Die deutsche Thomas-Ausgabe. Band 10 Die Menschlichen Leidenschaften: I–II: 22–48 [1. bis 4 Tausend. Reprint 2022 ed.] 9783112658307, 9783112658291


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German Pages 688 Year 1955

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Table of contents :
Mitarbeiter dieses Bandes
Vorwort
Einleitung
Aufbau des Artikels
Bandeinteilung des ganzen Werkes
DIE MENSCHLICHEN LEIDENSCHAFTEN
22. Frage Der Träger der Leidensehaften der Seele S. 3—14
23. Frage Die Verschiedenheit der Leidenschaften voneinander S. 15—30
24. Frage Gut und Böse in den Leidenschaften der Seele S. 31—44
25. Frage Die Stellung der Leidenschaften zueinander S. 45—60
26. Frage Die Leidenschaften der Seele im besonderen, und zunächst die Liebe S. 61—73
27. Frage Die Ursache der Liebe S. 74—85
28. Frage Die Wirkungen der Liebe S. 86—105
29. Frage Der Haß S. 106—122
30. Frage Die Begierde S. 123—136
31. Frage Die Lust an und für sich S. 137—162
32. Frage Die Ursache der Lust S. 163—187
33. Frage Die Wirkungen der Lust S. 188—200
34. Frage Die Gutheit und Schlechtheit der Lust S. 201—214
35. Frage Schmerz oder Trauer in sich S. 215—247
36. Frage Die Ursache der Trauer oder des Schmerzes S. 248—260
37. Frage Die Wirkungen des Schmerzes oder der Trauer S. 261—273
38. Frage Die Heilmittel der Trauer oder des Schmerzes S. 274—286
39. Frage Gutheit und Schlechtheit von Trauer und Schmerz S. 287—298
40. Frage Die Leidenschaften des überwindenden Strebever mögens, zunächst Hoffnung und Verzweiflung S. 299—320
41. Frage Dir Furcht an sich S. 321—333
42. Frage Der Gegenstand der Furcht S. 334—350
43. Frage Die Ursache der Furcht S. 351—356
44. Frage Die Wirkungen der Furcht S. 357—368
45. Frage Die Kühnheit S. 369—381
46. Frage Der Zorn in sich betrachtet S. 382—406
47. Frage Die Wirkursache des Zornes und seine Heilmittel S. 407—419
48. Frage Die Wirkungen des Zornes S. 420—432
Anmerkungen [1—77]
Kommentar S. 465—618
Einleitung
Erster Teil. Die menschlichen Leidenschaften im allgemeinen (Fr. 22—25)
1. Kapitel: Das Wesen der Leidenschaft (Fr. 22)
2. Kapitel: Abgrenzung der Arten. Ihre innere Zuordnung (Fr. 23 u. 25)
3. Kapitel: Der sittliche Wert der Leidenschaften (Fr. 24)
Zweiter Teil. Die menschlichen Leidenschaften im einzelnen(Fr. 26—48)
Erster Abschnitt Die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens (Fr. 26—39)
Zweiter Abschnitt Die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens (Fr. 40—48)
Ergebnis
Aristotelischer Kommentar
Anhang: Nachträge
Literaturverzeichnis
Alphabetisches Namen- und Sachverzeichnis
Alphabetisches Autorenverzeichnis
Heilige Schrift
INHALTSÜBERSICHT
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Die deutsche Thomas-Ausgabe. Band 10 Die Menschlichen Leidenschaften: I–II: 22–48 [1. bis 4 Tausend. Reprint 2022 ed.]
 9783112658307, 9783112658291

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D I E

D E U T S C H E

T H O MA S -A U S GA B E

Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der

SUMMA

THEOLOGICA

Übersetzt von DOMINIKANERN

UND

DEUTSCHLANDS

BENEDIKTINERN

UND

ÖSTERREICHS

Herausgegeben von der ALBERTUS-MAGNUS-AKADEMIE WALBERBERG

BEI

KÖLN

Hauptschriftleiter: P. H E I N R I C H

M. C H R I S T M A N N

OP

10. B A N D

1955

GEMEINSCHAFTSVER.LAG F. H .

KERLE

HEIDELBERG

VERLAG

STYRIA

GRAZ-WIEN-KÖLN

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DIE MENSCHLICHEN LEIDENSCHAFTEN

Kommentiert von BERNHARD

Z I E R M A N N CssR

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I —II 22 — 48

1955 GEMEINSCHAFTSVERLAG i . H. K E H L E HEIDELBERG

VERLAG

STYRIA

QBAZ-WIKN-KÖLN

Sämtliche

Rechte

für

Sprache

und

die

deutsche

Ausgabe

C o p y r i g h t 1955 by V e r l a g S t y r i a , F.H.Kerle, Das

Imprimatur

norddeutschen

wurde

erteilt

Ordinariat

lateinische

Graz-Wien-Köln,und

Heidelberg vom

Dominikanerprovinz

M. B r a c h t h ä u s e r OP u n d

und

vorbehalten

dem zu

Provinzial P.

Dr.

der

Wunibald

Erzbischöflichen

Salzburg

SCHRIFTLEITER-KOLLEGIUM H a u p t s c h r i f t l e i t e r P. H e i n r i c h M. C h r i s t m a n n OP, S. T h e o 1. L e c t . — P. D r . E b e r h a r d W e l t y OP, R e g e n s Magnus-Akademie

der

Albertus-

z u W a l b e r b e r g . — A r t h . F r i d o l i n U t z OP,

U n i v . - P r o f e s s o r , F r e i b u r g , S c h w e i z . — P. D i e t s c h e OP, S. T h e o 1. L e c t . , W a l b e r b e r g

MITARBEITER

DIESES

Bernward bei

Köln

BANDES

Die E i n l e i t u n g s c h r i e b P. Dr. P a u l u s E n g e l h a r d t OP. — Die Ü b e r s e t z u n g a r b e i t e t e n in G e m e i n s c h a f t P. H e i n r i c h M. C h r i s t m a n n OP u n d P. Dr. B e r n h a r d Z i e r m a n n C s s R . — Die A n m e r k u n g e n b e s o r g t e ein Kollegium

von D o m i n i k a n e r n

zu W a l b e r b e r g . — D e n

s c h r i e b P. D r . B e r n h a r d Z i e r m a n n

C s s R . — Die

Kommentar

Redaktion

des

l a t e i n i s c h e n T e x t e s sowie die V e r z e i c h n i s s e b e s o r g t e n P. C o e l e s t i n D o r l ö c h t e r OP u n d Dr. R u d o l f T a n n h o f in G e m e i n s c h a f t s a r b e i t . — Für den aristotelischen K u r z k o m m e n t a r

S. 619 ff. z e i c h n e t D r . Egi-

nolf R o e d e r v o n D i e r s b u r g

1. b i s 4. T a u s e n d

Einbandentwurf Druck:

von

Prof.

Rudolf

Koch,

Offenbach

Un iv er sit ä t s-B u ch d r u ck er ei „Styria",

Graz

VORWORT Der vorliegende Band gehört zu den umfangreichsten des ganzen Werkes. Die wenigsten werden vermuten, daß Thomas, dieser „Intellektualist", dieser reine „Verstandesmensch", wie man ihn immer noch zu etikettieren beliebt, den menschlichen Leidenschaften einen eigenen und noch dazu einen so umfangreichen, bis in letzte Feinheiten dieses komplizierten Kräftespiels durchgearbeiteten Traktat gewidmet hat. Darin allein schon zeigt sich, welche entscheidende Bedeutung Thomas den Leidenschaften im leib-seelischen Ganzen der menschlichen Natur zuerkennt. Ein Mensch ohne Leidenschaften wäre in seinen Augen ein halber, in der seelischen Entwicklung zurückgebliebener Mensch. So gibt Thomas diesen oft genug verdächtigten und mißkannten sinnen- und gemüthaften Kräften des Menschen ihr von der Natur gefordertes Recht zurück. Einleitung und Kommentar machen das je in ihrer Weise deutlich. Der Kommentar versucht überdies die Verbindungslinien zur modernen Psychologie aufzuweisen. Wieder steht, wie in dem zuletzt erschienenen Band 14, ein Kreuz hinter dem Namen des Kommentators. Gerade hatte P. Dr. Bernhard Ziermann CssR, Professor der Moral am Ordensseminar der Redemptoristen zu Greistingen, seinen Kommentar zu vorliegendem Bande beendet, als er am 7. Dezember 1953 zu Gott heimgerufen wurde. Unser Dank für seine wahrlich nicht leichte Arbeit folgt ihm über das Grab hinaus dorthin, wo alle Leidenschaften von der alles Begreifen übersteigenden göttlichen Liebe abgelöst werden. Walberberg, im Mai 1955. Die S c h r i f t l e i t u n g

(5)

EINLEITUNG Friedrich Nietzsche meinte mit seiner Botschaft vom „Tode Gottes" den Abfall Europas vom christlichen Glauben. In einer Zeit scheinbarer bürgerlicher Sicherheit (1886) prophezeite er, „was alles, nachdem dieser Glaube untergraben ist, nunmehr einfallen muß; weil es auf ihm gebaut, an ihn gelehnt, in ihn hineingewachsen war: zum Beispiel unsere ganze europäische Moral. Diese lange Fülle und Folge von Abbruch, Zerstörung, Untergang, Umsturz, die nun bevorsteht: wer erriete heute schon genug davon, um den Lehrer und Vorausverkünder dieser ungeheuren Logik von Schrekken abgeben zu müssen, den Propheten einer Verdüsterung und Sonnenfinsternis, derengleichen es wahrscheinlich noch nicht auf Erden gegeben hat? . . ." (Die fröhliche Wissenschaft, Nr. 343). Der Abfall von Gott ist der tiefste Grund des Auseinanderfallens der menschlichen Gemeinschaften und der Zerrissenheit des Einzelmenschen. Umgekehrt b e r e i t e t dieses Ause i n a n d e r f a l l e n im Menschlichen weiteren Abfall von G o t t vor. Im Leben der meisten „Christen" stehen bereits aus der Ordnung entlassene übermächtige Kräfte des Begehrens und Zerstörens dem müden und mühsamen Versuch entgegen, eine letzte Grenze zum Verbotenen hin nicht zu überschreiten. Selbst unter den Menschen, die für sich und andere um den Weg zu Gott ringen, sehen nur wenige die große Chance, daß trotz der erbsündlichen Belastung die triebhaften Kräfte des Begehrens und Kämpfens eine Dynamik entfalten können, die froh und stark zu Gott hintreibt. Weil das Schicksal des Menschen sich weitgehend daran entscheidet, in welche Richtung diese untergründige Dynamik gelenkt wird, versucht Thomas in einem seiner umfangreichsten Traktate, Wesen und Gefüge dieser Dynamik in den Blick zu bekommen. Das von Thomas aus reichem, überliefertem Einzelmaterial eigenständig zusammengefügte Ganze der „Leidenschaften" ist kein willkürlich konstruierter „Zusammenstand" (systema), sondern eine dem vielfältigen Phänomen des menschlichen Existierens in der Welt abgewonnene Orientierung. Diese Orientierung ist ontologisch, d. h. sie vollzieht sich innerhalb des Horizontes von Sein und Gutsein (7)

und auf dem Grunde der Unterscheidung von Seins-Möglichkeit und Seins-Erfüllung. Alle Leidenschaften sind getragen von einem Sich-Zuwenden des seinsbedürftigen Menschen gegenüber dem Guten (dem Seienden, dessen ent-sprechende Seinsfülle sich uns als seinsfördernd zu-mutet) und einem Sich-Abwenden gegenüber dem Übel (dem Seienden, dessen Seinsmangel sich uns als seinsmindernd zu-mutet). Diese Orientierung ist e x i s t e n t i a l , d. h. sie vollzieht sich im Horizont der dem menschlichen Existieren eigentümlichen Zeitlichkeit. Die unbegrenzte Seinsbedürftigkeit des endlichen Menschen enthüllt sich als das ständige „Nochnicht" der Zu-kunft, das das immer wieder entschwindende „Schon" der Gegenwart durchherrscht (I-II 23, 4; 25, 4) — und erst in der ewig gegenwärtigen Erfüllung durch das Höchste Gut zum Schweigen kommt. Thomas nennt die Grundbewegung der Hinkehr „Liebe", die Grundbewegung der Abkehr „Haß". Diese Bewegungen zeigen sich gegenüber dem Zu-künftigen als „Sehnsucht" beziehungsweise als „Flucht" (oder „Abscheu", „Ekel"). Das schwer erreichbare zu-künftige Hochziel führt zur „Hoffnung" kämpferischen Seinsverlangens und verführt zur „Verzweiflung" als Aufgeben des Kampfes. Das schwer überwindbare zu-künftige, auf uns zu-kommende Bedrohliche führt zur „Kühnheit" des Angriffs und verführt zur zurückweichenden „Furcht". Ist das schwer überwindbare Bedrohliche bereits zum gegenwärtigen Übel geworden, so ruft es den „Zorn" des Aufbegehrens hervor. Das gegenwärtig erfüllende Gut schenkt (unmittelbar oder nach bestandenem Kampf) die „Freude" (Thomas kennt auch die Freude des Kampfes selbst), das gegenwärtige Übel bringt „Traurigkeit". Nun muß ein gewichtiger Einwand zur Sprache gebracht werden. Wir nennen dieses Gefüge „existential" bzw. die Strukturmomente der Leidenschaften „Existentialien", das heißt Seinscharaktere, die am m e n s c h l i c h e n Existieren (in der Zeitlichkeit) selbst abgesehen sind. 1 Thomas sagt aber ausdrücklich in einer systematischen Übersicht über das Ganze seiner Moraltheologie (I-II Fr. 6 Prolog), die Leidenschaften seien die nicht eigentlich und ausschließlich 1 Vgl. M. Heidegger, Sein und Z e i t 1 9 4 9 , 12. 44; in Hinblick auf Thomas: Norbert Hinske, Der Mensch im Doppelaspekt des Weltentwurfes bei Thomas von Aquin, Diss. phil., Freiburg i.Br. 1955 (Maschinenschrift) 142.

(8)

menschlichen Strebensvollzüge ; vielmehr hätten wir sie mit den „anderen Sinnenwesen", d. h. mit den Tieren „gemeinsam". Er scheint also in der langen Abhandlung nur die tierisch-sinnenhafte Sphäre zu betrachten, die angeblich auch eine niedere Schicht des Menschen sein soll. Damit scheint der oft wiederholte Vorwarf bestätigt, Thomas sehe den Menschen nur „von unten" oder „von oben", nur als „geistbegabtes Tier" oder als „degenerierten Engel", nicht aber von ihm selbst her. Dieser Vorwurf verkennt völlig das analogische Denken des hl. Thomas. Kaum ein anderer Denker hat so stark wie er herausgearbeitet, daß das Sinnliche im Menschen menschlich und nicht tierisch ist und daß der stoffgebundene Geist wesentlich stoffbezogen und kein reiner — einfach schauender oder gar sein Gedachtes produzierender — Geist ist. Auch das verschiedene Verhältnis tierischer und menschlicher Sinnlichkeit zur Zeit hat Thomas gesehen, leider aber nicht näher ausgearbeitet (vgl. etwa I 78, 4 : Bd. 6; Kommentar zu Arist., De memoria et reminiscentia, lect. 2). Allerdings — wer an der T e r m i n o l o g i e des hl. Thomas haften bleibt, kann leicht den Eindruck gewinnen, das Wesen des Menschen sei aus dem, was unter und über ihm ist, zusammengestückt und nicht vom Menschen selbst her ausgelegt.2 Nur wer die (auch in unserem Traktate) zahlreichen Hinweise bedenkt, in denen Thomas menschliche von tierischer Sinnlichkeit absetzt, vermag den „existentialen" Charakter der Lehre von den Leidenschaften zu erkennen. Bedenken wir einen dieser Hinweise ! Thomas spricht I I - I I 141, 4 Zu 3 von der Funktion der äußeren Sinne bei Mensch und Tier. Nahe stehen sie beieinander, wo alles auf die unmittelbare Lust der körperlichen Berührung ( T a s t s i n n ) in der Nahrungsaufnahme und im Bereich des Geschlechtlichen hingeordnet ist. Hier kann der Mensch nur Mensch werden durch Zucht und Maß, dadurch, daß die Triebe der Selbst- und Arterhaltung in eine geistbeherrschte Lebensgestaltung eingeordnet werden. Dagegen sind die „ a n d e r e n S i n n e " des Menschen bereits irgendwie von sich her menschlich (übrigens hat auch der Tastsinn als Sinn forschenden, ,Begreifens" eine eigentümlich menschliche Seite). Während das Tier in seiner Umwelt überhaupt nur das bemerkt, was seiner Selbst- und Arterhaltung zu dienen oder zu schaden vermag, ' Vgl. Hinske, a. a. O., 28.

(9)

und in diesem Umkreis „leidenschaftlich" reagiert, vermag der Mensch, sich am Sinnfälligen der „anderen Sinne" — also am Farbigen, Tönenden, Duftenden und Wohlschmeckenden — „propter sui convenientiam" — „wegen dessen Übereinstimmung" mit seiner schauenden, lauschenden, riechenden und verkostenden Sinnlichkeit zu erfreuen. Im Gesamt der thomasischen Lehre von Welt und Mensch geht der Gedanke noch tiefer: Das Farbige, Tönende, Duftende und Wohlschmeckende käme überhaupt nicht zur Erfüllung seines Seinssinnes, wenn Gott nicht den schauenden, lauschenden, riechenden und verkostenden Menschen in die Welt hinein geschaffen hätte.3 Das Sinnfällige ist also nicht nur — wie es oft auch von Thomisten dargestellt wurde — ein die Erkenntnis erschwerender und mindernder Zugang zum geistig vernehmbaren Gehalt der Dinge, sondern auch die Weise, in der die Dinge selbst uns aufscheinen und aufklingen und deren wir uns freuen sollen. Tatsächlich scheinen uns heutigen Menschen die Dinge selten in der Fülle der uns geschenkten sichtbaren und hörbaren Gestalten auf.4 In unserem Zeitalter des technischrational-sparsamen Denkens ist uns weitgehend das Hören und Sehen vergangen (und wird darum künstlich immer aufdringlicher beansprucht). In der Regel konstatieren wir nur flüchtig die notwendigsten Merkmale, um sofort zu wissen, „worum es sich handelt". Darum ist eine Kunst erstanden, die uns verbirgt, „worum es sich handelt", damit wir erst einmal schauen und hören lernen, wie Farben und Formen, Töne und Rhythmen sich fügen. Darum ist es auch an der Zeit, Wesen und Bedeutung der menschlichen Sinnlichkeit neu zu bedenken. — vor allem aber, sich im Hinschauen und Hinhören neu zu üben. Erst wenn wir uns Dinge und Menschen wachen und offenen Auges und Ohres begegnen lassen, vermögen wir lebendigen Herzens auf ihre An-mutung zu antworten. Wir sprechen hier mit Thomas vom Herzen nicht nur im symbolischen, sondern auch im körperlich-realen Sinne. Er weist immer wieder darauf hin, daß Herz und körperlicher Organismus befreit oder bedrückt (depressiv) die Leidenschaft mit-„erleiden". Jetzt ahnen wir vielleicht, was Leidenschaften im Sinne des hl. Thomas sind: • Vgl. H. M. Christmann OP, lebendige Einheit; Salzburg 1938, 35 ff., 157 f.; Hinske, a. a. O., 96 ff. « „in phantasmatibus"; vgl. I 84, 7; 85,'1 Zu 5; 86, 1: Bd. 6.

(10)

E s sind die Weisen, wie das menschliche Gemüt in der Einheit mit dem G e s a m t o r g a n i s m u s auf die An-mutung der in ihren s i n n f ä l l i g e n Ges t a l t e n aufscheinenden Dinge und Menschen antwortet. Nirgends wird die funktionelle Auswirkung der Seinseinheit von Leib und Seele so deutlich wie in den Leidenschaften. Die einseitig negative Bewertung der Leidenschaften in der „bürgerlich-christlichen" Pseudo-Moral trägt mit Schuld daran, daß der Leib im modernen Auseinanderfallen des Menschen sich aus dieser Einheit löste und in seiner Isolierung zum „fremden Gegenstand" wurde — zur Maschine, die unabhängig vom Rhythmus der Natur und den Erfordernissen des Gemüts mit Kaffee und Zigaretten auf Hochtouren gebracht wird, — zum Objekt der Lust und der Ausbeutung, — zum Gegenstand der Vergötzung und neurotischer Angst, — zur Maske, die das Innere verbirgt. Gerade bei uns Deutschen ist der Leib selten noch unmittelbarer Ausdruck des Inneren. In ursprünglichen Völkern vermag sich alles seelische Erleben — vom Gottesdienst bis zur Totentrauer und überschäumender Lebensfreude — im Tanze leiblich-leidenschaftlich auszuschwingen, im Gesänge auszusingen. Thomas kennt nicht nur dieses naturhafte Zusammenwirken von Leib und Seele; er fordert vom vollmenschlichen Geistesleben, daß ein starkes, vernunftgeleitetes Wollen im Leidenschaftlich-Körperlichen sich äußere, ja, daß der Geist das Wollen bewußt durch Einbildungskraft und sinnliche Urteilskraft und die durch die Funktion dieser inneren Sinne hervorgerufenen Leidenschaften verstärke und verlebendige (24, 3 Zu 1; I 81, 3: Bd. 6; De ver 25, 4). 5 Die sittliche Tugend ist gerade das Gregenteil von saftloser Bravheit und unnatürlicher Triebverdrängung, wenn wir mit Thomas ihre Hauptaufgabe in der Ordnung und positiven Mitbeteiligung des Leidenschaftslebens am sittlichen Handeln sehen. Diese Sicht „wird am deutlichsten in der Tugend der Tapferkeit. Hier ist es geradezu die Aufgabe der Tugend, die Triebemotionen zu stärken, die durch die Erbsünde geschwächt sind, so daß sie vom ,arduum' (dem • Vgl. Stephanus Pfürtner OP, Die sinnlichen Triebkräfte in ihrer Bedeutung für das Tugendleben nach Thomas von Aquin; Freib. Ztschr. f. Phil. u. Theol. 2 (1955) 7 f. Dort Nachweis der Thomas-Steilen.

(11)

schwer erringbaren Hochziel) nicht ablassen, das ihnen von der Vernunft als notwendig zu erstrebendes Ziel vor Augen gestellt wird. Der Tapfere benutzt den Zorn und die gemäßigte Kühnheit, wozu uns Christus selbst ein unleugbares Beispiel gibt. Die höchste Möglichkeit ihrer Teilhabe am Tugendleben aber erfahren die dem Irascibilis (dem zornmütigen Strebevermögen) zugehörigen Emotionskräfte im Einsatz für die Sache Gottes, im Martyrium. Denn ,der vollendetste Akt des Irascibilis besteht darin, selbst den Tod um Christi willen zu überwinden', was im Martyrium geschieht." 6 Hier liegt die These des Thomas zugrunde, daß Zucht und Maß und die Tugend der Tapferkeit nicht nur das Leidenschaftsleben beherrschende Ordnungsmächte sind, sondern in den Kräften des sinnlichen Begehrens und des zornmütigen Aufbegehrens selbst ihre Heimat haben und so das Leidenschaftsleben selbst zur ganzmenschlichen Vollendung führen. 7 In all dem zeigt sich bereits, daß das Gefüge der Leidenschaften nicht das Gefüge einer isolierten „Schicht" im Menschen ist. Aber erst die analogen Entsprechungen der leidenschaftlichen Gemütsbewegungen in höheren Bereichen bringen den ontologischen Charakter dieses Gefüges zur vollen Geltung. Das nur durch die Überwindung von Widerständen hindurch erringbare Hochziel wird in der Lehre von der gotthaften T u g e n d d e r H o f f n u n g zum schlechthin über-menschlichen Hochziel. Dieses Hochziel ist Gott Selbst, der mit menschlicher K r a f t grundsätzlich nicht erreichbare Gegenstand der Glückseligkeit (De spe; I I - I I Fr. 17). Denkt man diesen und andere Ansätze im Werke des hl. Thomas weiter, dann zeigt sich auf dem Grunde des ontisch-existentialen Gefüges der Leidenschaften ein ontologischexistentiales Gefüge von Grundbefindlichkeiten des Menschen in der Welt, d. h. von Weisen, wie wir uns inmitten des Seienden im ganzen, inmitten der Welt befinden. 8 B e v o r sich uns einzelnes Seiendes in der Welt als seinsfördernd oder seinsmindernd zu-mutet, hat unser Gemüt bereits auf die Zu-mutung, überhaupt in der Welt zu sein, geantwortet. V o r der Zuneigung zu Einzelgütern und der Abneigung gegenüber einzelnen Übeln wird das Ganze des Lebens in der • Ebd., 21. ' Vgl. ebd., passim. • Vgl. M. Heidegger, Was ist Metaphysik? • 1949, 27 ff.

(12)

Welt als sinn- und wertvoll oder als sinn- und wertlos erlebt. V o r aller Entscheidung für innerweltliche Hochziele haben wir uns bereits im ganzen entschieden, haben wir uns auf das lockend-beglückende Kommen Gottes eingelassen oder Ihn abgewiesen, so daß Er nur noch als das UnheimlichBedrohliche schlechthin auf uns zu-kommen kann. Die heute so vielberedeten Grundbefindlichkeiten der Angst und der Verzweiflung, die eine so große Rolle in der gegenwärtigen Kunst spielen, sind nicht nur geschickhafte Ereignisse — wenn sie auch als solche vom gläubigen Christen mit-zutragen sind. Sie erwachsen aus freien Antworten auf den geschichtlich immer neu sich vollziehenden Advent Gottes. Darum ist es eine echte — auch der christlichen Kunst aufgegebene — Aufgabe, die unheimliche Angst vor dem drohenden endgültigen Verlust Gottes im Abendlande — den Nietzsche als bereits geschehen verkündet hatte — in der Hoffnung auf Seine Huld und in der demütigen Kühnheit des GläubigVertrauenden zu überwinden.

EINRICHTUNG UND B A N D E I N T E I L U N G DEUTSCHEN THOMAS-AUSGABE

DER

N B . : Um den Leser auch bei Verlust des beiliegenden Lesezeichens über Einrichtung und Einteilung des Gesamtwerkes zu orientieren, geben wir beides jedem Bande an dieser Stelle bei. I. A U F B A U D E S A R T I K E L S

1. Die Titelfrage zum Artikel stammt nicht von Thomas selbst, sondern ist entnommen dem einleitenden Videtur quod non oder Videtur quod. 2. Auf die Titelfrage folgen mehrere, in der Thomas-Literatur als „Objectiones" bezeichnete Argumente, welche die Untersuchung einleiten. In der Übersetzung sind sie mit 1., 2., 3. usw., bei Verweisen mit E . ( = Einwand) bezeichnet. 3. Im „Sed contra" sucht Thomas die den vorausgehenden Argumenten entgegengesetzte These zu begründen und erweist sich durch dieses lebendige Für und Wider, das er in seinen Quaestiones disputatae bis zu je 30 Argumenten für These und Anti-These ausweitet, als echter Aporetiker. Die Übersetzung leitet dieses „Sed contra" ein mit „Anderseits". 4. Mit „Respondeo dicendum" (in der Übersetzung: „Antwort") beginnt der Hauptteil des Artikels, der die eigentliche Lehre des hl. Thomas enthält. 5. Auf die Antwort folgt unter Ad primum, Ad secundum . . . die Lösung der eingangs vorgebrachten Argumente. Sie führt oft den in der „Antwort" entwickelten Gedanken wesentlich weiter. Die Übersetzung leitet sie ein mit Zu 1., Zu 2. usw. 6. Die Angabe der Fundstelle erfolgt in der Übersetzung nur bei Schriftzitaten, und zwar in der heute üblichen Weise. Bei allen anderen Zitaten, in der Regel aus Autoren, die nur dem Wissenschaftler zugänglich sind, gibt die Übersetzung den Namen des Autors, der lateinische Text den Stellennachweis. Abkürzungs- und Literaturverzeichnis am Schluß des Bandes.

(14)

I I . E I N T E I L U N G D E R SUMMA T H E O L O G I C A

I . BUCH Band 1. Band 2.

Frage Frage

1 — 13: 14— 26:

Band Band Band Band

3. 4. 5. 6.

Frage Frage Frage Frage

27— 44— 65— 75—

Band

7.

Frage 90—102:

Band 8.

Frage 103—119:

Band 9. Band 10. Band 11.

1— 21 Frage Frage 22— 48 Frage 49— 70

Band 12. Band 13. Band 14.

Frage 71— 89: Frage 90—105: Frage 106- •114:

Band Band Band Band Band Band

15. 16. 17. 18. 19. 20.

Frage Frage Frage Frage Frage Frage

Band 21. Band 22. Band 23.

Frage Frage Frage

Band 24.

Frage

Band 25. Band 26.

Frage Frage

43 64 74 89

Gottes Dasein und Wesen. Gottes Leben; sein Erkennen und Wollen. Gott, der Dreifaltige. Schöpfung und Engelwelt. Das Sechstagewerk. Wesen und Ausstattung des Menschen. Erschaffung und Urzustand des Menschen. Erhaltung und Regierung der Welt.

I. TEIL ] Ziel und Handeln des Menschen. Die menschlichen Leidenschaften. Grundlagen der menschlichen Handlung. Die Sünde. Das Gesetz. Der Neue Bund und die Gnade.

I I . T E I L D E S I I . BUCHES 1— 16: 17— 33: 34— 56: 57— 79: 80—100: 101—122:

Glaube als Tugend. Hoffnung; Liebe (1. Teil). Liebe (2. Teil); Klugheit. Recht und Gerechtigkeit. Die Tugend der Gottesverehrung. Tugenden des Gemeinschaftslebens. 123—150: Starkmut und Mäßigkeit (1. Teil). 151—170: Mäßigkeit (2. Teil). 171—182: Besondere Gnadengaben und die zwei Wege menschlichen Lebens. 183—189: Stände und Standespflichten. I I I . BUCH 1— 15: 16— 34:

Die Menschwerdimg Christi. Die Auswirkungen der Menschwerdung. Die Gottesmutter. (15)

B a n d 27. B a n d 28. B a n d 29.

Frage 35— 45: Frage 46— 59: Frage 60— 72:

B a n d 30. Band 31.

Frage 73— 83: Frage 84—• 90:

Christi Leben. Christi Leiden und Erhöhung. Die Sakramente. Taufe u n d Firmung. Das Geheimnis der Eucharistie. Das Bußsakrament.

E R G Ä N Z U N G ZUM I I I . B U C H (Supplement) 1— 16: «(Band 31.) Frage B a n d 32. Frage 17— 40:

(Das Bußsakrament.) Schlüsselgewalt der Kirche. Letzte Ölung u n d Priesterweihe. B a n d 33. Frage 41— 54: Die E h e (1. Teil). B a n d 34. Frage 55— 68: Die E h e (2. Teil). B a n d 35. Frage 69— 87: Auferstehung des Fleisches. B a n d 36. Frage 88— 99: Die Letzten Dinge. 1. Zusatzband: Gesamtregister (Personen- und Sachverzeichnis f ü r sämtliche Bände). 2. Zusatzband: Thomas-Lexikon (Wörterbuch der philosophischen u n d theologischen Fachausdrücke u n d E i n f ü h r u n g in die Grundbegriffe des thomistischen Systems).

(16)

DIE

MENSCHLICHEN

LEIDENSCHAFTEN

22. F R A G E

DER TRÄGER DER LEIDENSCHAFTEN DER SEELE Danach sind die Leidenschaften der Seele zu untersuchen, und zwar zuerst im allgemeinen, dann im besonderen. Im allgemeinen sind vier Dinge zu betrachten. Und zwar erstens ihr Träger, zweitens ihr Unterschied, drittens ihr Vergleich miteinander, viertens ihr Wert bzw. ihr Unwert. Zum Ersten ergeben sich drei Einzelfragen: 1. Gibt es in der Seele überhaupt Leidenschaft? 2. Liegt sie mehr im Bereich des Strebens oder des Wahrnehmens ? 3. Findet sie sich mehr im sinnenhaften als im geistigen Strebevermögen, das Wille genannt wird? 1. A R T I K E L Gibt es in der Seele überhaupt

Leidenschaft?

1. Erleiden ist eine Eigentümlichkeit des Stofflichen. Die Seele ist aber nicht aus Stoff und Form zusammengesetzt (I 75, 5 : Bd. 6). Mithin gibt es in der Seele kein Erleiden.

QUAESTIO XXII

D E SUBIECTO PASSIONUM ANIMAE Post hoc considerandum est de passionibus animae : et primo, in generali; secundo, in speciali. I n generali autem, quatuor occurrunt circa eas consideranda : primo quidem, de subjecto earum; secundo, de differentia earum ; tertio, de comparatione earum ad invicem; quarto, de malitia et bonitate ipsarum. Circa primum quaeruntur tria: 1. U t r u m aliqua passio sit in anima. — 2. U t r u m magis in parte appetitiva quam in apprehensiva. — 3. U t r u m magis sit in appetitu sensitivo quam intellectivo, qui dicitur voluntas. ARTICULUS I U t r u m a l i q u a p a s s i o sit in

anima

[3d 15: 2,1 qa 2; Ver 26,1.2]

AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod nulla passio sit in anima. Pati enim est proprium materiae. Sed anima non est composita ex materia et forma, u t in Primo habitum est. Ergo nulla passio est in anima.

1*

3

22, i

2. Leidenschaft ist Bewegung (Aristoteles). Nun wird die Seele aber nicht bewegt (Ders.). Also gibt es in der Seele kein Erleiden. 3. Leidenschaft ist Weg zur Auflösung; denn „jede Leidenschaft führt, wenn sie stärker wird, vom Wesen a b " (Aristoteles). Die Seele aber ist unzerstörbar. Mithin gibt es in der Seele keine Leidenschaft. ANDERSEITS sagt der Apostel Rom 7. 5: „Solange wir noch im Fleische lebten, wirkten die durch das Gesetz geweckten sündhaften Leidenschaften in unsero Gliedern." Sünden aber sind im eigentlichen Sinne in der Seele. Mithin sind auch die Leidenschaften, die als „sündhaft" bezeichnet werden, in der Seele. ANTWORT: ,Erleiden' wird in einem dreifachen Sinne gebraucht. Einmal allgemein, soweit jedes Aufnehmen von etwas ein Erleiden ist, selbst wenn nichts vom Ding weggenommen wird. So könnte man z. B. sagen, die Luft erleide etwas, wenn sie erleuchtet wird. Das ist aber eigentlich mehr ein Vervollkommnetwerden als ein Erleiden. — Sodann spricht man im eigentlichen Sinn von ,Erleiden', wenn etwas aufgenommen und dabei etwas anderes weggenommen wird. Das kann zweifach geschehen. Bisweilen wird nämlich das weggenommen, was dem Ding nicht zuträglich ist. So spricht man von ,Erleiden', wenn der Leib eines Seelewesens QUAESTIO 22,,

2. PRAETEREA, passio est motus, ut dicitur in 3 Physi202 a 25 corum [c. 3]. Sed anima non movetur, ut probatur in 1 de Anima 406 a 12 [c. 3]. Ergo passio non est in anima. S M3. PRAETEREA, passio est via in corruptionem : nam „omnis passio, magis facta, abjicit a substantia", ut dicitur in 145 a 3 libro Topicorum [1. 6, 6]. Sed anima est incorruptibilis. Ergo nulla passio est in anima. SED CONTRA est quod Apostolus dicit, ad Rom. 7: „Cum essemus in carne, passiones peccatorum, quae per legem erant, operabantur in membris nostris." Peccata autem sunt proprie in anima. Ergo et passiones, quae dicuntur „peccatorum", sunt in anima. RESPONDEO dicendum quod ,pati' dicitur tripliciter. Uno modo, communiter, secundum quod omne recipere est pati, etiam si nihil abjiciatur a re : sicut si dicatur aerem pati, quando illuminatur. Hoc autem magis proprie est perfici, quam pati. — Alio modo dicitur pati proprie, quando aliquid recipitur cum alterius abjectione. Sed hoc contingit dupliciter. Quandoque enim abjicitur id quod non est conveniens rei: sicut cum corpus

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gesund wird, weil er die Gesundheit aufnimmt bei gleich- 22,1 zeitiger Beseitigung der Krankheit. •— I n anderer Weise, wenn das Umgekehrte eintritt. So wird das Krankwerden als ,Erleiden' bezeichnet, weil eine Krankheit aufgenommen wird nach Verlust der Gesundheit. Dies ist ,Erleiden' im eigentlichsten Sinne. Denn .Erleiden' wird deshalb so genannt, weil etwas in den Wirkbereich eines Tätigen hineingezogen wird. Das scheint dann am meisten der Fall zu sein, wenn ein Ding das aufgibt, was ihm zukommt. Ähnlich heißt es im ersten Buche ,t)ber Entstehen und Vergehen': Wenn aus Niederem etwas Höheres entsteht, so liegt ein Entstehen schlechthin vor, und nur nebenbei ein Vergehen. Das Umgekehrte aber ist der Fall, wenn aus Höherem etwas Niederes entsteht. 1 In diesem dreifachen Sinne gibt es nun in der Seele tatsächlich ein ,Erleiden'; denn nur sofern etwas aufgenommen wird, sagt man „vom Empfinden und Verstehen, daß es ein Erleiden sei" [Aristoteles]. Ein Erleiden aber, wobei gleichzeitig etwas weggenommen wird, ist nur vorhanden, wenn eine körperliche Veränderung damit verbunden ist. Somit kann Erleiden im eigentlichen Sinn nur außerwesentlich der Seele zukommen, insofern nämlich das [beseelte] Ganze etwas erleidet. Doch gibt es hier einen Unterschied. Wenn nämlich eine solche Veränderung zum Schlimmen hin erQUAESTIO 22,,

animalis sanatur, dicitur pati, quia recipit sanitatem, aegritudine abjecta. — Alio modo, quando e converso contingit: sicut aegrotare dicitur pati, quia recipitur infirmitas, sanitate abjecta. Et hic est propriissimus modus passionis. N a m pati dicitur ex eo quod aliquid trahitur ad agentem: quod autem recedit ab eo quod est sibi conveniens, maxime videtur ad aliud trahi. Et similiter in 1 de Generatione et Corruptione [c. 3]2 dicitur 31g b 3 quod, quando ex ignobiliori generatur nobilius, est generatio sqq. simpliciter, et corruptio secundum quid: e converso autem, quando ex nobiliori generatur ignobilius. Et his tribus modis contingit esse in anima passionem. Nam secundum receptionem tantum, dicitur 3 quod „sentire et intelligere est quoddam pati". Passio autem cum abjectione non est nisi secundum transmutationem corporalem: unde passio proprie dicta non potest competere animae nisi per accidens, inquantum scilicet compositum patitur. Sed et in hoc est diversitas: nam quando hujusmodi transmutatio fit in 1 2 a

Vgl. Bd. 1, Anm. [126], S. 384 ff. Cf. Metaph. 12,2 (1069 b 10). Aristoteles, De AD. 1,5 (410 a 25 sq.).

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22,1 folgt, dann ist darin mehr der eigentliche Sinn von Erleiden gegeben, als wenn sie zum Besseren hin erfolgt. Darum ist Traurigkeit im eigentlicheren Sinne .Leidenschaft' als Fröhlichkeit. Zu 1. Ein Erleiden, wobei etwas weggenommen oder verändert wird, ist eine Eigentümlichkeit des Stofflichen. Daher findet es sich nur in den aus Stoff und Form zusammengesetzten Wesen. Jenes Erleiden dagegen, das nur ein Aufnehmen besagt, ist nicht notwendig an einen stofflichen Wesensträger gebunden, sondern kann in jedem Wesen sein, das sich in [Entwicklungs-] Möglichkeit befindet. Wenn die Seele nun auch nicht zusammengesetzt ist aus Stoff und Form, so hat sie doch etwas von Entwicklungsmöglichkeit in sich, kraft deren ihr ein Aufnehmen und Erleiden zukommt, sofern nämlich das Erkennen ein Erleiden ist (Aristoteles). Zu 2. Erleiden und Bewegtwerden kommt der Seele nicht an sich zu, sondern nur außerwesentlich (Aristoteles). Zu 3. Der Beweis geht von dem Erleiden aus, das mit einer Veränderung zum Schlechteren verbunden ist. Ein derartiges Erleiden allerdings kann der Seele nur außerwesentlich zukommen. An sich kommt es dem [beseelten] Ganzen zu, das zerstörbar ist. Q U A E S T 1 0 22, ,

deterius, magis proprie habet rationem passionis, quam quando fit in melius. Unde tristitia magis proprie est passio quam laetitia. A D P R I M U M ergo dicendum quod pati, secundum quod est cum abjectione et transmutatione, proprium est materiae: unde non invenitur nisi in compositis ex materia et forma. Sed pati prout importât receptionem solam, non est necessarium quod sit materiae, sed potest esse cujuscumque existentis in potentia. Anima autem, etsi non sit composita ex materia et forma, habet tarnen aliquid potentialitatis, secundum quam convenit sibi recipere et pati, secundum quod intelligere pati est, ut dicitur 429 b 25 in 3 de Anima [c. 4]. A D S E C U N D U M dicendum quod pati et moveri, etsi non conveniat animae per se, convenit tarnen ei per accidens, ut in 406 b 5 1 de Anima [c. 3] dicitur. A D T E R T I U M dicendum quod ratio illa procedit de passione quae est cum transmutatione ad deterius. E t hujusmodi passio animae convenire non potest nisi per accidens: per se autem convenit composito, quod est corruptibile.

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2. A R T I K E L Liegt Leidenschaft

mehr im Bezirk des Strebens oder dem des Wahrnehmens ?

1. Das Erste einer Gattung scheint auch das Höchste aller zur selben Gattung gehörenden Dinge und die Ursache der übrigen zu sein (Aristoteles). Nun findet sich Erleiden früher im Bezirk des Wahrnehmens als dem des Strebens. Denn der Strebeteil erleidet nur, wenn ein Erleiden im Wahrnehmungsteil voraufgegangen ist. Mithin ist es mehr im Wahrnebmungsteil als im Strebeteil. 2. Was mehr tätig ist, scheint weniger leidentlich zu sein. Denn Tun ist das Gegenteil von Erleiden. Nun ist aber der strebende Teil mehr tätig als der wahrnehmende. Also scheint Erleiden mehr im wahrnehmenden Teile zu sein. 3. Wie das sinnenhafte Strebevermögen eine Fähigkeit in einem leiblichen Organ ist, so auch das sinnenhafte Wahrnehmungsvermögen. Nun vollzieht sich das Erleiden der Seele, um genau zu reden, entsprechend der leiblichen Veränderung. Mithin findet sich das Erleiden im sinnenhaften Strebevermögen nicht mehr als im sinnenhaften Wahrnehmungsvermögen. Q U A E S T I O 22, J

ARTICULUS II U t r u m passio m a g i s sit in p a r t e a p p e t i t i v a q u a m in a p p r e h e n s i v a [I 8 1 , 1 ; 3d 15: 2,1 qa 2; Ver 26,3; DN 2,4; E t h 2,5]

AD SECTJNDTJM sic proceditur. Videtur quod passio magis sit in p a r t e animae apprehensiva q u a m in p a r t e appetitiva. Quod enim est p r i m u m in quolibet genere, videtur esse maxim u m illorum quae sunt in genere ilio, et causa aliorum, u t dicitur in 2 Metaphysicorum [c. 1; cf. 10, 4], Sed passio prius 993 b 24 invenitur in p a r t e apprehensiva q u a m in p a r t e appetitiva : non i° 5 5 a 1° enim p a t i t u r pars appetitiva, nisi passione praecedente in parte s q q ' apprehensiva. Ergo passio est magis in p a r t e apprehensiva q u a m in p a r t e appetitiva. 2. P R A E T E R E A , quod est magis activum, videtur esse minus passivum: actio enim passioni opponitur. Sed pars appetitiva est magis activa q u a m pars apprehensiva. Ergo videtur quod in p a r t e apprehensiva magis sit passio. 3. P R Ä E T E R E A , sicut appetitus sensitivus est virtus in organo corporali, ita vis apprehensiva sensitiva. Sed passio animae fit, proprie loquendo, secundum transmutationem corporalem. E r g o non magis est passio in p a r t e appetitiva sensitiva q u a m in apprehensiva sensitiva. 7

22, •>

ANDERSEITS sagt Augustinus: „Die Regungen der Seele, die die Griechen pathe, einige von den Unsrigen, wie Cicero, Gemütsstörungen, andere Gemütsbewegungen oder Stimmungen,1 wieder andere, wie im Griechischen, deutlicher Leidenschaften nennen . . ." [1], Daraus geht hervor, daß Leidenschaften der Seele dasselbe sind wie Gemütsbewegungen. Gemütsbewegungen aber gehören offenbar zum strebenden und nicht zum wahrnehmenden Teil des Menschen. Mithin sind auch die Leidenschaften mehr im Strebe- als im Wahrnehmungsteil. A N T W O R T : Wie bereits (Art. 1) gesagt, liegt es im Begriff des Erleidens, daß das Erleidende in den Wirkbereich des Tätigen hineingezogen wird. Nun fühlt sich die Seele aber zu einem Ding hingezogen mehr durch die strebende als durch die wahrnehmende Kraft; denn durch die strebende Kraft tritt sie in Beziehung zu den Dingen, so wie sie in sich sind. Daher sagt der Philosoph, daß „Gut und Übel", die Gegenstände des Strebevermögens, „in den Dingen selber sind". Die wahrnehmende Kraft aber wird zum Wirkliehen nicht hingezogen, wie es in sich ist, sondern sie erkennt es nach dem Abbild, das sie davon in sich hat, bzw. nimmt es in sich auf nach Art ihres eigenen Seins. Deshalb heißt es an der gleichen Stelle, „Wahrheit und Falschheit", die zum BeQ U A E S T I O 22, ,

SED C O N T R A est quod Augustinus dicit, in 9 de Civitate PL Dei [c. 4], quod „motus animi, quod Graeci pathe, nostri autem 41/258 B quidam, sicut Cicero, perturbationes, quidam affectiones vel affectus, quidam vero, sicut in Graeco, expressius passiones voeant". Ex quo patet quod passiones sunt idem quod affectiones. Sed affectiones manifeste pertinent ad partem appetitivam, et non ad apprehensivam. Ergo et passiones magis sunt in appetitiva quam in apprehensiva. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut jam dictum est, in nomine passionis importatur quod patiens trahatur ad id quod est agentis. Magis autem trahitur anima ad rem per vim appetitivam quam per vim apprehensivam. Nam per vim appetitivam anima habet ordinern ad ipsas res, prout in seipsis sunt: unde 1027 b 20 Philosophus dicit, in 6 Metaphysicorum [c. 4], quod „bonum et malum", quae sunt objecta appetitivae potentiae, „sunt in ipsis rebus". Vis autem apprehensiva non trahitur ad rem, secundum quod in seipsa est; sed cognoscit earn secundum inten tionem rei, quam in se habet vel recipit secundum proprium 1027 b 25 modum. Unde et ibidem dicitur quod „verum et falsum", quae 1

8

Über .Stimmungen' vgl. Komm. S. 491.

zirk des Erkennens gehören, „sind nicht in den Dingen, 22, 2 sondern im Geiste" [2], Daraus geht klar hervor, dai^ die Bewandtnis des Erleidens sich mehr auf Seiten des Strebens als auf Seiten des Wahrnehmens vorfindet [3]. Zu 1. Die Dinge im Bereich des Vollkommenen verhalten sich [in bezug auf jenen Grundsatz] genau umgekehrt wie die Dinge im Bereich des Mangels; denn im Bereich des Vollkommenen wird der innere Stärkegrad bemessen nach dem Grade der Annäherung an einen ersten Ursprung. J e näher etwas diesem kommt, um so stärker ist es. So wird z. B. die Lichtstärke eines Leuchtkörpers bemessen nach dem Grad der Annäherung an etwas, das im höchsten Grade leuchtend ist. J e mehr es sich diesem nähert, um so größer ist seine Leuchtkraft [4], Im Bereich des Mangels dagegen wird der Steigerungsgrad nicht gemessen nach der Annäherung an ein Höchstes, sondern nach der Entfernung von einem Vollkommenen, weil darin die Bewandtnis der Beraubung und des Mangels besteht. J e weniger es sich also von jenem Ersten entfernt, um so geringer ist der Mangel. Deswegen findet sich im Anfang immer nur ein kleiner Mangel, der nachher fortschreitend stärker wird. Erleiden aber gehört zum Mangel, weil es zu einem Sein gehört, sofern sich dieses im Zustande der Bedürftigkeit befindet. Darum findet sich in dem, was sich dem ersten Vollkommenen, nämlich Gott, nähert, weniger von der Bewandtnis der Bedürftigkeit und des ErQUAESTIO 22., ad cognitionem pertinent, „non sunt in rebus, sed in mente". Unde patet quod ratio passionis magis invenitur in parte appetitiva quam in parte apprehensiva. AD PRIMUM ergo dicendum quod e contrario se habet in his quae pertinent ad perfectionem, et in his quae pertinent ad defectum. N a m in his quae ad perfectionem pertinent, attenditur intensio per accessum ad unum primum principium, cui quanto aliquid est propinquius, tanto est magis intensum: sicut intensio lucidi attenditur per accessum ad aliquid summe lucidum, cui quanto aliquid magis appropinquat, tanto est magis lucidum. Sed in his quae ad defectum pertinent, attenditur intensio non per accessum ad aliquod summum, sed per recessum a perfecto: quia in hoc ratio privationis et defectus consistit. Et ideo quanto minus recedit a primo, tanto est minus intensum: et propter hoc, Semper in principio invenitur parvus defectus, qui postea procedendo magis multiplicatur. Passio autem ad defectum pertinet: quia est alicujus secundum quod est in potentia. TJnde in his quae appropinquant primo perfecto, scilicet Deo, invenitur parum de ratione potentiae et passionis:

2 10

9

2 leidens, und in anderen Dingen entsprechend mehr. Und so findet sich auch in der höheren Seelenkraft, nämlich der wahrnehmenden, weniger von der Bewandtnis des Erleidens. Zu 2. Die Strebekraft wird deshalb in höherem Maße .tätig' genannt, weil sie in höherem Maße Ursprungsgrund der äußeren Handlung ist. Und das ist sie gerade aus dem Grund, weil sie in höherem Maße leidentlich ist, nämlich wegen ihrer Hinordnung auf das Wirkliche, wie es in sich ist. Durch die äußere Handlung nämlich gelingt es uns, die Dinge selbst [5] zu erreichen. Zu 3. Ein Organ der Seele kann auf zweifache Weise verändert werden (I 78, 3: Bd. 6). Einmal durch eine ,geistige' Veränderung, sofern es das Abbild eines Wirklichen aufnimmt. Das finden wir an sich in der Betätigung der sinnenhaften Wahrnehmungskraft. So erfährt das Auge vom Sichtbaren her eine Veränderung; nicht, als ob es selbst gefärbt würde, sondern so, daß es einen Farbeindruck aufnimmt. Es gibt indes noch eine andere natürliche Organveränderung, sofern ein Organ in seinem natürlichen Zustand verändert wird, z. B. wenn es warm oder kalt wird oder sonst eine ähnliche Veränderung an sich erfährt. Eine derartige Veränderung steht nur in einem unwesentlichen Bezug zur Betätigung der sinnenhaften Wahrnehmungskraft, z. B. wenn das Auge infolge des angestrengten Hinsehens ermüdet oder QUAESTIO 22,, in. aliis autem consequenter, plus. Et sie etiam in priori vi animae, scilicet apprehensiva, invenitur minus de ratione passionis. AD SECUNDUM dicendum quod vis appetitiva dicitur esse magis activa, quia est magis prineipium exterioris actus. Et hoc habet ex hoc ipso ex quo habet quod sit magis passiva, scilicet ex hoc quod habet ordinem ad rem ut est in seipsa: per actionem enim exteriorem pervenimus ad consequendas res. AD TERTIUM dicendum quod, sicut in Primo dictum est, dupliciter Organum animae potest transmutari. Uno modo, transmutatione spirituali, secundum quod reeipit intentionem rei. Et hoc per se invenitur in actu apprehensivae virtutis sensitivae: sicut oculus immutatur a visibili, non ita quod coloretur, sed ita quod reeipiat intentionem coloris. Est autem alia naturalis transmutatio organi, prout Organum transmutatur quantum ad suam naturalem dispositionem: puta quod calefit aut infrigidatur, vel alio simili modo transmutatur. Et hujusmodi transmutatio per accidens se habet ad actum apprehensivae virtutis sensitivae: puta cum oculus fatigatur

10

durch den übermäßigen Reiz des sichtbaren Gegenstandes 22, 3 zerstört wird. Aber zur Betätigung des sinnenhaften Strebevermögens gehört eine derartige Veränderung wesentlich. Deshalb setzt man in die Begriffsbestimmung der Regungen des Strebeteils als stoffliche Bestimmung irgendeine natürliche Organveränderung. So heißt es: „Zorn ist ein Aufwallen des Blutes zur Herzgegend" [Aristoteles] [6]. Daraus geht hervor, daß die Bewandtnis von Leidenschaft sich mehr in der Betätigung des sinnenhaften Strebe- als in der des sinnenhaften Wahrnehmungsvermögens findet, obwohl beide Betätigungen eines leiblichen Organs sind. 3. A R T I K E L Findet sich Leidenschaft mehr im sinnenhaften Strebevermögen, das Wille genannt

als im wird?

geistigen

1. Dionysius sagt: „Hierotheus ist durch göttliche Eingebung belehrt worden, indem er das Göttliche nicht bloß studierend erlernte, sondern leidend erlebte." 1 Nun kann aber das Erleiden des Göttlichen nicht in den Bereich der sinnenhaften Strebekraft fallen, deren Gegenstand das sinnenfällige Q U A E S T 1 0 22,

3

ex forti intuitu, vel dissolvitur ex vehementia visibilis. Sed ad actum appetitus sensitivi per se ordinatur hujusmodi transmutatio: unde in definitione motuum appetitivae partis, materialiter ponitur aliqua naturalis transmutatio organi; sicut dicitur [De An. 1, l] 2 quod „ira est accensio sanguinis circa cor". 403 a Unde patet quod ratio passionis magis invenitur in actu sensitivae virtutis appetitivae, quam in actu sensitivae virtutis apprehensivae, licet utraque sit actus organi oorporalis. ARTICULUS III U t r u m p a s s i o sit m a g i s in a p p e t i t u s e n s i t i v o quam i n t e l l e c t i v o , qui dicitur v o l u n t a s [I 20,1 ad I; 3 d 15: 2,1 qa 2; 4 d 49: 3,1 qa 2 ad 1; Ver 26,3; Eth 2.5]

A D TERTIUM sie proceditur. Videtur quod passio non magis sit in appetitu sensitivo quam in appetitu intellectivo. Dicit enim Dionysius, 2 cap. de Divinis Nominibus, quod PG Hierotheus ,,ex quadam doctus est diviniore inspiratione, non 3 ' 6 7 3 solum discens, sed etiam patiens divina". Sed passio divinorum non potest pertinere ad appetitum sensitivum, cujus objectum 1 2

2*

Vgl. I 1, 6 Zu 3: Bd. 1. Cf. Joan. Bamascenus, De Fide Orth. 2,16 (PG 94/932 D).

11

22, 3 Gut ist. Also gibt es ein Erleiden ebenso im geistigen Strebevermögen wie im sinnenhaften. 2. Je mächtiger das Tätige, um so stärker das Erleiden. Nun ist aber der Gegenstand des geistigen Strebevermögens, nämlich das allumfassende Gut, mächtiger in seiner Kraft als der Gegenstand des sinnenhaften Strebevermögens, der nur ein Teilgut ist. Mithin findet sich die Bewandtnis des Erleidens mehr im geistigen Strebevermögen als im sinnenhaften. 3. Freude und Liebe werden als Leidenschaften angesehen. Diese finden sich jedoch [auch] im geistigen Strebevermögen und nicht bloß im sinnenhaften. Sonst würden sie in der Hl. Schrift nicht Gott und den Engeln zugeschrieben. Also sind die Leidenschaften im sinnenhaften Strebevermögen nicht mehr als im geistigen. ANDERSEITS sagt Johannes von Damaskus, wo er die seelischen Leidenschaften beschreibt: „Leidenschaft ist eine Bewegung des sinnenhaften Strebevermögens bei der Vorstellung von Gut oder Übel; anders ausgedrückt: Leidenschaft ist eine Regung des vernunftlosen Seelenteils durch das Wittern von Gut oder Übel" [7], A N T W O R T : Wie bereits (Art. 1) gesagt, findet sich ErQUAESTIO

22,,

est bonum sensibile. Ergo passio est in appetitu intellectivo, sicut et in sensitivo. 2. P R A E T E R E A , quanto activum est potentius, tanto passio est fortior. Sed objectum intellectivi appetitus, quod est bonum universale, est potentius activum quam objectum appetitus sensitivi, quod est bonum particulare. Ergo ratio passionis invenitur magis in appetitu intellectivo quam in appetitu sensitivo. 3. P R A E T E R E A , gaudium et amor passiones quaedam esse dicuntur. Sed haec inveniuntur in appetitu intellectivo, et non solum in sensitivo: alioquin non attribuerentur in Scripturis Deo et angelis. Ergo passiones non magis sunt in appetitu sensitivo quam in intellectivo. VG SED C O N T R A est quod Damascenus dicit, in 2 libro [De ''^941 A Fide Orth. 2, 22],1 describens animales passiones: „Passio est motus appetitivae virtutis sensibilis in imaginatione boni vel mali. Et aliter: Passio est motus irrationalis animae per suspicionem2 boni vel mali." R E S P O N D E O dicendum quod, sicut jam dictum est, passio Cf. Nemesius, De Xat. Hom., c. 16 (PG 40/673 B). ' P : susceptionem. 1

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leiden im eigentlichen Sinne dort, wo eine körperliche Ver- 22, 3 Änderung vorliegt. Diese findet sich nun freilich bei den Betätigungen des sinnenhaften Strebevermögens; und nicht bloß als ,geistige', wie sie vorkommt bei der sinnenhaften Wahrnehmung [8], sondern auch als naturwirkliche [ ^ k ö r perliche] Veränderung. Bei der Betätigung des geistigen Strebevermögens jedoch braucht keine körperliche Veränderung einzutreten, weil ein derartiges Streben nicht an ein Körperorgan gebunden ist [9]. Daraus erhellt, daß die Bewandtnis des Erleidens im eigentlichen Sinne sich mehr in der Betätigung des sinnenhaften Strebevermögens findet als in der Betätigung des geistigen, wie auch aus den angeführten Begriffsbestimmungen des Damaszeners [vgl. Anderseits] klar hervorgeht. Z u 1. „Erleiden des Göttlichen" wird dort das Ergriffensein durch das Göttliche und die Verbindung mit ihm durch die Liebe genannt. Das geschieht aber ohne körperliche Veränderung. Zu 2. Die Größe des Erleidens hängt nicht allein von der Kraft des Einwirkenden ab, sondern auch von der Leidefähigkeit des Erleidenden. Denn was in hohem Maße leidefähig [10] ist, erleidet viel auch von Dingen mit geringer Wirkkraft. Mag also auch der Gegenstand des geistigen Strebevermögens wirkkräftiger sein als der des sinnenhaften, so ist doch das sinnenhafte Strebevermögen in höherem Grade leidefähig. Q U A E S T I O 22,

proprie invenitur ubi est transmutatio corporalis. Quae quidem invenitur in actibus appetitus sensitivi; et non solum spiritualis, sicut est in apprehensione sensitiva, sed etiam naturalis. In actu autem appetitus intellectivi non requiritur aliqua transmutatio corporalis: quia hujusmodi appetitus non est virtus alicujus organi. Unde patet quod ratio passionis magis proprie invenitur in actu appetitus sensitivi quam intellectivi; ut etiam patet per definitiones Damasceni [ib.] inductas. AD PRIMUM ergo dicendum quod „passio divinorum" ibi dicitur affectio ad divina, et conjunctio ad ipsa per amorem: quod tarnen fit sine transmutatione corporali. A D SECUNDUM dicendum quod magnitudo passionis non solum dependet ex virtute agentis, sed etiam ex passibilitate patientis: quia quae sunt bene passibilia, multum patiuntur etiam a parvis activis. Licet ergo objectum appetitus intellectivi sit magis activum quam objectum appetitus sensitivi, tarnen appetitus sensitivus est magis passivus.

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22, 3

Zu 3. Wenn Liebe, Freude u. dgl. Gott oder den Engeln oder den Menschen nach ihrem geistigen Strebevermögen zugeschrieben werden, so bezeichnen sie eine einfache Willensbetätigung, mit ähnlicher Wirkung, aber frei von Leidenschaft. Daher sagt Augustinus: „Die heiligen Engel strafen ohne Zorn, wie sie auch helfen ohne Leidempfindung für das Elend. Und doch wendet man die Namen dieser Leidenschaften nach Art der menschlichen Ausdrucksweise auch auf sie an, nämlich wegen einer gewissen Ähnlichkeit in den Werken, nicht wegen der Erregungen mit ihrer Unvollkommenheit. ' ' Q U A E S T I O 22, „

AD T E R T I U M dicendum quod amor et gaudium et alia hujusmodi, cum attribuuntur Deo vel angelis, aut hominibus secundum appetitimi intellectivum, significant simplicem actum voluntatis cum similitudine effectus, absque passione. Unde PL dicit Augustinus, 9 de Civitate Dei [c. 5] : „Sancti angeli et sine 41/261B ; r a puniunt, et sine miseriae compassione subveniunt. E t tarnen istarum nomina passionimi, consuetudine locutionis humanae, etiam in eos usurpantur, propter quandam operum similitudinem, non propter affectionum infirmitatem."

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23. F R A G E

DIE VERSCHIEDENHEIT DER LEIDENSCHAFTEN VONEINANDER Danach sind die Leidenschaften in ihrer Verschiedenheit voneinander zu untersuchen. Hierzu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Sind die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens verschieden von denen des überwindenden? 2. Entspricht die Gegensätzlichkeit in den Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens dem Gegensatz von Gut und Übel? 3. Gibt es eine Leidenschaft ohne Gegensatz? 4. Gibt es artmäßig verschiedene Leidenschaften im gleichen Vermögen, die nicht in Gegensatz zueinander stehen? [11] 1. A R T I K E L Sind die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens verschieden von denen des überwindenden?

1. Leidenschaften der Seele sind solche [Gemütsbewegungen], „denen Freude und Trauer folgt" (Aristoteles). Freude und Trauer aber sind im begehrenden Vermögen. Mithin

QUAESTIO XXIII

D E D I F F E R E N T I A PASSIONUM A B INVICEM Deinde considerandum est de passionum differentia ab invicem. E t circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum passiones quae sunt in concupiscibili, sint diversae ab his quae sunt in irascibili. — 2. Utrum contrarietas passionum irascibilis sit secundum contrarietatem boni et mali. — 3. Utrum sit aliqua passio non habens contrarium. — 4. Utrum sint aliquae passiones différentes specie, in eadem potentia, non cOntrariae ad invicem. ARTICULUS I U t r u m p a s s i o n e s q u a e s u n t in c o n c u p i s c i b i l i , s i n t d i v e r s a e a b h i s q u a e s u n t in i r a s c i b i l i [Ver 26, 4]

AD P R I M U M sic proceditur. Videtur quod passiones eaedem sint in irascibili et in concupiscibili. Dicit enim Philosophus in 2 Ethicorum [c. 4], quod passiones animae sunt ,,quas 1105 b 23 sequitur gaudium et tristitia". Sed gaudium et tristitia sunt in

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23, l finden sich alle Leidenschaften im begehrenden Vermögen. Nicht sind also die einen im begehrenden, die anderen im überwindenden. 2. Zu dem Schriftwort Mt 13, 33 ,Das Himmelreich ist gleich einem Sauerteig' sagt Hieronymus: „In der Vernunft mögen wir die Klugheit besitzen, im überwindenden Strebevermögen den Haß hegen gegen die Laster, im begehrenden das Verlangen nach den Tugenden." Der Haß aber ist ebenso wie die Liebe, deren Gegensatz er ist, im begehrenden Strebevermögen. Also ist die gleiche Leidenschaft im begehrenden und überwindenden Strebevermögen. 3. Leidenschaften und Handlungen unterscheiden sich der Art nach entsprechend ihren Gegenständen. Nun haben aber die Leidenschaften des überwindenden und begehrenden Strebe Vermögens dieselben Gegenstände, nämlich Gut und Übel. Mithin sind die Leidenschaften des überwindenden und begehrenden Strebevermögens die gleichen. ANDERSEITS : Die Tätigkeiten verschiedener Vermögen sind der Art nach verschieden, wie Sehen und Hören. Das überwindende und begehrende Strebevermögen aber sind zwei Fähigkeiten, die das sinnenhafte Streben aufteilen (I 81, 2: Bd. 6). Da also die Leidenschaften Bewegungen des sinnenhaften Strebevermögens sind (22, 3), werden die Leidenschaften, die im überwindenden Strebevermögen sind, der Art nach andere sein als die, die im begehrenden sind. QUAESTIO 23,,

concupiscibili. Ergo omnes passiones sunt in concupiscibili. Non ergo sunt aliae in irascibili, et aliae in concupiscibili. 2. PRAETEREA, Matth. 13 super illud, .Simile est regnum caeloram fermento' etc., dicit Glossa [ord.] Hieronymi 1 : „In ratione possideamus prudentiam, in irascibili odium vitiorum, in concupiscibili desiderium virtutum." Sed odium est in concupiscibili, sicut et amor, cui contrariatur, ut dieitur in 2 Topicorum 113 b 2 [c. 7]. Ergo eadem passio est in concupiscibili et irascibili. 3. PRAETEREA, passiones et actus differunt specie secundum objecta. Sed passionum irascibilis et concupiscibilis sunt eadem objecta, scilicet bonum et malum. Ergo eaedem sunt passiones irascibilis et concupiscibilis. SED CONTRA, diversarum potentiarum actus sunt specie diversi, sicut videre et audire. Sed irascibilis et concupiscibilis sunt duae potentiae dividentes appetitum sensitivum, ut in Primo dictum est. Ergo, cum passiones sint motus appetitus sensitivi, ut supra dictum est, passiones quae sunt in irascibili, erunt aliae secundum speciem a passionibus quae sunt in concupiscibili. 1

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In Matth. 13,33 Hb, 2 (PL 26/91 C).

ANTWORT: Die Leidenschaften, die im überwindenden 23,1 und begehrenden Vermögen sind, unterscheiden sich der Art nach. Da nämlich die verschiedenen Vermögen verschiedene Gegenstände haben (I 77, 3: Bd. 6), müssen sich auch die Leidenschaften der verschiedenen Vermögen auf verschiedene Gegenstände richten. Deshalb unterscheiden sich noch viel eher die Leidenschaften verschiedener Vermögen der Art nach. Es wird nämlich eine größere Verschiedenheit des Gegenstandes verlangt, wenn die Art der Vermögen verschieden sein soll, als wenn nur die Art der Leidenschaften oder Betätigungen verschieden ist. Wie nämlich in der Natur die Verschiedenheit der Gattung aus der Verschiedenheit der stofflichen Voraussetzungen folgt, die Verschiedenheit der Art aber auf der Verschiedenheit der Form bei gleichem Stoff beruht, so ist es auch bei den Tätigkeiten der Seele. Tätigkeiten, die aus verschiedenen Vermögen hervorgehen, sind nicht nur der Art, sondern sogar der Gattung nach verschieden; Tätigkeiten dagegen oder Leidenschaften, die sich auf verschiedene Einzelgegenstände beziehen, die ihrerseits unter einem gemeinsamen Gegenstand eines und desselben Vermögens zusammengefaßt sind, unterscheiden sich nur wie Arten jener Gattung. Um also zu erkennen, welche Leidenschaften im überwindenden und welche im begehrenden Strebevermögen sind, muß man den Gegenstand der beiden Vermögen heranQ U A E S T I O 23,

t

RESPONDEO dicendum quod passiones quae sunt in irascibili et in concupiscibili, differunt specie. Cum enim diversae potentiae habeant diversa objecta, ut in Primo dictum est, necesse est quod passiones diversarum potentiarum ad diversa objecta referantur. Unde multo magis passiones diversarum potentiarum specie differunt: major enim differentia objecti requiritur ad diversificandam speciem potentiarum, quam ad diversificandam speciem passionum vel actuum. Sicut enim in naturalibus diversitas generis consequitur diversitatem potentiae materiae, diversitas autem speciei diversitatem formae in eadem materia; ita in actibus animae, actus ad diversas potentias pertinentes, sunt non solum specie, sed etiam genere diversi; actus autem vel passiones respicientes diversa objecta specialia comprehensa sub uno communi objecto unius potentiae, differunt sicut species illius generis. Ad cognoscendum ergo quae passiones sint in irascibili, et quae in concupiscibili, oportet assumere objectum utriusque 17

i ziehen. Im ersten Buche (I 81, 2: Bd. 6) ist aber gesagt worden, der Gegenstand des begehrenden Strebevermögens sei das sinnenfällige Gut oder Übel schlechthin, nämlich das Lustvolle oder Schmerzbereitende. Bisweilen jedoch stößt die Seele notwendig auf Schwierigkeiten oder sie hat zu kämpfen, wenn sie ein solches Gut erreichen oder ein Übel vermeiden will, nämlich dann, wenn dieses auf die eine oder andere Weise über die einfache Kraft des Seelewesens hinausgeht. Deshalb ist das Gut oder Übel, soweit es die Bewandtnis des Mühevollen und Schwierigen hat, Gegenstand des überwindenden Strebevermögens. Alle Leidenschaften also, die auf ein Gut oder Übel schlechthin zielen, gehören zum begehrenden Strebevermögen, wie Freude, Trauer, Liebe, Haß und ähnliche. Alle Leidenschaften jedoch, die es mit einem Gut oder Übel als etwas Mühevollem zu tun haben, sofern sein Erreichen bzw. Vermeiden mit Schwierigkeit verbunden ist, gehören zum überwindenden Strebevermögen, wie Tapferkeit, Furcht, Hoffnung und dergl. [12], Z u 1. Wie im ersten Buch (ebd.) gesagt wurde, ist den Seelewesen die Überwindungskraft gegeben, um Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die das Begehren hindern, nach seinem Gegenstand zu streben wegen der Schwierigkeit, das Gut zu erreichen bzw. das Übel zu meistern. Deshalb enden QUAESTIO 23, t potentiae. Dictum est autem in Primo quod objectum potentiae concupiscibilis est bonum vel malum sensibile simpliciter acceptum, quod est delectabile vel dolorosum. Sed quia necesse est quod interdum anima difficultatem vel pugnam patiatur in adipiscendo aliquod hujusmodi bonum, vel fugiendo aliquod hujusmodi malum, inquantum hoc est quodammodo elevatum supra facilem potestatem animalis; ideo ipsum bonum vel malum, secundum quod habet rationem ardui vel difficilis, est objectum irascibilis. Quaecumque ergo passiones respiciunt absolute bonum vel malum, pertinent ad concupiscibile; ut gaudium, tristitia, amor, odium, et similia. Quaecumque vero passiones respiciunt bonum et malum sub ratione ardui, prout est 1 adipiscibile vel fugibile cum aliqua difficultate, pertinent ad irascibilem; ut audacia, timor, spes, et hujusmodi. A D PRIMUM ergo dicendum quod, sicut in Primo dictum est, ad hoc vis irascibilis data est animalibus, ut tollantur impedimenta quibus concupiscibilis in suum objectum tendere prohibetur, vel propter difficultatem boni adipiscendi, vel propter difficultatem mali superandi. Et ideo passiones irasci1

18

Ii addit: aliquid.

sämtliche Leidenschaften des überwindenden Strebevermö- 23,1 gens letztlich in denen des begehrenden. Demnach folgt auch auf die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens Freude und Trauer, die im begehrenden Strebevermögen sind. Zu 2. Den Haß gegen die Laster schreibt Hieronymus dem überwindenden Strebevermögen zu, nicht wegen der Bewandtnis des Hasses, der im eigentlichen Sinne dem begehrenden Strebevermögen zukommt, sondern wegen des Niederringens, das zum überwindenden Strebevermögen gehört. Zu 3. Soweit ein Gut lustvoll ist, setzt es das begehrende Streben in Bewegung. Sobald aber ein Gut dem Erreichen irgendwelche Schwierigkeiten entgegensetzt, widerstreitet es aus eben diesem Grunde dem begehrenden Strebevermögen. Deshalb mußte notwendig noch ein anderes Vermögen vorhanden sein, das darauf [nämlich auf das „Steilgut"] zielte. Dasselbe gilt für das Übel. Und dieses Vermögen ist das Überwindungsvermögen. Folglich unterscheiden sich der Art nach die Leidenschaften des begehrenden und des überwindenden Strebevermögens. QÜAESTIO

23, ¡.

bilis omnes terminantur ad passiones concupiscibilis. E t seeundum hoc, etiam passiones quae sunt in irascibili, consequitur gaudium et tristitia, quae sunt in concupiscibili. AD SECUNDUM dicendum quod odium vitiorum attribuit Hieronymus irascibili, non propter rationem odii, quae proprie competit concupiscibili; sed propter impugnationem, quae pertinet ad irascibilem. AD T E R T I U M dicendum quod bonum inquantum est delectabile, movet concupiscibilem. Sed si bonum habeat quandam difficultatem ad adipiscendum, ex hoc ipso habet aliquid repugnans concupiscibili. E t ideo necessarium fuit esse aliam potentiam quae in illud tenderet. E t eadem ratio est de malis. E t haec potentia est irascibilis. Unde ex consequenti passiones1 concupiscibilis et irascibilis specie differunt. 1

P : species.

19

23, 2

2. A R T I K E L Entspricht die Gegensätzlichkeit in den Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens dem Gegensatz von Gut und Übel?

1. Die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens sind auf die Leidenschaften des begehrenden hingeordnet (Art. 1 Zu 1). Nun kennen die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens nur einen Gegensatz entsprechend der Gegensätzlichkeit von Gut und Übel, wie Liebe und Haß, Freude und Trauer; also auch die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens. 2. Die Leidenschaften unterscheiden sich nach den Gegenständen, wie die Bewegungen nach ihren Zielpunkten. In den Bewegungen aber gibt es eine Gegensätzlichkeit nur auf Grund eines Gegensatzes in den Zielpunkten (Aristoteles). Also gibt es auch in den Leidenschaften eine Gegensätzlichkeit auf Grund eines Gegensatzes in den Gegenständen. Der Gegenstand des Strebens aber ist das Gut bzw. das Übel. Mithin kann in keinem Strebevermögen ein anderer Gegensatz der Leidenschaften vorkommen als der, der dem von Gut und Übel entspricht. 3. „Jede Leidenschaft der Seele wird bemessen nach dem Grade ihrer Hinkehr und Abkehr" (Avicenna). Nun wird Q U A E S T I O 23, ,

ARTICULUS II U t r u m contrarietas passionum irascibilis sit s e c u n d u m c o n t r a r i e t a t e m boni et m a l i [3 d 26: 1,3; Ver 26,4]

A D SECUNDUM sic proceditur. Yidetur quod contrarietas passionum irascibilis non sit nisi secundum contrarietatem boni et mali. Passiones enim irascibilis ordinantur ad passiones concupiscibilis, ut dictum est. Sed passsiones concupiscibilis non contrariantur nisi secundum contrarietatem boni et mali; sicut amor et odium, gaudium et tristitia. Ergo nec passiones irascibilis. 2. PRAETEREA, passiones differunt secundum objecta; sicut et motus secundum terminos. Sed contrarietas non est in motibus nisi secundum contrarietatem terminorum, ut patet 226 b 26 in 5 Physicorum [c. 3. 5]. Ergo neque in passionibus est con229 a 7 trarietas nisi secundum contrarietatem objectorum. Objectum sq9 ' autem appetitus est bonum vel malum. Ergo in nulla potentia appetitiva potest esse contrarietas passionum nisi secundum contrarietatem boni et mali. 3. PRAETEREA, „omnis passio animae attenditur secundum accessum et recessum", ut Avicenna dicit, in Sexto de

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Hinkehr aber verursacht durch das Gut, Abkehr dagegen 23, 2 durch das Übel. Denn wie „gut ist, was alle Wesen erstreben" (Aristoteles), so ist schlecht, was alle Wesen fliehen. Also kann eine Gegensätzlichkeit in den Leidenschaften der Seele nur auf Grund von Gut und Übel bestehen. ANDERSEITS: Furcht und Kühnheit sind Gegensätze (Aristoteles). Aber Furcht und Kühnheit unterscheiden sich nicht auf Grund von Gut und Übel, weil beide nur in bezug auf irgendwelche Übel vorkommen. Mithin geht nicht jede Gegensätzlichkeit in den Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens auf den Gegensatz von Gut und Übel zurück. ANTWORT: Leidenschaft ist eine Art von Bewegung (Aristoteles). Darum muß man die Gegensätzlichkeit in den Leidenschaften auffassen nach Art der Gegensätzlichkeit in den Bewegungen oder Veränderungen. Es gibt aber eine doppelte Gegensätzlichkeit in den Veränderungen und Bewegungen (Aristoteles): eine, die der Hinkehr bzw. Abkehr von demselben Zielpunkt entspricht; und dieser Gegensatz kommt im eigentlichen Sinne der Veränderung zu, d. h. dem Entstehen, das eine Veränderung zum Sein hin ist, und dem Vergehen, das eine Veränderung vom Sein weg ist. Dann gibt Q U A E S T I O 23,»

Naturalibus [De Anima 2, 3]. Sed accessus causatur ex ratione boni, recessus a u t e m ex ratione mali: quia sicut „ b o n u m est quod omnia a p p e t u n t " , u t dicitur in 1 Ethicorum [c. 1], ita malum est quod omnia fugiunt. Ergo contrarietas in passionibus animae non potest esse nisi secundum bonum et malum. SED CONTRA, timor et audacia sunt contraria, u t p a t e t in 2 Ethicorum [c. 7]. 1 Sed timor et audacia non differunt seeundum bonum et m a l u m : quia u t r u m q u e est respectu 2 malorum. Ergo non omnis contrarietas passionum irascibilis est secundum contrarietatem boni et mali. R E S P O N D E O dicendum quod passio quidam motus est, u t dicitur in 3 Physicorum [c. 3]. Unde oportet contrarietatem passionum accipere secundum contrarietatem m o t u u m vel m u t a t i o n u m . E s t a u t e m duplex contrarietas in mutationibus vel motibus, u t dicitur in 5 Physicorum [c. 5]. U n a quidem secundum accessum et recessum a b eodem termino: quae quidem contrarietas est proprie mutationum, idest generationis, qua« est m u t a t i o ad esse, et corruptionis, quae est mutatio ab 1 2

Cf. Rhet. 2,5 (1383 a 16). L addit: aliquorum.

21

1094 a 3

1107 a 33

202 a 25 229 a 7 "li-

2 es eine andere gemäß der Gegensätzlichkeit in den Zielpunkten selbst. Das ist im eigentlichen Sinne der Gegensatz der Bewegungen; wie das Weißmachen, das in einer Bewegung vom Schwarzen zum Weißen hin besteht, dem Schwarzmachen entgegengesetzt ist, das eine Bewegung vom Weißen zum Schwarzen hin ist. Demnach findet sich in den Leidenschaften der Seele eine doppelte Gegensätzlichkeit: eine gemäß dem Gegensatz in den Gegenständen, nämlich von Gut und Übel, eine andere aber gemäß der Hin kehr und Abkehr vom gleichen Zielpunkt. Und zwar findet sich in den Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens nur die erste Gegensätzlichkeit, nämlich die gemäß den Gegenständen; dagegen in den Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens finden sich beide. Der Grund dafür liegt darin, weil der Gegenstand des begehrenden Strebevermögens, wie oben (Art. 1) gesagt wurde, das sinnenhafte Gut bzw. Übel schlechthin ist. Das Gut aber, sofern es gut ist, kann nicht Endpunkt sein, von dem man sich abwendet, sondern nur Zielpunkt, dem man sich nähert. Denn kein Wesen flieht das Gut, sofern es gut ist, sondern alle Wesen erstreben es. Ähnlich erstrebt kein Wesen das Übel, sofern es ein Übel ist, sondern alle Wesen fliehen es. Deswegen hat das Übel nicht die Bewandtnis eines Zieles, auf das man zugeht, sondern bloß eines Endpunktes, von dem man sich entfernt. So geht also jede Leidenschaft des begehrenden Vermögens, bei der es sich um ein Gut QUAESTIO 23,, esse. Alia autem secundum contrarietatem terminorum, quae proprie contrarietas est motuum: sicut dealbatio, quae est motus a nigro in album, opponitur denigrationi, quae est motus ab albo in nigrum. Sic igitur in passionibus animae duplex contrarietas invenitur: una quidem secundum contrarietatem objectorum, scilicet boni et mali; alia vero secundum accessum et recessum ab eodem termino. I n passionibus quidem concupiscibilis invenitur prima contrarietas tantum, quae scilicet est secundum objecta: in passionibus autem irascibilis invenitur utraque. Cujus ratio est quia objectum concupiscibilis, ut supra dictum est, est bonum vel malum sensibile absolute. Bonum autem, inquantum bonum, non potest esse terminus ut a quo, sed solum ut ad quem: quia nihil refugit bonum inquantum bonum, sed omnia appetunt ipsum. Similiter nihil appetit malum inquantum hujusmodi, sed omnia fugiunt ipsum: et propter hoc, malum non habet rationem termini ad quem, sed solum termini a quo. Sic igitur omnis passio concupiscibilis respectu boni, est ut in

22

handelt, auf dieses zu, z. B . Liebe, Sehnsucht, F r e u d e ; jede 23, 2 Leidenschaft desselben Vermögens dagegen, bei der es sich u m ein Übel h a n d e l t , v o n diesem weg, wie H a ß , F l u c h t oder Abscheu u n d T r a u e r . Deshalb k a n n in den Leidenschaften des begehrenden Vermögens keine Gegensätzlichkeit bestehen auf G r u n d von H i n k e h r oder A b k e h r v o m selben Gegenstand. Gegenstand des ü b e r w i n d e n d e n Vermögens dagegen ist das s i n n e n h a f t e G u t bzw. Übel, n i c h t schlechthin freilich, sondern soweit es schwer u n d mühevoll ist (Art. 1). D a s mühevolle oder schwierige G u t aber h a t es in sich, d a ß m a n zu i h m h i n s t r e b t , soweit es ein G u t ist, u n d das gehört zur Leidenschaft der H o f f n u n g : bzw. d a ß m a n sich v o n i h m abwendet, soweit es mühevoll u n d schwierig ist, u n d das gehört zur Leidenschaft der Verzweiflung. Ähnlich h a t ein großes Übel es in sich, d a ß m a n es meiden m u ß , sofern es ein Übel ist, u n d das gehört zur Leidenschaft der F u r c h t ; es h a t es indes a u c h in sich, d a ß m a n darauf zugeht als auf etwas schwer zu Bewältigendes, u m so der Überwältigung d u r c h das Übel zu e n t g e h e n ; u n d so ist es Gegenstand der K ü h n h e i t . Wir finden also in den Leidenschaften des Überwindungs-. Vermögens die Gegensätzlichkeit v o n G u t u n d Schlecht, u n d das ist die v o n H o f f n u n g u n d F u r c h t ; ebenso die v o n Hinkehr u n d A b k e h r in bezug auf denselben Zielpunkt, u n d das ist jene von K ü h n h e i t u n d F u r c h t . D a m i t ist die Lösung der E i n w ä n d e gegeben. QUAESTIO 23, , ipsum, sicut amor, desideriumet gaudium: omnis vero passio ejus respectu mali, est ut ab ipso, sicut odium, fuga seu abominatio, et tristitia. Unde in passionibus concupiscibüis non potest esse contrarietas secundum accessum et recessum ab eodem objecto. Sed objectum irascibilis est sensibile bonum vel malum, non quidem absolute, sed sub ratione difficultatis vel arduitatis, ut supra dictum est. Bonum autem arduum sive difficile habet rationem ut in ipsum tendatur, inquantum est bonum, quod pertinet ad passionem spei; et ut ab ipso recedatur, inquantum est arduum vel difficile, quod pertinet ad passionem desperationis. Similiter malum arduum habet rationem ut vitetur, inquantum est malum, et hoc pertinet ad passionem timoris: habet etiam rationem ut in ipsum tendatur, sicut in quoddam arduum, per quod scilicet aliquid evadit subjectionem mali, et sie tendit in ipsum audacia. Invenitur ergo in passionibus irascibilis contrarietas secundum contrarietatem boni et mali, sicut inter spem et timorem: et iterum secundum accessum et recessum ab eodem termino, sicut inter audaciam et timorem. Et per hoc patet responsio AD OBIECTA. 23

3. A R T I K E L Gibt es eine Leidenschaft

ohne

Gegensatz?

1. Jede Leidenschaft der Seele ist nach dem oben (Art. 1) Gesagten entweder im überwindenden oder im begehrenden Strebevermögen. Nun weisen aber beide Gruppen, jede auf ihre Weise, eine Gegensätzlichkeit auf. Mithin hat jede Leidenschaft der Seele ihren Gegensatz. 2. Jede Leidenschaft der Seele hat entweder ein Gut oder ein Übel zum Gegenstand. Diese sind allgemein Gegenstand des strebenden Teiles [der Seele]. Nun steht aber der Leidenschaft, deren Gegenstand ein Gut ist, die Leidenschaft gegenüber, deren Gegenstand ein Übel ist. Mithin hat jede Leidenschaft einen Gegensatz. 3. Jede Leidenschaft der Seele hat die Bewandtnis einer Hinkehr oder Abkehr (Art. 2). Nun ist aber jeder Hinkehr eine Abkehr entgegengesetzt, und umgekehrt. Also hat jede Leidenschaft der Seele einen Gegensatz. ANDERSEITS: Der Zorn ist eine Leidenschaft der Seele. Nun wird aber für den Zorn keine gegensätzliche Leidenschaft angenommen (Aristoteles). Also hat nicht jede Leidenschaft einen Gegensatz. ANTWORT: Das Eigenartige bei der Leidenschaft des Q U A E S T I O 23, ,

Utrum

ARTICULUS III sit aliqua passio animae habens contrarium

non

[Infra 46,1 ad 2; 3 d 26: 1,3; Ver 26,4]

A D TERTIUM sie proceditur. Videtur quod omnis passio animae habeat aliquid contrarium. Omnis enim passio animae vel est in irascibili vel in concupiscibili, sicut supra dictum est. Sed utraeque passiones habent contrarietatem suo modo. Ergo omnis passio animae habet contrarium. 2. PRAETEREA, omnis passio animae habet vel bonum vel malum pro objecto, quae sunt objecta universaliter appetitivae partis. Sed passioni cujus bonum est objectum opponitur passio cujus objectum est malum. Ergo omnis passio habet contrarium. 3. PRAETEREA, omnis passio animae est secundum accessum vel recessum, ut dictum est. Sed cuilibet accessui contrariatur recessus, et e converso. Ergo omnis passio animae habet contrarium. SED CONTRA, ira est quaedam passio animae. Sed nulla 1125 b 26 passio ponitur contraria irae, ut patet in 4 Ethicorum [c. 11]. sqq. Ergo non omnis passio habet contrarium. RESPONDEO dicendum quod singulare est in passione irae, 24

Zornes ist gerade dies, daß sie keinen Gegensatz haben kann, 23, 3 weder auf Grund von Hinkehr und Abkehr noch auf Grund des Gegensatzes zwischen Gut und Übel. Denn verursacht wird der Zorn durch ein schwer zu überwindendes Übel, das bereits da ist. I n seiner Gegenwart muß entweder das Streben erlahmen, — dann geht es nicht über die [Grenzen der] Traurigkeit, die eine Leidenschaft des begehrenden Vermögens ist, hinaus; oder aber das Streben regt sich, um gegen das verletzende Übel anzugehen, — dann haben wir es mit Zorn zu tun. Eine Regung zur Flucht aber kann das Streben nicht haben, weil das Übel schon als gegenwärtig oder vergangen unterstellt wird. Und so ist der Bewegung des Zornes gemäß dem Gegensatz von Hinkehr und Abkehr tatsächlich keine Leidenschaft entgegengesetzt. Ähnlich verhält es sich damit bezüglich des Gegensatzes von Gut und Übel. Denn dem schon vorhandenen Übel ist das bereits erlangte Gut entgegengesetzt, das nicht mehr die Bewandtnis des Mühevollen oder Schwierigen haben kann. Auch nach der Erreichung des Gutes bleibt keine andere Bewegung mehr übrig, sondern es tritt eine Beruhigung des Strebens im erreichten Gut ein. Das aber erweckt Freude, die eine Leidenschaft des begehrenden Vermögens ist. Darum kann die Zornesregung keine gegensätzliche Seelenregung haben. Ihr steht vielmehr nur noch das Aufhören der Bewegung gegenüber. So sagt der Philosoph: Q U A E S T I O 23,

3

quod non potest habere contrarium, neque secundum accessum et recessum, neque secundum contrarietatem boni et mali. Causatur enim ira ex malo difficili jam injacente. Ad cujus praesentiam, necesse est quod aut appetitus succumbat, et sie non exit terminos tristitiae, quae est passio concupiscibilis: aut habet motum ad invadendum malum laesivum, quod pertinet ad iram. Motum autem ad fugiendum habere non potest: quia malum jam ponitur praesens vel praeteritum. Et sie motui irae non contrariatur aliqua passio secundum contrarietatem accessus et recessus. Similiter etiam nec secundum contrarietatem boni et mali. Quia malo jam injacenti opponitur bonum jam adeptum: quod jam non potest habere rationem ardui vel difficilis. Nec post adeptionem boni remanet alius motus, nisi quietatio appetitus in bono adepto: qua« pertinet ad gaudium, quod est passio concupiscibilis. Unde motus irae non potest habere aliquem motum animae contrarium, sed solummodo opponitur ei cessatio a motu:

25

23, 4 „Sich beruhigen ist dem Zürnen entgegengesetzt." Das ist aber kein ausschließender Gegensatz, sondern entweder völlige Verneinung oder Ausfallserscheinung. Daraus ergibt sich die Lösung der Einwände. 4. A R T I K E L Gibt es innerhalb des gleichen Vermögens Leidenschaften, die der Art nach verschieden sind, ohne zugleich in Gegensatz zueinander zu stehen?

1. Die Leidenschaften der Seele unterscheiden sich nach ihren Gegenständen. Die Gegenstände der Leidenschaften aber sind Gut und "Übel; wie diese stehen auch die Leidenschaften in [ausschließendem] Gegensatz zueinander. Mithin gibt es unter den Leidenschaften desselben Vermögens, die nicht in Gegensatz zueinander stehen, keinen Artunterschied. 2. Der Artunterschied ist ein Unterschied nach der Wesensform. Aber jede Unterscheidung gemäß der Wesensform beruht auf irgendwelchem Gegensatz (Aristoteles). Also unterscheiden sich die Leidenschaften desselben Vermögens, die nicht in Gegensatz zueinander stehen, auch nicht der Art nach. QUAESTIO 23,.

1380 a 5 sicut Philosophus dicit, in sua Rhetorica [1. 2, 3], quod ,,mitescere opponitur ei quod est irasci", quod non est oppositum contrarie, sed negative vel privative. E t per hoc p a t e t responsio A D OBIECTA. A R T I C U L U S IV U t r u m sint a l i q u a e p a s s i o n e s d i f f é r e n t e s specie, in e a d e m p o t e n t i a , n o n c o n t r a r i a e a d i n v i c e m [3 d 26:1,3; Ver 26,4; Eth 2,5]

A D Q U A R T U M sic proceditur. Videtur quod non possint in aliqua potentia esse passiones specie différentes, et non contrariae a d invicem. Passiones enim animae différant secundum objecta. Objecta a u t e m passionum animae sunt bonum et malum, secundum quorum differentiam passiones h a b e n t contrarietatem. Ergo nullae passiones ejusdem potentiae, non habentes contrarietatem a d invicem, differunt specie. 2. P R A E T E R E A , differentia speciei est differentia secund u m formam. Sed omnis differentia secundum formam, est secundum aliquam contrarietatem, u t dicitur in 10 Meta1058 a 6 physicorum [c. 8]. Ergo passiones ejusdem potentiae quae non sQQ- sunt contrariae, non differunt specie.

26

3. Jede Leidensehaft besteht in der Hinkehr auf ein Gut 23, 4 oder in der Abkehr von einem Übel. Danach muß offenbar jede Unterscheidung der Leidenschaften beruhen entweder auf dem Unterschied von Gut und Übel oder auf dem Unterschied von Hinkehr und Abkehr oder [wenigstens] auf der größeren oder geringeren Hinkehr oder Abkehr. Nun unterstellen aber die beiden ersten Unterscheidungen einen Gegensatz in den Leidenschaften der Seele (Art. 2). Die dritte Unterscheidung jedoch ändert nicht die Art, weil es sonst unendlich viele Arten von Leidenschaften gäbe. Mithin kann es nicht sein, daß die Leidenschaften desselben Seelenvermögens sich der Art nach unterscheiden, ohne Gegensätze zu sein. ANDERSEITS : Liebe und Freude unterscheiden sich der Art nach und sind beide im begehrenden Vermögen. Dennoch sind sie einander nicht entgegengesetzt. J a , noch mehr, die eine ist Ursache der anderen. Also gibt es einige Leidenschaften desselben Vermögens, die sich der Art nach unterscheiden, ohne doch Gegensätze zu sein. ANTWORT: Die Leidenschaften unterscheiden sich gemäß den wirkkräftigen Dingen [13], die eben Gegenstände der Leidenschaften sind. Der Unterschied unter den wirkkräftigen Dingen aber kann auf doppelte Weise bestimmt werden: einmal gemäß der Art oder der Natur des WirkQ U A E S T I O 23, ,

3. PRAETEREA, cum omnis passio animae consistât in accessu vel recessu ad bonum vel ad malum, necesse videtur quod omnis differentia passionum animae sit vel secundum differentiam boni et mali; vel secundum differentiam accessus et recessus; vel secundum majorem vel minorem aecessum aut recessum. Sed primae duae differentiae inducunt contrarietatem in passionibus animae, ut dictum est. Tertia autem differentia non diversificat speciem : quia sie essent infinitae species passionum animae. Ergo non potest esse quod passiones ejusdem potentiae animae différant specie, et non sint contrariae. SED CONTRA, amor et gaudium différant specie, et sunt in concupiscibili. Nec tarnen contrariantur ad invicem: quin potius unum est causa alterius. Ergo sunt aliquae passiones ejusdem potentiae quae différant specie, nec tarnen 1 sunt contrariae. RESPONDEO dicendum quod passiones différant secundum activa, quae sunt objecta passionum animae. Differentia autem activoram potest attendi dupliciter : uno modo, se1

L om.

27

i kräftigen selbst, so wie z. B. das Feuer sich unterscheidet vom Wasser. Dann gemäß der verschiedenen Wirkkraft. Die Verschiedenheit des Wirkkräftigen oder Bewegenden, was die Kraft zum Bewegen anlangt, kann aber bei den Leidenschaften aufgefaßt werden nach Art der Wirkkräfte in der Natur. Denn alles, was bewegt, zieht das Erleidende gewissermaßen zu sich hin oder stößt es von sich fort. Wenn es das Erleidende an sich zieht, bewirkt es darin ein Dreifaches. Erstens gibt es ihm eine Neigung oder Eignung, zu ihm hinzustreben; z. B. wenn ein leichter Körper, der oben ist, dem von ihm erzeugten Körper die Leichtigkeit verleiht, wodurch dieser die Neigung oder Eignung dazu erhält, oben zu sein. Zweitens, wenn ein neu gezeugter Körper außerhalb des ihm eigenen Ortes ist, verleiht es ihm die Bewegung hin zu seinem Ort. Drittens gibt es ihm das Ruhen, sobald er an seinem Ort angekommen ist, weil aus demselben Grunde etwas an seinem Orte ruht, wodurch es sich zu dem Ort hinbewegte. Und ähnlich muß man die Ursache des Zurückstoßens verstehen. Bei den Bewegungen des strebenden Teiles hat nun das Gut gleichsam eine anziehende, das Übel dagegen eine abstoßende Kraft. Das Gut bringt also zunächst im Strebevermögen eine gewisse Neigung oder Eignung oder natürQUAESTIO 23. , cundum speciem vel naturam ipsorum activorum, sicut ignis differt ab aqua; alio modo, secundum diversam virtutem activam. Diversitas autem activi vel motivi quantum ad virtutem movendi, accipi potest in passionibus animae secundum similitudinem agentium naturalium. Omne enim movens trahit quodammodo ad se patiens, vel a se repellit. Trahendo quidem ad se, tria facit in ipso. Nam primo quidem, dat ei inclinationem vel aptitudinem ut in ipsum tendat: sicut cum corpus leve, quod est sursum, dat levitatem corpori generato, per quam habet inclinationem vel aptitudinem ad hoc quod sit suxsum. Secundo, si corpus generatum est extra locum proprium, dat ei moveri ad locum. Tertio, dat ei quiescere, in locum cum pervenerit: quia ex eadem causa aliquid quiesc't in loco, per quam movetur 1 ad locum. Et similiter intelligendum est de causa repulsionis. In motibus autem appetitivae partis, bonum habet quasi virtutem attractivam, malum autem virtutem repulsivam. Bonum ergo primo quidem in potentia appetitiva causat 1

28

L: movebatur.

liehe Verwandtschaft zum Guten hervor, was zur Leiden- 23, 4 schaft der Liebe gehört, der als Gegensatz auf Seiten des Übels der Haß entspricht. — Zweitens, wenn das Gut noch nicht fester Besitz ist, gibt es der Leidenschaft die Bewegung auf das geliebte Gut hin, um es zu erreichen. Das ist dann die Leidenschaft der Sehnsucht oder der Begierde. Und umgekehrt gibt es auf Seiten des Übels die Flucht oder den Abscheu. •— Drittens, wenn das Gut erreicht ist, gibt es ein gewisses Ruhen des Strebevermögens im erlangten Gut, und das gehört zur Lust oder zur Freude, denen auf Seiten des Übels Schmerz oder Trauer gegenübersteht. In den Leidenschaften des überwindenden Vermögens wird die Eignung oder Neigung, das Gut zu erstreben bzw. das Übel zu fliehen, vom begehrenden Vermögen her vorausgesetzt, das seinerseits auf das Gut oder Übel schlechthin geht. Hinsichtlich eines noch nicht erreichten Gutes entsteht so Hoffnung bzw. Verzweiflung; hinsichtlich eines noch nicht vorliegenden Übels Furcht bzw. Kühnheit. Hinsichtlich eines schon erreichten Gutes aber gibt es im überwindenden Vermögen keine Leidenschaft, weil jenes [das erreichte Gut] nicht mehr die Bewandtnis des Mühevollen hat (Art. 3). Aber aus einem schon vorliegenden Übel folgt die Leidenschaft des Zornes. So tritt also klar zutage, daß im begehrenden Vermögen QUAESTIO 23,, quandam inclinationem, seu aptitudinem, seu connaturalitatem ad bonum: quod pertinet ad passionem amoris. Cui per contrarium respondet odium, ex parte mali. — Secundo, si bonum sit nondum habitum, dat ei motum ad assequendum bonum amatum: et hoc pertinet ad passionem desiderii vel concupiscentiae. Et ex opposito, ex parte mali, est fuga vel abominatio. — Tertio, cum adeptum fuerit bonum, dat appetitui 1 quietationem quandam in ipso bono adepto: et hoc pertinet ad deleetationem vel gaudium. Cui opponitur ex parte mali, dolor vel tristitia. In passionibus autem irascibilis, praesupponitur quidem aptitudo vel inclinatio ad prosequendum bonum vel fugiendum malum, ex concupiscibili, quae absolute respicit bonum vel malum. Et respectu boni nondum adepti, est spes et desperatio. Respectu autem mali nondum injacentis, est timor et audacia. Respectu autem boni adepti, non est aliqua passio in supra irascibili: quia jam non habet rationem ardui, ut dictum est. Sed ex malo jam injacenti, sequitur passio irae. Sic igitur patet quod in concupiscibili sunt tres conjugationes 1

L: appetitua.

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4 drei Leidenschaftspaare auftreten, nämlich Liebe und Haß, Sehnsucht und Flucht, Freude und Trauer. Ahnlich gibt es auch im überwindenden Vermögen drei, nämlich Hoffnung und Verzweiflung, Furcht und Kühnheit, und Zorn, dem keine andere Leidenschaft gegenübersteht. Mithin gibt es insgesamt elf der Art nach verschiedene Leidenschaften, sechs im begehrenden und fünf im überwindenden Vermögen. I n dieser Aufzählung sind sämtliche Leidenschaften der Seele enthalten [14]. Daraus ergibt sich die Lösung der Einwände. Q U A E S T I O 23,4

passionum : scilicet amor et odium, desiderium et fuga, gaudium et tristitia. Similiter in irascibili sunt tres: scilicet spes et desperatio, timor et audacia, et ira, cui nulla passio opponitur. Sunt ergo omnes passiones specie differentes undecim, sex quidem in concupiscibili, et quinque in irascibili; sub quibus omnes passiones animae continentur. Et per hoc patet responsio A D OBIECTA.

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24. F R A G E

24,1

GUT UND BÖSE IN DEN LEIDENSCHAFTEN DER SEELE Danach ist Gut und Böse in den Leidenschaften der Seele zu betrachten. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Kann sich sittlich Gutes und Schlechtes in den Leidenschaften finden? 2. Ist jede Leidenschaft sittlich schlecht? 3. Vermehrt oder vermindert jede Leidenschaft die Gutheit bzw. Schlechtheit einer Handlung? 4. Ist irgendeine Leidenschaft ihrer Art nach gut oder schlecht? 1. A R T I K E L Kann sich sittlich Gutes und Schlechtes in den finden ?

Leidenschaften

1. Das sittlich Gute und Schlechte ist eine Eigentümlichkeit des Menschen. „Die Sitten werden nämlich im eigentlichen Sinne als ,menschliche' bezeichnet" (Ambrosius). Nun sind aber die Leidenschaften nicht den Menschen eigentüm-

Q U A E S T I O XXIV

D E BONO ET MALO I N ANIMAE PASSIONIBUS Deinde considerandum est de bono et malo circa passiones animae. Et circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum bonum et malum morale possit in passionibus animae inveniri. — 2. Utrum omnis passio animae sit mala moraliter. —- 3. Utrum omnis passio addat, vel diminuat, ad bonitatem vel malitiam actus. — 4. Utrum aliqua passio sit bona vel mala ex sua specie. ARTICULUS I U t r u m bonum et malum morale possit in p a s s i o n i b u s a n i m a e i n v e n i r i [2 d 36 a 2; Mal 10,1 ad 1; 12,2 ad 1; 12,3]

AD PRIMUM sie proceditur. animae sit bona vel mala moraliter. est proprium hominis: „mores" mani", ut Ambrosius dicit, super

Videtur quod nulla passio Bonum enim et malum morale enim „proprio dicuntur huLucam [Prol.l. Sed passiones PL

15/1532 C

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24, l lieh, sondern sind ihm mit anderen Seelewesen gemein. Also ist keine Leidenschaft der Seele sittlich gut oder schlecht. 2. Das Gute oder Schlechte des Menschen ist: „vernunftgemäß" oder „vernunftwidrig" sein (Dionysius). Nun sind aber die Leidenschaften der Seele nicht in der Vernunft, sondern im sinnenhaften Strebevermögen (22, 3). Mithin gehören sie nicht zum Guten oder Schlechten des Menschen, das in der sittlichen Ordnung liegt. 3. „Nach den Leidenschaften werden wir weder gelobt noch getadelt" (Aristoteles), sondern nach dem sittlich Guten oder Schlechten [in uns] ernten wir Lob und Tadel. Also sind die Leidenschaften nicht sittlich gut oder schlecht. ANDERSEITS sagt Augustinus, wo er von den Leidenschaften spricht: „Schlecht sind sie, wenn die Liebe schlecht ist, gut, wenn sie gut ist." ANTWORT: Die Leidenschaften können zweifach betrachtet werden: Einmal an sich; dann, soweit sie der Herrschaft der Vernunft und des Willens unterstehen. Werden sie also an sich betrachtet, sofern sie nämlich Regungen des vernunftfreien Strebevermögens sind, so ist in ihnen nichts sittlich Gutes oder Schlechtes, weil das von der Vernunft abhängt (18, 5: Bd. 9). Werden sie dagegen betrachtet, soQUAESTIO 24,,

S

^797 A

1105 b 31

PL 41/410 D

non sunt propriae hominum, sed sunt etiam aliis animalibus eommunes. Ergo nulla passio animae est bona vel mala moraliter. 2. PRAETEREA, bonum vel malum hominis est „secundum rationem esse", vel „praeter rationem esse", ut Dionysius dicit, 4 cap. de Divinis Nominibus. Sed passiones animae non sun * ' n ratione, sed in appetitu sensitivo, ut supra dictum est. Ergo non pertinent ad bonum et malum hominis, quod est bonum morale. 3. PRAETEREA, Philosophus dicit, in 2 Ethicorum [c. 4], quod „passionibus neque laudamur neque vituperamur". Sed secundum bona et mala moralia, laudamur et vituperamur. Ergo passiones non sunt bonae vel malae moraliter. SED CONTRA est quod Augustinus dicit, in 14 de Civitate Dei [c. 7], de passionibus animae loquens: „Mala sunt ista, si juajyg e s t amor; bona, si bonus." RESPONDEO dicendum quod passiones animae dupliciter possunt considerari: uno modo, secundum se; alio modo, secundum quod subj acent imperio rationis et voluntatis. Si igitur secundum se considerentur, prout scilicet sunt motus quidam irrationalis appetitus, sie non est in eis bonum vel malum morale, quod dependet a ratione, ut supra dictum est. Si autem consi-

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fern sie der Herrschaft der Vernunft und des Willens unter- 24,1 stehen, so gibt es in ihnen sittlich Gutes bzw. Schlechtes. Das sinnenhafte Strebevermögen steht nämlich der Vernunft und dem Willen näher als die äußeren Glieder. Deren Bewegungen und Handlungen aber sind sittlich gut oder schlecht, soweit sie willentlich sind. Um so mehr können daher die Leidenschaften sittlich gut oder böse genannt werden, sofern sie willentlich sind. Willentlich aber werden sie genannt entweder, weil sie vom Willen befohlen oder vom Willen nicht gehindert werden. Z u 1. Die Leidenschaften an sich betrachtet sind den Menschen und anderen sinnenbegabten Seelewesen gemein. Aber soweit sie von der Vernunft befohlen werden, sind sie den Menschen eigentümlich. Z u 2. Auch die niederen Strebekräfte heißen .vernünftig', soweit sie „irgendwie an der Vernunft teilnehmen" (Aristoteles). Zu 3. Der Philosoph meint, wir würden nicht gelobt oder getadelt um der Leidenschaften willen, schlechthin betrachtet. Er schließt jedoch nicht aus, daß diese lobens- oder tadelnswert werden können, soweit sie von der Vernunft geordnet werden. Deswegen fügt er hinzu: „Es wird nämlich nicht gelobt oder getadelt, wer Furcht hat oder Zorn, sonQUAESTIO 24,,

derentur secundum quod subjacent imperio rationis et voluntatis, sic est in eis bonum et malum morale. Propinquior enim est appetitus sensitivus ipsi rationi et voluntati, quam membra exteriora; quorum tarnen motus et actus sunt boni vel mali moraliter, secundum quod sunt voluntarii. Unde multo magis et ipsae passiones, secundum quod sunt voluntariae, possunt dici bonae vel malae moraliter. Dicuntux autem voluntariae vel ex eo quod a voluntate imperantur, vel ex eo quod a voluntate non prohibentur. A D PRIMUM ergo dicendum quod passiones istae secundum se consideratae, sunt communes hominibus et aliis animalibus: sed secundum quod a ratione imperantur, sunt propriae hominum. A D SECUNDUM dicendum quod etiam inferiores vires appetitivae dicuntur rationales, secundum quod „participant aliqualiter rationem", ut dicitur in 1 Ethicorum [c. 13]. 1102 b 13 A D TERTIUM dicendum quod Philosophus [Eth. 2, 4] 1105 b 31 dicit quod non laudamur aut vituperamur secundum passiones absolute consideratas: sed non removet quin possint fieri laudabiles vel vituperabiles secundum quod a ratione ordinantur. Unde subdit: „Non enim laudatur aut vituperatur qui 1105 b 32 sqq.

