.333 Das am Beispiel der Babyskulpturen von Reinecke charakterisierte Kunstwerk entzieht sich präexistenter Definitionen und dadurch dem einfachen Konsum durch den Rezipienten. Ihre Kunstdefinition folgte damit den Forderungen damals zeitgenössischer kapitalismuskritischer Kunsttheorien:334 Gemäß George Maciunas’ Anspruch für Fluxus, ist auch das »LIDL-Objekt« keine »funktionslose Ware«335, bewahrt allerdings Rückhalt vor einer Auflösung in »vollständige[r] Kommunikation«336 wie sie Guy Debord mit der Situationistischen Internationale anstrebte. Dieser zweibahnigen Werkdefinition folgend, ist es somit konsequent, dass zu Beginn der »LIDL«Aktionen das selbstreferentielle Objekt des »LIDL-Klotzes« als »akustisches und optisches Instrument«337 steht. Als einzigen symbolisch konnotierten Verweis auf die Außenwelt trägt er die Nationalfarben der deutschen Bundesrepublik.338 Diese allgemeingültige Konnotation des Farbcodes wird von einem Nonsens-Schriftzug überlagert, der »Sprache als das alltägliche Zeichensystem schlechthin«339 demontiert und der grafischen Form der Letternreihe eine neue, unschuldige Semantik zuweist. Alleinige Botschaft des »LIDL-Klotz[es]« ist somit die Ankunft der neuen Ordnung »LIDL«. Demzufolge markierte der »Informationsstand« 1968 einen realen Raum auf dem Territorium der Staatlichen Kunstakademie, innerhalb dessen ein alternativer Diskurs herrschte.340 Die Aufforderung, das Gespräch dort anstatt im Direktorenzimmer zu führen, verdeutlicht Immendorffs Zielsetzung, nicht allein im Medium der Sprache eine inhaltliche Fragestellung zu erörtern, sondern die Kommunikation selbst, ihre Bedingungen und Konventionen an der Kunstakademie zu thematisieren. Der Titel »LIDL« kann analog zu seinem historischen Vorbild »Dada« als programmatische Absage an tradierte Bedeutungs- und Wertsysteme gelten. Die onomatopoetische Anlehnung der Nonsens-Wortbildung an die Laute einer Kinderrassel verdeutlicht die Zielsetzung einer semantischen Reinigung und charakterisiert »LIDL« zugleich als unschuldigen Versuch eines Neuanfangs.341 In diesem Hin333 | Vgl. Reinecke, in: Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 12; Thyen 1989, S. 207-208. 334 | Vgl. Buchloh, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 40. 335 | »Fluxus«, Auszug aus einem Brief von George Maciunas an Tomas Schmit, 1.2.1964, zitiert nach: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990, S. 36. 336 | Manifest der Situationistischen Internationalen (17. Mai 1960), zitiert nach: Ausst.Kat. Düsseldorf 1990, S. 39-40, S. 40. 337 | Kort 1993, S. 40 [Hervorhebung i. Orig.]. 338 | Für eine genauere Betrachtung des »LIDL-Klotzes« vgl. Kapitel 5.1.1. 339 | Zipfel 2001, S. 25. 340 | Aus diesem Grund bildet in Karlsruhe wie in Düsseldorf der Bau des Informationstandes einen maßgeblichen Bestandteil für die Realisierung der »LIDL-Akademie«, der auch nach Zerstörung oder Verlagerung des Aktionsfeldes wiederholt und unumwunden realisiert wird. – Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, 18, S. 20. – Weitere Überlegungen hierzu folgen in Kapitel 5.2.1. 341 | Vgl. Immendorff 1973, S. 54; Ausst.-Kat. Köln 1992, S. 14.

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blick offenbart sich die Weigerung, »LIDL« in bekannten semantischen Kategorien zu definieren, nicht als Unreflektiertheit einer spitzbübischen Rebellion – wie es in einigen zeitgenössischen Presseberichten erscheint –,342 sondern als bewusste Absage an tradierte Signifikationsprozesse. Während die Dadaisten Sprache im Lautgedicht offensiv auf ihre kleinste semantische Einheit reduzierten,343 nutzte Immendorff provokative Ironie als Mittel der Subversion, bei der die korrekte Oberfläche der grammatikalischen Sprachstruktur gewahrt blieb. Seine Dekonstruktion verfährt also über die Aneignung gesellschaftlicher Sprachkonventionen und strebt demzufolge nicht nach einer strukturellen Spracherneuerung, sondern betrifft tradierte Kommunikationsweisen im sozialen Kontext.344 Immendorffs Gesprächsangebot an die Direktion der Karlsruher Kunstakademie kann daher als das strategisch inszenierte Scheitern institutionell gefestigter Kommunikationsformen angesehen werden. Denn durch die offensive Setzung eines neuen Bezugssystems schließt Immendorff eine konsensfähige Verständigung von vorneherein aus. Fütr diese ist die universalpragmatische Voraussetzung ein »Regelsystem, von dem die Sprecher eine implizite Kenntnis haben«345. Das destruktive Potenzial Immendorffs Sprachverwendung liegt dabei in der Adaption spezifischer Erscheinungsweisen und Formeln des akademischen Diskurses, die durch exakte Wiederholung rituell Machtverhältnisse ausdrücken und bestätigen.346 Die Subversion besteht dann nicht im eigentlichen Zitat, sondern in dessen semantischer Abwandlung, durch eine unbekannte Sinnkomponente, wie sie die Formen von Paradox und Ironie bieten. Diese kommunikative Technik verfestigte sich in Artefakten wie den manipulierten Karlsruher Ehrenurkunden, die anstelle des Namens eines Honorierten das Wort »LIDL« tragen.347 Immendorffs Ansinnen, alle an der Aktion in Karlsruhe Beteiligten am Gespräch mit dem Akademieleiter teilhaben zu lassen, erinnert an die turnusmäßig geführten Ringgespräche der Beuys-Klasse, in denen nach basisdemokratischem Prinzip entsprechend des erweiterten Kunstbegriffs über den akademischen Diskurs hinaus tagesaktuelle, politische und soziale Themen verhandelt wurden.348 Während diese Form des Dialogs bei abendlichen Diskussionsrunden im »LIDL-

342 | »Was LIDL bedeutet, kann weder der Erfinder Immendorff noch einer seiner Anhänger sagen«. – aus dem Auszug eines Zeitungsartikels aus »Die Welt« vom 9.5.1969, in: Stüttgen 2008, S. 581. 343 | Vgl. Kapitel 5.1.1; Beyme 2005, S. 313-316. 344 | Diese Zielsetzung beansprucht Wolfgang Faust auch für die destruktiven Methoden der Dadaisten, deren Widerspruch sich »nicht auf die Kunst bezog, sondern auf die Kunst im Kontext der Gesellschaft.« – Vgl. Faust 1977, S. 161. 345 | Krämer, in: Wirth 2002, S. 326. 346 | Sybille Krämer präzisiert in ihrer Relektüre der ersten Performativitätstheorie Austins klarsichtig, dass die gemeinschaftsstiftende Wirkung performativer Verben nicht in einer kommunikativen Funktion zweier Gesprächspartner, sondern durch die Adressierung einer Öffentlichkeit liegt, wobei nicht die Wortbedeutungen, sondern die genaue Beibehaltung der Formel zum Gelingen des Ritus vonnöten ist. – Vgl. Krämer, in: Wirth 2002, S. 335. 347 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 18; Kapitel 4.1. 348 | Vgl. Stüttgen, in: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 109; ders. 2008, S. 22-28; Krause-Wahl, in: Kat. Düsseldorf 2008, S. 16.

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Raum« realisiert wurde,349 war die öffentliche Aktion von »LIDL« vielmehr von einem appellativen Charakter geprägt, der zur Aufführung einer künstlerischen Praxis diente, die Konventionen durchzubrechen suchte. Nachdem Immendorff in Karlsruhe per Transparent und Plakat die Absetzung des Direktors und die Übernahme der Akademie deklariert hatte,350 weitete er durch die Parole, er »halte [s]ich als Verteidigungsminister bereit«351, den Protest von einer lokalspezifischen auf eine nationalstaatliche Ebene aus und brachte damit zum Ausdruck, dass sich niemand »raushalten«352 könne. Auch diese kunsttheoretisch-sozialpolitische Überzeugung übersetzte Immendorff seit 1969 mit den Mitteln der Ironie, indem er bei unterschiedlichen Anlässen Akademieprofessoren, Künstlerkollegen, Kuratoren und Ausstellungsleiter zum Ringkampf aufforderte.353 Das vormals unterbreitete Gesprächsangebot, verwandelte er hier in einen sprichwörtlichen Schlagabtausch, wobei diese Auseinandersetzung offensichtlich nicht auf einen Kompromiss, sondern auf Sieg und Niederlage hinauslief. Die Ringkämpfe fanden zunächst an der Düsseldorfer Kunstakademie statt, an der nach der ersten, spontanen Einrichtung der »LIDL-Akademie« in Karlsruhe die dort erprobten Vorgehensweisen ihren Höhepunkt erreichten. So sprach Immendorff in Reaktion auf das gegen ihn mehrfach verhängte Hausverbot in Düsseldorf kurzerhand ein »Landschaftsverbot«354 gegen die Akademie aus. Die semantische Verschiebung verweist auf die Tatsache, dass geltende Normen und Regeln nur Worte sind, die jedoch die Macht besitzen, reale Zustände zu schaffen. Mithilfe einer schlichten Umformulierung stellte Immendorff »die Faktizität des Status quo in Frage«355 und betonte zugleich, dass dieser nicht außerhalb des künstlerischen Kompetenzfeldes liegt, sondern intrinsischer Bestandteil der Kunstschöpfung ist. Dies veranschaulichte der Künstler schließlich im Zuge der unterbundenen »LIDL-Arbeitswoche« im Mai 1969. Der dort verteilte Katalog, in dem Briefe der Professorenschaft gegen »LIDL« sowie gegen den Kollegen Beuys reproduziert und per Untertitel unter anderem als Gemälde und Skulpturen bezeichnet waren, übertrat tradierte Gattungsgrenzen.356 Die Gleichsetzung zielte dabei jedoch nicht auf 349 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 16-17; Kapitel 4.1. 350 | Vgl. »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 1. 351 | »2 Tage in Karlsruhe« Immendorff, Reinecke – Bericht über Ereignisse an Kunstakademie am 14.-15.11.1968. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie, S. 2. 352 | Immendorff zitiert nach: Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 38. 353 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 22; Stüttgen 2008, S. 509. – Eine an Herrn Dr. Schweicher, den Direktor des Trierer Stadtmuseums, adressierte Einladungskarte zum Ringkampf, sowie mehrere unadressierte Karten befinden sich in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Mappe »Lidlakademie – Jörg Immendorff. Drucksachen und Flugblätter allg.« 354 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 20; Interfunktionen, 2 / 1969, o. S. 355 | Kort, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 136. 356 | Vgl. Ausst.-Kat. zur LIDL-Woche 1969, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272; Interfunktionen 3 /  1969, S. 94; Kort 1993, S. 47; Kapitel 4.1.

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das Ende der in klassischen Gattungen geformten Kunst unter dem avantgardistischen Motto einer Auflösung der Kunst in Leben, sondern rückte durch die Grenzüberschreitung die Wirkmacht auch des klassischen Kunstwerks als sozial nützliches »Instrument« ins Bewusstsein. Dieses erfährt reziprok eine Definition als Positionierung und Stellungnahme des Künstlers, die nicht unabhängig vom jeweils aktuellen, außerkünstlerischen Kontext möglich ist. Abbildung 44: Jörg Immendorff, »Hört auf zu malen!«, 1966, Kunstharz / Leinwand, 135 cm × 135 cm, Collection Van Abbemuseum, Eindhoven

© The Estate of Jörg Immendorff, Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Auf ähnliche Weise bediente sich der Kunststudent Immendorff bereits vor der »LIDL«-Phase der Schrift innerhalb seiner Malerei. Sein Bild »Hört auf zu malen!« (1966, Abb. 44) steht dabei programmatisch vor dem Eintritt in die »Babykunst« und die darauffolgende »LIDL«-Phase. Inschrift und graphisch ausgelöschtes Gemälde verbinden sich hier zu einer paradoxen Bildaussage.357 Laut Immendorff brauchte er die hierin manifestierte »Negierung vergangener Formen der Malerei [für] die Bekräftigung einer neuen, von Grund auf anderen Malpraxis.«358 Im Ge357 | Als einziges Motiv unter der die gesamte Bildfläche durchkreuzenden Durchstreichung ist als metonymische Anspielung auf den Lehrer Beuys ein Hutständer mit dessen Markenzeichen, dem Filzhut, zu erkennen. Als doppeldeutige Hommage drückt die Bildfindung somit zugleich Spott und Bewunderung für den Künstler aus. – Vgl. Kort, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 137. 358 | Immendorff zitiert nach: Kort, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 136.

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mälde richtet sich diese neue Praxis als exklamatorische Ansprache frontal an den Betrachter und spricht ihn als aktiven Gegenpart des stimulierenden Künstlers an. Auch die marginale Bildproduktion während »LIDL« verfährt mit dem Mittel von Inschriften. Als formale Neuerung ist diesbezüglich in der Werkserie »Alles über den Botschafter« (Abb. 40) auf einer Leinwand der Serie die klare Trennung zwischen Bild- und Schriftraum zu bemerken.359 Die Unterteilung suggeriert dem Betrachter eine Funktionalisierung der Sprache als erklärende Legende. Erneut dient Immendorff hierbei das Paradox als destruktives Prinzip, in dem Bild- und Textaussage keinen determinierbaren Sinn erzeugen. Der durch das einleitende Indefinitpronomen »Alles« an die bildliche Mitteilung gestellte Totalitätsanspruch läuft – wie im »LIDL-Klotz« – ins Leere und kann sich als inhaltliche Referenz lediglich auf »LIDL« beziehen.360 Wie Jürgen Habermas in seiner Sprachbetrachtung betont, beruht das Gelingen kommunikativer Interaktion »auf der kontrafaktischen Unterstellung einer idealen Sprechsituation, in der jede Verzerrung der Kommunikation ausgeschlossen ist«361. Dieses Ideal ist in der realen Sprechpraxis nicht gegeben und funktioniert dennoch als eine »operative Fiktion«362 . Mithilfe von Ironie und Paradox legte Immendorff diese Fiktion in konventionellen und rituellen Sprachformen als integralen Bestandteil der Lebenswirklichkeit offen. Die Artefakte und Aktionen von »LIDL« schufen demnach eine Bühne für eine alternative Fiktion, die dazu aufruft, aktiv an der Gestaltung der Gegenwart teilzunehmen.

Claes Oldenburg, »Maus Museum« Im Gegensatz zu den vorausgehenden Institutionsfiktionen tritt Sprache im Rahmen von Oldenburgs »Maus Museum« lediglich in Form von schriftlichen Zeugnissen und Kommentaren Außenstehender auf. Zum »Maus Museum« existieren drei grundlegende Kataloge, die jeweils ein vollständiges Inventar der Exponate umfangen: der 1972 anlässlich der ersten Realisierung auf der documenta 5 herausgegebene Begleitband, die 1977 zur modifizierten Rekonstruktion in Chicago erschienene Publikation sowie die 1979 darauffolgende präzisierte Version aus Otterlo.363 Autoren der Katalogtexte sind dabei Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher, die eine mehr oder minder ausgeprägte persönliche Beziehung zum Künstler hegten.364 Sie offenbaren dessen Arbeitswei359 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 360 | Die Markierung der Bildpartie als umrandete Fläche auf dem Gemälde wird zu einem grundlegenden Verfahren Immendorffs in den auf die »LIDL«-Phase folgenden Arbeiten, die einen deutlich konkreteren Politikbezug entwickeln. – Vgl. Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 36-52, S. 39-40; Immendorff 1973, S. 152-155; Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 376-378. 361 | Krämer, in: Wirth 2002, S. 328. 362 | Habermas, Jürgen: Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz (1971), zitiert nach: Krämer, in: Wirth 2002, S. 328. 363 | Vgl. Oldenburg / K önig 1972; Ausst.-Kat. Chicago 1977; Ausst.-Kat. Otterlo 1979. 364 | Der Katalogtext zur ersten Museumsinstallation 1972 wurde von Kasper König verfasst, der als Freund des Künstlers von Oldenburg zum Museumsdirektor ernannt wurde; 1977 von der am Chicagoer Museum tätigen Kunsthistorikern Judith Russie Kirshner und 1979 von Oldenburgs Ehefrau, der Kunsthistorikerin Coosje van Bruggen, die zunehmenden Einfluss auf Oldenburgs Konzeptionen und künstlerischen Schöpfungsprozess ausüb-

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se und liefern Anhaltspunkte zur Entschlüsselung der künstlerischen Intention.365 Neben Aussagen aus Interviewveröffentlichungen, persönlichen Erfahrungen und Austausch mit dem Künstler, berufen sich die Autoren wiederholt auf dessen private Notizen, die er im Werkprozess verfasste. Hierfür trug er stets ein kleinformatiges Ringbuch bei sich, dessen herausgerissene Seiten er auf DIN A4-Seiten klebte und teilweise mit maschinengeschriebenen Ergänzungen versah.366 Eigens zu diesem Zweck hatte der Künstler, der zu Beginn seines Studiums lange Zeit als Journalist tätig war und nach Darstellungen seiner Tochter zunächst Schriftsteller werden wollte,367 eine Schreibmaschine in seinem Atelier aufgestellt.368 Die Nutzung des Schreibgeräts unterstreicht die Handlung des Schreibens als bewussten Akt der Werkkonzeption, der aufgrund seiner maschinellen Faktur einen Gegenpol zu den freien Zeichnungen und handschriftlichen Anmerkungen bildet. Anders als die nebenbei und unterwegs festgehaltenen Gedanken, fixiert die Schreibmaschine einen speziellen Ort für die Niederschrift und bedingt eine Unterbrechung sonstiger Tätigkeiten. Diese Akzentuierung der Schreibtätigkeit, die aus dem Fluss anderer Verrichtungen herausfällt, verleiht ihr einen rituellen Charakter, der sie wie eine Aufführung ohne Publikum erscheinen lässt. Ausgewählte Notationen hat Oldenburg seit 1966 wiederholt veröffentlicht und somit seinem Publikum anlässlich größerer Objektgruppen einen Einblick in seine allgemeinen Gedankengänge ermöglicht, die seine Wahrnehmungsweisen und deren Transformationen in den Werken nachvollziehen lassen.369 In seinen Publi­ kationen definiert Oldenburg selbst die Notizbücher, in denen Gedankenfragte. – Bezüglich der Zusammenarbeit Oldenburgs und van Bruggens vgl. Waller, Genevieve: Unattributed objects: the Mouse Museum, the Ray Gun Wing, and four artists. In: Welchman, John C.: Sculpture and the Vitrine. Farnham Burlington 2013, S. 159-177. – Wohl aufgrund der persönlichen Verbindungen von König und van Bruggen liefern ihre Texte weitreichende Informationen, weshalb die beiden Kataloge von 1972 und 1979 in der vorliegenden Arbeit häufiger zu Rate gezogen werden als die dagegen relativ oberflächliche Publikation aus Chicago. 365 | Hierzu zählt beispielsweise die Erläuterung van Bruggens, wie Oldenburg die Vitrinen seines Künstlermuseums einem bestimmten Ritus folgend bestückte. – Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 42. 366 | Vgl. Coëllier, Sylvie: In the Studio – Dans l’atelier. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. In the Studio – Dans l’atelier, Marseille, Musée Cantini, 1993, S. 9-24, S. 11; Bruggen, Coosje van: Claes Oldenburg. Nur ein anderer Raum. Schriften zur Sammlung des Museums für moderne Kunst. Frankfurt a. M. 1991, S. 13. 367 | Vgl. Oldenburg, Maartje: Afterword. In: Hochdörfer, Achim (Hg.): Claes Oldenburg – writing on the side, 1956-1969, Ausst.-Kat., Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, New York, Museum of Modern Art, 2013, S. 350-353, S. 350. 368 | Vgl. Kat. Marseille 1993, S. 11. 369 | Vgl. Oldenburg, Claes: Injun and other Histories (1960). New York 1966; ders.: Extracts from The Studio Notes (1962-64), hg. v. Max Kozloff. In: Artforum 4, 5 / 1966, S. 3233; ders. / W illiams 1967; ders.: Notes. Los Angeles 1968; ders.: Some Program Notes about Monuments, Mainly. In: Chelsea, 22-23 /  1968, S. 87-92; ders.: Notes on Lipstick Monument. In: Novum Organum, 7 /  1969, o. S.; »Selection from Oldenburg’s writings«, in: Rose 1970, S. 189-205; Oldenburg, Claes: Notes in Hand. New York / L ondon 1971; ders.: More Ray Gun Poems (1960). Philadelphia 1973; Oldenburg 1973; Ausst.-Kat. Wien 2013. – Eine

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mente, ausformulierte Texte zu werkinternen Fragestellungen sowie zu tagesaktuellen Themen neben Zeichnungen stehen, als seine persönliche Variante des »sketchbook«370. Wie in »Afterthoughts« (1966) illustrieren dabei häufig kleinformatige Zeichnungen die Notationen oder die kurzen Schriftzeilen erläutern eine Formfindung.371 Neben dieser parallelen Existenz von Bild und Text zeugen die Notizen Oldenburgs von einem stark ausgeprägten metaphorisch-imaginären Denken, bei dem die beiden Ausdrucksformen Schrift und Zeichnung ineinanderfließen. Wiederholt wurde in der Forschungsliteratur auf die in seinen Notizen anzutreffenden Assoziationsketten hingewiesen. Sie zeichnen über lautmalerische und ikonische Äquivalenzen der aneinandergereihten Worte eine prozessuale Sinnverschiebung auf und dokumentieren damit ein wiederkehrendes Verfahren in Oldenburgs Schaffen. In den Assoziationen treten imaginative Formanalogien wie »Drums equals Mickey Mouse«372 neben phonographische Identifizierungen wie »Mickey Mouse = Multi Mouse = Multi Mousse = Movey House = Musee Mousse = Musse Pigg = Mussee Pigg«373. Beide Gedankenketten geben Rückschluss auf Einzelaspekte des Museumswerks. Das zuletzt angeführte Zitat streift im Übergang vom amerikanischen zum schwedischen Namen der Comicmaus die Bezeichnung der Institution Museum und präfiguriert damit den späteren Werktitel des »Maus Museums«. Als Form des Sprachspiels regt die Wortkette eine mögliche Bedeutungsveränderung des semantisch anscheinend festgelegten Sprachmaterials an.374 Die Besonderheit von Oldenburgs Notiz ist dabei, dass sie die neue Bedeutungsebene nicht durch eine endgültige Auflösung des sprachlichen Zeichens, einer Trennung von Signifikat und Signifikant, erreicht, sondern diese beiläufig erzeugt, auf dem Weg der Übersetzung eines Begriffs von einer Sprache in eine andere, deren Ziel jedoch die Konservierung derselben Denotation ist. Trotz Wahrung des semantischen Gehalts, hebt die Translation innerhalb desselben Zeichensystems somit die formale Assoziationskraft des orthografischen Schriftbildes hervor. Durch die Lektüre von »Drums equals Mickey Mouse« wird genau der gegenläufige Prozess in Gang gesetzt. Die verbale Gleichsetzung zweier semantisch differierender Worte transzendiert die ausgedrückte Äquivalenz in die mit den Begriffen konnotierten Vorstellungen. So evoziert die Notiz ein Gedankenbild, in dem die formale Ähnlichkeit zwischen den Trommeln eines Schlagzeugs und den kreisrunden Ohren der Comicmaus bestätigt wird. Das sprachliche Zeichen fungiert hier als »Schwellensignal«375, das den Leseakt in eine »rezeptive Imagination«376 umkippen lässt. Die grafische Präsenz des Schriftzeichens verschwindet im Prozess der verstehenden Lektüre und wird von der Imagination des wörtlich Repräsentierten er-

ausführliche Bibliografie Oldenburgs Schriften findet sich in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 308-309. 370 | Oldenburg, Claes: Introduction. In: ders. 1971, o. S. 371 | Vgl. »Afterthoughts« (1966), in: Ausst.-Kat. Wien 2013, S. 278-283. 372 | Oldenburg, in: Ausst.-Kat. Wien 2013, S. 350. 373 | Oldenburg: Notes (1966), zitiert nach: Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 67. 374 | Vgl. Faust 1977, S. 142. 375 | Assmann, Aleida: Lesen als Kippfigur. Buchstaben zwischen Transparenz und Bildlichkeit. In: Krämer /  C acik-Kirschbaum / Totzke 2012, S. 235-244, S. 237. 376 | Assmann, in: Krämer / C acik-Kirschbaum /  Totzke 2012, S. 237.

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setzt. Die konträren Ausrichtungen der beiden Assoziationsketten finden in einer weiteren Notiz Oldenburgs zur Synthese: The name of the thing (e.g., omelet) is the key to how you grasp it (mind and hand) or how you might grasp it. There is no reason not to treat an omelet like the moon. It gives you a handle (slang for name), and you can take it or leave it. 377

Oldenburg unterstreicht hier seine Wahrnehmung von Sprache als Material. Dieses steht der begrifflich ausgedrückten Idee in nichts nach, jedoch muss für ein gleichwertiges Nebeneinander von Material und Idee die Verbindung zwischen Sprachzeichen und bezeichnetem Objekt getrennt werden. Worte werden dann zu leeren Hüllen, die geformt, gereinigt und neu gefüllt werden können. Die zitierten Notizen wurden von Oldenburg nicht im direkten Kontext des »Maus Museums« zur Verfügung gestellt. Dennoch hatte der aufmerksame Besucher die Möglichkeit, Zugang zu den Gedankengängen des Künstlers zu erhalten. Anders als Marcel Duchamp, der sein Readymade auf dem Weg von der retinalen Malerei hin zur Idee entwickelte und seine Notizen zum »Großen Glas« selbst in Form eines Kunstwerks in der »Grünen Schachtel« publizierte,378 wirkt das »Maus Museum« als Materialisation von Oldenburgs Idee. Die morphologische Ähnlichkeit der Begriffe »Maus« und »Mausoleum« sowie dessen historischer Metaphernbezug zum Begriffsfeld des »Musealen« wurden in den vorausgehenden Kapitel bereits angesprochen.379 Die damit verbundenen Imaginationen verfestigen sich zudem in der architektonischen Museumshülle nach dem Vorbild der »Geometric Mouse«. Indem sich die geometrische Grundrissform auf die metonymische Darstellung des Mauskopfes begrenzt, wird dieser gemäß einer Definition des Museums als Speicher des kulturellen Gedächtnisses, zur Lokalmetapher für den Sitz der Erinnerungen und unterstreicht somit die mnemotechnische Bedeutung des »Maus Museums«. Zugleich akzentuiert die Parität von Kopf und Museum eine Überlagerung von persönlichem, geistigen Gedächtnis und gegenständlicher Hinterlassenschaft.380 Die Objekte und Alltagsfragmente verkörpern als materielle Spuren die auf Konvention beruhende symbolische Ordnung einer spezifischen Zivilisation und konfrontieren diese mit den mehrfachen Codierungen der privaten Assoziationen des Künstlers.381 Dementsprechend treffen Subjektivität und Objektivität in den durch die Museumsobjekte ausgelösten Gedankengängen zusammen.382

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« Anders als die übrigen fiktiven Institutionen verfügt die »Académie Worosis Kiga« über eine klar strukturierte, sprachlich verfasste Fiktion. Diese realisierte sich so377 | Oldenburg: Notiz »Paris, July to October 1964«, zitiert nach: Ausst.-Kat. Wien 2013, S. 213. 378 | Vgl. Rotzler 1972, S. 27-28. 379 | Vgl. Kapitel 4.3; Kapitel 5.1.2. 380 | Vgl. Legge 2000, S. 161. 381 | Vgl. Assmann, in: Böhme / S cherpe 1996, S. 96-111. 382 | Vgl. Bruggen, Coosje van: Geistern (übers. v. Brigitte Kalthoff), in: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. The Haunted House, Krefeld, Museum Haus Esters, 1987, S. 15-27, S. 16.

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wohl in Form eines schriftlich fixierten, überdauernden Textes als auch in der ephe­meren Form mündlicher Erzählung und Vermittlung des Künstlers. Die persönlichen oralen Darlegungen Gasiorowskis erfolgten dabei hauptsächlich vor Veröffentlichung des Werks im Zeitraum seines Rückzugs aus der Öffentlichkeit und dementsprechend im privaten Rahmen. Als leibhaftiger Erzähler nahm Gasiorowski vor seinem Publikum, das nicht die große Masse wie bei »LIDL«, sondern der intime Kreis von Freunden und Interviewpartnern bildete, die Rolle des Berichterstatters ein und verkörperte somit die Figur, die in der schriftlichen Akademieerzählung auch seinen Namen trägt.383 Bereits hiermit ist eine Überlagerung von Realität und Fiktion zu konstatieren, die den gesamten Komplex der Sprachpräsenz und -anwendung in der fiktiven Akademie betrifft. Während sich in der Funktion des Berichterstatters eine fiktive Figurenzuweisung und die reale Tätigkeit des sprechenden Künstler überschneiden, wechselte Gasiorowski im privaten Gespräch gelegentlich wie ein Schauspieler ohne Bühne den Referenzrahmen seiner Handlungen und Äußerungen. Dann sprach und agierte er nicht mehr in seiner Identität, sondern im Modus der Repräsentation.384 Ohne äußere Kennzeichnung des Bezugssystems war der Rollenwechsel dabei für den Gesprächspartner nicht vorhersehbar. Diese Ambivalenz betrifft auch die schriftlichen Artefakte der fiktiven Akademie. Während die parallel und zeitlich versetzt zu seinen Werken veröffentlichten Notizen von Claes Oldenburg den intimen Gedankenstrom des Künstlers widerspiegelten oder im Miteinander von Schrift und Zeichnung den Formfindungsprozess eines konkreten Werkbezugs dokumentierten,385 fanden die Notationen zur »Académie Worosis Kiga« in der Ausstellung 1982 als optisch-haptische Fragmente Platz. Innerhalb der Ausstellungsinszenierung nahmen sie dabei eine doppeldeutige Funktion ein. Als logisch stringente Textfolge konstruierten sie einen erzählerischen Referenzrahmen, der den Ausstellungsbesucher mit weitreichenden Informationen zu den Exponaten versorgte. Diese wiederum wurden durch die sprachlichen Ergänzungen zu zeugnishaften Relikten von zeitlich und räumlich verorteten Handlungen erklärt. Wie sich anhand des rekonstruierten Ausstellungsauf baus von 1982 ableiten lässt, umfassten die schriftlichen Zeugnisse zwei Textgattungen. Während der im letzten Ausstellungssaal aufgehängte gerahmte Kapitelauszug durch die Anwendung paratextlicher Strukturen des Romans in der Überschrift »deuxième chapitre – L’artiste a.h.«386 sein fiktionales Wesen signalisierte und zugleich auf seinen fragmentarischen Charakter aufmerksam machte, standen demgegenüber die Erläuterungen in den Vitrinen, wie das »dossier des refusés« oder die Liste der verschiedenen Fluchtstationen Arne Hammers, in einer 383 | Vgl. Auszüge aus der handschriftlichen Transkription eines Gesprächs zwischen Dirk Teuber und Gérard Gasiorowski, Paris, 1979, Typoskript in: Archiv der Verfasserin; Kapitel 2.4.4. 384 | Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Michael Nickel am 1.7.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin; Kapitel 2.4.4. 385 | Vgl. Lammert, Angela: Von der Bildlichkeit der Notation. In: Ausst.-Kat., Notation. Kalkül und Form in den Künsten, Berlin, Akademie der Künste, Karlsruhe, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, 2008-2009, S. 39-54, S. 41. 386 | Vgl. Kapitel 2.1.

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direkten Bezugnahme auf die sie räumlich unmittelbar umgebenden Objekte und Bilder. Ihre inhaltliche Kohärenz sorgte dafür, dass sich der schriftliche Informationsgehalt im Verweissystem des Schaukastens bewahrheitete und so die Exponate zu Beweisen des im Text dokumentierten Wissens und Geschehens wurden. Während im Fall der Ausstellungsbeschriftungen Broodthaers’ die sprachliche Information in Bezug auf das ausgestellte Objekt eine dekonstruktive Wirkung ausübte, bestätigten sich die schriftlichen Dokumente der »Académie Worosis Kiga« und die Ausstellungsobjekte reziprok. Wie im Hinblick auf die Artefaktmaterialität ausgeführt wurde, handelte es sich im Gegensatz zu den als originale Kunstwerke zu identifizierenden Objekten bei den ausgestellten Textauszügen lediglich um einfache Fotokopien, die Teile des ursprünglichen Manuskripts repräsentierten.387 Wie die faksimilierten Notizheftauszüge Oldenburgs bilden die Fotokopien der Akademieausstellung einen Kommentar zu den Objekten.388 Im Gegensatz zu Oldenburgs Notationen wurden die kopierten Ringbuchseiten jedoch wie Exponate in der Ausstellung gerahmt an der Wand oder als Vitrinenauslage präsentiert und nicht außerhalb des Ausstellungszusammenhangs als Vervielfältigungen publiziert. Gelten die originalen Flugblätter, Transparente und andere Schriftträger der »LIDL«-Aktionen heute als zeithistorische Dokumente, die also ein nicht wiederholbares, vergangenes Geschehen repräsentieren und denen unabhängig von dieser Funktion inzwischen teilweise ein ästhetischer Eigenwert zugesprochen wird,389 befinden sich hingegen die fotokopierten Seiten der Akademieausstellung permanent in einer doppelten Verweisstruktur. Einerseits treten sie nicht an die Stelle des Kunstwerks – wie dies in der »Section Littéraire« des »Musée d’Art Moderne« der Fall ist –, sondern stehen stets als zusätzliche Bedeutungsebene neben diesem und bieten einen sichtbaren Interpretationsschlüssel zum Werk. Andererseits verharren sie durch die indexikalische Materialität der Fotokopie stets im Modus des Verweises auf eine unzugängliche Vorlage. Diese findet sich in den vier Ringbüchern, die eine eigenständige, komplexe Werkentität bilden.390 Erst die Möglichkeit, diese Entität insgesamt wahrzunehmen, gibt zu erkennen, dass die Struktur der Ringbücher die Struktur der gesamten Fiktion konzentriert, indem sie Verhaltensformen und Werkstrategien Gasiorowskis in den Stoff der Erzählung und deren äußere Textur übersetzen. Das bedeutet, dass sich Form und Inhalt der Schrift in den Ringbüchern permanent überkreuzen und somit ein Netz vielfältiger Sinnschichten weben. Sie bilden sozusagen eine für den Ausstellungsbesucher unsichtbare Mise en abyme des Gesamtwerks der fiktiven Institution. Im Redefluss kann sprachliche Information durch Modulation des Tonfalls akustisch mit zusätzlichen Bedeutungen versehen werden, die dem schriftlich fixierten Wort nicht ablesbar sind.391 In den Ringbüchern suggeriert Gasiorowskis Handschrift durch Veränderungen des Schreibduktus und sichtbare Spuren des Schreibprozesses wie Ausstreichungen und Anfügungen unterschiedliche Stimmungen. Sie legen Rückschlüsse über die vermeintlichen Entstehungsbedingun387 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 388 | Vgl. Oldenburg /  W illiams 1967; Oldenburg 1971. 389 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 390 | Vgl. Kapitel 2.2. 391 | Vgl. Krämer, in: Wirth 2002, S. 340.

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gen der Absätze nahe und scheinen dadurch erneut als äußerliche Zeichen die inhaltliche Schilderung zu authentifizieren.392 In Kapitel 2.2.3 wurde am Beispiel der Verwendung der arabischen Ziffer »8« innerhalb des erzählerischen Fließtextes verdeutlicht, wie Gasiorowski durch die Betonung des ikonischen Zeichenwertes einzelner Sprachelemente die Erzählung insgesamt um weitere Sinnschichten anreichert und neue Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.393 Als ein produktives Paradox der Lektüre verfährt hier die Sinnkonstruktion über die Textdekonstruktion. Mit dem Ausruf »Le chapeau est un leurre«394 richtet der Erzähler dieselbe epistemologische Lektion erneut und direkt an den Leser. Dabei weitet er das Bezugsfeld aus, verweist auf die in der Erzählung erwähnten Hutzeichnungen, die außerhalb des Manuskripts als reale Kunstwerke existieren. Neben den genannten metaphorischen Anspielungen auf Kunstmarktkonventionen und akademisches Lehrsystem macht Gasiorowski bezugnehmend auf die realen Hutzeichnungen kritisch auf eine geläufige Rezeptionshaltung gegenüber figurativer Malerei aufmerksam.395 Die gemalte, wahrnehmbare Form wird durch den Betrachter augenblicklich – in diesem Fall als »Hut« – identifiziert, wodurch eventuell darauffolgende Bewertungskriterien auf die Qualität der Repräsentation beschränkt werden. Hierbei gerät das Medium der künstlerischen Praxis, die Malerei, die »peinture«, die im Französischen sowohl Farbmaterial als auch gemaltes Bild bezeichnet, aus dem Fokus.396 »peinture« ist aber auch die Praxis des Malers, der hinter einem jeden Gemälde steht. Überdecken die Schildchen der fiktiven Schüler – die zudem auch noch an ein beliebiges Gemälde geheftet wurden – tatsächlich materiell den Blick auf die Malerei, so steht hingegen auf der Rückseite eines jeden Blattes die Signatur »observateur: Gasiorowski«397. Die Anordnung der verschiedenen Unterschriften auf Vorder- und Rückseite des Blattes betont die Materialität des Bildes als dreidimensionales Objekt und überträgt die sinnbildliche Bedeutung des Hutes als Trugbild in ein schriftliches Verfahren. Für Text- und Bildrezeption kann hier mit Rüdiger Zymner eine analoge Problematik festgehalten werden. So warnt Zymner hinsichtlich der Interpretation von Schriftstücken vor der fehlerhaften Identifikation von »Vernommenem« und »Verstandenem«: Im Falle des Vernehmens handelt es sich um die Transformation des geschriebenen Textes in gesprochene Sprache – beim stillen Lesen, der wenigstens heute wichtigsten Rezeptionsform von Literatur, ist diese Transformation als inneres Sprechen oder Subvokalisation wahrnehmbar, als Stimme also, die nicht die eigene ist und dennoch nicht fremd; im Falle des Verstehens handelt es sich um die Transformation des Vernommenen in ein Verständnis, eine verstandene Textwelt. Vernommenes und Verstandenes sind beide Eigenprodukte 392 | Vgl. Suchère 2012, S. 98. 393 | Vgl. Kapitel 2.2.3. 394 | Zitiert aus: R1, Blatt 54 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 395 | Vgl. Kapitel 2.4.3. 396 | Vgl. Suchère 1994, S. 23. 397 | Diese Inschrift konnte von der Verfasserin bei einer Untersuchung der »Classes« Inv.Nr. BAC 3868, BAC 3872 und BAC 3885 in der Galerie Maeght festgestellt werden. – Vgl. Kapitel 2.3.2, »Spiel der Signaturen«.

Aneignung und Subversion des Lesers, auch wenn er aus verschiedenen Gründen gerne und schnell annimmt, das Vernommene und das Verstandene seien Fremdprodukte, Äußerungen und Mitgeteiltes eines Schreibers. Dabei ist es nicht der Schreiber, der spricht, sondern immer der Leser selbst, und es ist nicht der Schreiber, der verstanden wird, sondern es ist der Leser, der versteht. 398

Gasiorowskis Vorgehen greift jedoch noch über diese Warnung hinaus. Denn er schlägt mit dem Hinweis auf die Tätigkeit des Künstlers auch eine Brücke zum konkreten Produktionsprozess der Akademiefiktion. Diese wurde mit dem Rückzug des Künstlers inszeniert und umfasste auch dessen mündliche Erzählung über die fiktive Akademie.399 Wie Aleida Assmann betont, verschwimmt im Lesefluss das einzelne Schriftzeichen zugunsten eines übergreifenden Wort- und Satzsinnes.400 Diesen Lesefluss bringt der Akademietext durch Phantasiebegriffe wie »OIPAHHO OIPAHSTRA« ins Stocken. Die Fremdheit des Begriffs sowie seine Großschreibweise signalisieren dem Leser eine erhöhte Aufmerksamkeit und lassen ihn entsprechend der oben genannten dekonstruktiven Methode eine tiefere Bedeutung der einzelnen Schriftlettern vermuten.401 Als Bruchstelle der methodischen Kontinuität dient in diesem Fall jedoch die Oralität Gasiorowskis als zusätzlicher Interpretationsschlüssel. So eröffnete laut Zeugenaussagen seine Sprechtätigkeit eine akustische Analogie der Werkbezeichnung mit dem Klang eines indianischen Ausrufs.402 Daneben ergeben sich auch weitere lautliche Analogien der französischen Sprache erst bei entsprechender Wortartikulation. Während beispielsweise der Professorenname »Arne Hammer« schriftlich auf den deutschen Begriff eines Schlagwerkzeugs referiert, klingt er nach französischer Intonation wie »hargne amère«, was so viel wie »bittere Gehässigkeit« bedeutet. Auf diese Weise formen die Seiten der Ringbücher einen Knotenpunkt, in dem visuelle Erscheinung, akustische Wahrnehmung, Schrift- und Bildzeichen sowie die vergangene Praxis des Künstlers als bedeutungsstiftende Informationen zusammenfließen. Die »Carnets« etablieren demzufolge inhaltlich – auf Ebene der Erzählung – wie auch strukturell – die Werkform betreffend – die Regeln, die für die fiktive Akademie gelten und konstatieren diese zugleich.403 Ihre Präsenz ersetzt somit die Notwendigkeit eines Referenten, denn die Ringbücher umfassen sowohl Ursache als auch Wirkung. In dieser Eigenschaft können sie nach der Definition Jean Baudrillards als »Simulakrum« bezeichnet werden. Baudrillard zufolge ist das Simulakrum ein Zeichen, das durch die Simulation ein »Reale[s] ohne Ursprung oder Realität, d. h. ei[n] Hyperreale[s]«404 generiert. Als ein hyperreales Produkt befindet sich das Simulakrum jenseits von Kategorien wie Original oder Ursprung.405 Indem 398 | Zymner, Rüdiger: Uneigentliche Bedeutung. In: Jannidis [u. a.] 2003, S. 128-168, S. 154. 399 | Vgl. Hérvé Télémaque im Gespräch mit der Verfasserin, Paris, 15.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 400 | Vgl. Assmann, in: Krämer / C acik-Kirschbaum /  Totzke 2012, S. 237. 401 | Vgl. Kapitel 2.1. 402 | Vgl. Colette Portal im Gespräch mit Philippe Agostini, 21.10.2010, Typoskript, in: Archiv Philippe Agostini. 403 | Vgl. Suchère 2012, S. 98. 404 | Baudrillard, Jean: Agonie des Realen, Berlin 1978 [frz. Orig. 1978], S. 7. 405 | Vgl. Baudrillard 1978, S. 9.

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Gasiorowski die Ringbücher 1982 nicht ausstellte, sondern mit den fotokopierten Auszügen lediglich auf sie als unbekannten Ursprung verwies, wurde dem Text die einseitige, repräsentative Zeichenfunktion zurückgegeben. Der damit arbiträr verbundene Inhalt kann, wie das folgende Kapitel zeigen wird, aus der Fiktion heraustretend, auf den realen Ort der Ausstellung als Referenzrahmen bezogen werden. Abschließend lässt sich festhalten, dass Sprache innerhalb der fiktiven Institutionen von den Künstlern bewusst eingesetzt wurde, um sie mit verschiedenen künstlerischen Zeichensystemen zu kontrastieren. Ziel war es dabei nicht, lediglich die auf Repräsentationen angewiesene Erkenntnisfähigkeit des Menschen hervorzuheben. Vielmehr nutzten sie inhaltliche Kohärenzen zwischen Aussagen, Handlungen und Objekterscheinungen sowie deren expliziten Bruch, um am Beispiel der Sprache als alltäglicher Kommunikationsform Wahrnehmungskonventionen aufzudecken und zu kritisieren.406 Indem die Ambivalenz der alltäglichen Realität somit zum Vorschein kam, stärkten die Künstler zugleich die Wahrscheinlichkeit ihrer fiktiven Institutionen und erschwerten damit die Anwendung eingeübter Rezeptionsparameter für ihr Werk.

5.2 G renzüberschreitungen : D ie fik tive I nstitution im re alen R aum Die Institutionsfiktionen konstituieren sich wie gesehen im Oszillieren zwischen visuell-haptischem Artefakt und sprachlicher Rahmung. Die in dieser Interdependenz geschaffene Bedeutungsebene wird für die Rezeption jedoch erst im Moment ihrer öffentlichen Sichtbarkeit fruchtbar. Für Kunst bildet Raum eine permanente Bedingung, die durch die Geschichte hindurch unterschiedlichste praktische und theoretische Behandlung erfahren hat.407 Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben ortsbezogene Kunstwerke eine besondere Beziehung zwischen Kunstwerk und Raum erschaffen, indem sie die Abhängigkeit der beiden Größen Ort und Raum neu verhandelten. Diese Frage wurde in der Minimal Art der 1960er Jahre neu beleuchtet.408 Im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung steht dabei seit jeher der Ausstellungsraum als Ort der Werkrezeption, wobei sich die Konzentration zunehmend von dem das Kunstwerk umgebenden physikalischen Raum auf den Raum der Kunstwahrnehmung als sozial, historisch und kulturell codierten Kontext verlagerte.409 Im Zuge dieser Auseinandersetzung suchten Vertreter der Land Art in der Natur einen möglichst neutralen Ort für ihre Werke und neue Formen von Performance und Happening ließen Schwellen hinter sich, indem sie vielfach den direkten Publikumskontakt auf der Straße anstrebten. 406 | Im Fall der »Académie Worosis Kiga« muss dabei beachtet werden, dass der Beobachterbericht geradezu romanhafte Züge trägt. Damit oszilliert der Text permanent zwischen literarischer Fiktionalität und dokumentarischer Faktizität. 407 | Für einen geistesgeschichtlichen Überblick vgl. Dünne, Jörg, Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2006. 408 | Vgl. hierzu weiterführend: Rebentisch 2003. 409 | Vgl. O’Doherty 1996; Möntmann 2002.

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Die fiktiven Institutionen sind ebenfalls von einem bewussten Umgang mit Raum gekennzeichnet. Wie mit dem weiter oben eingeführten Begriffspaten der »Ausstellung«410 für ihre situativen räumlichen Konfigurationen verdeutlicht wurde, funktionierten sie über das Dispositiv szenografischer Ordnungen, die das Werk als räumlich-zeitlich ausgedehnten Komplex fassbar machten. Im allgemeinen Sprachgebrauch konnotiert der Begriff der »Institution« konstante und normierte Verfahrensweisen, die sich innerhalb eines, klar lokalisierbaren, abgeschlossenen Raumes verorten.411 Demgegenüber wechselten die Realisationsorte der fiktiven Institutionen und eigneten sich vorstrukturierte Orte an. Während die Ausstellungskonstellationen Gasiorowskis und Broodthaers’ sich ohne klare Trennungslinien in den vorhandenen Raum und die ihn bestimmenden Codes einnisteten, schufen Immendorff und Oldenburg eigene, mobile Architekturen. Essentiell ist dabei die flüchtige Erscheinung der Werkkomplexe, die ihren fiktiven Status unterstreicht und die Projekte im Bereich künstlerischer Schöpfung belässt. Denn im Gegensatz zu Produzentengalerien und anderen künstlerischen Initiativen wurden die fiktiven Institutionen nicht zu realen, permanenten Einrichtungen und bildeten auch kein wiederholbares Ausstellungskonzept.412 Wie Jacques Derrida in Bezug auf Antonin Artauds Theorie zu »Le Théâtre et son double« festhält, basiere die abendländische Kultur insgesamt auf dem Prinzip der Grenzziehung, die Oppositionsbegriffe wie Repräsentiertes  – Repräsentierendes, Text  – Interpretation, und auch Bühne  – Saal als grundlegende Denkfiguren installiere.413 Wurde in den vorausgehenden Kapiteln die objektbezogene Grenzarbeit der fiktiven Institutionen betrachtet, die herkömmliche Parameter der menschlichen Welt- und insbesondere Kunstwahrnehmung in Frage stellte, fokussieren die folgenden Unterkapitel die verschiedenen räumlichen Referenzrahmen der Rezeption. In einer deduktiven Vorwärtsbewegung richtet sich der Blick in Kapitel 5.2.1 zunächst auf die verschiedenen räumlichen Displays, die die Objekte der Institutionsfiktionen ordnen, um sich dann auf die rahmende Raumorganisation auszuweiten. Neben öffentlichen Gebäuden, Plätzen und etablierten Institutionen zählen jedoch auch andere Publikationsformen zum Distributionsraum der Kunstwerke. Kapitel 5.2.2 analysiert daher Kataloge, Einladungskarten und weitere Veröffentlichungen, die von den Künstlern bewusst gestaltet wurden.

410 | Vgl. Kapitel 5. 411 | Vgl. Hillmann 1994, S. 381-382; Kapitel 1.2. 412 | Als gegenläufige Beispiele können Stuart Brisleys »Peterlee Project« (1975-1976), Hans Hackers »Produzentengalerie« in Berlin oder Bernhard Sandforts »Augenladen« in Mannheim sowie das von Robert Filliou und George Brecht in Villefranche-sur-Mer realisierte Raumprojekt der »Cedille qui sourit« (1965-1968) und das von Daniel Spoerri in mehrfacher Ausführung realisierte Konzept seines »Musée sentimental« genannt werden. – Vgl. Ausst.Kat. Köln 1979, insbes. S. 13; Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 49-50. 413 | Vgl. Derrida, Jacques: »Das Theater der Grausamkeit und die Geschlossenheit der Repräsentation«. In: ders.: Die Schrift und die Differenz, übers. v. Rodolphe Gasché. Frankfurt a. M. 1976, S. 351-379.

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5.2.1 Repräsentationsräume einer neuen Ordnung Claes Oldenburg, »Maus Museum« Wie in der Beschreibung hervorgehoben, unterscheidet sich das »Maus Museum« von den restlichen fiktiven Institutionen durch seine eigenständige, mobile Architektur. Als begehbares Gebäude stand es im Ausstellungsraum der fünften documenta 1972. Wie die thematische Abteilung »Museen von Künstlern« bestätigt, sind Künstlermuseen ein in der damals zeitgenössischen Kunsttheorie stark rezipiertes Phänomen.414 Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Arbeiten sowohl hinsichtlich ihrer Motivationen, ihrer Zielsetzung sowie der Umsetzung stark voneinander differieren.415 Viele Konzeptionen gingen dabei vom Gedanken des Sammelns und Bewahrens aus. Damit rekurrierten die Künstler einerseits auf die konservatorische Praxis des Museums und dessen soziokulturelle Funktion als Gedächtnisspeicher, andererseits traten sie in die Traditionslinie von privat angelegten Künstlersammlungen, die vor der Öffnung höfischer Kunstsammlungen seit der frühen Neuzeit Künstlern als Inspirationsquelle dienten.416 Wie erwähnt, waren neben Broodthaers und Oldenburg, Marcel Duchamp, Herbert Distel und Ben Vautier in der Kasseler Museumssektion 1972 vertreten. Ihre Arbeiten entsprangen ebenfalls dem Sammlungsaspekt. So bringt das »Schubladenmuseum« Distels in einem ehemaligen Nähseidenspulenkasten 501 Originalwerke von zeitgenössischen Künstlern zusammen. Die einzelnen Schubladen des hochrechteckigen Möbels sind in vielzählige Fächer unterteilt, die nach Setzkastenprinzip je einen Künstler mit der von ihm eingereichten Miniaturarbeit repräsentiert. Das kompakte Möbelstück ist zwar beweglich, jedoch nicht für die ständige Deplatzierung intendiert. Sein Auf bau in zahlreichen vertikalen Schichten aus Schubladen erinnert an ein Hochhaus. In dieser architektonischen Perspektive entspricht ein Fach einem Museumssaal. Dementsprechend haben einige Künstler das ihnen zugesprochene Kämmerchen nicht einer Aufsicht gemäß gefüllt, sondern als winzigen Ausstellungsraum mit senkrecht an den Wänden installierten Arbeiten gestaltet.417 Die Verteilung der Künstler auf die Fächer folgt dabei schlichtweg dem Eingangsdatum des jeweiligen Werks in die Museumssammlung und repräsentiert in scheinbar wildem Nebeneinander die vielfältigen Strömungen, Stile und Tendenzen der Kunst des 20. Jahrhunderts.418 Im Gegensatz dazu ruft die »Boîte-en-valise« Duchamps 414 | Vgl. Ausst.-Kat d5 1972, S. 13.0-13.18. 415 | Die Unschärfe der Zuschreibung fällt in Kassel 1972 vor allem anhand des Beitrags von Ben Vautier auf, dessen »Armoire« sich weder namentlich noch in der Präsentation explizit auf das Museum bezieht, sondern ebenso gut als Installation einer privaten Sammlung betrachtet werden kann, dessen Fokus auf dem Moment des Tauschens und Handelns liegt. – Vgl. Lascault, Gilbert: Les musées artistiques comme productions artistiques. Travaux de Adzak, Ben, Bertholin, Boltanski, Gette, Messager, A. et P. Poirier. Paris 1978, S. XVII. 416 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 417 | Vgl. Ausst.-Kat., Das Schubladenmuseum von Herbert Distel. Katalog des kleinsten Museums für moderne Kunst des 20. Jahrhunderts mit Werken von über 500 Künstlern, Zürich, Kunsthaus, 1978, S. 7, S. 11. 418 | Zum Zeitpunkt der documenta 5 befand sich das Werk noch im Stadium des »work in progress« und beherbergte etwa 140 Miniaturoriginale. – Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1978, S. 7, S. 10.

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ausschließlich die persönliche Produktion des Künstlers in Form verkleinerter Repliken ins Gedächtnis.419 Während diese in einem Koffer aufbewahrt stets auf Reisen mitgenommen werden können,420 verwahrt Ben seine auf der fünften documenta gezeigte Sammlung in einem rustikalen Holzschrank. Sein »Armoire« beherbergt alle möglichen Dinge, die vom Künstler signiert, damit zu Kunstwerken erklärt und als solche zum Handel angeboten wurden.421 Als begehbares Museum im »Museum der 100 Tage« präsentierte sich das »Maus Museum« wie beschrieben von außen als einfacher rechteckiger Kasten, der den im Werktitel widerhallenden Grundriss der »Geometric Mouse« verbarg.422 Um die »Eigengesetzlichkeit des Mausmuseums zu betonen«423, stand dieses leicht schräg im Erdgeschoss der Neuen Galerie und unterbrach damit den herkömmlichen Besucherparcours. Die Motivgenese des geometrischen Mauskopfes und seine ikonische Anlehnung an die im Titel anklingende Comicfigur sowie den Umriss einer alten Filmkamera wurden bereits dargelegt.424 Die auf grafischer Ebene gefundene filmische Assoziation wurde im Inneren des Museumsbaus raumgreifend. Im verdunkelten Innenraum erinnerte die durchgehende beleuchtete Vitrine an ein Filmband, beziehungsweise die erleuchtete Leinwand eines Kinosaals.425 Des Weiteren wurde das Künstlermuseum von den Klängen einer Tonbandaufnahme erfüllt, die mit der sonst ehrwürdigen Stille des Museumsraums bricht.426 Da die abgespulten Geräusche beim Reinigen einiger der in den Vitrinen ausgestellten Objekte ausgelöst wurden, standen akustischer und optischer Eindruck in einer kausalen Beziehung und ergänzten sich zu einer mehrschichtigen sinnlichen Erfahrung, die dem Besuch eines Lichtspielhauses nahe kommt. An dieser Stelle ist allerdings ein bedeutender Unterschied zwischen den beiden Kunsträumen Kino und Museum zu berücksichtigen. Während der Besucher einer Filmvorführung statisch auf einem Platz im Saal sitzt und die wechselnden Szenen auf der Projektionsfläche verfolgt, befindet sich der Museumsbesucher in Bewegung. Damit verändert sich seine Kompetenz im Machtgefüge der Rezeption. Auch wenn die Museumsexponate innerhalb des kuratorischen Displays einem gewissen Narrativ entsprechend angeordnet sind, entscheidet doch der Betrachter selbst darüber, in welcher exakten Reihenfolge er die Objekte wahrnimmt, welche Dauer er dabei welchem Detail schenkt und ob er eventuell an einen bereits abgeschrittenen Punkt zurückkehrt.427 Trotz die419 | Vgl. Ausst.-Kat. Rouen 1998. 420 | Vgl. Duchamp im Interview mit James Johnson Sweeny, Auszug in: Ausst.-Kat. Rouen 1998, o. S. 421 | Vgl. Lascault 1978 (a), S. XVII-XVIII. 422 | Vgl. Kapitel 4.3. 423 | Brief von Kasper König an den Leiter der Aufbauarbeiten der documenta, Dombois, 27.4.1972, in: documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 132 a: Nutzung des Museums Fridericianum und Neue Galerie, Installation (Pläne, Zeichnungen), Einrichtung, Aufbau, alphabetisch geordnet I – Q. 424 | Vgl. Kapitel 4.3. 425 | Vgl. König 2012, S. 151. 426 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 3; König 2012, S. 178. 427 | Vgl. Hanak-Lettner, Werner: Die Ausstellung als Drama. Wie das Museum aus dem Theater entstand (zugl. phil. Diss. Wien 2008), Bielefeld 2011, S. 106.

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ser möglichen Rückwärtsbewegungen und Wiederholungen, handelt es sich beim Ausstellungsbesuch jedoch wie beim Film um einen konsekutiven Ablauf mit klarem Anfangs- und Endpunkt. Diese Linearität spiegelt sich innerhalb des »Maus Museums« im durchgehenden Vitrinenband, das sich ohne störende Stütze dem fließenden Blick öffnet. Durch das Vitrinenglas reduziert sich die Wahrnehmung der dreidimensionalen Objekte auf den optischen Eindruck. Sie erscheinen wie die einzelnen Bilder eines abgewickelten Filmstreifens und entsprechen damit der die Raumgestaltung durchziehenden Filmmetapher. Denn wie eingangs erwähnt wurde, wird im »Maus Museum« nicht das Bild vor dem statischen Zuschauer abgespult, im Gegenteil setzt dieser selbst den imaginären Film beim Durchschreiten des Raumes in Bewegung. Anstelle einer Analogie zum Kinozuschauer entsteht hier daher vielmehr eine Äquivalenz zwischen dem Museumsbesucher und einem Filmregisseur. Das englische Verb für die Betätigung einer Kamera, »to shoot«, baut darüber hinaus eine semantische Brücke zu den ausgestellten Exemplaren der »Ray Guns«.428 Wie Coosje van Bruggen festhält, erfolgte auch die Anordnung der Museumsobjekte im Inneren der Vitrinen nach dem Prinzip der Assoziation und nicht nach festgesetzten Kategorien.429 So wie die architektonische Hülle auf der documenta 5 einen eigengesetzlichen Raum markierte, so schließt auch die Vitrine als transparente Barriere einen autonomen Raum ab, in dem sich ein eigenes System aus Ordnungs- und Kombinationslogik entfalten kann. Die Vorgänger der heutigen Museumsinstitution waren im 16. und 17. Jahrhundert die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance.430 Sie entstanden aus der sukzessiven Veröffentlichung fürstlicher Sammlungen, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts den Fokus ihrer Kollektionen von privaten Studienzwecken auf die Schaufunktion verlagerten.431 Das für heutige Betrachter scheinbare Chaos der damaligen Vitrinen entstammt ihrem Ordnungsprinzip, demzufolge das gleichwertige Nebeneinander von Arteficialia, Naturalia, Scientifica und Mirabilia als enzyklopädisches »theatrum mundi« verstanden wurde.432 Mit dieser Bezeichnung kam es zu einer begrifflichen Überschneidung von musealem und theatralem Raum in Bezug auf die konservierende Sammlung der Spätrenaissance. 1530 entwarf Giulio Camillo, ein »Gedächtnistheater«433, das ver428 | Susan Sontag vergleicht in ihrer medienhistorischen Untersuchung den technisch immer weiter fortschreitenden Fotoapparat mit einer »Strahlenpistole«. – Vgl. Sontag, Susan: Über Fotografie. Frankfurt a. M. 1980 [engl. Orig. 1977], S. 19. 429 | Vgl. Kapitel 4.3. 430 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 17-21; Theewen, Gerhard: Joseph Beuys. Die Vitrinen. Ein Verzeichnis. Köln 1993, S. 11-12. – Zur Geschichte der Kunst- und Wunderkammern in Europa allgemein vgl. Schlosser 1978; Laube, Stefan: Von der Reliquie zum Ding. Heiliger Ort, Wunderkammer, Museum. Berlin 2011; Beßler 2014; Schramm, Helmar, Schwarte, Ludger, Lazardzig, Jan (Hg.): Kunstkammer, Laboratorium, Bühne. Schauplätze des Wissens im 17. Jahrhundert. Berlin 2003. 431 | Vgl. Grasskamp 1981, S. 18. 432 | Vgl. Legge, 2000, S. 7-8. 433 | Vgl. Camillo, Giulio: Le Théâtre de la mémoire. Traduit de l’italien par Eva Cantavenera et Bertrand Schefer. Paris 2001, S. 13-19; des Weiteren: Hanak-Lettner 2011, S. 70-83; Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin 1993, S. 33.

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mutlich als begehbares Modell existierte. Dieses Theater diente entgegen dem heutigen Sprachgebrauch jedoch nicht der Aufführung dramatischer Stücke auf einer Bühne, sondern der Ausstellung verschiedener Sammlungsobjekte und wurde daher 1565 von Samuel Quiccheberg in seiner ersten museumtheoretischen Schrift angeführt.434 In seinem Entwurf kehrte Camillo das für das dramatische Theater gewöhnliche Verhältnis zwischen Schauspieler und Publikum um. Er positionierte den statischen Betrachter im Zentrum der einem Amphitheater nachempfundenen Architektur. Von dieser panoptischen Position aus konnte der Besucher seinen Blick auf die in den umlaufenden Rängen ausgestellten Exponate richten. Als ein rarer Augenzeugenbericht liegt ein 1532 vom niederländischen Juristen und Staatsmann Vigilius verfasster Brief an Erasmus von Rotterdam vor. Darin heißt es: Das Werk ist aus Holz, im Inneren mit vielen Bildern versehen und voll von kleinen Kästchen; es gibt verschiedene Ordnungen und Zonen darin. […] Er [Giulio Camillo, Anm. T. N.] hat für dieses sein Theater viele Namen, mal nennt er es einen gebauten oder gestalteten Geist oder Seele, mal sagt er, es sei mit Fenstern versehen. Er gibt vor, daß alles, was der menschliche Geist erfassen kann und was wir mit dem körperlichen Auge nicht sehen können, nachdem es durch sorgfältige Meditation gesammelt sei, durch gewisse körperhafte Zeichen in einer solchen Weise zum Ausdruck gebracht werden könne, daß der Betrachter mit seinen Augen sogleich alles begreifen kann, was sonst in den Tiefen des menschlichen Geistes verborgen ist. Und wegen dieser körperlichen Anschauung nennt er es Theater.435

Wie Camillo betont, war es Aufgabe der in Rängen aufgeteilten Gegenstände, die sonst flüchtig wahrgenommene Welt zu repräsentieren und dadurch die sonst im Geiste schlummernden Erinnerungen zur »körperlichen Anschauung« zu bringen.436 Wie Vigilius berichtet, nannte der Architekt dementsprechend seinen Theaterentwurf auch einen »gebauten oder gestalteten Geist« und bezeichnete die ausgestellten Objekte metaphorisch als »Fenste[r]«. Diese führen demnach nicht nach Außen, sondern geben im Inneren des Gedächtnistheaters Einblick in die geistige Welt des Betrachters. Das von Oldenburg in Hinblick auf das »Maus Museum« genutzte Vokabular, überschneidet sich mit den Aussagen Camillos auf erstaunliche Weise, wenn er sagt: Thema all meiner Arbeiten auf dem Gebiet der Installation […] ist das gewaltsame Eindringen in das Museum. Es ist mehr die Vorstellung, daß die Gegenstände halb draußen und halb 434 | Vgl. Hanak-Lettner 2011, S. 84-101. – Camillos Gedächtnistheater wird in der kunsthistorischen Forschungsliteratur zumeist in Bezug auf die 1565 von Samuel Quiccheberg herausgegebene Schrift »Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi« genannt, die in Deutschland heute als »Anfang der Museumslehre« gilt. – Vgl. Roth, Harriet (Hg.): Der Anfang der Museumslehre in Deutschland. Das Traktat »Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi« von Samuel Quiccheberg. Lateinisch – Deutsch. Berlin 2000. 435 | Allen, Percy Stafford, Allen, Helen Mary, Garrod, Heathcote William (Hg.): Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami denvo recognitum et auctum per P.S. Allen et. al., 19061955, 12 Bde., Bd. IX: 2632. From Vigilius Zuichemus, Padua 28. March 1532, S. 475-480, S. 479; Übersetzung zitiert nach: Hanak-Lettner 2011, S. 72. 436 | Zur mnemotechnischen Bedeutung Camillos Theaterbaus vgl. Roth 2000, S. 30; Camillo 2001, S. 13-19.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie drinnen sein sollten, eine Variation über den Versuch, Kunst und Leben zusammenzubringen. Und das ist die Funktion, die Fenster auch haben können: sie sind das Tor zwischen Subjektivität und Objektivität – der Weg, auf dem das Gehirn die Außenwelt wahrnimmt, und der Weg, auf dem die Außenwelt in das Gehirn hinein gelangt.437

Als transparente Schwelle lässt das Fenster den Blick in zwei Richtungen passieren, anders gesagt, richtet der Betrachter seinen Blick ebenso nach außen auf die Welt, wie auch die Dinge, ihre bildhaften Eindrücke in ihn eindringen. Damit gerät das Verhältnis von Aktivität und Passivität ins Wanken.438 Mit den drei Objektkategorien des »Maus Museums« versammelt Oldenburg Aspekte und Kuriositäten seiner spezifischen, sozialen, kulturellen und zeithistorischen Lebenswelt und repräsentiert als Künstler-Kurator ebenfalls seinen eigenen, fokussierten Blick auf diese.439 Die in Kapitel 5.1.1 geschilderte Dekonstruktion der herkömmlichen Alltagswahrnehmung gelingt im »Maus Museum« durch die Methode der Spiegelung. Wie ein Spiegelkabinett reproduziert dessen Mikrokosmos das Prinzip von Oldenburgs Monumentalwerken, schrumpft es jedoch auf den Maßstab einer Maus.440 Als Äquivalent zu den Fenstern bewirken auch die Vitrinen des Ausstellungsraumes eine rein visuelle Wahrnehmung der dreidimensionalen Exponate ähnlich Bildern. Damit rückt der spontane Rezeptionseindruck des Betrachters in die Nähe seiner Erinnerungs- und Vorstellungsbilder, deren Evokation bei Camillo wie bei Oldenburg erwünscht ist. Auch die in der Grundform und Innenraumgestaltung des »Maus Museum« hervorgerufene mediale Assoziation zu Film und Kino lässt das ausgestellte Objekt zum Element eines »Bildstreifen[s]«441 werden. Oldenburgs Künstlermuseum überträgt somit die neuzeitliche Metapher des mikrokosmischen »Welttheaters«, das sich in den Sammlungsvitrinen und auf den Rängen von Camillos »Gedächtnistheater« ausbreitete, in das zeithistorische Medium des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte der französische Kunsthistoriker Élie Faure in seinem Aufsatz »De la cinéplastique« das Kino als eine Raumkunst und bewegte Architektur definiert, in der Zeit zu einer räumlichen Dimension werde: »Le cinéma incorpore le temps à l’espace. Mieux. Le temps, par lui, devient réellement une dimension de l’espace.«442 Wie gesehen setzt hier erneut das Prinzip der spiegelbildlichen Verkehrung ein, denn im Gegensatz zu Theater und Kino bewegt sich der Besucher im »Maus Museum«. Er versetzt die in den Vitrinen zu Bildern erstarrten Objekte in Bewegung und kreiert eine je eigene, individuelle Dramaturgie des Gesehenen. Der öffentliche Raum des Museums wird auf diese Weise zum Schauplatz einer subjektiven Erfahrung des Betrachters, die von der persönlichen Objektsammlung des Künstlers angeregt wird. Diese Über437 | Oldenburg zitiert nach: van Bruggen, in: Ausst.-Kat. Krefeld 1987, S. 16. 438 | Zur Eigenmacht der Bilder vgl. Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesung 2007. Frankfurt a. M. 2010, insbes. S. 51-56. 439 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 440 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 3. 441 | Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 3. 442 | »Das Kino vereint die Zeit mit dem Raum. Besser. Die Zeit wird durch es eine tatsächliche Dimension des Raums.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Faure, Élie: Fonction du cinéma, de la cinéplastique à son destin social. (1921-1937). Préface de Charles Chaplin. Paris 1953, S. 41.

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schneidung reflektiert sich nach Oldenburgs Definition in der im Kasten verborgenen Architektur des Museumsbaus: Im Mouse Museum ist der Kopf mit einem Haus gleichgesetzt (Maus = Haus). Sein Inhalt sind die Erinnerungen, und die »Augen« werden zu durchsichtigen Plastikkästen, die mit Gegenständen gefüllt sind.443

Die Hervorhebung der mnemotechnischen Funktion seines Künstlermuseums kann als Anspielung auf den konservatorischen Auftrag des öffentlichen Museums zur Wahrung des kulturellen Gedächtnisses verstanden werden. Zugleich reflektiert sie eine Überzeugung des Künstlers, der zufolge jedes Museum aufgrund dieser Bestimmung zu einer historischen Institution wird, die selbst zeitgenössische Kunstwerke zu Zeitzeugen werden lässt. Als vorzeitige Bestandteile einer abgeschlossenen Vergangenheit entzieht ihnen das Museum somit aktuelle Wirkungsfähigkeit. Die Gleichsetzung der Kopfform als Sitz der Erinnerung mit der Privatsphäre eines Wohnhauses betont darüber hinaus den Aspekt der Subjektivität, der sowohl die Zusammenstellung der musealen Sammlung, als auch deren Rezeption betrifft. Eine hierauf auf bauende Geschichtsschreibung kann somit nicht als objektiv und verbindlich gelten. Diese Auffassung unterstützt die später entfernte, den Mauskopf bergende Kastenarchitektur in Kassel. Wie gesehen, beschrieb Oldenburg diese als »cave effect«444, die seiner Vorstellung entsprach, das »Maus Museum« dauerhaft im Keller eines Museums zu installieren, um es »as an interior«445 zu betonen.446 Diese Intention wird durch die im Kasten verborgenen Rotunden des Museumsbaus, den beiden Mausohren, unterstützt.447 Aus der sepulkralen Bautradition stammend, wurde der Rundbau zu einem symbolischen Architekturelement im Museumsbau und markiert diesen nach außen als Ort des Gedenkens.448 Wird dieser im Fall des »Maus Museums« von der kastenförmigen Hülle sargähnlich umfasst, können die in den ausgeleuchteten Vitrinen ausgestellten Objekte darin als Devotionalien oder gar Grabbeigaben interpretiert werden, die Relikte eines kulturellen Ritus sind. Die bergende Kastenarchitektur des »Maus Museums« fungiert nach Oldenburgs Aussage als eine Art mobiler Keller. Innerhalb eines Gebäudes designiert der Keller einen Negativraum. Ihn bildet nicht eine aufstrebende architektonische Form, die 443 | Claes Oldenburg in einer Diskussion mit Coosje van Bruggen im März 1987, zitiert nach der deutschen Übersetzung von Brigitte Kalthoff, in: Ausst.-Kat. Krefeld 1987, S. 1617. 444 | Claes Oldenburg: Notes, zitiert nach: Chronologie in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 300. 445 | Claes Oldenburg: Notes, zitiert nach: Chronologie in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 300. 446 | Vgl. Kapitel 4.3. 447 | Vgl. König 2012, S. 150. 448 | Vgl. Ausst.-Kat., Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit, Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 19941995, S. 66. – Zur historischen Entwicklung der Kunst- und Wunderkammern und ihrem Zusammenhang zu Sammlungen in Schatzhäusern, Totenkammern und der Tempelarchitektur vgl. Schlosser 1978, S. 3-5.

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den vorhandenen Raum aufteilt. Im Gegenteil fällt im unter der Erde liegenden Keller die Dichotomie zwischen Innen und Außen zusammen – so wie die Parameter von Objektivität und Subjektivität im Fall des »Maus Museums«.

Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« In einer psychologisierenden Architekturmetaphorik hat Gaston Bachelard eine Dualität zwischen den beiden vertikalen Polen eines Hauses, Dach und Keller, eröffnet. Während das Dach als Exempel konstruktiven Verständnisses für Rationalität steht, markiert der Keller den Bereich des Unbewussten, Geheimgehaltenen, Intimen und Irrationalen.449 Für Broodthaers wurde dieser zum realen Ausstellungsraum seiner »Section Cinéma«. Im Unterschied zu Oldenburgs Künstlermuseum realisierte sich das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« in einer Vielzahl, sich ablösender, thematisch wechselnder Sektionen, die sich als räumliche Installationen450 zumeist schwellenlos in gegebene Räume samt der in diesen vorgefundenen Codes und Konventionen einfügte. Seine Sensibilität für die Präexistenz lokaler Eigenheiten drückte der Künstler beispielsweise mit dem Ausstellungsplakat seiner »Section XIXème Siècle (bis)« aus. Dieses stand in keinem inhaltlichen Bezug zur fiktiven Museumssektion, die im Rahmen der »between«-Reihe im Februar 1970 in der Düsseldorfer Kunsthalle zu sehen war, sondern bezog sich auf das gastgebende Gebäude, indem es die vier nach den Kriegszerstörungen erhaltenen Karyatiden des historischen Gebäudes der Kunsthalle abbildete.451 Mit historischem Bewusstsein nahm Broodthaers hiermit auf die neu erstarkende »Site specifity«452 von Installationskunst Bezug. Während diese ortsgebundenen Arbeiten die idealistisch angestrebte Autonomie des Kunstwerks radikal gingen, indem sie ausschließlich im Verbund mit ihrem Ausstellungsraum existieren konnten,453 verwies Broodthaers durch das Ausstellungsplakat hintergründig auf den kontextuellen Einfluss, dem jedes Kunstwerk im gesellschaftlichen Wahrnehmungsraum unterliegt. Auch mit der Realisierung seiner Kinoabteilung in einem Keller drückte Broodthaers einen Feinsinn für institutionelle, architektonische und topografische Semantik aus. So nahm er die zeitgenössische Konnotation des Kinos als Ort einer »low culture« wörtlich und begab sich in den Untergrund. Der Kinosaal als »black box«454 verkörperte lange Zeit den Gegenpol zur neutralen Hülle der Hochkultur im »white cube«455 des Galerieraums. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden filmische Strategien jedoch zunehmende Anwendung in den Werken bildender Künstler und wurden so zu Objekten von Kunstmuseen, die zu Be449 | Vgl. Bachelard, Gaston: Poétiqe de l’espace. Paris 1957, S. 23-50, S. 35. 450 | Neben den installativen Museumssektionen liegen mit der »Section Littéraire« und der »Section Folklorique« zwei Museumssektionen vor, die keine fixe Verortung und zeitlich begrenzte Verräumlichung erfahren haben. Sie existieren lediglich in Form von Dokumenten, Schriftstücken und Fotografien oder Artefakten. 451 | Vgl. Kapitel 4.2. 452 | Vgl. Kwon 2002, insbes. S. 11-55; Schramm 2014. 453 | Vgl. Rebentisch 2003, S. 264. 454 | Vgl. Manovich, Lev: Black Box – White Cube, übers. aus dem Englischen v. Roland Voullié. Berlin 2005; Uroskie, Andrew V.: Between the Black Box and the White Cube. Expanded Cinema and Postwar Art. Chicago /  L ondon 2014, insbes. S. 5-8. 455 | O’Doherty 1996.

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ginn der 1970er Jahre nur in seltenen Fällen über eine Filmabteilung verfügten.456 Broodthaers’ Museumssektion stellt damit den Vorreiter einer kunsthistorischen Entwicklung dar.457 Zugleich überhöhte er diese zu einer Synthese.458 Dementsprechend war der Kellerraum programmatisch teilweise schwarz und weiß gestrichen.459 Als Zwischenmedium, das zugleich die Gattungen von Sprache und Bild sowie das reale, gefilmte Objekt umfasst, nimmt der Film eine wichtige Position im künstlerischen Schaffen Broodthaers’ ein.460 In der Museumssektion überlagerte er die verschiedenen Kunstformen und dekonstruierte zugleich ihre kulturellen Konnotationen. So baute er den Kino-Apparat buchstäblich auseinander, indem er das Projektionsgerät, das üblicherweise im Dunkeln verborgen als unsichtbares Medium den Film auf die Leinwand wirft, selbst zum Ausstellungsobjekt machte und bei der Filmvorführung knatternd ins Bewusstsein des Besuchers brachte. Auch weitere Exponate wie das Schnittbrett, die Klappstühle oder die Aufschrift »Silence« holten den Produktionsprozess des filmischen Kunstwerks in den Ausstellungssaal und vergegenwärtigten somit den Ort eines Filmdrehs im Museum.461 Dieses entsprach durch den mehrfachen Ausstellungswechsel selbst einer wandelnden Kulisse, vor der die beschrifteten Ausstellungsobjekte zu Requisiten wurden.462 In logischer Konsequenz wurde damit die Ausstellung selbst zur Bühne, auf der der Besucher eine vorgeschriebene Rolle erfüllte, was ihm wiederum die dekonstruktiven Strategien des Ausstellungsaufbaus vor Augen führten. Er konnte sich nicht der Illusion eines massenmedialen »Spektakels«463 hingeben, sondern erlebte in seiner ästhetischen Erfahrung durch die offensichtliche Zurschaustellung der Produktionsbestandteile sowie durch die referenzlosen »fig.«-Beschriftungen der Exponate einen Moment der Distanzierung. Dies eröffnete ihm die Möglichkeit, seine Tätigkeit als Rezipient und seine eigene Rolle als Akteur auf der Bühne des Kunstmilieus zu reflektieren. Die »Section Cinéma« schuf folglich nicht ein kinematografisches Gesamtkunstwerk, das selbst einen Mythos kreierte,464 sondern deckte wie

456 | Vgl. Uroskie 2014, S. 85. – Diese kunsthistorische Entwicklung schlägt sich in der umgangssprachlich als »Mediendocumenta« bezeichneten sechsten documenta von 1977 nieder. – Vgl. Ausst.-Kat., documenta 6, Kassel 1977, 3 Bde. 457 | Vgl. König 2012, S. 165. 458 | Eine interessante These über den Einfluss des experimentellen Films, der in den 1960er Jahren entsteht, und die räumliche »Verfransung« der zunehmend an Bedeutung gewinnenden Installationskunst stellt Juliane Rebentisch in ihrer Dissertation auf. – Vgl. Rebentisch 2003, S. 179-207. 459 | Vgl. Grundriss, in: Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 143, S. 162. 460 | Vgl. Interview Trepied 1968, Übersetzung in: Dickhoff 1994, S. 61-65, S. 61. – Zur näheren Auseinandersetzung vgl. Borgemeister, Rainer [u. a.]: Vorträge zum filmischen Werk von Marcel Broodthaers. Köln 2001. 461 | Vgl. König 2012, S. 166. 462 | Vgl. Kapitel 5.1.3; Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974, S. 64-68. 463 | Benjamin Buchloh entlehnt den debordschen Begriff, um einen neuen Wert des Ausstellungswesens zu definieren, der mediengestützt um Aufmerksamkeit ringt. – Vgl. Rebentisch 2003, S. 206. 464 | Vgl. Brock, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983, S. 24.

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die parallel gezeigte Ausstellung »Der Adler vom Oligozän bis heute« den Schein des Kunstwerks auf, um reale Verhältnisse sichtbar zu machen.465 Die »Section Cinéma« als siebte Manifestation des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« bestand von Januar 1971 bis Oktober 1972, als Marcel Broodthaers sein fiktives Museum auf der fünften documenta in Kassel schloss.466 Dort präsentierte sich das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« mit drei Abteilungen: Während Broodthaers seine »Section Publicité« wie Oldenburg sein »Maus Museum« in der Abteilung »Museen von Künstlern« im Erdgeschoss der Neuen Galerie präsentierte, folgte in der Abteilung »Individuelle Mythologien« im ersten Obergeschoss der Neuen Galerie auf die »Section d’Art Moderne« (30. Juni bis 15. August 1972) die letzte Realisierung des fiktiven Museums.467 Hierfür wählte Broodthaers nicht nur eine neue thematische Sektionseinteilung, sondern benannte auch sein Museum um, das als »Musée d’Art Ancien, Département des Aigles, Galerie du XXème Siècle« für immer schloss.468 Hatte Broodthaers bereits mit den Sektionen zum 19. und 17. Jahrhundert im Rahmen seines Museums für moderne Kunst den vorgeblich wissenschaftlichen Anspruch der in Epochen eingeteilten fiktiven Museumsabteilungen ad absurdum geführt,469 so nahm er dieses Prinzip im letzten Sektionstitel seines Museums wieder auf, kehrte jedoch die zeitliche Abfolge um. Laut Titel handelte es sich nun um ein Museum für alte Kunst, das sich mit einer Sektion für das 20. Jahrhundert vorstellt. Damit spitzte sich die vormalige Ironie zu und markierte einen Prozess der Auflösung, ordnete Broodthaers doch sein eigenes Zeitalter selbst bereits in die Vergangenheit. Die »Section Publicité« rekurrierte auf die zu Beginn der documenta in Düsseldorf gezeigte Ausstellung »Der Adler vom Oligozän bis heute«. Ihr Fokus lag auf dem strategischen Einsatz des Herrschaftssymbols »Adler« in Werbematerialien. Mit der Thematisierung von Distributions- und Vermarktungsformen stellte sie zudem eine inhaltliche Verbindung zur »Section Financière« her.470 Die bis Mitte August 1972 im Obergeschoss der Neuen Galerie realisierte »Section Moderne« nahm diese Thematik auf, indem sie auf einer abgesperrten Bodenplatte die Inschrift »Privateigentum« ausstellte, während sich die fiktive Museumssektion in den physikalischen Raum der Neuen Galerie eingliederte und deren Wände durch Aufschriften in Beschlag nahm. Mit der sichtbaren Abgrenzung eine Stücks Ausstellungsfläche und dessen Etikettierung als »Privateigentum« warf Broodthaers mit seinem fiktiven Museum innerhalb des realen Museums die Frage nach der Territorialmacht innerhalb der öffentlichen Kunstinstitution auf. Diese Interpretation wird durch die damaligen Schriftzüge auf den Fenstern gestützt. Deren transparente Fläche wurde von den aufgeklebten Lettern als physikalische Grenze betont. Nach außen verkündeten sie weithin lesbar den Inhalt des Gebäudes, machten auf das »Museum – Musée« aufmerksam. Auf der Innenseite hatte Broodthaers hingegen die Beschriftung 465 | Pelzer, Birgit: Die symbolischen Strategien des »Semblant« (Schein). In: Borgemeister [u. a.] 2001, S. 45-73, insbes. S. 72. 466 | Vgl. König 2012, S. 24. 467 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 228-231; Kapitel 4.2. 468 | Vgl. Broodthaers 1973, S. 79. 469 | Vgl. Kapitel 4.2. 470 | Für ausführlichere Erläuterungen hierzu vgl. Kapitel 4.2.

Aneignung und Subversion

»Fig. 0« angebracht. Als paradoxes Zeichen wies diese ihren eigenen Referenzpunkt als nichtig aus. Kann sie damit einerseits als Vorzeichen des nahenden Endes der fiktiven Institution gelten, gibt Broodthaers in seinem Text »Le degré zéro« einen weiteren Hinweis. Dort führt er aus, dass jede Ausstellungsrealisation einen Kompromiss darstellt zwischen Institutionen, Individuen und der Gesellschaft.471 »Fig. 0« kann in dieser Hinsicht auch als »Platzhalter«472 für den wechselnden Ausstellungsinhalt stehen. In Bezug auf den konkreten Ausstellungszusammenhang kann die Inschrift der Bodenplatte ferner als ironische Anspielung auf den thematischen Abteilungstitel der documenta gelesen werden. Die Bezeichnung der »Individuellen Mythologien« schien die Individualität des Künstlers als einzige Verbindlichkeit für die künstlerische Schöpfung einzusetzen, sodass Broodthaers mit der ausgestellten Bodenplatte sein fiktives Museum buchstäblich als sein Eigentum deklarierte.473 Mit dem Sektionswechsel änderte Broodthaers auch die Bodeninschrift. Die französischen Verben »Ecrire«, »Peindre«, »Copier«, »figurer«, »Parler«, »former«, »Rêver«, »Echanger«, »faire«, »Informer«, »Pouvoir«474 verweisen auf die Bereiche schöpferischer Tätigkeit, Produktion, Inspiration und erneut auf den Bereich der Distribution, die – identifiziert man das abschließende Wort »pouvoir«475 nicht als Verb, sondern als Substantiv – Macht bedeutet. Die Wortgruppe spielt damit auf die konventionelle und akut gegebene Situation der Kunst an, die vom Künstler erschaffen, aus der Privatheit in die Öffentlichkeit gelangt, um dort vermarktet zu werden. Die erfolgreiche Vermarktung ermöglicht dem Künstler dabei zunächst die generelle Existenzsicherung.476 Zunehmender Erfolg sorgt dementsprechend für zunehmende diskursive wie finanzielle Macht im Kunstmilieu. Wie die Rahmung der Inschrift innerhalb der fiktiven Museumssektion allerdings hervorhebt, bleibt dieser potenzielle Machtgewinn im institutionellen Feld eingeschlossen. Die Absperrbänder definieren den Machtbezirk als territorial und materiell konstituiert und machen damit sichtbar, dass der am Kunstwerk festgemachte Erfolg schließlich nicht am Künstler, sondern an dem von ihm geschaffenen Objekt haften bleibt. Tatsächliche Macht gewinnt somit immer der Besitzer des Kunstwerks, in der Regel die vertreibende Institution, nicht sein Schöpfer.

471 | Vgl. Broodthaers, Marcel: Le degré zéro. In: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 231. 472 | Zwirner 1997, S. 135. 473 | Vgl. Zwirner 1997, S. 134. – Allerdings wurde der Begriff der »Individuellen Mythologien« für seine Vagheit bekannt. – Vgl. Szeemann, Harald: Individuelle Mythologien. In: ders. 1981 (a), S. 87-92. – Auch Johannes Cladders bezog sich mit seinem Einleitungsartikel »Die Realität der Kunst als Thema der Kunst« eher auf den allgemeinen documenta-Titel »Befragung der Realität« und gab keine Definition des Abteilungstitels. – Vgl. Cladders, in: Ausst.Kat. d5 1972, S. 16.1-16.5. 474 | Vgl. Kapitel 4.2. – Die wechselnde Groß- und Kleinschreibung folgt der originalen Schreibweise. – Vgl. Abb., in: König 2012, S. 95. 475 | Das französische Wort »pouvoir« steht sowohl als Hilfsverb »können« als auch für das Substantiv »Macht«. 476 | Zur modernen Abgrenzung autonomer Kunstschöpfung und bürgerlicher Erwerbstätigkeit sowie deren wirtschaftlichen Konsequenzen vgl. Ruppert 2000.

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Dass die herkömmlichen Orte der Kunstwahrnehmung, Museum oder Galerie, nicht als neutrale Behältnisse der Kunsterfahrung gelten können,477 hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Künstler dazu veranlasst, ihre Werke außerhalb dieser institutionellen Einrichtungen, in alternativen Räumen zu zeigen oder gar als Objekte in der freien Natur entstehen zu lassen. Anstatt einer Flucht aus den Institutionen begeben sich Broodthaers und Oldenburg mit ihren fiktiven Institutionen bewusst in konventionelle Ausstellungsräume, um diese in dialektischer Vorgehensweise als vorgeprägte Diskursfelder und »sozial[e] Gebilde«478 zu markieren. Broodthaers’ Adlermuseum ließ sich ohne sichtbare Demarkationslinie im vorhandenen Ausstellungsraum nieder, ging eine Symbiose mit diesem ein und verunklärte auf diese Weise gegebene Parameter, die durch die architektonische Rahmung der Institution gewährleistet schienen. Oldenburgs »Maus Museum« war durch seine mobile Architektur eindeutig als Raum im Raum gekennzeichnet und stellte hinter seiner Schwelle durch die spiegelbildliche Anwendung der in seinem Umraum herrschenden Konventionen eben diese zur Schau. Formgebende Struktur, Innenraumgestaltung und Namensgebung stehen in Oldenburgs Künstlermuseum in einem komplexen Geflecht aus Mehrfachcodierungen, die in gegenseitigen Verweisen und Bezugnahmen, vorhandene Typen, Formen und deren Konnotationen spielerisch aufgreifen und um das persönliche, ikonische Vokabular des Künstlers anreichern. Der dem »Maus Museum« eigene Raum ist somit auf mehreren Ebenen zeichenhaft und kann nicht mithilfe einer einseitigen Interpretation ausgelegt werden.

Jörg Immendorff, »LIDL« Betrachtet man die einzelnen »LIDL«-Aktionen in chronologischer Abfolge, wird sichtbar, dass das Motiv des Raumes eine zentrale Konstante der Arbeit bildet. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs das Bewusstsein für die tatsächliche Reziprozität von Kunst und ihrem direkten Umraum zunehmend. Jedes Kunstwerk wurde nun im Verhältnis zu dem ihn umgebenden Raum und Kontext und zu seiner räumlichen Interaktion mit diesem gesehen. Dieses Bewusstsein stieg im Verlauf des Jahrhunderts weiter an und führte dazu, dass bis heute der Wert und die Bedeutung eines Kunstwerks von seiner Platzierung innerhalb eines speziellen Umfelds determiniert wird.479 Düsseldorf bot in den 1960er Jahren ein Umfeld, das zu einem »internationalen Brennpunkt«480 künstlerischer Begegnungen und Innovationen wurde. Neben der für Unruhe und Bewegung sorgenden Akademie, waren es vor allem Düsseldorfer Galerien, die junge, vom Kunstbetrieb noch nicht anerkannte Positionen stärkten und eine neuartige Macht innerhalb des Kunstbetriebes ausbauten.481 Früh erhielt auch der Beuys-Schüler Immendorff die Möglichkeit, beim renommierten Galeristen Alfred Schmela auszustellen. Laut Aussage des Künstlers war 477 | Vgl. Barker 1999, S. 8; Schramm 2014, S. 29-32. 478 | Möntmann 2002, S. 9. 479 | Vgl. Ausst.-Kat., B76 – La Biennale di Venezia. Section of Visual Arts and Architecture. General Catalogue, 2 Bde., Venedig, Biennale, 1976, S. 189. 480 | Wiese, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 10. 481 | Vgl. Gohr, Siegfried: Die Künste von 1960 bis 1985. In: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 178-187, S. 180.

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es die Nachwirkung dieser ersten und schlechten Erfahrung mit dem kommerziellen Kunstmarkt, die ihn dazu veranlasste, mit der Gründung des »LIDL-Raumes« einen alternativen Ausstellungs- und damit Vertriebsraum zu schaffen.482 Im Verlauf der »LIDL«-Aktivitäten verlagerte sich die Denotation des Begriffs vom »LIDLRaum« allerdings zunehmend. Um »LIDL« als ein künstlerisches Konzept, das die Befragung tradierter ästhetischer Produktions- und Werkmaßstäbe beabsichtigt, zu realisieren, war es die erste Handlung der »LIDL«-Anhänger, einen Ort für ihre Kunst zu finden. Über die Funktion eines reinen Schau- und Verkaufsraumes hinaus, beschreibt das Flugblatt anlässlich der Eröffnung des ersten »LIDL-Raumes« in der Düsseldorfer Blücherstraße dessen Intention ausführlicher als »Plattform für die Arbeit und Zusammenarbeit«483 von Chris Reinecke und Jörg Immendorff. Durch die Zusammenlegung von Produktions- und Präsentationsstätte verfolgten die beiden Künstler ein Raumkonzept, das auf ein System vor der Ausdifferenzierung des institutionellen Kunstbetriebs im 19. Jahrhundert mit seiner Vervielfältigung künstlerischer Ausstellungs- und damit Verkaufsmöglichkeiten zurückweist.484 In Erweiterung dessen wurde der erste »LIDL-Raum« zu einer Art künstlerischem Treffpunkt und Aktionsraum mit einem Programm unterschiedlichster Veranstaltungen.485 Im August 1968 thematisierte Immendorff die territoriale Machtfrage in verkleinertem Maßstab im Rahmen der Aktion »Tier-LIDL« innerhalb des »LIDL-(Miet-) Raumes«. Aus diesem Anlass ist eine Vielzahl kartographischer Arbeiten wie dem mehrteiligen Tafelwerk »Die Lidlstadt nimmt Gestalt an« (1968, Abb. 45) entstanden. Die Karte gilt in der kunsthistorischen Tradition bis ins 19. Jahrhundert als »Parabel der Malerei«486, beide fungierten als Abbilder der Welt. Auch die Bildtafeln des »Tier-LIDL« ahmen grafisch eine vorhandene räumliche Disposition nach. Ihre Vielzahl jedoch macht deutlich, dass sie sich nicht auf ein objektiv Gegebenes beziehen. Stattdessen zeugen sie in einzelnen Etappen von den Veränderungen der »Lidlstadt«, deren Grundriss nach den Bewegungen der Schildkröte innerhalb des »LIDL-Raumes« entstand.487 Als eine choreografische Serie erinnern die einzelnen Bildtafeln somit an die durch die Vielzahl unterschiedlicher Wege neu hergestellten Raumbezüge. Ihre Darstellungen bleiben an den Tafelrändern unabgeschlossen und lassen die Abbildung ausschnitthaft, fragmentarisch erscheinen. Als eine Folge sukzessiver Neukartierungen unterminiert das Tafelwerk somit die angenommene Stabilität geografischer Bezüge. Vielmehr bringt es die Relativität des realen 482 | Vgl. Kort 1993, S. 44; Kapitel 4.1. 483 | Immendorff 1973, S. 55; Kapitel 4.1. 484 | Vgl. Küster in: Locher [u. a.] 2004, S. 89; Crimp, Douglas: This is not a Museum of Art. In: ders.: On the Museum’s Ruins. Cambridge 1983, S. 200-234, S. 216; Bätschmann 1997, S. 94-97. 485 | Für eine ausführliche Auflistung der verschiedenen Veranstaltungen im »LIDL-Raum« 1968 vgl. Wiese, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 14-16. 486 | Brayer, Marie-Ange: Atlas der Künstlerkartographien. Landkarten als Maß bildlicher Fiktion in der Kunst des 20.  Jahrhunderts. In: Bianchi, Paolo, Folie, Sabine (Hg.): Atlas Mapping. Künstler als Kartographen – Kartographie als Kultur, Ausst.-Kat., Linz, Offenes Kunsthaus, Bregenz, Kunsthaus /  M agazin 4, 1997-1998, S. 21-38, S. 21. 487 | Vgl. Kapitel 5.1.1.

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Raumes zum Ausdruck, innerhalb dessen es eine Mehrzahl verschiedener Blickpunkte indexiert. Der räumliche »LIDL«-Begriff tauchte in der Aktion 1968 somit in doppelter Weise auf. Er bezeichnete einerseits den Aktionsort, das angemietete Lokal in der Düsseldorfer Blücherstraße, andererseits wurde er zum Bezugssystem und Maßstab der darin entstehenden imaginären Raumordnung. Abbildung 45:  Jörg Immendorff, »Die Lidlstadt nimmt Gestalt an«, 1968, zwölfteilig, Kreide / Holz, je 70 cm × 90 cm, Galerie Michael Werner

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Auf grafischer Ebene erscheinen innerhalb des mehrteiligen Tafelwerks neben den Wegzeichnungen auch schematische Darstellungen von Gebäuden mit rechteckigen Eingangs- und Fensteröffnungen. Diesem Entwurf folgend, emanzipierte sich der »LIDL-Raum« zunehmend von seiner ursprünglichen Denotation als lokalisierbarer Mietraum. Er trat gewissermaßen aus der imaginären Karte heraus und offenbarte seinen Charakter als »Kunstobjekt«488. Der »LIDL-Raum« wurde mobil und materialisierte sich bei unterschiedlichen Aktionen an verschiedenen Orten in 488 | So hatte Immendorff bereits den ersten, angemieteten »LIDL-Raum« bezeichnet. – Vgl. Immendorff in einem Brief an Gisela Krause, 4.4.1968, zitiert nach: Szeemann, in: Ausst.Kat. Zürich 1983-1984, S. 15.

Aneignung und Subversion

Form eines einfachen Verschlages aus Papier, Pappe und Brettern. Diese vergängliche und fragile Konstruktion wurde in Zusammenhang mit didaktischer Tätigkeit, insbesondere bei »LIDL«-Aktionen im akademischen Bereich als »LIDL-Klasse« bezeichnet,489 wohingegen Immendorff den weiter gefassten Begriff des »LIDLRaumes« für seine Installationen am Bonner Bundeshaus 1969 oder im Kunstmuseum Trier verwendete.490 Das bewegliche »architektonische Modell«491 sollte als »Arbeits- und Informa­ tionsmittel«492 dienen und wurde von Immendorff als »Beitragsmöglich­kei[t] in und an unserer Gesellschaft«493 gesehen. Dabei sollte die einfache und leichte Bauweise der Pappkonstruktion »die Mobilität der ›Lidlidee‹ verdeutlichen.«494 Als Manifestation einer utopischen Alternative zu bestehenden Ordnungen ist die grenzziehende Papiermembran des »LIDL-Raums« angreif bar und fällt, wie in Kapitel 5.1.2 gesehen, als neuartiges und unbekanntes Symbol der ikonoklastischen Zerstörung anheim.495 Die Fragilität des »LIDL«-Baus kontrastiert und unterstreicht dabei die Härte des Vorgehens der Autoritäten. Aus einer persönlichen Sprache erwachsen, repräsentierte das Papphäuschen weiterhin die kooperative Absicht des ersten »LIDL-Raumes« in der Düsseldorfer Innenstadt. So stellte Immendorff gegenüber Pamela Kort 2005 fest: [D]as ist eine Raum-Formel. Es ist kein Straßenhaus nachgebaut, mit Schornstein und Giebel oder richtiger Tür drin. Es ist wie ein Symbol für Raum. Nimm die Aktion 1969 in Bonn – da habe ich einen Raum, da passt gerade ein Mensch rein und dieses Papier. Es ist zusammenbaubar und wieder wegnehmbar, es ist verletzlich, bei Regen weicht es auf. Warum bin ich also mit diesem Ding dahin gegangen? Ich bin dahin gegangen an die Machtzentrale, habe das Haus direkt an die Machtzentrale gestellt, als Zelle, als Raumzelle. Bei den Bienen sagst Du Waben dazu, da kommt eine Wabe zur anderen und es wird zu einer großen Bienenstadt oder Bienengesellschaft. […] Ich wollte klar machen: Jeder ist Bestandteil des demokratischen Prozesses – und muss sich darüber klar werden. Sonst kann er nicht mitsprechen.496

Der begehbare Pappverschlag des »LIDL-Raums« vergegenwärtigte bei Aktionen das Territorium eines freien Engagements und unabhängiger Meinungsäußerung. Als mobile, kreative Zelle, konnte er von jedem »LIDL«-Anhänger dort realisiert werden, wo er es für nötig erachtete. Zu diesem Zweck verteilte Immendorff an der 489 | Vgl. Immendorff 1973, S. 90-91. 490 | Vgl. Immendorff 1973, S. 95-98; Zeitungsartikel in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1969-01-03 / 81-02; Ausst.-Kat. Eindhoven 1980, S. 55-56. 491 | »Erklärung zum LIDLJUBILÄUM am 31.1.69 um 16 Uhr in Bonn am Bundeshaus«, zitiert nach: Immendorff 1973, S. 94. 492 | »Erklärung zum LIDLJUBILÄUM am 31.1.69 um 16 Uhr in Bonn am Bundeshaus«, zitiert nach: Immendorff 1973, S. 94. 493 | »Erklärung zum LIDLJUBILÄUM am 31.1.69 um 16 Uhr in Bonn am Bundeshaus«, zitiert nach: Immendorff 1973, S. 94. 494 | Immendorff 1973, S. 99. 495 | Vgl. des Weiteren Kapitel 4.1.. 496 | Vgl. »Jörg Immendorff spricht zu Pamela Kort über seine Stadt, 26.4.2005«, in: Ausst.Kat. Berlin 2005, S. 19-20.

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zur »LIDL-Akademie« erklärten Karlsruher Akademie der Bildenden Künste 1968 eine Anleitung zum Bau der »LIDL-Klasse«.497 Dass der Einzelne sprichwörtlich die Macht hat, an festgefahrenen Machtmechanismen und Institutionen zu »nagen«, stellte Immendorff ebenfalls mit Hilfe seines Papphäuschens schalkhaft unter Beweis. So baute er im April 1969 bei einer Ausstellung der Beuys-Klasse einen »LIDLRaum« an das Städtische Museum Trier und begann, ein Loch in die Außenmauer des Ausstellungshauses zu graben.498 Abbildung 46:  Jörg Immendorff, »Lidl-Akademie«, 1969, Papier / Holz / Stempeldruck, 25,4  cm × 24,8  cm × 34,9  cm, Galerie Michael Werner

© Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Nach demselben Prinzip der begehbaren Papierhäuser entstanden in der Folge kleinformatige Modelle des mobilen »LIDL-Raumes«, die im Verbund unter497 | Vgl. Immendorff 1973, S. 90-91. 498 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 56. – Zur Ausstellung im Trierer Simeonstift allgemein vgl. Stüttgen 2008, S. 503-530.

Aneignung und Subversion

schiedliche Funktionen übernehmen konnten (Abb. 46). Beispielsweise bildeten auf einem Flugblatt des Büro Olympia von 1969 die einfachen Kartonhäuser mit rechteckigen Tür- und Fensteröffnungen die Bebauung eines visionären Trainingslagers.499 Eben solch ein Modellraum, der mit der Aufschrift »Akademie« versehen war, wurde bei der Schließung der Düsseldorfer Kunstakademie im Mai 1969 beschlagnahmt.500 Diese schlichten, »schuhkartonähnlichen«501 Häuser wurden in der Folge zu einem festen Bestandteil von Immendorffs bildnerischem Vokabular, das sich bis zu seinem Tod durch sein Werk zog. So installierte der Künstler noch 2005 anlässlich seiner Berliner Retrospektive ein »Dorf«502 aus großformatigen Schachtelhäusern im Obergeschoss der Berliner Nationalgalerie. Ein Raumkubus umfasste dort eine thematische Station oder eine Schaffensphase des Künstlerœuvres. Neben »LIDL« erwähnt der Pressetext der Nationalgalerie noch einen weiteren Werkkomplex explizit, mit dem Immendorff seit den 1980er Jahren internationale Bekanntheit erreicht hat: seine 19-teilige »Café Deutschland«-Serie (1978-1982, Abb. 47).503 Zu Thematik und Auf bau der stark bevölkerten Szenen dieser Reihe wurde Immendorff durch Renato Guttosos »Caffè Greco« bei einer Einzelausstellung in Köln inspiriert.504 Während Guttosos Bildfindung verschiedene historische Persönlichkeiten in einem berühmten römischen Lokal zusammentreffen lässt, bietet Immendorffs »Café Deutschland« Einblick in den Raum eines imaginären Nachtclubs. Dieser stellt den Ort zur fiktiven Begegnung mit seinem ostdeutschen Malerkollegen A. R. Penck dar,505 den er 1976 kennenlernte und mit dem er in einem künstlerischen Dialog die innerdeutsche Grenze zu überwinden suchte.506 Markierte die Papierhülle des »LIDL-Raums« eine »Traumwelt«, in der die Vorstellung einer anderen, eventuell utopischen Existenz gelebt werden konnte, so diente das Café Immendorff als geschichtsträchtiger Ort der Zusammenkunft, des Gesprächs und Austauschs. Für den Künstler war dies der ikonografische Rahmen einer »schlafenden Gesellschaftskritik«507, »in dem sich mutmaßliche Schicksa-

499 | Vgl. Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 29. 500 | Vgl. Zeitungsartikel »Trotz Hausverbot wird weitergelidlt« von Karlheinz Welkens, 3.1.1969, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z-1969-01-03  / 81-02. 501 | Hüsch, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 13. 502 | Storr, Robert: A »Painter’s Progress«. In: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 32-39, S. 32. 503 | Vgl. Harten, Jürgen: Wunschtrauer. In: Ausst.-Kat., Café Deutschland. Adlerhälfte, Düsseldorf, Kunsthalle, 1982, S. 3-5, S. 3. – Vgl. des Weiteren: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, Basel, Kunstmuseum Basel, 1979; Ausst.-Kat., Malermut rundum, Bern, Kunsthalle, 1980; Ausst.- Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, Köln / N ew York, Galerie Michael Werner 2014. 504 | Vgl. Elliot, David: Das letzte Café. In: Ausst.-Kat. Köln / N ew York 2014, o. S. 505 | Vgl. Gachnang, Johannes: Weitere Gedanken zu den neuen Bildern von Jörg Immendorff. In: Ausst.-Kat. Bern 1980, S. 7-9, S. 8. 506 | Vgl. Kort 1993, S. 63-66; Graw, Isabelle: Szenen einer Freundschaft. In: Ausst.-Kat., Immendorff × Penck. Penck × Immendorff. Rekonstruktion einer Ausstellung von 1977. Köln / N ew York, Galerie Michael Werner 2000, o. S. 507 | Elliott, in: Ausst.-Kat. Köln / N ew York 2014, o. S.

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le erfüllen sollten.«508 Wie in Bezug auf »LIDL« hat sich auch der Blick auf die Serie des »Café Deutschland« zumeist auf die abgebildete Thematik und ihren politischen Inhalt beschränkt. Demgegenüber scheint es angemessen, die Stringenz des gestalterischen Denkens im künstlerischen Gesamtœuvre Immendorffs hervorzuheben.509 Abbildung 47:  Jörg Immendorff, »Café Deutschland I«, 1978, Acryl / Leinwand, 282 cm × 320 cm, Sammlung Ludwig, Aachen

© The Estate of Jörg Immendorff, Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

Jörg Immendorff begann seine Künstlerausbildung nicht in der Klasse Joseph Beuys’, sondern im Fach Bühnenbild bei Teo Otto.510 Diesbezüglich wurde die Bühnenhaftigkeit der großformatigen »Café Deutschland«-Serie wiederholt betont,511 deren markante Perspektive »die zahlreichen Elemente aufeinander schleudert – und natürlich dem Betrachter entgegen«512 . Mit dieser Komposition gelang es Immendorff, den appellativen Charakter der »LIDL«-Zeit, den er früher zumeist durch die Anreicherung seiner Gemälde mit schriftlichen Elementen erreichte, in

508 | Storr, Robert: Jörg Immendorff. Ein Mann mit vielen Gesichtern. In: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 140-151, S. 144. 509 | Vgl. Hegyi, Lóránd: Jörg Immendorff. In: Ausst.-Kat. Malfiguren, Wien, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, 1994, S. 44-48, S. 46. 510 | Vgl. Storr, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 35. 511 | Vgl. Dietrich, Dorothea: Lidl. In: Ausst.-Kat. Köln 1992, S. 13-17; Koepplin, Dieter: Jörg Immendorffs »Café Deutschland«. In: Ausst.-Kat. Basel 1979, S. 9-15, S. 11. 512 | Millet, Catherine: Jörg Immendorffs bessere Welt. In: Wilmes, Ulrich (Hg.): DC: Jörg Immendorff. Standort für Kritik, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2004, S. 9-30, S. 13.

Aneignung und Subversion

die Struktur des Gemäldes selbst zu verlagern.513 Der Betrachter des imaginären Innenraums wird somit klar adressiert. Seine Position ist in den Werken folglich ebenso reflektiert wie die Zusammensetzung der hybriden Café-Gesellschaft. Sie besteht aus identifizierbaren Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, Politikern, Künstlern und Intellektuellen sowie aus phantastischen Figuren, die der persönlichen Ikonografie des Künstlers oder mythologischen Quellen entstammen. Zusammen mit den dargestellten Objekten und Phänomenen vereint sie im Bildraum sozialhistorische Realität, kulturelles Gedächtnis und subjektive Imagination des Künstlers in einer hybriden Szene.514 Diese bildet jedoch keine nachvollziehbare Handlung auf dem einheitlichen Niveau einer zum Zuschauer hin geöffneten Guckkastenbühne ab.515 Vielmehr wird der Blick des Betrachters durch die sogartige Wirkung der dunklen Diskothek auf eine Situation in einen Aktionsraum gelenkt.516 In unterschiedlichen Rängen gestaffelt, lässt dieser das mimetische Prinzip einer Tiefenperspektive hinter sich. Der Ort des Bildgeschehens ist somit weniger mit der Bühne als mit dem Theatersaal insgesamt zu identifizieren, dem Raum, in dem gegebene Regeln außer Kraft gesetzt, Dinge neuen Sinn erhalten und dadurch die Grenze zwischen Fiktion und Realität ständig neu verhandelt wird.517 Das Bild repräsentiert dabei die subjektive Formulierung des Künstlers, der starre Strukturen auf bricht und die Aufmerksamkeit des Betrachters durch perspektivische Linien und Farbkomposition auf einzelne Aspekte lenkt.518 Sie sind im Zusammenhang nicht sofort und eindeutig zu entziffern und laden den Rezipienten zu einem Dialog des Bildgeschehens mit seinen eigenen Erfahrungen. Dabei stellt das Theater nicht einen Lebensausschnitt dar, sondern spiegelt im Modus des »Als-ob« selbst die Struktur der Wirklichkeit. Demgemäß begründete Immendorff die Wahl des Café-Motivs in der Gleichsetzung desselben sowohl mit dem Theater als auch mit der Straße.519 In diesem Vergleich lebt die Idee des »LIDL-Raums« weiter. Die sich somit im Raumgedanken ausdrückende Absicht zur Kooperation realisierte Immendorff mit A. R. Penck und kommentierte diese: Ich habe das mal mit »kreative Allianz« bezeichnet, die existent ist: verschiedene Menschen malen unter ähnlichen Bedingungen, aber mit einem verschiedenen Wollen. Dadurch stellen wir einen imaginären kulturellen Raum auf. Dieser beruht auf einer Behauptungsstrategie: 513 | Gohr, Siegfried: Hallo Guttoso! Immendorff korrigiert den politischen Realismus. In: Ausst.-Kat. Köln /  N ew York 2014, o. S. 514 | Vgl. Kaeppelin, Olivier: Palais Royal. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Les théâtres de la peinture, Saint-Paul de Vence, Fondation Maeght, 2015, S. 7-13, S. 8. 515 | Vgl. Gohr, Siegfried: Immendorffs Weltlandschaft. Elemente zu ihrer Beschreibung und Deutung. In: Ausst.-Kat., Immendorff, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Den Haag, Haags Gemeentemuseum, 1992, S. 23-31, S. 26. 516 | Vgl. Thierolf, in: Ausst.-Kat. Augsburg 2014-2015, S. 12. 517 | Vgl. Gohr, in: Ausst.-Kat. Rotterdam 1992, S. 27. 518 | Vgl. Koepplin, in: Ausst.-Kat. Basel 1979, S. 12. – Im Gespräch mit Pamela Kort vergleicht Immendorff die Struktur des Theaters mit der autoritären Hierarchie des Internats und benennt diese zugleich als Grund, weshalb er sich gegen eine Arbeit am Theater entschied. – Vgl. Kort 1993, S. 16. 519 | Vgl.»Jörg Immendorff. Le peintre et le secret des ses formules folles«. Interview par Catherine Millet. In: Art press, Nr. 177, 1993, S. 10-16, S. 14.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie Wir behaupten, dass wir den Raum realisieren. Wichtig ist dann, dass und wie er gefüllt und belebt wird. 520

So wie der »LIDL«-Raum als autarke Zone zum Versuch neuer Arbeitszusammenhänge und -prozesse diente, die sich an vorgefundenen Verhältnissen abarbeiteten, so offenbart das spätere Œuvre Immendorffs die Funktion der traditionellen Fläche des Gemäldes als Ort der Imagination, des Kommentars und der Alternative zur alltäglich erlebten Realität. Die Interdependenz von imaginativem und realem Raum und Geschehen kristallisiert sich an der Person des Künstlers, der sich als Schöpfer und Akteur durch das Selbstbildnis zentral in »Café Deutschland I« wiederfindet.521 Frontal erwidert er den Blick des Betrachters und destabilistert damit die Grenze zwischen den beiden Seiten, zwischen Innen und Außen, zwischen Betrachter und Betrachtetem.522 Retrospektiv lässt sich folglich die Entwicklung von der Initiative des »LIDLRaums« in einem einfachen Mietverhältnis hin zu einem Konzeptraum festhalten. Er reicht auf diese Weise deutlich über zeitgleiche Düsseldorfer Künstlerinitiativen wie der »Creamcheese«523-Kneipe von Günther Uecker, Lutz Mommartz und Ferdinand Kriwet oder dem Ausstellungsraum524 Konrad Fischers hinaus. Sie folgten ebenfalls der Idee einer expansiven Kunsttätigkeit, um in alternativen Räumen den Menschen neu zu begegnen und diese in den kreativen Prozess miteinzubeziehen. Demgegenüber wurde jedoch der »LIDL-Raum« zur plastischen Verkörperung dieser Idee und zu einem künstlerischen Motiv, das die Partizipation und Wirksamkeit von künstlerischer Tätigkeit in der Gesellschaft thematisierte: »Ich habe immer die jeweilige Situation zum Material meiner Arbeit gemacht.«525 »LIDL« manifestierte das Interdependenzverhältnis von vorgefundener Realität und künstlerischer Transformation. Dafür bedienten sich die »LIDL«-Aktionen eines im Kontext der allgemeinen Unruhen in den 1960er Jahren häufig verwendeten Mittels zur Selbstermächtigung, der Besetzung öffentlicher Plätze und Gebäude. Diese Vorgehensweise führte bei der »LIDL-Arbeitswoche« zum unlösbaren Widerspruch mit der Akademieleitung. Wie anhand eines Auszugs aus dem Gesprächsprotokoll zwischen Vertretern des AStA und Professor Lübbe, Staatssekretär am Kultusministerium NRW, bezüglich der Schließung der Staatlichen Akademie Düsseldorf im Mai 1969 ersichtlich wird, beriefen sich AStA und »LIDL« auf die Freiheit der Kunst und die institutionelle Bestimmung der Kunstakademie als Arbeitsort der Studenten. Durch die Definition der Veranstaltung als »LIDL-Arbeitswoche« wurde ihre Konformität mit dieser Zweckmäßigkeit sichergestellt. Das 520 | Immendorff zitiert nach: Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 44. 521 | Vgl. Koepplin, in: Ausst.-Kat. Basel 1979, S. 10. 522 | Vgl. Grenier, Catherine: D’une Allemagne l’Autre. In: Ausst.-Kat., Immendorff. Is it about a bicycle?, Centre Georges Pompidou, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle, Paris 1993, o. S. 523 | Vgl. Chronik., in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 14; Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 120. 524 | Vgl. Andre, Carl: Footnote to a 25 year old Gallery. In: Fischer, Dorothee (Hg.): Ausstellungen bei Konrad Fischer. Düsseldorf Oktober 1967 bis Oktober 1992. Bielefeld 1993, o. S. 525 | Jörg Immendorff zitiert nach: Klappentext Kort 1993.

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Kultusministerium hingegen beschloss, dass die Übernachtung der Tagungsteilnehmer »nichts mit künstlerischer Arbeit zu tun«526 habe. Vor Beginn der Arbeitswoche war bereits ein präventiver Versuch des Akademiedirektors Trier, die Veranstaltung zu unterbinden, fehlgeschlagen. Dieser hatte den Raummangel an der Akademie als Argument angeführt, woraufhin die Professoren Beuys, Wimmenauer und Warnach ihre Ateliers zur Verfügung stellten.527 Einen Monat später verfasste Chris Reinecke einige »Klärungsversuche« zu den Geschehnissen um die »LIDL-Arbeitswoche« und hielt darin die Absicht der Veranstaltung fest: Die Konception [sic!] der LIDL-WOCHE ist die Fortführung der bisher im LIDL-RAUM geleisteten Arbeit […]. Unsere, Im [sic!] Raum entwickelten Erkenntise [sic!] und Arbeitsergebnisse sollten waehrend der LIDL-WOCHE mit den Gegebenheiten innerhalb des Gebaeudes der Kunstakademie zusammentreffen, d. h. wir wollten unsere Arbeit für eine Woche in den Bau der Akademie, zu den Wirkenden verlegen. 528

Michel Certeau definiert in seiner »Kunst des Handelns«529 zwei Weisen des Raumes, die in Interdependenz mit zwei Weisen der Wahrnehmung stehen. Während die Raumform des »lieu« durch das Sehen bestimmt ist, wird der »espace« im Gehen erfahren, was den dualen Taktiken von »carte« und »parcours« entspricht. Mit Blick auf die Wissenschaftsgeschichte konstatiert Certeau diesbezüglich eine allmähliche Bedeutungsverschiebung zugunsten des abstrakten Sehraums und der ihm entsprechenden Technik der Kartographie.530 Nach den ersten kartographischen Werken der Aktion »Tier-LIDL«, stellte sich Immendorff mit der materiellen Präsenz des Papphauses gegen eine solche Entwicklung und machte im Akt der Besetzung die unsichtbaren Grenzen institutioneller und territorialer Machtbezirke sichtbar. Zugleich wahrte Immendorff wie die übrigen fiktiven Institutionen durch Berufung auf spielerische Verhaltensweisen und künstlerische Freiheit den idealen Raum autarker Kunst, die sich unabhängig realer Raum- und Machtgrenzen ausbreiten kann. Während das »Maus Museum« mit seiner architektonischen Struktur eine klare Grenze zwischen dem real existierenden Ausstellungsraum und der künstlerischen Werkfiktion zog, deren raumbildende Form eine bedeutungsstiftende Einheit mit der Sammlung des Künstlermuseums einging, überschritten die Sektionen von Broodthaers’ »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« institutionelle Demarkationslinien. Sie besetzten öffentliche Räume und nutzten den institutionellen Rahmen, um ihre Fiktion zu verorten, in der gegebene Wahrnehmungs- und Wertungskriterien außer Kraft traten. Der »LIDL-Raum« Jörg Immendorffs spiel-

526 | Stüttgen 2008, S. 563. 527 | Vgl. Lange 1999, S. 147-148. 528 | »Klärungsversuche zur LIDL-Woche vom 5.5.69 bis ca. 12.5.69«, Schreiben Chris Reineckes vom 14.6.1969, zitiert nach: Faksimile in: Interfunktionen, 3 / 1969, o. S. 529 | Vgl. Certeau, Michel: L’invention du quotidien. Arts de faire. Paris 1980. 530 | Vgl. Wagner, Kirsten: Gehraum, Sehraum, Tastraum. Zur Formation des anthropologischen Raums auf physiologischem Feld. In: Echterhölter / D ärmann 2013, S. 219-238, S. 219.

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te mit eben diesen alltäglichen Grenzziehungen, die Ausdruck territorialer Machtsysteme sind. Alle drei Künstler thematisierten demnach mit ihren fiktiven Institutionen wie im öffentlichen Raum Welt angeeignet und aufgeteilt wird und wie dort Weisen der Weltwahrnehmung geformt, bestimmt und diszipliniert werden. Indem sie den alltäglichen Raum als eine von Machtdiskursen durchdrungene soziale Konstruktion sichtbar machten, warfen sie auch die Frage nach der Verortung des individuellen Subjekts, seiner Sichtweisen und Perspektiven innerhalb dieser Struktur auf.531

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« Über die Appropriation öffentlicher Räume hinaus, fungierte Raum in den beschriebenen fiktiven Institutionen als Denkfigur, die das Werk organisiert, strukturiert und ihm eine paratextuelle Sinnebene verleiht. Diese Vorgehensweise findet auf dem Gebiet der Literatur in den 1970er Jahren ein Pendant. Nach der Publikation von Italo Calvinos »Le città invisibili«532 von 1972, veröffentlichte Georges Perec 1978 in Paris seinen Roman »La Vie mode d’emploi«533. Beide Autoren gehörten dem experimentellen Literatenkreis der »Ouvroir de Littérature Potentielle« an, der durch formale Neuerungen eine Erweiterung sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten anstrebte.534 In den genannten Werken geben die Autoren das herkömmlich lineare narrative Prinzip zugunsten einer räumlichen Ausdehnung der textlichen Struktur auf. Beide Werke sind nicht mehr primär anhand inhaltlicher Aspekte zu typologisieren, sondern werden von einem tektonisch-topologischen Aufbaumodell fundiert, dessen äußere Rahmenerzählung separate Einzeltexte verbindet.535 Die äußere Struktur orientiert sich in beiden Fällen an Grundrissen und Raumgefügen fiktiver Städte und Gebäude, die die Basis für die Einteilung und Abfolge der Kapitel bilden.536 Der auf diese Weise literarisch konstruierte Raum erfordert ein kombinatorisches Lesen, bei dem sich die verschiedenen diegetischen Ebenen immer wieder miteinander verflechten.537 Diese Präzedenz der Textkomposition vor einer kontinuierlichen Erzählhandlung weicht von herkömmlichen Orientierungsmaßstäben der Lektüre ab und erfordert vom Leser eine verstärkte visuelle Aufmerksamkeit. Perec erhöht diesen Anspruch noch, indem er die geometrische Anordnung der Textstruktur, sowie die Erscheinung des fiktiven Wohnhauses seiner Erzählung 531 | Vgl. Goodman 1998, S. 31-32. 532 | Calvino, Italo: Le città invisibili. Mailand 1995 [1972]. 533 | Perec, Georges: La Vie mode d’emploi. Paris 2011 [1978]. 534 | Zu Geschichte und Ausrichtung der Gruppierung »Oulipo« vgl. Poier-Bernhard, Astrid: Texte nach Bauplan: Studien zur zeitgenössischen ludisch-methodischen Literatur in Frankreich und Italien. Heidelberg 2012; Overbeck, Renate: Georges Perec: Das Leben eine Gebrauchsanweisung. Der Roman als Puzzle. Annweiler a. T. 2003, insbes. S. 34-36. 535 | Vgl. Ernst, Ulrich: Manier als Experiment in der europäischen Literatur. Aleatorik und Sprachmagie. Tektonismus und Ikonozität. Zugriffe auf innovative Potentiale in Lyrik und Roman. Heidelberg 2009, S. 319-320. 536 | Vgl. Ernst 2009, S. 370-372, S. 377-378; Nannicini Streitberger, Chiara: La Revanche de la Discontinuité. Boulversement du récit chez Bachmann, Calvino et Perec. Brüssel [u. a.] 2009, S. 137-139. 537 | Vgl. Nannicini Streitberger 2009, S. 170. – Zum Begriff der Diegese vgl. Genette, Gérard: Die Erzählung. München 1994, insbes. S. 201-202, S. 249-256.

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durch Diagramme und Zeichnungen im Anhang des Buches grafisch vergegenwärtigt.538 Während sich Calvino auf die Ekphrasis der 55 Städte beschränkt und deren imaginativen Charakter durch das titelgebende Attribut »unsichtbar« unterstreicht, markiert in Perecs Roman gerade die Komplementierung der narrativen Deskription durch die Abbildungen den zeichenhaften, nicht-visuellen Repräsentationscharakter der Schrift. Das seinem Roman vorangestellte Zitat aus Jules Vernes »Michel Strogoff«: »Regarde de tous tes yeux, regarde«539 wird in dieser Hinsicht zu einer doppeldeutigen Aufforderung an den Rezipienten. Dessen Blick auf das Werk führt zu einer inneren Anschauung, zur Imagination, durch die er nach Duchamps Diktum das Werk vollendet.540 Analog hierzu hielt Maurice Merleau-Ponty bereits 1945 in seiner »Phänomenologie der Wahrnehmung« den Anspruch fest: So wäre etwa zu zeigen, wie auch die ästhetische Wahrnehmung eine eigene Räumlichkeit eröffnet; daß ein Bild als Kunstwerk nicht in demselben Raum ist, in dem es als physikalisches Ding und gefärbte Leinwand zugehört.541 Mit der Ausstellung seiner »Académie Worosis Kiga« 1982 fächerte Gérard Gasiorowski diese beiden Räume auf. Dabei verquickte er die literarische Vorgehensweise seiner Zeitgenossen mit der dreidimensionalen Disposition der Ausstellungobjekte. Während die Texte Calvinos und Perecs von utopischen Städten und imaginären Zimmern sprechen, die zugleich als Indikatoren für die strukturelle Ordnung des Textes dienen, erwähnen die Auszüge aus dem Beobachterbericht lediglich den fiktiven Gründungsort der Akademie. Laut den ausgestellten Auszügen aus den »Carnets« wurde die »A.W.K.« im Januar 1976 auf dem Plateau der Artigues, an der sogenannten »Combe de Mons« gegründet.542 Die Präzision der Beschreibung signalisiert dem Leser Stichhaltigkeit, die sich bei Kenntnis der französischen Geografie bestätigt, denn als »Artigues« ist dort eine real existierende Region in den französischen Pyrenäen benannt und die Bezeichnung »Combe de Mons« findet im Süden Frankreichs lokale Verwendung als Straßenname oder Benennung von kleineren Talschluchten. Diese als Realitätseffekte dienenden Bezugnahmen fiktionaler Texte auf reale Referenten haben in der Literaturgeschichte lange Tradition. In der Akademieausstellung verstärkt sich das mimetische Potenzial der Narration noch durch die physische Präsenz der Texte im Ausstellungszusammenhang. Dort sind neben den gerahmten Fotokopien an den Galeriewänden die übrigen Textauszüge nächst den Objekten in Vitrinen präsentiert. Deren Einsatz als Vorrichtungen der Ausstellungsinszenierung soll im Folgenden genauer betrachtet werden. Eingeführt in den Kunst- und Wunderkammern ist der primäre Zweck der Vitrine das Zur-Schau-Stellen und Sichtbarmachen ihres Inhalts, die Erhebung des Gegenstands zum Objekt der Anschauung.543 Die transparente Barriere des Schau538 | Vgl. Perec 2011, S. 273. 539 | »Schau mit beiden Augen, schau«, Übersetzung zitiert nach: Perec, Georges: Das Leben eine Gebrauchsanweisung. Frankfurt a. M. 2002 [frz. Orig. 1978], o. S. 540 | Vgl. Duchamp, in: Lebel 1959. 541 | Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung [frz. 1945]. Aus dem Französischen übers. u. eingef. v. Rudolf Böhm. Berlin 1966, S. 334, Anm. 72. 542 | Vgl. R1, Blatt 3r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 543 | Vgl. Brock, Bazon: Ain herrlich sehen kunststückh im theatrum sapientiae. Zur Rekonstruktion einer zeitgenössischen Kunst- und Wunderkammer. In: Ausst.-Kat. Köln 1979,

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kastens schließt einen autonomen Raum ab, in dem sich ein eigenes System aus Ordnungs- und Kombinationslogik entfalten kann. Sie unterstreicht das deiktische Moment der Ausstellung, die einen Sinnzusammenhang anhand der Objekte vermitteln möchte,544 weshalb den Zusammenstellungen innerhalb der Vitrinen größere Aufmerksamkeit als dem Einzelobjekt gebührt.545 Als museales Präsentationsmittel dient die Vitrine dem Schutz der Exponate und markiert zugleich die Einzigartigkeit und Wertigkeit ihres erhaltenswerten Inhaltes.546 In dieser Funktion kommt sie dem Bilderrahmen oder Sockel gleich, die das Ausstellungsstück im sprichwörtlichen Sinne als Besonderes hervorheben.547 Zugunsten dieser Wirkung wurden die Vitrinen zum Bestandteil der Vermarktungsstrategie von großen Kaufhäusern. Sie lösten im Laufe des 19. Jahrhunderts kleine Fachhandel ab, die ihre Ware zumeist ohne trennende Glasfront in Regalen und Schubladen verwahrten.548 Zitierten die ersten großen Warenhäuser, die als Ausstellungsorte der Massenware der neuen industriellen Produktion fungierten, schon architektonisch Museumsbauten, nutzten sie die Vitrine als kleinformatige Schaufenster und darüber hinaus als strukturierendes Element des Innenraums.549 Wie bereits anhand der ambigen Sprachverwendung nachgewiesen wurde,550 verfolgte Gasiorowski in seiner Ausstellung eine Verwirrungsstrategie, indem er den Besucher über den Charakter der Artefakte, die wie Dokumente und Relikte präsentiert waren, im Unklaren ließ. Signalisieren inhaltliche und formale Realitätseffekte, wie die Verwendung realer Ortsnamen in der Erzählung oder beglaubigende Stempelabdrücke auf der Fotokopie, die Glaubhaftigkeit des Dokuments, wird diese umgehend durch die gattungsspezifische Überschrift »deuxième chapitre«551 konterkariert. Diese Ambivalenz des sprachlichen Ausdrucks findet ihren Gegenpart in der dokumentarischen Konnotation des fotografischen Mediums.552 Roland Barthes beschreibt in seinem Essay »Die helle Kammer«553 ein spezifisches Verhältnis, das zwischen dem Medium und seinem Referenten bestehe: »Tatsächlich läßt sich eine bestimmte Photographie nie von ihrem Bezugsobjekt

S. 18-26, S. 20. – In Rückgriff auf das Kuriositätenkabinett lebt die Vitrine als künstlerisches Dispositiv für surrealistische Objektsammlungen erneut auf. – Vgl. Endt-Jones, Marion: Between Wunderkammer and shop window: surrealist naturalia cabinets. In: Welchman 2013, S. 95-120. 544 | Vgl. Bianchi 2007, S. 46; Richter, in: Eigenheer 2007, S. 192-201. 545 | Vgl. Graw, Isabelle: Glasstürze. Kunst in der Vitrine. In: artis, das aktuelle Kunstmagazin, Jg. 42. März 1990, S. 52-55, S. 53. 546 | Vgl. Schade, Sigrid (Hg.): Ausstellungs-Displays. Dokumentation zum Forschungsprojekt 2005-2007, S. 6. 547 | Vgl. Vorwort in: Welchman 2013, o. S. 548 | Vgl. Rooch 2001, S. 133-135. 549 | Vgl. Rooch 2001, S. 140-158; Hanak-Lettner 2011, S. 170; Lenz, Thomas: Konsum und Modernisierung. Die Debatte um das Warenhaus als Diskurs um die Moderne. Bielefeld 2011, S. 187-196. 550 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 551 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 552 | Vgl. Barthes 1986, S. 87. 553 | Barthes 1986.

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[…] unterscheiden«554 und an anderer Stelle heißt es: »der Referent bleibt haften.«555 In dieser Konstellation erscheint die Fotografie als Medium unsichtbar, sie fällt mit ihrem Objekt zusammen. Während die Sprache in der Schriftform durch ihre Zurschaustellung hinter Glas in ihrer Funktion als Informationsmedium betont wird, nimmt der Betrachter das Material der Fotografie nicht wahr. Der Blick des Betrachters, der durch die trennende Glasfront dringt, stößt durch den Bildträger direkt zum abgebildeten Ort vor. Dieses Paradigma Barthes’ brach Gasiorowski jedoch umgehend, indem er der scheinbaren Zeugenschaft der schwarz-weißen Fotografien übermalte Polaroids gegenüberstellte. Dieselbe ironische Vorgehensweise nutzte Gasiorowski in gesteigertem Maße für die Ausstellungsinszenierung, wenn er das Prinzip des Schau-Kastens ad absurdum führte, indem er die darin ausgestellten Zeichnungen aufeinander stapelte und damit der durch die Vorrichtung gewährten Sichtbarkeit erneut entzog.556 Der auf diese Weise herbeigeführte Bruch mit Konventionen und Erwartungen des Ausstellungsauf baus löste beim Betrachter einen kathartischen Prozess aus, der ihm vorgefestigte Muster und angewöhnte Perspektiven bewusst werden ließ. Zugleich betonte der Künstler die transparente Schwelle als physischen »marker of difference«557, der Objekte vom äußeren Kontext abschirmt und in eine autonome Relation zueinander setzt. Dabei reduziert sie deren Wahrnehmung auf die reine Visualität und schließt damit jegliche idealistische Spekulation auf eine unmittelbare Kunsterfahrung von vorneherein aus.558 Künstler wie Joseph Beuys und Christian Boltanski entdeckten in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren die Vitrine als künstlerisches Material, nutzten ihren Bezug zur Wissenschaftlichkeit und machten die aufwertende Wirkung der Vitrine für die in ihr versammelten Gegenstände fruchtbar.559 In der Nachfolge hoben weitere Künstler im Zuge der sich kanonisierenden »Institutional critique« das Objekt der Vitrine selbst als konnotiertes Dispositiv der Ausstellungsstruktur hervor.560 Analog zum Schaufenster wandelte sich die künstlerische Rezeption der Vitrine, die nicht mehr als Anhaltspunkt für Wissenschaftlichkeit und Wertigkeit der Exponate verstanden wurde, sondern als Vorrichtung, die ihre Auslage zu Konsumartikeln erklärte.561 Diese Entwicklung war zum Zeitpunkt der Akademieausstellung 1982 jedoch noch nicht abgeschlossen und es kann davon ausgegangen werden, dass der Anblick von Vitrinen im Ausstellungsgefüge für zeitgenössische Besucher nicht automatisch eine institutionskritische Assoziation hervorrief. Dennoch besaß die starke Präsenz der Vitrinen als Schwellenobjekte im Galerieraum 554 | Barthes 1986, S. 13. 555 | Barthes 1986, S. 14. 556 | Vgl. Kapitel 2.1. 557 | Welchman, John C.: Introduction. In: ders. 2013, S. 1-22, S. 2. 558 | Vgl. Graw 1990, S. 53. 559 | Vgl. Theewen 1993, S. 13-14. 560 | Vgl. Speaks, Elyse: The transparent signifier: Hirst, invisibility, and critique. In: Welchman 2013, S. 231-250, S. 233-235. 561 | Als eindrucksvoller Vorläufer der institutionskritischen Vorgehensweise kann Armans Ausstellungsinstallation »Le Plein« in der Pariser Galerie Iris Clert im Oktober 1960 angesehen werden. Hierfür füllte der Künstler als offensichtliche Reaktion auf die 1958 von Yves Klein realisierte Schau »Le Vide« den gesamten Galerieraum mit Unrat. – Vgl. O’Doherty 1996, S. 104-106.

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mit Sicherheit Signalwirkung. Denn wie in Hinblick auf die Warenhäuser angedeutet wurde, bieten Vitrinen nicht nur einen mikrokosmischen Raum zur Objektanordnung, sondern fungieren selbst als Gliederungselemente im Ausstellungsraum. In Hinblick auf die Ausstellung in der Galerie Maeght wurde der befremdende Effekt, den die Vielzahl der Vitrinen im Kontext einer kommerziellen Ausstellungs unweigerlich hervorruft, durch die rahmenden Kommunikationsstrategien des Künstlers, die fiktive Erzählung noch verstärkt. Im Zusammenspiel von Ausstellungsauf bau und begleitender Lektüre verwandelte sich der räumliche Eindruck, durch den der konkrete Ort der Kunstgalerie eher wie ein Museums- oder Archivraum wirkte. Dieser Effekt lief der Erwartung des Besuchers beim Betreten des Kunsthandels zuwider. Es sei an dieser Stelle erneut betont, dass sich bei der Ausstellungsrekonstruktion keine Hinweise auf Objektbeschriftungen finden ließen, sodass auch diese sichtbaren Signale für die Käuflichkeit der Werke bei der Betrachtung des Raumes fehlten, was dessen museale Erscheinung unterstrich. Denn der Diskurs um den »white cube«562 des modernen Kunstmuseums hatte zu einer weitgehenden Negierung physischer Raumkoordinaten geführt, um als »Antiraum«563 einen möglichst wirkungslosen Kontext für das Kunstwerk zu bieten. Als buchstäbliche Inszenierung verwandelte die Werkinstallation Gasiorowskis somit den Innenraum der Galerie und ließ das von ihm gewählte Dispositiv der Vitrinen zum Teil eines Bühnenbildes werden. Brachte Oldenburg sein »Maus Museum« durch die architektonische Anlage metaphorisch in Verbindung mit der Projektionsfläche des Films, nutzte Gasiorowski die Galerie als Bühne für seine Werkfiktion, in der – wie in Kapitel 5.3 weiter ausgeführt wird – er selbst eine Doppelrolle einnahm. Ein lokales Spezifikum der Ausstellungssäle unterstrich dabei zusätzlich den Bruch mit institutionellen Konventionen, den Gasiorowski mit seinem Ausstellungsauf bau erzielte. Die Galerieräume besaßen nicht nur keine museale, auratisch aufgeladene Außenarchitektur,564 sondern befanden sich zudem lediglich im Hinterhof der kommerziellen Pariser Rue du Bac. Diese Disposition unterstreicht schließlich Gasiorowskis dekonstruktivistische Absicht, einen Blick hinter die Fassaden des Kunstbetriebs zu werfen. An diesem Punkt treffen sich Form und Inhalt der Akademieausstellung. Beschreibt der in Vitrinen und Rahmen gezeigte Beobachterbericht die drakonischen Vorgehensweisen einer künstlerischen Lehranstalt, die darauf ausgerichtet ist, marktkonforme Kunstproduzenten auszubilden, so reflektiert sich diese Kritik an den Wänden des Galerieraumes als Ort des kommerziellen Kunstvertriebs und Destinationsort des Künstlers. Denn erst im »Zusammentreffen zwischen Räumen und Gebrauchsweisen, zwischen der räumlichen Präfiguration bestimmter Gebrauchsweisen und der Konfiguration des Raums durch seinen spezifischen Gebrauch erhalten Räume […] ihre Bedeutung.«565 Mithilfe des Ausstellungsdisplays verwandelte Gasiorowski den Galerieraum, entzog ihm seine institutionelle Souve562 | O’Doherty 1996. 563 | Schneemann, Peter: Das ausgestellte Wort: Zum Umgang mit Texten im Museum. In: Locher [u. a.] 2004, S. 28-43, S. 28. 564 | Vgl. Ingemann, Paul: Die Architektur in der Ausstellung. In: Ausst.-Kat. Bonn 19941995, S. 14. 565 | Echterhölter, Anna, Iris Därmann: Gebrauchsweisen des Raums. Eine Einführung. In: dies. 2013, S. 7-30, S. 8.

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ränität und machte die Institution als einfache architektonische Hülle sichtbar, deren Etikett »Galerie« Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen vorprägt. Auf diese Weise emanzipierte sich der Künstler von der Legitimation seines Werks durch das Ausstellungshaus. Dieser Effekt ist in Hinsicht auf einen anerkannten und prestigevollen Kunsthandel wie das Haus Maeght von besonderem Zynismus. Jedoch gewinnt die kritische Auseinandersetzung mit der »symbolischen Strukturierung des sozialen Raumes«566 gerade durch ihre Verortung in einem etablierten Kontext an Aussagekraft. Alle vier Künstler thematisierten mit ihren Raumkonzeptionen neben allgemeinen kunstsoziologischen Entwicklungen auch spezifisch nationale Problemstellungen und behandeln auf diesem Weg die historische Tatsache, dass Kultur immer auch als politisches Instrument eingesetzt wurde.567 Wie in Kapitel 4.2 erwähnt, existierte zum Zeitpunkt von Broodthaers’ fiktiver Museumsgründung in Belgien kein Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst.568 Die damit notgedrungen anachronistische Vermittlung von Kunst in seinem Heimatland thematisierte der Künstler auf ironische Weise durch die teilweise paradox überkreuzte Epocheneinteilung seiner fiktiven Museumssektionen.569 Oldenburg adressierte sein Werk über die Sammlungsobjekte, ihre Materialien und die räumliche Anlage seines Museums an ein spezifisches, gesellschaftlich situiertes Subjekt und regte dieses zu einer performativen Selbstreflexion während der Kunsterfahrung an.570 Jörg Immendorffs Bezugnahme auf nationalpolitische Zustände durchzog die gesamte Aktionsarbeit von »LIDL« und gewinnt im Raum des »Café Deutschland« schließlich bildhaften Ausdruck.571 Mit der Ausstellung in der Galerie Maeght brachte Gasiorowski schließlich seine Akademiefiktion in einen etablierten Repräsentationsraum französischer Kunstgeschichte. Als Vertreter renommierter Künstlerpositionen wie Joan Miró, Georges Braque und Fernand Léger stellt das Familienunternehmen Maeght eine international anerkannte Größe dar, zu dessen »Imperium«572 neben der Pariser Galerie mit der Fondation außerdem die erste Stiftung für moderne Kunst in Frankreich 566 | Rooch 2001, S. 227. 567 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 203-208. 568 | Vgl. Kapitel 4.2; Hoet, in: Klüser /  H egewisch 1991, S. 238; Hildebrand-Schat 2012, S. 251. 569 | Vgl. Kapitel 5.2.1; König 2012, S. 89. – In Broodthaers Gesamtœuvre stellt die Auseinandersetzung mit der nationalen Kulturpolitik und -geschichte ein wiederkehrendes Motiv dar, das sich in vielen plastischen Arbeiten durch die Anwendung der belgischen Nationalfarben oder populärkultureller Symbole wie den typischen Nahrungsmitteln Muscheln und Pommes frites wiederfindet. – Vgl. Schultz 2007, S. 111. – Auf die Repräsentationsfunktion der Sammlung des »Maus Museums« für die nordamerikanische Industriegesellschaft der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts wurde ebenfalls bereits hingewiesen. – Vgl. Kapitel 4.3. 570 | Vgl. Rebentisch 2003, S. 284. 571 | Vgl. Millet, in: Ausst.-Kat. Köln 2004, S. 9-30, S. 13; Koepplin, in: Ausst.-Kat. Basel 1979, S. 11-14. 572 | Müller, Markus: Maeght oder der unaufhaltsame Aufstieg eines Kunstimperiums. In: ders. (Hg.): Maeght – das Abenteuer der Moderne, Ausst.-Kat., Münster, Graphikmuseum Pablo Picasso, 2008, S. 17-23. – Zur Geschichte des Familienunternehmens vgl. des Wei-

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angehört.573 Wie einer Illustrationszeichnung im ersten »Carnet« des Beobachters zu entnehmen ist, waren an der Rückwand des Klassenzimmers der Mademoiselle Prax drei Landkarten der französischen Republik aufgehängt.574 Während Landkarten eher als Anschauungsmaterial für den Geografieunterricht angemessen erscheinen, nicht jedoch als Bestandteil der Inneneinrichtung einer Kunsthochschule, so wirkt die zugleich dreifache Repräsentation des Nationalstaates sinnlos und übertrieben. Doch allein die Tatsache, dass dieses Detail im Beobachterbericht sogar bildliche Erwähnung findet, unterstreicht seine Bedeutung. In Hinblick auf die historische Entwicklung der europäischen Künstlerausbildung kommt Frankreich mit der »Académie Royale de Peinture et de Sculpture« für lange Zeit eine Vorreiterrolle zu,575 die zudem durch die Ausrichtung des Pariser Salons durch die Akademie als Ursprung des modernen Ausstellungswesens gilt.576 Laut Namensliste herrscht in der Schülerschaft der »Académie Wororsis Kiga« eine deutliche Überzahl an amerikanischen und französischen Künstlern vor.577 Dieses quantitative Verhältnis spiegelt die realhistorischen Machtrelationen auf dem Kunstmarkt wider. Dort war Frankreich als internationales Zentrum der Kunst, von dem neue Tendenzen ausgingen und das den herrschenden Geschmack maßgeblich bestimmte, nach dem Zweiten Weltkrieg von Amerika abgelöst worden.578 In der Galerie Maeght befand sich die Akademieausstellung Gasiorowskis nun an einem Ort, der die vergangene Blüte französischer Kunstschöpfung repräsentierte, gegen deren überdauernde Hegemonie sich eine junge Avantgarde seit den 1960er Jahren explizit richtete.579 In Hinblick auf die konkreten Realisierungsorte der fiktiven Institutionen fällt in diesem Zusammenhang auf, dass durch die künstlerischen Interventionen die prinzipiell differenzierten räumlichen Dispositive von Kunsthalle, Galerie und dem zyklischen Ausstellungsformat der documenta ein einheitlicher Effekt erzeugt wird. So betonte Gasiorowski mit seiner Ausstellung 1982 die historische Ausrichtung des Kunsthandels Maeght, dessen Programm etablierter Positionen klar abweicht vom Konzept einer Galerie, die als erster Ausstellungsraum junger, zumeist unbekannter Künstler eigentlich für diese die Eintrittsmöglichkeit in den Kunstmarkt bedeutet. Marcel Broodthaers betonte durch den konservatorischen Charakter seiner Museumsfiktion die Eigenheit der Düsseldorfer Kunsthalle als einer musealen Einrichtung ohne hauseigene Sammlung, aber mit zeitgenössischem Ausstellungsfokus.580 In diesem Punkt stimmt sie mit dem Konzept der documenta als »Museteren: Maeght, Yoyo, Maeght Isabelle, Maubert, Franck (Hg.): Maeght. L’aventure de l’art vivant. Paris 2006. 573 | Vgl. Blin, Sylvie: Une création originale. In: Connaissance des Arts, Hors série, 43 / 1993: La Fondation Maeght, S. 20-23. 574 | Vgl. R1, Blatt 30 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 575 | Vgl. Mai 2010, S. 30-40. 576 | Bätschmann 1997, S. 12-17; Koch 1967, S. 124-183, S. 184-186. 577 | Vgl. 7.4 Tabellarische Auswertung der Schülerliste. 578 | Vgl. Bätzner, Nike: Arte Povera. Erinnerung und Ereignis: Giulio Paolini, Michelangelo Pistoletto, Jannis Kounellis (zugl. phil. Diss. Berlin 1994), Nürnberg 2000, S. 9. 579 | Vgl. Syring 1986, S. 41. 580 | Vgl. 4.2, S. 147; Geschichte Kunsthalle Düsseldorf, online unter: https://www.kunst halle-duesseldorf.de/index.php?id=45 (letzter Aufruf: 5.2.2019).

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um der 100 Tage«581 überein, dem diese Ambivalenz inhärent ist. Die documenta bietet gemäß ihrem musealen Anspruch zwar keine Plattform für den Verkauf der präsentierten Werke, doch stellte sie bereits 1972 eine Autorität des zeitgenössischen Kunstmarkts und eine bedeutende Plattform für die Veröffentlichung künstlerischer Positionen dar. Nach dem Eintritt in öffentliche Institutionen deckten die fiktiven Institutionen somit durch ihre kontextbewusste Raumnutzung sowie die subversive Aneignung etablierter Kommunikationsweisen die Diskurshoheit der jeweiligen Einrichtungen im Prozess der Kanonisierung auf. Bildet diese einerseits das Fundament für Wertbildungen und Bedeutungszuweisungen im Kunstbetrieb, wirkt sie zugleich auf die Institutionen zurück, die sich vom ökonomischen Interesse geleitet am je gültigen Kanon orientieren. Dieses Schema gilt für alle renommierten Repräsentationsräume des Kunstbetriebs über nationale Grenzen hinweg.

5.2.2 Diffusionsräume Der Begriff der »Ausstellung« als ephemere räumliche Konfiguration, in der das Werk der fiktiven Institutionen Gestalt gewinnt, wurde in den vorausgehenden Kapiteln vielfach verwendet und betrachtet. Wie Oskar Bätschmann in seiner Untersuchung zur historischen Entwicklung und Wandlung der gesellschaftlich definierten Künstlerfunktion vom Auftragskünstler hin zum »Ausstellungskünstler« eindrücklich darlegt, musste sich die Ausstellung selbst erst als sozial habitualisierter Ritus im sich ausprägenden Kunstmarkt festigen, um zu einer gemeinhin bekannten Konvention des öffentlichen Kunstbetriebs zu werden.582 Die durch das Ausstellungsdisplay von Gasiorowski 1982 hergestellte Überkreuzung der maßgeblichen Kunsteinrichtungen Akademie, Galerie und Museum spielte demnach auch auf eine historische Entwicklung an. Diese nahm ihren Ausgang mit dem Pariser Salon als einer von der »Académie royale de Peinture et de Sculpture« turnusmäßig ausgerichteten, öffentlichen Zurschaustellung der künstlerischen Produktion. Als »ein zeitlich begrenzter und örtlich nicht gebundener Schauzusammenhang von Kunstgegenständen«583 bedeutete die Ausstellung für Künstler eine Möglichkeit, ihre Werke einem interessierten Publikum vorzustellen und zum Verkauf anzubieten.584 In dieser Funktion bildet sie das maßgebliche Arbeitsmittel des merkantilen Galeriesystems. Spätestens im 20. Jahrhundert wurde die Wechselausstellung für Museen zum unausweichlichen Mittel, nicht länger als »Musentempel« für verständige Eingeweihte zu gelten, sondern sich als eine öffentliche Bildungsstätte zu definieren und damit dem Vernichtungsruf avantgardistischer Neuerungsbestrebungen zu entgehen.585 Grundlegenden Bestandteil der Ausstellung bilden daher ritualisierte Formen der Öffentlichkeitsarbeit, zu der einerseits regelmäßige Veran581 | Vgl. Kapitel 4.3, Anm. 831. 582 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 12-17. – Hanak-Lettner legt in seiner Dissertation überzeugend die These dar, wie sich die Ausstellung formal und konzeptuell aus dem Theater als bereits gefestigte Einrichtung des öffentlichen kulturellen Lebens entwickelt hat. – Vgl. HanakLettner 2011. 583 | Koch 1967, S. 5. 584 | Vgl. Thurn, Hans-Peter: Die Vernissage. Vom Künstlertreffen zum Freizeitvergnügen. Köln 1999, S. 46-51. 585 | Vgl. Mai 1986, S. 50-53.

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staltungen wie die Vernissage586 zählen, andererseits aber auch Vermittlungstechniken, die wie Besucherführungen, Begleittexte und Pressemitteilungen neben Reklame- vorrangig Informationszwecken dienen. Denn die »multimediale Vor-, Auf- und Nachbereitung einer Ausstellung [entscheidet] mehr und mehr über deren kommerziellen und damit auch über deren ideellen Erfolg.«587 Dementsprechend untersucht das folgende Kapitel, wie sich die vier thematisierten Institutionsfiktionen welcher Medien und Kommunikationsformen des Kunstmarkts bedienen und für ihre Ziele fruchtbar machen. Dabei wird vorrangig nach den Effekten zu fragen sein, die die künstlerische Aneignung offizieller Distributionsformen sowohl für die tätigen Künstler und ihr Werk als auch in Rückwirkung für die teilhabenden Institutionen und den Kunstmarkt insgesamt zeitigen.

Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« Gemäß des offiziellen Brauchs eröffnete Marcel Broodthaers sein »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« am 27. September 1968 mit einer Einführungsrede.588 Nachdem er als selbsternannter Direktor des Museums Begrüßungsworte an das Publikum gerichtet hatte, sprach Johannes Cladders, Direktor des Städtischen Museums Mönchengladbach, und somit ein offizieller Vertreter der deutschen Kunstszene. Seinem Bericht zufolge, thematisierte seine Rede die schwierige Lage eines modernen Museumsbetriebs und schlug als Analogon zur aktuellen Kunstentwicklung eine Museumskonzeption als »Anti-Museum« vor.589 Als leichte Abwandlung des herkömmlichen Eröffnungshabitus leitete Broodthaers daraufhin eine allgemeine Diskussion zur aktuellen kulturpolitischen Lage des Museums und über das Verhältnis zwischen Künstler und Gesellschaft ein.590 Diese hielt er per Kamera fest. Der daraus entstandene Film »Une Discussion Inaugurale« wurde später in seiner »Section Cinéma« ausgestrahlt.591 Der zeremonielle Ablauf der Eröffnung des fiktiven Museums, an der zwischen 60 und 70592 per Einladungskarte593 geladene »Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und des Militärs«594 teilnahmen und zu der ein kaltes Buffet gereicht wurde, verlieh der Veranstaltung einen betont offiziellen Charakter. Dadurch verlor das »Musée d’Art Moderne« den Charakter eines

586 | Zur historischen Entwicklung der Ausstellungseröffnung und ihren Komponenten vgl. Thurn 1999, insbes. S. 52-57. 587 | Kopanski, Karlheinz: Strategien des Ephemeren. In: Ders., Stengel, Karin (Hg.): Die Kunst der Einladung, Ausst.-Kat., Kassel, Dock 4, Kulturhaus der Stadt Kassel, 1992, S. 9-28, S. 9. 588 | Vgl. Thurn 1999, S. 57. 589 | Vgl. Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 293-294; Kapitel 4.2. 590 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 193. 591 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997, S. 68-79, S. 74; Kapitel 4.2. 592 | Diese Einschätzung gab Broodthaers im Gespräch mit Freddy de Vree 1969 ab. – Vgl. Vree, in: Dickhoff 1994, S. 79. 593 | Vgl. Reproduktion einer Einladungskarte, in: Broodthaers 2013, S. 164. – Zur medialen Besonderheit der Postkarte als Einladungsmedium vgl. Picard, Lil: After Art / N ach Kunst. In: Kunstforum international, 8-9 /  1973-1974, S. 212-223, S. 223. 594 | Broodthaers: Offener Brief vom 29.11.1968, reproduziert in: Zwirner 1997, S. 87; Übersetzung zitiert nach: Zwirner 1997, S. 88.

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persönlichen Künstlerprojekts und verwandelte den intimen Raum des Wohnateliers in eine öffentliche Sphäre des Kunstbetriebs.595 Die Versendung von Einladungen zu den verschiedenen Sektionen sowie die Publikation von eigenständigen Ausstellungskatalogen und Plakaten stellt eine Konstante in der Öffentlichkeitsarbeit des »Musée d’Art Moderne« dar.596 Dabei unterlaufen die Publikationen des Adlermuseums wie im Fall der beiden Düsseldorfer Katalogbände stets anerkannte Normen und Sitten kultureller Öffentlichkeitsarbeit.597 So ließ sich bereits der von Broodthaers unterzeichnete Einladungstext zu seiner ersten Ausstellung als plastischer Künstler in der Brüsseler Galerie SaintLaurent 1964 als ironischer Angriff auf das Image des Kunstmarktes lesen: Moi aussi je me suis demandé si je ne pouvais pas vendre quelque chose et réussir dans la vie. Cela fait un moment déjà que je ne suis bon à rien. Je suis âgé de quarante ans… / L’idée enfin d’inventer quelque chose d’insincère me traversa l’esprit et je me suis mis aussitôt au travail. Au bout de trois mois, je montrai ma production à Ph. Edouard Toussaint le propriétaire de la galerie / Saint Laurent. Mais, c’est de l’Art dit-il et j’exposerais volontiers tout ça. D’accord lui répondis je. Si je vends quelque chose il prendra 30 %, Ce sont, paraît-il des conditions normales / certaines galeries prenant 75 %. Ce que c’est? En fait, des objets. Marcel Broodthaers 598

Der für eine Einladungskarte zu einer Ausstellungseröffnung außergewöhnlich umfangreiche Text überrascht nicht nur durch sein grafisches Layout, das sich auf der rechten Innenseite beginnend fließend über die gesamten vier Seiten der Klappkarte erstreckt, sondern auch durch das Fehlen herkömmlicher Redewendungen und Formulierungssitten. So entbehrt die Karte letztlich der expliziten Einladung ihres Adressaten, lediglich eine knappe Zeit- und Ortsangabe, die auf die zitierte Ausführung folgt, erteilt Auskunft über das tatsächlich stattfindende Ereignis. Daneben erstaunt die Einladung aber vor allem durch ihre Textinformation. Diese schildert unkonventioneller Weise die Umstände, die zur Realisation der Ausstellung geführt haben und insbesondere die persönlichen Beweggründe für das künstlerische Schaffen Broodthaers’, ohne dieses jedoch weiter zu präzisieren. Die darin ausgedrückte subjektive Notwendigkeit, als »Taugenichts« dennoch Geld zu verdienen und dies letztendlich durch etwas »Unaufrichtiges« zu erreichen, bricht mit der Vorstellung einer zweckfreien Kunstschöpfung und nimmt dieser ihren in595 | Vgl. Zwirner 1997, S. 88-89. 596 | Vgl. König 2012, S. 156. 597 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 598 | »Auch ich habe mich gefragt, ob ich nicht etwas verkaufen und Erfolg im Leben haben könnte. Es dauert schon eine Weile, dass ich zu nichts nutze bin. Ich bin 40 Jahre alt… / Schließlich kam mir die Idee, etwas Unaufrichtiges zu erfinden, in den Sinn und ich machte mich sogleich an die Arbeit. Nach drei Monaten zeigte ich meine Produktion Ph. Edouard Toussaint, dem Besitzer der Galerie / Saint Laurent. Aber das ist Kunst, sagte er, und ich würde gerne alles ausstellen. In Ordnung, antwortete ich ihm. Wenn ich etwas verkaufe, nimmt er 30 %, das sind, scheint es, die normalen Konditionen / Gewisse Galerien nehmen 75 %. Was es ist? Im Grunde genommen Objekte. Marcel Broodthaers« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Reproduktion der Einladungskarte der Galerie Saint-Laurent, Brüssel 1964, in: Broodthaers 2013, S. 42-43.

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spirativen Charakter. Darüber hinaus beschuldigt die Definition indirekt das gesellschaftliche Kunstsystem einer ökonomischen Aushöhlung des Werkbegriffs. Dadurch prangert der Künstler auf zynische Weise den von ihm geladenen Gast als verklärten Kunden einer Konsummaschinerie an. Damit unterläuft er die implizite Wirkung einer Einladungskarte, die als selektives Medium ihren Empfänger als geladenen Gast eines kulturellen Geschehens aus der anonymen Masse hervorhebt und somit aufwertet.599 Zudem etabliert Broodthaers schon vor Beginn seiner Ausstellung die Schrift als unausweichlichen Bestandteil seines Werks und macht durch ihre visuelle Prominenz auf der Einladungskarte die Bedeutung des sprachlichen Diskurses als vorauseilenden, die Kunstwahrnehmung beeinflussenden Kommentar sichtbar.600 Auch spätere Publikationen des Adlermuseums hintergehen übliche Kommunikationsweisen des Ausstellungswesens, indem sie die äußeren Formen der begleitenden Sekundärmedien adaptieren, inhaltlich jedoch mit konventionellen Rezeptionserwartungen brechen. Auf diese Weise tragen sie anstatt zu einer formal vorgegebenen Aufklärung über das Werk eher zur Verwirrung des Rezipienten bei.601 Zu diesem Zweck gestaltete Broodthaers wie im Fall der »Section XIXème Siècle (bis)« häufig eigenständige Kataloge, Plakate und Einladungskarten für sein Adlermuseum, die parallel zu den offiziellen Publikationen der jeweiligen Institution erschienen.602 Während die Einladungskarten als persönlich gerichtete Nachrichten in der Regel nur einen kleinen Adressatenkreis erreichen, spricht das Plakat eine breite Öffentlichkeit an. Dem zu seiner 1972 in der Düsseldorfer Kunsthalle ausgerichteten Adlerausstellung erschienenen zweibändigen Katalog kommt durch seinen Umfang eine mehr illustrierend-kommentierende Funktion gegenüber den Werbematerialien von Einladungskarte und Ausstellungsplakat zu und er erfüllt im Gegensatz zu diesen eine stärker konservatorische Aufgabe.603 Das sich in ephemeren Situationen realisierende Künstlerkonzept verdinglicht sich somit in Form der Kataloge, die entgegen der ursprünglichen Werkform erneut in den kommerziellen Vermarktungskreislauf eintreten können. In Eigenaussagen setzte Broodthaers’ sein Werk wiederholt mit den Arbeitsweisen der Pop-Art, insbesondere mit deren Idee des Auf-

599 | Vgl. Thurn 1999, S. 60; Kopinski, in: Ausst.-Kat. Kassel 1992, S. 10. 600 | Vgl. Zwirner 1997, S. 46; Mackert 2010, S. 37. 601 | So wird beispielsweise auch die Installation »Cinéma Modèle«, die der offiziellen »Section Cinéma« am Düsseldorfer Burgplatz vorausging, auf der Einladungskarte zwar nicht wörtlich als Museumsabteilung bezeichnet, die Einladung trägt jedoch den Titel des fiktiven Adlermuseums. – Vgl. König 2012, S. 24. – Auf die Verwirrungstaktik des zweibändigen Katalogs zur Düsseldorfer Adlerausstellung 1972 wurde bereits hingewiesen. – Vgl. Kapitel 5.1.2. 602 | Vgl. Kapitel 4.2. 603 | Zur gattungshistorischen Entwicklung des Ausstellungskatalogs aus dem »Livret« vgl. Koch 1967, S. 149-157. – Hinsichtlich Broodthaers’ früherer Tätigkeit als Schriftsteller und Journalist wurde in der Forschung wiederholt besonderes Augenmerk auf die prominente Position der Schrift in seinem künstlerischen Œuvre sowie auf die Interdependenzen und Transformationen von Text, Bild und Objekt gerichtet. – Vgl. hierzu: Metz, Petra: Aneignung und Relektüre. Text-Bild-Metamorphosen im Werk von Marcel Broodthaers. München 2007, insbes. S. 125-128; Hildebrand-Schat 2012, insbes. S. 249-268.

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lagenobjekts, in Verbindung.604 In dieser Perspektive kann seine Vorgehensweise bezüglich der schriftlichen Publikationsformen als eine Adaption des sich in den 1960er Jahren etablierenden »Multiples« gelesen werden.605 Dieses machte die industrielle Massenproduktion in einem demokratischen Sinne für die Kunst fruchtbar, um jedem den Erwerb von Kunstwerken zu ermöglichen.606 Erstmals nutzte Broodthaers diese Vorgehensweise zur Konstituierung seiner »Section Financière« auf dem Kölner Kunstmarkt 1971. Indem er dort über Katalogeinbände seine Museumsfiktion zum Kauf anbot, verwies der Künstler auf die reale Interdependenz zwischen öffentlichen Museumssammlungen und dem kommerziellen Interesse des Kunsthandels. Durch die Verkaufsannonce wurde sein Museum sowohl aus seiner räumlichen Erscheinung als auch aus der zeitlichen Struktur sequentieller Sektionsrealisierungen gerissen und als autonomes Kaufobjekt behandelt.607 Durch die Identifizierung des Museums mit einer Ware reduziert sich sein ideologischer Wert als konservatorische und didaktische, öffentliche Einrichtung auf die Existenz als Betrieb innerhalb eines ökonomischen Netzwerks, dessen Erhalt und Sammlungsbestand zudem häufig von staatlichen Subventionen oder privatem Mäzenatentum abhängig ist.608 Während im Katalog von 1972 allein die Städtische Kunsthalle Düsseldorf als Ausstellungsort zugleich die Rolle des Herausgebers einnimmt,609 tritt das »Musée d’Art Moderne« in den beiden 1997 und 2010, also erst nach dem Tod Broodthaers, realisierten Bänden des von ihm geplanten Catalogue Raisonné zur »Section Cinéma« als eigenständige Institution neben den offiziellen Kunsteinrichtungen auf.610 Es legitimiert damit seinen Status als autonome Kunsteinrichtung und manifestiert erneut die fiktive Institution als ein über die Künstlerperson hinaus überdauerndes Werk. Der Katalog der »Section des figures« von 1972 thematisiert diesen Umstand auf hintergründige Weise. Dort tritt die Person Broodthaers’ namentlich, jedoch ohne Hinweis auf seine Position innerhalb des Ausstellungszusammenhangs, auf. Der sich selbst als Museumsdirektor bezeichnende Künstler wird nur indirekt durch den Untertitel im Katalog charakterisiert. Dieser lautet: »Marcel Broodthaers zeigt 604 | Vgl. König 2012, S. 130-131. 605 | Petra Metz erwähnt diese Analogie lediglich in Bezug auf jene Publikationen, die sie aufgrund ihrer Funktion als Ausstellungsexponat als »Künstlerbücher« definiert. Hierzu zählt beispielsweise Broodthaers’ Adaption des Buches »Un coup de dès« Stéphane Mallarmés. – Vgl. Metz 2007, S. 126. – In Hinblick auf die historische Funktion des illustrierten Ausstellungskatalogs, einen Ausstellungszusammenhang zu konservieren, scheint eine Ausweitung dieser Analogie auf die ausstellungsbegleitenden Veröffentlichungen des Künstlers jedoch sinnvoll. – Zur Definition vgl. Bosse, Dagmar: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog. In: dies., Glasmeier, Michael, Prus, Agnes (Hg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie. Köln 2004, S. 33-56. 606 | Vgl. Kapitel 3.2.4. 607 | Vgl. Kapitel 4.2. 608 | Vgl. Pelzer, Birgit: Les indices de l’échange. In: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 24-33, S. 30. 609 | Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1-2. – Zu einer genaueren Analyse der Titelnennung vgl. Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 33. 610 | Vgl. Ausst.-Kat. Barcelona 1997; Ausst.-Kat. New York 2010. – Zum geplanten Catalogue Raisonné vgl. Haidu 2010, S. 150.

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eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne Département des Aigles, Section des Figures.«611 Wird Broodthaers durch das Verb »zeigt« im Rahmen der Düsseldorfer Kunsthalle lediglich die Funktion eines Präsentators »als bloßer Ansager«612 zugewiesen, kennzeichnet ihn das Possessivpronomen »seines« über die bisherige Rolle des Museumsdirektor hinaus als Eigentümer des »Musée d’Art Moderne«. Im Gegensatz zu den übrigen Realisierungen des Adlermuseums tritt in der zitierten Formulierung, wie bereits angesprochen, zudem eine explizite Differenzierung zwischen Ausstellung und Museumssektion auf.613 Dadurch wird das fiktive Museum als ein über die ephemere Objektanordnung hinausreichendes Konzept erkennbar. Zugleich erklärt die Überschrift ihre eigene Basis, den Katalog, der ebenfalls eine Objektanordnung neben der ephemeren Ausstellung sowie über diese darstellt, zu einer gleichwertigen Ausformung der Museumsfiktion. Ein Spezifikum in Broodthaers’ Öffentlichkeitsarbeit stellen seine offenen Briefe dar. Mit diesen vermittelt der Künstler nicht nur seine Ideen, Reflexionen und Motivationen einem möglichst großen Publikum oder kommentiert aktuelle Geschehnisse.614 Sie selbst werden darüber hinaus in der »Section Littéraire« zu einer Werkkonstituenten des fiktiven Adlermuseums. In dieser Hinsicht kann die schriftliche Museumssektion als Pendant der »Section Publicité« gesehen werden. Auch mit seinen offenen Briefen verunklärte Broodthaers auf formaler Ebene eindeutige Zuschreibungen. Während er die Ankündigung seiner Museumseröffnung drei Wochen vor dessen Eröffnung am 7. September 1968 unter dem Absender des Kultusministeriums in Ostende verschickte,615 versah er einen weiteren offenen Brief mit dem Titel »Museum«, der vom 19. September 1968 datiert, also ebenfalls noch vor Eröffnung der ersten Museumssektion, bereits mit dem Briefkopf des Adlermuseums.616 Schon zwei Tage nach der Vernissage folgte der nächste Brief, in dem der Künstler die Einsamkeit und Leere seines Adlermuseums beklagte.617 Die intime Mitteilungsform des Briefes, in der sich das Individuum ausdrückt, wird durch seine Öffnung zu einem Medium öffentlicher Ansprache. Die allgemeine Anrede »Chers amis« eines Schreibens nach der Museumseröffnung wahrt dabei zwar einen persönlichen Charakter, fordert jedoch kein spezifisches Subjekt zu er-

611 | Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, o. S. 612 | Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 33. 613 | Vgl. Kapitel 4.2. 614 | Dies ist in seinem als Briefverkehr zwischen Jacques Offenbach und Richard Wagner verkleideten Schreiben an Joseph Beuys der Fall, der sich auf die Passivität des deutschen Künstlers hinsichtlich des Ausschlusses eines Werks von Hans Haacke zur Ausstellung aktueller künstlerischer Positionen aus Düsseldorf, Paris und Amsterdam im Guggenheim-Museum, New York. bezieht. – Vgl. Reproduktion eines Zeitungsartikels aus der »Rheinischen Post« vom 3. Oktober 1972, in: Moure 2012, S. 388; Reproduktion des Briefes vgl. Broodthaers, Marcel: Magie-Art-Politique. Paris 1973. 615 | Vgl. Faksimile des offenen Briefes »Ouverture« vom 7.9.1968, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 194. 616 | Vgl. engl. Abschrift des Briefes in: Moure 2012, S. 201. 617 | Vgl. Abb. des Briefes, in: Zwirner 1997, S. 87.

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widernder Stellungnahme auf. Die Resonanz auf die einseitig gerichtete Botschaft bleibt daher ungewiss.618 In dieser Hinsicht gleicht das Medium des offenen Briefes dem Kunstwerk, wenn sich dieses aus dem Produktionszusammenhang und direkten Wirkungsfeld des Künstlers löst und in den offiziellen Ausstellungskontext eingeht. Im Kontext der Museumsfiktion Broodthaers’ repräsentieren die Briefe dementsprechend den schleichenden Übergang von privater zu öffentlicher Sphäre im Kunstbetrieb.619 So reproduzierte Broodthaers auf sprachlicher Ebene grundlegende Fragestellungen seines plastischen Schaffens. Während das erste unter dem Briefkopf des »Département des Aigles« veröffentlichte Schreiben scheinbar allgemein, allerdings in einer kryptischen Formensprache Bezug auf das Museumswesen schlechthin nimmt, indem es das dort anzutreffende Personal mit geometrischen Figuren gleichsetzt: »Un directeur rectangle. Une servante ronde … Un Caissier triangulaire. Un gardien carré«620, spiegelt sich hingegen in der Schilderung des zweiten Briefes die Einsamkeit des Museumsraumes in der Leere der ausgestellten Transportkisten.621 Wie in seinen Ausstellungsrealisationen ersetzt in diesem sprachlich formulierten Spiel eine Struktur die andere. Dabei dient Broodthaers das Museum als Modell, dessen Elemente er wie leere, unbedeutende Hüllen behandelt, um demgegenüber die sie verbindenden Bezugssysteme und Regeln offenzulegen.622 Broodthaers weitet auf diese Weise seine fiktive Museumskonstruktion in den öffentlichen Distributionsraum aus und markiert durch die wiederholte Aneignung bekannter Ausdrucksformen die Instabilität konventioneller Urteilskriterien. Wie am Beispiel der Adlersektion 1972 ausgeführt, können bestehende Erkenntniskategorien somit nicht als verbindlich angesehen werden. Gemäß dieser Anschauung erklärte Broodthaers in einem Gespräch mit Johannes Cladders im Januar 1972: Das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« ist ganz einfach eine Lüge, ein Trug. […] Über dieses Museum zu reden heißt, über die Art und Weise zu sprechen, den Trug zu analysieren. Das übliche Museum und seine Repräsentanten stellen einfach eine Form der Wahrheit dar. Über dieses Museum zu sprechen heißt, über die Bedingungen der Wahrheit zu reden. […] Ein Museum, das ein Trug ist, hat etwas zu verdecken. […] Was aber das persönliche Museum zu verstecken hat, ist das wirkliche Museum.623

Inhalt des fiktiven Museums ist das reale Museum. Die Dopplung dient Broodthaers als Prinzip der Dekonstruktion. Indem die in der Fiktion angewandten Methoden 618 | Vgl. Haidu 2010, S. 225. – Zur allgemeinen Gattungsbestimmung des offenen Briefes vgl. Mackert 2010, S. 110-112. 619 | Vgl. Zwirner 1997, S. 84; Alphen, Ernst van: Staging the archive. London 2014, S. 87. 620 | »Ein rechteckiger Direktor. Eine runde Bedienung …. ein dreieckiger Kassierer. Ein quadratischer Wachmann« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Abb., in: Blotkamp 1979, S. 250. 621 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 622 | Dasselbe Prinzip beherrscht auch Broodthaers’ plastisches Frühwerk, in dem er die leere Schale von Miesmuscheln als eine Repräsentationsform mit typisch belgischer Konnotation verwendete. – Vgl. Marcadé, Bernard: Moi Je dis… Je tautologue. Je conserve. Je sociologue. Je manifeste… In: Broodthaers 2013, S. 23-29, S. 24. 623 | Aus einem Gespräch von Marcel Broodthaers mit Johannes Cladders, Januar 1972. In: Dickhoff 1994, S. 94-95, S. 94.

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diejenigen der Wissenschaft und des realen Museums kopieren und ad absurdum führen, offenbaren sie reale Brüche in der Konstruktion von Wissensbeständen. Fungieren die offenen Briefe als Metaebene, von der aus der Künstler weniger eine eigene ästhetische Position verficht als vielmehr über die »künstlerische Intentionalität des Schaffens«624 schlechthin reflektiert, dienen ihm die Manifestationen seiner Museumssektionen als Versuchsarrangements, die die in dieser Reflexion gestellten Fragestellungen und Erkenntnisse darstellen. Dahingehend machte Broodthaers das trughafte Verhältnis von Original und Kopie auf dem Umschlag seines ersten Katalogbandes zur Ausstellung »Der Adler vom Oligozän bis heute« 1972 bildhaft deutlich. Die dort abgebildete Fotografie zeigt drei Adlereier, die in der Ausstellung einmal als originale Leihgaben aus dem Düsseldorfer Löbbecke-Museum sowie als fotografische Aufnahme von Maria Gilissen vertreten waren.625 Auf der Ebene der Katalogreproduktion ist der Unterschied zwischen Original und Abbild nicht zu unterscheiden, wodurch der Grenzüberschritt von einer Ebene zur anderen und die damit verbundenen Urteilskriterien verschwimmen.626 Broodthaers erteilt somit der vermeintlichen Gewissheit herkömmlicher Bedeutungskonstitutionen eine Absage.

Claes Oldenburg, »Maus Museum« Auch Claes Oldenburg nutzte die Publikationsform des Ausstellungskatalogs als autonome Kommentarfunktion zu seinem »Maus Museum« zusätzlich zum offiziellen Beitrag im Katalog der fünften documenta. Dabei verfasste er den Einleitungstext jedoch nicht selbst, sondern überließ das Wort Kasper König, den er zuvor zum Direktor seines Museums ernannt hatte.627 Auf diese Weise behält er die gebräuchliche Verteilung der musealen Kommunikationspositionen bei, die in der Folge Oldenburgs Ehefrau, die Kunsthistorikerin Coosje van Bruggen, einnahm.628 Denn im Ausstellungsbetrieb wird zumeist eine Vermittlungsinstanz zwischen Künstler, Werk und Publikum eingeschaltet. Dementsprechend erfährt das Werk in diesem Kapitel nur eine knappe Betrachtung. Als Lektürehilfe manifestiert der Katalog einen festen Bestandteil des Museumswerks. Mit der Inventarliste nimmt er auf den historischen Vorgänger des modernen Ausstellungskatalogs Bezug, der unkommentierten Werkliste, die im Pariser Salon des 18. Jahrhunderts an die Besucher ausgegeben wurde.629 Die ergänzend abgebildeten Innenraumaufnahmen des »Maus Museums« dienen darüber hinaus als Dokumentationsmaterial. Neben den Ausführungen und Informationen des Einführungstextes liefert vor allem die Abbildung des Grundrisses auf dem Katalogumschlag wichtige Hinweise zum Werkverständnis. Diese waren dabei allein durch die Katalogbroschüre zu erhalten, da die formgebende Kontur der »Geome-

624 | Zwirner, Dorothea: Beuys und Broodthaers. Dialektik der Moderne zwischen »Analytischer Geometrie und dem Glauben an einen unglaublichen Gott«. In: Borgemeister [u. a.] 2001, S. 93-127, S. 95, Anm. 4. 625 | Vgl. Kat.-Nr. 97 und Kat.-Nr. 90, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1, S. 23. 626 | Vgl. Zwirner 1997, S. 128. 627 | Vgl. Oldenburg /  K önig 1972, S. 3; Kapitel 4.3. 628 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979. 629 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 13.

Aneignung und Subversion

tric Mouse« 1972 bekanntermaßen in einem Kasten versteckt war.630 Im Gegensatz zu der bei Broodthaers lediglich im vergänglichen Zusammenhang der Sektionsausstellung existierenden Werkzusammenstellung, bildet die Sammlung des »Maus Museums« zusammen mit der architektonischen Hülle die fixe Form der Institutionsfiktion. Sie kann, wie 2010 im Kölner Museum Ludwig geschehen, anhand der Dokumentationen und Inventare rekonstruiert werden. Die räumlich und zeitlich beschränkte Wahrnehmungsmöglichkeit seiner Installation überschreitet der Künstler mit Hilfe der begleitenden Publikationen. Generell brechen dabei weder der 1972 herausgegebene Begleitkatalog, noch das eigene Museumsplakat mit herkömmlichen Formen musealer Öffentlichkeitsarbeit. Vielmehr betonen sie neben der museumseigenen Architektur die Autonomie und »Eigengesetzlichkeit«631 des Künstlermuseums und setzen dieses in klaren Bezug zu seiner Person.632 Persönliche Stellungnahmen des Künstlers wurden unabhängig von einem spezifischen Objekt in den von ihm veröffentlichten Notizen, Tagebucheinträgen und Performanceskripten einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht.633 Denn wie Oldenburg in einer oben zitierten Interviewaussage betonte, hat der Entwurf als Stimulation der Betrachterimagination für ihn Vorrang vor der materiellen Umsetzung des Werks.634 Oldenburg folgt hiermit dem Bespiel Marcel Duchamps, dessen Veröffentlichung von Notizen zum »Großen Glas« nach dem Prinzip der Bildlegenden eines Kaufhauskataloges angedacht war,635 jedoch 1934 zur eigensinnigen Publikationsform der »Grünen Schachtel«636 führte. In Form einer Sammlung faksimilierter Notizzettel, Skizzen und Konzeptpapiere nimmt diese gemäß der Absicht Duchamps, sich vom physischen Objektcharakter des Kunstwerks abzuwenden,637 eine Schwellenstellung zwischen Idee und deren Materialisation ein.

Jörg Immendorff, »LIDL« Spätestens seit den Theoriebildungen der historischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der sprachliche Diskurs entgegen seiner vormaligen werkbegleitenden Funktion Bedeutung als konstitutiver Aspekt des Kunstwerks gewonnen. Während konzeptuell verfahrende Künstler die Realität ihres Kunstwerks gegenüber dessen physischer Erscheinung verstärkt auf den ideellen, sprachlich kommunizierten Anteil der Schöpfung verlagerten, gewann auch die ehemals auf 630 | Vgl. Kapitel 4.3. 631 | Brief von Kasper König an den Leiter der Aufbauarbeiten der documenta, Dombois, 27.4.1972, in: documenta Archiv, Kassel, Documenta V, Mappe 132 a: Nutzung des Museums Fridericianum und Neue Galerie, Installation (Pläne, Zeichnungen), Einrichtung, Aufbau, alphabetisch geordnet I – Q. 632 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 633 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 634 | Vgl. Kapitel 4.3. 635 | Vgl. Stauffer, Serge: Imaginäres Gespräch mit Marcel Duchamp (1971). In: ders. (Hg.): Marcel Duchamp. Die Schriften. Bd. I: Zu Lebzeiten veröffentlichte Texte. Zürich 1981, S. 306-307, S. 307. 636 | Vgl. Rotzler 1972, S. 27. – Ins Deutsche übersetzte, faksimilierte Notizen der »Grünen Schachtel« finden sich in: Stauffer 1981, S. 25-104. 637 | Vgl. Rotzler 1972, S. 28; Faust 1977, S. 157-159; Bürger, Peter: Begriff und Grenzen der Kritik. In: Lehmann, Harry (Hg.): Autonome Kunstkritik. Berlin 2012, S. 37-62, S. 44.

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hermeneutische Kommentarfunktion konzentrierte Kunstkritik an Definitionsmacht im Kunstsystem. Sie stellte nicht mehr nur Wertungskriterien für Kunstwerke bereit und konnte damit zum Erfolg oder Misserfolg einer Ausstellung oder eines Künstlers beitragen, sondern legte selbst Parameter zur grundsätzlichen Identifizierung von Kunstwerken fest.638 Diese Kompetenzverlagerung führte nach der Verkündung des »Tod des Autors«639 in den 1960er Jahren konsequenter Weise zu einer Gegenbewegung von Seiten der Künstler. Diese hoben in Berufung auf Duchamps Fragestellung: »Kann man Werke machen, die nicht ›Kunst –‹ sind?«640 im Sinne einer »Totalkunst«, die fundamentale Bedeutung der Künstlerperson für das Werk hervor. Formal bedeutete dies die Auflösung des physischen Kunstwerks in situative, prozessuale und ortsgebundene Erscheinungsformen sowie auf diskursiver Ebene eine neuerliche Mystifizierung des Künstlers.641 Joseph Beuys propagierte den kommunikativen Akt als Maßgabe künstlerischer Schöpfung und integrierte dementsprechend die bereits erwähnten »Ringgespräche« seiner Klasse über die Erwähnung in seinem »Lebenslauf / Werklauf« in sein Œuvre.642 Aufgrund ihrer ephemeren Aktionsstruktur lassen sich Werke von »LIDL« vielfach nur anhand schriftlicher und fotografischer Quellen rekonstruieren.643 Wie in Kapitel 5.1.3 dargestellt, ist diesen ein stark deklarativer Charakter zu eigen, der in Bannern, Flugblättern und Transparenten eine formale Analogie findet.644 Diese plakativen Mitteilungsträger waren im Kontext der gesellschaftlichen Unruhen und Aufstände am Ende der 1960er Jahre zu einem häufig anzutreffenden Bestandteil des alltäglichen Stadtbildes geworden. Während »LIDL« selbst nie in Form einer summarischen Ausstellung an die Öffentlichkeit getreten ist und es somit zur Aufgabe späterer Kuratoren wurde, »LIDL« anhand von Artefakten und Quellen zu rekonstruieren,645 hat Immendorff selbst dem performativ-flüchtigen Wesen von »LIDL« nur ein Jahr nach dessen Beendigung in Buchform eine überdauernde Gestalt verliehen.646 Die Publikation »Hier und Jetzt. Das zu tun, was zu tun ist«647 baut 638 | Vgl. Zahner 2006, S. 259-265. 639 | Vgl. Kapitel 3.1.2. 640 | Duchamp, Notiz 116 aus »Die Weiße Schachtel« (1966), übersetzt und reproduziert in: Stauffer 1981, S. 125. – Für eine knappe Zusammenfassung der historischen Auseinandersetzung zwischen freiem Künstler und Kunstkritiker vgl. Bätschmann 1997, S. 52-57. 641 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 223-229. 642 | Vgl. Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 16-21; Lange 1999, S. 222234. – Zum Begriff der Kommunikation in Beuys’ erweitertem Kunstbegriff vgl. Stüttgen, Johannes: Der erweiterte Kunstbegriff und Joseph Beuys’ Idee der Stiftung. Köln 1990; Kreutzer, Maria: ›Plastische Kraft‹ und ›Raum der Schrift‹. Überlegungen zu den Kunstauffassungen von Joseph Beuys und Marcel Broodthaers. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 1924, insbes. S. 19-21. 643 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 644 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 645 | Die einzige derartige Ausstellungssituation der Aktivisten ohne jedoch eine klare künstlerische Produktion zu zeigen, bestand in der Partizipation des aus »LIDL« hervorgegangenen »Büro Olympias« in der Kölner Ausstellung »Jetzt. Künste in Deutschland«, welche schließlich zum Ende der »LIDL«-Aktivitäten geführt hat. – Vgl. Kapitel 4.1. 646 | Vgl. Kapitel 4.1. 647 | Vgl. Immendorff 1973.

Aneignung und Subversion

auf dem Bildzyklus »Rechenschaftsbericht« (1972) auf, den der Künstler 1972 in der Abteilung »Individuelle Mythologien – Selbstdarstellung« der fünften documenta ausstellte.648 Stilistisch wurde die 1972 ausgestellte Gemäldeserie immer wieder mit den Gestaltungsweisen des Agitprop in Verbindung gebracht, bei dem ästhetische Eigenschaften einem kommunikativen Gebrauchswert des Werks untergeordnet werden.649 Immendorff selbst äußerte sich hierzu: »Ich war der Ansicht, ich müsse das Bild dem Betrachter aufschlüsselbar darbieten.«650 Diese Aufschlüsselbarkeit versucht der Künstler durch eine comicartige Verbindung von Bild und Schrift zu erreichen.651 Dasselbe Bestreben kann der Veröffentlichung von »Hier und Jetzt« unterstellt werden. Laut Verfasserangabe soll das Schriftwerk »Materialien zur Diskussion« liefern. Wie beim Blick in das Buch deutlich wird, dient dabei das Leben Jörg Immendorffs als exemplarisches Anschauungsobjekt. In dem autobiografisch angelegten Druckwerk verweben sich Leben und Schaffen des Künstlers. Reproduzierte Arbeiten und Werkdokumentationen wie Fotografien und Zeitungsausschnitte illustrieren die Auseinandersetzung mit dem eigenen Œuvre. Deren analytische Schärfe und Kritik verleiht der gesamten Publikation den Charakter eines »Schauprozess[es]«652 . Inhaltlich unterstreicht Immendorff mit seinen wiederholten Selbstvorwürfen, nach dem »Leitfaden […] Egoismus«653 gehandelt zu haben, die Absichtserklärung, seine zukünftige künstlerische Produktion ganz in den Dienst des »tagtäglichen Klassenkampf[es]«654 zu stellen. Die Memoiren des Künstlers fließen demzufolge mit einer eindeutigen Leseanweisung für den Rezipienten seiner Werke zusammen.655 Formal nimmt das Buch, dessen faksimilierte Seiten vollständig in breiten Druckbuchstaben mit Filzstift von Hand geschrieben wurden, eine unklare Stellung zwischen Kommentar und eigenständigem Werk ein. Zugleich bietet der Band den ersten kohärenten Ausstellungsraum für die »LIDL«-Institution. Diese wird innerhalb des beschriebenen Rahmens zu einem Aspekt im vielfältigen Werkkatalog des Künstlers Immendorff. Zwar betont Immendorff auf selbstkritische Weise in seinem Text das Scheitern der kooperativen Intention des »LIDL«-Konzepts: »›Lidl‹ bot Phrasen einer ›erlösenden Kunst‹ an. Die ›Lidlpraxis‹ zeigte mit dem dicken Finger immer auf den ›Künstler Immendorff‹ und seine Probleme.«656 Der Kontext des Buches unterläuft diese Selbstanklage jedoch, indem es das Prinzip der Eigenwerbung weiter vorantreibt. »Hier und Jetzt« kann mit Susanne Rennert daher als Beginn einer Konstruktionsarbeit am »Lidl-Mythos«657 betrachtet 648 | Vgl. Ausst.-Kat. d5 1972, S. 16.35-16.36. – Eine fotografische Aufnahme des Ausstellungsteils Immendorffs konnte lediglich einmal gefunden werden. – Vgl. Immendorff, Jörg: An die ›parteilosen‹ Künstler-Kollegen. In: Kunstforum international, 8-9 / 1973-1974, S. 163-177, S. 175. 649 | Vgl. Storr, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 34. 650 | Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 46. 651 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 652 | Riegel, Hans Peter: Immendorff. Die Biographie. Berlin 2010, S. 99. 653 | Immendorff 1973, S. 5. 654 | Immendorff 1973, Einband. 655 | Zu den verschiedenen Formen und Zielsetzungen künstlerischer Selbstkommentierung vgl. Beyme 2005, S. 221-231. 656 | Immendorff 1973, S. 108. 657 | Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 37.

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werden, die zum Baustein des immendorffschen Künstlerbildes wurde.658 Die Betonung der eigenen Rolle im Rahmen von »LIDL« kann daneben auch als Reaktion auf wiederholte Pressemeldungen gelesen werden, in denen die »LIDL«-Aktionen dem Kunstprofessor Beuys zugeschrieben wurden und sich dadurch mit der an der Akademie herrschenden Kontroverse um dessen Lehrpraktiken vermischten.659 So reproduzierte schon der von Immendorff noch während der »LIDL-Arbeitswoche« 1969 herausgegebene Katalog mit Professorenarbeiten einen Brief Norbert Krickes, in dem der Akademieprofessor die durch die »LIDL«-Aktion hervorgerufene Unordnung im Flur der Staatlichen Kunstakademie seinem Kollegen zuschrieb. Darüber hinaus erklärte er das Chaos in den Akademieräumen zur Ursache seines Fehlens am Arbeitsplatz und schob Beuys die Verantwortung hierfür zu.660 In diesem Hinblick wiesen bereits zum Zeitpunkt der Akademieschließung infolge der »LIDL-Arbeitswoche« öffentliche Stimmen auf eine hiermit stattfindende Vermengung des studentischen Projekts mit dem akademieinternen Konflikt um die Professur Beuys’ hin.661 Erscheint die Selbstdarstellung Immendorffs in dieser Hinsicht als berechnende Vorgehensweise des Künstlers, dem die Publikation als Selbsthistorisierung eine neue Bühnenform bietet, so verweist Nadine Müller in ihrer Dissertation jedoch darauf, dass der damit inkrafttretende Effekt der »Selbstvermarktung« auch unbewusst im Zuge des künstlerischen Handelns entstehen kann.662 Unter Berücksichtigung von Aktionen wie dem »Vietnam-Teach-in«663 im »LIDL-Raum« und der aus »LIDL« hervorgehenden Initiative der »Mietersolidarität«664 sowie im Wissen um die spätere Zusammenarbeit Immendorffs mit A. R. Penck und hinsichtlich der politischen Thematik der »Café Deutschland«-Serie, kann deshalb angenommen 658 | Wie Susanne Rennert in ihren Recherchen darlegt, wurde erstmals in der Ausstellung »Brennpunkt Düsseldorf« 1987 der »LIDL«-Komplex aufgearbeitet und Chris Reinecke neben Immendorff als aktiver Part der Werkschöpfung repräsentiert. – Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 37. 659 | Vgl. Westecker, Dieter: Sie wollen die Anarchie, Zeitungsartikel vom 8. Mai 1969, in: Joseph Beuys Archiv / S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBA-Z1969-05-08/31-01. 660 | Ausst.-Kat. zur LIDL-Woche 1969, in: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272; Interfunktionen 3 / 1969, S. 94. 661 | Vgl. Meister, Helga: Tore bleiben geschlossen. In: Düsseldorfer Nachrichten, 9. Mai 1969, in: Joseph Beuys Archiv /  S tiftung Museum Schloss Moyland, Inventarnummer: JBAZ-1969-05-07/31-02; »Zur LIDL Arbeitswoche«, in: Interfunktionen 3 / 1969, S. 89. – Auch Barbara Lange geht in ihrer Dissertation davon aus, dass diese Zuschreibung von Seiten der Akademie bewusst verbreitet wurde, um im Streit um die Professur Beuys den Status quo zu festigen. – Vgl. Lange 1999, S. 148-149. – Vielmehr muss wohl der Formulierung Johannes Stüttgens zugestimmt werden, nach welcher es sich bei der »LIDL-Arbeitswoche« um eine von Beuys »mitgetragen[e]« Aktion handelte. – Vgl. Stüttgen, in: Kunstakademie Düsseldorf 2014, S. 111. 662 | Vgl. Müller, Nadine: Kunst und Marketing. Selbstvermarktung von Künstlern der Düsseldorfer Malerschule und das Düsseldorfer Vermarktungssystem 1826-1869 (zugl. phil. Diss. Düsseldorf 2009), Regensburg 2010, S. 30-31. 663 | Vgl. Chronik, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 14. 664 | Vgl. Immendorff 1973, S. 143-151.

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werden, dass die im Gesamtwerk Immendorffs angelegten sozialpolitischen Bestrebungen auch bei der Veröffentlichung von »Hier und Jetzt« vor Reklamezwecken überwogen. Doch mögen sie demnach auch das mit der Publikation verbundene Interesse geleitet haben, so muss dem Künstler dennoch ein ausgeprägtes Gespür für die Nutzbarmachung eventuell unbeabsichtigter Folgen seines Handelns eingeräumt werden.665 Während Hans Peter Riegel noch in seiner postumen Biografie des Künstlers vorwurfsvoll bemerkt, dass dieser trotz antikapitalistischen Anspruchs weiterhin kommerzielle Diffusionsräume für seine Kunst aufgesucht hätte,666 so legte Immendorff bereits zuvor in einem Interview seine Argumente zu diesem Punkt dar: Früher dachte ich, dass man die Leute direkt angehen und wachrütteln muss. Nachdem ich aber festgestellt habe, dass dies keine Garantie bietet für ein schnelleres, intensiveres Vermitteln, machte ich einen Schritt nach vorne und konzentrierte mich auf den »materialistischen« Rahmen von Kunst: die Galerien, Kunsthäuser und Museen, die Hochschulen, Medien und Publikationen. […] Durch das Mittun im Kunstbetrieb bin ich stärker und weiter vorne als je. Ich glaube nicht, dass der Betrieb wie Dracula das Blut aus meinen Bildern saugt. […] Zudem ist mein Beitrag Teil der Summe der kulturellen Produktion, die meine Kollegen und ich gemeinsam als vielschichtiges Geflecht von Positionen und Gegenpositionen herstellen.667

Einen solchen »materialistische[n]« Vermittlungsrahmen für »LIDL« findet Immendorff in einem weiteren Publikationsmedium, dessen Bedeutung im Kunstdiskurs der Nachkriegszeit zunehmend an Bedeutung gewinnt: der Kunstzeitschrift.668 Im kulturellen Raum um Düsseldorf und Köln stellte die ab 1968 bis 1974 von Friedrich Wolfram Heubach herausgegebene Zeitschrift »Interfunktionen« ein wichtiges Sprachrohr für junge Künstler und eine unabhängige Vermittlungsplattform für aktuelle Kunsttendenzen dar. Die Zeitschrift kann heute als »Denkmal der künstlerischen Initiativen der 60er / 70er Jahre«669 gelten, da sie in ihren frühen Ausgaben in einer eigenen Rubrik Dokumentationen aktueller Auseinandersetzungen und Stellungnahmen von Künstlern veröffentlichte.670 In dieser Form sind auch die Positionen und Geschehnisse rund um den Akademiestreit in Düsseldorf sowie die dortigen Tätigkeiten von »LIDL« nachvollziehbar.671 Die Motivation 665 | Vgl. Einführung zu Jörg Immendorff (*  1945), Hier und Jetzt: Das tun, was zu tun ist. In: Harrison /  Wood 2003, Bd. II, S. 1116. 666 | Riegel 2010, S. 100. 667 | Immendorff zitiert nach: Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 42. 668 | Vgl. Mader, Rachel, Minta, Anna, Söll, Änne: Kunstzeitschriften und die Institutionen des Kunstbetriebs. Editorial. In: Kritische Berichte, 2 /  2014, S. 3-5; Syring 1986, S. 56. 669 | Heubach, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 128. 670 | Vgl. Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 16. 671 | So wurden dort beispielsweise persönliche Korrespondenzen zwischen Akademieleitung und »LIDL«-Vertretern bezüglich der Installation der ersten »LIDL-Klasse« im Flur der Düsseldorfer Akademie veröffentlicht. – Vgl. Interfunktionen, 2 / 1969, S. 86-89. – Neben weiteren Materialien und Zeitungsartikeln zum Akademiestreit erschienen dort auch Auszüge aus dem anlässlich der Akademieschließung von Immendorff publizierten »Professorenkatalog«. – Vgl. Interfunktionen, 3 / 1969, S. 94-95. – Schließlich wurde über dieses Forum

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für die Herausgabe einer unabhängigen Kunstzeitschrift schuf Heubachs Ausführung nach die damalige Empfindung einer grundsätzlichen Verbindung mit den jungen Künstlern, die weniger auf geteilten Anschauungen und Überzeugungen als vielmehr auf der gemeinsamen Ablehnung aktueller Entwicklungen und Prominenzen auf dem Kunstmarkt basierte.672 Dabei vertrat »Interfunktionen« nicht die neutrale Stellung eines reinen Informationsträgers, sondern beabsichtigte durch die Gestaltung der Zeitschrift, die Kunst der aktuellen Avantgarde auch visuell zu vermitteln.673 Dies bedeutet, dass sich das journalistische Medium in die Reihe der künstlerischen Ausdrucksformen eingliedern sollte.674 Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich mit der zunehmenden Diskursivierung der künstlerischen Schöpfung eine eigene Publikationspraxis künstlerischer Stellungnahmen und Theoriebildungen in Form von Manifesten, Traktaten und öffentlichen Schriften etabliert.675 Galt dabei hinsichtlich konventioneller Presseorgane einerseits der Grundsatz »Kunst braucht Öffentlichkeit. Zeitung schafft Öffentlichkeit«676, so stellten Künstler andererseits auch immer wieder ihre Kunstwerke als individuelle Spiegelbilder der Realität der Macht öffentlicher Informationsmedien kritisch gegenüber.677 An ein spezialisiertes Fachpublikum adressiert, kam der Kunstzeitschrift in diesem Rahmen eine besondere Bedeutung als Sprachrohr der Künstler selbst zu. Nach eigener Aussage gründete Heubach die »Interfunktionen« aus der Position eines unabhängigen Interessierten, um ein Forum für Kunstpositionen zu bieten, die im offiziellen Diskurs nicht anerkannt wurden.678 Seit der historischen Avantgarde hatten Kunstzeitschriften, die von Künstlern selbst initiiert wurden, darüber hinaus immer wieder als Schauplatz eines publizistischen Schlagabtauschs verschiedener künstlerischer Vereinigungen und ihren divergierenden Kunstauffassungen fungiert.679

die Eröffnung der »Privaten Malschule« Immendorffs angekündigt. – Vgl. Interfunktionen, 4 / 1969, S. 140-155. 672 | Vgl. Heubach, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 128. 673 | Vgl. Heubach, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 129. 674 | Diese Grenzverschwimmung bestätigen spätere Ausstellungen, in denen »Interfunktionen« zwar vorrangig als zeithistorisches Dokument thematisiert, jedoch hinsichtlich seiner grafischen Gestaltung ähnlich wie zeitgenössische Kunstwerke präsentiert wurde. – Vgl. Moure, Gloria (Hg.): Behind the Facts. Interfunktionen 1968-1975, Ausst.-Kat., Barcelona, Fondació Juan Miró, Porto, Museu de Arte Contemporânea de Serralves, Kassel, Kunsthalle Fridericianum, 2004-2005. 675 | Vgl. Harrison /  Wood 2003, Bd. I, S. 9-14. 676 | Walter Smerling zitiert nach: Kunst braucht Öffentlichkeit. Zeitung schafft Öffentlichkeit. Eva Kracher im Gespräch mit Kai Diekmann, Jürgen Großmann und Walter Smerling. In: Ausst.-Kat., ART and PRESS. Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit, Berlin, Martin-Gropius-Bau, 2012, S. 8-10, S. 8. 677 | Vgl. Smerling, Walter: Kunst – Wahrheit und Wirklichkeit? In: Ausst.-Kat. Berlin 2012, S. 11-18. 678 | Vgl. Heubach, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 128. 679 | Vgl. Levie, Sophie: Introduction. In: dies. (Hg.): Reviews, Zeitschriften, Revues. Die Fackel, Die Weltbühne, Musikblätter des Anbruchs, Le disque vert, Mécano, Versty. Amsterdam 1994, S. 7-9.

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Gerard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« In dieser Tradition verschafften sich wie in Kapitel 3.2.2 beschrieben die Mitglieder von Support / Surface 1970 mit ihrer Zeitschrift »Peinture. Cahiers Théoriques« eine eigene Publikationsplattform.680 Im Leitartikel der ersten Ausgabe hob die Künstlergruppe die in ihrer Zeitschrift veröffentlichten theoretischen Stellungnahmen deutlich von ihrer restlichen künstlerischen Produktion ab und räumte ihr somit eine autonome Stellung im Kunstbetrieb ein.681 Zugleich manifestiert der Gründungsakt der Zeitschrift den Willen der Künstler, über alle Bestandteile ihres Werks, inklusive dessen theoretischer Durchdringung und Rezeption sowie seine Vermarktung, an sich zu binden und sich dadurch von Kunstkritik und Kunstmarkt loszusagen. In dieser Gesinnung warfen die schreibenden Künstler bei einer Auseinandersetzung im April 1971 – nur einen Monat nach der ersten Ausgabe von »Peinture. Cahiers Théoriques« – den Redakteuren der Zeitschrift »Chroniques de l’Art Vivant« Beeinflussung durch die herausgebende Institution und damit die stattgegebene Funktionalisierung eines öffentlichen Informationsmediums durch die marktwirtschaftlichen Interessen einer privaten Einrichtung vor.682 In ihrer Antwort auf den wiederholten Vorwurf, ein »Galerien-Blatt«683 zu sein, bezeichneten sich die »Chroniques de l’Art Vivant« selbst offensiv als »in der Tat ein reines (und kostspieliges) Mäzenatenprodukt, kapitalistisch, bürgerlich, wenn man so will«684. Dabei ließen sie den Namen ihrer Finanzierungsquelle jedoch unerwähnt. Bei dieser handelte es sich um keinen geringeren als Aimé Maeght, Begründer des Editionshauses, der Galerie und der Fondation Maeght, der 1968 mit »Chroniques de l’Art Vivant« die erste Zeitschrift für zeitgenössische Kunst in Frankreich etablierte. Das von ihm eingeführte Format wurde bald darauf von immer neuen Zeitschriftenerscheinungen kopiert.685 Stellte die Edition der Kunstzeitschrift somit zwar das Gespür Aimé Maeghts für verlegerische Innovationen unter Beweis, besaßen »Les Chroniques de l’Art Vivant« allerdings auch in den Augen Jean Clairs, der die Zeitschrift bis zu ihrem Ende 1975 leitete, eine zwiespältige Position innerhalb des Kulturjournalismus.686 Obwohl die dortige Berichterstattung explizit über die Grenzen der von Maeght vertretenen Positionen hinausgehen und nach dem Leitsatz »tout dire«687 das aktuelle Kunstgeschehen beobachten und kommentieren sollte, hielten sich jedoch die Vorwürfe, das Blatt sei von persönlichen Interessen ihres Verlegers abhängig. Bereits 1946 hatte Maeght mit der Reihe »Derrière le mi-

680 | Vgl. Kapitel 3.2.2. 681 | Vgl. Editorial der Zeitschrift, übersetzt reproduziert in: Syring 1986, S. 71-77, S. 7172. 682 | Vgl. »L’Art Vivant oder die Misere des Journalismus«, übersetzt reproduziert in: Syring 1986, S. 86-88. 683 | »Support / S urface oder die Misere der Dialektik«, übersetzt reproduziert in: Syring 1986, S. 88-91, S. 89. 684 | »Support / S urface oder die Misere der Dialektik«, übersetzt reproduziert in: Syring 1986, S. 88-91, S. 89. 685 | Vgl. Clair, Jean: Préface. In: ders.: Le temps des avant-gardes. Chroniques d’art 19681978. Paris 2012, S. 11-24, S. 12. 686 | Vgl. Préface, in: Clair 2012, S. 13. 687 | »alles aussprechen« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Maeght 2006, S. 226.

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roir« eine neuartige Distributionsform auf dem Kunstmarkt eingeführt.688 Die einzelnen Ausgaben dieser Edition begleiteten bis 1981 die Galerieausstellungen und ersetzten dabei das klassische Format des Ausstellungskatalogs, indem sie kunstkritische Kommentare und schriftstellerische Beiträge mit Originalgrafiken des jeweiligen Künstlers verbanden.689 Zum Zeitpunkt der Akademieausstellung bei Maeght 1982 war der Vertrieb sowohl von »Les Chroniques de l’Art Vivant« als auch von »Derrière le miroir« eingestellt.690 Wie in Bezug auf die Werkchronik Gasiorowskis bereits analysiert wurde, wusste der französische Künstler jedoch seine Verbindungen und Bekanntschaften in der Pressewelt für seine Zwecke zu nutzen.691 In Hinblick auf die Ausstellung 1982 fällt dabei auf, dass sich maßgebliche Hinweise auf den Werkzusammenhang und die Erzählung der »Académie Worosis Kiga« in den recht spärlichen Berichterstattungen zeitgenössischer Zeitungen und Journale finden lassen. Dieselben Informationen benötigte der Ausstellungsbesucher zwar zum Verständnis der Exponate, konnte sie allerdings nur eventuell über Erklärungen eines Galerieangestellten erhalten. Denn auch der zur Ausstellung herausgegebene Katalog, der in der bisherigen Sekundärliteratur vollkommen unbeachtet geblieben ist, stellt ohne erläuternden Textkommentar auf nahezu ausschließlich bildhafter Basis keine Verständnishilfe für den Rezipienten dar.692 Dennoch bietet er wie die Ausstellungskataloge Broodthaers’ und Oldenburgs ein überdauerndes Zeugnis, das im Falle Gasiorowskis aufs engste in das Konzept der Institutionsfiktion verstrickt ist. Denn einerseits wurde der Ausstellungskatalog durch die in den »Carnets« befindlichen Entwurfsskizzen genauso wie der Ausstellungsauf bau zu einem Bestandteil der Werkkonzeption.693 Andererseits akzentuiert er durch die in Kapitel  2.1 erwähnte Differenz im Ausstellungstitel gegenüber Einladungskarte und Presseartikeln eine eigenständige Perspektive auf die fiktive Akademie:694 Während das Pressecommuniqué in den »Carnets« die Ausstellung als »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski«695 vorsieht, lautet der Titel auf den Einladungskarten »OIPAHHOOIPAHSTRA observée par Gasiorowski«696. Der Katalog hingegen dringt mit seiner Überschrift »A.W.K. observée à la Galerie Adrien Maeght« von der fiktiven Institution in die Realität vor. Anstatt des beobachtenden Künstlers Gasiorowski wird hier die ausstellende Institution als Lokalisation der Fiktion genannt. Indem im Katalogtitel syntaktisch die Beobachtungssituation in der Galerie an die Stelle des Beobachterblicks rückt, verspricht er auf semantischer Ebene eine demgegenüber größere Ordnung und Eindeutigkeit. 688 | Vgl. Maeght 2006. S. 226. 689 | Vgl. Müller, in: Ausst.-Kat. Münster 2008, S. 18. 690 | Gasiorowskis vorhergehende Arbeiten waren hingegen bereits 1972 und 1974 in zwei Artikeln aus der Feder Jean Clairs innerhalb der Zeitschrift thematisiert worden. – Vgl. Clair 1974, S. 14-17; Clair 1972, S. 10-11. 691 | Vgl. Kapitel 2.2. 692 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982. 693 | Vgl. R1, Blätter 39 r-42r, in: Digitalisate Galerie Maeght; Kapitel 2.2.2. 694 | Vgl. Kapitel 2.1. 695 | R 1, Blatt 33 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 696 | Vgl. Einladungskarte, in: Archiv Philippe Agostini.

Aneignung und Subversion

Denn wird in der passivischen Satzkonstruktion des in den Ringbüchern skizzierten und in der Presse publizierten Ausstellungstitel »L’Académie Worosis Kiga observée par Gasiorowski« Gasiorowski als eigentlicher Agens der Handlung von der prominenten Nominativposition in das dativische Komplement verschoben, tritt hingegen die Akademie, das Patiens der Observierung, als Subjekt des Satzes auf. Durch diese grammatikalische Finesse kann der Ausstellungstitel auf zwei Lektüreebenen rezipiert werden. Entsprechend den Konventionen des Kunstbetriebs erscheint der Name Gasiorowskis einerseits als Bezeichnung des ausstellenden Künstlers, des Produzenten der in den Galerieräumen präsentierten Objekte und Konzepte. Damit ist die herkömmliche Differenzierung zwischen realem Autor und fiktivem Akademiewerk gewahrt. Da die beiden Satzkompartimente jedoch nicht durch Interpunktionszeichen differenziert sind, tendiert der alltägliche Lesefluss andererseits dazu, die beiden syntaktischen Bestandteile, Akademie und Gasiorowski, auf einer semantischen Ebene und damit auf derselben Wirklichkeitsebene zu verorten. Daraus folgt, dass »Gasiorowski« entweder als Name einer fiktionalen Figur wahrgenommen und der Titel demnach wie der eines Romans oder Theaterstücks verstanden wird oder aber die Akademie im Umkehrschluss als reale Institution anmutet. Demgegenüber verspricht die Beschriftung des Ausstellungskatalogs »A.W.K. observée à la Galerie Adrien Maeght« auf den ersten Blick konsequente Logik: Als Dokumentation und Zeugnis scheint der Katalog die in den Räumen der Galerie Maeght realisierte Werkpräsentation offenkundig zu konservieren. Die somit erzeugte Erwartungshaltung des Lesers wird hinter dem Buchdeckel jedoch augenblicklich gebrochen. Denn der Katalog verfügt über keinerlei Ausstellungsfotografien oder Werkbeschreibungen. Im Gegenteil zeigt er übereinander geblendete und damit unleserlich gewordene Auszüge aus den Notizheften, farblich reduzierte Reproduktionen einzelner Werkdetails wie die Namensetiketten und vergrößerte Aufnahmen einzelner Hutzeichnungen aus dem Verbund der »Classes« sowie isolierte, unkommentierte Blätter der Serie »OIPAHHO OIPAHSTRA«.697 Im ersten Ringbuch des Beobachterberichts findet sich unterhalb einer Skizze zur Seitengestaltung des Katalogs die durch Unterstreichung hervorgehobene Anweisung: »donnez à tout cela l’impression d’une énigme.«698 Die explizite Aufforderung, dem Layout eine rätselhafte Erscheinung zu geben, macht Gasiorowskis Anspruch deutlich, dem Ausstellungskatalog nicht den Charakter einer »praktische[n] Dienstleistung«699 zu verleihen, sondern wendet für diesen dasselbe Prinzip an, das für den Ausstellungsauf bau gültig ist. Der Absicht, dem Katalog einen »rätselhaften Eindruck« zu verleihen entspricht es, dass dort kein einziges Werk der Akademieausstellung vollständig abgebildet ist und es auch keine Innenansichten des Ausstellungsraumes gibt. In diesem Zusammenhang fällt die ganzseitige Abbildung eines »Organigrammes« zu Beginn des Bandes auf (Abb. 48).700 Entgegen dem ersten Eindruck, handelt es sich hierbei nicht um die einfache Wiederga-

697 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982, o. S. 698 | »dem allem einen rätselhaften Eindruck verleihen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R 1, Blatt 40 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 699 | Glasmeier, Michael: Vorwort. In: Bosse /d  ers. /  P rus 2004, S. 7-8, S. 7. 700 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 1982, o. S.

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be des in der Ausstellung an der Wand präsentierten Baumdiagramms (Abb. 7).701 Zwar stimmt das »Organigramme« des Katalogs in Auf bau, Schriftduktus und Unterschrift mit dem Exponat überein, ist also offenkundig dessen Reproduktion, doch weist die Katalogabbildung eine eindeutige Abweichung vom Original auf. Wie die Aufnahmen Colette Portals sowie die Archivkartei der Galerie Maeght eindeutig belegen, befindet sich der Akademiestempel auf dem Originalblatt links des »Organigrammes«.702 Auf der Katalogabbildung ist dieser hingegen achsenversetzt auf der rechten Seite der vertikalen Baumstruktur angebracht. Für den Druck wurde die fotografische Reproduktion des Gemäldes demzufolge bewusst manipuliert. Dabei erinnert die Seitenverkehrung an frühe grafische Reproduktionsformen, bei denen sich manchmal durch das Abzeichnen einer Vorlage auf die Druckplatte das endgültige Motiv der Druckgrafik spiegelverkehrt zum Original verhielt.703 Allerdings ist im Fall des »Organigrammes« nicht das gesamte Schaubild verdreht, lediglich der Akademiestempel, der laut Beobachterbericht die Authentizität des Werks bestätigt,704 ist auf der Abbildung versetzt. Diese Abweichung vom Original kann als selbstreflexiver Verweis auf den Vervielfältigungscharakter des Printmediums verstanden werden. In ähnlicher Weise funktioniert eine der wenigen Bildunterschriften, die sich auf der vorletzten Seite des Kataloges findet. Diese bezeichnet eine schwarz-weiße Landschaftsfotografie, auf der vor einer Steinhütte im Hintergrund ein herrenloser Hut und ein farbig beschmiertes rechteckiges Objekt auf einer Wiese verstreut liegen, als »reconstitution de l’attentat« 705. Die Bildunterschrift zieht eine im Ausstellungsraum der Galerie 1982 nicht gegebene Ebene in der Kommunikationskonstellation zwischen Beobachter, Objekt und Betrachter ein. Während die schwarzweißen Fotografien in den Vitrinen durch die daneben liegenden Beschriftungen wie authentische Aufnahmen verschiedener Momente der Flucht Arne Hammers präsentiert wurden, gilt im Katalog, dem primären Reproduktionsmedium der Ausstellung, die Fotografie nicht mehr als glaubwürdiges Zeugnis, sondern wird eindeutig als »reconstitution«, als Nachstellung und damit als Fiktion gekennzeichnet. Wie der auf der Katalogabbildung versetzte Akademiestempel des »Organigrammes« bricht die Bildlegende auf diese Weise mit der herkömmlich angenommenen Kausalität zwischen Vorlage – Ausstellung – und Nachbildung – Katalog. Dadurch erfährt der Begleitkatalog eine Emanzipation von der Ausstellung.

701 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 702 | Vgl. Karteikarte Inv.-Nr. BAC 3850, in: Archiv Galerie Maeght. 703 | Dies hatte zur Folge, dass von Verlegern beschäftigte Zeichner ihre Stichvorlagen bewusst seitenverkehrt anlegten. – Vgl. Ausst.-Kat., Bilder nach Bildern. Druckgrafik und die Vermittlung von Kunst, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, 1976, S. 42-60, insbes. S. 50-58. 704 | Vgl. R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 705 | »Rekonstruktion des Attentats« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Ausst.-Kat. Paris 1982, o. S.

Aneignung und Subversion

Abbildung 48:  Gérard Gasiorowski, »Organigramme«, Nº 10, 1976, Abbildung im Ausstellungskatalog 1982

Auf der vorletzten Katalogseite folgt auf die beschriebene Bildunterschrift der ebenfalls in der Ausstellungsvitrine ausgelegte Hinweis auf den Beobachter: »bulletin d’information, adressé par Gasiorowski, observateur à l’A.W.K. du 5 janvier au 16 novembre 1976, et compagnon du professeur Arne Hammer jusqu’à ses derniers jours.« 706 Dieser erscheint im Zusammenhang des Katalogs in einem neuen Licht. Denn im Gegensatz zu dem in der Ausstellung vermittelten Eindruck liefert der Beobachter laut Katalog nicht ausschließlich dokumentarisch beweisfähiges Material, sondern greift selbst auf die mutmaßende Technik der Rekonstruktion zurück. Betrachtet man diesen Befund in Bezug auf die magrittsche Gegenüberstellung von Schrift und Bild, die Marcel Broodthaers seinem zehn Jahre zuvor erschienenen Ausstellungskatalog methodisch vorangestellt hatte, eröffnet der Katalog von 1982 ferner einen selbstreflexiven Medienbezug. So wie Broodthaers in seinem Ausstellungskatalog die Unterscheidung von echten Adlereiern und deren fotografischer Reproduktion unmöglich gemacht hat,707 so wird auch dem Leser des Akademieka-

706 | »Informationsbulletin Gasiorowskis, Beobachter der A.W.K. vom 5. Januar bis 16. November 1976 und Begleiter des Professors Arne Hammer bis zu seinen letzten Tagen.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 33 r, in: Digitalisate Galerie Maeght; Kapitel 2.1. 707 | Vgl. Kapitel 5.2.2.

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talogs deutlich signalisiert, dass er es lediglich mit Abbildern, Reproduktionen und Nachstellungen zu tun hat, deren Wahrheitsgehalt ungewiss bleibt. In Hinblick auf seine Genese aus dem mittelalterlichen Heiltumsbuch bezeichnet Dagmar Bosse den bebilderten Ausstellungskatalog als einen »Ort des Gedächtnisses« 708, der sowohl für den Rezipienten als auch für den »Ausrichter der Schau […] Nachweisfunktion« 709 besitze. Die lediglich bruchstückhaften und wie im genannten Beispiel sogar vom Original abweichenden Abbildungen im Galeriekatalog von 1982 verewigen allerdings nicht »das Erscheinungsbild des ephemeren Ereignisses« 710, das herkömmlicher Weise mit der Werkpräsentation in der Galerie gleichgesetzt würde, sondern eröffnen vielmehr einen alternativen Zugang zur fiktiven »Académie Worosis Kiga«. Demnach stellt der Katalog kein Erinnerungsstück der Ausstellung dar. Ohne erläuternde Ausführungen zu den Exponaten dient er jedoch auch nicht als Begleitmedium für den Ausstellungsbesuch.711 In seiner rätselhaften Erscheinung wird er vielmehr zu deren Substitut:712 Wie der Galerieraum, so fungiert auch der Raum der aufeinanderfolgenden Katalogseiten als Kontext und Wahrnehmungszusammenhang, in den die einzelnen Abbildungen eingeordnet werden. Anstelle der Schaustellung von Originalwerken, bildet der Katalog somit eine »Ausstellung in gedruckter Form« 713. Diesen Umstand hatte André Malraux bereits zum Ausgangspunkt seines »imaginären Museums« gemacht.714 In seiner Betrachtung wertet Malraux die fotografische Abbildung des Einzelobjekts als eine der Präsentation von Originalen äquivalente Ausstellungsform. In beiden Fällen wird der Gegenstand von seinem ursprünglichen Zusammenhang isoliert, um als dessen Fragment in einem Schauzusammenhang neu kontextualisiert zu werden.715 Im Unterschied zu den übrigen Kommunikationsmedien der Galerie wird im genannten Katalogtitel anstelle des Namens »Gasiorowski« der Ausstellungsort genannt. Die Galerie erscheint in dieser Formulierung gleichsam als Beobachtungszone, als der Raum, in dem die »Académie Worosis Kiga« erfahren werden kann. Nach Malraux’ Konzept liefert der bebilderte Katalog eine mobile und für jedermann verfügbare Ausstellungsform, innerhalb derer das aus seinem Ursprung ent-

708 | Vgl. Bosse, in: dies. /  G lasmeier /  P rus 2004, S. 35. 709 | Bosse, in: dies. /  G lasmeier /  P rus 2004, S. 35. 710 | Bosse, in: dies. /  G lasmeier /  P rus 2004, S. 35. 711 | Vgl. Bosse, in: dies. /  G lasmeier /  P rus 2004, S. 44. 712 | Vgl. Bosse, in: dies. / G lasmeier /  P rus 2004, S. 55. 713 | Bosse, in: dies. /  G lasmeier / P rus 2004, S. 54. 714 | Vgl. Malraux 1949; Kapitel 5.1.1. 715 | Vgl. Kapitel 5.1.1. – Einen eindrücklichen Abriss über die Einbindung und Bedeutungswandlung von Bildreproduktionen in konstruktive Geschichtsnarrationen von Kunstbüchern bietet Hubert Locher in seinem 2007 erschienenen Aufsatz. Er bezeichnet dabei den Erzählraum des Textes in Analogie zu Malraux’ Konzept als »virtuelle[s] Museum«. – Vgl. Locher, Hubert: »Musée imaginaire« und historische Narration. Zur Differenzierung visueller und verbaler Darstellung von Geschichte. In: Krause, Katharina, Niehr, Klaus (Hg.): Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. München / B erlin 2007, S. 5375, S. 72.