3 10

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24, 2 dern das Wie", d. h. ob sie [die Leidenschaften] vernunftgemäß oder vernunftwidrig sind. 2. A R T I K E L Ist jede Leidenschaft sittlich schlecht? 1. Augustinus sagt: „Einige nennen die Leidenschaften Krankheiten oder Störungen der Seele." Jede Krankheit oder Störung der Seele aber ist etwas sittlich Schlechtes. Also ist jede Leidenschaft der Seele sittlich schlecht. 2. Johannes von Damaskus sagt: „Tätigkeit ist eine Bewegung, die naturgemäß verläuft, Leidenschaft eine, die wider die Natur ist." Was aber in den Bewegungen der Seele gegen die Natur ist, hat die Bewandtnis der Sünde und des sittlich Schlechten. Darum sagt derselbe an einer anderen Stelle, daß der Teufel „aus dem, was naturgemäß ist, in das verkehrt wurde, was widernatürlich ist". Also sind derartige Leidenschaften sittlich schlecht. 3. Alles, was zur Sünde verleitet, hat die Bewandtnis des Bösen. Nun verleiten aber derartige Leidenschaften zur Sünde, weshalb sie Rom 7, 5 „sündhafte Leidenschaften" genannt werden. Mithin scheinen sie sittlich schlecht zu sein. Q U A E S T I O 24, ,

timet aut irascitur, sed qui aliqualiter", idest secundum rationem vel praeter rationem. ARTICULUS II U t r u m omnia p a s s i o a n i m a e s i t m a l a m o r a l i t e r [Infra 59,2; Mal 12,1]

41

PL 408 D 415 A

PG * / 941 A

9

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AD SECUNDUM sic proeeditur. Videtur quod omnes passiones animae sint malae moraliter. Dicit enim Augustinus, 9 de Civitate Dei [c. 4; cf. 14, 5. 9], quod „passiones animae 1 u idam vocant morbos vel perturbationes animae". Sed omnis morbus vel perturbatio animae est aliquid malum moraliter. Ergo omnis passio animae moraliter mala est. 2. P R A E T E R E A , Damascenus dicit [De fide Orth. 2, 22], quod „operatio quidem qui secundum naturam motus est, passio vero qui praeter naturam". Sed quod eat praeter naturam in motibus animae, habet rationem peccati et mali moralis: unde ipse alibi [1. c., c. 4] dicit quod diabolus „versus est ex eo q UO d est secundum naturam. in id quod est praeter naturam". Ergo hujusmodi passiones sunt malae moraliter. 3. P R A E T E R E A , omne quod inducit ad peccatum, habet rationem mali. Sed hujusmodi passiones inducunt ad peccatum: unde Rom. 7 dicuntur „passiones peccatorum". Ergo videtur quod sint malae moraliter. 34

ANDERSEITS sagt Augustinus: „Bei der rechten Liebe 24, 2 sind alle diese Neigungen recht. Sie fürchten nämlich zu sündigen, wünschen zu beharren, empfinden Schmerz bei der Sünde, freuen sich bei guten Werken." ANTWORT: I n dieser Frage war die Ansicht der Stoiker und Peripatetiker verschieden. Denn die Stoiker behaupteten, alle Leidenschaften seien schlecht. Die Peripatetiker hingegen sagten, gemäßigte Leidenschaften seien gut. Mag dieser Unterschied dem Worte nach auch groß sein, so ist er doch der Sache nach entweder gar nicht vorhanden oder nur gering, wenn man die Gedankengänge der beiden ins Auge faßt [15]. Die Stoiker nämlich unterscheiden nicht zwischen Sinn und Verstand und folglich auch nicht zwischen geistigem und sinnenhaftem Strebevermögen. Deshalb machen sie auch zwischen den Leidenschaften der Seele und den Bewegungen des Willens keinen Unterschied, demzufolge die Leidenschaften im sinnlichen Strebevermögen sind, die einfachen Bewegungen des Willens dagegen im geistigen. Sie nannten vielmehr jede vernunftgemäße Bewegung des Strebeteils Willen. Leidenschaft aber nannten sie eine die Grenzen der Vernunft überschreitende Bewegung. Daher nennt Cicero, ihrer Ansicht folgend, alle Leidenschaften „Krankheiten QUAESTIO 24,,

S E D CONTRA est quod Augustinus dicit, in 14 de Civitate Dei [c. 9], quod „rectus amor istas omnes affectiones rectas PL habet. Metuunt enim peccare, cupiunt perseverare, dolent in 4 1 / 4 1 3 peccatis, gaudent in operibus bonis". R E S P O N D E O dicendum quod circa hanc quaestionem diversa f u i t sententia Stoicorum et Peripateticorum 1 : n a m Stoici dixerunt omnes passiones esse malas; Peripatetici vero dixerunt passiones moderatas esse bonas. Quae quidem differentia, licet magna videatur secundum vocem, tarnen secundum rem vel est nulla, vel parva, si quis u t r o r u m q u e intentiones eonsideret. Stoici enim non discernebant inter sensum et intellectum 2 ; et per consequens nec inter intellectivum a p p e t i t u m et sensitivum. U n d e non discernebant passiones animae a motibus voluntatis, secundum hoc quod passiones animae sunt in appetitu sensitivo, simplices a u t e m motus voluntatis in intellectivo; sed omnem rationabilem m o t u m appetitivae partis vocabant voluntatem, passionem a u t e m dicebant m o t u m progredientem extra limites rationis. E t ideo, eorum sententiam sequens, Tullius in 3 libro de Tusculanis Quaestionibus [c. 4] 1 Cf. Augustinus, De Civ. Dei 9,4 (PL 41/258 CD); 9,5 (PL 41/261 B); cf. Cicero, De Finibus 3,12 sq. ' Cf. JJemesius, De Nat. Horn., c. 6 (PG 40/833 A); Aug., Ep. (118) ad Diosc. c. 3 (PL 33/440 A).

3*

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c

24, 2 der Seele". D a r a u s schließt e r : „Die k r a n k sind, sind n i c h t g e s u n d . U n d dio n i c h t g e s u n d sind, sind u n w e i s e . " D a r u m n e n n e n wir die U n w e i s e n a u c h geisteskrank. Die P e r i p a t e t i k e r hingegen n e n n e n alle B e w e g u n g e n des sinnenhaften Strebevermögens Leidenschaften'. Deshalb h a l t e n sie diese d a n n f ü r g u t , w e n n sie v o n der V e r n u n f t ihr M a ß e m p f a n g e n ; f ü r schlecht dagegen, w e n n sie a u ß e r h a l b des v e r n u n f t g e m ä ß e n Maßes liegen. D a r a u s g e h t z u n ä c h s t h e r v o r , d a ß Cicero in d e m s e l b e n B u c h e die A n s i c h t der P e r i p a t e t i k e r , die ein M i t t e l m a ß a n L e i d e n s c h a f t e n billigten, z u U n r e c h t mißbilligt, w e n n er s a g t : „Alles Böse, a u c h im M i t t e l m a ß , m u ß m a n m e i d e n ; d e n n wie der Leib, a u c h w e n n er n u r m i t t e l m ä ß i g k r a n k ist, n i c h t g e s u n d ist, so ist a u c h dieses M i t t e l m a ß v o n K r a n k h e i t e n oder L e i d e n s c h a f t e n der Seele n i c h t g e s u n d . " Die L e i d e n s c h a f t e n k ö n n e n e b e n n u r d a n n , K r a n k h e i t e n ' u n d , S t ö r u n g e n ' der Seele g e n a n n t werden, w e n n sie der M ä ß i g u n g der V e r n u n f t e n t b e h r e n . D a m i t ist die L ö s u n g Zu 1 gegeben. Z u 2. Bei jeder seelischen L e i d e n s c h a f t h a n d e l t es sich u m ein M e h r oder W e n i g e r i n der n a t ü r l i c h e n B e w e g u n g des Herzens, sofern n ä m l i c h d a s H e r z s t ä r k e r oder s c h w ä c h e r arbeitet im Zusammenziehen und Ausdehnen. Insofern hat sie [die B e w e g u n g ] die B e w a n d t n i s der L e i d e n s c h a f t . E s ist QUAESTIO 24,,

omnes passiones vocat „animae morbos". E x quo argumentatur quod „qui morbosi sunt, sani non sunt; et qui sani non sunt, insipientes sunt". Unde et insipientes insanos dicimus. Peripatetici vero omnes motus appetitus sensitivi passiones vocant. Unde eas bona» aestimant, cum sunt a ratione moderatae; malas autem, cum sunt praeter moderationem rationis. E x quo patet quod Tullius, in eodem libro [c. 10], Peripateticorum sententiam, qui approbabant mediocritatem passionum, inconvenienter improbat, dicens quod „omne malum, etiam mediocre, vitandum est: nam sicut corpus, etiamsi mediocriter aegrum est, sanum non est; sie ista medioeritas morborum vel passionum animae, sana non est". Non enim passiones dicuntur morbi vel pertubationes animae, nisi cum carent moderatione rationis. Unde patet responsio A D PRIMUM. A D SECUNDUM dicendum quod in omni passione animae additur aliquid, vel diminuitur a naturali motu cordis, inquantum cor intensius vel remissius movetur, secundum systolen aut diastolen 1 : et secundum hoc habet passionis rationem. Non 1

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Cf. Joan. Dainascenus, De Tide Orth. 3,23 (PG 94/1088 C; 1089 A B).

jedoch nicht gesagt, daß die Leidenschaft immer von der 24, 3 Ordnung der natürlichen Vernunft abweicht. Z u 3. Soweit die Leidenschaften außerhalb der Vernunftordnung sind, machen sie zur Sünde geneigt. Soweit sie dagegen von der Vernunft geordnet sind, gehören sie zur Tugend. 3. A R T I K E L Vermehrt oder vermindert jede Leidenschaft die Gutheit oder Schlechtheit einer Handlung? 1. Alles, was das Vernunfturteil, von dem die Gutheit der sittlichen Handlung abhängt, schwächt, vermindert in der Folge die Gutheit der sittlichen Handlung. Nun schwächt aber jede Leidenschaft das Vernunfturteil. Sallust sagt nämlich: „Es gebührt sich, daß alle Menschen, die in Zweifelsfällen raten, frei sind von Haß, Zorn, Freundschaft und Mitleid." Also vermindert jede Leidenschaft die Gutheit der sittlichen Handlung. 2. J e mehr die Handlung eines Menschen Gott ähnlicli ist, um so besser ist sie. Daher sagt der Apostel Eph 5, 1: „Ihr sollt Nachahmer Gottes sein als vielgeliebte Kinder." Nun aber „strafen Gott und die heiligen Engel ohne Zorn und Q U A E S T I O 24, ,

tarnen oportet quod passio Semper declinet ab ordine naturalis rationis. A D TERTIUM dicendum quod passiones animae, inquantum sunt praeter ordinem rationis, inclinant ad peccatum: inquantum autem sunt ordinatae a ratione, pertinent ad virtutem. ARTICULUS III U t r u m passio addat, vel d i m i n u a t , ad b o n i t a t e m vel malitiam actus [Infra 77,6 ad 2; Ver 26,7; Mal 3,11; 12,11

A D TERTIUM sie proceditur. Videtur quod passio quaecumque Semper diminuat de bonitate actus moralis. Omne enim quod impedit judieium rationis, ex quo dependet bonitas actus moralis, diminuit per consequens bonitatem actus moralis. Sed omnis passio impedit judieium rationis: dicit enim Sallustius, in Catilinario [c. 51]: „Omnes homines qui de rebus dubiis Consultant, ab odio, ira, amicitia atque misericordia vaeuos esse decet." Ergo omnis passio diminuit bonitatem moralis actus. 2. PRAETEREA, actus hominis, quanto est Deo similior, tanto est melior: unde dicit Apostolus, Eph. 5: „Estote imitatores Dei, sicut filii carissimi." Sed „Deus et saneti angeli sine

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24, 3 kommen zu Hilfe, ohne mit zu leiden mit dem Elend" (Augustinus). Mithin ist es besser, derartige gute Werke ohne als mit Leidenschaft zu tun. 3. Wie man das sittlich Böse bemißt nach seinem Verhältnis zur Vernunft, so auch das sittlich Gute. Nun wird aber die Schlechtheit einer sittlichen Handlung durch Leidenschaft gemindert; denn wer aus Leidenschaft sündigt, fehlt weniger, als wer es vorsätzlich tut. Also t u t ein besseres Werk, wer es vollbringt ohne Leidenschaft, als wer es mit Leidenschaft tut. ANDERSEITS sagt Augustinus: Die Leidenschaft des Mitleids „steht im Dienst der Vernunft, wenn das Mitleid so gewährt wird, daß die Gerechtigkeit gewahrt bleibt; sei es, daß man dem Bedürftigen spendet, sei es, daß man dem Reuigen verzeiht". Aber nichts, was im Dienste der Vernunft steht, mindert das sittlich Gute. Also mindert die Leidenschaft nicht das sittlich Gute. ANTWORT: Wie die Stoiker behaupteten, jede Leidenschaft der Seele sei schlecht, so behaupteten sie ganz folgerichtig, jede Leidenschaft der Seele mindere die Gutheit der Handlung; denn jedes Gut wird durch eine Verquickung mit Bösem entweder ganz aufgehoben oder doch weniger gut. QUAESTIO 24,,

ira puniunt, sine miseriae compassione subveniunt"; ut Augul'L stinus dicit, in 9 de Civitate Dei [c. 5], Ergo est melius hujus1 4 1 / 2 0 1 A M O C J I opera bona agere sine passione animae, quam cum passione. 3. PRAETEREA, sicut malum morale attenditur per ordinem ad rationem, ita et bonum morale. Sed malum morale diminuitur per passionem: minus enim peccat qui peccat ex passione, quam qui peccat ex industria. Ergo majus bonum operatur qui operatur bonum sine passione, quam qui operatur cum passione. SED CONTRA est quod Augustinus dicit, in 9 de Civitate PL Dei [ib.], quod passio misericordiae „rationi deservit, quando 41/261 B praebetur misericordia, ut justitia conservetur, sive cum indigenti tribuitur, sive cum ignoscitur poenitenti". Sed nihil quod deservit rationi, diminuit bonum morale. Ergo passio animae non diminuit bonum moris. RESPONDEO dicendym quod Stoici, 2 sicut ponebant omnem passionem animae esse malam, ita ponebant consequenter omnem passionem animae diminuere actus bonitatem: omne enim bonum ex permixtione mali vel totaliter tollitur, 1 2

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p om. Cf. Cicero, Tuscul. 3,4.

Das trifft zwar zu, wenn wir bloß jene ungeordneten Re- 24, 3 gungen des sinnlichen Strebevermögens .Leidenschaften der Seele' nennen, die Verwirrungen oder Kränklichkeiten sind. Wenn wir dagegen a l l e Regungen des sinnlichen Strebevermögens einfachhin ,Leidenschaft' nennen, dann gehört es zur Vollkommenheit des menschlich Guten, daß gerade auch die Leidenschaften durch die Vernunft ihr Maß erhalten. Da nämlich das Gut des Menschen wurzelhaft in der Vernunft gründet, wird dieses Gut um so vollkommener sein, je mehr es sich auf alles erstrecken kann, was zum Menschen gehört. Daher zweifelt keiner daran, daß zur Vollkommenheit des sittlich Guten erforderlich ist, daß die Handlungen der äußeren Glieder durch die Richtschnur der Vernunft gesteuert werden. Da nun das sinnliche Strebevermögen der Vernunft gehorchen kann (17, 7 : Bd. 9), gehört es zur Vollkommenheit des sittlich oder menschlich Guten, daß auch die Leidenschaften der Seele durch die Vernunft gesteuert werden. Wie es also besser ist, daß der Mensch das Gute nicht nur will, sondern es auch durch äußere Handlung vollbringt, so gehört es auch zur Vollkommenheit des sittlich Guten, daß der Mensch nicht nur dem Willen, sondern auch dem sinnlichen Strebevermögen nach zum Guten bewegt wird; gemäß dem Psalmwort 84 (83), 3: „Mein Herz und mein Q T J A E S T I O 24,,

vel fit minus bonum. Et hoc quidem verum est, si dicamus passiones animae solum inordinatos motus appetitus sensitivi, prout sunt perturbationes seu aegritudines. Sed si passiones simpliciter nominemus omnes motus appetitus sensitivi, sie ad perfectionem humani boni pertinet quod etiam ipsae passiones sint moderatae per rationem. Cum enim bonum hominis consistât in ratione sicut in radice, tanto istud bonum erit perfectius, quanto ad plura quae homini conveniunt, derivari potest. Unde nullus dubitat quin ad perfectionem moralis boni pertineat quod actus exteriorum membrorum per rationis regulam dirigantur. Unde, cum appetitus sensitivus possit obedire rationi, ut supra dictum est, ad perfectionem moralis sive humani boni pertinet quod etiam ipsae passiones animae sint regulatae per rationem. Sicut ergo melius est quod homo et velit bonum, et faciat exteriori actu; ita etiam ad perfectionem boni moralis pertinet quod homo ad bonum moveatur non solum secundum voluntatem, sed etiam secundum appetitum sensitivum; secundum illud quod in Psalmo 83 dicitur: „Cor meum et caro mea

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24, 3 Fleisch jubelten dem lebendigen Gott", wobei wir ,Herz' vom geistigen, ,Fleisch' aber vom sinnlichen Streben verstehen [16]. Z u 1. Die Leidenschaften der Seele können in einem doppelten Verhältnis zum Vernunfturteil stehen. Einmal können sie vorausgehen. In diesem Falle mindern sie die Gutheit der sittlichen Handlung, da sie das Vernunfturteil, von dem die Gutheit der sittlichen Handlung abhängt, verdunkeln. Es ist nämlich lobenswerter, daß einer auf Grund einer Vernunftentscheidung ein Liebeswerk t u t als aus der bloßen Leidenschaft des Mitleids. — Sie können aber [dem Vernunfturteil] auch folgen, und zwar auf zweifache Weise: Einmal nach Art des übergreifenden Einflusses, weil nämlich der niedere Seelenteil der Regung des höheren folgt, wenn dieser sich lebhaft auf etwas hinbewegt. In diesem Fall ist die im sinnlichen Strebevermögen folgende Leidenschaft ein Zeichen von Willensstärke und zeigt damit eine größere sittliche Gutheit an. — Dann können sie auch folgen auf dem Wege der freien Entscheidung, wenn nämlich der Mensch auf Grund seines Vernunfturteils einer Leidenschaft absichtlich ihren Lauf läßt, um durch die Mitwirkung des sinnlichen Strebevermögens tatkräftiger handeln zu können. In diesem Falle vermehrt die Leidenschaft die Gutheit der Handlung. 1 Q U A E S T I O 24,

s

exultaverunt in Deum vivum", ut ,cor' accipiamus pro appetitu intellectivo, ,carnem' autem pro appetitu sensitivo. A D PRIMUM ergo dicendum quod passiones animae dupliciter se possunt habere ad judicium rationis. Uno modo, antecedenter. Et sie, cum obnubilent judicium rationis, ex quo dependet bonitas moralis actus, diminuunt actus bonitatem: laudabilius enim est quod ex judicio rationis aliquis faciat opus caritatis, quam ex sola passione misericordiae. — Alio modo se habent consequenter. Et hoc dupliciter. Uno modo, per modum redundantiae: quia scilicet, cum superior pars animae intense movetur in aliquid, sequitur motum ejus etiam pars inferior. Et sie passio existens consequenter in appetitu sensitivo, est signum intensionis voluntatis. Et sie indicat bonitatem moralem majorem. — Alio modo, per modum electionis: quando scilicet homo ex judicio rationis eligit affici aliqua passione, ut promptius operetur, cooperante appetitu sensitivo. Et sie passio animae addit ad bonitatem actionis. 1 Über das Verhältnis von Leidenschaft und Tugend vgl. Fr. 59 (Bd. 11), besonders Art. 2, 3 u. 5.

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Zu 2. I n Gott und den Engeln gibt es kein sinnliches 24, 4 Strebevermögen, sowenig sie leibliche Glieder haben. Darum wird bei ihnen die Gutheit nicht bemessen nach der Ordnung der Leidenschaften oder der leiblichen Handlungen, wie bei uns. Zu 3. Eine auf das Böse gerichtete Leidenschaft mindert die Sünde, wenn sie dem Vernunfturteil vorausgeht; folgt sie diesem jedoch auf eine der genannten Arten, so mehrt sie die Sünde oder ist ein Zeichen dafür, daß sie größer ist. 4. A R T I K E L Ist irgendeine Leidenschaft ihrer Wesensart nach gut oder schlecht? 1. Das sittlich Gute und Böse wird bemessen nach dem Vernunftanteil. Nun sind aber die Leidenschaften im sinnlichen Strebevermögen, und so kommt ihnen das, was vernunftgemäß ist, nur außerwesentlich zu. Da nun nichts, was außerwesentlich ist, zur Art des Dinges gehört, scheint also keine Leidenschaft ihrer Wesensart nach gut oder böse zu sein. 2. Die Handlungen und Leidenschaften haben ihre Wesensart vom Gegenstand. Wenn also irgendeine Leidenschaft QÜAESTIO 24,,

A D SECUNDUM dicendum quod in Deo et in angelis non est appetitus sensitivus, neque etiam membra corporea: et ideo bonum in eis non attenditur secundum ordinationem passionum aut corporeorum actuum, sicut in nobis. A D TERTIUM dicendum quod passio tendens in malum, praecedens judicium rationis, diminuit peccatum: sed consequens aliquo praedictorum modorum, äuget ipsum, vel significat augmentum ejus. ARTICULUS IV Utrum aliqua passio sit bona vel mala ex sua specie [II—II 158,1; 4 d 15: 2,1 qa 1 ad 4; 50: 2,4 qa 3 ad 3; Mal 10,1]

AD QUARTUM sie proceditur. Videtur quod nulla passio animae, secundum speciem suam, sit bona vel mala moraliter. Bonum enim et malum morale attenditur secundum rationem. Sed passiones sunt in appetitu sensitivo: et ita id quod est secundum rationem, accidit eis. Cum igitur nihil quod est per accideiis, pertineat ad speciem rei; videtur quod nulla passio secundum suam speciem sit bona vel mala. 2. PRAETEREA, actus et passiones habent speciem ex objecto. Si igitur aliqua passio secundum suam speciem esset

4 10

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24, 4 ihrer Wesensart nach gut oder schlecht wäre, müßten die Leidenschaften, deren Gegenstand gut ist, ihrer Wesensart nach gut sein, wie Liebe, Sehnsucht und Freude. Und die Leidenschaften, deren Gegenstand schlecht ist, wären ihrer Wesensart nach schlecht, wie Haß, Furcht und Traurigkeit. Das ist aber offenbar falsch. Mithin ist keine Leidenschaft ihrer Wesensart nach gut oder schlecht. 3. Es gibt keine Art von Leidenschaften, 'die sich nicht auch in anderen Seelewesen fände [17]. Das sittlich Gute aber findet sich nur beim Menschen. Mithin ist keine Leidenschaft ihrer Wesensart nach gut oder schlecht. ANDERSEITS sagt Augustinus: „Mitleid gehört zur Tugend." Auch der Philosoph sagt, Schamhaftigkeit sei eine lobenswerte Leidenschaft. Also sind einige Leidenschaften ihrer Art nach gut oder schlecht. ANTWORT: Was von den Handlungen gesagt worden ist (vgl. 1, 3 Zu 3; 18, 5. 6; 20, 1: Bd. 9), muß man scheinbar auch von den Leidenschaften sagen, daß nämlich die Art der Handlung oder der Leidenschaft zweifach betrachtet werden kann: einmal, soweit sie [die Leidenschaften] in der Ordnung der Natur stehen, und so gehört das sittlich Gute oder Böse nicht zur Art der Handlung oder Leidenschaft. Q U A E S T I O 24, ,

PL 41/261 A 1108 a 32 1123 b sq.

bona vel mala, oporteret quod passiones quarum objectum est bonum, easent bonae secundum suam speciem, ut amor, desiderium et gaudium; et passiones quarum objectum est malum, essent malae secundum suam speciem, ut odium, timor et tristitia. Sed hoc patet esse falsum. Non ergo aliqua passio est bona vel mala ex sua specie. 3. PRAETEREA, nulla species passionum est quae non inveniatur in aliis animalibus. Sed bonum morale non invenitur nisi in homine. Ergo nulla passio animae bona est vel mala ex sua specie. SED CONTRA est quod Augustinus dicit, 9 de Civitate Dei [c. 5], quod „misericordia pertinet ad virtutem". Philosophus etiam dicit, in 2 Ethicorum [c. 7; cf. 4, 15], quod verecundia est passio laudabilis. Ergo aliquae passiones sunt bonae vel malae secundum suam speciem. RESPONDEO dicendum quod sicut de actibus dictum est, ita et de passionibus dicendum videtur, quod scilicet species actus vel passionis dupliciter considerari potest. Uno modo, secundum quod est in genere naturae: et sic bonum vel malum morale non pertinet ad speciem actus vel passionis. Alio modo, secundum

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Dann, soweit sie zur Ordnung der Sittlichkeit gehören, sofern sie nämlich irgendwie teilhaben am Willentlichen und am Vernunfturteil. Auf diese Weise kann das sittlich Gute und Böse zur Wesensart der Leidenschaft gehören, sofern etwas als Gegenstand der Leidenschaft angenommen wird, das von sich aus mit der Vernunft übereinstimmt oder von ihr abweicht, wie es bei der Schamhaftigkeit deutlich ist, die in der Furcht vor dem Schändlichen besteht; und beim Neid, der Trauer über das Gut des anderen ist. So gehören sie nämlich zur Wesensart der äußeren Handlung. Zu 1. Die Beweisführung geht von den Leidenschaften aus, soweit sie zur Naturart gehören, sofern nämlich das sinnliche Strebevermögen in sich betrachtet wird. Soweit aber das sinnliche Strebevermögen der Vernunft gehorcht, findet sich schon das Gute und Böse der Vernunft in den Leidenschaften nicht mehr außerwesentlich, sondern bereits wesentlich. Zu 2. Leidenschaften, die auf ein Gut gehen, sind gut, wenn dies ein wahres Gut ist; ähnlich die, welche sich von einem wahren Übel abkehren. Umgekehrt jedoch sind die Leidenschaften schlecht, die in einer Abkehr vom Guten und in einer Hinkehr zum Bösen bestehen. Zu 3. I n den tierischen Seelewesen gehorcht das sinnliche Strebevermögen nicht der Vernunft. Soweit dieses jedoch von QUAESTIO 24,. quod pertinent ad genus moris, prout scilicet participant aliquid de voluntario et de judicio rationis. Et hoc modo bonum et malum morale possunt pertinere ad speciem passionis, secundum quod accipitur ut objectum passionis aliquid de se conveniens rationi, vel dissonum a ratione: sicut patet de verecundia, quae est timor turpis; et de invidia, quae est tristitia de bono alterius. Sic enim pertinent ad speciem exterioris actus. A D PRIMUM ergo dicendum quod ratio illa procedit de passionibus secundum quod pertinent ad speciem naturae, prout scilicet appetitus sensitivus in se consideratur. Secundum vero quod appetitus sensitivus obedit rationi, jam bonum et malum rationis non est in passionibus ejus per accidens, sed per se. A D SECUNDUM dicendum quod passiones quae in bonum tendunt, si sit verum bonum, sunt bonae: et similiter quae a vero malo recedunt. E converso vero passiones quae sunt per recessum a bono, et per accessum ad malum, sunt malae. A D TERTIUM dicendum quod in brutis animalibus appetitus sensitivus non obedit rationi. Et tarnen inquantum du-

4*

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24

>4

4 einer Art natürlichem Schätzungsvermögen [Instinkt] geleitet wird, das der höheren, nämlich der göttlichen Vernunft unterworfen ist, gibt es auch in ihnen hinsichtlich der Seelenregungen eine Ähnlichkeit zum sittlich Guten [18]. QUAESTIO 24,,

citur quadam aestimativa naturali, quae subjicitur rationi superiori, scilicet divinae, est in eis quaedam similitudo moralis boni, quantum ad animae passiones.

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25. F R A G E

D I E STELLUNG D E R LEIDENSCHAFTEN ZUEINANDER Danach ist die Stellung der Leidensehaften zueinander ins Auge zu fassen. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Die Ordnung der Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens zu denen des begehrenden. 2. Die Ordnung der Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens unter sich. 3. Die Ordnung der Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens unter sich. 4. Die vier Hauptleidenschaften. 1. A R T I K E L Sind die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens früher als die des begehrenden oder umgekehrt? 1. Die Ordnung unter den Leidenschaften entspricht der Ordnung unter den Gegenständen. Nun ist aber Gegenstand des überwindenden Strebevermögens das Steilgut, welches augenscheinlich das höchste unter den übrigen Gütern ist. Mithin scheinen die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens über denen des zu verlangenden zu stehen. QUAESTIO

xxv

D E ORDINE PASSIONUM A D INVICEM Deinde considerandum est de ordine passionimi ad invicem. Et circa hoc quaeruntur quatuor: 1. De ordine passionum irascibilis ad passiones concupiscibilis. — 2. De ordine passionum concupiscibilis ad invicem. — 3. De ordine passionum irascibilis ad invicem. — 4. De quatuor principalibus passionibus. ARTICULUS I Utrum passiones irascibilis sint priores passionibus concupiscibilis, vel e converso [3 d 26: 1,3; 2,3 qa 2; Ver 25,2]

A D PRIMUM sie proceditur. Yidetur quod passiones irascibilis sint priores passionibus concupiscibilis. Ordo enim passionum est secundum ordinem objectorum. Sed objectum irascibilis est bonum arduum, quod videtur esse supremum inter alia bona. Ergo passiones irascibilis videntur praeesse passionibus concupiscibilis.

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25, l

2. Das Bewegende ist früher als das Bewegte. Das überwindende Strebevermögen verhält sich aber zum begehrenden wie das Bewegende zum Bewegten. Es ist nämlich den Seelewesen dafür gegeben, daß die Hindernisse aus dem Wege geräumt werden, durch die das begehrende Strebevermögen gehindert wird, in den Genuß seines Gegenstandes zu kommen (23, 1 Zu 1; vgl. I 81, 2: Bd. 6). Das aber, „was ein Hinderndes beseitigt, hat die Bewandtnis eines Bewegenden" (Aristoteles). Mithin sind die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens früher als die des begehrenden. 3. Freude und Traurigkeit sind Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens. Freude aber und Trauer folgen auf die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens. Der Philosoph sagt nämlich: „Die Rache beruhigt den Ansturm des Zornes und bereitet Lust an Stelle der Traurigkeit." Also sind die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens später als die des überwindenden. ANDERSEITS: Die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens richten sich auf Gut schlechthin. Die Leidenschaften des überwindenden dagegen richten sich auf Gut mit Einschränkung, nämlich das mühevoll zu erreichende [das „Steilgut"]. Da nun Gut schlechthin früher ist als Gut mit Einschränkung, scheint es, daß die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens früher sind als die des überwindenden. Q U A E S T I O 25, ,

2. PRAETEREA, movens est prius moto. Sed irascibilis comparatur ad concupiscibilem sicut movens ad motum: ad hoc enim datur animalibus, ut tollantur impedimenta quibus concupiscibilis prohibetur frui suo objecto, ut supra dictum est; „removens" autem „prohibens habet rationem moventis", ut 255 b 24 dicitur in 8 Physicorum [c. 4]. Ergo passiones irascibilis sunt priores passionibus concupiscibilis. 3. PRAETEREA, gaudium et tristitia sunt passiones concupiscibilis. Sed gaudium et tristitia consequuntur ad passiones H26a21 irascibilis: dicit enim Philosophus, in 4 Ethicorum [c. 11], 8 Cf. De Trin. 14,14 (PL 42/1050 sq.).

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31, 5 der sinnenhaften, leiblichen, so ist, an sich und schlechthin gesprochen, die geistige Lust größer. Das ergibt sich aus den drei Bedingungen der Lust, das ist: das geeinte Gut, der, dem es geeint ist, und die Einung selbst. Denn gerade das geistige Gut ist sowohl vollkommener denn das leibliche Gut, als auch mehr geliebt. Ein Zeichen dafür ist, daß die Menschen sich auch der größten leiblichen Lüste enthalten, um nicht die Ehre zu verlieren, die ein übersinnliches Gut darstellt. — Ebenso ist auch der übersinnliche Teil [der Seele] selber viel vornehmer und mehr auf Erkenntnis eingestellt als der sinnenhafte Teil. — Auch die Einung beider ist inniger und vollkommener und fester. I n n i g e r ist sie, weil der Sinn stehen bleibt bei den äußeren Eigenschaften eines Dinges; der Verstand hingegen dringt bis zum Wesen des Dinges vor. Gegenstand des Verstandes ist nämlich ,Was-etwas-ist'. V o l l k o m m e n e r ist sie, weil mit der Verbindung des Sinnfalligen mit dem Sinn eine Bewegung verknüpft ist, die eine unvollkommene Wirkliehkeit darstellt. Deshalb sind auch die sinnenhaften Lüste nicht ganz auf einmal da, sondern etwas in ihnen geht vorüber und etwas wird erwartet, das erst die volle Sättigung [der Lust] bringt, wie es offenbar ist bei der mit dem Essen und der mit dem Geschlechtlichen verbundenen Lust. Das geistig Erkennbare ist aber ohne Bewegung ; daher ist solche Lust ganz auf einmal da. Sie [die QUAESTIO 31,. delectationibus sensibilibus corporalibus, sie, secundum se et simpliciter loquendo, delectationes spirituales sunt majores. Et hoc apparet secundum tria quae requiruntur ad delectationem: seilieet bonum conjunctum, et id cui eonjimgitur, et ipsa conjunctio. Nam ipsum bonum spirituale et est majus quam bonum corporale; et est magis dilectum. Cujus Signum est quod homines etiam a maximis delectationibus et corporalibus voluptatibus abstinent, ut non perdant honorem, qui est bonum intelligibile. — Similiter etiam ipsa pars intellectiva est multo nobilior, et magis cognoscitiva, quam pars sensitiva. — Conjunctio etiam utriusque est magis intima, et magis perfecta, et magis firma. Intimior quidem est, quia sensus sistit circa exteriora accidentia rei: intellectus vero penetrat usque ad rei essentiam; objectum enim intellectus est „quod quid est". Perfectior autem est, quia conjunctioni sensibilis ad sensum adjungitur motus, qui est actus imperfeetus: unde et delectationes sensibiles non sunt totae simul, sed in eis aliquid pertransit, et aliquid expectatur consummandum, ut patet in delectatione eiborum et venereorum. Sed intelligibilia sunt absque motu: unde delectationes tales sunt totae simul. Est etiam flrmior:

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Einung] ist auch f e s t e r , weil das körperlich Lust bringende 31, 5 zerstörbar ist und schnell vergeht. Die geistigen Güter dagegen sind unzerstörbar. Doch von uns aus gesehen ist die leibliche Lust heftiger, und zwar aus einem dreifachen Grunde. Erstens, weil das Sinnenfallige uns mehr bekannt ist als das geistig Erkennbare. — Zweitens, weil die sinnenhaften Lüste als Leidenschaften des sinnenhaften Strebevermögens mit einer leiblichen Veränderung verbunden sind. Das ist bei der geistigen Lust nicht der Fall, es sei denn durch ein Überströmen vom höheren Strebevermögen auf das niedere. —• Drittens, weil die leiblichen Lüste als Heilmittel gegen leibliche Mängel und Beschwerden begehrt werden, aus denen Traurigkeit folgt. Deshalb wird die leibliche Lust, die solche Traurigkeit überwinden hilft, stärker empfunden, und folglich nimmt man sie eher an als die geistige, die keine entgegengesetzte Traurigkeit kennt (35, 5). Z u 1. Den leiblichen Lüsten folgen deswegen mehr, weil die Sinnengüter besser und allgemeiner bekannt sind; auch, weil die Menschen die Lust als Heilmittel gegen vielfache Schmerzen und Betrübnisse nötig haben. Und da eine größere Zahl von Menschen nicht bis zu der geistigen Lust hingelangen Q U A E S T I O 31, ,

quia delectabilia corporalia sunt corruptibilia, et cito deficiunt; bona vero spiritualia sunt incorruptibilia. Sed quoad nos, delectationes corporales sunt magis vehementes, propter tria. Primo, quia sensibilia sunt magis nota, quoad nos, quam intelligibilia. — Secundo etiam, quia delectationes sensibiles, cum sint passiones appetitus sensitivi, sunt cum aliqua transmutatione corporali. Quod non contingit in delectationibus spiritualibus, nisi per quandam redundantiam a superiori appetitu in inferiorem. — Tertio, quia delectationes corporales appetuntur ut medicinae quaedam contra corporales defectus vel molestias, ex quibus tristitiae quaedam consequuntur. Unde delectationes corporales, tristitiis hujusmodi supervenientes, magis sentiuntur, et per consequens magis acceptantur, quam delectationes spirituales, quae non habent tristitias contrarias, ut infra dicetur. A D PRIMUM ergo dicendum quod ideo plures sequuntur delectationes corporales, quia bona sensibilia sunt magis et pluribus nota. Et etiam quia homines indigent delectationibus ut medicinis contra multíplices dolores et tristitias: et cum plures hominum non possint attingere ad delectationes spiri-

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6 kann, die den Tugendhaften eigen ist, so ist die Folge, daß sie zu der leiblichen abgleiten. Z u 2. Die leibliche Veränderung tritt eher ein durch die leiblichen Lüste, sofern sie Leidenschaften des sinnenhaften Strebevermögens sind. Z u 3. Die leiblichen Lüste gibt es im Bereich des sinnenhaften [Seelen-jTeiles, der durch die Vernunft geregelt wird. Deswegen bedürfen sie auch der Mäßigung und Zügelung durch die Vernunft. Die geistige Lust dagegen ist dem Geist gemäß, der die Richtschnur selbst ist. Darum ist sie aus sich selbst nüchtern und maßvoll. 6. A R T I K E L Ist die Lust des Tastsinnes

größer als die der anderen

Sinne?

1. Jene Lust scheint die größte zu sein, bei deren Ausschluß jede Freude schwindet. So ist es aber mit der Lust, die mit dem Sehen gegeben ist; so heißt es Tob 5, 12: „Welche Freude soll mit mir sein, da ich in Finsternis sitze und das Licht des Himmels nicht sehe ?" Also ist die Lust, die mit dem Sehen gegeben ist, die größte unter den sinnlichen Lüsten. Q U A E S T I O 31 ,

tuales, quae sunt propriae virtuosorum, consequens est quod declinent ad corporales. A D SECUNDUM dicendum quod transmutatio corporis magis contingit ex delectationibus corporalibus, inquantum sunt passiones appetitus sensitivi. AD T E R T I U M dicendum quod delectationes corporales sunt secundum partem sensitivam, quae regulatur ratione: et ideo indigent temperari et refraenari per rationem. Sed delectationes spirituales sunt secundum mentem, quae ipsa est regula: unde sunt secundum seipsas sobriae et moderatae. A R T I C U L U S VI U t r u m d e l e c t a t i o n e s t a c t u s s i n t m a j o r e s delect a t i o n i b u s quae sunt s e c u n d u m alios sensus [II—II 141,4; 4 d 49: 3,5 qa 2; Mal 14,4 ad 1]

AD SEXTUM sie proceditur. Videtur quod delectationes quae sunt secundum tactum, non sint majores delectationibus quae sunt secundum alios sensus. Ilia enim delectatio videtui esse maxima, qua exclusa, omne gaudium cessat. Sed talis est delectatio quae est secundum visum: dicitur enim Tob. 5; „Quäle gaudium erit mihi, qui in tenebris sedeo, et lumen caeli non video?" Ergo delectatio quae est per visum, est maxima inter sensibiles delectationes. 154

2. „Einem jeden wird das lustbringend, was er liebt" 31, 6 (Aristoteles). „Unter den anderen Sinnen aber liebt man mit Vorzug den Gesichtssinn" [Ders.]. Mithin ist die Lust, die mit dem Sehen verbunden ist, die größte. 3. Sehen ist zumeist der Grund einer auf Lust eingestellten Freundschaft. Nun ist Ursache einer solchen Freundschaft die Lust. Also scheint im Sehen die höchste Lust zu liegen. ANDERSEITS sagt der Philosoph, die größten Lusterlebnisse gehen zurück auf den Tastsinn. ANTWORT: Wie bereits gesagt, wird ein jedes Ding, soweit es geliebt wird, lustvoll (25, 2 Zu 1; 27, 4 Zu 1). Die Sinne werden aber wegen eines Zweifachen mit Vorzug geliebt, nämlich der Erkenntnis und des Nutzens wegen (Aristoteles). Daher tritt auch auf beiderlei Weise die den Sinnen gemäße Lust ein. Weil es aber eine Eigentümlichkeit des Menschen ist, die Erkenntnis selbst als ein Gut zu erfassen, deswegen sind die erster en sinnlichen Lusterlebnisse, nämlich die, die mit der Erkenntnis gegeben sind, dem Menschen eigen. Soweit sie jedoch des Nutzens wegen geliebt werden, sind die sinnlichen Lüste allen Lebewesen gemeinsam. QUAESTIO 31,. 2. PRAETEREA, „unicuique fit delectabile illud quod amat", ut Philösophus dicit, in 1 Rhetoricorum [c. II] 1 . Sed „inter alios sensus maxime diligitur visus" [Eth. 1, 1]. Ergo delectatio quae est secundum visum, est maxima. 3. PRAETEREA, principium amicitiae delectabilis maxime est visio. Sed causa talis amicitiae est delectatio. Ergo secundum visum videtur esse maxime delectatio. SED CONTRA est quod Philosophus dicit, in 3 Ethicorum [c. 13], quod maximae delectationes sunt secundum tactum. RESPONDEO dicendum quod, sicut jam dictum est, unumquodque, inquantum amatur, efficitur delectabile. Sensus autem, ut dicitur in principio Metaphysicorum [1. 1, 1], diliguntur propter duo: scilicet propter cognitionem, et propter utilitatem. Unde et utroque modo contingit esse delectationem secundum sensum. Sed quia apprehendere ipsam cognitionem tamquam foonum quoddam, proprium est hominis; ideo primae delectationes sensuum, quae scilicet sunt secundum cognitionem, sunt propriae hominum: delectationes autem sensuum inquantum diliguntur propter utilitatem, sunt communes omnibus animalibus. 1

Cf. Eth. 1,9 (1099 a 8).

155

I370 ait; 980 a 2S

m s a 2t; '

3qq

980 a 21 '

8qq

31, 6

Wenn wir nun von der mit der Erkenntnis verbundenen Sinneslust sprechen, so ist offenkundig die Lust des Sehens größer als die eines anderen Sinnes. — Sprechen wir aber von der im Nutzen gründenden Sinneslust, so ist die größte Lust die des Tastsinnes. Der Nutzen des Sinnfälligen wird nämlich bemessen nach der Hinordnung auf die Erhaltung der Natur des Lebewesens. Diesem Nutzen stehen aber die Gegenstände des Tastsinnes näher. Denn der Tastsinn ist auf Wahrnehmung dessen eingestellt, woraus das Lebewesen besteht, d. h. des Warmen und Kalten und dgl. Demgemäß ist die Lust des Tastsinnes die größte, als dem Ziel näherstehend. Daher haben auch die anderen Seelewesen, die keine andere Sinneslust kennen als die vom Nutzen her, in den anderen Sinnen Lust nur in Hinordnung auf die Gegenstände des Tastsinnes. „Die Hunde finden nämlich nicht Lust am Geruch der Hasen, sondern am Fräße; und der Löwe nicht am Brüllen des Ochsen, sondern am Verzehren" (Aristoteles). Da nun die Lust des Tastsinnes die größte ist auf Grund des Nutzens, die Lust des Gesichtssinnes dagegen auf Grund des Erkennens, so wird man bei einem möglichen Vergleich beider finden, daß die Lust des Tastsinnes schlechthin größer ist als die des Gesichtssinnes,, soweit dieser innerhalb der QUAESTIO 31, ,

Si igitur loquamur de delectatione sensus quae est ratione cognitionis, manifestum est quod secundum visum est major delectatio quam secundum aliquem alium sensum. •— Si autem loquamur de delectatione sensus qua® est ratione utilitatis, sie maxima delectatio est secundum tactum. Utilitas enim sensibilium attenditur secundum ordinem ad conservationem naturae animalis. Ad hanc autem utilitatem propinquius se habent sensibilia tactus: est enim taetus cognoscitivus eorum ex quibus consistit animal, scilicet calidi et frigidi 1 , et hujusmodi. Unde secundum hoc, delectationes quae sunt secundum tactum, sunt majores, quasi fini propinquiores. Et propter hoc etiam, alia animalia, quae non habent delectationem secundum sensum nisi ratione utilitatis, non delectantur secundum alios sensus, nisi in ordine ad sensibilia tactus: „neque enim odoribus leporum canes gaudent, sed eibatione; neque leo voce bovis, m s a 16 sed comestione", ut dicitur in 3 Ethicorum [c. 13]. 8qq ' Cum ergo delectatio tactus sit maxima ratione utilitatis, delectatio autem visus ratione cognitionis; si quis utramque comparare velit, inveniet simpliciter delectationem tactus esse majorem delectatione visus, secundum quod consistit infra 1

P addit: et humidi et sicci.

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Grenzen der Sinneslust bleibt. Denn es ist offenbar, daß in 31, 6 einem jeden das Naturhafte auch das Mächtigste ist. Derart ist aber die Lust des Tastsinnes, auf welche die naturhaften Begierden hingeordnet sind, wie die nach Speise und Geschlechtslust und dgl. — Betrachten wir aber die Lust des Gesichtssinnes, soweit dieser dem Verstände dient, so wird die mit dem Schauen verbundene Lust die vorzüglichere sein, aus demselben Grunde, aus dem auch die übersinnliche Lust vorzüglicher ist als die sinnenhafte. Z u 1. .Freude' bezeichnet die seelische Lust (Art. 3). Und diese gehört in der Hauptsache zum Gesichtssinn. Die naturhafte Lust aber gehört in der Hauptsache zum Tastsinn. Zu 2. Das Sehen wird mit Vorzug gehebt „wegen der Erkenntnis, weil es uns viele Dinge mit ihren Unterschieden zeigt" (Aristoteles). Z u 3. Anders ist die Lust Ursache der fleischlichen Liebe und anders das Sehen. Denn die Lust, und am meisten die des Tastsinnes, ist als Ziel Ursache der auf Lust eingestellten Freundschaft. Das Sehen dagegen ist Ursache wie das Woher des Anfangs einer Bewegung, sofern sich durch das Sehen des Liebenswerten das Abbild des Dinges einprägt, das zum Lieben und zum Begehren der Lust in ihm lockt. QUAESTIO

0

limites sensibilis deleetationis. Quia manifestum est quod id quod est naturale in unoquoque, est potentissimum. Hujusmodi autem delectationes taetus sunt ad quas ordinantur concupiscentiae naturales, sicut cibi, et venerea, et hujusmodi. — Sed si consideremus delectationes visus, secundum quod visus deservit intellectui; sie delectationes visus erunt potiores, ea ratione qua et intelligibiles delectationes sunt potiores sensibilibus. A D PRIMUM ergo dicendum quod gaudium, sicut supra dictum est, signifleat animalem delectationem: et haec maxime pertinet ad visum. Sed delectatio naturalis maxime pertinet ad tactum. A D SECUNDUM dicendum quod visus maxime diligitur „propter cognitionem, eo quod multas rerum differentias nobis ostendit", ut ibidem [1. c.] dicitur. 980 a 23 A D TERTIUM dicendum quod alio modo delectatio est causa amoris carnalis, et alio modo visio. Nam delectatio, et maxime quae est secundum tactum, est causa amicitiae delectabilis per modum finis: visio autem est causa sicut unde est prineipium motus, inquantum per visum amabilis imprimitur species rei, quae allicit ad amandum et ad concupiscendum ejus delectationem.

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7. A R T I K E L Gibt es eine unnatürliche Lust ? 1. Die Lust in den Gemütsbewegungen der Seele entspricht der Ruhe in den Körpern. Nun kommt das natürliche Streben des Körpers nur im naturgemäßen Ort zur Ruhe. Also kann auch die Ruhe des sinnenhaften Strebe Vermögens, das ist die Lust, nur in etwas Naturgemäßem liegen. Mithin gibt es keine unnatürliche Lust. 2. Was gegen die Natur ist, ist gewaltsam. Nun „verursacht alles Gewaltsame Trauer" (Aristoteles). Also kann nichts, was gegen die Natur ist, lustbringend sein. 3. Hineingebildetwerden in den der Natur gemäßen Zustand verursacht, so es empfunden wird, Lust, wie es klar ist aus der oben (Art. 1) angeführten Begriffsbestimmung des Philosophen. Hineingebildetwerden in den der Natur gemäßen Zustand ist aber einem jeden natürlich, denn jene Bewegung ist natürlich, die auf einen natürlichen Zielpunkt geht. Also ist jede Lust natürlich. ANDERSEITS sagt der Philosoph, daß einige Lust „krankhaft und wider die Natur" ist. ANTWORT: Natürlich wird genannt, was naturgemäß ist (Aristoteles). Natur kann nun im Menschen auf zweifache Q Ü A E S T I O 31, ,

1015 a-28

1369 b 33 sqq1148 b 25 1152 t/22 192 b 8 sqq.

ARTICULUS VII U t r u m aliqua delectatio sit non naturalis AD S E P T I M U M sic proceditur. Videtur quod nulla delectatio sit innatural is. Delectatio enim in affectibus animae proportio natur quieti in corporibus. Sed appetitus corporis naturalis non quiescit nisi in loco connaturali. Ergo nec quies appetitus. animalis, quae est delectatio, potest esse nisi in aliquo connaturali. Nulla ergo delectatio est non naturalis. 2. P R A E T E R E A , illud quod est contra naturam, est violenturn. Sed „omne violentum est constristans", ut dicitur in 5 Metaphysicorum [c. 5]. Ergo nihil quod est contra naturam,. potest esse delectabile. 3. P R A E T E R E A , constitui in propriam naturam, c u m sentitur, causat delectationem; ut patet ex definitions Philosophi supra posita [Rhet. 1, 11]. Sed constitui in naturam,. unieuique est naturale: quia motus naturalis est qui est ad terminum naturalem. Ergo omnis delectatio est naturalis. S E D C O N T R A est quod Philosophus dicit, in 7 Ethicorum tc" 12], quod quaedam delectationes sunt „aegritudinales e t contra naturam". R E S P O N D E O dicendum quod naturale dicitur quod est secundum naturam. ut dicitur in 2 Physicorum [c. 1]. Natura,

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Weise genommen werden. Einmal, sofern Verstand und Ver- 31> " nunft vornehmlich die Menschennatur ausmachen, weil durch sie der Mensch in der Art begründet wird. .Natürlich' kann danach jene Lust heißen, die der Mensch an dem hat, was ihm auf Grund seiner Vernunft zukommt, wie z. B. Lust erleben in der Schau der Wahrheit und den Akten der Tugenden dem Menschen natürlich ist. — In anderer Weise kann die Natur im Menschen genommen werden, sofern sie im Einteilungsgegensatz zur Vernunft steht, so nämlich, wie sie dem Menschen und anderen [Seelewesen] gemeinsam ist, namentlich in dem, was der Vernunft nicht gehorcht. Und danach heißt das für den Menschen natürlich-lustvoll, was zur Erhaltung des Leibes gehört, sofern er Einzelwesen ist, wie Speise, Trank, Bett und dgl., oder sofern er Artwesen ist, wie der Gebrauch des Geschlechtlichen. Bei jeder dieser beiden Lustarten sind aber einige schlechthin unnatürlich und nur in etwa natürlich [zu nennen]. Es kommt nämlich vor, daß in einem Einzelwesen eine von den natürlichen Artgrundlagen zu Schaden kommt und so das, was an sich wider die Artnatur ist, diesem Einzelwesen zufällig natürlich wird, wie es dem erwärmten Wasser natürlich ist, daß es warm macht. So kommt es, daß das, was gegen die Natur des Menschen ist. sei es im Hinblick auf die Vernunft oder im Hinblick auf die Erhaltung des Q U A E S T I O 31, ,

autem in homine dupliciter sumi potest. Uno modo, prout intellectus et ratio est potissime hominis natura, quia secundum earn homo in specie constituitur. Et secundum hoc, naturales delectationes hominum dici possunt quae sunt in eo quod convenit homini secundum rationem: sicut delectari in contemplatione veritatis, et in actibus virtutum, est naturale homini. — Alio modo potest sumi natura in homine secundum quod condividitur rationi: id scilicet quod est commune homini et aliis, praecipue quod rationi non obedit. Et secundum hoc, ea quae pertinent ad conservationem corporis, vel secundum individuum, ut cibus, potus, lectus, et hujusmodi, vel secundum speciem, sicut venereorum usus, dicuntur homini delectabilia naturaliter. Secundum utrasque autem delectationes, contingit aliquas esse innaturales, simpliciter loquendo, sed connaturales secundum quid. Contingit enim in aliquo individuo corrumpi aliquod principiorum naturalium speciei; et sic id quod est contra naturam speciei, fieri per accidens naturale huic individuo ; sicut huic aquae calefactae est naturale quod calefaciat. Ita igitur contingit quod id quod est contra naturam hominis, vel quantum ad rationem, vel quantum ad corporis conser-

159

31, 8 Leibes, für diesen Menschen hier, wegen irgendeiner Naturverdorbenheit in ihm, natürlich wird. Diese Verdorbenh e i t kann entweder von S e i t e n des Leibes vorhanden sein, sei es durch Krankheit, wie den Fiebernden das Süße bitter vorkommt, und ungekehrt, sei es durch einen Mangel im stofflichen Aufbau, wie einige Lust haben am Essen von Erde oder Kohle oder was es sonst dergleichen gibt; oder auch von Seiten der Seele, wie einige aus Gewohnheit Lust haben an Menschenfresserei oder an Tier- oder Männerverkehr oder an sonst dergleichen Dingen, die der menschlichen Natur nicht gemäß sind. Daraus ergibt sich die Antwort auf die Einwände. 8. A R T I K E L Kann die eine Lust der andern entgegen sein? 1. Die Leidenschaften der Seele nehmen Art und Gegensätzlichkeit vom Gegenstande. Nun ist Gegenstand der Lust das Gut. Da nun ein Gut dem andern nicht entgegen ist, sondern „das Gut dem Übel entgegen ist und ein Übel dem anderen" (Aristoteles), so scheint die eine Lust der andern nicht entgegen zu sein. 2. Ein Ding hat nur e i n e n äußersten Gegensatz. Nun steht QTJAESTIO 31, ,

vationem, fiat huic homini connaturale, propter aliquam eorruptionem naturae in eo existentem. Quae quidem corruptio potest esse vel ex parte corporis, sive ex aegritudine, sicut febricitantibus dulcia videntur amara et e converso; sive propter malam complexionem, sicut aliqui delectantur in comestione terrae vel carbonum, vel aliquorum hujusmodi: vel etiam ex parte animae, sicut propter consuetudinem aliqui delectantur in comedendo homines, vel in coitu bestiarum aut masculorum, aut aliorum hujusmodi, quae non sunt secundum naturam humanam. Et per hoc patet responsio A D OBIECTA. ARTICULUS VIII U t r u m d e l e c t a t i o possit esse delectationi contraria A D OCTAVUM sie proceditur. Videtur quod delectationi non sit delectatio contraria. Passiones enim animae speciem et contrarietatem reeipiunt secundum objecta. Objectum autem delectationis est bonum. Cum igitur bonum non sit contrarium bono, sed „bonum malo contrarietur, et malum malo", ut dicitur l l b 4 in Praedicamentis [c. 9]; videtur quod delectatio non sit contraria delectationi. 2. PRAETEREA, unum uni est contrarium, ut probatur 160

der Lust als äußerster Gegensatz die Traurigkeit gegenüber. 31, * Mithin steht die eine Lust der andern nicht entgegen. 3. Wenn der einen Lust die andere entgegen ist, dann nur wegen der Gegensätzlichkeit dessen, woran man Lust hat. Dieser Unterschied besteht aber nur auf Grund des Stoffes; die Gegensätzlichkeit ist jedoch ein Unterschied auf Grund der Form (Aristoteles). Also gibt es keine Gegensätzlichkeit zwischen Lust und Lust. A N D E R S E I T S : Nach dem Philosophen ist das entgegengesetzt, was sich in derselben Gattung befindet und einander verdrängt. Nun aber verdrängen einige Lustarten einander (Aristoteles). Also sind einige Lustarten einander entgegen. ANTWORT: Die Lust in den Gemütsbewegungen der Seele entspricht der Ruhe in den natürlichen Körpern (Art. 1; 23, 4). Entgegengesetzt heißen aber zwei Ruhearten, die an entgegengesetzten Zielpunkten sind, wie „die Ruhe oben der Ruhe unten" (Aristoteles). Darum kommt es auch bei den Gemütsbewegungen vor, daß die eine Lust der andern entgegen ist. Zu 1. Das Wort des Philosophen ist so zu verstehen, daß ,Gut' und ,Übel' genommen wird im Bereich der Tugenden und Laster. Denn es gibt wohl zwei gegensätzliche Laster, Q U A E S T I O 31, ,

10 Metaphysicorum [c. 5]. Sed delectationi contraria est tristitia. Non ergo delectationi est contraria delectatio. 3. P R A E T E R E A , si delectationi est contraria delectatio. hoc non est nisi propter contrarietatem eorum in quibus aliquis delectatur. Sed haec differentia est materialis: contrarietas autem est differentia secundum formam, ut dicitur in 10 Metaphysicorum [c. 4]. Ergo non contrarietas est delectationis ad delectationem. SED CONTRA, ea quae se impediunt, in eodem genere existentia, secundum Philosophum [ib.], 1 sunt contraria. Sed quaedam delectationes se invicem impediunt, ut dicitur in 10 Ethicorum [c. 5]. Ergo aliquae delectationes sunt contrariae. R E S P O N D E O dicendum quod delectatio in affectionibus animae, sicut dictum est, proportionatur quieti in corporibus naturalibus. Dicuntur autem esse duae quietes contrariae, quae sunt in contrariis terminis; sicut „quies quae est sursum, ei quae est deorsum", ut dicitur 5 Physicorum [c. 6]. Unde et contingit in affeetibus animae duas delectationes esse contrarias. AD PRIMUM ergo dicendum quod verbum illud Philosophi est intelligendum secundum quod bonum et malum accipitur in virtutibus et vitiis: nam inveniuntur duo contraria vitia, non 1

11

Cf. Phys. 8,8 (262 a 11). 10

161

1055 b so

1055 b 12 -

sqq

1055 a 27 1175 b 2

¿30 b 11

31, 8 aber nicht eine Tugend, die der andern entgegen ist. Im übrigen hindert nichts, daß zwei Güter einander entgegen sind, wie das Warme und das Kalte, von denen das eine für das Feuer ein Gut ist, das andere für das Wasser. Auf diese Weise kann auch die eine Lust der andern entgegen sein. Beim Gut der Tugend kann das aber nicht sein, weil das Gut der Tugend nur aufgefaßt wird gemäß der Übereinstimmung mit etwas Einheitlichem, nämlich mit der Vernunft [37]. Zu 2. Die Lust ist in den Gemütsbewegungen der Seele das, was die natürliche Ruhe in den Körpern. Diese liegt nämlich in etwas Zuträglichem und gewissermaßen Naturgleichem. Traurigkeit ist aber wie eine gewaltsame Ruhe; denn das Trauerbringende widerstrebt dem seelischen Strebevermögen wie der Ort der gewaltsamen Ruhe dem naturhaften Streben. Der natürlichen Ruhe ist aber sowohl die gewaltsame Ruhe desselben Körpers entgegengesetzt wie auch die natürliche Ruhe eines andern (Aristoteles). Deshalb ist der Lust sowohl eine [andere] Lust als auch die Traurigkeit entgegengesetzt. Zu 3. Das, woran wir Lust haben, bewirkt, da es Gegenstand der Lust ist, nicht nur einen stofflichen Unterschied, sondern auch einen wesentlichen, wenn eine verschiedene Bewandtnis von Lusterregung vorliegt. Eine verschiedene Bewandtnis des Gegenstandes ändert nämlich die Art des Tuns oder Erleidens (23, 1. 4; 30, 2). QUAESTIO 31, »

230 a l 30 Sqq. 231 a 5 8 QQ-

autem invenitur virtus contraria virtuti. In aliis autem nil prohibet duo bona esse contraria ad invicem: sicut calidum et frigidum, quorum unum est bonum igni, alterum aquae. Et per hunc modum delectatio potest esse delectationi contraria. Sed hoc in bono virtutis esse non potest: quia bonum virtutis non accipitur nisi per convenientiam ad aliquid unum, scilicet rationem. A D SECUNDUM dicendum quod delectatio se habet in affectibus animae, sicut quies naturalis in corporibus: est enim in aliquo convenienti et quasi connaturali. Tristitia autem se habet sicut quies violenta: tristabile enim repugnat appetitui animali, sicut locus quietis violentae appetitui naturali. Quieti autem naturali opponitur et quies violenta ejusdem corporis, et quies naturalis alterius, ut dicitur in 5 Physicorum [ib.]. Unde delectationi opponitur et delectatio et tristitia. A D TERTIUM dicendum quod ea in quibus delectamur, cum sint objecta delectationis, non solum faciunt differentiam materialem, sed etiam formalem, si sit diversa ratio delectabilitatis. Diversa enim ratio objecti diversificat speciem actus vel passionis, ut ex supradictis patet.

162

32 r l

32. F R A G E DIE URSACHE DER

LUST

Danach sind die Ursachen der Lust zu untersuchen. D a z u ergeben sich acht Einzelfragen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Ist Ist Ob Ob Ist Ist Ist Ist

Tätigkeit die eigentliche Ursache der Lust? Bewegung Ursache der Lust? Hoffnung und Erinnerung? Traurigkeit? das Tun anderer uns Ursache der Lust? Wohltun am andern Ursache der Lust? Ähnlichkeit Ursache der Lust? Staunen Ursache der Lust? 1. A R T I K E L

Ist Tätigkeit

die eigentliche

Ursache der

Lust?

1. Wie der Philosoph sagt, „besteht Lust haben darin, daß der Sinn etwas erleidet"; denn zur Lust ist Erkenntnis gefordert (31,1). N u n sind aber die erkennbaren Gegenstände der Tätigkeiten früher als die Tätigkeiten selbst. Mithin ist die Tätigkeit nicht eigentliche Ursache der Lust.

QUAESTIO XXXII D E CAUSA D E L E C T A T I O N I S Deinde considerandum est de causis delectationis. E t circa hoc quaeruntur octo: 1. U t r u m operatio sit causa propria delectationis. — 2. U t r u m motus sit causa delectationis. — 3. U t r u m spes et memoria. — 4. U t r u m tristitia. — 5. U t r u m actiones aliorum sint nobis delectationis causa. — 6. U t r u m benefacere alteri sit causa delectationis. — 7. U t r u m similitudo sit causa delectationis. — 8. U t r u m admiratio sit causa delectationis. ARTICULUS I U t r u m operatio sit causa p r o p r i a

delectationis

[4 d 49: 3,2]

A D P R I M U M sie proceditur. Videtur quod operatio non sit propria et prima causa delectationis. U t enim Philosophus dicit, in 1 Rhetoricorum [c. 11], „delectari consistit in hoc quod sensus 1370 a 27 aliquid p a t i a t u r " : requiritur enim a d delectationem cognitio, sicut dictum est. Sed per prius sunt cognoscibilia objecta operationum q u a m ipsae operationes. Ergo operatio non est propria causa delectationis. 11*

163

32, i

2. Lust liegt vornehmlich in der Erreichung des Zieles. . Das ist es nämlich, was vor allem anderen begehrt wird. Nicht immer aber ist das Wirken Ziel, sondern bisweilen das Gewirkte selbst. Also ist die Tätigkeit nicht eigentliche und An-sich-Ursache der Lust. 3. Von Muße und Ruhe spricht man auf Grund des Nachlassens der Tätigkeit. Jene sind aber Lustgüter (Aristoteles). Also ist die Tätigkeit nicht eigentliche Ursache der Lust. ANDERSEITS sagt der Philosoph: „Lust ist die naturgemäße unbehinderte Tätigkeit" (Aristoteles). ANTWORT: Zur Lust ist ein Zweifaches gefordert, nämlich das Erreichen eines zuträglichen Gutes und das Erkennen des Erreichthabens. Jedes von diesen beiden besteht aber in einer Tätigkeit; denn das wirkliche Erkennen ist eine Tätigkeit. Ebenso nehmen wir das zuträgliche Gut in Besitz durch eine Tätigkeit. Auch die eigene Tätigkeit selbst ist ein zuträgliches Gut. Daher ist jede Lust notwendig Folge einer Tätigkeit. Zu 1. Die Gegenstände der Tätigkeiten selbst sind nur insoweit lustbringend, als wir mit ihnen in Berührung kommen, sei es durch die bloße Erkenntnis, wie wenn wir an der Betrachtung oder Beobachtung von etwas Lust empfinden; Q U A E S T I O 32,!

1370 a 14 sqq. 1153 b 14 1175 b l 9 Optimum, quae scilicet pertinet ad felicitatem. Ergo aliqua tristitia est s u m m u m malum. 295

39, 4

2. Die Glückseligkeit ist das höchste Gut des Menschen, weil sie das Endziel des Menschen ist. Nun besteht die Glückseligkeit aber darin, daß der Mensch „hat, was er will, und nichts Schlechtes will" [Augustinus] (3, 4 E. 5; 5, 8 E . 3: Bd. 9). Also ist höchstes Gut des Menschen die Erfüllung seines Willens. Trauer kommt aber daher, daß etwas gegen den Willen geschieht (Augustinus). Mithin ist Trauer das größte Übel des Menschen. 3. Augustinus folgert so: „Aus zwei Teilen sind wir zusammengesetzt, aus Seele und Leib, von denen der geringere Teil der Leib ist. Das höchste Gut aber ist das Beste des besseren Teiles, das größte Übel dagegen das Schlechteste des geringeren. Nun ist aber das Beste in der Seele die Weisheit, das Schlechteste im Körper der Schmerz. Das höchste Gut des Menschen ist daher, weise zu sein; das größte Übel, Schmerz zu haben." A N D E R S E I T S : Die Schuld ist ein größeres Übel als die Strafe (148, 6: Bd. 4). Nun gehören aber Trauer und Schmerz zur Strafe für die Sünde, wie das Genießen der vergänglichen Dinge [als Endzweck] das Übel der Schuld ist. Augustinus sagt nämlich: „Was ist Seelenschmerz anderes als Entbehren vergänglicher Dinge, die er genoß oder genießen zu können gehofft hatte? Und das ist alles, was Übel genannt QUAESTIO 39,4

2. P R A E T E R E A , beatitudo est summum bonum hominis: quia est ultimus hominis finis. Sed beatitudo consistit in hoc quod homo „habeat quidquid velit, et nihil mali velit", ut supra dictum est. Ergo summum bonum hominis est impletio voluntatis ipsius. Sed tristitia consistit in hoc quod accidit aliquid contra voluntatem; ut patet per Augustinum, 14 de LJL Civitate Dei [c. 6. 151. Ergo tristitia est summum malum " 424 A

h°minis-

3. P R A E T E R E A , Augustinus sie argumentatur in 1 SoliloPL quiorum [c. 12]. , , E x duabus partibus compositi sumus, ex 32/881 A anima scilicet et corpore, quarum pars deterior corpus est. Summum autem bonum est melioris partis Optimum: summum autem malum, pessimum deterioris. E s t autem Optimum in animo sapientia: in corpore pessimum dolor. Summum igitur bonum hominis est sapere: summum malum dolere." SED CONTRA, culpa est magis malum quam poena, ut in Primo habitum est. Sed tristitia seu dolor pertinet ad poenam peccati; sicut frui rebus mutabilibus est malum culpae. Dicit PL enim Augustinus, in libro de vera Religione [c. 12]: „Quis est 34/132 c d 0 i 0 r q U i dicitur animi, nisi carere mutabilibus rebus quibus fruebatur, aut frui se posse speraverat ? E t hoc est totum

296

wird: Sünde, und Strafe für die Sünde." Mithin sind Trauer 39, * und Schmerz nicht das größte Übel des Menschen. ANTWORT: Unmöglich können Trauer und Schmerz das größte Übel des Menschen sein. Denn jede Trauer oder jeder Schmerz geht entweder auf ein wirkliches Übel oder auf ein Scheinübel, das in Wirklichkeit ein Gut ist. Aber Schmerz und Trauer, die auf ein wirkliches Übel gehen, können nicht das größte Übel sein. Denn es gibt etwas Schlimmeres als das, nämlich entweder d a s nicht für Übel zu halten, was wirklich Übel ist, oder auch, es nicht zurückzuweisen. Trauer hingegen und Schmerz, die auf ein Scheinübel gehen, das in Wirklichkeit ein Gut ist, kann nicht das größte Übel sein, weil es noch schlimmer wäre, ganz und gar vom wahren Gute fern zu sein. Deshalb kann unmöglich Trauer oder Schmerz das größte Übel des Menschen sein. Zu 1. Zwei Güter sind sowohl der Lust wie der Trauer gemeinsam, nämlich das wahre Urteil über Gut und Übel und die rechte Ordnung im Willen, der das Gute bejaht und das Übel zurückweist. Somit ist offenbar im Schmerz und in der Trauer etwas Gutes, durch dessen Wegnahme sie minderer werden können, Aber nicht in jeder Lust ist etwas Böses, durch dessen Wegnahme sie selbst besser werden könnte. Darum kann in dem Sinne, wie oben (34, 3) gesagt worden, QUAESTXO 39,«

quod dicitur malum, idest peccatum, et poena peccati." Ergo tristitia seu dolor non est summum malum hominis. RESPONDEO dieendum quod impossibile est aliquam tristitiam seu dolorem esse summum hominis malum. Omnis enim tristitia seu dolor aut est de hoc quod est vere malum: aut est de aliquo apparenti malo, quod est vere bonum. Dolor autem seu tristitia quae est de vere malo, non potest esse summum malum: est enim aliquid eo peius, scilicet vel non judicare esse malum illud quod vere est malum, vel etiam non refutare illud. Tristitia autem vel dolor qui est de apparenti malo, quod est vere bonum, non potest esse summum malum, quia pejus esset omnino alienari a vero bono. Unde impossibile est quod aliqua tristitia vel dolor sit summum hominis malum. AD PRIMUM ergo dieendum quod duo bona sunt communia et delectationi et tristitiae: scilicet judicium verum de bono et malo; et ordo debitus voluntatis approbantis bonum et recuaantis malum. Et sie patet quod in dolore vel tristitia est aliquod bonum, per cujus privationem potest fieri deterius. Sed non in omni delectatione est aliquod malum, per cujus remotionem possit fieri melius. Unde delectatio aliqua potest esse summum 20 10

297

•!9, 4 eine Lust des Menschen höchstes Gut sein. Nicht aber kann Trauer des Menschen größtes Übel sein. Z u 2. Bereits dieses, daß der Wille dem Bösen widersteht, ist etwas Gutes. Und deswegen können Trauer und Schmerz nicht das größte Übel sein, weil sie immer eine Beimischung von Gutem haben. Zu 3. Schlechter ist das, was dem Besseren schadet, als was dem Schlechteren schadet. .Schlecht' aber wird etwas genannt, „weil es schadet" (Augustinus). Daher ist das, was ein Übel der Seele bedeutet, ein größeres Übel als das, was ein Übel des Leibes ist. Darum ist der Grund nicht durchschlagend, den Augustinus übrigens nicht aus eigener Überzeugung anführt, sondern aus der Überzeugung eines andern. QUAESTIO

39,4

hominis bonum, eo modo quo supra dictum est: tristitia autem non potest esse summum hominis malum. A D SECUNDUM dicendum quod hoc ipsum quod est voluntatem repugnare malo, est quoddam bonum. Et propter hoc, tristitia vel dolor non potest esse summum malum: quia habet aliquam permixtionem boni. A D TERTIUM dicendum quod pejus est quod nocet meliori, quam quod nocet pejori. Malum autem dicitur „quia nocet", PL u t dicit Augustinus in Enchiridio [c. 12]. 1 Unde majus malum 40/237 A e s t q U o d est malum animae, quam quod est malum corporis. Unde non est efficax ratio, quam Augustinus inducit non ex sensu suo, sed ex sensu alterius [sei. Cornelii Celsi].2 1

Cf. De Mor. Beel. 2,3 (PL 32/1346 D). • Cf. Aug., Soliloq. 1,12 (PL 32/881 A).

298

40. F R A G E

DIE

LEIDENSCHAFTEN DES Ü B E R W I N D E N D E N STREBEVERMÖGENS. ZUNÄCHST HOFFNUNG UND VERZWEIFLUNG

In der Folge müssen die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens betrachtet werden. Zuerst Hoffnung und Verzweiflung; zweitens Furcht und Kühnheit; drittens Zorn. Bezüglich des Ersten ergeben sich acht Einzelfragen: 1. Ist Hoffnung dasselbe wie Sehnsucht oder Begierde? 2. Ist die Hoffnung in der Erkenntnis- oder in der Strebekraft? 3. Gibt es bei den Tieren [so etwas wie] Hoffnung? 4. Steht die Hoffnung in Gegensatz zur Verzweiflung? 5. Ist die Erfahrung Ursache der Hoffnung? 6. Sind junge und trunkene Menschen überreich an Hoffnung ? 7. Die Beziehung der Hoffnung zur Liebe. 8. Trägt die Hoffnung zur Tätigkeit bei? 1. A R T I K E L Ist Hoffnung

dasselbe wie Sehnsucht

oder

Begierde?

I. Die Hoffnung wird als eine von den vier Hauptleidenschaften hingestellt. Nun setzt aber Augustinus, wo er die QUAESTIO

XL

D E PASSIONIBUS IRASCIBILIS. ET PRIMO, D E SPE ET DESPERATIONE Consequenter considerandum est de passionibus irascibilis: et primo, de spe et desperatione; secundo, de timore et audacia; tertio, de ira. Circa primum quaeruntur octo: 1. Utrum spes sit idem quod desiderium vel cupiditas. — 2. Utrum spes sit in vi apprehensiva, vel in vi appetitiva. — 3. Utrum spes sit in brutis animalibus. — 4. Utrum spei contrarietur desperatio. — 5. Utrum causa spei sit experientia. — 6. Utrum in juvenibus et ebriosis spes abundet. —• 7. De ordine spei ad amorem. — 8. Utrum spes conferat ad operationem. ARTICULUS I U t r u m spes sit idem quod desiderium vel cupiditas [Supra 25,1; I I — I I 144,1; 3 d 26: 1,3; 2,3 qa 2; Spes 1; CTh I I 7]

A D PRIMUM sie proceditur. Videtur quod spes sit idem quod desiderium sive cupiditas. Spes enim ponitur una quatuor prineipalium passionum. Sed Augustinus, enumerans quatuor 20*

299

40, i vier Hauptleidenschaften aufzählt, die Begierde an Stelle der Hoffnung. Mithin ist die Hoffnung dasselbe wie Begierde oder Sehnsucht. 2. Die Leidenschaften unterscheiden sich nach den Gegenständen. Nun ist aber der Gegenstand der Hoffnung und der Begierde oder der Sehnsucht der gleiche, nämlich ein zukünftiges Gut. Also ist die Hoffnung dasselbe wie Begierde oder Sehnsucht. 3. Wenn man sagt, die Hoffnung füge zur Sehnsucht die Möglichkeit, ein zukünftiges Gut zu erreichen, hinzu, so spricht dagegen: Was sich nur zufällig zum Gegenstand verhält, ändert nicht die Art der Leidenschaft. Nun verhält sich aber das Mögliche zufällig zum zukünftigen Gut, das Gegenstand der Begierde oder der Sehnsucht und der Hoffnung ist. Mithin ist die Hoffnung keine artmäßig von der Sehnsucht oder der Begierde verschiedene Leidenschaft. ANDERSEITS: Zu verschiedenen Fähigkeiten gehören auch artmäßig verschiedene Leidenschaften. Nun ist die Hoffnung aber im überwindenden Strebevermögen, Sehnsucht und Begierde dagegen im begehrenden. Also unterscheidet sich die Hoffnung artmäßig von der Sehnsucht oder der Begierde. ANTWORT: Die Art der Leidenschaft wird vom Gegenstand her bestimmt. Bezüglich des Gegenstandes der Hoffnung aber muß man auf vier Bedingungen achthaben. Q U A E S T I O 40,

t

principales passiones, ponit cupiditatem loco spei, ut patet in PL 14 de Civitate Dei [c. 3. 7]. Ergo spes est idem quod cupiditas 41 'íín ti s ' v e desiderium. 2. P R A E T E R E A , passiones differunt secundum objecta. Sed idem est objectum spei, et cupiditatis sive desiderii, scilicet bonum futurum. Ergo spes est idem quod cupiditas sive desiderium. 3. P R A E T E R E A , si dieatur quod spes addit supra desiderium possibilitatem adipiscendi bonum futurum, contra: Id quod per accidens se habet ad objectum, non variat speciem passionis. Sed possibile se habet per accidens ad bonum futurum, quod est objectum cupiditatis vel desiderii, et spei. Ergo spes non est passio specie differens a desiderio vel cupiditate. S E D CONTRA, diversarum potentiarum sunt diversae passiones specie differentes. Sed spes est in irascibili; desiderium autem et cupiditas in coneupiscibili. Ergo spes differt specie a desiderio seu cupiditate. R E S P O N D E O dicendum quod species passionis ex objecto consideratur. Circa objectum autem spei, quatuor conditiones

300

Erstens, daß es sich bei ihm um ein Gut handelt. Im eigent- 40. i liehen Sinn gibt es nämlich bloß Hoffnung auf ein Gut. Und dadurch unterscheidet sich die Hoffnung von der Furcht, die auf ein Übel geht. — Zweitens, daß es [das Gut] in der Zukunft liegt. Die Hoffnung geht nämlich nicht auf etwas Gegenwärtiges, das man schon besitzt. Und dadurch unterscheidet sich die Hoffnung von der Freude, die auf ein gegenwärtiges Gut geht. — Drittens wird verlangt, daß es sich bei ihm um ein Steilgut handelt, das nur mit Mühe zu erreichen ist. Man spricht nämlich vom Hoffen nicht bei jeder Kleinigkeit, deren Besitznahme einer ohne weiteres in seiner Gewalt hat. Dadurch unterscheidet sich die Hoffnung von der Sehnsucht oder der Begierde, die bedingungslos auf ein Gut in der Zukunft gehen. Daher gehören diese zum begehrenden Strebevermögen, die Hoffnung dagegen zum überwindenden. — Viertens, daß dieses Steilgut wirklich erreichbar ist. Denn niemand hofft auf das, was er ganz und gar nicht erreichen kann. Dadurch unterscheidet sich die Hoffnung von der Verzweiflung. Somit ist also klar, daß sich die Hoffnung so von der Sehnsucht unterscheidet, wie die Leidenschaften des überwindenden von denen des begehrenden Strebe Vermögens. Deshalb setzt die Hoffnung Sehnsucht voraus, geradeso wie auch alle Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens die des begehrenden voraussetzen (25, 1). Q U A E S T I O 40, ,

a t t e n d u n t u r . Primo quidem, quod sit b o n u m : non enim, proprie loquendo, est spes nisi de bono. E t per hoc differt spes a timore, qui est de malo. — Secundo, u t sit f u t u r u m : non enim spes est de praesenti j a m habito. E t per hoc differt spes a gaudio, quod est de bono praesenti. — Tertio, requiritur quod sit aliquid a r d u u m cum diffìcultate adipiseibile : non enim aliquis dicitur aliquid sperare minimum, quod s t a t i m est in sua potestate u t h a b e a t . E t per hoc differt spes a desiderio vel cupiditate, quae est de bono f u t u r o absolute: unde pertinet a d concupiscibilem, spes a u t e m a d irascibilem. — Quarto, quod illud a r d u u m sit possibile adipisci: non enim aliquis sperat id quod omnino adipisci non potest. E t secundum hoc differt spes a desperatione. Sic ergo p a t e t quod spes differt a desiderio, sicut differunt passiones irascibilis a passionibus concupiscibilis. E t propter hoc, spes praesupponit desiderium: sicut et omnes passiones irascibilis praesupponunt, passiones concupiscibilis, u t supra dictum est.

301

Z u 1. Augustinus setzt deswegen die Begierde an Stelle der Hoffnung, weil beide ein zukünftiges Gut im Auge haben, und weil ein Gut, das nicht Steilgut ist, sozusagen für nichts erachtet wird; daß somit die Begierde vor allem nach dem Steilgut zu streben scheint, wonach auch die Hoffnung strebt. Z u 2. Gegenstand der Hoffnung ist nicht das zukünftige Gut als solches, sondern nur das mit Mühe und Schwierigkeit zu erreichende (Antw.). Zu 3. Der Gegenstand der Hoffnung fügt nicht nur die Möglichkeit zum Gegenstand der Sehnsucht hinzu, sondern auch das Mühevolle; woher es kommt, daß die Hoffnung in den Bereich einer anderen Fähigkeit fällt, nämlich des überwindenden Strebevermögens, das das Steilgut im Auge hat (I 81, 2: Bd. 6). — ,Möglich' und .unmöglich' verhalten sich aber nicht ganz zufällig zum Gegenstand der Strebekraft. Denn das Streben ist Ursprungsgrund der Bewegung. Es wird aber nichts zu etwas hin bewegt, es sei denn unter der Rücksicht des Möglichen. Denn keiner ist in Bewegung zu etwas, was er für unmöglich erreichbar hält. Deshalb unterscheidet sich die Hoffnung von der Verzweiflung gemäß der Unterscheidung des Möglichen und Unmöglichen. Q U A E S T I O 40, ,

A D PRIMUM ergo dicendum quod Augustinus ponit cupiditatem loco spei, propter hoc quod utrumque respicit bonum futurum: et quia bonum quod non est arduum, quasi nihil reputatur; ut sie cupiditas maxime videatur tendere in bonum arduum, in quod etiam tendit spes. A D SECUNDUM dicendum quod objectum spei non est bonum futurum aboslute: sed cum arduitate et difficultate adipiscendi, ut dictum est. Ä D TERTIUM dicendum quod objectum spei non tantum addit possibilitatem super objectum desiderii, sed etiam arduitatem: quae ad aliam potentiam facit spem pertinere, scilicet ad irascibilem, quae respicit arduum, ut in Primo dictum est. — Possibile autem et impossibile non omnino per accidens se habent ad objectum appetitivae virtutis. Nam appetitus est prineipium motionis: nihil autem movetur ad aliquid nisi sub ratione possibilis; nullus enim movetur ad id quod existimat impossibile adipisci. Et propter hoc, spes differt a desperatione secundum differentiam possibilis et impossibilis.

302

2. A R T I K E L 40, 2 Ist die Hoffnung in der Erkenntnis- oder in der Strebekraft? 1. Die Hoffnung scheint eine Art Erwartung zu sein. Der Apostel sagt nämlich Rom 8, 25: „Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht schauen, so warten wir mit Geduld." Nun scheint die Erwartung aber in den Bereich der Erkenntniskraft zu gehören, deren Aufgabe es ist, Ausschau zu halten. 1 Also fällt die Hoffnung in den Bereich der Erkenntniskraft. 2. Wie es scheint, ist Hoffnung dasselbe wie Zuversicht. Deswegen nennen wir auch die Hoffenden „die Zuversichtlichen", indem wir sozusagen zuversichtlich sein' und ,hoffen' für dasselbe gebrauchen. Nun scheint aber die Zuversicht, wie auch der Glaube, in den Bereich der Erkenntniskraft zu fallen. Also auch die Hoffnung. 3. Gewißheit ist eine Eigenschaft der Erkenntniskraft [55]. Nun wird Gewißheit aber der Hoffnung zugeschrieben. Also gehört die Hoffnung in den Bereich der Erkenntniskraft. ANDERSEITS: Die Hoffnung geht auf ein Gut (Art. 1). Gut als solches aber ist nicht Gegenstand der Erkenntnis, sondern der Strebekraft. Mithin fällt die Hoffnung nicht in den Bereich der Erkenntnis, sondern der Strebekraft. QUAESTIO 40,.

A R T I C U L U S II U t r u m s p e s s i t i n v i a p p r e h e n s i v a , a n in v i a p p e t i t i v a [3 d 26:1,1; 2,2]

A D SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod spes pertineat ad vim cognitivam. Spes enim videtur esse expectatio quaedam: dicit enim Apostolus, Rom. 8: ,,Si autem quod non videmus speramus, per patientiam expectamus." Sed expectatio videtur ad vim cognitivam pertinere, cujus est „exspectare". Ergo spes ad cognitivam pertinet. 2. PRAETEREA, idem est, ut videtur, spes quod fiducia: unde et sperantes „confidentes" vocamus, quasi pro eodem utentes eo quod est confidere et sperare. Sed fiducia, sicut et fides, videtur ad vim cognitivam pertinere. Ergo et spes. 3. PRAETEREA, certitudo est proprietas cognitivae virtutis. Sed certitudo attribuitur spei. Ergo spes ad vim cognitivam pertinet. SED CONTRA, spes est de bono, sicut dictum est. Bonum autem, inquantum hujusmodi, non est objectum cognitivae, sed appetitivae virtutis. Ergo spes non pertinet ad cognitivam, sed ad appetitivam virtutem. 1 Der Einwand stützt sich auf die Doppelbedeutung von ex-spectare = erwarten und: Ausschau halten nach etwas, wobei die zweite Bedeutung in der ersten gründet.

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40. 2

ANTWORT: Da Hoffnung ein gewisses Auslangen des Strebens nach Gut besagt, so fällt sie offenbar in den Bereich der Strebekraft; denn eine Bewegung zu den Dingen hin gehört im eigentlichen Sinn zum Bereich des Strebevermögens. Die Betätigung der Erkenntniskraft vollzieht sich dagegen nicht im Sinne einer Bewegung des Erkennenden zu den Dingen hin, sondern eher dadurch, daß die erkannten Dinge im Erkennenden sind. Weil nun aber die Erkenntniskraft die Strebekraft bewegt, indem sie ihr ihren Gegenstand vorstellt, folgen nach den verschiedenen Bewandtnissen des wahrgenommenen Gegenstandes die verschiedenen Bewegungen der Strebekraft. Eine andere Bewegung folgt nämlich im Strebevermögen der Wahrnehmung des Guten und eine andere der Wahrnehmung des Übels; ebenso eine andere Bewegung der Wahrnehmung des Gegenwärtigen und des Zukünftigen, des schlicht Guten und des Mühevollen, des Möglichen und des Unmöglichen. Demgemäß ist die Hoffnung eine Bewegung des Strebevermögens, die auf die Wahrnehmung eines zukünftigen, mühevollen, erreichbaren Gutes folgt, nämlich das Auslangen des Strebevermögens nach einem solchen Gegenstand. Zu 1. Weil die Hoffnung auf ein .mögliches' Gut blickt, entsteht im Menschen auf zweifache Weise eine Bewegung der Hoffnung, wie ihm auch etwas auf zweifachem Wege ,möglich' ist, nämlich durch eigene Kraft und durch die QUAESTI0

40,,

RESPONDEÜ dicendum quod, cum spes importet extensionem quandam appetitus in bonum, manifeste pertinet ad appetitivam virtutem: motus enim ad res pertinet proprio ad appetitum. Actio vero virtutis cognitivae perficitur non seeundum motum cognoscentis ad res, sed potius secundum quod res cognitae sunt in cognoscente. Sed quia vis cognitiva movet appetitivam, repraesentando ei suum objectum; secundum diversas rationes objecti apprehensi, subsequuntur diversi motus in vi appetitiva. Alius enim motus sequitur in appetitu ex apprehensione boni, et alius ex apprehensione mali: et similiter alius motus ex apprehensione praesentis et futuri, absoluti et ardui, possibilis et impossibilis. Et secundum hoc, spes est motus appetitivae virtutis consequens apprehensionem boni futuri ardui possibilis adipisci, scilicet extensio appetitus in hujusmodi objectum. A D PRIMUM ergo dicendum quod, quia spes respicit ad bonum possibile, insurgit dupliciter homini motus spei, sicut dupliciter est ei aliquid possibile: scilicet secundum propriam

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Kraft eines andern. Daß man nun durch eigene Kraft etwas 40» 2 zu erlangen hofft, wird nicht .erwarten', sondern lediglich ,hoffen' genannt. Im eigentlichen Sinne aber spricht man von ,erwarten', wenn man etwas mit Hilfe fremder Kraft erhofft; so daß ,erwarten' [ = Ausschau halten] gewissermaßen sagen will, ausschauen nach dem anderen, sofern nämlich die voraufgehende Erkenntniskraft nicht bloß auf das Gut schaut, das man zu erreichen strebt, sondern auch darauf, durch wessen Kraft man es zu erreichen hofft; nach Sir 51, 10: „Ich schaute aus nach der Hilfe der Menschen." Die Bewegung der Hoffnung wird also bisweilen Erwartung [Ausschau] genannt wegen der voraufgehenden Ein-schau des Erkenntnisvermögens. Zu 2. Was der Mensch ersehnt und erreichen zu können meint, glaubt er auch wirklich zu erlangen. Und die Bewegung, die sich im Strebevermögen an einen solchen Glauben im voraufgehenden Erkenntnisvermögen anschließt, wird ,Zuversicht' genannt. Die Bewegung des Strebens wird nämlich von der vorhergehenden Erkenntnis aus benannt, wie eine Wirkung von der bekannteren Ursache. Denn die Erkenntniskraft erkennt den eigenen Akt besser als den des Strebe Vermögens [56]. Zu 3. ,Gewißheit' wird nicht nur der Bewegung des sinnenhaften Strebevermögens zugeschrieben, sondern auch der des naturhaften, so wie man z. B. sagt, der Stein ziele mit GeQ U A E S T I O 40,

s

virtutem, et secundum virtutem alterius. Quod ergo aliquis sperat per propriam virtutem adipisci, non dicitur expectare, sed sperare tantum. Sed proprie dicitur expectare quod sperat ex auxilio virtutis alienae: ut dicatur „exspectare" quasi ,,ex alio spectare", inquantum scilicet vis apprehensiva praecedens non solum respicit ad bonum quod intendit adipisci, sed etiam ad illud cujus virtute adipisci sperat; secundum illud Eccli. 51: „Respiciens eram ad adjutorium hominum." Motus ergo spei quandoque dicitur expectatio, propter inspectionem virtutis cognitivae praecedentem. AD SECUNDUM dicendum quod illud quod homo desiderat, et aestimat se posse adipisci, credit se adepturum: et ex tali fide in cognitiva praecedente, motus sequens in appetitu fiducia nominatur. Denominatur enim motus appetitivus a cognitione praecedente, sicut effectus ex causa magis nota: magis enim cognoscit vis apprehensiva suum actum quam actum appetitivae. AD T E R T I U M dicendum quod certitudo attribuitur motui non solum appetitus sensitivi, sed etiam appetitus naturalis:

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40, s wißheit nach unten. Und das wegen der Unfehlbarkeit, die sie aus der Gewißheit der Erkenntnis hat, die der Bewegung des sinnenhaften oder auch naturhaften Strebevermögens vorausgeht [vgl. Art. 3, Antw.]. 3. A R T I K E L Gibt es bei Tieren so etwas wie Hoffnung?

1. Die Hoffnung richtet sich auf ein Gut in der Zukunft (Johannes von Damaskus). Erkenntnis des Zukünftigen aber geht nicht die Tiere an, weil sie nur eine sinnenhafte Erkenntnis haben, die nicht auf Zukünftiges geht. Mithin gibt es bei Tieren keine Hoffnung. 2. Gegenstand der Hoffnung ist das möglicherweise zu erreichende Gut. Nun sind aber ,möglich' und ,unmöglich' gewisse Unterscheidungen des Wahren und Falschen, die nur im [erkennenden] Geist sind (Aristoteles). Mithin gibt es keine Hoffnung bei den Tieren, da sie keinen Geist haben. 3. Augustinus sagt: „Die Tiere werden bewegt durch das, was sie sehen." Hoffnung geht aber nicht auf das, was man sieht. Denn, „wie soll man noch erhoffen, was man sieht" (Rom 8, 24). Also gibt es bei Tieren keine Hoffnung. Q U A E S T I O 40, „

sicut dicitur quod lapis certitudinaliter tendit deorsum. E t hoc propter infallibilitatem quam habet ex certitudine cognitionis quae praecedit m o t u m appetitus sensitivi, vel etiam naturalis. ARTICULUS III U t r u m spes sit in b r u t i s a n i m a l i b u s [3 d 26: l , l ]

AD T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod in brutis animalibus non sit spes. Spes enim est de futuro bono, u t DamaPG scenus dicit [De Fide Orth. 2, 12]. Sed cognoscere f u t u r u m non 94/929 A pertinet ad ammalia bruta, quae habent solum cognitionem sq. sensitivam, quae non est futurorum. Ergo spes non est in brutis animalibus. 2. P R A E T E R E A , objectum spei est bonum possibile adipisci. Sed possibile et impossibile sunt quaedam differentiae veri et falsi, quae solum sunt in mente, u t Philosophus dicit in 6 Me1027 b 27 taphysicorum [c. 4]. Ergo spes non est in brutis animalibus, in quibus non est mens. 3. P R A E T E R E A , Augustinus dicit, de Genesi ad Litteram PL [1. 9, 14], quod „ammalia moventur visis". Sed spes non est 34/402 D de eo quod videtur: ,,nam quod videt quis, quid sperat"? ut dicitur R o m . 8. Ergo spes non est in brutis animalibus.

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ANDERSEITS: Die Hoffnung ist eine Leidenschaft des 40, s überwindenden Strebevermögens. Nun gibt es aber in den Tieren ein überwindendes Strebevermögen. Also auch Hoffnung. ANTWORT: Die inneren Leidenschaften der Tiere können aus den äußeren Bewegungen erkannt werden. Aus ihnen ergibt sich, daß es bei den Tieren Hoffnung gibt. Wenn nämlich der Hund einen Hasen oder der Habicht einen Vogel in allzu großem Abstand entdeckt, so bewegen sie sich nicht auf ihn zu, als hofften sie nicht, ihn erreichen zu können. Ist er aber in der Nähe, so setzen sie sich in Bewegung, als hofften sie, ihn zu fassen. Wie nämlich oben (vgl. 26, 1; 35, 1; 1, 2: Bd. 9) gesagt wurde, folgt das sinnenhafte Streben der Tiere und auch das naturhafte der sinnfreien Dinge der Wahrnehmung irgendeines Verstandes, wie auch das Strebevermögen der geistigen Natur, das Wille heißt. Der Unterschied liegt nur darin, daß der Wille in Bewegung kommt aus der Wahrnehmung des [mit ihm] verbundenen Verstandes; dagegen folgt die Bewegung des naturhaften Strebens auf die Wahrnehmung des von ihm getrennten Verstandes, der die Natur begründet h a t ; ebenso das sinnenhafte Strebevermögen der Tiere, die auch mit einem gewissen naturinneren Antrieb handeln. 1 Daher wird in den Tätigkeiten der Tiere und der anderen Naturdinge ein Q U A E S T I O 40, 3

SED CONTRA, spes est passio irascibilis. Sed in brutis animalibus est irascibilis. Ergo et spes. RESPONDEO dicendum quod interiores passiones animalium ex exterioribus motibus deprehendi possunt. E x quibus apparet quod in animalibus brutis est spes. Si enim canis videat leporem, aut accipiter avem, nimis distantem, non movetur ad ipsam, quasi non sperans se eam posse adipisci: si autem sit in propinquo, movetur, quasi sub spe adipiscendi. U t enim supra dictum est, appetitus sensitivus brutorum animalium, et etiam appetitus naturalis rerum insensibilium, sequuntur apprehensionem alicujus intellectus, sicut et appetitus naturae intellectivae, qui dicitur voluntas. Sed in hoc est differentia, quod voluntas movetur ex apprehensione intellectus conjuncti: sed motus appetitus naturalis sequitur apprehensionem intellectus separati, qui naturam instituit; et similiter appetitus sensitivus brutorum animalium, quae etiam quodam instinctu naturali agunt. Unde in operibus brutorum animalium, et aliarum rerum naturalium, 1 Über den mit dem Streben „verbundenen" und den von ihm „getrennten" Verstand vgl. 26, 1; 29, 1 und 35, 1.

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40,3 ähnlicher Vorgang sichtbar wie bei den Werken der Kunst [57]. Und auf diese Weise gibt es bei den Tieren Hoffnung und Verzweiflung. Z u 1. Obwohl die Tiere Zukünftiges nicht erkennen, wird das Tier doch aus dem Naturtrieb zu etwas, das noch in der Zukunft liegt, bewegt, als ob es das Zukünftige voraussähe. Ein solcher Trieb ist ihnen nämlich vom göttlichen Verstände eingegeben, der das Zukünftige voraussieht. Z u 2. Gegenstand der Hoffnung ist nicht das Mögliche, sofern es eine Unterscheidung innerhalb des Wahren ist; denn so folgt es auf die Beziehung der Satzaussage zum Satzgegenstand. Dagegen ist Gegenstand der Hoffnung das Mögliche, das so genannt wird auf Grund irgendeines Vermögens. So nämlich wird das Mögliche von Aristoteles unterschieden, nämlich in die zwei genannten Möglichkeiten' [58]. Zu 3. Obwohl das Zukünftige nicht unter den Gesichtssinn fällt, so wird doch das Strebevermögen aus dem, was das Tier im Augenblick sieht, zu etwas bewegt, das noch in der Zukunft liegt, entweder um es zu verfolgen oder zu meiden. Q U A E S T I O 40,,

apparet similis processus sicut et in operibus artis. Et per hunc modum in animalibus brutis est spes et desperatio. A D PRIMUM ergo dicendum quod, quamvis bruta animalia non cognoscant futurum, tarnen ex instinctu naturali movetur animal ad aliquid in futurum, ac si futurum praevideret. Hujusmodi enim instinctus est eis inditus ab intellectu divino praevidente futura. A D SECUNDUM dicendum quod objectum spei non est possibile, prout est quaedam differentia veri: sie enim consequitur habitudinem praedieati ad subjectum. Sed objectum spei est possibile quod dicitur secundum aliquam potentiam. 1019 b 30 Sic enim distinguitur possibile in 5 Metaphysicorum [c. 12] 1 : 8. ^ r ™ g der in Hirnrinde B l u t g e f a ß e i m in der der-Hirnrinde Gehirn

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BlutdruckSteigerung ^

Passive E r Weiterung der mneren Blutgefäße

Aktive Verengung der äußeren Blutgefäße I m Gegensatz dazu steht bei der L u s t der B l u t d r u c k tiefer. Besonders hoch steigt der B l u t d r u c k beim Angstaffekt. Von einer dauernden Steigerung des Blutdruckes ist z. B . das K r a n k heitsbild der Melancholie begleitet, bei der es um eine krankhafte Steigerung der Unlust geht. F e r n e r steigt das Quantum der ein- und ausgeatmeten L u f t ( = Atemgröße) bei der Unlust im Gegensatz zur Lust. Zudem n i m m t bei der Unlust die Pulshäufigkeit zu, die K r a f t des Pulses a b . B e i der L u s t k o m m t es im Gegensatz zur Unlust zu einer Erweiterung der Blutgefäße in den äußeren Körperteilen, weshalb der Widerstand im Kreislauf geringer wird, wodurch der B l u t d r u c k a b n i m m t . Dadurch wird die Änderimg in der Pulshäufigkeit und seiner K r a f t bedingt.

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22,!

22, 2 Bei der Unlust steigert sich der Widerstand, der dem Herzen entgegengesetzt wird. Dagegen geht das Herz an, so daß es zwar langsamer, aber u m so kräftiger schlägt, mithin die Pulszahl a b n i m m t . Ebenfalls n i m m t diese ab, wenn der Blutdruck oder die Herztätigkeit im ganzen geringer wird. Andererseits n i m m t die Pulszahl zu, wenn sich die Blutgefäße an der Körperoberfläche zusammenziehen, aber der Blutdruck gleichzeitig s t a r k ansteigt, das Herz also sehr intensive Arbeit leistet. D a n n aber auch, wenn der Blutdruck ansteigt ohne wesentliche Veränderung der äußeren Blutgefäße oder aber mit Erweiterung derselben. 1 Einen ähnlich engen Wirkungszusammenhang zwischen Seelischem u n d Leiblichem haben die neuesten Drüsenforschungen erwiesen. Man weiß, d a ß die Einsonderungsdrüsen, also jene, die ihre Reizstoffe (Hormone) direkt ins Blut geben, u n d die Aussonderungsdrüsen eine wichtige Rolle im menschlichen Gemütsleben spielen. I n einer Reihe von sinnreichen Untersuchungen ist von C a n n o n nachgewiesen worden, „ d a ß bei Angst, W u t u n d Schmerz erhöhte Absonderung des in der Nebenniere erzeugten Adrenalins in die B l u t b a h n erfolgt u n d dieses Adrenalin die Bewegungen u n d Sekretionen im MagenD a r m - K a n a l herabsetzt" (F. J . J . B u y t e n d i j k , Über den Schmerz. Bern 1948, 69). Auch die Zahl der Leukozyten im Blut verändert sich bei leidenschaftlicher Erregung. U n t e r ihrem Einfluß steigt der Blut-Jod-Gehalt an, u n d zwar so hoch, wie das sonst n u r bei der Basedowschen K r a n k h e i t der Fall ist. N a c h Abklingen des Affektes sinkt der J od wert wieder ab. Schon die tägliche E r f a h r u n g zeigt, daß Schmerz, Angst, W u t , K u m mer u n d Sorge, auch Ärger, auf den Magen wirken u n d den Appetit herabsetzen (Buytendijk, a. a. O. 68). Es ist ferner aus der E r f a h r u n g bekannt, daß schon Vorstellungen von lockenden Speisen die Darmperistaltik anregen. Affekte ändern die Magensekretion u n d Magentätigkeit, wirken auf Blase u n d Darm, fördern Schweißabsonderung u n d Speichelfluß (vgl. 44, 1 u. 3 Zu 1). Der Volksmund h a t d a f ü r bezeichnende W o r t e : E t w a s ist ihm auf den Magen geschlagen; dem ist etwas über die Leber gekrochen; ihm ist die Galle hochgegangen; ihm fließt das Wasser im Munde zusammen usw. (vgl. L e r s c h , a. a. O. 73). Wie oben schon angedeutet, liegt diesen körperlichen Veränderungen eine tiefere Zweckbestimmung zugrunde. 2 W e b e r sagt z. B., daß die vermehrte Blutfülle in den äußeren Körperteilen bei Lustgefühlen oder bei der Freude die W a h r n e h m u n g lustbetonter Reize begünstige. G r o s s a r t meint ( a . a . O . 56): „Die körperlichen Veränderungen sind nicht einfach Reflexe, noch irgendwie willkürlich hervorgerufene Festhalte- oder Abwehrmaßnahmen, sondern instinktive Äußerungen des .Hinzu' u n d ,Fort-weg', ganz analog anderen, instinktiven Bewegungen, die als solche sinnvoll sind und, da es sich u m physiologische, 1 Vgl. H. B i c k e l . Die wechselseitigen Beziehungen zwischen psychischem Geschehen und Blutkreislauf mit besonderer Berücksichtigung der Psychosen. Leipzig 1916. — Vgl. allerdings die neueren Forschungen von W. R. H e ß , Die Organisation des vegetativen Nervensystems. Basel 1948, 58 f., 167. 8 Vgl. zum folgenden: G r o s s a r t , Gefühl und Strebung. Grundlinien einer seelischen Gefühlslehre. Leipzig 1931.