Aneignung und Subversion

fernte Werk neu interpretiert und abgewandelt wird.716 In dieser Perspektive tritt der Katalog der »A.W.K.« als wertschöpfende Distributionsform des Künstlerwerks in Analogie zum Vertriebsort der Galerie. Die Galerie »repräsentiert« im allgemeinen Sprachgebrauch einen Künstler und dessen Werk. Im Titel des Katalogs von 1982 tritt die Galerie Maeght darüber hinaus buchstäblich an die Stelle Gasiorowskis. Die ausstellende Institution bietet den Schwellenraum, in dem sich das Kunstwerk aus dem Einflussgebiet des Künstlers löst und durch Verkauf materiell an einen neuen Eigentümer übergehen kann. Der bebilderte Ausstellungskatalog vergegenständlicht in seiner klassischen, mnemotechnischen Funktion diesen Übergang des Werks aus der intimen Sphäre künstlerischer Kreation in die Öffentlichkeit. Die dort stattfindende Rezeption und Beurteilung des Werks steht, wie Marcel Duchamp beschrieb, außerhalb der Macht des Künstlers: Considérons d’abord deux facteurs importants, les deux pôles de toute création d’ordre artistique: d’un côté l’artiste, de l’autre le spectateur qui, avec le temps, devient la postérité. […] L’artiste peut crier sur tous les toits qu’il a du génie, il devra attendre le verdict du spectateur pour que ses déclarations prennent une valeur sociale et que finalement la postérité le cite dans les manuels d’histoire de l’art.717

So wie der Künstler der Ursprung des Werks ist, so ist die Galerie der Ursprung der Werkrezeption. Diese ist für die zukünftige Form, Wahrnehmung und Geltung eines Künstlers und seiner Schöpfung ausschlaggebend und bestimmt damit sein Nachleben.

5.3 B efr agung der K ünstlerrolle Rezeptionsästhetische Überlegungen haben sich in der Kunstgeschichte stets an einem kommunikationstheoretischen Sender-Empfänger-Modell orientiert, in welchem die beiden Pole von Künstler und Rezipienten gebildet wurden, zwischen denen das Werk vermittelte.718 Jüngere kunstsoziologische Auseinandersetzungen betrachten darüber hinaus verstärkt den Kontext dieser Kommunikationssituationen und seine verschiedenen Elemente. Wie es die Regel in historischen Wissenschaften ist, ist diese methodische Entwicklung vorrangig als Reaktion auf eine neue Materiallage, das heißt auf eine gewandelte künstlerische Produktion zurückzuführen. Sich zunehmend in räumlicher und zeitlicher Dimension expandierende Werkformen haben seit den 1960er Jahren nicht nur die Bedingungen ihrer Entstehungs-,

716 | Vgl. Malraux 1949, S. 19-24. 717 | »Betrachten wir zunächst zwei wichtige Faktoren, die beiden Pole aller künstlerischen Kreation: auf der einen Seite den Künstler, auf der anderen den Betrachter, der, mit der Zeit, die Nachwelt wird. […] Der Künstler kann sein Genie an die große Glocke hängen, er muss auf das Urteil des Betrachters warten, damit seine Erklärungen einen sozialen Wert erhalten und ihn die Nachwelt schließlich in kunsthistorischen Handbüchern zitiert.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Duchamp, in: Lebel 1959, S. 77-78, S. 77. 718 | Vgl. Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne, Bd. 2: Von Nietzsche bis zur Gegenwart. Opladen 1993, S. 11.

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Ausstellungs- und Wahrnehmungskontexte verändert, sondern diese als integralen Bestandteil des Kunstwerks thematisiert.719 In den vorausgehenden Kapiteln konnte anhand der Objekte, Kommunikationsstrategien und räumlichen Verfahren der fiktiven Institutionen festgestellt werden, dass diese die im autonomen Werkbegriff angelegte Einheit des Kunstwerks zugunsten eines prozessualen Werkerlebnisses im Raum aufgelöst haben. Dabei sorgte die Verschmelzung der fiktiven Institutionen mit den realen Umräumen dafür, dass der Rezipient »immersiv als lebendiges Element des Werks zu erachten ist.« 720 Gleichzeitig erfuhr er innerhalb der räumlichen Disposition der Ausstellung eine Aktivierung, da er im Vollzug seiner Bewegung durch den Raum die Ordnung der einzelnen Werkfragmente selbständig bestimmte und damit maßgeblich an der Gestaltung des Gesamtwerks der fiktiven Institution beteiligt war. Seine kombinatorische Leistung erhob ihn somit ebenfalls zu einem Co-Autor des Werks. In Hinblick auf den Betrachter kann die Werkanlage der fiktiven Institutionen daher auf mehreren Ebenen als performativ beschrieben werden.721 In der Bewegung des Besuchers durch den Ausstellungraum wird der Rezeptionsakt prozessual aufgelöst. Die zeitliche Komponente nähert das Werk dem Charakter einer Aufführung an, wobei der Betrachter nicht passiver Konsument bleibt, sondern durch seine Wahrnehmung aktiv an der Werkkonstitution teilnimmt. Als aktive Tätigkeit wird der Rezeptionsprozess dadurch als werkstiftender, performativer Akt akzentuiert. Mit Fokus auf den Künstler konzentriert sich das folgende Kapitel nun auf einen weiteren performativen Aspekt der fiktiven Institutionen. Seit der Ausbildung des autonomen Kunstbegriffs als sozialem Subsystem im Zuge der bürgerlichen Gesellschaftsentfaltung besitzt der Künstler eine exponierte soziale Stellung.722 Hatte der Künstler damit seine Freiheit von einer zweckorientierten Auftragsarbeit gewonnen, so musste er sich auf ein neues Publikum einstellen und neue Ansprüche und Aufgaben erfüllen.723 Da »Kultur […] stets das Vorrecht einer kleinen Minderheit, eine Sache von Reichtum, Zeit und zufälligem Glück« 724 war, musste er seine Position der breiten Volksmasse gegenüber konturieren. Hierfür haben Künstler im Modernisierungsprozess einen distinktiven Habitus ausgebildet, der seither durch Institutionen des autonomen Kunstbetriebs 719 | Vgl. Celant, in: Ausst.-Kat. Venedig 1976; Ausst.-Kat. Graz 1993; Rebentisch 2003. – Laut Gerhard Plumpe verlagert sich innerhalb des 20. Jahrhunderts die soziale Wirklichkeit des Kunstwerks in die Verhandlungsaufgabe ästhetischer Kommunikationsakte. – Vgl. Plumpe 1993, Bd. 2, S. 8. – Auch Bazon Brock spricht bereits Ende der 1970er Jahre in diesem Sinne von einer Ästhetik als Vermittlung. – Vgl. Brock 1977. 720 | Bredekamp 2010, S. 119. 721 | Zur Begriffsdefinition des Performativen in Anschluss an Austins Sprachtheorie vgl. Kapitel 3.1.2; zur Definition der kunsthistorischen Gattung vgl. Kapitel 3.2.3. 722 | Zur Entwicklung des autonomen Kunstbegriffs und dessen Bedeutung für die künstlerische Avantgarde vgl. Bürger 1974, insbes. S. 57-73; Meuter, Norbert: Ästhetische Autonomie. Einige Gedanken über Kunst und Moral. In: Bredekamp, Horst, Lauschke, Marion, Arteaga, Alex (Hg.): Bodies in action and symbolic forms. Zwei Seiten der Verkörperungstheorie. Berlin 2012, S. 219-236. 723 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 9-11. 724 | Marcuse 1979, S. 154.

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perpetuiert wird und der die allgemein geläufigen Vorstellungen vom Künstlerdasein gestaltet.725 Damit emanzipierte sich das Bild des Künstlers von der Rezeption seines Werks und ließ ihn selbst als mythisch geprägtes Individuum in Erscheinung treten, das in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute nicht länger hinter, sondern neben, wenn nicht sogar vor seiner Arbeit steht.726 Auf diese Weise zu einem neuen »Phänomen« 727 des Kunstbetriebs geworden, erhielt die Person des Künstlers sowie seine gesellschaftliche Position in der Folge verstärkte wissenschaftliche Aufmerksamkeit.728 Die avantgardistische Infragestellung und Ausweitung des Werkbegriffs zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie die zugespitzte Wiederaufnahme dieser Problematik nach dem Zweiten Weltkrieg führten dazu, dass Künstlerschaft zunehmend als gesellschaftlich verhandeltes Rollenmodell diskutiert wurde, welches die Künstler gezielt auszufüllen und einzusetzen wussten.729 Mit den Formen ihrer Kreation hatte sich auch das Kompetenzgebiet der Künstler verändert. Dieser Entwicklung verschrieben sich vielzählige Untersuchungen, unter anderem zum »Künstlerkommissar« 730, »Ausstellungskünstler« 731 oder dem »Auftritt als Künstler« 732, aber auch allgemeinere Recherchen über die »Kulturen des Kuratorischen« 733. An deren Titel lässt sich bereits die Bedeutung der Ausstellung als Wahrnehmungskontext des Kunstbetriebs ablesen. In gegenläufiger Konsequenz führte die Ausfransung des künstlerischen Tätigkeitsfeldes jedoch auch dazu, dass, wie in der Dissertation Werner Hanak-Lettners über den Ursprung des Ausstellungswesens im Theater, der Aspekt des Künstlers vollkommen aus dem Schema der Ausstellungsbetrachtung entfällt: »Im dritten Kapitel komme ich auf diese Dreiecksbeziehung zwischen BesucherInnen, ausgestellten Dingen und KuratorInnen auf der Bühne des Ausstellungsraumes zurück.« 734 Am Beispiel eines Schauspielers auf der Bühne, der mit dem ihm eigenen Körper, seinen persönlichen Merkmalen und Eigenheiten eine fiktive Figur repräsentiert, definiert Helmut Plessner die zwei Modi der menschlichen Existenz als »Leib-Sein« und »Körper-Haben«.735 »Leib-Sein« beschreibt die sichtbare biologische Voraussetzung der menschlichen Existenz als Teil der Natur, »Körper-Haben« ist die darüber 725 | Die Vermittlung eines spezifischen Künstlerhabitus wurde in der Forschung wiederholt als unausgesprochener, jedoch grundlegender Bildungsauftrag der Kunstakademie thematisiert. – Vgl. Tangian 2010; Ruppert 2000, insbes. S. 475-499; Schiesser, in: Caduff / Wälchli 2008, S. 30. 726 | Vgl. Bätschmann, in: Groblewski /d  ers. 1993, S. 13-18; Ruppert 2000, S. 83-87. 727 | Einleitung, in: Hellmold 2003, S. 9-15, S. 10. 728 | Zum Forschungsüberblick vgl. Kapitel 1.2. 729 | Vgl. Bismarck 2010, S. 7-16. 730 | Vgl. Bawin 2014. 731 | Bätschmann 1997. 732 | Bismarck 2010. 733 | Vgl. Bismarck, Beatrice von, Schafaff, Jörn, Weski, Thomas (Hg.): Cultures of the curatorial. Berlin 2012. 734 | Hanak-Lettner 2011, S. 33. 735 | Plessner, Helmut: Die Frage nach der Conditio humana, in: ders.: Gesammelte Schriften, hg. v. Günther Dux, Odo Marquardt, Ströker, Elisabeth, Bd. 8: Conditio humana. Frankfurt a. M. 1983, S. 136-217, S. 192.

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hinaus reichende Fähigkeit des Menschen, diese physikalische Eigenschaft reflektiert und gesteuert einzusetzen. Wendet man Plessners Theatermetapher auf die fiktiven Institutionen an, wird ersichtlich, wie sich die vier Künstler mit den fiktiven Dispositiven eine eigene Bühne erstellten.736 Auf dieser bedienten sie sich der Welt, ihrer Objekte, Sprache und Räume als vorhandenes Material, um sie spielerisch in neue Kombinationen und Ordnungen zu bringen und ihre eigenen Spielregeln den vorhandenen Normen und Maßgaben entgegenzusetzen. Indem die Künstler in ihren Rollen jedoch immer wieder über die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit traten, offenbarten sie im zur Schau gestellten Spiel reale Riten und Konventionen des Kunstbetriebs. Im Zeigegestus ihrer Institutionsfiktionen ließen sie somit Kritik am System realer Einrichtungen deutlich werden. Damit nehmen die Künstler erneut Bezug auf damals zeitgenössische Theorien in Kunst- und Gesellschaftswissenschaften, in denen die Subjektfrage der strukturalistischen Diskursanalyse einen Angelpunkt bildete.737 Wie im Folgenden dargelegt wird, verfolgten die Künstler in den fiktiven Institutionen gezielt gerichtete und konzeptualisierte Verhaltensweisen und Inszenierungspraktiken, die die Frage nach der Autorschaft im Werk sowie die Beteiligung verschiedener Komponenten an der Rezeptionsweise von Kunst aufwarfen. Hierfür schlüpften die Künstler teilweise deklarativ in andere Rollen und wurden zu Museumsdirektoren oder Akademiebeobachtern oder sie thematisierten indirekt, durch die Zusammenarbeit mit öffentlichen Personen und Institutionen, die gesellschaftliche Funktion, Aufgabe und Selbstdefinition des modernen Künstlers. Entsprechend der strategischen Grenzverwischung zwischen realen und fiktiven Institutionen, changierten dabei auch die verschiedenen Identitätsebenen von Privatperson und öffentlicher Figur.738 Dementsprechend gelten die folgenden Ausführungen zunächst der Person des Künstlers selbst und den in den fiktiven Institutionen fruchtbar gemachten Bezügen zu dessen individueller Biografie. Das Konzept des Alter Ego fungiert für diese Betrachtungen titelgebend, da es im etymologischen Sinn eines »anderen Ichs« sowohl die Spaltung der Persönlichkeit als auch deren Verdopplung umfasst und in dieser Weise eine vielschichtige historische Konstante in der Frage um ästhetische Selbstrepräsentation darstellt:739 Seit dem sozialen Aufstieg des Künstlers aus der Anonymität des Handwerkers verwandelte sich dessen persönlicher Name im Modus einer werkunterzeichnenden Signatur zu einer offiziellen Bekennung, einer überzeitlichen Identifikation und zu einem marktwirtschaftlichen Faktor.740 736 | In Analogie zu der hier fruchtbar gemachten Ähnlichkeit von Ausstellung und Realisierungsformen der fiktiven Institutionen konstatiert Wolfgang Ruppert in seiner Untersuchung zum modernen Künstler, dass mit der Institutionalisierung der Kunstausstellung auch eine neue Öffentlichkeit für Künstler und seine »Selbstdarstellung« entstand. – Vgl. Ruppert 2000, S. 78. 737 | Vgl. Kapitel 3.1.2; Kapitel 3.2.2. 738 | Vgl. Bismarck 2010, S. 27-28. 739 | Vgl. Macho, Thomas: Die Stimmen der Doppelgänger. In: Stoichita, Victor I. (Hg.): Das Double. Wiesbaden 2006, S. 31-46. 740 | Vgl. Diederichsen, Diederich: On (surplus) value in art. Rotterdam, 2008, S. 57; Ullrich, in: Hellmold [u. a.] 2003, S. 163-176; Groys, Boris: Topologie der Kunst. München / W ien 2003, S. 15.

Aneignung und Subversion

Dementsprechend haben Künstler einerseits die Möglichkeit genutzt, mit Hilfe des Pseudonyms ihre persönliche Verbindung zu einem Werk zu verbergen oder eine mehr oder weniger verdeckte Alternative zu ihrer offiziellen Produktion zu erarbeiten.741 Andererseits konnte mit der Schöpfung eines Doppelgängers ein offizielles Mehr erreicht werden, wobei das Double nicht nur über einen eigenen Namen, sondern über eine unabhängige Biografie und Geschichte verfügen konnte.742 Im zweiten Unterkapitel wird der Blick von der Künstlerperson wieder auf deren soziokulturelle Einbettung gerichtet. Denn zentrales und titelgebendes Thema der fiktiven Institutionen ist die institutionelle Strukturierung des gesellschaftlichen Kunstsektors, seine Mechanismen, Zusammenhänge und Abhängigkeiten. Dementsprechend stehen im Fokus des zweiten Teils die im Rahmen der fiktiven Institutionen eingegangenen Kooperationen der Künstler mit anderen Akteuren und Einrichtungen des Kunstbetriebs sowie den dadurch erzielten Effekten  – sowohl für den jeweiligen Künstler und sein Werk als auch für das umliegende Milieu.743

5.3.1 Alter Ego Marcel Broodthaers In seinem Film »Une seconde d’étérnité« (1970) erscheinen die Initialen Marcel Broodthaers’ wie auf dem Bildschirm aufgeschrieben, in langsamen Zügen. Dem Titel gemäß dauert der Film tatsächlich nicht länger als eine Sekunde. In unumwundener Parodie bringt das flüchtige Bild des Films die Banalität des künstlerischen Schriftzugs zum Ausdruck, scheint dieser in der allgemeinen Wahrnehmung doch, die Erinnerung an den Urheber eines Werks und seinen dadurch erworbenen Ruhm für die Ewigkeit zu bewahren. Im Umkehrschluss scheint allein die Präsenz der Signatur die Anwesenheit eines Kunstwerks zu garantieren.744 Diesen Umstand stellte Marcel Duchamp 1917 unter Beweis, indem er den Schriftzug »R. Mutt« als Begründung nahm, ein auf den Kopf gestelltes Urinoir als Werk für eine Ausstellung in die Juryauswahl einzureichen.745 In klarem Verweis auf die schöpferische Handschrift des Künstlers erklärte Manzoni 1961 Ausstellungsbesucher durch seine Signatur zu »Sculture viventi« 746, wohingegen Joseph Beuys die Strategie verfolgte, nahezu jedweden Gegenstand zu signieren und dadurch in seinen erweiterten Kunstbegriff einzugliedern. Sein ambivalentes Vorgehen stand damit vordergründig in scharfem Widerspruch zur zeitgenössischen Ge-

741 | Vgl. Schmidt-Burkhardt, Astrit: Zur Metaphysik der Eigennamen. Zum künstlerischen Identitätstransfer mittels Pseudonymen. In: Hellmold [u. a.] 2003, S. 89-116. 742 | Vgl. Suchère 2012, S. 100. 743 | Zu einer historischen Betrachtung der verschiedenen Interessenslager bei der auch politisch genutzten Kommerzialisierung von Kunst vgl. Grasskamp 1998. 744 | Vgl. Schultz 2007, S. 93. 745 | Vgl. Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 34; Faust 1977, S. 147. 746 | Vgl. Engler, in: K Ausst.-Kat at. Frankfurt a. M. 2013, S. 13-39, S. 15, S. 33. – 1962 attestierte Manzoni auch Marcel Broodthaers den Status eines Kunstwerks. Dieser veröffentlichte unter dem Briefkopf des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section Littéraire« das diesbezügliche Zertifikat unter dem Titel »Avis«, »Nachweis«. – Vgl. Abb., in: Moure 2012, S. 220.

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sinnung der Fluxus-Bewegung, die mit der »Grablegung des Autors« 747 den Glauben an eine originale Kunstschöpfung aufgegeben hatte und allein das Auf bringen einer Signatur als egomanen Akt des Künstlerindividuums wertete.748 Beuys’ Signatur hat in dieser Hinsicht sicherlich zur Bekanntheit des Künstlernamens beigetragen, war in seiner Kunstkonzeption jedoch ein Mittel, den Blick vom isolierten Kunstobjekt auf die künstlerische Tätigkeit zu verlagern.749 Zugleich konnte die mit der Signatur ausgedrückte Identifikation des Künstlers mit seiner Schöpfung, wie am Beispiel der französischen Gruppe B.M.P.T. weiter oben erläutert, zu ernsthaften Konflikten innerhalb künstlerischer Zusammenschlüsse und sogar deren Beendigung führen.750 Broodthaers selbst schrieb die Anregung zu seinem Kurzfilm dem künstlerischen Narzissmus zu,751 den er mit seinem Film in karikierender Überschärfe zur Schau stellte. Denn alleiniger Gegenstand des Werks ist hier das künstlerische Signet; die künstlerische Signatur und das Kunstwerk fallen dadurch gleichsam in eins. Dieser oberflächliche Narzissmus wird allerdings mit jedem der 24 Filmbilder gebrochen. Im Gegensatz zum sprichwörtlichen Marmor halten sie das Künstlermonogramm nicht als unumstößliche Größe fest, sondern wiederholen in Endlosschleife das Entstehen der Signatur. Broodthaers setzt damit die Texttheorie Roland Barthes’, derzufolge die offene, nie abgeschlossene Praxis der »écriture« an die Stelle des schöpferischen Autors tritt,752 ins bewegte Bild. Zugleich wird der Zuschauer zum Zeugen der fragilen Konstruktion der Künstleridentität. Auf diese Weise karikiert Broodthaers die von ihm als Motivation vieler künstlerischer Werke angesehene narzisstische Veranlagung des Künstlers.753 Das permanente Werden und Neubeginnen des gefilmten Schriftzugs macht deutlich, dass sich das Werk wie die eigene Selbstdarstellung des Künstlers letztlich von dessen Person und Machteinfluss lösen und ganz zum Objekt des Publikums und deren Rezeption werden. Im Rahmen des fiktiven Museums erscheint die Unterschrift Broodthaers’ lediglich unter Schriftstücken in vervielfältigter Druckform, die der wertschöpfenden Eigenschaft der originalen Künstlersignatur somit widerspricht. Zugleich signierte Broodthaers diese Dokumente jedoch nicht als Künstler des Adlermuseums, sondern als dessen Direktor. Noch 1973 erklärte er Benjamin Buchloh und Michael Oppitz gegenüber: »Die Begriffe des Künstlers und des Analytikers sind meiner Meinung nach nicht unbedingt gegensätzlich. Ich spiele also in der gegenwärti-

747 | Bismarck 2010, S. 12. 748 | Vgl. Kellein 1994, S. 14. 749 | Zu Beuys’ ambivalenter Vorgehensweise entsprechend seines erweiterten Kunstbegriffs vgl. Bleyl, Matthias: Zum Begriff der Ästhetik im Werk von Joseph Beuys. In: Groblewski / Bätschmann 1993, S. 141-148, insbes. S. 145. 750 | So zerbrach B.M.P.T. letztlich am Versuch, die gegenseitigen Signaturen an den Werken auszutauschen. – Vgl. Kapitel 3.2.2. 751 | Vgl. Broodthaers, Marcel: »Une seconde d’éternité«. In: Borgemeister [u. a.] 2001, S. 12. 752 | Vgl. Kapitel 3.1.2. 753 | »Die Motivation jedes Künstlers ist eigentlich der Narzißmus, vielleicht auch der ›Wille zur Macht‹ (Nietzsche). Für mich ist aber die Motivation weniger interessant als vielmehr das Thema selbst.«, Cladders, in: Dickhoff 1994, S. 95.

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gen gesellschaftlichen Situation keineswegs nur die Rolle des Künstlers.« 754 Im offenkundigen Gegensatz zu einer vermeintlichen »Megalomanie« 755 des avantgardistischen Künstlers, der für sich gleichermaßen die Funktionen des Schöpfers, Vermittlers und letzter Interpretationsinstanz seines Werkes beanspruchte, räumt Broodthaers im zweiten Band des Düsseldorfer Ausstellungskatalogs von 1972 ein, dass die Wirkung seines Werks durchaus unsicher sei. Dementsprechend berufen sich Karl Ruhrberg und Jürgen Harten auf die »Mitwirkung« 756 des Besuchers, die sich in den reproduzierten Meinungsäußerungen des zweiten Katalogbandes niederschlägt. Über diese zeigte sich der Museumsdirektor letztlich jedoch enttäuscht und hielt in seiner abschließenden Ausführung über die Ausstellung fest: Das Konzept der Ausstellung basiert auf der Identität des Adlers als Idee mit der Kunst als Idee. Das Ziel ist, eine kritische Überlegung darüber nahezulegen, wie Kunst in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Was den Bereich der Wahrnehmung durch das Publikum betrifft, so stelle ich fest, daß die Gewohnheiten und die persönlichen Fixierungen eine vorurteilsfreie »Lektüre« verhindern. Trotzdem spielt die Plakette mit der Inschrift »Dies ist kein Kunstwerk«, eine gewisse Rolle. Sie stört die narzistische [sic!] Projektion des Besuchers auf den Gegenstand, den er betrachtet, aber sein Bewußtsein erreicht sie nicht.757

Hat Broodthaers die diskursive Auflösung des Künstlersubjekts als alleinige Werkinstanz akzeptiert, so stellt er in seiner Darstellung jedoch eine Verlagerung der Problematik fest. Nicht mehr das narzisstische Künstlersubjekt verliert über die Selbstdarstellung im Werk dessen Thema aus den Augen, auch der im kreativen Prozess zu neuer Macht gekommene »Konsumenten-Betrachter« 758 projiziert nur seine eigene Vorstellung auf das Werk. Sein Rollenspiel im institutionellen Dispositiv nutzt Broodthaers, um diese Sackgasse künstlerischer Kommunikation gemäß den konventionellen Strukturen offen darzulegen. Denn in Hinblick auf die tatsächliche Tätigkeit Broodthaers’ im Rahmen der Museumsfiktion erscheint der Rollenwechsel letztlich naheliegend. Faktisch war er nicht Produzent der Museumsobjekte und übernahm auch nicht nur die von ihm angegebene Funktion des Analytikers. Vielmehr übte er in Wirklichkeit vorrangig organisatorische, administrative und schließlich kuratorische Aufgaben aus, indem er Werke und Objekte aus Sammlungen und von Unternehmen auslieh, die Ausstellungspräsentation bestimmte, Pressetexte verfasste und Eröffnungsreden hielt. Da Broodthaers alle diese Tätigkeiten offiziell in der Stellung des Direktors ausführte, verwies er auf den institutionellen Zusammenhang der Kunstwahrnehmung und die darin beteiligten Personen und Faktoren, die schließlich an der Bedeutungsproduktion des Kunstwerks mitwirken.759 Damit machte er 754 | Broodthaers zitiert nach: »Analyse d’une peinture«. Auszug aus einem Interview mit Marcel Broodthaers von Benjamin Buchloh und Michael Oppitz (1973). In: Dickhoff 1994, S. 111-114, S, 114. 755 | Beyme 2005, S. 230. 756 | Harten / R uhrberg, in: Ausst.-Kat. 1972, Bd. 2, S. 5. 757 | Broodthaers, Marcel: Section des Figures. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 18-19, S. 19. 758 | Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 2, S. 19. 759 | Vgl. König 2012, S. 46.

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nicht nur eine in den 1960er Jahren zunehmend thematisierte Aufgabenverlagerung des Künstlers deutlich,760 sondern stellte darüber hinaus Berufsgrenzen und die damit verbundenen Aufgabenbeschreibungen und Kompetenzverteilungen im künstlerischen Bereich generell in Frage. So verweigerte Broodthaers selbst als ein bildender Künstler, der ehemals Journalist und Schriftsteller war, jegliche Festlegung auf eine gattungsspezifische Rollenzuweisung: Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich sagen, daß ich kein Filmemacher bin. Der Film – für mich ist er eine Verlängerung der Sprache (langage). Ich habe mit der Dichtung angefangen, dann kam die Plastik und schließlich der Film, der mehrere Kunstelemente wieder verbindet. Das heißt: Schrift (die Poesie), das Objekt (die Plastik) und das Bild (der Film).761

Michel Foucault hielt 1969 in seinem Essay »Was ist ein Autor?« die deiktische Funktion der Namensbezeichnung fest, die mit klaren Inhalten und Konnotationen verknüpft wird und daher als eine feste Ordnungsgröße für die wissenschaftliche und historische Betrachtung gelten kann.762 Beim Rollentausch für das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« behielt Broodthaers seinen Namen bei. In Bezug auf Foucaults Feststellung kann die weiter oben zitierte Formulierung »Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung« 763 in den Katalogen der Düsseldorfer Ausstellung 1972 daher als eine Thematisierung der deklarativen Wirkung des Künstlernamens sowie der Verbindung zwischen Künstler und Werk verstanden werden. Schließlich wird das Werk nach Duchamps Diktum doch im Moment der Rezeption zum Produkt des Betrachters. Stellte Broodthaers innerhalb der Museumssektionen das Versagen herkömmlicher Kommunikationsmedien und Wissenskategorien zur Schau, so drückte er mit seinem Rollenspiel die Kluft zwischen künstlerischer Selbstauffassung und gesellschaftlicher Definition aus. Wie Rachel Haidu analysiert, verweisen daher seine Aussagen in Interviews und offenen Briefen sowie Inszenierungsstrategien der Museumsektionen wiederholt auf die Einsamkeit des Künstler-Autors,764 dessen Rolle im institutionalisierten Kunstbetrieb instabil geworden ist.765

Jörg Immendorff Die Verflechtung des künstlerischen Selbstentwurfs und der von außen auf die Person des Künstlers projizierten gesellschaftlichen Erwartungen nutzten viele Künstler, um sich selbst in der Öffentlichkeit zu inszenieren und ihnen wie ihrem Werk eine überdauernde, mythische Publikumswirksamkeit zu sichern.766 Wäh760 | Vgl. Buchloh, Benjamin H. D.: Annihilieren /  I lluminieren: Claes Oldenburgs Ray Guns und das Mouse Museum. In: Ausst.-Kat Köln 2012-2014, S. 214-273, S. 243. 761 | Interview Trepied 1968, Übersetzung in: Dickhoff 1994, S. 61. 762 | Vgl. Foucault, Michel: Was ist ein Autor? In: Jannidis [u. a.] 2007, S. 198-229, S. 202. 763 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 764 | Vgl. Haidu 2010, S. 133-136. 765 | Vgl. hierzu ebenfalls Borja-Villel, Manuel, Cherix, Christophe: Ich bin kein Filmemacher. Anmerkungen zu einer Retrospektive. In: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 17-21. 766 | Auf die historische Entwicklung verschiedener Mythen vom Künstler sowie deren gezielte Konstruktion und Wiederbelebung nach dem Zweiten Weltkrieg ist in der Forschung vielfach eingegangen worden. – Vgl. u. a. Bismarck 2010; Hellmold [u. a.] 2003; Bätschmann

Aneignung und Subversion

rend Joseph Beuys seine künstlerische Tätigkeit in den verschiedenen Rollen von Akademieprofessor und Parteigründer ausweitete und sich dadurch den Ruf eines »Gesellschaftsreformer« 767 und »Schamanen« 768 verschaffte, verfolgte Andy Warhol als mindestens ebenso prominentes Beispiel der Selbstinszenierung eine Strategie der Dissimulation, bei der er expressis verbis, die eigene Person vollkommen auf äußerliche Erscheinungen und deren Interpretation durch den Betrachter reduzierte.769 Der Star der amerikanischen Pop-Art exemplifizierte somit an sich selbst, die von ihm leitmotivisch ins Werk gesetzte Diskrepanz zwischen öffentlichem Bild und privatem Charakter des Künstlerindividuums. Dabei besteht eine klare Interdependenz von öffentlicher Wahrnehmung und intentionierter Außenwirkung, denn Warhol rückte sich selbst immer wieder ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. So machte er seine eigene Person und sein alltägliches Leben zum Thema und Ausgangspunkt seiner »Time capsules«, einer Vielzahl von Kartons, die Details aus dem Alltag des Künstlers archivieren und somit zur Fortdauer seines Kults beitragen.770 Kann die im vorausgehenden Kapitel analysierte Publikation »Hier und Jetzt« in dieser Hinsicht ebenfalls als Eigenwerbung des Künstlers betrachtet werden,771 so verurteilt Immendorff darin jedoch wiederholt seine eigene Geltungslust.772 Als Selbstzeugnis muss »Hier und Jetzt« mit den kritischen Augen des Lesers einer Autobiografie begegnet werden. Wie Paul de Man 1979 warnte, können in diesem Medium Realität und Fiktion nicht voneinander getrennt werden.773 Zugleich macht Immendorffs schriftlicher Rechenschaftsbericht damit ein dem Kommunikationsmodell von Kunst inhärentes Problem zum Prinzip. So hielt Lóránd Hegyi in seinem Einleitungstext zur Gruppenausstellung »Malfiguren«, in der auch Immendorff vertreten war, 1994 fest: Die Malerfigur entsteht aus dem Bild; die Hinweise auf die für den Betrachter nicht bekannten Urquellen der im Bild vermittelten Erfahrungen und Assoziationen konstruieren sein fik-

1997; Groblewski /  B ätschmann 1993. – Zur Definition des »Mythos« in der zeitgenössischen Geistesgeschichte vgl. Kapitel 3.1.3. 767 | Vgl. Lange 1999. 768 | Vgl. Riedl 2014. 769 | Der 1967 entstandene Film von Kim Evans über Warhol zeigt den Ausschnitt eines Interviews des Künstlers, in dem dieser den Journalisten vor Beginn des Gesprächs darüber aufklärt, dass er keine Antworten auf die ihm gestellten Fragen geben würde, da sein Bild (Image) von seinem Gegenüber angefertigt werden müsse. – Vgl. Graevenitz, Antje von: Warhols Tausch der Identitäten. In: Groblewski /  B ätschmann 1993, S. 69-91, S. 70; Bätschmann 1997, S. 214. 770 | Vgl. Ausst.-Kat., Andy Warhol’s time capsules 21, Frankfurt a. M., Museum für Moderne Kunst, 2004. – Einen gut nachvollziehbaren und detailliert recherchierten Überblick über den nachhaltigen Einfluss der künstlerischen Strategien Warhols auf den Kunstmarkt und dessen Strukturen bietet die 2006 erschiene Dissertation von Tessa Zahner. – Vgl. Zahner 2006. 771 | Vgl. Kapitel 5.2.2. 772 | Vgl. Immendorff 1973, S. 5. 773 | Vgl. Man, Paul de: Autobiography as De-facement (1979). In: ders.: The rhetoric of romanticism. New York 1984, S. 67-81, S. 70.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie tives Leben, seine poetisch-fiktive Persönlichkeit, die eben nur das Erzeugnis der Phantasie des Betrachters ist und mit der wahren Künstlerfigur oft wenig gemeinsam hat.774

Das Werk, das die verschiedenen »LIDL«-Aktionen bilden, thematisiert auf vielfältige Weise die Einbindung des Künstlers und seiner Arbeitsweisen in den institutionell strukturierten, gesellschaftlichen Kontext. Wie in Bezug auf das Œuvre Immendorffs gesehen, führte er dafür einen »stilisierten Infantilismus« 775 weiter, der ihm als offenkundig publikumswirksame Inszenierungsstrategie diente und seine politisch motivierten Aktionen vom ernsthaften reformatorischen Charakter der Initiativen seines Lehrers Beuys absetzte. Hatte dieser eine Erweiterung des geläufigen Kunstbegriffs und durch diesen den allgemeinen Wandel gesellschaftlicher Strukturen zum Ziel, musste sich Immendorff nach eigener Aussage zunächst um den Gruppenzusammenhang der »LIDL«-Anhänger sorgen und rechtfertigte hiermit die ab Januar 1969 gegründete Initiative der »LIDL-Sportmannschaft«.776 Wie in diesem Zusammenhang bereits angesprochen wurde, steht dieser Gedanke in konzeptueller Nähe zur Totalkunst, da auch die gemeinsamen Sportaktionen zu Kunstwerken erklärt wurden.777 Zielpunkt des »LIDL«-Konzepts ist allerdings nicht eine Synthese verschiedener Kunstgattungen im verkürzten Verständnis eines wagnerschen Gesamtkunstwerks, sondern der politischer Impetus dieses Konzepts, das gesellschaftskritisch eine Neuverortung des Künstlers anvisierte.778 Wie die Frankfurter Ausstellung »Von Künstlern und Propheten« 2014 nachzeichnete,779 hatte Immendorff seit Eintritt in die Beuys-Klasse einem gewissen Sendungsbewusstsein Ausdruck verliehen, wobei Ikonografien wie die des »Beuys-Ritters« (1965)780 keine Mutmaßungen hinsichtlich der zeitlichen Koinzidenz zulassen. Die Aktion »Für dunkle Tage unterwegs« (1968) fand im Programm des ersten »LIDLRaums« statt und lässt die Selbstauffassung Immendorffs im »Ich-Stab«, einer Art überdimensioniertem Zepter, unmissverständlich Gestalt werden. Gleich seinem 774 | Hegyi, Lóránd: Malfiguren. In: Ausst.-Kat. Wien 1994, S. 7-15, S. 7. 775 | Storr, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005, S. 34. 776 | Vgl. Immendorff 1973, S. 119. 777 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 778 | Zur Definition des Gesamtkunstwerks nach Richard Wagner vgl. Geck, Martin: Wagners Idee des Gesamtkunstwerks. In: Blume, Friedrich (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Bd. 17, Kassel 2007, Spalte 333-336. – Während Wagner mit dem Konzept des Gesamtkunstwerks eine soziale Wirkung der Kunst und zugleich die herausragende Stellung des Künstlers in der Gesellschaft verband, modifizierte Beuys diese Definition im Konzept der sozialen Plastik als »Idee des Gesamtkunstwerks, in dem jeder Mensch ein Künstler ist«, behielt jedoch den wagnerschen Hang zur Selbstrepräsentation durch sein Werk bei. – Beuys zitiert nach: Bätschmann 1997, S. 218. – Zur Interdependenz von Kunst und Leben und deren konzeptuelle Reflexion bei Wagner vgl. Lütteken, Laurenz: Einleitung. In: ders. (Hg.): Kunstwerk der Zukunft. Richard Wagner und Zürich 1849-1858, Ausst.-Kat., Zürich, Museum Bärengasse, 2008, S. 11-17, S. 14-15; Geck, in: Blume 2007, Spalte 344-345. – Für einen interdisziplinären Überblick über das Fortleben des Gesamtkunstwerkkonzepts im 20. Jahrhundert vgl. Finger, Anke, Follett, Danielle (Hg.): The Aesthetics of the Total Artwork. Baltimore 2011. 779 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, insbes. S. 368-376. 780 | Vgl. Kapitel 4.1.1.

Aneignung und Subversion

Akademielehrer übernahm Immendorff im Rahmen der »LIDL«-Aktionen die Rolle eines geistigen Führers und Sprechers. Nachdem er als solcher die Absicht einer kooperativen Kunstschöpfung im ersten »LIDL«-Flugblatt deklarierte und im Rahmen der ersten »LIDL-Akademie« der Diskussion um die richtige Form von Kunstunterricht platzgegebenen hatte,781 schrieb Immendorff die trotzig lautende Parole »Ich werde nicht dulden, daß ihr mich alleine laßt!« auf das Manifest seiner »Privaten Malschule«, die er am 1. August 1969 im Düsseldorfer Greifweg gründete.782 Wieweit die ironische Selbstdistanzierung in dieser Aussage reicht, ist mit Hinblick auf den retrospektiven Rechenschaftsbericht, der ihr schweren Ernst unterstellt,783 schwierig zu beurteilen. Deutlich wird jedoch, dass einerseits mit dem Zerfall der »LIDL«-Gruppe in das eindeutiger sozialpolitisch ausgerichtete Engagement der »Mietersolidarität« 784 sowie andererseits mit der Wiederaufnahme der erneut im Rahmen individueller Schöpfung verorteten Malpraxis Immendorffs, sein Versuch einer Vereinigung von Kunst und Leben überwunden ist. Dementsprechend verlagerte sich auch die Thematik seiner künstlerischen Auseinandersetzung zunehmend in den privaten Bereich. War »LIDL« noch »tatsächlich eine gründliche Parodie der gesamten gesellschaftlichen Ordnung von der Hochschulausbildung bis zu den Olympischen Spielen« 785, so markiert »Hier und Jetzt« für den Maler den Beginn eines andauernden Dialogs mit sich selbst. Nach der fruchtbaren Konfrontation mit seinem Malerkollegen A. R. Penck und der Befragung der Position des Künstlers in verschiedenen demokratischen Regimen, entstanden bis zum Tod Immendorffs vielzählige Selbstporträts in bekannten Rollenfiguren aus der Malereigeschichte. Neben dem bereits thematisierten »Maleraffen« nimmt das Motiv des Gauklers insbesondere um die Theaterinszenierung »The Rake’s Progress« eine wichtige Stellung im immendorffschen Œuvre ein.786 In diesem hatte der Maler schließlich den Aktionsraum von »LIDL« wieder in die Zone der klassischen Leinwand übertragen, deren fiktiver Bildraum zum Realisierungsort seines Alter Egos wurde.

Claes Oldenburg The Artist, in my thinking, is always another person. I would and do refer to him in the third person. – »he.« I am he, but I am also not he, I am also the observer of he, and I am, when I am not he, much more difficult (impossible) to define. The Artist is a helpful simplification of my existence, a helpful role. I was formless until I found this role, and therefore quite unsatisfied. My autobiography is about myself (the unknown) looking at him (my role).

781 | Vgl. Kapitel 4.1. 782 | Vgl. Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 23; Immendorff 1973, S. 142-143. 783 | Vgl. Immendorff 1973, S. 108-109. 784 | Vgl. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981, S. 83-94; Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 33-34. 785 | Storr, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 143. 786 | Vgl. Ausst.-Kat., Immendorff. Malerwald, Duisburg, Museum Küppersmühle – Sammlung Grothe 1999; Gohr, in: Ausst.-Kat. Dresden 1996, S. 47-54; Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. The Rake’s Progress, London, Barbican Art Gallery, 1995.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie I have no shape, but he will have shape, the fiction of myself, any shape that I can give him. Plastic Man.787

Claes Oldenburg notierte diesen Gedanken für eine zukünftig angedachte Autobiografie zum Zeitpunkt der ersten Realisierung des »Maus Museums«. In einem Brief an Georges Izambard gab Arthur Rimbaud 1871 mit den Worten: »Es ist falsch zu sagen: ich denke; man müsste sagen: Es denkt mich. – […] Ich ist ein anderer« 788 der Erfahrung des von sich selbst entfremdeten Ichs den bis heute wirksamsten Ausdruck. Die Formulierung stammt aus seinen sogenannten »Seher-Briefen«, in denen Rimbaud eine Theorie des romantischen Dichters entwirft. Dieser erscheint in Rimbauds Briefserie als Material einer nicht näher definierten, dem künstlerischen Individuum äußeren Instanz, die sich im Zustand der Ekstase durch den Dichter realisiert. So vergleicht Rimbaud direkt in Anschluss an seine berühmte Formel sich selbst mit dem Holz, »das […] auf einmal Violine wird« 789. In auffallender Analogie zu dieser Materialmetapher, zieht Oldenburg zur Beschreibung seiner Künstlerpersönlichkeit den in Kapitel 5.1.1 ausführlich beschriebenen Materialgedanken des »Plastik« heran.790 Dabei verkehrt er jedoch das intersubjektive Verhältnis im Schöpfungsakt. Nicht mehr das »Ich« ist Medium einer durch es wirkenden Idee, sondern Oldenburg spaltet von sich selbst die Identität des Künstlers ab, beschreibt sie wörtlich als eine »Rolle«, die das »Ich« nach Belieben formen kann. Für die poststrukturalistische Subjektkritik verkörperte »der (männliche, abendländische) Künstler geradezu idealtypisch das Subjekt, das qua Selbstermächtigung als kontrollierende und schöpferische Instanz sich potenziell die gesamte Welt als Material unterwirft« 791 und wurde so zum beliebten Gegenstand dekonstruktuvistischer Theoriebildung. Oldenburg greift diese Vorstellung auf paradoxe Weise auf, indem er einerseits die Künstleridentität als Inszenierung offenlegt, zugleich sich selbst, der eben doch identisch mit derselben ist, die Macht zuspricht, diese auszufüllen und zu variieren. Der Künstler erscheint hier als Simulakrum792, 787 | »Der Künstler ist in meinen Gedanken immer eine andere Person. Ich würde auf ihn in der dritten Person – ›er‹ – verweisen und tue dies auch. Ich bin er, aber ich bin auch nicht er, ich bin auch der Beobachter von er und ich bin, wenn ich nicht er bin, viel schwieriger (unmöglich) zu definieren. Der Künstler ist eine hilfreiche Simplifizierung meiner Existenz, eine hilfreiche Rolle. Ich war formlos bis ich diese Rolle gefunden habe, und deswegen ziemlich unbefriedigt. Meine Autobiografie handelt von mir selbst (dem Unbekannten) wie ich auf ihn (meine Rolle) blicke. Ich habe keine Form, aber er wird eine Form haben, die Fiktion meiner Selbst, jedwede Form, die ich ihm geben kann. Plastikmann.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Oldenburg, Claes: Introduction: Notes for an autobiography (1970-1972). In: Ausst.Kat. Wien 2013, S. 6-7, S. 6. 788 | Rimbaud, Arthur: Brief an Georges Izambard, Mai 1871, Übersetzung zitiert nach: Rimbaud, Arthur: Seher-Briefe /  L ettres du voyant, übers. u. hg. v. Werner von Koppenfels. Mainz 1990, S. 11. 789 | Rimbaud, Arthur: Brief an Georges Izambard, Mai 1871, Übersetzung zitiert nach: Rimbaud 1990, S. 11. 790 | Vgl., Kapitel 5.1.1. 791 | Krieger, in: Hellmold [u. a.] 2003, S. 119. 792 | Zu einer Definition des Simulakrums nach Baudrillard vgl. Kapitel 5.1.3.

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das für die Außenwelt geformt ist, hinter dem sich das formlose, undefinierte Selbst verbirgt. Die Künstlerrolle hilft dem Subjekt somit auch, sich selbst zu fassen und repräsentiert demnach die Objektivierung des Selbst. Indem Oldenburg diesen hyperrealen Plastikmann beschreibt, macht er darauf aufmerksam, dass der Künstler jedwede Form annehmen, sich den äußeren Bedürfnissen anpassen und zugleich Sehnsüchte erwecken kann. Entsprechend Oldenburgs Interesse am Warenfetischismus der amerikanischen Konsumgesellschaft,793 liegt es daher nahe, dass der Künstler sich als Objekt gesellschaftlich geprägter Vorstellungen und Begierden vergegenständlicht. In diesem Sinne ließ Oldenburg mit seiner ersten öffentlichen Einzelausstellung 1959 daher sein sächliches Alter Ego »Ray Gun« erstmals auf die Bühne des Künstlers treten.794 Die Ausstellungsbroschüre der Judson Gallery verkündete: »Ray Guns Wahlspruch ist ›Annihilieren / Illuminieren‹. Ray Gun ist destruktiv wie er kreativ ist.« 795 In der Folge realisierte Oldenburg eine Reihe von Performances und Installationen sowie mehrere Skulpturen unter der Bezeichnung der futuristischen Strahlenpistole.796 Entsprechend dem Ausstellungsmotto von 1959 dient die Ray Gun als potenziell tödliche Waffe sowohl dem Angriff als auch der Verteidigung.797 Zugleich sah Oldenburg gemäß seiner Sprachspiellogik im rückwärts geschriebenen Begriff »Nug Yar« eine Variation von »New York« und damit die perfekte Repräsentation eines amerikanischen Archetyps gegeben.798 1961 taufte Oldenburg sein Wohnatelier in der 107 East Second offiziell in »Ray Gun Manufacturing Company«, kurz »RayGun MFG. Co.«, um und installierte dort sein Environment »The Store« 799. Die Absicht seines Ladens beschrieb der Künstler als »the protection of art through reversals and disguises. From the bourgeois, from the commercialism, from rivalry, from all the forces that might destroy art.« 800 Zum Schutz der Kunst kann sich die Ray Gun in mannigfachen Formen tarnen.801 Damit schafft sie eine Analogie zum anpassungsfähigen Künstler wie ihn Oldenburg für seine Autobiografie definiert hat. Demgemäß wurde die Identität von Künstler und »Ray Gun« in dem ebenfalls um 1961 verfassten Prosagedicht »Guises of Ray Gun« Oldenburgs offenkundig. Darin heißt es unter anderem: »The artist disappears. No one knows where he went. He leaves his signs here and there. […] Everyone gives a different description of the

793 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 794 | Vgl. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 218. 795 | Übersetzung zitiert nach: Buchloh, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 269, Anm. 7. 796 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 7-8. – Für eine ausführliche Beschreibung und Genese der »Ray Gun«-Ikonografie in Oldenburgs Œuvre vgl. Rose, Barbara: The Origins, Life and Times of Ray Gun – »All will see as Ray Gun sees …«. In: Artforum, Vol. VIII, 3 / 1969, S. 50-57. 797 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 8. 798 | Vgl. Rose 1970, S. 62; Zitat S. 192. 799 | Vgl. Kapitel 4.3. 800 | »Schutz der Kunst durch Verkehrung und Verkleidung. Vor dem Bürgerlichen, vor dem Kommerziellen, vor der Rivalität, vor all den Kräften, die die Kunst zu zerstören vermögen.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Rose 1970, S. 64. 801 | Vgl. Prather, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996, S. 3.

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criminal.« 802 Die Gleichsetzung des Künstlers mit einem Kriminellen erinnert an die von Marcel Duchamp 1923 angefertigte Suchannonce mit seinem zweifachen Porträt, mit welcher der Künstler ironisch auf die Doppeldeutigkeit gesellschaftlicher Berühmtheit angespielt hatte und auf die Andy Warhol 1964 mit seiner Arbeit der »Thirteen most wanted Men« rekurrierte.803 Für Oldenburg zeichnen sich »Ray Gun« und Künstler demgegenüber stärker noch durch ihre Wandlungsfähigkeit aus, die sie für den Betrachter ungreif bar machen und ihn daher auf die Anstrengungen des Spurenlesens zurückwerfen. Auf gleiche Weise begann Oldenburg, verborgene »Ray Guns« in der städtischen Umgebung zu suchen, die er an ihrem Charakteristikum, dem rechten Winkel, erkennen konnte. Der Künstler beginnt eine Sammlung von »Ray Guns« zusammenzutragen, die, ergänzt von Schenkungen von Freunden und Bekannten, im Rahmen seines »Maus Museums« 1972 ausgestellt wurde. Bei dessen Rekonstruktion 1977 erhielten sie mit dem »Ray Gun Wing« einen eigenen Museumsflügel, dessen architektonische Struktur sich ebenfalls an der Grundform des rechten Winkels orientiert.804 Die in der Bezeichnung des Künstlerateliers als »Ray-Gun MFG. Co.« bereits angelegte räumliche Komponente des sächlichen Alter Egos, findet hier manifesten Ausdruck. Wie in Kapitel  5.2.1 gesehen, finden die architekturbestimmenden Formen der »Geometric Mouse« und der »Ray Gun« von Oldenburgs Museumsbau eine Übereinstimmung im semantischen Feld der Kamera, die Bilder »schießt«.805 Können dabei die Objekte in den Vitrinen des »Maus Museums« als einzelne Filmstandbilder aufgefasst werden, überlässt Oldenburg es der Entscheidung des Betrachters, durch seine Bewegung dem Film eine Bildabfolge und Geschwindigkeit zu verleihen.806 Zugleich handelt es sich jedoch um vom Künstler gemachte Aufnahmen, um seine Sammlung und Auswahl, wie es das museumseigene Ausstellungsplakat von 1972 betont.807 Der vom Künstler selbst konzipierte Ausstellungsraum bedeutet somit einerseits den Transmissionsraum des künstlerischen Werks an die Öffentlichkeit, zugleich markiert die hüllende Form jedoch auch die permanente »verborgene Präsenz« 808 des Künstlers in seinem Œuvre.809 So wie Jörg Immendorff in einem Interview den Zweck seiner Gemälde als einen »Weg, [s]einen Standpunkt zu verdeutlichen«810 definierte, so können die von Oldenburg zusammengetragenen Objekte als Ausschnitte seines Blicks auf die Welt verstanden werden, die in der mu802 | »Der Künstler verschwindet. Niemand weiß, wohin er gegangen ist. Er hinterlässt seine Zeichen hier und dort. […] Jeder gibt eine andere Beschreibung des Kriminellen.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 8. 803 | Graeventiz, in: Groblewski / B ätschamnn 1993, S. 80-81. 804 | Vgl. Kapitel 4.3. 805 | Auf diese terminologische Kongruenz geht Susan Sontag in ihrem Essay »Über Fotografie« ein. – Vgl. Sontag 1980, S. 19; Vgl. Kapitel 5.2.1. 806 | Vgl. Kapitel 5.2.1. 807 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. München 1997, S. 218; Kapitel 5.1.2. 808 | Neußer, Sebastian: Die verborgene Präsenz des Künstlers. Bielefeld 2011. 809 | Vgl. Celant, in: Ausst.-Kat. Venedig 1976, Bd. 1, S. 187-201, S. 193. – Die mnemotechnische Bedeutung der Ikonografie des Mausekopfes wurde in Kapitel 5.2.1 ausführlich dargelegt. 810 | Immendorff zitiert nach: Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 38.

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sealen Präsentation dem Betrachter als Erfahrungsmöglichkeiten angeboten werden.811 Entsprechend dem konservierenden Charakter der Sammeltätigkeit fungiert die Künstlersammlung als Versuch, »gegen den permanent verändernden Fluss der Zeit Identität sicher[zu]stellen«812 . Indem Oldenburg dieser konstruierten Identität das Pseudonym einer futuristischen Strahlenpistole verlieh, band er sie einerseits in die Markenwelt der amerikanischen Massenindustrie, in der auch der Künstler ein gefeiertes Konsumprodukt darstellt, drückte andererseits jedoch auch die vage Hoffnung aus, dass sein destruktiver sowie kreativer Umgang mit dieser Umwelt bis in die Zukunft wirken möge. Den wohl berühmtesten Doppelgänger der Kunstgeschichte schuf Marcel Duchamp 1920 mit seinem weiblichen Alter Ego »Rrose Sélavy« 813. Im Gegensatz zu Oldenburgs wandelbarer »Ray Gun«, ist Duchamps Double aus den bereits genannten Fotografien Man Rays als leibliche Erscheinung bekannt.814 Auf einem Abzug trägt die Fotografie an der rechten unteren Kante die Widmung »lovingly Rrose Sélavy alias Marcel Duchamp«.815 Als Maskerade somit zweifellos enthüllt, dient die auf der Fotografie festgehaltene Verkleidung Marcel Duchamps weniger als Tarneffekt des Pseudonyms, sondern setzt vielmehr den mit seiner Verdopplung stattfindenden Geschlechtswandel des Künstlers als öffentlichen Auftritt in Szene.816 Das von der Fotografie fixierte Bild des weiblichen Künstlers, dessen Name in phonemischer Schreibweise den »Eros« zur Essenz des Lebens erklärt,817 kann 811 | Vgl. Stemmrich, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 156-205, S. 202, Anm. 13. 812 | Winzen, in: Ausst.-Kat. München 1997, S. 10. 813 | Das weibliche Alter Ego Marcel Duchamps ist zum Gegenstand eines breiten Spektrums wissenschaftlicher Betrachtungen geworden. – Vgl. u. a. Jones, Amelia: Postmodernism and the En-Gendering of Marcel Duchamp. Cambridge 1994; Bernadac, Marie-Laure, Marcadé Bernard (Hg.): Fémininmasculin. Le sexe de l’art, Ausst.-Kat., Paris, Centre national d’art et de culture Georges Pompidou, Grande galerie, 1995-1996; Goodyear, Anne Collins, McManus, James W. (Hg.): Aka Marcel Duchamp. Meditations on the Identities of an Artist. Washington 2014; Ades, Dawn: Writing on Art and Anti-Art. London 2015, S. 347-370. – Wichtige Primärquellen Duchamps hierzu hat Serge Stauffer reproduziert. – Vgl. Stauffer 1981. 814 | Vgl. Kapitel 2.4.4. 815 | Vgl. Schmidt-Burkhardt, in: Hellmold [u. a.] 2003, S. 112-113. 816 | Vgl. Loreck, Hanne: Das Imaginäre und die Sichtbarkeit. Visualität auf dem »achten Feld«. In: Wagner, Frank, König, Kasper, Friedrich, Julia (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2006, S. 121-129, S. 122. – Wie Victor Stoichita darlegt, findet die kultische Aufladung des weiblichen Körpers durch den bekleidenden Putz bereits in mittelalterlichen Bildadaptionen des antiken Pygmalion-Themas Ausdruck. – Vgl. Stoichita, Victor I.: Der Pygmalion-Effekt. Trugbilder von Ovid bis Hitchcock. München 2011, S. 49. 817 | Durch die Dopplung des Konsonanten am Anfang von »Rrose« kann der Name von Duchamps Doppelgängerin in französischer Aussprache synonym zu »Éros c’est la vie« (Eros ist das Leben), oder »Arroser la vie« (das Leben begießen) verstanden werden. – Zur wortspielerischen Bedeutungsvielfalt der Namensfindung vgl. v. a. Faust 1977, S. 135-160. – »Rrose Sélavy« wurde für Duchamp darüber hinaus zum Ausgangspunkt einer Reihe von Sprachspielen, die er unter gleichlautendem Titel 1939 publizierte. – Vgl. Stauffer 1981, S. 173-175.

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als Pendant zum Fetisch der kommerzialisierten Objektwelt Oldenburgs gesehen werden.818 Denn das in der okzidentalen Kultur seit der Antike vorherrschende Paradigma, demzufolge der männlich besetzte Blick weiblich besetzte Bilder betrachten und schaffen konnte, begründet das Blickregime geschlechtsspezifisch.819 In Hinblick auf die Künstleridentität repräsentiert Duchamps Travestie des idealtypischen »männliche[n], abendländische[n]« 820 Künstlers in einen weiblichen Doppelgänger ferner auch den zeitgenössischen Übergang von einer aktiven zu einer passiven Subjektkonzeption.821 Als öffentliches Double zierte das fotografische Abbild »Rrose Sélavys« 1921 das assisted Readymade »Belle Haleine. Eau de Voilette« und fixierte damit das Bild des verkleideten Künstlers als kommerzialisierte Warenmarke.822 Als eine solche versuchte Andy Warhol, der sich ab 1963 nur noch mit Perücke in der Öffentlichkeit zeigte, seine Künstleridentität in eine vollkommen oberflächliche Erscheinung zu verwandeln, ohne Rückschluss auf verborgene, private Persönlichkeitsschichten.823

Gérard Gasiorowski Gérard Gasiorowski wählte für die Infragestellung seines künstlerischen Rollenbildes eine andere Vorgehensweise. Während Warhol, der ausschließlich unter seinem Künstlernamen an die Öffentlichkeit trat,824 keine Hinweise auf seine private Person gab und seine intime Existenz erfolgreich von seiner Position im Kunstbetrieb abschirmte, verfolgte Gasiorowski eine Art der Grenzverwischung zwischen künstlerischer Schöpfung und privater Identität. Wie anhand der verschiedenen Ausstellungstitel von 1982 ersichtlich wurde, inszenierte sich Gasiorowski nicht wie Broodthaers offenkundig im Rahmen seiner Institutionsfiktion in einer anderen Rolle, sondern überließ die Auslegung seiner Selbstbeschreibung als »Beobachter« dem Rezipienten.825 Dieser hatte somit die Aufgabe, die Grenze zwischen Fiktion und Realität selbst zu ziehen. Im Rahmen der Akademiefiktion lassen sich dabei zugleich drei Figuren als Korrespondenzen und fiktive Doppelgänger des Künstlers festhalten. Neben dem gleichnamigen Akademiebeobachter bildet Arne Hammer, der leitende Professor der »Académie Worosis Kiga«, ein Pendant zu Gasiorowski, da er die einzige Figur der Erzählung darstellt, dessen Künstlerschaft nachdrücklich verbürgt wird. So trägt das zweite Kapitel des Beobachterberichts den sprechenden Titel »L’artiste a. h.« und beginnt mit der unmissverständlichen Feststellung »Le professeur Arne Hammer est un artiste.«826 Demgegenüber werden die übrigen

818 | Vgl. Ades 2015, S. 367-368. – Die Thematisierung des Warenfetischs bei Oldenburg wurde in Kapitel 4.3 und Kapitel 5.1.1 dargelegt. 819 | Vgl. Zwirner, in: Borgemeister [u. a.] 2001, S. 85; Richter, in: Schade 2007, S. 8. 820 | Vgl. Krieger, in: Hellmold 2003, S. 119. 821 | Vgl. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 217. 822 | Vgl. Ades 2015, S. 347. 823 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 214-215. 824 | Vgl. Zahner 2006, S. 136. 825 | Vgl. Kapitel 5.2.2. 826 | »Der Künstler a.h.« – »Der Professor Arne Hammer ist ein Künstler« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: R1, Blatt 22 v, in: Digitalisate Galerie Maeght.

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Mitglieder der Akademie generalisierend als »sujets« 827 oder in ihrer Funktion als »maître d’étude« 828 bezeichnet. Die Entstehung »Kigas« als weiteres Alter Ego des Künstlers wurde im Abschnitt »Die Geburt Kigas« in Kapitel 2.3.2 thematisiert. Im Gegensatz zu Oldenburgs Double »Ray Gun« bleibt »Kiga« keine gestaltlose Künstlertheorie; anders als »Rrose Sélavy« tritt sie aber auch nicht als Doppelgängerin neben den Künstler. Vielmehr wird Gasiorowski nach dem Ende der »Académie Worosis Kiga« – zumindest zeitweise – zu »Kiga«. Einem schizophrenen Verhalten gleich inkarnierte der Maler sein Double und so war nur abwechselnd eine der beiden Persönlichkeiten für die Außenwelt ansprechbar.829 »Kiga« trat aus der Fiktion und gewann reale Präsenz. Während für Marcel Duchamp die mit »Rrose Sélavy« vollzogene Travestie laut Eigenaussage des Künstlers nicht das primäre Anliegen bei der Suche nach einem Alter Ego bildete,830 konnte die Genese des weiblichen Doubles Gasiorowskis sowie die wiederkehrende Verwendung von Kippfiguren in seinem Œuvre in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen werden.831 Laut einem Bericht Jacques Monorys war es bereits vor Gasiorowskis künstlerischem Schaffen seine persönliche Eigenart, Rollenmuster und Klischees spielerisch aufzuführen und diese dabei derart in seinen Lebensalltag einzubinden, dass für einen Außenstehenden die Trennung zwischen inszeniertem Spiel und realer Person unmöglich war. So arbeitete Gasiorowski nach seinem vierjährigen Studium an der Pariser École des Arts Appliqués und der darauffolgenden Entscheidung, seine künstlerische Tätigkeit aufzugeben, ab 1952 als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft.832 Jacques Monory führte diesbezüglich aus: Il mettait un bordel là-dedans! Il était subversif au maximum. Il allait là-bas avec un parapluie, une serviette à la main et un petit chapeau; il jouait l’employé d’assurances. Par moments, il m’effrayait vraiment. Il avait par exemple un plaisir tout à fait angoissant: il pouvait rester à regarder le plafond de sa chambre des journées entières, il était complètement apathique et, le soir, il allait quelquefois à la gare de l’Est ou du Nord, il regardait partir les trains, c’était bizarre comme tout. Il vivait reclus, en fait il ne voyait personne. Moi, j’avais un atelier à Montmartre, il venait me voir, nous avions une relation profonde. Nous parlions beaucoup de l’art, mais lui ne produisait encore rien, il trouvait cela assez méprisable de faire de la peinture. 833 827 | R1, Blatt 3 v, in: Digitalisate Galerie Maeght. 828 | R1, Blatt 3 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 829 | Vgl. Kapitel 2.3.2, »Die Geburt Kigas«; Auszüge des Gesprächs mit Michael Nickel am 1.7.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 830 | Vgl. Lebel 1959, S. 46; Stauffer 1981, S. 174. 831 | Vgl. Kapitel 2.4.4. 832 | Vgl. Kapitel 2.3.1,S. 33, Anm. 102. – Die Entscheidung, dieser Tätigkeit nachzugehen, bezeichnete Gasiorowski später selbst als »Masochismus«. – Interview mit Bernard Lamarche-Vadel in: Ausst.-Kat. Paris 1975 (a), S. 3. 833 | »Er hat dort ein Chaos angerichtet! Er war höchst subversiv. Er ging dorthin mit einem Regenschirm, einer Aktentasche und einem Hut; er spielte den Versicherungsangestellten. Manchmal erschreckte er mich ernsthaft. Zum Beispiel hatte er ein vollkommen beängstigendes Vergnügen: er konnte ganze Tage damit verbringen, die Decke seines Büros zu betrachten, er war komplett apathisch und abends ging er manchmal zur Gare de l’Est oder du

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Monorys Zeugnis über Gasiorowskis spielerischen Umgang mit der öffentlichen Darstellung seiner beruflichen Tätigkeit, dokumentiert offensichtliche Pa­ rallelen zur später in den »Carnets« fixierten Erscheinung des Akademiedirektors Arne Hammer (Abb. 49). Dort ist der Professor stets mit Hut und knöchellangem Mantel bekleidet dargestellt, worüber hinaus die unter seinen Arm geklemmte Zeichenmappe und der Zeichenstock in seiner Hand formalen Bezug auf die von Monory beschriebenen Accessoires Gasiorowskis, Regenschirm und Aktentasche, nehmen. Verweist der germanophone Nachname des Professors bereits auf die Strenge und Kompromisslosigkeit seines autokratischen Regimes, so nimmt sein nordischer Vorname in der französischen Phonetik Anlehnung an das Substantiv »hargne«, was sowohl »Verbissenheit« als auch »Streitsucht« bedeuten kann.834 Des Weiteren existiert ein historisch verbürgter, realer Namensvetter des Akademieprofessors. Der geschichtliche Arne Hammer war Patenkind des norwegischen Dichters Bjønstjerne Bjørnson und um 1903 als Sekretär in der Zeitungsredaktion von »L’Européen« in Paris tätig, wodurch er Kontakt zum Freundeskreises um Guillaume Apollinaire erhielt.835 Bilden die Schülerzeichnungen die Silhouette Arne Hammers immerzu vor dem Sainte Victoire und damit vor einem berühmten Bildmotiv Paul Cézannes ab, so bildet die historische Namensreferenz über Apollinaire einen weiteren Bezug zur modernen Malereigeschichte.836 Deren Revolution erfolgte, wie Hans Belting in seiner kulturvergleichenden »Geschichte des Blicks« festhält, durch das Auf brechen der bildnerischen Perspektive, mit der die akademische Konvention einer realistischen Bildauffassung überwunden wurde.837 Verbunden mit der Ablehnung einer okzidentalen Abbildungstradition wurde vielen vorkubistischen Bestrebungen eine sogenannte »primitivistische«838 Tendenz zugesprochen, da sich ihre Vertreter Vorbilder in der künstlerischen Produktion von Naturvölkern und indigenen Kulturen suchten. Versteht man die neuzeitliche Zentralperspektive mit Erwin Panofsky als eine symbolische Form, die nicht lediglich als Kompositionsregel den Bildauf bau, sondern auch die damit ausgedrückte

Nord und sah den abfahrenden Zügen zu, das war äußerst seltsam. Er lebte zurückgezogen, in Wirklichkeit traf er niemanden. Ich hatte ein Atelier in Montmartre, er kam vorbei, wir hatten eine enge Beziehung zueinander. Wir sprachen viel über Kunst, aber er produzierte noch nichts, er fand das ziemlich verachtenswert, Malerei zu betreiben.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 224. 834 | Vgl. Langenscheidt 1979, Bd. 1, S. 470. 835 | Vgl. Suchère 2012, S. 101; http://www.lexpress.fr/culture/livre/la-gourmandise-deguillaume-apolli-naire_798082.html (letzter Aufruf: 21.6.2014). 836 | Apollinaire verhalf mit seinem interdisziplinären Kunstanspruch der avantgardistischen Strömung des Kubismus durch seine Publikationen zu verstärkter öffentlicher Wahrnehmung und Beachtung. – Vgl. Apollinaire, Guillaume: Les Peintres Cubistes. Meditations Esthétiques. Paris 32012 [1913]. 837 | Vgl. Belting, Hans: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks. München 2008, S. 30. 838 | Zur Präzisierung der wissenschaftlichen Terminologie vgl. Weiss, Judith Elisabeth: Der gebrochene Blick. Primitivismus – Kunst – Grenzverwirrungen (zugl. phil. Diss. Heidelberg 2005), Berlin 2007, S. 67-69.

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anthropozentrische Weltsicht betrifft,839 wird die Bedeutung der modernistischen Abkehr ermesslich. Abbildung 49:  Gérard Gasiorowski, »Silhouette supposée du professeur Arne Hammer«, 1976, Tinte / Papier, Maße unbekannt, Collection Galerie Maeght

© Foto Galerie Maeght, Paris

Innerhalb der »Académie Worosis Kiga« spielt die Perspektivlehre keine Rolle. Doch gibt es mit Arne Hammer ein eindeutiges Machtzentrum das über die Inhalte der akademischen Lehre entscheidet. In Hinblick auf die durch die Namenswahl eröffnete Bezugnahme zu moderner Malereigeschichte kann daher schließlich die Figur des Akademieprofessors mit der Geschichte der abendländischen Bildtheorie in Verbindung gebracht werden. Wie der Beobachterbericht ausführlich darlegt, arbeitete der Akademiedirketor an der Fertigstellung seines »unsterblichen Œuvres«, den »OIPAHHO OPIAHSTRA«.840 Dabei beglaubigt auf jedem einzelnen Papier839 | Vgl. Panofsky, Erwin: Die Perspektive als Symbolische Form. In: ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, hg. v. Hariolf Oberer, Egon Verheyen. Berlin 1980, S. 99-167. 840 | Vgl. Kapitel 2.2.1.

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stück der Akademiestempel den Autor des Werks.841 Derselbe Akademiestempel ist ebenfalls auf den willkürlich angeordneten Etiketten der Klassenarbeiten zu sehen. Buchstäblich überdeckt demnach die Präsenz der Akademie die darunter liegende Malerei.842 Gleichzeitig ist anzumerken, dass der Akademiestempel, im Zentrum den Namen des Professors trägt. Dessen Unterschrift wiederum erscheint – entgegen den Konventionen einer realen Kunsthochschule – in Form eines abgekürzten Signets auf den zurückgewiesenen Arbeiten, die der Beobachter laut Bericht nach dem Tod Arne Hammers im »dossier des réfusés« auffand.843 In Gasiorowskis Fiktion werden auf diese Weise jede malerische Ausdrucksform, jeder Stil und jedes Motiv nicht nur von der Akademie, sondern von dem über diese herrschenden Professor vereinnahmt. Konzeptuell steht somit die Figur des Künstlers, Arne Hammer, im Fluchtpunkt der kompositorischen Anlage der Akademiefiktion. Mit seiner filmischen Inszenierung der Künstlersignatur hatte Marcel Broodthaers auf den künstlerischen Narzissmus, das heißt auf die Selbstverliebtheit des Künstlers, anspielen wollen. Arne Hammer als einziger Künstler der Akademie entspricht diesem Klischee, indem sein Interesse der Ausbildung marktkonformer und austauschbarer Künstlersubjekte gilt,844 wohingegen er mit seinem Werk am Fortleben seines persönlichen Ruhmes arbeitet. Wie der mythologische Narziss stirbt Arne Hammer und erlaubt Gasiorowski somit aus dem Zyklus der Akademiefiktion auszutreten.845 Der Tod des Künstlerdoubles bedeutet in dieser Hinsicht aber auch die Überwindung des akademischen Habitus und seiner narzisstisch motivierten Kunstschöpfung. Auffälliger Weise erfuhr die Konzeption der Narziss-Figur in der Entwicklungsgeschichte des antiken Mythos zum Zeitpunkt der Einführung der Zentralperspektive eine Umdeutung. So erscheint Narziss bei Alberti als »Erfinder der Malerei«846, wobei die spiegelnde Wasseroberfläche zur Metapher für das Gemälde wird.847 Der für Narziss noch tödliche Blick auf sein Spiegelbild, wird mit dieser Umdeutung zu einem symbolischen Blick, der sich nicht mehr auf ein Abbild, sondern auf ein Kunstwerk richtet. Anders als in der natürlichen Spiegelung befinden sich in diesem die Aspekte von Realität und Irrealität in einem permanenten Spannungsverhältnis.848 In dieser Deutung des Narziss-Mythos wird in der neuzeitlichen Auffassung das Kunstwerk folglich zum privilegierten Mittel der Selbstbegegnung.849

841 | Vgl. R1, Blatt 22r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 842 | Vgl. Kapitel 5.1.2. 843 | Vgl. Kapitel 2.1. 844 | Vgl. Kapitel 2.4.3. 845 | Vgl. Maracdé, in: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 36. 846 | Belting 2008, S. 246. 847 | Vgl. Belting 2008, S. 248-249. 848 | Stoichita erläutert anhand dieser unterschiedlichen Bildkonzeptionen einleuchtend die im ovidschen Ursprungstext fixierten unterschiedlichen Ausgänge der beiden Künstlermythen von Narziss und Pygmalion sowie deren abweichende Rezeptionsgeschichte. – Vgl. Stoichita 2011, S. 12. 849 | Vgl. Belting 2008, S. 250.

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In der »Académie Worosis Kiga« begegnen sich die beiden Doppelgänger Gasiorowskis, wobei er als beobachtender Chronist passiv bleibt. Als Figur der Selbstspaltung stirbt der akademische Narziss, Arne Hammer. Kiga, seine weibliche, primitive und rebellische Gegenfigur nimmt daraufhin wahre Gestalt an und führt Gasiorowskis Schaffen zu den Ursprüngen der Kultur im Ritus, zu natürlichen Materialien, den Gegenständen des Alltags und zum kultivierenden Ackerbau zurück.850 Durch den Tod Arne Hammers wird aber auch die Malerei aus den akademischen Zwängen und Normierungen befreit. Wiederholt hat Gasiorowski in Interviews auf undurchsichtige Weise die Eigenständigkeit und Überzeitlichkeit der Malerei betont, die sie für ihn wie ein Gegenüber erscheinen ließ.851 In Kiga fand sie schließlich ihre Verkörperung.852 Hatte deren Namen bereits vor der Arbeit am Akademiekomplex als Pseudonym des Künstlers gedient,853 legte er nach der Phase der »Régressions« seine Signatur in Form eines vollständig ausformulierten Namens für immer ab.854 Die Formel »G XX S« definierte Gasiorowski daraufhin nur noch als Vertreter der Malerei in einer gewissen Epoche. Trotzdem funktioniert natürlich auch diese Abkürzung auf dem Kunstmarkt als Signatur, die »eine Vielzahl von kulturellen, sozialen und juristischen Implikatio­ nen« 855 hat und das Gemälde als ökonomisches Gut mit einer Marke versieht. Dass die auf dem Kunstmarkt verhandelten Preise und damit konnotierte Werte infolge der Erweiterung des künstlerischen Tätigkeitsfeldes jedoch über keine festen Urteilskriterien mehr verfügen,856 deckte Gasiorowski durch sein inkarniertes Rollenspiel und die im Rahmen der Akademiefiktion aufeinanderstoßenden Charaktere auf. Kann seine persönliche Haltung dabei als Verteidigung einer nach 1960 zunehmend als veraltet in Verruf geratenen Gattung der Malerei erfasst werden,857 deutet der Untergang der fiktiven Akademie auf einen weiterreichenden Zusammenhang. 850 | Vgl. Kapitel 2.3.1. – Zu den verschiedenen Serien, die auf die Arbeit »Kiga« folgen vgl. Suchère 2012, S. 131-134. – Zur ruralen Metaphorik in Gasiorowskis Werk vgl. Paliard 2006. 851 | »Il devenait nécessaire pour moi de créer des personnages, c’est-à-dire que la peinture était considérée comme une entité. Elle existait, je dialoguais avec elle, elle était présente tout le temps, mais à travers un nom.« – »Es wurde für mich notwendig Figuren zu schaffen, das heißt, dass die Malerei als Entität betrachtet wurde. Sie existierte, ich unterhielt mich mit ihr, sie war die ganze Zeit präsent, aber durch einen Namen.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 247; Auszüge aus der handschriftlichen Transkription eines Gesprächs zwischen Dirk Teuber und Gérard Gasiorowski, Paris, 1979, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 852 | Im Gespräch mit Suzanne Pagé führt Gasiorowski zu Kiga aus: »Elle est la figure de la peinture même.« – »Sie ist die Figur der Malerei selbst.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Gasiorowski im Gespräch mit Suzanne Pagé, in: Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 96. 853 | Vgl. Kapitel 2.3.2, »Die Geburt Kigas«. 854 | Vgl. Kapitel 2.3.1. 855 | Schmidt-Burkhardt, in: Hellmold [u. a.] 2003, S. 92. 856 | So bezeichnet Gasiorowski in einem Interview Thomas West gegenüber die Bepreisung von Kunstwerken als »leurre« – »Täuschungsmanöver«. – Vgl. Gérard Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 178. 857 | Vgl. Suchère 1994, S. 31. – Michel Enrici hat in dieser Perspektive die erste Serie von Leinwandarbeiten nach den »Régressions«, die »Symptômes« als Wiedergeburt der Male-

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Während die Akademie als exklusive Institution, als Filter dessen, was als aktueller Kunstbegriff zu gelten hat, zugrunde geht, führt das primitive Alter Ego Gasiorowskis seine Produktion weiter und übertritt formale und materialästhetische Bewertungskategorien. Während seine weibliche Spiegelfigur die Rebellion an der Kunstakademie entfacht, verfügte Gasiorowski in Realität über keine akademische Ausbildung, ist also kein institutionell zertifizierter freier Künstler. Vielmehr ist er im deutschen Sinne der »Arts appliqués« als Kunsthandwerker zu bezeichnen. Gleichwohl war Gasiorowski bei befreundeten Künstlern aufgrund seiner technischen Fähigkeit hoch geschätzt. Diesbezüglich erläuterte Hervé Télémaque der Verfasserin im Gespräch: Gasio, c’est une apparition à côté de la gaucherie de Jacques ou des enfantillages de Jan. On ne se rend pas compte que ce type est très particulier dans le Paris de l’époque, il n’y a pas de peintre réaliste, les peintres viennent de COBRA, de l’abstraction dite lyrique, ailleurs, il n’y a pas de métier, les école d’art ça n’existe pas, à l’époque. […] les Arts Appliqués à l’industrie […] Il y a du métier là! Il faut savoir dessiner là! […] ce qu’il faut comprendre dans sa psychologie c’est qu’il vient, qu’il vit, dans une ville où le métier d’artiste n’est pas tellement apprécié. Ma génération c’est une génération de peintres amateurs 858

Bereits die vom Bauhaus angestrebte Rückführung der Kunst zum Handwerk geriet in Konflikt mit der mystischen Aufladung des Künstlerbildes.859 In Hinblick auf die seit den 1960er Jahren zunehmende Ausfransung des künstlerischen Tätigkeitsgebiets, sowie die Ausweitung des Kunstbegriffs durch materialästhetische, prozessuale und räumliche Werkinnovationen kann Gasiorowskis Spiel mit Rollen und Doppelgängern im Rahmen der »Académie Worosis Kiga« als Fingerzeig auf die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer schwieriger werdende Definition von

rei gedeutet. Diese Interpretation scheint in Hinsicht auf den marktkritischen Impetus der »Académie Worosis Kiga« zu kurz zu greifen. Die Akademiefiktion nimmt, wie die Entscheidung sie als Ausstellungsthema 1982 zu wählen unterstreicht, eine wichtige Scharnierstellung im Gesamtwerk Gasiorowskis ein und erlaubt daher auch Rückschlüsse über die danach folgende Produktion des Künstlers zu geben. Zur Argumentation Enricis vgl. Enrici, in: Ausst.Kat. 1995, S. 88-90. 858 | »Gasio das ist eine Erscheinung gegenüber der Unbeholfenheit von Jacques oder den Kindereien Jans. Man macht sich nicht bewusst, dass dieser Typ sehr speziell im zeitgenössischen Paris war. Da gibt es keine realistischen Maler, die Maler kommen von COBRA, aus der sogenannten lyrischen Abstraktion, außerdem gab es da kein Metier [= Kennerschaft i. S. v. Handwerk, Anm. T. N.], die Akademien existieren zu diesem Zeitpunkt nicht. […] die [Schule für, Anm. T. N.] Angewandte Kunst und Industrie […] da gibt es ein Metier! Man muss wissen wie man das zeichnet! […] das, was man an seiner Psychologie begreifen muss, dass ist die Tatsache, dass er in eine Stadt kommt (lebt), wo das Metier des Künstlers nicht besonders angesehen ist. Meine Generation ist eine Generation von Amateur-Künstlern.« [Übersetzung T. N.], zitiert nach: Hérvé Télémaque im Gespräch mit der Verfasserin, Paris, 15.1.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. 859 | Dieses wurde vorrangig von Johannes Itten und seiner an der Mazdaznan-Lehre ausgerichteten Selbstinszenierung geprägt. – Vgl. Kapitel 5.1.2; Fiedler /  F eierabend 1999, S. 232-241.

Aneignung und Subversion

»Künstlerschaft« verstanden werden.860 Diese schwankte zwischen Propagierung einer allgemeinen künstlerischen Freiheit aller Menschen und der elitären Hervorhebung des besonderen Subjekts.861 Dennoch funktionierte die Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst auf dem Kunstmarkt ungehindert und die Idee eines »Anderssein[s]« 862 des Künstlers wurde dort weiterhin wertschöpfend umgesetzt. In Hinsicht darauf machte Gasiorowski durch das Rollenspiel der »Académie Worosis Kiga« deutlich, dass nicht das kreative Subjekt die Macht besitzt, seinen Status als Künstler allgemeinverbindlich zu deklarieren, sondern der institutionell geordnete Apparat des Kunstbetriebs mit seinen verschiedenen Beteiligten für diese Entscheidung verantwortlich ist.863 Da der Kunstmarkt jedoch nicht mehr über verbindliche Beurteilungskriterien für das Kunstwerk verfügt, ist der von ihm vertretene, offiziell gültige Kunstbegriff von eigenen, marktwirtschaftlichen Interessen geleitet. Vor diesem Hintergrund liest sich Gasiorowskis Kommentar zu seinem letzten  – wahrscheinlich unabgeschlossenen  – Werkzyklus »Fertilité«, »Fruchtbarkeit«, den er für den Stand der Galerie Maeght auf der Pariser Kunstmesse FIAC 1986 erarbeitete, auf ambivalente Weise: »Désormais j’attends que la terre donne et que poussent les choses que j’ai semées. En fait, c’est une vraie culture que j’attends maintenant.«864 Während Immendorff mit seiner Forderung »Das Bild muss die Funktion der Kartoffel übernehmen«865, nicht nur der Hoffnung auf ein Nachleben und die Wirkung seiner künstlerischen Idee, sondern auch auf deren gesellschaftlichen Nutzen Ausdruck gab, so ließ Gasiorowskis Rückgriff auf die mit Kiga einsetzende rurale Metaphorik seines Werks romantische Konzeptionen des Totalkunstwerks anklingen, in denen dem Künstler als außerordentlichem Subjekt eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft zugesprochen wurde.866 Angesichts des zum Zeitpunkt der zitierten Aussage gegebenen Kontextes, in dem der Künstler sein Werk zweckorientiert für eine kommerzielle Kunstmesse erschuf, scheint jedoch Gasiorowskis raffinierte Ironie hervor, die er dazu nutzt, die hehren Ziele der Kunst auf deren marktwirtschaftlichen Kern zurückzuführen.

5.3.2 Kooperation Die Widersprüchlichkeit im Verhalten der Künstler in der Moderne […] zeigt sich besonders in diesem Wunsch, einerseits »zu Ehren des Museums« zu gelangen, andererseits aber die 860 | Vgl. Bismarck 2010, S. 7. 861 | Vgl. Bleyl, in: Groblewski / B ätschmann 1993, S. 146; Bismarck 2010, S. 9-10. 862 | Loers, Veit: Kippenberger als die Mutter von Joseph Beuys – Zum Selbstbildnis der 1980er Jahre. In: Ausst.-Kat. Baden-Baden 2010-2011, S. 26-31, S. 27. 863 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 226. 864 | »In der Zwischenzeit warte ich darauf, dass die Erde trägt und die Dinge wachsen, die ich gesät habe. Tatsächlich ist es eine wahre Kultur, die ich jetzt erwarte.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Gérard Gasiorowski im Gespräch mit Michel Enrici, 1986, in: Ausst.-Kat., L’Amour de l’art, Lyon, Biennale de Lyon, 1991, S. 48. 865 | Immendorff zitiert nach: Hegyi, in: Ausst.-Kat. Wien 1994, S. 46. 866 | Vgl. Hofmann, Werner: Verfall in der Kunstgeschichte gibt es nicht. In: Husslein-Arco, Agnes, Krejci, Harald, Steinbrügge, Bettina (Hg.): Utopie Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat., Wien, 21er Haus, 2012, S. 14-18, S. 15.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie damit verbundene, abgesicherte historische Legitimation, die im wörtlichen Sinne konven­ tionelle Wertschätzung zugunsten einer offenen, lebendigen und inhaltsbezogenen Auseinandersetzung möglichst lange zu unterdrücken. 867

Michael Groblewski spielt in dieser Aussage auf das ambivalente Verhalten Joseph Beuys’ an, dessen Arbeiten zu Lebzeiten bereits früh in museale Sammlungen aufgenommen wurden, zu einer Zeit, in der die inhaltliche Auseinandersetzung mit seinem Werk jedoch noch in den Startlöchern stand. Dem aufrührerischen Künstler wurde damit eine konventionelle Ehrung zuteil, die ihm gemäß den tradierten Strukturen des Kunstmarktes Ansehen und Wertschätzung sicherten, obwohl seine ästhetische Position im aktuellen Diskurs noch umstritten war. Die Ambivalenz des beuysschen Verhaltens bestand laut Groblewski nun darin, dass ihm einerseits durchaus an der klassisch musealen Anerkennung gelegen war, er andererseits jedoch aktiv daran mitwirkte, dass die »Rahmung« 868 seines Werks in der Öffentlichkeit möglichst lange unabgeschlossen blieb. Die institutionelle Einbindung sichert einem künstlerischen Œuvres das Prädikat »Kunst« und fließt als »symbolisches Kapital« 869 in die Verhandlungen einer ökonomischen Wertschätzung des Künstlers auf dem Kunstmarkt ein. So ermittelt beispielsweise der alljährlich erscheinende »Kunstkompass« 870 seit 1970 den Rang von Künstlern auf dem internationalen Kunstmarkt. Ausschlaggebendes Kriterium für die »empirische« 871 Beurteilung ist dabei allerdings nicht das Œuvre. Die künstlerische Reputation wird anhand eines Punktesystems bemessen, bei dem Ausstellungsbeteiligungen entsprechend der ausstellenden Institutionen bewertet werden.872 Wurde in den vorhergehenden Kapiteln das Konzept der Ausstellung als Pate für die Präsentationsweisen der fiktiven Institutionen genutzt, so wendet sich der Blick im Folgenden auf deren einzelne Komponenten, auf Akteure und Einrichtungen, die sich teilweise parallel zur historischen Entwicklung der Ausstellung als fester Instanz des Kunstbetriebs ausgebildet haben. Mit der öffentlichen Kunstausstel867 | Groblewski, Michael: Vorwort, in: ders. / B ätschmann 1993, S. IX-XI, S. X. 868 | Wagner, Monika: Abfall im Museum oder Kunst als Transformator? In: Hüsch, Annette (Hg.): From Trash to Traesure. Vom Wert des Wertlosen in der Kunst, Ausst.-Kat., Kiel, Kunsthalle, 2011-2012, S. 49-62, S. 50. 869 | Für eine übersichtliche Erläuterung der Feldtheorie Pierre Bourdieus’ in Anwendung auf den Kunstbetrieb vgl. Zahner 2006, insbes. S. 61-65. 870 | 1970 wurde der »Kunstkompass« als ein internationales Ranking zeitgenössischer Künstler von Willi Bongard für die Zeitschrift »Capital« eingeführt. – Vgl. Baumann, Margret: Die Entstehung des Kunstkompass. In: Rohr-Bongard, Linde (Hg.): Kunst=Kapital. Der »Capital« Kunstkompass von 1970 bis heute. Köln 2001, S. 9-15. – Im Frühjahr 2015 ist die alljährliche Rangliste im Kunstmagazin »Weltkunst« erschienen. – Vgl. Kunstkompass, in: Weltkunst, Nr. 99, April 2015, S. 24-25. 871 | ht tp://w w w.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2015/02/kunstkompass-er scheintexklusiv-in-der-welt-kunst/ (letzter Aufruf: 30.9.2016). 872 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 228-232; Rohr-Bongard, Linde: Wie der Kunstkompass entsteht. In: Die Zeit, 30.3.2015, online unter: http://www.zeit.de/kultur/kunst/2015-03/ kunstkompass-regeln (letzter Aufruf: 30.9.2016).

Aneignung und Subversion

lung wurde der Wettbewerb unter den einzelnen Künstlern verstärkt, was zu einer zunehmenden Bedeutung des kritischen Urteils führte. Denn die Ausstellung war nicht länger ein intimes Ereignis, bei dem die private Auswahl eines Sammlers oder der Auftrag eines Mäzens gezeigt wurde. Die Kunstausstellung wurde vielmehr zu einem öffentlichen Ort des Geschmacks und des Genusses und die institutionalisierte Kunstkritik dementsprechend zu einem Mittel der Distribution eines Werks und öffentlicher Meinungsbildung.873 Dadurch hatte sie ebenfalls maßgeblichen Anteil am zunehmenden Warencharakter des Kunstwerks.874 Wie gesehen, nutzten die Künstler im Rahmen ihrer fiktiven Institutionen bewusst die institutionell verankerten Distributionsmedien des Kunstmarktes und griffen dabei auch auf persönliche Verbindungen zu Kunstkritik und Presse zurück.875 Darüber hinaus gingen die Künstler mit ihren fiktiven Institutionen weitere Kooperationen ein, um ihre Werke einer Öffentlichkeit zu präsentieren und zugleich die gültigen Mechanismen und Definitionsapparate des Kunstbetriebs offenzulegen. Ihre Zusammenarbeit war dabei entweder institutionell geprägt, beispielsweise im Fall der Präsentation innerhalb einer offiziellen Kunstinstitution oder die Künstler suchten im Produktionsprozess verstärkt persönlichen Kontakt zu anderen Akteuren des Kunstsektors, um ihr Werk zu realisieren. Gegenüber der Übernahme einer fiktiven Rolle oder der Kreation eines fiktiven Alter Egos innerhalb der institutionellen Struktur, bedeuteten die Kooperationen der Künstler extern – marktwirtschaftlich und juristisch – wirksame Eingriffe in die Konstitution des künstlerischen Œuvres.

Jörg Immendorff, »LIDL« Infolge der Subjektkritik der 1960er Jahre hatte eine am Marxismus orientierte Theoriebildung Gruppierungen wie Fluxus oder die Situationistische Internationale dazu veranlasst, den Anspruch auf künstlerisches Eigentum abzulehnen und ein neues Verhältnis zwischen Schöpfer, Werk und Publikum anzustreben. Durch die Anonymität des Künstlerindividuums und die Einführung eines »kollektiven Copyrights« wollten sie die Besitzansprüche an ideellen Werken und Werten sowie den darauf auf bauenden Markt unterlaufen.876 »LIDL« strebte keine Ersetzung der individuellen Künstlerpersönlichkeit an, sondern ein Kollektiv zur Diskussion, gegenseitigen Beratung und gemeinschaftlichen Erarbeitung individueller Werke. Mit der kollektiven Produktionsweise strebten die »LIDL«-Anhänger auch eine Annäherung an die Masse der Rezipienten an. So definierte Chris Reinecke die Tätigkeit der »LIDL«-Mitarbeiter in einem Flugblatt: Den Teilhabern am »Genialischen« verspricht die geistige Elevation zumindest die Möglichkeit des Sich-Erhebens über die Masse der nicht Privilegierten. Die Mitarbeiter von LIDL arbeiten an der Auflösung der Privilegien. […] Mein Tun besteht in Zusammenarbeit mit den 873 | Vgl. Bätschmann 1997, S. 9. 874 | Vgl. Bürger, in: Lehmann 2012, S. 24.­ 875 | Vgl. Kapitel 5.2.2; zu Gasiorowki vgl. Kapitel 2.3.2, »Rekonstruktion der Arbeitsphasen«. 876 | Vgl. Pencenat, Corine: L’auteur en question dans les pratiques artistiques contemporaines. In: Hascher 2011, S. 27-54, S. 37; Kapitel 3.2.2.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie LIDL-Leuten darin, die Normen und Wertungen, die die Menschen in ihrem Leben und Zusammenleben trennen[,] aufzubrechen und an der Verbindung unseres Tuns und unserer Tätigkeiten zu uns und unserer Umwelt. 877

Susanne Rennert hat in ihrem aufschlussreichen Aufsatz über die Zusammenarbeit von Chris Reinecke und Jörg Immendorff im Rahmen von »LIDL« darauf hingewiesen, dass insbesondere durch Immendorffs spätere Vermittlungsarbeit diese angestrebte Kollektivität aus mehreren Einzelœuvren zugunsten des individuellen Autors Immendorff in Anonymität versank.878 Wie an Reineckes Zitat deutlich wird und wie die persönlichen, in der Folge von »LIDL« stark differierenden Biografien Reineckes und Immendorffs darüber hinaus belegen,879 war der angestrebten Wandlung künstlerischer Produktionsformen ein deutlicher sozialreformerischer Aspekt inhärent. Mit seiner am Hochschullehrer Beuys orientierten Selbstinszenierung wirkte Immendorff allerdings nicht in Richtung einer egalitären Gruppenidentität, in die sich das Individuum eingliederte. Vielmehr nahm er eine exponierte Stellung in der kollektiven Konstellation ein und kam damit historischen Reformbewegungen nach, die in der Kunstgeschichte wiederholt eine gesellschaftliche Neuerung unter künstlerischer Führung anvisierten.880 Die »LIDL«-Vertreter fungierten in dieser Hinsicht eher als Gemeinde des messianischen Künstlers,881 bevor sich dieser der paradoxen »Religion des Kommunismus und des ausgeprägten Individualismus« 882 verschreiben konnte. Diese Paradoxie wurde Immendorff in der Folge zwar durchaus kritisch entgegengehalten,883 doch ist sie allein im Rahmen einer noch immer funktionierenden mythischen Begründung des Künstlersubjekts möglich. Im Kontext von Immendorffs Gesamtwerk wird ersichtlich, dass die von »LIDL« angestrebte kollaborative Künstlerschaft lediglich die rebellische Ausformung einer das Gesamtœuvre durchziehenden Fragestellung darstellt. Während Immendorffs frühe Malereien aus der Akademiezeit stark vom Motiv des Mentors Beuys geprägt waren und einer kritischen Selbstidentifikation mit dessen Lehre,884 suchte Immendorff nach »LIDL« schnell den Austausch und die Zusammenarbeit mit seinem ostdeutschen Kollegen A. R. Penck. In den darauf hin entstehenden Bildern des »Café Deutschland« stellte der Künstler in einer lauten, farbigen, expressiven Malweise die Frage nach der Verortung des Individuums in-

877 | Reinecke, Chris: Kunst muss sein. In: Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 272: Jörg Immendorff: LIDL-Akademie. 878 | Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 38-39; Kapitel 5.2.2. 879 | Vgl. Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001, S. 36. 880 | Vgl. Kort, Pamela: Eine geheime Geschichte der Kunst. Maler, Bildhauer und Propheten im deutschsprachigen Europa zwischen 1872 und 1972. In: Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 12-13. 881 | Vgl. Bätschmann, in: Groblewski /d  ers. 1993, S. 23. 882 | Kort, in: Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 13. 883 | Vgl. Grasskamp, Walter: »Deutschland in Ordnung bringen.« Der Schauprozeß gegen Jörg Immendorff. In: ders.: Der lange Marsch durch die Illusionen. München 1995, S. 118130, S. 125-127; Thierolf, in: Ausst.-Kat. Augsburg, 2014-2015, S. 11. 884 | Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015, S. 359; Kort, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004, S. 136.

Aneignung und Subversion

nerhalb eines politischen Machtsystems.885 Die Konfrontation mit Penck erlaubte ihm dabei auch sicherzustellen, dass Kollektivität sich nicht immer intentioniert ergibt, nicht notgedrungen durch offizielle Bekenntnisse entsteht oder anhand äußerer Merkmale erkennbar ist.886 Die historische, soziale und politische Einbindung des Individuums bildet einen unwillkürlichen Rahmen, zu dem er sich verhalten muss. So formulierten die beiden Künstler ihre gemeinsame Absicht hinsichtlich ihrer ersten Gruppenausstellung in der Galerie Michael Werner 1977: »Wir wollen ein gutes Kollektiv werden. Ein Kollektiv, das Gegensätze einschließt« 887 – und reale Grenzen überwindet, ließe sich der Satz vollenden. Vorläufer dieses »imaginären kulturellen Raum[s]«888, in dem der Fluss der Zeit aufgehoben ist und dem Immendorff im »Café Deutschland« Gestalt gab, 889 war die »LIDL«-Gruppierung, in der versucht wurde »Utopie und Wirklichkeit eine Symbiose« 890 eingehen zu lassen. Stand dabei der Dialog und Austausch auch im Vordergrund, so inszenierte Immendorff jedoch seine Künstlerrolle wiederholt in seiner subversiv-spöttischen Art. Auf diese Weise versuchte er der »Funktion des Künstlers, der den Vorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen Traum und Wirklichkeit lüfte[n kann]«891, nachzukommen, die er als seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnahm.892 Stellte Immendorff also auf der einen Seite sein messianisches Sendungsbewusstsein zur Schau, drückte er damit auf der anderen Seite seine Auffassung von der gesellschaftlichen Aufgabe des Künstlers als Vermittler aus. Während Beuys gemäß seinem Leitspruch »To be a teacher is my greatest work of art« 893 den Aspekt der Lehre tendenziell als einseitig gerichteten Informationsfluss fasste, zielten die Stellungnahmen Immendorffs vor allem auf eine Positionierung seiner Selbst und seines Gegenübers.894 Bildete folglich der Dialog in Immendorffs Kunstkonzeption den Angelpunkt, so erforderte dieser eine klare Stellung des Künstlers, der sich nicht in die Anonymität der Gruppe auflösen konnte. Als institutionelle Attacke richtete sich »LIDL« demgemäß deutlich gegen eine einseitig gerichtete, exklusive Lehrpraxis an der Kunstakademie, wohingegen die Räume der Institutionen – real oder fiktiv – als Gelegenheiten zum Dialog offengelegt und genutzt wurden.895

885 | Vgl. Elliott, in: Ausst.-Kat. Köln /  N ew York 2014, o. S. 886 | Vgl. Eikels, Kai van: Die Kunst des Kollektiven. Performance zwischen Theater, Politik und Sozio-Ökonomie. München 2013, S. 11-12. 887 | Zitiert nach: Graw, in: Ausst.-Kat. Köln / N ew York 2000, o. S. 888 | Immendorff zitiert nach: Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 44. 889 | Vgl. Gohr, in: Ausst.-Kat. Köln / N ew York 2014, o. S. 890 | Gohr, in: Ausst.-Kat. Köln / N ew York 2014, o. S. 891 | Hegyi, in: Ausst.-Kat. Wien 1994, S. 46. 892 | Vgl. Kort, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2014, S. 138. 893 | Beuys zitiert nach: Krause-Wahl, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 11. 894 | Vgl. Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 42; Kapitel 5.1.3. 895 | Daher steht für Immendorff kein Widerspruch zwischen der Ausstellungspraxis in offiziellen Institutionen des kommerziellen Kunstbetriebs und den sozialpolitischen Inhalten seiner Werke. – Vgl. Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984, S. 42.

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Claes Oldenburg, »Maus Museum« Zeigt die ephemere, fragile Hülle des »LIDL«-Raums, dass sich der Ort des Dialogs überall und jederzeit einstellen kann, verfügt das »Maus Museum« Claes Oldenburgs als einzige der im Rahmen dieser Untersuchung behandelten fiktiven Institutionen eine permanente architektonische Hülle. Sie markiert, entsprechend den Künstlerintentionen, den Ort der Sammlungspräsentation als einen Ort des Gedächtnisses.896 Hat Immendorff im Medium des Buches eine erste Selbsthistorisierung, eine comicartige Autobiografie und damit eine Lektüre seines Werks vorgelegt, nutzte Oldenburg das Mittel der »Selbstarchivierung«897, um seinen Platz in Sozial- und Kunstgeschichte zu markieren. Während die Sammlung des 1977 angefügten »Ray Gun Wings« an einigen Exponaten den Hinweis enthält, dass diese über Schenkungen von Freunden Eingang in dieselbe gefunden haben,898 sind die Objekte des »Maus Museums« ausschließlich in die bekannten Kategorien aufgeteilt und teilweise mit Datumsangaben versehen. Wie Genevieve Waller erstmals dargestellt hat, beruht diese Erscheinung der Künstlersammlung auf einer strategischen Verschleierung kooperativer Arbeitselemente durch Oldenburg.899 Beide Museumsflügel gingen, wie erwähnt, aus einer 1965 erstmals als »museum of popular art n.y.c.« zusammengestellten Objektsammlung des Künstlers hervor.900 Zu diesem Zeitpunkt war Claes Oldenburg seit fünf Jahren mit Patricia Munschinski verheiratet, die unter dem Künstlernamen Patty Mucha seit 1957 in New York künstlerisch tätig war.901 Sie hatte zu Beginn der 1960er Jahre in Performances Oldenburgs mitgewirkt. Neben schauspielerischen Auftritten fertigte sie dabei zusammen mit Oldenburg die benötigten Requisiten sowohl für Bühnen- als auch Kostümbild an.902 Hierfür fabrizierte Mucha bald mit einer Nähmaschine große, weiche Formen aus Musselin-Stoff, Sackleinen und alten Kleidungsstücken, die mit Zeitungspapier ausgestopft als Kulissen, Tanzpartner oder Werkzeug der Performer dienten. Auf die gleiche Weise stellte sie für Oldenburgs Einzelausstellung in der Green Gallery 1962 großformatige Stoffskulpturen her, die als »Soft Sculptures« in Oldenburgs Œuvre bekannt wurden.903 Trotz der wiederholten Publikation von Fotografien, auf denen die Zusammenarbeit der beiden Künstler während des Herstellungsprozesses dokumentiert ist,904 hat bis auf Wallers Beitrag die Teilhabe Muschinskis an der Werkgestaltung in der bisherigen Forschung keine explizite Betrachtung erfahren. Lediglich Öyvind Fahlström 896 | Vgl. Kapitel 5.2.1. 897 | Bismarck 2010, S. 176; vgl. Kapitel 5.1.1. 898 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 111. 899 | Vgl. Waller, in: Welchman 2013, S. 159-177. 900 | Vgl. Kapitel 4.3. 901 | Vgl. Chronologie, in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 284. 902 | Vgl. Waller, in: Welchman 2013, S. 160. 903 | Vgl. Prather, in: Ausst.-Kat Washington, 1995-1996, S. 3; Mucha, Patty: Soft Sculpture Sunshine. In: Ausst.-Kat., Seductive Subversion: Women Pop Artists, 1958–1968, Philadelphia, University of the Arts [u. a.], 2010- 2011, S. 144-161, S. 144-146. 904 | Vgl. Abb., in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2010-2011 S. 152; Abb., in: Ausst.-Kat. Köln 2012-2014, S. 157; Abb., in: Welchman 2013, S. 162; Abb., in: Rose 1970, S. 203. – Hier findet sich auch eine Zeichnung Oldenburgs, die Pat Mucha beim Nähen zeigt. – Vgl. Rose 1970, S. 155.

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ging in einem Katalogbeitrag 1970 immerhin so weit, Muschinskis aktiven Beitrag an Oldenburgs Werk zu würdigen: »Ohne ihre Näherei und ihre Mitwirkung an Oldenburgs Aufführungen würde er nicht der sein, den wir kennen.«905 In der Folge wurde Oldenburgs Ehefrau zunehmend zu einer Assistentin des Künstlers und ordnete ihre eigene künstlerische Produktion dem unter. In der heutigen kunsthistorischen Forschung besitzt diese einen absolut marginalen Stellenwert. Obwohl die Mitarbeit Muchas an der Galerieausstellung 1962 nachweisbar ist, erklärte Oldenburg noch in einem 1965 geführten Interview, dass er bis 1963 alleine in seine Kunstproduktion involviert gewesen sei, bevor ihm die Idee kam, seine Objekte in Kooperation zu produzieren. Diese Entscheidung begründet der Künstler damit, dass er die Beteiligten zu einer Art Material des Kunstwerks werden lassen wollte: Well, up to 1963, I had been doing things where I was the only one involved, and then I wanted to get other people into it, using them almost as part of the material. She happened to be a good seamstress, so I took advantage of her right away. 906

Das Ausklammern der bereits vor dem genannten Zeitpunkt bestehenden Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau reflektiert sich in Oldenburgs absolutistischer Formulierung, der zufolge die an seiner Kreation mitarbeitenden Personen nicht als autarke Persönlichkeiten oder gar Ko-Autoren seines Werks wahrgenommen, sondern als dessen Material vereinnahmt werden. Konzeptuell setzt Oldenburg demnach seine Mitarbeiter mit den Konsumobjekten der industriellen Gesellschaft gleich.907 In Hinblick auf die Präsentation des »Maus Museums« auf der fünften documenta 1972 ist anzunehmen, dass die dort in den Vitrinen ausgestellten kleinformatigen Stoffmodelle, die sogenannten »Ghost Versions«908, ebenfalls von Pat Mucha nach Vorlagen Oldenburgs ausgeführt wurden, da dieser nicht nähen konnte.909 Diese Mitwirkung Muschinskis an der Objektsammlung findet in der Museumsinstallation und ihren Distributionsmedien keinerlei Erwähnung und wurde auch in den späteren Katalogen nicht kommuniziert. Hierin spiegelt sich sicherlich eine noch immer idealistisch gefärbte Kunstauffassung, in der die theoretische Reflexion und Konzeption des Werks höher bewertet wird als die handwerkliche Ausführung. Nach der Scheidung von Pat Muschinski lebte Claes Oldenburg ab 1969 bis 1977 mit Hannah Wilke zusammen, die neben ihrer Tätigkeit als Kunstlehrerin an einer Highschool bereits ihre eigene künstlerische Praxis in Zeichnung und Bildhauerei gefestigt hatte. Während der Zeit ihres Zusammenlebens entwickelte Wilke ihr 905 | Vgl. Fahlström, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1970, S. 6. – Auszüge aus Muschinskis bisher unveröffentlichter Autobiografie, die ausführlich auf ihre Zusammenarbeit mit Oldenburg eingehen, sind inzwischen in einem Ausstellungkatalog publiziert. – Vgl. Mucha, in: Ausst.Kat. Philadelphia 2010-2011. 906 | Oldenburg in: McDevitt, Jan: The Object: Still Life – Interviews with the New Object Makers, Richard Artschwager and Claes Oldenburg on Craftmanship, Art and Function. In: Craft Horizons, 25 /  5, Sept. /  O ct. 1965, S. 32, zitiert nach: Waller, in: Welchman 2013, S. 160. 907 | Vgl. Fahlström, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1970, S. 6. 908 | Vgl. Ausst.-Kat. New York 1970, S. 151. 909 | Vgl. Mucha, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2010-2011, S. 150.

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künstlerisches Schaffen, begann eigene Performanceaufführungen und Filme zu produzieren. Zeitweise wurde sie auf Oldenburgs Gehaltliste geführt, da sie dessen Objekte für Werbezwecke fotografierte.910 An Oldenburgs künstlerischer Produktion trug sie durch das Sammeln und Fotografieren von »Ray Guns« bei, die in die Sammlung des »Maus Museums« sowie des späteren »Ray Gun Wings« eingingen. Im Gegensatz zu Freunden Oldenburgs wie Jim Dine911 oder sogar anonymen Wächtern der Venediger Biennale912 wurde Wilkes Beitrag am »Ray Gun«-Ensemble jedoch nicht in den Objektbeschriftungen aufgeführt. Nach der Trennung der beiden Künstler machte Wilke daher offensiv auf ihre Teilhabe an der Künstlersammlung Oldenburgs aufmerksam. Als dieser 1978 sein um den »Ray Gun Wing« erweitertes »Maus Museum« im New Yorker Whitney Museum präsentierte, zeigte Wilke zum selben Zeitpunkt im nur einige Häuserblock entfernten P.S. 1 ihre Einzelausstellung »So Help me Hannah: Snatshots with Ray Guns«. In dieser waren neben eigenen »Ray Guns« der Künstlerin auch eine Reihe Schwarz-Weiß-Fotografien zu sehen, auf denen Wilke nackt mit Spielzeugpistolen posierte. Auf den Fotografien aufgedruckte Schriftzüge setzen die Abbildungen in einen feministischen Kontext, der die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers anprangert.913 Hinsichtlich der parallel laufenden Museumsausstellung Oldenburgs erscheinen die Klagen darüber hinaus als ironisch-kritische Anspielung auf den ehemaligen Lebensgefährten. Wilke selbst äußerte sich hierzu in einem Interview: Later I created the Ray Gun series of photographs, objects and video performance when Claes and I split up. This was called So Help me Hannah, but he didn’t. I collected these »guns« and yet only received recognition in the catalog for the show as »Group H« when he exhibited the ray guns at the Whitney Museum and else-where. 914

In Anbetracht emanzipatorischer Bewegungen und explizit feministischer Kunstschöpfungen in den 1960er Jahren erstaunt das klar definierte Rollenbild, das die nicht nur privaten Beziehungen, sondern auch professionell künstlerischen Kollaborationen Oldenburgs mit Muschinski und Wilke zeichnen. Oldenburgs Beziehungen zwischen 1960 und 1977 reihen sich damit in eine Traditionslinie von Künstlerpaaren ein, bei denen wie im Falle Auguste Rodins und Camille Claudels oder Pablo Picassos und Françoise Gilots, die Produktion und der Arbeitsanteil des

910 | Vgl. Waller, in: Welchman 2013, S. 164. 911 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 112, Inv.-Nr. MCA-2: »Ray Guns by Jim Dine«. 912 | Vgl. Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 112, Inv.-Nr. MCA-H RGW: »Fake fagends made by guards at the Venice Biennale«. 913 | Vgl. Princenthal, Nancy: Hannah Wilke. München [u. a.] 2010, S. 89-94. 914 | »Später machte ich die Ray Gun Fotoserie, Objekte und Videoperformances als Claes und ich uns trennten. Das war die sogenannte So hilf mir Hannah, aber er tat es nicht. Ich sammelte die ›guns‹ und habe bisher Anerkennung nur als ›Gruppe H‹ im Ausstellungskatalog erhalten, als er die Ray Guns im Whitney Museum und andernorts ausstellte.« [Übersetzung T. N.], Hannah Wilke im Gespräch mit Linda Montano, zitiert aus: Montano, Linda: Performance Artists Talking in the Eighties: Sex, Food, Money / f ame, Ritual / d eath. Berkeley / L os Angeles 2000, S. 179 [Hervorhebungen i. Orig.].

Aneignung und Subversion

weiblichen Partners in der öffentlichen Wahrnehmung stets hinter der männlichen Autorität zurückstand.915 Anders verhielt es sich mit Claes Oldenburgs nächster Lebensgefährtin und späteren Ehefrau, Coosje van Bruggen. Sie lernte der Künstler anlässlich einer Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam 1970 kennen, wo van Bruggen kuratorische Assistentin war. Zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit, 1977,916 arbeitete die Kunsthistorikerin bereits seit einem Jahr mit Oldenburg zusammen an den Plänen einer modifizierten Rekonstruktion des »Maus Museums« für das Chicagoer Museum of Contemporary Art.917 Während die Veränderungen an der mobilen Museumsarchitektur im dortigen Katalog sowie in der zwei Jahre später von van Bruggen selbst verfassten Publikation ausdrücklich auf ihren Vorschlag zurückgeführt werden, bleiben Muschinski und Wilke im Blick auf Oldenburgs Gesamtœuvre unerwähnt.918 Bis zum Tod van Bruggens im Jahre 2009 wurde ihre Mitwirkung an Oldenburgs Werkkonzeptionen von ortsspezifischen Installationen und »Large Scale Sculptures« wiederholt offiziell als Kooperation betitelt.919 In Hinblick auf die Realisation des »Maus Museums« im Rahmen der documenta 1972 muss eine weitere Kooperation des Künstlers genannt werden. Im Vergleich zu den übrigen fiktiven Institutionen fällt auf, dass Oldenburg einen Außenstehenden zum Direktor seines Künstlermuseums erklärte. Kasper König hatte bereits 1966 Claes Oldenburgs erste Werkschau in Stockholm kuratiert und stand in einem freundschaftlichen Verhältnis zum Künstler.920 Seine Mitarbeit an der Objektauswahl für die Sammlung des »Maus Museums« ist durch das Begleitheft von 1972 belegt. Hiermit wird die kooperative Werkgenese des Künstlermuseums nicht nur offiziell eingeräumt, sondern durch den an König verliehenen Direktorentitel programmatisch in das institutionelle Werkkonzept aufgenommen. Diese unterschiedlichen Kommunikationsweisen Oldenburgs in Bezug auf seine Kooperationen im Rahmen seiner fiktiven Institution lassen einen Unterschied deutlich werden. Während die Beiträge der beiden Künstlerinnen Muschinski und Wilke zu seinem Werk übergangen werden, machte Oldenburg seine Zusammenarbeit mit der Kunsthistorikerin van Bruggen und dem Kurator König nicht nur offiziell kund, sondern räumte ihnen einen Platz als dezidierten Bestandteil seines Schaffens ein. Der Direktorenposten Königs im »Maus Museum« kann somit als eine bewusste Thematisierung realer Markttaktiken angesehen werden, die auch 915 | Vgl. Schäfer, Barbara, Blühm, Andreas (Hg.): Künstlerpaare. Liebe, Kunst und Leidenschaft, Ausst.-Kat., Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 2008-2009. 916 | Vgl. Waller, in: Welchman 2013, S. 165. 917 | Vgl. Ausst.-Kat. Chicago 1977. 918 | Vgl. Ausst.-Kat. Chicago 1977, S. 15; Ausst.-Kat. Otterlo 1979, S. 71. 919 | Vgl. Ausst.-Kat. Chicago 1977, S. 15. – Weitere Publikationen behandeln die Kooperationen namentlich, z. B.: Celant, Germano (Hg.): A bottle of notes and some voyage. Claes Oldenburg, Coosje van Bruggen, Ausst.-Kat., Sunderland, Northern Art Center [u. a.], 19881989; ders.: Claes Oldenburg, Coosje van Bruggen. Venedig 1999; Lee, Janie C. (Hg.): Claes Oldenburg with Coosje van Bruggen. Drawings 1992-1998, Ausst.-Kat., New York, Whitney Museums, 2002; Valentin, Éric: Claes Oldenburg – Coosje van Bruggen. Le grotesque contre le scaré. Paris 2009. 920 | Vgl. Sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels. Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels, ZADIK, Nr. 23-24 /  2014, S. 31.

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von Oldenburg befolgt wurden. Demnach gilt es für den Erfolg des Künstlers, potenzielle Konkurrenten zu vermeiden, wohingegen Verbindungen zu anderen Akteuren des Kunstbetriebs ein hilfreiches Werbemittel darstellen können.

Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« In Anlehnung an diesen Gedanken kann eine Bemerkung Harald Szeemanns über seine »Agentur für geistige Gastarbeit« von 1979 aufgefasst werden, in der er konstatierte: »Der historische Anspruch des Künstlers überträgt sich auf den Vermittler«921, da dieser »mit der Institution das Mittel habe, alles zu Kunst zu deklarieren, was [ihn] interessiert, was [ihm] gefällt.«922 Diese Überzeugung teilte augenscheinlich Marcel Broodthaers und machte sie wie erläutert zum Thema seiner Adlerausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle 1972.923 Während Broodthaers durch das Rollenspiel im Rahmen des »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« die zunehmende Kompetenzverschiebung des Kunstsektors illustrierte und die Beibehaltung normierter Aufgabenbeschreibungen und Rollendefinitionen kritisch hinterfragte, ging er bei Ausstellungen seines fiktiven Museums in offiziellen Ausstellungsinstitutionen reale Kooperationsverhältnisse ein. Diese nutzte er im Falle der Düsseldorfer Kunsthalle zugleich zwei Mal, um seine Museumsfiktion Gestalt annehmen zu lassen. Sowohl bei der »Section XIXème Siècle (bis)« im Rahmen von »between« 1970 als auch für die »Section des Figures« 1972 gebrauchte er den offiziellen Status der gastgebenden Kunsthalle, um originale Werke aus öffentlichen Museumssammlungen für seine Projekte zu entleihen.924 Dadurch war es ihm möglich, das fiktive Dispositiv seines Museums innerhalb der offiziellen Institution zu verschleiern und andererseits deren Regeln subversiv als willkürliche Konstruktionen offenzulegen, indem er beispielsweise durch unpassende Sektionsepochen anerkannte Ordnungssysteme der Kunstinstitution unterlief.925 Des Weiteren verlieh Broodthaers durch die Zusammenarbeit mit Direktoren und Konservatoren nicht nur seinem Rollenspiel als fiktiver Museumsdirektor, sondern auch den betroffenen Museumssektionen einen über die individuelle Fiktion hinausgehenden, anerkannten Status. So setzte die Eröffnungsrede Johannes Cladders’ zur »Section XIXème Siècle« 1968 das Künstlermuseum über die theoretischen Ausführungen zum Konzept eines Anti-Museums in eine Verbindung zu realen Museen und deren zeitgenössischer Krise.926 Der Mönchengladbacher Museumsdirektor honorierte damit den Status des fiktiven Museumsdirektor und seiner Institution als realen Gegenvorschlag. Darüber hinaus bekräftigte er auf diese Weise, die von Broodthaers vor Eröffnung der ersten Sektion in einem offenen Brief unter der Adresse des Kultusministers in Ostende formulierten Ankündigung eines ersten Museums für moderne Kunst in Belgien.927 In seinem nur zwei Tage nach Museumseröffnung datierten Brief klagte Broodthaers die Einsamkeit seiner Sektion im Vergleich mit den inhaltslosen Trans921 | Szeemann, in: ders. 1981, S. 108. 922 | Szeemann, in: ders. 1981, S. 107-108. 923 | Vgl. Kapitel 5.3.1. 924 | Vgl. Harten, in: Klüser / H egewisch 1991, S. 222-223. 925 | Vgl. Kapitel 5.2.1. 926 | Vgl. Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991, S. 294. 927 | Vgl. Kapitel 4.2.

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portkisten an.928 Diese Aussage wiederholte Broodthaers vier Jahre später anlässlich seiner »Section Cinéma« am Düsseldorfer Burgplatz. In einem Interview mit Freddy de Vree verwies der Künstler dabei auf seine persönliche Konnotation des Museums als einer einsamen, menschenleeren Institution, machte jedoch zugleich deutlich, dass die eigentliche Intention seiner Museumskonzeption im Überwinden dieser Einsamkeit lag.929 Auf die Frage des Journalisten, welchen Typ von Besucher er bevorzuge, einen Bekannten und Freund oder eher den zufälligen Passanten, erwiderte Broodthaers mit einem Hinweis auf die problematische Vermittlung seiner persönlichen Ordnung, die sich in der Museumsinstallation realisierte: Ich möchte Ihnen sagen, daß ich immer sehr glücklich bin, Freunde zu treffen, oder Leute, die ich kenne und die mich besuchen kommen. Das gefällt mir. Da gibt es einen direkten Kontakt. Sonst mag ich auch den zufälligen Besucher, er ist hierher geführt worden durch einen Ratschlag, den ihm ein Freund gegeben hat. Das heißt, daß der Bezug, den ich hier mit dem Besucher habe, persönlicher Ordnung ist, und ich stelle mir übrigens folgende Frage: Kann nicht dieser Ort allein dank dieses persönlichen Bezugs genau gleichzeitig als Museum und als Fiktion existieren, daß schließlich jene Besucher guten Willens sind, einfach gern diese Idee anzunehmen? Aber was mich beunruhigt ist, wie dies trotz allem von jemandem aufgefaßt werden könnte, der in persönlichen Beziehungen ein völlig Fremder wäre. 930

In Anbetracht der wenige Jahre später von Szeemann festgehaltenen Entwicklung des Kunstbetriebs, offenbaren die beiden geschilderten Aussagen Broodthaers’ nicht nur eine kohärente Intention, sondern ebenso eine konsequente Inszenierungspraxis des Künstlers. Die beiden Verweise auf seine Einsamkeit innerhalb des fiktiven Museums entstammen aus Sektionen, die Broodthaers nicht innerhalb eines offiziellen Rahmens des Kunstbetriebs verwirklicht hatte. Im Gegenteil entbehrten sowohl der private Atelierkontext der ersten Museumssektion als auch der anonyme Kellerraum, in dem die »Section Cinéma« realisiert wurde, eines allgemeingültigen Bezugssystems, das Zuschreibungen, Rollen und Ordnungen verbindlich fixierte. Ohne die Anerkennung seines Ranges durch eine offizielle Institution verschwammen die beiden Funktionen Broodthaers’, der zugleich selbsternannter Direktor des Museums sowie dessen Schöpfer war. Ohne authentifizierende Vermittlungsinstanz kann sich der Künstler der Rezeption seines Werks nicht sicher sein. Auf diesen Umstand verweist Broodthaers, indem er das Motiv von Einsamkeit zielgerichtet in Bezug auf diejenigen Museumssektionen zum Thema machte, die in einem privaten und inoffiziellen Rahmen stattfanden. Anscheinend konnte allein die Anwesenheit Cladders das Künstleratelier für den Abend der Vernissage in einen tatsächlichen Museumsraum verwandeln, wohingegen sich das romantische Bild des isolierten Künstlers sofort wieder realisierte, sobald dieser seinen institutionell authentifizierten Mittler verliert.931 928 | Vgl. Abb. des Briefes in: Zwirner 1997, S. 87. 929 | Vgl. Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 89-93, S. 90. 930 | Vgl. Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 90-91. 931 | Als Anspielung auf die geistesgeschichtliche Epoche der Romantik und ihre Künstlermythen kann eine weitere Aussage Broodthaers’ gegenüber de Vree gewertet werden, in der er sein »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« als ein »Abenteuer mit romantischem Charakter« bezeichnet. – Zitiert aus: Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 91. – Über

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Die Überlagerung der beiden Rollen Broodthaers’ als Museumsdirektor und künstlerischer Schöpfer sind der Natur seines Werks geschuldet, das als situative Installation nicht einen einheitlichen Werkkörper umfasst. Während Broodthaers sich wie gesehen für die Realisation einzelner Museumssektionen durchaus Objekte realer Kunstsammlungen bediente, war Oldenburgs Sammlung privat angewachsen und der Künstler präzisierte seine Position im offiziellen documentaKatalog als deren Besitzer: »Claes Oldenburg praesentiert sein MAUS MUSEUM verlorengegangener, nicht veraenderter Spielsachen und anderer Objekte, Atelierrelikte und Buehnenbilder fuer noch nicht komponierte Opern.«932 Hinsichtlich der historischen Bezugsdimension des Künstlermuseums kann auch in diesem Rollenspiel eine Anspielung auf die Museumsgeschichte erkannt werden. Die feudalen Sammlungen der frühen Neuzeit waren zumeist aus Auftragsarbeiten entstanden, wobei Hanak-Lettner festhält: »Der persönliche Geschmack des Mäzens bedingte ihre Struktur und ihren Anspruch, sodass ähnlich wie das Einzelkunstwerk sogar der Sammlungskomplex als Ganzes, die individuelle Schöpfung einer bestimmten Persönlichkeit ist.«933 In ironischer Anspielung auf die parallel zur »Section Cinéma« stattfindende »Section Financière« auf dem Kölner Kunstmarkt, behauptete Broodthaers daher gegenüber Freddy de Vree, dass er sich im kommerziellen Rahmen des Kunstbetriebs wohler fühle als in seinem Museum, da er sich dort in der »heutigen gesellschaftlichen Realität«934 befinde, wo »Kunst wie eine niedrige Ware«935 verkauft wird. Denn wie Broodthaers kurz vor Schließung seines Adlermuseums in der »Section d’Art Moderne« feststellte, ist es letztlich der Besitzer eines Kunstwerks, der sich durch sein Eigentum im Kunstsystem eine Machtposition sichern kann, zugleich aber auch die abschließende Verfügungsgewalt über die künstlerische Schöpfung und deren Nachleben besitzt.936

Gérard Gasiorowski, »Académie Worosis Kiga« Gasiorowskis subversiver Umgang mit dem historisch geprägten Raum der Kunstinstitution »Maeght« wurde in Kapitel  5.2.1 bereits thematisiert.937 Während Broodthaers wiederholt in den Installationen seiner fiktiven Museumssektionen lokalen Bezug auf den Ausstellungsraum und dessen Geschichte nahm,938 hat Gasiorowski seine Akademiefiktion und ihre Artefakte direkt in Aussicht auf seine Ausstellung in der Galerie geformt und die diesbezügliche Konzeptionsarbeit in das Werk eingegliedert. Damit hat er die Galerie zum Bestandteil seiner fiktiven Institution gemacht. In Hinblick auf Gasiorowski starkes kunsthistorisches Bewusstsein und die häufige Bezugnahme auf die Malereigeschichte in seinem Œuvre – die nach der reBroodthaers’ allgemeinen Umgang mit der romantischen Vorstellung des einsamen, melancholischen Dichters vgl. Haidu 2012, insbes. S. 151-153. 932 | Ausst.-Kat. d5 1972, S. 13.7. 933 | Hanak-Lettner 2011, S. 211. 934 | Zitiert aus: Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 91. 935 | Zitiert aus: Vree, in: Dickhoff 1994 (a), S. 92. 936 | Vgl. Kapitel 5.2.1. 937 | Vgl. Kapitel 5.2.1. 938 | Vgl. Kapitel 5.2.1.

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gressiven Phase ebenfalls in seinem Signaturakronym widerhallt – erhält die Ausstellungsmöglichkeit in der »Institution Maeght«, einer traditionsreichen Größe der französischen Kulturlandschaft, eine besondere Bedeutung. Das französische Familienunternehmen besteht bis heute nicht nur aus dem Pariser Kunsthandel, sondern umfasst ebenfalls die Fondation im Süden Frankreichs.939 Hatte deren Gründer Aimé Maeght die Konzeption einer »lebendigen Kunst«940 angestrebt, so wurde er mit der nach diesem Leitmotiv benannten Zeitschrift »Chroniques de l’Art Vivant« zum Pionier einer neuen Distributionsform für aktuelle Kunstproduktion in Frankreich.941 Mit der Ausrichtung der »Seconde Exposition internationale du Surréalisme« 1947 bezeugte er darüber hinaus sein reges Interesse an avantgardistischen Entwicklungen. Über zwanzig Jahre nach Entstehung des Surrealismus und dem amerikanischen Exil vieler seiner Vertreter galt die Bewegung zum Ausstellungszeitpunkt jedoch weithin bereits als abgeschlossen.942 Trotz provokativer Ausstellungsbeiträge erhält die Ausstellung in heutiger Perspektive daher primär den Anschein eines Nachrufs auf eine der einflussreichsten französischen Avantgardebewegungen des frühen 20. Jahrhunderts.943 1956 eröffnete Adrien, der älteste Sohn Aimé und Marguerite Maeghts,944 seine eigene Galerie in der Pariser Rue du Bac mit einer Ausstellung Alberto Giacomettis.945 Er erweiterte den Galeriekatalog aus Vertretern der klassischen Moderne wie Chagall, Mirò, Calder, Bram und Geer Van Velde, Ubac, Léger und Steinberg um weitere Positionen, die wie unter anderem Derain und Tal-Coat der École de Paris zuzurechnen sind oder wie Palazuelo, Riopelle, Tàpies oder Reyberolle, alle der nach dem Zweiten Weltkrieg marktführenden Abstraktion und Informel angehören.946 Um 1970 erweiterte Maeght sein Ausstellungsrepertoire weiter um re-

939 | Vgl. Ausst.-Kat., 50 ans. La passion de créer, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2014; Fondation Marguerite et Aimé Maeght, hg. v. Maeght, Paris 2013. 940 | Gerlach, Rolf: Grußwort, in: Ausst.-Kat. Münster 2008, o. S. 941 | Vgl. Müller, in: Ausst.-Kat. Münster 2008, S. 19; Kapitel 5.2.2., S. 285. 942 | Zur Spät- und Exilphase der Kunstbewegung vgl. Flahutez, Fabrice: Nouveau monde et nouveau mythe. Mutations du surrélisme, de l’exil américain à l’»Écart« absolu (1941-1965). Dijon 2007. 943 | ›Let the stone make fire‹. Ann Dumas in conversation with Isabelle and Yoyo Maeght. In: Ausst.-Kat., Behind the Mirror. Aimé Maeght and his artists. Bonnard, Matisse, Miró, Calder, Giacometti, Braque, London, Royal Academy of Arts, 2008-2009, S. 33-47, S. 35-36. 944 | 1953 verstarb der jüngere Sohn, Bernard Maeght, mit erst elf Jahren an Leukämie. In seinem Andenken wurde die Fondation in Saint-Paul de Vence gegründet. – Vgl. Müller, in: Ausst.-Kat. Münster 2008, S. 20-21; Maeght 2013, 29-33. 945 | Vgl. Interview, in: Ausst.-Kat. London 2008-2009, S. 38. – Die erste Pariser Galerie Maeght wurde 1946 von Aimé Maegth in der Rue de Téhéran anstelle der früheren Galerie Schoeller eröffnet. Nach dem Tod Aimé Maeghts 1981 wurde diese zur Galerie Maeght-Lelong und ging 1987 schließlich in die Galerie Lelong über. – Vgl. http://data.bnf.fr/11869654/ galerie_lelong_paris/ (letzter Aufruf: 27.1.2017); Delarge, Jean-Pierre: Dictionnaire des Arts plastiques modernes et contemporains. Paris 2001, S. 781. 946 | Vgl. http://maeght.com/galeries/galerie_maeght_paris.asp (letzter Aufruf: 12.10. 2016); Maeght 2006, S. 307-308.

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nommierte jüngere Positionen wie Bury, und Adami.947 Mit der Eröffnung der Galerie Adrien Maeght wurde somit das gediegene moderne Programm, das sein Vater mit den beiden Ausstellungshäusern Galerie und Stiftung repräsentierte, um anerkannte Kunstpositionen ausgebaut, wobei sich keine scharfe Trennlinie zwischen den Künstlerverzeichnissen der beiden Galerien ziehen lässt. Ein Jahrzehnt später stellte Adrien Maeght Vertreter der »Nouvelle figuration« aus und betrat damit ein Terrain zeitgenössischer Kunstschöpfung, das in der französischen Kunstkritik als Gegengewicht zur international marktführenden amerikanischen Pop-Art gewertet wurde.948 Unter den Ausstellenden befanden sich mehrere Künstler aus dem Freundeskreis Gasiorowskis. Bereits 1968 nahm Bernard Rancillac an der Gruppenausstellung »Art Vivant« der Fondation teil,949 1979 stellte Hervé Télémaque in Paris aus,950 1981 folgte eine Einzelausstellung von Jan Voss.951 Parallel zur Ausstellung der »Académie Worosis Kiga« in den Hinterhofräumen fand in den vorderen, noch heute von der Galerie bespielten Sälen, die zur Straße hin ausgerichtet sind, eine Schau Peter Klasens statt.952 Jacques Monory, der erstmals 1975 bei Maeght ausstellte, wird bis heute von der Galerie repräsentiert.953 Befand sich Gasiorowski somit durch ihm nahestehende, befreundete Künstler im Umkreis der Ausstellungsinstitution, hatte er jedoch schon vor seiner ersten Ausstellung direkten Kontakt zu dieser aufgebaut. So widmete ihm bereits 1972 Jean Clair einen Artikel in den »Chroniques de l’Art Vivant«954 und drei Jahre später realisierte er in der von Adrien Maeght 1964 gegründeten Druckerei »Arte« eine Lithografie zu einem Text Gilbert Lascaults.955 Des Weiteren teilten der Galerist und der Künstler eine gemeinsame Leidenschaft für Modellspielzeuge, wobei Gasiorowski laut Quellenaussagen Flugzeug- und Eisenbahnmodelle für seine Serie »La Guerre« teilweise in einem ebenfalls von Adrien Maeght betriebenen Spielzeugladen kaufte.956 Die Ausstellung 1982 kam letztlich jedoch über Vermittlung des damaligen künstlerischen Leiters der Galerie, Alain Massiot, zustande. Ihm

947 | Vgl. Maeght 2006, S. 308. 948 | Vgl. Kapitel 3.2.1. 949 | Vgl. Ausst.-Kat., L’Art Vivant, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 1968. 950 | Vgl. Ausst.-Kat., Télémaque, Paris, Galerie Adrien Maeght 1979. 951 | Vgl. Ausst.-Kat., Jan Voss, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1981. 952 | Vgl. Ausst.-Kat., Peter Klasen, Traces, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1982. – In der von Isabelle und Yoyo Maeght herausgegebenen Ausstellungschronik wird die erste Schau Gasiorowskis fälschlich auf 1981 datiert. – Vgl. Maeght 2006, S. 308. 953 | Vgl. Ausst.-Kat., Monory, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1975; Ausst.-Kat., Jacques Monory. Tigre, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2009. 954 | Vgl. Clair 1972; »J’ai admiré de grands artistes, lui, en plus, je l’aimais«. Gespräch von Olivier Kaeppelin mit Adrien Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence, 2012, S. 117123, S. 117. 955 | Vgl. Reproduktion der Lithografie, in: Ausst.-Kat. Châtellerault 2007, o. S. 956 | Vgl. Gespräch von Olivier Kaeppelin mit Adrien Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence, 2012, S. 117.

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wurde Gasiorowski von seiner Lebensgefährtin, Colette Portal, gegen Ende des Jahres 1978, Anfang 1979 vorgestellt.957 Anders als die »LIDL-Akademie«, das »Maus Museum« oder die meisten Sektionen des »Musée d’art Moderne, Département des Aigles«, situierte sich Gasiorowskis fiktive Institution somit von vorneherein innerhalb eines kommerziellen Ausstellungsrahmens. Mit ihrem unkonventionellen Dispositiv markierte die »Académie Worosis Kiga« im Kontext des übrigen Ausstellungsprogramms der Galerie Maeght eine Ausnahme. Dabei verschärfte sie durch die namentliche Bezugnahme auf Vertreter der aktuellen Kunstszene die von allen vier in dieser Untersuchung behandelten Künstlern ausgedrückte Kritik an zeitgenössischen Entwicklungen des Kunst- und Ausstellungsmarktes. Spielen die Schülernamen seiner »Académie« auf die zeitgenössische Kunstlandschaft an, verweist darüber hinaus die Wahl einer fiktiven Kunsthochschule auf eben jene künstlerische Ausbildungsstätte, die für die Kulturnation Frankreich als identitätsstiftend und als Garant ihrer internationalen Vorreiterrolle galt. Diese hatte Frankreich zum Eröffnungszeitpunkt der Fondation Maeght jedoch bereits verloren.958 In der Kombination von aktuellen Positionen und einer traditionsreichen, national konnotierten Kulturinstitution steigerte Gasiorowski somit den kritischen Impetus seines Werks. Denn nicht nur dessen Titel, sondern auch das weiter oben analysierte Ausstellungsdisplay 1982 offenbarten die Beurteilungs- und Wertungskriterien des aktuellen Kunstsystems als Anachronismus und können somit auch als bissiger Kommentar zum deklarierten Ziel der Förderung einer »lebendigen Kunst« des Familienunternehmens gelesen werden.959 In den Archivakten der Galerie Maeght findet sich eine handschriftlich verfasste Notiz Gasiorowskis, die laut darauf befindlicher Anweisung des Künstlers an Adrien Maeght, von einem Galerieangestellten abgetippt und ins Fenster der Ausstellungsräume in der Rue du Bac 46 gehängt werden sollte. Hierin macht der Künstler mit polemisch-humoristischem Unterton auf seine Ausstellung im Hinterhof des Ausstellungshauses aufmerksam: À l’aimable attention des visiteurs, suivant l’humeur du personnel, l’exposition Gasiorowski est ouverte ou fermée. En cas de fermeture et si vraiment de voir les tableaux vous tient à cœur les clefs se trouvent au 42 même rue, en vous remerciant pour votre flegme. Je vous adresse à toutes et à tous mon amical salut, l’artiste: Gasiorowski. 960 957 | Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Colette Portal am 25.4.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. – Portal und Gasiorowski lernten sich Ende 1978 kennen, kurz darauf fand laut Portals Aussage das Treffen mit Massiot statt. – Colette Portal im Gespräch mit Philippe Agostini, 21.10.2010, Transkription in: Archiv Philippe Agostini. 958 | Vgl. Monnier 1995, S. 350. 959 | Zur postmodernen Kritik anachronistischer Kunstlehre vgl. Mai 2010, S. 11-23. 960 | »An die liebenswürdige Aufmerksamkeit des Besuchers. Entsprechend der Stimmung des Personals ist die Ausstellung Gasiorowski geöffnet oder geschlossen. Im Fall einer Schließung und wenn es Ihnen wirklich am Herzen liegt, die Bilder zu sehen, finden sich die Schlüssel in Nummer 42 derselben Straße. Mit herzlichem Dank für ihre Gelassenheit [i. S. v. ›Stumpfheit‹, Anm. T. N.], richte ich meinen herzlichen Gruß an Sie alle, der Künstler: Gasiorowski« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: abgeheftete Notiz, in: Archiv Galerie Maeght, weißer Ordner, Aufschrift »AWK«.

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Stellte Gasiorowski mit seiner Akademiefiktion ein marktkritisches Werk aus, das direkten Bezug auf die französische Tradition der Künstlerausbildung nahm, spielte er in seiner Aushangnotiz mit dunkler Ironie auch auf die konkrete Ausstellungssituation seines Akademiewerks an. Auf diese Weise inszenierte der Künstler eine vermeintliche Fehleinschätzung seines Œuvres durch den kommerziellen Kunstmarkt, auf dem er lediglich Platz in den Räumen des Hinterhofs erhielt. Am Ende des ersten Ringbuchs des Beobachterberichts findet sich ein mit dem Akademiestempel versehener Brief, der vom »observateur« Gasiorowski an den künstlerischen Leiter der Galerie Maeght adressiert ist. Ihm liegt ein vom fiktiven Professor Arne Hammer unterzeichnetes Testament bei, in dem er die einzelnen Artefaktgruppen der »A.W.K.« aufzählt und diese Alain Massiot vermacht.961 Mit der Ausstellung »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski« begann eine langjährige Kooperation zwischen Künstler und Galerie, die bis zu seinem plötzlichen Tod 1986 andauerte. Nach diesem wurde die Galerie zum Eigentümer des künstlerischen Nachlasses und somit zum Inhaber aller damit verbundenen Rechte.962 Retrospektiv erscheint das fiktive Testament des Akademieprofessors somit nahezu wie eine vorzeitige Reaktion auf die mögliche Vereinnahmung seines Werks durch den kommerziellen Kunsthandel. Denn wie Gasiorowski in Interviews wiederholt zum Ausdruck brachte, hegte er eine ausgeprägte Abneigung gegenüber dem Kunsthandel, der Werke der Malerei durch die Auszeichnung eines Kaufpreises zu Warenobjekten degradierte.963 Der Rückzug Gasiorowskis aus der Öffentlichkeit in der Phase der »Régressions« kann als Kulminationspunkt dieser marktfeindlichen Haltung des Künstlers angesehen werden. Seiner Auffassung treu verhielt er sich auch während der Ausstellungseröffnungen 1982 bei Maeght und 1983 im ARC nicht den Konventionen des Kunstbetriebs konform, erschien zu spät zu seiner eigenen Vernissage und verweigerte sich dem Gespräch mit den Besuchern.964 Dennoch hatte Gasiorowski bereits in einem privaten Brief von Mai 1975 auf seine schwierige finanzielle Lage hingewiesen, in der ihm lediglich sein damaliger Galerist, Éric Fabre, als einzige Verbindung zum kommerziellen Kunstmarkt helfe.965 Tatsächlich entwickelte sich 961 | Vgl. R1, Blätter 73 r-75 r, in: Digitalisate Galerie Maeght. 962 | Im Archiv der Galerie Maeght findet sich ein nicht abgehefteter Brief Margot Gasiorowskis, der Mutter des Künstlers, der vom 27.2.1987 datierend, gut ein halbes Jahr nach dem Tod des Malers, versichert, dass Adrien Maeght der rechtmäßige Besitzer aller Werke ihres Sohnes sei. – Vgl. Schreiben Margot Gasiorowski, 27.2.1987, in: Archiv Galerie Maeght, Kiste nicht inventarisierter Dokumente. 963 | Vgl. Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Paris 1975, o. S.; Gérard Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010, S. 178; Zitat Gasiorowski aus »Libération«, 22.8.1986, reproduziert in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 125. 964 | Vgl. Auszüge des Gesprächs mit Colette Portal am 25.4.2014, Typoskript in: Archiv der Verfasserin. – Laut Michel Enrici waren einige Besucher bei der Eröffnung der Retrospektive Gasiorowskis im ARC 1983 sogar vom Tod des Künstlers überzeugt, obwohl dieser selbst anwesend war. – Vgl. Enrici 1992, zitiert aus: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 257. 965 | »Je tiendrai tant qu’il me restera l’ironie et aussi tant que Eric Fabre m’aidera. S’il n’était pas là, la situation serait vraiment tragique. En tant que ›relation-marché‹ je n’ai vraiment que lui.« – »Ich halte mich an die Ironie, so lange sie mir bleibt, und so lange mir Eric

Aneignung und Subversion

zwischen Adrien Maeght und Gasiorowski nach dessen erster Galerieausstellung ein enges freundschaftliches Verhältnis.966 Dieses wurde auf professioneller Ebene durch eine im 20. Jahrhundert selten gewordene Form des Mäzenatentums ergänzt. Neben regelmäßigen Ausstellungsmöglichkeiten bot Adrien Maeght dem Maler die nötigen finanziellen Mittel, um seinen Bedarf an Arbeitsutensilien zu decken. Gasiorowski selbst äußerte sich diesbezüglich: [J]e m’y trouve à l’aise, c’est une galerie pour moi, elle est adaptée à mon refus, toujours de dédier mon travail à l’argent, donc à un marché. […] Adrien est avec moi comme devaient l’être je l’imagine, les mécènes, c’est-à-dire que l’argent m’est donné, mais sans compensation […] et ça, ça me laisse une liberté très grande, mentalement, et j’ai un très grand respect pour lui d’appliquer cette chose vis-à-vis de moi. […] C’est une galerie où je peux avoir, comme dit Malraux, mon musée imaginaire; je retrouve l’Ecole de Paris, Miró, je retrouve Braque, Calder, Léger, Bonnard, […] Je suis dans une galerie-musée, en ce sens ça me rassure beaucoup, ça a pour moi une très grande importance. 967

Der Mäzen als eine »Institution der bürgerlichen Gesellschaft«968 zeichnet sich durch »Zurückhaltung der Person bei gleichzeitiger Großzügigkeit der Gaben«969 aus. Dabei ist es seine Aufgabe, sicherzustellen, dass der Transformation finanzieller in kulturelle Werte keine falsche Moral unterstellt wird, dass die Freiheit der Kunst als kritischer Gegenpol der gesellschaftlichen Realität gewahrt bleibt.970 Gasiorowskis Hinweis auf die finanzielle Großzügigkeit seines Galeristen wurde dementsprechend erst im Katalog des Centre Pompidou 1995 postum publiziert. In seinem Vorwort zum Katalog der Gasiorowski-Retrospektive in der Fondation 2012 geht Adrien Maeght selbst ironisch auf das spielerische Verhältnis zwischen Galerist und Künstler ein: »Lui l’artiste, peignant des ›croûtes‹, moi le ›galérien‹, les vendant à prix d’or à quelque riche Américain, heureusement en retard de vingt-cinq

Fabre hilft. Wenn er nicht da wäre, wäre die Situation wirklich tragisch. Als ›Marktverbindung‹ habe ich wirklich nur ihn.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Brief an Josette Villefranque und Roger Broncy, Mai 1975, in: Archiv Philippe Agostini. 966 | Vgl. Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 7. 967 | »[I]ch fühle mich dort wohl, das ist eine Galerie für mich, meiner Verweigerung, meine Arbeit stets dem Geld, also dem Markt, zu widmen, angemessen. […] Adrien ist zu mir wie es meiner Vorstellung nach die Mäzene gewesen sein müssen, das heißt, das mir Geld gegeben wird, aber ohne Kompensation […] und das, das lässt mir eine große Freiheit, mental, und ich habe sehr großen Respekt dafür, dass er dies mir gegenüber anwendet. […] Das ist eine Galerie, in der ich, wie Malraux sagt, mein imaginäres Museum haben kann; ich finde dort die Pariser Schule, Miró, ich finde Braque, Calder, Léger, Bonnard […]. Ich bin in einem GalerieMuseum, in diesem Sinn beruhigt mich das sehr, das ist für mich von sehr großer Wichtigkeit.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Ausst.-Kat. Paris 1995, S. 252-253; Zitat reproduziert in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence, S. 120. 968 | Grasskamp 1998, S. 50. 969 | Grasskamp 1998, S. 53. 970 | Vgl. Marcuse, in: ders. 1967, S. 56-101.

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ans.«971 Auch in weiteren Publikationen wird das gute Verhältnis der beiden nachdrücklich betont und die wohltätige Stellung Adrien Maeghts bekräftigt.972 Durch die öffentliche Thematisierung seiner Kooperationen mit etablierten Persönlichkeiten des Kunstbetriebs wusste Claes Oldenburg deren Reputation für die Vermarktung seines Werks zu nutzen. So stellte Marcel Broodthaers an den Anfang seiner Arbeit als plastischer Künstler die Feststellung, dass Kunst immer auch mit Geldverdienen zu tun habe und hinterfragte damit indirekt die Moral des Kunstbetriebs.973 Auch Gérard Gasiorowski reflektierte in seiner »Académie Worosis Kiga« die Position des Künstlers und seiner Schöpfung als kulturell-ökonomischen Sektor der Gesellschaft. Die Zeit der »Régression«, in der er sein Akademiewerk entwarf und in eine schließliche Form mit klarem kontextuellen Bezug setzte, ermöglichte ihm Entwicklungen zu beobachten, ohne selbst direkt Stellung zu nehmen. Ergriff Jörg Immendorff mit »LIDL« die Aktion, um im »Hier und Jetzt« zu wirken, nutzte Gasiorowski den renommierten kunsthistorischen Rahmen des Unternehmens Maeght als Präsentationsort seiner Reflexionen. Zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Kunstbetrieb weiter ausdifferenzierte und mit Auktionshäusern und Art Consultants zu einem immer wichtigeren Wirtschaftssektor wurde,974 konnte er dort die Frage stellen, was nach Studentenrevolte, Aktionskunst und Systemkritik die Bedeutung des subjektiven künstlerischen Ausdrucks und seines persönlichen Mediums, der Malerei, geblieben sei.