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biologisch ableitbare Vorgänge handelt, zugleich zweckmäßig 22, 2 sind. Wie das Auge sich instinktiv schließt, wenn es gefährdet wird, so schließen sich die Hirngefäße, wenn eine Strebung ungünstige Einwirkungen erfährt, denn alle Strebungen betreffen den physiologischen Organismus, da alles Seelische im Gegensatz zum bloß Psychischen auch leiblich verwurzelt ist. Die physiologischen Symptome sind so nicht f ü r sich allein zu betrachten u n d zu erklären, etwa als reflexiver Schutz gegen einen zu starken Energieumsatz in den Gehirnneuronen, sie sind nur ein Teilmoment an der gesamten instinktiven Stellungnahme des Lebewesens zum einwirkenden Reiz." b) Ferner gibt es körperliche A u s d r u c k s e r s c h e i n u n g e n d e r L e i d e n s c h a f t . D a m i t sind alle Äußerungen gemeint, die eine Leidenschaft nach außen sichtbar werden lassen, z. B. Gesichtsausdruck, etwa die vertikale Falte über der Nasenwurzel beim Zorn, Körperhaltung, Weinen, Zittern, bis auf den von B u m k e beschriebenen Pupillenreflex; kurz, hierher gehören die Veränderungen im Gesichtsausdruck u n d d a n n alle anderen leicht sichtbaren körperlichen Reaktionen, die von den motorischen Zentren des Zentralnervensystems ausgelöst werden u n d sich durch Innervation von quergestreiften Muskeln bzw. Muskelgruppen vollziehen (vgl. P h . L e r s c h , Gesicht u n d Seele. Basel 19513, 19). K l a g e s sieht in auffallender Übereinstimmung mit Thomas in diesen körperlichen Äußerungen des seelischen Geschehens weder mechanistisch erklärbare Reflexbewegungen, pure physiologische Vorgänge, noch zweckmäßig zu deutende Vorgänge, auch nicht bloße Wirkungen psychischer Phänomene, die durch Assoziationen verstärkt sind, sondern sinnvolle Ausdrucksformen, „Gestaltsverwirklichungen der seelischen Reg u n g e n " . Naturgemäß sind diese Äußerungen viel reichlicher als die zuerst genannten, weil sie bedeutend elastischer u n d umfangreicher sind; sie verfügen über eine ganz andere „Klaviatur u n d R e g i s t r a t u r " u n d finden sich a m gesamten lebendigen Organismus. Der Blick des Auges, die Stellung des Körpers, der Tonfall der Stimme u n d die Straffung der Muskeln bilden eine so reichhaltige Klaviatur, daß sie leicht erkennen lassen kann, wes Geistes Kind ein Mensch ist. K l a g e s h a t die Schrift des Menschen in den Dienst dieses Ausdruckes zu stellen versucht. Jedenfalls lassen diese Äußerungen ungleich mehr vom Menschen erkennen als die Apparate, mit denen sonst in den Laboratorien oder Ateliers gearbeitet wird ( G r o s s a r t , a. a. O. 58). c) Auf ein Drittes, das in den beiden vorgenannten Gruppen aber schon enthalten ist, weisen L e r s c h , G r o s s a r t u. a. noch ausdrücklich hin (a. a. O. 62 f.). Grossart findet es deutlich sichtbar in den Affekten. Nach ihm liegt in diesen gesteigerten Gefühlen e i n M o m e n t d e s r e a l i s i e r t e n S t r e b e n s , a l s o d e s H a n d e l n s . Nach ihm ist das zwar ohne bestimmten Gegenstand u n d ohne äußeres Ziel, aber doch nicht völlig ungerichtet. Jedenfalls findet sich das instinktive Streben in der elementarsten Form, nämlich das des Hin-zu u n d Fort-weg in allen Ausdruckssymptomen. Aber in den Affekten, d. h. in den explosionsartigen Gefühlsergüssen, ist das stärker der Fall u n d t r i t t deutlicher in die Erscheinung, etwa beim Streben zum Zer487

22, 2

stören im Zorn und im Wutanfall. Diese ungezielten Handlungsbewegungen, die deswegen aber doch nicht ungerichtet zu sein brauchen, seien für die einzelnen Affekte besonders charakteristisch und verleihen diesen die aktive F o r m gegenüber den reinen Ausdrucksbewegungen. E s ist schon ein „Bewegungsentwurf" als Keim vor dem Einsetzen der Bewegung vorhanden, aus dem sich die Handlung selbst spontan entfaltet, wenn nicht der Geist Einhalt gebietet. 1 „So enthält die W u t die Antriebsgestalt des Angriffs, die Freude die des Umfassens, der Schmerz die einer Abwehr, der Ärger die einer Aggression gegen die Umwelt, der Haß die der Vernichtung des Gehaßten, in der Aufregung lebt das virtuelle Bild einer planlosen Bewegungsanarchie" ( L e r s c h , a. a. O. 405). Die äußeren Bewegungen selbst gehören nach Thomas nicht mehr zur Leidenschaft als solcher (Ver 25, 1 Zu 1). § 2. Die Art der Wechselbeziehung zwischen dem Leiblichen und dem Seelischen Die Frage nach der Stellung der leiblichen Vorgänge im psycho-somatischen Gesamtgeschehen wird von den Psychologen j e nach ihrer Geistesrichtung verschieden beantwortet. I m Grunde reicht die Frage über die Grenzen der empirischen Psychologie hinaus und geht die Philosophie an. Bezeichnend ist, was G r o s s a r t sagt: „Die physiologischen Begleiterscheinungen haben nur eine indirekte Bedeutung für das Gefühl. Als Parallel Vorgänge entsprechen sie seinem Ablauf, seiner Intensität und gewissen Arten seiner Qualität. Aber sie können es weder begründen noch konstituieren, noch von sich aus direkt beeinflussen" (a. a. O. 63). Nach Thomas ist das wohl der Fall, zwar nicht erst-, aber doch zweitwesentlich, insofern sie die stoffliche, beseelbare Wesenskomponente der Leidenschaften bilden (Zu 3). I m dem einen, in sich zu einer Ganzheit geschlossenen leiblichseelischen Vorgang der Leidenschaft lassen sich zwei Seins verhalte voneinander abheben, das Organisch-Leibliche und das Seelische, die bei aller Wesenseinheit gegeneinander offen sind. Beide bilden in ihrer engen Verbindung die e i n e Wirklichkeit der Leidenschaft. Die höhere, leitende, bestimmende und beseelende Komponente wird vom inneren, seelischen Streben, die niedere, bestimmbare dagegen von den organischen Vorgängen gebildet. Beide stehen zueinander im Verhältnis von Bestimmbarem und Bestimmendem, in der Sprache der Scholastik ausgedrückt: von Materie und Form (I 20, 1 Zu 2 : B d . 2). Dieses Verhältnis des Organisch-Leiblichen zum Seelischen in der Leidenschaft hat folgendes zu sagen: E r s t e n s besteht zwischen dem Seelischen und dem Körperlichen eine Verhältnis gleiche Beziehung, kraft der die körperlichen Vorgänge die Transponierung des seelischen Strebens ins Leibliche darstellen, so daß sie in ihrer Richtung und Dynamik genau dem inneren Streben entsprechen und auf seine Ausführung angelegt sind (vgl. u. a. 37, 4 ; 44, 1). Z w e i t e n s haben wir im inneren Streben die unmittelbare 1

Vgl. S c h i l d e r , Medizinische Psychologie. 1924, 76; L e r s c h , a.a.O. 388—392.

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Ursache, von der die körperlichen Veränderungen abhängen 22,2 {37, 4 Zu 1). Diese Tatsache hat aber nichts damit zu tun, daß man sich im abendländischen Denken seit D e s c a r t e s daran gewöhnt hat, Leibliches imd Seelisches streng voneinander zu trennen und darin zwei getrennte Bereiche der Wirklichkeit zu sehen, die sich selbständig und gegeneinander abgeschlossen entgegenstehen. E s handelt sich vielmehr um ein ganzheitliches Geschehen, in dem der Anstoß einmal vom Körperlichen her, das andere Mal vom Seelischen her, allerdings in verschiedener Ursächlichkeit, erfolgt. Durch das Materie-Form-Verhältnis hat der Mensch in seinem Willen ein, wenn auch mitunter sehr schwaches, Regulativ seines körperlichen Zustandes in der Hand, soweit nämlich der Wille, in etwa wenigstens, Leidenschaften zu wecken vermag, die ihm zuträglicher sind, und dadurch die ungewünschten und unzuträglichen in gleichem Maße unterdrückt oder einen erträglichen Einfluß auf den Organismus einleitet. Wegen des engen Zusammenhanges zwischen der seelischen und körperlichen Gefühlsseite wird es verständlich, wieso die innere Aufregung, etwa beim Zorn, nicht befehls- oder wunschgemäß unterdrückt werden kann. Die vasomotorischen Veränderungen, als die elementarsten und instinktivsten, sind nicht direkt beeinflußbar, sondern nur indirekt auf dem Umweg über die Phantasie, die durch den Willen anderen Gegenständen zugewandt wird. Was allerdings una so schwieriger wird, je mehr der Mensch unter einer Leidenschaft steht. Man denke nur an einen tief traurigen und niedergeschlagenen Menschen, der alles schwarz in schwarz sieht. Andere Dinge sind ihm viel zu fade, als daß er sich dadurch beeinflussen und ablenken ließe. D r i t t e n s gilt für das Verhältnis von Materie und F o r m das Gesetz von den gegenseitig bedingten Ursächlichkeiten. Causae sunt sibi invicem causae. Einmal muß die Materie zur Aufnahme der F o r m ausgerichtet werden; andererseits hängen diese Ausrichtungen, gewöhnlich Dispositionen genannt, von der Form ab. Näherhin gehen diese Ausrichtungen in der Ordnung der stofflichen Ursache der F o r m vorauf, folgen ihr aber in der Ordnung der Formalursache. So ähnlich, wie etwa der Vogel in der Luft von seinen Flügeln getragen wird und auch wieder selbst die tragenden Flügel hält. Etwas Ähnliches gibt es bei den Leidenschaften. Das Körperliche in der Leidenschaft steht in ursächlicher Abhängigkeit vom s e e l i s c h e n S t r e b e n . Schon dieses ist durch die Individualität des Menschen irgendwie nach einer Seite hingeneigt. E s braucht nur hingewiesen zu werden auf die zwei großen Gruppen der Gefühls- und der Willensmenschen, um diese Tatsache verständlich zu machen. Herrscht beim Gefühlsmenschen der Drang nach Hingabe vor* so beim Willensmenschen der Selbsterhaltungstrieb. ,Te nach der Anlage zünden die verschiedenen Werte. Der Gefühlsmensch ist angelegt auf Wahrheit, Schönheit, Menschlichkeit, auf edle Leidenschaftlichkeit, d. h. Liebesfähigkeit, Ehrfürchtigkeit, Aufopferungsfähigkeit, weiter auf Teilnahme, Mitgefühl, Barmherzigkeit, Nachsicht und schließlich auch aktiv auf leidenschaftliche Hingabe. Die gleiche Leidenschaftlichkeit steht 32

10

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2 aber auch hinter Habsucht, Spielsucht, Trunksucht, Geiz, Rachsucht, Geschlechtsbegierde. Aus seinen individuellen Wurzeln heraus ist der Gefühlsmensch disponiert zu Entscheidungen in der angegebenen Richtung und hat eine Neigung dazu. Ähnlich verhält es sich, wenn nicht die Hingabe, sondern der Selbsterhaltungstrieb vorherrschend ist und die Selbständigkeit in den Vordergrund tritt, mit Verantwortungsbewußtsein, Gewissen, Wirklichkeitssinn und Selbständigkeitsbedürfnis. Doch steht die Form dem Stoff nicht völlig unabhängig gegenüber. E s gehen nämlich für gewöhnlich, selbst der Zeit nach, dem seelischen Begehren bestimmte k ö r p e r l i c h e Ausr i c h t u n g e n voraus, kraft deren sich das leibliche Verhalten dem verändernden Einfluß dieser oder jener Leidenschaft leichter hingibt. E s gibt körperliche Anlagen, die zu bestimmten Leidenschaften hinneigen. Liegt die körperliche Ansprechbarkeit oder Empfänglichkeit für die eine oder andere Leidenschaft vor, dürfte wohl von der Anlage dazu die Rede sein (77, 3 Zu 2 : B d . 12). Hier liegt nach Thomas der Grund, weshalb die einzelnen Menschen zu bestimmten Tugenden oder Sünden neigen, und wegen dieses Einflusses ist er so ernst in der Beurteilung der stofflichen Seite der Sünde. Der Mensch wird durch einen ständigen Zug mitbestimmt. Trotzdem befreit eine solche Geneigtheit zu bestimmten Leidenschaften durch Temperament und Körperkonstitution den Menschen nicht von der Verantwortlichkeit für gelegentliche Ausbrüche (46, 5 Zu 1). Wohl trägt die körperliche Eignung und Empfänglichkeit des Menschen für bestimmte Leidenschaften zur Heftigkeit der E r regung bei. Die Größe einer Leidenschaft hängt eben neben der Zugkraft des Tätigen ebenso von der Ansprechbarkeit des Leidenden ab. Leicht empfängliche Organe können von geringst einwirkenden Ursachen stärkstens beeinflußt werden (Art. 3 Zu 2). Was für den einen zur größten Verführung werden kann, etwa der Alkohol für den Gewohnheitstrinker, braucht auf den anderen nicht einmal Eindruck zu machen, dann nämlich, wenn nicht die Zugkraft des Tätigen, sondern die Ansprechbarkeit des Erleidenden den Ausschlag gibt. Beim Menschen kann zudem eine ausgeprägte Empfindsamkeit des Körpers gegenüber den inneren Strebungen durch öftere leidenschaftliche Erregung entstehen. D a liegt der Grund für die Schwierigkeit einer Heilung von Gewohnheitssündern. I n solchen Fällen müßte eine leibliche K u r durch beruhigende Einwirkung auf die physiologischen Bahnen mit natürlichen oder künstlichen Mitteln die seelische Heilbehandlung unterstützen. Aber nicht nur in solchem Verhalten spiegelt sich das Verhältnis des leiblichen und seelischen Zueinander, auch in v o r ü b e r g e h e n d e n a k u t e n s e e l i s c h e n V o r g ä n g e n , in denen die psychische Auswirkung chemisch-physiologischer Prozesse zu sehen ist. So wissen wir, daß der Genuß von Kaffee, Alkohol usw. die Stimmung zum Behaglichen, Frohen und Übermütigen hin verändert und seelische Spannungen und Hemmungen zur Lösung bringt, oder daß Aufregungen durch Bäder, Schlaf, Spazierengehen oder durch Beruhigungsmittel abklingen (vgl. 38, 5). Beides, das Körperliche und Seelische, ge-

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hört untrennbar zusammen und bedingt sich gegenseitig. 22,2 D a s den Leidenschaften eigene Beharren, namentlich bei tieferem Ergriffensein, hat seinen Grund im Körperlichen. Ist einmal die Herztätigkeit beschleunigt, das Blut in Wallung geraten und die Drüsentätigkeit angeregt, dann braucht es notwendig geraume Zeit, bis der Organismus wieder ruhig wird. Solange dagegen die organischen Prozesse andauern, bleibt das Bestreben, die zugehörigen seelischen Regungen wachzurufen. Darum ist auch der K a m p f , etwa gegen tiefen Haß, immer ein lebhaftes Auf und Nieder. Die Herz- oder Drüsentätigkeit läßt sich nicht befehlen, und mit dem Auftreten und Vorhandensein der gesteigerten Herz- oder Drüsentätigkeit werden die Regungen des Hasses Schritt halten. Daraus kann mdes nicht geschlossen werden, einMensch habe deswegen Angst, weil die „organische A n g s t " da ist, oder daß er sich deswegen freue, weil die „physiologische Freude" da ist ( L e h m a n n ) . Andererseits müßte man diesen erwiesenen Tatsachen in der Pastoraltheologie Rechnung tragen und namentlich dem Stoffgebiet über die Behandlung rückfälliger Sünder und der zahlenmäßigen Einheit der Sünde ein anderes Gesicht geben. Die akute Beeinflussung des physiologischen Apparates ist somit von großer Bedeutung für das Auftreten bestimmter Leidenschaften. Noch wichtiger ist indessen die a l l g e m e i n e Verfassung von Hirnrinde, Hirnstamm und des N e r v e n s y s t e m s , die gesamte leibliche Konstitution, und da wieder die F u n k t i o n d e r i n n e r s e k r e t o r i s c h e n D r ü s e n . Schon die bisherigen Ergebnisse der Hormonforschung bestätigen ihre enorme Bedeutung für das Gemütsleben des Menschen. Erinnert sei etwa an die Erregbarkeit der Zuckerkranken; an die Minderung oder Ermüdbarkeit seelischer Antriebe sowie die Reizbarkeit und depressive Verstimmimg bei Störungen der Nebenniere (Addisonsche Bronzekrankheit); an die Stimmungslabilität, nervöse Übererregbarkeit, Ängstlichkeit, Aufgeregtheit usw. bei Überfunktion der Schilddrüse (Basedowsche Krankheit); oder das wechselnde seelische Verhalten (Pubertät, Wechseljahre usw.) in Verbindung mit den Geschlechtsdrüsen. Ebenso groß ist aber auch umgekehrt der Einfluß der Leidenschaften, etwa Angst, Arger, Kummer, Aufregung, auf die hormonale Steuerung und damit auf Wohlbefinden oder Krankheit des Menschen. In der Volkssprache spiegelt sich der Zusammenhang zwischen Affekt und Organ, wenn es etwa heißt: „ E s widert mich a n " , „ E s kommt mir zum Halse heraus", „ E r hat es nicht verd a u t " , „ E r ist ein Ekel". Man darf darin nicht zufällige, greifbare Bilder sehen, sondern imbewußte Spiegelungen von verborgenen Lebensvorgängen. Noch eines wird durch die Auffassung des Aquinaten erklärt. E s gibt nicht bloß Leidenschaften, die für den Augenblick den Menschen befallen, es gibt auch S t i m m u n g e n , die einen bleibenden Grundton in seiner Seele bilden: gehobene, gedrückte, schwermütige, lustige, ausgelassene Stimmung usw. Man meint damit den durchgehenden einheitlichen Gesamtzustand, der allen seinen Regungen eine bestimmte eigentüm32*

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22, 2 liehe Färbung verleiht oder zu bestimmten Leidenschaften hindrängt.1 Von den Gefühlen oder Leidenschaften heben sich die Stimmungen insofern ab, als jene immer auf einen bestimmten Gegenstand „intentional" bezogen sind ( B r e n t a n o ) , es handelt sich stets um „gegenständliche Gefühle" ( K l a g e s ) , um „gerichtete Gefühle" (Lersch). Jede Liebe ist Liebe zu etwas Bestimmtem; jede Trauer ist Trauer über etwas; jeder Haß ist Haß gegen etwas. Die Stimmungen dagegen haben keinen bestimmten Gegenstand. Sie sind Zuständlichkeiten, ein durchgehender Gesamtzustand, eine bestimmte Färbung des menschlichen Daseins, die aber nicht auf etwas außen Liegendes hinausverweist. Es unterscheidet sich z. B. das Gefühl der Freude über ein unerwartetes Geschenk von der Stimmung der Fröhlichkeit. Die Stimmungen überkommen den Menschen aus Gründen, die ihm nicht immer durchsichtig sind. Bald sind körperliche Befindlichkeiten maßgebend, bald der atmosphärische Druck oder das Wetter, bald sind es Binzelerlebnisse, die einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. H e i d e g g e r schreibt den S t i m m u n g e n eine weit größere Bedeutung zu. Er deutet die „Stimmungen" als o n t o l o g i s c h e Befindlichkeiten. Sie sind die Weisen, wie uns das S e i e n d e im G a n z e n überkommt. So durchstimmen sie im vorhinein alles (ontische) Verhalten zu diesem oder jenem Seienden. Das Seiende im Ganzen offenbart sich etwa in der L a n g e w e i l e als merkwürdig gleichgültig, in der F r e u d e an der Gegenwart des Daseins eines geliebten Menschen als erfüllend gegenwärtig. In der G r u n d s t i m m u n g der A n g s t wird das Seiende im Ganzen hinfällig. Während wir uns in der Furcht vor diesem oder jenem fürchten, ist es einem in der Angst schlechthin unheimlich. In solcher eigentlichen Angst, die selten ist, „bekundet sich das Nichts eigens mit und an dem Seienden als einem Entgleitenden im Ganzen" (Was ist Metaphysik? 5. Aufl. 1949, 31; vgl. 27 ff.). Nur wer in der Angst vor das Nichts gebracht wird, vermag die Offenbarung des Seienden im Ganzen als des schlechthin Anderen gegenüber dem Nichts —• also das Sein — zu erfahren (vgl. a. a. O. 31 ff.). Mag die Angst auch oft „physiologisch" bedingt sein, „physiologische Auslösung von Angst wird nur möglich, weil das Dasein im Grunde seines Seins sich ängstet" (Sein und Zeit. 6. Aufl., 1949, 190). Das „Dasein" aber ist der Mensch als das Seiende, dem es in seinem Sein um dieses Sein selbst geht (a. a. O. 12), als das „ D a des Seins" (Einleitung zu: Was ist Metaphysik? a. a. O. 13). Nach Thomas wären die menschlichen Stimmungen grundgelegt in den körperlichen Befindlichkeiten, die je nach ihrer Ursache die physiologische Seite der Freude, Angst, Trauer oder anderer Gefühle darstellen. Solange der Blutdruck gesteigert bleibt, die Herztätigkeit beschleunigt ist und die andoren Veränderungen anhalten, ruft diese organische Angst, Trauer oder Freude usw. die zu ihnen gehörige seelische Seite wach. Es ist eine ausgesprochene Neigimg zu diesen bestimmten Leidenschaften da, so daß der Mensch alles bald rosig, bald schwarz 1 Vgl. zu folgendem: O. Fr. B o l l n o w , Das Wesen der Stimmungen. 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1943, 19 ff.; L e r s c h , a. a. O.

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sieht. Weil die körperlichen Veränderungen nicht so schnell ab- 22, 2 klingen, haben die Gefühle an sich etwas Beharrendes, wenn einmal der Organismus aufgewühlt ist. Die infolge der körperlichen Veränderung immer neu auftretenden seelischen Regungen wirken auch wieder steigernd auf die körperliche Seite. Von da gesehen ist es durchaus verständlich, daß die verschiedenen Menschen kraft ihrer körperlichen Struktur und Verfassung schneller durch bestimmte Leidenschaften und Stimmungen antworten. Noch deutlicher tritt das in gewissen krankhaften oder abnormen Fällen zutage, etwa bei der Angina pectoris. Sehr lehrreich ist in dieser Hinsicht das Erwachen einer neuen Triebrichtung, etwa in der Pubertät. Aus den von Ch. B ü h l e r gesammelten Tagebüchern weiblicher Pubeszenten klingt immer wieder der Refrain: ,, . . . ich sehne mich nach etwas. Ich weiß aber nicht, nach was. Nach einem Freund? Nach Freiheit von der Schule? Ich weiß nicht . . . " (Das Seelenleben der Jugendlichen. J e n a 1929, 75). I I I . Leidenschaft und Wille (Art. 3) Thomas hätte noch einen anderen Weg gehen können, um 22, 3 den Träger der Gefühle und Leidenschaften zu bestimmen. Keines von den menschlichen Vermögen ist beeinflußbarer als d a s s i n n e n h a f t e S t r e b e v e r m ö g e n . Wegen seiner Verankerung im Organischen wird es in besonderer Weise beeinflußbar vom Gegenstand und außerdem abhängig von dem stetig wechselnden körperlichen Befinden samt seinen Bedürfnissen, wodurch es wechselnd bald nach diesen, bald nach jenen Dingen verlangt. Hinzu kommt die begrenzte Aufnahmemöglichkeit des Strebens, so daß durch einen Gegenstand die Fähigkeit sehr schnell ausgefüllt und vollständig unter seinen Einfluß gebracht wird, wie das die vernunftlosen Lebewesen beweisen, wo z. B . der Stock die Tiere gänzlich unter seine Gewalt bringt. Dagegen ist d e r W i l l e als solcher viel weniger dem Einfluß des Gegenstandes ausgesetzt. E r ist geistig, und innerlich nicht an ein Organ gebunden. Insofern bleibt er bedeutend unabhängiger vom körperlichen Befinden und damit auch vom Gegenstand. Außerdem ist der Wille eine Fähigkeit mit unbegrenzter Weite des Vermögens. Nur ein unendliches Gut, dessen Einfluß er ganz und gar unterworfen ist, nötigt ihn zum Handeln. Allerdings treten dem Willen im Leben nur Teilgüter, begrenzte Güter entgegen, die in keinem Verhältnis zu seiner Weite stehen und ihn in keiner Weise auszufüllen vermögen. Wo nun die Leidentlichkeit einer Fähigkeit sowohl von der K r a f t des Tätigen als auch besonders vom leidhaften Charakter des Erleidenden abhängt (Zu 2), kommt dieser leidhafte Charakter trotz des stärkeren Tätigen beim Willen dem niederen Begehrungsvermögen vor ihm zu. Tatsächlich bleibt aber die Bennenung ,Gefühl' und Leidenschaft' nicht auf die Akte des niederen Strebevermögens beschränkt. Auch die h ö h e r e n S t r e b u n g e n des Menschen so-

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22, 3 wie rein, geistiger Wesen werden so genannt. So heißt das Verlangen des Willens nach Vergeltung auch Zorn und das Ausruhen des Willens in einem liebewerten Gut heißt ebenfalls Liebe (Ver 26, 3 ; 4 Sent 17: 2, 1, qa 2 Zu 1; Mal 10, 2 Zu 2 ; 12, 1 Zu 9). Wenn nun doch von Gefühlen und Leidenschaften im Willen die Rede sein kann und Zorn, Haß, Neid, Verlangen usw. dem Willen zugeschrieben werden, so nehmen die Bezeichnungen in diesem Zusammenhang einen anderen Sinn an. I n der gleichen Bedeutung können sie nicht gebraucht werden, weil der Wille kein veränderliches Organ hat (18, 1: B d . 9 ; 3 Sent 2 6 ; 1, 5). U n d d o c h d a r f m i t R e c h t i n e i n e m analogen Sinne von Gefühl und E m o t i o n e n im W i l l e n g e s p r o c h e n w e r d e n auf Grund der bestehenden Ähnlichkeit oder besser Verhältnisgleichheit zwischen den beiden Strebeakten. Wie sich nämlich das niedere Strebevermögen zu seinem Gegenstand verhält, so verhält sich auch der Wille zu dem seinigen. Das physiologische Element scheidet zwar beim Willen aus, aber das geistige ist vorhanden mit der angedeuteten Verhältnisgleichheit. Die Bezeichnimg eines Willensaktes als Gefühl und Emotion ist ,analog' im eigentlichen Sinne. Heute wird in der modernen Psychologie mit Nachdruck von geistigen Gefühlen gesprochen, von moralischen, religiösen, intellektuellen und ästhetischen, nicht ohne dabei einen gewissen Gegensatz zur alten Psychologie durchblicken zu lassen. I m Letzten scheint ein solcher Gegensatz gar nicht zu bestehen. Denn maßgebend für die Gepflogenheit ist wohl diese Analogie oder der Zusammenhang zwischen den beiden Strebeakten, wie unten weiter dargelegt wird. Diese Sprechweise ist den alten Theologen nicht unbekannt gewesen, wenn auch moderne Psychologen auf Grund der neueren Forschungen mit mehr Nachdruck davon sprechen. Dasselbe gilt von den Strebeakten der E n g e l , wenn sie Leidenschaften genannt werden (I 82, 1 Zu 1: B d . 6; CG I I 79; I 20, 1 Zu 1: B d . 2 ; 59, 4 Zu 2 ; 64, 3 : B d . 4 ; 4 Sent 4 4 : 3, 2, qa 2 Zu 5 ; 3 Sent 2 6 : 1, 5). Auch G o t t werden in der Hl. Schrift Affekte und Leidenschaften zugeschrieben, aber nicht mehr analog im eigentlichen, sondern im uneigentlichen, m e t a p h o r i s c h e n Sinne. E s wird lediglich der einfache Willensakt mit einer Ähnlichkeit in der Wirkimg, aber ohne Leidenschaft und ohne Verhältnisgleichheit bezeichnet (vgl. Zu 3; I 21, 3 : B d . 2 ; Ver 26, 9 Zu 5 ; 4 Sent 15: 2, 1 qa 1 Zu 4). Beim Menschen gibt es noch einen besonderen Grund, von Leidenschaften im Willen zu sprechen: seine Leib-Geist-Natur. J e d e r Wert spricht irgendwie den ganzen Menschen an, ganz gleich, ob es um ein sinnliches oder geistiges Gut geht. Beide nehmen ihren Weg zum Menschen durch die äußeren Sinne über die Phantasie, durch die sie Zutritt bekommen sowohl zu seinem geistigen wie sinnenhaften Begehren. Deutlich erkennbar wird der Vorgang, wenn gesteigerte Willensaffekte auf das niedere Strebevermögen überströmen. Auf dem Wege über die Vorstellung, die jeder höheren Erkenntnis vorausgeht und sie begleitet, werden vom gleichen Gegenstand sowohl das höhere wie das niedere Streben angesprochen (vgl. Anm. [160]). J e inten-

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siver sich nun das Wollen vollzieht, desto glühender wird die 22, 3 Vorstellung und desto heftiger antwortet auch das sinnenhafte Streben. Gleichzeitig kann vom energischen Wollen des Willens her die K r a f t unmittelbar auf das niedere Begehren überströmen und dieses mitreißen, oder der Wille befiehlt das sinnenhafte Streben (I 81, 3 : B d . 6 ; Ver 26, 3 Zu 13; 26, 6 Zu 13; 26, 7 u. 10). Wenn nun der Fall eintritt, daß dem Verlangen des Willensaktes -— etwa nach der Vergeltung — das niedere Streben leidenschaftlich folgt, müssen wir darin ein Zeichen für die Stärke des Willensaktes sehen. E s ist überdies bei der beschränkten Energie der Seele unmöglich, daß der Wille heftig bewegt wird, ohne daß entsprechende Regungen im sinnenhaften Streben entstehen (Ver 26, 7). Zusammenfassend können wir sagen: Nach Thomas verwirklicht sich der Begriff Leidenschaft, wenn man auf ihren leidhaften, also letzten und tiefsten Wesenszug schaut, am reinsten in den Äußerungen des sinnenhaften Strebens. Grund dafür ist ihre stoffliche Wesenskomponente. Die vom Seelischen ausgehende strebende Bewegung vollendet sich in der zielgerechten Angleichung des Körperlichen, so daß sich beide zu einem leiblich-seelischen Gesamtgeschehen verbinden, in dem die erstwesentliche Bedeutung dem Seelischen, die zweitwesentliche dem Körperlichen zukommt. Werden die Willensfunktionen des Menschen ebenfalls ,Leidenschaften' genannt, so geschieht das mit R e c h t . Nur muß man sich bewußt bleiben, daß der Begriff auf Grund einer Verhältnisgleichheit zwischen dem niederen und dem höheren Strebeakt a n a l o g g e b r a u c h t wird. Nimmt man noch die Tatsache hinzu, daß wegen der Leib-Geist-Natur des Menschen jeder geistige Wert auch das sinnliche Begehren und jedes sinnliche Gut auch den Willen auf dem Wege über die Phantasie irgendwie „an-mutet", so daß der ganze Mensch angesprochen wird und antwortet, dann erfährt die Verhältnisgleichheit noch eine Ergänzung. Darin kann man ebenfalls eine Berechtigung finden für die moderne Terminologie, wo von noetischen, normativen und metaphysischen Gefühlen gesprochen wird. Zweites Kapitel ABGRENZUNG D E R ARTEN. I H R E I N N E R E ZUORDNUNG (Fr. 23 u. 25) Bisher hatte Thomas lediglich den Träger der Leidenschaften 23/25 im Auge, um ihren letzten, allen gemüthaften Vorgängen gemeinsamen, leidhaften Wesenszug herauszuarbeiten. I n den Fragen 23 u. 25 geht er dem Besonderen nach, das die einzelnen Leidenschaften voneinander unterscheidet, um auf diesem Wege die einzelnen Arten zu ermitteln. I. Das begehrende und überwindende S t r e b e vermögen Thomas geht hier einem Problem nach, das wir bereits eingangs als eines von den Grundproblemen der allgemeinen

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23/25 Psychologie bis zur anthropologisch orientierten L e r s c h s angedeutet haben: die Frage nach der Aufteilung und Thematik der Antriebskräfte im Seelenleben des Menschen. E s geht ihm natürlich nicht um eine Aufteilung und Abgrenzung der Leidenschaften unter unmittelbar experimentellen oder phänomenologischen Gesichtspunkten. E r fragt nach jener noch ganz allgemeinen Ausprägung der Dynamik des seelischen Lebens, die je nach der Verschiedenheit ihrer konkreten Ziele und ihres verschiedenen Verhaltens einem und demselben gegenüber in der mannigfaltigsten Weise verwirklicht werden. Die artmäßig gleiche Antriebskraft ist z. B . wirksam, ob wir ruhen oder arbeiten wollen, ob wir zu essen oder zu trinken suchen, ob wir Lust auf Obst oder Fleisch haben, ob wir reisen oder zu Hause bleiben wollen. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, ohne daß wir mit der Möglichkeit rechnen könnten, die Zielrichtung seelischer Antriebe in allen möglichen Abwandlungen erschöpfend anzugeben. Abgesehen davon, daß es aussichtslos ist, die Mannigfaltigkeit der seelischen Antriebe von den von Situation zu Situation wechselnden konkreten Zielen her zu ordnen, geht diese Frage grundsätzlich die experimentelle Psychologie an. Was Thomas interessiert, ist das Seinsverhalten der seelischen Impulse. E r kommt, ähnlich wie beim „pathischen Charakter" sämtlicher Leidenschaften, zu einigen noch weitgehend allgemeinen Antriebsformen, die sich in mannigfaltigen Erscheinungsweisen offenbaren können. Daß hier philosophischtheologisches Denken und psychologische Beobachtung zu einer geschlossenen Einheit zusammenfinden, hat erst neulich St. S t r a s s e r überzeugend aufgezeigt. 1 Thomas läßt sich in seiner philosophischen Betrachtung von dem polaren Spannungsverhältnis zwischen Vermögen und Gegenstand leiten. Von da aus ergeben sich Folgerungen, die ihn in den Leidenschaften zwei große, artmäßig (besser: gattungsmäßig) voneinander verschiedene Antriebsgruppen sehen lassen, die einfachhin verlangenden oder begierdehaften und die überwindenden oder muthaften. Beide haben zwar als entfernteren Träger das sinnenhafte Strebevermögen, gehen indes unmittelbar aus zwei verschiedenen Einzelanlagen in ihm hervor, dem verlangenden oder begierdehaften und dem überwindenden oder muthaften Strebevermögen. Philosophisch betrachtet, besteht jedes Vermögen in dem Angelegtsein auf die ihm zukommende Tätigkeit, und nur von der Eigenart dieser Tätigkeit kann man einen Rückschluß auf die Natur des Vermögens selbst ziehen. Der erste Schluß wäre demnach: Verschiedene Tätigkeiten, wie hören und sehen, setzen unter sich verschiedene Vermögen voraus. Nun hängen die Tätigkeiten selbst wiederum von ihrem Gegenstand ab. Von ihm geht die Tätigkeit des leidhaften Vermögens aus und wird von ihm verursacht. So bildet z. B . ein sinnfälliges Gut, sofern es das sinnenhafte Strebevermögen als leidhafte Fähigkeit bewegt, d e n A u s g a n g s p u n k t des Strebens; zugleich bildet 1 St. S t r a s s e r , Zur GeftihlsBteuerung des menschlichen Aktes. Zschr. f. philos. Forsch. 7 (1953).

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es sein Z i e l , dem es zustrebt, und seinen E n d p u n k t , in dem es 23/25 ruht, soweit es ein tätiges Vermögen ist. So lautet der weitere Schluß: Vom Gegenstande als dem Ausgangspunkt oder der bewegenden Ursache und dem Ziel oder Endpunkt wird die Tätigkeit in ihrer Art bestimmt. Demnach hängt die Differenzierung der Vermögen unmittelbar von ihren Tätigkeiten und letztlich von ihrem Gegenstand ab. Als geschöpflichem Wesen indes geht dem Menschen jene geistige Mächtigkeit ab, die jeden Umweltgegenstand in e i n e m Erkenntnisakt bis auf den Grund seines Wesens durchdringen könnte. Nur in schrittweiser Annäherung vermag er ihn zu erkennen. Auf der anderen Seite treten ihm die Umweltdinge genau so begrenzt entgegen. Gerade wegen ihrer Begrenztheit besitzen sie eine Ambivalenz, eine Mehrsinnigkeit, in der sie ihr Sein bald nach dieser, bald nach jener Richtimg enthüllen. Der Dichter sieht z. B . einen Vogel anders als der Naturwissenschaftler, der Psychologe anders als der Philosoph. Dieselbe Nahrung, die der Mensch heute als Wohltat sucht, kann ihm morgen zum Ekel werden. D a s naturhafte Sein der Dinge bildet lediglich das Substrat, die materielle Seite des Gegenstandes ; seine formelle Seite wird durch das begründet, als was dieses naturhafte Sein gesehen und erkannt wird. 1 Als Gut oder Übel gesehen, berührt der Gegenstand das Streben, aber nicht irgendwie, sondern nur nach Maßgabe seines Erkanntseins. Somit begründen Unterschiede im Erkanntsein wesentliche Unterschiede im erstrebbaren Gegenstand, und zwar so, daß die materielle Seite des Gegenstandes von seinem naturhaften Sein gebildet wird, dem das Erkanntsein als formelle gegenübersteht. Demnach ist es für den erstrebbaren Gegenstand nicht zufällig, sondern wesentlich, ob er vom Verstand oder von den Sinnen wahrgenommen wird. Der eine begründet das geistige Streben im Willen, der andere das sinnenhafte im sinnenhaften Strebevermögen. Dieser Vorgang wiederholt sich im sinnenhaften Streben. Auch da genügt zum Streben noch nicht die Wahrnehmung allein. Trotz der gleichen Wahrnehmung brauchen nicht alle Menschen dieselbe gemüthafte Antwort in ihrem Streben darauf zu geben. E s können mehrere den Fliegeralarm hören, der eine hört ihn und stellt die Fliegergefahr ruhig fest. Der andere hört dasselbe und ergreift aufgeregt Schutzmaßnahmen. Daran erkennt man, daß es zunächst einmal keine unmittelbare Verbindung zwischen äußerer Wahrnehmung und Leidenschaft gibt. E s muß noch 1 Was zu einem Gegenstand nur zufällig oder nebenbei gehört, begründet naturgemäß keinen Artunterschied. So werden z. B. die Arten eines Lebewesens nicht nach ihrer Farbe unterschieden, weil sie nebensächlich ist, sondern nach der Verschiedenheit dessen, was ihm an und für sich, also wesentlich zukommt. „Vernunftbegabt" und „vernunftlos" stellen artbegründende Unterschiede dar. Genau so ist es bei den Seelenvermögen. Nicht jede Verschiedenheit der Gegenstände begründet einen Unterschied der Vermögen, sondern nur eine Verschiedenheit in dem, worauf sich das Vermögen an und für sich bezieht. Die Sinne gehen an und für sich auf die sinnfällige Beschaffenheit eines Dinges. Dazu rechnen Schall, Farbe, Geruch, Geschmack und Ausdehnung. Demnach geht das eine Sinnesvermögen auf die Farbe: der Gesichtssinn; das andere auf den Schall: der Gehörsinn. Weil es nun einer solchen Beschaffenheit gleichgültig und unwesentlich ist, ob das Gefärbte groß oder klein ist, werden auf Grund solcher Verschiedenheiten die Vermögen nicht unterschieden (I 77, 3 : Bd. 6).

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23/25 etwas dazwischentreten, das die Auslösung und Steuerung der Leidenschaften ü b e r n i m m t . Der objektive Befund eines sinnfälligen Gutes reicht noch nicht aus, irgendein zielgerichtetes Verhalten auf eine bestimmte Situation auszulösen. E i n Stück Brot, objektiv wahrgenommen, löst noch keine verlangende oder abwehrende Regung aus. E r s t wenn auf Seiten des Menschen ein Bedürfnis danach besteht und er in diesem Stück trockenen Brotes so etwas wie Abhilfe oder Befriedigung seines Hungers erblickt, sucht er es in seinen Besitz zu bringen. Irgendwie m u ß also im Subjekt einmal das Erleben der Bedürftigkeit vorhanden sein u n d darüber hinaus auch die ahnende Vorwegnahme der Befriedigung. D a n n erst erwächst aus einem augenblicklichen Mangel u n d vergegenwärtigtet Abhilfe das Streben, aus einem augenblicklichen Wohlbefinden u n d vergegenwärtigtem Übelbefinden das Widerstreben (vgl. St. S t r a s s e r , a. a. O. 177 f.). E r s t diese besondere Eigenschaft im sinnfälligen Gut spricht das Streben unmittelbar an. Jenes Gut, das dem Menschen Befriedigung seiner Bedürfnisse, Seinserhöhung u n d Seinssteigerung verspricht, oder jenes Übel, das ihn in seiner E n t faltung h e m m t oder im Sein bedroht, sind geeignet, alle äußeren Akte des Suchens, Erspähens, Ergreifens usw. oder der Flucht u n d Abwehr wachzurufen. N u n gibt es aber weder ein absolut gutes noch ein absolut schlechtes Umweltding. N a h r u n g ist so weit ein Gut f ü r den Menschen, als sie seinen Hunger stillt, k a n n aber ein Übel sein, soweit er sie u n t e r Schwierigkeiten suchen u n d sich ihrer bemächtigen m u ß . Sie ist d a n n f ü r den Menschen schlechthin ein Gut, aber nebenbei ein Übel. Dieser doppelte Wesenszug des sinnfälligen Gegenstandes, einmal ein bedürfnisstillendes, befriedigendes oder genußbringendes Gut schlechthin zu sein, d a n n zwar schlechthin ein Gut, doch nebenbei, wegen der mit der Erreichung des Gutes verbundenen Schwierigkeiten, ein Übel zu sein, löst zwei voneinander verschiedene Regungen im Streben aus, die d a r u m ebenfalls auf zwei verschiedene Vermögen im sinnlichen Streben hinweisen, auf das begehrende u n d auf das überwindende. Zur Lebensbewältigung k o m m t der Mensch mit der einen Wurzelkraft, dem S e l b s t e r h a l t u n g s t r i e b , im begehrenden Streben nicht aus. Zur Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten, die den ruhigen Lebensablauf stören, der keinen besonderen K r a f t a u f w a n d verlangt, braucht er eine andere Wurzelkraft, den S e l b s t b e h a u p t u n g s t r i e b (3 Sent 26: 1, 2) im überwindenden Streben. Die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens werden auf den Plan gerufen als berufene Vorkämpfer u n d Verteidiger bedrohter menschlicher Interessen (I 81, 2: Bd. 6). Z u m Schutz u n d zur Sicherung gegen die Gefährdung der E r h a l t u n g u n d E n t f a l t u n g des Seins, wie Thomas sagt, h a t der Schöpfer dem von innen u n d außen ebenso anfälligen wie bedrohten Geschöpf im Selbstbehauptungstrieb eine Ausr ü s t u n g mit ins Leben gegeben, u m allen gefährdenden Einflüssen m u t i g und, wenn es sein m u ß , u n t e r A u f b i e t u n g der letzten K r a f t , möglicherweise bis zur Preisgabe des Lebens, entgegenzutreten (Ver 25, 2). Angelegt liegt der K a m p f bereits in der 498

Leib-Seele-Struktur des Menschen und letztlich darin, daß er 23/25 — in seinem Wesen mehr Anlage als Wirklichkeit und Vollendung — ständig aufgerufen wird, sich in den Auseinandersetzungen mit der Innen- und Umwelt zu behaupten und zur Entfaltung energisch über sich hinauszulangen. Der charakteristische Zug des begehrenden Strebens, dem in Anschluß an Aristoteles und die Stoa 1 einerseits Liebe, Sehnsucht, Freude, andererseits Haß, Abscheu (Flucht) und Trauer zugewiesen werden, je nachdem sie sich auf ein Gut oder Übel richten, liegt im Aufnehmen und Erleiden. Der Mensch erliegt dem Guten. E r wird von ihm erfaßt und überwältigt. Von Liebe und Haß wird er erfaßt und entflammt, wird hingerissen im Verlangen nach einem Gut oder weggetrieben von einem Übel. D a s Gute und Böse kann das Leben des Menschen ganz groß beeindrucken, beeinflussen und mitreißen. Festen Bestand jedoch gewinnt es erst im überwindenden Streben, worin sich der andere Zug, das Tätigsein, das kraftvolle und mutige Vorgehen und Angreifen beweist. Statt gezogen und getragen zu werden, muß sich der Mensch durchsetzen im K a m p f mit den Hindernissen. Sich behaupten gegenüber einem hereinbrechenden Unglück, sogar unter Verzicht auf Annehmlichkeiten und Freuden, unterstellt K r a f t , Mut, Zähigkeit, Härte, kämpferischen Geist, die ihrerseits wieder den Aufwand jeder verfügbaren Energie des Menschen verlangen, wie es beim Aufbegehren im Zorn a m deutlichsten in die Erscheinung tritt. Erleiden und Tätigsein als die beiden hervortretenden Wesenszüge verweisen aber auf seinsmäßig verschiedene Wurzeln, auf das begehrende und überwindende Strebevermögen (Zu 1; I 81, 2: B d . 6; Ver 25, 2). 2 Nichtsdestoweniger stehen beide Arten von Leidenschaften in einem lebendigen, organischen Zusammenhang. Am Anfang und Ende jedes seelischen Geschehens stehen die begehrenden Leidenschaften, zu deren Interessengebiet das Gute und Böse schlechthin gehört; die überwindenden haben dagegen einen ausgesprochen dienenden Charakter. Sie gehen aus jenen hervor und münden wieder in sie ein. Wenn bei besonderen Auseinandersetzungen eine Verstärkung der seelischen K r a f t nötig wird, treten die überwindenden Leidenschaften in Tätigkeit und kommen den verlangenden zu Hilfe, die sich mit ihrer K r a f t allein nicht mehr behaupten können. Ausgerichtet gerade auf das Mühevolle, Anstrengende, Schwierige und Harte, unternehmen sie es, die Schwierigkeiten aus dem Leben zu räumen, die dem Erreichen eines Gutes oder dem Meiden eines Übels im Wege stehen. E s kommt nicht von ungefähr, daß Thomas den einzelnen Leidenschaften des verlangenden Strebevermögens als den tragenden und führenden Kräften des Seelenlebens einen breiteren B a u m in seiner Darstellung widmet als denen des überwindenden. Mag die Kraftentfaltung der überwindenden Leidenschaften etwa im Zorn oder in der Wut noch so sehr in die Augen fallen, ihrer inneren Aufgabe nach bilden sie nur eine Vgl. W i t t m a n n , Die Ethik des hl. Thomas von Aquin. München 1933, 200. Einen ähnlichen Fall haben wir beim Verstände, wo der verschiedenen Tätigkeit entsprechend auch der tätige und erleidende Verstand sachlich verschieden sind. 1

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23/25 Zwischenphase oder ein dienendes mittleres Teilstück jenes Prozesses, der, von den begehrenden einmal eingeleitet und abgeschlossen, dann ebenso von ihnen gespeist und getragen wird (begehrendes — überwindendes — begehrendes Streben). Die Trauer hat eine eigene Stellung zwischen zwei Leidenschaften des überwindenden Strebens. Sie folgt der Furcht, wenn nämlich das befürchtete Übel eingetroffen ist. Entschließt sich der Mensch im Zorn zur Abwehr, dann wird diese ihm, falls sie glückt, zum Gegenstand der Freude. So mündet mithin jede überwindende Leidenschaft in Freude oder Trauer, die beide zum verlangenden Streben gehören (25, 1 u. 3). Die Seelewesen, also Mensch und Tier, haben in ihrer Lebensausrüstung ein eigenes Vermögen, dem die Steuerung dieser Leidenschaften zufällt: das Schätzungsvermögen. Eine solche Einschätzung oder Abwägung als Anlage und A k t muß nach Thomas überall da sein, w o es um sinnenhafte Strebungen geht. Selbst das Tier verfügt über ein S c h ä t z u n g s v e r m ö g e n . Sämtliche Fähigkeiten der Lebewesen stehen im Dienst der Erhaltung und Entfaltung des eigenen Seins sowie der Fortpflanzung und des möglichst vollkommenen Bestandes der A r t . Während die äußeren Sinne nur die verschiedenen Eindrücke wahrnehmen, erfaßt das Einschätzungsvermögen darin die etwaigen Lebens- oder Bedeutungswerte für den Lebensträger. Es urteilt, ob der wahrgenommene Gegenstand nützlich oder schädlich ist, und löst dadurch die beigeordneten Regungen, Begehren oder Abwehr, aus ( I 78, 4; 81, 3: Bd. 6). J. v . U e x k ü l l ist dieser Frage in seinen Untersuchungen über die Merkund Wirkwelt der Tiere nachgegangen, deren Ergebnisse die Auffassung des Aquinaten über das Schätzungsvermögen v o m naturwissenschaftlichen Standpunkt aus voll bestätigen. Jedes Tier hat seine M e r k w e l t . Der Begriff Merkwelt soll jenen Ausschnitt aus der Umwelt bezeichnen, auf den das Tier in seiner Lebensausrüstung zugeschnitten ist, den es von der W e l t als Lebenswert bemerkt. Dieser Merkwelt ist nun bei allen instinkthaft lebenden Wesen eine ebenso festgelegte W i r k w e i t zugeordnet. Ohne Dazwischenschaltung von Überlegung und Planung muß das Tier in ganz bestimmter Weise die Anrufe aus seiner Umwelt beantworten. Die W e l t ruft so, wie sie für dieses bestimmte Tier da ist, und die Antwort liegt vorweg fest. Das Wesen des Instinktes ist eben dadurch gekennzeichnet, daß die Koppelung von Merk- und Wirkwelt eindeutig, sicher und unausweichlich besteht, so daß das Tier mit einer großartigen Sicherheit durchs Lebens getragen wird, allerdings auch sofort hilflos wird, wenn ein Anruf aus der Umwelt erfolgt, für den es nicht eingerichtet ist. 1 Beim Menschen tritt das Schätzungsvermögen weniger deutlich hervor, ist auch nicht so ausgeprägt wie beim Tier vorhanden. Die Ausrüstung des Menschen für die Bewältigung des Lebens ist eben ganz anderer Art.. Seine instinkthafte Ausrüstung ist weitgehend in den geistigen A u f b a u einbezogen. Dem entspricht seine lange Jugendzeit. „ I m Gegensatz zu allen 1

Vgl. G. P f a h l e r , Der Mensch und Beine Vergangenheit. Stuttgart 1950, 8—15.

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Tieren fehlt dem Mensehen die festumgrenzte Merkwelt. E r ist 23/26 weltoffen in unbeschränktem Maße. Und während alle Tiere nach verhältnismäßig sehr kurzer Jugend fertig sind für das selbständige Leben, gehört das immerwährende Unfertigsein zum Wesen des Menschen" ( P f a h l e r , a. a. O. 14). Abgesehen von wenigen Instinktäußerungen, kommt der Mensch hilflos auf die Welt. Die Lebenssicherung durch Instinkte geht ihm ab. Nur mühsam wächst er Schritt für Schritt in dem Maße über seine Hilflosigkeit hinaus, wie „ d a s bloße Ausgeliefertsein in die Reizüberflutung einem In-die-Hand-Nehmen der Anrufe aus der Welt von innen her weicht" (Pfahler, a. a. O. 21). So ist die tierische Lebensausrüstung der des Menschen in mancher Hinsicht weit überlegen. Wie armselig erscheint der Mensch, wenn man etwa seine physische K r a f t mit der eines Elephanten oder die Schärfe seiner Sinne mit der Hundenase, dem Adlerauge oder dem Farbsinn der Bienen vergleicht. Aber alle am Lebenszuschnitt des Tieres gemessenen Mangelzeichen sind nur die Kehrseite der Ausstattimg, die dem Menschen die Bewältigung seines Daseins ermöglicht. 1 Was der Mensch an animalischen Vermögen in seiner Lebensausstattung mitbekommen hat, erfährt eine Überformung und gewandelte Bedeutung. Durch das geistige Erkennen wird es gehoben und unterstützt, durch Erfahrung und Nachdenken ergänzt. Das geht so weit, daß es sogar übersehen und seine Leistungen dem Verstand zugeschrieben werden können. Das wäre aber ein Irrtum. Der Mensch bleibt ein Leib-Geist-Wesen, und wegen der Verbindung mit der Seele ist er auch als Sinnenwesen das vollkommenste. E r besitzt ein Schätzungsvermögen, und zwar ein vollkommeneres als die Tiere (I 78, 4 Zu 5: B d . 6). Wohl kann das Tier, was die Feinheit und Schärfe der äußeren Sinneswahrnehmungen angeht, dem Menschen gleichkommen oder ihn sogar, was oft der Fall ist, überragen, aber umgekehrt ist es mit den inneren Sinnen des Menschen, die die des Tieres weit überragen und die äußeren Wahrnehmungen in ihren Dienst stellen. Daß ein Einschätzungsvermögen vorhanden ist, zeigt bereits das kleine Kind. Niemand lehrt das eben geborene Kind den Mund, den Saug- und Schluckapparat gebrauchen. Daß der Mensch eine Instinktausrüstung in sich trägt, beweist mehr als alles andere sein Nahrungs- und Geschlechtstrieb. Wären die menschlichen Triebe aber den Instinkten des Tieres gleich, dann wäre jeder von ihnen unhemmbar. Die unausbleibliche Folge würde sein, daß er nicht zu zügeln und zu leiten wäre. Zwangsläufig müßte er den Menschen den entsprechenden Handlungen zutreiben. Der Mensch vermag den Trieb zu bändigen, obwohl er ihn nicht auslöschen kann. E r ist ein Stück seiner Lebensausrüstung. Nur wird er, wie alle anderen Triebe, beim Erwachen des Geistes von diesem aufgefangen (wie er das als menschlicher Trieb selbst fordert) und als leibliche Antriebksraft in den Dienst menschlichen Lebensvollzugs gestellt. Dabei zeigt es sich, daß, je mehr der Geist die Lebensführung übernimmt und je reicher die Erfahrung wird, desto mehr der Eindruck entsteht, als ob das ' Vgl. A. G e h l e n , Der Mensch, seine Hatur und seine Stellung in der Welt. Berlin 1950', 16 ff.; 8. Einleitung zu B d . 7, S. (9)—(12).

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23/25 Schätzungsvermögen in den Hintergrund träte. So wenig denken wir im gewöhnlichen Leben an dieses Schätzungsvermögen hinter den äußeren Sinnen, daß oft das, was den Sinnen zugeschrieben wird, im Grunde Wahrnehmung dieses SchätzungsVermögens ist (I 78, 1 u. 4 ; 81, 3 : B d . 6). Wegen der engen Verbindung, in der das menschliche Schätzungsvermögen und sein Gedächtnis mit den geistigen Vermögen steht, heißt es im Menschen E r w ä g u n g s k r a f t ( 1 8 1 , 3 ) . Vom Verstand färbt etwas auf das Erwägungsvermögen ab, das wie ein schwaches Abbild der Vernunft im Sinnenhaften aufleuchtet und durch die konkreten oder sinnenhaften Gegebenheiten hindurch ihren individuellen Lebens- oder Bedeutungswert für diesen Lebensträger erfaßt. Während bei den Tieren der Instinkt den Lebensvollzug leitet, übernimmt beim Menschen die Erwägungskraft unter der Leitung der Vernunft diese Aufgabe. Sie ist das Tor, durch das der Geist Zutritt zu den unteren Schichten des menschlichen Seins bekommt. Auf seinen Anruf hin öffnet sich das Tor und läßt ihn ein; das Schätzungsvermögen hört auf ihn und läßt sich wie ein Werkzeug für die Durchführimg seiner Absichten gebrauchen. Umgekehrt muß der Verstand von ihm unterrichtet werden. Das Finden und Abwägen der Werte, das dem Willensentschluß vorausgeht, vollzieht sich nicht ausschließlich nach den Regeln der formalen Logik. Wegen der Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Konkreten ist die Verstandesüberlegung auch auf die Angabe des Wertes eines konkreten sinnfälligen Gutes in dieser einmaligen Situation durch das Schätzungsvermögen angewiesen. Man sieht jedenfalls, daß den einsichtigen E n t schlüssen eine „Gefühlserwägung" vorausgehen muß, und zwar um so mehr, als sie auf Möglichkeiten der menschlichen Existenz hinweisen (vgl. S t r a s s e r , a. a. O. 172). An sich erkennt jedes Sinnenwesen durch dieses Vermögen, ohne vorherige Erfahrung, was ihm oder seiner Art nützlich oder schädlich ist, aber es erkennt nur triebhaft, soweit das alles im Instinkt festgelegt ist. Was die Tiere auf einen naturhaften Innenantrieb hin erfassen, nimmt der Mensch durch eine Art Vergleichung wahr. Ähnlich wie im Verstand die allgemeinen Bestimmtheiten miteinander verglichen werden, findet in der Erwägungskraft ein gewisses Vergleichen der einzelnen individuellen Bestimmtheiten statt, weswegen Thomas es auch „eingeschränkte Vernunft", ratio particularis, Vernunft für das Besondere, Einzelne, nennt (I 78, 4 : B d . 6). Hier liegt der Verbindungs- und Anknüpfungspunkt des Geistes, durch den sein Licht, das natürliche wie übernatürliche, einstrahlt in das sinnenhafte Leben und der Adel des natürlichen und übernatürlichen geistigen Lebens übergeht auf die niederen Schichten des menschlichen Seins. Der Mensch braucht nicht zu fürchten, daß durch das Dazwischentreten der Vernunft das Vitale in ihm verfälscht oder erstickt würde, daß eine fremde Gewalt einbräche, die man am besten heraushielte. Der Geist erhält, beleuchtet, unterstützt, beaufsichtigt, erhöht und stärkt im tiefsten Sinne das menschliche Sein. Was vorher nur im instinktiven Erfassen geschah, geschieht jetzt mit und aus Ein-

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sieht, Überlegung, bewußter Planung u n d freiem Entschluß. 23/26 Das Erwägungsvermögen b e k o m m t eine Klarheit, Sicherheit, Fähigkeit u n d K r a f t , die es vor jedem Aufgesogenwerden durch das rein Vitale u n d vor jeder Verfälschung seines Strebens schützen. Kein Wunder, daß das sinnenhafte Einschätzungsvermögen über sich hinausgehoben wird durch den Adel des Geistes, an dem es teilnimmt. I n etwa n i m m t es sogar teil an dem Reichtum des Geistes. Die Eintönigkeit rein sinnenhaften Strebens hört auf u n d m a c h t dem Reichtum geistigen Strebens Platz. Die Beweglichkeit u n d Freiheit des menschlichen Geistes in seiner unbeschränkten Weltoffenheit ermöglicht dem Menschen, im Gegensatz zum Tier, eine ständig wechselnde und neue Sicht der Gegenstände, die in das menschliche Leben treten. Das Tier ist durch den I n s t i n k t auf eine eng begrenzte Merk- u n d Wirkwelt festgelegt, der Vogel etwa auf den Gebrauch des Strohhalmes nur f ü r den Nestbau. Wie ganz anders ist das beim Menschen, wenn der Verstand einstrahlt in das Schätzungsvermögen u n d die unendlich weite Welt sich uneingeschränkt seinem Zugriff öffnet. Durch die enge Verbindung zwischen Verstand u n d sinnenhafter Erwägungskraft wird es möglich, daß rein geistige Gegenstände nicht nur den Willen, sondern ebenso das sinnenh a f t e Streben in Bewegung setzen. E s ist durchaus möglich, daß jemand, der ergriffen ist von Reue über seine Undankbarkeit gegen die Eltern, auch g e m ü t h a f t so ergriffen wird, daß Tränen fließen u n d die Stimme zittert. Alles, was von der Sittlichkeit der Leidenschaft gesagt wird, h a t hier seinen Grund. Gewöhnlich ist es so, daß der nämliche Gegenstand sowohl vom Verstand wie vom Schätzungsvermögen erwogen u n d abgeschätzt wird, so d a ß sowohl der Wille wie die Leidenschaften des niederen Strebens, alle unter ihrer je besonderen Rücksicht, in einem umfassenden Streben auf den Gegenstand zugehen oder sich von ihm zurückziehen. D a ß ein Gegenstand im Menschen nur die Leidenschaften auslöste, ohne irgendwie den Willen mitzubewegen, k a n n k a u m geschehen. Höchstens k o m m t der Fall der passio antecedens, der ungelenkten Leidenschaft, hier in Frage (24, 3 Zu 1). So k a n n die plötzliche Feststellung einer Gefahr oder eines Reizes durch die Sinne ohne Beteiligung der Vernunft wohl eine Leidenschaft wecken ; aber sobald der Augenblick der Überraschimg vorbei ist ; meldet sich die Vernunft und springt ein. Jedoch können die höheren K r ä f t e durch eine sehr heftige Leidenschaft zeitweise ausgeschaltet werden, so daß durch ihren schockartigen Einfluß auf das Gehirn, solange sie dauert, der Gebrauch der V e r n u n f t unmöglich ist. Normalerweise geschieht das allerdings nicht. 1 Nunmehr kennen wir die erste, wenn auch allgemeinste Ausgliederung der Leidenschaften in den Regungen des begehrenden u n d überwindenden Strebevermögens, die auf den Selbsterhaltungs- u n d Selbstbehauptungstrieb zurückverweisen. Sie gehören wegen ihres verschiedenen Vermögens sogar ver1 Vgl. H. D. N o b l e , Les passions dang la vie morale, Première partie: Psychologie de la passion. Paris 1931, 75—80; G. P f a h l e r , a. a. O. 1—38; J. J u n g m a n n , Das Gemüt und das Gefülilsvermfigen der neueren Psychologie. Freiburg (i. Br.) 1885.

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23/25 schiedenen G a t t u n g e n an, ähnlich wie bei den Naturdingen die gattungsmäßige Verschiedenheit von der Verschiedenheit der stofflichen Wesensgrundlage abhängt, die der Art dagegen von der Verschiedenheit der Wesensform bei gleichbleibender Wesensgrundlage. So unterscheiden sich auch die Leidenschaften, die von verschiedenen Anlagen ausgehen, der Gattung nach; diejenigen aber, die zwar auf verschiedene Gegenstände gehen, aber unter dem gemeinsamen Gegenstand einer Fähigkeit zusammengeschlossen sind, unterscheiden sich wie die Arten jener Gattung (Ver 26, 4). II. Gegensätzlichkeit

der

Leidenschaften

Innerhalb dieser allgemeinen Gruppen kommen wir nun zu den einzelnen Arten der Leidenschaften. Bei ihrer Abgrenzung haben wir auf ihr inneres Verhältnis zueinander zu achten. E s ist bei den Leidenschaften als seelischen Bewegungen wie bei der Bewegung und Veränderung überhaupt. D a gegensätzliche Bewegungen artverschiedene Bewegungen sind, sind gegensätzliche Leidenschaften gleichfalls artmäßig voneinander verschieden. Bei der Bewegung ist es nun so, daß Kommen und Gehen oder der Zug hin-zu und fort-von oder Hinkehr und Abkehr bezüglich eines und desselben Zieles entgegengesetzte Bewegungen darstellen. Außerdem begründen entgegengesetzte Ziele gegensätzliche Bewegungen. Nach oben und nach unten gehen sind genau entgegengesetzte Bewegungen. Wegen der gleichen Wesenszüge finden wir in den Leidenschaften die nämliche Gegensätzlichkeit wieder, die eine begründet durch den Gegensatz in den Gegenständen, wie zwischen Gut und Übel, die andere begründet durch Hinkehr und Abkehr in bezug auf ein und dasselbe Ziel. Unter den begehrenden Leidenschaften kann es nur die durch gegensätzliche Gegenstände oder Ziele begründete Unverträglichkeit geben. Das begehrende Streben läßt sich lediglich von einem sinnenhaften Gut oder Übel schlechthin ansprechen. E s ist unmöglich, daß jemand vor einem Gut als solchem innerlich die Flucht ergreift. Ein wirkliches Gut zieht immer an. Genau so unmöglich ist es, ein wirkliches Übel als solches für begehrenswert zu halten und danach zu verlangen; jeder wehrt es ab. Sämtliche auf ein Gut ausgerichteten begehrenden Leidenschaften weisen demnach einen hinstrebenden Zug auf — also Liebe, Sehnsucht und Freude; die auf ein Übel ausgerichteten dagegen einen wegstrebenden — also Haß, Flucht oder Abscheu und Trauer. Die beiden Gruppen sind also artmäßig verschieden. An erster Stelle steht in der O r d n u n g d e r A u s f ü h r u n g die Liebe als Anpassung an und Ausrichtung auf das Ziel, dann Sehnsucht oder Verlangen als Bewegung dahin und schließlich Lust oder Freude als Ruhe im Ziel. Umgekehrt ist es in der O r d n u n g d e r A b s i c h t . Die gewollte Lust weckt Sehnsucht und Liebe. Die Ordnimg der Absicht fällt bei den auf ein Übel ausgerichteten Leidenschaften ganz weg. D a gibt es bloß eine Ordnung der Ausführung. Das erste ist Haß, 1 daran schließt sich 1 Haß als Übersetzung des la teinischen Terminus ,,odium" hat verschiedene Grade, von leichter Antipathie angefangen über Abneigung, Abscheu bis zum ausgesprochenen Haß. „Odium" bedeutet also nicht immer diese letzte Form des Hasses.

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Flucht oder Abscheu und endlich Trauer oder Schmerz (25, 2 ; 23/25 I 20, 1; 3 Sent 2 7 : 1, 3 ; Ver 26, 4). Die zweite, oben erwähnte Gegensätzlichkeit auf Grund einer Annäherung oder Entfernung von einem und demselben Ziel fällt demnach ganz weg. Bliebe es bei diesen Seelenregungen allein, dann wäre das animalische Streben durch unveränderliche Starrheit gekennzeichnet. Alles Gute müßte vorbehaltlos angenommen, alles Schlechte notwendig abgewiesen werden. H ä t t e die Pflanze Bewußtsein, so könnte man sich ihren Lebensablauf nach dem starren Schema der Gegensätzlichkeit so vorstellen: „ E r wünschte Berührung wird auf jede Weise herbeigeführt durch Blattoberfläche, Wurzelsystem, Staubfäden, Griffel, Atmung, Saugwirkung, Befruchtung usw.; unerwünschte mit Hilfe von Dornen, Stacheln, Haaren, Nesseln, Schließen der Poren, Abwerfen der Blätter usw. vermieden. So ,sucht' die Pflanze einen möglichst innigen K o n t a k t mit dem Teile des Milieus, von dem sie lebt, so ,trachtet' sie, der Berührung mit gefährlichen Elementen ihrer Umgebimg zuvorzukommen" (St. S t r a s s e r , a. a. O. 179 f.). Man kann nun im Zusammenhang mit dem Pflanzenleben nicht von Gefühlen oder Leidenschaften sprechen. Trotzdem entsprechen auch im menschlichen Leben gewisse Funktionen diesem Pflanzenhaften, nämlich jene, die wir als vegetative bezeichnen: Stoffwechsel, Atmung, Blutkreislauf, Gefäßfunktion, Verdauung usw. Sie vollziehen sich zwar unbewußt und ungewollt. Trotzdem reichen sie in ihrer Wirkung bis ins Seelische hinein und binden dadurch den Menschen, wie wir es am eigenen Leibe erfahren, in etwa an diese starre Gesetzmäßigkeit, die wir schon früher aufgezeigt haben. Zur Lebensbewältigung reichen in einem animalischen Wesen die begehrenden Leidenschaften allein nicht aus. E s müssen die überwindenden hinzukommen, die auf ein Gut gehen, das nur unter Mühe und Anstrengung erreichbar ist. E s gibt kein begrenztes und situiertes Umweltding, das absolut gut oder absolut schlecht wäre. Bei der geschöpflichen Begrenztheit des Menschen überhaupt sowie dem ständigen Wechsel der äußeren Verhältnisse und seiner inneren Verfassung kann die gleiche Nahrung, die seinen Hunger stillt und soweit ein Gut bedeutet, von Übel sein, weil sie ihn, etwa in der Krankheit, anekelt oder weil ihre Beschaffung mit Mühe verbunden ist. E i n solches Teilgut ruft dann eine doppelte Regung in der Seele wach: eine anziehende, soweit es sich um ein Gut handelt, und eine abstoßende, soweit es mühevoll oder schwer zu bewältigen ist. Das läßt sich verdeutlichen am Zielbegriff. Ziel im eigentlichen Sinn des Wortes ist ein Gut, das nur nach Zurücklegung eines gewissen Weges erreicht wird, stellt also den Endpunkt einer Wegstrecke dar, die durch eine Reihe von Bewegungen und Bemühungen zurückgelegt werden muß. Ähnlich verhält es sich mit dem Übel in der Umwelt, dessen vernichtende Macht eine ähnliche Begrenzung erfährt. E s hat seine bestimmte Stellung in R a u m und Zeit. Wenn sich z. B . ein Hund auf einen Hasen stürzen will, muß er zunächst eine Wegstrecke zurücklegen. Dem Hasen ist damit die Möglichkeit gegeben, die drohende Verfolgung vorauszusehen und durch Flucht einen Abstand

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23/25 zwischen sich und dem Hund zu legen. So muß das Übel ebenfalls Hindernisse überwinden, um schädigen zu können. Das animalische Wesen kann sich diesen Umstand zunutze machen, um ihm zu widerstehen, es abzuwehren oder zu überwinden. Darum sprechen wir im gewöhnlichen Leben zunächst nur von einer ,Gefahr' oder einem ,drohenden' Übel. Die schädigende Wirkung selbst hängt von inneren und äußeren Bedingungen ab (St. S t r a s s e r , a. a. 0 . 181 f.). Wer also zu einem Ziel vordringen will, muß Hindernisse überwinden. Ziel und Hindernis sind eng miteinander verknüpft. S t r a s s e r spricht in diesem Zusammenhang von primären und sekundären Gefühlsimpulsen, die von einem solchen Teilgut ausgelöst würden. E i n primärer Gefühlsimpuls wäre die schlichte Hinwendung zum Anziehenden und Begehrenswerten als solchem, ein sekundärer das Erlebnis der konkreten Möglichkeit, das Ziel trotz der Schwierigkeit zu erreichen. Die mittels des Schätzungsvermögens vollzogene Vorwegnähme des Gelingens trotz aller entgegenstehenden Hindernisse löst H o f f n u n g aus. Umgekehrt wirkt das .Wissen' um die Nutzlosigkeit aller Bemühungen hemmend, erschlaffend und lähmend. Dem entspricht die Entmutigung, Resignation oder V e r z w e i f l u n g . Der Verzweifelnde wendet sich von einem Gut ab, trotz des offenkundigen Verlangens nach ihm. Hoffnung und Verzweiflung stellen darum entgegengesetzte seelische Bewegungen dar und sind deshalb artverschieden. Schauen wir nun auf ein drohendes Übel, dann kann ebenfalls alles, was der schädigenden Wirkung des drohenden Übels Einhalt gebietet, positive Reaktionen auslösen. Der primäre Impuls einem drohenden Übel gegenüber besteht im Sich-wegwenden, Sich-verschließen, Fliehen oder Abwehren. Der sekundäre Antrieb hängt von der augenblicklichen inneren oder äußeren Situation ab. Zeigt sich keine Möglichkeit, der drohenden Gefahr zu entrinnen oder sie zu meistern, dann erlebt sich der Mensch in der F u r c h t als preisgegeben, ausgeliefert, schutzlos und unterlegen. I m Erlebnis der Hilflosigkeit kann es bis zur Lähmung sämtlicher Abwehrkräfte kommen. T u t sich jedoch eine greifbare Möglichkeit auf, dem drohenden Übel Einhalt zu gebieten oder den Gegner zu überwältigen, dann meldet sich eine ganz andere Leidenschaft: K ü h n h e i t , Kampfbereitschaft, Mut und Angriffslust. Dem Erleben der Möglichkeit, dem feindlichen Übel Trotz bieten zu können, liegt das Bedürfnis nach Kraft- und Machtentfaltung zugrunde, das zugleich mit Vernichtungsstreben gepaart ist, mag es auch nur ein schwächliches aggressives Erleben in der Phantasie sein. Bezeichnend ist das Verhalten zu einem Übel, wodurch sich Kühnheit und Furcht artmäßig unterscheiden. Nehmen wir nun zu dieser entgegengesetzten Bewegungstendenz, die die überwindenden Leidenschaften charakterisiert, noch den Gegensatz zwischen Gut und Übel hinzu, der uns vom begehrenden Streben her bekannt ist, dann wird das gegensätzliche Verhalten von Furcht und Hoffnung und damit ihre Artverschiedenheit erkennbar (25, 3; vgl. St. S t r a s s e r , a. a. O. 182 f.). Eine eigene Stellung nimmt im Seelenleben der Z o r n ein.

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Trotz seiner Bemühungen ist der Mensch der drohenden Gefahr 23/25 erlegen. Dem Unglück zu entfliehen ist jetzt nicht mehr möglich. Daher gibt es f ü r den Zorn kein Gegenmittel. Wohl vermag ihn das Mißgeschick, das ihn etwa in F o r m von Beleidigung oder ungerechter Behandlung getroffen hat, aufzureizen u n d zu Gegenaktionen herauszufordern. Vorläufig aber m u ß er die Erniedrigung hinnehmen. E r findet sich jedoch durchaus nicht d a m i t ab. Sobald sich eine passende Gegelenheit dazu bietet, wird er sich d a f ü r rächen. Typisch ist aber f ü r die meisten Fälle der Niederlage u n d des Mißgeschicks im menschlichen Leben die ohnmächtige W u t , die sich als reaktives Verhalten, je nach dem Grade der Unzufriedenheit, Enttäuschung, des Grolles u n d Zornes zu erkennen gibt. Weil dem Zorn im Seelenleben die entgegengesetzte Leidenschaft fehlt, bleibt dem Erzürnten n u r eines übrig, sich mit seinem Mißgeschick innerlich abzufinden u n d vom Zorn abzulassen (vgl. St. S t r a s s e r , a . a. O. 183 f.). Darin wird schon erkennbar, wie sich diese rein theoretische Abgrenzung der Leidenschaften im Seelenleben auswirkt. Zu jeder E n t f a l t u n g des Seelenlebens, soll sie sich ohne K r a m p f u n d Störung vollziehen, wird die Beachtung dieses Gesetzes der konträren Gegensätzlichkeit verlangt. Das besagt, eine organische Entwicklung des Seelenlebens h a t grundsätzlich auf positivem Wege zu erfolgen. Der jeweils höhere u n d entsprechendere W e r t soll im affektiven Bereich des Menschen zur Geltung gebracht werden, aber nicht durch diktatorische Maßnahmen des Willens die entgegengesetzten g e m ü t h a f t e n Regungen krampfh a f t u n t e r d r ü c k t oder gewaltsam abgedrosselt werden. Voraussetzung bleibt immer, daß bei einem Konflikt zwischen zwei W e r t e n die Entscheidung f ü r den verpflichtenden auf dem Wege der geistigen Verarbeitung erfolgt. J e mehr in der inneren religiössittlichen Auseinandersetzung die Werthaftigkeit einer sittlichen Leistung aufleuchtet, desto mehr W ä r m e strahlt sie in den sinnenhaften Bereich des Menschen aus. Wie u n t e r den warmen Strahlen der Sonne Schnee u n d Eis schmelzen, so zerrinnen, je nach der Anziehungskraft des Wertes, die entgegengesetzten Regungen, u m echter Teilnahme Platz zu machen. W a s sich hier als Seinsgesetz in den Leidenschaften ausweist, h a t die Tiefenpsychologie auf experimentellem Weg ermittelt u n d zur grundlegenden Forderung f ü r jedes gesunde W a c h s t u m im Seelischen gemacht. I I I . Die v e r s c h i e d e n e W i r k k r a f t des Gegenstandes Bisher ließen wir uns bei der Abgrenzimg der Leidenschaften von ihrem gegensätzlichen Verhalten leiten. N u n gehen aber vom Gegenstand des menschlichen Strebens Regungen aus, die zwar nicht entgegengesetzt, trotzdem aber artverschieden sind. Gemeint ist der Unterschied, wie er etwa zwischen Liebe, Sehnsucht u n d Lust besteht. Das h ä n g t von der verschiedenen Sicht des Gegenstandes a b (Ver 25, 4). Bekanntlich ist Gegens t a n d des menschlichen Strebens ein wahrgenommenes Gut oder Übel. Verschiedenheiten in dieser erkannten Güte oder Schlecht-

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23/25 heit bedeuten Verschiedenheiten in der Bewegungskraft, sind somit für den Gegenstand nicht nebensächlich, sondern wesentlich. So richtet sich die Wirk- und Bewegungskraft eines Gegenstandes, wie C a j e t a n (Kom. zu unserem Art., Nr. I I I ) sagt, nach der verschiedenen Sicht, ob es sich um ein gegenwärtiges oder zukünftiges Gut und Übel handelt. Wenn hier die Rede von gegenwärtig' und .zukünftig' oder von einem ,Gut schlechthin' ist, soll damit die verschiedene Anziehungskraft des Guten oder die verschiedene abschreckende K r a f t des Übels angegeben sein. Sachlich fällt das zusammen mit dem Unterschied von gegenwärtig und zukünftig. E i n zukünftiges, noch in der Ferne liegendes Gut leitet eine andersgeartete Bewegung ein als ein bereits erreichtes (Ver 26, 4 Zu 3). Einem in der Ferne winkenden Gut ist die K r a f t eigen, lebendiges Verlangen danach in der Seele wachzurufen; einem bereits erreichten dagegen Lust und Freude. So wird F u r c h t ausgelöst durch ein drohendes Übel, Trauer durch ein schon eingetroffenes Unheil. I n dem einen Gegenstand liegt die K r a f t , diese, in dem anderen jene Leidenschaft wachzurufen. Allein vom verschiedenen Erkanntsein hängt die verschiedene Anziehungskraft des Gegenstandes auf das Strebevermögen ab. Der Tod eines Menschen weckt bei seinem Nachbarn als drohendes Übel Furcht, als eingetroffenes Unglück Trauer, als mögliches Gut Verlangen, als vorhandenes Freude usw. Aus erlebtem Mangel und glücklicher Befriedigimg durch ein wahrgenommenes Gut erwächst Streben, aus erlebtem Wohlbefinden und möglicher Schädigung durch ein Übel Widerstreben. Und zwar entsteht zunächst ein anfänglicher Antrieb in der Neigung oder Liebe zu dem Gut, im Interessiertsein daran oder in der affektiven Angleichung und Ausrichtung darauf, ohne daß damit Tendenzen des Ergreifens oder der . Bemächtigimg verbunden wären. Umgekehrt bewirkt ein Übel H a ß , d. h. Abneigung, Sichverschließen, Widerstreben und Abscheu. Diese beiden Hauptleidenschaften bilden gleichsam die Wurzel, aus der die anderen entstehen. Solange das Gut noch in der Ferne liegt und nicht im Besitz ist, weckt es im Begehren „Weggefühle" (W. S t e r n ) , die verlangende oder begehrende Bewegung zur Erreichung des geliebten Gutes: S e h n s u c h t oder Begierde. Umgekehrt löst drohendes Unheil abwehrende oder fliehende Bewegungen aus: F l u c h t und Abscheu. Zu einem völligen Aufgehen im Besitz des Gutes in L u s t oder Freude, den sogenannten „Ergebnisgefühlen" (W. S t e r n ) , kommt es, wenn das Gut erreicht ist, und umgekehrt zu stiller Ergebung in T r a u e r und Schmerz, wenn das Unheil eingetroffen ist (25, 2). Alles in allem gibt es elf artverschiedene Gefühle und Leidenschaften. Drei Paare im begehrenden Strebe vermögen: Liebe und Haß, Sehnsucht und Abscheu, Lust und Trauer, sowie drei im überwindenden: Hoffnung und Verzweiflung, Furcht und Kühnheit und schließlich Zorn, dem das Gegenstück fehlt. Eine Zusammenstellung sämtlicher Leidenschaften in der Ordnung der Entwicklung ergibt folgendes Bild:

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Liebe Haß 23/25 Sehnsucht Flucht (Abseheu) Hoffnung Verzweiflung Kühnheit Furcht Zorn Trauer Freude (Lust) Eigenartig ist, daß im naturhaften Streben die Neigung zum Naturgemäßen genügt, um sich vom Naturwidrigen abzuwenden, dagegen nicht im sinnenhaften. Gut und Übel werden beide als die eigentümlichen Gegenstände des Strebens angeführt (I 20, 1: B d . 2). B e i den Naturdingen ist es so, daß das Feuer durch Erwärmen gleichzeitig die Kälte vertreibt. Wenn wir einen Berg besteigen, entfernen wir uns zugleich vom Tal. Warum ist es nicht ebenso beim sinnenhaften Streben? Die Liebe zu einem Gut wäre dann zugleich Haß des entgegenstehenden Übels. Cajetan sieht den Unterschied zwischen dem naturhaften und sinnenhaften Streben in der verschiedenen Tätigkeitsweise begründet. Das naturhafte Ding ist auf e i n e Seins form eingeschränkt und darum auch in seiner Tätigkeit eindeutig festgelegt. Beim sinnenbegabten Lebewesen werden die Gegenstände einzeln erkannt und erfaßt und lösen darum gesonderte Antriebe aus. Gleichlaufend mit dieser wechselnden Vielheit von Formen, die ein solches Wesen erkenntnismäßig aufnimmt, ist auch das anschließende Streben ständigem Wechsel unterworfen. Dem Gut gegenüber ist es Liebe, dem Übel gegenüber Haß. E s besteht wohl ein B a n d zwischen beiden. An sich ist es nicht erfordert, daß mit der wachsenden Liebe zu einem bestimmten Gut der H a ß zum entgegenstehenden Übel sich steigert. E s kann geschehen, daß ein Gut geliebt und das Übel gar nicht gesehen oder erwogen wird. Während Liebe entsteht und wächst, bleibt der Haß aus, wenigstens formell, wenn auch nicht virtuell, wurzelhaft, soweit er nämlich in der Liebe des entgegengesetzten Gutes angelegt ist. Weil ein erkanntes Gut den formellen Grund für die Liebe und nur ein erkanntes Übel den formellen Grund für den Haß abgibt, andererseits das geliebte Gut zugleich die Wurzel ist für das Abwehren jeder auftretenden Gefährdung, wird formell das eine gewollt und darin wurzelhaft das andere verschmäht ( C a j e t a n zu Art. 4, nr. I V ) . Insofern liegen auch im Seelenleben Antrieb und Hemmung, soweit sie der unmittelbaren Beobachtung zugängig sind, nahe beieinander. I n und wegen der wertselegierenden Funktion der Liebe als Antriebskraft, sagt S c h e l e r (Über Scham und Schamgefühl. Schriften aus dem Nachlaß. B d . I . Berlin 1933, 75—77), liegt in dem Vorprüfen der Trieberfüllung auf ihren Wert für den ganzen Menschen hin die Hemmung angelegt. Trotzdem sind Gut und Übel nicht in gleicher Weise Gegenstand des sinnenhaften Strebens. Der erste und eigentliche Gegenstand ist und bleibt das Gute. E i n Übel besteht lediglich im Fehlen des Guten (25, 2 : vgl. Anm. [73]). F r a n z S i l v e s t e r v. F e r r a r a betont ausdrücklich, daß Gut und Übel eigentliche Gegenstände des Strebens seien, aber in verschiedener Art. Das Gut sei hauptsächlich und durch sich Gegenstand des

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23/25 Strebevermögens, das Übel dagegen käme an zweiter Stelle und nur deswegen, weil es dem Gut entgegengesetzt sei. Nur durch das Gute hat das Übel also eine Beziehung zum Streben. Wenn es darum einfachhin heißt, das Gute sei Gegenstand des Strebens, so hat das in diesem Sinne seine Richtigkeit (vgl. Komm, zu CG I 90). Dem entspricht die thomasische Auffassung der Moraltheologie. An erster Stelle ist sie Tugendlehre; erst an zweiter Stelle kommen Sünde und Laster, die nur durch die Tugend eine Beziehung zur Moraltheologie haben und nur durch die Tugend verständlich werden, weil deren Verdrängung Laster und Sünde ausmachen. Wie es deshalb verfehlt wäre, die negative Seite über Gebühr in den Vordergrund zu rücken und schließlich die Moraltheologie zu einer Sündenlehre zu machen, genau so verfehlt wäre es, die negative Seite zu übersehen (25, 1). Drittes Kapitel DER SITTLICHE WERT DER LEIDENSCHAFTEN (Fr. 24) 24 In der Betrachtung der Leidenschaft als psychosomatischer Antriebskraft des Menschen sind wir lediglich bis zu ihrem animalischen Charakter vorgedrungen. Damit ist ihr Seinsgehalt aber noch nicht erschöpfend aufgewiesen. Es bleibt noch etwas, das sie erst zur menschlichen Leidenschaft macht. Aus der animalischen wird im Menschen wegen der Geistigkeit seiner Natur eine psychisch-personale Antriebskraft. Irgendwie steht sie trotz und in ihrer leiblich-seelischen Eigenart im Kraftfeld der freien Selbstbestimmung des Menschen. Nicht wie die Glieder des Leibes, die rein passiv die Anordnungen des Geistes ausführen, sondern in echter innerer aktiver, wenn auch begrenzter Teilnahme. Darin liegen aber die Voraussetzungen, um in den Bereich der ethisch-personalen Antriebskräfte des Menschen eingeschaltet zu werden. Sicherlich ist und bleibt das sinnenhafte Streben nächstes Wirkungsfeld des Geistes. Darauf bleibt indes sein innerer Sinn nicht beschränkt. Wenn der Mensch in freier Selbstbestimmung das Gesetz der Natur als Ausdruck des Willens Gottes erfüllt oder in der Gesetzesbefolgung Gott die geschuldete Gerechtigkeit leistet und so sein eigenes Heil wirkt, sind die Leidenschaften bestimmt, dem Willen als Verbündete, als Weg- und Kampfgenossen an die Seite zu treten. Ihre sittliche Güte oder Schlechtheit, ihr „Wertantlitz" bekommen sie vom Gegenstand, dem sie sich zuwenden (Art. 4). I. L e n k b a r k e i t der L e i d e n s c h a f t e n d u r c h den Geist 1. MÖGLICHKEIT DEK LENKUNG

Als animalisches Sein gehören die Leidenschaften dem Gebiet des Vitalen an, das Mensch und Tier gemeinsam haben. Trotzdem sind menschliche Leidenschaften nicht tierisch und bedeuten grundsätzlich auch keine unwürdige Beeinträchtigung der menschlichen Persönlichkeit, die notwendig den Wert einer sittlichen Handlung schmälern müßte. Man kann nicht sagen, 510

das Ideal der Stoa, die Apathie oder Gefühllosigkeit, müsse Ziel der menschlichen u n d christlichen Erziehung sein (Art. 2). 1 Es besteht ein einschneidender Unterschied zwischen dem vitalen Leben des Tieres u n d dem des Menschen. Jenes wurzelt ausschließlich in der Leibnatur des Tieres u n d verläuft nach den ihm immanenten, rein n a t u r h a f t wirkenden Gesetzen. Tierische Gefühlsregungen können keinen sittlichen Charakter haben, weil sie n a t u r h a f t verlaufen, mögen sie auch noch so täuschende Ähnlichkeiten m i t den menschlichen Leidenschaften haben. Menschliche Leidenschaften entspringen dem Leib-Seele- u n d im Christen dem Leib-Seele-Gnade-Ganzen. Bereits in der Wurzel sind sie a r t m ä ß i g anders gebaut als die des Tieres u n d haben dadurch eine innere Bestimmung zu artmäßig höheren Aufgaben im menschlichen u n d christlichen Leben. Man mag wohl von einem animalisch-seelischen, doch nicht tierischen Gefühlsleben des Menschen sprechen (Art. 1 Zu 1 u. 2). Zwar sind die menschlichen Leidenschaften von H a u s aus psychosomatische, also nicht ohne weiteres freie, moralische Akte (Art. 1; 59, 1: Bd. 11). Aber sie sind innerlich auf die Leitung durch den Geist angelegt, die beim Tier unmöglich ist, u n d nur die von der Vernunft geleiteten Leidenschaften haben im Menschen Daseinsberechtigung (74, 3 Zu 1: Bd. 12). K u r z gesagt, die Leidenschaften gehören subjektiv durch ihre Ansprechbarkeit f ü r den Anruf des Geistes zu den sittlichen Antriebskräften des Menschen u n d werden objektiv in ihrem sittlichen Wert bestimmt durch den Gegenstand, dem sie sich zuwenden (Art, 4). Von N a t u r aus vertreten die Leidenschaften die leiblichen Interessen des Menschen, sind indessen darauf angelegt, im Dienste des Geistes als Werkzeuge u n d Gehilfen mitzuarbeiten an seinen höheren Aufgaben (17, 5 Zu 2: Bd. 9). N a t u r g e m ä ß erwarten u n d fordern sie die Inanspruchnahme u n d Leitung durch den Geist (Art. 1 Zu 2), ohne dabei ihre Eigentätigkeit aufgeben zu müssen (59, 5: Bd. 11). Thomas sagt im Anschluß an Aristoteles: ,,Zur Tugend gehört, daß m a n sich b e t r ü b t über das, worüber m a n traurig sein m u ß . . . u n d das hilft auch dazu, das Übel u n d das Böse zu fliehen, u n d zwar mit größerer Bereitwilligkeit" (59, 3). Gerade in ihrer Eigentätigkeit gehen sie in das personale T u n des Menschen ein (59, 5). U n g e l e n k t e s Schwanken der Leidenschaften oder Wildwuchs des Gefühlslebens sind U n n a t u r u n d haben mit Echtheit oder ungebrochener Lebenskraft der Leidenschaften nichts zu t u n . Ihrem innersten Drang nach wollen sie geführt werden u n d a m Adel des Geistes teilhaben, so daß Begehren u n d Wollen zwei g l e i c h g e r i c h t e t e Teilkräfte im menschlichen Streben werden. Weil im Gegensatz zu denen des Tieres die menschlichen Leidenschaften von Vernunft u n d Willen ansprechbar sind u n d ihren Befehlen gehorchen können u n d sollen (81, 3: Bd. 6), wie etwa Ermahnungen, Vorwürfe u n d A u f m u n t e r u n g beweisen (83, 1), stehen sie soweit auch in der Gewalt des Menschen. I m selben Maße auch sind sie menschlich, frei, verantwortlich u n d sittlich 1 Vgl. J. S t e l z e n b e r g e r , Die Beziehungen der frühchristlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa. München 1933, 244 ff.

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24 (Art. 1). Ohne diese geistige Leitung entbehren sie ihres höchsten Adels. Sie sind dann zwar i m Menschen, aber nicht menschenwürdig. 2 V

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Daß das Geistige einen Widerhall im Sinnenhaften findet, ist eine unleugbare Tatsache. Was immer den Geist erschüttert und tief bewegt, ruft im sinnenhaften Bereich die entsprechenden Regungen wie im höheren wach (Art. 3 Zu 1), so daß normalerweise die Leidenschaften sogar einen Gradmesser für die Stärke des Willensentschlusses und die Echtheit der Gesinnung abgeben (ebd.). D e r e r s t e W e g , sich die Leidenschaften unterzuordnen, geht vom Verstände aus und führt über das Vorstellungsvermögen zum niederen Streben. Die Phantasie bildet gemeinsam mit der sinnlichen Erwägungskraft jenes Tor, durch das die vom Verstände aufgegriffenen Wahrheiten und Werte in den sinnenhaften Bereich des Menschen eindringen. Vom Verstände, der ein sittliches Gut, zum Beispiel Reue über zugezogene Schuld, für erstrebenswert hält, wird das sinnliche Streben zur Annahme seines Urteils verpflichtet. E r bedient sich dabei des Vorstellungsvermögens, das in seinem Auftrag das, was er für erstrebenswert hält, in lebendigen, anziehenden Farben als begehrenswertes Gut zeichnet und dadurch die dem geistigen Vorgang entsprechenden sinnenhaften Strebungen auslöst. Maria Magdalena weinte in bitterem Reueschmerz über ihre Sünden, wusch mit ihren Tränen die Füße des Herrn und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes (Lk 7, 38). Der Wille kann sich b e w u ß t der Leidenschaften bedienen, um schneller und leichter sein Ziel zu erreichen. Erfahrene Redner wählen diesen Weg, um mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln der Beredsamkeit an den ganzen Menschen heranzukommen. Das gleiche Ziel hat die E r z i e h u n g , die den Menschen mit allen seinen Kräften erfassen will (Art. 3 Zu i ; Ver 25, 6; 7 Antw. u. Zu 7). E s bedarf aber nicht immer einer b e s o n d e r e n Überlegung von Seiten des Verstandes; die Leidenschaften können sich spontan mit grundsätzlicher Billigung des Geistes ihm anschließen, wie es etwa bei gereizten Menschen geschieht, wo sich die sittlichen Vorentscheidungen 1 in Ausrichtungen und Gehaben auswirken. Über die vermittelnden Vorstellungen greifen die Wahrheiten und Werte von selbst auf den feinhörig und willig gewordenen sinnenhaften Bereich über, weswegen es irrig wäre, nur bei lebhaften Auseinandersetzungen des Geistes diesen Einfluß annehmen zu wollen. Wohl tritt bei heftigem Ergriffensein der Einfluß des Geistigen deutlicher in die Erscheinung. An sich wird jede geistige Tätigkeit irgendwie von leidenschaftlichen Regungen begleitet, die wohl bisweilen so schwach sein können, daß sie kaum oder gar nicht bemerkt werden (I 81, 3: Bd. 6; Ver 25, 4 ; 26, 7 Antw. u. Zu 2). D e r z w e i t e m ö g l i c h e W e g führt vom Willen direkt zum sinnenhaften Begehren ohne Dazwischenschaltung der Phantasie. Rein geistige Vorgänge, z. B . bittere Reue über eine Fehl1 Über den wichtigen Begriff der Vorentscheidung vgl. H. E . H e n g s t e n b e r g , Christliche Askese. Heidelberg 1948", 23—104.

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t a t , können den Willen so mächtig ergreifen, daß sein Ergriffen- 24 sein unmittelbar, ohne den Weg über die Vorstellungen zu nehmen, auf das sinnenhafte Begehren überströmt u n d dieses mächtig erschüttert wird (30, 1 Zu 1). Die menschlichen K r ä f t e stehen nicht getrennt u n d beziehungslos f ü r sich, sie wurzeln in der gleichen N a t u r u n d dienen überdies einem einzigen übergeordneten, gemeinsamen Ziel. So ist es unausbleiblich, daß das Wirken des einen Vermögens in den anderen ein Echo auslöst, namentlich aber, daß die Tätigkeit des höheren, vor allem bei lebhaftem Ergriffensein, sich auf die anderen, ihm untergeordneten fortpflanzt. Wird daher der Geist lebhaft durch ein sittliches Gut bewegt, so verbündet sich naturgemäß die sinnen hafte Strebekraft in den Leidenschaften mit dem höheren Wollen (Ver 25, 4; 26, 10 Antw. u. Zu 17). Schließlich gibt es noch einen d r i t t e n Weg. Der Wille kann verhindern, daß die leidenschaftliche Erregung zur T a t führt, daß zum Beispiel der Mensch in seiner W u t nicht gleich losschlägt. Obschon der Wille nicht stark genug ist, den affektiven Impuls zu verhindern, vermag er aber doch, der affektiven Handlung vorzubeugen (Ver 26, 7). 3. PFLICHT DER LENKUNG

Nach dem H a u p t g e b o t des Christentums: „ D e n Herrn, deinen Gott, sollst du lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Gemüte und mit allen deinen K r ä f t e n " (Mk 12, 30) erwartet Gott den ungeteilten Dienst des Menschen. E r soll geschlossen, mit dem Aufgebot aller Strebekräfte, die großen Aufgaben seines Lebens verfolgen. Mitunter hat es zwar den Anschein, als ob sich die Menschen, namentlich bei Erfüllung schwerer Pflichten, auf den Willen allein verlassen müßten, weil das sinnenhafte Begehren entweder gar nicht mitgeht oder unnachsichtig u n d mächtig in eine andere als die gewollte Richtung treibt. I n solchen Fällen sieht sich der Wille auf Schritt u n d Tritt in seiner T a t k r a f t gehemmt u n d gelähmt. Oft genug erliegt er den Schwierigkeiten, die ihm auf dem Wege zum Ziel begegnen. Es bleibt ein imverkeimbarer V o r z u g des menschlichen Tuns, wenn beide Strebekräfte, Wille u n d Leidenschaft, sich treffen u n d zum gemeinsamen Vorgehen vereinen (56, 4 Zu 2: Bd. 11). Wie es vollkommener ist, wenn der Mensch nicht bloß das Gute will, sondern sein Wollen einmünden läßt in die gute T a t , so ist es ebenfalls besser u n d bedeutet s i t t l i c h e B e r e i c h e r u n g , wenn der Mensch nicht nur in seinen Willenskräften zum Guten hinstrebt, sondern es ebenso mit seinem Gefühl ergreift u n d es m i t L u s t u n d L i e b e t u t . Aus dieser psychischen Einheit spricht das Streben der N a t u r , und darin offenbart sich Gottes Gebot, das E r überdies klar ausgesprochen hat (Art. 3 Zu 1 u. 3). Durch dieses Bündnis der Strebekräfte kommt es n a t u r g e m ä ß zu einer beachtlichen S t e i g e r u n g der menschlichen Leistungsfähigkeit. Es entwickelt sich in diesem Mittun des g a n z e n Menschen ein Maß von Scharfsinn, Lebhaftigkeit, Fertigkeit u n d physischer K r a f t , das er vorher nicht kannte (vgl. Ver 26, 7). Allerdings wird diese menschliche Eigenart erst zu einem Vorzug u n d darüber hinaus zu einer

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24 sittlichen Pflicht durch die Bestimmung der menschlichen Seele, in einem Leibe zu leben u n d Gott mit Seele u n d Leib zu dienen (vgl. Mal 12, 2). I m geistigen u n d leiblichen Lebensbereich des Menschen soll die Gottesordnung aufleuchten u n d durch beide getragen werden (56, 4: Bd. 11). II. Leidenschaft und

Geist

im

Widerspruch

1. WILLE U N D LEIDENSCHAFT

1. B e g r e n z t e H e r r s c h a f t d e s W i l l e n s . — I m Vollzug der Lenkung bleibt die Macht des Geistes beschränkt. Gesunden Gliedern, d. h. den Muskelkräften, den vires motivae, k a n n e r will-kürlich, selbstgewaltig befehlen, u n d sie ordnen sich ihm ohne Widerspruch u n d Eigenbewegung unter. Das niedere Streben jedoch verträgt solche Befehle nicht. Lediglich einladend, ermunternd, beratend, aneifernd, übersehend oder überredend vermag er es zu lenken. 1 E s h a t eben seine Eigentätigkeit, in der es der Vernunft u n d dem Willen stürmisch vorauseilen u n d zuwiderhandeln k a n n und, solange der Mensch lebt, auch immer wieder zuwiderhandeln wird (56, 4; 59, 5: Bd. 11; Ver 24, 9 u. 13). Verlangen nach allem, was Genuß u n d F r e u d e verspricht, oder Widerstreben gegen alles Unangenehme u n d Widerwärtige sowie leidenschaftliches Aufbegehren gegen alles, was störend in den Weg t r i t t , melden sich mit der Macht eines unausrottbaren Naturtriebes. Dieses n a t u r h a f t e Drängen selbst k a n n auch die übernatürliche Gnade nicht ganz a u f h e b e n . W a s sie vermag, ist, Ordnung zu schaffen im wilden Begehren, es zu mäßigen, stürmischen Ausbrüchen vorzubeugen oder sie einzudämmen (Ver 26, 7 Zu 2 u. 4). Die triebhafte Neigung z u m sinnlich Guten u n d Lustvollen selbst bleibt unangetastet, aber der ungeordneten Macht wird Einhalt geboten (ebd. Zu 3). 2 2. L e i b l i c h - s e e l i s c h e E i g e n a r t d e r L e i d e n s c h a f t . — Die menschlichen Leidenschaften stehen nicht bloß u n t e r d e m Einfluß des Willens, sondern noch weit mehr, wegen ihres leiblichen Wesensanteiles, u n t e r den Einwirkungen des Stoffes. Werden sie durch die Abhängigkeit u n d Ansprechbarkeit v o m Geiste her frei, menschlich u n d sittlich, so sind sie durch die Verwurzelung im Organischen unfrei, schwerfällig, unlenksam u n d zäh, das heißt, sie entziehen sich im gleichen Maße dem Bereiche des Sittlichen u n d Verantwortlichen (Art. 17, 7: Bd. 9). 3. B e l a s t u n g d u r c h d i e E r b s ü n d e . — Seitdem die Erbsünde die innere Ausgeglichenheit des Menschen, die er durch ein besonderes Geschenk des Schöpfers besaß, zerstört h a t , suchen die Leidenschaften sich loszulösen von der Unterordnung u n t e r den Willen. Sie haben etwas Besonderes an sich. Ohne Blick auf das Gesamtziel des menschlichen Lebens wollen sie mit einer hartnäckigen u n d eigensinnigen Selbständigkeit 1 Die Schule spricht im ersten Falle von einem dominium despoticum des Willens auf die Bewegungskräfte, im zweiten Falle von einem dominium politicum. Vgl. dazu Bd. 11, S. 483. • Die nähere Darlegung dieBer Eigentätigkeit gehört in den Bd. 9. Vgl. I 81, 3 Zu 2 u. 4: Bd. 6; II—II 155, 3 Zu 2: Bd. 22; Ver 24, 8. Letztlich geht hierauf die Frage zurück, ob es Gehaben im niederen Vermögen geben kann und ob eine Sünde darin möglich ist (74, 3: Bd. 12).