971 | »Er, der Künstler, der die ›Schinken‹ malt, ich der ›Galeerensklave‹, der sie für Goldpreis an ein paar reiche Amerikaner verkaufe, die zum Glück 25 Jahre zu spät sind.« [Übersetzung T. N.], zitiert aus: Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 7. 972 | Vgl. Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012, S. 124; Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2014, S. 100; Maeght 2006, S. 290. 973 | Vgl. Kapitel 5.2.2. 974 | Vgl. Wood, Christopher: The Great Art Boom. 1970-1997. Weybridge 1997.

6. Conclusio und Ausblick

In der vorausgegangenen Analyse wurden die fiktiven Institutionen anhand ihrer drei maßgeblichen Aspekte: der Materialität ihrer Artefakte, ihrem Raumbezug und der performativen Handlung und Inszenierung des Künstlers untersucht. Diese drei Ebenen bilden die komplexe Werkstruktur der fiktiven Institutionen, deren abstraktes Konzept durch die physischen Trägermedien Schrift und Werkobjekt innerhalb der räumlichen Anordnung einer ephemeren Ausstellungssituation Sichtbarkeit erlangt. Das performative Element manifestiert dabei nicht nur begleitende oder in Spuren nachvollziehbare Verhaltensweisen der einzelnen Künstler. Vielmehr dient der Schauplatz der Ausstellung den Künstlern dazu, die Frage nach dem Begriff von Kunst facettenreich zu entfalten, wodurch sich der Besucher in seiner ästhetischen Erfahrung als aktiver Part dessen Konstruktion bewusst wird. Während der Entstehungsphase der vorliegenden Untersuchung fand eine Reihe von monografischen und thematischen Ausstellungen statt, die die Virulenz der hier thematisierten Positionen, ihrer Strategien und Fragestellungen belegen. Nachdem bereits 2012 das »Maus Museum« Claes Oldenburgs im Kölner Museum Ludwig rekonstruiert wurde,1 hat in der Zwischenzeit auch das Werk Jörg Immendorffs verstärkte Wahrnehmung auf dem Kunstmarkt erfahren. Während in der Ausstellung »Künstler und Propheten«2 der Schirn Kunsthalle Frankfurt 2015 das Meister-Schüler-Verhältnis zwischen Beuys und Immendorff sowie das jeweilige Sendungsbewusstsein der beiden Künstler beleuchtet wurde, fokussierte die Retrospektive »Jörg Immendorff. Les théâtres de la peinture«3 in der Fondation Maeght im selben Jahr die szenisch-theatralen Komponenten des immendorffschen Œuvres. Die Werkauswahl der Ausstellung traf Immendorffs früherer Galerist Michael Werner. Sie machte von den frühen »LIDL«-Arbeiten über die Serie des »Café Deutschland« bis hin zu den letzten Gemälden sichtbar, wie sich Immendorff wiederholt selbst als beispielhafter Protagonist auf der Bühne seiner Werke inszenierte. Dabei diente ihm seine Identität als Künstler dazu, das spannungsvolle Verhältnis von Individuum und Gesellschaft durchzuspielen. Legte er damit die Abhängigkeit des individuellen Schicksals von sozialer und politischer Machtverteilung frei, betonte Immendorff jedoch stets zugleich das persönliche Ver1 | Vgl. Ausst.-Kat. Köln 2012-2014. 2 | Vgl. Ausst.-Kat. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015. 3 | Vgl. Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2015.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

mögen zur Subversion bestehender Verhältnisse. Gab die Werkauswahl Michael Werners in Saint-Paul de Vence Einblick in das bisher wenig behandelte Spätwerk Immendorffs,4 machte der Galerist im Sommer 2016 indes die »LIDL«-Phase zum Gegenstand einer Ausstellung in seiner Londoner Niederlassung und hob deren Bedeutung für die weitere Entwicklung des künstlerischen Schaffens hervor.5 Parallel dazu wurde auch das »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles« von Marcel Broodthaers für den Ausstellungsbetrieb wiederentdeckt. Im Sommer 2015 konnte das Monnaie de Paris unter großem Aufwand die 1972 in der Düsseldorfer Kunsthalle gezeigte »Section des figures« lediglich in Teilen rekonstruieren.6 Zeitgleich ordnete die im Fridericianum Kassel präsentierte Ausstellung »Marcel Broodthaers« die Museumsfiktion anhand der »Section Publicité« in das künstlerische Gesamtwerk ein.7 Der umfangreiche Katalog zu einer weiteren Retrospektive Broodthaers’, die im Februar 2016 im New Yorker Museum of Modern Art eröffnet wurde und nach einer Station in Madrid im April 2017 – parallel zur Abgabe der vorliegenden Dissertation – in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zu sehen war, attestiert der Museumsfiktion eine Schlüsselstellung im Schaffen des belgischen Künstlers.8 Über die inhaltliche Perspektive dieser Werkschauen hinaus haben in den vergangenen Jahren auch Innovationen auf dem Feld der Ausstellungsmethodik eine andauernde Aktualität der Vorgehensweisen und Fragestellungen der fiktiven Institutionen bezeugt. So haben sich im letzten Jahrzehnt mehrere Ausstellungen den spezifischen Bedingungen und Qualitäten des vielgliedrigen und ephemeren Mediums Ausstellung gewidmet, indem sie bedeutende Stationen der Ausstellungsgeschichte thematisierten. Nachdem das Kölner Wallraf-Richartz-Museum die Sonderbundausstellung aus dem Jahr 1912 zu deren hundertjährigem Jubiläum zumindest partiell nachgebildet hatte,9 fand anlässlich der 55. Biennale von Venedig 2013 die Schau »When Attitudes Become Form: Bern 1969 / Venice 2013«10 in der Fondazione Prada statt. Für die minutiöse Nachbildung der 1969 von Harald Szeemann in der Berner Kunsthalle organisierten Ausstellung »Live in your head. When attitudes become form«11 hatte das dortige Kuratorenteam die Räume der Berner Kunsthalle dem venezianischen Stadtpalast aus dem 18. Jahrhundert regelrecht implantiert und Details wie Fenster, 4 | Aufgrund schwerer Erkrankung ließ Immendorff am Ende seines Lebens seine Malereien von Assistenten ausführen. – Vgl. Kaeppelin, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2015, S. 13. 5 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 6 | Vgl. Ausst.-Kat. Paris 2015. 7 | Vgl. http://www.fridericianum.org/exhibitions/marcel-broodthaers (letzter Aufruf: 10.6. 2016). 8 | Vgl. Lowry, Glenn D., Borja-Villel, Manuel, Ackermann, Marion: Vorwort der Direktoren. In: Ausst.-Kat. New York 2016, S. 7. 9 | Vgl. Schäfer, Barbara (Hg.): 1912 – Mission Moderne: die Jahrhundertschau des Sonderbundes, Ausst.-Kat., Köln, Wallraf-Richartz-Museum und Fondation Corboud, 2012. 10 | Vgl. Celant, Germano (Hg.): When attitudes become form: Bern 1969 / Venice 2013, Ausst.-Kat., Venedig, Fondazione Prada, 2013. 11 | Vgl. Ausst.-Kat. Bern 1969; Kapitel 3.2.2.

Conclusio und Ausblick

Heizungskörper, Fußboden und Wandbeschaffenheit imitieren lassen.12 Die Nachformung eines historischen Ausstellungszusammenhangs, für die nicht nur der Inhalt, die Exponate, einer vergangenen Schau erneut zusammengetragen werden, sondern auch der architektonische Zusammenhang des Ausstellungsparcours reproduziert wird, betont die Ausstellung in ihrem situativen Charakter einer raumund zeitgebundenen Vermittlungskonstellation. Um die Jahrtausendwende hatte sich bereits ein zunehmendes Bewusstsein der kunstwissenschaftlichen Forschung für die bedeutungsstiftende Macht der Ausstellungssituation in theoretischen Reflexionen niedergeschlagen.13 Diese konzentrierten sich unter dem Begriff des »Display« verstärkt auf Aspekte von Objektpräsentation, sprachlicher Information und Ausstellungsparcours, was einen Primat visueller Wahrnehmungsparameter in den Analysen begründete.14 Mit dem für das venezianische Unternehmen von 2013 in der Presse verwendeten Begriff des »reenactment«15 findet hingegen eine deutliche Akzentuierung der performativen Ausstellungs- und Wahrnehmungsqualitäten statt.16 Damit haben die genannten Ausstellungsreproduktionen zu einer praktischen Diskursivierung der Ausstellung als Medium beigetragen. Die grundlegenden Fragestellungen sowohl dieser selbstreflexiven Ausstellungspraxis als auch der wissenschaftlichen Überlegungen wurden von den fiktiven Institutionen vorweggenommen. Dadurch wird insbesondere in Hinblick auf diese aktuellen Tendenzen des Kunstbetriebs deutlich, dass die fiktiven Institutionen in ihren komplexen Anlagen eine eigenständige Position in der Tradition künstlerischer Auseinandersetzung mit institutionellen Legitimationsmechanismen markieren. Im Zuge einer neoavantgardistischen »Eroberung des Raumes«17 in den 1960er und 1970er Jahren wendete eine Vielzahl von Künstlern die Praktiken der Akkumulation und Sammlung oder des »Ensembles«18 an und orientierte sich damit verstärkt an den Ordnungssystemen und Präsentationsformen von Museen und Archiven.19 Ihre Arbeiten zählen zu einer Bewegung raumgreifender Werkformali12 | Als Kuratoren der Ausstellung arbeiteten der Kunstkritiker Germano Celant, der Künstler Thomas Demand und der Architekt Rem Koolhaas zusammen. – Vgl. Ausst.-Kat. Venedig 2013. 13  |  Vgl. Huber / L ocher  /  S chulte 2002. 14 | Vgl. Barker 1999; Scholze 2004; Bianchi 2007; John / R ichter / S chade 2008. 15 | Vgl. N. N.: Ausstellungskritik des art-Kunstmagazins zu »When Attitudes Become Form: Bern 1969 /  Venice 2013«, online unter: http://www.art-magazin.de/kunst/9711rtkl-when-attitudes-become-form-venedig-ein-kraftloses-veteranentreffen (letzter Aufruf: 11.2.2017); Imdahl, Georg: Retro-Ausstellung in Venedig. Wie ein Hieb ins Genick. In: Der Spiegel, 11.6.2013, online unter: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/haraldszeeman-when-attitudes-become-form-a-904756.html (letzter Aufruf: 11.2.2017). 16 | Werner Hanak-Lettner erarbeitet in seiner 2011 veröffentlichten Dissertation eine überzeugende Parallelisierung von musealer Ausstellung und Dramenkonzepten. – Vgl. HanakLettner 2011. 17 | Legge 2000, S. 216. 18 | Vgl. Vorkoeper, Ute (Hg.): Anna Oppermann. Ensembles 1968-1992, Ausst.-Kat., Stuttgart, Württembergischer Kunstverein, Wien, Generali Foundation, 2007. 19 | Vgl. Alphen 2014; Bawin, Julie (Hg.): L’œuvre collection. Propos d’artistes sur la collection, Ausst.-Kat., Lüttich, Les Brasseurs, 2009-2010; Ausst.-Kat. München 1997.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

sierungen, bezüglich derer seit diesem Zeitraum eine »begriffliche Unterscheidung zwischen der Installation der Ausstellung und der Installation als Kunstgattung«20 eingeführt werden konnte. Aufgrund ihrer räumlich-zeitlichen Struktur bewirkt die installative Kunstform eine spezifische ästhetische Erfahrung, die gemäß der bis heute aktuellen kunstkritischen Debatte um einen autonomen Kunstbegriff Grenzen zwischen künstlerischer und nicht-künstlerischer Sphäre verschwimmen lässt.21 Entsprechend ihres zeitgenössischen Kontextes weisen die hier behandelten fiktiven Institutionen klare Analogien zu installativen Werken sowohl bezüglich ihrer Formfindung als auch hinsichtlich der angewandten künstlerischen Praxis und dem Verlauf des Rezeptionsprozesses auf. Sie unterscheiden sich jedoch von der kontextsensiblen Ortsspezifität der Installation, indem sie das Kunstwerk nicht nur auf dessen »buchstäblichen und gesellschaftlichen Ort«22 hin öffneten und diesen im Kunstwerk thematisierten. Vielmehr unifizierten die fiktiven Institutionen das Kunstwerk mit dessen definitorischem Kontext im Rahmen der Ausstellung. So veranschaulicht beispielsweise Claire Bishop den Unterschied zwischen der Ausstellung als einer »Installation« von Kunstwerken im Raum gegenüber einem Werk der künstlerischen Gattung »Installation« daran, dass in der Ausstellung die Aufmerksamkeit auf den einzelnen Exponaten liegt, wohingegen dem installativen Kunstwerk als Einheit Vorrang vor dessen Einzelteilen zukommt.23 Diese Tendenz ist bereits in den installativen Praktiken der in der Einleitung vorgestellten Vorläufer der historischen Avantgarde anzutreffen.24 Wie am Beispiel der Objektbeschriftungen in Broodthaers’ »Section Cinéma« sowie der »Section des Figures« dargestellt wurde, hob das fiktive Adlermuseum jedoch gerade den individuellen Charakter, die Materialbeschaffenheit und Konnotation des Einzelobjekts gegenüber seiner gewöhnlich illustrativen Verwendung und diskursiven Kategorisierung innerhalb konventioneller Kunstinstitutionen hervor.25 Auch Claes Oldenburg verlieh den Objekten alltäglicher Konsumware in seiner Sammlung eine individuelle Identität.26 In einer ähnlichen Absicht pointierte Jörg Immendorff wie in seinem »LIDL-Klotz« die Absolutheit der ästhetischen Setzung und hob zugleich deren Funktion als solche für eine gleichberechtigte Gesellschaft hervor.27 Im Fall der »Académie Worosis Kiga« wiederum verschleierte Gasiorowski den Status des Einzelwerks als künstlerische Eigenproduktion zwar zugunsten seiner Einbindung in das fiktionale Dispositiv der Galerieausstellung 1982, er ordnete allerdings dessen separate Präsentation für seine Retrospektive ein Jahr später an.28 Da alle Arbeiten der fiktiven Akademie von Gasiorowski selbst angefertigt wurden, 20 | Reitstätter, Luise: Die Ausstellung verhandeln. Von Interaktionen im musealen Raum. Bielefeld 2015, S. 93. 21 | Vgl. Rebentisch 2003, S. 10-14. 22 | Rebentisch 2003, S. 233. 23 | Vgl. Bishop, Claire: Installation Art. A critical History. London 2005, S. 6. 24 | Vgl. Kapitel 1.2. 25 | Vgl. Kapitel 5.1.3. 26 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 27 | Vgl. Kapitel 5.1.1. 28 | Vgl. Kapitel 2.3.

Conclusio und Ausblick

können deren Einzelteile auch unabhängig voneinander käuflich erworben werden. War, wie erwähnt, das Pariser Monnaie bei der Rekonstruktion von Broodthaers’ fiktiver Museumsabteilung auf Probleme gestoßen, resultierten diese vorrangig aus der weitläufigen Provenienz der verschiedenen Ausstellungsobjekte 1972. Eine Rekonstruktion von Gasiorowskis Akademieausstellung von 1982 würde heute wahrscheinlich auf ähnliche Probleme stoßen. Allerdings ist die Distribution des Akademiewerks nicht eine Voraussetzung, sondern die Folge der damaligen Ausstellung Gasiorowskis gewesen. Hierin ruht ein weiterer Unterschied zu installativen Techniken wie sie in den Ausstellungsinszenierungen der historischen Avantgarde anzutreffen sind. Diese nutzten eine spezifische Form der Werkpräsentation, um eine Situation zu schaffen, die an den Raum und die Dauer der Ausstellung gebunden war. Die fiktiven Institutionen existieren demgegenüber nicht nur in Form ihrer jeweils ortsspezifischen, ephemeren Manifestationen – als Aktion oder Ausstellung. Ihre Fiktion wird darüber hinaus durch die begleitenden Schriften und Erzählungen der Künstler im Material der Sprache hervorgebracht. Dieser sprachliche Aspekt bildet einerseits die Verbindung zwischen den flüchtigen Erscheinungen der fiktiven Institutionen, andererseits bewirkt er eine Codierung ihrer Fragmente, die je einzeln für sich die Geschichte der fiktiven Institutionen bewahren und über die vergängliche Manifestation hinaus überliefern. Zugleich dienten die theoretischen Äußerungen und begleitenden Schriften Gasiorowski, Immendorff, Broodthaers und Oldenburg für ein persönliches Rollenspiel. Mit diesem erweiterten die vier Künstler nicht nur den jeder installativen Kunstform inhärenten performativen Aspekt 29 über die Rezeption hinaus auf das Wesen des Kunstwerks, sondern übertraten auch die Grenze zu kunstwissenschaftlichen und kuratorischen Arbeitsfeldern.30 Dies taten sie mit hellsichtigem Blick auf einen wachsenden Kunstmarkt, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg radikal veränderte. So bemerkte Hans Albert Peters 1987 in einem »Nachdenken«31 bezüglich damaliger Entwicklungen im kulturellen Sektor Deutschlands, dass »sich das Verhältnis von Museum und Ausstellungsinstitut in den letzten Jahren verändert, wenn nicht gar verkehrt [habe].«32 Er stellte fest, dass inzwischen vorrangig museale Einrichtungen mit großen Sammlungen zeitgenössische Werke ausstellten und diese häufig sogar direkt aus dem Künstleratelier ankauften.33 Diese Aufnahme aktueller Kunstschöpfung in museale Kollektionen ohne Intermediär stellte im Gegenzug neue Anforderungen an die Produzenten des Kunstmarkts.34 Vom Künstler wurden neben Originalität und Qualität zunehmend Kompetenzen auf dem Gebiet der Distribution und Vermittlung seines Werks verlangt. Noch heute, da Selbstvermarktung zum festen Bestandteil künstlerischer Ausbildung zählt, fehlt es in der kunstwissenschaftlichen

29 | Vgl. Nollert, Angelika: Performative Installation. In: dies. (Hg.): Performative Installation, Ausst.-Kat., Innsbruck, Galerie im Taxispalais [u. a.] 2003-2004, S. 8-29. 30 | Vgl. Kapitel 5.1.3; Kapitel 5.2.2. 31 | Peters, Hans Albert: Nachdenken. In: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 7-9. 32 | Peters, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 7. 33 | Vgl. Peters, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987, S. 7. 34 | Vgl. Kurz 2014, S. 3-6.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Betrachtung häufig an Bewusstsein für die Bedeutung von Vermittlungsarbeit.35 Indem die vier behandelten Künstler ihre eigene Identität sowie ihre gesellschaftliche Rolle als Künstler eng mit der Konzeption und Realisation ihrer Institutionsfiktionen verstrickten, kontrastierten sie zum einen historisch gewachsene, teilweise romantisch idealisierte Vorstellungen vom Künstlertum mit der prekären sozialen Realität des freien Künstlers. Zum anderen übernahmen sie betont sichtbar die Aufgaben wissenschaftlicher Analyse und Kommunikation, von dem der Vertrieb künstlerischer Werke abhängig ist. In ihren komplexen Werkanlagen visierten die fiktiven Institutionen somit strategisch auf eine Subversion des sozialen Teilsystems Kunst und wirkten an der Ingangsetzung eines Umformungsprozesses mit, dessen Folgen sich bis heute deutlich abzeichnen. Als ein Effekt institutionskritischer Tendenzen der Kunst, die sich im Entstehungszeitraum der fiktiven Institutionen etablierten, kann dabei eine zunehmende Transdisziplinarität in verschiedenen Bereichen des Kultursektors konstatiert werden. So wurde in den vergangenen Jahrzehnten auch auf Seiten kunsthistorischer Forschung wiederholt die Grenzziehung zwischen Kunst und Wissenschaft hinterfragt.36 Während im Zuge der Digitalisierung und spätestens seit Ausrufung des »iconic turns«37 bisher genuin kunsthistorische Fragestellungen ins Bewusstsein anderer Forschungsbereiche und sogar bis in die Naturwissenschaften vorgedrungen sind,38 haben sich parallel dazu auf die konkrete Ausstellungspraxis zugespitzte kuratorische Studien auf universitärem Feld konsolidiert.39 Diese wissenschaftliche Entwicklung reflektiert und bezeugt somit eine noch immer stattfindende Öffnung und Neupositionierung der Kunst im gesellschaftlichen Gefüge. In diesem setzt sich die Debatte um die Verteilung von Kompetenzgebieten im Kunstbetrieb fort, die sich in den 1960er und 1970er Jahren an den von Künstlern adaptierten Methoden und Praktiken entzündete. So dauert die damit verknüpfte Auseinandersetzung mit Konzepten von Autorschaft, Innovation und Originalität an.40 War das Künstlerkollektiv B.M.P.T. noch an der Forderung einer anonymen Kunstschöpfung gescheitert, gehen inzwischen junge Künstlerduos wie Sandra Aubry & Sébastien Bourg, Hippolyte Hentgen oder Guyton / Walker spielerisch mit der Autorenzuschreibung um und stellen zum Teil selbstverständlich neben den eigenen gemeinschaftlichen Werken Arbeiten anderer Künstler aus.41 Nach35 | Vgl. Tangian 2010, S. 73-74; Baden, Sebastian: Bericht zur Tagung »Artists on the Market«, Berlin, Technische Universität, 13.-14.11.2015. In: H-ArtHist, 1.3.2016, online unter: http://arthist.net/reviews/123 43 (letzter Aufruf: 1.3.2016). 36 | Vgl. Bippus 2009.; Caduff /  Wälchli 2008. 37 | Vgl. Bering, Kunibert, Fleck, Robert (Hg.): Der »iconic turn« und seine Folgen. Bildbegriff, zeitgenössische und ältere Kunst. Oberhausen 2016. 38 | Vgl. Herrmann, Hans: Matrix Retina. Wie Bilder im Gehirn verarbeitet und gespeichert werden. In: Maar, Christa (Hg.): Iconic worlds. Neue Bildwelten und Wissensräume. Köln 2006, S. 60-66. 39 | Vgl. Kapitel 1.2. 40 | Vgl. Bawin 2014; Bätschmann 1997. 41 | Vgl. Goumarre, Laurent, Verhagen, Erik (Hg.): Hippolyte Hentgen, Ausst.-Kat., Les Sables-d’Olonne, Musée de l’Abbaye Sainte-Croix, 2015-2016; Dziewior, Yilmaz (Hg.): Wade

Conclusio und Ausblick

dem Gasiorowski mit der Geste seines fiktiven Akademiedirektors Arne Hammer, der die Etiketten an den Schülerarbeiten der »Académie Worosis Kiga« vertauschte, eine zynische Kritik am Primat des kommerziellen Kunstmarkts geäußert hatte, konstatieren diese jungen künstlerischen Positionen weniger eine widerstandslose Markthörigkeit als vielmehr einen produktiven Umgang mit der integrativen Macht des Kunstsystems. Dieselbe ambivalente Tendenz ist auch den Vertretern und Nachkommen der in der Einleitung bereits erwähnten »Institutional Critique« abzulesen. Seit den 1980er Jahren stellen sie die Ausstellungsinstitution als Rahmen und Kontext des Kunstwerks selbst zur Schau, um den Einfluss von Institutionen auf die Kunstwahrnehmung und die Wertung künstlerischer Positionen anzuprangern. Dabei nutzen sie jedoch die in die Kritik genommenen Mechanismen selbst für die Veröffentlichung und Verbreitung ihrer Arbeiten. Indem die institutionskritischen Positionen somit den institutionellen Kontext vollkommen in ihr Werk integrieren, werden sie im Umkehrschluss von diesem abhängig, sodass heute etwa die feministische Gruppe der »Guerilla Girls« von renommierten Kunsteinrichtungen wie dem Kölner Museum Ludwig zur Kritik am Ausstellungshaus offiziell eingeladen werden kann.42 In einer komplementären Bewegung weiteten die Institutionen des Kunstbetriebs fortwährend ihren Adressaten- und folglich ihren Wirkungskreis durch den Einbezug neuer Akteure aus.43 Nach dem freien Kurator Harald Szeemann sind mit Theatermachern, Regisseuren oder Schriftstellern wie unter anderem Robert Wilson und Peter Greenaway im Museum Boymans-van Beuningen in Rotterdam oder Michel Houellebecq im Pariser Palais de Tokyo bis heute regelmäßig fachfremde Kreative als Kuratoren an große Kunstinstitutionen geladen.44 Die in der vorliegenden Untersuchung fokussierten fiktiven Institutionen reflektierten demzufolge aktiv einen damals beginnenden Prozess, der sich bis heute fortsetzt. In Anbetracht der geschilderten jüngsten Entwicklungen wird jedoch erneut das spezielle subversive Potenzial der ästhetischen Strategie Gasiorowskis, Immendorffs, Broodthaers’ und Oldenburgs deutlich.

Guyton – Guyton / Walker – Kelley Walker, Ausst.-Kat., Bregenz, Kunsthaus Bregenz, 2013; Schönwald, Cédric: Sandra Aubry & Sébastien Bourg. Bordeaux 2013. – 2014 stellte das Duo Sandra Aubry & Sébastien Bourg in ihrer Einzelausstellung in der Pariser Galerie de Roussan einen Setzkasten aus, dessen 130 Fächer mit Miniaturwerken und Objekten eingeladener Künstler gefüllt waren. – Vgl. http://www.aubrybourg.net/flyers/a_bitter_sweet_ legacy.pdf (letzter Aufruf: 1.3.2017). 42 | Vgl. http://www.guerrillagirls.com/datebook-archive/2016/8/26/ludwig-museum-klngermany (letzter Aufruf: 12.1.2017); http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/rueck blick/2016/wir-nennen-es-ludwig. html (letzter Aufruf: 12.1.2017). 43 | Vgl. Hoffmann, Jens: The curatorialization of institutional critique. In: Welchman 2006, S. 323-335. 44 | Vgl. Hettig, Frank-Alexander: Robert Wilson. »Portrait, Still life, Landscape«. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam, ab 1.5.1993. In: Kunstforum international, 123 / 1993, S. 368-369; Haase, Armin: Der Schriftsteller als Künstler und Kurator. Michel Houellebecqs Auftritt im Pariser Palais de Tokyo wirft Fragen auf. In: Kunstforum international, 242 / 2016, S. 342.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Sowohl die Feststellungen von Vertretern der »Institutional critique« als auch die genannten Methoden zur Verunklärung der künstlerischen Autorschaft und die Diversifikation kuratorischer Kompetenzen markieren fortschreitende Transformationen von Institutionen des Kunstbetriebs. Grundlage hierfür ist allerdings eine generell affirmative Haltung, die bisher geltende Grenzen und Definitionen hinterfragt und expandiert, jedoch keine konstitutive Änderung des bestehenden Marktsystems herbeiführt. Über diese Form einer somit passiv bleibenden Kritik hinaus erzielte die ästhetische Strategie der fiktiven Institutionen hingegen eine unmittelbare Subversion ihrer akuten Repräsentationssituation. Denn anders als das rebellische Kunstwerk der historischen Avantgarde, dessen Schicksal es war, gerade durch den kommerziellen Kunstmarkt vereinnahmt zu werden, gegen den es sich ursprünglich richtete,45 und ohne eine vorausgesetzte Affirmation bestehender Marktbedingungen ist es in den dargelegten Fällen die fiktive Institution, die sich den vorgefundenen Raum sowie die sich in ihm verfestigten Diskurse zu eigen macht. Innerhalb der situativen Realisierung der fiktiven Institutionen überlagerten sich Werk- und Wahrnehmungsraum.46 Indem die Rezipienten auf diese Weise zum »immersiv[en]«47 Element des künstlerischen Werks wurden, entwickelte dieses sein epistemisches Potenzial und konfrontierte den Betrachter mit der Feststellung, »daß die Frage nach der Verfaßtheit des ästhetischen Gegenstands immer schon die Frage nach der Verfaßtheit der ästhetischen Erfahrung impliziert.«48 Im Anschluss an Marcel Duchamps Diktum haben die vier Künstler somit auf die Beteiligung unterschiedlicher Akteure an der Kreation eines Kunstwerks in der öffentlichen Rezeption aufmerksam gemacht. Auch die vorliegende Arbeit leistet hierzu einen Beitrag. Mit der hier erstmals geschehenen Rekonstruktion von Chronologie, Artefakten und räumlicher Repräsentation der »Académie Worosis Kiga« möchte sie die Voraussetzung für die fortschreitende Wahrnehmung sowie für die Auseinandersetzung mit diesem künstlerischen Œuvre schaffen.

45 | Vgl. Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1 (a), S. 13. 46 | In Rückgriff auf Horst Bredekamps Theorie des »Bildakts« kann für diese Strategie ein historischer Vorläufer im »tableau vivant« gefunden werden. – Vgl. Bredekamp 2010, S. 109121, insbes. S. 119. 47 | Bredekamp 2010, S. 119. 48 | Rebentisch 2003, S. 12. – Vgl. weiterführend Rebentisch, Juliane: Autonomie? Autonomie! Ästhetische Erfahrung heute. In: Sonderforschungsbereich 626 (Hg.): Ästhetische Erfahrung: Gegenstände, Konzepte, Geschichtlichkeit. Berlin 2006, online unter: http://www. sfb626.de/veroeffentlichungen/online/aesth_erfahrung/aufsaetze/rebentisch.pdf (letzter Aufruf: 12.1.2016).

7. Anhang 7.1 Q uellen - und L iter aturverzeichnis 1 7.1.1 Wörterbücher und Lexika Angerbauer 1998

Angerbauer-Rau, Monika: Beuys-Kompass. Ein Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys. Köln 1998.

Dagen / Hamon 1995, Bd.  4 Dagen, Philippe, Hamon, François (Hg.): Histoire de l’Art, 6 Bde., Bd. 4: Époque contemporaine. XIXe – XXe siècle. Paris 1995. Delarge 2001

Delarge, Jean-Pierre: Dictionnaire des Arts plastiques modernes et contemporains. Paris 2001.

DuMont’s Bild-Lexikon 1976

DuMont’s Bild-Lexikon der Kunst. Künstler – Stile – Techniken. Köln 1976.

Herder-Lexikon der Symbole 1978

Herder-Lexikon der Symbole. Freiburg / Basel / Wien 1978.

Hillmann 1994

Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 41994.

Langenscheidt 1979, Bd. 1

Langenscheidts Großwörterbuch Französisch. Teil 1: Französisch – Deutsch. Berlin 1979.

Langenscheidt 1979, Bd. 2

Langenscheidts Großwörterbuch Französisch. Teil 2: Deutsch – Französisch. Berlin 1979.

Le Robert Historique 1998 Le Robert. Dictionnaire Historique de la langue française. Bd. I: A – E. Paris 1998. Politiques culturelles 2001 Dictionnaire des politiques culturelles de la France depuis 1959. Paris 2001. Theissen 2011

Theissen, Siegfried: Französische Redewendungen, Sprichwörter, Vergleiche, Abkürzungen und Akronyme. Louvain 2011.

Wirth 2011

Wirth, Ingo (Hg.): Kriminalistik-Lexikon. 4. neu bearb. u. erw. Aufl., Heidelberg [u. a.] 2011.

1 | Die Auflistung erfolgt in den jeweiligen Rubriken nach alphabetischer Reihenfolge.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

7.1.2 Publikationen der Künstler Jörg Immendorff Immendorff 1968

Immendorff, Jörg: Lidlstadt. Eigenpublikation 1968.

Immendorff 1973

Immendorff, Jörg: Hier und Jetzt: Das tun, was zu tun ist. Materialien zur Diskussion. Kunst im politischen Kampf; auf welcher Seite stehst Du, Kulturschaffender? Köln 1973.

Immendorff 1974

Immendorff, Jörg: An die ›parteilosen‹ Künstler-Kollegen. In: Kunstforum international, 8-9 / 1973-1974, S. 163-177.

Marcel Broodthaers Broodthaers 1973

Broodthaers, Marcel: Magie-Art-Politique. Paris 1973.

Broodthaers 2001

Broodthaers, Marcel: Section Littéraire du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles. Ceci est une pipe. This is a pipe. Dies ist eine Pfeife. Brüssel 2001.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd.  1 / 2

Ausst.-Kat., Der Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, 2 Bde.

Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Vorwort von Marcel Broodthaers, in: Ausst.-Kat., Der Düsseldorf 1972, Bd. 1 Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Bd. 1, S. 4. Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Broodthaers, Marcel: Methode. In: Ausst.-Kat., Der Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers Düsseldorf 1972, Bd. 1 (a) zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Bd. 1, S. 13-15. Broodthaers, in: Ausst.-Kat. Broodthaers, Marcel: Section des Figures. In: Ausst.Düsseldorf 1972, Bd. 2 Kat., Der Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Bd. 2, S. 18-19.

Anhang

Harten, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1972, Bd. 1

Harten, Jürgen: Einführung. In: Ausst.-Kat., Der Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Bd. 1, S. 8-10.

Oppitz, in: Ausst.-Kat. 1972, Bd. 2

Oppitz, Michael: Adler Pfeife Urinoir. In: Ausst.Kat., Der Adler vom Oligozän bis heute. Marcel Broodthaers zeigt eine experimentelle Ausstellung seines Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Bd. 2, S. 20-21.

Claes Oldenburg Oldenburg 1966

Oldenburg, Claes: Injun and other Histories (1960). New York 1966.

Oldenburg 1966 (a)

Oldenburg, Claes: Extracts from The Studio Notes (1962-64), hg. v. Max Kozloff. In: Artforum 4, 5 / 1966, S.  32-33.

Oldenburg 1968

Oldenburg, Claes: Notes. Los Angeles 1968.

Oldenburg 1968 (a)

Oldenburg, Claes: Some Program Notes about Monuments, Mainly. In: Chelsea, 22-23 / 1968, S. 87-92.

Oldenburg 1969

Oldenburg, Claes: Proposals for monuments and buildings 1965-1969. Chicago 1969.

Oldenburg 1969 (a)

Oldenburg, Claes: Notes on Lipstick Monument. In: Novum Organum, 7 / 1969, o. S.

Oldenburg 1971

Oldenburg, Claes: Notes in Hand. New York / London 1971.

Oldenburg 1973

Oldenburg, Claes: Raw Notes, Documents and scripts of the performances: Stars, Moveyhouse, Massage, The Typewriter. Halifax 1973.

Oldenburg 1973 (a)

Oldenburg, Claes: More Ray Gun Poems (1960). Philadelphia 1973.

Oldenburg / König 1972

Maus Museum. Eine Auswahl von Objekten gesammelt von Claes Oldenburg, Ausst.-Begleitheft, hg. v. Claes Oldenburg und Kasper König, Kassel, documenta 5, 1972.

Oldenburg / Williams 1967 Oldenburg, Claes, Williams, Emmett: Store Days. Documents from the Store (1961) and Ray Gun Theater (1962). New York 1967.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

7.1.3 Ausstellungskataloge und Aufsätze in Ausstellungskatalogen Gérard Gasiorowski Ausst.-Kat. Châtellerault 2007

Maeght, Yoyo (Hg.): Gérard Gasiorowski. Les estampes, Ausst.-Kat., Châtellerault, Artothèque, 2007.

Ausst.-Kat. Freiburg 1989

Ausst.-Kat., Gérard Gasiorowski. L’académie Worosis Kiga, Freiburg, Kunstverein, 1989.

Ausst.-Kat. Nîmes 2010

Bonnet, Frédéric (Hg.): Gérard Gasiorowski. Recommencer: Commencer de Nouveau la Peinture, Ausst.Kat., Nîmes, Carré d’Art – Musée d’Art Contemporain, 2010.

Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West, in: Ausst.-Kat. Nîmes 2010

Gasiorowski im Gespräch mit Thomas West. In: Bonnet, Frédéric (Hg.): Gérard Gasiorowski. Recommencer: Commencer de Nouveau la Peinture, Ausst.-Kat., Nîmes, Carré d’Art – Musée d’Art Contemporain, 2010, S. 172-182.

Ausst.-Kat. Paris 1975

Ausst.-Kat., L’Artiste à l’hôpital. Worosis Kiga 1987, Paris, Théâtre Oblique, 1975.

Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, Interview Bernard in: Ausst.-Kat., L’Artiste à l’hôpital. Worosis Kiga Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. 1987, Paris, Théâtre Oblique, 1975. Paris 1975  Ausst.-Kat. Paris 1975 (a)

Ausst.-Kat., Dauriac – Gasiorowski, Paris, Galerie Gérald Piltzer, 1975.

Interview Bernard Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, Interview Bernard in: Ausst.-Kat., Dauriac – Gasiorowski, Paris, Galerie Lamarche-Vadel mit Gasiorowski, in: Ausst.-Kat. Gérald Piltzer, 1975. Paris 1975 (a) Ausst.-Kat. Paris 1982

Ausst.-Kat., L’A.W.K. observée par Gasiorowski, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1982.

Ausst.-Kat. Paris 1983

Enrici, Michel (Hg.): Gasiorowski. Peinture, Ausst.Kat., Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1983.

Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris Enrici, Michel: Gasiorowski. La peinture comme une 1983 pluie de feu. In: ders. (Hg.): Gasiorowski. Peinture, Ausst.-Kat., Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1983, S. 13-89. Ausst.-Kat. Paris 1995

Loisy, Jean de, Naphegyi, Caroline (Hg.): Gérard Gasiorowski. C’est à vous, Monsieur Gasiorowski, Ausst.-Kat., Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. Centre Georges Pompidou, 1995.

Anhang

Biographie, in: Ausst.-Kat. Paris 1995

Gersen, Nicole: Biographie. In: Loisy, Jean de, Naphegyi, Caroline (Hg.): Gérard Gasiorowski. C’est à vous, Monsieur Gasiorowski, Ausst.-Kat., Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. Centre Georges Pompidou, 1995, S. 217262.

Enrici, in: Ausst.-Kat. Paris Enrici, Michel: Identification d’un artiste. In: 1995 Loisy, Jean de, Naphegyi, Caroline (Hg.): Gérard Gasiorowski. C’est à vous, Monsieur Gasiorowski, Ausst.-Kat., Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. Centre Georges Pompidou, 1995, S. 58-104. Marcadé, in: Ausst.-Kat. Paris 1995

Marcadé, Bernard: Gasiorowski. L’inactuel, le saboteur et l’insolent. In: Loisy, Jean de, Naphegyi, Caroline (Hg.): Gérard Gasiorowski. C’est à vous, Monsieur Gasiorowski, Ausst.-Kat., Paris, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. Centre Georges Pompidou, 1995, S. 28-55.

Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012

Kaeppelin, Olivier (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.-Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012.

Biographie, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012

Biographie. In: Kaeppelin, Olivier (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.-Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012, S. 183-186.

Gespräch von Olivier Kaeppelin mit Adrien Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence, 2012

Gespräch von Olivier Kaeppelin mit Adrien Maeght, in: Kaeppelin, Olivier (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.-Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012, S. 117-123.

Kaeppelin, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012

Kaeppelin, Olivier: Gasiorowski. La peinture contre le nom. In: ders. (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012, S. 11-32.

Maeght, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2012

Maeght, Adrien: Préface. In: Kaeppelin, Olivier (Hg.): Gasiorowski XXe peintre: »vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir …«, Ausst.-Kat., Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2012, S. 7.

Ausst.-Kat. Villeneuve d’Ascq 1988

Ausst.-Kat., Le Secret et la Peinture, Villeneuve d’Ascq, Musée d’Art moderne de Villeneuve d’Ascq, 1988.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Wien 1993-1994 König, Kasper (Hg.): Der zerbrochene Spiegel. Positionen zur Malerei, Ausst.-Kat., Wien, Museumsquartier und Kunsthalle, Hamburg, Deichtorhallen, 1993-1994. Loisy, in: Ausst.-Kat. Wien Loisy, Jean de: Gérard Gasiorowski: Malerei. In: 1993-1994 König, Kasper (Hg.): Der zerbrochene Spiegel. Positionen zur Malerei, Ausst.-Kat., Wien, Museumsquartier und Kunsthalle, Hamburg, Deichtorhallen, 1993-1994, S. 40-43.

Jörg Immendorff Ausst.-Kat. Augsburg 2014- Ausst.-Kat., Versuch, Adler zu werden. Jörg 2015 Immendorff, Augsburg, Staatsgalerie Moderne Kunst im Glaspalast Augsburg, eine Zweiggalerie der Pinakothek der Moderne, München, 2014-2015. Thierolf, in: Ausst.-Kat. Augsburg 2014-2015

Thierolf, Corinna: Jörg Immendorff – Versuch, Adler zu werden. In: Ausst.-Kat., Versuch, Adler zu werden. Jörg Immendorff, Augsburg, Staatsgalerie Moderne Kunst im Glaspalast Augsburg, eine Zweiggalerie der Pinakothek der Moderne, München, 2014-2015, S. 11-17.

Ausst.-Kat. Basel 1979

Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, Basel, Kunstmuseum Basel, 1979.

Koepplin, in: Ausst.-Kat. Basel 1979

Koepplin, Dieter: Jörg Immendorffs »Café Deutschland«. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, Basel, Kunstmuseum Basel, 1979, S. 9-15.

Ausst.-Kat. Berlin 2005

Hüsch, Anette (Hg.): Jörg Immendorff. Male Lago. Unsichtbarer Beitrag, Ausst.-Kat., Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2005-2006.

Biografie, in: Ausst.-Kat. Berlin 2005

Biografie. In: Hüsch, Anette (Hg.): Jörg Immendorff. Male Lago. Unsichtbarer Beitrag, Ausst.-Kat., Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2005-2006, S. 872.

Kort, in: Ausst.-Kat. Berlin Kort, Pamela: Interview mit Jörg Immendorff, 2005 Düsseldorf, Juli 2005. In: Hüsch, Anette (Hg.): Jörg Immendorff. Male Lago. Unsichtbarer Beitrag, Ausst.-Kat., Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2005-2006, S. 9-16.

Anhang

Storr, in: Ausst.-Kat. Berlin Storr, Robert: A »Painter’s Progress«. In: Hüsch, 2005 Anette (Hg.): Jörg Immendorff. Male Lago. Unsichtbarer Beitrag, Ausst.-Kat., Berlin, Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 2005-2006, S. 32-39. Ausst.-Kat. Bern 1980

Ausst.-Kat., Malermut rundum, Bern, Kunsthalle, 1980.

Gachnang, in: Ausst.-Kat. Bern 1980

Gachnang, Johannes: Weitere Gedanken zu den neuen Bildern von Jörg Immendorff. In: Ausst.-Kat., Malermut rundum, Bern, Kunsthalle, 1980, S. 7-9.

Ausst.-Kat. Dortmund 2000

Belgin, Tayfun (Hg.): Immendorff. Bilder, Ausst.Kat., Dortmund, Museum am Ostwall, 2000.

Ausst.-Kat. Dresden 1996

Ausst.-Kat., Immendorff. Respect I, Dresden, Dresdner Kunstverein, 1996.

Gohr, in: Ausst.-Kat. Dresden 1996

Gohr, Siegfried: Immendorffs Wandlungen – Von Affen und anderen Menschen. In: Ausst.-Kat., Immendorff. Respect I, Dresden, Dresdner Kunstverein, 1996, S. 47-54.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1982 Ausst.-Kat., Café Deutschland. Adlerhälfte, Düsseldorf, Kunsthalle, 1982. Harten, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1982

Harten, Jürgen: Wunschtrauer. In: Ausst.-Kat., Café Deutschland. Adlerhälfte, Düsseldorf, Kunsthalle, 1982, S. 3-5.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001

John, Barbara, Rennert, Susanne, Wiese, Stephan von (Hg.): Chris Reinecke. 60er Jahre – LIDL-Zeit, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstmuseum [u. a.], 19992001.

Rennert, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1999-2001

Rennert Susanne: Ein doppelter Strang, 196870. Konzepte, Aktionen und Strategien von Chris Reinecke und Jörg Immendorff. In: John, Barbara, dies., Wiese, Stephan von (Hg.): Chris Reinecke. 60er Jahre – LIDL-Zeit, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstmuseum [u. a.], 1999-2001, S. 35-64.

Ausst.-Kat. Duisburg 1999 Ausst.-Kat., Immendorff. Malerwald, Duisburg, Museum Küppersmühle – Sammlung Grothe 1999. Ausst.-Kat. Eindhoven 1981 Ausst.-Kat., Jörg Immendorff, LIDL 1966-1970, Eindhoven, Van Abbemuseum, 1981. Ausst.-Kat. Köln 1992

Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Frühe Arbeiten und LIDL, Köln, Galerie Michael Werner, 1992.

Dietrich, in: Ausst.-Kat. Köln 1992

Dietrich, Dorothea: Lidl. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Frühe Arbeiten und LIDL, Köln, Galerie Michael Werner, 1992, S. 13-17.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Köln 2004

Wilmes, Ulrich (Hg.): DC: Jörg Immendorff. Standort für Kritik, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2004.

Millet, in: Ausst.-Kat. Köln Millet, Catherine: Jörg Immendorffs bessere Welt. In: 2004 Wilmes, Ulrich (Hg.): DC: Jörg Immendorff. Standort für Kritik, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2004. Ausst.-Kat. Köln / New York Ausst.-Kat., Immendorff × Penck. 2000 Penck × Immendorff. Rekonstruktion einer Ausstellung von 1977. Köln / New York, Galerie Michael Werner, 2000. Graw, in: Ausst.-Kat. Köln / New York 2000

Graw, Isabelle: Szenen einer Freundschaft. In: Ausst.Kat., Immendorff × Penck. Penck × Immendorff. Rekonstruktion einer Ausstellung von 1977. Köln / New York, Galerie Michael Werner, 2000, o. S.

Gohr, in: Ausst.-Kat. Köln / New York 2000

Gohr, Siegfried: Hallo Guttoso! Immendorff korrigiert den politischen Realismus. In: Ausst.-Kat., Immendorff × Penck. Penck × Immendorff. Rekonstruktion einer Ausstellung von 1977. Köln / New York, Galerie Michael Werner, 2000, o. S.

Ausst.-Kat. Köln / New York Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, 2014 Köln / New York, Galerie Michael Werner, 2014. Elliott, in: Ausst.-Kat. Köln / New York 2014

Elliot, David: Das letzte Café. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Café Deutschland, Köln / New York, Galerie Michael Werner, 2014, o. S.

Ausst.-Kat. London 1995

Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. The Rake’s Progress, London, Barbican Art Gallery, 1995.

Ausst.-Kat. Paris 1993

Ausst.-Kat., Immendorff. Is it about a bicycle?, Centre Georges Pompidou, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle, Paris 1993.

Grenier, in: Ausst.-Kat. Paris 1993

Grenier, Catherine: D’une Allemagne l’Autre. In: Ausst.-Kat., Immendorff. Is it about a bicycle?, Centre Georges Pompidou, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle, Paris 1993, o. S.

Ausst.-Kat. Philadelphia 2004

Kort, Pamela (Hg.): Jörg Immendorff, I wanted to become an artist, Ausst.-Kat., Philadelphia, Goldie Paley Gallery, 2004.

Storr, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2004

Storr, Robert: Jörg Immendorff. Ein Mann mit vielen Gesichtern. In: Kort, Pamela (Hg.): Jörg Immendorff, I wanted to become an artist, Ausst.-Kat., Philadelphia, Goldie Paley Gallery, 2004, S. 140-151.

Ausst.-Kat. Rotterdam 1992 Ausst.-Kat., Immendorff, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Den Haag, Haags Gemeentemuseum, 1992.

Anhang

Gohr, in: Ausst.-Kat. Rotterdam 1992

Gohr, Siegfried: Immendorffs Weltlandschaft. Elemente zu ihrer Beschreibung und Deutung. In: Ausst.-Kat., Immendorff, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Den Haag, Haags Gemeentemuseum, 1992, S. 23-31.

Ausst.-Kat. Rouen 1989

Lamarche-Vadel, Bernard (Hg.): Skulptur. Baselitz, Immendorff, Lüpertz, Penck, Ausst.-Kat., Rouen, École d’architecture de Normandie, 1989.

Blistène, in: Ausst.-Kat. Rouen 1989

Blistène, Bernard: Jörg Immendorff, le fabuliste et l’imagier. In: Lamarche-Vadel, Bernard (Hg.): Skulptur. Baselitz, Immendorff, Lüpertz, Penck, Ausst.Kat., Rouen, École d’architecture de Normandie, 1989, S. 23-28.

Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2015

Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Les théâtres de la peinture, Saint-Paul de Vence, Fondation Maeght, 2015.

Kaeppelin, in: Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2015

Kaeppelin, Olivier: Palais Royal. In: Ausst.-Kat., Jörg Immendorff. Les théâtres de la peinture, Saint-Paul de Vence, Fondation Maeght, 2015, S. 7-13.

Ausst.-Kat. Wien 1994

Ausst.-Kat., Malfiguren, Wien, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, 1994.

Hegyi, in: Ausst.-Kat. Wien Hegyi, Lóránd: Jörg Immendorff. In: Ausst.-Kat., 1994 Malfiguren, Wien, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, 1994, S. 44-48. Hegyi, in: Ausst.-Kat. Wien Hegyi, Lóránd: Malfiguren. In: Ausst.-Kat., Malfi1994 (a) guren, Wien, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, 1994, S. 7-15. Ausst.-Kat. Zürich 19831984

Ausst.-Kat., Immendorff, Zürich, Kunsthaus, 19831984.

Huber, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984

Huber, Jörg: Situation – Position. Ein Gespräch mit Jörg Immendorff über seine politische Malerei. In: Ausst.-Kat., Immendorff, Zürich, Kunsthaus, 19831984, S. 36-52.

Szeemann, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983-1984

Szeemann, Harald: Der lange Marsch oder Ausreizungen aus der Zeit heraus. Ein Kompilat. In: Ausst.Kat., Immendorff, Zürich, Kunsthaus, 1983-1984, S. 8-34.

Marcel Broodthaers Ausst.-Kat. Barcelona 1997 Borja-Villel, Manuel J. (Hg.): Marcel Broodthaers. Cinéma. Part I, Ausst.-Kat., Barcelona, Fondacio Tapiès, 1997. Ausst.-Kat. Brüssel 1974

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Catalogue – Catalogus, Brüssel, Palais des Beaux-Arts, 1974.

377

378

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Herbig, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974

Herbig, Jost: Über das Inventar der section cinema. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Catalogue – Catalogus, Brüssel, Palais des Beaux-Arts, 1974, S. 2-4.

Lebeer, in: Ausst.-Kat. Brüssel 1974

Dix milles Francs de Récompense. Une interview d’Irmeline Lebeer. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Catalogue – Catalogus, Brüssel, Palais des Beaux-Arts, 1974, S. 64-68.

Ausst.-Kat. Eindhoven 1994 Hakkens, Anna, Lubbers, Frank (Hg.): Marcel Broodthaers. Projections, Ausst.-Kat., Eindhoven, Stedelijk Van Abbemuseum, 1994. Ausst.-Kat. Köln 1980

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Köln, Museum Ludwig, 1980.

Compton, in: Ausst.-Kat. Köln 1980

Compton, Michael: Einführung aus dem M.Broodthaers-Katalog, Tate-Gallery (Auszüge). In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Köln, Museum Ludwig, 1980.

Ausst.-Kat. Minneapolis 1989

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Minneapolis, Walker Art Center, 1989.

Ausst.-Kat. New York 2010 Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Section Cinéma du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf, 1972. Part II, Marian Goodman Gallery, New York and the Département des Aigles, Brussels, 2010. Borja-Villel / Compton, in: Borja-Villel, Manuel J., Compton, Michael: 1972: A Ausst.-Kat. New York 2010 Major Historical Event, The Ultimate Section Cinéma. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Section Cinéma du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf, 1972. Part II, Marian Goodman Gallery, New York and the Département des Aigles, Brussels, 2010, S. 7. Ausst.-Kat. New York 2016 Borja-Villel, Manuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2016-2017. Borja-Villel / Cherix, in: Borja-Villel, Manuel J., Cherix, Christophe: Ich bin Ausst.-Kat. New York 2016 kein Filmemacher. Anmerkungen zu einer Retrospektive. In: dies. (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung NordrheinWestfalen, 2016-2017, S. 17-21.

Anhang

Buchloh, in: Ausst.-Kat. New York 2016

Buchloh, Benjamin H. D.: Das Erste und das Letzte. Zwei Bücher von Marcel Broodthaers. In: BorjaVillel, Manuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2016-2017, S. 41-48.

Chevrirer, in: Ausst.-Kat. New York 2016

Chevrirer, Jean-François: Rhetorik, System D oder Poesie bei schlechtem Wetter. In: Borja-Villel, Manuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung NordrheinWestfalen, 2016-2017, S. 22-29.

Duve, in: Ausst.-Kat. New York 2016

Duve, Thierry de: Figur Null. In: Borja-Villel, Manuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung NordrheinWestfalen, 2016-2017, S. 31-39.

Lowry, Glenn D., Borja-Villel, Manuel, Ackermann, Lowry / BorjaMarion: Vorwort der Direktoren. In: Borja-Villel, MaVillel / Ackermann, in: Ausst.-Kat. New York 2016 nuel J., Cherix, Christophe (Hg.): Marcel Broodthaers. A Retrospective, Ausst.-Kat., New York, Museum of Modern Art, Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Düsseldorf, Kunstsammlung NordrheinWestfalen, 2016-2017, S. 7 Ausst.-Kat. Paris 1991

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, 1991-1992.

Cladders, in: Ausst.-Kat. Paris 1991

Cladders, Johannes: Musée d’Art Moderne Département des Aigles. Section XIXe siècle. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers, Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, 1991-1992, S. 294-295.

Pelzer, in: Ausst.-Kat. Paris Pelzer, Birgit: Les indices de l’échange. In: Ausst.1991 Kat., Marcel Broodthaers, Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, 1991-1992, S. 24-33. Ausst.-Kat. Paris 2015

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne – Département des Aigles, Paris, la Monnaie, 2015.

Sterckx, in: Ausst.-Kat. Paris 2015

Sterckx, Pierre: Projection sur caisse, 1968. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne – Département des Aigles, Paris, la Monnaie, 2015, S. 26.

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380

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Winterthur 2012

Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Cinema Modèle. Programme La Fontaine 1970. Nouvelle activité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf. Düsseldorf, Musée d’art Moderne, Département des Aigles, 1970, Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, Brüssel, Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 2012.

Gilissen, in: Ausst.-Kat. Winterthur 2012

Gilissen, Maria: »Cinéma Modèle«. Fig. 1, fig. 2, fig. 3, fig. 4. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Cinema Modèle. Programme La Fontaine 1970. Nouvelle activité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf. Düsseldorf, Musée d’art Moderne, Département des Aigles, 1970, Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, Brüssel, Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 2012, S. 7.

Schwarz, in: Ausst.-Kat. Winterthur 2012

Schwarz, Dieter: Cinéma Modèle. In: Ausst.-Kat., Marcel Broodthaers. Cinema Modèle. Programme La Fontaine 1970. Nouvelle activité du Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 12 Burgplatz, Düsseldorf. Düsseldorf, Musée d’art Moderne, Département des Aigles, 1970, Winterthur, Kunstmuseum Winterthur, Brüssel, Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, 2012, S. 9-10.

Claes Oldenburg Ausst.-Kat. Chicago 1977

Ausst.-Kat., The Mouse Museum. The Ray Gun Wing. Two collections – two buildings by Claes Oldenburg, Chicago, Museum of Contemporary Art [u. a.], 1977-1978.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1970

Ausst.-Kat., Claes Oldenburg, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1970.

Fahlström, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1970

Fahlström, Öyvind: Objekte machen. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle Düsseldorf, 1970, S. 6.

Ausst.-Kat. Köln 2012-2014 Hochdörfer, Achim, Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014. Chronologie, in: Ausst.-Kat. Oldenburg, Maartje: Chronologie. In: Hochdörfer, Köln 2012-2014 Achim, Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014, S. 278-301.

Anhang

Buchloh, in: Ausst.-Kat Köln 2012-2014

Buchloh, Benjamin H.  D.: Annihilieren / Illuminieren: Claes Oldenburgs Ray Guns und das Mouse Museum. In: Hochdörfer, Achim, Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014, S. 214-273.

Hochdörfer, in: Ausst.-Kat. Hochdörfer, Achim: Von der Street zum Store. Claes Köln 2012-2014 Oldenburgs Pop Expressionisimus. In: ders., Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014, S. 12-63. Stemmrich, in: Ausst.-Kat. Stemmrich, Gregor: Hypertrophien, Trophäen, Köln 2012-2014 Tropen des Alltäglichen: Claes Oldenburgs Neudefinition von Skulptur. In: Hochdörfer, Achim, Schröder, Barbara (Hg.): Claes Oldenburg: The Sixties, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig [u. a.], 2012-2014, S. 156-205. Ausst.-Kat. Krefeld 1987

Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. The Haunted House, Krefeld, Museum Haus Esters, 1987.

Bruggen, in: Ausst.-Kat. Krefeld 1987

Bruggen, Coosje van: Geistern (übers. v. Brigitte Kalthoff) In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. The Haunted House, Krefeld, Museum Haus Esters, 1987, S. 15-27.

Ausst.-Kat. Marseille 1993

Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. In the Studio – Dans l’atelier, Marseille, Musée Cantini, 1993.

Coëllier, in: Ausst.-Kat. Marseille 1993

Coëllier, Sylvie: In the Studio – Dans l’atelier. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. In the Studio – Dans l’atelier, Marseille, Musée Cantini, 1993, S. 9-24.

Ausst.-Kat. New York 2002 Lee, Janie C. (Hg.): Claes Oldenburg with Coosje van Bruggen. Drawings 1992-1998, Ausst.-Kat., New York, Whitney Museums, 2002. Ausst.-Kat. Otterlo 1979

Bruggen, Coosje van (Hg.): Claes Oldenburg: Mouse Museum / Ray Gun Wing, Ausst.-Kat., Otterlo, Rijksmuseum Kröller-Müller, Köln, Museum Ludwig, 1979.

Ausst.-Kat. Sunderland 1988-1989

Celant, Germano (Hg.): A bottle of notes and some voyage. Claes Oldenburg, Coosje van Bruggen, Ausst.-Kat., Sunderland, Northern Art Center [u. a.], 1988-1989.

Ausst.-Kat. Washington 1995-1996

Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. Eine Anthologie, National Gallery of Art, Washington, D.C. [u. a.], 19951996.

381

382

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Celant, in: Kat. Washington Celant, Germano: Claes Oldenburg und das Gefühl 1995-1996 der Dinge. In: Claes Oldenburg: Eine biographische Übersicht. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. Eine Anthologie, National Gallery of Art, Washington, D.C. [u. a.], 1995-1996, S. 15-31. Prather, in: Ausst.-Kat. Washington 1995-1996

Prather, Maria: Claes Oldenburg: Eine biographische Übersicht. In: Ausst.-Kat., Claes Oldenburg. Eine Anthologie, National Gallery of Art, Washington, D.C. [u. a.], 1995-1996, S. 1-13.

Ausst.-Kat. Wien 2013

Hochdörfer, Achim (Hg.): Claes Oldenburg – writing on the side, 1956-1969, Ausst.-Kat., Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, New York, Museum of Modern Art, 2013.

Oldenburg, in: Ausst.-Kat. Wien 2013

Oldenburg, Maartje: Afterword. In: Hochdörfer, Achim (Hg.): Claes Oldenburg – writing on the side, 1956-1969, Ausst.-Kat., Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, New York, Museum of Modern Art, 2013, S. 350-353.

Weitere Ausst.-Kat. Aachen 1974

Ausst.-Kat., Art conceptuel et hyperréaliste, Aachen, Ludwig Museum, Neue Galerie, 1974.

Ausst.-Kat. Aachen 20102011

Franzen, Brigitte (Hg.): Hyper Real. Kunst und Amerika um 1970, Ausst.-Kat., Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Aachen, Ludwig Forum für internationale Kunst, Budapest, Ludwig Múzeum – Museum for Contemporary Art, 2010-2011.

Ausst.-Kat. Amsterdam 1973

Ausst.-Kat., Art is equal to BEN, Amsterdam, Stedelijk Museum, 1973.

Ausst.-Kat. Baden-Baden 2010-2011

Kraus, Karola (Hg.): »Jeder Künstler ist ein Mensch!« Positionen des Selbstportraits, Ausst.-Kat., Baden-Baden, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 2010-2011.

Loers, in: Ausst.-Kat. Baden-Baden 2010-2011

Loers, Veit: Kippenberger als die Mutter von Joseph Beuys – Zum Selbstbildnis der 1980er Jahre. In: Kraus, Karola (Hg.): »Jeder Künstler ist ein Mensch!« Positionen des Selbstportraits, Ausst.-Kat., Baden-Baden, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 2010-2011, S. 26-31.

Ausst.-Kat. Barcelona 2004-2005

Moure, Gloria (Hg.): Behind the Facts. Interfunktionen 1968-1975, Ausst.-Kat., Barcelona, Fondació Juan Miró, Porto, Museu de Arte Contemporânea de Serralves, Kassel, Kunsthalle Fridericianum, 2004-2005.

Anhang

Ausst.-Kat. Basel 1994

Kellein, Thomas (Hg.): Fluxus, Ausst.-Kat., Basel, Kunsthalle, 1994.

Hendricks, in: Ausst.-Kat. Basel 1994

Hendricks, Jo: Fluxus aufdecken – Fluxus entdecken. In: Kellein, Thomas (Hg.): Fluxus, Ausst.-Kat., Basel, Kunsthalle, 1994, S. 119-136.

Ausst.-Kat. Beaulieu 2013

Ausst.-Kat., Support / Surfaces…et après, Abbaye de Beaulieu, Centre d’Art Contemporain, 2013.

Ausst.-Kat. Berlin 1983

Ausst.-Kat., Grauzonen Farbwelten. Kunst- und Zeitbilder 1945-1955, Berlin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, 1983.

Borngräber, in: Ausst.-Kat. Borngräber, Christian: Bruchstücke. Westdeutsches Berlin 1983 Nachkriegsdesign 1945-55. In: Ausst.-Kat., Grauzonen Farbwelten. Kunst- und Zeitbilder 1945-1955, Berlin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, 1983, S. 127174. Ausst.-Kat. Berlin 20082009

Ausst.-Kat., Notation. Kalkül und Form in den Künsten, Berlin, Akademie der Künste, Karlsruhe, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, 20082009.

Lammert, in: Ausst.-Kat. Berlin 2008-2009

Lammert, Angela: Von der Bildlichkeit der Notation. In: Ausst.-Kat., Notation. Kalkül und Form in den Künsten, Berlin, Akademie der Künste, Karlsruhe, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, 2008-2009, S. 39-54.

Ausst.-Kat. Berlin 2012

Ausst.-Kat., ART and PRESS. Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit, Berlin, Martin-Gropius-Bau, 2012.

Kracher / Diekmann /  Großmann / Smerling, in: Ausst.-Kat. Berlin 2012

Kunst braucht Öffentlichkeit. Zeitung schafft Öffentlichkeit. Eva Kracher im Gespräch mit Kai Diekmann, Jürgen Großmann und Walter Smerling. In: Ausst.-Kat., ART and PRESS. Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit, Berlin, Martin-Gropius-Bau, 2012, S. 8-10.

Smerling, in: Ausst.-Kat. Berlin 2012

Smerling, Walter: Kunst – Wahrheit und Wirklichkeit? In: Ausst.-Kat., ART and PRESS. Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit, Berlin, Martin-Gropius-Bau, 2012, S. 11-18.

Ausst.-Kat. Bern 1969

Szeemann, Harald (Hg.): Live in your head. When attitudes become form, Ausst.-Kat., Bern, Kunsthalle, 1969.

Szeemann, in: Ausst.-Kat. Bern 1969

Szeemann, Harald: Zur Ausstellung. In: ders. (Hg.): Live in your head. When attitudes become form, Ausst.-Kat., Bern, Kunsthalle, 1969, o. S.

383

384

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Bern 1977

Lischka, Gerhard Johann: Das Sofortbild. In: ders. (Hg.): Das Sofortbild. Polaroid, Ausst.-Kat., Bern, Aktionsgalerie, 1977.

Ausst.-Kat. Bielefeld 2009

Kellein, Thomas (Hg.): 1968. Die große Unschuld, Ausst.-Kat., Bielefeld, Kunsthalle, 2009.

Kellein, in: Ausst.-Kat. Bielefeld 2009

Kellein, Thomas: Get that bulldozer away from my child. Zur Entstehungsgeschichte der Land Art. In: ders. (Hg.): 1968. Die große Unschuld, Ausst.-Kat., Bielefeld, Kunsthalle, 2009, S. 314-341.

Ausst.-Kat. Bonn 1994

Stanislawski, Ryszard, Brockhaus, Christoph (Hg.): Europa, Europa. Das Jahrhundert der Avantgarden in Mittel- und Osteuropa, Ausst.-Kat., Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994, 4 Bde., Bd. 1.

Fauchereau, in: Ausst.-Kat. Fauchereau, Serge: Die Formen des Kubismus. In: Bonn 1994 Stanislawski, Ryszard, Brockhaus, Christoph (Hg.): Europa, Europa. Das Jahrhundert der Avantgarden in Mittel- und Osteuropa, Ausst.-Kat., Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994, 4 Bde., Bd. 1, S. 104-108. Turowksi, in: Ausst.-Kat. Bonn 1994

Turowski, Andrzej: Die Welt konstruieren. In: Stanislawski, Ryszard, Brockhaus, Christoph (Hg.): Europa, Europa. Das Jahrhundert der Avantgarden in Mittel- und Osteuropa, Ausst.-Kat., Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994, 4 Bde., Bd. 1, S. 142-145.

Ausst.-Kat. Bonn 1994-1995 Ausst.-Kat., Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit, Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994-1995. Ingemann, in: Ausst.-Kat. Bonn 1994-1995

Ingemann, Paul: Die Architektur in der Ausstellung. In: Ausst.-Kat., Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit, Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 1994-1995, S. 14.

Ausst.-Kat. Bonn 2015-2016 Enwezor, Okwui, Wolfs, Rein (Hg.): Hanne Darboven. Aufklärung – Zeitgeschichte. Eine Retrospektive, Ausst.-Kat., Bonn, Bundeskunsthalle, München, Haus der Kunst, 2015-2016. Ausst.-Kat. Bregenz 2013

Dziewior, Yilmaz (Hg.): Wade Guyton – Guyton / Walker – Kelley Walker, Ausst.-Kat., Bregenz, Kunsthaus Bregenz, 2013.

Ausst.-Kat. Chambéry 1975 Ausst.-Kat., 8 définitions du réel, Chambéry, Musée des Beaux Arts, Musée d’art et d’histoire, 1975.

Anhang

Ausst.-Kat. Chazelles-SurLyon 1993

Ausst.-Kat., Cent ans de chapeaux 1870-1970, Chazelles-Sur-Lyon, Musée du Chapeau, 1993.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987 Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Auf bruch. 19621987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987

Buchloh, Benjamin H. D.: Joseph Beuys – Die Götzendämmerung. In: Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Auf bruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987, S. 60-77.

Heubach, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987

Heubach, Friedrich Wolfram: Interfunktionen 19681974. In: Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Auf bruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987, S. 128130.

Kreutzer, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987

Kreutzer, Maria: ›Plastische Kraft‹ und ›Raum der Schrift‹. Überlegungen zu den Kunstauffassungen von Joseph Beuys und Marcel Broodthaers. In: Ausst.Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Auf bruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987, S. 19-24.

Peters, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987

Peters, Hans Albert: Nachdenken. In: Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Auf bruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987, S. 7-9.

Wiese, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1987

Wiese, Stephan von: Brennpunkt Düsseldorf – eine Chronik. In: Ausst.-Kat., Brennpunkt Düsseldorf. Joseph Beuys – Die Akademie – Der allgemeine Aufbruch. 1962-1987, Düsseldorf, Kunstmuseum, 1987, S. 10-18.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990

Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990.

Buchloh, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990

Buchloh, Benjamin H. D.: Von der Ästhetik der Verwaltung zur institutionellen Kritik. Einige Aspekte der Konzeptkunst von 1962-1969. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 86-98.

Dreßen, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990

Dreßen, Wolfgang: Die Leidenschaft der an sich selbst Interessierten. Anmerkungen zu einer integrierten Revolte. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 53-59.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990

Syring, Marie Luise: Einführung. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 13-15.

Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (a)

Syring, Marie Luise: Der Duchamp-Konflikt. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 17-20.

Syring, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990 (b)

Syring, Marie Luise: Wunschökonomie – Die Mikrozellen der Emanzipation. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 154-158.

Lebel, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 1990

Lebel, Jean-Jacques: Die Dadaisierung des Politischen. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 49-52.

Gentilini, in: Kat. Düsseldorf 1990

Gentilini, Giovanni: 1968 – Die Dämmerung der Ideologien. In: Ausst.-Kat., Um 1968. Konkrete Utopien in der Kunst und Gesellschaft, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle, 1990, S. 44-48.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 2000

Zweite, Armin (Hg.): Ich ist etwas Anderes. Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2000.

Bürger, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2000

Bürger, Peter: Das Verschwinden des Subjekts – eine postmoderne Utopie? In: Zweite, Armin (Hg.): Ich ist etwas Anderes. Kunst am Ende des 20. Jahrhunderts, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Kunstsammlung NordrheinWestfalen, 2000.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 2003

Ausst.-Kat., Robert Filliou. Genie ohne Talent, Düsseldorf, Museum im Kunstpalast, 2003.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 2007-2008

Buschmann, Renate (Hg.): Fotos schreiben Kunstgeschichte. Ausst.-Kat., Düsseldorf, Museum Kunst Palast, 2007-2008.

Graevenitz, in: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2007-2008

Graevenitz, Antje von: Sprache ergreift Materie – Das Festum Fluxorum Fluxus in Düsseldorf 1963. In: Buschmann, Renate (Hg.): Fotos schreiben Kunstgeschichte. Ausst.-Kat., Düsseldorf, Museum Kunst Palast, 2007-2008, S. 66-86.

Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008

Anna, Susanne (Hg.): Joseph Beuys, Düsseldorf, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Stadtmuseum, 2008.

Krause-Wahl, in: Ausst.Kat. Düsseldorf 2008

Krause-Wahl, Antje: Das Vermitteln gestalten – Joseph Beuys, Lehrer. In: Anna, Susanne (Hg.): Joseph Beuys, Düsseldorf, Ausst.-Kat., Düsseldorf, Stadtmuseum, 2008, S. 11-26.

Anhang

Ausst.-Kat. d2 1959

Ausst.-Kat., documenta II. Kunst nach 1945. Malerei – Skulptur – Druckgrafik, Kassel, Museum Fridericianum, 1959.

Haftmann, in: Ausst.-Kat. d2 1959

Haftmann, Werner: Einführung. In: Ausst.-Kat., documenta II. Kunst nach 1945. Malerei – Skulptur – Druckgrafik, Kassel, Museum Fridericianum, 1959.

Ausst.-Kat. d5 1972

Ausst.-Kat., documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute, Kassel, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz, 1972, Bd. 1.

Brock / K rings, in: Ausst.Kat. d5 1972

Brock, Bazon, Krings, Karl Heinz: Audiovisuelles Vorwort (AVV). In: Ausst.-Kat., documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute, Kassel, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz, 1972, Bd. 1, S. 2.0-2.1.

Cladders, in: Ausst.-Kat. d5 1972

Cladders, Johannes: Die Realität von Kunst als Thema der Kunst. In: Ausst.-Kat., documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute, Kassel, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz, 1972, Bd. 1, S. 16.1-16.5.

Szeemann, in: Ausst.-Kat. d5 1972

Szeemann, Harald: Einleitung. In: Ausst.-Kat., documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute, Kassel, Neue Galerie, Schöne Aussicht, Museum Fridericianum, Friedrichsplatz, 1972, Bd. 1, S. 10-11.

Ausst.-Kat. d6 1977

Ausst.-Kat., documenta 6, Kassel 1977, 3 Bde.

Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. Ausst.-Kat., Andy Warhol’s time capsules 21, Frank2004 furt a. M., Museum für Moderne Kunst, 2004. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. Ausst.-Kat., Demonstrationen: vom Werden nor2012 mativer Ordnungen, Frankfurt a. M., Frankfurter Kunstverein, 2012. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. Engler, Martin (Hg.): Manzoni. Als Körper Kunst 2013 wurden, Ausst.-Kat., Frankfurt a. M., Städel Museum, 2013. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. Kort, Pamela (Hg.): Künstler und Propheten. Eine 2015 geheime Geschichte der Moderne 1872-1972, Ausst.Kat., Frankfurt a. M., Schirn-Kunsthalle, 2015. Kort, in: Ausst.-Kat. Frankfurt a. M. 2015

Kort, Pamela: Eine geheime Geschichte der Kunst. Maler, Bildhauer und Propheten im deutschsprachigen Europa zwischen 1872 und 1972. In: dies. (Hg.): Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872-1972, Ausst.-Kat., Frankfurt a. M., Schirn-Kunsthalle, 2015, S. 12-13.

387

388

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Graz 1993

Weibel, Peter (Hg.): Kontext Kunst. Kunst der 1990er Jahre, Ausst.-Kat., Graz, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, 1993.

Ausst.-Kat. Hamburg 1974 Ausst.-Kat., Spurensicherung. Archäologie und Erinnerung, Hamburg, Kunstverein, 1974. Ausst.-Kat. Innsbruck 2003-2004

Nollert, Angelika (Hg.): Performative Installation, Ausst.-Kat., Innsbruck, Galerie im Taxispalais [u. a.], 2003-2004.