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ihre engen Eigenziele verfolgen u n d sich gegenüber den Ansprüchen des Geistes behaupten (56, 4 Zu 2: Bd. 11; Ver 25, 6). Trotzdem bringt es die Gnade fertig —• u n d nur sie allein —, dem Willen so viel Macht zu verleihen, d a ß der Mensch, allerdings nur mit dem Aufgebot aller ihm zur Verfügung stehenden K r ä f t e , es erreicht, sein niederes Streben im Sinne Gottes zu lenken. W e n n die eingegossenen moralischen Tugenden die niederen K r ä f t e zügeln, der Wille fest in Gott verankert ist, der Verstand sich gläubig u n d vertrauensvoll der B e t r a c h t a n g der göttlichen Wahrheiten hingibt u n d die Glut der Gottesliebe den Menschen von allem Sündhaften abhält, k a n n es schwerlich geschehen, d a ß er in der Lenkung der Leidenschaften versagt. 1 4. G e l e n k t e u n d u n g e l e n k t e L e i d e n s c h a f t e n (Art. 3 Zu 1). — Die Sorge des Menschen f ü r die Reinheit des Gemütslebens stößt deshalb auf beachtliche Schwierigkeiten, auch von der Entstehungsart der Leidenschaften her. J e nach dem Willensanteil sind die auftretenden Regungen sittlich zurechenbar. Bei der sogenannten p a s s i o c o n s e q u e n s , das heißt bei einer Leidenschaft, die positiver Stellungnahme des Willens ihre E n t s t e h u n g verdankt, ist die Lage klar. I n ihr erfährt der Mensch eine gewisse Förderung des Sittlichen u n d Steigerung seiner K r a f t , soweit sie in sich durch ihren sittlich guten Gegenstand gut ist u n d soweit sie durch ihre Beziehung zur Ausführung des sittlich guten Werkes, die sie erleichtert u n d belebt, gut wird (Art. 3 Zu 1; Art. 4; 56, 4 Zu 2: Bd. 11; Ver 26, 7). Bei der p a s s i o a n t e c e d e n s , also bei Leidenschaften, die einer Stellungnahme des Geistes vorauseilen, u m ihren ungeregelten Einfluß auf ihn geltend zu machen, liegen die Verhältnisse anders. Sie können ihren bösen Einfluß entfalten, weil der Wille versagt h a t , d. h., er ist nicht hindernd dazwischengetreten, wo es seine Pflicht gewesen wäre. Trotzdem gehört nicht jede von selbst auftretende sinnliche Regung hierher. E s gibt physiologisch bedingte Leidenschaften, z. B. Angstgefühle infolge von Angina pectoris, die zwangsläufig a u f t r e t e n und sich deswegen der Verantwortung des Menschen entziehen; oder andere, die aus der Naturanlage, etwa als Draufgängertum oder Furchtsamkeit, herauswachsen. Daneben gibt es psychisch bedingte, die m a n a m deutlichsten in ihrer extremen Entwicklung beim seelisch Abnormen, etwa beim Zwangsneurotiker (Berührungsangst, Platzangst, Bazillenfurcht usw.) oder beim Depressiven mit seiner Niedergeschlagenheit erkennt. Andere werden durch unvorhergesehene u n d u n v e r m u t e t e innere oder äußere Sinneswahrnehmung ausgelöst. Wie unfreie Wahrnehmungen sich der Herrschaft des Willens u n d damit der Verantwortung entziehen, so t u n das gleichfalls die dadurch geweckten affektiven Regungen (Ver 26, 7). Sobald dagegen die Wahrnehmungen mit ihren Auswirkungen im affektiven Bereich vernünftigerweise vorhergesehen werden können, ragen die ersten Gefühlsregungen bereits in das Gebiet des Sittlichen hinein. Voll zurechenbar sind sie aber niemals. E s handelt sich 1 Ver 24, 9; vgl. Th. Graf OSB, De subjecto psychico gratiae et virtutum. Pars I: De subjecto virtutum cardinalium. Studia Anselmiana. Fase. III/IV. lìomae 1935, 42—46.

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24 bei „allzu" menschlichen, leidenschaftlichen Regungen höchstens um läßliche Schuld (Art. 3). 1 I m Rahmen des normalen Seelenlebens werden jedoch für gewöhnlich solche nicht vom Geiste gelenkte leidenschaftliche Regungen entweder zu Versuchungen, die den Menschen zur Sünde ziehen, oder zu Impulsen, die zum sittlich Guten einladen (Art. 2 Zu 3). Besser ist es aber, sagt Thomas, nur mit dem Geiste als nur aus ungelenktem Mitleid ein Werk der Liebe zu tun (Art. 3 Zu 1). E s wäre rein zufällig, träfe der Mensch in seinem naturhaften, ungeordneten Drängen das Richtige (Ver 26, 7). 2. SPANNUNGEN UND GEFAHREN

I n der Geschichte haben sich je nach der Sicht des menschlichen Gefühlslebens die zwischen Körper und Geist, zwischen natürlichem und übernatürlichem Leben bestehenden Spannungen und Schwierigkeiten zugunsten des einen oder anderen verlagert und bald eine Tyrannei des Geistes, bald eine Tyrannei des Leibes begründet, die beide in ihrer Art gleich hemmend und störend für den Gesamtablauf des menschlichen Lebens geworden sind. Bei den vitalen Kräften der Leidenschaften geht es um mehr als um toten Stoff, der nach Belieben geknetet und geformt werden könnte. Werden diese elementaren K r a f t ströme nicht sowohl wesensgerecht wie auch gemäß den individuellen Anlagen gelenkt, dann gibt es Vorhaltungen und Stauungen, Verdrängungen und Komplexe, infolgedessen Fehlleitungen und Mißbildungen, die sich bald in unnatürlichen Verschiebungen oder Verbiegungen des Charakters, bald in gröberen Abwegigkeiten bemerkbar machen. Gewiß lassen sich die Lebensgesetze des Leibes nicht ungestraft vergewaltigen, doch darf man anderseits nicht übersehen, daß der Leib und mit ihm das Gefühlsleben infolge der E r b schuld dahin neigen, ihre eigenen niederen Wege zu gehen, unbekümmert um den Adel der Geburt ; wobei wir unter .niederen Wegen' ganz allgemein die Bevorzugung des Materiellen vor dem Geistigen verstehen, des Äußeren vor dem Inneren, des Intellektualistischen vor dem Charakterlichen, des Natürlichen vor dem Übernatürlichen, des Eigengutes vor dem Gemeingut und schließlich auch noch des Scheins vor der Wirklichkeit. „Dem inneren Menschen nach habe ich zwar Freude an dem Gesetze Gottes; aber ich gewahre in meinen Gliedern ein anderes Gesetz, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet und mich gefangengibt an das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht" (Rom 7, 22 f.). Allem Stofflichen und Kleinen ist auf Grund eines wesenhaft eingeengten Blickfeldes und seiner begrenzten K r a f t eine gewisse Selbstsucht auf Kosten des Ganzen eigen. Nur der Geist h a t als Anwalt des Ganzen die nötige Blickweite und zugleich die nötige K r a f t , neben seinen eigenen Belangen das Gesamtwohl wirksam zu vertreten. Von daher bekommt die Forderung nach Selbsterziehung zur Vergeistigung des menschlichen Gefühls1 Vgl. H. D. Noble, Les passions dans la vie morale; Deuxième Partie, Moralité de la passion. Paris 1932, 36 ff.

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lebens unverkennbar ihre Berechtigung, Notwendigkeit u n d 24 Bedeutung. Sie m u ß n u r dahin verstanden werden, daß die sinnenhaften Ansprüche in die von der N a t u r gezeichneten Grenzen verwiesen werden u n d daß der Mensch zu einer willigen Ansprechbarkeit f ü r die Forderung seines vom Gesamtwohl geleiteten Geistes erzogen wird. U n d eines darf m a n nicht übersehen: Das übernatürliche Leben in innerer Gefolgschaft des Gottessohnes als des leidenden u n d sterbenden Erlösers läßt noch eine weit höhere Aufgabe des menschlichen Gefühlslebens erkennen, nämlich die bewußte Sühne u n d Buße. „Die Christus Jesus angehören, haben ihr Fleisch mitsamt seinen Leidenschaften u n d Gelüsten ans Kreuz geschlagen" (Gal 6, 24). Was wir gerade sagten, könnte m a n eine Y e r g e i s t i g u n g des menschlichen Gefühlslebens nennen, die in einem gewissen Sinne eine Kampfansage a n den Leib miteinschließt. Doch handelt es sich u m eine nur existentiell bedingte, durch die christliche Existenz umrissene Gegnerschaft, die keine grundsätzliche Feindschaft bedeutet. Man denke an den Einfluß, der von der S t o a u n d von D e s c a r t e s her zu einem Dualismus ausgewachsen ist, der sich in allen Schattierungen, von offener Feindschaft bis zum ängstlichen Mißtrauen, verborgenem Argwohn u n d unbewußter Ablehnung, vorfindet. Allzuoft ergeht sich ein bewußt gepflegtes übernatürliches Leben in einem beharrlichen, falsch verstandenen Ringen gegen den Leib u n d errichtet eine blinde Tyrannei des Geistes auch gegen die begründeten u n d von Gott gewollten Ansprüche des Leibes, des Eigentums Gottes u n d der Wohnatätte des Allerhöchsten. Dadurch glaubt m a n den Geist unabhängig u n d frei zu machen. Man übersieht indessen, daß ein einseitiges Niederhalten der N a t u r - u n d Sinneskräfte nicht bloß die geistige Entwicklung des Menschen h e m m t , sondern ihm sogar Schwung u n d K r a f t , Begeisterimg u n d Freude n i m m t ; daß umgekehrt ein gesundes menschliches Seelenleben nicht gedeihen kann, wenn ihm diese K r ä f t e fehlen. Lähmung, Überdruß, Ekel a n allem Geistigen u n d Übernatürlichen, mürrisches Wesen u n d Lebensmüdigkeit kennzeichnen ein solches Leben. N i c h t D r o s s e l u n g der menschlichen Leidenschaften, s o n d e r n nur ihre g e s u n d e E n t f a l t u n g u n d L e n k u n g im Leib-Geist-Ganzen k a n n Ziel der Menschenbildung sein. D a ß Maßüberschreitungen nicht selten sind u n d d a r u m unablässige, behutsame Abwehr nötig machen, lehrt die Erfahrung. Blinder K a m p f gegen den Leib u n d seine K r ä f t e wäre aber ebenso ungesund wie unnatürlich, wäre deshalb ebenso fehl a m Platze wie willenloses Eingehen auf alle sinnenhaften Anwandlungen. Leitend bleibt immer die dem menschlichen Gemütsleben eingeborene sittliche Bestimmung, die eben kein allgemein gültiges, starres Schema f ü r alle Zeiten u n d alle Menschen kennt, sondern weiteste Anpassimg an einen individuellen Lebensstil, natürlich innerhalb der von Gott gesetzten Ordnung, verlangt. Das geistige Leben ist d a r u m nicht der freien Willkür des Menschen anheimgegeben. Den gesunden, von der N a t u r u n d vom Schöpfer gewiesenen A u s g a n g s p u n k t bildet d e r e i n z e l n e M e n s c h in seiner B e s o n d e r u n g u n d individuellen 517

24 Ausprägung. E s wäre von vornherein gefährlich, wollte sich der Mensch ungeachtet seiner Anlagen u n d Möglichkeiten ein beliebiges Lebensziel setzen: So will ich u n d m u ß ich werden, gleichviel, was seine persönliche Anlage u n d Situation dazu sagen! I n dem Maße, wie der Mensch sich von seinem individuellen Lebensziel entfernt, versucht er seinen Geist zu vergewaltigen, der sich diese Drosselung allerdings nicht gefallen läßt. Mit anderen W o r t e n : E s wäre verfehlt, dem Menschen eine vorkonstruierte Lebensform aufzwingen zu wollen, dessenungeachtet, ob sie f ü r ihn p a ß t oder nicht. Der Mensch m ü ß t e in einer solchen Fessel nicht sein eigenes, sondern ein anderes, gekünsteltes Leben führen. E r lebt unwahr, a n sich selbst vorbei, nicht seine eigene individuelle Lebensform u n d -Wahrheit. Dagegen s t r ä u b t sich die gesunde Seele; sie reibt sich wund an den W ä n d e n ihres Gefängnisses, ähnlich wie ein gesunder Organismus sich gegen Fremdkörper durch E n t z ü n d u n gen u n d ähnliche Erscheinungen wehrt. J e nach dem Maße der Widerstandskraft oder Empfindsamkeit der körperlich-seelischen S t r u k t u r wird die Seele m e h r oder weniger k r a n k . Man spricht d a n n von einer Neurose. Eine solche Neurose ist wie ein Hilferuf, den die gefesselte oder leidende Seele ausstößt. 1 Sie ist eine Abwehrerscheinung, wie eine E n t z ü n d u n g im Organism u s eine solche ist, ein Schrei nach Gesundheit u n d daher f ü r die Seele eine A r t Wegweiser, u m sich selber, ihre eigene Wahrheit, ihren individuellen Lebensweg zu finden. D a r u m sucht der erfahrene Seelenarzt in den Tiefen der Seele nach dieser Druckstelle, u m von d a den Menschen zu sich selber zurückzuführen. Durch diesen Zusammenhang werden die religiös-sittlichen Anliegen des Menschen verkettet mit den elementaren Forderungen seiner N a t u r , sie können mithin auch nicht ohne Verfälschung des Menschen übersehen u n d unbeachtet bleiben. D a r u m werden die oben erwähnten Hilferufe der Seele zugleich zu Mahnungen a n den Menschen, d a ß noch sittlich unerledigte Aufgaben auf ihre Lösung warten (vgl. J . G o l d b r u n n e r , Heiligkeit u n d Gesundheit. Freiburg 1946). III. Ausgleich

in der

Ganzheit

§ 1. ANTEIL DEK LEIDENSCHAFT AM SITTLICHEN T U N

Dem W i l l e n fällt in allem sittlichen oder menschlichen Tim als dem Anwalt der gesamtmenschlichen Interessen, der fern von allem Partikularismus des einen oder anderen Lebensbezirkes die E n t f a l t u n g der Persönlichkeit als solcher vertritt, die entscheidende Rolle zu. Der g a n z e Mensch soll im Handeln tätig sein. W e n n diese Forderung zu R e c h t besteht, d a n n darf im H a n d e l n nicht e i n Seinsbereich aus dem Ganzen herausgelöst u n d auf Kosten der anderen einseitig gepflegt werden, wie es bei biologistischen u n d spiritualistischen Tendenzen geschieht. Weder der Mensch, der sich ohne Geistlenkung von seinen Trieben leiten oder gar fortschwemmen läßt, noch wer in seinem pflichtmäßigen H a n d e l n jede Unterstützung durch Gefühle u n d 1 Vgl. z. B. Hugo Balls Jugendgeachichte in E. H e n n i n g s - B a l l , Hugo Balls Weg zu Gott. München o. J. (1931), 19 ff.

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Neigungen abweist oder seine individuellen Verhältnisse grund- 24 sätzlich übersieht, wird dem Natur- u n d d a r u m dem Schöpferwillen gerecht. Wie sich Leib u n d Seele im S e i n zu einer lebensvollen Einheit verbinden, so drängen Leidenschaft u n d Wille zu einer lebensvollen Einheit im T ä t i g s e i n zusammen, wobei wir hier mit Leidenschaft u n d Gefühl die ganze Leibs p h ä r e mit ihren berechtigten Ansprüchen meinen (Ver 26, 2 A n t w . u. Zu 2). 1. Sosehr der Mensch auf diese Einheit im Tätigsein von der N a t u r aus angelegt u n d angewiesen ist, so schwierig war es •dem philosophischen Denken im Laufe der Jahrtausende, diese Einheit einleuchtend zu machen. P l a t o , S o k r a t e s u n d A r i s t o t e l e s haben sich bereits u m eine Lösung des Problems b e m ü h t . Sie stimmen darin überein, daß n u r ein sittlicher oder •charakterfester Mensch f ü r sich beanspruchen darf, eine vollg u t e menschliche Persönlichkeit zu sein. Offen bleibt indes noch die andere Frage, ob diese Entwicklung vom unreifen zum •charakterfesten Menschen den Willen allein angeht, so daß die vollkommene Tugend n u r den Willen von innen her auf das G u t e festlegt, oder ob der Leib u n d näherhin das affektive Leben des Menschen dabei ebenfalls eine feste u n d dauernde Ausrichtung erwarten. Dadurch würde der Mensch das Gute nicht n u r t u n , er würde darüber hinaus durch edle Leidenschaftlichkeit dazu angetrieben, durch Liebe u n d Freude, Begeisterung u n d Hingabe, Mitleid u n d Barmherzigkeit, u m bloß einige zu nennen (59, 3: Bd. 11). E r würde es mit Seele u n d Leib t u n . Weil ein gereifter Mensch das sittlich Gute wie selbstverständlich t u t , nicht mit Widerstreben, sondern mit Lust u n d Liebe, -weil ihm das sittlich-gute Handeln zur zweiten N a t u r geworden ist, wird neben die grundsätzliche Ausrichtung seines Willens a u f das Gute die K u l t u r der Leidenschaften treten müssen (Ver 26, 7 Zu 2). I h r e m Wesen nach sind die Leidenschaften berufen, mit dem Willen a n der Tugend u n d jedem tugendh a f t e n Handeln beteiligt zu sein (59, 5 Antw. u. Zu 3: B d . I I ) . 1 2. Noch in anderer Hinsicht werden die Leidenschaften f ü r das sittliche Leben höchst bedeutsam: Freude u n d Lust, Abscheu vor allem Widerwärtigen u n d Angst vor jeder Überwältigung •durch Unglück u n d Not bilden die allgemeinsten Triebfedern des menschlichen Lebens. Die Leib-Geist-Natur des Menschen beweist ohne weiteres, daß sowohl das Verlangen nach Freude u n d Genuß wie auch die Flucht vor allem Widerwärtigen natürlich u n d d a r u m berechtigt sind. Beides ist eben unausrottbar m i t der menschlichen N a t u r verbunden (45, 2). Zu einer Befriedigung dieser Bedürfnisse k a n n deshalb der Mensch nur dadurch kommen, daß er sowohl das eine wie das andere mit der sittlichen Lebenshaltung verbindet; er soll seine Freude a m Guten suchen u n d sich mehr u n d mehr dahin erziehen, das sittlich Böse als das eigentliche Übel zu fliehen (34, 4). Sobald der Mensch Lust u n d Unlust in solcher Ordnung sucht oder meidet, gilt die sittliche Lebensführung als gesichert (58, 5: Bd. 11; I 83, 1 Zu 5: Bd. 6; I I — I I 24, 11: Bd. 16; Ver 1 Vgl. J. M a u s b a c h , Die sittliche Veredlung des Gefühlslebens. Pflicht und -Neigung. Moralprobleme. Freiburg 1911, 62—78.

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26, 7 Zu 6). Weil aber das Verlangen nach Freude und Genuß eine derart mächtige Rolle im Leben spielt, kann das Gute ohne ihre Mitwirkung nicht zur Herrschaft gelangen, wenigstens nicht auf die Dauer. Damit soll indessen nicht gesagt sein, daß die Leidenschaft zu jeder sittlichen Handlung als tragende Kraft hinzukommen müßte und nicht auch zeitweise fehlen dürfte, zum Beispiel zu Beginn einer inneren Umwandlung. Weil der g a n z e Mensch im sittlichen Handeln tätig ist, wird er sowohl von der l e i b l i c h e n wie von der g e i s t i g e n Seite zum Tun gedrängt, wenn sowohl das Gute als solches wie auch die Freude daran ihn ergreift. Dadurch kommt etwas Persönliches, Anziehendes, Kraftvolles, Belebendes und Warmes in die sittliche Lebenshaltung. Zwar sollen nicht die Leidenschaften dem Leben die Richtung geben, wohl aber soll sich der Mensch auch mit seinen Leidenschaften der Lebensrichtung, die von Vernunft und Gesetz vorgeschrieben ist, einordnen und sie so mit tragen helfen. Er soll das Gute nicht bloß tun, sondern an einem solchen Tun"auch seine Lust haben (34, 4 Zu 3). Erst wer das Gute mit Lust tut, handelt vollmenschlich. Darin unterscheidet sich Thomas im Anschluß an A r i s t o t e l e s von K a n t , der vom sittlichen Handeln als solchem imbedingt die Neigung, das Streben nach Wohlbefinden fernhalten will, wogegen Thomas beides miteiandenr in Einklang bringt. Sittliches Handeln soll den Menschen zur Vollendung führen; es soll aber auch seine Sehnsucht nach Glück befriedigen. Lust und Unlust treten indes oft genug als maßgeblicher Beweggrund des Handelns auf, und die Masse der Menschen neigt dazu, sich einseitig davon leiten zu lassen. Sittlich gereift ist der Mensch erst dann, wenn das Bedürfnis nach Lust mit den Sittengeboten in Einklang steht und damit dem sittlichen Lebensziel dienstbar gemacht ist. Jedenfalls werden Pflicht und Neigung, die von K a n t so schroff gegenübergestellt werden, bei Thomas harmonisch verbunden. Von Kants Begriff des reinen Pflichtsgefühls wird nicht der g a n z e Mensch angesprochen.1 Richtig ist freilich, daß ein sittliches Gut seiner selbst wegen gesucht werden muß. Das ist der Punkt, wo A r i s t o t e l e s und Thomas sich mit K a n t berühren. 3. Von der strengen Beherrschung oder Unterwerfung der Leidenschaften durch den Willen bis zu ihrer inneren Übereinstimmung mit ihm ist ein weiter Weg. Selbst wenn sich der gute Wille im Kampf behauptet, so daß entgegengesetzte leidenschaftliche Regungen ihn nicht überwältigen, kann man trotz der Selbstbeherrschung noch nicht von letzter Reife reden. Erst wenn das Stadium des im Ausgang unsicheren Kampfes aufgehört hat, wenn das Gute nicht mehr den Leidenschaften abgerungen oder abgetrotzt werden muß, erst dann ist die vollendete sittliche Haltung da, erst dann ist das Gute nicht mehr bloß Willenssache, sondern zugleich Herzensangelegenheit (Ver 26, 7 Zu 6). 1 Vgl. die Ablehnung Kants durch S c h i l l e r : Über Anmut und Würde, neben anderen philosophischen Schriften. Seine Meinungen decken sich "weitgehend mit denen des Aquinaten, wie M a u s b a c h (a. a. O. 62) richtig bemerkt.

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Ganz im Sinne des Aquinaten besteht nach Sc h e i e r die innerpsychische Leistung der geordneten Leidenschaften an erster Stelle in der Reinheit des Phantasie- u n d Wunschlebens, darin also, daß erlebte sinnliche Regungen weithin unterschwellig bleiben, daß dem sittlich Guten weithin gar nicht „einfällt", was dem andern zu schaffen m a c h t bzw. daß die Objekte ihren Reiz auch nur in vermindertem Maße auszuüben vermögen (a. a. O. 108 f.). E i n kultiviertes Gefühlsleben befreit den Menschen also „mehr u n d mehr von der täuschenden K r a f t jenes .inneren Sinnes', der alles Erleben nach seiner bloßen Bedeutung f ü r den Sinneskitzel selegiert". So gesehen, wirkt auch unser geordnetes Gemütsleben „als Wegbahnerin zu uns selbst" (a. a. O. 110). Sah die sokratisch-zynische Auffassung in der Selbstbeherrschung oder in der Herrschaft über die niederen Triebe die Grundlage aller Tugend, so daß der Tugend der feindliche Gegensatz zur Lust wesentlich ist, so gehört es nach Aristoteles u n d Thomas zur Vollendung der Tugend, daß sich das Gute nicht mehr im K a m p f durchzusetzen braucht, sondern ohne ernsth a f t e innere Schwierigkeit zur Geltung k o m m t . Man könnte die sokratische u n d aristotelische Auffassung so gegenüberstellen, d a ß erstere den Charakter des siegreichen K a m p f e s h a t u n d letztere den der seelischen Harmonie. 1 4. Gerade dadurch wird dieses Stoffgebiet von höchstem Interesse f ü r die moderne Psychologie. Über den Weg der Seelenleiden ist m a n heute zu einem vertieften Verstehen des Menschen ü b e r h a u p t vorgedrungen. Einseitige Entwicklungen an K r a n k e n haben auf feine Zusammenhänge im gesunden Menschen aufmerken lassen, ähnlich wie die Typeneinteilung K r e t s c h m e r s von den Eigenarten der Geisteskrankheiten zu ähnlichen, nicht ins K r a n k h a f t e verzerrten seelischen Unterschieden beim Gesunden geführt h a t . Die Seelenheilkunde h a t sich heute mehr und. mehr zur Seelen- oder Menschenführung gewandelt, die das Therapeutische bloß einschließt, sachlich aber nicht mehr mit ihr zusammenfällt. Nach u n d nach bildet sich ein eigenes Wissensgebiet heraus, die T i e f e n p s y c h o l o g i e . die in ihrer gesunden Entwicklung ebenfalls zur Moralu n d Pastoralpsychologie oder Psychagogik geführt, h a t (vgl. J . G o l d b r u n n e r . Individuation. München 1949). Zu jeder Seelenführung oder, noch allgemeiner, zu jeder Erziehung wird eine in reiner Gesinnung gründende echte Hilfsbereitschaft verlangt. Das ist im Grunde selbstverständlich. Weil es sich jedoch bei jeder erzieherischen Arbeit u m eine Entwicklung von Lebensk r ä f t e n handelt, die sich nach feststehenden Gesetzen zu vollziehen hat, k a n n m a n dabei nicht auf tiefe Sachkenntnis verzichten, so gern auch in diesem Zusammenhang die sogenannte Menschenkenntnis aus E r f a h r u n g oder Naturanlage auf Kosten gründlicher Kenntnis der im Menschen vorhandenen u n d wirkenden Seinsgesetze über Gebühr betont wird (vgl. V. v. G e b s a t t e ] , Not u n d Hilfe. Freiburg 1947). 1 Vgl. M. W i t t m a n n , Die Ethik des Aristoteles. Regensburg 1920, 143—173: O. L o t t i n , OSB, Aux sources de notre grandeur morale. Paris 1946.

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§ 2. VORRANG DBS GEISTES IM SITTLICHEN TUN

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Bis ins moderne Denken hinein ist man wenig geneigt, den Führungsanspruch des Geistes gegenüber dem Gemüt voll anzuerkennen, selbst wenn man von der einseitigen Übersteigerung durch N i e t z s c h e absieht. 1 In allen Schattierungen tritt eine Minderbewertung des Geistes zutage, von offener Geistfeindlichkeit bis zu einer kaum merklichen Akzentverschiebung vom Geistigen zum Sinnenhaften hin. Bekannt ist die Formulierung K l a g e s ' , der im Geist den Widersacher der Seele sieht. E r meint damit, der Geist verhindere durch seine willkürlichen Maßnahmen die natürlichen Ausdrucksbewegungen des sinnenhaften Lebens. Der Geist übe Verrat an der Seele (a. a. O. 61 bis 63). Eine andere Form der Abwertung des Geistes ist die übergroße Abhängigkeit des Geistes vom Sinnenhaften, die schließlich so weit gehen kann, daß man jede Dynamik aus dem geistigen Bezirk des Menschen ausschaltet. Nach S c h e l e r ist der Geist von Haus aus macht- und kraftlos. Alle Energie strömt ihm von unten zu aus dem sinnenhaften Lebensbereich, so daß das Sinnenhafte seinsmäßig das Übergewicht gegenüber dem Geistigen bekommt. Thomas spricht von einer Einheit, in der die verschieden gearteten Kräfte sich nicht getrennt, d. h. nur nebengeordnet betätigen, sondern in wesentlicher Über- und Unterordnung, gemäß ihrer Stellung im Lebensganzen. Danach hätte der Geist die Rolle der Hauptursache, die sich der sinnenhaften und individuellen Kräfte werkzeuglieh bedient und im Gebrauch wesentliche Kräfte in die sinnenhaften Regungen als in sein Werkzeug einströmen läßt, durch die das sinnenhafte Leben im gefallenen Menschen beherrscht, über sich hinausgehoben, von seiner Verwundung geheilt und geordnet wird (17, 4 Antw. u. Zu 2: Bd. 9). Das Gefühlsleben wird vergeistigt, und auch die individuellen Lebensäußerungen haben teil am Adel des menschlichen Geistes, an seiner Gottebenbildlichkeit, an seiner gnadenvollen Erhöhung zum Gotteskind und an seiner Berufimg zur ewigen Glückseligkeit als „Hausgenosse Gottes und Mitbürger der Heiligen" (Eph 2, 19). Die Mächtigkeit und Kraft der höheren geistigen Ziele und Motive teilt sich ihnen mit, hebt sie aus ihrer Enge und Begrenztheit heraus und ermöglicht ihnen, an den großen Aufgaben des leiblich-geistigen und christlichen Lebens der Seele aktiv mitzuarbeiten. Sie bekommen eine höhere Bestimmimg, einen neuen Adel, die dem Leib als Weggenossen und Werkzeug der Seele zuteil werden, wenn er zum „Tempel des Heiligen Geistes" (1 Kor 6, 19), zur Wohnung des Allerhöchsten (vgl. ebd. 3, 16) und zum „Glied am Leibe Christi" wird (ebd. 6, 15). Sie können allerdings mit ihm auch zum Werkzeug der Sünde entweiht und entheiligt werden, wie Paulus ebendort warnend vermerkt (56, 4 Zu 2: Bd. 11). Bei dieser Zusammenarbeit geht der Geist nicht leer aus, und insofern sehen die modernen Ethiker richtig. Indem der Geist dem sinnenhaften und individuellen Leben den Adel 1

Vgl. B. Zier mann, Ringen um Sicherheit im sittlichen Denken. Köln 1940, 56 f.

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des Sittlichen verleiht, empfängt er von ihm als dem Werkzeug 24 mit dessen disponierender u n d modifizierender Beeinflussung seine besondere Prägung u n d Artung im sittlichen T u n u n d darüber hinaus eine sittliche Hilfe (Ver 26, 7 Antw. u. Zu 2). Sinnenhaftes u n d Individuelles beleben u n d spornen zur Tätigkeit an. Sie bewirken, daß sich der Mensch mit Lust u n d Liebe, mit Ausdauer u n d Hingabe einer Sache widmet. W ä h r e n d wir mit unserem Geiste von einem Gedanken zum anderen eilen, ist das Gemüt langsam, beharrlich u n d ausdauernd. E s hält zäh an den empfangenen Eindrücken fest, u n d nicht selten zittert es in ihm den ganzen Tag, selbst tage- u n d wochenlang nach, wenn es durch ein eingreifendes Erlebnis erschüttert wurde. Alles, was in solchen Zeiten an den Menschen herantritt, erscheint in diesem Lichte, eine Tatsache, die f ü r das sittliche Leben von der größten Bedeutung wird. Denn darin liegt einerseits die Gefahr eines A b f a l l e s v o n d e r H ö h e d e r P e r s ö n l i c h k e i t , wenn, sich der Mensch, wie es leider allzuoft geschieht, mehr v o m Strom der ungelenkten Gefühle u n d Leidenschaften fortschwemmen als v o m Verstände leiten läßt u n d dadurch in den Bereich des N a t u r h a f t e n u n d Unfreien gerät, das dem Gefühl a n h a f t e t . Anderseits wird das Gefühl zu einem f r u c h t b a r e n N ä h r b o d e n u n d zu einem H e l f e r d e s m e n s c h l i c h e n L e b e n s , wenn sich die sittlichen Wahrheiten in das Gemüt einsenken. Von daher bezieht das sittliche Leben Schwung, Frische, K r a f t , Selbstverständlichkeit, Leichtigkeit, Ausdauer, W ä r m e u n d Lebendigkeit (Ver 26, 7). Anderseits h a t der Mensch mit der Ordnung in den Leidenschaften die Bedingung dafür geschaffen, daß er „Freiheit f ü r die Hingabe seines Geistes u n d seiner Arbeit a n objektiven Inhalten u n d Werten gewinnt [vgl. Mal 12 1], indem sie die stets wechselnde Hingabetendenz an alle sinnliche Gefühlsempfindung einschränkt" (M. S c h e l e r , a. a. O. 107). Das Gemütsleben vollzieht sich s e e l i s c h , aber durch k ö r p e r l i c h e Organe, so daß dadurch die leiblichen Zustände auf das sittliche Leben einen nicht zu unterschätzenden helfenden oder hemmenden Einfluß ausüben. Weder Vernunft noch Wille vermögen diese Abhängigkeit aufzuheben (17, 7: Bd. 9). Notwendig prägt sich das habituelle Verhalten der in Frage kommenden Organe im Gefühlsleben aus, wie etwa das der Hirnrinde, der Nerven, des Herzens, des Blutkreislaufes, der Atmungsorgane u n d des Gefäßsystems mitsamt ihren augenblicklichen Veränderungen. Frische u n d Müdigkeit, K r a f t u n d Schwäche, Gesundheit u n d Krankheit, kurz alles, was in der Psychologie u n t e r Organgefühl, Lebensgefühl usw. verstanden wird, h a t seine Resonanz im Seelischen. Aus dieser körperlichen Seite erklärt sich die Mannigfaltigkeit in der F ä r b u n g des Gemütslebens beim männlichen u n d weiblichen Geschlecht u n d darin wieder die Verschiedenheit in den wechselnden Phasen; oder die Mannigfaltigkeit in den verschiedenen Altersstufen; oder der schier endlose Wechsel von Stimmung u n d Laune infolge des leiblichen Befindens, der Nahrung, des Wetters, der Temperatur, der einzelnen Jahreszeiten, des Klimas usw. Erinnert sei a n den Einfluß des Alkohols u n d Kaffees auf die 34*

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24 Stimmung des Menschen, an die Ängstlichkeit des Kindes, an den Mut oder das Draufgängertum der heranwachsenden Jugend oder an den Ehrgeiz des Mannes. Die leiblichen Einflüsse bewirken die oft eigenartige Gefühlstrockenheit und -Weichheit oder auch die Gefühlskälte und -härte, ferner den mitunter imberechenbaren launenhaften und wetterwendisch wirkenden Wechsel in den Gefühlen. Je nach dem leiblichen Befinden wird das Gefühlsleben kalt oder warm, arm oder reich. A n sich kann man den Leidenschaften, soweit sie solchen Einflüssen unterliegen, keinen sittlichen Wert zusprechen, weil sie nicht aus dem Baime des Naturhaften und Unfreien herauskommen. Trotzdem bleiben sie für die Sittlichkeit nicht wertlos, sondern bekommen als K a m p f f e l d des G e i s t e s ihre Bedeutimg. Hier gilt das Apostelwort: „ W e r also zu stehen glaubt, der sehe zu, daß er nicht falle. Es hat euch noch keine übermenschliche Versuchung getroffen. Und Gott ist getreu; Er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kräfte versucht werdet, vielmehr mit der Versuchung auch den guten Ausgang geben, daß ihr sie bestehen könnt" (1 K o r 10, 12 f.). Für die Tugenden sowohl wie für die Laster liegen darin die lebenskräftigsten Wurzeln, so daß J u n g m a n n 1 nicht mit Unrecht das Gemüt Herd und Quell des sittlichen Lebens, dessen Träger, Zentrum und eigentlichen Schauplatz nennt. Auf dem gleichen Wege werden sowohl Vorzüge als auch schlimme Eigenschaften v e r e r b t und nicht selten durch viele Geschlechterfolgen fortgepflanzt, ein Beweis mehr für die Notwendigkeit einer sorgfältigen Pflege und Veredlung des Gemütes, um eine tragfähige Stütze für das sittliche Leben daraus zu machen (63, 1 Zu 3: Bd. 11). Dem Willen wird es nicht selten sehr schwer gemacht, die Herrschaft über die Ungebundenheit des Gefühlslebens zu behaupten. „Das Wollen des Guten liegt mir nahe, aber nicht das Vollbringen" (Rom 7, 18). Oft genug sieht sich der Wille seines natur-bestimmten Bundesgenossens für die großen Aufgaben beraubt. Ohne die belebende und tragende K r a f t seiner Leidenschaften befindet sich der Mensch wegen Gefühls trockenheit oder -kälte in einer A r t geistigen Schwächezustandes, der ihm das sittliche Handeln außerordentlich erschwert (Ver 26, 7). Noch schlimmer wird es, wenn sich der Wille sogar von ihnen bekämpft sieht und das Gefühlsleben die Oberhand gewinnt. Die menschlichen Gefühle gleichen feurigen, ungestüm vordringenden Rossen, die der Wille geschickt zügeln und kraftvoll lenken soll und auch lenken kann. Werden sie vom Menschen beherrscht, so kann er sie zu großen und erstaunlichen Leistungen führen. Schlimm wird es dagegen, wenn sie ,wild' geworden sind und sich nicht mehr bändigen lassen, wie es im Affekt oder gar Affektrausch geschieht. Sie bringen die Vernunft in Verwirrung und reißen den Willen mit sich fort. So mächtig das Gute gefördert wird durch ein gepflegtes Gefühlsleben, so sehr wird es gefährdet, wenn infolge übler Veranlagung oder mangelnder Selbstbeherrschung eine Verwahrlosung eingerissen und 1

Das Gemflth und das Gefühlsvermflgen in der neueren Psychologie. Freihiirg

1885', 147.

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das Gefühl f ü r die Ansprüche des Geistes unempfänglich ge- 24 worden ist. Die tägliche E r f a h r u n g lehrt, wie selten es dem Willen gelingt, sich von solchen Beeinflussungen des Gefühls freizuhalten u n d mit Entschiedenheit seinen Weg zu verfolgen. Unwillkürlich läßt sich die Masse, wie A r i s t o t e l e s sagt, von ihrer augenblicklichen Gefühlsverfassung wie von selbständig fortstürmenden Rossen im Denken u n d Wollen mitreißen. Qualis unusquisque est, talis finis ei videtur. I n der Sprache der Schrift: „Die nach dem Fleische leben, t r a c h t e n nach dem, was das Fleisch will; die nach d e m Geiste leben, streben nach dem, was der Geist will" (Rom 8, 5). U n d C i c e r o meint, durch Zuneigung, Abneigung oder andere Gefühle ließen sich die meisten Menschen zu ihrem Urteil bestimmen. Die wenigsten Urteile seien selbständig u n d sachlich. Unverständlich ist diese T a t sache nicht. Denn die Gefühle kommen u n d gehen, auch unabhängig von der überlegenden Vernunft, m i t u n t e r sofort in beträchtlicher Stärke. Bei der begrenzten Strebekraft des Menschen reißen sie je nach ihrer Stärke gleich einen beachtlichen Teil davon a n sich u n d nehmen dadurch dem Willen so viel an K r a f t , daß er möglicherweise nicht ohne bedeutende Anstrengungen zu einer anderen Wahl schreiten k a n n (77, 1: Bd. 12). Gleichzeitig gelingt es den Gefühlen verhältnismäßig leicht, das praktische Urteil zu fälschen: „ . . . wie sich die Neigung anders wendet, also steigt u n d fällt des Urteils wandelnde Woge" ( S c h i l l e r , Maria Stuart). E s gibt einen Weg vom Verstände über die Phantasie in den sinnenhaften Bereich; aber ebenso f ü h r t einer von der Leidenschaft zum Geist. E r wird von der p a s s i o a n t e c e d e n s beschritten, die dem Verstände vorauseilt u n d ihn über die vermittelnde Phantasie zu bestricken sucht, u m den Willen auf ihre Seite zu ziehen (Art. 3 Zu 1). Heftige Leidenschaften haben die Eigenart, alle Seelenkräfte auf ihren Gegenstand zu konzentrieren. Der damit zusammenhängende Vorstellungskreis drängt sich in den Vordergrund u n d läßt anderes gar nicht oder nur schwer a u f k o m m e n . J e heftiger affektive Regungen werden, desto deutlicher t r e t e n die zu ihnen gehörenden Vorstellungen ins Bewußtsein u n d fesseln die gesamte Aufmerksamkeit des Menschen, so daß der leidenschaftlich Erregte nur noch das sieht, hört u n d denkt, was seine Aufmerksamkeit bereits gefesselt h a t . Infolge dieser einseitigen Festlegung u n d Beanspruchung der Aufmerksamkeit des Menschen wird der Geist mehr u n d mehr von der Erwägung anderer Dinge, namentlich der entgegengesetzten Werte, abgelenkt. Selbst erhebliche Verwundungen u n d die damit verbundenen Schmerzen können in solchen Augenblicken u n b e m e r k t bleiben (77,'1 Antw. u. Zu 2: Bd. 12). I m höchsten Grade des Affektes k a n n ein völliger Stillstand des Vorstellungsablaufes u n d damit auch eine Aufhebung der Willensfreiheit u n d Verantwortlichkeit eintreten (A. H u b e r , Die Hemmnisse der Willensfreiheit. Münster 19082, 44 f.). Selbst unabhängig davon würde das praktische Urteil leicht zugunsten dessen ausfallen, was schon die Strebekraft f ü r sich interessiert u n d beschlagnahmt h a t . E i n Wert hängt in seiner

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24 jeweiligen Entsprechung zur menschlichen N a t u r nicht vom Gegenstand allein ab, sondern weitgehend auch von der Beschaffenheit u n d augenblicklichen Verfassimg dieser N a t u r selbst. Dieselbe Speise, die ein gesunder Mensch mit Vorliebe genießt, k a n n ihm in k r a n k e n Tagen zuwider sein. Dieselbe sündhafte T a t k a n n ihn heute unwiderstehlich reizen u n d morgen ebenso mächtig abstoßen. Mit jeder Veränderung der körperlichen Verfassung verschiebt sich das Verhältnis zu den äußeren Gegenständen u n d damit unser Urteil über ihre Güte. Als besonders wertvoll gilt jenes Gut, das gerade im Augenblick der leiblichen N a t u r m e h r zusagt. E s scheint ein volleres Maß von Entsprechung zu besitzen als andere. E t w a s Besonderes t r i t t noch hinzu, wenn die Leidenschaft bereits dazu Stellung genommen h a t u n d es begehrt. D a n n wird die Ähnlichkeit zwischen dem Begehrenden u n d dem Begehrten, die sie schon voraussetzt, noch erhöht durch das Streben. Solange d a r u m die Leidenschaft f ü r einen Gegenstand eingenommen ist, k o m m t er der V e r n u n f t in einem viel höheren Grade erstrebenswert vor, als er es in Wirklichkeit ist. Die Vernunft findet darin ein viel reicheres Maß von Gutheit, als wenn wir ihn ruhig u n d ,kalten Blutes' betrachten (28, 1; 9, 2: Bd. 9). Der W ü t e n d e sieht in der unschuldigsten Miene u n d Bemerkung eine Herausforderung; der Verliebte sieht alles in rosigem Licht; dem Traurigen k o m m t alles schwarz vor. Leidenschaftliche Ausbrüche können den Menschen blind u n d f ü r andere unverständlich machen oder ihn zu Handlungen treiben, die er nachher, wenn der Rausch verflogen ist, selber imbegreiflich findet. Das gleiche gilt von dauerhaften Neigungen, die in einem augenblicklichen Begehren eine u m so größere Angleichung a n den Gegenstand ihrer Neigung erhalten. Umgekehrt wird leicht u n d oft u n t e r s c h ä t z t , was das menschliche Gefühl kalt läßt. J e nachdem unser Urteil zu einem unserer Interessengebiete in Beziehung steht oder t r i t t , wird es s u b j e k t i v g e f ä r b t , u n d diese F ä r b u n g ist u m so stärker, je mehr unser Interesse oder unsere leidenschaftliche Neigung dabei mitspricht. Infolgedessen wird auch der Wille, der sowieso schon durch das Affektive stark beeinträchtigt ist, in falsche Bahnen gelenkt. Unverkennbar ist — psychologisch gesehen — der Einfluß der ungelenkten Leidenschaft auf Verstand u n d Wille stärker als umgekehrt. F a s t selbstverständlich folgen ihr die Menschen im Denken u n d Handeln. Menschen, die sich im Urteil von ihrem Herzen leiten lassen u n d nicht den Verstand befragen, sind schlecht beraten. Unabhängig vom Geiste t r e t e n die Leidenschaften auf, verwirren den Blick des Geistes, löschen mehr oder weniger das Licht des Verstandes aus u n d vermindern in gleichem Maße Freiheit u n d Verantwortung. Der Mensch urteilt u n d handelt dann, als ob er nur ein Sinnenwesen wäre. Das augenblickliche Gut erscheint als das größtmögliche u n d der augenblickliche Schmerz als der allerschlimmste. Ist aber das Ziel erreicht u n d h a t sich das aufgeregte Gemüt beruhigt, d a n n verschwindet der falsche Glanz, der das Herz bezaubert hatte, u n d läßt die Dinge in ihrem schwachen Eigenlicht mit allen dunklen Seiten erscheinen. Der Mensch versteht selber nicht,

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wie er vorher so verblendet sein und solchen Trugbildern nach- 24 jagen konnte. „Ein and'res Antlitz, eh' sie geschehen, ein anderes zeigt die vollbrachte T a t " ( S c h i l l e r , Die Braut von Messina). Es kann im höchsten Affekt sogar bis zur völligen Aufhebung von Freiheit und Verantwortung kommen. Über den Verstand Gegenvorstellungen und Gegenmotive zu bilden ist um so schwerer möglich, je schwerfälliger und ungeübter die Menschen in geistigen Dingen sind. So verständlich die Aufhebung der Freiheit im Affektrausch ist, z u r e c h e n b a r können solche Leidenschaften trotzdem sein, wenn sie nämlich in der Ursache gewollt oder trotz der Mahnung des Gewissens nicht bekämpft worden sind. Wo immer ein Mensch schuldhafterweise die gebotene Selbstzucht vernachlässigt oder bereits geraume Zeit vernachlässigt hat, trägt er in der Wurzel die V e r a n t w o r t u n g für die Maßlosigkeit in seinem Verhalten, mag es auch im Augenblick an der nötigen Überlegung und Freiheit fehlen. Ein Trinker, der erfahrungsgemäß im betrunkenen Zustand maßlos zornig wird, seine Gattin bedroht, das Porzellan zerschlägt und die Kinder mißhandelt, ist nicht frei von Verantwortving und Schuld; wenn er trotz besseren Wissens seine Wutanfälle mit in Kauf nimmt, belastet er sich mit der ganzen Verantwortung dessen, was er später im Rausch tut. Kommt es dagegen ohne Verschulden zu einem Wutanfall und hat sich die Wut blitzartig bis zur Siedehitze gesteigert, dann kaim es zu unfreien Ausfällen kommen, die nicht mehr voll oder gar nicht mehr zurechenbar sind. Was ein erregter Mensch vor allem nötig hat, ist sittliche, moralische Kraft. Wo sie nicht ist, reißt die Leidenschaft das Steuer an sich, um Tun und Lassen des Menschen zu lenken. Selbst wer entschlossen ist, den Weg des Geistes zu gehen, muß sich in ständiger Wachsamkeit und fortwährendem Kampf gegen den ungeordneten Einfluß der sinnenhaften Natur behaupten. Trotz des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses bleibt die Herrschaft des Willens möglich, mag sie auch in der Eigentätigkeit und Eigenwilligkeit dieser werkzeuglichen Kräfte ihre Grenzen haben. Die Herrschaft des Willens in seiner Gebundenheit an seine Werkzeuge ist ganz eigener Art. Er kann in dieser Bindung nicht willkürlich damit schalten und walten. E r muß die gemüthaften Kräfte in ihren Eigengesetzen sehen und behandeln. Er muß hinhorchen auf das Wachstum in den Tiefen der Seele, muß dort die Gesetze ablesen und danach handeln. Aber in und mit dieser Bindung bleibt er trotz allem frei (Ver 22, 9 Zu 6 u. 7). So müssen die Werkzeuge des Willens immerfort zweckentsprechend zubereitet werden, so daß nach den dargelegten Grundsätzen Opfer, Überwindung, Sühne und Buße nicht überflüssig werden (56, 4: Bd. 11). Es ist zwar so, daß sich der Mensch einerseits seinen sinnenhaften und individuellen Kräften anvertrauen muß. Er vermag aber doch darüber zu stehen und sogar ausschlaggebend auf die Richtung der ganzen Persönlichkeit im Rahmen der gegebenen Bindung einzuwirken. Hier muß man einem d o p p e l t e n I r r t u m begegnen und entgegen-

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arbeiten: Einem e r s t e n , als könne der Mensch alles mit sich machen, willkürlich wollen, planen, mit errechneter Organisation handeln, so daß aus lebendigem Wollen lebensfremde Willkür, aus naturgebundenem Arbeiten und Reifen leere Betriebsamkeit wird, auch im Religiösen; erst wesensgerechtes sinnenhaft-geistiges Leben garantiert gesunde Entwicklung und Entfaltung ( G o l d b r u n n e r , Heiligkeit und Gesundheit. Freiburg 1946). Einem z w e i t e n , als geriete der Wille durch die emotionalen K r ä f t e in eine Verstrickung, aus der er sich nicht zu befreien vermöchte, oder in eine Abhängigkeit, der er hilflos gegenüberstünde. I m Gegenteil, erlöst von der Sünde und getragen von der göttlichen Gnade, vermag er die dunklen K r ä f t e zu befreien aus ihrer Enge und Bindung, in der sie seit der Erbschuld leben, und sie zu erlösen von dem Fluch, von der „in mir herrschenden Sünde" (Rom 7, 21), die seitdem auf dem Menschen lastet und ohne Unterlaß die menschliche Existenz gefährdet. Nun dürfen wir allerdings in der s i t t l i c h e n Beurteilung der Leidenschaften nicht bei der subjektiven Seite, ihrer Dynamik, d. h. bei ihnen als Tätigkeiten, Bewegungen, Auswirkungen und Ausweitungen der seelischen K r a f t stehenbleiben. Ausschlaggebend wird für ihre inhaltliche sittliche Bestimmtheit die sittliche Gutheit oder Schlechtheit der Aufgaben, denen man sich zuwendet, von denen sie, abhängig von der sittlichen Gesinnung, ihre sittlich gute oder schlechte Prägung empfangen (24, 4 ; 60, 2 : B d . I I ) . 1 Das Gesagte können wir kurz so zusammenfassen: Erstwesentlich (formaliter) kommt das Sittliche dem Willen zu, nur zweitwesentlich (materialiter) auch der Leidenschaft. I m sittlichen Akt hat mithin die Leidenschaft ihren naturgewollten Platz an der Seite des Willens in der angegebenen Unterordnung. Wenn es ungelenkte Leidenschaften (passio antecedens) gibt, die sich infolge der Erbsünde der Lenkung des Verstandes auf Grund körperlicher oder gestörter psychischer Einflüsse völlig entziehen, kommen sie aus dem Banne des Naturhaften überhaupt nicht heraus und gehören somit auch nicht der sittlichen Ordnung an. Trotzdem werden sie wegen ihrer Beziehung zum Geist — sie sollen j a den materiellen Wesensanteil im sittlichen Tim bilden — für gewöhnlich zu einer Bedrohung der sittlichen Persönlichkeit, manchmal indes zu einer Einladung zum Guten. Aber die nämliche Eigentätigkeit, durch die sie sich sonst der Lenkimg durch den Verstand entziehen können, läßt eine einzelne oder sogar dauerhafte Ausrichtung in Dispositionen und Gehaben durch den Geist zum Bösen und Guten zu. Sie nehmen innerlich die Ansprechbarkeit für die Leitung des Geistes in ihre Eigentätigkeit auf. Somit geht es bei ihnen nicht bloß um ein äußeres Indienststellen für die Aufgaben des Geistes. Irgendwie (aliquiter, per participationem, materialiter) werden sie in den geistigen Bereich hineingezogen. Sie haben neben dem äußeren ein inneres Verhältnis zum Sittlichen, zwar 1 Einiges voll dem Gesagten wurde bereits veröffentlicht unter dem Titel: „Die Bedeutung der Gefühle für das sittliche Leben" und: „Das Gefühl unter der Herrschaft des Geistes." Die Neue Ordnung IV (1950) 318—324 u. 442—445.

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nicht absolut und in sich gesehen, aber doch in Abhängigkeit 24 vom Willen. M. C o r v e z O P 1 stellt die Bewegung der äußeren Gliedmaßen auf eine Stufe mit der Eigenbewegung der Leidensehaften, wenn er von der Sittlichkeit dieser Akte spricht. Auf die innerlich ausrichtbare Eigentätigkeit des inneren Begehrens kommt er in dem Zusammenhang nicht zu sprechen. Nach ihm ist die Bezeichnung sittlich gut oder sittlich schlecht, wenn es von Leidenschaften ausgesagt wird, lediglich eine analoge Aussageweise im Sinne einer rein äußeren Analogie, wie etwa auch der Puls oder die Medizin gesund genannt werden, weil sie entweder Ursache oder Wirkung der eigentlichen Gesundheit sind. Thomas sieht unseres Erachtens, wie sich aus 17, 4 z. B . ergibt, eine Verhältnisgleichheit zwischen Willensakt und Leidenschaft, wenn man sie sittlich sieht, und läßt sogar das niedere Strebevermögen Träger von Tugenden sein (vgl. Th. G r a f . a. a. O., 1—118). ZWEITER

TEIL

D I E MENSCHLICHEN LEIDENSCHAFTEN IM E I N Z E L N E N (Fr. 26—48) Nach dem grundlegenden Teil über das Wesen der Leidenschaften, ihre Gabelung in die beiden Gruppen des begehrenden und des überwindenden Strebevermögens, über ihren Wert oder Unwert und schließlich ihre Ordnung zueinander folgt mit F r . 26 die Untersuchung über die Leidenschaften im besonderen. Der von Thomas bereits im ersten Teil aufgestellte lichtvolle Plan über das Ordnungsgefüge der Leidenschaften legt, die Marschroute fest für alle weiteren Untersuchungen. So folgt zunächst diç Behandlung jener Leidenschaften, die ihren Ursprung im begehrenden Strebevermögen haben. E R S T E R ABSCHNITT

DIE LEIDENSCHAFTEN DES BEGEHRENDEN STREBEVERMÖGENS (Fr. 26—39) E s mag auffallen, daß Thomas auf die Untersuchung der Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens, wenn man Zahl und Umfang der Artikel berücksichtigt, fast den doppelten R a u m verwendet wie auf die Untersuchung der Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens. Die Erklärung dafür liegt in der inneren Bedeutung dieser Gruppe, die, wie wir bereits gesehen haben, Ausgangs- und Endpunkt des gesamten Gefühlslebens des Menschen darstellt. Und innerhalb dieser Gruppe gebührt der Liebe als dem A und O aller seelischen Regungen wiederum der erste Platz. 1 Les passions de l'âme. I ; in: Saint Thomas d'Aquin, Somme théologique. Éditions de la Revue des Jeunes. Paris 1949, 262—267.

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Erstes

Kapitel

ÜBER DIE LIEBE I. I h r e

Wesensbetrachtung (Fr. 26)

§ 1. H E B E ALS S T R E B E N

26, l

Zum näheren Verständnis des ersten seelischen Antriebes, um den es bei der Liebe geht, verweist Thomas auf ihren allgemeinsten Wesenszug, um von da aus fortschreitend ihren vollen Wesensgehalt zu ermitteln. Liebe fällt, wie ganz allgemein jedes Streben, in den Bereich des Wirkens. Wirken bedeutet nun nichts anderes als ein Ver-wirklichen und entspringt notwendig einem Sein, soweit es bereits Wirklichkeit ist (I 115, 1: Bd. 8). Wirklichkeit oder Sein besteht wiederum, im Gegensatz zur Bestimmungsbedürftigkeit des Stoffes, in der F o r m . Die Form selbst, die sich wesensmäßig in jedem Sein findet, begründet entsprechend ihrem eigenen Gehalt die Hinneigung und Ausrichtung sowohl auf das Wirken überhaupt wie auf eine bestimmte Wirkweise, anders beim Menschen als beim Tier, anders bei der Pflanze als beim anorganischen Sein, kurzum in der reichen Mannigfaltigkeit, in der die einzelnen Wesen im Kosmos zu ihren Zielen geführt werden (I 80, 1: Bd. 6). Der innere Ursprungsgrund des Strebens oder dessen inneres Gestaltungsprinzip erscheint in der Wirklichkeit in zweifacher Form. Im vollsten Sinn tritt es als W e s e n f o r m oder als jene naturhafte Bestimmtheit der körperlichen Wesen auf, durch die eine Natur abschließend sowohl auf das ihr eigene artmäßige Sein wie auch auf die individuelle Besonderung festgelegt wird. Die aus ihr folgende Gestaltungskraft, die zu einer bestimmten Wirkweise mit der individuellen Ausprägung hindrängt, oder der dem Wesen innewohnende Drang zur Wesensfülle oder die im Wesen unbeschadet seiner Statik liegende Dynamik des Seins wird kurzweg N a t u r s t r e b e n genannt (I 87, 4 : Bd. 6). In ihm liegt die verborgene tiefste Wurzel sowohl für die geschlossene Einheit in der Tätigkeit, die bei Mensch, Tier und Pflanze jeweils artlich und individuell ausgeprägt ist, wie für die elementare Spannung, mit der ein Wesen zu dem hindrängt, was seiner Erhaltung, Entwicklung und Vollendung dient (vgl. CG 1 72). I m anorganischen Bereich gibt es nur Naturstreben, noch nicht, wie bei den höheren Lebewesen, bewußtes, von innen her gesteuertes, zielgerechtes Streben. Leblose Dinge bewegen sich nicht selbst, werden vielmehr blind bewegt. Wie ein Stein gleichsam blind in der Richtung fliegt, nach der er geworfen wird, so wird auch jedes geschöpfliche Sein in gewisser Weise blind wie durch einen höheren Werfer nach einem bestimmten Ziel geschleudert. Der höhere Werfer, der den physischen Vorgang von außen her lenkt, ist der Schöpfer, der jedes geschaffene Sein in eine bestimmte Richtimg lenkt, weil Er jedem Geschöpf sein bestimmtes Ziel gegeben hat. Gottes Erkenntnis selber leitet dieses Streben der Geschöpfe. Und

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dieses Streben, das vom Schöpfer in die N a t u r der Dinge hinein- 26, l gelegt worden ist u n d alle endlichen Dinge ohne Ausnahme beherrscht, ist die Naturstrebigkeit, im Gegensatz zu den anderen Formen des Strebens, als die Betätigungsart der untersten Seinsstufen. Trotz allem wäre es falsch, in der anorganischen Welt die innere Dynamik oder die n a t u r g e b u n d e n e F o r m der Wirkweise zu übersehen u n d ihre von innen aufbrechende, allerdings immer gleichbleibende einförmige Tätigkeit oder Reaktion, restlos auf äußere Antriebe zurückführen zu wollen. Die Ursache der spezifischen Reaktionsweisen liegt tiefer im Naturstreben oder der n a t u r h a f t e n Ausrichtung, mögen sie im übrigen durch äußere Bedingungen ausgelöst werden. Gold z. B. reagiert erst, u n d zwar immer spezifisch, wenn bestimmte Säuren damit in Verbindung gebracht werden. Dagegen verdankt jede äußere Bewegung, im Gegensatz zu der inneren, ihren Ursprung einer Einwirkung von außen u n d bekommt von dort aus zugleich ihre Ausrichtung (vgl. Ver 22, l). 1 J e d e r Seinsform, wie immer sie geartet sein mag, folgt notwendig die Hinneigung zu einer bestimmten Wirkweise. Daraus ergibt sich f ü r den U m f a n g des Naturstrebens eine Erweiterung. Neben dem substantiellen Bereich des Seins, der in sich steht u n d f ü r sich d a ist, gibt es noch einen außerwesentlichen, der ebenfalls in einer Seinsform besteht, allerdings in einer akzidentellen, aber v o m substantiellen Sein getragen wird u n d zielhaft auf ihn bezogen ist. Den außerwesentlichen Seinsformen folgt ebenfalls ein beiwesentliches Naturstreben, das allgemein alle menschlichen Vermögen ausrichtet (26, 1 Zu 3). In den einzelnen Vermögen des Menschen fließen wie durch ebenso viele Kanäle die aus dem Naturstreben aufquellenden K r ä f t e der N a t u r , die, wiewohl Quell des Lebens u n d aller Tätigkeit, selber nicht unmittelbar tätig sein kann. E r s t durch die sachlich von ihr verschiedenen Vermögen, die trotzdem i h r e Vermögen sind, t r i t t sie mit der Außenwelt in Berührung u n d stellt die Vermögen d a f ü r in ihren Dienst, als Werkzeuge zur Ausführung und Bewältigung ihrer Aufgaben. I n weiser Aufteilung weist sie den einzelnen Vermögen ihre Teilziele oder Teilaufgaben im Dienste des Ganzen zu u n d ordnet sie im gleichen Geiste zur Zusammenarbeit untereinander. Nim drängen sie unwiderstehlich mit einer angeborenen Neigung wie die N a t u r selbst zur Betätigung, so d a ß das, was der Mensch zu seiner Erhaltung, Entwicklung u n d Vollendung, biologisch wie geistig, verlangt, durch die einzelnen Vermögen auf den jeweiligen Teilgebieten verwirklicht wird (I 78, I Zu 3; 80, 1 Zu 3: Bd. 6). Wir gebrauchen dann, wenn es u m vitale Anlagen geht, weniger die Bezeichnung N a t u r s t r e b e n als vielmehr 1 Wesenform und Naturstreben dürfen nicht als verschiedene Wirklichkeiten aufgefaßt werden. Sachlich fallen sie zusammen. Jedoch tritt in der transzendentalen Beziehung, worin das Naturstreben formell besteht (vgl. z. B. die Naturbezogenheit der Seele auf den Leib), die g e d a n k l i c h e Verschiedenheit von der Form als solcher zutage (I 80,1 Antw. u. Zu 3: Bd. 6). Ein eigenes Vermögen braucht insofern für das Naturstreben nicht angenommen zu werden, als es sich wegen seiner seinsmäßigen Identität mit der Wesensform niemals bloß anlagemäßig oder als Vermögen vorfinden kann, sondern notwendig immer Wirklichkeit ist.

53]

26, l .Trieb', 1 der so vielfältig auftritt, wie die Vermögen oder Anlagen im Menschen selber. E s gibt als allgemeinste Triebe den Seinstrieb, den Ordnungstrieb und den Opfertrieb; als besondere Triebe den Ernährungs- und Geschlechtstrieb, den B e wegungs- und Wahrnehmungstrieb, den Macht- und Erkenntnistrieb usw. Diese Triebe machen sich bemerkbar durch ihren ungestümen Drang mit der dumpfen, unüberhörbaren Forderimg nach Betätigung. Noch v o r allem Erkennen und Wollen, v o r jedem Wahrnehmen und Begehren liegt das Gebiet des Triebhaften als Naturstreben oder Urkraft. Unnachgiebig und nachdrücklich meldet es seine Ansprüche an, weil seine Quelle, aus der es unaufhörlich und mächtig gespeist wird, im Naturstreben oder in der Menschennatur mit ihrer naturgegebenen Aufgabe, Bestimmimg und Ausrichtung liegt und nie versiegt. Wie sich die Menschennatur nicht ändern läßt, lassen sich gleicherweise ihre Ansprüche und Forderungen durch keine Kunst des Willens herabdrücken oder verfälschen (ebd.). D a ß in ihrer triebmäßigen Anlage nicht alle Menschen gleich sind, vielmehr in den einzelnen bald dieser bald jener Trieb sich vordringlich meldet, mag bereits in der individuellen Wesensanlage begründet und deswegen angeboren sein, kann allerdings ebenso auf erworbene Dispositionen körperlicher, psychischer oder geistiger Art zurückgehen. Die Tatsache verschiedener triebhafter Einstellungen kann wohl kaum bestritten werden. 2 Beim s i n n e n h a f t e n Streben geht es bereits um eine irgendwie bewußt von innen her gesteuerte Bewegung. Und zwar wird diese Neigung bzw. dieses Streben ebenfalls begründet durch eine Seinsbestimmtheit, nämlich diejenige, die wir im Wahrnehmen eines Guten als intentionales Sein in uns aufnehmen. Ahnlich wie die Wesensform die Naturstrebigkeit, begründet die E r kenntnisform das bewußte Streben, das sich allerdings in dem Maße in naturgebundener Notwendigkeit vollzieht, als es an die sinnliche Wahrnehmung gebunden ist. Tiere kommen aus dem Naturzwang nicht heraus (I 78, 1 Zu 3 u. 4 : B d . 6). Geistiges Streben hat seinen Grund in einer geistigen E r kenntnisform. Vom Verstand wird der Gegenstand unter der Rücksicht des Guten erfaßt und darum nach seinem Gehalt an Gutheit beurteilt. Damit hört der Zwang, der dem naturhaften Streben anhaftet, auf, und Liebe in Freiheit wird möglich. Die Naturbindung des Menschen an Gut schlechthin bleibt zwar, doch kann er sich zu einem Teilgut im vernünftigen und geistigen Streben oder Wollen frei entschließen (I 60, 1: B d . 4 ; 80, 1 u. 2 : B d . 6; Ver 25, 1). I m Menschen haben wir alle drei Arten des Strebens, und zwar so, daß die eine auf der anderen aufbaut, wobei die höhere die niedere voraussetzt und von dieser gespeist wird (I 62, 2 : B d . 4 ; 82, 1: B d . 6 ; 91, 2 Zu 2 : B d . 7; 1 Vgl. in diesem Zusammenhang die Unterscheidung, die Thomas zwischen starkem Hunger bzw. brennendem Durst einerseits und Gaumenlust oder ungeordnetem Verlangen nach Speise und Trank anderseits macht (Mal 14, 1 Zu 4). ' Vgl. J . A. B i e r e n s de H a a n , Die tierischen Instinkte und ihr Umbau durch Erfahrung. Eine Einführung in die allgemeine Tierpsychologie. Leiden 1940; J . de V r i e s S J , Das Problem der Naturgesetzlichkeit bei Thomas v. Aquin. Scholastik 19—24 (1944—1949) 503—517.

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Ver 22, 6). Dem n a t u r h a f t e n Antrieb h a t der Schöpfer ein festes 26, l Ziel gegeben, das d a r u m niemals verfehlt wird (160, 1 Zu 3: B d . 4; Qlb 1, 8). Anders ist es beim sinnenhaften u n d geistigen Streben. Sie haben zwar auch eine triebhafte Wurzel u n d Bindung, doch m u ß die sinnliche Wahrnehmung bzw. die Verstandeserkenntnis dazwischentreten, u m den Einzelantrieb auszulösen. — Dieses leiblich-seelische Streben ist in erster Linie gemeint, wenn Thomas von Liebe als Leidenschaft spricht. § 2. LIEBE ALS LEIDENSCHAFT

Voraussetzung f ü r das Verständnis der einzelnen Leiden- 26, '2 Schäften ist die Erkenntnis, daß eine wie immer geartete strebende oder widerstrebende Bewegung im Menschen zwei Pole zur Voraussetzimg h a t , von denen der eine voll gegenwärtig ist, der andere dagegen zumindest keimhaft in ihm eingeschlossen liegt. E i n Wesen k a n n erst d a n n im Streben aus sich herausgehen, wenn es auf Grund seines Unvollendetseins den Zustand möglicher Seinsbereicherung durch ein erkanntes Einzelgut irgendwie innerlich vorweggenommen in sich t r ä g t . Zwischen diesen beiden Polen entsteht naturgemäß eine Spannung, aus der wiederum ein triebhaftes Verhalten erwächst, das dahin zielt, diesen Spannungszustand in strebenden bzw. widerstrebenden Bewegungen jeweils im Sinne der Bedürfnisbefriedigung oder Seinserhöhung durch Erreichen des Guten aufzuheben. I n der Liebe haben wir es nun, wenn wir sie in ihrem spezifischen Gehalt als Leidenschaft sehen, mit jenem anfänglichen Impuls zu t u n , in dem u n d durch den einerseits einem Wesen seine Seinsarmut zum Bewußtsein k o m m t u n d es andererseits die Möglichkeit einer Bereicherung erfährt. Nach einer allgemeinen Begriffsbestimmung ist Liebe eine Art Gefallen, Neigung, Hingezogenwerden zu etwas, so daß daraus bereits eine Einheit, ein Zusammengehören, ein Auf-einander-abgestimmtsein zweier Wesen spricht. Alle geschöpflichen Wesen neigen zu dem hin, was ihnen irgendwie entspricht u n d damit zu ihnen gehört (8, 1: Bd. 9; CG IV 19; Mal 16, 2). Aus einem solchen Zusammengehören entfalten sich naturgemäß Wechselbeziehungen u n d Wechselbewegungen, nach Art u n d Stärke der Zusammengehörigkeit an Lebhaftigkeit u n d Tiefe sehr verschieden, in denen die beiden Pole sich gegenseitig suchen oder begehren. Von der einen Seite geht ein anziehender, anlockender Reiz aus, die andere antwortet mit Gefallen, Teilnahme oder Neigimg zu dem Gegenstand als zu seinem Gut. Diese innere g e m ü t h a f t e Ausrichtung, Angleichung oder Abstimmung des Strebens auf etwas „als auf sein G u t " heißt Liebe. So weit lieben wir etwas, „als es unser G u t " ist (Div N o m 4, 9). F ü r Thomas besteht in dieser „Anpassung des Begehrens", in der „affektiven Einverwandlung in das geliebte G u t " , in dem „wie zu sich selbst Verhalten" eines Wesens zu einem anderen die Begriffsbestimmung der Liebe (vgl. 3 Sent 27; 1, 1). Auch wenn er Liebe als Leidenschaft m i t u n t e r scheinbar anders festlegt, immer kommen die Begriffsbestimmungen auf das gleiche hinaus.

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26, 2

Als Leidenschaft, d. h. als psychosomatischer Impuls, gehört die Liebe zum begehrenden. Streben. Sie kann j a nur Antrieb in jenem Vermögen sein, das auf das Gute als solches geht. So erlebt sie der Mensch als jenes Erleiden, in dem Leib und Seele zugleich erfaßt und mit Macht zu einem Gut hingezogen werden. Allerdings bemüht sich in einem solchen Gefallen, Angesprochen und Hingezogensein der Mensch noch nicht um den Besitz des Gutes, von dem er angesprochen ist. Das tut er erst im Verlangen, d. h. in all den inneren und äußeren Akten etwa der Sehnsucht, des Suchens, Erspähens, Ergreifens usw.; aber alle diese Strebungen sind bereits wurzelhaft, kraft- oder anlagemäßig, als anfänglicher Impuls, in diesem Antrieb, den Thomas ,Liebe' nennt, enthalten.

26, 3

Das passive Angesprochen- oder Ergriffenwerden, wie wir es in der Liebe als Leidenschaft erleben, wird aus der psychosomatischen zu einer personalen sittlichen Antriebskraft, wenn es, gelenkt von Verstand und Willen, in den Dienst der leiblichgeistigen Aufgabe des Menschen gestellt wird oder schon in seinem Dienste steht. Dann kann es sogar zu einem fruchtbaren Nährboden echter Willensentschlüsse werden. Wenn der Mensch durch innere Teilnahme an der Not des Mitmenschen immer wieder vom Affektiven her auf seine Pflicht zur Liebe hingewiesen wird, besitzt er darin eine unverkennbare sittliche Hilfe. Aus dem rein gefühlsmäßigen Drang zu helfen wird bewußtes Planen und Suchen nach passenden Möglichkeiten. Anderseits wird er aus seiner dumpfen Enge befreit und seines dranghaftesten Charakters entkleidet, wenn es vom Willen, der geistigen Liebe, angesprochen und über sich hinausgehoben wird, um mitzuarbeiten an der Erfüllung sittlicher Aufgaben. Soll die Leidenschaft sich an einem geistigen Gut entzünden, soll, mit anderen Worten, geistiges Streben auf das sinnenhafte Streben überfließen, dann muß zuerst der Wille selbst geistige Strebungen aufweisen, wie sie sich ähnlich im sinnlichen Streben vollziehen. Dann vermag es gemeinsam mit dem Wollen zu den Hochzielen des ganzen Menschen emporgehoben zu werden. Ganz allgemein kann man sagen: Wenn ein Wert dem Menschen entgegentritt, mag das Tor, durch das er Zutritt bekommt, das höhere oder niedere Strebevermögen sein, immer findet eine Begegnung statt, in der die ganze Person Stellung nimmt.

§ 3. L I E B E ALS GEISTIGE BZW. SITTLICHE ANTRIEBSKRAFT

Der Mensch ist fähig, im Erkennen über seine eigene B e stimmtheit und F o r m noch Formen anderer Wirklichkeiten in sich aufzunehmen, gerade sofern es andere sind. Sie bleiben die .anderen' und werden doch zugleich in einer höheren Weise zum Eigengut. Nun begründet aber jede Seinsform ein eigenes Streben. Geistigem Erkennen folgt also entsprechend geistiges Streben, analog dem gleichen Vorgang im sinnenhaften Bereich. Gegenstand des Willens ist aber nicht ein bestimmtes Einzelgut. Wegen der unendlichen Spannweite seines Strebens, die nur durch ein echt unendliches Gut ausgefüllt wird, bleibt er all den Gütern gegenüber innerlich frei, in denen er das Gute als solches nicht restlos verwirklicht findet. Der Wille antwortet in

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einer Art ,freier' Liebe, frei so weit, als es dem Willen gelingt, 26, 3 seine innere Verfassimg, die ihn, solange sie besteht, an das betreffende Gut notwendig bindet, zu überwinden bzw. zu ändern. „Auch dem Höchstgut Gott gegenüber ist der Mensch im Zustand der irdischen Verbindung von Leib und Seele in seiner Liebe frei. Die unvollkommene Erkenntnis, die wir hienieden von I h m haben, macht es möglich, I h n dem Willen als Teilgut vorzustellen, als einen Gegenstand, in dem die ratio boni [die Bewandtnis des Guten] nicht vollkommen verwirklicht ist."1 I n etwa kann und soll die Liebe als Leidenschaft an dieser Freiheit der geistigen Liebe teilhaben, um zu einer sittlichen Antriebskraft im Menschen zu werden. Wie überall soll auch hier das Niedere dem Höheren dienen. E s darf nicht zu einem Hemmschuh für das Geistige werden oder sogar die höheren Kräfte in seinen Dienst zwingen wollen. Infolge der Erbsünde wird es zwar immer mehr oder weniger das vordringliche Wirkungsfeld des Geistes bleiben, soll aber durch Wachsamkeit und Selbstzucht des Menschen mehr und mehr zu einem willigen Bundesgenossen des Willens im sittlichen Tun werden. § 4. ZWEI GRUNDFORMEN DER L I E B E

Der Wert, zu dem der Mensch durch die Liebe hingezogen 26, 4 wird, bestimmt ihren Charakter. I n den mannigfaltigen Erscheinungsweisen der Liebe kann man zwei typische Grundformen erkennen, die sich scharf voneinander abheben, so daß jede Liebesregung entweder zu der einen oder anderen gehört. Entscheidend ist das Ziel, dem die seelische Bewegung sich zuwendet, von dem sie darum, wie jede andere Bewegung, sowohl ihre Ausrichtung wie innere Beschaffenheit erhält. E s gibt Werte, die in sich und durch sich selbst Wertträger sind und nicht erst anderer Eigenschaften bedürfen, um liebenswert zu sein. Wir meinen den Personwert, ganz gleich, ob es die eigene Person oder eine andere ist (CG I I I 112). Wer eine Person liebend ins Auge faßt, tut das nicht, weil sie diese oder jene Eigenschaften, diese oder jene Begabung, körperliche oder geistige Vorzüge hat. Der Personwert ruht in sich und hat den Grund seiner Gutheit nicht außer sich. E i n anderes letztes Ziel kann es für eine liebende Bewegung also gar nicht geben. Thomas nennt diese Liebe w o h l w o l l e n d e o d e r F r e u n d e s l i e b e . Das ist jene echte, kristallklare, „absolute Liebe", wie S c h e l e r sie nennt, mit der ein Gut schlechthin uneigennützig seiner selbst wegen geliebt wird und die am hellsten aufleuchtet in der Caritas, der übernatürlichen Gottes- und Nächstenliebe. Wohlwollende Liebe bejaht den Geliebten seiner selbst wegen, wünscht und will sein Wohl in aller Uneigennützigkeit, nicht um dadurch schließlich doch wieder dem eigenen Vorteil zu dienen; sie besteht sogar im Mitvollzug der Selbstliebe des andern. 2 „Eine solche Liebe ist an erster Stelle und im eigentlichen Sinne 1 J . E n d r e s CssR, Die liebe als sittliche Grundmacht. Die Neue Ordnung. 2 (1947) 251 f. 2 I 60, 3: Bd. 4; Vgl. M. Scheler, Wesen und Formen der Sympathiegefühle. Frankfurt a. M. 1948", 177 ff.

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26, 4 L i e b e " (CG I 91). E s gibt zwar unter dem Namen Freundschaft zweckbedingte Verbindungen zur gegenseitigen Bereicherung, Geselligkeit oder Förderung von gemeinsamen Zielen. Dort mag auch eine gewisse Sorge und Anteilnahme für den andern bestehen. E s bleibt aber mehr oder weniger doch der eigene Vorteil letztes Ziel, so daß die reine wohlwollende Liebe, die keine Trübung verträgt, in gleichem Maße in die andere Grundform der Liebe abgleitet. E s ist möglich, daß ein Gut, das uns anspricht oder an dem wir Gefallen haben, nicht in sich und durch sich selbst gut ist, vielmehr erst durch einen Vorteil und Nutzen für mich oder einen anderen wertvoll wird. Dahin gehören also alle jene Gegenstände, die lediglich den Wert „angenehm" oder „nützlich" in sich tragen. Sie gefallen und fesseln uns. Wenn wir auch sprachlich z. B . sagen, daß wir eine Speise lieben, so deckt doch die Sprache nicht den ganzen Sachverhalt auf. Die nur angenehmen oder nützlichen Dinge können nicht Gegenstand einer eigentlichen, vollen Liebe sein. Sie haben keinen selbständigen, in sich ruhenden, sondern nur einen von außen abhängigen, flüchtigen Durchgangswert. Innerlich verweisen solche Güter weiter auf den, von dem sie ihren Wert erst erhalten (vgl. M. S c h e l e r , a. a. O. 182). Die b e g e h r l i c h e L i e b e , wie Thomas sie nennt, wendet sich dem erstrebten Gut nicht als dem eigentlich letzten Wert zu. E s wird nicht seinetwegen liebend erfaßt, sondern lediglich wegen des Nutzens und Vorteils für den Liebenden selbst oder für eine andere Person erstrebt. D a Liebe aber nicht bei einem Nutzgut stehenbleibt, vielmehr weitergeht auf denjenigen, für den das Gut vorgesehen und gewollt ist, ist begehrliche Liebe nur in einem abgeschwächten Sinne Liebe, Liebe durch Teilhabe (4 Sent 4 9 : 1, 2 qa 1 Zu 3). Daran sieht man schon, daß sie wegen ihres unselbständigen Charakters niemals allein, getrennt von der wollwollenden Liebe, sei es Selbstoder Fremdliebe, auftreten kann (ebd. u. P V S 13). Umgekehrt müssen wir aber auch sagen —• und das gilt für das sittliche Verhalten — , daß vernunftlose oder leblose Gegenstände, die keinen anderen Wert als den des Angenehmen oder Nützlichen 'erkennen lassen, ebensowenig echte, wohlwollende, d. h. terminierende Liebe vertragen, wie Personen Gegenstand begehrlicher Liebe sein dürfen, in welcher der andere „in den bloßen Dienst des eigenen sinnlichen Empfindens, seines Gebrauches und — höchstenfalls — seines Genusses" als Mittel zum Zweck gestellt wird (M. S c h e l e r , a. a. O. 182). Eine solche Umkehrung der Ordnimg wäre ebensowohl Herabwürdigung der Person wie Vergötzung vernunftloser Wesen. Das gilt natürlich auch von jedem Verhalten gegen sich selbst, das dieser Art ist ( K a n t verurteilt mit Recht von diesem Standpunkt aus die Onanie). D a liegt dieselbe Herabwürdigung der Person und des menschlichen Leibes vor, wie im gleichen Verhalten gegen andere (vgl. M. S c h e l e r , a. a. O. 183). Damit soll nun nicht behauptet werden, ein personales Wesen könne niemals einem andern nützlich oder angenehm sein. Das kann es selbstverständlich wohl, es darf aber nicht in diesem Wert aufgehen und sich erschöpfen. Das wäre unsittlich (Car 11 Zu 6 ; 3 Sent 2 7 : 2, 1 Zu 11).

536

Wenn wir das Gesagte noch einmal überschauen, müssen wir 26, 4 abschließend mit Thomas feststellen, daß ein und dieselbe liebende Bewegung zwei Ziele hat : ein letztes in der Person, der die Liebe gilt, die von daher Liebe des Wohlwollens genannt wird, und ein Zwischenziel in den Nutz- oder Genußgütern, die dem eigentlichen Gegenstand der Liebe zugedacht sind, und von daher spricht man von der Liebe des Begehrens (I 20, 1 Zu 3 : B d . 2). Wenn heute bisweilen .wohlwollende' Liebe gleichgesetzt wird mit Fremdliebe und .begehrliche' Liebe mit Selbstliebe, darf man sich dafür nicht auf Thomas und seine großen Kommentatoren berufen. 1 I I . U r s a c h e n der (Fr. 27)

Liebe

A. VOM GEGENSTAND H E R

1. D a s G u t e a l l g e m e i n a l s M o t i v d e r L i e b e (Art. 1). 27, l — Nach Thomas wird dasjenige ,Ziel' eines Wesens genannt, wonach es strebt, solange es noch nicht erreicht, und worin es ausruht, sobald es erreicht ist. Das bedeutet einmal, daß das Ziel eines jeden geschöpf liehen Weesens in der eigenen Seins bereicherung und Seinsfülle oder Vollkommenheit und Vollendung zu suchen, und ferner, daß jedes Geschöpf auf die eigene Seinsfülle und Vollwirklichkeit als auf das ihm Entsprechende, d. h. als auf s e i n Gut hingeordnet ist (CG I I I 16; Ver 21, 1). So liegt im Guten jene magnetische K r a f t , die alle Wesen anzieht, in unzähligen Fäden aneinander bindet und den gesamten Kosmos belebt. Da nun jedes Streben, sowohl das des unvernünftigen wie das des vernünftigen Geschöpfes, auf das Gute ausgeht, hat es darin auch seinen Entstehungsgrund. Das gilt an erster Stelle für die Liebe. D a sie ihrem Wesen nach darin besteht, daß wir einem Gut angeglichen, darauf abgestimmt oder ihm einverwandelt werden, kann grundsätzlich auch nur ein Gut Liebe wecken. Geliebt wird immer nur das Gute, selbst wenn es nur ein Scheingut wäre. E s liegt an der Mehrsinnigkeit des geschöpflichen Seins und an der Begrenztheit des Menschen selbst, daß derselbe Gegenstand, j e nach der Sicht und Anlage des Menschen, bald als Gut, bald als Übel erscheinen kann. Trotzdem vermag er nur insoweit, als er für den Menschen ein Gut bedeutet, anzusprechen oder Liebe wachzurufen, auch wenn er objektiv ein Übel wäre. Die weitere Frage ist jetzt, in welchem Sinne ein Gut Ursache der Liebe ist. Denn der Liebesakt ist das Ergebnis der Wechselbeziehung von Subjekt und Gegenstand. W i r k u r s ä c h l i c h gesehen wird die Liebe zwar unmittelbar vom Strebevermögen und letztlich von dessen Träger hervorgebracht, jedoch unter dem Einfluß vom Gegenstand der Liebe, d. h. vom Gut her. D a sich jede seelische Bewegung zwischen zwei Polen vollzieht, dem einen, von dem sie ausgeht, und dem andern, auf den sie hinzielt, finden wir die gleichen Verhältnisse bei der Liebe wieder: Seinsarmut oder Bedürftigkeit auf der einen, das erfüllende Gut 1 Vgl. P. P h i l i p p e , Le rôle de l'Amitié dans la Vie Chrétienne selon S. Thomas d'Aquin. Rom 1938, 8.

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27, 1 auf der anderen Seite. Bewußtes Erleben des Mangels sowie mögliehe Erfüllung durch ein entsprechendes Gut lösen ein dranghaftes Verhalten aus. Dieses zielt zunächst nach Aufhebung des Spannungszustandes zwischen den beiden Polen im Angesprochensein, Wohlgefallen, in Hinneigung oder Liebe. Der vom Gut ausgehende Einfluß vollzieht sich nach Art der Zielursache und wirkt zugleich artbestimmend auf die Neigung. Die der Zielursache eigentümliche Wirkweise geht nicht, wie wir oben sagten, im Sinne einer Wirkursache vor sich, sondern läßt sich am besten als Anziehen, Anlocken, Verlangen-erwecken umschreiben. So ist das erstrebte Gut Ursache der Liebe im eigentlichen Sinne, und zwar nach Art der Zielursache. Allerdings wird diese zugleich mit ihrem artbestimmenden Einfluß vom Menschen in die Wirkursächlichkeit einbezogen, so daß sie durch Teilhabe ebenfalls im Sinne der Wirkursache tätig ist. D a ß mithin ein Gut seine Wirkkraft entfalten kann, hängt vom Menschen als Hauptursache ab. E r nimmt es als werkzeugliche Ursache in seinen Dienst. Durch ein solches Zusammenwirken neigt sich das Streben dem Gut zu, wird zu ihm hingezogen, ihm angeglichen, darauf abgestimmt und ihm einverwandelt. 27, 2

2. E r k a n n t s e i n d e s G u t e s a l s G r u n d b e d i n g u n g f ü r s e i n e W i r k k r a f t (Art. 2 ) . — A n e i n e unerläßliche Bedingung ist die Kraftentfaltung eines Gutes geknüpft: es muß vom Menschen als Gut erkannt sein. E r s t wenn ein Umweltding als erkanntes Gut zum intentionalen Besitz des Menschen geworden ist, wenn also im Erkennen eine neue intentionale Seinswirklichkeit entstanden ist, löst es die daran gebundene, strebende Bewegung aus. Die Güte eines Gegenstandes muß also zunächst irgendwie sichtbar werden, soll sie den Menschen innerlich anmuten. An sich ist es sogar so, daß ein Gegenstand um so liebenswerter und die Liebe desto heftiger wird, j e voller seine Güte erkannt ist (3 Sent 2 7 : 3, 1 Zu 3).

27, 3

3. G l e i c h h e i t u n d Ä h n l i c h k e i t a l s e i g e n t l i c h e r B e w e g g r u n d d e r L i e b e (Art. 3). — I n der Liebe wendet sich der Mensch einem erkannten Gut zu, das ihm entspricht und irgendwie zu ihm gehört (CG I V 29; Mal 16, 2). Daß zwei Dinge in der Weise zusammengehören, aufeinander angelegt und angewiesen sein k ö n n e n , hat seinen Grund letztlich im Wesen des endlichen und geschöpfliehen Seins. Während der Schöpfer als wesenhafte Vollkommenheit abgeschlossen in Sich Selbst ruht, in keiner Weise durch Sein Wesen nach außen weisend, Sich Selbst Grund und Ziel Seines Seins ist, hängt alles Geschöpfliche als werdendes, nicht in sich selbst geschlossenes Sein bereits in seinem Ursprung notwendig von einem anderen ab und bleibt gleich notwendig auf ein anderes als Ziel ausgerichtet, um in dessen Besitz zugleich zur eigenen Seinsfülle zu kommen. Und zwar treibt ein unausrottbarer Naturdrang jedes Sein zu seiner Seinsbereicherung und Seinsfülle oder zur Betätigung seiner Anlagen, d. h. zur Verwirklichung der in der Natur angelegten Möglichkeiten (1, 5 : B d . 9).

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D a ß aber zwei bestimmte Wesen t a t s ä c h l i c h aufeinander 27, 3 angelegt sind, also irgendwie zusammengehören u n d sich verw a n d t sind, h ä n g t ganz allgemein von der zwischen den beiden Polen bestehenden Einheit ab, ohne die keine Liebe möglich ist. Irgendwie sucht u n d findet sich der Liebende selbst im anderen wieder u n d w i l l i h m G u t e s als dem eigenen Selbst, wenn die Liebe ihren N a m e n ohne Einschränkung verdient. Damit haben wir schon angedeutet, d a ß sich die S e l b s t l i e b e naturnotwendig zuerst melden m u ß , weil der Mensch a m engsten an sich selbst gebunden ist oder sich zuerst selbst in seiner individuellen Einheit gehört u n d deshalb in der Selbstliebe n a t u r h a f t zu seiner eigenen Seinsbereicherung u n d Seinserfüllung gedrängt wird. Sie bildet sogar die Wurzel, aus der jede Art von Liebe herauswächst, Gottesliebe sowohl wie Nächstenliebe, u n d soll Richtbild sein f ü r jede andere: „ D u sollst deinen Nächsten lieben w i e d i c h s e l b s t " (Mk 12, 13). Wo immer eine liebende Zuwendung zu einem Gut entsteht, h a t sie ihre Ursache ebenfalls in einer vorgegebenen Seinsgleichheit oder Ähnlichkeit, ganz gleich, wie sie geartet ist. Auch hier g e h t es u m das Erleben eines ganzheitlichen Zusammenhanges, in dem der eine zum andern steht. Von der größtmöglichen überindividuellen Einheit k a n n sie abfallen bis zur leisesten Ähnlichkeit. W a r u m aber die eine Gleichheit oder Ähnlichkeit Liebe weckt u n d die andere nicht, das ist rational durchweg nicht erfaßbar. D a f ü r sind die affektiven Einflüsse letztlich ausschlaggebend. Vom Gut her gesehen k a n n sittlich geordnete u n d darüber hinaus auf Dauer angelegte wohlwollende Liebe, in der der eine den anderen als sein zweites Ich, als die „andere H ä l f t e seiner Seele" liebt, nicht entstehen, wenn nur eine mehr oder weniger lockere, zufällige u n d flüchtige Ähnlichkeit zwischen den beiden besteht; dazu wird mehr verlangt, nämlich die Gleichheit oder Verbundenheit durch ein tiefergehendes, gemeinsames u n d festes Übereinstimmen im Sein u n d Wollen, wie es etwa durch den gleichen Beruf u n d dieselbe Einstellung d a z u begründet u n d durch die gleichen letzten tragenden Gesinnungen noch vertieft wird. J e größer die Gleichheit im Sein u n d Wollen, je verwandter die Gesinnung ist, desto reiner u n d tiefer wird die daraus entstehende Zuneigung u n d Liebe. Dabei brauchen wir nicht n u r an eine Übereinstimmimg im eigentlichen Sinne zu denken, wie sie zwischen zwei gleichgestellten Menschen besteht, etwa zwischen Erziehern, sofern sie die Gemeinsamkeit des Berufes verbindet. Wir können noch weiter gehen u n d a n die Verhältnisgleichheit denken, wie sie zwischen verschiedenen Berufen besteht, wenn analog, also an die anderen Verhältnisse angepaßt, gleiche Ziele, dieselbe Arbeitsweise usw. gegenseitige Sympathien wecken. Sogar in jener höchsten Verhältnisgleichheit oder -ähnlichkeit, wie sie zwischen Gott u n d Mensch besteht, k a n n das Geschöpf in dem anderen sich selbst, nämlich seinen Ursprung, sein Ziel u n d Urbild, dem es nachgeschaffen ist, erkennen, so daß die Neigung zum anderen hinübergleitet als zu •etwas zu ihm Gehörenden, mit dem er im innersten Sein verbunden ist. I m gleichen Maße wie die Übereinstimmung schwächer wird, 539

27, 3 also nicht zwar ganz fehlt, jedoch nur mehr anlagemäßig besteht, wie etwa zwischen einem lernbegierigen, gelehrigen Schüler u n d seinem hilfsbereiten, wohlwollenden Lehrer, bekommt die Liebe ein anderes Gesicht. I n der Anlage des Schülers auf die gleiche Seinswirklichkeit im Lehrer liegt gewissermaßen bereits die Übereinstimmung. Eine daraus entstehende Liebe t r ä g t zwar nicht den Charakter der uneigennüt zigen Freundes liebe, sondern den der auf N u t z e n u n d Gewinn eingestellten begehrlichen Liebe; sie will v o m anderen haben, von ihm lernen, worin sich das in jeder Anlage ruhende Verlangen nach Verwirklichung ihrer selbst, also nach Erfüllung offenbart. Letztlich liebt in dieser Liebe der Mensch sich selber, indem er vom anderen irgendeine Förderung seiner Interessen erwartet. An sich beginnt das affektive Verhalten des Tieferstehenden zum Höherstehenden mit der begehrlichen Liebe, u m d a n n fortschreitend — u n d d a f ü r zu sorgen ist sittliche Pflicht — in die reine F o r m der wohlwollenden Liebe u n d Verehrimg f ü r denjenigen, zu dem m a n aufschaut, überzugehen, während umgekehrt die Liebe von oben nach u n t e n a n sich die echten Züge des Wohlwollens t r ä g t u n d nach u n d nach die der Achtung ann i m m t , wie sie Gleichgestellte zueinander hegen, auch wenn diese personale Liebe gleichsam „auf dem R ü c k e n " ( S c h e l e r ) dem Höherstehenden Gewinn u n d Freude bringt. So klar geschieden liegen aber die Verhältnisse im Menschen gar nicht. Seine Leib-Geist-Natur ist schuld, daß Einheit stiftende Gleichheit u n d trennende Unähnlichkeit nebeneinander liegen u n d sogar, je nach der Sicht des anderen, vermischt da sind. J e einfacher ein Wesen ist, desto klarer u n d durchsichtiger ist sein affektives Verhalten. Das spiegelt sich in etwa schon beim einfachen Menschen in der Lauterkeit seiner Gesinnung wider. W e n n es auch wahr ist, d a ß Gleichheit oder Ähnlichkeit im Sein von sich aus gegenseitige Zuneigung 'und Liebe wecken, k a n n es doch aus äußeren (nicht inneren) Gründen vorkommen, d a ß aus ihr nicht n u r keine Liebe, sondern sogar radikale Ablehnung u n d H a ß folgen. E s b r a u c h t sich beispielsweise n u r u m die Gleichheit einer seelischen Einstellung zu handeln, die jem a n d schon a n sich selber nicht leiden kann. Oder die gleichen Geschäftsinteressen werden zum Hindernis f ü r das eigene Fortkommen u n d wecken Eifersucht, Abneigung u n d Geschäftsneid mit dem dauernden „Hinschielen auf den anderen, verbunden mit der virtuellen Gebärde des Wegnehmenwollens" ( L e r s c h , a. a. O. 196). J e materieller die Güter sind, desto eher gefährden sie, weil sie nicht gleichzeitig im Besitz mehrerer sein können, den Besitz des anderen (3 Sent 27: 1, 1 Zu 3). E s scheint sogar wegen der Leibnatur des Menschen so zu sein, daß das Verhältnis der Über- u n d U n t e r o r d n u n g oder eine bestehende Verhältnisgleichheit einen günstigeren Boden f ü r echtes Wohlwollen bedeutet als das der vollen Ähnlichkeit oder Gleichheit. B. VOM SUBIEKT HEB.

27, 4

Als erste Antriebskraft, die das Seelenleben ü b e r h a u p t in Bewegung bringt, wird die Liebe von keiner anderen Leidenschaft verursacht. (Über einzelne Möglichkeiten, in denen Liebe von

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anderen Leidenschaften abhängt, vgl. die Lösung der Ein- 27, i wände.) Ihr Ursprungsgrund liegt im Strebevermögen, wie wir schon zu Anfang aufgezeigt haben. Daß trotz der bestehenden Gleichheit oder Ähnlichkeit der eine Mensch sympathisch ist und der andere nicht, daß dieses Gut lebhaft begehrt wird und jenes gleichgültig läßt, hängt gewiß vom Erkennen des Wertes ab, doch lehrt die Erfahrung, daß Erkennen und Lieben sich nicht immer entsprechen (Virt 2, 4 Zu 4). Das geringste Wissen, z. B . von der Technik, vermag sogar größtes Interesse daran wachzurufen, während umgekehrt gründliches Wissen um einen Wert gar kein entsprechendes Echo im vitalen Lebensbereich zu wecken braucht. Denken wir etwa an einen Menschen mit ausgedehntem Wissen über Gott und religiöse Werte, der in seiner inneren, zur Tat drängenden Wertschätzung sogar hinter einem einfachen Hirten oder Landmann mit vielleicht sehr elementaren Kenntnissen zurückbleibt. Leidenschaften hängen in ihrem Entstehen nicht nur von der Wirkkraft des Gegenstandes ab, sondern zugleich von der Ansprechbarkeit und Antwortbereitschaft des Menschen für diese Werte. Bei ausgesprochener Anlage und Geneigtheit zu bestimmten Leidenschaften stehen die Tore der Seele weit auf für die gesuchten Werte. Es braucht nur die leiseste Andeutung aus der Richtung des Gewünschten zu kommen, um die Leidenschaft zu entfachen, die sich in ihrem Fortbestand, losgelöst von der Erkenntnis, nach eigener Gesetzmäßigkeit entfaltet (ebd.). So gesehen wird die Ansprechbarkeit für bestimmte Güter sogar zur Ursache liebevoller Beschäftigung mit dem entgegenstehenden Wert, um jenen besser kennenzulernen und tiefer zu erfassen (Art. 2 Zu 2). G. P f a h l e r hat überzeugend nachgewiesen, wie weit der Einfluß der im seelischen Grundgefüge vorhandenen Gefühlsansprechbarkeit und vitalen Energie mit ihren Abwandlungen (neben der Aufmerksamkeit und Perseveration mit ihren Variationen) geht. Für die Wertwahl ist es nicht gleichgültig, ob die A n s p r e c h b a r k e i t des G e f ü h l s stark oder schwach ist, ob sie von Natur aus vorwiegend nach der positiven oder der negativen Seite neigt oder ob sie gleichmäßig nach beiden Seiten schwingt. E s ist ebenfalls von Bedeutung, ob ein Mensch sich v i t a l - s c h w a c h in sich verschließt oder v i t a l - s t a r k mit überschäumender seelischer Kraft sich offen dem Leben mit allen seinen Werten zuwendet. Diese K o n s t a n t e n im individuellen Grundfunktionsgefüge begleiten den Menschen durch das ganze Leben und wirken entscheidend und im Sinne der Wirkursache bei der Wertauslese des Menschen mit. Was von den Leidenschaften im allgemeinen gilt, gilt im einzelnen von der Liebe. 1 Neben dem seelischen Wesensanteil besitzt sie einen körperlichen, der sich im Seelischen auswirkt und so den Einfluß von Körperbau und Konstitution, körperlichem Befinden und Organzustand, Gehaben und anderen Kräften ins Seelische hineinträgt. Selbst für die geistige Liebe darf ihr Einfluß nicht 1 Vgl. G. P f a h l e r , Vererbung als Schicksal. Eine Charakterkunde. Leipzig 1932; vgl. außerdem die ausführliche Auswertung der Typenlehre Pfahlers für die Liebe bei B . Niessen, Menschentypen. Tugenden und Laster. Köln-Stammheim 1951, 152—268.

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27. 4 verkannt werden. Dadurch zündet die Liebe im Menschen mit einer gewissen Unberechenbarkeit ans den ums unbekannten und rational nicht mehr faßbaren Tiefen seines individuellen Lebensgefüges (Art. 2 Zu 2 ; 28, 5 Zu den Einwänden; I I — I I 26, 1 Zu 1: B d . 16). I I I . W i r k u n g e n der

Liebe

(Fr. 28) § 1. A F F E K T I V E EINUNG ALS WIRKUNG DER H E B E

28, l

Wenn der Mensch sich einem Wesen wohlwollend zuwendet, wenn er sich eins oder verwandt fühlt mit etwas und sich zugleich nach dem größtmöglichen Zusammensein sehnt, dann geht dem, wie wir gesehen haben, schon ein Zusammengehören voraus. I n der Liebe selbst, und darin besteht ihr Wesen, kommt es zu jenem affektiven Einswerden, in dem der Mensch das Zusammengehören gemüthaft erlebt (Art. 1 Zu 2 ; 27, 3). Damit ist die K r a f t der Liebe aber nicht erschöpft. I m Rahmen der gegebenen Möglichkeiten sucht sie den bestehenden Abstand zu überbrücken. Dabei will die Liebe mehr als nur räumliche Nähe. I n der reinen Liebe ( = Freundesliebe) liegt das Sehnen nach einer allseitigen, vollständigen und unbegrenzten Einung. Damit berühren wir schon etwas Neues: das von der Liebe selbst verschiedene Einswerden als charakteristische W i r k u n g der Liebe, die in dieser F o r m nur ihr (nicht der Erkenntnis!) zukommt. Liebe besitzt eine einende K r a f t , weil sie wesentlich Streben nach einem w i r k l i c h e n Gut und wirksames Angelegtsein auf seinen w i r k l i c h e n Besitz besagt. I m Erkennen strebt der Mensch zwar auch nach einem Einswerden mit seinem Gegenstand, aber doch nur nach einem erkenntnismäßigen oder s p i e g e l b i l d l i c h e n Einawerden, nach dem intentionalen oder s p i e g e l b i l d l i c h e n Besitz und erschöpft sich darin, ohne, wie die Liebe, zu einer wirklichen Einung zu kommen. Wird dagegen das Einswerden durch die Liebe nicht als äußere Wirkung verstanden, sondern wesentlich gesehen, dann kommen beide, E r kennen und Lieben, wohl überein in der Natur des Einswerdens mit dem Gegenstand. Erkennen heißt s p i e g e l b i l d l i c h Einswerden mit dem erkannten Gegenstand. E s findet keine Einung in dem Sinne statt, daß aus Erkennendem und erkanntem Gegenstand ein neues Drittes würde. Das geht nicht, weil beide ihr Eigensein aufgeben müßten und aufhörten, sie selbst zu sein, was gegen den Selbsterhaltungstrieb der Natur wäre. E s ist unmöglich, daß ein Wesen verlangt, in ein anderes umgewandelt zu werden, weil es bei der Umwandlung in das andere vernichtet würde. Hier zeigt die Liebe einen gewissen rätselhaften Widerspruch. Eine Selbstauflösung des Ich und damit zugleich ein Auslöschen ihrer selbst kann die Liebe, die immer eine Zweiheit voraussetzt, eigentlich nicht wollen; und trotzdem hat sie dieses Sehnen und hofft doch wieder, gerade in der Hingabe auch sich selbst zu finden und in der engsten Vereinigung zur höchsten Beseligung zu gelangen. W o hat nun dieses naturhafte Drängen seine seinsmäßige Grundlage?

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Ein Einswerden, das körperlich nicht möglich ist, kann affek- 28, 1 tiv möglich sein. Wie beim Erkennen eine Seinsbestimmtheit vom Verstand aufgenommen und dadurch der Erkennende intentional das erkannte Wirkliche wird, so wird auch beim Lieben vom W i l l e D und vom niederen Strebevermögen eine Seinsbestimmtheit aufgenommen, wodurch der Liebende nicht zwar gegenständlich (wie be ; m Erkennen), sondern neigungsmäßig, affektiv, gemüthaft zum geliebten Gegenstand oder zur geliebten Person wird. Er wird eins mit ihr. Wegen der Stofflichkeit, auch des niederen Strebevermögens, bleibt die Seinsbestimmtheit des geliebten Gutes in ihrem Anderssein bestehen und wird nicht als eigene Wesensform aufgenommen. Gerade dadurch wird der Zug und Drang zum geliebten Gut in der Seele grundgelegt (16, 4: Bd. 9). Der Liebende wird dem Lebensprinzip des Geliebten unterworfen und ihm einverwandelt; er muß im gewissen Sinn von seinem Eigensein abgeben, um in das eines anderen einbezogen zu werden. Neigungsmäßig wird der Mensch zu dem, was er liebt. Personliebe kann nicht anders gedacht werden als mit voll ziehende Teilnahme am Leben des anderen oder als Mitvollzug seiner eigenen Liebe. 1 Ermöglicht wird diese Wesenswirkimg der Liebe durch das Auftauen der Seele, durch eine gewisse Weichheit des Gemütes, die den Liebenden erst anpassungsfähig, beeindruckbar und aufnahmefähig macht. Die Seele öffnet sich für den Eintritt dessen, den sie liebt. Das kann sich steigern bis zu einem Hinschmelzen der Seele unter der Glut der Liebe, kann aber auch ein verzehrender Kummer sein, wenn die Liebenden getrennt sind, oder glühendes Verlangen, das den Liebenden unaufhörlich in Sehnsucht dem Geliebten entgegenträgt (Art. 5). Beim Erkennen ist der Hergang so, daß die erkannten Dinge auf die Seinsstufe des Erkennenden heraufgezogen oder heruntergezogen werden (I 108, 6 Zu 3: Bd. 8). Sie werden ihm angeglichen. Ganz im Gegensatz dazu wird der Liebende dem Gegenstand seiner Liebe unterworfen, ihm einverwandelt oder von ihm beseelt. Es ist der Liebe eigen, sich wegen ihres einenden Charakters immer auf die Höhe oder Tiefe des geliebten Gutes zu begeben (I 63, 3: Bd. 4). Die Volksweisheit prägt diese Wahrheit in der Formel: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist." Am reinsten wird die Erhöhung des Liebenden in der Gottesliebe sichtbar. Echte, lautere Gottesliebe macht göttlich im Denken, Wünschen und Empfinden. Weil Liebe zudem eine Lebenswurzel ist, wirkt sich diese Reinheit und Hoheit des Wollens bis in die feinsten Verästelungen des Tuns aus. Genau so verderblich ist aber die Wirkimg, wenn der Gegenstand der Liebe des Menschen unwürdig ist und der Mensch durch die Liebe zu ihm von seiner Höhe heruntergezogen, entwürdigt und verdorben wird, so daß alle anderen Seelenregungen durch eine solche Liebe vergiftet werden. J e umfassender die verkehrte Liebe ist, desto radikaler ist ihre zerstörerische Wirkung (Art. 6). Nach Thomas besteht die Wesenswirkung der Liebe in einer 1

M. S c h e l e r , Wesen und Formen der Sympathie. 177, 181.

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28, 1 Umformung oder Umwandlung des Liebenden in den Gegenstand seiner Liebe, wodurch beide affektiv eins werden.1 Mit dem a f f e k t i v e n Einssein ist nicht der endgültige Besitz des geliebten Gutes oder das e f f e k t i v e Einswerden, die äußere Wirkung der Liebe, gemeint, sondern nur das wurzelhafte, positive Angelegtsein und das innere Drängen nach Nähe und größtmöglicher Einung. Infolge des neuen Handlungsprinzips wird es verständlich, wenn der Liebende von der Art des Geliebten annimmt, wenn A r i s t o t e l e s den Freund „das andere I c h " nennt, oder A u g u s t i n u s „die Hälfte seiner Seele", und wenn ferner auf Grund dieser affektiven Einheit der Liebende mit Gewalt zum andern hingezogen wird, seine Gegenwart sucht und seine Nähe genießen will (Art. 1; 3 Sent 27: 1, 1 Zu 2). 28, 2

Besteht Liebe, um die Formulierung S c h e l e r s zu gebrauchen, im Mitvollzug der Liebe des andern oder in der mitvollziehenden Teilnahme an seinem Leben, und nehmen wir dazu noch die Tatsache, daß Liebe Gegenliebe erzeugt, dann liegt in einer solchen gegenseitigen Liebe das wechselseitige Verhaftetsein oder Ineinanderhangen, das Thomas unter den Wirkungen der Liebe aufzählt und begründet. Was Thomas hier zum Ausdruck bringen will, ist zunächst die Fernwirkung der Liebe. Liebe wendet sich einem Personwert zu, d. h. einem in sich bestehenden und ruhenden Selbstwert, der seine Gutheit nicht erst von irgendwelchen Eigenschaften und Verhaltungsweisen des andern empfängt. Weil so der andere in seinem tiefsten Wesenskern berührt wird, in seiner Einmaligkeit und Unveränderlichkeit, ist Personliebe oder, was dasselbe ist, Selbstliebe sowohl wie Freundesliebe, von ihrem Gegenstand her auf Dauerhaftigkeit und Unveränderlichkeit angelegt. Liebe will Ewigkeit (Art. 2). Dazu kommt ihre Tiefenwirkung, an der sichtbar wird, wie sehr Liebe durch das affektive Einssein mit dem andern formend auf den Menschen wirkt. Die beiden Pole durchdringen sich, wie „Bestimmungsmächtiges" und „Bestimmungsbedürftiges" (H. André) sich durchdringen und so zu einer geschlossenen Einheit werden (3 Sent 27: 1, 1 Zu 5). So führt das affektive Einssein der beiden zu einem ständigen inneren Gegenwärtigsein des einen im andern, und zwar im Sinne einer inneren Teilhabe am Leben des andern. Wie ein Freund nicht draußen an der Türe stehen bleibt, sondern ins Haus eintritt, darin wohnt und schläft, so bleibt auch der Liebende nicht draußen stehen, d. h. er begnügt sich nicht mit äußerer oberflächlicher Kenntnis des andern, sondern sucht in seiner Innen- und Außenwelt heimisch zu werden, um mehr und mehr den andern in sich aufzunehmen, 1 Diese Lehre findet ihre theologische Anwendung in der Lehre des Aquinaten von der Gnade (vgl. I 8, 3 Zu 4: Bd. 1: I 43, 3 : Bd. 3).Die Liebe bewirkt, daß der Heilige Geist in uns ist und wir Ihn besitzen. Diese Art von Besitz auf Grund einer positiven Anlage und Neigung findet sich bei manchen Autoren im Hinblick auf die übernatürliche Liebe. B i c h a r d v . S t . V i k t o r sagt z. B . : „Wäre sie nicht schon unser Besitz, könnte sie nicht begehrt werden" (vgl. Expl. in Cant. 1; P L 196, 411). B e r n h a r d v . C l a i r v a u x hat bereits vor P a s c a l das Wort gesprochen: „Keiner vermag Dich zu suchen, der Dich nicht schon gefunden hätte" (vgl. De dilig. Deo 7, 22; P L 182, 987).