Nollert, in: Ausst.-Kat. Innsbruck 2003-2004

Nollert, Angelika: Performative Installation. In: dies. (Hg.): Performative Installation, Ausst.-Kat., Innsbruck, Galerie im Taxispalais [u. a.], 2003-2004, S. 8-29.

Ausst.-Kat. Kassel 1992

Kopanski, Karlheinz, Stengel, Karin (Hg.): Die Kunst der Einladung, Ausst.-Kat., Kassel, Dock 4, Kulturhaus der Stadt Kassel, 1992.

Kopanski, in: Ausst.-Kat. Kassel 1992

Kopanski, Karlheinz: Strategien des Ephemeren. In: ders., Stengel, Karin (Hg.): Die Kunst der Einladung, Ausst.-Kat., Kassel, Dock 4, Kulturhaus der Stadt Kassel, 1992, S. 9-28.

Ausst.-Kat. Kassel 2001

Nachtigäller, Roland (Hg.): Wiedervorlage d5. Eine Befragung des Archivs der documenta 1972, Ausst.Kat., Kassel, Kulturdezernat / documenta-Archiv im Fridericianum, 2001.

Enwezor, in: Ausst.-Kat. Kassel 2001

Enwezor, Okwui: Reflexionen zur d5. In: Nachtigäller, Roland (Hg.): Wiedervorlage d5. Eine Befragung des Archivs der documenta 1972, Ausst.-Kat., Kassel, Kulturdezernat / documenta-Archiv im Fridericianum, 2001, S. 42.

Scharf, in: Ausst.-Kat. Kassel 2001

Scharf, Friedhelm: Zur Geschichte der documenta 5 – Eine quellenkundliche Revue. In: Nachtigäller, Roland (Hg.): Wiedervorlage d5. Eine Befragung des Archivs der documenta 1972, Ausst.-Kat., Kassel, Kulturdezernat / documenta-Archiv im Fridericianum, 2001, S. 22-39.

Ausst.-Kat. Kiel 2011-2012

Hüsch, Annette (Hg.): From Trash to Traesure. Vom Wert des Wertlosen in der Kunst, Ausst-Kat., Kiel, Kunsthalle, 2011-2012.

Wagner, in: Ausst.-Kat. Kiel Wagner, Monika: Abfall im Museum oder Kunst 2011-2012 als Transformator? In: Hüsch, Annette (Hg.): From Trash to Traesure. Vom Wert des Wertlosen in der Kunst, Ausst-Kat., Kiel, Kunsthalle, 2011-2012, S. 4962.

Anhang

Ausst.-Kat. Klagenfurt 2001

Hegyi, Lóránd (Hg.): Macht der Dinge. Nouveau Réalisme. Pop Art. Hyperrealismus, Ausst.-Kat., Klagenfurt, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in der Stadtgalerie Klagenfurt, 2001.

Hegyi, in: Kat. Klagenfurt 2001

Hegyi, Lóránd: Pop Art in Großbritannien, Nouveau Réalisme in Frankreich, Kritischer Realismus in Deutschland. In: ders. (Hg.): Macht der Dinge. Nouveau Réalisme. Pop Art. Hyperrealismus, Ausst.Kat., Klagenfurt, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in der Stadtgalerie Klagenfurt, 2001, S. 17-34.

Ausst.-Kat. Koblenz 19871988

Ausst.-Kat., Kunst heute in Frankreich, Koblenz, Haus Metternich, Düren, Leopold-Hoesch-Museum, 1987-1988.

Ausst.-Kat. Köln 1970

Leppien, Helmut, Leppien, Petra (Hg.): Jetzt. Künste in Deutschland heute, Ausst.-Kat., Köln, Kunsthalle, 1970.

Ausst.-Kat. Köln 1979

Ausst.-Kat., Le Musée sentimental de Cologne. Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten aus zwei Jahrtausenden Köln Incognito, Köln, Kölnischer Kunstverein, 1979.

Brock, in: Ausst.-Kat. Köln Brock, Bazon: Ain herrlich sehen kunststückh im 1979 theatrum sapientiae. Zur Rekonstruktion einer zeitgenössischen Kunst- und Wunderkammer. In: Ausst.-Kat., Le Musée sentimental de Cologne. Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten aus zwei Jahrtausenden Köln Incognito, Köln, Kölnischer Kunstverein, 1979, S. 18-26. Spoerri, in: Ausst.-Kat. Köln 1979

Spoerri, Daniel: Einleitung. In: Ausst.-Kat., Le Musée sentimental de Cologne. Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten aus zwei Jahrtausenden Köln Incognito, Köln, Kölnischer Kunstverein, 1979, S. 8-10.

Ausst.-Kat. Köln 1981

Glozer, Laszlo (Hg.): Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939. Eine Veranstaltung der Museen der Stadt Köln. Köln, Messehallen, 1981.

Ausst.-Kat. Köln 1982

Ausst.-Kat., Kubismus, Köln, Josef-Haubrich-Kunsthalle, 1982.

Brunner, in: Ausst.-Kat. Köln 1982

Brunner, Manfred: Daniel-Henry Kahnweilers »Weg zum Kubismus« als Quelle kubistischer Werkabsicht. In: Ausst.-Kat., Kubismus, Köln, Josef-HaubrichKunsthalle, 1982, S. 131-145.

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390

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ausst.-Kat. Köln 2006

Wagner, Frank, König, Kasper, Friedrich, Julia (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2006.

Loreck, in: Ausst.-Kat. Köln Loreck, Hanne: Das Imaginäre und die Sichtbarkeit. 2006 Visualität auf dem »achten Feld«. In: Wagner, Frank, König, Kasper, Friedrich, Julia (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2006, S. 121-129. Ausst.-Kat. Köln 2008

Schäfer, Barbara, Blühm, Andreas (Hg.): Künstlerpaare. Liebe, Kunst und Leidenschaft, Ausst.-Kat., Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 2008-2009.

Ausst.-Kat. Köln 2012

Schäfer, Barbara (Hg.): 1912 – Mission Moderne: die Jahrhundertschau des Sonderbundes, Ausst.-Kat., Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 2012.

Ausst.-Kat. Köln 2013-2014 Kaiser, Philipp (Hg.): Louise Lawler. Adjusted, Ausst.Kat., Köln, Museum Ludwig, 2013-2014. Buchloh, in: Ausst.-Kat. Köln 2013-2014

Buchloh, Benjamin H. D.: Louise Lawler: Gedächtnisbilder der Kunst und Spektakelkultur. In: Kaiser, Philipp (Hg.): Louise Lawler. Adjusted, Ausst.-Kat., Köln, Museum Ludwig, 2013-2014, S. 73-88.

Ausst.-Kat. Les Sablesd’Olonne 2015-2016

Goumarre, Laurent, Verhagen, Erik (Hg.): Hippolyte Hentgen, Ausst.-Kat., Les Sables-d’Olonne, Musée de l’Abbaye Sainte-Croix, 2015-2016.

Ausst.-Kat. Linz 1997-1998 Bianchi, Paolo, Folie, Sabine (Hg.): Atlas Mapping. Künstler als Kartographen – Kartographie als Kultur, Ausst.-Kat., Linz, Offenes Kunsthaus, Bregenz, Kunsthaus / Magazin 4, 1997-1998. Brayer, in: Ausst.-Kat. Linz Brayer, Marie-Ange: Atlas der Künstlerkartographien. 1997-1998 Landkarten als Maß bildlicher Fiktion in der Kunst des 20. Jahrhunderts. In: Bianchi, Paolo, Folie, Sabine (Hg.): Atlas Mapping. Künstler als Kartographen – Kartographie als Kultur, Ausst.-Kat., Linz, Offenes Kunsthaus, Bregenz, Kunsthaus / Magazin 4, 1997-1998, S. 21-38. Ausst.-Kat. London 20082009

Ausst.-Kat., Behind the Mirror. Aimé Maeght and his artists. Bonnard, Matisse, Miró, Calder, Giacometti, Braque, London, Royal Academy of Arts, 2008-2009.

Anhang

Interview, in: Ausst.-Kat. London 2008-2009

›Let the stone make fire‹. Ann Dumas in conversation with Isabelle and Yoyo Maeght. In: Ausst.-Kat., Behind the Mirror. Aimé Maeght and his artists. Bonnard, Matisse, Miró, Calder, Giacometti, Braque, London, Royal Academy of Arts, 2008-2009, S. 33-47.

Ausst.-Kat. Lüttich 20092010

Bawin, Julie (Hg.): L’œuvre collection. Propos d’artistes sur la collection, Ausst.-Kat., Lüttich, Les Brasseurs, 2009-2010.

Ausst.-Kat. London 1991

Spies, Werner (Hg.): Max Ernst, Retrospektive zum 100. Geburtstag, Ausst.-Kat., London, Tate Gallery [u. a.], 1991.

Ausst.-Kat. Luxemburg 2014

Ausst.-Kat., Support / Surface, Luxemburg, Galerie Bernard Ceysson, 2014.

Ausst.-Kat. Lyon 1991

Ausst.-Kat., L’Amour de l’art, Lyon, Biennale de Lyon, 1991.

Ausst.-Kat. Metz 2015

Ausst.-Kat., Warhol Underground, Metz, Centre Pompidou, 2015.

Lavigne, in: Ausst.-Kat. Metz 2015

Lavigne, Emma: Silver Factory. In: Ausst.-Kat., Warhol Underground, Metz, Centre Pompidou, 2015, S. 4-5.

Ausst.-Kat. München 1988 Ausst.-Kat., Mythos Italien, München, Haus der Kunst, 1988. Stabenow, in: Ausst.-Kat. München 1988

Stabenow, Cornelia: Die Entkleidung der Kultur. Zur Mythologisierung des Materials bei Mario Merz und Jannis Kounellis. In: Ausst.-Kat., Mythos Italien, München, Haus der Kunst, 1988, S. 85-90.

Ausst.-Kat. München 1997 Schaffner, Ingrid, Winzen, Matthias (Hg.): Deep Storage. Arsenale der Erinnerung, Ausst.-Kat., München, Haus der Kunst, New York, P.S. 1, 1997-1999. Winzen, in: Ausst.-Kat München 1997

Winzen, Matthias: Sammeln – so selbstverständlich, so paradox. In: Schaffner, Ingrid, ders. (Hg.): Deep Storage. Arsenale der Erinnerung, Ausst.-Kat., München, Haus der Kunst, New York, P.S. 1, 1997-1999, S. 10-19.

Ausst.-Kat. Münster 1974

Ausst.-Kat., Recueil de saynètes comiques interprétées par Christian Boltanski, Münster, Westfälischer Kunstverein, 1974.

Ausst.-Kat. Münster 1976

Ausst.-Kat., Bilder nach Bildern. Druckgrafik und die Vermittlung von Kunst, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, 1976.

Ausst.-Kat. Münster 2008

Müller, Markus (Hg.): Maeght – das Abenteuer der Moderne, Ausst.-Kat., Münster, Graphikmuseum Pablo Picasso, 2008.

391

392

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Müller, in: Ausst.-Kat. Münster 2008

Müller, Markus: Maeght oder der unaufhaltsame Aufstieg eines Kunstimperiums. In: ders. (Hg.): Maeght – das Abenteuer der Moderne, Ausst.-Kat., Münster, Graphikmuseum Pablo Picasso, 2008, S. 17-23.

Ausst.-Kat. New Haven 1995-1996

Bier, Lesley K. (Hg.): Mel Bochner. Thought made visible 1966-1973, Ausst.-Kat., New Haven, Yale University Art Gallery, Brüssel, La Société des Expositions du Palais des Beaux-Arts, München, Städtische Galerie im Lenbachhaus, 1995-1996.

Ausst.-Kat. New York 2003 Ausst.-Kat., Roth Time. A Dieter Roth Retrospective, New York, The Museum of Modern Art New York, 2003. Ausst.-Kat. Paris 1964

Ausst.-Kat., Mythologies Quotidiennes, Paris, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1964.

Ausst.-Kat. Paris 1968

Ausst.-Kat., École nationale supérieure des BeauxArts (Paris) – Atelier populaire, présenté par luimême. 87 affiches de mai à juin 1968, Paris, École nationale supérieure des Beaux-Arts, 1968.

Ausst.-Kat. Paris 1972

Ausst.-Kat., Douze Ans d’Art Contemporain en France, Paris, Grand Palais, 1972.

Clair, in: Ausst.-Kat. Paris 1972

Clair, Jean: Nouvelles tendances depuis 1963. In: Ausst.-Kat., Douze Ans d’Art Contemporain en France, Paris, Grand Palais, 1972, S. 67-77.

Ausst.-Kat. Paris 1974

Ausst.-Kat., Hyperréalistes americains – Réalistes européens, Paris, Centre national d’art contemporain, 1974.

Clair, in: Ausst.-Kat. Paris 1974

Clair, Jean: L’adorable leurre. In: Ausst.-Kat., Hyperréalistes americains – Réalistes européens, Paris, Centre national d’art contemporain, 1974, S. 16-20.

Ausst.-Kat. Paris 1976-1977 Ausst.-Kat., Boîtes, Paris, ARC 2, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Rennes, Maison de la culture de Rennes, 1976-1977.  Ausst.-Kat. Paris 1977

Ausst.-Kat., Mythologies Quotidiennes 2, Paris, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1977.

Gassiot, Talabot, in: Ausst.- Gassiot-Talabot, Gérald: Le Double des mythologies Kat. Paris 1977 quotidiennes. In: Ausst.-Kat., Mythologies Quotidiennes 2, Paris, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1977, o. S. Ausst.-Kat. Paris 1979

Ausst.-Kat., Télémaque, Paris, Galerie Adrien Maeght 1979.

Ausst.-Kat. Paris 1981

Ausst.-Kat., Jan Voss, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1981.

Anhang

Ausst.-Kat. Paris 1982 (a)

Ausst.-Kat., Les affiches de mai 68 ou L’Imagination graphique, Paris, Bibliothèque nationale de France, 1982.

Ausst.-Kat. Paris 1982 (b)

Ausst.-Kat., Peter Klasen, Traces, Paris, Galerie Adrien Maeght, 1982.

Ausst.-Kat. Paris 1983 (a)

Ausst.-Kat., ARC 1973-1983, Paris, ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 1983.

Ausst.-Kat. Paris 1989

Ausst.-Kat., Sur le passage de quelques personnes à travers une assez courte unité de temps. À propos de l’Internationale situationniste, 1957-1972, Paris, Centre Georges Pompidou, 1989.

Debord, in: Ausst.-Kat. Paris 1989

Debord, Guy: Rapport sur la construction des situations et sur les conditions de l’organisation et de l’action de la tendance situationniste internationale. In: Ausst.-Kat., Sur le passage de quelques personnes à travers une assez courte unité de temps. À propos de l’Internationale situationniste, 1957-1972, Paris, Centre Georges Pompidou, 1989, o. S.

Ausst.-Kat. Paris 1991 (a)

Ausst.-Kat., Robert Filliou, Paris, Centre Georges Pompidou, Musée national d’art moderne, Galerie Contemporaines, 1991.

Ausst.-Kat. Paris 1995-1996 Bernadac, Marie-Laure, Marcadé Bernard (Hg.): Fémininmasculin. Le sexe de l’art, Ausst.-Kat., Paris, Centre national d’art et de culture Georges Pompidou, Grande galerie, 1995-1996. Ausst.-Kat. Paris 20042005

Ausst.-Kat., Jean Hélion, Paris, Centre Georges Pompidou, Barcelona, Museum Picasso, 2004-2005.

Ausst.-Kat. Paris 20052006

Ausst.-Kat., Dada, Paris, Centre Georges Pompidou, 2005-2006.

Chronologie, in: Ausst.-Kat. Chronologie. In: Ausst.-Kat., Dada, Paris, Centre Paris 2005-2006 Georges Pompidou, 2005-2006, S. 218-259. Ausst.-Kat. Paris 2006

Ausst.-Kat., Yves Klein. Corps, couleur, immatériel, Paris, Centre Georges Pompidou, 2006.

Morineau, in: Ausst.-Kat. Paris 2006

Morineau, Camille: De l’imprégnation à l’empreinte, de l’artiste au modèle, de la couleur à son incarnation. In: Ausst.-Kat., Yves Klein. Corps, couleur, immatériel, Paris, Centre Pompidou, 2006, S. 120- 129.

Ausst.-Kat. Philadelphia 2010-2011

Ausst.-Kat., Seductive Subversion: Women Pop Artists, 1958–1968, Philadelphia, University of the Arts [u. a.], 2010- 2011.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Mucha, in: Ausst.-Kat. Philadelphia 2010-2011

Mucha, Patty: Soft Sculpture Sunshine. In: Ausst.Kat., Seductive Subversion: Women Pop Artists, 1958–1968, Philadelphia, University of the Arts [u. a.], 2010- 2011, S. 144-161.

Ausst.-Kat. Quimper 1990

Ausst.-Kat., La compagnie des objets: Jean-Michel Alberola, Miquel Barceló, Georges Braque… [et al.], Quimper, Le Quartier, Centre d’art contemporain de Quimper, 1990.

Ausst.-Kat. Rouen 1998

Ausst.-Kat., La Boîte en valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy, Rouen, Musée des BeauxArts, 1998.

Cros, in: Ausst.-Kat. Rouen Cros, Caroline: La boîte en valise de ou par Marcel 1998 Duchamp ou Rrose Sélavy. In: Ausst.-Kat., La Boîte en valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy, Rouen, Musée des Beaux-Arts, 1998, o. S. Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 1968

Ausst.-Kat., L’Art Vivant, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 1968.

Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2009

Ausst.-Kat., Jacques Monory. Tigre, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2009.

Ausst.-Kat. Saint-Paul de Vence 2014

Ausst.-Kat., 50 ans. La passion de créer, Saint-Paul de Vence, Fondation Marguerite et Aimé Maeght, 2014.

Ausst.-Kat. Stuttgart 2001

Höper, Corinna (Hg.): Raffael und die Folgen. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit, Ausst.-Kat., Stuttgart, Staatsgalerie, Graphische Sammlung, 2001.

Höper, in: Ausst.-Kat. Suttgart 2001

Höper, Corinna: Raffael: Die Stuttgarter RaffaelZeichnung: Über die Grenzen der »Händescheidung«. In: dies. (Hg.): Raffael und die Folgen. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit, Ausst.-Kat., Stuttgart, Staatsgalerie, Graphische Sammlung, 2001, S. 23-50.

Ausst.-Kat. Stuttgart 2012

Ausst.-Kat., Fluxus! ›Antikunst‹ ist auch Kunst!, Stuttgart, Staatsgalerie Stuttgart, 2012.

Ausst.-Kat. Venedig 1976

Ausst.-Kat., B76 – La Biennale di Venezia. Section of Visual Arts and Architecture. General Catalogue, 2 Bde., Venedig, Biennale, 1976.

Celant, in: Ausst.-Kat. Venedig 1976

Celant, Germano: Ambient Art. In: Ausst.-Kat., B76 – La Biennale di Venezia. Section of Visual Arts and Architecture. General Catalogue, Venedig, Biennale, 1976, Bd. 1, S. 187-201.

Anhang

Ausst.-Kat. Venedig 2003

Davidson, Susan, Rylands, Philip (Hg.): Peggy Guggenheim and Frederick Kiesler. The Story of Art of This Century, Ausst.-Kat., Venedig, Peggy Guggenheim Collection, 2003-2005.

Bogner, in: Ausst.-Kat. Venedig 2003

Bogner, Dieter: Staging Works of Art. Frederick Kiesler’s Exhibition Design 1924-1957. In: Davidson, Susan, Rylands, Philip (Hg.): Peggy Guggenheim and Frederick Kiesler. The Story of Art of This Century, Ausst.-Kat., Venedig, Peggy Guggenheim Collection, 2003-2005, S. 35-49.

Ausst.-Kat. Venedig 2013

Celant, Germano (Hg.): When attitudes become form: Bern 1969 / Venice 2013, Ausst.-Kat., Venedig, Fondazione Prada, 2013.

Ausst.-Kat. Wien 2003

Benesch, Evelyn, Brugger, Ingried (Hg.): Futurismus. Radikale Avantgarde, Ausst.-Kat., Wien, BA-CA Kunstforum, 2003.

Drechsler, in: Ausst.-Kat. Wien 2003

Drechsler, Wolfgang: Die Futuristen und die internationale Avantgarde. In: Benesch, Evelyn, Brugger, Ingried (Hg.): Futurismus. Radikale Avantgarde, Ausst.-Kat., Wien, BA-CA Kunstforum, 2003, S. 5-70.

Lista, in: Ausst.-Kat. Wien 2003

Lista, Giovanni: Maschinenverherrlichung und Technikangst bei den Futuristen. In: Benesch, Evelyn, Brugger, Ingried (Hg.): Futurismus. Radikale Avantgarde, Ausst.-Kat., Wien, BA-CA Kunstforum, 2003, S. 81-89.

Chronologie, in: Ausst.-Kat. »Chronologie des Futurismus«. In: Benesch, Evelyn, Wien 2003 Brugger, Ingried (Hg.): Futurismus. Radikale Avantgarde, Ausst.-Kat., Wien, BA-CA Kunstforum, 2003, S. 236-237. Ausst.-Kat. Wien 2011

Heine, Achim, Reuter, Rebekka, Willingmann, Ulrike (Hg.): From Polaroid to impossible. Masterpieces of Instant Photography – The Westlicht Collection, Ausst.-Kat., Wien, WestLicht. Schauplatz für Fotografie, 2011.

Heine, in: Ausst.-Kat. Wien Heine, Achim: Wenn sofort nicht mehr gleich ist. 2011 Über die Geschwindigkeit der Bilder. In: ders., Reuter, Rebekka, Willingmann, Ulrike (Hg.): From Polaroid to impossible. Masterpieces of Instant Photography – The Westlicht Collection, Ausst.-Kat., Wien, WestLicht. Schauplatz für Fotografie, 2011, S. 7-9. Ausst.-Kat. Wien 2012

Husslein-Arco, Agnes, Krejci, Harald, Steinbrügge, Bettina (Hg.): Utopie Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat., Wien, 21er Haus, 2012.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Hofmann, in: Ausst.-Kat. Wien 2012

Hofmann, Werner: Verfall in der Kunstgeschichte gibt es nicht. In: Husslein-Arco, Agnes, Krejci, Harald, Steinbrügge, Bettina (Hg.): Utopie Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat., Wien, 21er Haus, 2012, S. 14-18.

Ausst.-Kat. Wiesbaden 1982 Ausst.-Kat., Fluxus: 1962 Wiesbaden 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen, Wiesbaden, Museum, Nassauischer Kunstverein, Kassel, Neue Galerie der Staatlichen Kunstsammlung, Berlin, daadgalerie, 1982-1983. Block, in: Ausst.-Kat. Wiesbaden 1982

Block, René: Vorwort. In: Ausst.-Kat., Fluxus: 1962 Wiesbaden 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen, Wiesbaden, Museum, Nassauischer Kunstverein, Kassel, Neue Galerie der Staatlichen Kunstsammlung, Berlin, daadgalerie, 1982-1983, o. S.

Ausst.-Kat. Zürich 1950

Ausst.-Kat., Chapeaux d’hier et d’aujourd’hui. Zwei Jahrhunderte Pariser Hut. Neue Schweizer Damenund Herrenhüte, Zürich, Kunstgewerbemuseum, 1950.

Ausst.-Kat. Zürich 1978

Ausst.-Kat., Das Schubladenmuseum von Herbert Distel. Katalog des kleinsten Museums für moderne Kunst des 20. Jahrhunderts mit Werken von über 500 Künstlern, Zürich, Kunsthaus, 1978.

Ausst.-Kat. Zürich 1983

Ausst.-Kat., Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, Zürich, Kunsthaus, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Wien, Museum Moderner Kunst, Museum des 20. Jahrhunderts, 1983.

Brock, in: Ausst.-Kat. Zürich 1983

Brock, Bazon: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Pathosformen und Energiesymbole zur Einheit von Denken, Wollen und Können. In: Ausst.-Kat., Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, Zürich, Kunsthaus, Düsseldorf, Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Wien, Museum Moderner Kunst, Museum des 20. Jahrhunderts, 1983, S. 22-39.

Ausst.-Kat. Zürich 2008

Lütteken, Laurenz (Hg.): Kunstwerk der Zukunft. Richard Wagner und Zürich 1849-1858, Ausst.-Kat., Zürich, Museum Bärengasse, 2008.

Lütteken, in: Ausst.-Kat. Zürich 2008

Lütteken, Laurenz: Einleitung. In: ders. (Hg.): Kunstwerk der Zukunft. Richard Wagner und Zürich 1849-1858, Ausst.-Kat., Zürich, Museum Bärengasse, 2008, S. 11-17.

Anhang

7.1.4 Sekundärliteratur Gérard Gasiorowski Enrici / K aeppelin 1991

Enrici, Michel, Kaeppelin, Olivier: Gasiorowski. Les Fleurs. Paris 1991.

Enrici, in: ders. / K aeppelin Enrici, Michel: L’entrée en peinture. Les Fleurs. In: 1991 ders., Kaeppelin, Olivier: Gasiorowski. Les Fleurs. Paris 1991, o. S. Kaeppelin / Bordaz 1993

Kaeppelin, Olivier, Bordaz, Jean-Pierre (Hg.): Gasiorowski. Les Amalgames. Paris 1993.

Paliard 2006

Paliard, Pierre: L’ordre domestique: mémoire de la ruralité dans les arts plastiques contemporains en Europe (zugl. phil. Diss. Aix-en-Provence 1999), Paris 2006.

Suchère 1994

Suchère, Éric: Gasiorowski. Académie Worosis Kiga. Paris 1994.

Suchère 2012

Suchère, Éric: Gasiorowski – peinture – fiction. Auvergne 2012.

Jörg Immendorff Gohr 2015

Gohr, Siegfried: Jörg Immendorff. Werkverzeichnis: Gemälde, 3 Bde., Köln 2015.

Kort 1993

»Jörg Immendorff im Gespräch mit Pamela Kort«. Kunst heute, Nr. 11, hg. v. Wilfried Dickhoff. Köln 1993.

Riegel 2010

Riegel, Hans Peter: Immendorff. Die Biographie. Berlin 2010.

Marcel Broodthaers Borgemeister [u. a.] 2001

Borgemeister, Rainer [u. a.]: Vorträge zum filmischen Werk von Marcel Broodthaers. Köln 2001.

Pelzer, in: Borgemeister [u. a.] 2001

Pelzer, Birgit: Die symbolischen Strategien des »Semblant« (Schein). In: Borgemeister, Rainer [u. a.]: Vorträge zum filmischen Werk von Marcel Broodthaers. Köln 2001, S. 45-73.

Zwirner, in: Borgemeister [u. a.] 2001

Zwirner, Dorothea: Beuys und Broodthaers. Dialektik der Moderne zwischen »Analytischer Geometrie und dem Glauben an einen unglaublichen Gott«. In: Borgemeister, Rainer [u. a.]: Vorträge zum filmischen Werk von Marcel Broodthaers. Köln 2001, S. 93-127.

Broodthaers 2013

Broodthaers, Marie-Puck (Hg.): Marcel Broodthaers. Livre d’images, Bilderbuch. Köln 2013.

397

398

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Marcadé, in: Broodthaers 2013

Marcadé, Bernard: Moi Je dis… Je tautologue. Je conserve. Je sociologue. Je manifeste… In: Broodthaers, Marie-Puck (Hg.): Marcel Broodthaers. Livre d’images, Bilderbuch. Köln 2013, S. 23-29.

Buchloh 1988

Buchloh, Benjamin H. D. (Hg.): Broodthaers. Writings, Interviews, Photographs. Cambridge / London 1988 (= October 42 / 1987).

Borgemeister, in: Buchloh 1988

Borgemeister, Rainer: Section des Figures: The Eagle from the Oligocene to the Present. In: Buchloh, Benjamin H. D.(Hg.): Broodthaers. Writings, Interviews, Photographs. Cambridge / London 1988 (= October 42 / 1987), S. 135-151.

Lebeer, in: Buchloh 1988

Ten Thousand Francs Reward. Marcel Broodthaers im Interview mit Irmeline Lebeer (1974). In: Buchloh, Benjamin H. D. (Hg.): Marcel Broodthaers. Writings, Interviews, Photographs. Cambridge / London 1988 (= October 42 / 1987), S.  39-48.

Dickhoff 1994

Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994.

Buchloh / Oppitz, in: Dickhoff 1994

Auszug aus einem Interview mit Marcel Broodthaers von Benjamin Buchloh und Michael Oppitz (1973). In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994, S. 111-114.

Cladders, in: Dickhoff 1994 Aus einem Gespräch von Marcel Broodthaers mit Johannes Cladders, Januar 1972. In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994, S. 94-95. Harten / Schmidt, in: Dickhoff 1994

Harten, Jürgen, Schmidt, Katharina: »Auszug aus einem Gespräch mit Marcel Broodthaers.« In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994, S. 97-100.

Vree, in: Dickhoff 1994

Interview von Freddy de Vree mit Marcel Broodthaers, 1969. In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 19461976. Köln 1994, S. 75-82.

Vree, in: Dickhoff 1994 (a)

Interview von Freddy de Vree mit Marcel Broodthaers, 1971. In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 19461976. Köln 1994, S. 89-93.

Interview Trepied 1968, Übersetzung in: Dickhoff 1994

Marcel Broodthaers im Interview, in: Trepied, 2 / 1968, S. 4-5, Übersetzung in: »Interview de Marcel Broodthaers – notre invité au ›Hoef‹ le 30 janvier«. In: Dickhoff, Wilfried (Hg.): Marcel Broodthaers. Interviews und Dialoge 1946-1976. Köln 1994, S. 61-65.

Anhang

Fischer 1987

Fischer, Konrad (Hg.): Broodthaers. Musée d’Art Moderne, Section Financière, Département des Aigles. Düsseldorf 1987.

Geiger / Hennecke 2006

Geiger, Annette, Hennecke, Stefanie (Hg.): Imaginäre Architekturen. Berlin 2006.

König, in: Geiger / Hennecke 2006

König, Susanne: Zwischen Realität und Fiktion. Das ›Musée d’Art Moderne, Département des Aigles‹ von Marcel Broodthaers. In: Geiger, Annette, Hennecke, Stefanie (Hg.): Imaginäre Architekturen. Berlin 2006, S. 164-181.

Haidu 2010

Haidu, Rachel: The Absence of Work. Marcel Broodthaers, 1964-1976 (zugl. phil. Diss. Columbia, USA, o. J.), Cambridge [u. a.] 2010.

Hakkens 1998

Hakkens, Anna (Hg.): Marcel Broodthaers par luimême. Gent 1998.

Harten 2015

Harten, Jürgen: Jürgen Harten über Marcel Broodthaers. Projet pour un traité de toutes les figures en trois parties. Versuch einer Nacherzählung. An Attempt to Retell the Story. Köln 2015.

Hildebrand-Schat 2012

Hildebrand-Schat, Viola: Literarische Aneignung und künstlerische Transformation. Zur Literaturrezeption im Werk von Marcel Broodthaers (zugl. Habil. Frankfurt a. M. 2011), München 2012.

König 2012

König, Susanne: Marcel Broodthaers. Musée d’Art Moderne, Département des Aigles (zugl. Univ. Diss. Hamburg 2008), Berlin 2012.

Mackert 2010

Mackert, Gabriele: À mes amis, … Les Lettres ouvertes (1965-1974) als Beispiel der Poetisierung im Werk Marcel Broodthaers’ (zugl. phil. Diss. Braunschweig 2010), Braunschweig 2010.

Metz 2007

Metz, Petra: Aneignung und Relektüre. Text-BildMetamorphosen im Werk von Marcel Broodthaers. München 2007.

Moure 2012

Moure, Gloria (Hg.): Marcel Broodthaers. Collected Writings. Barcelona 2012.

Schultz 2007

Schultz, Deborah: Marcel Broodthaers. Strategy and Dialogue. Bern [u. a.] 2007.

Zwirner 1997

Zwirner, Dorothea: Marcel Broodthaers. Die Bilder. Die Worte. Die Dinge (zugl. phil. Diss. Köln 1995), Köln 1997.

399

400

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Claes Oldenburg Celant 1999

Celant, Germano: Claes Oldenburg, Coosje van Bruggen. Venedig 1999.

Dickel 1999

Dickel, Hans: Claes Oldenburgs Lipstick (Ascending) on Caterpillar Tracks. Kunst im Kontext der Studentenbewegung. Freiburg i. Br. 1999.

Rose 1970

Rose, Barbara: Claes Oldenburg. The Museum of Modern Art, New York 1970.

Bruggen 1991

Bruggen, Coosje van: Claes Oldenburg. Nur ein anderer Raum. Schriften zur Sammlung des Museums für moderne Kunst. Frankfurt a. M. 1991.

Valentin 2009

Valentin, Éric: Claes Oldenburg – Coosje van Bruggen. Le grotesque contre le scaré. Paris 2009.

Weitere Ades 2015

Ades, Dawn: Writing on Art and Anti-Art. London 2015, S. 347-370.

Adorno 1966

Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik. Frankfurt a. M. 1966.

Adorno 1977

Adorno, Theodor W.: Das Valéry Proust Museum. In: Gesammelte Schriften, Kulturkritik und Gesellschaft: Prismen. Ohne Leitbild, Bd. 10.1, Frankfurt a. M. 1977.

Adorno 2014

Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie (1970). In: ders.: Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann, Bd. 7, Frankfurt a. M. 52014 [1970].

Adriani / Konnertz / T homas Adriani, Götz, Konnertz, Winfried, Thomas, Karin: 1973 Joseph Beuys. Köln 1973. Adriani / Konnertz / T homas Adriani, Götz, Konnertz, Winfried, Thomas, Karin: 1994 Joseph Beuys. Köln 1994. Alberro / Blake 2009

Alberro, Alexander, Stimson, Blake (Hg.): Institutional critique. An anthology of artists’ writings. Cambridge [u. a.] 2009.

Alberro, in: ders. / Blake 2009

Alberro, Alexander: Institutions, critique and institutional critique. In: ders., Stimson, Blake (Hg.): Institutional critique. An anthology of artists’ writings. Cambridge [u. a.] 2009, S. 2-19.

Blake, in: Alberro / ders. 2009

Stimson, Blake: What was institutional critique? In: Alberro, Alexander, ders. (Hg.): Institutional critique. An anthology of artists’ writings. Cambridge [u. a.] 2009, S. 20-42.

Anhang

Allen / A llen / Garrod 1906- Allen, Percy Stafford, Allen, Helen Mary, Garrod, 1955 Heathcote William (Hg.): Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami denvo recognitum et auctum per P.S. Allen et. al., 1906-1955, 12 Bde. Alphen 2014

Alphen, Ernst van: Staging the archive. London 2014.

Altshuler 2013

Altshuler, Bruce (Hg.): Biennals and Beyond – Exhibitions that made Art History.1962 – 2002. London / New York 2013.

Apollinaire 2012

Apollinaire, Guillaume: Les Peintres Cubistes. Meditations Esthétiques. Paris 32012 [1913].

Applin 2012

Applin, Jo: Eccentric objects. Rethinking sculpture in 1960s America. New Haven 2012.

Aristoteles 2008

Aristoteles: Poetik, übers. u. erl. v. Arbogast Schmitt. Berlin 2008.

Asholt / Fähnders 1997

Asholt, Wolfgang, Fähnders, Walter (Hg.): »Die ganze Welt ist eine Manifestation.« Die europäische Avantgarde und ihre Manifeste. Darmstadt 1997.

Berg, in: Asholt / Fähnders 1997

Berg, Hubert van den: Zwischen Totalitarismus und Subversion. Anmerkungen zur politischen Dimension des avantgardistischen Manifests. In: Asholt, Wolfgang, Fähnders, Walter (Hg.): »Die ganze Welt ist eine Manifestation.« Die europäische Avantgarde und ihre Manifeste. Darmstadt 1997, S. 58-80.

Hinz, in: Asholt / Fähnders Hinz, Manfred: Die Manifeste des primo Futuris1997 mo Italiano. In: Asholt, Wolfgang, Fähnders, Walter (Hg.): »Die ganze Welt ist eine Manifestation.« Die europäische Avantgarde und ihre Manifeste. Darmstadt 1997, S. 109-131. Austin 1978

Austin, John: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Stuttgart 21978 [engl. Orig. 1955].

Bachelard 1957

Bachelard, Gaston: Poétiqe de l’espace. Paris 1957.

Bätschmann 1997

Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln 1997.

Bätzner 1995

Bätzner, Nike (Hg.): Arte Povera. Manifeste, Statements, Kritiken. Dresden [u. a.] 1995.

Celant, in: Bätzner 1995

Celant, Germano: Arte povera – IM Raum [ital. 1967]. In: Bätzner, Nike (Hg.): Arte Povera. Manifeste, Statements, Kritiken. Dresden [u. a.] 1995, S. 28-33.

Bätzner 2000

Bätzner, Nike: Arte Povera. Erinnerung und Ereignis: Giulio Paolini, Michelangelo Pistoletto, Jannis Kounellis (zugl. phil. Diss. Berlin 1994), Nürnberg 2000.

Barker 1999

Barker, Emma (Hg.): Contemporary Cultures of Display. New Haven / London 1999.

401

402

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Barthes 1989

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt a. M. 1989 [frz. Orig. 1980].

Barthes 2013

Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Vollst. Ausg. Berlin 22013 [frz. Orig. 1957].

Barthes 1982

Barthes, Roland: Am Nullpunkt der Literatur. Frankfurt a. M. 1982 [frz. Orig. 1953].

Baudrillard 1978

Baudrillard, Jean: Agonie des Realen, Berlin 1978 [frz. Orig. 1978].

Bawin 2014

Bawin, Julie: L’artiste commissaire. Entre posture critique, jeu créatif et valeur ajoutée. Paris 2014.

Beck 1988

Beck, Rainer (Hg.): Kunst im Brennpunkt der Akademien (Festschrift). München 1988.

Walther, in: Beck 1988

Walther, Franz Erhard. In: Beck, Rainer (Hg.): Kunst im Brennpunkt der Akademien (Festschrift). München 1988, S. 249-257.

Becker / Vostell 1965

Becker, Jürgen, Vostell, Wolf: Happening, Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme, Reinbek 1965.

Belting 1998

Belting, Hans: Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst. München 1998.

Belting 2008

Belting, Hans: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks. München 2008.

Benjamin 1977

Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt a. M. 31977 [1936].

Berger / Luckmann 1969

Berger, Peter L., Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt a. M. 21969.

Bergius 2000

Bergius, Hanne: Montage und Metamechanik. Dada Berlin – Artistik von Polaritäten. Berlin 2000.

Bering / Fleck 2016

Bering, Kunibert, Fleck, Robert (Hg.): Der »iconic turn« und seine Folgen. Bildbegriff, zeitgenössische und ältere Kunst. Oberhausen 2016.

Beßler 2014

Beßler, Gabriele: Wunderkammern. Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart, 2. erw. Aufl. Berlin 2014.

Beyme 2005

Beyme, Klaus von: Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905-1955. München 2005.

Beyme 2012

Beyme, Klaus von: Kulturpolitik in Deutschland. Von der Staatsförderung zur Kreativwirtschaft. Wiesbaden 2012.

Anhang

Bilstein 2011

Bilstein, Johannes (Hg.): Rituale der Kunst (Moyländer Diskurse zu Kunst und Wissenschaft, 3). Oberhausen 2011.

Bätschmann, in: Bilstein 2011

Bätschmann, Oskar: Rituale im Kunstsystem. In: Bilstein, Johannes (Hg.): Rituale der Kunst (Moyländer Diskurse zu Kunst und Wissenschaft, 3). Oberhausen 2011, S. 9-18.

Bippus 2003

Bippus, Elke: Serielle Verfahren. Pop Art, Minimal Art, Conceptual Art und Postminimalism. Berlin 2003.

Bippus 2009

Bippus, Elke (Hg.): Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens. Zürich [u. a.] 2009.

Bishop 2005

Bishop, Claire: Installation Art. A critical History. London 2005.

Bismarck 2010

Bismarck, Beatrice von: Auftritt als Künstler. Funktionen eines Mythos. Köln 2010.

Bismarck / Schafaff / Weski 2012

Bismarck, Beatrice von, Schafaff, Jörn, Weski, Thomas (Hg.): Cultures of the curatorial. Berlin 2012.

Biundo [u. a.] 1994

Biundo, Christina [u. a.] (Hg.): Bauhaus-Ideen 19191994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens. Berlin 1994.

Eckstein, in: Biundo [u. a.] 1994

Eckstein, Kerstin: Inszenierung einer Utopie. Zur Selbstdarstellung des Bauhauses in den zwanziger Jahren. In: Biundo, Christina [u. a.] (Hg.): BauhausIdeen 1919-1994. Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens. Berlin 1994, S. 15-29.

Blankertz 2016

Blankertz, Stefan: Die Geburt der Gestalttherapie aus dem Geiste der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Norderstedt 2016.

Blänkner / Jussen 1998

Blänkner, Reinhard, Jussen, Bernhard (Hg.): Institutionen und Ereignis. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlichen Ordnens. Göttingen 1998.

Lüdtke, in: Blänkner / Jussen 1998

Lüdtke, Alf: Die Fiktion der Institution. Herrschaftspraxis und Holocaust im 20. Jahrhundert. In: Blänkner, Reinhard, Jussen, Bernhard (Hg.): Institutionen und Ereignis. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlichen Ordnens. Göttingen 1998, S. 355-380.

Blotkamp 1979

Blotkamp, Carel [u. a.] (Hg.): Museum in Motion? The modern art Museum at issue. Het museum voor moderne kunst ter discussie. Museum in Beweging? Den Haag 1979.

403

404

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Blume 2007

Blume, Friedrich (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 17 Bde., Kassel 2007.

Geck, in: Blume 2007

Geck, Martin: Wagners Idee des Gesamtkunstwerks. In: Blume, Friedrich (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Bd. 17, Kassel 2007, Spalte 333-336.

Bochner / Montier 2012

Bochner, Jay, Montier, Jean-Pierre (Hg.): Carrefour Stieglitz. Colloque de Cerisy-la-Salle. Rennes 2012.

Böhme / Scherpe 1996

Böhme, Hartmut, Scherpe, Klaus R. (Hg.): Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek 1996.

Assmann, in: Böhme / Scherpe 1996

Assmann, Aleida: Texte, Spuren, Abfall. Die wechselnden Medien des kulturellen Gedächtnisses. In: Böhme, Hartmut, Scherpe, Klaus R. (Hg.): Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek 1996, S. 96-111.

Boltanski 1975

Boltanski, Christian: Souvenirs de Jeunesse. Genf 1975.

Böth / Hartmann / Pröstler 2013

Böth, Gitta, Hartmann, Manfred, Pröstler, Viktor: Kopf bedeckungen. Eine Typologie für Museen und Sammlungen. Berlin / München 2013.

Borgards 2016

Borgards, Roland (Hg.): Tiere: Kulturwissenschaftliches Handbuch. Stuttgart 2016.

Borso / K ann 2004

Borso, Vittoria, Kann, Christoph (Hg.): Geschichtendarstellungen. Medien – Methoden – Strategien. Köln / Weimar / Wien 2004.

Kirchner, in: Borso / K ann 2004

Kirchner, Thomas: Authentizität und Fiktion: Zur Inszenierung von Geschichte und Zeitgeschehen in der Kunst der Neuzeit. In: Borso, Vittoria, Kann, Christoph (Hg.): Geschichtendarstellungen. Medien – Methoden – Strategien. Köln / Weimar / Wien 2004, S. 215-225.

Bosse / Glasmeier / Prus 2004

Bosse, Dagmar, Glasmeier, Michael, Prus, Agnes (Hg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie. Köln 2004.

Bosse, in: dies. / Glasmeier / Prus 2004

Bosse, Dagmar: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog. In: dies., Glasmeier, Michael, Prus, Agnes (Hg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie. Köln 2004, S. 33-56.

Bourdieu 1989

Bourdieu, Pierre: Un art moyen. Essai sur les usages sociaux de la photographie. Paris 21989 [1965].

Anhang

Bredekamp 1993

Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin 1993.

Bredekamp 2010

Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesung 2007. Frankfurt a. M. 2010.

Bredekamp / Lauschke /  Arteaga 2012

Bredekamp, Horst, Lauschke, Marion, Arteaga, Alex (Hg.): Bodies in action and symbolic forms. Zwei Seiten der Verkörperungstheorie. Berlin 2012.

Meuter, in: Bredekamp /  Lauschke / A rteaga 2012

Meuter, Norbert: Ästhetische Autonomie. Einige Gedanken über Kunst und Moral. In: Bredekamp, Horst, Lauschke, Marion, Arteaga, Alex (Hg.): Bodies in action and symbolic forms. Zwei Seiten der Verkörperungstheorie. Berlin 2012, S. 219-236.

Brender [u. a.] 2006

Brender, Edwige [u. a.] (Hg.): À la croisée des langages. Texte et arts dans les pays de langue allemande. Paris 2006.

Wolfsteiner, in: Brender [u. a.] 2006

Wolfsteiner, Andreas: Schriftfilm und methodischer Inventionismus – Das erweiterte Kino am Beispiel des ersten computergenerierten Films in Europa: dem Schriftfilm random (1963) von Marc Adrian. In: Brender, Edwige [u. a.] (Hg.): À la croisée des langages. Texte et arts dans les pays de langue allemande. Paris 2006, S. 199-208.

Brock 1977

Brock, Bazon: Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. Köln 1977.

Buren 1970

Buren, Daniel: Limites Critiques. Paris 1970.

Buren 1991

Buren, Daniel: Les Écrits. 1965-1990. Bordeaux 1991.

Bürger 1974

Bürger, Peter: Theorie der Avantgarde. Frankfurt a. M. 1974.

Bürger 1998

Bürger, Peter: Das Verschwinden des Subjekts. Eine Geschichte der Subjektivität von Montaigne bis Barthes. Frankfurt a. M. 1998.

Busch / Hellige / K lanten 2013

Busch, Dennis, Hellige, Hendrik, Klanten, Robert (Hg.): The Age of Collage. Contemporary Collage in Modern Art. Berlin 2013.

Krohn, in: Busch / Hellige / K lanten 2013

Krohn, Silke: The Age of Collage. Contemporary Collage in Modern Art. A Foreword. In: Busch, Dennis, Hellige, Hendrik, Klanten, Robert (Hg.): The Age of Collage. Contemporary Collage in Modern Art. Berlin 2013, S. 3-9.

Caduff / Wälchli 2008

Caduff, Corina, Wälchli, Tan (Hg.): Autorschaft in den Künsten. Konzepte – Praktiken – Medien (Zürcher Jahrbuch der Künste; 4 / 2007). Zürich 2008.

405

406

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Schiesser, in: Caduff / Wälchli 2008

Schiesser, Giaco: Autorschaft nach dem Tod des Autors. In: Caduff, Corina, Wälchli, Tan (Hg.): Autorschaft in den Künsten. Konzepte – Praktiken – Medien (Zürcher Jahrbuch der Künste; 4 / 2007). Zürich 2008, S. 20-33.

Bippus, in: Caduff / Wälchli Bippus, Elke: Autorschaft in Künstlerischer und 2008 wissenschaftlicher Forschung. In: Caduff, Corina, Wälchli, Tan (Hg.): Autorschaft in den Künsten. Konzepte – Praktiken – Medien (Zürcher Jahrbuch der Künste; 4 / 2007). Zürich 2008, S. 34-45. Calvino 1995

Calvino, Italo: Le città invisibili. Mailand 1995 [1972].

Camfield 1989

Camfield, William A.: Marcel Duchamp. Fountain. Houston 1989.

Camillo 2001

Camillo, Giulio: Le Théâtre de la mémoire. Traduit de l’italien par Eva Cantavenera et Bertrand Schefer. Paris 2001.

Certeau 1980

Certeau, Michel: L’invention du quotidien. Arts de faire. Paris 1980.

Chalumeau 2003

Chalumeau, Jean-Luc: La nouvelle figuration. Une histoire de 1953 à nos jours. Figuration narrative, jeune peinture, figuration critique. Paris 2003.

Clair 2012

Clair, Jean: Le temps des avant-gardes. Chroniques d’art 1968-1978. Paris 2012.

Préface, in: Clair 2012

Clair, Jean: Préface. In: ders.: Le temps des avant-gardes. Chroniques d’art 1968-1978. Paris 2012, S. 11-24.

Crimp 1983

Crimp, Douglas: On the Museum’s Ruins. Cambridge 1983.

Crimp, in: ders. 1983

Crimp, Douglas: This is not a Museum of Art. In: ders.: On the Museum’s Ruins. Cambridge 1983, S. 200-234.

Dahlmanns 2008

Dahlmanns, Claus: Die Geschichte des modernen Subjekts. Michel Foucault und Norbert Elias im Vergleich. Münster 2008.

Dagen 2004

Dagen, Philippe: Hélion. Paris 2004.

Daus 1977

Daus, Ronald: Das Theater des Absurden in Frankreich. Stuttgart 1977.

Debord 1996

Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin 1996 [frz. Orig. 1967].

Delacroix 1998

Delacroix, Eugène: Journal 1822-1863. Préface de Hubert Damisch. Paris 1998.

Anhang

Derrida 1976

Derrida, Jacques: »Das Theater der Grausamkeit und die Geschlossenheit der Repräsentation«. In: Die Schrift und die Differenz, übersetzt v. Rodolphe Gasché. Frankfurt a. M. 1976, S. 351-379.

Derrida 2004

Derrida, Jacques: Die différance. Ausgewählte Texte. Stuttgart 2004 [frz. Orig. 1972].

Derrida, in: ders. 2004

Derrida, Jacques: Die différance. In: ders.: Die différance. Ausgewählte Texte. Stuttgart 2004 [frz. Orig. 1972], S. 110-149.

Derrida, in: ders. 2004 (a)

Derrida, Jacques: Das Ende des Buches und der Anfang der Schrift. In: ders.: Die différance. Ausgewählte Texte. Stuttgart 2004 [frz. Orig. 1972], S. 31-67.

Deutscher Museumsbund 2006

Deutscher Museumsbund (Hg.): Standards für Museen. Berlin 2006.

Didi-Huberman 1999

Didi-Huberman, Georges: Die Ordnung des Materials. In: Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 3. Berlin 1999.

Diederichsen 2008

Diederichsen, Diederich: On (surplus) value in art. Rotterdam 2008.

Drühl 2006

Drühl, Sven: Der uniformierte Künstler. Aspekte von Uniformität im Kunstkontext (zugl. phil. Diss. Frankfurt 2005 / 06), Bielefeld 2006.

Dumontier 1995

Dumontier, Pascal: Les Situationnistes et Mai 1968. Theorie et Pratique de la Revolution (1966-1972). Paris 1995.

Durkheim 1966

Durkheim, Émile: Regeln der soziologischen Methode. Neuwied 1966 [frz. Orig. 1895].

Duve 2008

Duve, Thierry de: Faire école (ou la refaire)? Nouvelle édition revue et augmentée. Genf 2008.

Eco 1977

Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk. Frankfurt a. M. 1977 [ital. Orig. 1962].

Echterhölter / Därmann 2013

Echterhölter, Anna, Därmann, Iris (Hg.): Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Zürich / Berlin 2013.

Echterhölter / Därmann, in: Echterhölter, Anna, Iris Därmann: Gebrauchsweidies. 2013 sen des Raums. Eine Einführung. In: dies. (Hg.): Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Zürich / Berlin 2013, S.  7-30. Marchart, in: Echterhölter / Därmann 2013

Marchart, Oliver: Auf der Bühne des Politischen. Die Straße, das Theater und die politische Ästhetik des Erhabenen. In: Echterhölter, Anna, Därmann, Iris (Hg.): Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Zürich / Berlin 2013, S. 45-61.

407

408

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Wagner, in: Echterhölter / Därmann 2013

Wagner, Kirsten: Gehraum, Sehraum, Tastraum. Zur Formation des anthropologischen Raums auf physiologischem Feld. In: Echterhölter, Anna, Därmann, Iris (Hg.): Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Zürich / Berlin 2013, S. 219-238.

Eigenheer 2007

Eigenheer, Marianne (Hg.): Curating Critique. Frankfurt a. M. 2007.

Richter, in: Eigenheer 2007

Richter, Dorothee: Ausstellungen als kulturelle Praktiken des Zeigens – die Pädagogiken. In: Eigenheer, Marianne (Hg.): Curating Critique. Frankfurt a. M. 2007, S. 192-201.

Eikels 2013

Eikels, Kai van: Die Kunst des Kollektiven. Performance zwischen Theater, Politik und Sozio-Ökonomie. München 2013.

Elger 1999

Elger, Dietmar: Der Merzbau von Kurt Schwitters: eine Werkmonographie. Köln 1999.

Enzensberger 2004

Enzensberger, Ulrich: Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969. Köln 2004.

Ernst 2009

Ernst, Ulrich: Manier als Experiment in der europäischen Literatur. Aleatorik und Sprachmagie. Tektonismus und Ikonozität. Zugriffe auf innovative Potentiale in Lyrik und Roman. Heidelberg 2009.

Faulstich 2004

Faulstich, Werner (Hg.): Die Kultur der Siebziger Jahre. München 2004.

Faulstich, in: ders. 2004

Faulstich, Werner: Gesellschaft und Kultur der Siebziger Jahre: Einführung und Überblick. In: ders. (Hg.): Die Kultur der Siebziger Jahre. München 2004, S. 7-18.

Faure 1953

Faure, Élie: Fonction du cinéma, de la cinéplastique à son destin social (1921-1937). Préface de Charles Chaplin. Paris 1953.

Faust 1977

Faust, Wolfgang Max: Bilder werden Worte. Zum Verhältnis von bildender Kunst und Literatur im 20. Jahrhundert oder Vom Anfang der Kunst im Ende der Künste (zugl. phil. Diss. Berlin 1975), München / Wien 1977.

Fehr / Grohé 1989

Fehr, Michael, Grohé, Stefan (Hg.): Geschichte – Bild – Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum. Köln 1989.

Fehr, in: ders. / Grohé 1989 Fehr, Michael: Vorwort. In: ders., Grohé, Stefan (Hg.): Geschichte – Bild – Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum. Köln 1989, o. S.

Anhang

Fiedler / Feierabend 1999

Fiedler, Jeannine, Feierabend, Peter: Bauhaus. Köln 1999.

Finger / Follett 2011

Finger, Anke, Follett, Danielle (Hg.): The Aesthetics of the Total Artwork. Baltimore 2011.

Sorg, in: Finger / Follett 2011

Sorg, Reto: The Drawing as Total Artwork? Image Totality in Carl Einstein and Paul Klee. In: Finger, Anke, Follett, Danielle (Hg.): The Aesthetics of the Total Artwork. Baltimore 2011, S. 227-252.

Fischer 1993

Fischer, Dorothee (Hg.): Ausstellungen bei Konrad Fischer. Düsseldorf Oktober 1967 bis Oktober 1992. Bielefeld 1993.

Andre, in: Fischer 1993

Andre, Carl: Footnote to a 25 year old Gallery. In: Fischer, Dorothee (Hg.): Ausstellungen bei Konrad Fischer. Düsseldorf Oktober 1967 bis Oktober 1992. Bielefeld 1993, o. S.

Fischer-Lichte 2004

Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen. Frankfurt a. M. 2004.

Flahutez 2007

Flahutez, Fabrice: Nouveau monde et nouveau mythe. Mutations du surrélisme, de l’exil américain à l’»Écart« absolu (1941-1965). Dijon 2007.

Foucault 1974

Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a. M. 1974 [frz. Orig. 1966].

Franzen / Schultz 2011

Franzen, Brigitte, Schultz, Anna Sophia (Hg.): Closer than fiction. Amerikanische Bildwelten um 1970. Publikation anlässlich der Ausstellung »HyperReal: Kunst und Amerika um 1970«, Aachen, Ludwig Forum Aachen, 2011. Köln 2011.

Franzen / Schultz, in: dies. 2011

Franzen, Brigitte, Schultz, Anna Sophia: Closer than Fiction. Rundgang durch die Ausstellung Hyper Real. In: dies. (Hg.): Closer than fiction. Amerikanische Bildwelten um 1970. Publikation anlässlich der Ausstellung »HyperReal: Kunst und Amerika um 1970«, Aachen, Ludwig Forum Aachen, 2011. Köln 2011, S. 12-31.

Gadamer 1960

Gadamer, Hans Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen 1960.

Galard / Zugazagoitia 2003 Galard, Jean, Zugazagoitia, Julian (Hg.): L’œuvre d’Art Totale. Paris 2003. Galard, in: ders. / Zugazagoitia 2003

Galard, Jean: L’art sans œuvre. In: ders., Zugazagoitia, Julian (Hg.): L’œuvre d’Art Totale. Paris 2003.

409

410

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Gebauer / Wulf 1998

Gebauer, Gunter, Christoph Wulf: Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft. Reinbek 21998.

Gehlen, in: ders. 1961

Gehlen, Arnold: Mensch und Institutionen (1960). In: ders.: Anthropologische Forschung. Reinbek 1961.

Geldmacher 2015

Geldmacher, Pamela: Re-Writing Avantgarde. Fortschritt, Utopie, Kollektiv und Partizipation in der Performance-Kunst (zugl. phil. Diss. Düsseldorf 2015), Bielefeld 2015.

Gelshorn 2004

Gelshorn, Julia (Hg.): Legitimationen. Künstlerinnen und Künstler als Autoritäten der Gegenwartskunst. Akten zur internationalen Tagung »Kunstgeschichte der Gegenwart schreiben.« Der Vereinigung der Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker der Schweiz, 11.-12.10.2002, Winterthur. Bern [u. a.] 2004.

Gelshorn, in: dies. 2004

Gelshorn, Julia: Autorschaft und Autorität – Schreibt Kunst Geschichte? In: dies. (Hg.): Legitimationen. Künstlerinnen und Künstler als Autoritäten der Gegenwartskunst. Akten zur internationalen Tagung »Kunstgeschichte der Gegenwart schreiben.« Der Vereinigung der Kunsthistorikerinnen und kusthistoriker der Schweiz, 11.-12.10.2002, Winterthur. Bern [u. a.] 2004, S. 9-18.

Genette 1994

Genette, Gérard: Die Erzählung. München 1994.

Gilcher-Holtey 1995

Gilcher-Holtey, Ingrid: Die »Phantasie an die Macht«. Mai 68 in Frankreich. Frankfurt a. M. 1995.

Gilcher-Holtey 2005

Gilcher-Holtey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA. München 32005.

Glaser 1989

Glaser, Hermann: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Protest und Anpassung 1968-1989, Bd. 3. München / Wien 1989.

Glasmeier 2005

Glasmeier, Michael (Hg.): 50 Jahre documenta 19552005. Göttingen 2005, Bd. II: archive in motion: Documenta-Handbuch.

Jacques 2001

Jacques, Annie (Hg.): Les Beaux-Arts, de l’Académie aux Quat’z’arts. Anthologie historique et littéraire établie par Annie Jacques. Paris 2001.

Lange, in: Glasmeier 2005 Lange, Christoph: Vom Geist der documenta. Kunst-Philosophische Überlegungen. In: Glasmeier, Michael (Hg.): 50 Jahre documenta 1955-2005. Göttingen 2005, Bd. II: archive in motion: DocumentaHandbuch, S. 14-25. Godfrey 1998

Godfrey, Tony: Conceptual Art. London 1998.

Anhang

Goldberg 1990

Goldberg, Roselee: Performance Art. From Futurism to the Present. New York 1990.

Gombrich 1978

Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der Bildlichen Darstellung. Stuttgart / Zürich 1978.

Goodman 1984

Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt a. M. 1984 [engl. Orig. 1978].

Goodman 1998

Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie. Frankfurt a. M. 21998 [engl. Orig. 1968].

Goodyear / McManus 2014

Goodyear, Anne Collins, McManus, James W. (Hg.): Aka Marcel Duchamp. Meditations on the Identities of an Artist. Washington 2014.

Gracq 2003

Gracq, Julien: 42 rue Fontaine, l’atelier d’André Breton. Paris 2003.

Grandville 1969

Gérard, Jean Ignace Isidore: Grandville. Das Gesamte Werk, 2 Bde., München 1969.

Grasskamp 1981

Grasskamp, Walter: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums. München 1981.

Grasskamp 1995

Grasskamp, Walter: Der lange Marsch durch die Illusionen. München 1995.

Grasskamp, in: ders. 1995

Grasskamp, Walter: »Deutschland in Ordnung bringen.« Der Schauprozeß gegen Jörg Immendorff. In: ders.: Der lange Marsch durch die Illusionen. München 1995, S. 118-130.

Grasskamp 1998

Grasskamp, Walter: Kunst und Geld. Szenen einer Mischehe. München 1998.

Greenberg 1997

Greenberg, Clement: Avantgarde und Kitsch (1939). In: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken. Leipzig 1997.

Groblewski / Bätschmann 1993

Groblewski, Michael, Bätschmann, Oskar (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993.

Bätschmann, in: Groblewski / ders. 1993

Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler. Zu einer Geschichte des modernen Künstlers. In: Groblewski, Michael, ders. (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993, S. 1-35.

411

412

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Bleyl, in: Groblewski / Bätschmann 1993

Bleyl, Matthias: Zum Begriff der Ästhetik im Werk von Joseph Beuys. In: Groblewski, Michael, Bätschmann, Oskar (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993, S. 141-148.

Graevenitz, in: Groblewski / Bätschmann 1993

Graevenitz, Antje von: Warhols Tausch der Identitäten. In: Groblewski, Michael, Bätschmann, Oskar (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993, S. 69-91.

Groblewski, in: ders. / Bätschmann 1993

Groblewski, Michael: Eine Art Ikonographie im Bilde. Joseph Beuys – von der Kunstfigur zur Kultfigur. In: ders., Bätschmann, Oskar (Hg.): Kultfigur und Mythenbildung. Das Bild vom Künstler und sein Werk in der zeitgenössischen Kunst. Berlin 1993, S. 37-68.

Gronert 2009

Gronert, Stefan: Die Düsseldorfer Photoschule. Photographien 1961-2008. München 2009.

Groys 2003

Groys, Boris: Topologie der Kunst. München / Wien 2003.

Grumpelt-Maaß 2001

Grumpelt-Maaß, Yvonne: Kunst zwischen Utopie und Ideologie. Die russische Avantgarde 1900-1935 (zugl. phil. Diss. Mainz 1998), St. Augustin 2001.

Hajek 1986

Hajek, Otto Herbert (Hg.): Kolloquium: Werden die Akademien in unserer Zeit verdrängt? Die Fähigkeit der Akademien, kulturelles Bewusstsein für unsere Gesellschaft zu entwickeln. Wird künstlerische Kreativität als Kompensation zu den Zwängen der Arbeitswelt betrachtet? Karlsruhe 1986.

Hanak-Lettner 2011

Hanak-Lettner, Werner: Die Ausstellung als Drama. Wie das Museum aus dem Theater entstand (zugl. phil. Diss. Wien 2008), Bielefeld 2011.

Hantelmann 2007

Hantelmann, Dorothea von: How to do things with art. Zur Bedeutsamkeit der Performativität von Kunst. Zürich [u. a.] 2007.

Harrison / Wood 2003, Bd.  I Harrison, Charles, Wood, Paul (Hg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews, Bd. I: 1895-1941. Ostfildern 2003. Harrison / Wood 2003, Bd. II

Harrison, Charles, Wood, Paul (Hg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews, Bd. II: 1940-1991. Ostfildern 2003.

Anhang

McLuhan, in: Harrison / Wood 2003, Bd. II

McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle. In: Harrison, Charles, Wood, Paul (Hg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews, Bd. II: 1940-1991. Ostfildern 2003, S. 909-912.

Hartmann / Höher /  Cantauw 2011

Hartmann, Andreas, Höher, Peter, Cantauw, Christiane (Hg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Münster [u. a.] 2011.

Korff, in: Hartmann /  Höher / Cantauw 2011

Korff, Gottfried: Dimensionen der Dingbetrachtung. Versuch einer museumskundlichen Sichtung. In: Hartmann, Andreas, Höher, Peter, Cantauw, Christiane (Hg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Münster [u. a.] 2011, S. 11-26.

Hartung 2010

Hartung, Olaf: Kleine deutsche Museumsgeschichte. Von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert. Köln / Weimar 2010.

Hascher 2011

Hascher, Xavier (Hg.): Du droit à l’art. Paris 2011.

Pencenat, in: Hascher 2011 Pencenat, Corine: L’auteur en question dans les pratiques artistiques contemporaines. In: Hascher, Xavier (Hg.): Du droit à l’art. Paris 2011, S. 27-54. Heesen / Padberg 2011

Heesen, Anke te, Padberg, Susanne (Hg.): Musée Sentimental 1979, Ein Ausstellungskonzept. Ostfildern 2011.

Hellmold [u. a.] 2003

Hellmold, Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003.

Krieger, in: Hellmold [u. a.] Krieger, Verena: Sieben Arten, an der Überwindung 2003 des Künstlersubjekts zu scheitern. Kritische Anmerkungen zum Mythos vom verschwundenen Autor. In: Hellmold, Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003, 117-148. Schmidt-Burkhardt, in: Hellmold [u. a.] 2003

Schmidt-Burkhardt, Astrit: Zur Metaphysik der Eigennamen. Zum künstlerischen Identitätstransfer mittels Pseudonymen. In: Hellmold, Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003, S. 89-116.

Werber, in: Hellmold [u. a.] Werber, Niels: Kunst ohne Künstler. Paradoxien der 2003 Kunst der Moderne. In: Hellmold, Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003, S. 149-162.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Ullrich, in: Hellmold [u. a.] Ullrich, Wolfgang: Kunst als Arbeit? In: Hellmold, 2003 Martin [u. a.] (Hg.): Was ist ein Künstler? Das Subjekt der modernen Kunst. München 2003, S. 163-176. Herding 2008

Herding, Klaus: 1968. Kunst, Kunstgeschichte, Politik. Frankfurt a. M. 2008.

Horkheimer / Adorno 1969 Horkheimer, Max, Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a. M. 1969. Huber / Locher / Schulte 2002

Huber, Hans Dieter, Locher, Hubert, Schulte, Karin (Hg.): Kunst des Ausstellens. Beiträge, Statements, Diskussionen. Ostfildern 2002.

Mai, in: Huber / Locher / Schulte 2002

Mai, Ekkehard: Ausgestellt – Funktionen von Museum und Ausstellung im Vergleich. In: Huber, Hans Dieter, Locher, Hubert, Schulte, Karin (Hg.): Kunst des Ausstellens. Beiträge, Statements, Diskussionen. Ostfildern 2002, S. 59-70.

Jannidis [u. a.] 2007

Jannidis, Fotis [u. a.] (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2007.

Barthes, in: Jannidis [u. a.] 2007

Barthes, Roland: Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis [u. a.] (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2007, S. 185-197.

Foucault, in: Jannidis [u. a.] Foucault, Michel: Was ist ein Autor? In: Jannidis, 2007 Fotis [u. a.] (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2007, S. 198-229. Zymner, in: Jannidis [u. a.] Zymner, Rüdiger: Uneigentliche Bedeutung. In: 2003 Jannidis, Fotis [u. a.] (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2007, S. 128-168. John / R ichter / Schade 2008 John, Jennifer, Richter, Dorothee, Schade, Sigrid (Hg.): Re-Visionen des Displays. Ausstellungsszenarien, ihre Lektüren und ihr Publikum. Zürich 2008. Jones 1994

Jones, Amelia: Postmodernism and the En-Gendering of Marcel Duchamp. Cambridge 1994.

Jouffroy 1975

Jouffroy, Alain: De l’individualisme révolutionnaire. Paris 1975.

Kahnweiler 1958

Kahnweiler, Daniel-Henry: Der Weg zum Kubismus. Stuttgart 1958.

Kant 2009

Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft, hg. v. Heiner F. Klemme. Hamburg 2009.

Kaprow, in: ders. 1966

Kaprow, Allan: Untitled guidelines for happenings (1965). In: ders.: Assemblage, Environments and Happenings. New York 1966, S. 188-189.

Anhang

Kemp 1992

Kemp, Wolfgang (Hg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik. Berlin / Hamburg 1992.

Kirchner 2001

Kirchner, Thomas: Der epische Held. Historienmalerei und Kunstpolitik im Frankreich des 17. Jahrhunderts (zugl. Habil. Berlin 1996), München 2001.

Klüser / Hegewisch 1991

Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991.

Adkins, in: Klüser / Hegewisch 1991

Adkins, Helen: »Erste Internationale Dada-Messe«, Berlin 1920. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S. 70-75.

Eltz, in: Klüser / Hegewisch Eltz, Johanna zu: Der Futurismus stellt sich aus: 1991 Wanderausstellung der Futuristen, 1912. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S.  32-39. Harten, in: Klüser / Hegewisch 1991

Harten, Jürgen: »Der Adler vom Oligozän bis heute«, Düsseldorf 1972. Musée d’Art Moderne, Département des Aigles: Section des Figures. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S.  220-229.

Herzogenrath, in: Klüser / Hegewisch 1991

Herzogenrath, Wulf: Internationale Ausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler zu Cöln 1912. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S. 40-47.

Hoet, in: Klüser / Hegewisch 1991

Hoet, Jan: Chambres d’Amis, Gent 1986. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S.  238-245.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Nobis, in: Klüser / Hegewisch 1991

Nobis, Beatrix: Der »Raum der Abstrakten« für das Provinzialmuseum Hannover 1927 / 28. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S.  76-83.

Schneede, in: Klüser / Hegewisch 1991

Schneede, Uwe M.: Exposition Internationale du Surréalisme, Paris 1938. In: Klüser, Bernd, Hegewisch, Katharina (Hg.): Die Kunst der Ausstellung. Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts. Frankfurt a. M. / Leipzig 1991, S. 94-101.

Koch 1967

Koch, Georg Friedrich: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Berlin 1967.

Köhler / Saner 1985

Köhler, Lotte, Saner, Hans (Hg.): Hannah Arendt – Karl Jaspers. Briefwechsel 1926-1969. München 1985.

Körner [u. a.] 1990

Körner, Hans [u. a.] (Hg.): Die Trauben des Zeuxis. Formen künstlerischer Wirklichkeitsaneignung. Hildesheim [u. a.] 1990.

Peres, in: Körner [u. a.] 1990

Peres, Constanze: Nachahmung der Natur. Herkunft und Implikation eines Topos. In: Körner, Hans [u. a.] (Hg.): Die Trauben des Zeuxis. Formen künstlerischer Wirklichkeitsaneignung. Hildesheim [u. a.] 1990, S. 1-40, S. 18-25.

Körte / Reulecke 2014

Körte, Mona, Reulecke, Anne-Kathrin (Hg.): Mythen des Alltags – Mythologies. Roland Barthes’ Klassiker der Kulturwissenschaften. Berlin 2014.

Vöhringer, in: Körte / Reulecke 2014

Vöhringer, Margarete: Barthes über Plastik oder das Nachleben eines Kunststoffs. In: Körte, Mona, Reulecke, Anne-Kathrin (Hg.): Mythen des Alltags – Mythologies. Roland Barthes‹ Klassiker der Kulturwissenschaften. Berlin 2014, S. 193-203.

Kramer 1991

Kramer, Mario: Joseph Beuys. »Das Kapital Raum 1970-1977«. Heidelberg 1991.

Krämer / CacikKirschbaum / Totzke 2012

Krämer, Sybille, Cacik-Kirschbaum, Eva, Totzke, Rainer (Hg.): Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin 2012.

Anhang

Assmann, in: Krämer / CacikKirschbaum / Totzke 2012

Assmann, Aleida: Lesen als Kippfigur. Buchstaben zwischen Transparenz und Bildlichkeit. In: Krämer, Sybille, Cacik-Kirschbaum, Eva, Totzke, Rainer (Hg.): Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin 2012, S. 235244.

KratzKessemeier / Meyer / Savoy 2010

Kratz-Kessemeier, Kristina, Meyer, Andrea, Savoy, Bénédicte (Hg.): Museumsgeschichte. Kommentierte Quellentexte 1750-1950. Berlin 2010.

Krause / Niehr 2007

Krause, Katharina, Niehr, Klaus (Hg.): Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. München / Berlin 2007.

Locher, in: Krause / Niehr 2007

Locher, Hubert: »Musée imaginaire« und historische Narration. Zur Differenzierung visueller und verbaler Darstellung von Geschichte. In: Krause, Katharina, Niehr, Klaus (Hg.): Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. München / Berlin 2007, S.  53-75.

Kraushaar 1998

Kraushaar, Wolfgang: 1968. Das Jahr, das alles verändert hat. München 1998.

Krauss 2012

Krauss, Sebastian W. D.: Die Genese der autonomen Kunst. Eine historische Soziologie der Ausdifferenzierung des Kunstsystems. Bielefeld 2012.

Kravagna 2001

Kravagna, Christian (Hg.): Das Museum als Arena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen. Köln 2001.

Kravagna, in: ders. 2001

Kravagna, Christian: Einleitung. In: ders. (Hg.): Das Museum als Arena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen. Köln 2001, S. 7-9.

Krieger / Mader 2010

Krieger, Verena, Mader, Rachel (Hg.): Ambiguität in der Kunst. Typen und Funktionen eines ästhetischen Paradigmas. Köln [u. a.] 2010.