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ihn zu besitzen, d. h. ihn zu kennen u n d zu verstehen u n d ihn 28, 2 liebend nachzuleben. Bei gegenseitiger Liebe fallen zugleich die hindernden Schranken, die sonst das persönliche Leben des Einzelnen wie ein Schutzwall umgeben, u m es vor unberechtigt e n Eingriffen zu schützen. Die Gegenliebe gestattet den Zugang des Freundes u n d sein Besitzergreifen, das d a n n dessen Teilhabe u n d Mitleben ermöglicht. Der innere Besitz begleitet beide in ihren Gedanken u n d Plänen, läßt F r e u d u n d Leid des anderen als das eigene erleben u n d f ü h r t zu einem selbstlosen Mitvollzug des Lebens des andern. J e d e r denkt an den andern wie a n sich selbst; sorgt f ü r ihn wie f ü r sich selbst; t r i t t f ü r ihn ein, wie er es auch f ü r sich selbst t ä t e . Sogar alles das, was dem Freunde gehört, betrachtet er irgendwie als sich selbst zugehörend u n d rechnet damit. Durch ihr Einssein im Denken, im Wollen u n d in ihren Zielen ist der eine beim andern u n d im a n d e r n zu Hause u n d wird von innen her in die Nähe des andern getrieben, u m seine Gegenwart zu genießen (Art. 2). Freundschaft ist gegenseitige personale Liebe, also Wohlwollen, das vorbehaltlos dem andern gilt u n d nicht zurückschaut auf sich selbst. D a r u m k a n n sie auch n u r , sofern sie das ist, was sie sein will u n d soll, dem andern so weit gelten, als sein Wohlsein als personaler, also sittlicher W e r t b e r ü h r t wird. J e mehr deshalb eine Freundschaft ihre Wurzel im sittlichen Wertbereich h a t , desto edler wird sie, desto mehr t r ä g t sie aber auch den Grund f ü r Dauer u n d Tiefe in sich (In E t h 8, 3 n. 1575 1 ). Umgekehrt lassen diese Auswirkungen der Liebe nach, je mehr sie begehrliche F o r m e n a n n i m m t . Begehrliebe mag auch stark sein, aber im Sinne von Heftigkeit u n d Leidenschaftlichkeit. Der Unterschied zur Freundesliebe liegt in ihrem flüchtigen Charakter; ihrem Wesen nach k a n n sie nicht d a u e r h a f t u n d beharrlich sein. Wir haben hier ein Verhalten, das die Sprache feinsinnig als ,Verliebtheit' vom eigentlichen A k t der Liebe unterscheidet. »Verliebt' ist m a n in einzelne Eigenschaften oder Reize, meist sogar sehr äußerliche. Weil aber Nutz- oder Genußgüter bedingte Werte sind u n d keine absoluten, gewinnen u n d verlieren sie notwendig mit den stets wechselnden Interessen des Menschen a n Bedeutung. Ist jede wirkliche Liebe einmalig u n d total, so ist Verliebtheit partial u n d wiederholbar. I n der Verliebtheit wird der andere gar nicht in seinem personalen Sein, in seiner Ganzheit u n d Tiefe erfaßt, sondern lediglich in einem Teilbezirk, in irgendeinem seiner Reize, die meist sinnenhafter N a t u r sind, die sich über kurz oder lang erschöpft haben. Dabei verdrängt sie sogar f ü r die Zeit ihrer Dauer alle übrigen seelischen Vorgänge, in denen wir zum personalen K e r n des anderen vorstoßen. Diese Verdrängung schafft sogar Platz f ü r zauberische Illusionen, f ü r Überschätzimg des wirklichen Wertes des anderen u n d f ü r eine Verblendung, die die Mängel des anderen nicht mehr sieht. Verliebtheit m a c h t blind (Art. 1). Personale Liebe dagegen liebt a m anderen nicht Eigenschaften, die sie wohl schätzen u n d achten kann, sondern den anderen in seiner Einmaligkeit u n d Unwiederholbarkeit, u m 1

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Bd. Marietti 1949.

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28, 2 seines personalen Wertes u n d seiner Wertmöglichkeiten wegen, trotz aller ihm a n h a f t e n d e n Einzelzüge, die etwa als Mängel erscheinen. Wer so liebt, k a n n sehr wohl sehend bleiben ( K a n t ) ; diese Liebe m a c h t sogar durch ungetrübtes Wohlwollen tiefer sehend ( L e r s c h , a. a. O. 212—214). So t r ü b t denn allgemein jede begehrliche Liebe als ichbezogenes Interesse a m anderen die Reinheit der personalen Liebe mit ihren Auswirkungen so lange, bis sie zur selbstlosen Sorge f ü r den anderen wird. D a ß solche im Sittlichen gründende u n d von selbstlosem Wohlwollen getragene Freundschaften selten sind, erhellt daraus, daß sie hohe sittliche Reife voraussetzen. Wo sie nicht ist, k o m m t der Mensch aus seiner Ichbezogenheit k a u m heraus (Art. 2; E t h 8 b 4 n. 1581 f.). 28, 3/4

Mit der Liebe, die sich teilnehmend u n d mitfühlend ihrem Gut zuwendet, verbindet sich zugleich eine abwehrende K r a f t gegen alles, was ihr störend oder hemmend in den Weg t r i t t . Solange die Liebe den eigenen Neigungen dient u n d begehrlichen Charakter trägt, äußert sie sich als Besorgtheit, die dem D r a n g nach Ausschließlichkeit des Besitzes entspringt. I m u r s ä c h l i c h e n Sinne (die Unterscheidung s t a m m t von C a j e t a n ) ist Eifer nichts anderes als die glühende Liebe selbst; im w e s e n t l i c h e n Sinn versteht m a n darunter die glühende Liebe, soweit sie ein waches Auge h a t f ü r alles, was dem Besitz im Wege steht. J e heftiger u n d verlangender ein Wesen auf ein anderes losstürmt, desto leidenschaftlicher u n d rücksichtsloser s t ö ß t es alles beiseite, was dem ausschließlichen Besitz entgegensteht. Neid u n d Eifersucht verdanken diesem D r a n g ihr Bestehen. Personale Liebe k e n n t auch diesen Eifer u n d diese Sorge f ü r den anderen, ist sie doch, soweit sie noch begehrliche Züge aufweist, nicht frei vom Drang nach ausschließlichem Besitz. E r s t wenn sie von den Schlacken der begehrlichen Liebe gereinigt ist, wird sie zum selbstlosen Besorgtsein f ü r das Wohl des anderen, das im apostolischen Eifer f ü r die E h r e Gottes seine reinste F o r m a n n i m m t (Art. 4). Mit dem affektiven Einswerden des Liebenden mit dem Gegenstand seiner Liebe ist gleichzeitig ein Sichselbstaufgeben, eine Selbstpreisgabe verbunden. J e leidenschaftlicher Liebe ist, desto mehr verliert der Mensch sich selbst, bis er schließlich dem Sog des Gegenstandes seiner Liebe total erliegt. Infolge eines im Menschen wirkenden Lebensgesetzes wird sein Blick bei leidenschaftlicher Beschäftigung mit einem Gegenstand mehr u n d mehr auf ihn eingeengt, so daß alles andere nach u n d nach verblaßt u n d schließlich sogar aus dem Blickfeld verschwindet. Die begrenzten menschlichen K r ä f t e , die lebhaft einem Interesse zugewandt werden, wenden sich von anderen ab. So ist es verständlich, wenn bei heftiger u n d glühender Liebe die Sinne des Menschen n u r noch den Augenblickswert wahrnehmen u n d er selber im Liebesrausch außer sich gerät. (Vgl. das über die Verliebtheit Gesagte.) E s herrschen die sinnlichen K r ä f t e , die den Verstand fesseln u n d keine freie Überlegung mehr zulassen. Wenn in dieser Weise die Sinne die F ü h r u n g übernehmen, verliert der Mensch seine ihm zukommende

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menschliche Erkenntnisart u n d wird durch die einseitige In- 28, anspruchnahme seines Sinnenlebens in etwa auf eine untermenschliche Stufe hinabgedrückt. E s k a n n allerdings auch geschehen, daß konzentriertes Aufgehen in einer intensiven Beschäftigung mit geistigen Gütern eine Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten des Geistes herbeiführt u n d das tiefe E r f a ß t - oder Durchdrungenwerden von einem W e r t derart die menschlichen K r ä f t e beansprucht, d a ß auch hier jede andere Wirklichkeit verblaßt u n d zurückt r i t t . Bei einer derartigen geistigen Inanspruchnahme des Menschen wird er in gewissem Sinn über sich hinausgehoben. Zumeist wird es so sein, daß durch Überströmen auf den Leib die sinnlichen Antriebskräfte vom Willen mitgerissen werden. Wie weit, objektiv gesehen, sich der Mensch in der Liebe aufgibt, werden wir später sehen (Art. 3). IN IHREM GEGENSEITIGEN § 2. SELBSTLIEBE UND FREUNDESLIEBE BEZUG1

Als Hauptschwierigkeit ist zu allen Zeiten das Verhältnis der Selbstliebe zur Freundesliebe empfunden worden. Hier liegt auch das Kernproblem des Aquinaten, wie es bereits dasjenige der griechischen Philosophen war. E s geht u m die Frage, ob die Liebe im Grunde ihres Wesens selbstlos oder selbstbezogen ist. W e n n es aber eine reine, selbstlose Liebe gibt, wie wir sie etwa in der Mutterliebe, Vaterlandsliebe u n d Gottesliebe bewundern, in welchem Verhältnis steht diese d a n n zur Eigenliebe? Wie können beide, die sich auszuschließen scheinen, zusammen bestehen? Das Mittelalter formulierte die Frage : Liebt der Mensch von N a t u r aus Gott mehr als sich selbst ? Auf den ersten Blick läßt diese konkrete Fassimg die Tiefe u n d Weite des dahinter verborgenen Problems nicht erkennen. U n d doch ist sie glücklich gewählt. Aus ihr spricht die alles entscheidende Bedeutung der Frage. Gott ist das allumfassende, wirkliche u n d persönliche Gut, dessen Liebe ständig drängt u n d den Geschöpfen sogar aufgegeben ist. Zugleich ist Gott der Urheber jedweder guten Regung des menschlichen Herzens u n d letztes Ziel aller Geschöpfe. Stehen also Selbst- u n d Fremd- oder Freundesliebe wirklich in einer Wechselbeziehung zueinander, gibt es einen P u n k t , in dem beide Arten der Liebe zusammentreffen, d a n n ist es sicher hier der Fall, wo die n a t u r h a f t e n Verknüpfungen allumfassend sind u n d bis in die letzten Tiefen des geschöpf liehen Seins hinabreichen. E i n tieferes Eindringen in das Gefüge der Gottesliebe eröffnet damit zugleich den Blick f ü r das Wesen der Selbst- u n d weiterhin der Freundesliebe in ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Jedes menschliche Streben wird wesensmäßig von dem bestimmt, was der Mensch sich als letztes Ziel gesetzt h a t . Mögen 1 Vgl. die Arbeit von P. R o u s s e l o t , Pour l'histoire du problème de l'amour au moyen âge. Münster 1908, auf die wir uns im folgenden berufen. Dazu: L. B. G e i g e r OP, Le problème de l'amour chez S. Thomas d'Aquin. Paris 1952, bes. S. 67—92. Ferner: L. B. Gillon, Genèse de la théorie thomiste de l'amour. Revue Thomiste 44 (1946) 322—329; E. Gilson, L'esprit de la philosophie médiévale. Paris 1948», 278—283.

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28, 3/4 andere Ziele locken oder andere Güter antreibende K r a f t haben, n u r so weit vermögen sie den Menschen zu bewegen, als sie im Dienste dieses Letztgewollten oder dieses Endzieles, wie es gewöhnlich genannt wird, stehen. U n d dieses Letztgewollte, dieses Endziel, dieser notwendige, allgemeine u n d alleinige Beweger des Willens, dieses vollkommene Gut des Willens, das ihn restlos ausfüllt u n d vollkommen beseligt, ist nichts anderes als das Glück des Menschen. 1 D a n a c h wäre vom Liebenden aus gesehen nur Selbstliebe möglich, sie wäre zugleich Maßstab jeder anderen Liebe; noch m e h r : sie überragte sie alle. J e d e r h a t , bei allem, was er t u t , sich selbst als letztes Ziel im Auge, u n d ihm selbst dient letztlich alles, was von ihm getan wird, m a g es noch so selbstlos gedacht sein (CG I I I 17). E r liebt von N a t u r aus etwas u m so mehr, je näher es ihm steht. 2 Der Mensch k a n n demnach in seiner Liebe gar nicht von sich absehen. So klar die Verhältnisse der Liebe in diesem Lichte sind, so undurchsichtig scheinen sie durch die F o r d e r u n g zu werden, d a ß der Mensch Gott m e h r lieben soll als sich selbst. Bei der Freundesliebe, Eltern- oder Gättenliebe liebt der Mensch ebenfalls andere, aber nicht m e h r als sich selbst. Bei der Gottesliebe soll der Mensch das Maß der Selbstliebe überschreiten u n d Gott mehr lieben als sich. Die scheinbaren Gegensätze zwischen Selbst- u n d Gottesliebe werden von Thomas ü b e r b r ü c k t durch den B e g r i f f d e r E i n h e i t , die über den U m f a n g der Liebe entscheidet, weil etwas so weit geliebt wird, als es irgendwie d e m Lebensbereich des Liebenden angehört. E r darf allerdings nicht auf die individuelle oder ichsüchtige Einheit eingeschränkt werden. Thomas sprengt diese Grenzen u n d weist darauf hin, d a ß jedes geschöpfliehe Sein durch seine Gottbezogenheit bereits in seinem Wesen über sich hinausweist auf den Schöpfer, mit dem es irgendwie zu einer Einheit verbunden ist. E s wäre verfehlt, das Streben des Seins n u r nach seinem individuellen u n d teilhaften Abgeschlossensein zu sehen. Dadurch würde es gefälscht u n d gar nicht in seiner n a t u r h a f t e n Ganzheit erfaßt, in der es über sich hinausweist. I n diesem Zusammenhang denkt Thomas vor allem a n das S e i n d u r c h T e i l h a b e (I 60, 5 Zu 1: Bd. 4). Gott ist ihm das unendliche Sein, durch dessen Teilhabe die Geschöpfe das sind, was sie sind. So bildet Gott eine analoge Seinseinheit mit dem Geschöpf. Jedes Geschöpf ist von N a t u r aus Gottes, u n d mit n a t u r h a f t e r Liebe liebt es Gott mehr als sich selbst (I 60, 5; vgl. I — I I 109, 3: B d . 14). Geschöpfliche Liebe erstreckt sich nicht bloß auf das Einzelne als solches, sondern geht mit der gleichen K r a f t auf das Ganze (I 60, 5 Zu 3). Eines jedenfalls wird aus dem Gedankengang des heiligen Thomas k l a r : Eigenliebe u n d Freundesliebe sind nicht zwei Dinge, die ganz verschieden nebeneinander liegen u n d irgendwie künstlich oder von außen her zufällig zusammengebracht werden. Organisch schließen sie sich aneinander a n u n d setzen in ihren Energien einander fort. I n der Eigenliebe stellt der 1 Vgl. 1, 6: 8 Anderseits; 5, 8: Bd. 9; Ver 22, 5 u. 6; Mal 6, 4. ' CG I 102; II—II 25, 4: Bd. 16; vgl. Qlb 5, 6; Eth. 9, 4.

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Mensch einen Gegenstand, etwa Wasser, Brot oder Kleidung, 28, als Nutzgut in seinen Dienst. Nur in dieser dienenden Funktion hat es für den Menschen Bedeutung. Bei der Freundesliebe begibt sich der Mensch selbst in diese dienende Stellung. Die naturhafte Liebe macht ihn zum Teil eines großen Ganzen, das ihn umgibt und trägt, oder zum Sein durch Teilhabe an einem höheren Sein, das ihn existieren macht (Div Nom 4, 1. 9 u. 10). Findet der Mensch Gefallen an einer Blume, einer Frucht oder sonst etwas, dann geht die Liebe auf ihn selbst, bleibt indes nicht bei ihm stehen. In Wirklichkeit liebt er in diesem Akt viel tiefer und wahrer Gott, auf den sein Wesen in seinem ganzen Gefüge hinweist (3 Sent 29: 1, 3; PVS 13). E s gibt mithin eine wirkliche selbstlose Liebe, und zwar ist sie tief in der Natur begründet; eine rein ekstatische Liebe, eine Liebe also, die sich selbst ganz aufgäbe, preisgäbe und verlöre, ist dagegen unmöglich. Liebe möchte sich aufgeben und wahrt sich doch wieder selbst. Wäre Gott nicht das Gut des Menschen, so bestünde für diesen kein Grund, Gott zu lieben. Die Brücken von hüben nach drüben wären abgebrochen (I 60, 5 Zu 2.: Bd. 4; I I — I I 26, 13 Zu 3: Bd. 16). Der metaphysische Grund dafür liegt in folgendem: D e r M e n s c h b i l d e t i n s o w e i t e i n e E i n h e i t m i t G o t t , a l s er ein S e i e n d e s ist, d. h., soweit als er, wenn auch nur in bescheidenem Maße, teilhat an Gottes Sein. Die Einheit wird in der Übernatur gesteigert durch die Teilnahme an der göttlichen Natur. Der Apostel Paulus weist oft hin auf die Einheit in einem Leibe, die sowohl zwischen den Christen und Christus wie auch untereinander besteht (vgl. Rom 12,5; Eph 2,22; 1 Kor 12,12). Man denke an die Folgerungen aus dieser Lehre im christlichen Ethos. Der Nerv dieser thomasischen Auffassung liegt in der Lehre von der Teilhabe jedes geschöpfliehen Seins am göttlichen Sein, welche jedem Geschöpf allein schon durch die Erschaffung geschenkt wird. Thomas geht noch einen Schritt weiter. Auf den ersten Blick scheint Liebe ihrem innersten Wesen nach Selbstliebe zu sein. In ihrem Grundstreben ist sie ein dem Menschen eingeborener Hang, ein ständiges inneres Drängen, das mit unwiderstehlicher und elementarer Gewalt zur eigenen Vervollkommnung und Seinsfülle treibt. Diese Neigung ist so stark und so mit der menschlichen Natur verwachsen, daß sie nicht zurückgehalten, geschweige denn völlig vinterdrückt werden könnte. Alle Wesen müssen notgedrungen dieser unbezähmbaren Neigung nachgeben. Wer darum liebt, erfüllt einfach diese Neigung des eigenen Wesens, d. h., der Mensch liebt im geliebten Gegenstand sein eigenes Gut, seine eigene Vollkommenheit (vgl. Div Nom 4, 9). Wenn nun weiterhin die Liebe nicht durch sittlich Böses bzw. durch ein Übel, das unserer Natur zuwiderläuft, geweckt wird, sondern sich am sittlich Guten bzw. an einem Gut, das unserer Natur entspricht, entzündet, dann könnte daraus die Folgerung gezogen werden, Gottesliebe sei nichts anderes als eine Form der Selbstliebe. Dem stellt Thomas entschieden seine Ansicht entgegen: S e l b s t l i e b e i s t n i c h t s a n d e r e s als e i n e F o r m der G o t t e s l i e b e , so d a ß j e d e s g e s c h ö p f l i c h e S e i n in

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28, 3/4 s e i n e m v e r s c h i e d e n a r t i g e n W o l l e n m e h r u n d t i e f e r n a c h G o t t v e r l a n g t a l s n a c h dem i r d i s c h e n Gut, das es g e r a d e v o r A u g e n h a t . Nicht bloß in jeder menschlichen Handlung, sogar in der schrecklichsten Sünde ist es Gott, nach dem in Wirklichkeit der unbewußte Wille des Sünders geht (Mal 8, 2; 16, 3 Zu 1; 2 Sent 6: 1, 2 Zu 5); auch die Pflanzen, Tiere und leblosen Wesen streben nach Gott, und jedes .besitzt' Ihn auf seine Weise (CG I I I 18). Nichts ist Gott fremd, alles will sich mit Ihm auf seine Art verbinden (ebd. 25). Für die geistigen Wesen besteht dieser Besitz Gottes in der beseligenden Gottesschau, für die anderen in einer Teilhabe an der Verähnlichung mit Gott nach dem Vermögen, das jedem einzelnen Wesen zukommt (ebd. 19). Thomas sagt: D e s w e g e n e r s t r e b t j e d e s G e s c h ö p f s e i n E i g e n g u t , weil es n a c h Verä h n l i c h u n g m i t G o t t v e r l a n g t (ebd. 24). In einem naturhaften Ganzen hat der Teil keine individuelle Abgeschlossenheit oder eine vom Ganzen losgelöste Einheit und Selbständigkeit, die der des Ganzen Abbruch tun und folglich sich ihr entgegenstellen könnte. Beim Menschen hingegen gibt es eine Konfliktsmöglichkeit, er kann sich in seinem freien Willensentschluß gegen die Seinsordnung wenden, um sich als Teil gegen das Ganze aufzulehnen. Die Übersetzung der Seinsverhältnisse in sein freies Tun ist ihm als sittliche Aufgabe übertragen. Darum ist beim Menschen ein Versagen möglich. Ohne Erbsünde hätte er notwendig alle Eigenwünsche genau so bereitwillig Gott untergeordnet, wie sich die Hand der Gefahr aussetzt zum Schutze des Kopfes. Durch die Erbsünde ist die Natur verdorben, so daß sie ihr Eigenwohl unter Ausschluß des Gemeinwohls sucht, wenn keine Heilung durch die Gnade Gottes erfolgt. Deshalb hätte nach Thomas der Mensch im Zustand der reinen Natur zu seiner Ausstattung keine neue Gnade gebraucht, um Gott natürlicherweise über alles zu lieben, wohl aber im Zustande der verderbten Natur. Die Gnade muß die Natur heilen. Trotzdem entspringt der enge Egoismus der Menschen nicht, wie man etwa auf Grund der allgemeinen Verbreitung dieses Egoismus glauben könnte, seiner naturhaften Anlage; sie gründet sich auf eine durch die Erbsünde erworbene Neigung, die durch jede persönliche Sünde wächst (109, 3: Bd. 14). Nichtsdestoweniger wahren selbst die Sünder die naturhafte Gottesliebe (I 60, 5 Zu 5: Bd. 4). Wenn dem nicht so wäre, gäbe es keine Eigenliebe mehr. In den Leib-Geist-Wesen geht die Entwicklung ihren eigenen Weg. Soweit sie naturhafte Wesen sind, lieben sie Gott mehr als sich, ohne es zu wissen. Sobald der Mensch seinen Verstand gebrauchen kann, übersetzt er dieses Streben nach Gott in ein Verlangen nach dem Guten im allgemeinen oder nach seiner eigenen Glückseligkeit und will diese notwendig in begehrlicher Liebe. Zugleich will er ein konkretes Gut, von dem er annimmt, es gewähre ihm jenes Glück (Div Nom 4, 10). Dabei macht er sich selbst zum Endziel, und das ist so weit richtig, als es seiner noch unvollkommenen Erkenntnis entspricht. Diese Selbstliebe bildet sowohl den Anfang wie die Voraussetzung jeder anderen Liebe. Nur bedarf sie einer Korrektur. Denn sie ist noch nicht ganz

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seinsgemäß, ist noch nicht die richtige Spiegelung der Seins- 28, Verhältnisse in der freien Tätigkeit. Aber wenn der Mensch erk e n n t , d a ß er als geschaffenes u n d abhängiges Wesen kein getrenntes, v o m Ganzen losgelöstes Eigensein besitzt, h a t er die sittliche Pflicht, sein Streben von sich weg auf das wirkliche Endziel u n d wahre Höchstgut zu richten u n d dieses über alles, m e h r als sich selbst, zu lieben. E r darf nicht umgekehrt Gott seinem Eigengut unterordnen u n d ihn als Mittel f ü r seine eigene Glückseligkeit ansehen. „Vollzieht er trotz seiner Einsicht diese W e n d u n g nicht, d a n n bleibt er in einem schuldhaften, sündh a f t e n Infantilismus stecken. Auch in einem solchen Falle ä n d e r t er weder seine ontologische Beziehimg zu Gott noch die der Dinge, er versagt ihnen n u r die Anerkennung. Der Akt, in dem solches geschieht, ist ein Monstrum. E r h a t eine gottwidrige Selbständigkeit u n d eine vernunftwidrige Gottbeziehimg. Sof e r n er frei ist, ist er nicht auf Gott bezogen; sofern er geschöpflich ist, bleibt ihm die Gottbeziehung. Weil dieser aber die Hauptsache, das Wesentliche fehlt, ist sie vernunftwidrig. E i n Mensch, der in dieser Weise handelt, versucht affektiv sein eigenes Sein aus dem Anziehungsbereich Gottes herauszubrechen, j a Gott selbst zu vernichten" (J. E n d r e s , a. a. O. 258). I n der selbstlosen Gottesliebe jedoch k o m m t der Mensch nicht zu kurz. E r könnte Gott gar nicht lieben, wenn E r f ü r d e n Menschen nicht ein Gut bedeuten würde. Überdies m u ß der Mensch sogar, als personales Sein oder Selbstzweck, auf sein Eigengut bedacht sein. Aber je mehr er über sich hinaussieht, u m so echter wird seine Selbstliebe u n d u m so mehr k o m m t er zur eigenen Seinsfülle u n d zu seinem Glück, das ihm gleichsam dazugegeben wird. Liebe bedeutet affektiven Besitz u n d d a r u m a u c h anfängliche Glückseligkeit. Deshalb k a n n das eigene Glück gar nicht ausgeschaltet werden, es braucht aber nicht Beweggrund jeder Liebe zu sein. Wer selbstlos liebt, erfährt notwendig schon im Lieben selbst eine personale Bereicherung. Wird bewußt das Gut des anderen gewollt, d a n n folgt dem selbstlosen Willen das eigene Glück auf dem Fuße. N u r dem Anschein nach können sich die menschlichen u n d göttlichen Ziele entgegenstehen. E s sieht so aus, als ob der Mensch bei der Gottesliebe nicht sich liebe u n d gewinne, sondern sich opfere u n d preisgebe, auf sich verzichte u n d sich verliere. Die Erbsünde ist schuld, daß ungetrübte Liebe notwendig eine Abkehr v o m ungeordneten Ich einschließt. Liebe nach der einen Seite bedeutet Selbstverzicht nach der anderen, w e n n auch diese Selbstaufgabe den Weg zum höheren u n d besseren Selbst bedeutet. E s liegt im Sinne der persönlichen Nachfolge Christi, diese positive Seite auch im persönlichen Denken herauszustellen u n d nicht einseitig das Negative zu erwägen. Selbstverleugnung ist nur das Zweite, nicht das Erste. Sie folgt der Liebe als ihr Schatten. So selbstverständlich bei den rein geistigen Wesen die göttlichen u n d menschlichen Ziele übereinstimmen können, so leicht fallen sie im Leib-Geist-Wesen auseinander. Das Fleisch arbeitet gegen den Geist u n d sucht sein Eigenwohl ohne Rücksichtnahme auf den ganzen Menschen, der in seiner Leib551

28, 3/4 Seele-Einheit höhere Ziele kennt als nur die des Leibes in seiner Isoliertheit. N u r ist dem Leibe selber nicht damit gedient, wenn der Mensch, vom Ganzen losgelöst, in erster Linie dem Leibe dienen will. I n Wirklichkeit ist der Geist in tieferem u n d wahrerem Sinne Mensch als der Leib. Dadurch k o m m t es, daß der Mensch manches reine Sinnengut dem Geistesgut u n d damit Gott opfern m u ß . Aber ein solches Opfer wird notwendig zu einem Verzicht, den er f ü r sein besseres Selbst leistet. I n Wirklichkeit ist jedes Streben nach einem Sinnengut, sofern es der Gottesliebe zuwiderläuft, nur scheinbar echte Selbstliebe. I m Gegenteil! E s ist notwendig zum Schaden des Geistes, also des höheren Wertes im Menschen. E s ist hier wie auch sonst im Kosmos. Nicht auf Grund einer willkürlichen Festlegung u n d Anordnung Gottes, sondern wegen eines im Wesen begründeten Gesetzes heißt verzichten hier soviel wie a u f b a u e n , sich selbst gewinnen u n d a u f w ä r t s schreiten (vgl. I I — I I 25, 7: Bd. 16; 3 Sent 29: 1, 5 Zu 3; Car 12 Zu 6). Sogar geistige Beschäftigungen k ö n n t e n bessere Akte unmöglich machen oder Gelegenheit zu einer U n o r d n u n g werden. E s ist besser, von manchen Dingen keine Kenntnis zu haben, weil sie zum Hindernis f ü r ein ruhiges, geordnetes Seelenleben werden oder sogar zum geistigen R u i n f ü h r e n könnten (I 22, 3 Zu 3: Bd. 2; vgl. I I — I I 167,1: Bd. 22; 3 Sent 35: 2, 3 sol. 3). I n den J a h r h u n d e r t e n nach Thomas wurde von Aszeten die Frage erörtert, ob auch die Glückseligkeit des Menschen im Himmel, also sein letztes Glück u n d ureigenstes Wohl, im Gegensatz zu den Zielen Gottes stehen könne. D a r a u s würde nämlich folgen, daß der Mensch u n t e r U m s t ä n d e n bereitwillig auf eine ihm anfänglich zugedachte höhere Stufe der Seligkeit verzichten u n d sich mit einer tieferen zufriedengeben müßte, weil es so im Plane Gottes beschlossen läge. Thomas h a t diese Frage nicht gekannt u n d nicht erörtert. E r versteht die Stelle, in der Paulus (Rom 9, 2 f.) von einem Verzicht auf persönliche Glückseligkeit spricht, im Sinne von vorübergehenden einzelnen A k t e n der Hingabe u n d des Verzichtes. Sittliche Güter können nach ihm gar nicht hoch genug eingeschätzt u n d geliebt werden (Car 7 Zu 13). F ü r Thomas gibt es n u r eine Grundhaltung: Das geistige Gut ist das Ziel der N a t u r , das d a r u m vom göttlichen Willen u n t r e n n b a r ist. W e n n wir das Gesagte überschauen, können wir der Liebe einen ekstatischen Zug nicht absprechen. Sie greift tief, u n t e r U m s t ä n d e n schmerzlich in das Eigenleben des Menschen ein. Bedeutet Liebe einerseits soviel wie: sein Eigengut suchen, seine Seele finden, so anderseits: sein Eigengut opfern, sich aufgeben, sich verlieren. Liebe wird zu einer Gewalt an der Seele, einer Verwundung der Seele u n d zu einem Sichverzehren. Man k a n n sich d a f ü r auf eine Reihe von Schrift- u n d Väterstellen berufen. D e n n nichts ist im Christentum selbstverständlicher als die Notwendigkeit des Verzichtes, als der bekannte Gegensatz zwischen Selbstliebe u n d Gottesliebe. Aber bereits bei A u g u s t i n ist der gewalttätige u n d tötende Charakter der Liebe nicht wesentlich, sondern bedeutet nur einen vorübergehenden Zustand,

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solange sie nämlich noch die Aufgabe hat, die verdorbene N a t u r 28, 3/4 zu reinigen. So gibt sich die Liebe nicht bloß als die mächtigste Leidenschaft, sondern ebenso als den letzten u n d innersten Grund alles dessen zu erkennen, was geschieht, weil jedes Geschöpf von N a t u r aus auf das Gute angelegt ist, wo immer es sich zeigt. Sie wird zur Grundmacht im gesamten Bereich des Universums. Segen u n d Unheil birgt sie in ihrem Schoß, weil alle anderen Lebensäußerungen, selbst die fremdartigsten, darin ihren Ursprung haben. Die Liebe gibt der Seele den sittlichen Adel, u n d in ihr ballt sich die Lebenskraft, die sich in jeder einzelnen sittlichen T a t auswirkt (Art. 6). Von ihr darf gesagt werden, sie sei die Fülle des Gesetzes (Mt 22, 37); oder wie Augustinus s a g t : „Liebe, u n d d a n n tue, was du willst" (In J o 7, 4, 8; P L 35, 2033). Sie ist ein Weitwerden der Seele, die die Enge des eigenen Ich überwindet, weil wir im Lieben aus uns herausgehen u n d die Tore unserer Seele öffnen, aber nicht, u m uns zu verlieren, sondern zu gewinnen u n d über uns hinauszuwachsen. Zweites Kapitel Ü B E R D E N HASS (Fr. 29) 1. W e s e n d e s H a s s e s (Art. 1). — Eine von der Liebe art- 29, l verschiedene Antriebskraft im Seelenleben des Menschen, mit ebenfalls gegensätzlicher Tendenz, ist das Wider-streben, ganz gleich, unter welcher F o r m es in die Erscheinimg t r i t t , ob als Abneigung oder Widerwille, Ekel oder Abscheu, Verachtung oder H a ß . Seinem Wesen nach besteht es in einem anfänglichen leiblich-seelischen Impuls gegenüber Unwerten, der als a f f e k t i v e s G e t r e n n t s e i n das abstandschaffende Verhalten des Menschen grundlegt u n d sich weiter bis in die feinsten Verästelungen des Tuns auswirkt. Trotz der gegensätzlichen Tendenz k a n n Widerstreben nicht ohne vorhergehende Liebe bestehen. Wir müssen sogar sagen, jeder Art von Liebe folgt als ihr Schatten Widerstreben oder H a ß . E r lebt sogar sein „Schattendasein" aus der Liebe, die sich als erste Antriebskraft des Seelenlebens bereits f ü r ein letztgewolltes Gut entschieden h a t . Erst im Lichte dieses Letztgewollten bekommen die Umweltdinge ihren Wert u n d werden als entsprechend oder nichtentsprechend, d. h. als gut oder böse beurteilt. Wir haben früher schon darauf hingewiesen (vgl. K o m . zu F r . 23 u. 25), daß im n a t u r h a f t e n Begehren die Neigung zum Naturgemäßen genügt, u m sich zugleich vom Naturwidrigen abzuwenden, wie etwa Feuer durch E r w ä r m e n gleichzeitig die K ä l t e vertreibt. Beim sinnenhaften Streben u n d geistigen Wollen kennen wir diese Unmittelbarkeit nicht. Liebe u n d H a ß sind zwei verschiedene Antriebe, einem erkannten Wert gegenüber Liebe u n d einem Unwert gegenüber H a ß . Trotzdem besteht ein B a n d zwischen ihnen. Weil ein erkanntes Gut den formellen Grund f ü r Liebe u n d nur ein erkanntes Übel den Grund f ü r H a ß abgibt und überdies die Liebe zu einem Gut die Wurzel für das 36 10

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29, 1 Abwehren jeder auftretenden Gefährdung dieses Gutes bildet, wird formell in der Liebe das eine gewollt, doch darin bereits wurzelhaft oder anlagemäßig das andere verschmäht. So haben wir im Haß das bewußte Widerstreben gegen das Naturwidrige, das, wenn wir an die Leidenschaft im eigentlichen Sinne denken, vom sinnenhaften Wahrnehmen ausgelöst wird und zugleich den Leib durch ein „organisches Widerstreben" in der Form des Sichverschließens oder Sichwegwendens in ihren Dienst stellt. Während Gegenstand der Liebe ein Gut ist, das den Menschen bereichert und zur Vollendung bringt, tritt beim Haß umgekehrt das Wesensfremde in den Vordergrund, das den wesensgebundenen Entwicklungsprozeß gefährdet, stört oder hemmt — das Übel schlechthin. So weit liebt der Mensch etwas, als es „sein Gut", und so weit haßt er etwas, als es „sein Übel" ist. 29, 2

2. Zwei G r u n d f o r m e n (Art. 2). —- Wesentlich besteht Liebe in einer affektiv und effektiv einenden, einheitstiftenden Kraft, in der es zum Erleben eines vorgegebenen überindividuellen ganzheitlichen Zusammenhanges kommt. Demgegenüber ist der Haß eine affektiv und effektiv trennende, distanzschaffende Kraft, in der eine vorgegebene erkannte Fremdheit oder die Unmöglichkeit einer Partnerschaft im Füreinandersein erlebt wird. Die beiden Grundformen der Liebe, die wohlwollende und begehrliche, zeichnen sich ähnlich im Haß ab. Abneigung und Haß bedeuten im Gegensatz zur personalen Liebe personales Widerstreben. In der Abneigung wird der andere als Partner des Miteinanderseins instinktiv abgelehnt. Warum das geschieht, ist letztlich nicht zu ergründen. Haß geht auf den Menschen als solchen und sieht ihn nicht mehr als würdigen und ebenbürtigen Partner des Miteinanderseins gerade auf diesem Hintergrund des Personseins an. Im Gegenteil, wie wohlwollende Liebe dem andern Gutes wünscht, besteht Haß darin, dem andern übelzuwollen. Der glühende Haß fühlt sich zur Vernichtimg des Gehaßten mit seiner ganzen Existenz aufgerufen, wobei das Füreinander- und Miteinandersein in der Liebe ins Gegeneinandersein umschlägt. „Wie in der Liebe die eigene Existenz für das Dasein des geliebten Menschen eingesetzt wird, so kann auch der Haß bis zur Preisgabe des eigenen Lebens zum Ziel der Vernichtung des gehaßten Wesens gehen" ( L e r s c h , a. a. O. 217 f.). Richtet sich das Widerstreben dagegen nicht auf die eigene Person oder die eines anderen, sondern auf etwas Abstoßendes, z. B . etwas Unangenehmes oder Schädliches, ganz gleich für wen, dann reden wir, der begehrlichen Liebe entsprechend, von Abscheu oder Ekel. Beide sind bestimmt von dem Wunsche, mit dem, worauf sie sich beziehen, nicht in Berührung zu kommen. So im Ekel vor einer Speise, aber auch im Abscheu vor einem Anblick oder vor einem Menschen. Beim physischen Ekel z. B . wehrt sich der Mensch dagegen, mit einem andern Stoff in Berührung zu kommen, von ihm durchsetzt und infiziert zu werden. Es geht also um die Belange des Selbstschutzes, der Selbstbewahrung ( L e r s c h , a. a. O. 184). Analog die gleichen

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Prozesse haben wir im geistigen Abscheu, in der inneren Ab- 29, 2 lehnung im Interesse der Selbstbewahrung (Art. 1). 3. U r s a c h e d e s H a s s e s (Art. 3). —• Wie bei der Liebe 29, S wirken Subjekt u n d Objekt im E n t s t e h e n von Abneigung u n d H a ß ursächlich zusammen. D a sich jede Bewegung zwischen zwei Polen vollzieht, dem einen, von dem sie ausgeht, u n d dem andern, auf den sie zugeht, finden wir beim H a ß die gleichen Verhältnisse, wie wir sie bei der Liebe beschrieben haben (vgl. Kom., S. 530 ff.), hier wieder: Wohlbefinden auf der einen Seite u n d das seinsgefährdende Übel auf der anderen. Aus dem bew u ß t e n Erleben der eigenen Verletzlichkeit u n d Gefährdung sowie der möglichen Schädigung oder Vernichtung durch etwas entsteht das triebhafte Verhalten nach A u f h e b u n g dieses Spannungszustandes zwischen den beiden Polen, zunächst in einer inneren Abkehr, in Abscheu, Widerstreben, H a ß . Die dem gefährdenden Übel, das den Menschen in seinem Bestände bedroht oder a n der Erreichung seiner Seinsfülle hindert, eigentümliche Wirkweise ist nicht die des Bewirkens im Sinne einer Wirkursache, sondern eine solche, die a m besten u n t e r dem Bilde des Abstoßens u n d Vonsichweisens beschrieben werden kann. Außerdem wirkt es artbestimmend auf die F o r m u n d Weise der inneren Abkehr. So fühlt sich der Mensch von einem Übel abgestoßen u n d verschließt sich notwendig vor ihm, weist es von sich a b oder strebt von ihm weg. Wie alles, was den Menschen anzieht, den Charakter eines Gutes h a t , das er als ihm entsprechend erstrebt, so h a t alles das, was den Menschen abstößt, den Charakter des Bösen, dem er als ihm nicht entsprechend widerstrebt (Art. 1). Wirkursächlich gesehen ist neben dem Strebevermögen die Liebe a m E n t s t e h e n des Widerstrebens beteiligt. J e d e Hinwendung zu einem Gut f ü h r t notwendig zur Abkehr von allem konträr Entgegengesetzten (Art. 2 Zu 2 u. 3). I n der Liebe u n d durch sie liegt alles Widerstrebende u n d Abstoßende fest. Allein dadurch, daß etwas dem Verfolgen eines Zieles hindernd in den Weg t r i t t , wird es zum Gegenstand der inneren Abkehr oder des Widerstrebens, des Hasses (Art. 2). Hinzu kommen natürlich, ähnlich wie bei der Liebe, die einzelnen Veranlagungen des Menschen, die eine besondere Antwortbereitschaft bewirken. Wegen dieses ursächlichen Verhältnisses k a n n der H a ß nie stärker werden als die Liebe, die unmittelbar auf ihr Ziel geht u n d n a t u r g e m ä ß als letzte treibende K r a f t mächtiger sein m u ß als das, was davon gespeist wird, wie H a ß u n d Abneigung, die sich mit den Hindernissen im Erreichen eines Zieles befassen. W e n n trotzdem die Glut des Hasses manchmal leidenschaftlicher zu sein scheint als das Feuer der Liebe, d a n n k a n n das darin seinen Grund haben, daß es sich u m ganz verschiedene, nicht voneinander abhängende seelische Bewegungen handelt. Wir brauchen n u r a n die Erfahrungstatsache zu denken, daß, wie allgemein jede Leidenschaft, auch der H a ß im Augenblick der U m s t i m m u n g a m fühlbarsten wird. Die ruhig fließende Liebe fällt nicht oder k a u m auf, weil die leiblich-seelische Verfassung bereits zum selbstverständlichen Besitz geworden ist; wohl aber 36*

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29, 3 der H a ß , wenn er plötzlich den Menschen anfällt u n d d a n n schockartig die U m s t i m m u n g des Organismus einsetzt. Das ist indes keine Eigentümlichkeit des Hasses. Bei der Liebe geht es ebenso, wenn sie plötzlich zündet. 29, 4-6

4. G r e n z e n d e s H a s s e s (Art. 4—6). — D e m H a ß sind insofern Grenzen gesetzt, als sowohl der Mensch selbst wie die Wahrheit von vornherein aus seinem Bereich ausscheiden. Sich selbst hassen ist unmöglich, weil alles, was vom Menschen erstrebt wird, schon dadurch zu einem Gut f ü r ihn wird. J e m a n d e m G u t e s w o l l e n heißt aber ihn lieben. Auch der Selbstmörder liebt sich, wenn er sich das Leben nimmt, weil er den Tod als das E n d e seines Elendes betrachtet u n d somit als etwas Gutes ansieht (Art. 4 Zu 2). N u r u n b e w u ß t oder z u f ä l l i g (objektiv) k a n n der Mensch gegen sich handeln, wenn er einem wirklichen Gut sich zuzuwenden glaubt, in Wirklichkeit aber ein Übel vor sich h a t . Solche Menschen hassen sich in Wahrheit, wo sie sich zu lieben glauben. Ebenso unbewußt h a ß t sich der Mensch, der in arger Selbsttäuschung die körperliche u n d sinnenhafte N a t u r f ü r sein eigentliches Sein hält u n d nur dieses verzeichnete Selbst liebt, dabei sein wahres u n d eigentliches Ich insofern verkennt u n d h a ß t , als er den Forderungen des Geistes zuwiderhandelt (2 Sent 42: 2, 2 qa 2 Zu 2). Der Selbsthaß geht zurück auf falsche Selbstliebe u n d diese auf falsche Selbsterkenntnis. N u r wer geordnet zu lieben weiß, versteht auch geordnet zu hassen (Art. 4). Ebensowenig k a n n der Mensch, wenn wir H a ß als Leidenschaft nehmen, a n sich die Wahrheit hassen, so sehr es mitunter den Anschein h a t , als würde sie w ü t e n d b e k ä m p f t . Niemals k a n n ein Gut zum Gegenstand des Hasses werden, soweit es Gut ist, ganz gleich, ob es sich u m das unendliche oder ein endliches Gut handelt. Gewiß, das Seiende, das Wahre u n d das Gute sind sachlich dasselbe. Deshalb k a n n die Wahrheit auch nicht Gegenstand des Hasses sein, sofern er Leidenschaft ist. Das ist n u r z u f ä l l i g möglich auf Grund der mit ihrem Aneignen verbundenen Mühe u n d Anstrengung. Dagegen ist wohl möglich, daß eine besondere Wahrheit, die die Interessen eines Menschen hindert oder stört, abstoßend wirkt (Art. 5). Einem Sünder ist das Wissen u m die Gottesgebote unangenehm u n d lästig. E s wäre ihm lieber, er h ä t t e vom Christentum nichts gehört u n d genösse in Unwissenheit die subjektive Freiheit oder die subjektive Ungebundenheit der Nichtchristen (ebd.). W e n n wir dagegen im H a ß eine Abwehr oder ein Widerstreben des Willens sehen, k a n n sehr wohl Widerwille oder Überdruß oder Interesselosigkeit f ü r eine erkannte Wahrheit entstehen, wie wir sie etwa in der Lauheit oder Unlust f ü r geistige Werte erleben (Art. 6). Drittes Kapitel BEGIERDE UND SEHNSUCHT (Fr. 30) 30, l/2 1. W e s e n d e r B e g i e r d e (Art. 1 u. 2). — Wenn der erste Impuls des Seelenlebens, die Liebe, stark genug ist, weckt sie

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eine neue seelische Antriebskraft: Begierde und Sehnsucht. 30, l/2 Art und Richtung sowie Kraft und Stärke der Liebe bestimmen Gestalt und Maß dieser Bewegung, in die die Liebe hineindrängt, wenn sie diesen Namen zu Recht trägt und sich ihr irgendeine Tür zum erstrebten Gut hin auftut (Art. 2). Thomas versteht unter diesem Antrieb alle inneren und, darin angelegt, alle äußeren Akte des Ausschauhaltens, Erspähens, Suchens und Ergreifens, um den Gegenstand der Neigung in Besitz zu bringen und zu genießen. In der lateinischen Bezeichnung für Begierde (con-cupiscentia) kommt ihr leiblich-seelischer Charakter deutlich zum Ausdruck. Dagegen besagt einfache Sehnsucht mehr den geistigen Antrieb als das leidenschaftliche Begehren (Art. 1 Zu 2). Deshalb ist Begierde jenes sinnenhafte, natürlich drängende innere Suchen und Ergreifen, das als Leidenschaft oder leiblich-seelische Antriebskraft dem begehrenden Strebevermögen angehört (Art. 1). Ihren Gegenstand bilden jene Güter, an denen der Mensch Gefallen hat, die aber noch nicht in seinem Besitz sind (Art. 2) und zudem den Wert des Lustvollen haben. Sie werden erstrebt, weil sie angenehm sind und Genuß verschaffen (Art. 1). Ganz allgemein fallen nach Thomas unter die Lust die Genußwerte, die er vornehmlich in dem sieht, was dem Nahrungs- und Geschlechtstrieb in seiner jeweiligen individuellen Ausprägung zugeordnet ist. Wir sagen vornehmlich, denn mit diesen Genußgütern ist der Umfang der Lust nicht erschöpfend angegeben. Wohl wird der Mensch im Dienste der Selbsterhaltung und Fortpflanzung am mächtigsten von diesen Trieben gedrängt und gezogen ( I I — I I 141, 3—5: Bd. 21). Daneben gibt es noch unbestimmbar vieles, was der Selbsterhaltung, Selbstbewahrung, Selbstbereicherung und dem eigenen Wohlsein oder, um mit den modernen Psychologen zu sprechen, dem Beschäftigungs- und Erlebnisdrang, dem Genuß - und Eigenwertstreben, dem Niveauanspruch, Geltungsdrang und Willen zur Macht usw. dient und somit Gegenstand des Luststrebens sein kann ( I I — I I 143, 1: Bd. 21; 160, 1. 2: Bd. 22), wobei das Streben nach diesen Gütern ausschlaggebend abhängt von der Konstitution und leiblich-seelischen Verfassung des Einzelnen (ebd. 155, 4; 156, 1: Bd. 22). Ohne sich dem Vorwurf des Hedonismus auszusetzen, darf man behaupten, daß das Streben nach Lust ein naturhafter Impuls ist, dem zweifellos eine wichtige Rolle im menschlichen Lebenshaushalt zufällt, in dem er für den rhythmischen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung sorgt. Dabei bleibt das Luststreben an objektive Gesetze, an Aufgaben und Leistungen gebunden und steht so im Dienst am Leben. Wie oben schon angedeutet, gibt es ein Streben nach geistigen Gütern, das Thomas als Sehnsucht bezeichnen möchte, weil darin keine unmittelbare wesensmäßige Verbindung mit dem Körperlichen ausgesprochen wird wie bei der Begierde (Art. 1 Zu 2). Wenn trotzdem die geistige Sehnsucht mitunter Begierde heißt, geschieht diese Benennung im uneigentlichen Sinne, auf Grund einer Ähnlichkeit im Streben, wie wir es etwa im Geltungsdrang, Willen zur Macht, Eigenwertstreben und Wissensdrang haben, oder wenn etwa im Denken nicht der Wahrheits557

30, 1/2 gehalt, sondern die Eleganz der geistreichen u n d witzigen Pointe gesucht u n d gewertet, die spielerische F u n k t i o n des Denkens genossen w i r d ; aber auch wegen der Kraftfülle, die sich im geistigen Wollen entlädt, so d a ß sie übergreift auf das sinnenhafte Begehren, u n d n u n beide Strebekräfte zusammen, jedes auf seine Art, das geistige Gut erstreben. Mit Leib u n d Seele steht der Mensch hinter diesem Wollen, wie es etwa im religiösen Leben beobachtet werden kann, wenn z. B. die Liebe, Güte oder Barmherzigkeit Gottes den Menschen ergreift u n d möglicherweise zu Tränen r ü h r t (Art. 1 Zu 1). 30, 3

2. E i n t e i l u n g d e r B e g i e r d e (Art. 3). — Wer Begierde hört, denkt zumeist a n die böse Begierlichkeit. Durch die E r b schuld ist dem Menschen jene K r a f t genommen worden, die bis dahin, d a n k der Freigebigkeit Gottes, das niedere Begehren gänzlich dem Willen unterordnete. J e t z t ist die menschliche N a t u r ihrer angestammten Geteiltheit ausgeliefert. I n dieser Gestalt, als ungeordnetes, zum Bösen reizbares Begehren, das sein enges Eigengut losgelöst vom G u t des Ganzen erstrebt, heißt es böse Begierlichkeit (Ver 25, 7; vgl. I — I I 82, 3: Bd. 12). A r i s t o t e l e s n e n n t alle diese Begierden n a t u r h a f t u n d meint d a m i t die rein vitalen Antriebe, wie sie allen animalischen Wesen eigen sind. Auch im Menschen können sie wegen ihrer Verankerung im Körperlichen u n d Psychischen n a t u r h a f t auft r e t e n u n d t u n es tatsächlich, u m dem Geist über die jeweiligen Bedürfnisse im vitalen Bereich zu berichten u n d dessen Wünsche zum Ausdruck zu bringen, wie z. B. H u n g e r u n d Durst als Bedürfnis nach neuer Nahrungszufuhr beweisen. Streng genommen sind das noch keine Leidenschaften; H u n g e r u n d Durst, die m a n Körpergefühle nennen mag, bieten wohl die Grundlage f ü r darauf gründende Leidenschaften, können allerdings auch, ohne Dazwischentreten des Geistes, zu rein vitalen Begierden werden. Davon verschieden sind die n i c h t - n a t u r h a f t e n oder gelenkten Begierden, wie sie im Menschen sein sollen, der, von seiner Erkenntnis geleitet, sich dem zuwendet, was seiner Gesamtwohlfahrt a m besten dient. Als m e n s c h l i c h e Antriebsk r ä f t e sind sie auf die Lenkung durch den Geist angelegt. Deswegen ist es Aufgabe u n d sittliche Pflicht des Menschen, dem ungestümen D r a n g des sinnlichen Begehrens entgegenzutreten, u m es so aus der ihm eigenen Enge zu befreien u n d u n t e r der Leitung des Geistes z u m willigen u n d starken Bundesgenossen im sittlichen Leben zu machen, so d a ß die Begierde auf ihre A r t Träger u n d Verfechter des Sittlichen wird. Anderseits werden die menschlichen Begierden durch die Verankerung im Triebhaften mehr noch als die geistige Sehnsucht der ungebundenen Willkür des Menschen entzogen. Sie verlangen gebieterisch nach Beachtimg der f ü r sie geltenden Lebensgesetze, die nicht ohne Gefährdung der leiblichen u n d seelischen Gesundheit vom Menschen übertreten werden können (vgl. K o m . zu F r . 24). Die verschiedene Einstellung des Menschen zu seinen n a t u r h a f t e n Begierden oder seinen Triebansprächen h a t der Tiefenpsychologie in den einzelnen E n t wicklungsstufen den Ansatzpunkt geboten, an dem S. F r e u d ,

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A. A d l e r , R . A l l e r s , F r . K ü n k e l , C. G. J u n g u n d V. E. 30, S F r a n k l , u m nur einige N a m e n zu nennen, angesetzt haben, u m zu richtunggebenden Normen zunächst f ü r die seelische Heilbehandlung u n d später ganz allgemein f ü r die Erziehungslehre u n d Seelenführung zu kommen. Durch ihre Forschungen haben sie zum Verständnis u n d zur Aufhellung der menschlichen Strebungen in ihren m i t u n t e r eigenartigen, manchmal sogar unverständlichen u n d k r a n k h a f t e n Formen wesentlich beigetragen. Jedenfalls spielen die imbewußten seelischen Mißbildungen in Verdrängungen u n d Komplexen, die bei Nichtbeachtung der f ü r den Menschen geltenden seelischen E n t wicklungsgesetze entstehen, eine größere Rolle, als m a n ihnen lange zugestanden h a t . Eingehende Selbstkontrolle oder fachkundige seelische Analyse durch einen Psychotherapeuten oder Psychagogen k a n n den Menschen von seinen Begierden her a n die letzte Wurzel seiner Wünsche führen, wo sich eine vielleicht abwegige Liebe seiner bemächtigt h a t , sei es ein ausgeprägter, einseitiger u n d ungesunder Geltungsdrang auf einem bestimmten Gebiet ohne geistige Verarbeitimg der Gegebenheiten, ein ebenso unverarbeitetes u n d unausgeglichenes Kompensations- oder Überkompensationsstreben, oder sei es allgemein das Fehlen sowohl der offenen u n d ehrlichen inneren Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Anlagen oder den Lebenswerten überh a u p t mit ihrer Hierarchie, wie auch der bereitwilligen Einordnung aller Wünsche u n d Strebungen in den vorgegebenen Lebensrahmen. Verborgene u n d unerkannte K r ä f t e können aus dem Unbewußten geheimnisvoll ins Leben wirken u n d es entscheidender beeinflussen als das unmittelbar Bewußte. Ist die Wurzel einmal aufgedeckt, d ü r f t e manches Rätselhafte a m menschlichen Charakterbild entschleiert u n d vielleicht f ü r eine Neuausrichtung u n d geordnete Lebensbewältigung der Weg geb a h n t sein. I n der Erziehungslehre k o m m t es der Tiefenpsychologie auf die offene Auseinandersetzung des Menschen mit seinen Begierden usw. wie auf ihre Verarbeitung u n d naturgemäße Lenkung an, u m dadurch Verdrängungen u n d die Bildung von Minderwertigkeitsgefühlen oder anderer seelischer Komplexe von vornherein zu verhüten. 3. M a ß d e r B e g i e r d e (Art. 4). — Den n a t u r h a f t e n Be- 30, i gierden oder Triebansprüchen, die sich in einem animalischen Wesen melden, h a t die N a t u r in den biologischen Bedürfnissen des Leibes ein fest umgrenztes Maß gegeben. Mit der Befriedigung des Triebes hört die Begierde vorläufig auf, bis sich das gleiche biologische Bedürfnis von neuem meldet u n d der Trieb in der neuen Befriedigung wieder zur R u h e kommt. Diese Naturunmittelbarkeit mit ihrem physischen Maß u n d Zwang, ihrem rhythmischen Wechsel zwischen Trieb u n d Trieberfüllung hört im Menschen auf, wenn die eigentlich leidenschaftlichen Begierden sich melden. D a sie vom Geist gelenkt werden u n d nicht unmittelbar von der N a t u r selbst, hängt von diesem u n d seinem freien, allerdings sittlich gebundenen Willen die Maßbestimmung ab, so daß von innen her Genußgüter unbegrenzt begehrt werden können. E s k o m m t im einzelnen

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30, 4 darauf an, wie sich der Mensch dem begehrten Gut zuwendet. Unter den Gütern, um die sich der Mensch bemüht, gibt es solche, die als erstrebenswertes Z i e l die Sehnsucht des Menschen wecken, und andere, die erst erstrebenswert werden durch ihre Z i e l b e z o g e n h e i t oder Zielstrebigkeit. Darunter fällt alles das, was eines Zieles wegen begehrt wird. Zum Beispiel kann die Arbeitsfähigkeit eines Menschen als Ziel, und Essen oder Trinken, Schlaf oder Erholung als nützliches und unentbehrliches Mittel dafür angesehen und erstrebt werden. Alle Nutzwerte sind ihrem Wesen nach durch das Ziel innerlich begrenzt. Nur so weit werden sie begehrt, als sie zweckdienlich sind. In dieser Zielsetzung liegt eine feste Begrenzung für das Begehren. Unter das Zweckdienliche fallen ihrer Natur nach allgemein alle sinnlichen Genußgüter. Inhaltlich gesehen bleiben sie begrenzte Güter. Trotzdem kann die Art und Weise, mit der sie begehrt werden, grenzenlos und maßlos sein. Der Mensch verabsolutiert auf Grund seiner Geistigkeit das begrenzte Gut und ist imstande, diesem vergotteten Gut alles zu opfern. Maßlos liefert er sich dann den sinnlichen Genüssen aus, schwimmt haltlos und ungebunden im Strom seiner Begierden. Die sinnlichen Güter sind für ihn nicht nur Ziel, sie können sogar entgegen der Seinsordnimg zugleich zu einem Ziel schlechthin gemacht werden. Und doch bleiben sie ihrem Sein nach Zwischenziele, die nicht aus ihrer begrenzten Stellung herausgenommen werden dürfen. Wir kennen den Typ des Genußmenschen, bei dem das Genießen und Erleben aus seiner dienenden Stellving herausgenommen und zum höchsten und ausschließlichen Ziel des Daseins gemacht wird. Infolgedessen kennt er keine Bindungen an Dinge und Menschen, keine Verantwortung und Verpflichtung ihnen gegenüber. Arbeit und Leistung, Aufgabe und Forderung werden abgelehnt, um in Willkür und Launenhaftigkeit nach neuen Reizen Ausschau halten zu können. Wenn er nicht genug an Reizen bekommen kann, dann deshalb, weil er sie in einem Maße sucht, das nicht mehr aus den natürlichen Notwendigkeiten ableitbar ist. Er will den Dingen Reize abgewinnen, die sie gar nicht haben. Was ihm im letzten abgeht, ist Bodenständigkeit; es fehlt ihm, was man als Leistungsgewissen und Aufgabebewußtsein im Verhältnis zu den Dingen bezeichnen kann (vgl. L e r s c h , a. a. O. 97 f.). Bei den geistigen .Begierden' ist es ähnlich. Der Zusammenhang mit der Natur ist gelockerter und der Mensch noch mehr auf sein eigenes inneres kluges Urteil angewiesen. Reichtum, Ehre, Ansehen, Anerkennung, Bewunderung und geistige Lust etwa mögen ohne bewußte feste Umgrenzung Ziel des menschlichen Geltungsstrebens oder des Eigennutzes sein. Aber auch sie haben ihr objektives Maß in den berechtigten Zielen im Dienste der vernünftigen leiblichen und geistigen Lebensinteressen des Einzelnen. Verläßt der Mensch diese Begrenzimg, dann verliert er den Boden unter den Füßen, wird unersättlich, macht Nutzwerte zu Selbstwerten und verabsolutiert in sich begrenzte Güter in Geld- und Raffgier, in Gewinnsucht und Habsucht, in Überheblichkeit und Anmaßung, weit über die Belange hinaus, die er im Dienste des Lebens zu wahren hat.

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Wie weit die Maßlosigkeit gehen k a n n , zeigt der T y p des 30, 4 Geltungssüchtigen. I n der Geltungssucht k a n n der Geltungsanspruch nicht durch tatsächliche Leistungen u n d Wertverwirklichungen erfüllt werden, wird aber dennoch nicht aufgehoben, sondern hartnäckig aufrechterhalten. N u n versucht m a n vorzugeben, was m a n gar nicht h a t . Der Geltungssüchtige verfällt d a n n auf bestimmte Verhaltungsweisen u n d P r a k t i k e n u n d flüchtet etwa in die Krankheit, in die Pose oder Maske z. B. der Bescheidenheit, Selbstlosigkeit, Unterordnimg usw. (vgl. L e r s c h , a. a. O. 120 ff.). Allen diesen Fällen ist die Umkehrung der Seinsordnimg gemeinsam. Zweckdienliche Werte werden zu Selbstwerten gemacht. Viertes Kapitel LUST U N D F R E U D E (Fr. 31—34) I. I h r e W e s e n s b e t r a c h t u n g (Fr. 31) § 1. WESEN DER LUST

(Art. 1) An den ersten leiblich-seelischen Antrieb (Liebe) u n d das er- 31, l lebte Hinstreben u n d Aufnehmen (Begierde u n d Sehnsucht) schließt sich als Letztes die leiblich-seelische E r f a h r u n g der eigenen Seinserhöhung oder die der Erfüllung eines in den verschiedenen Trieben sich meldenden Anspruches in Lust oder F r e u d e an. Solche Lust bedeutet ganz allgemein das Erleben u n d Auskosten dieser inneren Bereicherung. Die Frage ist, worin dieses lustvolle Erleben u n d Auskosten s e i n s m ä ß i g besteht. Der philosophisch-theologische Zusammenhang, in dem Thomas die Leidenschaften behandelt, legt ihm diese Fragestellung auf. Thomas ordnet die Lust dem großen Lebensvollzug ein u n d sieht sie von vornherein in Verbindimg mit dem Wachsen u n d Sichentfalten des Menschen. H a t t e P l a t o Lust u n d Genuß mit der Wiederherstellung des physischen Gleichgewichtes gleichgesetzt, sie also praktisch mit Körpergefühl oder Organzustand, d. h. mit Sinneswahrnehmungen auf eine Stufe gestellt, löst Thomas einmal grundsätzlich den leiblich-seelischen Vorgang von diesen rein körperlichen Empfindungen u n d sieht ihn d a n n zusammen mit der Seinsbereicherung oder E n t f a l t u n g des Menschen durch den Besitz eines begehrten Gutes. Menschliches Wachsen u n d Reifen vollzieht sich in den verschiedenen Tätigkeiten des Menschen, wodurch er zu der von seiner N a t u r gewollten Vollendung kommt, in der er mehr u n d mehr zu sich selbst u n d seinem Selbstbesitz gelangt. Lust ist n u n nichts anderes als der psychologische Widerschein dieser E n t f a l t u n g u n d Vollendung im Affektiven. So zu verstehen ist die Begriffsbestimmung, die Thomas mit A r i s t o t e l e s von Lust gibt: sie sei „eine Bewegung der Seele sowie eine vollendete (d. h. ganz zugleich vorhandene) u n d fühlbare Hineinbildung in den ihr naturgemäßen Z u s t a n d " . Über diese auf den ersten Blick rätselh a f t e Begriffsbestimmung ist viel geschrieben worden. Die einen

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l halten, sie für nicht-aristotelisch, andere, wenn schon für aristotelisch, dann doch für ungenügend; wieder andere erklären, Aristoteles habe sie selber in der Folge verbessert und zurückgenommen.1 M e i e r (a. a. 0 . 84) weist nach, daß Thomas durch seine geniale Art, mit der er die aristotelische LustDefinition erklärte, die entgegenstehenden Bedenken behebt. Nach Thomas gehört die Lust als „Bewegung der Seele" zu den Leidenschaften schlechthin, und zwar haben Lust und Genuß in dem „Hineingebildetwerden in den ihr naturgemäßen Zustand" ihre Ursache, die in der Verwirklichung des ihr naturgemäßen Zustandes, d. h. in der wachsenden Seinserfüllung und Seinserhöhung eines Wesens besteht (Zu 1). „Das Hineingebildetwerden in den naturgemäßen Zustand", wie Thomas das Werden und die Vollendung des Menschen nennt, ist somit nach ihm nicht wesentlich identisch mit Lust, bildet aber wohl deren Ursache, sobald es dem Menschen irgendwie zum Bewußtsein kommt. Darum unterstellt Thomas, daß es sich um eine „wahrnehmbare" Seinsbereicherung handeln muß (Art. 4 Zu 1). i Lust und Freude finden sich nur in empfindlichen Wesen. Mögen Pflanzen sich z. B . entwickeln, wachsen und kräftig oder widerstandsfähig werden, sie empfinden trotzdem keine Lust, denn dazu ist das Erleben der Seinserhöhung vorausgesetzt. Schließlich wird durch „vollendete" oder „ganz zugleich vorhandene" Hineinbildung zum Ausdruck gebracht, daß es sich beim Wesen der Lust nicht um ein Hineingebildet wer den, sondern um ein Hineingebildet s e i n handelt. 2 In Begierde und Sehnsucht bemüht sich der Mensch um den Besitz eines Gutes. Seiner Natur nach tritt das Besitzergreifen mehr nach außen hin in die Erscheinimg und erstreckt sich über kürzere oder längere Zeit. Angesichts dessen scheint der Besitz des Gutes als solcher lediglich Abschluß oder Ende der Bewegung zu sein, so daß mit dem Aufhören der äußeren Bewegung auch die innere aufhört. Dem ist nicht so; Lust bzw. Freude besagt nicht Aufhören jeglicher Regung und Bewegung im Seelenleben des Menschen, sondern höchste Fülle des Seins und lebendigstes Ergriffensein von seinem Besitz und Reichtum (vgl. 23, 4; 34, 2). Dieses Ergriffensein im Inneren des Menschen hat Thomas im Auge, wenn er in der Begriffsbestimmung Lust und Freude als B e w e g u n g der Seele charakterisiert. Er meint damit nicht das Übergehen von der Anlage zur Wirklichkeit oder das allmähliche Fortschreiten vom Unvollendeten zum Vollendeten 1 Vgl. zur Problematik dieser Begriffsbestimmung Meier, a. a. 0 . 81 ff. " M e i e r (a. a. 0 . 84) sagt von der Erklärung des Aquinaten: „Diese Erklärung ordnet die aristotelische Lustbestimmung in der Rhetorik (wo er von einer Wiederherstellung des physischen Gleichgewichtes spricht.) nicht bloß widerspruchslos in die Ausführungen der Nikomachischen Ethik ein (wo er diese Wiederherstellung des Gleichgewichtes akzidentell nennt und im Genuß wesentlich die Begleiterscheinung einer vollkommenen und unbehinderten Tätigkeit sieht), sondern läßt sie als die vorzüglichste Definition erscheinen, die Aristoteles von der Lust oder Freude gegeben hat." Der Schlüssel der letzten Erklärung liegt darin, daß Thomas den zweiten Teil der Begriffsbestimmung als U r s a c h e der Lust und nicht als Folge oder Wirkung hinstellt. Mit A r i s t o t e l e s verwirft Thomas die platonische Auffassung, nach der die Lust ein Werden sei und deshalb dem Gebiet des Unvollendeten angehöre. Vielmehr stelle Lust und Freude das Ergebnis des Werdens dar.

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oder einen Werdeprozeß, dessen einzelne Phasen m a n verfolgen 31, l kann, wie etwa bei einem B a u Anfang, Entwicklung u n d Abschluß unterschieden werden können, wie P l a t o das annimmt (Art. 2). Vielmehr handelt es sich u m eine Bewegung, die ganz u n d zugleich durch das Bewußtsein vom endlichen Besitz oder dem Erreichthaben des ersehnten Gutes ausgelöst wird. Lust u n d Freude bestehen in der V o l l e n d u n g der Tätigkeit, d. h., sie sind nicht identisch mit der Tätigkeit, wie Plato meint, stellen vielmehr etwas Selbständiges dar, nämlich eine zu der Tätigkeit selbst hinzukommende u n d von ihr verschiedene Vollendung. Wie einer harmonisch gewachsenen Rose der Schmelz der Schönheit oder wie der Liebreiz eines jugendlichen Menschen der ebenmäßigen Gestalt notwendig folgt, so folgen mit Notwendigkeit dem Besitz eines erstrebten u n d lang u m k ä m p f t e n Gutes Lust u n d Freude, so daß der Weg zur Freude oder Lust, wesensmäßig gesehen, über die Erreichung u n d den Besitz eines menschenwürdigen Gutes f ü h r t (vgl. 33, 4; CG I 90: „Die Lust . . . vollendet das Wirken wie die Schönheit das Jungsein."). § 2. DIE BEIDEN GRUNDFORMEN DER LUST

(Art. 2—4) E s gibt zwei große F o r m e n des Genießens. Die eine ist ein 31, 2-4 Sinneserlebnis, das sich als Leidenschaft im eigentlichen Sinne im niederen Strebevermögen vollzieht (Art. 4 Zu 2) u n d Lust oder Genuß heißt. Die andere F o r m ist die Freude; sie gehört als geistiger Vorgang, der allerdings auch Lust oder Genuß heißen kann, in den Willen u n d k a n n nur im analogen Sinne als Leidenschaft bezeichnet werden. Die Freude kennt keine körperliche Komponente und besteht im reinen Willensakt. Somit gehören zur Lust als Leidenschaft die durch die Sinne vermittelten Erlebnisse des Lustvollen, m a g das auch u n t e r der Leitung von Verstand u n d Willen geschehen. E s geht dabei nicht u m Selbstwerte, sondern lediglich u m das Lustvolle oder u m Dinge der Umwelt in ihrer Beziehung zu den leiblichen Ansprüchen des Menschen. Vollzieht sich dagegen das Genießen nicht nur auf der Basis des Leibes u n d seiner Organe u n d geht es primär den Willen u n d seine ihm zugeordneten Güter an, d a n n haben wir jene geistige Lust, die wir Freude nennen. W ä h r e n d der Gegenstand der sinnlichen Lust die Bedeutung einer zufälligen u n d auswechselbaren Gelegenheit besitzt, geht es in der Freude u m geistige u n d d a r u m dauerhafte Werte. J e d e r Vollzug des Genießens setzt aber voraus, d a ß in ihm irgendwie ein Lebensdrang zur Erfüllung gekommen ist. Sich-freuen u n d Sichvergnügen verhalten sich zueinander wie Tiefe u n d Oberfläche. Freude ist insofern tief, als sie den personalen Schwerpunkt des Menschen trifft, den Menschen ganz erfaßt u n d alle seine Seinsschichten durchdringt. Sie hebt ihn aus der Gebundenheit an die Zeit, wogegen niedere Lust u n d »Vergnügen' a n den Augenblick gebunden bleiben, den Menschen nur in einem Teil seines Seins, dem leiblich-seelischen, beschäftigen u n d dadurch keinen ganzheitlichen, sondern nur bruchstückhaften Charakter haben. Ist Freude in ihrem reinsten Sinne personale, absolute, zeitlose 563

31, 2-4 L u s t über geistige Werte, so wirkt die niedere Lust oder das .Vergnügen' wegen der Zufälligkeit u n d Auswechselbarkeit des Gegenstandes nur f ü r den Augenblick u n d bedarf einer steten Reizerneuerung, u m erhalten zu bleiben (Art. 3 u. 4). Mit der Überzeitlichkeit der geistigen u n d der Zeitgebundenheit der sinnlichen Lust r ü h r e n wir an ein Problem, das seinen Niederschlag ebenso in der modernen Psychologie wie bereits in der altgriechischen Philosophie gefunden h a t . Vom eigentlichen Wesen der Lust ausgehend, sagt Thomas, d a ß sie ganz zur gleichen Zeit da sei. I n der Betonimg dieser Zeitlosigkeit der Lust schließt er sich a n A r i s t o t e l e s an, bleibt aber nicht ganz bei dessen Auffassung, sucht vielmehr „den schroffen Gegensatz zwischen aristotelischer u n d platonischer Auffassung der Lust zu schwächen u n d in etwa auszugleichen u n d weicht eben damit von der streng aristotelischen Auffassung a b " ( M e i e r , a. a. O. 87). Thomas m a c h t nämlich eine Einschränkung. An sich ist es jeder Lust eigen, ganz zur gleichen Zeit da zu sein. I h r e m Wesen nach schließen Lust u n d Freude kein Nacheinander ein. Zufällig k a n n es aber doch sein; wenn nämlich auf Grund des Gegenstandes u n d der wechselnden Verhältnisse im Menschen — denken wir nur a n die wechselnde Bedeutimg von R u h e u n d Spiel, Essen u n d Trinken usw. f ü r den Menschen wegen seiner wechselnden Bedürfnisse — ein Nacheinander entsteht u n d so der Genuß nicht ganz zur gleichen Zeit u n d f ü r immer da sein kann. U n t e r s t e h t d a r u m der Gegenstand der Zeitdauer, d a n n ist in diesem Sinne nach Thomas auch die Lust ,mitfolgend' a n die Zeit gebunden. Das trifft aber nicht zu, wenn der Gegens t a n d der Lust in unveränderlichem Besitz ist, wie es im Besitz des unendlichen Gutes in der ewigen Seligkeit der Fall ist. So sucht Thomas zwischen A r i s t o t e l e s u n d P l a t o z u vermitteln. A n sich ist die Lust zeitlos oder vollendet ( A r i s t o t e l e s ) , zufällig k a n n sie aber in der Zeit, also (nach Plato) unvollendet sein (Art. 2; vgl. M e i e r , a. a. O. 87). § 3. VERGLEICH ZWISCHEN LUST U N D LUST

(Art. 5—8) 31,5/6 1. I h r e R a n g o r d n u n g (Art. 5 u. 6). — Vorrang der geistigen Lust vor der sinnlichen: Beide haben Wesentliches gemeinsam, wenn es sich auch in beiden jeweils auf besondere Weise ausprägt. I n beiden erlebt der Mensch affektiv ein Reicherwerden, sobald es ihm irgendwie bewußt wird. Schon die innere Bereicherung durch die Tätigkeit als solche, die rein nach innen weist u n d zunächst v o m Gegenstand absieht, stellt einen Wert dar u n d ist Ursache der Lust. J e d e Tätigkeit bedeutet rein als solche eine Vervollkommnung, d. h. eine Bereicherung des Tätigen. Das gilt von den sinnlichen u n d geistigen Tätigkeiten des E r kennens u n d Strebens, die als immanente Tätigkeiten vor allem den Träger vervollkommnen wollen u n d d a r u m in sich schon einen W e r t f ü r den Menschen bedeuten, der ihm auch bewußt ist u n d d a n n in der Lust Helligkeit u n d Licht verbreitet. E i n Vergleich zwischen geistiger F r e u d e u n d sinnlicher Lust, die aus den inneren Akten, etwa des Erkennens, hervorgehen, zeigt,

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d a ß die geistige Lust über eine tiefere Einsicht weit größer ist 31, 6/6 als die sinnliche über eine sinnliche W a h r n e h m u n g . Geistiges Erkennen u n d Erfassen ist in sich schon vollkommener u n d d a r u m beglückender u n d es k o m m t darüber hinaus dem Menschen als innerer Reichtum oder echter Besitz mehr zum Bewußtsein, so daß es mächtiger in die Seele ausstrahlen k a n n als d a s sinnliche Wahrnehmen. Wie sehr der Mensch jene schätzt u n d der sinnlichen vorzieht, deutet A u g u s t i n u s an, wenn er sagt, der Mensch verzichte eher auf das Licht seiner Augen als auf das des Verstandes. Das gleiche zeigt sich, wenn wir auf den Wert schauen, u m den es sich bei beiden handelt. Das Gut, u m das es sich bei der F r e u d e handelt, ist geistiger N a t u r , mithin vollkommener u n d somit eher imstande, den Menschen zu befriedigen u n d ihm den eigentlichen personalen Reichtum sowie die innere Reife zu bringen. Deshalb wird es naturgemäß höher geschätzt als ein auswechselbares u n d von zufälligen U m s t ä n d e n abhängendes, begrenztes materielles Gut, etwa ein festliches Mahl. Wie wahr das ist, zeigen einmal diejenigen, die sich sogar die lockendsten sinnlichen .Freuden' versagen, u m etwa nicht ihren guten Ruf zu verlieren; u n d d a n n diejenigen, die Entbehrung, Anstrengung u n d Mühe auf sich nehmen, u m geistige Güter zu erringen, Ansehen, Anerkennung, Auszeichnung u. ä. Weil zudem der Träger der geistigen Freude höher steht als der der sinnengebundenen Lust, lassen die geistigen Freuden eine Tiefenmöglichkeit zu, die der Sinnenlust verschlossen bleibt. Die edlere Seite unserer N a t u r wird angesprochen, der Mensch wird in seinem Wesenskern berührt, u n d zwar sind die Freuden u m so größer, je tiefer der Mensch in seinem Erkennen das Wesen der Dinge erfaßt. Weil Freude den geistigen Besitz des erstrebten Gutes voraussetzt, entscheidet als Letztes die Innigkeit dieses Besitzes, der enger, vollkommener u n d dauerhafter ist, als es in der Region der Sinne sein kann. E n g e r u n d inniger ist die Verbindung, weil die Tätigkeit der Sinne nur auf die Eigenschaften, auf die Außenseite u n d das Außerwesentliche der Dinge geht. Sie bleibt a n der Oberfläche hängen. Der Geist dringt bis zum Wesenskern vor u n d ist so im Letzten u n d Tiefsten mit ihm verbunden, wodurch Freuden eigener Art u n d Feinheit verursacht werden. Wie groß solche F r e u d e n sind, bleibt z. B. dem nicht verborgen, der mit immer wachsendem Verständnis in die Lebenszusammenhänge eindringt oder in der Wissenschaft den letzten Ursachen der Dinge nachgeht. — V o l l k o m m e n ist sie, weil jede sinnenhafte Vereinigung notwendig mit einer Art Bewegung oder Werden verbunden ist. Bewegung aber besagt unvollkommenes Sein, das ein Nacheinander einschließt. Deshalb k a n n die sinnenhafte Lust niemals zur selben Zeit ganz d a sein, z. B. beim Nehmen von Speise u n d Trank. Nur nach u n d nach wird die damit verbundene Lust erlebt. J e mehr das materielle Element vorherrscht, desto tiefer sinkt die damit verbundene Befriedigung im W e r t . Diesem gegenüber ist die geistige Freude frei von einer derartigen Beschränkung u n d einem solchen Nacheinander. Sie ist ganz u n d uneingeschränkt

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31, 5/6 zur selben Zeit da. — Schließlich sind die geistigen Freuden ihrer Natur nach d a u e r h a f t u n d u n z e r s t ö r b a r . Materielle Güter haben ihren Beizwert bald erschöpft, wogegen geistige Güter zum unvergänglichen und unzerstörbaren Besitz werden, weshalb die geistigen Freuden auch die reinsten und höchsten sind. Eines hat aber die sinnliche Lust der Freude voraus: sie wird heftiger erlebt und heißer begehrt, so daß sie unablässig und unwiderstehlich den Menschen anlockt und reizt. Er muß ihr sogar Zügel anlegen, um sie zu mäßigen und in die gottgewollte Bahn zu lenken (Art. 5 Zu 3). Thomas weiß um diese allgemein be kannte Tatsache und erkennt auch an, daß sinnenhafte Lust tatsächlich mehr angestrebt und begehrt wird als geistige Freude, die das Ziel gereifter Menschen ist (ebd. Zu 1). Der Einfluß der sinnenhaften Lust rührt daher, daß sie weit b e k a n n t e r ist als die geistige Freude; oft genug ist sie sogar die allein bekannte; deshalb gilt sie im Urteil der Masse als die einzige Freude des Menschen und erlangt vorzusgweise den Namen .Freude'. Weil der Mensch erst durch das Sinnliche zum weiter zurückliegenden Geistigen vorstößt, kann man es durchaus verstehen, wenn Menschen mit geringen geistigen Ansprüchen auf der Strecke bleiben und vom Sinnenhaften absorbiert werden (ebd.). — Dazu ist sinnenhafte Lust err e g e n d e r u n d f ü h l b a r e r als geistige Freude. Sinnenhafte Genüsse bestehen eben nicht allein in einer seelischen Regung. Sie besitzen überdies eine leibliche Wesensseite, wogegen geistige Freude als reiner Willensakt keine leibliche Wesenskomponente hat. Nur auf dem Wege über das Vorstellungsvermögen oder auf Grund eines ungewöhnlich starken Ergriffenseins fließt die freudige Erregung infolge der gemeinsamen Seelenwurzel auf das sinnenhafte Begehren über und ergreift auf diesem Wege den Leib, in dem die physiologische Umstimmung erfolgt. — Schließlich werden die sinnenhaften Lüste, nach denen die Natur verlangt, als unentbehrliche Erholungen besonders w o h l t u e n d empfunden. Der Schöpfer hat mit allen dem Aufbau dienenden oder im Dienste des Lebens stehenden Betätigungen des Menschen Lust verbunden. Der sinnenhaften Lust ist es nun noch eigen, daß sie a u s e i n e m M a n g e l und dem daraus fließenden Unbehagen geboren wird. Im Unbehagen des Hungers und Durstes meldet der menschliche Organismus selber den Mangel an Aufbaustoffen an und ruft darin zugleich nach Nahrungszufuhr und darin nach der sinnenhaften Lust als einem Ausgleich gegenüber der Anstrengung, Erschöpfung oder Unpäßlichkeit des Leibes, sowie den daraus entspringenden Verstimmungen des Gemütes. Durch ihren gegensätzlichen Charakter steht die Lust dem Unbehagen gegenüber und wird dadurch erst recht zu einer Wohltat und einem Heilmittel. Wegen des Gegensatzes wird die Lust angenehmer empfunden und lebhafter begehrt als geistige Freude, die diesen gegensätzlichen Charakter nicht so sehr kennt. Außerdem werden diejenigen, die nur körperlich arbeiten, nur körperliche Wünsche kennen oder nur an sinnliche Lust gewöhnt sind, an rein geistigen Freuden kaum Geschmack finden (4 Sent 49; 3, 5 qa 1). Ferner: 566

Weil der Mensch auf Lust angelegt ist, muß er seine Lust haben. 31, 5/6 K e n n t er die höhere nicht oder kann er sie nicht erreichen, wird er die niedere suchen, die er eher erreichen kann ( I I — I I 35, 4 Zu 2 : B d . 17; 119, 1 Zu 3 : B d . 20). Rein geistige Freuden, etwa die des Gelehrten, bleiben notwendig einem kleineren Kreis vorbehalten, aber tiefere Erkenntnis und feine Seelenkultur erschließen allen geistig und sittlich Gereiften geistige Freuden, Rangordnung unter den sinnlichen Lüsten: Nicht jede sinnliche Lust hat für den Menschen die gleiche Bedeutung. Offenkundig werden diejenigen, die mit der Selbsterhaltung und Fortpflanzung zusammenhängen, vorgezogen, und davon sind wiederum die letzteren die stärksten und die am meisten gesuchten (Mal 15, 4). Bei der unmittelbaren Bedeutung oder dem N u t z e n des Tastsinnes für die Erhaltung der sinnbegabten Lebewesen und weiterhin der Art ist es durchaus verständlich, wenn die mit seiner Betätigung verbundene Lust eine besondere Anziehungskraft auf dem Menschen ausübt. Der Tastsinn wirkt naturhafter als die anderen Sinne; er ist enger mit der E r haltung des Lebens verbunden als diese. Deswegen stellt er, wie alles Naturhafte, die mächtigste K r a f t im Menschen dar, so daß auch alles naturhafte Begehren auf die .Freuden' des Tastsinnes letztlich hingeordnet ist, z. B . das Begehren nach all dem, was mit Nahrung und Fortpflanzung zusammenhängt. Wenn Thomas von ,naturhaft' spricht, kann er jedenfalls nicht meinen, das naturhafte Begehren sei n u r auf die Freuden des Tastsinnes hingeordnet. Diese Auffassung widerspricht, so betont C a j e t a n , der Lehre des A r i s t o t e l e s , an den sich Thomas anschließt. Aristoteles hält für naturhaft, was nicht aus freier Überlegung geschieht. Nach ihm ist es durchaus ,naturhaft', wenn sich das Auge am Schönen erfreut oder das Ohr am harmonischen Wohlklang, rein wegen des naturhaften Aufeinander abgestimmtseins. ,Naturhaft' kann hier per excellentiam verstanden werden. Der Sinn wäre dann: das Begehren ist v o r n e h m l i c h auf die Freuden des Tastsinnes naturhaft hingeordnet, d. h. mehr auf diesen als auf die anderen Sinne. D a s N a t u r h a f t e i s t i n j e d e m W e s e n d a s M ä c h t i g s t e . Was also mehr naturhaften Charakter trägt, ist dementsprechend auch mächtiger. Demnach müssen jene Freuden die größten sein, auf die das naturhafte Begehren vornehmlich ausgerichtet ist. Thomas findet noch einen anderen Unterschied zwischen beiden Sinnen. Der Gesichtssinn gehört zur Ausstattung der sinnbegabten Wesen, aber nicht aller. E s gibt Wesen ohne Gesichtssinn, aber keine ohne Tastsinn, der deshalb naturhafter sein muß als der Gesichtssinn. Darum ist er fundamental in seiner Bedeutung und gehört zur notwendigen Ausrüstung der Sinneswesen. Angesichts dessen ist der Gesichtssinn zweitrangig, ist nicht unbedingt zur Lebenserhaltung notwendig, dient vielmehr einem besonderen Wohlbefinden, ist ad melius esse. So wird es verständlich, wenn die verschiedenen Sinne insofern und so weit Lust bereiten, als sie in ihrer Ausrichtung auf den Tastsinn ihm irgendwelche Zubringerdienste leisten. So liegen die Verhältnisse bei den Tieren. I m Menschen dagegen wird der Gesichtssinn aus dem rein naturhaften Zu-'

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31, 5/6 sammenhang herausgehoben. Seine Funktionen werden als Wahrnehmungstätigkeiten zu einer Bereicherung des Tätigen und damit zu einem Gut, das dem Menschen bewußt und als solches schon lustbringend wird. Diese Freuden sind dem Menschen vorbehalten. Immerhin bleiben sie hinter denen des Tastsinnes zurück. Sieht man dagegen den Gesichtssinn im Zusammenhang mit dem geistigen Erkennen, dem er dient, dann stehen die damit verbundenen Freuden, etwa beim Kunstgenuß, wegen ihrer Nähe zu den geistigen Freuden an erster Stelle. 31, 7

2. I h r e N a t u r g e b u n d e n h e i t (Art. 7). — Nicht alles, was .Freude' genannt wird, verdient ohne weiteres diesen Namen. E s gibt wahre und echte Freuden, die das menschliche Leben über weite Strecken hin erhellen; es gibt solche, die es nur für den Augenblick tun, wie die sinnlichen. Daneben gibt es andere, unnatürliche und sogar falsche oder trügerische, die mit Freude außer einem gewissen äußeren Schein nichts gemein haben. E c h t e Freuden können nur auf dem reinen, unverfälschten Boden der Menschennatur gedeihen, d. h. sie müssen natürlich sein. Natürlich ist für den Menschen alles, was seiner Natur gemäß ist. Weil die menschliche Natur aus zwei Wesensteilen besteht, einem geistigen und einem leiblichen, kann etwas zunächst seiner Wesensform, durch die er zum Menschen wird, entsprechen. Danach sind alle geistigen Freuden natürlich. Ferner kann etwas seiner Leib-Natur entsprechen. So gesehen sind alle ,Freuden', die darin ihre Wurzel haben, also mit Selbsterhaltung und Fortpflanzung verbunden sind, natürlich. W a s diese Verbindung mit der Menschennatur nicht aufweist, verdient den Namen ,Freude' nur mit entsprechender Einschränkung. Nim können aber infolge der menschlichen Anfälligkeit, sei sie leiblicher, psychischer oder geistiger Art, krankhafte oder andere störende Veränderungen vor sich gehen, die die natürlichen Verhältnisse in Einzelfällen verschieben, so daß Lusterlebnisse, die an sich unnatürlich sind und auch bleiben, auf Grund solcher Prozesse und hinsichtlich dieser individuellen Veränderung etwas Naturgemäßes an sich haben. Man denke etwa an die Geschmacksveränderungen oder den Wechsel der Neigungen zur Zeit der Krankheit, an seelische Abnormitäten oder an schlechte Gewohnheiten. Weil die Neigungen dieser Menschen wegen ihrer augenblicklichen oder dauernden Verfassung anders gelagert sind und zum Unnatürlichen neigen, bekommt die damit möglich gemachte Lust oder Freude zwar etwas der Natur Verwandtes, bleibt aber im wesentlichen unnatürlich. E s ist sogar möglich, von außen her bewußt in die Unverletztheit des Organismus einzugreifen und für den Augenblick unnatürliche Zustände und damit Neigungen künstlich zu schaffen, etwa durch Gebrauch von Stimulantien, um auf diesem Wege Genußmöglichkeiten leiblicher, seelischer und geistiger Art zu ermöglichen, über die der Mensch sonst entweder gar nicht oder nicht in dem gesuchten Maße verfügt. Außer einem gewissen trügerischen Schein bleibt von natürlicher Lust nichts mehr übrig. Lust und Freude lassen sich als sittlich wert-

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volle Antriebe nicht von den natürlichen Tätigkeiten trennen, 31, 7 vertragen indessen wohl eine geordnete und naturgemäße Unterstützung und Förderung vom Körperlichen her. 3. I h r e G e g e n s ä t z l i c h k e i t (Art. 8). — E s besteht eine 31, 8 auffallende Ähnlichkeit zwischen Verliebtheit und sinnlicher Lust. Der Verliebtheit ist es eigen, einseitig bei äußeren Reizwerten stehen zu bleiben, so daß der Verliebte durch den Reizwert äußerer Eigenschaften einseitig erfaßt wird. F ü r die Dauer dieses Zustandes verhindert er das Vordringen bis zum Personwert des anderen und schafft Platz für unwirkliche Illusionen. Ahnlich beschäftigt die sinnliche Lust nicht alle Bezirke des Menschen, sondern nur einen Teil. Sie hat also keinen ganzheitlichen, sondern nur bruchstückhaften Charakter, dazu mit dem offenkundigen Ziel, den Menschen vollständig in seinen B a n n zu ziehen. Der Mensch kann sich sogar in den Taumel des Vergnügens stürzen, um den höheren Bereich mit seinen edleren Werten abzublenden oder zu übertönen und so vor sich selbst zu fliehen. Zum mindesten wird das Empfinden für geistige Werte und Freuden abgestumpft. Schuld daran ist zunächst das sinnliche Begehren mit seinem Verabsolutierungsdrang, der auf der erbsündlichen Belastung des Menschen beruht, nicht aber eine etwaige Gegensätzlichkeit zwischen den sinnenhaften und geistigen Freuden, die ein Zusammengehen von affektiver und geistiger Lust von Natur aus unmöglich machen würde. I m Gegenteil, geordnete sinnenhafte Freude erwartet ihre Durchgeistigung, wie etwa in der ehelichen Begegnung die gegenseitige personale Liebe zur geistigen Freude am Besitz des Gatten führt und diese ihren Ausdruck im leiblichen Einswerden mit der begleitenden Lust findet. I n dem e i n e n leiblichgeistigen Geschehen nimmt die sinnenhafte Lust die Stelle der stoffgebundenen Wesenskomponente ein. Wenn die Lenkung und Vergeistigung der sinnlichen Lust nicht immer gelingt und diese sich oft selbständig macht, um sich eigenmächtig auf Grund des triebhaften Drängens gegen den Geist durchzusetzen, dann liegt das an der Störung, die von der ungeregelten Leidenschaft ausgeht (vgl. dazu K o m . zu F r . 24). Wohl gibt es eine konträre Gegensätzlichkeit zwischen einzelnen Formen der sinnlichen Lust, etwa zwischen der bei W a r m und K a l t , B i t t e r und Süß usw. Hier schließt das eine das andere aus a u f G r u n d d e r G e g e n s ä t z l i c h k e i t d e r G e g e n s t ä n d e . Die gleiche Gegensätzlichkeit besteht zwischen einzelnen geistigen Freuden. Das hängt von dem gegenseitigen Verhältnis ab, in dem die Gegenstände, über die man sich freut, zueinander stehen. Wenn andere Freuden nicht zur selben Zeit möglich sind, liegt der Grund dafür in der B e g r e n z t h e i t d e s M e n s c h e n , der sich jeweils nur mit einem befassen kann und sich deshalb von allem anderen abwenden muß. Betrachtet man dagegen die einzelnen Gegenstände nicht in ihrem natürlichen Sein, sondern als sittliche Werte, dann hört jede objektive Gegensätzlichkeit überhaupt auf. Derselbe Wesensgrund, die Übereinstimmung mit der Sittennorm, gibt allen Dingen ihren sittlichen Wert, so daß sie sich zu einer Einheit in Über-, Unter -

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31, 8 und Gleichordnung zusammenschließen. Sittliche Freude an e i n e m sittlichen Wert schließt nicht nur nicht, vom Wert her gesehen, die Freude an einem anderen aus, bejaht vielmehr grundsätzlich alle anderen im gleichen Akt. Wenn trotzdem der Mensch gezwungen wird, sich e i n e m Wert ausschließlich zuzuwenden, selbst dann geschieht die Auswahl gerade dieses Wertes der augenblicklichen Situation des Menschen entsprechend im Sinne der sittlichen Wertordnung (Antw. u. Zu 1). II. Ihre ursächlichen Zusammenhänge (Fr. 32) § 1. I N N E R B URSACHEN

32, 1-4

(Art. 1—4) Wo immer Lust entsteht, ist die menschliche Tätigkeit ihre Vermittlerin, und zwar in einem doppelten Sinne. Ihr fällt die Aufgabe zu, dem Menschen seinen Eigenbesitz zum Bewußtsein zu bringen, und sie wird so zur Ursache der Lust, so daß der Weg zur Lust notwendig über das Wissen um den Besitz führt. Reichtümer, von denen er nichts weiß, nützen dem Menschen wenig. Sehen wir von der Tätigkeit ab, die lediglich den angegebenen vermittelnden Charakter hat und in diesem Sinn von Thomas als W i r k u r s a c h e bezeichnet wird (33, 4 Zu 2), so bleibt noch eine andere Tätigkeit als Ursache der Lust, nicht zwar als Wirkursache, wie die oben genannte, sondern als W e s e n s u r s a c h e , doch nicht innere, sondern gegenständliche, äußere Formalursache, weil sie Gegenstand der Lust ist. Ohne diese Tätigkeit gibt es weder Lust noch Freude. 1 In diesem Sinne kann nur eine solche Tätigkeit Ursache der Lust werden, die den natürlichen Forderungen entgegenkommt und dadurch den Charakter des Naturgemäßen an sich trägt. Sie muß also hervorgehen aus einem dem Menschen innewohnenden oder eingeborenen Gehaben und muß den naturgewollten Zustand verwirklichen. Ein solches Tätigkeitsgehaben erfaßt und vervollkommnet innerlich das Vermögen. Gewissermaßen werden die vielen Möglichkeiten des Vermögens auf einen bestimmten Kreis von Tätigkeiten eingeschränkt, so daß die Zerstreutheit und Indifferenz des Vermögens aufgehoben wird (31, 1 Zu 1) und die Handlungen naturgemäßer werden. Solche Gehaben sind nun, je nachdem, leicht oder weniger leicht zu verlieren, was entweder in der Natur des Gehabens begründet ist oder in der Verwurzelung, die ein Gehaben im Individuum gefunden hat, so daß es leicht verlierbar wird, wenn es nur locker mit ihm verbunden ist und beim leisesten Windhauch wieder verflüchtigt. So wohnt etwa die Wissenschaft in einem Anfänger, die Tugend der Maßhaltung in einem eben bekehrten Trinker. Dagegen wird das Gehaben schwer verlierbar, wenn es zur zweiten Natur geworden ist, also tief, fast untrennbar im Träger wurzelt. Man spricht dann von einem „Gehaben in der Weise eines beständigen Gehabens" (Bd. 11, 470). So finden sich die sittlichen Gehaben etwa in einem gereiften Menschen. Darum ist die Arbeit eines Anfängers 1 Vgl. M o r g o t t , Die Theorie der Gefühle im System des heiligen} Thomas. Eichstätt 1860, 62; vgl. 4 Sent 49: 3, 2 Zu 1 u. 3.

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in der Wissenschaft, der sich in die neuen Probleme vertieft 32, 1-4 u n d sich u m ihre Lösung bemüht, mit mancherlei Anstrengung verbunden. Dasselbe gilt etwa vom Trinker, der mit den besten Vorsätzen sein Leben neu beginnt. E r s t d i e Tätigkeiten werden Ursache der Lust, die einem fest verwurzelten Gehaben entspringen. D a n n wird die Lust a n der wissenschaftlichen Arbeit wach oder die Freude a m sittlichen oder übernatürlichen Leben. „Die Leichtigkeit, Lust u n d Freude a m Tätigkeitsvollzug eines Gehabens läßt sich n u r aus der subjektiven Beständigkeit des Gehabens schöpfen" (ebd.). Daher weist Thomas (Art. 2 Zu 3) auf die G e w o h n h e i t e n als Quelle der Lust ausdrücklich hin, weil sie gewissermaßen zur zweiten N a t u r werden. Alle erworbenen Tugenden, sowohl die intellektuellen wie die sittlichen, schließen auf Grund der Leiblichkeit des Menschen wesenhaft Ü b u n g u n d Gewöhnimg ein. So k o m m t die Weise des beständigen Gehabens zustande. Das Gehaben wird zur zweiten N a t u r , u n d dadurch bringt die Gewohnheit eine gewisse Leichtigkeit u n d Freudigkeit f ü r das Tätigsein m i t . Diese Eigenschaft h a t die übernatürliche oder eingegossene Tugend nicht, wenigstens nicht ihrem Wesen nach (65, 3 Zu 2: Bd. 11; Virt 10 Zu 14; Virt card 2 Zu 2), aber das vermindert durchaus nicht ihr Tugendsein. An sich genügt zur tugendhaften Handlung, d a ß sie ohne Unlust gesetzt wird; fühlbare Freude braucht nicht dabei zu sein (1 Sent 48; 1, 4; Virt 10 Zu 15). Die übernatürliche Tugend ist keine .Gewöhnung', sondern eine von Gott eingegossene K r a f t , die sich langsam die „Wirkungen einer Gewöhnung", also die Weise eines beständigen Gehabens erringen m u ß (Bd. 11, 602 Anm. [5]). E s gibt neben dieser im Geiste wurzelnden Gewohnheit noch mechanisierte, v o m Gehaben losgelöste, sogenannte Automatismen. Sie sind ebenfalls zu einer zweiten N a t u r geworden, weil sie den Handelnden mit der Leichtigkeit u n d Sicherheit einer n a t u r h a f t e n Bewegung t ä t i g sein lassen u n d somit Gleichförmigkeit in seine Tätigkeit bringen, die aber im Gegensatz zum Gehaben etwas Mechanisches u n d Dressurhaftes an sich h a t . Sie gehören in das Gebiet des Unbewußten. „Man eignet sie sich dazu an, u m durch mechanischen Ablauf gewisser Tätigkeiten die geistige S p a n n k r a f t nicht unnötig zu belasten. Man k a n n sie geradezu als E n t l a s t u n g des Bewußtseins bezeichnen. Das gilt nicht n u r von den äußeren Gewandtheiten, wie etwa von der Fingerfertigkeit beim Klavierspielen, das gilt auch von den geistigen Routinen, wie Lesenkönnen. Wohl dienen diese lebendigen Mechanismen dem menschlichen Geist zur Vervollkommnung. Aber diese geistig-stofflichen Fertigkeiten sind nicht das eigentliche Seelenleben, sondern nur dessen Diener und Handlanger. Die mechanischen Gewohnheiten sind daher mehr den toten Seinsgehaben, die zu einer Tätigkeit .benutzt' werden, nicht aber den Tätigkeitsgehaben selbst einzuordnen" (Bd. 11, 528). I n diesem Sinne wird das Betätigen der Gewohnheit eine „Hineinbildung in den naturgemäßen Zustand". Es k a n n n u n nicht anders sein, als daß eine e r z w u n g e n e T ä t i g k e i t , die einer Gewohnheit, einem Gehaben oder der Neigung eines Menschen entgegensteht, zu einer mühevollen u n d anstrengen-

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32, 1 -4 den Betätigung wird. Sie wird in gewissem Sinne widernatürlich. Der Mensch h a t d a r a n nicht Lust, sondern eher Überdruß. Abschließend können wir sagen: E i n wesentliches Moment in der Ursache von Lust u n d F r e u d e bildet das Naturgemäße einer Tätigkeit ( A r i s t o t e l e s sagt m i t Recht von P l a t o , er h ä t t e die Ursache der Lust nicht als eine empfundene, sondern als ungehinderte Tätigkeit definieren sollen. J e d e Tätigkeit, die ungehemmt mithilft zur Verwirklichung des naturgewollten Zustandes, f ü h r e auch zur F r e u d e [ M e i e r , a. a. O. 94]). Durch die geforderte E n t s p r e c h u n g eines Gutes k o m m t in irgendeiner F o r m eine starke Wandelbarkeit in die Auffassung dessen, was dem Menschen jeweils lustvoll ist, so daß A b w e c h s l u n g u n d V e r ä n d e r u n g in die Reihe der Ursachen der Lust einrücken müssen. Einmal liegt es an der Veränderlichkeit der augenblicklichen Verfassung, daß das, was jetzt passend u n d zuträglich ist, es später durchaus nicht zu sein braucht. Zum Beispiel ist das E r w ä r m e n a m Feuer im Winter angenehm, im Sommer nicht. E i n anderer Grund liegt in der Naturgemäßheit des Gutes. Auch da schafft der Reiz der Neuheit Freude. E s ist zwar richtig, daß die fortgesetzte Beschäftigung mit derselben Sache die W i r k u n g der Leistung erhöht, wie z. B. jemand desto wärmer wird, je länger er sich in der Nähe des Ofens aufhält. E s entscheidet indessen nicht die Wirkung allein, sondern zugleich das Verhältnis, in der sie zum Einzelwesen steht. Sie p a ß t n u r in abgewogenem Maße zur N a t u r u n d ist ihr n u r so zukömmlich. Dieses Abmessen m u ß notwendig geschehen u n d diese Beherrschtheit im Gebrauch der einzelnen Güter m u ß vorhanden sein, wenn eine Tätigkeit lustvoll sein soll. I n dem Augenblick, in dem der Organismus genügend W ä r m e angenommen u n d sein Maß erreicht h a t , h a t der Aufenthalt in der Nähe des Ofens seinen Zweck erfüllt. Weitere Steigerung der W ä r m e ist nicht mehr angenehm. E r s t die Veränderung oder das Weggehen aus der Nähe des Ofens wird angenehm. Das Neue wird reizvoll u n d zieht an. D a r a n liegt es, d a ß uns Menschen, die nur selten kommen, oder Dinge, die wir nur selten haben, angenehm sind. Die Seltenheit a n sich bedeutet schon etwas Gutes: O m n e r a r u m carum. Weil die Zuträglichkeit eines Gutes auf die D a u e r a b n i m m t u n d schließlich ganz a u f h ö r t , verblaßt notwendig die d a m i t verbundene Lust. Als Letztes k o m m t noch die Unvollkommenheit unserer E r k e n n t n i s hinzu. 1 Der Mensch strebt von N a t u r aus danach, etwas allseitig u n d in seinen letzten Gründen zu erfassen, was er f ü r gewöhnlich nicht mit einem Mal k a n n . Vielmehr f ü h r t der Weg von einer Teilerkenntnis fortschreitend zur anderen, bis d a n n das ganze Gebäude der Erkenntnis vor ihm steht, wie etwa bei einem Menschen, der sich dem Studium der Philosophie hingibt, oder bei einem, der nur einen Vortrag hört. Das fortschreitende u n d immer tiefer eindringende E r k e n n e n wird zu einer ständig fließenden Freudenquelle. 1 Ein Grund, den Thomas den Selbstbekenntnissen A l i g u s t i n s entnimmt (Confess. 4, 11; PL 32, 700), wogegen der Hinweis auf die Begrenztheit und den Mangel unserer Natur, die oben schon angeführt wurden, von A r i s t o t e l e s stammt (Meier, a. a. O. 94 f.).

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Über all den Wesen steht n u n Gott in seiner Unveränderlich- 32, l 4 keit u n d Ewigkeit. Von I h m sagt A u g u s t i n u s : „ W a s ist doch das, mein Herr u n d mein Gott? D u bist Dir Selbst die ewig gleiche Freude, u n d was u m Dich ist, f r e u t sich an Dir in ewig gleicher Lust . . . " W e n n es also ein Wesen gibt, dessen N a t u r unveränderlich ist, das ein Überschreiten des n a t u r h a f t e n Maßes bei ununterbrochener Freude nicht zuläßt, das sich zudem in einem einzigen Geistesblick ganz in seiner Gutheit erfassen kann, dann lebt dieses Wesen in ewiger, unveränderlicher Freude u n d wird nicht satt, sich selber in nie zu erschöpfender Freude die ganze Ewigkeit hindurch zu genießen. D a haben Abwechslung u n d Veränderung als Freudenquelle jede Möglichkeit u n d Berechtigung verloren. I n etwa wird das sogar Wirklichkeit bei menschlichen Freuden. J e mehr die Menschen sich dieser Glückseligkeit nähern u n d sie in der Ewigkeit schließlich ganz besitzen, u m so mehr wird Veränderung unmöglich u n d überflüssig. Reichtümer können dem Menschen wenig helfen, wenn er nicht irgendwie über sie verfügen kann, d. h. sie wirklich besitzt. Soweit ein Besitz dem Menschen verfügbar zur Seite steht, wird er in seiner Art zur Quelle der Lust. Möglich ist im allgemeinen ein s p i e g e l b i l d l i c h e s oder gegenständliches Besitzen im Erkennen, Wissen u n d Vergegenwärtigen; d a n n ein t a t s ä c h l i c h e s H a b e n , das wiederum zwei Möglichkeiten k e n n t : den w i r k l i c h e n , augenblicklichen Besitz eines Gutes u n d ein m ö g l i c h e s , in Hoffnung u n d E r w a r t u n g vorweggenommenes Haben. Der tatsächliche Besitz stellt naturgemäß eine tiefere F o r m der Besitzergreifung dar als der nur gedachte, u n d größer ist wiederum der wirkliche Besitz eines Gutes als der n u r mögliche. So ist die durch die wirkliche Gegenwart eines sinnenhaften Gutes verursachte sinnliche Lust die größte. Die H o f f n u n g n i m m t durch Vorgriffe in die Z u k u n f t im Erleben des kommenden Besitzes die Freude vorweg. Aber gerade durch dieses Vorgreifen h a t die Vorfreude gegenüber der wirklichen, die im Besitz des Gutes liegt, etwas Abgeschwächtes u n d Schattenhaftes a n sich. Liebe u n d Sehnsucht bestehen ihrem Wesen nach auch schon im Besitz eines Gutes, allerdings in dem rein affektiven, zugleich mit der inneren Tendenz zum wirklichen, u n d verursachen soweit ebenfalls Lust u n d Freude. Vor ihnen h a t die Hoffnung noch die sichere E r w a r t u n g des effektiven Besitzes voraus (Art. 3 Zu 3). Dagegen besteht die Erinnerung durch neue Vergegenwärtigung eines bereits genossenen Glückes in einem Zurückgreifen u n d k a n n so die Freude verlängern. Aber dadurch steht sie als Freudenbringerin an letzter Stelle u n d verursacht als gegenständlicher Besitz eines Gutes k a u m mehr als einen Abglanz der Freude über ein früheres Gut (Meier, a. a. O. 96). Außer den aufgezählten gibt es noch manche andere innere Ursachen der Lust, die zwar nicht unmittelbar, aber doch auf einem Umweg, indirekt, dahin führen, sei es, daß sie dem Menschen, wie etwa Schmerz u n d Trauer, das entgegengesetzte Gut, das sie erleben oder erlebt haben, u m so lebendiger zum Bewußtsein bringen, sei es, d a ß sie, wie etwa der gemeinsame H a ß 573

32, l~4 wider denselben Gegner, eine Gemeinsamkeit schaffen, die froh macht usw. § 2. Ä U S S E R E URSACHEN

32, 5

(Axt. 5—8) Zu den äußeren Ursachen können zunächst einmal H a n d l u n g e n a n d e r e r gehören. Vorausgesetzt ist, daß sie in irgendeiner Verbindung zu dem Betreffenden stehen, sei es wirkungsmäßig, indem sie irgendwie der Förderung des eigenen Wesens dienen, mithin den Menschen bereichern und ihm gut tun, oder erkenntnismäßig, indem sie ihm das Bewußtsein vom Wert seiner eigenen Persönlichkeit vermitteln oder steigern, z. B . Lob, Anerkennung, Ehrerweisung und Bewunderung. Namentlich wenn sie von geistig und sittlich Hochstehenden ausgehen, bringen sie ihn zur Erkenntnis und Wertschätzung und damit zur Freude an seinen eigenen Vorzügen. Es kann auch eine affektive Verbindung bestehen, und dann freuen sich die Menschen über die Leistungen der anderen, und zwar werden deren Leistungen wegen des bestehenden Bandes als die eigenen betrachtet. Umgekehrt ist es beim Haß. Dort ist gerade der Mißerfolg des Gegners Ursache der Lust.

32, 6

Innere Genugtuung ist ferner mit all den e i g e n e n H a n d l u n g e n nach außen hin verbunden, die den Menschen die eigene Überlegenheit gegenüber anderen erkennen lassen, ganz gleich, welche es sind, selbst siegen im Spiel oder zurechtweisen, tadeln und strafen (Zu 3); namentlich aber anderen, Freunden und Fremden, helfen oder an die Hand gehen zu können, bereitet ihm Genugtuung, aus welchen Gründen das auch geschehen mag. 32, 7 Unter all dem, was dem Menschen von außen her guttut und ihn erfreut, ist die Ä h n l i c h k e i t das Ausschlaggebende. Bereits bei der Liebe war von der Einheit und Ähnlichkeit als Ursache der Liebe die Rede. Was Quelle der Liebe ist, wird dadurch ohne weiteres Ursache der Lust. (Wir brauchen uns hier nicht länger dabei aufzuhalten und verweisen auf das früher im Zusammenhang mit der Liebe Gesagte.) Darum ist der Mensch gern mit Gleichgesinnten zusammen; er liebt Kunstwerke, die seiner inneren Verfassimg entsprechen, in denen er sich deshalb wiederfindet; er fühlt sich wohl in der Wohnung, die seinen Stil hat. Solange hat er an dem ihm Ähnlichen seine Freude, wie es das Gesamtwohl des Menschen fördert und ihm nicht hinderlich wird. Wenn dies eintritt, ist die Entsprechung an sich zwar weiter Ursache der Freude, wird aber durch diese besonderen Umstände unangenehm. So kann zum Beispiel Berufsgleichheit wegen der einsetzenden Konkurrenz unangenehm werden und zu Geschäftsneid führen, oder der Genuß beim Essen hört auf, wenn der Hunger gestillt ist. Thomas führt das Beispiel des niedergedrückten Menschen an. An sich müßte man j a sagen, ihm sei alles Traurige entsprechend und darum angenehm. Der Traurigkeit als solcher entspricht zwar das Traurige, aber nicht dem niedergedrückten Menschen. Weil Traurigkeit im direkten Gegensatz zum Wohlergehen des Menschen steht, geht sein Verlangen sogar auf die Lust, die sein Wohlergehen fördern und damit Heilmittel für die Traurigkeit werden soll (Zu 2).

574

Als letzte äußere Ursache von Lust u n d F r e u d e behandelt 32, 8 Thomas S t a u n e n u n d V e r w u n d e r u n g , die den Wissensdrang anregen u n d beseelen u n d d a r u m von P l a t o u n d A r i s t o t e l e s als Anfang des Philosophierens bezeichnet werden. Ers t a u n t ist der Mensch, wenn er auf etwas Unverhofftes, Unvorhergesehenes oder Unerwartetes stößt, wenn ihm etwas entgegentritt, das er in seinen bis dahin erworbenen Erfahrungsu n d Wissenskreis nicht einzuordnen vermag. D a r u m wächst Staunen u n d Verwunderung aus einem Betroffensein durch die Undurchsichtigkeit der bestehenden Zusammenhänge infolge der eigenen Unwissenheit, wird aber d a n n zu einem belebenden u n d treibenden Drang, einzudringen u n d zu forschen, der u m so stärker wird, je undurchsichtiger die Zusammenhänge sind. Dieses brennende Verlangen u n d mühevolle Forschen nach Erweiterung der Erkenntnisse, getragen von der Hoffnung, zur Klarheit zu kommen, charakterisiert das Staunen u n d die Verwunderung. J e stärker das Verlangen wird u n d je sicherer die H o f f n u n g oder die Aussicht auf die neue Erkenntnis ist, desto größer wird die Freude, wenn das Ziel erreicht wird, wie Forscher- u n d Entdeckerfreuden beweisen, die u n t e r U m s t ä n d e n sogar etwas Schockartiges an sich haben. Aber schon das Forschen selbst nach der neuen Erkenntnis h a t einen eigenen Reiz. Mit dem vorwärtstreibenden Verlangen entsteht u n d wächst eine Lust, die den Menschen als F r u c h t der H o f f n u n g oder sicheren E r w a r t u n g bereits beglückt. An sich bietet zwar das mit Mühe u n d Anstrengung erworbene Wissen mehr Genugtuung u n d Freude als das Bemühen d a r u m . Trotzdem k a n n es vorkommen, daß das Forschen reizvoller ist als das Ergebnis der Arbeit selbst. Das k o m m t von dem brennenden Verlangen nach Einsicht u n d der d a m i t verbundenen Spannung, die dem Suchen zugrunde liegen. Der Wissensdrang selbst v e r d a n k t sein E n t stehen u n d seine Stärke gerade dem unangenehm empfundenen Mangel a n Wissen, also einerseits dem Erlebnis der eigenen Unwissenheit u n d d a n n dem Erleben der Möglichkeit u n d Aussicht, ihr abhelfen zu können. Durch das Erleben der Gegensätzlichkeit zwischen Mangel u n d möglicher Bereicherung bekommt das Verlangen im Wissensdrang eine besondere K r a f t , die zu einem intensiven Bemühen u m Klarheit antreibt u n d zugleich der Arbeit einen eigenen Reiz verleiht (Zu 2). So bringt alles Neue u n d Seltene durch das immittelbare Erleben der Bereicherung gegenüber dem Mangel im bisherigen Wissen eine besondere Genugtuung u n d Befriedigung. E t w a s Ähnliches bewirken künstlerische Darbietungen, die zum Nachdenken u n d Vergleichen anregen. Weil der Mensch auf dieses Vergleichen von N a t u r aus angelegt ist, wird alles das, was ihm dazu Anregung gibt, zu einem Genuß. III. Wirkungen

der

Lust

(Fr. 33) Lust u n d Freude wirken auf den Menschen ähnlich wie die 33, l Sonne auf die N a t u r . Wie u n t e r der Sonne belebendem Einfluß das Saatkorn wächst u n d größer wird, wie die Knospen 575

33, l an den Bäumen schwellen und sich schließlich öffnen, so lebt der Mensch unter dem sonnigen Strahl der Freude auf. Das Herz öffnet und weitet sich, sagt Thomas, und er bezeichnet diese A u s w e i t u n g als nächste und unmittelbare Wirkung der Freude auf den Menschen. Damit meint er zunächst nicht so sehr das physiologische wie das seelische Ausweiten, nämlich das Wachsen und Reifen des Geistes, das man sich in übertragener Weise vom Körperlichen her nach Art der stofflichen Dinge als Weiterund Größerwerden vorstellen muß. Es kommt uns zum Bewußtsein, wie die bisherigen Grenzen zurückweichen, der Horizont sich weitet und wir über uns hinauswachsen, indem mehr und mehr die uns umgebende Wirklichkeit zum eigenen inneren Besitz wird. Das Streben selbst gibt sich diesem Gut hin und ruht in seinem Besitz aus. Es öffnet sich gewissermaßen, um ihm Einlaß zu gewähren, es ganz in sich aufzunehmen und auszukosten, so daß der Lust sogar die Geste des In-sich-hineinnehmens, des Einsaugens, des Sich-weitens und Auskostens eigen ist. Das seelische Sich-weiten greift als charakteristische Wirkung der Lust auf den Organismus über (31, 3 Zu 3). Diese „organische Lust" hat ihre tiefere Wurzel in einem psycho physischen Prozeß der Hirnrinde, durch den zunächst eine Zunahme des Hirnvolumens bewirkt wird. Das Hirn braucht zu seiner gesteigerten Tätigkeit eine reichere Blutzufuhr. Infolgedessen nimmt es an Umfang zu und dehnt sich aus. Außerdem wirkt er auf die motorischen Zentren und das vegetative Nervensystem, erhöht unter anderem den Blutdruck und bewirkt eine Erweiterung der Blutgefäße in den äußeren Körperteilen. Die Blutdrucksteigerung kommt zugleich durch eine beschleunigte und verstärkte Herztätigkeit zustande, und das alles geschieht sinnvoll im Dienste einer Lebenssteigerung (vgl. B i c k e l , a. a. O. 145; vgl. auch ebd. 61, 72, 136). 33, 2

Neue Reize wirken steigernd auf den psycho-physischen Prozeß in der Hirnrinde, von dem wiederum lebhafte Veränderungen im Organismus ausgelöst werden. Die seelische Antwort auf die physiologische Lebenssteigerung erfolgt in einem wachsenden Verlangen nach Lust und Freude. Bestätigt wird diese Annahme durch die Tatsache, daß es durchwegs schwerer ist, sich der Genußmittel maßvoll zu bedienen als ganz darauf zu verzichten. Demnach muß, wenn man an die leibliche Umstimmung denkt, für die Zeit ihrer Dauer das Verlangen nach Lust bestehen bleiben oder sich sogar noch steigern. An sich müßte zwar bei einer wirklichen Lust jedes weitere Verlangen danach ausgeschlossen sein, weil sich der Mensch am Ende einer Bewegung befindet, die mit der Liebe einsetzte und über die Sehnsucht weiter zur Lust fortschritt. Trotzdem ist das Gegenteil möglich wegen der Begrenztheit einer Freude oder einer Lust, wenn nämlich die Natur des genossenen Gutes den vollständigen Genuß nicht mit einem Male gestattet und der Mensch auf den noch bleibenden Rest brennt, z. B . bei allen körperlichen Genüssen; oder wenn der Mensch in seiner Begrenztheit sich nur schrittweise der ganzen Fülle eines Gutes

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bemächtigen kann, wie etwa bei wissenschaftlichen Bemühun- 33, 2 gen. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen sinnenhafter Lust u n d geistiger Freude. Die sinnenhafte Lust h a t ihre Grenzen. Ihr Maß ist von der N a t u r u n d der augenblicklichen Verfassung des Menschen selbst festgelegt. Mit der Sättigung ist es f ü r Speise u n d T r a n k orreicht u n d mit dem Gesundwerden haben auch süße Arzneien ihre Aufgabe erfüllt. Dann hört nicht nur das Verlangen nach Mehr auf, es entsteht sogar ein Überdruß u n d Abscheu vor dem bis dahin Angenehmen u n d schließlich der Wunsch nach etwas ganz anderem. Allerdings meldet der Organismus nach einiger Zeit dieselben Bedürfnisse wieder an, u n d zwar will er mehr, als er vorher h a t t e . — Die geistige Freude dagegen übersättigt a n sich niemals. I m Gegenteil! J e mehr sie erlebt wird, desto größer wird a n sich das Verlangen nach ihr, desto größer wieder die Freude a m geistigen Fortschritt; es sei denn, daß durch langandauernde Beschäftigung mit dem Geistigen u n d die starke Anspannung die physischen K r ä f t e allmählich nachlassen u n d ihren Dienst versagen, so daß auf diesem Umwege sich Unlust u n d Überdruß einschleichen. Beide, Lust u n d Freude, können einen störenden Einfluß 33, 3 auf den Geist des Menschen ausüben. I h r e r N a t u r nach wirkt Lust a n geistiger Arbeit fördernd u n d anregend. Sie m a c h t den Geist erst hellwach u n d erhöht seine Leistungsfähigkeit. Das gilt ebenso von der geistgelenkten sinnlichen Lust (Art. 4 Zu 1). Dagegen können die geistfremden, ungelenkten sinnlichen Lüste den Vernunftgebrauch hemmen oder stören, u n d zwar z u e r s t durch A b l e n k u n g . E s ist so, daß der Mensch dem Lustvollen seine besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Das wäre an sich noch nicht nachteilig f ü r die ruhige u n d klare Überlegung. Aber Erkennen u n d Begehren wurzeln in der gleichen Seele (Zu 2). Überdies sind die dem Menschen darin zur Verfügung stehenden K r ä f t e begrenzt. Dadurch ist es ihm nicht möglich, sich mehreren Aufgaben gleichzeitig mit gleicher Hingabe zu widmen. W e n n sich der Mensch mit einer Sache angespannt befaßt, verblaßt zwangsläufig die Aufmerksamkeit f ü r andere, u n d schließlich wird er vollständig von allem andern abgelenkt, was bei der sinnlichen Lust eintritt, sobald sie eine bestimmte Heftigkeit erreicht h a t . E i n bekanntes Beispiel ist die Verliebtheit, von der Thomas sagt, sie unterdrücke wegen ihrer Heftigkeit den Vernunftgebrauch ( I I — I I 153, 5 Zu 1: Bd. 22), wenn auch nicht so radikal wie etwa die Trunkenheit (150, 4 Zu 3: Bd. 21). Der z w e i t e störende Einfluß geht von der G e g e n s ä t z l i c h k e i t der ungeordneten u n d namentlich der maßlosen sinnlichen Lust zur Vernunft aus. Davon sagt A r i s t o t e l e s , sie fälsche das Klugheitsurteil u n d beeinträchtige so das höhere Geistesleben. Sie ändert nichts a n den theoretischen Einsichten etwa des verliebten Menschen. Auch f ü r ihn behält ein gleichseitiges Dreieck drei gleiche Winkel. Aber das Urteil der praktischen Vernunft wird getrübt und gefälscht. Am allermeisten können 37 10

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33, 3 Unmäßigkeit und Unkeuschheit als die heftigsten Formen der Sinneslust die K r ä f t e des Mensehen fesseln u n d die ruhige Überlegung hemmen. Dabei h e m m t Zügellosigkeit in geschlechtlichen Dingen stärker als Unmäßigkeit in Speise u n d T r a n k . Blindheit des Geistes u n d Schwerfälligkeit der Sinne, Verblendung oder A b s t u m p f u n g u n d Unentschiedenheit oder Unsicherheit des Urteils sind die Folge. Der Mensch wird blind f ü r geistige Werte, verliert allmählich jedes E m p f i n d e n d a f ü r u n d wird schwerfällig in seiner Ansprechbarkeit f ü r den Anruf des Geistes ( I I — I I 15, 3: Bd. 15; 53, 6: Bd. 17). Der d r i t t e störende Einfluß k o m m t von einer gewissen B i n d u n g her. Gefühle u n d Leidenschaften haben eine physiologische Komponente. Die organische U m s t i m m u n g ist bei der Sinneslust a m stärksten, weil ein gegenwärtiges Gut den Menschen mehr reizt, mehr a n sich zieht u n d a n sich bindet als ein abwesendes. So wird, wenn wir wieder an die Verliebtheit denken, die psychische u n d physiologische Bindung a n den andern, die in k r a n k h a f t e n Fällen sogar in Hörigkeit ausarten kann, im Verliebten zu einer Macht, die auf physiologischem W e g den Vernunftgebrauch fesselt u n d n u r im Dienste ihres Gegenstandes arbeiten läßt. Der Verstand ist in seiner Tätigkeit auf körperliche Organe angewiesen, nicht innerlich, aber äußerlich. Jedenfalls werden die Organe, a n welche die geistigen Fähigkeiten f ü r ihre Tätigkeiten äußerlich gebunden sind, durch die physiologische U m s t i m m u n g in Mitleidenschaft gezogen u n d machen dadurch den Gebrauch der höheren Fähigkeiten m e h r oder weniger unmöglich (Zu 3; vgl. Mal 14, 4; 15, 4). 33, 4

Lust u n d Freude schließen die menschliche Tätigkeit vollendend a b u n d geben ihr die letzte Krönung. E r s t sie schenken der Tätigkeit das Ausruhen des Strebens im erreichten G u t . Dadurch bekommen sie den Charakter eines Abschlusses u n d Zieles, wenn auch nicht den Sinn eines Zieles, weswegen etwas geschieht, sondern den eines untergeordneten Zweitzieles. Sie begründen j a nicht die Tätigkeit in ihrem Sein, noch geben sie ihr die Bestimmtheit in der A r t . Deshalb können sie auch nicht einfachhin vollkommener als die Tätigkeit oder letztes Ziel des Strebens sein. Sie sind abhängig von der Tätigkeit, aus der sie hervorgehen, wie die A n m u t von der jugendlichen Gestalt, u n d sind auf jene als Zweit-Vollkommenheit noch hingeordnet, damit nämlich durch sie die Tätigkeit ihre letzte Vollkommenheit erlange (4 Sent 49: 3, 4 qa 3 Zu 2). Eine anders geartete Förderung der menschlichen Tätigkeit geht von Freude u n d Lust aus, wenn m a n ihren Einfluß auf den handelnden Menschen betrachtet u n d den wirkursächlichen Zusammenhang sieht. Sie haben zwar keinen direkten Einfluß, aber auf einem Umweg wirken sie auf die Tätigkeit, indem sie bewirken, daß der Handelnde frohgestimmt, lebendig interessiert wird u n d so mit gesteigerter Aufmerksamkeit auf sein T u n achtgibt. Die Folge davon ist d a n n Sorgfalt u n d Belebung der Arbeit u n d Tätigkeit, so daß der fördernde Einfluß zwar auf wirkursächlichem Gebiet liegt, es ist aber kein unmittelbarer, sondern ein mittelbarer. 578

IV. I h r s i t t l i c h e r W e r t (Fr. 34) 1. D e r s i t t l i c h e W e r t v o n L u s t u n d G e n u ß (Art. 1—3). 34, 1-3 — Auf den ersten Blick scheinen Lust und Sittlichkeit unversöhnliche Gegensätze zu sein, wie auch Pflicht und Neigung, selbstloses Wollen und niederes, sich selbst suchendes B e gehren scheinbar unvereinbar sind. E s läßt sich nicht bestreiten, daß die Lust zu allen Zeiten wegen ihrer sinnenhaften Herkunft und ihres aufdringlichen Wesens unter dem Verdacht sittlicher Minderwertigkeit gestanden hat, mag dieser Verdacht nun m a n i c h ä i s c h e n Einflüssen seinen Ursprung verdanken oder sich durch den s t o i s c h e n Rigorismus unter dem Mantel einer besonders ernsten Askese in christliches Denken eingeschlichen haben. Tatsächlich drängt sich das Suchen nach Lust und Genuß unberechtigterweise vor und sucht sich infolge der erbsündlichen Verderbtheit des Menschen unbekümmert um die naturgemäße und gottgewollte Ordnung durchzusetzen und alles andere in seinen Dienst zu zwingen, als ob Lust und Genuß letztes und höchstes Ziel des menschlichen Lebens wären, so daß die S t o i k e r aus dieser Aufdringlichkeit auf die Unsittlichkeit jeder sinnlichen Lust schließen zu müssen glaubten. Und doch ergibt sich aus der Leib-Natur des Menschen zweifelsfrei die B e r e c h t i g u n g d e r s i n n l i c h e n L u s t . Der Schöpfer selbst hat das Verlangen nach Lust in den Menschen hineingelegt, weshalb sie auch von allen Menschen gesucht wird (Art. 2 Zu 3). Darum kann die sinnliche Lust nicht etwas in sich Schlechtes sein, wie umgekehrt auch nicht jede Lust ohne weiteres sittlich gut sein muß (Art. 2). E i n e r s t e r Maßstab für die Beurteilung des sittlichen Wertes der Lust ist die Art des Gutes, in dem der Mensch seine Lust sucht. Entscheidend ist dessen Verhältnis zur Vernunftordnung und zum göttlichen Gesetz. Sittlich gut ist, was vernunftgemäß, d. h. was der vom Glauben erleuchteten Vernunft entsprechend ist, schlecht, was vernunftwidrig, d. h. was der vom Glauben erleuchteten Vernunft zuwider ist (Art. 1 Antw. u. Zu 1; I I — I I 118, 5 : B d . 20). Wenn somit das Begehren ausruht in einem Gut schlechthin, dann ist auch die Lust daran immer und unter allen Umständen gut. R u h t es dagegen aus in einem Teilgut, dann hängt die sittliche Güte der Lust von bestimmten Voraussetzungen und Haltungen im Menschen ab (Art. 2), so daß sie erst dann sittlich wertvoll ist, wenn sie unter der Leitung und Regelung der Vernunft mit Maß genossen wird (31, 5 Zu 3). Einen z w e i t e n Maßstab gibt die Tätigkeit selbst an die Hand, die ihre innere Vollendung in der Lust findet. Beide gehören so eng zusammen, daß Lust und Freude teilhaben am sittlichen W e r t der Tätigkeit, aus der sie hervorgehen (Art. 1). Mithin kann eine Lust nur dann sittlich gut sein, wenn sie ihren Ursprung in einer geordneten Tätigkeit hat. So ist sittlich gute Lust innerlich an gute Tätigkeit gebunden. Weil beide im S e i n miteinander verbunden sind, verlangt die rechte Ordnung, daß sie ebenso im W o l l e n verbunden bleiben; Lust und Freude dürfen also nur auf dem vernunftgemäßen und gottgewollten 37*

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34, 1-3 Wege gesucht werden. E s wäre naturwidrig und damit unsittlich, die Lust von ihrem Lebensgrund in der entsprechenden Tätigkeit zu lösen und davon losgelöst zu wollen. Der Mensch würde einen Betrug an der Natur oder, was dasselbe ist, eine Vereitelung des göttlichen Willens versuchen. Solange der naturgegebene Weg auf der Suche nach Lebensfreuden beschritten wird, geht der Mensch den gottgewollten Weg und handelt sittlich einwandfrei. Anders wird es, wenn er die Lust in seinem Wollen naturwidrig trennt von dem Boden, auf dem sie allein wachsen kann, oder wenn er in ausartender Genußsucht alles, selbst das sittliche Tun, in ihren Dienst stellt. Dann kann von sittlich guter Lust nicht mehr die Rede sein. Solche Lust hat nichts mehr vom Adel des Geistes an sich, weil sie sich vom Willen der Natur und damit vom Willen des Schöpfers entfernt. 1 E s muß also zumindest der Naturzusammenhang unangetastet bleiben, d. h., der Mensch darf ihn nicht positiv aus seinem Wollen ausschließen. Wenn er sich einfachhin ihm anschließt und nur die unmittelbaren Ziele sieht, ohne ausdrücklich auf die weiteren zu achten und ohne sie auszuschließen (wenn er etwa ißt, weil es ihm gut schmeckt), und im übrigen jedem Zweck seine Geltung läßt, kann er durchaus naturgemäß und darum sittlich gut handeln. Lust und Freude bilden das Endstadium des menschlichen Strebens, ergeben sich organisch aus seiner Betätigung. E s ist jedoch nicht so, als ob Lust und Freude den Charakter eines höheren Zieles hätten, auf welches das menschliche Tun als Mittel zum Zweck innerlich hingeordnet wäre. E s wird niemand ernstlich behaupten wollen, ein Lehrer unterrichte nur zu seinem Vergnügen, um angenehm unterhalten zu sein. E r will seine Schüler belehren und erziehen. Mithin steht im sittlich geordneten Streben nicht die Freude als solche im Vordergrund. Sie wird zwar erstrebt, aber nicht ihrer selbst wegen, sondern wegen etwas anderem, dem sie zu dienen hat. Nämlich wegen der Vollkommenheit der Tätigkeit, durch die der Mensch formell das sittliche Gut sich zu eigen macht, etwa in der Belehrung und Erziehungsarbeit an den Schülern (vgl. 2, 6 Zu 3 : B d . 9). Naturgemäß richtet sich das Streben zuerst auf das sachliche Gut als ä u ß e r e s Z i e l , wegen dessen etwas geschieht; dann auf die Tätigkeit als i n n e r e s Z i e l , durch die das Gut erreicht wird; schließlich auf die Lust als gemüthaftes Echo darauf im Genuß des Besitzes und als i n n e r e s , u n t e r g e o r d n e t e s Z w e i t Z i e l , das mit der Tätigkeit mitgewollt wird und auf diese als deren Krönung innerlich hingeordnet ist, wie Anmut etwa auf die jugendliche Gestalt. Fragt man nun, ob eine Lust das ranghöchste sittliche Gut des Menschen sein könne, dann gibt die Struktur der Lust die 1 Diese scharfe Trennung der Lust von der Tätigkeit und ihrem inneren Sinn im Wollen des Menschen ist ausdrücklich von I n n o z e n z X I . verurteilt worden (Denzinger-Bannwart 1158). Die gleiche Verurteilung hat er noch einmal ausgesprochen bezüglich des ehelichen Verkehrs, wenn die scharfe Trennung der Lust von der naturgewollten Tätigkeit vollzogen wird und alles nur der Lust wegen geschieht, so daß die innere naturhafte Verknüpfung zwischen Lust lind Tätigkeit im Wollen des Menschen gelöst wird (a. a. O. 1159).

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Antwort darauf. Wegen der angegebenen inneren Bindung an 34, 1-3 das sittliche Gut und der Abhängigkeit davon muß mit dem Wert eines Gutes auch der sittliche Wert der Lust wachsen, die an der Sittlichkeit des Gutes selbst teilnimmt. D a nun Gott Selbst als das höchste Gut letztes und höchstes Ziel des Menschen ist, das im Besitze Gottes in der Gottesschau erreicht wird, muß die daraus entspringende geistige Lust in dem oben angegebenen Sinn unter allen menschlichen Gütern (durch Teilhabe an der Tätigkeit in der Gottesschau) das höchste und beste sein (Art. 3 Zu 3). 2. V e r h ä l t n i s v o n L u s t u n d F r e u d e z u m s i t t l i c h e n 34, 4 A k t (Art. 4). — Erst wenn Wille und Leidenschaft geschlossen zur Erfüllung der menschlichen Aufgaben antreten und die Pflicht mit Lust und Freude getan wird, kann von gereiftem menschlichem Handeln die Rede sein (vgl. K o m . zu Fr. 24). Dann wird die Pflicht, wie gesagt, nicht allein aus kaltem Pflichtbewußtsein im Sinne K a n t s , sondern zugleich mit innerer Lust und Freude a m naturgemäßen und gottgewollten Tun erfüllt (Zu 3). Wenn es so weit ist, können Lust und Freude sogar zum sittlichen Maßstab für das menschliche Tun werden. Ob nämlich ein Willensakt gut oder schlecht ist, hängt namentlich von seinem Ziel und Zweck im Handeln ab, mehr noch als vom Gegenstand und von den Umständen. Ziel ist aber nur das, worin der Wille schließlich mit dem gesamten Streben zur Ruhe kommt. Weil das erst in der Lust zum Ereignis wird, kann mit besonderem Recht aus der Art der Lust, die ein Mensch erstrebt, sein sittlicher Wert erschlossen und erkannt werden. Wer sein Genüge und seine Lust in sittlich hochstehender Betätigung findet, ist ein sittlich guter, wer nur in unsittlichen Handlungen, ist ein sittlich schlechter Mensch. In diesem Urteil kommt die Lust sogar v o r der Liebe und v o r der Begierde in Frage. I m Werden steht die Lust zwar an letzter Stelle, aber in der Ordnimg des Erstrebens ist sie das Erste (Zu 1). Anders ist es bei der Sinneslust. Sie läßt dieses Urteil an sich nich tzu. Normalerweise ist etwa Essen und Trinken jedem Menschen angenehm, und ähnlich jeder andere Sinnengenuß. Trotzdem kann in etwa auch hier die Lust zum Zeichen für den inneren sittlichen Wert eines Menschen werden. E s ist möglich, daß eine geistige Freude aufkeimt, wächst, dann auf den sinnenhaften Bereich im Menschen übergreift und hier ihr Echo findet. Das beweist deutlich, daß ein Mensch schon sittlich gereift sein muß, wenn er von sittlichen Werten so tief ergriffen werden kann. Ahnlich bietet die Lust unmittelbar einen Maßstab für den sittlichen Wert eines Menschen, wenn nämlich die feine Maßhaltung im Gebrauch der Sinnesgüter ihm zur zweiten Natur geworden ist und Lust bereitet.

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Fünftes Kapitel SCHMERZ UND T R A U E R (Fr. 35—39) I. I h r e W e s e n s b e t r a c h t u n g (Fr. 35) 35

I n Schmerz und Trauer, die den pathischen Charakter der Leidenschaften wegen ihrer destruktiven Tendenz am reinsten von allen darstellen, haben wir terminierende Seelenbewegungen, die besonders durch ihre Gegensätzlichkeit zu Lust und Freude verständlich werden. Lust und Schmerz, Freude und Trauer, also persönlich erfahrene Seinsbereicherung und erlebte Seinsschädigung stehen einander gegenüber (Art. 1). Schmerz bezeichnet, ähnlich wie Lust, bald seelischen Schmerz und geistige Trauer, bald, und das für gewöhnlich, sinnlichen Schmerz im engeren Sinn, der durch die Wahrnehmung der äußeren Sinne entsteht; wogegen Trauer, ähnlich wie Freude, genau genommen den Willensvorgang meint, der unmittelbar durch eine innere Wahrnehmimg des Verstandes oder der Phantasie verursacht wird, dann aber doch seine Ausstrahlung im sinnenhaften Bereich des Menschen hat (Art. 2). Nach Thomas haben Schmerz und Trauer mit einem Übel zu tun, dem der Mensch bereits zum Opfer gefallen ist, das sich bald in das Gewand des Schmerzlichen und Peinlichen, bald in das des Unangenehmen, Hinderlichen, Betrüblichen, Enttäuschenden, Verletzenden usw. kleidet. E s bleibt nicht beim persönlichen Ü b e l ; auch die Not der Mitmenschen, die mit uns durch irgendein B a n d verbunden sind, wird als eigene im M i t l e i d miterlebt. Sogar Wohlergehen, Erfolg oder Anerkennung eines andern können in N e i d , E i f e r s u c h t und M i ß g u n s t als eigenes Leid empfunden werden (Art. 8; I I — I I 26, 2 Antw. u. Zu 2). Unter S c h m e r z im engeren Sinn verstehen wir ein destruktives Getroffensein im eigenen Organismus, etwa bei Krankheit oder Verwundung, das den Menschen die Spaltung der natürlichsten aller organischen Einheiten, der Einheit nämlich zwischen unserem persönlichen und unserem körperlichen Sein oder zwischen Seele und Leib, irgendwie erfahren läßt. Während wir unser Leben als Äußerung von Selbstbewegung, Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung erleben, erfahren wir im Schmerz, dem Schatten und Mahnruf des Todes, wie unfrei, vergänglich und ohnmächtig wir sind, wie das Leben in sich die Möglichkeit birgt, zum Feinde seiner selbst zu werden. 1 So findet der echte körperliche Schmerz seine Resonanz im affektiven Bereich und wird zur Ursache für seelisch-geistiges Leid. Von Thomas wird ein solcher Schmerz den Sinneswahrnehmungen und näherhin dem Tastsinn zugeschrieben (Art. 2 Zu 3). 2 Der eigentliche Leidcharakter verwirklicht sich in dem gemüt1 Vgl. F . J . J . B u y t e n d i j k , Über den Schmerz. Bern 1948, 26. * Vgl. die Auseinandersetzungen über das Wesen des Schmerzes bei B u y t e n d i j k, a. a. 0 . und bei "F. S a u e r b r u c h und H. W e n k e , Wesen und Bedeutung des Schmerles. Berlin 1936.

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haften Echo auf den körperlichen Schmerz, wenn wir gemüt- 35 haft erleben, daß wir getroffen, verletzt, desorganisiert und — das ist wesentlich — dem Duldenmüssen macht- und hilflos ausgeliefert sind. J e geringer die Aussicht ist, dem Schmerz zu entrinnen, desto mehr legt sich im affektiven Schmerz die Not wie ein drückender Alp auf die Seele und lähmt den ganzen Menschen, möglicherweise bis zur völligen Stumpfheit und Teilnahmslosigkeit (Art. 8). Noch einmal verwirklicht sich der Leidcharakter in der T r a u e r , die der Mensch als persönliche Antwort auf schmerzliche und verletzende Erlebnisse erfährt. J e d e destruktive Störung einer für uns geltenden Lebensordnung — ganz gleich welcher — trifft, quält, erschüttert uns und macht uns leiden (Art. 1 u. 2), sogar, wenn man von besonderen Umständen absieht, mehr noch als der körperliche Schmerz, zumal seelische Erschütterungen normalerweise auf das Sinnliche übergreifen (35, 7). Diese müssen bis zum Ende ausgekostet werden und können zeitlebens auf den Menschen einwirken, wogegen der körperliche Schmerz an die Gegenwart gebunden bleibt und seine Grenzen hat (Art. 2 Antw. u. Zu 2 ; Art. 7). Übersteigt er seine Grenzen, „dann tritt entweder Bewußtlosigkeit ein oder ein Zustand von Schmerzlosigkeit, die wir W u n d s t u p o r nennen" ( B u y t e n d i j k , a. a. O. 133). Ihrer Natur und Gattung nach sind Trauer und Lust konträre seelische Bewegungen, wie „hin z u " und „weg v o n " oder wie J a und Nein gegenüber dem gleichen Gegenstand (Art. 3). Die einzelnen Arten oder Sonderformen von Trauer oder Lust können diese Gegensätzlichkeit auch zeigen, wenn sie den gleichen Gegenstand unter derselben Rücksicht zum Ziel haben; doch braucht es nicht so zu sein. Der Gegensatz hört auf, wenn die beiden verschiedene, miteinander zu vereinbarende Gegenstände zum Ziel haben, etwa Trauer über den Tod des Freundes und Freude über einen Erfolg, oder wenn der gleiche Gegenstand unter gegensätzlicher Rücksicht beide hervorruft (Art. 4). Immer bleibt dagegen eine Gegensätzlichkeit zwischen Trauer und Lust im Physiologischen als der zweitwesentlichen Seite der Leidenschaft. Weil der ganze Mensch mit Seele u n d Leib Stellung nimmt, entsteht bei Trauer ein physiologisches Verhalten, das mit dem der Lust unvereinbar ist. Während nämlich das lustvolle physiologische Verhalten als Sich-öffnen, Sichaufschließen und Ausweiten dem Organismus wohltut, ihn stärkt und belebt, schwächt und lähmt ihn das Sich-zusammenziehen und Sich-verkrampfen im traurigen Verhalten. Deshalb wird zunächst jede Lust, ganz gleich welcher Art sie im einzelnen ist, zu einem Heilmittel, das die Traurigkeit vom Physiologischen her lockert, löst und behebt, wogegen umgekehrt jede Trauer das Aufkommen von Lust behindert (Art. 4 Zu 2 u. 3). Unverkennbar wird das menschliche Leben von einem doppelten Drang beherrscht, vom Verlangen nach Lust und von der Angst vor allem Widerwärtigen. Ferner scheint bei den einen der erste, bei anderen mehr der zweite die Lebensführung zu bestimmen. Versuche an Tieren haben außerdem ergeben, daß sich diese durch Angst vor Schmerzempfindungen abhalten

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35 lassen, ihren Nahrungstrieb zu befriedigen. Wenn man aber der Beobachtung auf den Grund geht, zeigt sieh darin eine weise Teleologie. Instinktiv wittern die Tiere in den Schmerzempfindungen irgendwie eine Lebensbedrohung und zeigen durch ihr Verhalten an, daß sie dem höheren Gut, Gesundheit und Leben, das geringere, die augenblickliche Befriedigung des Nahrungstriebes, zu opfern bereit sind. Die Anziehungskraft des höheren Gutes wirkt stärker als die des niederen. I m Letzten wird die Lebensführung von der Anziehungskraft des Guten bestimmt. Das Gute hat vor dem Übel Selbständigkeit und Eigenmächtigkeit voraus. E s wirkt durch sich, nicht erst durch etwas außerhalb Liegendes, vermag darum viel stärker anzuregen und anzuziehen, als das Übel abzustoßen vermag, das nur durch seine Beziehung zum Guten abstoßenden Einfluß auszuüben imstande ist. Ein Übel, das ähnlich wie das Gute nur Übel wäre ohne jede gute Seite, ganz Mangel, im allseitigen Gegensatz zum Guten, also ein Übel schlechthin, ist unmöglich. E s gibt deshalb wohl eine ungeschwächte, ungetrübte und allseits vollkommene Lust, aber keine Trauer, die so schwarz wäre, daß sich nicht doch noch Licht darin fände. Trauer ist nur denkbar als begrenzter Schmerz, Schmerz nach der einen oder anderen Seite (vgl. I I — I I 138: B d . 21). An sich ist es deshalb naturgemäß, daß die von innen aufbrechenden Regungen unmittelbar auf das der Natur liegende und zukommende Gut gehen und erst an zweiter Stelle auf die Abwehr des Schädlichen (Art. 6), mag auch im Urteil des Einzelnen aus subjektiven Gründen eine Wertverschiebung stattfinden. I I . U r s a c h e n der T r a u e r (Fr. 36) 36 Alles das, was Thomas unter den gegenständlichen Ursachen von Liebe und Haß angeführt hat, wird unter verändertem Vorzeichen zur Ursache von Trauer und Schmerz (Art. 3 u. 4). W i r k u r s ä c h l i c h hat die Trauer ihren unmittelbaren E n t stehungsgrund in der inneren Ablehnung eines Übels und der Flucht davor, mittelbar im H a ß und schließlich in der Liebe zu dem entgegengesetzten Gut, von der H a ß und Abscheu erst ihre Wirkkraft erhalten (Art. 2). Sie wirken aber in Abhängigkeit vom Gegenstand der Trauer. Was mithin den echten Belangen des Menschen zuwiderläuft, vermag, wenn es ihn überfällt oder ihm — durch äußeren oder sogar inneren Zwang — zugefügt wird, ihn zu betrüben, niederzudrücken oder unglücklich zu machen, j e nach der Schwere des Mißgeschicks. Der vom Übel ausgehende Einfluß ist der eines Z i e l e s , das abstößt, zur Ablehnung, inneren Abwendung und schließlich zur Resignation mit innerem Protest zwingt (Art. 1). D i s p o s i t i v wirkt die anlagemäßig bedingte Bereitschaft an der Auslösung der Trauer mit (vgl. K o m . zu 37, 4). I I I . W i r k u n g e n der T r a u e r (Fr. 37) 37 Schmerz und Trauer gehören zu den Leidenschaften im eigentlichsten Sinne (36, 1). Als seelische Bewegungen, die der un-

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behinderten Lebensentfaltung konträr entgegenstehen, wirken 37 sie sich irgendwie schädlich auf den Menschen aus. 1 . D i e s e e l i s c h e n A u s w i r k u n g e n . — Schmerz u n d Trauer verursachen von N a t u r aus eine B e h i n d e r u n g d e s G e i s t e s . Körperliche Schmerzen ziehen gewaltsam, je nach ihrer Heftigkeit, die Aufmerksamkeit des Geistes auf sich, so daß sie lähmend auf den Geist wirken u n d möglicherweise sogar jede geistige Beschäftigung mit etwas anderem unmöglich machen. 1 Dasselbe gilt von der Trauer, wenn der Geist auch im allgemeinen durch Körperschmerz mehr behindert wird (Art. 1 Zu 3). Bei der Trauer wird der Mensch so tief in seine Not verstrickt, daß ihn nur schwer etwas aus dieser Verstrickung befreien kann. N u r was in der Linie der Trauer liegt, bekommt Zutritt u n d darf das Tor des Geistes durchschreiten. F ü r andere Eindrücke schwinden Hingabe u n d K r a f t (Art. 1). Damit zusammen geht eine L ä h m u n g d e r V i t a l i t ä t . Trauer belastet den Menschen u n d drückt ihn je nach der Schwere des Übels zu Boden. Der Glut in der Liebe und der Ausweitung bei der Lust entspricht das Belastet- u n d Gedrückt sein in der Trauer. Das unvermeidliche Übel stemmt sich gegen die innere Neigung u n d vergewaltigt sie, sofern der Mensch gewaltsam daran gehindert wird, das zu genießen, wonach er verlangt. Selbst wenn sich die Möglichkeit zeigte, das Mißgeschick, dem er zum Opfer gefallen ist, durch erneute Anstrengung zu beseitigen u n d in sein Gegenteil zu verwandeln, bliebe f ü r den Augenblick der Druck, der aber zur vollen affektiven Lähmung, E n t m u t i g u n g u n d Resignation f ü h r t , wenn das Mißgeschick unabwendbar ist (Art. 2). Die herabgesetzte Vitalität f ü h r t zu einer H e m m u n g u n d E r m a t t u n g der T ä t i g k e i t und äußeren Bewegung. Die Verlangsamung des Lebensablaufes, die sich etwa durch Mangel a n Aufgewecktheit u n d durch Schwerfälligkeit der äußeren Organe bemerkbar macht, wird auch von der modernen Psychologie als typisches Erkennungszeichen der Depression hingestellt (ebd.). W e n n auch f ü r gewöhnlich die oben genannten Auswirkungen zur Trauer gehören, k a n n trotzdem gelegentlich F ö r d e r u n g u n d s o g a r g r ü n d l i c h e B e l e b u n g von ihr ausgehen. 2 Wird die Möglichkeit einer Befreiung aus der mißlichen Lage sichtbar, d a n n fordert das Mißgeschick geradezu zum Gegenschlag heraus, der mit der ganzen Macht der aufgestauten K r ä f t e gef ü h r t wird. Das Betroffensein wird zur Ursache energischer Gegenmaßnahmen (Art. 2 Zu 1). 2. D i e k ö r p e r l i c h e n A u s w i r k u n g e n . — Von allen Leidenschaften ist die Trauer diejenige, die a m meisten durch sich selbst u n d nicht erst, wie andere Leidenschaften, durch ihre Heftigkeit dem Organismus schädlich wird. Sowohl der organische Prozeß, der die seelische Bewegung als physiologische Seite 1 K. S c h m i d t , Die menschliche "Willensfreiheit in ihrem Verhältnis zu den Leidenschaften. Engelberg 1925, 175. 2 Vgl. dazu J. B e ß m e r , Störungen im Seelenleben. Freiburg (i. B.) 1907a, 144.

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37 begleitet, spiegelt diese Naturwidrigkeit wider, wie auch in etwa die normalen und abnormalen Anlagen zur Schwermut und schließlich die eigentlichen Auswirkungen der Niedergeschlagenheit auf den Organismus. Was Thomas aus der Natur der Leidenschaft erschließt und an ihm bekannten Beispielen erläutert, wird durch moderne Autoren in ihren phänomenologischen Beschreibungen bestätigt. Der Trauer selbst geht die natürliche Ansprechbarkeit für niederdrückende Einflüsse von außen voraus, die nicht bei allen Menschen gleich zu sein braucht, sondern je nach Konstitution und Temperament und manchen anderen Einflüssen verschieden geprägt sein kann. Der schädliche Einfluß wird um so wirksamer, j e größer der Hang zur Schwermut ist, am allermeisten bei den Psychopathen und Psychotikern. Was in allen diesen Fällen in gesteigerter Form vorliegt, findet sich in schwacher F o r m auch in normalen Fällen. B e i n o r m a l e r V e r a n l a g u n g gibt es neben solchen, die ohne ausgesprochene Neigung zur Niedergeschlagenheit lediglich von einem Mißgeschick — j e nach seiner Bedeutung für den Einzelnen — traurig gestimmt werden und darunter leiden, andere, die besonders empfindlich und mit einem gewissen Hang zur Schwermut und Trauer darauf reagieren: die Melancholiker, bekannt als empfindsame, tief fühlende Menschen, aber auch als Pessimisten und Schwarzseher. Sie sehen das Leben, von innen her bedrängt, durch eine dunkle Brille, sehen gern über die Freuden und Lichtseiten des Lebens hinweg und bleiben nur bei seinen Schattenseiten stehen. E s gibt auch eine a b n o r m e A n f ä l l i g k e i t für Depressionen, wobei die Niedergeschlagenheit entweder gar nicht mehr oder doch nur zum geringsten Teil auf äußere Einflüsse zurückgeht. Thomas denkt an physiologische Einflüsse, die sich in den Depressionen seelisch auswirken (vgl. 32, 7 Zu 2 ; I I — I I 156, 1 Antw. u. Zu 2 : B d . 22). Zum Ausbruch der psychopathischen oder sogar psychotischen F o r m der Melancholie kommt es nach Thomas durch Überbelastung ( I I — I I 156, 1 Antw. u. Zu 2) oder zu große E r schütterimg (Art. 4 Zu 3). Wie sich Thomas einen Menschen, der unter Depressionen leidet, vorstellt, zeigt eine kurze Zusammenstellung einiger von ihm angeführter Einzelzüge. Melancholiker müssen sich zu jeder Arbeit zwingen und haben wegen ihrer Teilnahmslosigkeit mehr K r a f t und Mühe aufzubringen als andere (Art. 2). Mit der seelischen Niedergeschlagenheit verbindet sich körperliche Mattheit, Schlaffheit und Schwerfälligkeit. Kurz gesagt, die Traurigkeit wirkt hemmend und lähmend auf alle Lebensfunktionen (Art. 4 ; 35, 8), die höheren und niederen, die sowohl an Frische wie K r a f t verlieren (Art. 2). An sich haben Melancholiker eine kräftige Gestalt und guten Appetit, aber das Essen schmeckt ihnen schlecht. Sie schlafen schlecht, und das Gedächtnis ist mangelhaft, ihre Reizbarkeit groß (Mem et R e m 8). Sie sind äußerst empfindlich, leicht verletzbar und reagieren heftig und leidenschaftlich auf Beleidigungen ( I I — I I 156, 1 Antw. u. Zu 2 : B d . 22). Brennend gern möchten sie froh werden und haben darum auch ein starkes Bedürfnis nach Vergnügen als

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Heilmittel gegen ihre Sehwermut (32, 7 Zu 2). Trotzdem ist 37 ihnen alles, selbst das Beste u n d Angenehmste zuwider. Sie haben fortwährend Angst, u n d das ohne Grund. Nicht ein wirkliches Mißgeschick verursacht ihre Trauer, sondern die innere Verfassung. 1 E s wäre lehrreich, die Schlußfolgerungen, die Thomas von seinem metaphysischen S t a n d p u n k t her gezogen h a t , mit den heute von Psychologen u n d Therapeuten vertretenen medizinischen Auffassungen zu vergleichen. Wir müssen aber darauf verzichten. IV. H e i l m i t t e l

der

Traurigkeit

(Fr. 38) Durch die destruktive Tendenz der Niedergeschlagenheit oder 38 Trauer, die sich vom Physiologischen bis zum Geistigen bemerkbar macht, erhält die Frage nach Mitteln u n d Wegen, dem Gem ü t wieder aufzuhelfen, ihre Berechtigung. I m Grunde k a n n der lindernde Einfluß überall, sowohl im Physiologischen wie Seelischen u n d Geistigen ansetzen. E r wirkt sich d a n n mittelbar auf den anderen Gebieten aus. K ö r p e r l i c h e Erholung, schlafen u n d baden, Spiel und Sport, Sommerfrische u n d kräftige Kost usw., die einen gesunden physiologischen Ausgleich oder Auftrieb bringen, wirken sich wohltuend u n d befreiend im Seelischen aus (Art. 5). Mit Rückwirkung auf Organismus u n d Geist bereitet dem Menschen alles das, was dem inneren Schmerz L u f t macht, s e e l i s c h e E n t l a s t u n g u n d Erleichterung, wie weinen, klagen, stöhnen usw. Der Niedergeschlagene öffnet gleichsam ein seelisches Ventil, durch das der seelische Überdruck entweicht (Art. 2). „ I m Akte des Weinens vollzieht sich in der Seele des Menschen eine wenn auch noch so schwache Lösung u n d Aufhellung" (Ph. L e r s c h , Gesicht u n d Seele. Basel 1951 3 , 18). Infolge der Gegensätzlichkeit, wie sie zwischen Trauer u n d Freude besteht, wird — je nach Art u n d Tiefe dieses Gegensatzes — allgemein j e d e F r e u d e u n d alles, was dem Menschen gut t u t , z. B. das tröstende Wort u n d herzliches Mitleiden anderer (Art. 3), zu einem Heilmittel f ü r die Niedergeschlagenheit (vgl. K o m . zu 35, 3—5). Wie Erholung u n d R u h e auf den ermüdeten u n d abgearbeiteten Organismus, so wirkt die Freude auf Verstimmung u n d E n t m u t i g u n g im Seelenleben des Menschen, am meisten, wenn dieselben Erlebnisse, die die Depression verursacht haben, in anderer, etwa religiöser Sicht gesehen werden u n d d a n n echte Freude bewirken (Art. 1). Daher geht von der inneren Auseinandersetzung oder der i n n e r e n g l ä u b i g e n V e r a r b e i t u n g des Leids eine eigene tröstende u n d helfende K r a f t aus. W a s vorher als Unwert, Übel oder Mißgeschick erschien, k a n n in der gläubigen Sicht zu einem Wert aufsteigen u n d als solcher innerlich erlebt werden. Schon in der Bes c h ä f t i g u n g m i t g e i s t i g e n D i n g e n als solcher liegt je nach den Neigungen des Einzelnen eine Hilfe (Art. 4). 1 Vgl. die Zusammenstellung bei P. K o p p , Psychiatrisches bei Thomas von Aquin. Beiträge zur Psychiatrie der Scholastik. Zeitschrift für die gesamte Neuroloirie und Psychiatrie 152 (1935) 195.

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V. D e r 39

sittliche Wert (Fr. 39)

der

Trauer

1. D e r s i t t l i c h e W e r t d e r T r a u e r i n s i c h . — W ä h r e n d jede echte geordnete Lust auf Grund ihrer seinsmäßigen Verk n ü p f u n g mit der Lebensentfaltung notwendig etwas Gutes ist u n d mit R e c h t ihren Platz im Menschenleben beansprucht u n d behauptet, k a n n m a n der Trauer als dem g e m ü t h a f t e n Echo auf Störungen u n d H e m m u n g e n des Lebensablaufes dieses Recht nur mit Vorbehalt zugestehen. Sie ist s c h l e c h t h i n ein Übel; sie brauchte u n d sollte gar keinen Platz im Leben haben, wie denn auch den ersten Menschen im Paradies Trauer u n d Leid u n b e k a n n t waren (I 95, 2: Bd. 7). Aber seit dem Sündenfall ist sie wegen der Disharmonie, die seitdem die ganze Schöpf u n g durchwaltet (vgl. R o m 8, 22), zur u n t r e n n b a r e n Begleiterin des Menschen geworden. D a r u m wäre es verkehrt, allgemein jeder Trauer die Daseinsberechtigung absprechen zu wollen. E s ist imbedingt ein hohes Gut, wenn Menschen nach einem sittlichen Versagen Reue empfinden u n d traurig sind über die „Selbstunterschreitung ihres Wesens" ( S c h e l e r ) . Vorausgesetzt also, d a ß m a n das Unglück gehabt h a t , einem sittlichen Versagen zum Opfer zu fallen, verlangt diese Tatsache eine entsprechende gemüthafte Resonanz in der Trauer. E s wäre sicher besser, m a n brauchte sich niemals zu schämen. Aber wenn der Mensch einmal versagt u n d jemanden etwa grob verleumdet h a t , werden Scham u n d Reue in sich wertvoll u n d gut, auch wenn wir zunächst noch nicht an die sittlich guten Auswirkungen f ü r die Z u k u n f t denken. Ähnlich verhält es sich mit der Niedergeschlagenheit eines Menschen, der etwa Mißerfolge oder Enttäuschungen erlebt u n d sich innerlich ohnmächtig dagegen a u f l e h n t . Solange sich in Schmerz u n d Trauer die Wertordnung widerspiegelt u n d sich der Mensch nicht haltlos der E n t m u t i g u n g ausliefert, sind sie etwas sittlich Gutes (Art. 1, 2 u. 4). D a m i t berühren wir den Unterschied zwischen gelenkter u n d nichtgelenkter Trauer (24, 3 Zu 1; vgl. Kom.). W e n n jemand unglücklicherweise ein Bein gebrochen hat, k a n n er u n t e r dem Mißgeschick leiden, weil es ihn ans B e t t fesselt u n d a n der Ausf ü h r u n g seiner Pläne hindert. I n diesem Betrübtsein haben wir, soweit es ein psycho-physisches P h ä n o m e n ist, die affektive Reaktion auf das Unglück, die sich auf Grund ihres leiblich seelischen Seins als n a t u r h a f t e Antwort einstellt, aber zugleich zu einer personalen werden m u ß , die ihren Ursprung in dem vom Glauben erleuchteten Verstände u n d im Willen h a t . Von da geht ein ordnender Einfluß auf die Trauer aus, der sie einerseits innerlich als berechtigt b e j a h t — sie gehört j a allgemein zu den S t r a f l e i d e n , die Gott wegen der Erbschuld über alle Menschen verhängt h a t —, anderseits aber ihre Maßlosigkeit d ä m p f t u n d nur den Verlust eines relativen Gutes bedauern läßt (Art. 2 Zu 3). Sobald sich dagegen die Trauer der Leitung durch den Geist entzieht u n d sich selbständig macht, wird sie zu einer nichtgelenkten Leidenschaft, die entweder aus psychophysischen Gründen aus der Unfreiheit überhaupt keinen Ausweg

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findet oder aber infolge mangelnder innerer Zucht des Menschen sich nicht vom Geist ansprechen und führen läßt (Art. 2 Zu 1). 2. D i e A u f g a b e v o n S c h m e r z u n d T r a u e r i m s i t t l i c h e n L e b e n . — D a zu den beiden Grundstrebungen des Menschen neben dem unausrottbaren Verlangen nach Lust und Freude die Flucht vor allem gehört, was Schmerz und Trauer verursacht, bekommen die beiden auf einem Umweg über die Angst ihre nicht zu unterschätzende Aufgabe für das menschliche Leben. Wenn der Volksmund sagt, das gebrannte Kind scheue das Feuer, dann ist diese affektive Hilfe gemeint, die vom Fluchttrieb, der vor allem Widerwärtigen zurückbebt, ausgeht. Die Angst vor dem Versagen in der Prüfung oder die Furcht, sich vor anderen bloßzustellen, werden zu starken Bundesgenossen, die dem sittlichen Streben helfend an die Seite treten. E r s t wenn diese affektiven Kräfte so mit dem sittlichen Streben verbunden sind, daß der Mensch im sittlichen Versagen sein eigentlichstes Unglück sieht, scheint die sittliche Lebensführung gesichert. Solange ein Mensch, etwa ein Trinker, seine häufigen Rückfälle nicht bedauert, solange sie ihn nicht niederdrücken, traurig machen und beschämen, wird er sie trotz der Einsicht in die Verkehrtheit seines Tuns nur schwer ernstlich meiden. Sobald er dagegen von seinem Versagen innerlich beschämt und erschüttert wird, wird er sowohl von seiner inneren Überzeugung und seinem Willen geführt als auch zugleich von seinen affektiven Kräften gezogen und getrieben. E s ist zwar nicht so, als ob sich der Wille nicht ohne diese Kräfte oder sogar gegen sie durchsetzen könnte. E r kann das, muß das und tut das auch. Aber auf die Dauer scheint die sittliche Lebensführung erst gesichert, wenn die Leidenschaft unter der Führung des Willens, also beide gemeinsam, an der Erfüllung der sittlichen Lebensaufgabe arbeiten. Noch e i n e w e i t e r e H i l f e für das sittliche Leben liegt in Trauer und Schmerz. Leid zwingt in allen seinen Formen den Menschen zur Selbsteinkehr, zum Sichabschließen von allem, das nicht auf die eine oder andere Weise zum Leid in Beziehung steht. Wenn wir an die Formen der maßvollen, geistgelenkten Trauer denken und die geistfeindliche, nichtgelenkte ausschließen, führt diese Einengung des Gesichtskreises, dieses Stets-wieder-zu-sich-zurückkehren vom Affektiven her auch zu einer Konzentration des Geistes auf sich und das eigene Mißgeschick (37, 1 Zu 2). Durch diese Konzentration schafft die Trauer eine geistige Situation, die einerseits genügend Spielraum läßt für weitere Erwägungen, dann aber zugleich den Menschen ansprechbar macht für höhere Werte, namentlich für die geoffenbarten Wahrheiten (37, 1 Zu 1), und ihn schließlich sogar wegen der scheinbaren Sinnlosigkeit des Leids so lange zur inneren Auseinandersetzung drängt, bis er dessen Sinn in der Verbundenheit aller Menschen in Schuld und Sühne entdeckt und des ewigen Lohnes wegen das gegenwärtige Leid bejaht (vgl. 35, 3 Zu 1 u. Art. 6; 37, 3; 38, 4). Welche psychologischen Wege in der inneren Verarbeitung der Trauer möglich sind, kann man aus den Hinweisen er-

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39 schließen, die die moderne Psychologie im Zusammenhang mit der Behandlung der M i n d e r w e r t i g k e i t s g e f ü h l e und -erlebnisse macht. Sie können in körperlichen Mängeln, etwa Kleinheit, Häßlichkeit, Mißgestaltung einzelner Glieder, sozialen Mängeln, etwa Armut, unehelicher Geburt, niederer Herkunft, belasteter Vergangenheit und anderen ähnlichen Mängeln sittlicher oder anderer Art ihre Ursache haben. Es gibt nun verschiedene Arten, in denen ein starkes Minderwertigkeitsgefühl innerlich durchlebt wird. Eine dieser Möglichkeiten ist volle Entmutigung, Verzagtheit und Resignation, die sich in Scheu, Selbstunsicherheit, Gehemmtheit, Verlegenheit oder Schüchternheit äußert. Eine andere Möglichkeit ist die der inneren Verarbeitung. Sie kann sich vollziehen als echte geistige und übernatürliche Verarbeitung im Sinne einer erlebnismäßigen Einordnimg des eigenen Übels in die objektive Wertordnung. Seit A d l e r spricht man in diesem Zusammenhang von „Kompensation" und könnte in Anpassimg an unsere ethische Betrachtungsweise diese Verarbeitimg als „religiös-sittliche Kompensation" bezeichnen. Der innere Protest oder die innere Auflehnung gegen das Übel führt zu Anstrengungen im Sinne einer religiösen Lebensvertiefung. Die moderne Psychologie hat mehr den Ausgleich des Mangels im Auge, der in einer „direkten Kompensation" geschieht, wenn der Betroffene sich bemüht, seine Unzulänglichkeit gerade auf dem Gebiet auszugleichen, auf dem sie liegt; und in der „Kompensation der nächsten Chance", wenn der Ausgleich auf anderen Gebieten gesucht wird. Der Körperbehinderte versucht etwa, sich auf anderen Gebieten hervorzutun. In allen übrigen Formen fehlt die eigentliche Verarbeitung, indem sich der Mensch durch unsachliche Mittel um jeden Preis Geltung zu verschaffen sucht oder sich in seiner Trauer wohlgefällt (vgl. dazu u. a. L e r s c h , a. a. O. 277—-280). Z W E I T E R ABSCHNITT

D I E LEIDENSCHAFTEN D E S Ü B E R W I N D E N D E N STREBEVERMÖGENS (Fr. 40—48) Erstes Kapitel HOFFNUNG UND V E R Z W E I F L U N G (Fr. 40) 40 Zu den vier Hauptleidenschaften, die von altersher in dieser Zusammenstellung erwähnt werden (25, 4), zählt auch die Hoffnung. M e i e r sagt zwar in seiner Untersuchung, Thomas sei so abhängig von seinen Quellen, daß er praktisch nicht über seine Gewährsleute hinausginge (a. a. O. 177; vgl. dagegen Anm. [55]). Etwas später muß er allerdings feststellen: „Eine streng begründete und konsequent durchgeführte Unterscheidung der Hoffnung von der Begierde finde ich erst bei Thomas" (a. a. O. 179). Erstaunlich ist diese Tatsache nicht. Vom Übernatürlichen her sah sich Thomas veranlaßt, tiefer und geschlossener in die Wesenszusammenhänge der Hoffnung einzudringen, als es den heidnischen Philosophen vergönnt war,

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die nichts von einer Erhebung der Hoffnung in die höchst- 40 mögliche, gnadenhafte Vollendung wußten. N a t u r u n d Übern a t u r stehen sich j a nicht als zwei vollkommen getrennte, unvergleichbare Größen gegenüber, zwischen denen gar kein Verhältnis oder gar keine Beziehung möglich wäre. K a n n m a n auch nicht von einer völligen Gleichheit der natürlichen u n d übernatürlichen Hoffnung sprechen, ein analoges Verhältnis besteht trotzdem zwischen ihnen. E s gehört mit zu den Grundgedanken des Aquinaten, d a ß die übernatürliche Psychologie auf der natürlichen irgendwie a u f r u h t . J e klarer deshalb die natürliche Hoffnung in ihrem psychologischen Sein erfaßt u n d herausgearbeitet wird, desto mehr Licht fällt auf die übernatürliche Tugend, immer vorausgesetzt, daß die übernatürliche Begriffsbestimmung tatsächlich die der natürlichen Hoffnung aufnimmt, u n d daß stets die Ungleichheit der Verhältnisglieder, die in jeder Analogie zugleich mit der Verhältnisgleichheit oder -ähnlichkeit wesenhaft verwoben ist, beachtet wird. Umgekehrt gibt aber auch die Offenbarung dem Psychologen wertvolle Aufschlüsse u n d Anregungen zur klareren Durchdringung der natürlichen Leidenschaft. 1 § 1. WESENSBETRACHTUNG DER HOFFNUNG

A. I h r G e g e n s t a n d (Art. 1). — I n der Hoffnung geht es 40, 1 u m eine Triebkraft des menschlichen Seelenlebens, die offenkundig etwas vom Verlangen (Begierde) u n d von der Sehnsucht a n sich h a t u n d doch über beide hinausgeht. E s k o m m t etwas hinzu, was das triebhaft drängende Verlangen trotz widriger Umstände frisch u n d lebendig erhält, so daß es durch die Schwierigkeiten nicht gelähmt u n d erdrückt wird. Der hoffende Mensch erwartet genau wie in der Sehnsucht etwas Günstiges. Ungünstiges, etwa einen neuen Krieg, befürchtet er. Die Güter, tim die der Hoffende sich bemüht, h a t er noch nicht in Besitz, sonst läge die affektive Antwort darauf in der Freude. Sie stehen noch aus, müssen allerdings irgendwie in der Reichweite des Hoffenden liegen. Mag etwas noch so verlockend sein, mag es das menschliche Herz noch so sehr mit Sehnsucht erfüllen, wenn sich kein praktischer Weg dahin a u f t u t , bleibt es bei leeren Wünschen. Ergebung, Verzicht, Bedauern, Traurigkeit oder auch Verzweiflung wären das Ende. Güter, die sich der Mensch mühelos und, wenn auch mit Mühe, d a n n doch unfehlbar sicher verschaffen kann, oder Güter, deren notwendige Ursache bereits in seiner H a n d liegt, fallen nicht in den Bereich der Hoffnung (67, 4 Zu 3: Bd. 11). Hier spielt das Verlangen, er sehnt sich danach, freut sich darauf, aber in der Überzeugung, daß ihr Eintreffen oder ihr In-Besitz-nehmen durchaus gesichert ist; doch von Hoffnung k a n n keine Rede sein. Sicherheit m a c h t H o f f n u n g überflüssig. Der Gegenstand der Hoffnung m u ß wenigstens subjektiv von besonderem W e r t sein. E r darf sich zudem weder leicht verwirklichen oder erreichen lassen, noch darf er durch eine bereits 1 Zur Psychologie der natürlichen Hoffnung und zu ihrer Abgrenzung von Verlangen und Begierde vgl. C. Z i m a r a SMB, Das Wesen der Hoffnung in Natur und Übernatur. Paderborn 1933; J. P i e p e r , Über die Hoffnung. Leipzig 1938', 27 ff.

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i vorliegende, notwendig wirkende Ursache schon gesichert sein. E r s t das Große, Schwierige, Mühselige, Anstrengende und Problematische, eben das arduum, das Steilgut, löst Hoffnung aus, die hochgesteckte, mühevoll zu erreichende Ziele und schwierige Aufgaben voraussetzt, bei denen es noch fraglich ist, ob sie überhaupt bewältigt werden können (Art. 1 Zu 2) ; etwa die schwere Aufgabe eines Staatsmannes heute, seinem Volke Frieden und Wohlfahrt zu sichern. Persönliches Wissen und Können, Klugheit und Geschicklichkeit, leidenschaftsloses Urteil und Weitblick werden von ihm verlangt. Arbeit und Sorge bleiben ihm nicht erspart. Der Weg zum Ziel ist mühsam und führt über Enttäuschungen, Mißerfolge, Verzichte aller Art, Verständnislosigkeiten von Seiten anderer und schließlich Schwierigkeiten, die von innen aufbrechen. Die einfache, drängende und treibende Sehnsucht ist da nicht mehr imstande, weiterzuführen. Eine neue Triebkraft und Leidenschaft aus dem überwindenden Bereich wird jetzt von der Liebe auf den Plan gerufen: die Hoffnung ( I I — I I 17, 8 : B d . 16). Der gesunde Mensch streckt bei auftauchenden Schwierigkeiten nicht ohne weiteres die Waffen. I m Gegenteil wird gerade durch Widerstände das Kämpferische in ihm angesprochen. E r wird aufgerüttelt, tritt aus seiner Geborgenheit heraus, verläßt sein ruhiges Geführt- und Getragenwerden; er reckt sich auf und nimmt mit mehr oder weniger Schwung, je nach seiner vitalen K r a f t , den K a m p f für das erstrebte Gut auf, im Vertrauen, daß er sein Ziel wirklich erreichen kann oder erreichen wird. I n der arduitas liegt das Charakteristische des Hoffnungsgegenstandes, worunter Thomas allgemein die Schwierigkeit meint, die dem Erreichen eines Zieles hindernd im Wege steht und überwunden werden muß. Die Schwierigkeit kann im Wesen des Gutes selbst begründet liegen, wie B o n a v e n t u r a mit manchen Theologen seiner Zeit ausschließlich angenommen hatte, oder aus äußeren Umständen erwachsen. 1 Das nicht ohne weiteres Erreichbare, das einem nicht von selber in den Schoß fällt, ist das arduum, das Steilgut (3 Sent 26: 1, 2). Vom Standpunkt B o n a v e n t u r a s aus gesehen, stellt die arduitas ein anziehendes Moment dar, nämlich hervorragende, auserlesene Güte. F ü r Thomas und die neuzeitliche Scholastik, die ihm hierin geschlossen folgt, spielt das arduum eher die Rolle eines abschreckenden oder doch dämpfenden Elementes, insofern wenigstens, als es Schwierigkeit besagt. Freilich betont auch Thomas, daß in der Schwierigkeit ein gewisser Vorzugswert eines Gutes liegt, ähnlich wie alles Seltene und Teure einen besonderen Wert bekommt (ebd. Zu 1). Zur Fraglichkeit des Erfolges oder zur Schwierigkeit und Mühe muß noch eines hinzukommen: die praktische und verlockende Möglichkeit oder Erreichbarkeit dessen, was man hofft. Sonst erfolgt die bedauernde Absage des Strebens. E s muß im Einzelfall., mit Berücksichtigung aller Umstände, irgendwie wahrscheinlich sein, in den Besitz des erstrebten Gutes zu 1 Vgl. zu den Meinungsverschiedenheiten bezüglich der arduitas des Hoffnungsgegenstandes C. Z i m a r a , a. a. 0 . 85—90. — Über die verschiedenen Bedeutungen des Begriffes „arduum" vgl. R.-A, G a u t h i e r , Magnanimité. Paris 1951, 321—323.

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kommen. Dabei ist „wahrscheinlich" — auch im Sinne von 40, 1 ,gut möglich' oder .höchstwahrscheinlich', was ja die Fraglichkeit nicht ganz a u f h e b t — zu verstehen: nach der einen Seite als Gegensatz zu einem die Fraglichkeit ganz a u f h e b e n d e n .Sicher', nach der anderen als Gegensatz zu einem die Möglichk e i t a u f h e b e n d e n .Unwahrscheinlich' oder sogar .Ausgeschlossen'. Wenn sich trotz aller Überlegungen u n d Bemühungen die Schwierigkeiten als zu groß erweisen, erdrücken sie den Menschen u n d legen ihn lahm. Bei praktischer Unerreichbarkeit des Zieles weicht die Hoffnung der Verzweiflung (Art. 1 Zu 3); der Mensch wird durch das Steilgut, das arduum, nicht mehr angezogen u n d aufgerüttelt, sondern abgestoßen u n d zurückgeschreckt. So sind der arduitas gewisse Schranken gesetzt. Die Schwierigkeit darf eine bestimmte Höhe oder Grenze nicht überschreiten. Sonst m u ß das Ziel, m a g es noch so wertvoll sein, für die Hoffnung ausscheiden. Schwierigkeit u n d Erreichbarkeit sind Eigenschaften des Hoffnungszieles, aber solche, die sich gegenseitig ergänzen u n d so eng miteinander verbinden, daß sie sich gar nicht voneinander trennen lassen, wo zudem die eine gleich unentbehrlich ist zur E n t s t e h u n g der Hoffnung wie die andere (vgl. 3 Sent 26: 1, 2). 1 I n der modernen Psychologie wird das noch im Möglichkeitsbereich liegende Steilgut nicht oder wenigstens nicht ausdrücklich als wesentliches Merkmal des Hoffnungszieles angeführt (vgl. L e r s c h , a. a. O. 228). Das mag im Zusammenhang stehen mit der von D e s c a r t e s übernommenen 2 u n d seitdem allgemein gewordenen Preisgabe des Unterschiedes zwischen begehrendem u n d überwindendem Streben. Von der Scholastik wird seit Thomas u n d B o n a v e n t u r a allgemein das zwar fragliche, aber immerhin unter A u f b i e t u n g aller vitalen K r ä f t e noch erreichbare Gut als Gegenstand der Hoffnung angesehen. U n d gerade diese Merkmale verweisen die Hoffnung in den Bereich des überwindenden Strebens, der Selbstbehauptungs- oder K a m p f k r a f t des Menschen, von der gerade das in Angriff genommen wird, was K a m p f u n d Anstrengung kostet. Ihr Versagen äußert sich in F u r c h t u n d Verzweiflung, die ebenfalls dorthin gehören. Damit steht das Eigensein der H o f f n u n g gegenüber der Sehnsucht fest, das auf Grund seines Gegenstandes in den Bereich des einfach begehrenden Strebevermögens fällt. B. V o l l z u g s k r a f t d e r H o f f n u n g (Art. 2). — 1. Erst das 40, 2 Urteil, die Aufgabe sei ü b e r h a u p t zu bewältigen oder zu meistern, bildet einen hinreichenden Boden, auf dem Hoffnung entstehen u n d sich entfalten kann. E i n Mindestmaß von Wahrnehmung oder Erkenntnis m u ß unbedingt vorausgehen. Allerdings wird bisweilen (von der S t o a sowohl wie von neueren 1 W a f f e l a e r t fragt nach dem näheren gegenseitigen Verhältnis der beiden Eigenschaften im Hoffnungsziel. In der Möglichkeit oder Erreichbarkeit scheint ihm das eigentlich Formgebende zu liegen, das dem arduum als der unerläßlichen Vorbedingung die letzte Bestimmtheit verleiht. Bei der Hochgemutheit liegen die Verhältnisse umgekehrt. Dort gibt die arduitas der Möglichkeit als unzertrennliche Vorbedingung die letzte formende Bestimmtheit (Analysis actus spei, II. De actu spei in ordine naturae. Jahrb. f. Philos. u. spekul. Theol. 4 [1890] 209 f.). " Erstmalig wurde die Gültigkeit der Zweiteilung von D u n s S k o t u s bezweifelt, was möglicherweise über S u a r e z zu D e s c a r t e s gelangte.

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40, 2 Autoren) die Rolle der Erkenntnis so gesehen, als wenn die Voraussicht oder Meinung, es werde etwas Günstiges eintreten, bereits Hoffnung sei. Darum lautet die F r a g e : Besteht die Hoffnung in dem Urteil, wahrscheinlich werde man das gewünschte Gut in seinen Besitz bringen, also in einem Erkenntnisakt, oder ist Hoffnung ein Affekt, eine Leidenschaft, die von diesem Urteil ausgelöst wird und es begleitet? Mit anderen Worten: Haben wir in der Hoffnung eine Haltung des Strebens dem Gut gegenüber zu sehen? Folgerichtig müßte man bei der Furcht die gleiche Frage stellen. Aber ihr affektiver Charakter drängt sich dermaßen auf, daß die Frage dort tatsächlich nicht gestellt wird. Zum Teil mag die Frage bedingt sein durch die Ungenauigkeit des Sprachgebrauches. Man sagt z. B . : Was erhoffst du von diesem Schritt? und meint damit: Was denkst du über die möglichen Vorteile dieses Unternehmens? Man spricht von einem unerhofften Erfolg und denkt dabei an unvorhergesehenes Glück. Bisweilen heißt ,hoffen' im gewöhnlichen Sprachgebrauch soviel wie: I c h bin der festen Überzeugung, und wieder ein anderesmal, etwas abgeschwächt: I c h bin der festen Meinung, oder: Ich vermute. Überzeugtsein, Glauben, Meinen, Vermuten, Voraussehen, Vertrauen und Hoffen werden auf eine Stufe gestellt. Die Ungenauigkeiten in der Sprechweise lassen sich schon damit erklären, daß die Menschen keine Begriffsbestimmung von Hoffen und Vertrauen geben wollen, sondern einfach ihre Zuflucht zum subjektiven Grund ihres Vertrauens nehmen. E s werden dann zwei Akte verwechselt, von denen der eine zum Erkennen gehört und die Grundlage des anderen bildet, der im Strebevermögen vollzogen wird (Zu 1). Dabei darf wohl nicht verkannt werden, daß solche Angaben viel leichter und klarer gegeben werden als eine Beschreibung innerer Akte, die eine genaue Analyse erfordert. Rein erkenntnismäßig gesehen fehlt es dem Urteil, das die Grundlage von Hoffen und Vertrauen abgibt, an Sicherheit und Festigkeit. Das Streben muß ihm zu Hilfe kommen durch die affektive K r a f t des Entschlusses, sich nicht mit bloßen Wahrscheinlichkeitserkenntnissen zu begnügen. Wenn jemand seine Hoffnung und sein Vertrauen als feste Überzeugung charakterisiert, erklärt er lediglich, daß er durch die Entschiedenheit seines Strebens das ausgleicht, was seinem Urteil an Gewißheit abgeht. 2. Wir haben festgestellt, daß die Hoffnung in den affektiven Bereich gehört, weil es sich um ein affektives Erlebnis und nicht lim einen Erkenntnis Vorgang handelt. Worin besteht sie nun ihrem formalen Sein nach? Thomas antwortet mit A r i s t o t e l e s : Die Hoffnung ist nichts anderes als Vertrauen, selbst da, wo es sich um Erwartung handelt. Aristoteles lehrt die Gleichheit beider und vertauscht in seinen psychologischen Ausführungen die beiden Ausdrücke beliebig (vgl. C. Z i m a r a , a. a. O. 27). Thomas betrachtet im gleichen Sinne das Vertrauen als den eigentlichen Akt der Hoffnung, wie das Glauben als den des Glaubens, und umgekehrt wird von ihm das Hoffnungfassen zum hauptsächlichen (principaliter) Akt des Vertrauens erklärt ( I I — I I 129, 6 : B d . 21).

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Bei günstiger Aussicht, wenn es zwar nicht sicher, doch 40, 2 immerhin wahrscheinlich zu sein scheint, ein Ziel trotz der entgegenstehenden Hindernisse erreichen zu können, entsteht als unmittelbare Wirkung dieser Wahrnehmung im affektiven Bereich jene spezifische Einstelllang des Strebevermögens oder jene eigentümliche Festigung, die wir Z u v e r s i c h t oder V e r t r a u e n nennen (Zu 2; vgl. I I — I I 128, 1 Antw. u. Zu 2: Bd. 21). J e nach dem Grad der Aussicht wird der Mensch mehr oder weniger zuversichtlich gestimmt und geht vertrauensvoll ans Werk. Unter Vertrauen haben wir demnach nichts anderes zu verstehen als den Akt des Strebevermögens, sich auf die Wahrscheinlichkeitsgründe zu verlassen, die ein Gut in Aussicht stellen, bzw. diese besondere Verfassung des Strebe Vermögens. An einigen Stellen lehrt Thomas allerdings, Vertrauen besage eine gewisse Kraft der Hoffnung (robur spei: I I — I I 129, 6 Antw. u. Zu 2: Bd. 21) oder eine durch eine feste Meinung gekräftigte Hoffnung (spes roborata ex aliqua firma opinione, ebd. Zu 3). Auf den ersten Blick könnte man darin einen Widerspruch zu dem oben Gesagten finden, als ob Thomas zwischen der dem Vertrauen eigenen Kraft und der Hoffnung einen wesentlichen Unterschied sähe. Insofern könnte man tatsächlich einen sachlich unbedeutenden Unterschied finden, als wir eher von Vertrauen sprechen, wenn wir unser Augenmerk auf die Motive der Hoffnung richten, dagegen eher von Hoffnung reden, wenn wir den Gegenstand im Auge haben (C. Z i m a r a , a. a. O. 144). In allen Fällen, in denen die Erfüllung der Sehnsucht nicht sicher ist, sondern nur irgendwelche Aussicht bietet, wird das Vertrauen zur stählenden Kraft (27, 4 Zu 3), welche die drängende Sehnsucht, den Nährboden der Hoffnung (41, 2 Zu 3), trotz aller Schwierigkeiten frisch und lebendig erhält, die ohne diesenEinfiuß zu einem leeren, unwirksamen Wunsch zusammenschrumpfen würde. Vor der Hoffnung wird immer die Sehnsucht unterstellt; sie muß vor ihr da sein. Man wird nur dann etwas hoffen, wenn man vorher Sehnsucht danach hat. So ist die Sehnsucht eine Voraussetzung der Hoffnung (Art. 1 u. 7; 62, 4 Zu 3: Bd. 11), die jedoch jener gegenüber ihr Eigensein besitzt. Genau gesprochen kann, sooft und solange der glückliche Ausgang eines Unternehmens bloß wahrscheinlich ist — und darum allein handelt es sich hier —, nur das Vertrauen wirksam sein. In ihm liegt das Prinzip der Kraft. Unternehmungslust ebenso wie Mut und Kraft, die schwierige Aufgabe dennoch in Angriff zu nehmen, haben ihre vitale Quelle nicht im einfachen Verlangen, sondern im Vertrauen. Erst seine vitale Kraft stärkt, ermuntert und treibt den Menschen, die Mittel in Anwendung zu bringen, die dem Erreichen des Zieles dienen. I m Seelenleben spricht man außer von Vertrauen noch von Erwartung als Äußerung der Hoffnung. Der deutsche Ausdruck ,Erwartung' ist irreführend. An sich hat Erwartung in dem hier gemeinten Sinn nichts mit Warten zu tun. Es soll damit lediglich das Angewiesensein auf fremde Hilfe angedeutet werden, wie es der lateinische Ausdruck exspectare — von einem

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40, 2 andern erwarten — erklärt. I n Anbetracht dessen k a n n m a n n a c h Thomas nicht jede Äußerung der Hoffnung .Erwartung' nennen. Solange j e m a n d durch eigene Anstrengung u n d eigenes Können etwas zu erreichen hofft, h a t er echtes, zuversichtliches Vertrauen. W e n n das eigene Vermögen indessen nicht ausreicht und die Erreichung des Zieles vom Wohlwollen u n d der Mithilfe anderer oder von der Gunst äußerer U m s t ä n d e abhängt, d a n n ist es angebracht, auch von E r w a r t u n g im Sinne einer exspect a t i o zu sprechen, weil der Mensch ,Ausschau' hält nach äußeren Momenten, die ihm günstig sein können, mag es sich dabei u m Personen oder Dinge, u m Ereignisse oder irgendwelche andere günstige Bedingungen handeln (Zu 1). Wesentlich bleibt, daß der Mensch nicht mehr durch seine eigenen Bemühungen oder wenigstens nicht mehr durch sie allein, sondern nur durch die Hilfe oder doch Mithilfe eines andern das ersehnte Gut erhoffen kann, so daß es u m so angebrachter ist, von E r w a r t u n g zu sprechen, je größer die Abhängigkeit von der Gunst der Umstände ist. Handelt es sich dabei u m Personen, so m a c h t m a n sich f ü r die Erreichung des Zieles von ihnen abhängig u n d verbindet sich innerlich durch das Vertrauen mit ihnen, das wiederu m je nach der seelischen Nähe zu dem, der helfen soll, bald größer u n d bald geringer sein wird (Art. 7). Ist die Zusage des Freundes, von dem Hilfe erwartet wird, über allen Zweifel erhaben, handelt es sich gar u m Gott selber, auf dessen W o r t der Mensch fest vertraut, d a n n wird ihn nichts in seinem Vertrauen schwankend machen können. J e fragwürdiger hingegen die Personen oder U m s t ä n d e werden, die in Frage kommen, desto größer wird die Unsicherheit u n d u m so schwächer das Vertrauen. Wovon das Vertrauen im einzelnen abhängt, wird bei dem starken Einfluß der emotionalen K r ä f t e f ü r gewöhnlich schwer erklärbar sein. Bald wird es spontan entstehen, bald wird es die F r u c h t ruhiger Überlegung, f r e m d e r Beratung oder langer E r f a h r u n g sein. 1 An die E r w a r t u n g k n ü p f t die übernatürliche Tugend der Hoffnung an, bei der die Erreichung des Zieles nicht mehr in eigener K r a f t geschehen kann, sondern allein durch Gottes Gnade möglich wird. Aber da ist die Hoffnung nicht mehr Gefühl oder Leidenschaft im eigentlichen Sinne, sondern übernatürliche Tugend. Schließlich k e n n t Thomas noch eine dritte Erscheinungsform der Hoffnung. Wenn er außer von Vertrauen u n d E r w a r t u n g noch von W a g e m u t u n d mutigem Wagnis (conatus animi) oder von einer Gemütserhebung (elevatio animi) in der H o f f n u n g spricht, liegt seiner Auffassung die Idee zugrunde, daß es da, wo es im menschlichen Leben u m Hochziele u n d nur schwer zu meisternde Aufgaben geht, je nach den entgegenstehenden H e m m u n g e n von Seiten des Subjektes, Objektes oder der äußeren U m s t ä n d e eines besonderen Mutes u n d Aufschwunges, einer besonderen Anspannung u n d Anstrengung bedarf, sowohl u m ü b e r h a u p t Hoffnung zu fassen wie zur Überwindung von Niedergeschlagenheit u n d zur beharrlichen Einstellung auf das Ziel. Elevatio animi ist sachlich dasselbe wie mutvoll gehobene 1

Vgl. S e e l h a m m e r , Seid froh in der Hoffnung. Pastor bonus 53 (1942) 1—12.

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Seelenstimmung, die ihr Gegenstück in der Niedergeschlagen- 40, 2 heit hat, die den Menschen in der Furcht befällt, wenn er seine Unzulänglichkeit in der Abwehr empfindet (25, 1). Beharrlichkeit in der Einstellung auf das Ziel trotz der entgegenstehenden Hindernisse oder Beharrlichkeit im Vertrauen auf den nach hartem K a m p f zu erringenden Sieg bilden den Inhalt der elevatio animi. Vergleichen wir nun Vertrauen, E r wartung und elevatio animi miteinander, dann ergibt sich folgendes gegenseitiges Verhältnis: Unter dem Gesichtspunkt des Kraftaufwandes bildet e l e v a t i o a n i m i jenen mutigen Aufschwung, den das Vertrauen immittelbar einleitet und vollzieht. Will man dagegen den Affekt selbst bestimmen, den die elevatio animi spezifisch darstellt, so sprechen wir von V e r t r a u e n , also von dem Entschluß des Strebens oder von der entsprechenden affektiven Haltung, sich auf wahrscheinliche Aussichten eines günstigen Ausganges zu verlassen. Meinen wir dagegen die Haltung in Beziehung auf das in Aussicht stehende Ziel, soweit sein Erreichen von äußeren Kräften abhängt, sprechen wir von E r w a r t u n g . Mögen je nach der verschiedenen Sicht elevatio animi, Vertrauen und Erwartung drei besondere Akte der Hoffnung darstellen, sachlich bleiben sie trotzdem gleich und bedeuten nur verschiedene Gesichtspunkte einer und derselben Haltung, nämlich der Hoffnung (vgl. C. Z i m a r a , a. a. O. 163). 3. Der Hoffende ist noch unterwegs zum Ziel. Wenn er auch darauf vertraut, sein Ziel zu erreichen, er besitzt es n o c h n i c h t . Noch kann er es verfehlen. Dessen ist sich der Mensch bewußt und wiegt sich nicht in selbstbewußter Sicherheit. Doch hat ihn die Abwägung der verschiedenen Umstände sowie der bestimmende Einfluß emotionaler Kräfte zu dem praktischen Urteil geführt, daß er zu guter Letzt ans Ziel kommt, wenn er sich nur anstrengt und abmüht. Der Sicherheit im Erkennen und Urteilen entspricht die. vertrauensvolle Zuversicht mit ihrer Gewißheit in der Hoffnung. Worin besteht nun näherhin diese Sicherheit, die dem Hoffen innewohnt ? Gerade bei der theologischen Tugend der Hoffnung werden im Zusammenhang mit dieser Frage Probleme aufgeworfen, die nur deshalb auftreten konnten, weil man nicht von der Wesenssicht ausgegangen war. Mit .Gewißheit' kann sowohl die erkenntnismäßige wie affektive gemeint sein, wenn sie auch an erster Stelle der Erkenntnis zugesprochen werden muß und der affektiven nur durch Teilhabe zukommt. Nicht aber, als ob man von der Gewißheit im Streben nur im Sinne einer äußeren Benennung von der E r kenntnis her sprechen könnte, sondern in einem echten inneren, obgleich analogen Sinne (Zu 2 u. 3). Die affektive Gewißheit, das sei vorweg angedeutet, läßt wiederum eine doppelte Möglichkeit zu: die Gewißheit des Strebens und die des Erfolges. F ü r die Hoffnung kommt die affektive Gewißheit in Frage. Man muß sich von der Vorstellung freimachen, als sei Gewißheit nur ein sicheres Wissen oder Urteilen über etwas, was ist oder sein wird. An erster Stelle kommt der Begriff zwar dem E r kennen zu. I n ihm haben wir jene menschliche K r a f t , die im eigentlichen Sinne besitzt, weil sie ihren Gegenstand in sich

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40, 2 hineinholt, sich aneignet oder sich einverwandelt. Das Strebevermögen geht umgekehrt aus sich hinaus, um sich in das erstrebte Gut einzuverwandeln. Infolgedessen erfährt, was wir im Erkennen Gewißheit nennen, im Strebebereich eine Umwandlung. E s handelt sich jedoch um eine wirkliche Gewißheit, nur keine erkenntnismäßige, sondern affektive, und zwar um eine Gewißheit durch Teilhabe (Zu 2 ; I I — I I 20, 2 Zu 1: B d . 17). Erzeugt nun im Erkennen die voll verwirklichte Ausrichtung auf das Objekt, also die Übereinstimmung zwischen Erkennen und Sein, die Gewißheit des Habens und Besitzens, so besteht die Gewißheit der Strebekraft in der voll verwirklichten, ihr selbst zwar nicht bewußten, tatsächlich aber doch bestehenden, gemüthaften Ausrichtung auf ihren Gegenstand. U m den leisesten Verdacht einer erkenntnismäßigen Gewißheit auszuschließen, spricht man besser von Spannkraft im Verfolg eines Gutes oder von innerer Zielbestimmtheit, Zielrichtung, Zielstrebigkeit. Die Zielstrebigkeit läßt nun die bereits angedeutete doppelte Möglichkeit zu. Die erste ist die der Hoffnung eigene und besteht in der Sicherheit der Atisrichtung, der Hinordnung, des Könnens. Nicht in Frage kommt für die Hoffnung die zweit© Möglichkeit, die Gewißheit des Erfolges. U m die Sicherheit der Ausrichtung oder Zielstrebigkeit in der Hoffnung zu verstehen und um zu erkennen, daß sie in ihrer Art absolut und nicht von Bedingungen abhängig ist, wie manchmal ausgesprochen wird, muß man sein Auge grundsätzlich vom tatsächlichen Ausgang abwenden und nur einmal auf die Ursächlichkeit schauen, auf die K r a f t und das triebhafte Drängen zum Verfolg eines, zwar nicht sicheren, aber immerhin erreichbaren, hochgesteckten Zieles. Wie ein abgeschossener Pfeil seine sichere Zielrichtung und Zielstrebigkeit hat, wenngleich er vom Ziel selbst nichts weiß und dazu durch mannigfache Umstände tatsächlich nicht ans Ziel kommt, oder noch deutlicher, wie das Feuer seine Hinordnung oder K r a f t zum Erwärmen behält, mag es im übrigen durch irgendwelche äußere Umstände nicht zum tatsächlichen Erwärmen kommen, so besitzt die Hoffnung ihrer Natur nach ebenfalls die innere Ausrichtung und Zielstrebigkeit, die K r a f t und das Können zum Erreichen des Zieles, wenn auch der tatsächliche Erfolg unvorhergesehener Verhältnisse wegen wider Erwarten nicht eintritt (3 Sent 2 6 : 2, 4 Zu 2). Man muß sich von dem Gedanken frei machen, als dürfe man die Zielsicherheit nur nach dem tatsächlichen Erfolg beurteilen. Entscheidend bleibt die Hinordnung oder die K r a f t zum wirklich m ö g l i c h e n Erfolg. 1 40, 3

C. E i n e S c h w i e r i g k e i t (Art. 3). — K a n n nun dieser seelische Antrieb, den wir Vertrauen nennen, noch eine Leidenschaft, ein psychosomatisches Phänomen sein? Hoffen bedeutet ein Vorgreifen in die Zukunft; es unterstellt Weitsicht, kluges Planen im Verfolg eines Zieles sowie weises Auswählen der Mittel und Wege dahin. U m die Schwierigkeit klar herauszustellen, 1 Zur Frage nach der Gewißheit vgl. J . M. R a m i r e z OP, De certitudine spei christianae. Salamanca 1938, u. a. 40—47.

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f r a g t Thomas, wie es denn u m die Tiere bestellt sei. K r a f t ihres 40, 3 Lebenszuschnittes m ü ß t e n die Tiere ebenfalls triebhafte Regungen dieser A r t haben. Aus dem Verhalten der Tiere m u ß ebenfalls darauf geschlossen werden. Thomas f ü h r t als Beispiel den J a g d h u n d an, der genau weiß, ob er im gegebenen Augenblick mit Aussicht auf Erfolg einem Hasen nachjagen k a n n oder n i c h t ; u n d wenn er ihm nachjagt, verrät sein Vorgehen in allen Teilen die eben erwähnte Zweckmäßigkeit des Handelns. Folgt n u n daraus, daß der eigentliche Ort der Hoffnung jenes Feld ist, in dem die triebhaften K r ä f t e u n d Leidenschaften zu Hause sind, so folgt ebenso notwendig daraus, daß irgendwie geistiges Planen u n d weises Leiten dahinterstehen muß, wenn auch anders beim Tier als beim Menschen. E s gibt aber kein Tier, das einen Plan auf weite Sicht entwirft u n d d a n n Schritt f ü r Schritt ausführt. Wohl wird das Tier aus dem, was es im Augenblick wahrnimmt, zu etwas in der Z u k u n f t bewegt, als ob es das Zukünftige voraussähe, doch ohne d a ß es die Gegenwart im Wahrnehmen u n d H a n d e l n tatsächlich verläßt (Zu 1 u. 3). Der Schöpfer h a t im Tier durch Einschätzungsvermögen u n d sinnliche Urteilskraft oder Instinkt, durch die Merkwelt-Wirkwelt-Koppelung, vorgesorgt u n d ihm das Planen, Überlegen u n d Wählen vorweggenommen. „ W a s also die Weitsicht u n d Vorausschau des Schöpfers im Tier u n d f ü r das Tier ist, braucht deshalb keineswegs Weitsicht des Tieres selbst zu sein" ( P f a h l e r , a. a. O. 6). Diesem gegenüber ist der Mensch aus der Naturunmittelbar keit u n d der n a t u r h a f t e n Geborgenheit herausgenommen u n d auf sich gestellt. I h m h a t der Schöpfer die Lebensführung selber in die H a n d gegeben. Das Tier lebt, der Mensch f ü h r t sein Leben. Durch seine Gottähnlichkeit im Erkennen u n d Wollen wird das auch ihm eingeborene Einschätzungsvermögen u n d die sinnliche Urteilskraft überhöht, so daß er nicht blind auf die Vor-sorge des Schöpfers in der Lebensbewältigung angewiesen ist, sondern selbst planend u n d bewußt wirkend sein Leben in die H a n d nehmen k a n n u n d m u ß , indem er das weithin selbst f ü r sich betätigt, was der Schöpfer f ü r das Tier bereits vorweg getan h a t . § 2. WESENSBETRACHTUNG D E R VERZWEIFLUNG

Zuversicht u n d Vertrauen haben gegen Gemütsschwankungen 40, 4 depressiven Charakters oder gegen Neigungen zur Mutlosigkeit zu kämpfen. Gegensätzliche K r ä f t e können sich in der Seele regen, u m die aus. der H o f f n u n g geborene Hochstimmung und Schwungkraft mehr oder weniger zu lähmen. Bei dem Wechsel des menschlichen Befindens bleiben körperliche u n d seelische Indispositionen nicht aus, die von Zeit zu Zeit die immerhin bestehenden Schwierigkeiten in den Vordergrund drängen, durch die das Strebevermögen wieder in Anwandlungen von Besorgnis u n d Mutlosigkeit gerät. Das hindert aber nicht, daß der Mensch aus vorübergehender Niedergeschlagenheit bald wieder zum zuversichtlichen Vertrauen zurückfindet, es sei denn, daß nach u n d nach die F u r c h t sich b e h a u p t e t u n d die Hoffnung ablöst. Indessen, den eigentlichen Tod der Hoffnung bringt die V e r z w e i f l u n g . Die in der menschlichen Konstitution begründeten

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40, 4 Schwankungen des Seelenlebens haben mit Verzweiflung noch nichts zu t u n . Diese greift tiefer an. Voraussetzung der Verzweiflung bildet, genau wie bei der Hoffnung, das ehrliche Verlangen u n d die brennende Sehnsucht nach einem hochgesteckten Ziel. „Wonach wir keine Sehnsucht haben, das k a n n weder Gegenstand unserer H o f f n u n g noch Verzweiflung sein" (Zu 3). W ä h r e n d n u n die Sehnsucht durch die H o f f n u n g gestärkt u n d gefestigt wird, so daß sie den Menschen frisch u n d lebendig weiterdrängt u n d treibt, verneint der Mensch in der Verzweiflung angesichts der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen seine eigene mächtige Sehnsucht, indem er sich mit aller Macht gegen sie wirft. Das ist nicht in dem Sinne zu verstehen, als ob Verzweiflung lediglich das A u f h ö r e n oder Fehlen von H o f f n u n g besage, auch nicht da, wo sie an sich da sein m ü ß t e (Zu 3). Mitunter k o m m t es bei m a t t e n , schwunglosen Menschen aus Teilnahmslosigkeit, Gleichgültigkeit oder Scheu vor Mühe u n d Anstrengung ü b e r h a u p t nicht zum Hoffen, wo es wirklich a m Platze wäre, oder sie lassen aus den gleichen Gründen einfach von der begonnenen Verfolgung eines Zieles ab. Das h a t deshalb nichts mit Verzweiflung zu t u n , weil die Sehnsucht überh a u p t nicht lebenskräftig ist. Auch die Verzweiflung ist Aktivitätsprinzip in bestimmter Prägung v o m Gegenstand her. Soll es zur Verzweiflung kommen, m u ß erst die E r k e n n t n i s der Aussichtslosigkeit weiterer Bemühungen vorangehen, u n t e r deren Druck der Mensch seinen seelischen Schwung notwendig verliert. W e n n so das gegensätzliche Verhalten zur Hoffnung oder die der H o f f n u n g zuwiderlaufende mutlose Wegbewegung vom Ziel im Menschen die Ü b e r h a n d gewinnt, spricht m a n von Verzweiflung. D a hört die H o f f n u n g nicht einfach a u f ; sie wird vielmehr gewaltsam verdrängt. Der Hoffende sieht immerhin trotz der nicht zu leugnenden Schwierigkeiten die Erreichbarkeit des Zieles u n d wird gerade durch das a r d u u m aufgerüttelt, alle K r a f t aufzubieten, u m es zu verfolgen u n d in seinen Besitz zu bringen. Der Blick des Verzweifelnden verengt sich. E r sieht nur noch die Schwierigkeiten, die ihm das Ziel unerreichbar erscheinen lassen. Das a r d u u m lockt ihn nicht mehr an, sondern schreckt ihn a b u n d treibt ihn zurück. Dieses hoffnungslose, erzwungene Aufgeben mit der niederdrückenden Absage oder dieses entmutigte innere Zurückweichenmüssen kennzeichnet die innere S t r u k t u r der Verzweiflung, die mit ihrer gegensätzlichen Bewegung die H o f f n u n g aus dem Menschen verd r ä n g t . Weil Verlangen u n d Sehnsucht bestehen bleiben u n d weiter zu dem Gut hindrängen, der Mensch also das Unerreichbare brennend gern hätte, aber trotzdem, wegen der erkannten Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen, gelähmt wird, entsteht die schmerzvolle Zerrissenheit u n d niederdrückende, mutlose Verstimmung des Menschen, die wir V e r z w e i f l u n g nennen (J. P i e p e r , Über die Hoffnung. Leipzig 1938 2 ). § 3. URSÄCHLICHE ZUSAMMENHÄNGE DER HOFFNUNG

40, 5

Angesichts des Hoffnungszieles, eines noch nicht im Besitz befindlichen, aber für erreichbar gehaltenen Steilgutes, liegen die Ursachen der Hoffnung in der lebendigen Kraftquelle dieses

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Auslangens im Hoffenden (für die Bewältigung der damit ge- 40, 5 stellten Aufgaben). Dieser Lebenszuschnitt umfaßt: 1. D a s K ö n n e n . — Hoffnung kann nur in jenen Verhältnissen Fuß fassen, die einen Menschen zur Verfolgung des ins Auge gefaßten Steilgutes befähigen, sei es nun Gesundheit und K r a f t , Macht und Ansehen, persönliche Begabung und charakterliche Tüchtigkeit, z. B. Mut und Tapferkeit, oder persönlicher Einfluß und gute Beziehungen zu andern. Eine nicht geringe Rolle spielen die in der Gegenwart verfügbaren Erfahrungen oder inneren Erwerbungen aus der Vergangenheit in der Form von Haltungen, Gehaben und Fertigkeiten, die eine leichtere und bessere Lebensbewältigung ermöglichen. Denn der vonseinen Ursprüngen her hilflos in die Weltfülle gestellte Mensch gewinnt in schrittweiser Eroberung Herrschaft über sie. Was immer sich der Mensch durch sein Tun an Lebenszuwachs, Kraftsteigerung und Daseinsbeherrschung erworben hat, wächst in ihn hinein und wird verfügbar für neue Tätigkeiten, die den „Umriß des Erfolges" ( G e h l e n ) schon in sich spüren, so daß das Erworbene zum Bürgen für neue, umfassendere Entscheidungen und ihre Durchführung wird. 1 W o deshalb solche Erfahrungen im Sinne von Haltungen, Gehaben und Fertigkeiten fehlen, wie das namentlich in der Jugendzeit der Fall ist, sind die Grenzen des Könnens enger gezogen. 2. D a s W i s s e n u m das K ö n n e n . — Erst im Bewußtsein, im Wissen um das eigene Können stehen dem Menschen seine Fähigkeiten für die Lebensbewältigung zur freien Verfügung. Was darum solche innere Überzeugungen zu schaffen vermag, gehört ebenfalls in die Reihe der Hoffnungsursachen. Es ist gleich, auf welchen Wegen der Mensch zu Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen kommt. Es kann geschehen auf dem W e g der eigenen Lebenserfahrung, die den Einzelnen nach und nach über die Wirkweite der vorhandenen Kräfte unterrichtet, so daß er sie zweckentsprechend im Leben einzusetzen vermag; es kann ebenso geschehen durch Belehrung über sein Können von Seiten anderer, die ihn dadurch veranlassen, ein Ziel in Angriff zu nehmen, das zu verfolgen er aus sich nicht gewagt hätte. Umgekehrt kann der Mensch auf dem gleichen Wege aber auch in seine enger gezogenen Grenzen verwiesen oder durch Unerfahrenheit oder gar Dummheit, Beschränktheit, Unüberlegtheit oder sogar Trunkenheit zu selbstbewußt und zu selbstsicher werden. Wer noch keinen Fehlschlag erlitten und bei seinen Unternehmungen noch keine Schwierigkeiten erlebt hat, wird sich für Aufgaben fähig halten, die er tatsächlich nicht bewältigen kann (Art. 5). 3. E n t s c h l o s s e n h e i t u n d W a g e m u t . — Wenn die Hoff- 40, 6-8 nung auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit gespeist wird, sie zielt in die Zukunft. Dem bleibt der wagende Vorgriff in die Zukunft vorbehalten, der mutig und entschlossen das 1 Vgl. G. P f a h l e r , a. a. O. 17 und 28; Band 11, der über Gehaben und Haltungen ausführlich spricht.