Borchhardt-Birbaumer, in: Borchhardt-Birbaumer, Brigitte: Schamanismus oder Krieger / Mader 2010 postmodernes Verfahren? Zur Funktion der Unbestimmtheit bei Beuys. In: Krieger, Verena, Rachel Mader (Hg.): Ambiguität in der Kunst. Typen und Funktionen eines ästhetischen Paradigmas. Köln [u. a.] 2010, S. 169-188. Prange, in: Krieger / Mader Prange, Regine: Sinnoffenheit und Sinnverneinung 2010 als metapicturale Prinzipien. Zur Historizität bildlicher Selbstreferenz am Beispiel der Rückenfigur. In: Krieger, Verena, Rachel Mader (Hg.): Ambiguität in der Kunst. Typen und Funktionen eines ästhetischen Paradigmas. Köln [u. a.] 2010, S. 125-168.

417

418

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Kultermann 1972

Kultermann, Udo: Realismen, Tübingen 1972.

Kunstakademie Düsseldorf Die Geschichte der Kunstakademie Düsseldorf seit 2014 1945, hg. v. der Kunstakademie Düsseldorf. Berlin 2014. Gohr, in: Kunstakademie Düsseldorf 2014

Gohr, Siegfried: Die Künste von 1960 bis 1985. In: Die Geschichte der Kunstakademie Düsseldorf seit 1945, hg. v. der Kunstakademie Düsseldorf. Berlin 2014, S. 178-187.

Stüttgen, Johannes: Anmerkungen zu Joseph Beuys Stüttgen, in: Kunstakademie Düsseldorf als Lehrer der Kunstakademie Düsseldorf und die Beuys-Klasse 1961-1972. In: Die Geschichte der 2014 Kunstakademie Düsseldorf seit 1945, hg. v. der Kunstakademie Düsseldorf. Berlin 2014, S. 108-112. Kurz 2014

Kurz, Katharina: Der Kunsthändler als Intermediär. Eine institutionenökonomische Analyse von Markt und Marktteilnehmern (zugl. oec. Diss. OestrichWinkel 2014), Frankfurt a. M. 2014.

Kwon 2002

Kwon, Miwon: One Place after another. Site-specific Art and locational Identity. Cambridge 2002.

Lacan 1987

Lacan, Jacques: Das Seminar. Buch 11 [frz. 1964]. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Textherstellung von Jacques-Alain Miller, übers. v. Norbert Haas. Berlin / Weinheim 31987, in: Das Werk von Jacques Lacan in dt. Sprache, hrsg. v. Norbert Haas, HansJoachim Metzger. Berlin / Weinheim 1987.

Lange 1999

Lange, Barbara: Joseph Beuys. Richtkräfte einer neuen Gesellschaft. Der Mythos vom Künstler als Gesellschaftsreformer. Berlin 1999.

Langer 2005

Langer, Daniel: Wie man wird, was man schreibt. Sprache, Subjekt und Autobiographie bei Nietzsche und Barthes. München 2005.

Lascault 1978 (a)

Lascault, Gilbert: Les musées artistiques comme productions artistiques. Travaux de Adzak, Ben, Bertholin, Boltanski, Gette, Messager, A. et P. Poirier. Paris 1978.

Lascault 1992

Lascault, Gilbert: Éléments d’un dossier sur le gris. In: ders.: Écrits timides sur le visible. Paris 1992, S. 30-47.

Laube 2011

Laube, Stefan: Von der Reliquie zum Ding. Heiliger Ort, Wunderkammer, Museum. Berlin 2011.

Lebel 1959

Lebel, Robert: Marcel Duchamp. Paris 1959.

Duchamp, in: Lebel 1959

Duchamp, Marcel: Le processus créatif. In: Lebel, Robert: Marcel Duchamp. Paris 1959, S. 77-78.

Anhang

Lebel 1972

Lebel, Robert: Marcel Duchamp. Köln 1972.

Lehmann 2012

Lehmann, Harry (Hg.): Autonome Kunstkritik. Berlin 2012.

Bürger, in: Lehmann 2012

Bürger, Peter: Begriff und Grenzen der Kritik. In: Lehmann, Harry (Hg.): Autonome Kunstkritik. Berlin 2012, S. 37-62.

Lenz 2011

Lenz, Thomas: Konsum und Modernisierung. Die Debatte um das Warenhaus als Diskurs um die Moderne. Bielefeld 2011.

Lepsius 1990

Lepsius, Rainer: Interessen, Ideen und Institutionen. Opladen 1990.

Levie 1994

Levie, Sophie (Hg.): Reviews, Zeitschriften, Revues. Die Fackel, Die Weltbühne, Musikblätter des Anbruchs, Le disque vert, Mécano, Versty. Amsterdam 1994.

Levie, in: dies. 1994

Levie, Sophie: Introduction. In: dies. (Hg.): Reviews, Zeitschriften, Revues. Die Fackel, Die Weltbühne, Musikblätter des Anbruchs, Le disque vert, Mécano, Versty. Amsterdam 1994, S. 7-9.

Lippard 1997

Lippard, Lucy: Six Years. The dematerialization of the art object from 1966 to 1972. Berkeley / Los Angeles / London 21997 [1973].

Lista 2015

Lista, Giovanni: Le Futurisme. Textes et Manifestes 1909-1944. Ceyzérieu 2015.

Locher [u. a.] 2004

Locher, Hubert [u. a.] (Hg.): Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie. Tagungsband zum Kolloquium vom 5. / 6. Juli 2002 veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. München 2004.

Küster, in: Locher [u. a.] 2004

Küster, Barbara: Museum und Warenästhetik. Ein Diskussionsbeitrag zum Display von Gemälden. In: Locher, Hubert [u. a.] (Hg.): Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie. Tagungsband zum Kolloquium vom 5. / 6. Juli 2002 veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. München 2004, S. 89-102.

419

420

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Locher, in: ders. [u. a.] 2004 Locher, Hubert: Das Museum als »magischer Kanal«. Einführende Anmerkungen zum Tagungsthema. In: ders. [u. a.] (Hg.): Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie. Tagungsband zum Kolloquium vom 5. / 6. Juli 2002 veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. München 2004, S. 6-9. Schneemann, in: Locher [u. a.] 2004

Schneemann, Peter: Das ausgestellte Wort: Zum Umgang mit Texten im Museum. In: Locher [u. a.] (Hg.): Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie. Tagungsband zum Kolloquium vom 5. / 6. Juli 2002 veranstaltet vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. München 2004, S. 28-43.

Luhmann 1995

Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1995.

Maar 2006

Maar, Christa (Hg.): Iconic worlds. Neue Bildwelten und Wissensräume. Köln 2006.

Herrmann, in: Maar 2006 Herrmann, Hans: Matrix Retina. Wie Bilder im Gehirn verarbeitet und gespeichert werden. In: Maar, Christa (Hg.): Iconic worlds. Neue Bildwelten und Wissensräume. Köln 2006, S. 60-66. Maeght 2006

Maeght, Yoyo, Maeght Isabelle, Maubert, Franck (Hg.): Maeght. L’aventure de l’art vivant. Paris 2006.

Maeght 2013

La Fondation Marguerite et Aimé Maeght, hg. v. Maeght, Paris 2013.

Magritte 2010

Magritte, René: Les Mots et les Images. In: ders.: Les Mots et les Images. Choix d’écrits. Brüssel 2010, S. 34-35.

Mai 1986

Mai, Ekkehard: Expositionen. Geschichte und Kritik des Ausstellungswesens. München / Berlin 1986.

Mai 1990

Mai, Ekkehard (Hg.): Historienmalerei in Europa. Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie. Mainz 1990.

Bringmann, in: Mai 1990

Bringmann, Michael: Tod und Verklärung. Zum Dilemma realistischer Historienmalerei am Beispiel von Pilotys »Seni vor der Leiche Wallensteins«. In: Mai, Ekkehard (Hg.): Historienmalerei in Europa. Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie. Mainz 1990, S. 229-251.

Anhang

Mai 2010

Mai, Ekkehard: Die deutschen Kunstakademien im 19. Jahrhundert. Künstlerausbildung zwischen Tradition und Avantgarde. Köln [u. a.] 2010.

Malraux 1949

Malraux, André: Psychologie der Kunst. Das imaginäre Museum, übers. v. Jan Lauts. Baden-Baden 1949.

Man 1984

Man, Paul de: Autobiography as De-facement (1979). In: ders.: The rhetoric of romanticism. New York 1984, S. 67-81.

Manovich 2005

Manovich, Lev: Black Box – White Cube, übers. aus dem Englischen v. Roland Voullié. Berlin 2005.

Marcuse 1967

Marcuse, Herbert: Kultur und Gesellschaft 1. Frankfurt a. M. 51967 [1965].

Marcuse, in: ders. 1967

Marcuse, Herbert: Über den affirmativen Charakter der Kultur (Erstveröffentlichung: Zeitschrift für Sozialforschung VI / 1, Paris 1937). In: ders.: Kultur und Gesellschaft 1. Frankfurt a. M. 51967 [1965], S. 56-101.

Marcuse 1979

Marcuse, Herbert: Kultur und Gesellschaft 2. Frankfurt a. M. 101979 [1965].

Marret 2001

Marret, Bertrand: Portraits de l’artiste en singe. Les Singeries dans la peinture. Paris 2001.

McLuhan 1995

McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters. Bonn 1995 [engl. Orig. 1962].

Meads 1967

Meads, George Herbert: Mind, Self and Society. Chicago 141967 [1934]; dt.: Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1968.

Mentges / R ichard 2005

Mentges, Gabriele, Richard, Birgit (Hg.): Schönheit der Uniformität. Körper, Kleidung, Medien. Frankfurt a. M. 2005.

Drühl, in: Mentges / R ichard 2005

Drühl, Sven: Die individuelle Künstleruniform. In: Mentges, Gabriele, Richard, Birgit (Hg.): Schönheit der Uniformität. Körper, Kleidung, Medien. Frankfurt a. M. 2005, S. 115-138.

Mentges / R ichard, in: dies. Mentges, Gabriele, Richard, Birgit: Schönheit und 2005 Uniformität. Zur kulturellen Dynamik von Uniformierungsprozessen. In: dies. (Hg.): Schönheit der Uniformität. Körper, Kleidung, Medien. Frankfurt a. M. 2005, S. 7-16. Merleau-Ponty 1966

Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung [frz. 1945]. Aus dem Französischen übers. u. eingef. v. Rudolf Böhm. Berlin 1966.

421

422

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Metken 1977

Metken, Günter: Spurensicherung. Kunst als Anthropologie und Selbstforschung. Fiktive Wissenschaften in der heutigen Kunst. Köln 1977.

Meyer zu Eissen 1980

Meyer zu Eissen, Annette: Spiegel und Raum in der bildenden Kunst der Gegenwart (zugl. phil. Diss. Bonn 1980), Bonn 1980.

Middeke 2002

Middeke, Martin (Hg.): Zeit und Roman. Zeiterfahrung im historischen Wandel und ästhetischer Paradigmenwechsel vom sechzehnten Jahrhundert bis in die Postmoderne. Würzburg 2002.

Fludernik, in: Middeke 2002

Fludernik, Monika: Tempus und Zeitbewusstsein. Erzähltheoretische Überlegungen zur englischen Literatur. In: Middeke, Martin (Hg.): Zeit und Roman. Zeiterfahrung im historischen Wandel und ästhetischer Paradigmenwechsel vom sechzehnten Jahrhundert bis in die Postmoderne. Würzburg 2002, S. 21-32.

Mongi-Vollmer 2004

Mongi-Vollmer, Eva: Das Atelier des Malers: die Diskurse eines Raumes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (zugl. phil. Diss. Freiburg i. Br. 2002), Berlin 2004.

Monnier 1995

Monnier, Gérard: L’art et ses institutions en France. De la Révolution à nos jours. Paris 1995.

Montano 2000

Montano, Linda: Performance Artists Talking in the Eighties: Sex, Food, Money / fame, Ritual / death. Berkeley / Los Angeles 2000.

Möntmann 2002

Möntmann, Nina: Kunst als sozialer Raum. Köln 2002.

Moure 2009

Moure, Gloria: Marcel Duchamp. Works, Writings and Interviews. Barcelona 2009.

Mouvement du 22 Mars 1998

Mouvement du 22 Mars: Mai 68. Tracts et Textes. La Brussière 1998.

Müller 2010

Müller, Nadine: Kunst und Marketing. Selbstvermarktung von Künstlern der Düsseldorfer Malerschule und das Düsseldorfer Vermarktungssystem 1826-1869 (zugl. phil. Diss. Düsseldorf 2009), Regensburg 2010.

Müller-Jentsch 2011

Müller-Jentsch, Walther: Die Kunst in der Gesellschaft. Wiesbaden 2011.

Muschler 2010

Muschler, Sabine: Künstler als Museumsgründer. Personalmuseen für bildende Kunst in Deutschland (zugl. phil. Diss. Göttingen 2009), Hildesheim 2010.

Anhang

Nannicini Streitberger 2009

Nannicini Streitberger, Chiara: La Revanche de la Discontinuité. Boulversement du récit chez Bachmann, Calvino et Perec. Brüssel [u. a.] 2009.

Neuner 2008

Neuner, Stefan: Maskierung der Malerei. Jasper Johns nach Willem de Kooning (zugl. phil. Diss. Wien 2005), München 2008.

Neußer 2011

Neußer, Sebastian: Die verborgene Präsenz des Künstlers (zugl. phil. Diss. Köln 2010), Bielefeld 2011.

Newhouse 1998

Newhouse, Victoria: Wege zu einem neuen Museum. Museumsarchitektur im 20. Jahrhundert. Ostfildern 1998.

Neysters 1979

Neysters, Silvia: Die theoretischen Grundlagen der Malerei des amerikanischen Fotorealismus (zugl. phil. Diss. Bochum 1979), Bochum 1979.

Obrist 2008

Obrist, Hans Ulrich: A brief history of curating. Zürich 2008.

Cherix, in: Obrist 2008

Cherix, Christophe: Preface. In: Obrist, Hans Ulrich: A brief history of curating. Zürich 2008, S. 4-9.

O’Doherty 1996

O’Doherty, Brian: In der weißen Zelle. Inside the White Cube. Berlin 1996 [engl. Orig. 1976].

Oesterreicher-Mollwo 1978 Oesterreicher-Mollwo, Marianne: Surrealismus und Dadaismus. Provokative Destruktion, der Weg nach innen und Verschärfung der Problematik einer Vermittlung von Kunst und Leben. Freiburg [u. a.] 1978. O’Neill / Wilson 2010

O’Neill, Paul, Wilson, Mick (Hg.): Curating and the Educational Turn. London 2010.

O’Neill [u. a.] 2016

O’Neill, Paul [u. a.] (Hg.): The Curatorial Conundrum. What to study? What to research? What to practice? Cambridge 2016.

Teh, in: O’Neill [u. a.] 2016 Teh, David: Obstacles to Exhibition History: Institutions, Curatorship and the Undead Nation-State. In: O’Neill, Paul [u. a.] (Hg.): The Curatorial Conundrum. What to study? What to research? What to practice? Cambridge 2016, S. 26-38. Overbeck 2003

Overbeck, Renate: Georges Perec: Das Leben eine Gebrauchsanweisung. Der Roman als Puzzle. Annweiler a. T. 2003.

Panofsky 1980

Panofsky, Erwin: Die Perspektive als Symbolische Form. In: ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, hg. v. Hariolf Oberer, Egon Verheyen. Berlin 1980, S. 99-167.

Perec 2002

Perec, Georges: Das Leben eine Gebrauchsanweisung. Frankfurt a. M. 2002 [frz. Orig. 1978].

423

424

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Perec 2011

Perec, Georges: La Vie mode d’emploi. Paris 2011 [1978].

Peters 1991

Peters, Butz: RAF. Terrorismus in Deutschland. Stuttgart 1991.

Plessner 1983

Plessner, Helmut: Gesammelte Schriften, hg. v. Günther Dux, Odo Marquardt, Elisabeth Ströker, 8 Bde., Frankfurt a. M. 1983.

Plessner, in: ders. 1983

Plessner, Helmut: Die Frage nach der Conditio humana, in: ders.: Gesammelte Schriften, hg. v. Günther Dux, Odo Marquardt, Elisabeth Ströker, Bd. 8: Conditio humana. Frankfurt a. M. 1983, S. 136217.

Plumpe 1993, Bd. 1

Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne, Bd. 1: Von Kant bis Hegel. Opladen 1993.

Plumpe 1993, Bd. 2

Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne, Bd. 2: Von Nietzsche bis zur Gegenwart. Opladen 1993.

Poier-Bernhard 2012

Poier-Bernhard, Astrid: Texte nach Bauplan: Studien zur zeitgenössischen ludisch-methodischen Literatur in Frankreich und Italien. Heidelberg 2012.

Poole / K aisinger 2014

Poole, Ralph J., Kaisinger, Yvonne Katharina (Hg.): Manifeste. Speerspitzen zwischen Kunst und Wissenschaft. Heidelberg 2014.

Seyfert, in: Poole / K aisinger Seyfert, Robert: Avantgardistische Manifeste: Anti2014 Historismus, Retro-Historismus, Trans-Historismus. In: Poole, Ralph J., Kaisinger, Yvonne Katharina (Hg.): Manifeste. Speerspitzen zwischen Kunst und Wissenschaft. Heidelberg 2014, S. 23-34. Post 2012

Post, Christiane: Künstlermuseen. Die russische Avantgarde und ihre Museen für Moderne Kunst. Berlin 2012.

Princenthal 2010

Princenthal, Nancy: Hannah Wilke. München [u. a.] 2010.

Purpar 2009

Purpar, Rolf: Kunststadt Düsseldorf. Objekte und Denkmäler im Stadtbild. Düsseldorf 2009.

Rancière 2006

Rancière, Jacques: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, hg. v. Maria Muhle. Berlin 2006.

Rebel 1996

Rebel, Ernst (Hg.): Sehen und Sagen. Das Öffnen der Augen beim Beschreiben der Kunst. Ostfildern 1996.

Rebentisch 2003

Rebentisch, Juliane: Ästhetik der Installation (zugl. phil. Diss. Potsdam 2002), Frankfurt a. M. 2003.

Anhang

Reitstätter 2015

Reitstätter, Luise: Die Ausstellung verhandeln. Von Interaktionen im musealen Raum. Bielefeld 2015.

Richter 1978

Richter, Hans: DADA – Kunst und Antikunst. Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Köln 1978.

Riedl 2014

Riedl, Karin: Künstlerschamanen. Zur Aneignung des Schamanenkonzepts bei Jim Morrison und Joseph Beuys. Bielefeld 2014.

Rimbaud 1990

Rimbaud, Arthur: Seher-Briefe / Lettres du voyant, übers. u. hg. v. Werner von Koppenfels. Mainz 1990.

Rohr-Bongard 2001

Rohr-Bongard, Linde (Hg.): Kunst=Kapital. Der »Capital« Kunstkompass von 1970 bis heute. Köln 2001.

Baumann, in: RohrBongard 2001

Baumann, Margret: Die Entstehung des Kunstkompass. In: Rohr-Bongard, Linde (Hg.): Kunst=Kapital. Der »Capital« Kunstkompass von 1970 bis heute. Köln 2001, S. 9-15.

Rooch 2001

Rooch, Alarich: Zwischen Museum und Warenhaus: Ästhetisierungsprozesse und sozial-kommunikative Raumaneignung des Bürgertums (zugl. Habil. Bremen 2000), Oberhausen 2001.

Rorty 1992

Rorty, Richard: The linguistic turn. Essays in philosophical method. Chicago / London 21992 [1967].

Roth 2000

Roth, Harriet (Hg.): Der Anfang der Museumslehre in Deutschland. Das Traktat »Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi« von Samuel Quiccheberg. Lateinisch – Deutsch. Berlin 2000.

Rotzler 1972

Rotzler, Willy: Objektkunst. Von Duchamp bis Kienholz. Köln 1972.

Rübel 2012

Rübel, Dietmar: Plastizität. Eine Kunstgeschichte des Veränderlichen. München 2012.

Rübel / Wagner / Wolff 2005 Rübel, Dietmar, Wagner, Monika, Wolff, Vera (Hg.): Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur. Berlin 2005. Barthes, Roland: Plastik (1957). In: Rübel, Dietmar, Barthes, in: Rübel / Wagner / Wolff 2005 Wagner, Monika, Wolff, Vera (Hg.): Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur. Berlin 2005, S. 87-89. Morris, in: Morris, Robert: »Anti Form« (1968). In: Rübel, Rübel / Wagner / Wolff 2005 Dietmar, Wagner, Monika, Wolff, Vera (Hg.): Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur. Berlin 2005, S. 267-269.

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Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Weibel, in: Weibel, Peter: Materialdenken als Befreiung der Rübel / Wagner / Wolff 2005 Produkte des Menschen von ihrem Dingcharakter (1966). In: Rübel, Dietmar, Wagner, Monika, Wolff, Vera (Hg.): Materialästhetik. Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur. Berlin 2005, S. 263-265. Ruppert 2000

Ruppert, Wolfgang: Der moderne Künstler. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der kreativen Individualität in der kulturellen Moderne im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2000.

Ruppert / Fuhrmeister 2007

Ruppert, Wolfgang, Fuhrmeister, Christian (Hg.): Zwischen deutscher Kunst und internationaler Modernität. Formen der Künstlerausbildung 1918 bis 1968. Weimar 2007.

Jooss, in: Ruppert / Fuhrmeister 2007

Jooss, Birgit: Zu den Studentenunruhen von 1968. In: Ruppert, Wolfgang, Fuhrmeister, Christian (Hg.): Zwischen deutscher Kunst und internationaler Modernität. Formen der Künstlerausbildung 1918 bis 1968. Weimar 2007, S. 81-102.

Schade 2007

Schade, Sigrid (Hg.): Ausstellungs-Displays. Dokumentation zum Forschungsprojekt 2005-2007. Zürich 2007.

Richter, in: Schade 2007

Richter, Dorothee: Zur Geschichte des AusstellungsDisplays. In: Schade, Sigrid (Hg.): AusstellungsDisplays. Dokumentation zum Forschungsprojekt 2005-2007. Zürich 2007, S. 8-15.

Scheunemann 2005

Scheunemann, Dietrich: (Hg.): Avant-Garde / NeoAvant-Garde. Amsterdam / New York 2005.

Scheunemann, in: ders. 2005

Scheunemann, Dietrich: Preface. In: ders. (Hg.): Avant-Garde / Neo-Avant-Garde. Amsterdam / New York 2005, S. 9-11.

Berg, in: Scheunemann, 2005

Berg, Hubert van den: On the Historiographic Distinction between Historical and Neo-Avant-Garde. In: Scheunemann, Dietrich (Hg.): Avant-Garde / NeoAvant-Garde. Amsterdam / New York 2005, S. 63-74.

Schiebler 1985

Schiebler, Ralf: Deutsche Kunstdogmatik. Wuppertal 1985.

Schiller 2009

Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, hg. v. Stefan Matuschek. Frankfurt a. M. 2009.

Schlosser 1978

Schlosser, Julius: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens. Braunschweig 21978 [1908].

Anhang

Schmidt 2004

Schmidt, Jochen: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750 – 1945, 2 Bde., Heidelberg 2004.

Schmied 1990

Schmied, Wieland: Kunst, Kunstgeschichte, Kunstakademie. Von Geschichte, Sinn und Zukunft der Kunstakademien. Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste. München 1990, Bd. 1.

Schneede 2001

Schneede, Uwe: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart. München 2001.

Schnitzler 2007

Schnitzler, Andreas: Der Wettstreit der Künste. Die Relevanz der Paragone-Frage im 20. Jahrhundert (zugl. phil. Diss. Graz 2003), Berlin 2007.

Scholze 2004

Scholze, Jana: Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltung in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin (zugl. phil. Diss. Berlin 2002), Bielefeld 2004.

Schönwald 2013

Schönwald, Cédric: Sandra Aubry & Sébastien Bourg. Bordeaux 2013.

Schramm 2014

Schramm, Samantha: Land Art. Ortskonzepte und mediale Vermittlung. Zwischen Site und Non-Site (zugl. phil. Diss. Karlsruhe 2012), Berlin 2014.

Schramm / Schwarte /  Lazard-zig 2003

Schramm, Helmar, Schwarte, Ludger, Lazardzig, Jan (Hg.): Kunstkammer, Laboratorium, Bühne. Schauplätze des Wissens im 17. Jahrhundert. Berlin 2003.

Schütz 2014

Schütz, Laura: »Dort ist nichts, aber es strotzt vor lauter Zeichen vor uns«. Fiktionale Transformationen politischer Märtyrerikonen von Benno Ohnesorg bis zu den ›Toten von Stammheim‹ (zugl. phil. Diss. München 2010), Hannover 2014.

Schwarz 1975

Schwarz, Arturo: Marcel Duchamp. New York 1975.

Schwarz 2000

Schwarz, Arturo: The complete works of Marcel Duchamp. 2. überarb. u. erw. Aufl., 2 Bde., Bd. 1, New York 2000 [London 1969].

Schwarze 2005

Schwarze, Dirk: Meilensteine. 50 Jahre documenta. Kunstwerke und Künstler. Berlin 2005.

Schwarze, in: ders. 2005

Schwarze, Dirk: Protokoll eines Tages im Büro der »Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung«, Hessische Allgemeine, 26.7.1972, reproduziert in: ders.: Meilensteine. 50 Jahre documenta. Kunstwerke und Künstler. Berlin 2005, S. 76-79.

Seyfert 2011

Seyfert, Robert: Das Leben der Institutionen. Zu einer Allgemeinen Theorie der Institutionalisierung. Weilerswist 2011.

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428

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Singer 1959

Singer, Milton (Hg.): Traditional India. Structure and Change. Philadelphia 1959.

Sontag 1980

Sontag, Susan: Über Fotografie. Frankfurt a. M. 1980 [engl. Orig. 1977].

Spies 2003

Spies, Werner: Der Surrealismus. Kanon einer Bewegung. Köln 2003.

Stauffer 1981

Stauffer, Serge (Hg.): Marcel Duchamp. Die Schriften. Bd. I: Zu Lebzeiten veröffentlichte Texte. Zürich 1981.

Stauffer, in: ders. 1981

Stauffer, Serge: Imaginäres Gespräch mit Marcel Duchamp (1971). In: ders. (Hg.): Marcel Duchamp. Die Schriften. Bd. 1: Zu Lebzeiten veröffentlichte Texte. Zürich 1981, S. 306-307.

Stemmrich 1995

Stemmrich, Gregor (Hg.): Minimal Art – eine kritische Retrospektive. Dresden / Basel 1995.

Stemmrich, in: ders. 1995

Stemmrich, Gregor: Vorwort. In: ders. (Hg.): Minimal Art – eine kritische Retrospektive. Dresden / Basel 1995, S. 11-30.

Fried, in: Stemmrich 1995

Fried, Michael: Kunst und Objekthaftigkeit (1967). In: Stemmrich, Gregor (Hg.): Minimal Art – eine kritische Retrospektive. Dresden / Basel 1995, S. 334-374.

Stoichita 1997

Stoichita, Victor I.: The Self-Aware Image. An Insight into Early Modern Meta-Painting. Cambridge 1997.

Stoichita 2006

Stoichita, Victor I. (Hg.): Das Double. Wiesbaden 2006.

Macho, in: Stoichita 2006

Macho, Thomas: Die Stimmen der Doppelgänger. In: Stoichita, Victor I. (Hg.): Das Double. Wiesbaden 2006, S. 31-46.

Stoichita 2011

Stoichita, Victor I.: Der Pygmalion-Effekt. Trugbilder von Ovid bis Hitchcock. München 2011.

Stüttgen 1987

Stüttgen, Johannes: Die Freie Internationale Universität. Organ des erweiterten Kunstbegriffs für die soziale Skulptur. Eine Darstellung der Idee, Geschichte und Tätigkeit der FIU. 2. erw. Aufl., Wangen 1987.

Stüttgen 1990

Stüttgen, Johannes: Der erweiterte Kunstbegriff und Joseph Beuys’ Idee der Stiftung. Köln 1990.

Stüttgen 2008

Stüttgen, Johannes: Der ganze Riemen. Der Auftritt Joseph Beuys als Lehrer – die Chronologie der Ereignisse an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1966-1972. Köln 2008.

Sylvester 1992

Sylvester, David: Magritte. The Silence of the World. New York 1992.

Anhang

Syring 1986

Syring, Marie Luise: Kunst in Frankreich seit 1966. Zerborstene Sprache, zersprengte Form. Köln 1986.

Szeemann 1981

Szeemann, Harald: Museum der Obsessionen, Berlin 1981.

Szeemann, in: ders. 1981

Szeemann, Harald: Die Agentur für geistige Gastarbeit im Dienste der Visionen des Museums der Obsessionen (1979). In: ders.: Museum der Obsessionen, Berlin 1981, S. 107-124.

Szeemann, in ders. 1981 (a) Szeemann, Harald: Individuelle Mythologien In: ders.: Museum der Obsessionen, Berlin 1981, S. 8792. Szeemann, in: ders. 1981 (b)

Szeemann, Harald: Großvater – ein Pionier wie wir. In: ders.: Museum der Obsessionen, Berlin 1981, S. 93-97.

Szeemann, in: ders. 1981 (c) Szeemann, Harald: Lohnender Rückzug ins Private. In: ders.: Museum der Obsessionen, Berlin 1981, S. 98-101. Szeemann 1997

Szeemann, Harald (Hg.): Beuysnobiscum. Eine kleine Enzyklopädie. Mit einem Kommentar zur Neuausgabe. Dresden 1997.

Tangian 2010

Tangian, Katia: Spielwiese Kunstakademie. Habitus, Selbstbild, Diskurs (zugl. phil. Diss. Karlsruhe 2008), Hildesheim [u. a.] 2010.

Theewen 1993

Theewen, Gerhard: Joseph Beuys. Die Vitrinen. Ein Verzeichnis. Köln 1993.

Thurn 1999

Thurn, Hans-Peter: Die Vernissage. Vom Künstlertreffen zum Freizeitvergnügen. Köln 1999.

Thyen 1989

Thyen, Anke: Negative Dialektik und Erfahrung. Zur Rationalität des Nichtidentischen bei Adorno. Frankfurt a. M. 1989.

Tomkins 1996

Tomkins, Calvin: Duchamp. A Biography. New York 1996.

Urban 2013

Urban, Annette: Interventionen im public / private space. Die Situationistische Internationale und Dan Graham (zugl. phil. Diss. Bochum 2008), Berlin 2013.

Uroskie 2014

Uroskie, Andrew V.: Between the Black Box and the White Cube. Expanded Cinema and Postwar Art. Chicago / London 2014.

Valéry 1973

Valéry, Paul: Das Problem der Museen (1923). In: ders.: Über Kunst. Essays, übers. v. Carlo Schmid. Frankfurt a. M. 1973 [= Le problème des musées, in: Valery, Œuvres, Bd. 2, Paris 1960, S. 1291-1293].

429

430

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Wagner 2001

Wagner, Monika: Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München 2001.

Walther 2005

Walther, Ingo F. (Hg.): Kunst des 20. Jahrhunderts. Köln 2005, 2 Bde., Bd. I: Malerei.

Warnke 1985

Warnke, Martin: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Köln 1985.

Weiss 2007

Weiss, Judith Elisabeth: Der gebrochene Blick. Primitivismus – Kunst – Grenzverwirrungen (zugl. phil. Diss. Heidelberg 2005), Berlin 2007.

Weiß 2010

Weiß, Susanne: Kunst + Technik. Materialien und Motive der Luftfahrt in der Moderne. Köln / Weimar / Wien 2010.

Welchman 1997

Welchman, John C.: Invisible Colors. A visual history of titles. New Haven / London 1997.

Welchman 2006

Welchman, John C. (Hg.): Institutional Critique and after. Volume 2 of the SoCCAS symposia. Zürich 2006.

Welchman, in: ders. 2006 Welchman, John C.: Introduction. In: ders. (Hg.): Institutional Critique and after. Volume 2 of the SoCCAS symposia. Zürich 2006, S. 11-20. Fraser, in: Welchman 2006 Fraser, Andrea: From the Critique of Institutions to an Institution of Critique. In: Welchman, John C. (Hg.): Institutional Critique and after. Volume 2 of the SoCCAS symposia. Zürich 2006, S. 123-135. Hoffmann, in: Welchman 2006

Hoffmann, Jens: The curatorialization of institutional critique. In: Welchman, John C. (Hg.): Institutional Critique and after. Volume 2 of the SoCCAS symposia. Zürich 2006, S. 323-335.

Welchman 2013

Welchman, John C.: Sculpture and the Vitrine. Farnham Burlington 2013.

Endt-Jones, in: Welchman 2013

Endt-Jones, Marion: Between Wunderkammer and shop window: surrealist naturalia cabinets. In: Welchman, John C.: Sculpture and the Vitrine. Farnham Burlington 2013, S. 95-120.

Speaks, in: Welchman 2013 Speaks, Elyse: The transparent signifier: Hirst, invisibility, and critique. In: Welchman, John C.: Sculpture and the Vitrine. Farnham Burlington 2013, S. 231-250. Waller, in: Welchman

Waller, Genevieve: Unattributed objects: the Mouse Museum, the Ray Gun Wing, and four artists. In: Welchman, John C.: Sculpture and the Vitrine. Farnham Burlington 2013, S. 159-177.

Anhang

Wimmer 2006

Wimmer, Dorothee: Das Verschwinden des Ichs. Das Menschenbild in der französischen Kunst, Literatur und Philosophie um 1960. Berlin 2006.

Wirth 2002

Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002.

Eco, in: Wirth 2002

Eco, Umberto: Semiotik der Theateraufführung. In: Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002, S. 262-276.

Fischer-Lichte, in: Wirth 2002

Fischer-Lichte, Erika: Grenzgänge und Tauschhandel. Auf dem Wege zu einer performativen Kultur. In: Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002, S. 277-300.

Krämer, in: Wirth 2002

Krämer, Sybille: Sprache – Stimme – Schrift: Sieben Gedanken über Performativität als Medialität. In: Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002, S. 323-346.

Wirth, in: ders. 2002

Wirth, Uwe: Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität. In: ders. (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M. 2002, S. 9-60.

Wood 1997

Wood, Christopher: The Great Art Boom. 1970-1997. Weybridge 1997.

Zahner 2006

Zahner, Tessa: Die neuen Regeln der Kunst. Andy Warhol und der Umbau des Kunstbetriebs im 20. Jahrhundert (zugl. phil. Diss. Bamberg 2005), Frankfurt a. M. / New York 2006.

Zipfel 2001

Zipfel, Frank: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft. Berlin 2001.

7.1.5 Zeitschriftenartikel Gérard Gasiorowski Bouisset 1982

Bouisset, Maiten: L’art de travailler du chapeau. In: Le Matin, 16. Juli 1982, o. S.

Clair 1972

Clair, Jean: Memoriaux. In: Chroniques de l’Art Vivant, Nr. 30, Mai 1972, S. 10-11.

Clair 1974

Clair, Jean: La guerre de Gasiorowski. In: Chroniques de l’Art Vivant, Nr. 48, Januar 1974, S. 14-17.

431

432

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Enrici 1982

Enrici, Michel: AWK Gasiorowski. In: Artistes, 12 / 1982, S.  89.

Enrici 1987

Enrici, Michel: L’inespéré. In: Cardinaux, Nr. 2, 1987, S. 7-22.

Goldcymer 1982

Goldcymer, Gaya: La disparition de Gérard Gasiorowski. In: Art Press, Nr. 59, Mai 1982, S. 32-33.

Köhler 1993

Köhler Barbara: Hut ab! Gérard Gasiorowski und Joseph Beuys. In: Neue bildende Kunst, 2 / 1993, S. 5459.

Köhler 1995

Köhler, Barbara: Die Suche nach der Malerei. Der Schrecken des Malens. In: Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 31 / Heft 17, 3 / 1995.

Lamarche-Vadel 1977

Lamarche-Vadel, Bernard: Faire son trou. In: Opus international, Nr. 61 / 62, Januar-Februar 1977, S. 5255.

Lamarche-Vadel 1980

Lamarche-Vadel, Bernard: Gasiorowsky [sic!] depuis 1975. In: Artistes, Nr. 4, 1980, S. 32-37.

Lascault 1978

Lascault, Gilbert: Gérard Gasiorowski. Peindre ou ne pas peindre. In: La Nouvelle Revue Française, Nr. 102, März 1978, S. 172-176.

Malsch 1988

Malsch, Friedemann: Gerard Gasiorowski. Der Weg zur Malerei. In: Kunstforum international, 96 / 1988, S. 206-215.

Tronche 1982

Tronche, Anne: Gasiorowski et l’Académie Worosis Kiga: qui porte le chapeau? In: Opus international, Nr. 85, 1982, S. 38-40.

Jörg Immendorff Eisenbeis 2015

Eisenbeis, Markus: Editorial. In: Van Ham Art Magazine, Herbst 2015, S. 2-3, S. 2.

Germer 2001

Germer, Stefan: »Der Kulturschaffende ergreift Partei.« In: Texte zur Kunst, Jg. 2, Heft 2, Frühjahr 2001, S. 159-165.

Meister 1992

Meister, Helga: Als die Kunst auf den Klotz kam – »LIDL«: Immendorff und die Folgen / Ein Wort als Programm. In: Düsseldorfer Hefte, 18 / 1992, Sonderthema: »Mit Haut und Haaren«, S. 8-10.

Millet 1993

»Jörg Immendorff. Le peintre et le secret des ses formules folles«. Interview par Catherine Millet. In: Art press, Nr. 177, 1993, S. 10-16.

Anhang

Marcel Broodthaers Broodthaers 1973 (a)

Broodthaers, Marcel: Changement de propriété? In: Interfunktionen, 10 / 1973, S.  76-79.

Oppitz 1972

Oppitz, Mark: Adler Pfeife Urinoir. Zur Ausstellung: Der Adler vom Oligozän bis heute von Marcel Broodthaers. In: Interfunktionen, 9 / 1972, S. 177-180.

Claes Oldenburg Rose 1969

Rose, Barbara: The Origins, Life and Times of Ray Gun – »All will see as Ray Gun sees …«. In: Artforum, Vol. VIII, 3 / 1969, S. 50-57.

Weitere Alloway 1972

Alloway, Lawrence: »Reality«: Ideology at D5. In: Artforum, 10 / 1972, S.  30-36.

Artaud 1971

Artaud, Antonin: »la Maladresse sexuelle de dieu«. Dessin et Commentaire. In: Peinture. Cahiers théoriques. 1 / 1971, S.  33-39.

Bexte 2010

Bexte, Peter: Tierbedarf in Galerien und Laboren. Für eine Theorie der produktiven Missverständnisse. In: Kritische Berichte, 3 / 2010, S. 71-79.

Bianchi 2007

Bianchi, Paolo: Das »Medium Ausstellung« als experimentelle Probebühne. = Kunstforum international, 186 / 2007, S.  44-54.

Bianchi 2007 (a)

Bianchi, Paolo (Hg.): Neues Ausstellen. Ausstellungen als Kulturpraktiken des Zeigens (I). = Kunstforum, 10.6.2007, Bd. 1.

Bianchi 2008

Bianchi, Paolo (Hg.): Ausstellungs-Displays. Ausstellungen als Kulturpraktiken des Zeigens (II). = Kunstforum, Anfang 2008, Bd. 2.

Blin 1993

Blin, Sylvie: Une création originale. In: Connaissance des Arts, Hors série, 43 / 1993: La Fondation Maeght, S. 20-23.

Breton 1934-1935

Breton, André: La Phare de la Mariée. In: Minotaure, 6 / 1934-1935, S.  46.

Dickel 1998

Dickel, Hans: Künstlermuseen als »institutionelle Kritik«. Zu den Arbeiten von Ilya Kabakov und Christian Boltanski, in: Kritische Berichte, 26 / 1998, 4, S. 35-52.

Interfunktionen 2

Interfunktionen, 2 / 1969.

Aktuelle Dokumente, in: Interfunktionen 2

Aktuelle Dokumente. In: Interfunktionen, 2 / 1969, S. 85-92.

Interfunktionen 3

Interfunktionen, 3 / 1969.

Interfunktionen 4

Interfunktionen, 4 / 1969.

433

434

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Interfunktionen 9

Interfunktionen, 9 / 1972.

Internationale Situationisten 1969

Internationale situationniste. Bulletin central édité par les sections de l’Internationale situationniste, Nr. 1, Juni 1958 – Nr. 12, September 1969.

Fraser 2005

Fraser, Andrea: Was ist Institutionskritik? In: Texte zur Kunst, Jg. 15, Heft 59, September 2005, S. 86-89.

Grasskamp 1979

Grasskamp, Walther: Künstler und andere Sammler. In: Kunstforum international, 32, 2 / 1979, S. 34.

Graw 1990

Graw, Isabelle: Glasstürze. Kunst in der Vitrine. In: artis, das aktuelle Kunstmagazin, Jg. 42. März 1990, S. 52-55.

Graw 2005

Graw, Isabelle: Jenseits der Institutionskritik. Ein Vortrag im Los Angeles County Museum of Art. In: Texte zur Kunst, Jg. 15, Heft 59, September 2005, S. 40-53.

Kristeva 1967

Kristeva, Julia: Bakhtine, le mot, le dialogue, le roman. In: Critique, 239 / 1967, S. 438-465.

Kunstkompass 2015

Kunstkompass, in: Weltkunst, Nr. 99, April 2015, S. 24-25.

Lubkoll 1992

Lubkoll, Christine: Dies ist kein Pfeifen. Musik und Negation in Franz Kafkas Erzählung »Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse«. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 66 / 1992, S.  748-764.

Mader / Minta / Söll 2014

Mader, Rachel, Minta, Anna, Söll, Änne: Kunstzeitschriften und die Institutionen des Kunstbetriebs. Editorial. In: Kritische Berichte, 2 / 2014, S. 3-5.

Meinhardt 1993

Meinhardt, Johannes: Eine andere Moderne. Die künstlerische Kritik des Museums und der gesellschaftlichen Institution Kunst. In: Kunstforum international, 123 / 1993, S.  160-191.

Picard 1973-1974

Picard, Lil: After Art / Nach Kunst. In: Kunstforum international, 8-9 / 1973-1974, S.  212-223.

Sediment 23-24 / 2014

Sediment. Mitteilungen zur Geschichte des Kunsthandels. Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels, ZADIK, Nr.  23-24 / 2014.

Smithson 1972

Smithson, Robert: Cultural Confinement. In: Ausst.Kat. d5 1972, Bd. 1, S. 17.74; Erstveröffentlichung auf Englisch vgl. Artforum, 10 / 1972, S. 39.

Spiegel 1964

N. N.: »Kunst im Kühlschrank.« In: Der Spiegel, 27 / 1964, S.  70-72.

Spiegel 1965

N. N.: Auf zum Kamm. In: Der Spiegel Nr. 18 / 1865, S. 67-68.

Anhang

Spiegel 1967

N. N.: »Kritische Universitäten. Sprich Ka-U«. In: Der Spiegel, 46 / 1967, S.  198-202.

Viel 1970

Viel, Marie-Jeanne: Sept Jours de Mai en France. In: Historia, Hors série, 17 / 1970: Les Années 60, 1: Le Temps des révolutions, S. 146-167.

Wick 1973-1974

Wick, Rainer: Zur Theorie des Happenings (1. Teil). In: Kunstforum international, 8-9 / 1973-74, S. 106144.

7.1.6 Online- und sonstige Quellen Gérard Gasiorowski Film Boumendil 1983

Boumendil, Jacques: Gasiorowski Worosiskiga, Paris, Musée national d’art Moderne, Centre Georges Pompidou, 1983.

Hatje-Cantz 2010

Informationsseite des Hatje-Cantz-Verlags zur Katalog­publikation 2010: http://www.hatjecantz.de/grard-gasiorowski-2566-1. html

Online-Pressedossier 2010 Pressedossier der Ausstellung »Gérard Gasiorowski. Recommencer: Commencer de Nouveau la Peinture« in Nîmes 2010: https://www.nimes.fr/fileadmin/directions/culture/ GASIO-DP.pdf

Jörg Immendorff Ausstellung London 2016

Ausstellungsinformation »Jörg Immendorff« in der Galerie Michael Werner, London, 2016: http://www.michaelwerner.com/exhibition/4110/ https://ocula.com/art-galleries/michael-werner/ exhibitions/lidl-works-and-performances-from-the60s/

Marcel Broodthaers Ausstellung Kassel 2015

Ausstellungsinformation »Marcel Broodthaers«, Fridericianum, Kassel, 2015, online unter: http://www.fridericianum.org/exhibitions/marcelbroodthaers

Claes Oldenburg Legge 2000

Legge, Astrid: Museen der anderen »Art«. Künstlermuseen als Versuche einer alternativen Museumspraxis (zugl. phil. Diss. Aachen 2000), Onlinepublikation 2000, unter: http://publications.rwth-aachen.de/record/56521/ files/01_090.pdf

435

436

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Weitere Adorno / Gehlen 1965

»Freiheit und Institution. Streitgespräch über Begriff und Realität gesellschaftlicher Institutionen und über Möglichkeit wie Gehalt ihrer Kritik.« Ein Streitgespräch zwischen Theodor W. Adorno und Arnold Gehlen, 1965, online unter: http://vimeo.com/5360099

art-Kunstmagazin 2013

N. N.: Ausstellungskritik des art-Kunstmagazins zu »When Attitudes Become Form: Bern 1969 / Venice 2013«, online unter: http://www.art-magazin.de/kunst/9711-rtkl-whenattitudes-become-form-venedig-ein-kraftlosesveteranentreffen

Ausstellung Köln 2016

Ausstellungsinformation »Wir nennen es Ludwig. Das Museum wird 40!«, Museum Ludwig, Köln, 2016, online unter: http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/ rueckblick/2016/wir-nennen-es-ludwig.html

Baudelaire 1846

Baudelaire, Charles: Salon de 1846. Paris 1846, online unter: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8626546p/f15. image.r=.langFR

Bochner 1997

Bochner, Mel: Working drawings and other visible things on paper not necessarily meant to be viewed as art (1997), online unter: http://issuu.com/haus_der_kunst/docs/4a_ deutsch/3?e=0

Chronik FU Berlin

Kleine Chronik der Freien Universität Berlin, online unter: http://web.fu-berlin.de/chronik/chronik_1961-1969. html

Gavard-Perret o. J.

Gavard-Perret, Jean-Paul: Gasiorowski. L’art et la merde, online unter: http://www.artsup.info/JPGP/JPGP_Gasiorowski.htm

Geschichte Galerie Lelong Datensatz zu Galerie Lelong auf dem Server der französischen Nationalbibliothek (BNF), online unter: http://data.bnf.fr/11869654/galerie_lelong_paris/ Geschichte Galerie Maeght Geschichte der Galerie Maeght, Paris, online unter: http://maeght.com/galeries/galerie_maeght_paris. asp Geschichte Kunsthalle Düsseldorf

Geschichte Kunsthalle Düsseldorf, online unter: https://www.kunsthalle-duesseldorf.de/index. php?id=45

Anhang

Guerilla Girls 2016

Ausstellungsbeteiligung der Guerilla Girls und Aktion am Kölner Museum Ludwig 2016, online unter: http://www.guerrillagirls.com/datebook-archive/ 2016/8/26/ludwig-museum-kln-germany

Imdahl 2013

Imdahl, Georg: Retro-Ausstellung in Venedig. Wie ein Hieb ins Genick. In: Der Spiegel, 11.6.2013, online unter: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/haraldszeeman-when-attitudes-become-form-a-904756. html

Judd New York

Präsentation von Donald Judds Atelier- und Ausstellungsgebäude in der New Yorker Spring Street, online unter: http://juddfoundation.org/spaces/101-spring-street/

Kölle 2005

Kölle, Brigitte: Die Kunst des Ausstellens. Untersuchungen zum Werk des Künstlers und Kunstvermittlers Konrad Lueg / Fischer (1939-1996) (zugl. phil. Diss. Hildesheim 2005). Onlinepublikation 2005, unter: opus.bsz-bw.de/ubhi/volltexte/2011/91/

Littré

Littré, Émile: Le Littré (XMLittré v2). Dictionnaire de la langue française, Faksimile der Originalfassung (BNF), online unter: http://www.littre.org/definition/chapeau

L’Express 1994

N. N.: La Gourmandise de Guillaume Apollinaire, Buchrezension in: »L’Express« online, 1.12.1994, online unter: http://www.lexpress.fr/culture/livre/la-gourmandisede-guillaume-apolli-naire_798082.html

Masterstudiengang Frankfurt a. M.

Masterstudiengang »Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik«, Goethe-Universität Frankfurt a. M., online unter: http://www.uni-frankfurt.de/35791819?

Konzeption Masterstudiengang Frankfurt a. M.

Konzeption des Studiengangs »Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik«, Goethe-Universität Frankfurt a. M., online unter: http://www.kuratierenundkritik.net/deutsch/ studiengang/studiengangkonzeption.html

Masterstudiengang Leipzig Masterstudiengang »Kulturen des Kuratorischen«, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, online unter: http://www.kdk-leipzig.de

437

438

Die fiktive Institution als ästhetische Strategie

Masterstudiengang New York

Masterstudiengang »curatorial studies«, Columbia University, New York, online unter: http://www.columbia.edu/cu/arthistory/graduate/ moda.html

Online-Pressedossier

Pressedossier der Ausstellung von Sandra Aubry & Sébastien Bourg, Galerie de Roussan, Paris, 2014, online unter: http://www.aubrybourg.net/flyers/a_bitter_sweet_ legacy.pdf

Panchouette 1969

Manifest »Panchouette« (1969), online unter: http://lamauvaisereputation.free.fr/IMG/jpg/ MANIFESTE-PANCHOUNETTE.jpg

Rebentisch 2006

Rebentisch, Juliane: Autonomie? Autonomie! Ästhetische Erfahrung heute. In: Sonderforschungsbereich 626 (Hg.): Ästhetische Erfahrung: Gegenstände, Konzepte, Geschichtlichkeit. Berlin 2006, online unter: http://www.sf b626.de/veroeffentlichungen/online/ aesth_erfahrung/aufsaetze/rebentisch.pdf

Rohr-Bongard 2015

Rohr-Bongard, Linde: Wie der Kunstkompass entsteht. In: Die Zeit, 30.3.2015, online unter: http://www.zeit.de/kultur/kunst/2015-03/ kunstkompass-regeln

Van Ham 2015

Ergebnis der »Affenplastik« bei der Achenbach Art Auction, Köln 2015, online unter: https://www.van-ham.com/datenbank-archiv/datenbank/joerg-immendorff/komm-joerch-wir-gehen. html

Weibel 1969

Weibel, Peter: Publikum als Exponat, 1969, online unter: http://www.peter-weibel.at/index.php?option=com_ content&view=article&id= 95&catid=5&Itemid=43

Zeit online 2015

N. N.: Kunstkompass erscheint exklusiv in der Weltkunst, Artikel in: Zeit online, 30.3.2015, online unter: http://www.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2015/02/ kunstkompass-erscheint-exklusiv-in-der-welt- kunst/

Anhang

7.1.7 Archivquellen Archiv des ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris Akten Stichwort »Gasiorowski«

Archiv Galerie Maeght, Paris Weißer Ordner, Aufschrift »AWK« Roter Ordner, Aufschrift »AWK« Unbeschrifteter Ordner mit Diapositiven Kiste nicht inventarisierter Dokumente Digitalisate der vier Ringbücher der »Académie Worosis Kiga«

Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart Kasten 272: Jörg Immendorff Kasten 117: Fluxus

Joseph Beuys Archiv / Stiftung Museum Schloss Moyland Brief des Ausstellungsdirektors Leppien an die Ausstellungsteilnehmer, Inv.-Nr.: JBA-B-021084. Brief von Peter Dürr an Jörg Immendorff vom 20.12.1968, Inv-Nr.: JBA-B-023761. Flugblatt zur Ankündigung der Arbeitswoche, Inv.-Nr.: JBA-B-019413. Flugzettel »Lidlakademie«, Inv.-Nr.: JBA-B-019411. Leserbrief von Chris Reinecke an Karlheinz Welkens in Reaktion auf dessen Zeitungsbericht »Trotz Hausverbots wird weitergelidlt«, Rheinische Post, 3.1.1969, Inv.-Nr.: JBA-B-023754. Manuskript der beuysschen Erklärung in Reaktion auf das »Professorenmanifest«, 1969, Inv.-Nr.: JBA-B-020676r; JBA-B-020676v. Meister, Helga: Lidl liebt Nestwärme. Anti-Künstler gingen in die 2. Runde, Zeitungsartikel vom 7.5.1969, Inv.-Nr.: JBA-Z-1969-05-07 / 31-02. Offener Brief Jörg Immendorffs an die Hausleitung der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, 4.2.1969, Inv.-Nr.: JBA-B-026151(Ex 1 / 12)r. »Rundgang«, Schreiben von Jörg Immendorff vom 4.2.1969, Inv.-Nr.: JBAB-020958. Solidaritätserklärungen von W&B Hein, H. P. Kochenrath, Ch. Michelis, Rolf Wiest, 14.3.1970, Inv.-Nr.: JBA-B-021123. Solidaritätserklärungen von Felix Kemner, 18.3.1970, Inv.-Nr.: JBA-B-021124. Tabelle über die FIU-Initiativen außerhalb Deutschlands, Inv.-Nr.: JBA-B-001165. Zeitungsartikel »Kritik und originelle Vorschläge« von Yvonne Friedrichs, 6.12.1968, Inv.-Nr.: JBA-Z-1968-12-06 / 89-01. Zeitungsartikel »Trotz Hausverbot wird weitergelidlt« von Karlheinz Welkens, 3.1.1969, Inv.-Nr.: JBA-Z-1969-01-03 / 81-02. Zeitungsartikel o. A., Inv.-Nr.: JBA-Z-1969-01-03 / 81-02. »zur Situation«, Schreiben Immendorffs vom 20.12.1968, Inv.-Nr.: JBA-B-019409. Kiste nicht inventarisierter Dokumente

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documenta Archiv, Kassel Akte Documenta V, Mappe 132 a Akte Documenta V, Mappe 61 Akte Documenta V, Mappe 88

IMEC, Abbeye d’Ardenne, Saint-Germain-la-Blanche-Herbe Fonds Bernard Lamarche-Vadel: Dossier BLV 11.20 Fonds Bernard Lamarche-Vadel: Dossier 20.7

Archiv Philippe Agostini Fotografien und Briefe aus dem Nachlass Gasiorowskis Interviewtranskription 2010

Archiv Colette Portal Fotografien 1979-1983

Archiv Dirk Teuber Fotgrafien und Interviewtranskription 1979

Anhang

7.2 A bbildungsverzeichnis Abbildung 1 Rekonstruktion der Ausstellungsräume der Galerie Adrien Maeght, Hinterhofräume Rue du Bac 46, Paris sowie des Ausstellungs­auf baus »L’Académie Worosis Kiga, observée par Gasiorowski«, 1982 © Theresa Nisters, Antoine Leroux-Girard, 2016

S. 36

Abbildungen 2 und 3 Gérard Gasiorowski, Skizze zum Ausstellungsauf bau in der Galerie Adrien Maeght, Hinterhofräume Rue du Bac 46, Paris 1982, Tinte / Papier, Maße unbekannt, Collection Galerie Maeght S. 36 © Foto Galerie Maeght, Paris Abbildung 4 Gérard Gasiorowski, »Les Classes«: Nº 29: Jacques Monory – Georges Maciunas – Eva Hesse – Stempel 8 Sept. 1980 und Nº 14: Gilbert and George – G. Segal – G. Richter – Stempel 12 Aout 1980, 1975-1981, Büroklammern / Acryl / Tinte / Papier, je 40,5  cm × 162,5  cm, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 37 Abbildung 5 Gérard Gasiorowski, »Les Honneurs«, 1976, Diptychon, Acryl / Tinte / Papier, 67 cm × 68 cm, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 39 Abbildung 6 Gérard Gasiorowski, »Les sujets de l’awk«, 1976-1979, Tinte / Fotokopie, 66 cm × 50 cm, Collection Adrien Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 41

Abbildung 7 Gérard Gasiorowski, »Organigramme«, 1976, Acryl / Tinte / Papier, 40 cm × 33 cm, Collection Adrien Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 42

Abbildung 8 Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »Les Refusés«, 1976-1981, Acryl / Mischtechnik / Papier, 35,5 cm × 26,5 cm, hier zu sehen: Collection Galerie Maeght © Foto Colette Portal S. 43 Abbildung 9 Gérard Gasiorowski, »Les Métronomes«, 1981, siebenteilig, Acryl / Papier, je 35 cm × 27 cm, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 45

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Abbildung 10 Gérard Gasiorowski, »Les carnets de Gasiorowski« (Die Ringbücher des Beobachterberichts), 1976-1981, zwei von insgesamt vier gefüllten Ringbüchern: Ringbuch 1 mit dem korrigierten Pressecommuniqué zur Ausstellung 1982, Ringbuch 2 mit dem Anordnungsschema von »Les Classes«, Tinte / Mischtechnik / Papier, Maße unbekannt, Collection Adrien Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 49 Abbildung 11 Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »OIPAHHO«, 1976-1981, 55 Pakete à 100 Blatt, Acryl / Tinte / Papier, je 38 mm × 47 mm, Collection Galerie Maeght © Foto Colette Portal S. 53 Abbildung 12 Installation shot Ausstellung 1982: Vitrine im dritten Ausstellungsraum: Gérard Gasiorowski, »OIPAHSTRA«, 1976-1981, 22 Pakete à 100 Blatt, Acryl / Tinte / Papier, je 38 mm × 47 mm, Sammlung Galerie Maeght © Foto Colette Portal S. 53 Abbildung 13 Gérard Gasiorowski, »L’Erreur«, 1970, Acryl / Leinwand, 150 cm × 150 cm, Privatsammlung S. 68 © Foto Galerie Maeght, Paris Abbildung 14 Gérard Gasiorowski, »La mort de Sardanapale«, 1972, Acryl / Leinwand, 81 cm × 130 cm, Privatsammlung © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 73

Abbildung 15 Gérard Gasiorowski, »Arc de Triomphe«, 1970, Acryl / Holz, 60 cm × 44,5 cm, Collection Fondation Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 75 Abbildung 16 Gérard Gasiorowski, »Hommage à Malcolm Morley«, 1970-1974 / 1983, dreiteilig, Acryl / Holz, je 60 cm × 44,5 cm, Collection Adrien Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 76

Abbildung 17 Gérard Gasiorowski, »La Guerre«: »Le grand Ensemble«, 1970-1974, mehrteilige Installation, Mischtechnik, Dimensionen variabel, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 80

Anhang

Abbildung 18 Gérard Gasiorowski, »Ma te cri«, 1983, Acryl / Leinwand, 250 cm × 200 cm, Collection Adrien Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 82 Abbildung 19 Gérard Gasiorowski zu Besuch im Atelier Jacques Monorys beim Auslegen seiner Hutzeichnungen, 1976 © Foto Jacques Monory S. 84 Abbildung 20 Gérard Gasiorowski beim Anfertigen des zweiten Ringbuchs im Wohnatelier, Cachan 1980 © Foto Colette Portal

S. 85

Abbildung 21 »Kartenspiel«, Gérard Gasiorowski bei Gilbert Lascault, 1976 Urheber unbekannt

S. 95

Abbildung 22 Robert Filliou, »The Frozen Exhibition«, 1972, 170 Ex., Velours / Holz / Papier, je 20,4 cm × 32 cm, Edition Vice-Verlag, Remscheid © Courtesy the Estate of Robert Filliou and Peter Freeman, Inc. New York / Paris S.  96 Abbildung 23 Christian Boltanski, »C’est le soir, mon père lit son journal«, 1974, Fotografie, 140 cm × 95 cm, 1. Bild des Einakters »Die Strenge des Vaters«, veröffentlicht in: Ausst.-Kat., Recueil de saynètes comiques interprétées par Christian Boltanski, Münster, Westfälischer Kunstverein, 1974 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 S. 101 Abbildung 24 Gérard Gasiorowski, »Chapeau«, 1973-1976, Acryl / Papier / Tinte, 41 cm × 32 cm, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 102

Abbildung 25 Gérard Gasiorowski, »Les Pots et les Fleurs«: Nº 9-10, 1973-1983, Acryl / Papier, 74 cm × 61 cm, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 109

Abbildung 26 Gérard Gasiorowski, »Les Classes«: Auszug aus Nº 43: première année: Griffa, 1975-1981, Acryl / Papier, 37 cm × 30,5 cm, Privatsammlung © Foto Galerie Maeght, Paris S. 109 Abbildung 27 Gérard Gasiorowski, »Les Amalgames«: Nº 74, 1972-1983, Acryl / Papier, 74 cm × 61 cm, Collection Famille Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris

S. 110

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Abbildung 28 Max Ernst, »Der Hut macht den Mann«, 1920, Papiercollage, Bleistift, Tinte und Aquarell auf Papier, 35,6 × 45,7 cm, New York, Museum of Modern Art (MoMA) © 2018. Digital image, The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence S. 113 Abbildung 29 Robert Smithson, »Spiral Jetty«, 1970, Utah, Great Salt Lake © The Estate of Robert Smithson / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

S. 145

Abbildung 30 »LIDL-Klasse« im Flur der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Dezember 1968 © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

S. 152

Abbildung 31 Jörg Immendorff als »Beuysritter«, 1965, Fotografie von Blinky Palermo, Galerie Michael Werner © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & S. 157 New York Abbildung 32 Jörg Immendorff, »Affenplastik«, 2002, Bronze, ca. 205 cm × 145 cm × 150 cm, ehemals Düsseldorf, Graf-Adolf-Platz, inzwischen Privatbesitz S. 163 © Abbildung gemeinfrei Abbildung 33 Jean Ignace Isidore Gérard, gen. Grandville, »Académie de peinture«, Illustration aus: ders., Les métamorphoses du Jour. EA Paris 1829, 048, S. 291v, kolorierte Lithografie, 170 mm × 260 mm, Achenbach Foundation of Graphic Art  S. 164 Abbildung 34 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section XIXème Siècle«, 1968-1969, Detailaufnahme Atelierräume Rue de la Pépinière 30, Brüssel, Fotografie von Maria Gilissen © The Estate of Marcel Broodthaers / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 S. 167 Abbildung 35 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section Cinéma«, 1971-1972, Installationsansicht Burgplatz 12, Düsseldorf, Fotografie von Joaquín Romero Frías © The Estate of Marcel Broodthaers / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 S. 175

Anhang

Abbildung 36 Marcel Broodthaers, »Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, Section des Figures«, 1972, Blick in die Ausstellung »Der Adler vom Oligozän bis heute«, Kunsthalle Düsseldorf, 1972, Fotografie von Maria Gilissen © The Estate of Marcel Broodthaers / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 S. 179 Abbildung 37 Grundriss des »Maus Museums«, abgebildet auf dem Titelblatt des Begleitkatalogs von Claes Oldenburg und Kasper König zum »Maus Museum« auf der fünften documenta, Kassel 1972 © unbekannt

S. 185

Abbildung 38 Innenansicht des »Maus Museums« auf der fünften documenta 1972, Kassel, Neue Galerie, Erdgeschoss © documenta archiv / Claes Oldenburg S. 186 Abbildung 39 Claes Oldenburg, Robert R. McElroy, »The Store«, 1961, Farbfotografie, 21 cm × 28 cm, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien © unbekannt

S. 191

Abbildung 40 Jörg Immendorff, »Alles über den Botschafter«, 1968, sechsteilig, Acryl / Leinwand, je 25 cm × 25 cm, 30 cm × 30 cm oder 30 cm × 35 cm, Galerie Michael Werner © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & S. 205 New York Abbildung 41 Jörg Immendorff, »LIDL-Klotz«, 1967, 32 cm × 14 cm × 6 cm, bemaltes Holz, Nylonschnur, Galerie Michael Werner © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York S. 206 Abbildung 42 Walter Gropius, »Schema zum Auf bau der Lehre am Bauhaus«, 1923, in: Idee und Auf bau des Staatlichen Bauhauses Weimar, Bauhausverlag G.M.B.H. München, 1923, S. 4, Sonderdruck aus: Staatliches Bauhaus Weimar 1919-1923, Weimar 1923, dort S. 10, 25cm × 24,8 cm, Buchdruck auf gelblichem Papier, gelber Kartonumschlag, 12 Seiten, Klammerheftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2018; Bildnachweis: Bauhaus-Archiv Berlin S. 245 Abbildung 43 René Magritte, »La Trahison des images« (Ceci n’est pas une pipe), 1929, Öl / Leinwand, 60,33 cm × 81,12 cm, Los Angeles County Museum of Art © bpk / Los Angeles County Museum of Art / A rt Resource, NY S. 253

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Abbildung 44 Jörg Immendorff, »Hört auf zu malen!«, 1966, Kunstharz / Leinwand, 135 cm × 135 cm, Collection Van Abbemuseum, Eindhoven © The Estate of Jörg Immendorff, Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

S. 263

Abbildung 45 Jörg Immendorff, »Die Lidlstadt nimmt Gestalt an«, 1968, zwölfteilig, Kreide / Holz, je 70 cm × 90 cm, Galerie Michael Werner © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

S. 286

Abbildung 46 Jörg Immendorff, »Lidl-Akademie«, 1969, Papier / Holz / Stempeldruck, 25,4 cm × 24,8 cm × 34,9 cm, Galerie Michael Werner © Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & S. 288 New York Abbildung 47 Jörg Immendorff, »Café Deutschland I«, 1978, Acryl / Leinwand, 282 cm × 320 cm, Sammlung Ludwig, Aachen © The Estate of Jörg Immendorff, Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

S. 290

Abbildung 48 Gérard Gasiorowski, »Organigramme«, Nº 10, 1976, Abbildung im Ausstellungskatalog 1982 

S. 319

Abbildung 49 Gérard Gasiorowski, »Silhouette supposée du professeur Arne Hammer«, 1976, Tinte / Papier, Maße unbekannt, Collection Galerie Maeght © Foto Galerie Maeght, Paris S. 339

Trotz intensiver Recherchen war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Anhang

7.3 D ank Den Anstoß zur vorliegenden Untersuchung lieferte ein Besuch der Ausstellung „Gasiorowski XXe – peintre. Vous êtes fou Gasiorowski, il faut vous ressaisir...“, die im Sommer 2012 in der Fondation Maeght in Saint-Paul de Vence gezeigt wurde. Meinen Entschluss, aus der dort geweckten Neugier ein Promotionsprojekt zu gestalten, verdanke ich Prof. Dr. Stefan Grohé vom Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln, der mich nach meinem Magisterabschluss unentwegt zur Fortsetzung meiner wissenschaftlichen Arbeit ermutigte und das daraus entstandene Projekt fortan begleitete. Ihm gilt für die vielfachen Gespräche, fortwährende Unterstützung und sein Vertrauen in das Forschungsvorhaben mein herzlicher Dank. Ebenso möchte ich Prof. Dr. Philippe Dagen von der Université Paris 1 PanthéonSorbonne und Prof. Dr. Ralph Jessen vom Historischen Institut der Universität zu Köln, die meine Dissertation in einem internationalen und interdisziplinären Rahmen betreuten, danken. Sie bereicherten meine Überlegungen in vielen fruchtbaren Diskussionen durch neue Perspektiven und anregende Fragestellungen. Ebenso gebührt Prof. Dr. Norbert Nußbaum für seine unmittelbare Bereitschaft, der mündlichen Prüfung zum Abschluss meines Promotionsverfahrens vorzusitzen, mein Dank. Das Forschungsvorhaben wäre ohne die Hilfsbereitschaft und Unterstützung vieler Personen und Institutionen nicht zustande gekommen. Vor allem bei der Erschließung des Œuvres Gérard Gasiorowskis war ich auf vielfältige Hilfe angewiesen. Colette Portal möchte ich zuallererst für ihr freundliches Entgegenkommen danken. Sie half mir nicht nur mit ausgiebigen Erläuterungen und Hinweisen im Gespräch, sondern stellte mir mit ihren fotografischen Dokumentationen eine grundlegende Quelle für meine Untersuchung zur Verfügung. Meinen Interviewpartnern Jan Voss, Hervé Télémaque und Michael Nickel danke ich aufrichtig für ihre Gesprächsbereitschaft und ihre wertvollen Auskünfte. In weiteren Gesprächen schenkten mir Olivier Kaeppelin, Michel Mosnier, Gilbert Lascault und François Séguret aufschlussreiche Hinweise zu Leben und Werk Gasiorowskis. Ihnen allen sowie Jacques Monory, der die Veröffentlichung der Arbeit leider nicht mehr erleben kann, und seiner Ehefrau Paule bin ich für ihren offenen Empfang tief verbunden. Dr. Julie Bawin von der Université de Liège danke ich für ihre Aufgeschlossenheit und die anregende Diskussion. Nachdrücklich möchte ich Dr. Dirk Teuber danken, der mit mir die erste Unterhaltung zu meinem Dissertationsvorhaben führte und mein Interesse an dem enigmatischen Werk Gasiorowskis schürte. Mit seinen grundlegenden Informationen sowie seiner Transkription eines Interviews mit dem Künstler stellte er mir grundlegendes Material zur Auseinandersetzung bereit. Mein besonderer Dank gilt Philippe Agostini. Seine Sammlung privater Dokumente und Korrespondenzen des Künstlers waren mir bei meinen Überlegungen eine wichtige Quelle. Die gemeinsame Durchführung von Archivanfragen und Interviews sowie die daraus entstandenen lebhaften Diskussionen waren für die Arbeit von großer Bedeutung. Während meiner Recherchen bin ich im Ludwig Museum Koblenz sowie im Kolumba-Kunstmuseum des Erzbistums Köln auf große Kooperationsbereitschaft getroffen und danke beiden Häusern für den Einblick in ihre Sammlungen. Für ihr lebhaftes Interesse an meiner Untersuchung möchte ich vor allem Dr. Eva-Maria

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Klother und Dr. Stefan Kraus danken. Es war mir eine besondere Freude, eine Serie von „Chapeaux melons“ Gasiorowskis nach meinem Recherchebesuch in der Ausstellung „playing by heart“ des Museums Kolumba 2014 präsentiert zu sehen. Dem Centre Pompidou, der dortigen Bibliothèque Kandinsky und dem Musée d’art Moderne de la Ville de Paris bin ich für die großzügige Möglichkeit zur Einsichtnahme in ihre Archive und Sammlungen dankbar. Des Weiteren danke ich dem Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), dem Joseph Beuys Archiv/ Stiftung Museum Schloss Moyland, vor allem meinen Ansprechpartnern Stephan Arntz und Helga Ullrich-Scheyda, sowie Ilona Lütken vom Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart für den stets freundlichen Empfang und die unkomplizierte Bereitstellung von Quellenmaterial. Für die angenehme Arbeitszeit im documenta archiv Kassel möchte ich insbesondere dessen ehemaligem Direktor Dr. Gerd Mörsch sowie Susanne Rübsam meinen Dank aussprechen. Der Pariser Galerie Maeght und insbesondere ihrer Direktorin Isabelle Maeght bin ich an dieser Stelle zu besonderem Dank verpflichtet. Sie gewährte mir Zugang zu den Archiven der Galerie und steuerte damit einen grundlegenden Beitrag zur vorliegenden Untersuchung bei. Bisher unpublizierte Dokumente gaben mir einen tiefgreifenden Einblick in die Konstruktion der „Académie Worosis Kiga“ und haben zu maßgeblichen Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit geführt. Für die Möglichkeit, diese grundlegenden Recherchen in Paris durchführen zu können, danke ich dem DAAD, der mich zu Beginn meiner Untersuchung mit einem fünfmonatigen Reisestipendium unterstützte. Die weitere Entstehung sowie die Publikation der Dissertation wurde durch ein Promotionsstipendium der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne gefördert. Sie unterstützte mein Promotionsprojekt nicht nur durch finanzielle Zuwendung, sondern gab ihm darüber hinaus einen interdisziplinären und diskussionsfreudigen Rahmen. Vor allem den Mitgliedern der Klasse 5 sei als regelmäßiger, kritischer Ansprechpartner mein Dank ausgesprochen. Abschließend möchte ich mich von ganzem Herzen bei meinen Freunden und meiner Familie für permanente Diskussionsbereitschaft, konstruktive Kritik und den fortwährenden Rückhalt während der Erarbeitung der vorliegenden Untersuchung bedanken. Antoine Leroux-Girard danke ich für die Hilfe bei der grafischen Umsetzung der Ausstellungsrekonstruktion von 1982. Für das abschließende Lektorat des Manuskripts danke ich insbesondere Petra Link, Franziska Knob und Helena Weber. Mein größter Dank gebührt Adrien Leroux-Girard, meinen Geschwistern Clara Grosso und Johannes Nisters, sowie meinen Eltern Dr. Andrea und Josef Nisters. Sie halfen mir durch alle Turbulenzen dieses Lebensabschnitts und waren in Momenten des Zweifels stets an meiner Seite.

Kunst- und Bildwissenschaft Julia Allerstorfer, Monika Leisch-Kiesl (Hg.)

»Global Art History« Transkulturelle Verortungen von Kunst und Kunstwissenschaft 2017, 304 S., kart. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4061-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4061-2

Horst Bredekamp, Wolfgang Schäffner (Hg.)

Haare hören – Strukturen wissen – Räume agieren Berichte aus dem Interdisziplinären Labor Bild Wissen Gestaltung 2015, 216 S., kart., zahlr. farb. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-3272-9 E-Book kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3272-3

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