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40, 6-8 Wagnis auf sich n i m m t . D e n n ein Wagnis bleibt die H o f f n u n g immer, aus ihrem inneren Gefüge heraus. Wo Beweglichkeit, Unternehmungslust, Schwungkraft, W a g e m u t u n d gar kämpferischer Geist sich finden, liegen wiederum die Bedingungen f ü r die H o f f n u n g günstig. Thomas sieht darin jugendliche Eigenschaften, die ihn in der H o f f n u n g die charakteristische Geisteshaltung der J u g e n d erblicken lassen. „ J u n g e Leute haben viel Z u k u n f t u n d wenig Vergangenheit." I h r Sinn ist in die Z u k u n f t gerichtet u n d wird deshalb mehr von dieser als von der Vergangenheit geprägt. U n t e r s t ü t z t von ihrer N a t u r , werden sie, im Besitz von Gesundheit u n d K r a f t , unbeschwert von Mißerfolgen u n d Erfahrungen, von überschäumendem Lebensmut u n d Kampfeswillen vorangetrieben. Hindernisse werden beinahe spielend genommen oder reizen erst recht zum Aufwand aller verfügbaren K r ä f t e . J u gendlichkeit u n d H o f f n u n g gehören zusammen. Jungsein ist Ursache der Hoffnung. Andererseits wird mit dem sinkenden lieben die H o f f n u n g müde. Der Horizont der Möglichkeiten h a t sich bedrückend verengt, u n d der Blick in die Weite ist überall verstellt (Art. 6). „ D a s ,Noch nicht' verkehrt sich in das Gewesene, u n d das Alter wendet sich, s t a t t dem ,Noch nicht', erinnernd dem ,Nicht mehr' z u " (J. P i e p e r , a. a. O. 43). Allgemein wirkt sich die H o f f n u n g günstig auf das H a n d e l n aus. Schwierigkeiten schärfen die Aufmerksamkeit u n d mobilisieren alle K r ä f t e der Seele; eine Art Vorfreude (vgl. 32, 3) l ä ß t den Menschen mit Liebe ausführen, was das geplante Ziel verlangt (Art. 8). Letztlich gehen K r a f t u n d Ausdauer der H o f f n u n g auf Liebe u n d Verlangen zurück, von denen sie gespeist wird (Art. 7). Bei der übernatürlichen H o f f n u n g liegen die Verhältnisse umgekehrt. Nicht gebunden a n das natürliche Jungsein begründet sie gerade eine viel wesenhaftere Jugendlichkeit; indem sie mit ihrer S p a n n k r a f t auch in die verjüngten K r ä f t e der natürlichen H o f f n u n g überströmt, verbürgt sie „ewige J u g e n d " . „Sie schenkt dem Menschen ein .Noch nicht', das dem Sinken der natürlichen Hoffnungskräfte schlechthin überlegen u n d entrückt ist. Sie gibt dem Menschen so ,viel Z u k u n f t ' , daß die Vergangenheit eines noch so langen u n d reichen Lebens dagegen als ,wenig Vergangenheit' erscheint" (J. P i e p e r , a. a. O. 43). Paulus s a g t : „Wenn auch unser äußerer Mensch vergeht, der innere v e r j ü n g t sich von Tag zu T a g " (2 Kor 4, 16). Man wird a n den u n b e w u ß t gelebten Lebensplan der Individualpsychologie A. A d l e r s erinnert, wenn m a n den Hinweis des Aquinaten auf die formende K r a f t der Z u k u n f t f ü r den in die Z u k u n f t drängenden, beeindruckbaren u n d begeisterungsfähigen jugendlichen Menschen vernimmt. Weil sich die Hoffnung nicht so sehr auf klares u n d sicheres Wissen stützt, sondern auf eine mehr oder weniger wahrscheinliche Abschätzung, auf die der emotionale Einfluß vom Affektiven her weitgehend bestimmend wirkt, m u ß die innere Bereitschaft dazu nach Alter u n d E r f a h r u n g wie nach der psychophysischen S t r u k t u r der einzelnen Menschen eine verschiedene P r ä g u n g annehmen. Beeindruckbare Typen werden sich eher

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als schwerfällige f ü r ein großes Ziel begeistern lassen u n d sich 40, 6-8 dazu entschließen. Energische Menschen werden nicht leicht von einem einmal gefaßten Plan lassen, den energielose längst aufgegeben h ä t t e n . E i n hoffnungsfreudiger Optimist geht anders a n die T a t als ein mißtrauischer Pessimist (vgl. Art. 8). Noch erstaunlicher können die Leistungen werden, wenn Psychop a t h e n ihr Ziel verfolgen u n d dabei einen K r a f t a u f w a n d entfalten, der normalen Menschen gar nicht zur Verfügimg steht. E s braucht nur erinnert zu werden an die Zähigkeit u n d H a r t näckigkeit der Hysteriker in der Verfolgung ihrer Ziele. Genau so gut, wie es Menschen gibt, die dazu neigen, sich zuviel zuzumuten, sich zu übernehmen, gibt es andere, die das zu wenig t u n , wie die Engherzigen, Ängstlichen, Traurigen, Niedergeschlagenen, Mutlosen, Abgekämpften, a m Leben Zerbrochenen u n d E n t t ä u s c h t e n . Die Reihe ließe sich noch weiterführen. I h n e n fehlt der Mut zum Wagnis, das notwendig mit der Hoffnung verbunden bleibt. K r a n k t die J u g e n d leicht a n zu großem Lebensmut oder Lebensoptimismus, so droht dem Alter ein lähmender Pessimismus, der dem Menschen den notwendigen Schwung u n d Mut n i m m t . Das, was sonst dem Alter die überlegene Sicherheit im Leben gibt, k a n n hier zum H e m m schuh werden. Weil der Mensch von H a u s aus nach Sicherheit verlangt, k a n n die Angst vor einem möglichen Fehlschlag zu vorsichtig machen. Noch stärker wird die Mutlosigkeit u n d Unentschlossenheit bei den Psychopathen, etwa bei den Selbstunsicheren u n d Melancholikern, die so weit gehen kann, daß sie vollständig entschlußunfähig werden u n d nicht imstande sind, Verantwortung auf sich zu nehmen. W ä h r e n d den gesunden Menschen die mit seinem Handeln verbundene Unsicherheit z u m Aufgebot aller K r ä f t e reizt, versagen die Abnormen u n d ergreifen innerlich die Flucht. 1 Zweites Kapitel ÜBER DIE FURCHT (Fr. 41—44) § 1. I H R E WESENSBETSACHTUNG

(Fr. 41) 1. D i e F u r c h t i n s i c h (Art. 1 u. 2). — Durch die Ähnlich- 41, 1/2 keit zwischen den inneren Verhältnissen der Hoffnung und der F u r c h t wird aus dem über die Hoffnung Gesagten die Grunds t r u k t u r der F u r c h t sichtbar. Auch von der F u r c h t wird ein innerer Antrieb, die einfache Flucht vor dem Übel — eine Leidenschaft, die von Thomas nicht ausführlich behandelt wird — unterstellt. Man k a n n grundsätzlich nur das fürchten, was m a n innerlich ablehnt, dem m a n d a r u m entgehen u n d nicht zum Opfer fallen möchte (Art. 2 Zu 3; 25, 2). Dem gegenüber besitzt jedoch die F u r c h t ihr Eigensein. W e n n der Mensch seine Unzulänglichkeit in der Abwehr empfindet, weil das drohende Unheil über1 Ausführlich verbreitet sich über die einzelnen Typen in ihrem Verhältnis zur Hoffnung, in Anlehnung an P f a h l e r , B. N i e s s e n , Menschentypen. Tugenden und Laster. Köln 1951.

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41, 1/2 mächtig ist, wenn es zwar nicht sicher, aber doch wahrscheinlich unabwendbar ist, entsteht als unmittelbare Reaktion auf diese Bedrohung im affektiven Bereich jener artbesondere Antrieb des Strebevermögens, den wir Furcht nennen. Die Furcht kommt als Bundesgenosse der Abwehr zu Hilfe, damit der Mensch nicht kampflos vor dem Übel kapituliert und es hilflos über sich hereinbrechen läßt. So alarmiert der Selbsterhaltungs- und Selbstbehauptungstrieb in der Furcht durch das Gefühl der Niedergeschlagenheit, Preisgegebenheit und Schutzlosigkeit den natürlichen Selbstschutz und mobilisiert die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte, um das drohende Unheil, so wenig wahrscheinlich das auch sein mag, schließlich doch noch aufzuhalten (42, 2). I n diesen, möglicherweise schockartigen, Abwehrversuchen (vgl. z. B . Schrecken und Entsetzen) kann es bis zu einer überstarken oder unerwarteten Beanspruchung des Organismus kommen, die dieser entweder gar nicht oder doch nicht sofort verarbeiten kann, ohne Schaden zu nehmen. Die Reaktion ist aber nicht wie die der Trauer, wo der Mensch bereits von dem unabwendbaren Unheil überwältigt ist. Trotzdem klingt schon etwas von ihr in der Furcht durch, wie j a auch umgekehrt die Hoffnung von der Vorfreude überstrahlt wird. So hat denn die Furcht, ähnlich wie Schmerz und Trauer, eine destruktive Tendenz, die sie zur Leidenschaft im eigentlichsten Sinne macht. 41, 3

2. A n g s t u n d F u r c h t (Art. 3). — I n die Auseinandersetzung mit der Umwelt greift die Furcht nicht immer mit derselben Heftigkeit ein. Ihre Abwehr richtet sich nach den jeweils gefährdeten Werten der menschlichen Persönlichkeit. Nach Thomas kommt als Antwort auf eine solche Bedrohimg entweder die naturhafte oder die nicht naturhafte Furcht in Frage. E s hängt davon ab, welche Belange des Menschen bedroht werden. Mit „naturhaft" soll die enge und immittelbare Verbindung der jeweils gefährdeten Güter mit der Natur angedeutet werden, die sich in der naturhaften Furcht in ihren elementaren Belangen bedroht fühlt. Ist die Koppelung an die Natur und den Selbsterhaltungstrieb dagegen nur lose und handelt es sich um die vielen möglichen Teilinteressen, auf die sich der Mensch selber erst, festlegt, dann befürchtet er im Sinne der nicht naturhaften Furcht, daß er etwa das gewünschte und gesuchte Buch nicht bekommen kann. Die modernen Psychologen haben zur Charakterisierung der Reaktion die bekannte traditionelle Unterscheidung durch eine andere abgelöst. Sie sprechen von Angst und Furcht, lassen aber beide im allgemeinen irgendwie bestimmt sein von jenen Gegenständen, die bereits A r i s t o t e l e s und Thomas voneinander abheben. Wenn auch manchmal nicht unerhebliche Schwankungen zwischen einzelnen Autoren und deren Deutung des Angstund Furchtphänomens bestehen, so bleiben die phänomenologischen Aufhellungen dieser F o r m der Leidenschaft doch beachtlich und wirken, soweit sie nicht eigenwillige Begriffsdeutungen sind, klärend zurück auf das Verständnis der alten Einteilung. Jedes zerstörerische oder seinsgefährdende Übel, mit anderen

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Worten, jede existentielle und personale Bedrohung löst als 41, 3 Reaktion des Selbsterhaltungstriebes Angst aus, die je nach der empfundenen Bedrohung den gesamten Organismus bis in seine letzten Tiefen ergreift und in Alarmzustand versetzt. Angst ist immer Angst vor Vernichtung. Dabei ist existentielle Bedrohung im weiten Sinne zu nehmen. Trotzdem kann die Ausweitung bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Die Bindung des bedrohten Gutes an den Selbsterhaltungs- oder Selbstbehauptungstrieb ist entscheidend. So bezieht sich die existentielle Bedrohung unmittelbar auf unser leibliches und personales geistiges Leben. Wir sprechen davon bei Lebensgefährdung, ferner bei drohender Vernichtung von Gütern, die mit unsern personalen Interessen auf das allerengste verknüpft sind, und schließlich bei Gefährdung zentraler Belange von Menschen, die uns besonders nahestehen. Man geht noch weiter und sieht unter dem Einfluß S. K i e r k e g a a r d s (Der Begriff der Angst. J e n a 1912) in der Angst ein bis in die tiefsten und letzten Seinsschichten des Menschen durchdringendes Erleben seiner kreatürlichen Begrenztheit, so daß sich die Angst nicht so sehr auf klar und eindeutig erkannte Angstgegenstände bezöge als vielmehr darüber hinaus auf etwas Unbestimmtes und letztlich Unbekanntes. Die von L e r s c h dargestellten Sonderformen: Lebensangst, Weltangst und Binnenangst zeigen, wie sich nach und nach der Akzent auf die innere Preisgegebenheit, Schutzlosigkeit und Unsicherheit als auf eine Grundstimmung oder Grundbefindlichkeit des Menschen verschiebt, der sich in der existentiellen Angst, von der H e i d e g g e r spricht, vor dem unpersonalen Untertauchen in seine innerweltlichen Möglichkeiten ängstigt. Die Angst verliert ihren psychischen Charakter und wird zu einer metaphysischen Gegebenheit. Sie bekommt die Funktion des Individuationsprinzips, das den Menschen aus dem Kollektiv heraushebt und ihn zu einer personalen Selbständigkeit vereinzelt. Unter .Furcht' verstehen sie im wesentlichen dasselbe wie Thomas unter ,nicht-naturhafter' Furcht. Vor allem steht das konkrete Übel im Vordergrund. Die Erhaltung der eigenen Existenz tritt mehr in den Hintergrund. „Dadurch erklärt sich vermutlich das Zurücktreten der akuten, den ganzen Körper erschütternden Erscheinungen, wie wir sie im Zustand der Angst haben. Der naturhafte Trieb der Lebenskräfte, sofort und mit allen Mitteln das ganze Lebewesen in Alarmzustand zu versetzen, fehlt bei den Furchtgefühlen." 1 3. E i n t e i l u n g d e r F u r c h t (Art. 4). — Thomas kennt, vom 41, 4 Gegenstand der Furcht abgeleitet, d. h. von der inneren Seinsstruktur her gesehen, sechs Sonderformen, die als echte Arten der Furcht zu gelten haben: Scheu, Scham, Verwunderung, Staunen oder Schrecken, Entsetzen oder Grauen. Gerade im Zusammenhang mit dem Herausarbeiten der einzelnen Furcht1 M. K e i l h a c k e r , Entwicklung und A u f b a u der menschlichen Gefühle. Regensburg 1947, 45—50, bes. 51; Ph. L e r s c h , a. a. O. 260—263. I m allgemeinen läßt sich die Tendenz nicht verkennen, immer mehr von Angst und immer weniger von Furcht zu sprechen (vgl. zum Unterschied von Angst und Furcht im Sprachgebrauch: M. W a n d r u s z k a , Angst und Mut. Stuttgart 1950, bes. 19—26.)

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41, 4 arten, das hier von der Seinsstruktur her erfolgt u n d in der modernen Psychologie von phänomenologischen Gesichtspunkt e n her geschieht, die der unmittelbaren Beobachtung u n d Erf a h r u n g eher zugänglich sind, zeigt sich die innere Zuordnung der beiden wie auch die Ergänzung u n d Aufhellung, die die eine Betrachtungsweise von der anderen erfährt. § 2. GEGENSTAND DER FURCHT

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(Fr. 42) Als inneres Sich-abwenden oder Fliehen k a n n F u r c h t n u r von einem Ü b e l ausgelöst werden (Art. 1), das noch nicht da, aber im K o m m e n ist u n d k a u m abgewendet werden k a n n (Art. 2). J e schwerer das drohende Unheil u n d je schwieriger die Abwehr ist, desto größer wird die F u r c h t (Art. 6). Wir sagen: k a u m abwendbares, n u r schwer zu vermeidendes oder drohendes Unheil (Art. 5). I n der F u r c h t erst erlebt der Mensch seine Gefährdung, noch nicht sein Erliegen, wie in der Trauer. Auf ein schlechthin unvermeidbares Übel, dessen K o m m e n f ü r die nächste Z u k u n f t unabwendbar bevorsteht, reagieren wir schon m i t Trauer u n d Schmerz. Umgekehrt verliert es a n Furchtbarkeit, wenn es noch in weiter Z u k u n f t liegt. Ganz allgemein ist die unmittelbare W a h r n e h m u n g eines angsterregenden Übels in höher e m Maße geeignet, F u r c h t auszulösen, als die bloße Vorstellung oder die Feststellung eines aus weiter Ferne drohenden (Art. 2). Wir erleben es a m deutlichsten im Erschrecken u n d Entsetzen, wenn eine Bedrohung uns plötzlich überfällt u n d uns in ihren B a n n schlägt. E s besteht keine Zeit f ü r Gegenmaßnahmen, so d a ß es schockartig zu einer gewaltsamen Unterbrechimg des psychosomatischen Lebensablaufes k o m m t . Das zeigt zugleich an, daß Bedrohtwerden durch ein Übel einmal von dessen Größe a b h ä n g t , d a n n von seiner N ä h e u n d schließlich von der Widers t a n d s k r a f t oder Hilflosigkeit des Bedrohten selbst (Art. 5). Dabei bleibt immer vorausgesetzt, daß das drohende Unheil nicht von unserem Willen, sondern von einer äußeren Ursache abhängt, dem Übel selbst, oder einem Menschen, der es zufügen k a n n (Art. 1). W a s vollkommen in unserer Gewalt steht, hat, soweit es im Machtbereich des Willens liegt, nicht den Charakter des Drohenden u n d F u r c h t b a r e n (Art. 3). Damit drängt sich die Frage auf, ob u n d inwieweit ein Mensch Angst vor sich selber haben k a n n . H e u t e spitzt sich die Frage zu in dem Problem der Angst vor der Angst. Thomas h a t die gelenkte F u r c h t im Auge u n d sagt zunächst, Angst vor der Angst hieße, m a n fürchte eine sicher kommende, objektiv berechtigte Angst. E r erinnert aber weiter, daß die F u r c h t als psychophysischer Antrieb teilweise dem Willen unterworfen ist, also den Charakter des Furchtbaren nicht h a t , soweit sie dem Zugriff des Willens offensteht. Daraus schließt er auf die Möglichkeit, Furchtanwandlungen a b t u n zu können. — Die modernen Psychologen u n d Phänomenologen haben die Zusammenhänge weiter erforscht u n d sind zu einem Ergebnis gekommen, das Thomas nicht kennt, das aber nicht im Widerspruch zu seinen metaphysischen Grundgesetzen steht. N a c h ihnen k a n n die F u r c h t einer abnormen Furchtneigung entspringen, sich also weitgehend dem Einfluß

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des Willens entziehen. Das ist dann keine objektiv begründete 42 Furcht, die auf eigenem Boden wächst, sondern etwas Fremdartiges, das sich aufdrängt und über das der Mensch nicht mehr Herr wird. Etwas Zwangshaftes ist ihr eigen; der Mensch wird das Gefühl der Überwältigung nicht mehr los. Vor einer solchen Angst, die wie ein Schreckgespenst vor einem derart anfälligen Menschen steht, ist Angst sehr wohl möglich (Art. 4). § 3. URSACHEN DER FURCHT

(Fr. 43) I n der Frage nach den Ursachen der Furcht steht das kaum 43 aufzuhaltende drohende Übel als gegenständliche oder äußere Formalursache im Mittelpunkt. Wenn wir weiter nach den W i r k u r s a c h e n dieses seelischen Antriebes fragen, dann ist er unmittelbar Wirkung der Abwehr und Flucht vor dem Übel, die dem Haß entspringen. Doch stehen dahinter noch seelische und körperliche Dispositionen, in denen sowohl die Furcht allgemein wie die Furcht gerade vor diesem Übel angelegt ist. 1. D i e s e e l i s c h e n D i s p o s i t i o n e n . — Der innerste Beweggrund, warum ein bestimmtes Übel gefürchtet wird und der Mensch sich davon abwendet, liegt in jenem Gut, das der Mensch letztlich will (vgl. K o m . zu F r . 23 u. 25). Weil dieses Gut durch ein Übel bedroht oder unmöglich gemacht wird, wird das Übel vom Menschen gemieden. I n der Liebe zu einem Gut ist sowohl H a ß wie auch Furcht vor allem, was dieses Gut gefährdet, keimhaft angelegt. Dadurch wird z. B . verständlich, wieso eine Mutter in ständiger Sorge lebt und wie ihre Sorge sich durch offenbar geringfügige Anlässe zur größten Besorgtheit und Angst steigern kann. I n ihrer glühenden Liebe wittert sie in allen möglichen Gelegenheiten Gefahren für ihr Kind. W e r nicht in diesem Verhältnis zum Kinde steht, braucht überhaupt noch keinen Anlaß zur Angst zu sehen. Ganz allgemein wird mit der gleichen Heftigkeit, mit der ein Gut geliebt und begehrt wird, das entgegengesetzte Übel gehaßt und gefürchtet, wenn es einzutreten droht. Sich v o r etwas fürchten ist immer zugleich u m etwas fürchten (Art. 1). Die zweite Disposition, die hinzukommen muß, damit Angst überhaupt möglich wird, besteht in dem Bewußtsein der eigenen Ohnmacht (Art. 2).

43,1

2. D i e k ö r p e r l i c h e n D i s p o s i t i o n e n . Wegen der physio- 43, 2 logischen Veränderungen, die sich in der Furcht ebenso einstellen wie bei allen anderen Leidenschaften, verfügt jeder gesunde Mensch über eine Bereitschaft zur organischen Antwort auf furchterregende Situationen, die in einer normalen Breite bei den einzelnen bald geringer bald größer sein kann, ohne daß sie ganz fehlen dürfte. E s gibt eine ausgesprochene Furchtanlage, eine fein ausgeprägte Empfänglichkeit für das Furchtgefühl, d. h. eine körperliche Verfassung, die auf Furchtreize mehr als auf andere anspricht. Meist handelt es sich um zarte und feinfühlige Menschen, die wegen ihrer Struktur schnell in den B a n n eines solchen Eindruckes geraten.

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43, 2

Wir wissen heute, daß es außer dieser immerhin noch normalen eine a b n o r m e A n s p r e c h b a r k e i t für die Furcht gibt, wodurch das Erlebnis so stark wird, daß es sich der Beeinflußbarkeit durch ruhige Überlegung entzieht. 1 I n der Psychopathologie werden alle dahin gehörenden Typen unter dem Namen ,selbstunsichere Psychopathen' zusammengefaßt, von denen die Zwangsneurotiker die bekanntesten sind. Obschon Thomas den fixierenden Charakter der Furcht kennt (44, 4 Zu 2), finden sich über diese abnormen Furchtneigungen keine näheren Angaben bei ihm (Art. 2). § 4. I H R E A U S W I R K U N G E N UND W I R K U N G E N

44

(Fr. 44) Wenn Thomas lediglich von Furcht spricht, müssen wir uns bewußt bleiben, daß er damit alles das meint, was von den Psychologen als Sorge, Aufregung, schwere Furcht, Angst, Erschrecken, Panik, Entsetzen usw. bezeichnet wird. Wesentlich ist der Furcht, wie Thomas sie versteht, das Erlebnis des ernsthaften Bedrohtseins durch ein schweres Übel. Die Auswirkungen dieser Furcht zeigen sich vom Physiologischen bis zum Geistigen hin, und zwar alle im Sinne eines Sich-zurückziehens in sich selbst, einer Zusammenziehung und Beengung. E r stellt sich das nach Art eines Rückzuges vor. Wenn der Feind eine Stadt belagert und es ihm dabei gelingt, in die Außenbezirke einzudringen, ziehen sich die Belagerten mehr und mehr in den immer enger werdenden Stadtkern zurück (Art. 1). 1. K ö r p e r l i c h e A u s w i r k u n g e n . — Mit einer erstaunlichen Vollständigkeit werden von Thomas die körperlichen Auswirkungen der F u r c h t als Spiegelungen des Seelischen aufgezählt und mit Hinweis auf die dahinter stehenden Ursachen beschrieben. Der Mensch wird bleich vor Angst und Schrecken (Art. 1 Zu 3); bisweilen errötet er (Art. 1 Zu 3 ; 41, 4). Der Geängstigte friert leicht, bekommt Frostschauer und zittert am ganzen Leib (Art. 1 Zu 1 u. Art. 3). Das ist eine Folge der veränderten Blutverteilung, die ihrerseits weiter zurückgeht auf eine veränderte Herztätigkeit (Art. 1 Antw. u. Zu 3; 3 Zu 3; 41, 1). Mit der veränderten Herztätigkeit tritt ein Gefühl des Druckes, der Beklemmung und des Zusammengeschnürtseins in der Herzgegend („Präkordialdruck") auf sowie ein Gefühl der Macht- und Kraftlosigkeit, das bekannte „Vernichtungsgefühl" (vgl. Art. 1; 37, 2 Zu 2). Wenn sich die peripheren Blutgefäße zusammenziehen, drängen sie das B l u t in die inneren Organe, die dadurch geweitet werden (Art. 1 Zu 3). Auf die anfängliche Zusammenschnürung der äußeren Blutgefäße folgt oft eine Gefäßerschlaffung mit begleitendem Hitzegefühl (vgl. Art. 1 Zu 3). Bekannt sind Thomas Störungen des Verdauungsapparates. Angst bewirkt Übelkeit und Erbrechen, Harndrang und spontaner Harnabgang kommen vor. Sexuelle Erregungen bis zum Orgasmus treten auf (Art. 3 Zu 1). Erst in den letzten 1 Vgl. L. L ö w e n f e l d t , Die psychischen Zwangserscheinungen. Wiesbaden 1904, 3 0 5 ; Th. M i i n c k e r , Der psychische Zwang und seine Beziehungen zu Moral und Pastoral. Düsseldorf 1922.

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J a h r z e h n t e n ist wieder auf diesen Zusammenhang hingewiesen 44 worden. L ö w e n f e l d t (a. a. O. 310) meinte sogar irrtümlicherweise, er sei der erste gewesen, der auf das Auftreten sexueller Erregungen bei Angstanfällen hingewiesen h ä t t e . Durch die E r w ä h n u n g des Trockenheitsgefühls, das zu wiederholtem Trinken führe, deutet Thomas die heute bekannte mangelnde Speichelsekretion in der Angst an (Art. 3 Zu 1). I n großer Angst versagen die Glieder u n d Organe ihren Dienst. Die Zähne klappern, die Unterlippe u n d d a n n der ganze Unterkiefer zittern; schließlich zittern Hände, Beine u n d Knie (Art. 3 Zu 3), so daß sie f ü r eine zielbewußte Abwehr unfähig werden (Art. 4). Wird die Angst übergroß, schlottern selbst kräftigen Männern die Knie (Art. 3 Zu 3). Ferner wird das Sprechen unsicher, stockend, abgerissen, undeutlich und leise. Am E n d e versagt die Stimme ganz (Art. 1 Zu 2 u. 3 Zu 3). 2. S e e l i s c h e A u s w i r k u n g e n . —- I n dieser Verfassung des Organismus ist das Vorstellungsvermögen dabei, die zu der „organischen Angst" passenden Vorstellungen festzuhalten oder wachzurufen u n d alle andern unbeachtet vorüberziehen zu lassen. Die Phantasie wird schöpferisch. Sie sieht die Gefahr drohender, als sie in Wirklichkeit ist. Die neue Wahrnehmung wirkt zurück auf den Organismus u n d dieser wiederum auf die Phantasie, die ihr Spiel von neuem beginnt, so daß am Ende die ernste Bedrohung mit der begleitenden E n t m u t i g u n g so im Vordergrund steht, daß die Abwehrmöglichkeiten nicht mehr gesehen werden (Art. 2). 3. G e i s t i g e A u s w i r k u n g e n . — An sich m ü ß t e d a n n die Überlegung einsetzen u n d der Wille Ordnung schaffen. Aber Angst u n d F u r c h t haben die Tendenz, den Geist unter ihren Einfluß zu bringen. Man könnte sich indes vorstellen, daß trotz der E i n e n g u n g des Blickes u n d trotz der Festlegung der Aufmerksamkeit auf den Gegenstand der F u r c h t eine gewisse Wendigkeit bestehen bliebe u n d ein ruhiger Ablauf der Gedanken bei der Überlegung nach einem rettenden Ausweg stattfinden könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn zu dieser Einengung k o m m t als weitere Wirkung eine Art L ä h m u n g (vgl. Art. 1 Zu 1), wodurch eine F o r m von Schwerfälligkeit u n d Unbeweglichkeit nicht n u r den Verstand u n d Willen, sondern auch das Vorstellungsvermögen, das sinnliche Begehren u n d den Körper fesselt. Am sichtbarsten ist die L ä h m u n g im Erschrecken, wo der Mensch steif u n d starr vor Entsetzen werden k a n n (Art. 4). M ü n c k e r macht im Anschluß an neue Erfahrungen auf die Folgen der veränderten Blutverteilung im Gehirn aufmerksam, namentlich bei Angst u n d Schrecken. Mit dem Weichen des Blutes aus bestimmten Zentren scheine immer eine Trübung des Bewußtseins u n d eine H e m m u n g u n d Schwächung der geistigen Tätigkeit verbunden zu sein. Vor allem t r i t t dadurch eine gewisse L ä h m u n g d e r W i l l e n s f u n k t i o n ein. Der Angstbefallene bekommt es nicht fertig, den Vorstellungsablauf in seinem Sinne zu lenken. Durch die Angst ist er wie gebannt. Die Angstvorstellungen sind von allen seelischen Verknüpfungen 39 10

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44 wie abgeschnürt. Zudem sucht sich die in der Angst enthaltene Energie in die motorischen Zentren zu ergießen, die die nicht gewollte Handlung zu verwirklichen vermögen (Th. M ü n c k e r , Der psychische Zwang. 216 ff.). J e m a n d will über einen hochliegenden Balken gehen. An sich wäre das durchaus möglich. Aber wenn ihn die Angst packt, er könne fallen, oder wenn er meint, er müsse fallen, dann verliert er die Sicherheit und stürzt hilflos in die Tiefe (Art. 4 Zu 2). Durch die drohende Gefahr ist er nicht nur wie gelähmt und unfähig, die Bewegung auszuführen, die er zweckmäßig ausführen müßte, er wird sogar gegen seinen Willen dazu getrieben, gerade das zu tun, wovor er sich fürchtet. Ein seelischer Zwang bricht ein und übernimmt die Leitung. Wenn diese krampfhafte Furcht das Szepter ergreift, dann wird die übertriebene Sorge zum Verhängnis. Anstatt den Feind zu bannen, ruft sie ihn herbei. Sieht man von diesen schwersten Formen der Furcht ab und denkt an die milderen Formen, dann bleibt hinreichende Möglichkeit für Überlegungen zur Lenkung der Furcht bestehen. In solchen Fällen wird die Furcht nicht zum Hindernis für zweckentsprechende Abwehr, sondern führt zu Sorgfalt und weiter zu zielbewußtem Vorgehen in der Abwehr des drohenden Unheils (Art. 4 Antw. u. Zu 3). Drittes Kapitel ÜBER DIE KÜHNHEIT (Fr. 45) 45, l/2 1. W e s e n d e r K ü h n h e i t (Art. 1 u. 2). — Kühnheit unterstellt ebenso wie Furcht das Erlebnis des Bedrohtseins durch ein herannahendes Übel. Beide haben also denselben Gegenstand zum Ziel. Aber in beiden Antrieben wird eine gegensätzliche Bewegung ausgelöst, so daß jede der verschiedenen Formen der Furcht in der Kühnheit ihr Gegenstück hat. Statt sich durch Schwierigkeiten im Erstreben eines Zieles zurückschrecken zu lassen, wird der Mensch gerade durch das Bedrohtsein zu einer unerschrockenen kämpferischen Auseinandersetzung aufgerufen, die er entschieden und kraftvoll, aber auch mit dem sicheren Vertrauen vollführt, Herr der Lage zu werden. Oft wird schon das Fehlen von Angst für Mut gehalten. Man sagt, der Kühne sei furchtlos, unerschrocken, unverzagt, beherzt. Genau besehen besagen diese Ausdrücke jedoch mehr als das Fehlen der Angst. Man läßt sie gar nicht erst an sich herankommen. Kühnheit hat einen starken und zuversichtlichen Klang. Hinter ihr steht unverkennbar die Hoffnung auf Gelingen, aus der sie geboren und von der sie getragen wird. Unerschrockenheit und Unerschütterlichkeit, Mut und Draufgängertum, K r a f t und Ausdauer, Vertrauen und Sicherheit, alles das sind Züge, die auf den Ursprung aus der Hoffnung hinweisen. So begibt sich der Mutige in die Gefahr, aber nur jenes Gutes wegen, das auf dem Spiele steht. 45, 3

2. U r s a c h e d e r K ü h n h e i t (Art. 3). — I m allgemeinen wirkt zum Entstehen von Kampfesmut oder Kampfesstimmung im Sinne eines leidenschaftlichen Antriebes alles das mit, was

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Zuversicht u n d Vertrauen weckt, u m sich im K a m p f e f ü r das 45, 3 Gute durchsetzen u n d erfolgreich behaupten zu können (vgl. K o m . zu F r . 40). Man k a n n eine angeborene Anlage zur K ü h n heit mitbringen. Manche sind von H a u s aus draufgängerisch u n d werden schnell aggressiv. Andere wagen kaum, ein W o r t zu riskieren. Wie die Angst, ist auch das mutige Wagen als seelischer Antrieb von der körperlichen Verfassung, der seelischen Stimmung u n d von vielen Einflüssen des Augenblicks abhängig. 3. A u s w i r k u n g e n d e r K ü h n h e i t (Art. 4). — Kühnes u n d 45, 4 tapferes Verhalten stehen zueinander wie rein vitale u n d sittliche R e a k t i o n auf eine drohende Gefahr oder wie ungelenkte u n d gelenkte Leidenschaft. Beiden ist das Aggressive gemeinsam, mit der sie der Gefahr begegnen, aber ihre Auswirkungen sind verschieden. Die Kühnheit wird als vitale Angriffslust, die wir auch bei den Tieren kennen, vom sinnenhaften Urteilsvermögen geleitet. Das Urteil wird instinktmäßig gefällt, ohne daß auf Grund einer Kenntnis u n d Erwägung der einzelnen U m s t ä n d e ein besonnenes Urteil ausgesprochen würde. E s ist deshalb verständlich, wenn in dieser rein sinnenh a f t e n Sicht nicht alle Gefahrenmomente gesehen werden u n d der Mensch durch seine Angriffslust in eine Gefahr getrieben wird, die sich im Verlaufe der Auseinandersetzung größer zeigt, als er sich anfänglich vorgestellt h a t t e . Daher k o m m t es, daß der vital Aggressive blind u n d unerschrocken losschlägt, aber vor der Zeit ernüchtert wird u n d nachgibt. Tapferkeit u n d Mut sind gelenkte, also sittliche Antriebsk r ä f t e des Menschen. Als solche werden sie von der Vernunft (I 81, 3: Bd. 6) geleitet. Das maßgebliche Urteil wird erst gefällt, nachdem die verschiedenen Gefahrenmomente erwogen u n d abgeschätzt worden sind. Wenn d a n n der Auftrag zur kämpferischen Auseinandersetzung erteilt wird, mag dem Angriff zwar anfangs etwas von dem vitalen Schwung fehlen, er wird aber im Verlaufe des Kampfes mit den Hindernissen wegen der dahinter stehenden Planung u n d Leitung an K r a f t zunehmen. J e höher ein Gut steht u n d je mehr dem Menschen a n der Verwirklichung dieses Gutes gelegen ist, f ü r das er sich einsetzt, desto energischer u n d ausdauernder wird er den K a m p f führen. Die vitale Angriffslust bewegt sich in eng gezogenen Grenzen, in rein sinnlich wahrnehmbaren Erfolgsaussichten. Der eigentlichen Tapferkeit sind dagegen, wenn es u m absolute Güter geht, keine Grenzen gesetzt, selbst wenn im Einsatz f ü r höchste Güter das eigene Leben geopfert werden m ü ß t e . Viertes Kapitel ÜBER DEN ZORN (Fr. 46—48) § 1. SEINE WESENSTiETE. ACHTUNG

(Fr. 46) 1. D e r Z o r n i n s i c h (Art. 1). — Als arteigene Leidenschaft 46, l hat der Zorn sein eigenes Gesicht, das allerdings die Züge jener Leidenschaften verrät, die zu seinem Zustandekommen mit611

46, l wirken. Die im Zorn sich meldende Gereiztheit oder der sich darin offenbarende Vergeltungsdrang hat das Erleben des Überwältigtseins durch ein schweres Übel zur notwendigen Voraussetzung. E s gibt Fälle schweren Mißgeschicks oder Mißlingens, die zu Ergebung in Trauer stimmen, etwa der Tod der Eltern. Doch es gibt auch andere Fälle, die das nicht tun. Wenn ein erlittenes Übel etwa als schwere Beleidigung, tief verletzende Zurücksetzung oder ungerechte Niederlage empfunden wird, stimmt es zwar zu Trauer und Schmerz, nimmt aber einen aufreizenden Charakter an. E s mobilisiert seelische Abwehr kräfte, den Vergeltungsdrang, d. h. den Wunsch und das Verlangen, die Situation bei gegebener Gelegenheit grundlegend zu ändern. Sobald sich trotz bestehender ernster Schwierigkeiten (Art. 3) eine passende Möglichkeit dazu bietet, erfolgt der Gegenschlag, der sich in Entrüstung, Empörung und Zorn entlädt. So sind im Zorn Trauer, Verlangen, Hoffnung und Kühnheit am Werk und in ihnen wiederum alle Leidenschaften, von denen diese vier gespeist werden, ohne daß sie dem Zorn sein spezifisches Gepräge nähmen (3 Sent 26: 1, 3 Zu 5; 4 Zu 5). 46, 2

2. G e g e n s t a n d d e s Z o r n e s (Art. 2). — Bei näherem Zusehen erscheint am gegenständlichen Horizont des Zornes immer eine Person in der Rolle des Feindes, auf den Vergeltung und Strafe warten. E s lassen sich darum, genau gesehen, zwei Bewegungen voneinander abheben: die eine wirkt als Hinbewegung zu einem Gut, ausgelöst von der möglichen Vergeltung oder Wiedergutmachung des zugefügten Unrechtes; die andere, als aktive Hinwendung zu einem schadenbringenden Übel, zu der Person, die sich verfehlt hat und eine Sühne über sich ergehen lassen soll. Aufs Ganze gesehen steht das Verlangen nach Vergeltung, also ein Gut, im Vordergrund, dem das Übel, nämlich die Bestrafung, als notwendiges Mittel zum Ziele dient (vgl. Mal 12, 2; Ver 26, 5).

46, 3-6

3. E i g e n s c h a f t e n d e s Z o r n e s (Art. 3—6). — Dem Vollzug der Vergeltung liegt deshalb die Feststellung eines Unrechtes, ferner ein Vergleich zwischen der zu erteilenden Strafe und dem erlittenen Schaden, schließlich eine Schlußfolgerung zugrunde (Eth 8, 6 n. 1389), so daß der Zorn auch als sinnliche Leidenschaft auf eine voraufgehende Tätigkeit der Vernunft verweist. Daraus darf nicht gefolgert werden, die Vernunft leite den Vollzug der Vergeltung von Anfang bis Ende. Im Gegenteil: Die Vernunft verweist auf das geschehene Unrecht und gibt das Zeichen zum Angriff. Wenn der Zorn dann sofort entbrennt, gehorcht er zwar soweit dem Vernunfturteil, aber er hört nicht zu Ende. E s kommt zu einem affektiven Kurzschluß. — Der Zorn stürmt vorzeitig los, um blindlings den Auftrag auszuführen, dessen genauen Inhalt er gar nicht zur Kenntnis genommen hat. E r macht sich eigenmächtig an seine halb verstandene Aufgabe und folgt, wenn der Wille nicht eingreift und zur Einhaltung der Ordnung zwingt, eigenen Gesetzen, die die Vernunft übertönen (Art. 4 Zu 1 u. 3). In solchen extremen Fällen sprechen wir von Wut. Wir sagen, einer sei ,.blind vor 612

W u t " , weil er ohne Überblick und Überlegung Vergeltung sucht, 46, 3-6 ohne bewußt die Schuld abzuwägen, die der andere sich zugezogen hat (Art. 4). Durch einen an sich unverkennbar geistigen Zug] h a t der Zorn eine besondere Unmittelbarkeit zum Menschen als solchem. I n ihm w a h r t der Mensch trotz allem eine gewisse Würde, was m a n von den Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens nicht immer sagen kann. A r i s t o t e l e s h a t den Satz aufgestellt, es sei menschenwürdiger zu strafen, als Milde walten zu lassen (Art. 5; I I — I I 156, 4: Bd. 22). Es mag wohl von der leicht oder fast immer gegebenen Maßüberschreitung des Zornes herkommen, wenn er manchmal als besonders ungehörige Leidenschaft gewertet wird. Vielleicht wird instinktiv empfunden, wie schwer es ist, im Zorn Maß zu halten, so daß gerechter Zorn verhältnismäßig selten zu sein scheint. Trotzdem h a t er durch den ihm eigenen geistigen Zug ein inneres Maß, das aus einem Vergleich mit dem Haß, mit dem er in etwa verwandt ist, deutlich wird. Beide gleichen sich darin, daß sie einem anderen übelwollen; trotzdem liegt darin auch schon ihr Unterschied. W e r h a ß t , will seinem Feind übel schlechthin u n d wünscht ihm alles Schlechte; wer dagegen zürnt, will auch dem Gegner Übles zufügen, aber doch nur, soweit er darin etwas Gutes sieht, nämlich einen gerechten Ausgleich oder die verdiente Strafe f ü r zugefügtes Unrecht. Der H a ß h a t somit etwas Maßloses an sich. E r ist seiner N a t u r nach unersättlich, weil er n u r e i n Ziel h a t , die Vernichtung des anderen. Demgegenüber h a t der Zorn seine Grenzen. Sein eigentliches Anliegen bleibt die Gerechtigkeit auf dem Wege über die Vergeltung. Der Zornige möchte sogar, daß der andere seine Niederlage als Strafe f ü r seine ungerechte Handlungsweise erkennt u n d anerkennt (Art. 6 Zu 2). Mit der gerechten Vergeltung hört der Zorn auf u n d k a n n d a n n sogar in Mitleid mit dem Bestraften übergehen, was beim H a ß u n d e n k b a r wäre. Das hindert aber nicht, daß der Zorn im Augenblick des Ausbruches durch seine Heftigkeit viel weiter von Mitleid entfernt ist als der H a ß (Art. 6 Zu 1). Das Schlimme beim Zorn ist: er bricht plötzlich u n d zugleich mit aller Heftigkeit aus (Art. 6) u n d wirkt dadurch verderblicher als H a ß u n d alle anderen Leidenschaften. Aber er h a t ihnen voraus, daß er schneller a u f h ö r t . Wie ein großes Feuer den Brennstoff schneller verzehrt u n d dann erlischt, so verzehrt sich auch der Zorn schnell, gerade wegen seiner Heftigkeit (48, 2 Zu 2). Außerdem m u ß m a n sagen, daß der Zorn immer, auch wenn jemand zum J ä h z o r n neigt, an bestimmte Situationen gebunden bleibt, wogegen der H a ß aus einer inneren feindlichen Einstellung heraus beharrlich sein Ziel verfolgt u n d sogar Gelegenheiten sucht u n d schafft, u m seinen Gegner irgendwie zu schädigen. W e n n das auch der Zorn nicht t u t , so besteht doch Gefahr, d a ß sich aus ihm auf die Dauer eine solche feindselige Einstellung mit üblen Auswirkungen entwickelt (Art. 3 Zu 2; I I — I I 156, 4 Zu 1: Bd. 22). 4. G r u n d f o r m e n d e s Z o r n e s (Art. 7). — An sich k a n n 46, 7 echter Zorn nur durch ungerechtes Verhalten einer anderen 613

46, 7 Person ausgelöst werden. Trotzdem kennen wir Zorn auf rein animalischem Niveau, wie wir ihn bei Tieren beobachten können. Durch ihren Instinkt, hinter dem die ordnende Kraft des Schöpfers steht, werden sie auf dem Wege über das Vorstellungsvermögen zum Angriff gegen alles Schädigende getrieben (Art. 4 Zu 2). Eine ähnliche, rein sinnenhaft gesteuerte Reaktion auf Störung und Beeinträchtigung des Selbsterhaltungstriebes gibt es auch im menschlichen Leben. Dann kann der Mensch zornig und aggressiv werden gegen alles und selbst an leblosen Dingen seine Wut auslassen, was beim echten Zorn, der wehtun will, undenkbar wäre (Zu 1). 46, 8

5. A r t e n dea Z o r n e s (Art. 8). — In der Aufzählung der einzelnen Sonderformen bleibt Thomas bei der herkömmlichen Einteilung. Den Einteilungsgrund bietet ihm hier das Subjekt, nicht das Objekt; dieses bleibt in allen Formen das gleiche. Die verschiedenen subjektiven Verhältnisse bedingen durch drei Merkmale — Reizbarkeit, Dauer und Unbeugsamkeit — spezifisch geprägte Verhaltungsweisen des Zornes. Zorn, der seinen Grund in einer leichten Ansprechbarkeit des Subjektes hat, nimmt das Gepräge des Ä r g e r s an. Ärger ist der Zorn der Reizbaren, die schnell über alles in Zorn geraten, deren Zorn aber ebenso schnell wieder verfliegt. Ein anderes Gepräge bekommt der Zorn als G r o l l , H a d e r , V e r b i t t e r u n g im Sinne von Verletztsein. Von dorther hat er auch den aufreizenden Charakter. Das ist der Zorn der Verbitterten, der lange anhält. Nur aus Gründen innerer Ohnmacht unterbleibt der Angriff. Die Impulse des aggressiven Verhaltens kommen nicht zum befreienden Start, werden vielmehr gestaut und so lange mit herumgetragen, bis die eigentliche Wurzel, das Verletztsein durch die ungerechte Behandlung, an Schärfe verliert und damit der Groll abklingt. Vereinzelte Zornesausbrüche führen nicht zur inneren Befreiung. — Vom Vergeltungsdrang und Rachedurst her gibt es eine dritte Art, die Wut, der Zorn der schwer Versöhnlichen, die in schwere Wut geraten und nicht eher Ruhe haben, bis die Rache erfolgt ist. § 2. URSACHEN UND HEILMITTEL DES ZORNES

47, 1/2

. (Fr. 47) 1. G e g e n s t a n d d e s Z o r n e s (Art. 1 u. 2). — Gegenstand des Zornes bildet ein erlittenes Unrecht, für das in der Vergeltung der gerechte Ausgleich geschaffen werden kann und soll. Wesentlich ist, daß es sich um eine Schädigung handelt, die den Zornigen selbst angeht. Wenn das nicht wäre, würde er nicht im Zorn diesen vitalen Einspruch gegen die Rechtsverletzung einlegen können (Art. 1). Wir kennen zwar eine Entrüstung und Empörung über das a n d e r e n zugefügte Unrecht, aber doch nur, soweit wir irgendwie mit ihnen verbunden sind, sei es auch nur, weil wir als Menschen zusammengehören (Art. 1 Zu 2). Das Gefühl der Kränkung, der Beleidigung und des Verletzseins entsteht dann, wenn dem berechtigten Geltungsstreben seine Erfüllung versagt wird. Was dabei im tiefsten Grunde den 614

Menschen zum Zorne reizt, ist die Verletzung seines natürlichen 47 Anspruches auf Geltung u n d Achtung oder die darin sich offenbarende ungehörige Geringschätzung u n d Mißachtung seiner Persönlichkeit, die er in allen ihren berechtigten Belangen ane r k a n n t sehen möchte. E s ist gleich, wie die Geringschätzung z u m Ausdruck k o m m t , ob durch erkennbare innere Verachtung, durch tätliche Schikane oder durch Beleidigung in Worten. Darauf geht alles zurück, was den Menschen irgendwie treffen und z u m Zorn reizen kann. Beim echten Zorn geht immer ein zugefügtes U n r e c h t voraus. Gerechte Strafe duldet keinen Zorn. Aber auch bei ungerechten Eingriffen in unsere Rechte ist die Reaktion des Zornes nicht gleich. Am schwersten wird die beabsichtigte, boshafte Beleidigung empfunden. Sie fordert a m heftigsten zum Zorne heraus. Der Mensch ist in seinem natürlichen u n d berechtigten Geltungsanspruch verletzt, u n d diese W u n d e k a n n nur geheilt werden durch Selbstverdemütigung des Beleidigers (Art. 4) oder durch dessen erzwungene Demütigung. Gedankenlose Beleidigung oder K r ä n k u n g e n in leidenschaftlicher Erregung haben wegen der fehlenden oder herabgesetzten Verantwortlichkeit nicht dieselbe Wirkung. E n t w e d e r fordern sie den Zorn ü b e r h a u p t nicht heraus oder doch nicht so sehr wie eine beabsichtigte K r ä n k u n g . Beide appellieren sogar an die Barmherzigkeit u n d erwarten Nachsicht (Art. 2). 2. S u b j e k t i v e D i s p o s i t i o n e n (Art. 3 u. 4). — I m Sub- 47 jekt selbst gibt es Bedingungen, die dem Entstehen des Zornes günstig sind. Hinsichtlich des Formalmotivs des Zornes gilt allgemein: J e größer die Überlegenheit über andere auf irgendeinem Gebiete ist, desto verletzender wird jede Geringschätzung u n d Mißachtung darin empfunden (Art. 3); u n d umgekehrt: J e bescheidener die Stellung des anderen ist, als desto ungehöriger wird dessen Geringschätzung erlebt (Art. 4). Wer irgendeinen Mangel leidet, sei er körperlicher Art, wie z. B. Kleinwuchs oder körperliche Verwachsung, seien es Mißerfolge u n d E n t täuschungen oder irgendwelche andere niederdrückende Erlebnisse, wird empfindsam u n d hellhörig f ü r die leisesten Spuren von Teilnahmslosigkeit u n d Geringschätzung im Verhalten der Mitmenschen, gegen die er sich, vom Kompensationsdrang getrieben, zur Wehr setzt (Art. 3; vgl. K o m m , zu F r . 39). § 3. SEINE AUSWIRKUNGEN UND WIRKUNGEN

(Fr. 48) 1. D i e G e n u g t u u n g a l s W i r k u n g d e s Z o r n e s (Art. 1). 48 — I n der Wiederherstellung der verletzten Ordnung liegt der innere Sinn des Einspruches, den der Mensch im Zorn sowohl in seinem eigenen N a m e n wie auch im N a m e n des verletzten Rechtes erhebt. Sobald deshalb die Vergeltung erfolgt ist, hört die Gereiztheit oder Angriffslust auf u n d m a c h t dem Gefühl der Genugtuung oder des Triumphes Platz, das der Volksm u n d mit dem Satz umschreibt: „ R a c h e " — gemeint ist erfüllte Rache — „ist süß." Schon die an sich ohnmächtige An-

615

: 48/1 griffslust, die der zaghafte, feige oder verbitterte Mensch in seinen Vorstellungen und Träumen als Kampf gegen seine Widersacher betreibt, hat etwas Genugtuendes an sich. Außerdem gibt es einen echten Vorgeschmack der Genugtuung, der, wie bei der Hoffnung, schon im voraus wirkt, wenn der Erzürnte mit Aussicht auf Erfolg zum Gegenschlag ausholt (Art. 1). Aber gerade dadurch droht auch zugleich die Gefahr eines affektiven Kurzschlusses. An sich müßte es die gerechte Sühne und Strafe sein, die das Gefühl der Genugtuung auslöste. Mag auch die Vergeltung durch Leidzufügung geschehen, so darf doch nicht die Bestrafung als solche zum Ziele und damit zum Gegenstand der Freude werden. Das darf allein die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung. Tatsächlich wird oft genug die Strafe oder das Leidzufügen zum Selbstzweck, und beides gilt weniger dem gerechten Ausgleich als der Befriedigung des eigenen Ärgers oder des entbrannten Zornes. Dadurch gehen Adel und inneres Maß des Zornes verloren. Er sinkt von seinem hohen Niveau herab und zieht den Menschen ins Rohe und Animalische, so daß er sich an den Qualen anderer ergötzt (II—II 159, 2: Bd. 22). 48, 2

2. A u s w i r k u n g i m P h y s i o l o g i s c h e n (Art. 2). •—• Was wir aus der einfachen Beobachtung der physiologischen Vorgänge in Zorn und Wut wissen, haben wissenschaftliche Versuche, namentlich der letzten Jahrzehnte bestätigt, erweitert und auf ihre letzten Wurzeln im Organismus zurückgeführt. Der Körper wird, der seelischen Gereiztheit entsprechend, in höchste Kampfbereitschaft gebracht: der Atem wird tiefer, das Herz schlägt heftiger und schneller, der Blutdruck steigt, das Blut fließt aus Magen und Unterleib zum Herzen und Gesicht, die Augen funkeln (Art. 2 u. 3 Zu 1). Moderne Untersuchungen und Versuche haben ergeben: das Blut fließt zum Gehirn, die Verdauungstätigkeit hört auf, der in der Leber gespeicherte Zucker wird frei, die Milz schüttet rote Blutkörperchen, das Nebennierenmark Adrenalin ins Blut und erregt die Muskeln (M. W a n d r u s c h z k a , a. a. O. 13). J e ansprechbarer der Mensch von dieser Seite ist, desto schneller wird er erregt (Zu 1). Durch die heftige Erregung der willkürlichen Muskeln wird die innere Erregung nach außen sichtbar, bald im Schweigen, bald im leisen und überstürzten lauten Sprechen und Schmähen, bald im Zittern des Leibes und in erregten heftigen Bewegungen, bald in einer plötzlichen Lähmung, die so weit gehen kann, daß der Tod auf der Stelle eintritt (Art. 2; 4 Antw.u. Zu 3). Der ganze Körper ist zu einer plötzlichen Höchstanstrengung in Kampf und Abwehr bereit. Nur kann der Zornesausbruch wegen seiner Heftigkeit nicht lange anhalten (Zu 2).

48, 3/4

3. E i n f l u ß a u f den V e r s t a n d (Art. 3 u. 4). — Wegen des „Bewegungssturmes" ( K r e t s c h m e r ) , den die seelische Erregung im Leibe entfesselt, hat der Zorn die Tendenz, sich der Leitung von Vernunft und Willen zu entziehen und die ruhige Überlegung selbst zu trüben und zu stören. In demselben Maße, wie der Zorn an Erregung zunimmt, verliert das Urteil an 616

Sachlichkeit. Das k a n n so weit gehen, daß eine Art Wutrausch 48, 3/4 über den Menschen kommt, in dem er den letzten Rest von Besonnenheit u n d Selbstbeherrschung preisgibt und sich blindlings von der W u t fortreißen läßt (Art. 3). So h a t der Zorn, namentlich wenn er heftig ausbricht, etwas an sich, das es außerordentlich schwer macht, ihn zu beherrschen. Das gilt besonders f ü r die von N a t u r zum Zorn Veranlagten. Wer nicht bei den ersten Regungen die Zügel fest in die H a n d nimmt, solange es noch möglich ist, Herr zu werden oder zu bleiben, wird später, wenn er ihnen freien Lauf gelassen h a t , k a u m noch die nötige Selbstbeherrschung aufbringen. Mehr noch als bei anderen Leidenschaften bildet durch Ü b u n g gefestigte Willensk r a f t Gewähr dafür, daß der Mensch nicht im Zorn die Schranken durchbricht u n d über sich selbst und andere bitteres Leid bringt (vgl. A. H u b e r , a. a. O. 236). I m Gegensatz zu anderen Leidenschaften h a t der Zorn etwas Offenes a n sich u n d in seinen gemäßigten Formen sogar etwas wie Männlichkeit. E r liebt nicht das Dunkel. E r wagt es, offen auf sein Ziel loszugehen u n d unverhohlen auszusprechen, was er denkt oder vorhat. Das geschieht unter Umständen so offen, d a ß er später bereut, was er gesagt h a t . Das ist aber kein Zeichen von Überlegung u n d Reife des Urteils. Wer u n t e r dem Zorn steht, weiß nicht mehr, was er sagen darf oder verschweigen muß, u n d ist gar nicht mehr fähig, die notwendige Zurückhaltung zu wahren; zum Teil k o m m t das allerdings von der Zuversicht u n d Unerschrockenheit, die dem Zorn im Gegensatz zu den begehrenden Leidenschaften eigen ist, die unbemerkt sein wollen u n d die Stille suchen, deshalb etwas Schleichendes a n sich h a b e n u n d manchmal das Licht scheuen. Dagegen will der Zorn als Zeichen von Männlichkeit u n d Überlegenheit gewertet werden, die er anderen zum Bewußtsein bringen möchte (Art. 3 Zu 2; Art. 4; Ver 25, 6 Zu 3). Ergebnis Erinnern wir uns zum Abschluß noch einmal a n das Anliegen des Aquinaten in seiner Abhandlung über die Leidenschaften: Welche Antriebskräfte stehen dem Menschen aus dem leiblichseelischen Bereich f ü r das religiös-sittliche Leben zur Verfügung 1 Wie sehen sie aus? Welche Möglichkeiten hat der Mensch, diese psychosomatischen Impulse, die sich scheinbar dem Zugriff des Willens entziehen, in den Dienst seines personalen, sittlichen Lebens zu stellen ? Welche Förderungen u n d Hemmungen gehen davon aus ? Wie folgerichtig Thomas die moraltheologische Fragestellung bei der Üntersuchung der menschlichen Leidenschaften als sittliche Antriebskräfte im Auge h a t , zeigt sich, wenn wir so sagen dürfen, gerade an dem mitunter eigenartig schillernden Charakter seiner Abhandlung. Ausdrücklich werden von ihm die Leidenschaften der Vitalsphäre eingeordnet, die Mensch u n d Tier gemeinsam haben. Weil Thomas aber die Leidenschaften als sittliche Antriebskräfte im Auge hat, ergeben sich daraus zahllose kleine Verschiebungen und Spannungen, die für den 40 10

617

Psychologen zwar weniger verständlich sind, die sich jedoch zwanglos dem Ganzen harmonisch einordnen, sobald man sich an das sittliche Anliegen des Aquinaten erinnert. Es geht Thomas in erster Linie nicht um Psychologie, sondern um Ethik und Moraltheologie; er bejaht die Leidenschaften im Zugriff des Geistes als die berufenen Hilfskräfte des Menschen im sittlichen Leben oder als Bundesgenossen im Kampf um die Verwirklichung des sittlich Guten. Was aus ihnen werden kann und werden soll, zeigt der Aquinate, wo er von den göttlichen und von den sittlichen Tugenden spricht. Erst da macht er seine letzten Aussagen über die Leidenschaften, und von daher erst bekommt unser Traktat seine letzte Geschlossenheit.

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ARISTOTELISCHER I. S y s t e m a t i k der

KOMMENTAR Leidenschaften

„Zur Materie gehört das Leiden und das Bewegtwerden" (De Gen. et Corr. 2, 9). Zur Unbewegtheit der Seele führt De An. 1, 5 aus: Die sog. Seelenregungen, Freude und Leid, Mut und Furcht, Zorn usw. sind von der Seele verursachte, organisehe Regungen. Hinsichtlich des Zornes tritt Thomas dem bei, wenn auch unter Vorbehalt (art. 2 resp.). I m übrigen ignoriert er die aristotelische Lösung, entwickelt statt ihrer eine UnterScheidung, die sich schon hier an Phys. 5, 5 anlehnt (cf. 23, 2 sq.): motus a termino und ad terminum — passio als Aufgabe wesenseigener und als Aufnahme wesensfremder Elemente. Indem er, abweichend von De An. 2, 1, die potentiellen Züge des leibseelischen Ganzen nicht ausschließlich der körperlichen Seite zuweist, gewinnt er die Möglichkeit, passio als reinen motus ad terminum der Seele als solcher zuzuschreiben; nur den gemischten motus ab und ad, wie De An. 1, 3 wollte, als ein ihr in Verbindung mit dem Leibe akzidentell Zukommendes. I n der an De Gen. et Corr. 1, 3 gewonnenen Unterscheidung eines terminus ad quem, der den Aufstieg, und eines solchen, der den Abstieg mit sich bringt, bereitet sich das im folgenden führende inhaltliche Prinzip vor: Beide — Gut und Böse — als termini ad quos. E t h . 1, 13 unterscheidet einen vernünftigen Seelenteil von einem unvernünftigen, der als solcher dem anderen zunächst eindeutig untergeordnet erscheint. Indessen ergibt sich, daß er in unterschiedlichem Grade „an der Vernunft teilhat", ihr „widerstreitet", also in mehr oder weniger gleichem Range gegenübersteht, schließlich selbst zu einer Komponente des vernünftigen Vermögens wird. I n 6, 2 wird das Problem von neuem aufgenommen und die Resultante der beiden Seelenvermögen auf höchster Ebene als „begehrendes Denken oder denkendes Begehren", der bewußte Wille als das eigentliche Wesensprinzip des Menschseins erkannt. Auf dieser Grundlage und der Stufengliederung der Seele, entsprechend den Entwicklungsstufen der Lebewesen nach De An. 2, 2 selbständig weiterbauend, errichtet Thomas sein System der horizontal fünffach, vertikal zweigeteilten Seelenvermögen. Als Sitz der Leidenschaften kommen die beiden obersten Doppelstufen in B e t r a c h t : pars sensitiva apprehensiva und appetitiva, und die darüberliegende pars intellectiva apprehensiva und appetitiva. Das Problem der Vertikalteilung wird, zugunsten der pars appetitiva, wieder auf Grund des physikalischen Schemas, des motus ad terminum (vgl. zu 22, 1 resp.) entschieden, dessen analogischer Charakter mit zunehmender Deutlichkeit hervortritt. Das Problem der Horizontalteilung zugunsten der pars sensitiva, und zwar mit dogmatischen Mitteln.

22, l obj. 1 335 b 29 498 b 7 resp. 229 a 8 ad 1 412 a 19 ad 2 ad 3

22, 2 1102 a 27 1102 b 13 1102 b 17 1103 a 1

1139 b 4 413 a 22

resp.

22, 3 resp.

Die systematische Gegenüberstellung des iraseibile und con- qu. 23 cupiscibile bringt das Corpus Aristotel. entweder im Beispiel des dialektischen Lehrgangs (cf. 26, 1 s. c.) oder als Piatonzitat. Sie läßt sich aus E t h . 3, 3 entwickeln, wenn der Zorn auf die 1116 b 23 Tugend des Mutes zurückgeführt und aus ihm die Bereitschaft 23,1 resp. 40*

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Hieb 28 hergeleitet wird, „gegen Gefahren anzugehen". F ü r das concupiscibile bleibt d a n n das Ziel sinnlichen Begehrens übrig, sofern es nicht mit derartigen Komplikationen verbunden ist. Einen Wendepunkt stellt der Satz dar, den Thomas hier aufstellt, u m ihn im folgenden zum Grundsatz zu erheben: Passionen und Akte werden nach Maßgabe ihrer Objekte spezifiziert, 1030 b 14 also durch „prosthetisches Urteil" (Met. 7, 5). Aristoteles läßt solche Definitionsweise nur in bestimmten Ausnahmefällen zu. E b e n im Hinblick auf den Mut stellt E t h . 3, 10 den Grundsatz lli5b 20 a u f : „Das Ziel jedes Aktes ist ein dem habitus Gemäßes", also lll5b 23 das innere Ziel, „von dem jedes Ding seine Bestimmung erh ä l t " — die Entelechie, nicht ein äußeres Ziel oder Objekt. 1156 a 6 Wesensbestimmimg aus dem Objekt f ü h r t E t h . 8, 3 in dem vereinzelten Falle der Freundschaft durch, u n d dieses ist es, was diesen Text dem Verfasser der Summa so besonders anziehend macht. I n d e m er diese Bestimmungsweise zum Grundsatz erhebt, gewinnt er seine reich gegliederte Einteilung der Leiden23, 2 Schäften: zunächst die beiden Gruppen der concupisciblen u n d resp. irasciblen; d a n n ihre Unterteilung, unter dem Gesichtspunkt der physikalischen Analogie (vgl. 22, 2 u. 3). Das transzendente Verhältnis von Gut u n d Böse läßt sich im Regelfalle des reinen concupiscibile in Beziehung setzen zum Verhältnis des terminus a d quem einer physikalischen Veränderung zum terminus a quo. U n t e r diese analogia proportionalitatis fallen, zunächst ungeschieden, „Liebe" u n d „ F r e u d e " , samt ihren Gegensätzen. Ein regelwidriges Verhalten dagegen, des irascibile wie der physikalischen Vorgänge, die neben dem Werden das Vergehen mit sich bringen, f ü h r t die Komplikation herbei, durch die ein u n d dasselbe Objekt, das Gute ebenso wie das Böse, zum terminus ad quem oder aber a quo wird. So ergeben sich in enger Anlehnung an Phys. 5, 5 f ü r den irasciblen Seelenteil, entsprechend den beiden Verhaltensweisen des Leichten bei der R a u m 333 b 26 bewegung (De Gen. et Corr. 2, 6), der ihrerseits wieder die qualitative Veränderung zur Veranschaulichung dient, vier Fälle: Das Leichte strebt zum Oben hin, das Gute wird angestrebt i n q u a n t u m est bonum — die Hoffnung. Das Leichte läßt sich naturwidrig vom Oben abziehen, das Gute wird verlassen inq u a n t u m est difficile — die Verzweiflung. Das Leichte strebt vom U n t e n weg, das Böse wird gemieden i n q u a n t u m est malum —• die F u r c h t . Das Leichte läßt sich naturwidrig zum U n t e n hinabziehen, das Böse wird angestrebt i n q u a n t u m est difficile — die Kühnheit. W ä h r e n d die Tugenden E t h . 2, 5 sorgfältig auf ihr Gegensatzverhältnis untersucht werden, finden sich die Leidenschaften 2, 4 nur allgemein u n d indirekt polarisiert durch den Hinweis, daß ihnen allen „Freude u n d Leid 1105b 23 nachfolge". Eine Ausnahme m a c h t die F u r c h t , weil sie in Gegenüberstellung mit der K ü h n h e i t die Tugend des Mutes als rechte 1107 a 33 Mitte umschließt, 2, 7. Dieses Verhältnis liefert die im vor23, 3 liegenden Bande außergewöhnlich 1 häufig wiederkehrende (vgl. s. c. auch a r t . 2 s. c.) ausdrücklich aristotelische Entgegnung, der gleich die nächste folgt. Genau genommen heißt es E t h . 4, 11: 1 Selbst in der so stark aristotelisch unterbauten Abhandlung De Justitia ist das aristotelische Sed contra selten. Vgl. Divus Thomas, Freiburg/Schw. 1953, 328 f.

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„die Gegensätze sind u n b e n a n n t " . Die Lösung, die Thomas aus R h e t . schöpft, ist schon in E t h . enthalten: E s handelt sich nicht u m konträren, sondern u m privativen Gegensatz, ein „Ausbleiben". Der angezogene Wortlaut Met. 10, 8 ist mißverständlich. Gattungsunterschiede stehen nicht notwendig im konträren Gegensatz; kurz vorher (c. 5) war auf die Gattimg der Farbe hingewiesen, deren konträrer Gegensatz durch Übergangsstufen vermittelt ist. Die Folgerung: ergo passiones etc., die sich auf diese Zweideutigkeit stützt, ist nur dialektisch zu verstehen. Von der Unterscheidung einer Spezies, die nicht zugleich F o r m ist, ist bei Aristoteles nicht die Rede. Mit dem schwerer wiegenden folgenden Einwand, der sich wieder auf die physikalische Analogie stützt, setzt sich die Auflösung auseinander. Thomas nähert sich dabei der Lehre vom „inneren Ziel" und geht andererseits, was die Art der Zielsetzung betrifft, weit über Aristoteles hinaus. „Das Leichte" selbst, als terminus ad quem, wirkt aktiv auf den Vorgang ein; De Gen. et Corr. 2, 2 steht dem ausdrücklich entgegen. Wenn aber das äußere Ziel des Leichten „ D a s Leichte" ist, so ist es in der Tat zugleich sein „inneres Ziel" (vgl. zu 23, 1 resp.). I m Unterschied zur systematischen Gliederung der irasciblen läßt sich die der concupisciblen Leidenschaften nicht mehr im einzelnen aus Aristoteles herleiten; wohl aber in ihrer Gegenüberstellung nach Maßgabe des verfehlten oder erreichten Zieles: „An dem Ort, zu dem die Bewegung innewohnt, ist die Bewegungslosigkeit R u h e " (Phys. 3, 2). II. Die L e i d e n s c h a f t e n des Concupisciblen, „an sich" betrachtet. Den alttestamentlich-christlichen Thesen steht die aristotelische Antithese gegenüber, welche die „Liebe" auf den concupisciblen Seelenteil beschränkt, damit auf die Sinnlichkeit, I n echter Synthese u n d aus aristotelischem Geist entwickelt Thomas die Stufen der Liebe, mit deren Anstieg eine Zunahme u n d Verinnerlichung der apprehensiven Komponente einhergeht. Sie bestimmen sich secundum differentiam appetitus, also aus einem „ d e m habitus gemäßen" (Eth. 3, 10) inneren Prinzip. Insbesondere die beiden obersten Stufen, deren Strukt u r entsprechend E t h . 3, 3 u n d 4 erläutert wird: auf Freiwilligkeit beruhend auch bei Tieren und Kindern, auf echter Willenswähl beruhend allein beim Erwachsenen, der seinen geistigen Ü b e r b a u vollendet h a t . Auch die christliche Antithese: Liebe ist eine Tugend, also keine Leidenschaft — wie Aristoteles will -— ist aristotelisch u n t e r b a u t : „Keine Tugend ist eine Leidenschaft" (Eth. 2, 4). Die Synthese stützt sich wieder auf Phys. (2, 7), die Analogie der Form- u n d Bewegursache, „die häufig in eins zusammenw i r k e n " : „durch Zug u n d Schub", wie es De An. 3, 10 heißt, drastischer noch als in dem von Thomas zitierten folgenden Satz. Die dritte Phase, das R u h e n im Ziele, wird E t h . 2, 2 grundsätzlich als Merkmal der Tugend eingeräumt. F ü r die Unter621

resp.

23, 4 obj. 2 1066 a 29 obj. 3 resp.

329 b 21

202 a 4

26, l obj. 1 - 3 s. c. resp.

1115 b 20 mib 8 i m a 22 26, 2 obj. 1 1105b28 198 a 24 433b25 H04 b 24 26, 3

26, 3 Scheidung von amor u n d dilectio war schon aus sprachlichen Gründen wenig bei Aristoteles zu gewinnen. 26, 4 Die Einwände sind nicht n u r mit einschlägigen Zitaten aus Eth., sondern auch formallogisch aus Top. 4, 1 u n d 5 unterobj. 1 baut, u n d zwar u n t e r dem gemeinsamen Gesichtspunkt, daß nur Ähnlichgeartetes u n d Gleichrangiges einander nebenzuordo b j . 2 nen sei: Es ist fehlerhaft, Spezies neben G a t t u n g zu stellen 121 b 4 (homo neben animal); Nebengattung als Unterschied zu ver126b 13 wenden (non potest dividi per); Unterschied als Nebengattung o b j . 3 zu verwenden (concupiscentia contra amorem). Die Bestimresp. m u n g der Liebe als „Wohlwollen" h ä t t e sich auch aus E t h . 8, 2 1155 b 28 gewinnen lassen; nur daß dort eben nicht allgemein von Liebe, sondern speziell von Freundschaft die Rede ist. Zumal das Merkmal der Gegenseitigkeit, das der Freundschaft zuk o m m t , k a n n Thomas in seiner Bestimmung des amor als der gemeinsamen G a t t u n g von amicitia u n d concupiscentia nicht b r a u c h e n : E r sucht nicht ihren konstitutiven, sondern den divisiven Unterschied u n d findet ihn in der Art und Weise des Wohlwollens. 29, l Liebe u n d H a ß sind nach De An. 1, 1 körperliche Funktionen. 403 a 13 Eine wertmäßige Betrachtung, wie sie sich der E t h . f ü r die Liebe in F o r m der F r e u n d s c h a f t ergab, fehlt f ü r den H a ß ; die wenigen Stellen, die ihn — neben der Liebe — in konstruktiven 1128 a 27 Zusammenhang bringen, heben, wie 4, 4 u n d ] 0, 5, auf seine 1176 a ll objektbedingte, daher relative Geltung a b uns liefern damit den obj. 3 letzten u n d a m wenigsten wiegenden Einwand. Die Entgegnung s. c. konstruiert das Haßverhältnis indirekt, aus dem Grundsatz 124 a 15 Top. 4, 4: Gilt f ü r das eine Gliederpaar zweier analoger Seinsverhältnisse eine Beziehimg, so gilt sie auch f ü r das andere Gliederpaar; dies u m so mehr, wenn es sich u m volle Gegensatzverhältnisse handelt. 29 2 Das „Zugleichsein" des Gegenteiligen ist nicht als zeitliches, o b j . l vielmehr als Rangverhältnis zwischen gleichgeordneten Arten ob). 2 derselben Gattimg zu verstehen. Aus der Gleichrangigkeit der 98 b 17 Gegensätze in Verbindung mit dem Grundsatz (An. post. 2, 16): „Die Ursache ist früher als die W i r k u n g " ergeben sich dann o b j . 3 die gleichlautenden Folgerungen: Amor non est causa odii. Die resp. der frei entworfenen Auflösung folgenden Zusätze sind wiederum a f ] i aristotelisch u n t e r b a u t ; insbesondere die Unterscheidung des „zugleich" nebengeordneter Spezies secundum rationem, das ihnen als solchen zukommt, u n d secundum rem, das Ausnahmen zuläßt; zugrunde liegt die Unterscheidung des F r ü h e r 1077 b l „nach dem Begriff" und „nach der Substanz" (Met. 13, 2). Aus dem in beider Hinsicht geltenden Frühersein der Ursache vor ihrer Wirkung läßt sich d a n n auch der im folgenden im29,3/4 plizierte Grundsatz herleiten: Causa est fortior effectu. Aristotelischen Geistes ist ebenso der Grundsatz: U n u m q u o d q u e maxime est id, quod est principalius in ipso; zumal die Begründung aus dem Verhältnis zwischen princeps u n d civitas, dem Ganzen, das „etwas mehr ist, als die Summe seiner Teile" 1045 a 10 (Met. 8, 6). 29, 6

I n den beiden nächsten Artikeln t r i t t aristotelisches Lehrgut wieder unmittelbar hervor. Zunächst außer thematischem Zu-

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sammenhang, dann als Anlaß zur Titelfrage. Schon der erste Einwand stammt aus Phys. 1, 5: „Das Allgemeine wird durch den Verstand erkannt, das Einzelne dagegen durch die Sinne." Thomas allein gehört die Synthese, die an Stelle der induktiven Begründung der Universalität des Hasses eine analytische Untersuchung des universalen Haßobjektes setzt. Er zitiert Aristoteles: Odium potest esse ad aliquid in genere, um einzuschränken: Sofern der Haß sich gegen die unter einen Allgemeinbegriff fallenden Individuen, also gegen ein reales Objekt richtet; nicht aber, sofern er sich richtet gegen das Allgemeine als solches, das vom Verstand allein intendierte Objekt. Er gibt damit bedingt auch den Einwänden recht. Die Auflösung bringt diesmal keine Synthese, tritt vielmehr der Entgegnung, der nachträglich ein aristotelischer Unterzug eingebaut wird, ohne sachliche Einschränkung bei, mit dem formalen Vorbehalt äquivoken Wortgebrauchs. Die Definition aus Rhet. wird präzisiert durch Unterteilung des als divisiver Unterschied der Gattung „appetitus" aufzufassenden „delectabile"; als Spezifikum der concupiscentia ist es in bono secundum sensum beheimatet, und zwar in den tieferen Schichten der Sinnlichkeit; als virtus in organo corporeo. Thomas räumt damit hinsichtlich des concupiscibile ein, worin er dem Aristoteles hinsichtlich der Liebe und des Hasses nicht folgen konnte (vgl. zu 29, 1): „Die seelischen Affekte sind körpergebunden" (De An. 1, 1). Die Möglichkeit einer besonders engen Anlehnung an Aristoteles tritt zunächst zurück hinter einer Frage, die sich aus dem Wortgebrauch stellt. Den Satz: „Das Objekt des Begehrens ist das Angenehme", hätten Thomas oder seine Mitarbeiter, die sich im Vorliegenden mit Vorliebe auf Rhet. stützen, auch aus De An. 2, 3 belegen können, wo ex professo über die Seelenvermögen gehandelt wird. Daß das delectabile den ihm begrifflich nebengeordneten Spezies amor und concupiscentia im Kausalverhältnis vorgeschaltet ist, wird den Aristoteliker zunächst befremden. Man könnte auf Eth. 8, 2 verweisen, die den Ansatz „verschiedener Spezies im Verhältnis des Mehr und Minder", also mit konstruktivem Rangunterschied, aufrechterhält. Gegen die Unterscheidung natürlichen lind nicht natürlichen Begehrens, welch letzteres nach Eth. 3, 13 bestimmten Trägem „eigentümliche" oder „erworbene", nach Rhet. 1, 11 aber ausdrücklich nicht „naturwidrige" Begierden bedeutet, werden wenig überzeugende, indirekte Einwände geltend gemacht. Bedeutungsvoll ist es, daß Thomas die Spezifizierung aus dem materiellen Objekt als unerheblich im Sinne der Begriffsbildung ablehnt (vgl. zu 23, 1 resp.). Der zugrunde liegende Text (Phys. 3, 6) sagt: „Über das Endliche läßt sich nicht hinauskommen." Die Abweichung hat bloß formale Bedeutung; der zuvor herangezogene Text (Met. 2, 2) enthält schon die Lösung: „Das Unbegrenzte schließt die Grenze aus", also auch die Grenzüberschreitung. Folgerichtig wird mit dem Wortlaut des gleichen Phys.-Textes erläutert: „Es ist immer möglich, noch etwas von außen hinzuzunehmen". Pol. 1, 9 dagegen setzt sich über die physikalische Unendlichkeitslehre hinweg, und 2, 7 heißt es ohne Einschränkung: „Die Natur 623

obj. 1 189 a 6 s. c. resp.

ad 3 30,1 resp.

403a 16 30, 2 obj. 1 414 b 5 resp.

1155 b 14

30, 3 - c.

s

1370 a 9 obj. 1-3 30, 4 obj. 3 206 b 9 ad 1 obj. 1 s. c.

1267 b 3 der Begierde ist grenzenlos." Die Synthese zwischen den beiden resp. einander widerstreitenden aristotelischen Thesen bedient sich 206 b 13 der Phys. 3, 6 getroffenen Unterscheidung aktueller und potentieller Unendlichkeit. Das optische Beispiel läßt sich aus 119 a 30 Top. 3, 5 und Met. 10, 7 belegen, geht auf den piaton. Timäus 1057 b 8 zurück (67 e): Die glatten und leichten Partikel leuchtender Körper durchsetzen den Sehstrahl und weiten ihn aus. 31.1 Der augustinischen, passiven Auffassung stehen die außers. c. ordentlich stark aristotelisch armierten Thesen einer helleniobj. 1-3 sehen, aktiven Lust gegenüber. Um sie dagegen zu halten, beresp. dient Thomas sich an der entscheidenden Stelle der Definition der Lust aus R h e t . 1, 11, die zwar, zumal in seiner Übertragung — simul tota, den Ewigkeitscharakter der Lust besonders schön zinn Ausdruck bringt, sich aber selbst als vorläufig bezeichnet 1153 a 15 und konstruktiv hinter der Definition E t h . 7, 13 weit zurücksteht. Hier ist die Beschränkung auf das „Gefühlsmäßige" ausdrücklich abgelehnt und durch das Merkmal der „Ungehemmth e i t " ersetzt. Die von Thomas bevorzugte Definition schließt 1174b 20 offenbar diejenigen Lustmomente nicht ein, die E t h . 10, 4 als über dem sinnlichen Vermögen liegend kennzeichnet: „die denkerische und die schauende L u s t " . E s folgt ein Artikel, der 31.2 sich der aristotelischen Lehren vom essentiellen und akzidentellen Sein, von Akt und Potenz, vom Wesen der Zeit und 31.3 der Bewegung bedient, ohne daß es zu Spannungsmomenten käme. Dann die Unterscheidung des lateinischen Sprach31, 4 gebrauchs für „ L u s t " und „Freude", der im Griechischen keine ad 1 Entsprechung hat. Daß aktive Lust nur oberhalb der Sinnlichkeit möglich ist, wird aus dem Wortlaut E t h . 10, 4 belegt (vgl. ad 2 zu art. 1 resp.), wobei dem Aristoteles nicht ohne Gewaltsamkeit die Auffassung unterstellt wird, als umfasse die Sinnlichkeit auch Intellekt und selbst Spekulation; ergänzt durch die 3 1 . 5 erleuchtete Beschreibung überzeitlicher Lust — una simpli operatione (7, 14). Zur Frage des Intensitätsunterschiedes zwiobj. 1 - 3 sehen sinnlicher und geistiger Lust wird zwischen den Thesen 8. c. zugunsten der ersteren und der Antithese zugunsten der letzteren resp. die Synthese gefunden unter dem Gesichtspunkt einer Unter 71b 9,34 Scheidung der Erkenntnis „an sich" und „für u n s " (An. post. 1, 2). Die vorbereitende Unterscheidung transeunter von imma202 a 13 nenter Lust erfolgt auf Grund der Definition der Bewegung 3 1 . 6 (Phys. 3, 3). Das „größer und kleiner" der Lust ist streng b . c . quantitativ zu verstehen; der angezogene T e x t (Eth. 3, 13) erwähnt Gefühl und Geschmack als Träger animalischer, knechobj. 2 tischer Lust. Das grundsätzliche Lehrgut steht diesmal in den Einwänden; aus E t h . 11, 12 kommt die Feststellung, daß Liebenden der gegenseitige Anblick das Liebste ist. Die Aufresp. lösung tritt ihnen durch Wiederholung der berühmten Eingangsworte Met. 1, 1 von vornherein bei, entwickelt dann die Mb 39 doppelte Rangordnung „schlechthin" und „in bezug auf etwas" (An. pr. 2, 21), die im Fall der Lust dadurch kompliziert wird, 31, 7 daß deren Gegenstände selbst rangverschieden sind. Anders als im Falle des Begehrens (vgl. zu 30, 3) handelt es sich bei obj. 2 E n t a r t i m g der Lust um einen naturentfremdenden „Zwang" resp. (Phys. 4, 8) — violentum, der mit contra naturam nicht ganz

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treffend gekennzeichnet ist; Eth. 7, 6 drückt sich nicht so bestimmt aus. Das Seinsverhältnis, um das es sich handelt, ist treffend gekennzeichnet mit dem Ausdruck in-naturalis, der ebensowenig wie das im Griechischen entsprechende A-privativum (Met. 5, 22) einen konträren Gegensatz kennzeichnet. Privation liegt vor, „wenn ein naturgegebener Zustand nicht vorhanden ist". Wieder ist es die Kombination mit dem Gegensatz des „schlechthin" und „in bezug auf etwas" (vgl. zu art. 6 resp.), die schließlich die Klärung ermöglicht. In konstruktiver Verbindung mit dem Vorhergehenden und unter Heranziehung der physikalischen Analogie als eines bildräumlichen Schemas wird das doppelt konträre Verhältnis der Lust und Unlust geklärt. Zu ergänzen ist, daß es sich bei quies naturalis und violenta wieder um privativen Gegensatz handelt. Die Art und Weise, wie sich „einander hindernde" Lustmomente gegenseitig verhalten, ist in Eth. 10, 5 näher beschrieben: „Die stärkere Lust stößt die schwächere heraus." Zum Gegensatz von Lust und Traurigkeit sind noch Cat. 9 anzumerken. Die Fragen, ob Schmerz und Traurigkeit zu den Affekten gehören, ob sie identisch sind oder der Lust konträr entgegengesetzt, werden in Parallele und Gegensatz zu dem über die Lustaffekte bereits Festgestellten beantwortet. Ein systematisches Zurückgehen auf die aristotelischen Grundlagen findet erst wieder statt, wo es sich um die Gegenüberstellung der Traurigkeit mit der Lust im allgemeinen handelt. Der Grundsatz der Met. 10, 4: „Konträrer Gegensatz ist der jeweils größte spezifische Unterschied", von Hause aus rein begrifflich verstanden, wird eigentlich erst durch die thomasische Deutung des Eidos — nicht als Spezies, sondern als Form — auf die metaphysische Ebene gehoben. Hatte Aristoteles sich mit dem bloß logischen Verhältnis über- und untergeordneter Begriffe behelfen müssen, mit „Gattungsverschiedenem" und „Artverschiedenem", während doch ein und derselbe Unterschied die Gattung teilt und die Art bildet, so hat es Thomas in der Hand, nun umgekehrt zu unterscheiden zwischen den Formen als solchen — forma generalis und forma specialis. Auf ihnen beruht die im folgenden getroffene Unterscheidung zwischen forma absoluta und secundum quid: Die Spezifizierung der Leidenschaften aus dem Objekt vertritt j a eben den spezifischen Unterschied, der den Gattungsbegriff zum Art begriff weiterbildet. Das Beispiel — recedere etc. — ist wieder der Bewegungslehre Phys. 5, 5 nachgebildet; die Behandlung der Gegensatzpaare folgt dem Schema in De Interpr. 13. Die Regel, daß Spezies konträrer Gattungen konträr sind, steht Top. 4, 3. Der Satz: „genus sumitur ex materia" ist in seiner knappen Formulierung kaum als aristotelisch anzusprechen. Der angezogene Met.-Text hat es nicht mit logischer Gattung, sondern mit der Begriffsbildung aus Materie und Form zu tun, etwa des Hauses als „so und so verlegte Balken". In Fragen der Kontemplation urteilt Thomas aus persönlicher Erfahrung, zu der sich bei Aristoteles keine entsprechende Parallele findet. Die Bewertung einer Kontemplation nach Maßgabe des kontemplierten Objektes (Met. 12, 9) gilt nur auf der noch nicht reflektierenden Vorstufe. Trotz-

625

obj. 1 1022 b 32 1022 b 27 resp. 31, 8 resp. ad 2 s. c. obj. 2 11 b 3 35,1-3 35, 4

1055 a 6.8

229 a 16 22 a 39 123b 31 ad 2 1043 a 8 35, 5 obj. 3 resp.

dem deckt Thomas seinen Philosophus. Die angezogene Stelle .1174 b 22 Eth. 10, 4 hebt auch für die vollendete Lust der Kontemplation auf den „Wert des Gegenstandes" ab; Eth. 10, 2 aber und obj.3 Top. 1, 15 haben nichts mit der Reflexionsstufe der Kontemplation zu tun. Aristotelisch ist das Axiom: „Die Wirkungen 384 b 3 konträrer Ursachen sind selbst konträr" (Meteor. 4, 7). Thomas 35, o (oder sein Mitarbeiter) hat die Meteor, noch in der Hand und obj. 2 entnimmt ihr das Gleichnis vom frierenden Wasser. Der Grundresp. satz vom „Vorrang des ,an sich' vor dem .durch ein anderes' Zukommenden", ursprünglich logisch zu verstehen (An. post. 85 a 23 2, 1), wird mit Hilfe der nicht ganz geklärten aristotelischen Theorie der Beschleunigung beim freien Fall ins Ontische gewendet: „Immer rascher streben sie zum heimischen Ort" 277 b 4 (Cael. 1, 8). In dem Grundsatz „causa ex effectu cognoscitur" 35,7 ist die aristotelische Lehre stark vereinfacht: Das „Weshalb" obj. 3 wird vielmehr umgekehrt aus der Ursache erkannt, aus der 98 b 19 Wirkung nur das „Daß" (An. post. 2, 16). Zu „quod est per se" resp. etc. siehe oben. Ob die Spezifizierung der Traurigkeit erschöp35, 8 fend sei, ist aus aristotelischer Systematik zu entscheiden. Neben resp. der klassischen Begriffsbildung aus Gattung und Unterschieden, 144 a 24 für die Top. 6, 6 die Regel aufstellt, daß sie „nicht zu den Akzidentien gehören" dürfen, wird in der Ausnahme von dieser Regel — interdum tarnen etc. — die Möglichkeit aufgezeigt, entsprechend den für Aristoteles unter die indifferentia fallenden Spielarten der Färbung gewisser Begleiterscheinungen der Trauobj. 3 rigkeit begrifflich zu erfassen. Dabei fällt dann auch der Grundsatz der Einteilung in durchweg gegensätzliche Spezies (An. 97 a 14 post. 2, 13) zwangsläufig weg. ad 3 III. D i e

L e i d e n s c h a f t e n des I r a s c i b l e n , „an sich" betrachtet 40, l Verallgemeinernde Umkehrung des Grundsatzes: „Gegens. c. sätzliches fällt unter Gegensätzliches" (Top. 4, 3). „Wahr123 b 5 nehmung betrifft die Gegenwart, Hoffnung die Zukunft, Erresp. innerung die Vergangenheit" (De Mem. et Rem. 1). Daß nur 1112 b 24 Mögliches als Gegenstand in Betracht komme, sagt Eth. 3, 5 2 von der Überlegung: Möglich ist. was durch uns erreichbar, ' idealiter also in uns bereits vorhanden ist, wie das De An. 3, 8 43lb 21 für „gewissermaßen alle Dinge" in Anspruch nimmt. Die klare, 40, 3 systematische Gegenüberstellung der logischen mit der realen obj. 2 Möglichkeit geht grundsätzlich über Aristoteles hinaus. De a ( j 2 Interpr. 13 unterscheidet zwar im Wortgebrauch die beiden 22 a 24 Arten der Möglichkeit und stellt sie in der Tafel der Gegensätze nebeneinander; einander gegenüber aber stellt er, auch in den Erläuterungen, jeweils nur verschiedene Fälle der realen oder der logischen Möglichkeit. Und Met. 5, 12 betrachtet das real Mögliche unter logischem Gesichtspunkt, als „das nicht not40, 4 wendig Falsche, das Wahre, das möglicherweise Wahre". Daß obj. 1 konträrer Gegensatz nur zwischen zweien stattfinde (cf. 31, 8 1055 a 3 et saep.), ergibt sich per deftnitionem (Met. 10, 4); daß die beiden obj. 2 sich auf ein Gemeinsames beziehen, aus der Bestimmung der Verschiedenheit überhaupt: „Unterschiedenes ist nicht nur v o n 626

etwas und in etwas, sondern auch a n etwas unterschieden (c. 4). Der konträre und der privative Bewegungsgegensatz nach Phys. 5, 6, der Gegensatz gemäß den termini wieder nach 5, 5 (vgl. 23, 2 resp.). Die weitgehend mit Aristotelestexten belegte Beziehung zwischen Hoffnung und Erfahrung leitet über zur Betrachtung der überschwenglichen Typen. Die physiologische Erklärung der Temperamente aus dem Wärmegrad des Seelensitzes steht De Respirat. 8. Eine Ermöglichung des Erstrebten durch andere berücksichtigt E t h . 3, 5 ; ebenso, daß Überlegung den Versuch des Unmöglichen hemmt. Die Deutung verzweifeiten Kampfesmutes aus Rachsucht fällt gegen E t h . 3, 11 ab, wo es vom Volksheer im Unterschied zum Söldnerheer heißt: „ E s steht und stirbt, weil ihm der Tod lieber ist als die Schande." Der Haupteinwand beruht auf aequivocatio des latein. virtus. Die „Tugend", mit der E t h . es zu tun hat, ist nicht nur nicht passio (De An. 2, 4) wie etwa die Sinneswahrnehmung (2, 5), sondem als habitus auch noch nicht actio. Der Einwand dagegen redet von „Fähigkeit" und wird im folgenden gleichfalls aristotelisch unterbaut. Rekapitulierend wird Leidenschaft als passive Veränderung im appetitiven Seelenteil bestimmt, wobei im vorliegenden Falle das Leidhafte prägnant als Schmerzhaftes auftritt (Met. 5, 21). Der unaristotelische Grundsatz einer Wesensbestimmung aus dem Objekt (vgl. zu 23, 1) ermöglicht die knappe Antwort im Sinne der Entgegnung. Die Möglichkeit, den umfassenden Gegensatz der prosecutio und fuga nach Maßgabe der dreifachen Zeitbeziehung objektfrei zu spezifizieren, wird im folgenden gestreift, nicht aber systematisch ausgewertet. Wieder einer der seltenen Fälle peirastischer, d. h. „versucherischer" Entgegnung (Top. 9, 2). Vorschub leistet eine gewisse Unklarheit in den prinzipiellen Bestimmungen der Natur bei Aristoteles: Einerseits ist sie „immer und überall die gleiche" (Rhet. 1, 11), anderseits „in Tieren und Pflanzen je besonders" (De Gen. Anim. 2, 4). Insbesondere gibt sie „den Körpern die Tendenz zu dem ihnen an sich zukommenden O r t " (Phys. 2, 1); darüber hinaus „den Lebewesen die Tendenz der Zunahme", eine Funktion des niedersten Seelenvermögens (De Gen. Anim. 2, 4). Darüber errichtet Thomas sein Gebäude von den nicht ohne Verstandesgebrauch zu verwirklichenden, dabei doch naturbedingten seelischen Tendenzen. Indem er diesen — im weiteren Sinne — jeweils auch den negativen modus einer Leidenschaft beizählt, also neben Hoffnung auch Furcht, weicht er grundsätzlich und bedeutungsvoll von der aristotelischen Denkweise a b : Wenn die Tendenz des Feuers nach oben in ihr Gegenteil verkehrt wird, so ist ihr das „widernatürlich" (Phys. 4, 8); ebenso aber auch, wenn die Tendenz der Lebewesen zur Zunahme sich in ihr Gegenteil verkehrt (Cael. 2, 6). Umgekehrt wie im Falle des latein. virtus (vgl. zu art. 2) ist es das als UrSprung allen Philosophierens berühmte griechische „thaumazein", das, aequivoce gebraucht, einen Einwand liefert und im entsprechenden Zusatz treffend in admiratio und Stupor aufgelöst wird. Einen interessanten Ansatz zu der bei Bildung der Spezies „ F u r c h t " nicht weiter verfolgten objektfreien Wesensbestimmung (vgl. zu art. 2) liefert die Spezifizierung ihrer Unter-

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1054 b 25 obj. 3 229 b 24 resp. 40, 5 40,6 resp. 474 a 25 40, 7 1112 b 27 40,8 1116 b 18 41,1 obj. 1 416 b 32 obj. 3 1106a 11 resp. 1022 b 19 41, 2 resp. ad 3 41,3 s. c. 165 b 4 1370 a 8 740 b 37 resp. 192 b 21 740 b 29

214 b 13 215 a 3 288 b 15 41, 4 obj. 1 ad 5 resp.

resp. arten —- Zaghaftigkeit, Schamhaftigkeit u n d Besehämtsein — nach Gegenwart, Vergangenheit u n d Z u k u n f t . 45, l E i n Abriß der aristotelischen Gegensatzlehre, in dem alle früher aufgetretenen Schwierigkeiten elegant überwunden sind, obj. 2 Der Satz, daß „Eines n u r einem konträr entgegengesetzt" ist, ad 2 läßt sich, auch abgesehen v o m Doppelsinn der Bewegung, mit s. c. dem dreifachen Gegensatz Verhältnis der F u r c h t zur Hoffnung, ad 3 zur K ü h n h e i t u n d zur Sicherheit in Einklang bringen. E n t resp. scheidend ist die Feststellung nach Met. 10, 4: „Der konträre 1057 a 18 Gegensatz findet zwischen den Extremen s t a t t . " Die E x t r e m e aber umfassen ihre Übergangsstufen (10, 7). W e n n Thomas in ad 3 dieses Umfassungsverhältnis den privativen Gegensatz einbezieht, geht er über Met. hinaus, die zwar gelehrt h a t t e : „Der 1055 a 33 erste Gegensatz ist zwischen habitus u n d privatio", u m d a n n 1055a34 aber sofort wieder einzuschränken: „nicht jede Privation, son45, 2 d e m nur die vollendete" — also eben doch wieder die extreme, obj. 3 „Gegensätze haben gegensätzliche Ursachen" (De Gen. et Corr. 336 a 30 2, 21). „ D a s ,an sich' rangiert vor dem (nur) akzidentell Zuresp. k o m m e n d e n " (Phys. 2, 6); andererseits steht es dem (nur) 198 a 7 relativ Seienden gegenüber, daß das, was es ist, „eines anderen 6a 35 ist" (Cat. 7). Neu ist die Kombination der beiden Seinsweisen: 45, 3 E s t alicujus per se u n d per accidens. Mit der gleichrangigen Beresp. wertung der physiologischen Komponente nähert sich Thomas 45, 4 der aristotelischen Auffassung (vgl. zu 22, 1). Der behaupteten obj. 2 Abhängigkeit der Größe eines Strebens von der des erstrebten 1267a 3 Gutes steht Pol. 2, 7 entgegen: „Jedes Streben tendiert eigenlll6b 3 gesetzlich zum W e r t .Unendlich'." Der E t h . 3, 11 gehört die Kombination von Tapferkeit u n d Vernunftgebrauch, vor allem 1116 b 22 das schöne Schlußwort vom „Beharren u m des Gutes der Tugend willen" (vgl. zu 40, 7 ad 3). 46, l Die Frage, ob der Zorn eine spezielle Leidenschaft sei, ist f ü r Aristoteles ü b e r h a u p t nicht gestellt, weil er die generelle Gegenüberstellung des irasciblen mit dem concupisciblen Seelenteil nicht systematisch verwendet (vgl. zu qu. 23). U m so eindeutiger ist die Stellung des Zornes als spezielle Leidenschaft, f ü r die der 1286 a 33 U r t e x t zudem einen besonderen Ausdruck bereit h a t (Pol. 3, 15), die sich von verwandten Strebungen durch das Merkmal 1369 a 4 der Irrationalität unterscheidet (Rhet. 1, 10) u n d der S a n f t m u t 1380 a 5 k o n t r ä r gegenübersteht (2, 3). Thomas dagegen schöpft das ents. c. scheidende Argument f ü r die spezielle Zornesleidenschaft aus obj. 2 Patristik u n d Cicero. Gegen eine Spezies außerhalb des Gegensatzverhältnisses spricht der Grundsatz der Begriffsbildung 143 a 36 (Top. 6, 6), der keiner induktiven Bestätigung bedarf. Trotzdem ad 2 ist die Schlußfolgerung nicht stichhaltig: Übergangsstufen sind in den konträren Gegensatz einbezogen (vgl. zu 45, 1 resp.), 1057 a 30 ohne doch selbst eines seiner Glieder zu bilden (Met. 10, 7). resp. Schon der zweite Schritt •— generale per causam — geht über 85b 23 Aristoteles hinaus; wo An. post. 1, 24 vom Allgemeinen als Grund redet, h a t sie nicht den realen, sondern den logischen 46, 2 Grund im Auge. Die Unterscheidung einer Apperzeption per mod u m simplicis u n d complexi ist, wie die Beispiele erkennen las1137 b 13 sen, gewonnen aus der Lehre von der Einheit im Begriff (Met. 7, 46, 3 12). Die aus der zur H a n d befindlichen R h e t . belegte Lehre von

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der Reizschwelle steht im psychologischen Zusammenhang mit De Sensu 6. E s folgt ein rein aristotelischer Gedankengang. Die Definition des Menschen als eines „von Natur zahmen Lebewesens" steht im platonisierenden Buch Top. 5, 2. Daß bei ihm, verglichen mit dem Tier, die gegensätzlichen Anlagen, insbesondere die seelischen, sich in einer gewissen Harmonie befinden (cf. De An. 1, 4), entspricht dem pythagoreisch-empedokleischen Weltbild. Die dreifache Gliederung der Natur bedeutet eine selbständige Weiterbildung und die unerläßliche Klärung der aristotelischen Lehre (vgl. zu 41, 3 s. c.). Ähnlich läßt E t h . 2, 1 aus wiederholten gleichartigen Akten den entsprechenden habitus hervorgehen; abweichend betrachtet sie (5, 8) das Vergelten des Bösen zwar nicht als die Gerechtigkeit schlechthin, doch aber als einen Akt derselben. Aus der allgemeinen Definition des Zornes (Rhet. 2, 2) folgt nicht, daß er sich auch im Einzelfall gegen ein allgemeines Objekt richte. Grundsatz der BegriffsBildung aus Top. 6, 6 (vgl. zu 35, 8 resp.). Spezifizierung des Zornes, so wie der Furcht (vgl. zu 41, 4 resp.), objektfrei aus einem inneren Prinzip, als Bestimmungsgrund ausdrücklich anerkannt. Ähnlich E t h . 5, 1: Bestimmung des seelischen Habitus aus seinem Substrat; Ver 22, 10 ad 2 : Bestimmung einer Potenz aus dem Wesen, in dem sie wurzelt.

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446 a 3 46, 5 obj. 1 130 a 27 407 b 30 resp. 46, 6 1103 b 21 resp. 1132 b 21 H32b34 46, 7 s. c. 46, 8 obj. 1 144 a 24 ad 1 1129 a 17

NACHTRÄGE

UND

BERICHTIGUNGEN

I . E r g ä n z u n g e n zu d e n M a r g i n a l i e n (Die Väter-Zitate im Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum [CSEL], soweit die im Bande zitierten Werke dort erschienen sind.) Seite

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41/258B 41/261B 15/1532C 41/410D 41/258C 41 /408D 41/415A 41/413C 41/258CD 41/261B 33/440A 41/261A 41/261A 41/261A 41/406B 41/410D 41/410D 41/410B 41/410B 32/702C 41/410D 41 /413sq. 32/698A 41/410D 41 /413sq. 32/794B 41/408sqq. 41/409C 32/752C 32/700C 32/752A 32/700C 22/1047sqq. 41 /412sq. 42/557B 34/385A

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40 I/410sq. 40 1/416 32IV/9 4011/13 40 I/410sq. 4011/10 4011/21 4011/19 40 1/411 40 1/415 3411/667 40 1/416 40 1/415 40 1/415 40II/5 4011/13 4011/13 4011/13 4011/13 33 /81 4011/13 4011/19 33 /72 4011/13 4011/19 33 /252 4011/llsqq. 4011/11 33 /176 33 /78 33 /175 33 /77 56 /86 4011/18 25/863 28 /253

216 218 219 222 222 222 249 249 258 275 277 278 280 280 285 289 290 290 290 296 296 300 300 306 317 317 322 322 346 369 384 384 386 388 397

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41/412D 41/411AB 41/411B 32/683C 32/697C 41/409C 41/410D 41/413A 42/557B 32/698C 32/698D 32/698C 32/752D 32/699B 32/777B 34/385A 34/482A 41/424A 41/409C 41/409C 41/424A 41/406B 41/410D 34/402D 41/410D 41/413C 41/408D 41/410D 32/681A 32/681A 41/410D 41/413sq. 32/681A 33/964A 33/964A

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4011/17 4011 14 4011 14 33 44sq. 33 71 4011 11 4011 13 4011 19 25 863 74 33 74 33 33 73 33 176 33 75 33 222 28 253 28 429 4011 36 4011 11 4011 11 4011 36 4911 13 4011 19 28 285 4011 13 4011 19 4011 10 4011 13 33 40 33 40 4011 13 4011 19 33 39sq. 57 368 57 368

Dionysiaca, Editio Solesmensis 1937 Seite

11 32 50 62 64 65

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PG

3/673A 3/733A 3/709D 3/713A 3/708AB 3/713A

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67 67 68 70 74 77

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3/709D 3/708C 3/709AB 3 /709AB 3/708A 3/708A

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I/214A I/204B I/208D I/208D I/199B I/200B

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87 94 97 101 101 104 104

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Seite,

I/214A I/215B I/218C II/837sq. I/200B I/200B I/200sq.

112 115 201 236 247 327 383

II. V e r z e i c h n i s d e r

Ptì

3/717CD 3/732D 3/733A 3/717CD 3/729C 3/713A 3/197BC

SOL

I/245A I/306D I/309C I/245A I/298D I/225A I/162B

Abkürzungen

1. Werke des hl. Thomas v. Aquin (außer Summa theol. und Sentenzenkommentar) An = Quaestio disputata de anima. I n An = Expositio in libros Aristotelis de anima. B H = Boethius, de hebdomadibus. Car = Quaestio disputata de c a n t a t e . CG = Summa contra gentes. CI = Contra impugnantes Dei cultum et religionem. Col = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Colossenses. Cor = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Corinthios. CR = Contra pestiferam doctrinam retrahentium homines a religionis ingressu. CTh = Compendium theologiae. Dee leg = De duobos praeeeptis caritatis et decem legis praeeeptis. Div Nom = Expositio super Dionysium de divinis nominibus. E p h = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Ephesios. E t h = Expositio in decem libros ethicorum Aristotelis ad Nicomachum. Gal = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Galatas. H b = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Hebraeos. J o = Expositio in evangelium S. Joannis. J o b = Expositio in J o b . Mal = Quaestiones disputatae de malo. Mem et R e m = I n liberum Aristotelis de memoria et reminiscentia. Met = Commentaria in metaphysicam Aristotelis. Mt = Expositio in evangelium S. Matthaei. Or Dom = Expositio devotissima orationis Dominicae. Peripherm = Expositio in libros Periphermeneias Aristotelis. Phil = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Philippenses. Pol = Expositio in octo libros politicorum Aristotelis. Pot = Quaestiones disputatae de potentia. Ps = Expositio in psalmos Davidis. PVS = De perfectione vitae spiritualis. Qlb = Quodlibetum (Quaestiones quodlibetales). Resp de = Responsio de articulis. R J = De regimine J u d a e o r u m ad ducissam Brabantiae. R o m = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Romanos. Spes = Quaestio disputata de spe. Subst sep = De substantiis separatis. 631

Theas = Expositio in S. Pauli Apostoli epistolam ad Thessalonicenses. Unit int = De unitate intellectus contra Averroistas. Ver = Quaestiones disputatae de veritate. Virt = Quaestio disputata de virtutibus in communi. Virt card = Quaestio disputata de virtutibus cardinalibus. 2. Abkürzungen

und, Ausgaben der öfters zitierten Werke und Zeitschriften

Ang = Angelicum, Rom. CJC = Codex Juris Canonici. C S E L = Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, ed. curis et impensis Academiae Litterarum Vindobonensis 1866 sqq. Frdb = Friedberg, Corpus Juris Canonici. Greg = Gregorianum, Rom. L = Editio Leonina, Romae, 1882 sqq. Lomb = Petrus Lombardus. P = Editio Piana, Romae 1570 sqq. P G = Migne, Patrologia« cursus completus, series Graeca. P L = Migne, Patrologia« cursus completus, series Latina. Sol = Dionysiaca. Editio Solesmensis (1937). StZ = Stimmen der Zeit, Freiburg i. B r .

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636

ALPHABETISCHES NAMEN- UND SACHVERZEICHNIS A b k ü r z u n g e n (Gebräuchliche Abkürzungen oder solche, die sich aus dem Zusammenhang von selbst verstehen, sind nicht angeführt.) h: haben, hat, hatte a: an, auf, aus hlm: heiligmachend b: bei Bg: das Begehren Ho: Hoffnung bg: begehren, begehrend K: Körper kl: körperlch Bgr: Begriff bst: bestimmt L: Leben Bwg: Bewegung Ldft(n): Leidenschaft(en) bwg: bewegen, bewegend, Li: Liebe bewegt Lu: Lust d: der, die, das. durch m: mit e: ein, eine, einer M(n): Mensch(en) E F : Entstehungsfolge ml: menschlich Erk: Erkenntnis Mglk: Möglichkeit erk: erkennen mgl: möglich f: für mod: modern Fr: Freiheit n: nach, nicht fr: frei N: Natur nh: naturhaft Fu: Furcht G: Gott nl: natürlich gg: gegen Ntw(n): Notwendigkeiten) Ggs: Gegensatz ggsl: gegensätzlich ntw: notwendig Ggst: Gegenstand o: oder, ohne Ord(n): Ordnung(en) ggstl: gegenständlich Ggw: Gegenwart s: sein, seine, seiner, seiggw: gegenwärtig nes usw. 3.: siehe Gst: Geist gst: geistig S: Seele sl: sinnlich gttl: göttlich

S-Wsn: Seelewesen Sns: Sehnsucht Str: das Streben str: streben, strebt Strv: Strebe vermögen Sü: Sünde T(n): Tätigkeit(en) Tg(n): Tugend(en) Tr: Trauer u: und, unter Ü: Obel ü: über ü-nl: übernatürlich Ur: Ursache U-sch: Unterschied, Unterscheidung uvk: unvollkommen ü-w: überwinden, überwindend v: von, vom, vor Vh: Verhältnis Vk(n): Vollkommenheit(en) vk: vollkommen Vn: Vernunft Vst: Verstand, Verständnis Wsn: Wesen wsn: wesentlich Wkg: Wirkung z: zu, zum, zur

NB: Die kursiv gedruckten Ziffern beziehen sich auf Anmerkungen und Kommentar. Wo Einwand und Auflösung in den Angaben sich entsprechen, sind sie durch / zusammengefaßt.

A Abraham, Typ d Glaubenden 317 457. Absicht, Ord d A. i d Ldftn 51f 58/60. — bst Str-Bwg 57 111 140. Ähnlichkeit, zwei Arten 81. — bwg weniger als d Ding selbst 240 437. — indir. Ur d Hasses 82 183 540.

— ü r d Li 79ff 538ff. — — d G.s-Li 548f. d Lu 181f 455 574. — Gesetz d Massenbildg 455. Ärger, Art d Zornes 404ff 614. —- physiolog. 486. Akt, Ähnlichkt v. A. u Anlage 81f 540. — i d phys. u moral. Ord 42f.

Allgemeine, d, Ggst d Hasses 120ff. — doppelter Sinn 383. — gewisse Unendlkt 136. — Ggst v Vst u Sinn 121. Alter u Ho 311 314 602. Angst, Art d Fu 332. — moderner Bgr 492 605. — Wkg a d Organe d K.s 485f. — — v sittl Verantwortung 515

— Art' d Tr 246. Art, echte u unechte A.en 245f. — Ggst aufgrund d A. u aufgrund d Gttg 226f. — U-sch 17 128 130 132 226f 497.

Askese, Ntw 518. — u moderne Degeneration 442.

637

Augustinus, Begründer d abendld Willensmetaphys. 442.

Ausführung, Ord d A. i d L d f t n 51f. — Ord d äußeren T 140. Automatismen 571. B Begierde (u Sehnsucht) 123— — — — — — — — — — —

136

556—561.

böse Begierlichkeit 558. con-cupiscentia 125 557. als komplexes Gefühl 445. Ggs: Flucht, F u 29 129. Ggst 127 557. Heimlichk 427/429. u H o 48 59 299ff 591f. arteigene L d f t 126ff. i d E F d L d f t n 56 509. L d f t d bg Strv.s 22f 125 499.

— stärkste L d f t d bg Strv.s 52. — u Li ölf 126/129 253 557. — Str n L u 124 131 393 557. — U r d Lu 52 172. — Maß u M.losigkt i d B. 133ff 559. — Bedeutg f d M 558. — weniger n h als Zorn 394f. — d N wstl 394 557. — n h u n-nh 130ff 134f 329 5 5 8 f f .

— — U r v L u u Freude 145 567.

— n h u Tiefenpsychologie

— Verkehr m d Weisht 230. Bewegende, d, Vh z Bwgten, s. Erleiden: Vh Z T. Bewegung, Bgr 4 7 6 f . — Definition 151 477. — doppelter Ggs i d B. 21f. B d t g d Ggs.s f d B. 235/238 264. — Kreis-B. d L d f t n d bg u ü-w Strv.s 49. d Li 446. M-G-M 447. N-Erk-Li 458. d Strv 66. — Lebens-B. 271. — L d f t als B., s. L d f t . —• Li, Ursprgsgrd d B. 65f 85. — geht nur a d Mgl 302. — u Müdigk 166/169. — n h B. 328. stärker a E n d e 237 437. ihre Gewißht 456. mehr Hin- als Abkehr 250. d Leibes durch d S 272. u-sch v Str-Bwg 57. doppelte Ur 252. — Str-Bwg, s. ds. — als Wirklichkeit d Vk u d U-Vk 143 210. — u Zeit 142f. — bst v Ziel 479. Buße, Ggst d Freude 222/224. — Aufgabe d ml Gefühlsl.s 517

527.

— als Tr 219.

5 5 8 f .

— n-nh, s. Sehnsucht. — U r d Tr 253f. — „Weggefühl" 52 508. — sittl W e r t 204 558. Beispiel, bwg K r a f t d B.s 203. Beschauung, Lu d B., s. Freude. — gestört d sl Lu 196f. — erfordert R u h e 264. — gestört d Schmerz 261ff 585.

— v-bunden m Tr 232f. — d W a h r h t , Heilmittel d T r 2S2ff. — rror zufllg Ü 234.

638

C Christus, d „empfindsamste" M 440. — Menschht Ch.i u christl Ldft.s-lehre 436. — Nachfolge Ch.i 517 551. — Zorn Ch.i 460. E Ehe, Freude u L u d E . 569. Ehre, mehr geliebt als sl Lu 152. Ehrgeiz, R ü c k f ü h r u n g a Primärqualitäten 446.

Eifer, Wkg d Freundes-Li 98f 546.

Eifersucht, W k g d bg Li 98 546.

— Eifer des Neides 98f 445. Eigenschaft, Gattungs-u.sch 228. Einung, Arten d E . 86f. — d E r k u d Li 87/90 437 542f.

— durch gst E r k tiefer als d sl 152 565. — n jd. E . e Gut 256f. — u Li dreifaches Vh 89. — Ur d Lu 52f 89 152 171. — n h Str u E . ü r d T r 265ff. s. Liebe. Ekel, Art d Hasses 554. — Ggs d bg Li 554. — W k g d Li 94ff 546j. Empfindsamkeit als ml Qualit ä t 440. Engel, Freude d E . 149. — o L d f t 12/14 37/41 494. — Sns d E . 194. Entstehen (u Vergehen) 5 21. Entwicklung, E.smglktn d S 6. Epikuräer 207. Erbsünde, u L d f t 514f 516 528 558

569.

— Ursprg d Egoismus 550. — u Geschlechts-Lu 205. E r f a h r u n g u Ertüchtigung 211/313. — U r d H o 311ff 601. d Kühnheit 376. Erholung, d sl Lu 566. — kl, Heilmittel d Tr 284ff 587.

Erinnerung, schwächer als E r fahrg d Ggw 277. — u Lu 170ff 194. Erkenntnis, Bildähnlichkt 8 90 542. — einfache u n d komplexe 386. — Einswerden m d Erkannten 8 90 171 437 542. — fortschreitende d M 168 496.

— Ggs als E i k . g r d 231. — G.s, s. Gott.

— u H o 303ff 307f 597. — u L d f t 304 483f. — u Li 77f 87/90 91 437 458 538

541

542f.

— u Lu 164 171 189. — N als Auswahlprinzip d E . 458.

Quellgrund d E . 328. — -— verwandtsch. Voraussetzung d E . 446. — d Nichtseienden 249 453. — Passivität 5f. — •— geringer als P . d Strv.s 7ff 481. — sl, gewisse Evolution 439. u gst E . l ö l f 197 233. behindert durch kl Störung 428. —



u

sl

L u

151f

564f.

— — durch OrganVeränderung 10 113 438}. — — e.s Ggs.s i schmerzvoll 232. ü sl Str 63 497. — — Urteil d sl E . 379. — erk.eig. A k t besser als d d Strv.s 305. — u Strv, u-sch Vh z d Dingen 8f 437 481. ggseit H e m m u n g 197. — bst Ü-sch d Str.s 63 304 386 497 532. — Vorrang v d Strv 10. — u d U-endl 135. — d Unsichtb. a d Sichtb. u umgekehrt 453. — Wsn.s-E. 152. — Vk d E . 78f. — Weitwerden d E . 189 s. Beschauung. Erleiden 47SS. — Art bst v Ziel 479. — -sfähigkeit i Christus 440. Merkmal d Geschöpf! 479.

— — als ml Qualität 440. — Formen d E.s 4f 475f. —

gst

u

nl



i

S

5f

10

438f.

— Größe d E.s, doppelte U r 12/13. — L d f t als E., s. L d f t . — gehört z Mangel 9. d

478ff.

639

— Eigentümlk d Stofflichen 3/6 478. —

V h

z

T

5

28

65

475

477f.

— eigtl, v-bunden m kl Veränderg 5f 13 475f. Erziehung, individuelle 518. — durch Erfassung d ganzen M 512. — u Tiefenpsychologie 521 558f.

F Faulheit, Art d F u 331 367/ 368. Fleisch, Sinnbild d sl Str.s 40. — u Sü 516. Flucht, allg Ldft 324/326. — Ldft d bg Strv.s 23 499. — d Entstehgsfolge d Ldftn 56. — Vh z F u 48 458. — Ggs: Sns 29. Form, Ähnlichk d F , Ur d Freundes-Li 81 539. — F.-Stoff-Vh; Erleiden 478. — — ; d Ldft 102 271f 358 423f 488—493. 530f. — u N-Str Freiheit, Grenzen d F . 469f. — i d Li z G 535. Freude, d Engel 12/14 148 194. — G.s 12/14 148. unveränderl 167 573. — gst Lu 147f 149ff 563 5 6 4 f f . Beschng Ur u Ggst 151f 159 231. Teilhabe a d F d Engel 149. a G, höchstes Gut d M 210f. a d G.s-Erk 193. nl 159 568. F . d S 124. vgl. m si Lu 149ff —

564ff 565.

569.

Vorrang v d si Lu 151f

Maßstab d Sittl. 213 581. totale F . 563. o ggsl Tr 153 228ff. Heilmittel d Tr 283. d Tg-haften eigen 154 214 567.

640

—• — ü-nl 444. nie ü-sättigt 193 577. — —• UnVergänglichkeit 153 168 563 565. — — einfache Bwg d Willens 148 563 566. — n-nh Lu 145 444. Ggs: seel T r 220f. u Zorn 420ff 615f. Freund, d zweite Ich 88 280. — es-Li 7Off 535ff 544ff. gründet i d Ähnlichk d Form 81 539. Dauerhaftigk 544. — — eifernde Li 98. Einigimg d F.-Li 92f 544f.

..ekstatische" Li 96 448. u keusche F u 459. als G.s-Li 535 550f. Ggs: personaler Haß

554.

v Höherstehd z Tieferstehd 540. u Lu 177 180. — — personale Li 71f 535 544f.

sehende Li 546. - L i schlechthin 72 535. — — u Selbst-Li, s. dort. Mitvollzug d Selbst-Li d andern 88 92f 535 544f. heilt Tr 281. s. Liebe. Freundschaft, u Li 68. — d Nutzens u d Lu 73 155/ 157. Führung, Ur d Lu 181/183. Furcht 321—368 603—610. — Alarmzustand 604. — Arten d F . 330ff 344 459 — — — — — — — —

605.

als Erziehungsmittel 459. Vh z Flucht 48 326. v d F . 343ff 460 605f. Ggs: Ho, Kühnheit 369ff. Ggst 331 334—350 606f. G.s-F. 109/110. — führt z G.s-Li 351/353. ntw v-bunden mit Ho a Rettung 339. — keusche F . 340 459. — knechtische F . 459.

— als Ldft 321ff. arteigene Ldft 324ff. i d Entstehungsfolge d Ldftn 55f. Hauptldft 57ff 444. — — Ldft d ü-w Strv.s 23 326 506. — v d ml Macht 336. — moderne Entsprechg 604j 608. —

nh, n-nh 327ff

604f.

— patholog 460 606 608. — physiolog 359f 364£f 491 608f.

— Plötzliches besond f.-bar 345ff. — u Schutz 343 604. — u Sns 327. — u Selbsterhaltg 321 458 — — — — — —

604f.

u Sicherheit 371. v d Sü 340ff 459. Todes-F. 338 359 361. Vh z T r 340/342 604. ihre Ü-windg 347 606. Ur d F. 351—356

607f.

kl 607. Li z Gut 353 607. Schwäche 355 607. — u V-zweiflg 55f 372f. — u Wille 341 344 606. —

Wkg d F. 357—368

608ff.

Beklemmimg 323 357ff 608. kl 359f 364ff 367 608f. Lähmung

609f.

— — d Leibe schädlich 272. Empfänglk f R a t 362. Sorgfalt 367f 610. G Gattungs-U-sch 17. — b Eigenschaften 228. Gefühl, s. Ldft. Gegensatz, Arten 440. — u Bwg 235/238 264. — als Erk-grd 234. — gl-zeitig u n gl. 109/110. — Urteils-G. 227. Gehaben, u Automatismen 571.

— beständiges, Ur d lustv. T 1 7 5 / 1 7 7 451

41

10

570f.

Grd d Beständigk 397. — Tg u G. 458 571. Geist, Abwertung i modernem Denken 522. — d Hauptsächl i M 116 159 552.

— H L G u Li 92. Bwger d Schöpfg 458. s. Leib. Geistige, d G. als Triebsublimierg 443 466. Geiz, verur durch ungeordn. Selbst-Li 117. Geltungsstreben 413 461. -—• krankhaftes 561. Gerechtigkeit d M gg sich selbst 401/403. — u Vergeltg 402. — u Zorn 398f 401ff 41 l f 460 613

616.

Geringschätzung, Arten 411. — Rückführg auf Primärqualitäten 445. — Ur d Zornes 41 Off 615. Geschlecht u Ldft 523. — -s-Lu s. Lu. •—• -s-Trieb bst Lu-werte 557 567.

— Degeneration 450. Geschöpf, Neigung z E n t sprechenden 533 537. 550. — nh Li z G 548 — Leidensfähigkt 479. Gesichtssinn, u gst E r k 157 439.

•—• „ g s t " Veränderg i Organ d G.s

10

438f.

— Lu d G.s 155ff 568. — u d Schöne 76. — i d Rangord d Sinne 155 567.

Gewissen, Leistungs-G. 560. Gewißheit, affektive, B g r 597f. d H o 303/305

597f.

— erk-mäßige G. 303/305 597f.

— u Sicherht 456. Gewohnheit, u Automatismen 571.

— Ur d L u 166/169 571. — zweite N 169 571. Glaube, Abraham T y p d G.s 317 457.

641

Glückseligkeit, u Li 551. — u Lu 210. — Ziel d M 210 548. Gnade, wirkt N-verwandtsch m G 446. — hlm, u potentia oboedientialie 479. - u n i G.s-Li 550. — u Lenkg d L d f t n 511 515 528

Gott, É r k G.s u Li z G 77/78

— n a t u r v e r w a n d t 75. — Schein-G. 74/75 108 116 208 460. — schlechthin u m Einschränkg 72 207f 448. — u d Schöne 76. — u d Seiende u W a h r e 118. — d sl G., G. d ganzen M 124. — Steil-G., Bgr 592. Ggst d H o 301 310 591ff.

Ggst d V-zweiflg 310

541.

U r d Lu 193. aufgrd v N-verwandtsch 446. — — u-vk weckt Sns n vk 193. — Freude a G, höchstes Gut d M 210f. — — i G 148f 167 573. — -es-Fu 107 335/336. — n u r gst Str erreichb 147. — v L d f t 12/14 494. — Li G.s u Li z G, siehe Liebe. — analoge Seinseinht m d Geschöpfen 5 4 8 f . — Weltenkünstler 456. — Wille G.s u Zulassg G.s 292. — reine Wirklichkeit 479. — Zorn G.s 407/409. Gut(e), d, anziehend 55. — Äxten 206. — begehrt s selbst wegen 336. — Ggst d Begierde 127f 131 557

— Edel-G., Bgr 291. Tr als E. 290£f. — — u Verdienst 291. — Eigen-G., f alle d Höchste 182f

549f.

— u d Eine 256. — Ggs v G. u G. 162. — gst G., Ggst d Freude 124 152'563. G. d S 124. — — Vorrang d v sl 152. Ziel d N 552. — höchstes G. 211. — leibl besteht i Gl-gewicht 182f. — Ggst d Li 71f 75 5,33 537. — Ggst d Lu 163 170 176 179. 642

593.

— eigtl Ggst d Strv.s 57 62 115 236f 5 0 9 f . — u Ü als Ggst d bg u ü-w Strv.s 18 498f 505. — gg Ü eingeteilt 249 453. — v N früher als Ü 51 110 460 584.

— stärker als Ü 113 236 460 584.

— zeitl G., Tr u zeitl G. 294. — = Ziel 22 51 114 128 505 537.

H Handlung, ml H . als personale H .

468f.

•— i d phys. u moral. Ord 42f. — geht v S aus als erstem Bwger 367. — sittl Wert vgl. m d d L d f t n 33 39 42f 515. s. Tätigkeit. H a ß 106—122 553—556. — Ähnlichk, indirekte Ur d H . s 82 183 540. — bezogen a Allgemeines 120ff 403. — entspringt e Befindlichk 400 613. — als Ekel 554. — Ggst 106ff 115—126 553f — — — — — —

556.

als komplexes Gefühl 445. gst 108 122 556. guter u schlechter 106/108. Grenzen d H.s 556. schwer heilbar 400 491. i d Entstehgsord d L d f t n 56. — L d f t d bg Strv.s 18 499.

— Ursprgs-Ldft bzg] d Ü.s 59. —

Li,

Ggs

z

H .

1 0 7 f 509

553j.

— — stärker als H . 113f 555. U r d H.s 51 109ff. H. Ur d Li 174 455. — Maßlosigk 399f 613. — nh 107 329 509 553. — personaler 554. — physiolog 491. — g g s selbst l l ö f f 556. — Ur d H.s 106ff 555. — gg d Wahrheit 117ff 556. — trennende Wkg 5 5 3 f . — u Zorn 388/390 397ff 613. Hedonismus 207. — gesunder H . 557. Herz, anthropolog Bdeutg b Thomas 437. — u F u 359f 366 377. — u Kühnht 376f. — i d L.s-Bwg 271 286 432. — u Ldft 36 424 482 4 8 5 j . — u Li 92 102. — Sinnbild d gst Str.s 40 — u Tr 285 360. — weites H . erstrebt d Schwere 315. — u Zorn 359 424 432. Hingebungstrieb u Selbsterhaltungstr. 440 4 8 9 f . Hoffnung 299—320 590—603. — u Alter 311/314 6 0 2 f . — Funktion d Erk 303ff 307f 597.

— — — —

als Erwartg 303/304 5 9 5 f . u F u 309/310 340/342. Ggst 301 318 5 9 1 f f . Gewißht d H . 303/305 314

— — — — — —

Isaak, Typ d H . 317 457. u Jugend 3 U f f 602 u Kühnht 371ff 380. als Ldft 598. — arteigene Ldft 300f. — erste Ldft d ü-w Str 53ff. Haupt-Ldft 57ff 4 4 4 f . Ldft d ü-w Strv.s 18 300f 506 593. u Li 59 84/85 318 592. Ur d Lu 170ff 451 573. nh 329. d Schöpfg 458.

456

— — — — 41*

4 9 7 f .

— — — — — — — —

u Sns 59 299ff 591 f . k Sicherht 456. i Strv 303ff 594. u T 269 319 457. b Tieren 306ff 5 9 8 f . u Tr 170/171 269. Tg, Ggst d H. 340/342. ü-nl 591 596 602.



U r

d

H .

311ff 6 0 0 f f .

d Können 312f 601. — •— Veranlagg d M-Typen 6 0 2 f .

— Verzweiflg, Ggs d H. 303 309ff 600. — — H . früher als V. 55. — als Wagemut 596 602. — u Zorn 381. I Individualität, metaphysische 468.

— psychologische 489

469

473}

5 1 7 f .



u Freiheit d Gst.s 5 2 7 f . u d Sittl. 517 523. Instinkt u I.-entbundenht d M

449f

5 0 0 f f .

s. Tierpsychologie. Isaak, Typ d H o 317 457. J Jakob, Typ d Li 317 457. Jugend, u H o 314ff 602. — Str n Lu 184. — sucht d Schwere 315 602, K Kälte, Körper-K. Wkg d F u 359 365. Kant, Bgr d Sittl b K. u Thomas 520 581. Kind, Fu d K.s 460. — u d Sittl 202/206. — Trotzalter b K. 440. Klugheit, u Ldft 206. — u sl Lu 195f 201/205 5 7 7 f . Körper, nh Li i d K.n 65f 5 3 0 f . Kompensation seel u kl Mängel 590 615. Komplexe, seel. K . 471f 559. Krankheit, leibl.-seel. Behandig 483. — s. Seele.

643

Kühnheit 369—381 610f. — Angriff a e Ü 60 373 506. — Ggs: F u 369ff 610. — u Ho 371ff 380. — als Laster 370. — i d Entstehgsord d Ldftn 56. — k Haupt-Ldft 58/60 374. — Ldft d ü-w Strv.s 23 506. — Nachlassen i d Gefahr 378ff 611. — physiolog 376f 378/380. — u Sicherht 371. — u Tapferkt 379f 611. — Ur d K „ kl u seel. 374ff 610. — u Zorn 60 379/381. K u n s t u L u 206. — Werke d K . , Bgr b Thom 456.

L Laster u Ldft 370. — Abfall v d Vn-Ord 370. Leben-s-bwg u Ldft 27 lf. — ewiges L u T r 222/223 291. — -s-gefühl 523. s-gst.er u Ldft 359f 424. — a meisten geliebt 77 238. — Innen-L., ml entzieht s d Beurteilg 456. — i d gute Bestand d Leibes 240. Leib u Gst i d Ldft 510—529. — geadelt d Gst 480 522. — Helfer d Gst.s 518ff 522f. — Kampffeld d Gst.s 516f 520 524ff

551f.

— s. Seele. Leidenschaft, Arten d, 28ff. — Art-u-sch 17 21f 27f. — Bgr 322. — — arist u stoisch 35f 435. b K a n t 474. — als Bewg 21f 322 475f 533. — Definition 12 437f. — Einteilgsgrde 441f. — — moderne 440 4 6 5 f f . — Engel u L . 12/14 494. — Entstehgsfolge d L.n 56. — u E r b - S ü 514f. —

u E r k

7ff 304

— unbewußte 456

644

473f

484.

483f.

Antriebskraft

— e Erleiden 5f 28 322 4 7 5 f f . u-sch v kl 323. — Gattgs-u-sch 17. — Ggs d L . n 20—30 440 504f. -paare 29f. — Ggst, Hin- u Abkehr v Ggst 21f 505f. — — n u-sch i Sach.G. u personal Ziel 448. als Ur d L . 75 537. verschied Wirkkraft d — — — —

G.s

27f

132

507f.

e ggstl Gefühl 492. gst Gefühle, B g r d 494. komplexe G., Begr. d 445. gelenkte ; s. sittl W . u Lenkung. — u Gn 511 515 528. — G u L.n 12/14 494. — Größe d, doppelte Ur 12/14 490.

— Haupt-L.n 57ff 444. — Funktion d Herzens i d L., s. Herz. — -s-Lehre, moderne u thom 465ff.

— leibl-seel Antwort 436 443 484.

— leibl-seel Vorgang

480f

484—493.

— — kl Beharrgsmoment i d L. 491. kl Disposition z L . 395 490f.

kl Organ d L . 482. kl Veränderg i d L. 11

485ff.

i Vh

2 7 1 f 481

Stoff-Form

102

488ff.

— nh, n-nh L. 328f. — Ord d L.n 45-57. d Absicht u d Entstehg 51f 57/60. N-Ord u Sitten-Ord 42f. — physiolog, s. leibl-seel V . — schädliche L.n 27 lf. L . i eigtl Sinn 5f 141 323. — all S-wsn gemein 32/33. — sittl Wert 31—44 510—529.

Anteil d L . a Sittl 37ff

510

518ff

523.

— — — 39 —

i d Art gegeben 41ff. bst d Ggst 43 528. vgl m d d ä u ß Hdlg 33 42f 515. u kl Wsn.s-anteil d L.

514

523.

— u gst Lenkg 32f 36 39 43

— — sl Strv eigtl F r l l f f 217 — — — —

482

493.

k Tg 323 458. Begleiterin d Tg 37 519 521. ungelenkte, s. sittl Wille. Ur d L., doppelte 253 537f 541.

— A r t d L k . 4 0 502f 512f. — — — Hilfe d Gn 515 528. — — Grenze d Lk. 514 517f. — — Lk. i Vh H a u p t - U r u Werkzg 522f 527. — — — K a m p f u m d Lk. 517

u Veranlagg 395 490 493. Vererbg 395 524. behind Vn 363 525f. gelenkt d Vi), s. sittl Wille u Lenkg. u Wille l l f f 498f. gelenkt d W . wie d Vn. 133

520

501ff.

öllff.

524.

— K a m p f i ü-nl Sicht 517 527

— Pflicht d Lk. 470 513f. — wsn.s-gerechte Lk. 516ff.

•— Lk.s-Ziel: harmon Zus.wirkn 510 521 522. — Eigtümlk d ml L. 33 511.

— gründet 513

i Voll-Ml 39

Lernen, behind d kl Schmerz 261ff. Liebe 61—105 530—553. — bg 7Off 535ff. — •— gründet i d Ähnlichk v Fähigk u A k t 81f 540. str n v k Besitz 92. blinde L. 545. u Eifersucht 98 546. — — L. m Einschränke 72

518ff.

536.

— stoische Lehre 36. — besond Anliegen b Thom a s

— — — —

467ff

617.

b T h o m u Aug 442. b T h o m u K a n t 520. Analogie b d Tieren 44. u ungelenkte L. 40 515

540

524ff.

— als Verdienst 291. — z Wsn gehörig 54 511. — vgl Lu, Tr. Sprachgebrauch 8 435f 474. u Stimmg 491f. — n d bg u ü-w Strv.s 15ff 598f

605f.

Ggs d L.n d b g u d ü - w S t r v 21 f. Entstehgsfolge d L d f t n 55ff. ggseitiges Vh d L d f t n 45ff 499.

u Sü 34/37. d Tiere u-sch v d L. d M 3 1 / 3 3

396

500ff

511.

Träger d L. 3—14. — moderne Lehre 436f. — Strv 7ff 481f 484.

— — — — — — — — — — — — — — — — —

Ggs: Ekel 554. Anfang d G.s-Li 550. u sl Lu 157 569. selbstsüchtig 88 96 448 546.

v Tieferstehd z Höherstehd 540. als Verliebtheit 545. Begr 28f 66 101 533. u Bewg 65f. Dreiteilg 63f. u Einung, dreifaches Vh 89. s. W k g d L. Empfindg d Hasses 113. stärker i Verlust 113. d Engel 12/14. Erkalten d L. 426. u E r k 77f 87/90 91 541542f. u Freundschft 68. u F u 114f. Ggst 71f 74ff 537. gst 64 69 78. „ f r " L. 535. — sittl Antriebskraft 534f. u Glück 551. Glut d L. 103 425. G.s 12/14.

645

Außer-sich-sein 94f 448f.

eifernde L. 97. Teilhabe j d L. a d L. G.s 95 449. — G.s-L., apost Eifer, 99. Einung d G.s-L. 91. u G.s-Erk 77/78 541. u ml F r 535 550. Wachsen v d bg z Freundes-L. 550f. u G.s-Fu 351/353. all Geschöpfen nl 548 550.

u Gn 550. als Minne 447. aufgrd d analog Sein3einheit m G. 548f. u Selbst-L. 5 4 8 — 5 5 2 . — — u Selbstverleugng 550f. — — nl d Sünders 550. vervollk W k g 101 543. u Zuneigg 70. — Größe d L. 114 541. — u Grundmacht 553. — u H a ß 107f 109ff 553f. — stärker als H a ß 112ff 555. — hl 225. — u Herz 92 102. — Innigkt d L. 92. — J a k o b , T y p d L. 317 457. — Kreis-Bewg d L. 66 446. — als L d f t 65ff 533. — arteigene L d f t 27f. — L d f t d bg Strv.s 18 499. — erste L d f t d bg Strv.s 55f. — Ursprg all L d f t . n 84f 384. •—• u Lu, s. Wkg. — als Minne 68f 447. — Nächsten-L; 447 535. —

n h ,

B g r

6 3

—• — u. innere Ü-einstimmg 63 75 85 446. — u Opfer 552.

646

548.

u G.s-L. 5 4 7 — 5 5 2 . F o r m d G.s-L. 549. u Selbsthaß 116 556. — — allen Wesen nl 549. — — u Schmeichelei 446. als Selbsterhaltg 101. u Selbstverleugnung 551f.

gründet i d Wsn.s-einheit 82 89. — sl drängt d meisten z Bösen 70. u

— — — — — — — — —

g s t

534f.

folgt leibl Sehen 78 157. z Sü 102. u T 103f 553. als Tg 65/66. u T r 103 237 255f 253. Unberechenbark 541. U r d L. 74—85 5 3 7 — 5 4 2 . Ähnlichk 79ff 538ff. — Ansprechbark 541. d Gut 75ff 537f. Vk d L. 78f. Wkz d L. 86—105 5 4 2 — 5 4 7 .

bessernde lOlf 543. Einung 86—94 542ff. affektive E. 87f 92

543

530ff.

— — Ursprg d n h Bwg 63. folgt u-verbund E r k 77/79 530. z G 550. u n h H a ß 107 509. i d Körp.n 63 65 530f. i M 531f. — — entspr d Wsn.sform 65 531.

physiolog 541. als Primärqualität 445. schlechte 69 108. Selbst-L. u Egoismus 550. — als Freundes-L. 535f. u Freundes-L. 547ff. — — stärker als F.-L. 82 277

— — — — —

ff.

äuß E . 87f 542. L u 103 172 179f. Weichwerden 102f. Weitwerden 188/190

553.

— — zerstörende lOlf 54 3. — als Zuneigung 67ff 447. — Freundes-Li s. Freund. Lust, u Freude 137—214 — — — — —

5 6 1 — 5 6 8 .

Arten d L. 160ff 569f. Bgr 139 561f. als Bewg 138ff 143 562f. Definition 138 561f. „Ergebnisgefühl" 139 508.

Funktion d E r k 164 171 189 562. u gst E r k , s. Freude, u-soh v Freude, 8. Freude. Geschlechts- u Erb-Sü 205. — Bedeutg b F r e u d 466. — u Vn-gebrauch 201/205 578.

— sittl W e r t 205 580. gst, s. Freude, -güter 557. u Jugend 184. als L d f t 6 137ff 148 562. arteigene L d f t 27ff. H a u p t - L d f t 57ff 444. L d f t d bg Strv.s 18 499. u T r Ende all L d f t . n 48 58. d M h teil a d L . d E n g e l u d Tiere 149. — u L . d Tiere 145 155 221. a N-gemäßen 139 158f 165 169 446 568 580. nh, n-nh L . 145 339. — Ggs: kl Schmerz 220. —- hauptsächl L . d Tastsinns 156f 221 567. n-nh, s. Freude, physiolog 576. piaton Lehre 139 210 563 572.

als Primärqualität 445. als R u h e 29 275f 454. wie nl R . i d K ö r p . n 161f 204. R . d Willens 213. sl 149—157 563 564ff. — bgehrteste L . 153 566. — u Ekel 193. — stärkst empfundene L . 153. — u Erb-Sü 569. — u sl E r k 151f. — geringer als gst 150f 564f.

— — — — — —

Ggs z gst L . 569. L d f t i eigtl Sinn 148. z L ntw 203 579. L . d L e i b e s u d S 124. u bg L i 157. R a n g o r d d sl L.e 154ff

567f.

— Teilcharakter 563 569.

— — besond Heilmittel d T r 153 285 566. als Vermögen 563. behind V n 196f 577f. — — i dauernd Wechsel 167 192 563 577. sittl W e r t d sl L . 204 214 581. — sittl W e r t d L . 201—214 579

ff.

gst L . Maßstab d Sittl 213 581. höchster d L . a höchstem Gut 209ff 580f. — — entspr Gutheit d Ggst.s 206ff. entspr sittl W . d T 204 579f.

b T h o m u K a n t 581. — — i Einklg m V n u gttl Gesetz 204 297 579. — — u sittl Ziel 198 580. — Str n L . allen nl 184 207/ 208. — — stärker als Flucht v T r 236f. — d Tiere 156 202/206 221. — u T r , Ggs 162 222ff 583. — Heilmittel d T r 274ff. — T r U r d L . 172ff 222/223. — u T g 202/206 212 571 580. — u-nl 158ff 568. — U r d L . 163—187 352f 57 O f f .

Ähnlichk 181ff 455 574. Einung 52 152 171. Erinnerg 171 451. — — Forschg 184ff 575. Gewohnht 166/169 571. H o 170ff 451 573. L i 103 172 179f 224 573. Sns 172 185. sie selbst U r 455. Stimmg 491f. T 140 163ff 570f. T anderer 175ff 574. — — T a festem Gehaben 175/177 451 570f. T . n d S 150f. Überlegenheit 179f 181/ 183 574. — — Verwunderg 166f 572. Vergeltg 421.

647

Wkg.s-Vh i L u Tr 277 / 454f.

2 7 9

- u — — — — —

Wohl-T 178ff. V n 195ff 577/. vk 169. empfundene Vk 139. Vk d T, s. Wkg. Wirklichk d Vk 143. W k g 188—200 575ff. Kräftigg 229. Vollendg d T 198ff 443 578

Verlangen n sich selbst 576f.

Weitwerden 188ff 576. — u Zeit 141ff 564. M Macht, ml, Ggst d F u 336. Mangel, u Erleiden 9 533. — Größe d M.s 9 355. — U r d F u 355. — Kompensation kl u seel Mängel 590 615. — Ü e M. 249. — U r d Zornes 416 418 615. Manichäismus 579. Massenbildung, Ähnlichk, Gesetz d, 455. Melancholiker 586 603. Mensch, sich äußerndes Wsn 454.

— Empfindlichk, ml Qualität 440.

— zw Engel u Tier 149. — Erklärg d M. v „ o b e n " 450 501.

— Erziehg d M. ü Tiefenpsych 518

521

558t.

F r u Bindg 450 469f. F r i d Li z G 535. Gefühls-M. 489f. i hauptsächl Gst 116 159 552

Geltgs-Str i M. 413 461 561. Genuß-M. 560. Glück, Ziel d M. 210 548. Freude a G, höchstes Gut d M. 211. — findet s selbst ü G.s-Li — — — —

547

ff.

— analog Seinseinht m G 548f.

648

d

M .

449f

500ff.

— leibl-gst Ganzheit 39 436 510—529.

v G angesprochen 513. Harmonie 511 518ff

580.

191ff

— — — —

— Gut d M. gründet i d Vn 39 201. — Bindg a Individualität, s. I., psycholog. — Innen-L ml entzieht s d Beurteilg 456. — Instinkt u I.-entbundenht

522f.

Spanng 516f 524ff 551f. — Macht ml, Ggst d F u 336. — N d M. 159 394. —• stets als Person angesprochen 534. — Personsein d M. : eth, metaphys, psycholog 468ff. — vollendet i d sittl Person 470.

— Schichten d M.-seins 505

532

500ff

511

— u Tier 221 395

449f

452

436f 468

599.

— -typen 602f. — Willens- 489f. — Zorn menschlichste L d f t 394f 613. — ausgeglichene kl Zus-setzg d M 395. Minderwertigkeitsgefühle, Kompensation d 590. Minne, Bgr 69 447. •— s. Liebe. Mitleid, Definition 453. — als komplexes Gefühl 445. — gelenktes, u-g. 38 40. — artmäßig gute L d f t 42. — Art d Tr 246. — Heilmittel d Tr 280f. — i Zorn u H a ß 397/399. Möglichkeit, log u reale 308 456. Moraltheologie, Ldft.s-Lehre i d M. 436 472 618. — primär Tg-Lehre 510. Müdigkeit 275. Mutter, Li d, 484 547 607. N Nahrungstrieb u Lu-Werte 557 567.

Natur-Ding, Ho u Sns d N-d.e 329 458. — — vgl m Kunstwerk 307 456.

— zielt a Endliches u Gesichertes 134. 458. — u E r k 446 haft, Begr 393 567. — — vgl: Bwg, Li, Strv. — Kunst G.s 456. — u Li, s. Li. — u Lu, s. Lu. ord u Sitten-Ord 204 470. u S.-Ord i d Ldft 42f. — Schmerzempfinden gehört zu Gutht d N 289 455. Ü, Ggst d F u 337ff. nh u n-nh Ur 338. — u Über-N 591. — -Verwandtschaft, Bedeutg b Thom 446. — Ziel d M.: d gst Gut 553. Neid, artmäßig schlechte Ldft 43. — u Eifersucht 98 445. — Art d T r 246. Neurose, s. Psycho-n. Nutzen u Tastsinn 156. O Opfer u Li 551 f. Organ, O.-gefühl 523. — d sl Strv.s 482. —• -veränderg „ g s t " u nl 10 438f.

P Pastoral-Psychologie 521. Person, Ggst d Freundes-Li 535

544f.

— -Schicht 437. — -sein: metaphys, psycholog, ethisch 468ff. — Träger d Umweltsbegegng 473/. Pflanze, L.s-Bwg d 505. — nh Li z G 550. Pflicht u Neigung 520 581. Phantasie-L, Reinht i d geord Ldft 521. Pbolosophie d S 465. — u Psychologie 467 472f. 42

10

— Staunen Anfang d Ph. 331/ 336. Physiologie, thom 439. Plato, Lu-Lehre 139 210 563. — Auffassg d Sittl 519. Primärqualitäten 445f. Psychoanalyse 559. Psychologie, Aufgabe 465 467. — u Ethik 470ff. •— experimentelle, Gebiet d 469

496.

— Individual-P. 466 484 602. — moderne u thom 467. Überblick 4650. — nl u ü-nl 591. — Pastoral-P. 521. — u Phil 467 472f. — Tiefen-P. 484 507 518 521 558f.

Psychoneurose 518

443 454

472

608.

Psychotherapie 518 559. Pubertät, Erwachen bst.er Triebrichtg.n 493. R R a t , Annahmebereitschaft i d F u 361ff. — Fähigk z R . d Ldft behind 363. Reue, Art d T r 229/233 265/ 266. — als Nutzgut 294. Ruhe d Frühere i d Absicht 47. — -arten 161f. — ntw z Beschauung 264. — nl u gewaltsame 162. — s. Lu, Tr. S Schaden, Zufügung a dreifache Weise 412. Scham, zwei Arten 332 459. — Art d F u 332. — v d Sü 341/343. — kl Wkg 358/361. Schamhaftigkeit, artmäßig gute Ldft 43. Schlaf, Heilmittel d T r 284ff. — sittl Wert 205. Schmerz, Allgemeines s. Tr. — = kl Sch. 221 444. 649

— — — — — — —

Abwehr d N 360. Bgr 216 582. stört gst Arbeit 261ff. v-bund m Freude 242. als L d f t 216/218 483 582f. Ggs: n h Lu 220f. beansprucht a meisten S p a n n k r a f t d S 263. — u Tr 219ff 240ff 483. — geringer als Tr 241f. — n größtes Ü d M 295ff. ¡Schöne, d, Bzg z E r k 76. — u d Gute 76. Schöpfung, bwg v H l Geist 458.

— H o u Sns d Sch. 458. Schrecken, A r t d F u 332 605. — u Staunen 333. Schwermut, W k g d Li 103. — als Stimmg 491]. — W k g d Tr 265ff 281 585. — Veranlagg z Sch. 586. Schwermütige str n Lu 184 586. Schuld s. Strafe. Seele, stärker bwg v Gut als v Ü 113. — Dreigliederg i d mod Psychol 436f. — Entwicklgs-Mglk d, 6. — Erleiden i d, 5f 497ff. — -fähigk.n, eine Wsn.heit 262f. — -nführg u Tiefenpsych 521 558j.

--- Individualität d,s.I.,psych. K r a n k h t . n d 454 47lf 518 559.

--- n-L, verschied Auffassg.n v d,

465ff.

— — Schwkg.n d, 600. — — Gespräch m Umwelt 473.

— bwg d Leib 367 481. d Lb i nh Bewg 272. — u Lb, ggseit Einwirkg.sMglk.n 481 ff. — F o r m d Lb.s 468f 480. — U r leibl K r a n k h t 27 lf 483. Lb-Vh i d L d f t , s. L d f t : leibl-seel V. — s. Leib u Gst. — Träger d L d f t 3ff 478ff. — — d Personseins 468].

650

— Spannkraft d S begrenzt 495.

— — nur eine 263. — — nur einseitig beanspruchbar 197 263. — Spannung d S. gelöst d Tränen 278. — H a u p t - U r d äuß T 367. —- -T.n, Art- u Gattgs-u-sch 17. Ur d Lu 151. — — vervollk d Tätigen selbst 150. — Wärme, Bwg.swerkzg d S. 365. — -Wsn, Begr 443. — — Erleiden d, u-sch v kl 438f.

— — L d f t .n allen gemein 31/ 33. V k d S . u V k d N-dinge 139. Sehnsucht, Allgemeines s. Begierde. — gst Begierde 123/125 557f 560.

— u Lu 144/146 185f 190ff. — n-nh Begierde 146. u-sch v n-nh 131f 560. Unendlichk d S. 134f 560.

— d Schöpfg 458. Sein u Erkannt-S.497. — geschöpft, a a n d angewiesen 538. Mehrsinnigk d 497 537. Teilhabe a gttl S. 548f. Ziel d 537. Seiende, d, eins m d Guten u Wahren 118. — Nicht- als gedankl S. 249 453.

— selbständ u u-selbst n gleichztg llOf. — als Ü 106/108. Selbstbehauptung u ü-w Strv 498f.

Selbstbestimmung fr, begrenzt d d Leibi 469 514 517f 523ff.

— Mglk d, 469 — Wsn.selement seins 468f.

527f.

d

Person-

— u Sitten-Ord 470. — Rückwkg d sittl Versagens a d, 471. Selbsterhaltungstrieb u F u 458 604f.

— i Widerstd gg Ggs 239. — u Hingebungstrb 440 489f. — stärker als Lu-Str 238. — = Selbst-Li 101. — i bg Strv 498. — d Willens-M 490. »Selbst-Li, s. Li. Selbstmord als Seheingut 115/ 116. Selbstüberwindung, N t w d, 517

527.

— u Selbst-Li 551f. Seraphim, Li d 101. Sexualisierung allg, als Degenerationserscheing 450. Sicherheit u Gewißheit 456. — u F u 371. — u H o 319 320 591. Sichtbare, f ü h r t z E r k d U-s. 453.

Sieg, U r d Lu 178/180. Sinn u d Allgemeine 121. — -fällige bekannter als d gst Erk.-bare 153. — K r a f t i leibl L.s-werkzg 124. — -esphysiologie, mod u t h o m 439.

— Rang-Ord d S.e 155 567. — u kl Schmerz 216/218 484. —- u Vn, s. Vn. Sitten-Ord, Vh z N-Ord 204 470.

— u N-Ord i d L d f t 42f. Sittliche, d, festgelegt d G 470. — Freude, Maß d S. 213f. — i d äuß Hdlg 33 39 42f. — individuelle Prägung d, 517

527.

520

580.

2 0 4

522f.

— Eig-tümlichk d M 31 470. — Vollendg d M 470. — Auffassg d, b Thom u K a n t — — — —

Ähnlichk z, b Tieren 44. beurteilt n Voraussetzg 289. Vorentscheidg sittl 512. gründet i Vn u Wille 32f 43

42*

hauptsächl i Willen 212 470.

— Zusicherg d 569f. — vgl L d f t , Lu, Tr, sittl Wert. Sokrates, Tg-Lehre 519 521. Sonne als allg U r 383. Spiritualismus f ü h r t z Triebverdrängg 443. Sprache, Verstummen d, i F u u Zorn 357/360 430ff. Staunen, Art d F u 332. — U r d Lu 184ff 575. — u Phil 185 331/333. Stimme, bester Ausdruck d Innern 247. — L ä h m u n g d, i Fu, Unlust, Zorn 247 357/360 430flf. Stimmung u L d f t 491f. — als ontolog Befindlichk 492. — s. L d f t . Stoff, Erleiden Eig-tümlk d St.s 3/6 478. — s. Form, vgl. Leib. Stoa, Ldft.slehre d 35f 435 442. als Gefahr 443 517. Stolz, R ü c k f ü h r g a Primärqualitäten 445. Strafe, Bgr 399. — -n, d, Ur d Lu 178/180. — n Selbstzweck 616. — u Zorn 399. Strafübel, Tr als, 296. — Vh d Willens z, 294. Srebebewegung, Bwg d Absicht 57 140. — erreicht d Dinge selbst 8f 79 304 437 481. — folgt d E r k 304 386f 497. — Vh z Ggs 238f 263 424. — Gewißht d, 305 597f. — Kreis-Bwg 66. — u N 328. - -

u

n h

B w g

5 7

6 3

530ff.

Analogie beider 250 252f 266. — als Suchen u Fliehen 28 227 372. — mehr Suchen 237. — doppelte Ur d, 253 533. — i doppelter Weise m Vn 391. Strebevermögen, bg, b e n a n n t n d Begierde 50/52.

651

— — — —

Ggst d, 18. Ldft n d, s. Ldft. — = Selbsterhaltungstrieb 498. Dreiteilg d, 63. u E r k , s. E r k . gst u sl v Stoa n u-sch 35 442.

s. Wille. — Ggst d, eigtl d Gut 57 76 115 236f. d Gut als Einht 256. — Leidensfähigk d, 7ff 481f. — Träger d Ldft 7—14 481f 484. —

nh,

B g r

63

530ff.

folgt E r k d Schöpfers 63 307 531. i M 531f. gründet i d Seinsform 65f

530f.

482

493.

vgl. Bwg, Begierde, Haß, Li, Lu nh. — Neigg d, aufgehoben d Ümacht 259. — sl u d Allgemeine 121. begrenzte Aufnahme mglk d, 493. folgt sl E r k 63 497 532. eigtl Träger d Ldft l l f f Aufgabe d, i M 482. u nh 509. Organ d, 11 482. gesteuert d Schätzgsvermögen 500ff. d Tiere 63 307 500ff. u Vn 33 40 63 133 392 502f

512.

u Wille, s. Wille. — ü-w, Ggst d, 18. Ldft.n d, s. Ldft. = Selbstbehauptgstrb 498.

— •— benannt n d Zorn 382/ 384. Sühne als Aufgabe d ml Gefühls-L.s 517 527. Sünde i Fleische 516. — Ggst d F u 340ff. — u Ldft 34/37 38/41 490. — Li z, 102 543. — gg d N 34.

652

— u Scham 341/343. — stoffl Seite d, 490. — Ur d, 341. Sünder, Gewohnheits-, seelleibl Heiig d, 490. — nl G.s-Li d, 550. — haßt d Wahrht 119 556. T Tätige, d, Vh z Erleidenden 5 28

65

475

477f.

Tätigkeit, Art- u Gattungs-usch d T.n 17 497. — u F u 331 367f 610. — u Ho 319 457. — j d aus Li 104. — u Lu, s. L u : Ur, Wkg. — ml 468. — n-gemäße, imbehinderte als zweite V k 140. — -n d S, s. S. — u T r 268f 585. — u Verzweifig 319/320. — Ziel, Ur i Bereich d T . 104 214 453. äuß, inneres u i. Zweit-Z d T . 580. — vgl. Handlung. Tapferkeit u Kühnheit 379f 440

611.

Tastsinn, Lu d, 156 567. — n-hafter als d and Sinne 221 439 561. — u kl Schmerz 241. Teufel, Verkehrg d, z Wider-N 34. Thomas, Eig-tiimlk s Ldft.slehre 443 467 617f. i Vh z Aug 443. i Vh z K a n t 474 520 580.

— M.en-Bild b T h 436 443. — Bgr d N.verwandtsch b T h 446.

— Bedeutg d Person b

Th

467f.

— u d Tiere 443. Tiefenpsychologie s. logie. Tier, Begierde b T.en — Geltungs-Str d T.e — Ho u Verzweiflg 306ff 598f.

Psycho131. 413 461. b T.en

— I n s t i n k t d, u I.-ent bunden ht

d

M

449f

500ff.

-überlegenht d, 501. vn-ähnlich 392 402. Lenkwerkzg d g t t l Vn 44 307 599. — Hervortreten besond L d f t . n b d T.en 396. — nh G.s-Li d, 550. - L u d T.e 156 221. — u M, Wsn.s-u-sch, s. M. — Merk- u Wirkwelt d, 449 500.

— Schmerz b T.en 360. — Ähnlichk z Sittl b T.en 44. — T d , vgl m ,,T"n d K u n s t werkes 307f 456. n h festgelegt 307 468 500.

— Beachtung d T.e b Thom 443.

— Zorn d T.e 391/392 402 410/413 614. — einseitige kl Zus.-setzg d, 396. Tod, Ggst d F u 338f 360f. Träger (Seins-) bst Gattg.su-sch 17 228. — d L d f t , s. L d f t . Tränen, Heilmittel d Tr 280ff 455.

Trauer u Schmerz

215—298

582—590.

— als Ablehng 223. — Arten d, 224ff 582. — d Buße U r d Freude 222/ 224. — u F u 47f 326. — als komplexes Gefühl 445. — Ggst d, 246 248ff 582. — gelenkte, u-g. 290ff 588. — als Gut = sittl Wert, s. u. — n Krankheit 218 276. — Heilmittel d, 274—286 587. kl Erholung 284ff 490 •

566. 587

Sicht d Glaubens 283

Lu 153 184 274ff 583. Mitleid 280f. Tränen 277ff 455. — u ewiges L 222/223 291.

— als L d f t 215ff 582). — o Freude E n d e all Ldft.n 15/18 48. — H a u p t - L d f t 57ff 444. — L d f t i eigtlichsten Sinne 217f. —• L d f t d bg Strv.s 18 499. —• u Li, s. Ur. — u Lu, Ggs 161/162 222ff 583.

— geheilt d Lu, s. Heilmittel. — Lu-Str stärker als Flucht v T r 235ff 5 8 3 f . — U r d L u 172ff 222/223. — Empfindg d, bezeugt Gutheit d N 289 455. — n n h 329. — patholog 586. — physiolog 360 485 583. — als R u h e 162 453. — u-sch v Schmerz, s. Tr seel, Schmerz. — seel, als Edelgut 291. —• —• folgt immer E r k 219. — — Ggs: Freude 220f 582. Ggst d, 241. u gst Arbeit 264f. u kl Schmerz 219ff 240ff 483 582t. — — größer als kl Sch. 241f. kl W k g d, 27Off. — sittl Wert d, 287—298, 588ff.

u Lenkg 290ff 588. Mglk d, 287ff. als Reue 294 588. — — i d inneren Verarbeitg — — — —

589f.

als nie Ur —

Straf-Ü 296 588. total 236 297 584. d, 248—260 584. Ansprechbark 586. Gewalt 257ff. Li 103 253 255f. Mängel 355. ggw Ü 248ff. Wkg-Vh i Tr u Lu 278f

454f.

— Vh z Willen 258f 290/292 400. — W k g d, 261—273 5 8 4 f f . bedrückende 265ff 585. Behinderg d Gst.s 261ff.

653

lähmende 266f 454 585. — —- schädlichste v all L d f t . n 270ff. — u Zorn 48 384. Trennung, lu-volle u schmerzbereitende 255/256. Trieb u n h Begierde 558f. — -e, Einteilg mod d, 440. — instinktentbundener d M 450.

— -e verschied d M 532. — -e d M als N-Str 531f. — -sublimierung, d Gst.ige als 443 466. — u Tiefenpsychol 558f. — -verdrängg 443 466. — -vergötzg 443 466. — -ziel 440. Trunkenheit, u Ho 316. — u K ü h n h t 374/377. — sittl Verantwtg i d, 527. — hindert Vn-gebr 197 578. — u Zorn 391/392. Tugend, eingegossene k Gewöhng 571. — — wirkt Verwandtseh m G 446. z Lenkg d L d f t . n 515. — -erwerb u Ü b u n g 571. — als Gehaben 323 571. — Ggst d, 202. — n i Kindern 202. — L d f t k T. 323 458. Begleiterin d T. 37 511 519

— — — — —

521.

u L u 212 580. Lu n n t w z T. 571. Verknüpfg d T.n 162 451. vn- u n.-gemäß 451458 571. u Wissen 455.

U Übel, Abkehr v, h d Gute z Ziel 51 113. — Begrenzg d schädigenden K r a f t 505f. — Beraubg d Guten 51 249 460.

— gemehrt d Dauer 349. — Empfindg d, zeugt v G u t h t d N 289 455. — Ggst d Flucht 22. d F u 334ff 606. 654

— als Gedankending 249 453. — Ggst d Hasses 106ff 553f. d K ü h n h t 373. — Schein- 106/108 118f 460. — als Schuld 296. — d S größer als leibl Ü. 298. — d Seiende als Ü. 106/108. — Straf-, Tr als 296f. u Wille 292. — k totales 236 584. — Ggst d Tr 248ff. — Tr n größtes Ü. 296ff. — W a h r h t als Ü. 118f. — außerhalb d Willens 115. — Ggst d Zornes 25 387. — s. Gut. Überlegenheit, U r d Lu 179f 574.

— Strb n, b M u Tier 413 461. Umwelt, leibl-seel U.s-kontakt d

M

443

473f.

Unendliche, d, i d Begierde 133ff 559f. — u Vn 136. — n wahrnehmbar 135. Unkeuschheit, behind Vn 578. Unlust, Art d Tr 247. Unrecht, Milderg d, 412. — vorbedachtes 412. — Ur d Zornes 402 409 412. Unsichtbare, E r k d, a d Sichtb 453.

Unwissenheit, mildert Unrecht 412. Ursache, allg 383. — ggseitige 200 489. — allg Wkg a vielen Ur.n — 383f. — Benenng d W k g n d Ur 305. — u Beständigk d Wkg 400. — E r k d Wkg a d Ur 453. Wkg-Vh i Lu u Tr 27 Sf 454f.

Urteil, getrübt d Ldft, s. V n : Behinderg. — sl 379. V Verachtung, s. Geringschätzg. Veränderung, Bgr 477f. — doppelter Ggs i d, 21f. — kl. Bgr 475.

i seel Erleiden 5f i

d

sl

E r k

1 0

479ff.

438f.

i d L d f t , s. L d f t : leibli si Str 10 482. behind Vn 197 428. — U r d L u 166ff 572. — u-nl, U r d Müdigk 275. — u Zeit 142. Verdienst, T r als, 291. V e r f ü h r u n g , Ggst d F u 341. — ä u ß U r d Sü 341. Vergeltung, Beweg-grd z, 409. — wirkt F r e u d e 181 421 615f. — u Gerechtigk 402. — Ziel d Zornes, s. Zorn. Verliebtheit = bg Li 545. 569. — u sl L u — behind V n 577. Vermögen, Differenzi erg d, 496f.

V e r n u n f t , A u f g a b e d, 78. — Behinderg d F u 363 609. d L d f t 363 50-3 524ff. d sl L u 196f 201/205 577f.

d kl Sehmerz 261ff 585. — —• d kl Veränderg als solche 197 428. d Zorn 392 427ff 616f. — d Besonderten u tier I n s t i n k t 449 501ff. — — u L d f t 133 öOlff. Vh z Vst 502}. — u E d e l g u t 291. — F ö r d e r g d gst L u 196. d R u h e 195. d maßvolle T r 262/264. — gttl, lenkt N - S t r 63 307 531.

— —• lenkt tier I n s t i n k t 44 307 599. — L e n k g d L d f t d Vn, s. L d f t : sittl Wille u Lenkg. — Grd d eig-tüml ml L d f t 31/ 33 131 145 511. — G u t d M 39 201. — u Sinne h gemeins Ggst.e 145 242 503. N a c h b a r n 452 502f. — bedarf d Sinne 197 428. — G r u n d d Sittl 32 201 204. — u sl Strv, s. Strv, sl.

— T d, erfordert U-brechg 205. — Z u r ü c k b e u g e n d, a eig T 224. — u Tg 451 458. — T g als Anlage d, 83. — u d U n e n d l 136. — Vgl.en: eigtl T d V. 186. — — Wollen wider V. = Selbsthaß 116. Verschwendung, wider N 178/ 180. — u Wohl-T 178/180. Verstand, u d Allg 121. — -eserk, s. E r k . — Vh z V n d Besonderten 502f.

— u Wille 469. Verzweiflung 599f. — A b k e h r v Gut 310 600. — u F u 55f 37 2f. — Ggs: H o 303 309ff 600. — i d Entstehgsfolge d L d f t . n 55f. — k H a u p t - L d f t 58/60. — L d f t d ü-w Strv.s 29 506 — n n h 329. — schädlich 272. — u Sns 311 600. — u T 319/320. — b Tieren 307f. Vollkommene, d, Maß d, 9. Vollkommenheit, Lu, empf u n d e n e V k 139. V. d T 198fF 578 580. Wirklichk d V k 143. Vorentscheidung, sittl 512. W W ä r m e , K ö r p e r - u L d f t 359f 376f 424. — — Fehlen d, wirkt Schwäche 365. — — Bwg.s-werkzg d S 365. W a h r h e i t , u F a l s c h h t i Gst Sf. — Ggst d Hasses 117ff 556. — v N Ggst d Li 117/119. — E r k d, u Neid 94f. — Schau d, Heilmittel d T r 282f. Weisheit, Verkehr m, d Beschauung 231.

655

— Weg z, mühevoll 263. Wille, Akte d, n Voraussetzg willentl 289. — f r gg G 535. — F r d, 8. Selbst-bst fr. — u F u 341 344 606. — G.s u Zulassimg G.s 292. — erfüllt d unendl Gut 469 534.

— o L d f t , s. L d f t , sittl Wille u Lenkg. — Träger d L d f t i analog Sinne 12/14 66 494. — u Li, s. Li gst. — u Lu, s Freude gst. — L u Ziel d, 212 580. — -ns-M 489}. — -nsmetaph abendld, begrd d Aug 442. — u d Sittl 32f 212 470. — gst Strv, u-sch v übrig 63 532

534.

494

511.

— u sl Strv, Analogie beider — — gemeins Erfassen d Ggst.e 125 494 503. — — i Vh H a u p t -Ur u Werkzg 522}. 527. — — Leidensfähigk beider 13 493.

— — ggseit 494t

512

Überprüfen 524ff.

40

— U r d Sü 341. — U r d T 269. — Zurückbeugen d, a eig T 224. — u Teilgut 469 534. — u Tr 258f 291 400. — u Ü 115. — u Straf-Ü 292. —• u vorschreibende Vn 391. — u Vst 469. — Ziel d, 548. Wirkkräftige, d, Bgr 440}. — Vh z Erleidenden, s Erleid: Vh z. T. Wirklichkeit d Vk u U v k 143. Wissen, d, schmerzbereitend 282/283. — u Tg 455. Wissenschaft , Vh v E r k u Li i d, 77/78.

656

Wohltätigkeit, U r d L u 178ff. W u t , Art d Zornes 404f 614. Z Zeit, u Bwg 143. — erforderlich a zweifache Weise 142. — Gleichztgk, gedankl u sachl 110 449. — u Lu 141ff 564. — Zahl d Nacheinander 142. — m e h r t Ü 349. — mildert Zorn 423/425. Ziel, d Frühere i d Absicht 51 111. — Begehren d, unendl 135 560.

d Beste i j d Ding 211. bst Art d Bwg 479. doppelt 211. d Geschöpf! 537. = Gut 51 104 537. u Hindernis 46/49 505}. Lu als Z. 213 580. d M 211 548. d N : d gst Gut 552. -Str, drei Stadien d, 51. inneres, Gewißht d, 598. — u T 104 214. — äuß, inneres u i Zweit-Z. d T 580. — d ml T v M bst 453 468. — — U r d L d f t 252f 537}. — = Vollendg 199. Zivilisation, zersetzende W k g d, 540. Zorn 382—432 611—618. — Arten d, 404ff 614. — u Begierde 393ff 427/429 — — — — — — — — — —

— — — — —

617.

schwer beherrschbar 617. Besänftigg d, 418 615. Christi 460. Definition 460. geht a Einzelnes 121f 401/ 403. — o Ggs 24f 385 507. — Ggst d, 385ff 407ff 612 614}.

— u Gerechtigk 398f 401ff 411f 613 616. — Glut d, 423ff. — G.s 407/409.

Grade d, 406. Grenze d, 399 613. u H a ß 397ff 460 613. Heftigkt d, 399 424 613. J ä h - 347 404/406. als Laster 370. arteigene L d f t 382ff. letzte i d Entstehgsfolge d L d f t . n 55f. k H a u p t - L d f t 60. L d f t d ü-w Strv.s 38Sf. W k g vieler L d f t . n 383f 612.

menschlichste

L d f t 393ff

613.

u Mitleid 397/398. Offenht d, 427/429 617. ohnmächtiger 507 615f. physiolog 395 423ff '486 4 8 8

616.

Plötzlichk d, 395 613. gg s selbst 401/403.

— benennt d ü-w Strv 382/ 384. — b Tieren 391/392 402 410/ 413 614. — u Tr 48 384. — u Trunkenht 391/392. — Ur d, 407—419 614f. Geringschätzg 41 Off 6 1 5 .

subjektive 414ff 615. Unrecht 408 412. — Veranlagg z, 395. — Vererbg d, 395. — als Vergeltg.s-Str 48 384 387 5 0 7 — u Vn 390ff 427ff 612 616. — vn-loser 402 614. — schnell verraucht 426 613. — W k g d, 420—432 615ff. — u Zerstören 425 488. Zukunft, u J u g e n d 315 602. Zuneigung 67ff 447.

657

A L P H A B E T I S C H E S A U T O R E N VE R Z E I C H N I S Adler A. 466 484 559 590. Albert der Große, I n Sent I I I 26,1: 58. Passim: 439 44 lf 445. Alexander v. Haies 445. Allers R . 559. Allport G. W . 466. Ambrosius: I n Lk Prol. 31. H y m n u s 2: 285. André H . 443 453 478 544. Apulejus 436. Aristón 444. Aristoteles: Categor. c.9: 160 — 13: 109. De Ali. 1,1: 11 423 — 1,3: 4 6 — 1,5: 5 — 2,1: 140 — 2,4: 50 140 365— 2,5: 138/140 — 3,3: 203 — 3,4: 6 — 3,7: 143 — 3,9: 124 282 — 3,10: 66 103. De Coelo 2,3: 293 — 2,5: 312. De Gen. et Corr. 1,3: 5. De Mot. Animal, c.10: 286. De P a r t . Animal. 3,4: 376. De R e publica s. Pol. E t h . E u d . 7,12: 88. E t h . Nicom. 1,1: 21 76 118 155/157 207 — 1,4: 211 348 — 1,5: 206 — 1,9: 155 212 — 1,13: 33 — 2,1: 311 — 2,2: 175 202 235 274 — 2,4: 15 32f 56 58 321/323 — 2,5: 247 — 2,7: 21 42 — 3,1: 289 — 3,4: 103 — 3,5: 310 337 362f — 3,6: 202 — 3,9: 337 — 3,10: 371f 379 — 3,11: 312 315 345 375 411 — 3,13: 131f 155f 221 239 — 4,3: 178 — 4,5: 395 — 4,8: 429 — 4,11: 24 46 406 420 — 4,15: 42 288 358 361 — 5,6: 401 — 5,10: 103 401 412 — 5,15: 401 403 — 6,2: 227 324 335 — 6,5: 195f — 7,5: 270 — 7,6: 131 150 158 — 7,7: 150 386 391f 393 395 420 427 — 7,12: 158 202

658

213 264 287 — 7,13: 138/ 140 164 166 178 185 198 206 230 — 7,14: 167 262 — 7,15: 148 182/184 225 268 275 421 — 8 , 2 : 7 1 80/ 82 — 8 , 3 : 5 0 71 84 — 8,5: 50 84 — 8,6: 426 — 8,7: 65 68 70 — 8,12: 295 — 9,4: 88 93 202 222 275 280 340 — 9,5: 78 — 9,9: 88 280 — 9,11: 281 — 9,12: 67 — 10,1: 202 — 10,2: 210 225 231 255/257 — 10,3: 140 142 — 10,4: 138/140 148f 178 187 198f 231 268 — 10,5: 161 164 197 199 213 230 268 293 — 10,6: 202 — 10,7: 150 185. Metaph. 1,1: 117 155 — 1,2: 185 331 — 2,1: 7 — 2,2: 133 — 5,5: 158 — 5,12: 308 — 6,4: 8f 120 306 — 7,12: 228 245 — 8,2: 228 245 — 9,9: 120 — 10,1: 212f — 10,3: 228 — 10,4: 7 161 223 226 251 — 10,5: 161 309 — 10,8: 26 — 10,12: 370 — 12,2: 5 — 12,9: 230. Meteor. 1,12: 235. Periherm. o . l : 52 — 13: 308. Poet, c.4: 186. Phvs. 2,1: 158 393 — 2,3: 200 — 2.5: 130 — 2,6: 130 — 3,3: 4 21 138 — 3,6: 136 — 4,14: 212 — 5,3: 20 — 5,5: 20f — 5,6: 161f — 7,3: 138 195 — 8,1: 174 — 8,3: 166 — 8,4: 46/49 — 8,8: 161. Pol. 1,2: 247 — 1,9: 134f 399 — 2,2: 165 — 2,4: 67 89 — 2,5: 178f — 2,7: 399 — 5,10: 80. Praedicamenta s. Categor. R h e t . 1,11: 124 126 131f 138 141 147 155 158 163f 167 178 181 185f 252 — 2.2: 383f 386 389 402 408 411 413f 417 427 — 2.3:

26 393 403 412 415 417 421 423 — 2,4: 71 74 80 93 117 120/122 236 397 399ff 403 408 — 2,5: 21 325f 328 330 334 336ff 339 341 345 348f 351 354f 362f 370 372 374ff 378f — 2,9: 244 415 — 2,10: 80 — 2,11 : 244 — 2,12: 315 — 2,13: 311 314. T o p . 1,15: 231 — 2,3: 71 — 2,7: 16 62 — 3,2: 293 — 6,6: 4. P a s s i m : 53 151 435 438f 441f 443 445 451f 455 475 511 519ff 525 544 558 561f 564 567 572 577 594 604 613 619ff. Ps.-Aristoteles, P r o b l e m a t a sect. 3: 392 — 27: 359f 366 374 377 — 28: 391. Arnim 435 444 453 459f. Aspasios 437. Augustinus: Confess. 2,6: 346 369 386 — 3,2: 222 — 4,5: 222 — 4,6: 88 — 4,7: 275 277f — 4,8: 277 — 4,9: 280 — 4,11: 168 192 — 4,14: 80 — 8,3: 167 174 — 8.4: 280 — 9,12: 285 — 10,23: 119. De Civ. Dei 9,4: 8 3 4 f — 9,5: 14 35 38 42 — 14,2: 207 — 14,3: 57/59 300 — 14,5: 34 138 322 — 14,6: 148 222 290 296 — 14,7: 32 50 57/59 62 68f 84 109f 218f 249 300 317 322 384 — 14,8: 207 210 216 218 — 14,9: 34f 84 109f 249 317 3 8 4 — 14,15:290 296. P a s s i m : 151 174. D e Genesi a d L i t t . 8,14: 216 289 — 9,14: 3 0 6 — 12,33: 290. D e libero Arbitrio 3,23: 256. D e Moribus Manich. 2,3: 298. D e N a t u r a Boni c.20: 216 258f. De Poenitentia c.13: 222. D e T r i n i t a t e 8,3: 75 — 8,10:

65 88 — 10,1: 77f 84 — 10,2: 77f — 10,12: 52 113 237 425 — 12,3: 229 — 12,4: 229 — 14,14: 151. D e v e r a Religione c.12: 216 296. E n a r r . in P s 7,10: 213 — 86,10: 218. Enchiridion c.12: 298 — 24: 252. E p . (118) a d Dioscorum 35. E p . (211) a d Monachos 388 397. I n J o t r . 10: 9 9 — 1 5 : 191 — 2 4 : 185. Lib. de octo QQ. Dulcitii q. 1: 248/251. Lib. o c t o g m t a t r i u m QQ. q. 31: 369 — 33: 126/129 253 324 334 336 344 352 — 34: 369 — 35: 77 98 — 36: 112 235/238. R e g u l a s. E p . (211) a d Monaohos. Soliloquia 1,12: 262 283 296 298. Super Can. J o a n n i s t r . 9: 340 351. P a s s i m : 435f 44lf 444 544 552 565 572f. A v i c e n n a : D e An. 2,3: 20f — 4,5: 144 — 4,6: 56 384. D e STaturalibus 1,6: 20f 56. B a e u m k e r 438 441 465. Ball H . 518. B a r b a d o M. 439. Benz E . 442. B e r n h a r d v. Clairvaux 544. B e r n h a r t J . 443 475. B e ß m e r J . 585. Bickel H . 486 576. Bierens de H a a n J . A. 532. Boethius, D e Consolai. Philos. 1,7: 58 — 2,5: 115. P a s s i m : 441. Bollnow O. F r . 492. B o n a v e n t u r a , I n Sent. I 10,1: 70 — I I I 26,2: 58. P a s s i m : 441 444f 593. B r e n t a n o F r . 492. Brunschvicg L . 451. Brevier S.O.P. 283.

659

Bühler Ch. 493. B u m k e O. 482. Busemann A. 440. B u y t e n d i j k F . J . J . 443 486 582f. Cajetan 508f 546 567. Cannon 486. Caruso Igor 472. Cassierer H . 438. Celsus 298. Christmann H . M., OP (10). Chrysipp 436 442 444. Chrysostomus, I n R o m hom. 22: 408. Cicero: De Finibus 2,3: 207 210 — 3,10: 58 — 3,12f: 35. De Tuscul. Quaest. 3,4: 35 38 — 3,10: 36 — 3,11: 103 — 3,27: 279 — 3,30: 346 — 4,4: 340 — 4,6: 59 340 390 — 4,7: 383 — 4,8: 358 362 365 — 4,9: 383 388 404/406 — 4,21: 137. Passim: 8 436 442 444 460 525. Claudel P . 453. Corvez M., O P 529. Denzinger 580. Descartes 465 489 517 593. Diogenes Laertius, De Vita et Mor. Phil. 7,110: 1 3 7 — 1 1 1 : 244 — 112: 330 — 144: 404. Dionysius (Ps.-D. Areopagita): De Coel. Hier, c.7: 101 — 15: 149. D e D i v . Nom. c.2: 11/13 — 4: 32 50 62 64f 67ff 70 74 77 87 94f 97 101 104 112 115 201 236 247 327 383. Passim: 31 448. Dobler E . 441. Domanski B. 441. Duns Skotus 593. Endres J . , CssR 535 551. E p i k u r 435f. Ferrara F r . S. v., OP 509. Fisehel W . 449. Frankl V. E . 472 559.

660

Freud S. 440 443 466 483f 558. Fröbes J., S J 484. Galenus 439. Gauthier R.-A. 592. Gebsattel V. v. 521. Gehlen A. 449f 466 501 601. Geiger L. B., O P 547. Gellius 442. Gillon L. B. 547. Gilson E . 547. Glossa: interl. 86 317. — ord. 16/19 99. Glosse zu Schriftstellen: Mt 1,2: 317 — 13,33: 16/19. J o 2,17: 99. Gal 4,18: 86. Goldbrunner J . 471 518 521 528. Gorgias 435. Graf Th., OSB 515 529. Gregor der Große: in Ez. lib. 2 hom. 10: 265. Lib. Mor. 4,36: 174 — 5,45: 424 428 431f — 21,5: 405. Gregor v. Nyssa 145 231 244f 266 287 289 331 385 389 405 441 453. Grimm Gebr. 447 474. Grossart 486. Hediger H . 461. Heidegger M. (8) (12) 458 492 605. Hengstenberg H . E . 512. Hennings-Ball E . 518. H e ß W . R . 486. Hieronymus: E p . (123) a d Agernchiam 202. I n Mt lib. 2: 16/19 (Gl). Passim: 444. Hinske N. (8) ff. H o f m a n n 436. Homer, Ilias 18: 421. Horaz 444. H u b e r A. 525 617. Hufnagel A. 468. Hugo v. St. Viktor, I n Hier. Coel. S. Dionysii 6: 100. Innozenz X I . , P a p s t 580. Isidor v. Sevilla:

Differ. 1,329: 146. E t y m . 8,2: 70 — 10,1: 146. Jaspers 437. Johannes v. Damaskus, De Fide Orth. 2,4: 34 — 2,12: 59 124 127 170 249 252 266 306 322 325 335 — 2,13: 145 2,14: 244 — 2,15: 325 330 — 2,16: 11 383 388 4 0 4 f 4 1 0 423 425 — 2,22: 12f 34 65 137 184 — 3,23: 36 321 323 325 327 358. Passim: 438 441 445 453 459f. Johannes de la Rochelle 445. J u n g C. G. 471 484 524 559. J u n g m a n n J . 503 524. K a n t I . 520 536 546 581. Keilhacker M. 605. Kierkegaard S. 446f 605. Klages L. 475 486 492 522. Kleist 436. Köhler W . 449. K o p p P. 587. Kretschmer F . 521 616. Künkel F r . 472 559. Laubenthal 436 439. L e h m a n n 483. Lersch P h . 436 443 466f 473 484 486ff 492 496 540 546 554 560f 587 590 593 605. Lindworsky J „ S J 449 465. Lottin O., OSB 521. Löwenfeldt L. 608f. Marius Victorinus 442. Mausbach J . 519f. Maximus Confessor 457. McDougall 445 452 454f 465f. Meier M. 438 441 465 562 564 572f 590. Moonen C. H., CssR 468 471. Morgott F r . 570. Miincker Th. 608 610. Nemesius, De N a t . Horn, c.6: 35 — 16: 12 124 137 — 17: 58f 249 — 18: 145 231 — 19: 244/246 266 287 — 20: 330f — 21: 385 389 404 423.

Passim: 438 441 444f 453 459f. Niessen B. 541 603. Nietzsche F r . (7) (13) 442f 522. Noble H.-D., O P 439 503 516. Notker 447. Origenes, I n N u m . hom. 6 : 202. Otfrid 447. Pascal B. 451 461 544. Pelster F r . 442. P e t r u s Lombardus 86 (Gl). Pfahler G. 500f 503 541 599 601 603. P f ö r t n e r St, OP (11) f. Philippe P., OP 537. Pieper J . 459 591 600 602. Plato: Phaedo 58. Philebus 139 210 255. Res publica 211. Symp. 89. Passim: 441 444 519 561 563f 572. Pleßner 443. Plotin, Ennead. 4: 423. Passim: 442. Pohlenz 435ff 444. P o r t m a n n A. 443 461. Poseidonios 444. Preyer W . 440. Proklus, Instit. theol. 12f: 256. P y r r h o n 435. Ramirez J . M„ OP 598. Remane A. 461. Richard Burgundio v. Pisa 441. Richard v. St. Viktor 544. Rohracher 437 454 466. Rothacker E . 437 466. Rousselot P., S J 547. Sallust, Catil. c.51: 37. Sauerbruch F . 582. Scheler M. 449f 509 521ff 535f 540 543ff. Schilder 488. Schiller F r . v. 459 520 525 527. Schmidt K . 585. Schopenhauer A. 442.

661

Seelhammer 596. Siebeck R . 483. Siewerth G. 437. Simonin H.-D. 447. Sokrates 444 519. Stelzenberger J . 511. Stern W . 508. Stobaeus, Eglogae 2,6: 58 244 330 404. Strasser St. 496 498 502 505ff. Suarez 593. Thomae 484. Tullius s. Cicero. Tournier P . 483. Trendelenburg 453. Uexküll J . v. 449 500. Varro 436.

Vegetius, De R e militari c . l : 313. Vergil, Aeneidos 216 444. de Vries -J., SJ 532. Waffelaert 593. Walde 436. Waither v. d. Vogelweide 447. Wandruszka M. 605 616. W a s m u t h 451. Watson 466. Weizsäcker V. v. 483. Wenke H . 582. W i t t m a n n M. 499 521. W u n d t W . 465. Wust P . 456. Zeno 444. Ziermann B „ CssR 470 522. ZimaraC., SMB 59 lf 594f 597.

HEILIGE SCHRIFT Altes T e s t a m e n t : Gn 17,4ff: 457 — 21,12: 457. 2 Sm 2,26: 319. 3 K g 19,14: 99. Tob 5,12: 154. J o b 21,14: 119 — 35,6:407. P s 4,5: 401 — 7,10: 213 — 11(10),5: 74 — 11(10),6: 115f — 16(15),11: 210 — 31(30),10: 428 — 34(33),10: 335 — 37(36),1: 98 — 37 (36),4: 147 202 — 42(41),4: 173 — 55(54),13: 417 — 73 (72),3: 97 — 77(76),4: 170 — 84(83),3: 39f 125 — 106 (105),40: 407 — 119(118), 20: 1 2 4 — 119(118), 96: 188 — 119(118),103: 150. Spr 2,4f: 263 — 2,14: 207 288 — 13,10:80 8 2 — 13,12: 170 319 — 15,1:418 — 17,22: 270 — 25,20: 271 — 25,28: 430 — 27,4: 397/399. P r d 1,18: 282f — 7,3: 294 — 7,5: 293 — 12,12: 230. H l 2,5: 100 — 5,6: 100 — 8,6: 101. Wsh 6,21: 123 — 8,2: 61 /64 — 8,16: 195 230/233. Sir 11,29: 2 6 2 — 12,16: 399 —

662

13,19: 81 — 24,29: 1 9 3 f — 25,17: 240/242 — 30,25: 293 — 38,19: 271 — 51,10: 305. Is 26,9: 261 — 26,16: 261/264 — 28,9: 262 — 35,3: 366 — 59,2: 340 — 60,5: 189. Os 9,10: 102. Mal l,2f: 457. 2 Makk 3,1: 106. Neues T e s t a m e n t : Mt 1,2: 317 — 5,5: 222 291 — 5,22: 405 430 — 12,34: 431 — 13,33: 16 — 22,32:457 — 22,37: 553. Mk 8,12: 460 — 9,19: 460 — 12,13: 539 — 12,30: 513. L k 7,38: 512 — ll,39ff: 460 — 13,28: 457. J o 2,15: 460 — 2,17: 99 — 4,13: 134 191. Apg 3,13: 457. R o m 4,3: 457 — 4,9: 457 — 4,12: 457 — 4,13: 457 — 4,16: 457 — 4,18: 327 — 7,5: 4 34 — 7,18: 123 524 — 7,21: 528 — 7,22f: 516 — 8,5: 525 — 8,20ff: 458 — 8,22: 588 — 8,24: 306 — 8,

25: 303 — 9,2: 219 — 9,2f: 552 — 9,7: 457 — 9 , l l f f : 457 — 12,5: 549 — 12,12: 47 170 — 12,15: 225. 1 Kor 2,10: 92 — 2,15: 202 — 3,3: 97/99 — 3,16: 522 — 6,15: 522 — 6,19: 522 — 9,10: 319 — 10,12f: 524 — 12,12: 549 - - 13,6: 177 452. 2 Kor 2,7 : 265 — 4,16: 602 — 6,11: 188 — 7,9: 294 — 7,10: 229/233 — 7,11: 265 9 7 . 290. Gal 3,6: 457 — 3,7: 457 — 3,9: 457 — 4,16: 118 —

4,18: S6 — 5,10: 340 — 6,24: 517. E p h 2,19: 522 — 2,22: 549 — 5,1: 37 — 5,29: 115. Phil 1,7: 91 — 2,12: 367 460. Kol 3,21: 454. 2 Tim 2,15: 268. H b 4,12f: 456 — 6,19: 314 — 11,8: 457 — 11,13: 453 — 11,18: 457. J a k 1,2: 283 — 2,23: 457. 1 P t 1,12: 194. 1 J o 1,5: 456 — 4,16: 91. 2 J o V. 4: 175.

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INHALTSÜBERSICHT Mitarbeiter dieses Bandes Vorwort Einleitung Aufbau des Artikels Bandeinteilung des ganzen Werkes DIE MENSCHLICHEN

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4 5 7 14 15

LEIDENSCHAFTEN

22. Frage D e r T r ä g e r der L e i d e n s e h a f t e n der Seele S. 3—14 Art. 1 Gibt es in der Seele überhaupt Leidenschaft ? . . ,, 2 Liegt Leidensehaft mehr im Bezirk des Strebens oder dem des Wahrnehmens ? „ 3 Findet sich Leidenschaft mehr im sinnenhaften als im geistigen Strebe vermögen, das Wille genannt wird ?

3 7 11

23. Frage Die V e r s c h i e d e n h e i t der L e i d e n s c h a f t e n v o n e i n a n d e r S. 15—30 Art. 1 Sind die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens verschieden von denen des überwindenden? 15 2 Entspricht die Gegensätzlichkeit in den Leiden„ schaften des überwindenden Strebevermögens dem Gegensatz von Gut und Übel? 20 „ 3 Gibt es eine Leidenschaft ohne Gegensatz ? . . . 24 ,, 4 Gibt es innerhalb des gleichen Vermögens Leidenschaften, die der Art nach verschieden sind, ohne zugleich in Gegensatz zueinander zu stehen? . . . 26 Gut

24. Frage den L e i d e n s c h a f t e n der Seele S. 31—44 K a n n sich sittlich Gutes und Schlechtes in den Leidenschaften finden ? 31 Ist jede Leidenschaft sittlich schlecht? 34 Vermehrt oder vermindert jede Leidenschaft die Gutheit oder Schlechtheit einer Handlung ? . . . 37 I s t irgendeine Leidenschaft ihrer Wesensart nach gut oder schlecht? 41

und

Art. 1 ,, ,,

2 3

,,

4

Böse

in

25. Frage Die S t e l l u n g der L e i d e n s c h a f t e n zueinander S. 45—60 A r t . 1 Sind die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens früher als die des begehrenden oder umgekehrt ?

664

45

Art. 2 „

3



4

Ist die Liebe die erste der Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens ? Ist die Hoffnung die erste unter den Leidenschaften des überwindenden Vermögens ? . . . Sind Freude, Trauer, Hoffnung und Furcht die vier Hauptleidenschaften ?

Seite

50 5357

26. Frage D i e L e i d e n s c h a f t e n der S e e l e im b e s o n d e r e n , u n d z u n ä c h s t die L i e b e S. 61—73 Art. „ „ „

1 2 3 4

Ist die Liebe im begehrenden Vermögen ? . . . Ist Liebe eine Leidenschaft ? Ist Liebe dasselbe wie Zuneigung ? Wird die Liebe passend eingeteilt in Liebe der Freundschaft und Liebe des Begehrens ? . . . .

61 65 67 70

27. Frage D i e U r s a c h e der L i e b e S. 74—85 Art. „ ,, „

1 2 3 4

Art. 1 „ 2 ,, ,, .,

3 4 5

,,

6

Ist das Gute die einzige Ursache der Liebe ? . . Ist Erkenntnis Ursache der Liebe ? Ist Ähnlichkeit Ursache der Liebe ? Ist irgendeine andere von den Leidenschaften der Seele Ursache der Liebe ? 28. Frage D i e W i r k u n g e n der L i e b e S. 86—105 Ist Einimg eine Wirkung der Liebe ? Ist das wechselseitige Ineinander Wirkung der Liebe? Ist das Außer-sich-sein eine Wirkimg der Liebe? Ist der Eifer Wirkimg der Liebe ? Ist Liebe eine den Liebenden versehrende Leidenschaft? Ist die Liebe Ursache alles dessen, was der Liebende tut?

74 77 79 84

86 90 94 97 100 103

29. Frage Der Haß S. 106—122 Art. ,, „ „ ,, ,,

1 2 3 4 5 6

Ist das Übel Ursache und Gegenstand des Hasses ? Wird der Haß von der Liebe verursacht ? . . . . Ist der Haß stärker als die Liebe ? Kann man sich selbst hassen ? Kann man die Wahrheit hassen ? Kann etwas gehaßt werden ganz im allgemeinen ?

106 109 112 115 117 120

665

Art. 1 „ ,,

2 3

,,

4

Art. „ ,, ,, ,,

1 2 3 4 5

,,

6

,, ,,

7 8

Art. 1 „ 2 „ 3 ,, ,, ,, ,,

4 5 6 7 8

Art. 1 „ 2 ,, ,,

3 4

30. Frage Die Begierde S. 123—136 Gibt es Begierde nur im sinnenhaften Strebe vermögen? Ist die Begierde eine besondere Leidenschaft? Gibt es einige naturhafte und einige nichtnaturhafte Begierden? Ist die Begierde unendlich? 31. Frage Die L u s t an und für sich S. 137—162 Gehört die Lust zu den Leidenschaften ? . . . . Braucht die Lust Zeit ? Ist die Lust verschieden von Freude ? Gibt es Lust im geistigen Strebevermögen? . . . Sind die leiblichen und sinnenhaften Lusterlebnisse größer als die geistigen und übersinnlichen ? Ist die Lust des Tastsinnes größer als die der anderen Sinne ? Gibt es eine unnatürliche Lust ? K a n n die eine Lust der anderen entgegen sein? 32. Frage Die U r s a c h e der L u s t S. 163—187 Ist Tätigkeit die eigentliche Ursache der Lust? I s t Bewegung Ursache der Lust ? Sind Hoffnung und Erinnerung Ursache der Lust? Ist Traurigkeit Ursache der Lust ? Ist das Tun anderer uns Ursache zur Lust ? . . . Ist Wohltun am anderen Ursache der Lust ?. . . Ist Ähnlichkeit Ursache von Lust ? Ist Verwunderung Ursache der Lust ? 33. Frage Die W i r k u n g e n der L u s t S. 188—200 Ist Weitung Wirkung der Lust ? Verursacht die Lust Durst oder Sehnsucht nach sich selbst? Behindert Lust den Gebrauch der Vernunft ? . . Vervollkommnet Lust die Tätgikeit ?

34. Frage Die G u t h e i t und S c h l e c h t h e i t der L u s t S. 201—214 Art. 1 Ist jede Lust schlecht? „ 2 Ist jede Lust gut?

666

123 126 130 133

137 141 144 147 149 154 158 160

163 166 170 172 175 178 181 184

188 191 195 198

201 206

Art. 3 „ 4

Ist irgendeine Lust das Beste? Ist die Lust Maß oder Richtschnur, wonach Gut oder Schlecht im Sittlichen beurteilt wird ? . . .

Art. „ „ ,, ,,

1 2 3 4 5

,,

6

,. ,,

7 8

35. Frage S c h m e r z oder T r a u e r in s i c h S. 215—247 Ist der Schmerz eine Leidenschaft der Seele? . . Ist Trauer dasselbe wie Schmerz ? Ist Trauer oder Schmerz das Gegenteil von Lust ? Ist jede Trauer jeder Lust entgegengesetzt ? . . Gibt es eine Trauer, die zur Lust der Beschauung in Gegensatz steht ? Muß man mehr die Trauer fliehen als die Lust suchen? Ist der äußere Schmerz größer als der innere? Gibt es nur vier Arten der Trauer?

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212

215 219 222 225 229 235 240 244

36. Frage D i e U r s a c h e der T r a u e r oder des S c h m e r z e s S. 248—260 Art. 1 Ist ein verlorenes Gut Ursache des Schmerzes oder mehr ein eingetroffenes Übel ? ,, 2 Ist die Begierlichkeit Ursache des Schmerzes ? . . ,, 3 Ist das Streben nach Einheit Ursache des Schmerzes? ,, 4 Ist Gewalt, der man nicht widerstehen kann, Ursache des Schmerzes ?

248 251 255 257

37. Frage Die

Wirkungen

Art. 1 ,, 2 ,, ,,

3 4

des

S c h m e r z e s oder der T r a u e r S. 261—273 Nimmt der Schmerz das Lern vermögen ? . . . . 261 Ist Schwermut eine Wirkimg der Trauer bzw. des Schmerzes ? 265 Lähmt Trauer oder Schmerz jede Tätigkeit? . . 268 Schadet die Trauer dem Leibe mehr als die anderen seelischen Leidenschaften ? 270 38. Frage

Die H e i l m i t t e l der T r a u e r oder des S c h m e r z e s S. 274—286 Art. 1 Werden Schmerz und Trauer durch jede Lust gemildert ? 274 ,, 2 Werden Schmerz und Trauer durch Weinen gemildert? 277 ,, 3 Werden Schmerz und Trauer gemildert durch das Mitleid der Freunde ? 280 „ 4 Werden durch die Schau der Wahrheit Schmerz und Trauer gemildert ? 282 667

Art. 5

Werden Schmerz und Trauer durch Schlaf und Bäder gemildert ?

Seite

284

39. Frage G u t h e i t u n d S c h l e c h t h e i t von T r a u e r und S c h m e r z S. 287—298 Art. 1 Ist jede Trauer schlecht? 287 „ 2 Kann die Trauer ein Edelgut sein ? 290 ,. 3 Kann die Trauer ein Nutzgut sein? 293 „ 4 Ist körperlicher Schmerz das größte Übel ? . . . 295 40. Frage des ü b e r w i n d e n d e n S t r e b e v e r mögens, z u n ä c h s t H o f f n u n g und V e r z w e i f l u n g S. 299—320 Art. 1 Ist Hoffnung dasselbe wie Sehnsucht oder Begierde? 299 ,, 2 Ist die Hoffnung in der Erkenntnis- oder in der Strebekraft? 303 ,, 3 Gibt es bei Tieren so etwas wie Hoffnung ? . . . 306 ,, 4 Ist der Hoffnung die Verzweiflung entgegengesetzt? 309 „ 5 Ist Erfahrung Ursache der Hoffnung ? 311 „ 6 Sind junge und trunkene Menschen überreich an Hoffnung? 314 „ 7 Ist Hoffnung Ursache der Liebe ? 317 „ 8 Trägt die Hoffnung zur Tätigkeit bei oder ist es so, daß sie dieselbe eher beeinträchtigt ? . . . . 319 Die Leidenschaften

41. Frage

Art. ,, ,, ,,

1 2 3 4

D i r F u r c h t an s i c h S. 321—333 Ist Furcht eine Leidenschaft der Seele? . . . . Ist die Furcht eine besondere Leidenschaft? . . Gibt es eine naturhafte Furcht ? Kann man sinnvoll von Arten der Furcht sprechen?

321 324 327 330

42. Frage

Art. 1 „ „ ,, ,, „

668

2 3 4 5 6

D e r G e g e n s t a n d der F u r c h t S. 334—350 Ist das Gute Gegenstand der Furcht oder das Übel? Ist das Naturübe] Gegenstand der Furcht ? . . . Gibt es Furcht vor dem Übel der Schuld?. . . . Kann die Furcht selber gefürchtet werden? . . Wird das Plötzliche mehr gefürchtet ? Wird das mehr gefürchtet, wogegen es kein Heilmittel gibt?

334 337 340 343 345 348

Art. 1 ,, 2

43. Frage D i e U r s a c h e der F u r c h t S. 351—356 Ist die Liebe Ursache der Furcht? Ist der Mangel Ursache der Furcht ?

Seite

351 354

44. Frage

Art. „ „ „

1 2 3 4

D i e W i r k u n g e n der F u r c h t S. 357—368 Bewirkt Furcht Beklemmung ? Macht die Furcht zum Rat bereit? Macht die Furcht zittern? Behindert die Furcht die Tätigkeit?

357 361 364 366

45. Frage

Art. ,, „ „

1 2 3 4

Art. 1 ,, 2 „ „ „ ,, ,,

3 4 5 6 7



8

Die K ü h n h e i t S. 369—381 Ist Kühnheit der Furcht entgegengesetzt ? . . . Tritt die Kühnheit im Gefolge der Hoffnung auf? Ist irgendein Mangel Ursache der Kühnheit? Sind die Kühnen im Anfang entschlossener als in der Gefahr selbst ? 46. Frage D e r Z o r n in s i c h b e t r a c h t e t S. 382—406 Ist der Zorn eine eigene Leidenschaft? Ist der Gegenstand des Zornes das Gut oder das Übel? Ist der Zorn im begehrenden Strebevermögen? Ist der Zorn vernunftgeleitet? Ist der Zorn naturhafter als die Begierde? . . . Ist Zorn schwerer als Haß? Richtet sich der Zorn nur gegen jene, denen gegenüber es Gerechtigkeit gibt? Ist es sinnvoll, von Arten des Zornes zu sprechen ?

369 371 374 378

382 385 388 390 393 397 401 404

47. Frage des Z o r n e s und s e i n e H e i l m i t t e l S. 407—419 Ist der Beweggrund des Zornes immer etwas, das gegen den Zürnenden geschehen ist? 407 Ist Geringschätzung oder Verachtung allein schon Beweggrund zum Zorn ? 410 Ist die Überlegenheit des Zürnenden Ursache des Zornes? 414 Ist die Unzulänglichkeit eines Menschen Grund, daß wir leichter gegen ihn zornig werden? . . . 417

Die Wirkursache Art. 1 ,,

2



3



4

669

Seite

Art. 1 „ 2 ,, 3 ,,

4

48. Frage Die W i r k u n g e n des Zornes S. 420—432 Verursacht der Zorn Freude ? Verursacht a m meisten der Zorn Glut im Herzen ? H i n d e r t a m meisten der Zorn den Vernunftgebrauch? Verursacht der Zorn Schweigsamkeit?

A n m e r k u n g e n [1—77]

420 423 427 430

433—461

Kommentar S. 465—618 Einleitung

465 Erster Teil

Die m e n s c h l i c h e n L e i d e n s c h a f t e n im a l l g e m e i n e n (Fr. 22—25) 1. K a p i t e l : Das Wesen der Leidenschaft (Fr. 22) . . . . 473 I . Erleiden im metaphysischen Sinne (475) I I . Erleiden im psychologischen Sinne (478) •— Erleiden im sinnenhaften Strebevermögen (478) — D e u t u n g der Leidenschaft als leiblich-seelischen Vorganges (484) — Die leiblichen Vorgänge in der Leidensehaft (485) — Die Art der Wechselbeziehung zwischen dem Leiblichen u n d dem Seelischen (488) I I I . Leidenschaft u n d Wille (493) 2. K a p i t e l : Abgrenzung der A r t e n . Ihre innere Zuordnung (Fr. 23 u. 25) 495I . Das begehrende u n d überwindende Strebevermögen (495) I I . Gegensätzlichkeit der Leidenschaften (504) I I I . Die verschiedene W i r k k r a f t des Gegenstandes (507) 3. K a p i t e l : Der sittliche W e r t der Leidenschaften (Fr. 24) I . Lenkbarkeit der Leidenschaften durch den Geist (510)— Möglichkeit der Lenkung (510) — Vollzug der Lenkung (512) — Pflicht der Lenkung (513) I I . Leidenschaft u n d Geist im Widerspruch (514) — Wille u n d Leidenschaft (514) •—• Spannungen u n d Gefahren (516) I I I . Ausgleich in der Ganzheit (518) — Anteil der Leidenschaft a m sittlichen T u n (518) — Vorrang des Geistes im sittlichen Tun (522) 670

510

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Zweiter Teil Die menschlichen L e i d e n s c h a f t e n im einzelnen (Fr. 26—48) Erster Abschnitt Die Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens (Fr. 26—39) 1. K a p i t e l : Über die Liebe (Fr. 26—28) 530 I . Ihre Wesensbetrachtung (Fr. 26): Liebe als Streben (530) — Liebe als Leidenschaft (533) — Liebe als geistige bzw. sittliche Antriebskraft (534) — Zwei Grundformen der Liebe (535) I I . Ursachen der Liebe (Fr. 27): Vom Gegenstand her (537) — Vom Subjekt her (540) I I I . Wirkungen der Liebe (Fr. 28): Affektive Einung als Wirkung der Liebe (542) •— Selbstliebe und Freundesliebe in ihrem gegenseitigen Bezug (547) 2. Kapitel: Über den H a ß (Fr. 29) 553 Wesen des Hasses (553) — Zwei Grundformen (554) — Ursache des Hasses (555) — Grenzen des Hasses (556) 3. Kapitel: Begierde u n d Sehnsucht (Fr. 30) 556 Wesen der Begierde (556) — Einteilung der Begierde (558) — Maß der Begierde (559) 4. K a p i t e l : Lust u n d Freude (Fr. 31—34) 561 I. I h r e Wesensbetrachtung (Fr. 31): Wesen der Lust (561) — Die beiden Grundformen der Lust (563) — Vergleich zwischen Lust u n d Lust (564) — Ihre Rangordnung (564) — Ihre Naturgebundenheit (568) — Ihre Gegensätzlichkeit (569) I I . Ihre ursächlichen Zusammenhänge (Fr. 32): Innere Ursachen (570) — Äußere Ursachen (574) I I I . Wirkungen der Lust (Fr. 33) 575 IV. I h r sittlicher Wert (Fr. 34): Der sittliche W e r t von Lust u n d Genuß (579) — Verhältnis von Lust u n d Freude zum sittlichen A k t (581) 5. Kapitel: Schmerz u n d Trauer (Fr. 35—39) 582 I . Ihre Wesensbetrachtimg (Fr. 35) 582 I I . Ursachen der Trauer (Fr. 36) 584 I I I . Wirkungen der Trauer (Fr. 37): Die seelischen Auswirkungen (585) — Die körperlichen Auswirkungen (585) IV. Heilmittel der Traurigkeit (Fr. 38) 587 V. Der sittliche Wert der Trauer (Fr. 39): Der sittliche W e r t der Trauer in sich (588) — Die Aufgabe von Schmerz u n d Trauer im sittlichen Leben (589) Zweiter"Abschnitt Die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens (Fr. 40—48) 1. Kapitel: Hoffnung u n d Verzweiflung (Fr. 40) . . . . 590 Wesensbetrachtung der H o f f n u n g (591) — I h r Gegen671

stand (591) — Vollzugskraft der Hoffnung (593) — Eine Schwierigkeit (598) — Wesensbetrachtung der Verzweiflung (599) — Ursächliche Zusammenhänge der Hoffnung (600) — Das Können (601) — Das Wissen um das Können (601) — Entschlossenheit und Wagemut (601) 2. Kapitel: Über die Furcht (Fr. 41—44) Ihre Wesensbetrachtung (Fr. 41): Die Furcht in sich (603) — Angst und Furcht (604) — Einteilung der Furcht (605) Gegenstand der Furcht (Fr. 42) Ursachen der Furcht (Fr. 43): Die seelischen Dispositionen (607) — Die körperlichen Dispositionen (607) Ihre Auswirkungen und Wirkungen (Fr. 44): Körperliche Auswirkungen (608) — Seelische Auswirkungen (609) — Geistige Auswirkungen (609) 3. Kapitel: Über die Kühnheit (Fr. 45) Wesen der Kühnheit (610) —- Ursache der Kühnheit (610) — Auswirkungen der Kühnheit (611) 4. Kapitel: Über den Zorn (Fr. 46—48) Seine Wesensbetrachtung (Fr. 46): Der Zorn in sich (611) — Gegenstand des Zornes (612) — Eigenschaften des Zornes (612) — Grundformen des Zornes (613) — Arten des Zornes (614) Ursachen und Heilmittel des Zornes (Fr. 47): Gegenstand des Zornes (614) — Subjektive Dispositionen (615) Seine Auswirkungen und Wirkungen (Fr. 48): Die Genugtuung als Wirkimg des Zornes (615) — Auswirkung im Physiologischen (616) — Einfluß auf den Verstand

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Ergebnis Aristotelischer Kommentar A n h a n g : Nachträge Literaturverzeichnis Alphabetisches Namen- und Sachverzeichnis Alphabetisches Autorenverzeichnis Heilige Schrift

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617 619—629 630 633 637 658 662